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Full text of "Berliner Tierärztliche Wochenschrift 19.1903"

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UBKAOT 

SRSXTY OF CALIFORNIA 
DAVIS 



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/ 


l 









Berliner 



Redaktion: 

Professor Dr. Schm&ltz- Berlin. 

Verantwortlicher Redakteur. 


De Bruin 

Professor 

Utrecht. 


Dr. Jeß Kfthnau Dr. Lothes Neverm&nn 

Kreistierarzt Schlaclithofdirektor Departomentstierarzt Kreistierarzt 


Charlottenbnrg. Cöln. 

Cöln. 

Bremervör 

Peters 

Prenße 

Dr. Boeder 

Departements tierant 

Veterinir assessor 

Professor. 

Bromberg. 

Danzig. 

Dresden. 

Dr. Schlegel 

Dr. Vogel 

Zündel 

Professor 

Landestierarzt v. Bayern. 

Kreistlorarzt 

Freibarg i. Br. 

München. 

Mülhausen i. E. 


Prof. Dr. Peter 

Kreistierarzt 

Angermün de. 


Jahrgang 1903. 



Berlin 1903. 

Verlag von Richard Schoetz. 

Luisenstraße 36. 

LIBRARY 

UNIVERSTTV OF CALIFORNIA 

DAVIS 


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Sachregister. 

(Die Zahlen hinter den einzelnen Sätzen bedeuten die Seitenzahlen.) 
(Die Sätzo mit kleiner Schrift zlnd Hinweise auf die medizinische Literatur.) 


Aachener Beschaustelle für Auslandsfleisch 
(Verfüg, d. Landw.-Minist.). 705. 

Abdeckerei: Tierkörpermehle. — Vortrag über 
dieselbe von Dammann. 525 (Anmerkung 
dazu. 539). 

Abdeckereigewerbe. Kammergerichts - Ent¬ 
scheidung (betr. Nichtverpflichtung d. Abd. 
zur Abholung von Geflügelkadavern). 436. 

Abgeordnete! — Tierärzte als — 189. 

Abgeordnetenhauses. — Verhandlungen des — 
s. unter Tagesgescbichte (Staat sveterinär- 
wesen). 

Abiturientenexamens. — Dankesbezeugungen 
des deutschen Veterinärrates für Ein¬ 
führung des — 266; vgl. dazu a. Ehren¬ 
bezeugungen der Tierärzte Bayerns. 269. 

Abortus. — Der Bazillus des seucbenhaften — 
v. Preisz. 158. Desgl. 226. 

Abortus der Stuten. — Über den epizootischen 
v. Guillerey. 6. 

Abszesse in inneren Organen s. Argentum 
colloidale. 

Acarus folliculorum cuniculi. Orig.-Art. v. 
Pfeiffer-Kaumi. 155. 

Acidum carbolicum gegen Milzband s. d. 

Acne durch Jodaceton. — Behandlung der — 
v. Gallois und Courcoux. 559. 

Acne contagiosa des Pferdes. — Behandlung 
der — v. Joly. 559. 

Acne s. Hefe. 

Aderlaß bei Lungenentzündung v. Sturhan. 
691. Desgl. bei Hufrehe s. d. Art. v. 
Hoffmann. 293. 

Aderlaß bei Urämie v. Jacritch 283. 

Adrenalin. — Versuche über — v. Bouchard 
u. Clode, Carnot u. Josserand. 606. 

Adrenalin gegen Darmblutungen bei Typhus v. Graesor u. 
gegen Lungouhlututigcn bei Phthisikern v. Lange. 636. 

Adrenolin v. Liautard. 344. 

Äthornarkose v. Hartog. 777. 

Affekte s. Psychologie. 

Afrika (s. a. Natal, Rbodesia, Transval): 
Finnen, Horse-Sickneß, Koloniale Vete¬ 
rinärkonferenz, Kolonialtierärzte, Rinder¬ 
pest und Rinderpestimpfung, Rotz, Stilesia 
hepatica bei Schafen und Ziegen Ost¬ 
afrikas, Texasfieberähnliche Erkrankung 
in Ostafrika, Tierzucht und Tierseuchen 
in den deutschen (afrikan.) Schutzgebieten, 
Zebraparasiten. 

After. — Ausscheidung fötaler Knochen durch 
den — v. Perusset. 535. 

Agglutination: Wesen dors. v. Asakava 778j — der 
8taphylokokken v. Otto. 428; — zur Identifizierung 
von Bakterien v. Bruns u. Kayser. 461. 

Agglutlnine: v. Wassermann. 146; ihre Bildung in 
Embryonen v. Jurewitsch. 69; Immunisierung des 
Typhusbazillus gegen dieselben v. Müller. 82. — 
8. a. Galle, Hämolysine. 


| Agurin (neues Diuretikum): v. Nusch. 30; v. Heye. 146; I 
j v. WatcfT. 596. 

i Airol. 714. 

Akarusekzems beim Hunde. — Ein Fall von 
Heilang des — Orig.-Art v. Scheben. 482. j 

I Akofn-Kokatn zur Lokalanästhesie v. Krause. 595. 

Aktinomykome. — Behandlung der in der 
Schlund- und Kehlkopfgcgend vorkommen¬ 
den — v. Kolb. 283. 

Aktinomykose: Erforschung v. Mertens. 65; v. Levy. 69; 
Färbung in Schnitten v. Ciechanowskl. 146; — der 
j Fußwurzelknochen v. Bollinger. 112; — des Unter- 

I kiefers v. Bruns. 145; — der Zunge v. Smirnow. 429. 

Aktinomykose s. a. Teer. Lungenaktinomy- 
kose. Jodvasogen. 

: Aktinomykotischen Tumors. — Behandlung 
eines--— v. Farmagalli. 8. 

; Alaun zur Wundbehandlung v. Hanke, von 
I Parpart, Schefcrling, Dernbach, Saar. 655. 

i Albuminurie, alimentäre v. Bonfanti. 693. 
i Alkohol: Arzneimittel v. Buch. 331; Nahrungsmittel v. 
Caspary. 68; Einfluß auf die Herzgröße v. Bickel. 693. 

j Alter eines Pferdes. — Hohes — v. Meynard. 
667. 

Ambozeptoren, hämolytische v. Morgenrot 82. 

i Amerika: Maul- undKlauenseuchebekämpfung. 
17. 241. — Boraxverbot, Chicago, Fleisch¬ 
ausfuhr, Fleischextraktfabriken, Fleisch-J 
schaustatistik, Schweinepackgeschäft, 
Viehaußenhandel (im J. 1901). 

! Amerikanische Fleischwarenbezeichnungen. 
633. 

j Amputation einer Stollbeule s. d. 

j Amselsouche s. Turdus. 

; Anämie durch Botriocephalus'latus. Tödliche — v. Zinn. 

| 294. 

Anärobenztlchtung v. Rivas. 43. 

Anästhesie s. Yohimbin. 

Anästhcsin s. Subkutin. 

Anästhol zur Herstellung von Gefrlersclinittcn v. Katz. 461. 

j Anatomie durch Leonardo da Vinci und die 
Wiederauffindung zweier Schriften des¬ 
selben. — Die Begründung der modernen 
— v. Jackschat. 479. 

Anatomische Präparate: ihre Aufbewahrung v. Claudius. 
331. 

Anatomisches s. Caudae humanae. Fett (im 
kryptorchid. und norm. Hoden). Hörner¬ 
gestaltung beim Rinde. Retina. 

Angina tonsillaris u. Wurmfortsatz v. Weber. 30. 

Anhalt: Bestimmungen über Zuchtstierhaltung. 
574. — Untersuchungspflichtigkeit der 
Hausschlacbtungen. 527. 

Anmaßung eines öffentlichen Amtes (das des 
Fleischbeschauers. Straf k.-Ur teil). 767. 
Anmeldung der ärztlichen Praxis (und der 
Heiltätigkeit nicht approbierter Personen) 
im Reg.-B. Düsseldorf. 35. Desgl. in 
Berlin. 75. 


Anqnillula des Pferdes. — Eine parasitische 
— v. Jerke. 390. 

Anthrakasc s. Milzbrand. 

Antlirasol und seine therapeutische Verwertung v. Sack 

u. Vieth. 345. 

Antikörper: aus Blut Karzinoraatöser v. Engel 777; spe¬ 
zifische A. nach kutaner Infektion v. Kasten. 607. 

Antilytische Sera n. Lyslne v. Donath u. Landsteiner. 451. 

Antistreptokokkensera: v. Sommerfeld405; beim Menschen 

v. Mcnzer. 476. 

Antitoxin s. Totanus. Ileufieber. 

Antiveninbereitung. 713. 

Aphthenseuche auf den Menschen. — Einen 
Fall von — v. Rossi. 752. 

Apiosoma s. Protozoenbefunde. 

Apomorphinum hydrochloricum s. Lecksucht 

Apotheker s. unter TageBgeschichte. 

Apothekerkurpfuscherei s. unter Tages¬ 
geschichte. 

Apparate und Instrumente: Bolzenschu߬ 
apparat, Bullenringe, Drahtsäge, Embryo¬ 
tom, Fleischbeschaustempel, Fleischsteri¬ 
lisator, Flessasche Zange, Gummimaske 
zur Anwendung von Sauerstoff s. d., 
Gundelachsches Untersuchungsmesscr, 
Leibchenschurzhose, Lufikatheter, Milch¬ 
untersuchungsbesteck, Ohrmarke, Ope¬ 
rationshosen, Pyrol, Schädelbalter, Schu߬ 
bolzenapparat, Zange zur einfachsten 
Kastrationsmethode s. d. 

Appendicitis s. Oxyuris. 

Argentinien: Einfuhrverbot in England auf¬ 
gehoben. 629. — Maul- und Klauenseuche. 
633. 

Argentum colloidale bei Morbus maculosus 
v. Laabs; bei Pneumonie, Abszessen in 
inneren Organen, Phlegmonen; in der 
Wundbehandlung v. Biesterfeld. 726 u. 
727. Desgl. bei Milzbrand v. Fäustle. 427. 

j Argentum colloidale, Wort u. Wirkung v. Cohn. 43. 

Aristochln v. Swoboda. 608. 

Arsenik b. Beschälseuche. 

Arthritis purulenta traumatica. — Unter¬ 
suchungen über die — v. Fauerbach. 690 

Arthritische Diathese s. Vererbung. 

Arzeneimittel. — Vergiftungen duroh — s. d. 

Arzeneimittel (s. a. Vergiftungen): Acidum 
carbolicum, Aderlaß, Adrenalin, Adrenolin, 
Airol, Alaun, Argeptum colloidale, Apo¬ 
morphinum, Arsenik, Asterol, Bacillol, 
Baldrian, Bleizucker, Cannabis, Chlor- 
baryum, Chloroformwirkung, Enteroklyse, 
Eisenchlorid, Epitholgold und Epithol- 
silber, Eserin-Arecolin, Eserinwirkung, 
Ester-Dermasan, Fango, Glyzerin, Hefe¬ 
behandlung, Hydrargyrum oxycyanatum, 
Ichthargan, Jod, Jodaceton, Jodipin, Jod¬ 
kali, Jodoien, Jodtinktur, Itrol, Kalk, 


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IV 


Karbolsäure, Lecithin, Luft, Lysol, 
Morphium, Natrium jodicum, Phosphor, 
Pilocarpin, Plumbum nitricum, Roborin, 
Sauerstoff, Silbertherapie, Tannalborin, 
Tannoform, Teer, Thigenol, Vasogen- 
präparate. 

Arzeneimittel: Adrenalin. Agurin. Alkohol. Anthrasol. 
Argentum. Argurin. Aristochin. Aspirin. Atoxyl. 
Bazlllol. Biorhefe. Borax. Borsäure. Brucin. 
Chlorbaryum. Citarin. Citrophen. Empyroform. 
Euchonin. Hefe. Helmltol. Ichthargan Jodoform. 
Iaarol. Kankroln. Karbolsäure. Kokain. Lactagol. 
Lysoforro. Lyaol. Menthol. Mesothan. Morphin¬ 
derivate. Naphtalan. Natrium biboracicura. Pegnin. 
Phosphor. Pilocarpin. Protylin. Pyrenol. Queck¬ 
silber- und Phenelpräparate. Salochinin. Salokreol. 
Subkutin. Snblamin. Theocin. Tbymianpräparate. 
Thymol. Triferrin. Uroain. Urotropin. Veronal. 
Wasserstoffsuperoxyd. Wismol. Yohimbin. 

Ascaris megalocepbala v. Schimmelpfennig. 
356. 

Aspirin v. Watcff 596; Vergiftungserscheinungen nach A. 
v. Franke. 536. 

Asterol. 714. 

Atoxyl. Klinische Erfahrungen mit — v. Biringcr. 596. 

Atresia ani bei einem Kalbe. — Orig.-Art 
v. Plate. 483. 

Auge: Conjunctivitis s. Ichthargan, Hornhaut¬ 
trübungen, Retina der Katze. 
Augenentzündung, periodische und Jodkali 
s. d. 

Augenhintergrund-Photographie des Menschen ▼. Thorner. 
464. 

AusfUhrungsbestimmungen zum Fleischbe- 
sebaugesetz s. d. 

Ausstellungen: Berlin-Charlottenburger 
Automobiiausstellung. 139. Dazu Orig.- 
Art. v. Molthof. 353 — Berliner Mast- 
viehausstellung. 107. Dazu Orig.-Art. 
v. Kühnau. 380. — Hamburger Aus¬ 
stellung für hygienische Milchversorgung: 
Preisangaben. 46. Nähere Mitteilungen. 
84. 99. 101. Allgemeiner Überblick. 245. 
Tagesprogramm. 275. Ehrenpreis für Pro¬ 
fessor Ostertag. 314. Verlängerung. 334. 
Spezialausstellung von Professor Happicb. 
348. Referat Uber die Ausstellung und 
einzelnen Vorträge von Stödter. 392. 
405. 415. — Hamburger Mastvieh- 
ausstellung. 660. — Hannoversche 
Ausstellung der deutschen Landwirt- 
schaftsgesellschaft s. d. — Nürnberger 
Ausstellung des Erfindervereins. 480. — 
St. Louiser Viehausstellung und Milch¬ 
konkurrenz. 634. 

Australien: Folgen der Dürre. 634. 

Auswaschung des Körpers bei toxisch-infektiösen Zu¬ 
ständen v. Mamlock. 021. 

Automobil s. Ausstellungen. 
Automobilausstellung in Charlottenburg: 
Motorzweiräder. — Orig.-Ait. v. Wolthof 
353. s. übr. unter Ausstellungen. 
Axendrehung des Mastdarmes beim Pferde. — 
Geheilte — v. Sigl. 67. 

Babylonische Veterinärtaxe s. Hammurabi. 
Bacillol v. Kühn, Becker, Pautke. 130. 

Bacillus pertussis, Erreger des Keuchhustens v. Joch¬ 
mann u. Moltrecht. 428. 

Bacillna prodigiosua v. Bertarelli. 501. 584. 

Baden: AusfUhrungsbestimmungen zum 

Reichsfieiscbbeschaugesetz. 173. — Wir¬ 
kung des Fleischbeschaugesetzes be¬ 
sprochen v. Kühnau. 243. — Veterinär¬ 
wesen s. a. die BUcheranzeige. 247. — 
Bekämpfung des Ansteckenden Scheiden¬ 
katarrhs. 506. 

Bakterien. Beiträge zur Morphologie der pathogenen — 
v. Sani. 263. 

Bakterien: Herstellung spezifischer Substanzen aua ihnen 
v. Brieger u. Mayer. 331. 


Bakterienabsterben bolm Kochen unter erniedrigtem 
Druck v. Schut jr. 678. 

Bakterienabtötung. Seiffertsches Verfahren 
der —. 416. 

Bakterienabtötung im Wasser mittelst Ozon v. Proskauer 

u. Schilder. 694. 

Bakterienantagonismus v. Lohde. 158. 

Bakterienfiora des Schweinedarmes s. d. 

Bakteriengehalt des Zitzenkanales v. Uhlmann. 790. 

Bakterienbämolysine apez. Colllysln, v. Kayaer. 68. 

Bakterienhäinolyslns an die roten Blutkörperchen. — 
Bindung dea — v. Volk. 729. 

Bakteriensporen: ihr WideratandavermOgen gegontlbcr 
dem Licht v. Janaen. 331. 

Bakteriologischen Instituts der Landwirt¬ 
schaftskammer für die Provinz Sachsen. — 
Jahresbericht des — erst. v. Raebiger. 639. 

Bakteriologisches: s. Abortus, Cerebro¬ 
spinalmeningitis, Corynebacterium ab¬ 
ortus endemici s. Abortus, Eitererreger 
des Rindes, Erreger, Fäulnis, Gutturo- 
myces, Hyphomycosis, Malaria des 
Rindes, Mal de Caderas, Mastitis, Micro- 
coccus tetragenus s. Mastitis, Nekrose¬ 
bazillus, Pseudotnberkelbazillen, Red- 
water, Scheidenentzündung, Schimmel¬ 
vegetation, Schweinedarm, Surra und 
Nagana, texasfieberähnliche Erkrankung, 
Trypanosomen. Wutmikrobe. 

Bakteriologisches: Agglutinine. Aktinomykose. Ambo¬ 
zeptoren. AnaerobcnzOcbtung. Bacillna. Bakterien. 
Botryomykose. Colibaktcrien. Giftstoffe. Hacmag- 
glutination. Milzbrand. Pest Puerperalfiebor. Rotz. 
Ruhrbaiillus. Saizlna. Sera. Staphylokokken. 
Siraßenvirus. Streptokokken. Syphilisbazillon. Te¬ 
tanus. Tollwut Trypanosomiasis. Tuberkulose. 
Typbus. Verwerfen. 

Baldrian bei Kolik v. Doliwa. 726. 

Bandwurm s. Stilesia. • 

Barlowache Krankheit v. Heubner. 255. 

Bart. — Das Pferd mit dem — v. Dalan. 535. 

Bauchhernien. — Zur Ätiologie der —■ v.Kofler. 
233. 

Bauchpresse bei der Geburt s. Kontraktionen. 

Bayern: (s. Ministerialerlasse) Militärveteri¬ 
näre und Militärveterinärkorps. 83, 332. 
— Influenza unter den Pferden. 99. — 
Landes-Pferdeversicherungsanstalt (Jah- 
res-Geschäftsbericht). 322. — Aus Bayern 
(Ordens- und Adelsverleihung an Landes¬ 
tierarzt Göring). 429. — Tuberkulin¬ 
impfungen (im Jahre 1901). 438. — Tuber¬ 
kulose unter den Schlachttieren (1902). 
629. — Amtstierärztliche Prüfung im 
Jahre 1903. 680. — Ehrenbezeugungen 
der Tierärzte Bayerns (bei Einführung 
der Universitätsreife). 269. 

Bazillen bei Python vetlcularis. — Über säurefest« — 

v. Hansemann. 501. 

Bazlllol s. Händedeslnflzlentien. 

Beamtenverein, preußischer. 480. 

Beckenfuge bei der Kuh. — Zerreißung der — 
v. Zimmerer. 67. 

Befruchtung s. künstliche. 182. 

Befrachtung, künstliche, bei Säugetieren v. Iwanoff. 561. 

Belgien: Seuchenstatistik. 18, 318, 508, 702. 

Beri-Beri s. Lepra. 

Berlin: Ausstellungen. — Schlachthofberichte: i 
22. 107. 175. 246. 336. 383. 573. 634. 816.' 
— Tierärztliche Hochschule s. unter 
Tagesgeschichte. 

Berliner Mastviehausstellung 1903. — Orig.- 
Art. v. Kühnau. 380. 

Beschälseuche bei Hengsten (mit Arsenik). 
— Die Behandlung der — v. Archangelsk 
u. Tschernogoroff. 6. 

Beschauer s. Fleischbeschauer. 

Beseitigung untauglichen Fleisches (Polizei- 
verord. in Husum). 705. 


Beschlagnahme beanstandeten Fleisches s. 
unter Fleischbeschau. Definitionen und 
Entscheidungen. 

Betäubungsapparat s. Schußbolzenapparat. 

Beulenpest s. Seruratherapio. 

Bierhefe s. Hefe. 

Bierhefe in der Tierheilkunde v. Petersen. 231. 

Bierhefe: zur Erysipelbehandlung ▼. Czlstowicz 777 ; bei 
Streptokokken- u. Staphylokokkeninfektion v. Turro, 
Taruella, Presta 428; iherapeut. Wirkung v. 
Goliner. 596. 

Biologischen Unterrichts auf den höheren 
Schulen. — Verbesserung des — Vortrag 
v. Kräpelin. 722. 

Bläschenseuche der Rinder. — Zur Behandlung 
der — Orig.-Art. v. Joh. u. H. Streit. 496. 

Blasensteine bei Hunden. Orig.-Art. v. Arnous. 
674. 

Bleizucker, Spezifikum gegen Malaria des 
Rindes s. d. 

Bleivergiftung. 786. 

Blut s. Haomolysine. Agglutination. Agglutinine. Hämo¬ 
lytische Vorgänge. Leukorytcn. I.yaine. 

Blut, mütterliches und kindliches, uud Fruchtwasser von 
Zangcmclstcr u. Mciül. 309. 

Blutbildung, embryonale v. Jost 198. 

Bluterkrankungen, insbesondere Malaria des 
Rindes s. d. 

Blutfärbung v. Lnporter. 406. 

Blutfermente, bacteridde u. globulicide, v. Lingelsbelm 146. 

Blutfleckenkrankheit mit Ichthargan. — Be¬ 
handlung der — v. Lange. 425. 

Blutgefrierpunkt u. Nierenfunktion v. Th. Cohn. 130. 

Blutharnen s. a. Malaria. Haematurie. 

Blutharnen. — Einiges über das — Orig.-Art 
v. Simon. 51. 

Blutharnens der Rinder. — Dr. Kochs Bericht 
über Behandlung des — 750. — Desgl. 
Rationelle Behandlung d. Bl. d. R. — 
Orig.-Aft v. Evers. 793. 

Blutplättebongenese v. Schneider. 789. 

Blutreaktion von Tieren, die an Milzbrand 
verendet sind v. Fadyean. 329. 

Blutstrom s. Muskelkontraktion. 

Blutuntersuchung (für forens. Zwecke). 
Justizm.-Erlaß. 760. 

Bolzenschußapparat v. Schräder. 287. 

Boraxverbot in Amerika. 107. 

Borax- u. Borsäuro-Wlrkung v. Liebreich 9; v. Wlley 82; 
v. Rost )30, 184; v. Liebreich 283; Beweis für die 
Unschädlichkeit v. Liobreich bzw. Noorden. 266. 

Bornasche Krankheit (s. a. Cerebrospinal¬ 
meningitis): v. Baebiger. 640; Heilungs¬ 
versuche mit Lecithin und Ichthargan. 
761; Verbreitung in Deutschland. 567. 

Borsäure als Konservierungsmittel v. Merkel. 
345. 

Borsäure behandeltem Fleisch in Frankreich. 
— Verbot der Einfuhr von mit —. 572. 

Botryomykose v. Savarinud u. Degny. 310. 

Botriocephaius latus s. Anämie. 

Böhmen: Massenvergiftung durch Fleisch¬ 
genuß. 634. 

Bösartige Geschwülste b. d. 

Brand, nomatöser, v. H. von Ranko. 112. 

Braunschweig: Dispensierrecht. 161. 

Brennens. — Die Wirkung des perforierenden 
— v. Goldbeck. 426. 

Bronze-Diabetes v. Kuckein. 283. 

Brucin, ein neues Gegenmittel boi Morphinismus, von 
Fromme. 500. 

Brustseuchepneumonie s. Sauerstoffinhala¬ 
tionen. Aderlaß. 

Brustseuche mit Sauerstoff. — Zur Behand¬ 
lung der. — Orig.-Art. v. Toepper. 37. 

Brüche: s. a. Hernien, Pseudo-Perinalhernie, 
Skrotalhernie, Überwurf. 


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V 


Brüsseler hygienisch-demographischer Kon¬ 
greß. 571. — Beschlüsse desselben über 
den Milchverkauf. 632. 

Bücheranzeigen: 22 Ellenberger - Baum- 
Dittrich Anatomie der Tiere für Künstler. 
Teisi-Matzuschita bakteriolog. Diagnostik. 
Oppenheim die Gefahren des Fleisch- 
genusses nnd ihre Verhütung. Buchka 
Gesetz betr. die Schlachtvieh- und Fleisch¬ 
beschau. Verkehrsbuch für den Breslauer 
Schlachtviehmarkt 1902/3. Mittermaier 
das Schlachten. — 36 Csokor gerichtl. 
Tiermedizin und tierärztl. Gesetzeskunde. 
Nörner prakt. Rindviehzucht. Müller 
tierärztl. Rezeptier- und Dispensier¬ 
kunde. — 59 Bermbach Veröffent¬ 

lichungen aus den Jahresberichten der 
beamt. Tierärzte Preußens 1901. — Gold¬ 
beck Gesundheitspflege der Militärpferde. 

— 108 Tereg Grundriß der Elektro¬ 
therapie für Tierärzte. — 124 Ostertag 
Leitfaden für Fleischbeschauer. Ders. 
Wandtafeln zum Unterricht in der Fleisch¬ 
beschau. — 139 de Bruin Geburtshilfe 
beim Rind. — Edelmann Lehrbuch der 
Fleischhygiene. — 161 Cremat Wie Milli¬ 
arden in der deutschen Landwirtschaft 
verloren gehen. Eine Kritik der deutschen 
Geflügelzucht — 192 Fischöder Leitfaden 
der praktischen Fleischbeschau. Jeß 
Kompendium der Bakteriologie und Blut¬ 
serumtherapie für Tierärzte und Studie¬ 
rende. — 208 Johne Taschenkalender für 
Fleischbeschauer. — 247 Hafner Veteri¬ 
närwesen im Großherzogtum Baden. 

— 260 Carl zur Ätiologie des Ge¬ 
burtsrauschbrandes. — Fischer Vor¬ 
lesungen über Bakterien. — 288 Malkmus 
Grundriß der klinischen Diagnostik. — 
Spindler Schlachtvieh- und Fleischbe¬ 
schaugesetz. — 323 Nocard-Leclainche 
les maladies microbiennes. — 443 Schröter 
das Fleischbeschaugesetz nebst preus- 
sischem Ausführungsgesetz und Aus- 
führungsbestimmungen, zusammengestellt 
und mit Anmerkungen versehen. Fröhner 
Lehrbuch der Arzneimittellehre. — 515 
Schröter Fleischbeschaugesetz.— Spindler 
Schlachtvieh- und Fleischbeschaugesetz. 
— Edelmann Fleischbeschaugesetzgebung. 

— 628 Der Deutsche Veterinärkalender. 

— 540 Möller klinische Diagnostik der 
äußeren Krankheiten der Haustiere mit be- 
sond. Berücksichtigung der Lahmheiten des 
PferdeB. — Meyer Praktikum der botani¬ 
schen Bakterienkunde. —Stein tierphysio¬ 
logisches Praktikum. — 552 Deutsch und 
Feistmantel die Impfstoffe und Sera. S. 
ferner 300. 336. 384. 408.600. 635.672.719. 

Bürgerliches Gesetzbuch. — Die Gewähr¬ 
vorschriften im — s. d. 

Buchführung auf Schlaohthöfen s. Tage¬ 
bücher. 

Büchners Anteil an der Entwicklung der Bakteriologie 
v. Qruber. 294. 

Buchweizenvergiftung. 787. 

Budapester Rotlaufschutzimpfstoff s. d. 

Budapester tierärztlicher Kongreß 1905 (Pro¬ 
gramm). 671. • 

Bullenhoden in der Wurst (Schöffengerichts- 
Urteil). 767. 

Bullenringen. — Zange zum Legen von — 
v. Flessa. 82. Dazu: Die Flessasche 


Zange zum Einlegen von Bullenringcn. — 
Orig.-Art. v. Zimmer. 301. 

Bundesratsbeschluß betr. Behandlung schwach 
trichinöser u. scbweineseuchekranker 
Schweine. 276. 

Buttermilch v. Rommel. 801. — Buttermilcbkomerve, ein I 
neues Säuglings-NlihrprSparqj v. 8elter. 476. I 

Butter zur Verbreitung des Typhus s. d. 

Calci um tartrat (im Vinum Colchici) s. unter; 
Pharmazie. ! 

Cannabis indica. — Einiges über den Ge¬ 
brauch der — v. Noack. 426. 

Caudae hnmanae t. Hennig. 283. 

Cerebrospinalmeningitis infectiosa der Pferde. 
— Beitrag zur Kenntnis der — Orig.-Art. i 
v. H. Streit. 577. 

Cerolia s. Hefe. 

Chicagoer Viehmarktauftrieb. 633. 

China s. a. Fleischbeschauwesen. 

Chinesische Pferdezucht, Märkte usw. in 
Schantnng s. d. 

Chiron s. Hermerus. 

Chlorbaryum in intravenöser Anwendung und 
per os bei der Kolik der Pferde. — Meine 
Erfahrungen mit — Org.-Art. v. Müller- 
Horneburg. 109. 

Chlorbaiyum: als Herzmittel v. Scbaedel 159; tberapeut. 
Verwendung v. von Tabora. 677. 

Chloroformwirkung bei Hunden. — Ein Bei¬ 
trag zur — v. H. Taylor. 389. 

Choleraimmunkörper v. Wolff. 891. 

Choleradiagnostlk. Untersuchungen Ober die bakterio¬ 
logische — v. Kölle u. Gotscblicb. 600, 69®. 

Christiania. — Milchverkehr in — Vortrag v. 
Jakobsen. 419. 

Cltarln gegen Gicht v. Fisch. 789. 

Citrophen in seiner therapeutischen Wirkung v. Fuchs. 753. 

Coagullne s. Haemolysine. 

Coccidiosis intestinalis beim Geflügel. — 
Orig.-Art. v. Eckard. 177. 

Colchici vinum s. unter Pharmazie. 

Collbacilosis Aiosae flntae v. Otto Vogel. 078. 

Colibacterien v. Cany 43; v. Kovarzik 146; v. Totsuka. 778. 

Colons per rectum. — Punktur des — v. 
Cunningham. 714. 

Conium maculatum. 7. 

Conjunctivitis s. Icbthargan. 

Corynebacterium s. Verwerfen. 

Cysticercus fasciolariB v. Bartels. XIV. 232. 

Cysticercus Taeniae Brauni Setti v. Linstow. 44. 

Dänemark: Seuchenstatistik. 318. 508. 701. — 
Tierärztestatistik. 758. — Wollausfuhr. 759. 

Dänische Kontrollvereine s. d. 

Dankesbezeugungen des Veterinärrates s. d. 

Darmblutungen s. Adrenalin. 

Darmdenaturiernngsmittel. 705. 

Darmdesinfektion durch Enteroklyse s. d. 

Darmstrangulation v. Wilms. 130. 

Darmtuberkulose v. Nebeltbau 601; v. Sorger 608; v. 
Wagner u. Heller. 777, 789. 

Darwinschen Theorie. Die Fehler der — v. Fleisch¬ 
mann. 730. — Entgegnung v. Rawltz. 777. 

Deckzellen s. Entzündungsprozeß. 

Degeneration. Morphologie und Chemie der fettigen — 
v. Rlbbert 729. 

Delphiniumarten s. Feinde der Haustiere. 

Denaturierung von Fett s. d., der Därme s. d. 

Departementstierärzte als Obergutachter in 
Fleischbeschaufragen. 638. 

Departementstierärzten? — Was wird aus den 
preußischen. — Orig-Art. v. Schmaltz. 
623. Hierzu: „ZurVeterinärreform.“ Orig.- 
Art v. L. 646. Dazu Bemerkungen v. 
Schmaltz. 658. S. übrig, unter Tages¬ 
geschichte. 

Dermasan s. Ester Dermasan. 


Dermatitis verursacht von Primula obconica v. Neu¬ 
börger. 113. 

Desinfektion von Viehtransportwagen s. Kar¬ 
bolsäure. 

Desinfektion: Innere mit Menthol v. Stern 406; der Hände 
▼. Engels 310, 346; von Tierhaaren v. Proskauer u. 
Elsner 451; Formaldebyddeslnfektion v. Spengler 55; 
desgl. v. Kokubo. 346. 

Deutschland: Tierseuchenjahrebbericht pro 
1901: Bornascbe Krankheit 567. Geflügel¬ 
cholera. Lungenseuche 316. Maul- und 
Klauenseuche 315. Milzbrand 14. Pferde¬ 
influenza (in Bayern) 99, (in Deutschland) 
567, (in Preußen) 376. Pferderäude u. 
Schafräude 375. Rauschbrand 15. Rotz 
239. Schafpocken 316. Schweineseuche 
und Schweinerotlauf 435. Tollwut 16. 
— Desgl. pro 1902: Maul- und Klauen¬ 
seuche 96. Schweineseuche 97. — Desgl. 
pro 1901/2 über die Schutzgebiete 762.— 
Quarantäneanstalten: Tuberkulose unter 
dem Quarantänevieh (1901) 760. Übersicht 
Uber die aus ihnen in öffentliche Schlacht¬ 
häuser eingeführten Rinder. Ergebnis der 
Fleischbeschau und Tuberkulinimpfung 
bei denselben pro 1902/3: 17. 18. 376. 
628. 761. — Seuchen - Monatsberichte 
(1903): 17. 47. 122. 151. 240. 267. 317. 
335. 374. 376. 407. 438. 468. 507. 539. 
567. 628. 660. 701. 761. - Quartais¬ 
berichte: 168. 317. 700. 

Dlabctej a. Phloridzindiabete». Bronzedlabetea. 

Diagnostische Kokaininjektion s. d. 

Diätetik u. Verwandtes: Desinfektion von Vieh¬ 
transportwagen s. Karbolsäure. Fütter¬ 
ungseinflüsse. Futterwert desMoorwiesen- 
benCs u. Lecksucbt. Kur- und Kinder¬ 
milchgewinnung (inkl. Stall- und Melk¬ 
hygiene) s.d. Milch. Musterstall. Odda. Peg- 
ninmilch. Pferdeheim. Protylin. Roborin. 
Schlachthöfe (Anlage, Betrieb, Hygienische 
Erfordernisse). Schulhygiene. Stärke¬ 
fütterung. Tierkörpermehle. Weidegang 
und Tuberkulose s. d. 

Digitalisvergiftung bei Enten und Hühnern. — 
Orig.-Art v. Kothe. 264. 

Dipbtberiebasillen —Immunisierung mit — v. Llpstein. 584. 

Dipbtberiebeilaeram: v. Bandi. 846; v. Kaasowltz. 464. 

Dipbtheritia s. a. Herzmyolyae. 

Dispensierrecht in Braunschweig. 161. 

Dispute und Streitfragen s. unter Tagesge- 
scbiohte. 

Distomen. — Zwei neue — v. Cohn. 44. 

Doktortitel: Abg Müller-Sagan im preuß.Land¬ 
tag über d. Nichtanerkennung des Schweiz. 
Dr. med. vet. in Pr. u. d. Verleihung d. Pro¬ 
motionsrechtes an d. deut. tierärztl. Hoch¬ 
schulen. 85. Bemerkungen dazu v.Schmaltz. 
160. — Abg. Schubart im sächs. Landtag 
über Verleihung des Promotionsrechtes an 
die Dresdener Hochschule. 806.—Anerkenn¬ 
ung des Schweiz. D. in Österreich-Ungarn. 
259; desgl. in Holland und Rußland. 468. 
— Bayer. Minist-Verf. betr. Anerkennung 
ausländ. Doktordiplome. 502. Bemerkungen 
dazu von Zobel. 587. — Bezirkskommandos 
und Doktortitel der Militärveterinäre. 679. 
— Dr. med. vet. in Österreich-Ungarn. 259. 
— Dr. phil. und Dr. med. (Ministerialerlaß). 
732. — Richterliche Wertschätzung des 
(med.) Doktortitels (Entsch. des Ober- 
landesger. Dresden). 75. — Wertung des 
D. seitens der Kommunen. 237. — 

Zur Promotionsfrage (Nichtanerkennung 
schweizerischer Diplome in Preußen). 758. 


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VI 


Drahtsäge v. van Staa. 81. 

Drehkrankheit bei Fischen v. Hofer. 500. 

Dresden: Tierärztliche Hochschule s. unter 
Tagesgeschichte. 

Drillingsmißbildung beim Kalbe. — Orig.-Art. | 
y. Neumann. 459. 

Dromedarkrankheit, verursacht durch ein 
Trypanosoma, s. d. 

Druse. — Ein Fall von — v. Fuchs. 535. 

Druse. — Einiges über Folgekrankheiten der 

— v. Kofler. 545. 

Druse. — Hefebehandlung bei — v. Ludewig. 
129. 

Droaeheilterum v. Plorkowski u. Jeß. 43. 

Drusenserum. 559. S. auch Gurmin. 

Dummkoller und Pilocarpin s. d. 

Dunstkalb s. emphysematöse Frucht. i 

Dysenterie. — Blutaerumtberapie bei — v. Kruse. 43. 112. 

Echinokokkus alveolaris s. multilocularis. — 
Studien über den — v. Melnikow. 403. 

Echinokokkus im Cerebellum eines Rindes 
v. de AngeliB. 390. 

Echinokokkus. — Intrakranieller — v. Wlesinger. 789. 

Ectopia testis congenita v. Katxenstein. 9. 

Ehrenbezeugungen der Tierärzte Bayerns an¬ 
läßlich der Einführung der Universitäts¬ 
reife. 269. 

Eidotterantiserum s. Serum. 

Eidotterantiserum v. Ottolenghi. 217. 

Kierstock mr Immunisierung v. Skrobansky. 729. 

Einfinnige Rinder. 766. 

Einfuhrbeschränkung s. Fleischpreise. 

Einfuhrverbotes gegen Argentinien und Uru¬ 
guay in England. — Aufhebung des — 629. 

Eisenchlorid bei Sommerwunden v. Jarmatz. 
655. 

Eitererreger des Rindes. — Ein Beitrag zur 
Kenntnis der — v. Künnemann. 308. 

Eitorungsprozosie: Leukocytenzählungen zu ihrer dia- 
gnosti .eben und prognostischen Beurteilung v. Wezel. 
358. 

Eiweißpräzipitierungsverfahren zum Nachweis 
von Wurstverfälschungen mit Pferde¬ 
fleisch s. d. 

Eiwelöbestimmnng, ultrainlkroskopiscbc, bei Albuminurie, 
v. Raehlmann. 789. 

Eiweißkörper der Milch. — Zur Kenntnis der Arteigenheit I 
der verschiedenen — v. Schloßmann und Moro. 294. 

Ekiri, eino Kinderkrankheit in Japan ▼. Ito. 094. 

Ekzembehandiung v. Averbacb. 44. 

Elefant s. Wurmkrankheit. 

Elektrischen Ströme auf das Pferd. — Über i 
die Wirkung der starken kontinuierlichen 

— v. Arloing. 728. 

Embryologisches: Blutbildung. Oeschlechtsbildung, Agglu- 1 
tinine, Fötus. 

Embryotoms. — Ratschläge bei der Hand-, 
habung des Pflanzseben. — Orig.-Art. v. 
Pflanz. 145. 

Emphysematöse Frucht. — Orig.-Art. von 
de Brnin. 493. 

Empyroform v. Sklarek. 500. 

Endovenöse Applikation der Medikamente v. Mendel. 
310. 358. 

England s. Großbritannien. 

Englisch - amerikanische Fleischwarenbe- 
zeichnungen. 633. 

Entartung infolge sozialer Einflüsse. — Erb¬ 
liche. — Vortrag v. Alsberg. 721. 

Enten s. Digitalisvergiftung. Magenwurm- 
seuebe. 

Enten-Massenerkranknngen v. Kampmann-Hirschbruch- 
Lange. 501. i 

Enteroklyse in der Tierheilkunde v. Kofler. 7. | 

Entfettungskuren v. Gerhard. 68. ( 


Entzündungsprozesses in den serösen Häuten : Fleischausfuhr Amerikas. 21. 

mit speziellen Beobachtungen Uber das I Fleischboschau(s.a.Trichinenschau): Denk- 
Verbalten der Deckzellen. — Ein Beitrag schrift des Vereins der Privattierärzte, 

zum Studium des — v. Tabusso. 620. betr. Einführung der obligat. Fleischbe- 

Entschädigungen für Fleischverluste. 848; für schau. 187. — Fleischbeschau außerhalb 

Milzbrand in Lippe. 506. der Schlachthöfe (Interesse der Privat- 

Enzyme v. Eijkmann. 763. tierärzte daran). 84. — Fleischbeschauliche 

Epitheliom, contagiosum des Geflügel, v. Marx u. Sticker. ■ Tätigkeit der Tierärzte. Ref. V. BongartZ. 

Epitholgold und Epitholsilber in der Chirurgie 609 und Korreferat v. Flatten. 610. — 

und Dermatologie v. Strauß. 461; bei Strenge gegen ausländisches (insonderheit 

Oberflächenwunden v. Christ u. Becker. minderwertiges aus Holland eingeführtes) 

644 . Fleisch. 259. — Wie sollen sich die Tier- 

Epilepsie. — Partus praematurus infolge s. d.i ärzte zur Einführung der allgem. obligat. 

Erbfehler der Privathengste in den Kör-' 1 leischbeschau stellen? Org.-Art. von 

Ordnungen s. d. Schmaltz. 55. Desgl. v. Opel. 114. 

Erbliche Entartung s. d. ! Fleischbeschauer: Anmeldung der 

ErdbestattuDg und Gesundheitspflege v. Matthes. 716 . Fleischbeschau bei dem tierärztlichen Er- 


Erdbunger s. phosporsaurer Kalk. 
Erfinderverein s. Ausstellungen. 

Erreger des Rotlaufs und der Geflügelcholera 
nach einer Hautimpfung in den inneren 
Organen von Mäusen nach weisen? — 
Wann lassen sich die — v. Tiede. 293. 

Erysipelbehandlung mit Bierhefe v. Czlstowicz. 777. 

Esel, vergiftet durch Conium maculatum s. d. 
Esel s. a. Tuberkulose. 

Eserin-Arecolin. — Intravenöse Injektion von 

— v. Barnick. 560. 

Eserinwirkung beim Hund v. Traeger. 293. 
Ester-Dermasan, ein neues, äußerlich anwend¬ 
bares Salizylpräparat v. Lemke. 777. 

Euchonln v. Seckelt 621. 

Euterkrankheiten. Vortrag v. Glage. 419. 
Euterentzündung s. Mastitis. 

Fährte s. Hundefährte. 

Fäulnis des Fleisches. — Untersuchung über 

— v. Tissier u. Martelly. 787. 

Fahrrad und Motorrad in der Praxis. Orig.- 

Art. v. Gaertner. 484. 

Fango in der tierärztlichen Praxis. — An¬ 
wendung des —. Orig.-ArL v. Anger¬ 
stein. 482. 

Favus bei Tier und Mensch v. Wendel. 608. 

Feinde der Haustiere in der Pflanzenwelt und ein 
giftiges Prinzip einiger Delphiniumarten 
(Delphocurarin). Mitteilung v. Heyl. 665. 
Fesselerosionen s. Ichthoform. 
Feflselbeinfissuren v. Wünsch. 499. 
Fesselgelenksverletzung s. Itrol. 
Festlichkeiten s. unter Tagesgeschichte: Lehr¬ 
anstalten. 

Feststellung der Tuberkulose an jedem le¬ 
benden Tiere. —■ Über die Gesetzes¬ 
forderung der—Orig.-Art. v.Thirojun.279. 
Fett im kryptorchidischen und normalen Hoden. 
— Über das Vorkommen von —. Auto¬ 
referat v. Engelmann. 411. 
Fettdenaturierung und -Untersuchung. 
Ministerialverfügung. 702. S. a. unter 
Fleischbeschau-Definitionen. 

Fettige Degeneration s. d. 

Fieberbebandlung durch Enteroklyse b. d. 

Filaria sanguinis equi v. Martini. 140. — Filarien bei 
Krähen v. Gehrke. 608. 

Finnen (s. a. einfinnige Rinder): Verbreitung 
in Deutsch-Südwestafrika. 443. 

Fisch s. Drehkrankheit. 

Fissuren des Fesselbeines s. d. 

Fleisch s. a. unter Fleischbeschau-Definit. — 
Fleischzusatz, Pferdefleisch, Reinblütige 
Zuchttiere. 


gänzungsbeschauer. 538. — Bestellung 
der Tierärzte zu Beschauern in Preußen. 
630. — Bevorzugung von Laienfleisch¬ 
beschauern. Notiz v. Schmaltz. 191. 
Desgl. 224. Desgl. und Aufforderung 
zur Ablehnung der tierärztl. Ergänzungs¬ 
fleischbeschau. 259. — Vergütung für 
ihre Ausbildung (sowie Besprechung dieser 
und der Prüfung) von Kühnau. 20; von 
Becker. 45. Desgl. 84. 149. Vgl. auch 
das Protokoll der Febr.-Vers. des Ver. d. 
Schl. T. in Arnsberg. 137. — Vertretung 
des Laienfleischbeschauers durch den 
Tierarzt. 288. Beschauer und Stellver¬ 
tretung. 348. Darf der Tierarzt die Stell¬ 
vertretung eines Laienfleischbeschauers 
annehmen ? Stellvertretung (des sonst zu¬ 
ständig. Beschauers) bei Notschlachtungen 
(durch den behandelnden Tierarzt), bei Be¬ 
urlaubungen (des Tierarztes durch den 
empir. Beschauer). Orig.-Art. v. Schmaltz. 
536. Dazu s. auch Fleischbeschauliches. 
Orig.-Art. v. Zehl 568 und Stellvertretung 
etc. Orig.-Art. v. S. L. u. Schmaltz. 569. — 
Antwort (verneinende auf die Frage, ob 
LaienfleiscbbeBchauern ihr Amt zugunsten 
von Tierärzten entzogen werden kann). 407. 
— Zur Pfuscherfrage (Nichtanstellung 
von Pfuschern als Fleischbeschauer). 573. 
— Zuständigkeit der Fleischbescbauer. 
Orig.-Art. v. Kühnau. 702. 

Fleischbeschau-Definitionen, Fragen, 
spezielle Entscheidungen: Be¬ 
schlagnahme beanstandeten Fleisches: 
Ist der Tierarzt selbst dazu berechtigt? 
(Sohöffeng.-Ent.) 704; s. dazu: Vor¬ 
läufige Beschlagnahme von Fleisch. 744. 
— Beurteilung des Fleisches nüch¬ 
terner Kälber. 396. Dazu Orig.-Art. v. 
Teetz. 439. (Dazu Erlaß des Ministeriums 
von Mecklenburg-Schwerin. 573). — Be¬ 
urteilung des Nährzustandes der 
Schlachttiere v. Kallmann. 174. — Be¬ 
urteilung gekochten aus dem Ausland 
eingeführten Fleisches b. in d. Orig.- 
Art. : Zur Ausführung des Fleiscbbeschau- 
gesetzes v. Lothes. 320. Dazu Notiz: 
Kochfleischeinfuhr v. Feuereißen. 347 
und: Nochmals das gekochte ausländische 
Fleisch. Orig.-Art v. Lothes. 381. — 
Bullenhoden in der Wurst (Schöffeng.- 
Urt.). 767. — Bundesratsbeschluß betr. 
Behandlung schwach trichinöser und 


Entzündungskrankheiten, behandelt durch Fleischabschätzung bei der sächs. staatlichen schweineseuchekranker Schweine. 


Enteroklyse s. d 


Schlachtviehversicherung. 23. 


276. — Denaturierungsmittel für Därme. 


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VII 


705. — Einfuhr von Fleisch als Fleisch - 
pepton (Min.-Erl.). 767. — Feststellung 
des Schlachtgewichtes (Verfüg, der 
Reg. in Hannov.). 705. — Fettdenatu¬ 
rierung und Untersuchung (Min.-Verf.). 
702. Fettdenaturierung mit Gerbertran 
(Bek. d. Reichsk.). 705. — Fleischbeschau 
bei Notschlachtungen (Frage und Ant¬ 
wort) 288. Dazu: Sind Notschlachtungen 
untersuchungspflichtig? 299, 762. — 

Fleischbeschautagebuch betr. Anfrage. 
767. Antwort 816. — Fleischtransport und 
-Feilbieten (Kammerg.-Entsch.). 22. — 
Fleisch- und Trichinenschau ohne be¬ 
sondere Bestellung als Beschauer (Frage 
und Antwort). 288. — Hausschlacht- 
ungen: Begriff derselben, im Reichstag 
erörtert. 174. H. für Hochzeiten. 335, 347. 
Untersucbungspflichtigkeit in Anhalt obli¬ 
gatorisch. 527. Untersuchungspflichtigkeit 
der HausBchlachtungen. Orig.-Art. v. 
Behrens. 478. Desgl. v. Schmaltz. 538. 
Notiz dazu 510 und von P.-W. 767. 
Desgl. von Str. 815. Stellvertretung bei 
solchen. 537. Trichinenschau für dieselben. 
705. — Kennzeichnung des untersuchten 
ausländischen Fleisches (Bundesrats- 
erlaß). 234. — Schächtverbot (Entsch. 
des pr. Oberverwaltgg.). 572 und Schächt¬ 
verbot im Perleberger Schlachthaus. 705. 
— Stellvertretung des Laienfleisch¬ 
beschauers durch den Tierarzt (Frage 
und Antwort). 288. — Unpräpariertes 
Fett, frisches Fleisch (Kammerg.-Ent.). 
705. — Unschädliche Beseitigung un¬ 
tauglichen Fleisches (Polizeiv. in Husum). 
705. — Untersuchung ausländischen 
Fleisches in Bayern (Min.-Erl ). 244. — 
Verwendung von Fesselhäuten zur 
Wurstbereitung strafbar (Entsch. des 
bay. Oberstlandesger.). 705. — Wer ist 
als der „Einbringer“ von frischem Fleisch 
anzuseben (Kammerg.-Ent.). 705. — Zur 
Ausführung des Reiohsfleischbeschauge- 
setzes(Besprechung zweifelhafter Punkte: 
Behandlung des ins Zollinland eingehen¬ 
den Fleisches, Blutes etc. Bestellung der 
Beschauer, Zuständigkeit der Tierärzte, 
Verfahren bei Seuchefeststellungen, 
Finnen, Tuberkulose, Hausschlachtungen 
508. 

Fleischbeschau-Gesetz und Verord¬ 
nungen (s. a. Schlachthausgesetz): Aus¬ 
führung des ReichBfleischbeschaugesetzes. 
Org.-Art. v. KUhnau. 104. — Ausführungsbe- 
(stimmungen in Baden, Elsaß-Lothringen, 
Württemberg). 173. — Auslandsfleisch¬ 
beschau-Übertragung an die Stadt Aachen. 
705. — Durchfuhr verbotenen Fleisches 
betr. (Aufhebung des Verbotes). 442. — 
Einfluß des Fleischbeschaugesetzes auf 
die Fleischeinfuhr. 573; desgl. 814. — 
Einführung der Fleischbeschau (Besprech¬ 
ung ihrer Schwierigkeiten im preuß. 
Herrenhaus). 237. — Einführung der 
Reichsfleischbeschau in Preußen (Min.- 
Erl.). 18. — Fleischbeschau-Zollordnung. 
174; s. dazu auch den Artikel: Zur Aus¬ 
führung des Reichsfleischbeschangesetzes. 
382 u. 508. — Kenntnis der Fleisch¬ 
beschau-Gesetzgebung! 552. — Kommen¬ 
tar zum Gesetz v. Schroeter. 442. Be¬ 


sprechung desselben v. Schmaltz. 443. — 
Minist. Erhebungen über die Wirkung des 
§ 5 des preußischen Ausführungsgesetzes 
zum Reichst!eischbeschaugesetz. 20. Siehe 
hierzu: Stellung des ostpreuß. 14. Städte- 
tages zu § 5 und 14 des preuß. Aus- 
führungsges. 571. Dazu: Einwirkung 
der §§ 5 u. 14 des P. A. G. auf die Erricht¬ 
ung öffentlicher Schlachthäuser. 633. 
— Preußische Ausführungsbestimmungen 
zum Schlachtvieh- und FleischbeBchau- 
gesetz. 241. Dazu Orig.-Art. v. KUhnau. 
319 und Notiz. 348. Desgl. Orig.-Art. v. 
Lothes. 320. — Übertragung der Fleisch¬ 
beschau an die Stadtverwaltungen (Minist. 
Anweisung an die Stadt Charlottenburg). 
632. — 1. Ungültigkeit der vor Erlaß des 
Reichsfleischbeschaugesetzes und der zu¬ 
gehörigen Landesbestimmungen ergange¬ 
nen Ortsstatute. 2. Polizeiliche Bestrafung 
wegen Übertretung des § 5 des preuß. 
Ausführungsgesetzes zum R. Fl. G. kann 
nicht erfolgen. 631.— Wirkung des Reichs¬ 
fleischbeschaugesetzes in Baden, bespr. 
v. KUhnau. 244. 

Fleischbeschaugesetzgebung in Österreich. 59. 

Fleischbeschauliches. Orig.-Art. v. Zehl (über 
„Stellvertretung bei Notschlachtungen“, 
„Stellvertretung bei Beurlaubung“). 568. 
Hiezu vgl. Stellvertretung in der Fleisch¬ 
beschau bei längeren Beurlaubungen. 
Orig.-Art. v. S.-L. und v. Schmaltz. 569. 

Fleisch darf nicht verboten werden. — Einfuhr 
von auswärts geschlachtetem — (Gerichts¬ 
entscheidung). 107. 

Fleischer gegen den Schlachthofdirektor in 
Kiel. — Unerhörtes Vorgehen der — 762. 

Fleisch-Fäulnis s. d. 

Fleischbeschau-Gesetzgebung! — Kenntnis 
der —. 552. 

Fleischbeschaulicbe Gerichtsentscheidungen : 
s. unter Fleischbeschaugesetz und -Ver¬ 
ordnungen und -Definitionen. 

Fleischbeschauliche Tätigkeit der Tierärzte. 
Referat im Ver. rh. T. v. Bongartz. 609: 
Korreferat v. Flatten. 610. 

Fleischbeschaustempel für Tierärzte v. Garth. 
145. — Desgl. v. Sahner. 173. Notiz 
hiezu. 206. Ebensolche. 224. — Gießener 
Modell eines solchen. 322. 

Fleischbeschaustempel„Muto“ mit auswechsel¬ 
barem Griff. — Orig.-Art v. Kübnau. 196. 

Fleischbeschauwesens in Tsingtau, Schutz¬ 
gebiet Kiautschou. — Die Entwicklung 
des —. Orig.-Art. v. Eggebrecht. 292. 

Fleischbezugsquellen, ausländische. 21. 

Fleischdurchscbnittspreise, für die Zwecke 
der sächs. Schlachtviehversicherung fest¬ 
gestellt. 706. 

Fleischeinfuhr auB Sibirien. 705. 

Fleiscbeinfuhr. — Einfluß des Fleischbeschau- 
gesetzes auf die —. 573. Desgl. 814. 

Fleischeinfuhr im kleinen Grenzverkehr. (Be¬ 
kanntmachung d. Reg.-Pr. von Königs¬ 
berg) 443. 

Fleischerei - BerufsgenoBsenscbafta -Versamm¬ 
lung. 382. 

Fleischextraktfabriken I — Mehr deutsche 
tierärztliche Aufsicht über die — 792. 

Fleischgenuß. — Erkrankungen nach — s. 
Trichinosis, Fleischvergiftung, Massen¬ 
vergiftung. 


Fleischhandel: Amerikanische Ausfuhr. 21. — 
Ausländische Fleischbezugsquellen. — 
Gerichtsentscheidungen. 

Fleischkonservierung mit Borpräparaten s. d. 

Fleischpartien und Fleischpreise (in Amerika) 
s. Reinblütige Zuchttiere. 

Fleischpartien, wertvolle, s. a. Vort. der Ver- 
wend. reinblüt. Zuchttiere. 4. 

Fleischpeptoneinfuhr aus dem Ausland (Ver¬ 
fügung d. preuß. Finanzmin.). 767. 

Fleischpreise und Einfuhrbeschränkung im 
preußischen Herrenhause. — Besprechung 
über —. 270. 

Fleischbeschauberichte von Berlin s. d. 

Fleischsterilisator von Rietschel und Henne¬ 
berg (System Franke). Orig. - Art. v. 
Schräder. 511. 

Fleisch- und Viehzölle in Frankreich. 572. 

Fleischuntersuchung (bakteriologische) in den 
Läden und Fleischbänken von Lodz. 706. 

Fleischvergiftung in Speyer. 246. Desgl. in 
Meinersen. 633. Desgl. in Böhmen. 634. 

Fleischwaren. — Bezeichnung amerikanischer 
—. 633. 

Fleischwareneinfuhr aus dem Ausland 
(Fleischpepton). 767. 

Fleischvergiftung (Botulismus): ihre amtsärztlich») Be¬ 
urteilung v. Lochte. 802. 

Fleischvergiftungen v. Ladendorf. 217. 

Fleisch: Zusatz v. schwefligsauretn Nntrium v. Kraus u. 
H. Schmidt. 283; v. AltschQler. 730. 

Fleischzusatz von schwefligsaurem Natrium 
eine Fälschung? v. Kraus u. Schmidt. 283. 

Flessasche Zange zum Einlegen von Bullen¬ 
ringen s. d. 

Fliegenschwamm s. Toxikologie. 

Flußläufeverunreinigung durch Wässern von 
Milzbrandfellen, von Staatssekretär von 
Posadowsky im Reichstag erörtert. 167. 

Fohlenlähme. — Einige Bemerkungen über —. 
Orig.-Art. von Zwicker. 197. 

Folliculitis s. Hefe. 

Fortbildungskurse 8. Tagesgeschichte (Lehr¬ 
anstalten und Unterricht). 

Fötale Knochen, ausgeschieden durch den 
After s. d. 

Fötus: «eine Ernährung v. Veit 184. 

Formaldehyddesinfektion v. 8pengler. 65; ▼. Kokubo. 346. 

Formalin bei SepUk&mie. — Intravenöse Injektion von — 
v. Barrows. 860. 

Formeln zur Herstellung von Mischungen verschiedener 
Konzentration s. d. 

Frankreich: Militärveterinäre. 58. — 

Seuchenstatistik. 18, 318, 439, 701. — 
Tollwutverbreitung in Lyon. 391. — Ver¬ 
bot der Einfuhr von mit Borsäure be¬ 
handeltem Fleisch. 572. — Veterinärrat. 
332. — Vieh- und Fleischzölle. 572. 

Fristberechnung für die Festlegung der Hunde 
bei Tollwutgefahr. (Reichsger.-Erk.) 627. 

Frühgeburt s. Partus praematurus. 

Fruchtwasser u. Blut s. d. 

FütterungseinflÜBse auf eine Fohlenstute v. 
Huntemann. 8. 

Fuhrwerke und deren Auswahl. — Etwas 
Über — Orig.-Art von Goldbeck. 52. 

Furonculine s. Hefe. 

Furunculose s. Hefe. 

Fußachse s. Zehenachse. 

Futtermittel für Kindermilchkühe in Berlin 
(landespolizeil. Anordnung). 175. 

Futtermittel s. auch Diätetik. Kindermilch¬ 
kühe. Moorwiesenheu. Tierkörpermehle. 

Futterwert des Moorwiesenheues s. Lecksucht. 

Fütterungstuberkuiose v. Hansemaim. 130. 


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VIII 


(jialleneindickung 8. Hepatitis. 

Galle. - Agglutinierende Eigenschaft der — v. A. ('an- 
tanl. 405. 

Gärungaprobe u. Daierhefe v. Münzer. 801. 

Gastställe: ihre Reinigung und Desinfektion 
betreffende Verordnung des Pol.-Präs. in 
Marienwerder. 630. 

Gebärparese s. a. Milchfieber, Kalbefieber. 

Gebärparese. — Zur Sauerstofftberapie und 
Ätiologie der — Orig.-Art. v. Zehl. 469. 

Gebärparese mittelst Luftkatheters. — Zur 
Behandlung der — Orig.-Art. von Zehl. 5. 

Gebärparese. — Über Genese und Be¬ 
handlung der — v. de Barros. 524. 

Gebühren: Entwurf eines Gesetzes, betr. 
die Gebühren der Medizinalbeamten. 132. 
— Fleischbeschaugebühren. 149. — Ge¬ 
bühren für Ausbildung der Fleisch¬ 
beschauer. 20. 45. 84. 149. — In letzter 
Stunde (zum Med.-Gebübrengesetz)! Orig.- 
Art. v. Schmaltz. 204. — Medizinal- 
gebübren. 84. — Schlachthausgebühren¬ 
tarif (Oberverwaltg.-Entsch.) 244. 

Gebühren der Tierärzte für Besorgung tier¬ 
ärztlicher Geschäfte bei den Gerichten. 
Orig.-A. v. Esser. (Gerichtsentscheidungen 
betr. Reiseberechnung; Zubilligung der 
dem Departementstierarzt zustehenden 
Gebühren; Terminsgebühr für Zeugen und 
Sachverständige). 310. — s. auch Taxe. 
—Abschätzungsgebühren der beamt. T. 
(Landg.- u. Amtsg.-Ent.) 812. 

Geburtshindernis und das in solchen Fällen 
erforderliche Verfahren. — Die unver¬ 
hältnismäßige Größe des Kalbes als — 
Orig.-Art. v. Fock. 589. 

Geburtskunde (s. a. Apparate und Instru¬ 
mente, Embryologisches): Ablösung der 
zurückgebliebenen Nachgeburt bei Kühen. 
Ausscheidung fötaler Knochen durch den 
After. Beckenfugenzerreißung. Drillings¬ 
mißbildung. Emphysematose Frucht. 
FütterungseinflUsse (auf e. Fohlenstute). 
Geburtshindernis. Geschlechtsdrüsen, 
Körperform und Sterilität. Kontraktionen 
des Uterus und Wirkung der Bauchpresse 
bei der Geburt. Künstliche Befruchtung. 
Muskulatur (des trächt. Rinderuterus). 
Nabelinfektion (Ursache v. Haemat. renal.). 
Partus praematurus. Temperaturen (nach 
d. Geburt). 

Gefühle s. Psychologie. 

Geflügel s. Epithelioma. Enlenmassenerkrankong. Ilühner- 
seuohen. Karzinom einer Henne. (Tnrdus. Meise). 

Geflügel und Geflügelzucht (s. auch die 
Büch.-Anz. 151.): Amselseuche. Cocci- 
diosis. Colibacillosis Alosae fintae. Enten- 
Massenerkrankung. Geflügelcholera. Ge¬ 
flügelcholeraserum s. Digitalisvergiftung 
(bei Enten u. Hühnern). Geflügelseuchen. 
Hühnerpest. Hühnerseuchen. Karzinom 
einer Henne. Magenwurmseuche bei 
Enten. Meningo-Encephalitis. Papageien¬ 
tuberkulose. 

Geflügelausstellungen. — Landespolizeiliche 
Anordnung, betreffend Überwachung der 
- 683. 

Geflügelcholera s. a. Erreger. Hühnerpest. — 
Anzeigepflicht unter Veterinarpolizei. 

Geflügelcholera v. Raebiger. 641. 


Geflügelcholera durch Landsberger Serum 
(Septicidin). — Bekämpfung der. — Orig.- 
Art. v. Schmidt-Dresden. 421. 

Geflügelcholera-Bekämpfung in Österreich. 507. 

Geflügelcholera. — Zur Behandlung der — 
(mit Schwefelsäure) v. BitBcheff. 426. 

GeflQgelcholeraterum v. Moder. 159. 

Gefltlgelseptikämie. Blutimmunisierung gegeu — v. 

Kitt 683. 

Geflügelkrankheiten — Anzeigepflicht (Erl. 
des Reichskanzl.). 438. 

Geflügelseuchen- (speziell Hühnerpest-) Be¬ 
kämpfung. Verfügung des pr. Landwirt- 
Bchaftsrainisteriums. 680—684. 

Geflügelseuchen. — Unser jetziges Wissen 
über die wichtigsten. — Vortrag von 
Schmidt-Dresden. 722. 

Geflügeluntersuchung (landespolizeiliche An¬ 
ordnung). 759. 

Gefrierscbnltte, hergestellt mit Antsthol s. d. 

Geheimmittelschwindel-Bekämpfung. Stellung 
des Verbands der Privattierärzte dazu. 502. 

Gehirn s. Echinokokkus. 

Gehirnerweichung s. Leukoencephalitis. 

Gehirnentzündung s. Cerebrospinalmeningitis. 

Geisteskrankheiten s. a. Vererbung. 

Gekochtes ausländisches Fleisch: seine Ein¬ 
fuhr s. unter Fleischschaugesetz und Ver-; 
Ordnungen. 

Gelatine bei innerer und rektaler Anwendung. — Über die 
h&mostatlscbe Wirkung der — v. Pfeiffer. 656. 

Gelenksentztindung s. Arthritis. 

Gelenkkrankheiten, verursacht durch Muskel¬ 
atrophie s. d. 

Gelenkrheumatismus-Behandlung mit Menzerscbem An i- 
streptokokkenserum ▼. Schmidt. 740. 

Gelenkrheumatismus beim Pferde. — Akuter. 
— Orig.-Art v. Altmann. 50. 

Gelenkrheumatismus beim Rinde v. Strebei. 
546. 

Gerichtsentscheidungen (s. auch Ge¬ 
bühren. — Fleischbeschauliche siehe unter 
Fleischbeschau (-Gesetz und spezielle 
Entscheidungen)). 

— des Reichsgerichtes: Fristberechnung 

für die Festlegung der Hunde bei Toll¬ 
wutgefahr. 627. — Verletzung veterinär¬ 
polizeilicher Vorschriften. 16. 

— des preuß. Kammergerichtes: Ab¬ 

deckereigewerbe (nicht verpflichtend zur 
Abholung von Geflügelkadavern). 436. — 
Ausdehnung des Schlachthauszwanges. 
515. — Das Ende des „Tierarzt im Hause“. 
Verbot der Kolportage von „Tierarznei¬ 
büchlein“. 538. — Fleischtransport und 
Feilbieten. 22. — Rechtsungültigkeit 
veterinärpolizeilicher Anordnungen (aus 
formalen Gründen). 436. — Schlachthaus¬ 
zwang nur für räumlich verbundene Ge¬ 
meinden. 245. — Schlachthoftierarzt, 

Beamter im Sinne des § 114 St.-G.-B. 
139. — Tierärztliche Untersuchung der 
Hausiererpferde. 374. — Ungültigkeit von 
Polizeiverordnungen über die Einrichtung 
von Handelsställen. 627. 

— des pr. Oberverwaltungsgerichtes: 

Schächtverbot. 572. — Zur Auslegung 
des Schlachthausgesetzes (Befugnisse der 
Gemeinden in Festsetzung des Gebühren- 
tarifes für die Fleischer). 244. 

— sonstige: Einfuhr von auswärts ge¬ 

schlachtetem Fleisch darf nicht verboten 
werden (Oberlandg-Entsch.). 107. — 
Hektographiertes Schriftstück, rechts¬ 


gültige Verfügung (Landg.-Entsch.). 506. 
— Verkauf der ärztlichen Praxis rechts¬ 
gültig (3 Oberlandg.-Entsch.). 75, 150, 527. 
— Versagung der Milzbrandentscbädigung 
(Entsch. d. bayr. Oberverwaltg.). 627. 

Geschichte des tierärztlichen Zentralvereins 
für die Provinz Sachsen, die thüringischen 
und anhaitischen Staaten. Festrede von 
Leistikow. 69. 

Geschichtliches: Claudii Hermeri Mulome- 
dicina Cbironis. Die Wiener Hochschule 
(in Vergangenheit und Zukunft). Hammu- 
rabi. Leonardo da Vinci. Rinderkrankheiten 
bei den Tamil. 

G asch i oh tllches : Vom irztl. Intelligenzblatt zur 
MQnch. raed. Wochenschrift. Bede v. Merkel. 255 — 
Des medizinische Zeitschriftenwesen In Deutschland 
bis zur Mitte des 19. Jahrhanderts v. Sudhoff'. 256.— 
Zur Geschichte der Rulirforschung v. Kruse. 256. — 
Hans Büchners Anteil an der Entwicklung der 
Bakteriologie. Gedächtnisrede v. Gruber. 291. 

Geschlechtsbestimmende Ursachen v. O. Schulze 29; 
v. Lenhosselc. 590. 

Geschlechtsdrüsen auf Körperform und Ge¬ 
staltung der Hörner beim Rinde; gleich¬ 
zeitig ein Beitrag zur Diagnose der 
Sterilität bei der Knh. — Einfluß der — 
Orig.-Art. v. Zobel. 529. 

Geschlechtsleben und interstitielle Nephritis 
bei einem Hund. — Eigentümlichkeiten 
im — v. Prof. Albrecht. 715. 

Geschlechtsteile. — Karzinom der — s. d. 

Geschwülste: Aktinomykom, Aktinomy- 
kot. Tumor, Karzinom, Knieschwamm, 
Krebsübertragung, Plattenepithelkrebs, 
Warzen. 

Geschwülste. — Über Entstehung und ver¬ 
gleichende Anatomie der bösartigen — 
Orig.-Art. von Disselhorst. 61. 

Gesetze: s. Fleischschaugesetz, Schlachtbaus¬ 
gesetz, Viehversicherung, Veterinärpolizei, 
Viehseuchengesetz, Menschen - Seuchen- 
geaetz. 

Gesetzesforderung der Feststellung der Tuber¬ 
kulose an jedem lebenden Tiere. — Über 
die — Orig.-Art v. Thiro jun. 279. 

Gesundheitsamtes 1903. — Etat des kaiser¬ 
lichen — 299. 

Gewährleistung imViebhandel „für alle Fehler“ 
v. Malkmus. 462. 

Gewährvorschriften im Bürgerlichen Gesetz¬ 
buch und ihr Einfluß auf den Viehbandeis¬ 
verkehr v. Dieckerboff. 522. 

Gicht ». Citarin. 

Gießener Universal-Fleischbeschau-Taschen- 
stempel. 322. 

Gießen: Hochschule s. unter Tagesgeschichte. 

Giftstoffe v. Ruhr- ti. Typbuabazillen v. Conradi. 48. 

Glaukomanfall. EinfluS von Temperatur u. Jahreszeit 
auf den — v. Steindorff. 8. 

Glykogeneinwirkung auf hämolytische Vorgänge v. 
Wendelstadt. 729. 

Glyzerin zu MaukeBalben v. Schmidt u. Richter. 
655. 

Gonorrhoe mit Hefe behandelt v. Abraham. 15«. 

Grenzverkehr s. Fleischeinfuhr. 

Großbritannien: Aufhebung des Einfuhr¬ 
verbotes gegen Argentinien und Uruguay. 
629. — Fleischverbrauch. 684. — Lieferung 
von sterilisierter Milch durch die Stadt¬ 
verwaltung. 175. — Rotz (Verbreitung 
und Bekämpfung seit 1892) v. Hunting. 
344. — Seuchenstatistik. 99, 318, 508, 
701. — Verluste durch Rotz. 241. — Vieh¬ 
export im Jahre 1902. 634. 

Gundelachsches Untersuchungsmesser für 
fleischbesohauliche Zweoke. 504. 


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IX 


Gunnin (eia Antistreptokokken- oder Druse- 
serum). Orig.-Art. v. Jelkmann. 637. S. 
auch Drnsensernm. 

Gutturomyces beim Pferd v. Nazzanti. 524. 

Haar s. Trichorhexis nodosa. 

Haarballen s. retro pharyngealer. 

Hiiuagglutination v. Landsteiner. 82. 

Haematnrie s. Blutharnen. Malaria des Rindes. 

Haematuria renalis als Folge der Umbilical- 
infektion beim neugeborenen Füllen. — 
Ein interessanter Fall von — v. Scott. 535. 

Hämoglobinämie des Pferdes. — Beitrag zur 
Therapie der — v. Seitz. 425. 

Hämoglobinurie der Kinder in Deutschland 
v. Koßel, Schütz, Weber, Mießner. 558. 
S. auch Malaria des Rindes. 

Hämolysine, Agglutluine, Präzipitine, Coagnlino bei kalt¬ 
blütigen T. v. Noguobt 817. 

Hämolytische Vorgänge und Glykogen s. d. 

Hämorrhagische Septikämie s. d. 

Händedesinflzienlien v. Bngi-ls. 310. 346. 

Häuflein. — Ein vergessenes — Orig.-Art. 
(betr. die Remontedepot • Roßärzte) v. 
Schmaltz. 657. Desgl. v. Weiß. 740. 
Dazu Art. Remontedepotveterinäre. 791. 

Halswirbelbruch beim Pferde. Orig.-Art. v. 
Hoffmann. 457. 

Halswirbelluxation s. Nervöse Störungen. 

Hamburg: Milchbygieneausstellung s. Aus¬ 
stellung. — Staats- und Polizeitierärzte 
(Beförderung). 743. 

Hammurabi, eine Veterinärtaxe vor 4000Jahren. 
— § 224 des Code. — Orig.-Art. von; 
von Oefele. 153. ; 

Hammurabi von Babylon. — Aus dem Gesetz J 
des Königs. — Orig.-Art v. Kattner. 180. | 

Handelskontrollbücher (PolizeiverordnuDgen). 
192. 

Handelsställen. — Ungültigkeit von Polizei¬ 
verordnungen über die Errichtung von — 
(Kammerger.-Entsch.) 627. 

Hannover: Ausstellung der Landwirtschaft- j 
gesellscbaft s. d. — Jubiläum der Zentral- 
lehrschmiede. 275. — Tierärztliche Hoch-1 
schule s. unter Tagesgeschichte. 

Harnblase s. Plattenepithelkrebs 

Hausiererpferde: ihre tierärztliche Unter¬ 
suchung betreffende Kammergerichts- 
Entscheidung. 374. 

Hausschlachtungen 8. unter Fleischbeschau 
(Definitionen, Fragen, spezielle Ent¬ 
scheidungen). 

Haut. Eindringen de* Alkohol* in die —. 68. 

Hefe (». a. Bierhefe. Giihrungsprobe. Gonorrhoe): 
Artendifferenzierung durch Agglutinine v. Schütze 
715; Arzeneimittel v. Paschkis 69; Extrakte v. 
Zöllner 217; Präparate v. Blomquiat 331; wirksame 
Substanz (Cerolin) v. Roos u. Hlnsberg 500. 

Hefebehandlung s. Druse. Bierhefe. 

Hegelundsche Melkmethode s. d. 

Hektographiertes Schriftstück eine rechts¬ 
gültige schriftliche Verfügung? 506. 

Helinitol v. Rosenthal. 608. 

Heit olytic coinplement v. 8weet. 158. 

Hengst s. Pferd. 

Hepatitis suppurativa als Folge eingedickter 
Galle v. Pease-Punjab. 67. 474. 

Honnaphroditlamua v. Garrö. ISO. 

Hermeri Mulomedicina Chironis. — Claudii. 
Orig.-Art. v. 0. Albrecht. 349. 

Hernien. — Zur Ätiologie der Bauch- — v. 
Kotier. 233. 

Herrenhaus s. a. unter Tagesgeschichte Staats¬ 
veterinärwesen. — Besprechung über 


Fleischpreisc und Einfuhrbeschränkung, j 
270. 

Herz: Alkoholeinfluß auf die Herzgröße v. Bickel 693; 
Hypertrophie bei Nicrcnkrnukhelteu v. Senator 43; I 
Toxische Myolyse bei Diphtherie v. Kppiugor 294; \ 
Wiederbelebung von Leichen entnommenen H. v. ! 
Velicli 560. 

Hcrzhypertrophio bei Nierenkrankheiten v. | 
Senator. 344. 

Hessen: Viehversicherungsentwurf(Gutacbten ' 
des Landwirtschaftsrates). 718. 

Heu s. Moorwiesenheu. 

Heufleberv. Dunbar 184; Antitoxin dagog. v. Seinen. 753. I 

Hirnhautentzündung und Pilocarpin s. d. 

Histologische Diagnose der Tollwut v. Vallee. 1 
692. 

Hochschulen s. Tagesgeschichte. 

Hochschulen. — Von ausländischen — Orig.- 
Art. v. Klinner. 205. Zusatz dazu. 332. 

Hochzeitsschmäuse (Hausschlachtungen) s. 
unter Fleischbeschau-Gesetz und -Verord¬ 
nungen. I 

Hodenfett s. d. 

Hodentumor bei einem durch Abdrehen | 
kastrierten Ochsen v. Besnoit. 654. 

Hörner bei einer Kuh. — Anomalie der — 
v. Fiscbkin. 29. 

Hömergestaltung beim Rind. — Einfluß der 
Geschlechtsdrüsen auf — s. d. 

Hohlvene s. Thrombose. 

Holland s. Niederlande. 

Homöopathische Professur. 780. 

Homöopath werden kann. — Wie man — 
Orig.-Art. v. 0. Albrecht. 285. 

Hornhauttrübungen bei Pferden. — Beitrag 
zur Therapie der stationären — v. Zorn. | 
523. Berichtigung dazu. 548. 

Horse-Sickneß, ihre Entstehung und Ausbrei-! 
tung v. Pitchford. 777. s. a. Pferdesterbe. | 

Hufbeschlagkunde: Patent - Rinnen - Huf¬ 
eisen. — Zehenachse des Pferdes. 

Hufeisen s. Patent-Rinnen-Hufeisen. 

Hufkrankheitenbehandlung mit Lysol s. d. 

Hufrehe durch Ligatur einer Arteria digitalis. 
— Über die Behandlung der — v. Joly. 
426. Dazu s. a. d. Artikel v. Dorst. 592. 

Hufrehe. — Zur Therapie der — v. L. Hoff- 

Hufschlag: Ursache einer Leberruptur v. Berger 146; 
— einer tödlichen Verletzung v. Riedel. 414 

mann. 293. 

Hühner s. a. Geflügel. Digitalisvergiftung. 

Hühnerpest, die neue Geflügelseuche. — Unter¬ 
suchungen über die — v. Ostertag u. 
Wolffhügel. 365. 

Hühnerpestbekämpfung: Verordnung des 

preuß. Landwirtschaftsministeriums nebst 
gemeinfaßlicher Belehrung über Kenn¬ 
zeichen, Verlauf etc. 680—684. 

HOhnerseuche v. Mtggiora u. Ynlenti 145; Hühncrsonchen 
v. Calaraida. 754. 

Hund: Akarusekzem, ßlasensteine, Chloro¬ 
formwirkung, Eigentümlichkeiten im Ge¬ 
schlechtsleben und Nephritis, Eserin¬ 
wirkung, Hundefährte (mit Notiz über 
Römerhunde), Intravenöse Injektionen, 
Lyssa, Milzbrandimmunität, Myelitis lumbo- 
sacralis, Nervensystem, Piroplasmose, 
Pseudo Perinealhernie, Staupebehandlung, 
Tetanus, Tuberkulöse Infektion per os, 
Wutmikrobe. 

Hunde bei Tollwutgefahr. — Fristberechnung 
Uber die Festlegung der —. 627. 

Hundefährte. — Länge der — v. Birkner. 308. 

Hundswut-Ätlologie v. Martinottl u. Volpluo 778; — 
Hundswutschutzstoffe v. Kraus u. Kreisel 43. I 
Lyssa. Tollwut. 


Hüttenraucbvergiftnng. 786. 

Hydrargyrum oxycyanatum. — Orig.-Art. v. 
Dr. Richter. 289. 

Hygiene und Rasscuentartuug v. Gruber. 693. 

Hygienische Erfordernisse der Schlacht- und 
Viebhöfe s. d. 

Hyphomycosis destruens equi v. de Haan u. 
Hoogkamer. 534. 

Ichtbargan s. a. Blutfleckenkrankheit. Bor- 
nasebe Krankheit. 

Ichthargan bei Conjunctivitis v. Ließ. 644. 

Ichthargan.— Erfahrungen bei der Anwendung 
von —. Orig.-Art. v. Bernhardt. 77. — 
Desgl. v. Eberhardt. 337; v. Müller- 
Horneburg. 385. 

Ichthargan. — Ober unsere Erfahrungen mit — v. Neu- 
vvirth. 427. 

Ichthoform bei Fesselerosionen, Mauke, frischen 
Wunden usw. v. Ließ. 644. 

Ichthyolvasogen s. Praxis. 

Idee. — Der Kampf um die —. Orig.-Art. v. 
Schmitt-Cleve. 623. Berichtigung dazu. 660. 

Immunisierung gegen Tuberkulose, Rinder¬ 
tuberkulose s. d. 

Immunisierung: mit Eierstock v. Skrobansky 729; von 
Typhusbazillen v. Cohn. 778. 

Immunität (s. Influenza. Toxin und Antitoxin. Milz- 
brandiramunität): Mechanismus der künstlichen — 
v. Märtel 145; natürliche, antibaktcrielle — von 
Müller 596, v. Eiskalt 778; Theorie der bakterio- 
lytischen — v. l’felffcr u. Friedberger. 428. 

Immunität und Narkose (Schädigung der Lunge durch 
Chloroform). 256. 

Immunitätslehren und Vaccination v. Pfeiffer. 451. 

Immunkörper: ihre Entstehung und Verbindungen von 
Landsteiner u. Jagic 346; — Eigenschaften u. Wir¬ 
kungsweise v. Zangger. 584. 

Impfungen: (s. Malleinimpfungen, Milz¬ 

brandimpfung): In welcher Lage impft 
man Schweine am leichtesten? s. unter 
Schweineimpfung. Maul- und Klauen¬ 
seuche. Rauschbrand. Rinderpestimpfung. 
Rotlauf impfung. Rotlaufschutzimpfstoff. 
— Schädigung der Tierärzte durch die 
heutige Art der Rotlaufimpfung. 696. 
Vgl. auch d. Art. über die normale Tempe¬ 
ratur des Rindes v. Hajnal. 601. — 
Schweinerotlauf. Schweineseuche. Sep- 
ticidin. Tuberkulin (vgl. auch Tuberkel¬ 
bazillen in der Milch von reagierenden 
Kühen). Tuberkulose - Schutzimpfung. 
Vaccine. 

Impfling s. Rohr. 

Impftuberkulose bei einem Schlachtbaus¬ 
arbeiter. 367. 

Impfluberkuloae beim Mensrhen (bei einem Tierarzt) 
v. Lassar 405; bovine — v. Lassar. 738. 

Indische Rinderheilkunde s. Rinderkrankheiten. 

Influenzabazillus-Symblose v. Neißer. 464. 

Influenza-Immunität v. Cantani. 217. 

Infusorien im Magen und im Darmkanal des Menschen 
und ihre klinische Bedeutung v. Cohnheim. 25G. 

Injektionen subkonjunktlvale v. Wessely. 184. 

Inkubationsstadium des Tetanus s. d. 

Insektenstiche, giftige, von Simulia ornata. 787. 

Intravenöse Injektionen bei Hunden. Orig.- 
Art. v. H. Meyer. 483. 

Intravenöse Injektionen mit Chlorbaryum s. d. 

Intravenöse Injektion s endovenöse. Kollargol. 

Inversio rccti bei einem 1'/Jährigen Füllen. 
Orig.-Art. v. Petersen. 265. 

Is arol, ein Ersatzmittel für Ichthyol v. Goliner. 206. 

Italien: Seuchenstatistik 18. 319.701. 

Itrol bei FesBelgelenksverletzung v. Beier. 643. 

Jahresberichte s. Städte- und Ländernamen. 
Bakteriolog. Institut (d. Landwirtschaft^, 
f. d. P. Sachsen). 

*** 

e 




X 


Jodaceton 8 . Acne. 

Jodipin und seine Anwendung in der Tier¬ 
heilkunde v. Swoboda. 450. S. auch d. j 
Art. Heilung der Tuberkulose v. Haupt- j 
raann. 788. 

Jodkali bei periodischer Augenentzttndung v. 
Kröning, Moll, Poetschke. 726. 

Jodoform - Kalomelbehandlung von Geschwüren von j 
Farching. 112. 

Jodoformvasogen s. Praxis. 

Jodoien. Orig.-Art. v. Petersen. 111. 

Jodoien, ein neues Ersatzmittel für Jodoform.: 
Orig.-Art. von Blanck. 110. 

Jodvasogen s. Praxis. 

Jodvasogen bei Morbus maculosus, Aktinomy- 
kose, Phlegmone, Fisteln etc. v. Korff, 
Arndt, Loske u. a. 644. 

Jods in Glyzerin. — Löslichkeit des — v. 
Catilion. 620. 

Jodtinktur bei infizierten Wunden etc. v. 
Zöllner. 655. 

Johannisburg s. Lecksucht. 

Jubiläen s. unter Tagesgeschichte. 

Jubiläum der Zentral-Lehrschmiede in Han¬ 
nover. — 50 jähriges — 275. 

Kälberpneumonie s. Pneumo-Pleuritis. 

Kälberruhr, infektiöse, v. Kaebiger. 640; 
Untersuchungen v. Joest. 751; Vortrag 
v. Joest. 33. 

Kainitvergiftungen bei Rehen u. experimentelle ( 
Untersuchungen (Fütterungsversuche) über 
den Einfluß des Kaimts auf den tierischen 
Organismus v. Feser. 330. 

Kalb: s. Pneumo-Pleuritis. Weiße Ruhr und I 
Lungenentzündung. 

Kalbefieber s. a. Gebärparese. 

Kalbefiebers mit Luftinfusion in das Euter. — 
Erfahrungen über die Behandlung des — 
Orig.-Art. v. Evers. 686. 

Kalbs-Drillingsmißbildung 8. d. 

Kaloniel s. Jodoform. [ 

Kaltblütige *. Hämolysine. 

Kaninchen 8 . Acarus. 

Kankroln Adamkiewiez 217; v. Husche. 802. 

Kapillarektasie in der Leber der Wiederkäuer. 
— Über die fleckige — v. Stroh. 752. 

Karbolsäure mit besonderer Berücksichtigung 
ihrer Verwendung zur Desinfektion von 
Eisenbahn-Viehtransportwagen v. Fischer 
und Koske. 475 und 2 ».>. 

Karolinen: Tierzucht und Tierseuchen im 
Jahre 1901/02. 762. 

Karpalbeule s. Knieschwamm. 

Kartoffelvergiftung. 787. 

Karzinom s. a. Plattenepithelkrebs. 

Karzinom der äußeren Geschlechtsteile beim 
Pferde. — Zwei Fälle von primärem — 
v. Hennig. 414. 

Karzinom einer Henne v. Pick. 636. 

Kastration s. a. Ovariotomie, Hodentumor, 
Kryptorcbiden. 

Kastrationsmethode. — Einfachste — Orig.- 
Art. v. Wessel. 49. 

Katarrhalfieber. — Ein Fall von — Mitteilung 
v. Knoll. 593. 

Katze: Retina. Tuberkulose. 

Katzen. — Zwei Fälle von Tuberkulose bei — 
Orig.-Art. v. Lellmann. 111. 

Kauterisieren s. Brennen. 

Kehlkopfpfeifen s. Krikotomie. 

Kennzeichnung ausländischen untersuchten 
Fleisches. 243. 

Keuchhuaten «. Bacillus pertussis. 


Kephalo Thoracopagus beim Kalbe. — Orig. 
Art. v. Jacobi. 557. 

Kiautschou. — Fleischbeschauwesen in — 
Orig. Art v. Eggebrecht. 292. 

Kieferhöhle s. Schimmelvegetation. 

Kiel: Unerhörtes Vorgehen der Fleischer 
gegen den Schlachthofdirektor. 762. 

Kiuderkrankheit in Japan „Ekiri“ v. lto. 694. 

Kindermilchkühe in Berlin. Verordnung, betr. 
Futtermittel für —. 175. 

Kindermilcbverftorgung. — Prinzipien der städtischen — 
v. Sperk. 693. 

Kinder- und Kurmilcb. — Grundsätze für die 
Gewinnung der — Orig.-Art. v. Jeß. 649. 
s. auch unter Milch. 

Klopfhengsten. — Notizen über die Operation 
von 76 — v. Hobday. 7. 

Knieschwamm, ein außergewöhnlich großer. 
Photographie v. M. Kohl. 421. 

Knochenmarksentzündung s. Osteomyelitis. 

Knochenmarks. — Untersuchung des lebenden — v. Wolff. 
233. 

Knochenmarks und die Ätiologie der Osteomyelitis. — 
Die bakterizide Eigenschaft des — v. Hencke. 391. 

Knorken von Menschen und Tieren au unterscheiden v. 
A. Bchützc. 113; v. Beumer. KO. 

Körordnungen für Privathengste. — Die Be¬ 
zeichnung der Erbfehler in den — v. 
Dieckerhoff. 594. 

Körordnung s. Zuchtstierhaltung in Anhalt. 

Körperform. — Einfluß der Geschlechtsdrüsen 
auf — s. d. 

Kobragift: Seine hämolytische Wirkungsweise. 130. 

Kocbsalzinfuslon v. Bermbach. 464. 

Kochsalrlbs'ing. — Physiologische v. Kngolmann. 113. 

Kohlensturcreagens s. Nilblauhnse. 

Kokainanwendung v. Hechis. 164. 

KokainiDjektion. — Ungünstiger Ausgang 
einer diagnostischen — v. Lesbre. 230. 

Kollargol: Ersatzmittel für Argent. nit. v. Rößler. 778: 
— bei septischen Erkrankungen v.Henn.8climldt, 294. 

Kolik s. Baldrian, Cannabis, Chlorbaryum 
Morphium, Punktur des Colons. 

Kolonialtierärzte s. unter Tagesgeschichte 
(Staatsveterinärwesen). 

Koloniale Veterinärkonferenz. 780. 

Kolonien s. Afrika, Schutzgebiete, Kiautschou. 

Kolostrums bei der Kuh. — Anomalie des — 
v. Mattem. 560. 

Kongresse (s. a. Naturforscberversammlung): 
Intern. K. für Hygiene u. Demographie 
in Brüssel 571. 632. — K. russischer Tier¬ 
ärzte 46. 463. — VHI. internationaler 
tierärztlicher Kongreß in Budapest 1905 
(Programm) 672. 

Konservierungsmittel s. Borsäure. 

Kontraktionen des Uterus und die Wirkung 
der Bauchpresse während der Geburt. 
— Untersuchungen über die — Orig.-Art. 
v. de Bruin. 125. 

Kontrollvereine, dänische zu Untersuchungen 
über die Rentabilität der Viehzucht und 
Milchwirtschaft. 417. — Desgl. Orig.-Art. 
v. Schmitt 687. — s. a. Hegelundsche 
Melkmethode, Zentralvereine. 

Kopenhagener Milchversorgung und ihre 
veterinäre Kontrolle. 175. 

Kopfkrankbeit s. Katarrhalfieber. 

Kopierverfahren. — Bericht über ein prak¬ 
tisch erprobtes — Mitteilung von Tier¬ 
arzt R 593. 

Krebs s. Plattenepithelkrebs. Karzinom. 

Krebs bei Mäusen v. Jemen. 428. 

KrebBÜbertragung v. Dagonet. 713. 

Kreolin-Vasogen s. Praxis. 

Kreistierärzte (Ausbildung, Gehalt, Rang, an¬ 
gebliche Abhängigkeit von den Land¬ 


wirten etc.), Kreistieraratgesetz s. Tages¬ 
geschichte unter Staatsveterinärwesen. 

Kreis- und Departementstierärzte als Ober¬ 
gutachter in Fleischbeschaufragen. 538. 

Kreistierarzt und Privattierarzt: s. a. zur Ab¬ 
wehr. 599. Dazu Erwiderung. 612 und 
Zur Steuer der Wahrheit. 647. 

Krikotomie v. Petersen. 357. 

Kriminalstatistik betr. Veterinärpolizeikontra¬ 
ventionen. 240. 

Krippensetzen. — Resultate von vier Ope¬ 
rationen gegen das — v. Leod. 801. 

Kryptorchismus s. Klopfhengst. Fett (im 
kryptorch. Hoden). 

Kryptorcbiden. — Zur Kastration der — von 
Imminger. 688. 

Kühlverfahren s. unter Milch. 

Kuhmilch: Einfluß der Erwärmung auf die Gerinnung 
der Kuhmilch v. Silberschmidt. 476; — Schwer¬ 
verdaulichkeit der Kuhmilch v. Edlefsen. 730. 

Künstliche Befruchtung von Stuten v. Sand. 
182. — Desgl. von Säugetieren v. Iwanoff. 
561. 

Kurpfuscherei im Apothekerstande. — Ver¬ 
breitung der Tier— Orig.-Art. v. Schmaltz. 
256. Weiteres s. unter Tagesgeschichte. 

Lage, impft man Schweine am leichtesten? — 
In welcher — S. Schweineimpfung. 

Lähmungen und Lahmheiten: MyelitiB. 

Obturatorparalyse. Omarthritis. Trige¬ 
minuslähmung. 

Laienfleischbeschauer s. Fleischbeschauer. 

l.aktagol v. Beckmann. 461. 

I.aktoscrum v. 1*. Th. Müller. 428. 

I.aktoserumreaktion v. Uhlcnhut 130. 

Landespolizeiliche Anordnungen auf Grund 
des Viehseuchengesetzes. — Gültigkeit. — 
(Min.-Erl.). 627. 

Landtagsverhandlungen s. unter Tagesge- 
schicbtc (Staatsveterinärwesen), Kreis¬ 
tierärzte, Schlachtviehversicherung, No- 
tierungskommissionen, Promotionsrecht. 

Landwirtschaftskammern: Konferenz. 139. 

Landwirtschaftskammer für die Provinz 
Sachsen: Amtliche Bekanntmachungen. 
98. 761. 

Landwirtschaftskammer (in Schlesien) und 
Pfuscherschule. Orig.-Art. v. Schmaltz. 
744. 

Landwirtschaftskammern s. Schlachtviehver¬ 
sicherung. 

Landwirtschaftsrat s. Viehseuchengesetz. Vieh- 
seuchenkonvention. 

Landsbcrger-Serum s. Geflügelcholera. 421. 

Landscbwein, veredeltes, v. Nevermann. 383. 

Landwirtschaftsgesellschaft: Ausstellung in 
Hannover. 333.348. 407. Bericht v. Never¬ 
mann. 451. Beurteilung der ausgestellten 
Tiere von Vogel. 517. — Photographien 
preisgekr. Tiere. 587. — Jahrbuch der 
D. L. G. Referat v. Ad. Maier. 346. 
Nächstjährige „große landwirtschaftliche 
Woche“. 587. 

Lebendgewichtsfeststellung bei Schlachttieren 
(kgl. sächs. Viehhandelsbestimraung). 767. 

Leber s. a. Kapillarektasie. 

I. eberaaaicbaltung: Ihr Einfluß auf« Blut v. Pflughofft. 357. 

Leberentzündung s. Hepatitis. 

J. eborruptur durch Hufschlag v. Berger. 146. 

Lecithin gegen Bornasche Krankheit s. d. 

Lecksucht. — Erfahrungen mit Apomorphinum 
hydrochloricum bei Behandlung der — 
v. Rauscher. 533. 


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XI 


Leeksueht des Rindviehes im Kreise Johannis- 
barg. Fntterwert des Moorwiesenhenes. 
Orig.-Art. v. Kleinpanl. 1. 

Le erdarm. — Stenose s. d. 

Lehrschmiede in Hannover: 50jähr. Jubiläum. 
275. 

LeibcbenBchurzhose. — Orig.-Art. v. Zehl. 
193. — Dazu einige Bemerkungen von 
Herrmann. 424. 

Leipzig: Neues Veterinärinstitut. 59. — Tier¬ 
ärztlicher Privatdozent. 456. 

Lepra, Schlafkrankheit, Berl-Brrl in Kainernn. Bericht 
darüber von Zlem&nn. >83. 

Lepraähnliche Erkrankung bei Wanderratten v. Stefansky. 

Leukoencephalitis bei Pferden. — Akute 
epizootische — v. Callum u. Buckley. 282. 

Leukozyten: Verhalten der mononukleären bei Carcinoma 
ventricull v. Kurpjuweit. 358. 

Leukozytenfrage v. Erich Meyer. 608. 

Loukozyteniäblnngen: ihr diagnostischer und prognos¬ 
tischer Wert v. WeseL 338. 

Lippe: Milzbrandentschädigung. 506. 

Liquidationswesen: siehe Gebühren, Taxe. 

Literatur s. BQcheranzeigen. 

Lodz. — Bakteriologische Untersuchung des 
Fleisches in den Läden u. Fleischbänken 
von — 706. 

Lokalanästhesie s Akoin. 

Londoner Viehmarkt. 572. 

Luft und Sauerstoff zur Hemmung tuberkulöser 
Prozesse s. d. 

Luftinfusion s. Kalbeheber. 

Luftkatheter s. Gebärparese. 

Luftsack s. Guttnromyces. 

Lungenaktinomykose. — Orig. - Art. v. 
Schlegel. 409. 

Lungcnblutungen s. Adrenalin. 

Lungenentzündung der Kälber und weiße 
Ruhr s. d. 

Lungenschwindsucbtentstehnng und Tuberku¬ 
losebekämpfung. Vortrag v. von Behring. 
675. — Bemerkung dazu v. Weigert. 
694. — Referat v. Schmidt-Dresden. 723. 

Lungenseuche s. Ländernamen. 

Lungenseucbe v. Raebiger. 640. 

Lungentuberkulose geheilt mit Maraglianoschem Heil- 
serom v. Bellinzoul. 463; Dazu. 678. 

Lupinenstrohvergiftung. 787. 

Lymphadenitis bei Schafen s. Pseudo-Tuber- 
kulosis. 

Lyon s. Tollwutverbreitung. 

Lyslne nnd analytische Sera v. Donath tt. Landsteiner. 451. 

Lvsoform v. Galli. 596. 8. a. Händedeslufizientien. 

Lysols in der Behandlung der Hufkrank¬ 
beiten. — Über die Verwendung des — 
v. Vivien. 739. 

Lysolvergiftung v. Hammer. 414. — Desgl. v. Kayser. 730. 

Lyssa. — Kenntnis der Symptome n. Prophylaxe der 
experimentellen — v. Konradi. 817. 8. auch Tollwut. 

■aden. — Tod durch — v. Henneberg. 405. 

Mästung s. Viehmästung. 

Mäusen. — Krebs bei — v. Jensen. 488. 

Mäusetypbusbazillus, Löfflerscher, für d. Menschen 
pathogen, v. Trommsdorff. 789. 

MäusevertilgnDg v. Mereshkowsky. 753. 

Magen u. Dannkanal a. Infusorien. 

Magenwurmseuche bei Enten v. Sturhan. 548. 

Maissohlempevergiftung. 787. 

alaria s. Vererbung. 

Malariabeklmpfung v. Koch. 357. 

Malaria In den Marschen v. Zlemann. 88. 

Mal de Caderas v. Elmassian u. Barr}'. 365. 

Malaria des Rindes. — Zur Therapie der —. 
Orig.-Art. v. Jackschath. 530. 

Malaria des Rindes und des Menschen. — 
Zur Einführung in das Studium [der 
parasitären Erkrankungen des Blutes, 


insbesondere der —. Orig.-Art. v. Jack¬ 
schath. 769. S. auch Hämoglobinurie, 

| Blutharnen. 

I Malleinimpfung. — Erfahrungen aus der 
Praxis über — v. Feist. 800. 

Malzkeimevergiftung. 787. 

Mannheimer Marktbestimmnngen für Viehver¬ 
käufer. 443. 

Maragllanosches Heilserum s. Lungentuberkulose. 

Marianen: Tierzucht und Tierseuchen im 
Jahre 1901/2. 762. 

Marktkontrolle durch die Teplitzer Polizei s. d. 

Massenvergiftung durch Fleischgenuß in 
Böhmen. 634. 

Mastdarm-Axendrehung s. d. 

Mastdarmruptur bei der Stute v. Heichlinger. 

560. 

Mastdarmvorfall s. Inversio recti. Viborgsche 
Methode. 

Mastitis bei der Kuh, verursacht von Micro- 
coccus tetragenus v. Baldoni. 667. 

| Mastitis bei Michkühen. — Kontagiöse — v. 
j J. Riddoch. 355. s. a. Euterkraukheiten. 

; Mastviebausstellung s. Ausstellungen. 

Mauke s. Ichthoform. Jodtinktur. Glyzerin. 

; Maul- und Klauenseuche-Bekämpfung (Vor¬ 
schläge einer rumänischen Sachverstän- 
digen-Kommission). 507. 
i Maul- und Klauenseuche, erstattet an den 
Herrn Kultusminister. — Berichte über 
die Untersuchungen Uber —. Orig.-Art 
v. Löffler. 209. 

Maul- u. Klauenseuche im Reg.-Boz. Koblenz, 
i (Im Reichstag erörtert). 167. 

i Maul- n. Klauenseuchestatistik s. Länder¬ 
namen. Aphthenseuche. 

Mecklenburg-Schwerin: Ministerialerlaß 
l betr. Beurteilung „nüchternerKälber“. 573. 

Medizinalkollegien: ihre Aufhebung resp. Ver¬ 
änderung. 659. 

Meerschweinchen s. Tuberkulose. 

: Meisen. — Senchenbafles Sterben der — v. Gehrke. 233. 

Melkmethode nach Hegelund. 419. s. dazu 
das Hegel. Melkverfahren u. s. Folgen, j 
I Orig.-Art. v. Schmitt-Cleve. 520. 

Meningo-Encephalitis enzootica bei Hühnern 
v. Fnmagalli. 714. 

Mensche». — Über die Vorgeschichte des — v. Schwalbe. 716. 1 

Menschen - Seuchengesetz: Entwurf eines 
Ausführungsgesetzes im preuß. Abgeord¬ 
netenhause. 139. 

Menschen. — Über die Vorgeschichte des — 
Vortrag v. Schwalbe. 721. 

Menthol zur inneren Desinfektion v. Stern. 405. 

Mcnzersches Antiatroptokokkemerum s. Gelenkrheuma- | 
tisraua. 

Mesotbao externes Antirheumaticum v. Rubemann. 43. 1 

Metallpulver, aseptische s. Epitholgold. 

Metastatische Sehnenzerreißung s. d. 

Metz s. Pferdeheim. 

Metzgerstreik. — Mißglückter — 704. 

Mleschersche 8cbläuche s. Monaden. 

Mikroskopieren bei künstlichem Licht v. Tsnneji 8ato. 184. 

Milch (s. Ausstellungen): Buttermilchkonserve. 
— Colostrum. — Dänische landwirt¬ 
schaftliche Kontrollvereine (zur Fest¬ 
stellung der Rentabilität der Viehzucht 
und speziell der Milchwirtschaft). 417. — 
Einfluß der Erwärmung auf die Gerinnung 
der Kuhmilch v. Silberschmidt. 476. — 
Euterkrankheiten. — Hegelundsche Melk¬ 
methode (und ihr Einfluß auf die Qualität 
der Milch). 419. — Kindermilchversorgung. 
— Kinder- und Kurmilcbgewinnung. 


Vortrag v. Jeß. 419. Derselbe in 
extenso. 649. — Kontagiöse Mastitis 
bei Milchkühen. — Lieferung sterilisierter 
Milch durch die Stadtverwaltung in 
England. 175. — Lungenschwindsucht¬ 
entstehung. — Melkverfahren. — Milch¬ 
kontrolle. — Milch tuberkulöser Tiere 
und ihre Wirkung v. Michelazzi. 367. — 
Milchuntersuchungsbesteck. — Milch¬ 
untersuchungsstation auf dem Schlachthof. 
245. — Milchverkauf. — Milchverkebr in 
Christiania. Vortrag v. Jakobsen. 419. — 
Milchverkehrsregelung vom hygienischen 
Standpunkt aus. Vortrag v. Ostertag. 
416. — Molkereibetrieb in veterinärpoli¬ 
zeilicher und sanitärer Hinsicht. Vortrag 
v. Nevermann. 417. — Pegninmilch. — 
Säuglingsernährung. — Sammelübersicht 
über die veterinäre Kontrolle bei der 
Kopenhagener Milchversorgung. 175. — 
Schmutzgehalt der Milch. Tiefküblungs- 
verfahren und Rückkühlerhitzer für Milch 
v. Helm. 418. — Tierärztliche Beauf¬ 
sichtigung der Milchwirtschaften von 
Malcolm. 175. — Tuberkelbazillen in der 
Milch von reagierenden Kühen von 
Stenström. 728. — Tuberkelbazillentötung 
in der Milch. — Vergleichende Unter¬ 
suchungen zur Unterscheidung roher von 
gekochter Milch v. Mauderer. 215. — 
Verordnung, betreffend Futtermittel für 
Kindermilchkühe in Berlin. 175. — Wert 
der Milch als Nahrungsmittel und Ge¬ 
winnung gesunder Milch. Vortrag v. 
Rubner. 415. 

Milch von tuberkulösen T. s. d. 

Milchausstellung s. Ausstellung. 

Milch a. a. Eiweißkörper. Säuglingsmilch. Tuberkel¬ 
bazillen. Typhnsbazillen. Kuhmilch. 

Milch: angebliche bakterizide Eigenschaft derleiben v. 
Klimmer 309; — Nährwert der M. v. Fahre 790; — 
Trennung von roher u. gekochter M. v. Saul. 895. 

Milch und Säuglingiernährung. — Die Arbeiten dor Jahre 
1900—1908 Ober — v. Hauser. 621. 

Milchfieber der Kühe. Orig.-Art. v. Hob- 
mann. 361. 

Milchkontrolle. — Leitsätze für Ausführung 
der — Vortrag v. Dunbar. 765. 

Milchkontrolle. — Stellung der Tierärzte in 
der — Vortrag v. Bockeimann. 755. 

Milchkontrolle in Schlachthofgemeinden. — 
Die Ausübung der — Referat v. Oster¬ 
tag. 454. 

Milchkuhkonkurrenz auf der Hamburger Aus¬ 
stellung. 418. Desgl. in St. Louis. 634. 

Milchuntersuchungsbesteck für Polizeibeamte. 
Orig.-Art. v. Jeß. 441. 

MilcbuntersuchungSBtation auf dem Schlacht¬ 
hof. 245. Nachtrag dazu. 288. 

Milchverkauf betreffende Beschlüsse deB 
Brüsseler Kongresses für Gesundheits¬ 
pflege und Volkskunde. 632. 

Milchversorgung. — Veterinäre Kontrolle bei 
der Kopenhagener — 175. 

Milchwirtschaftenbeaufsichtigung. — Tierärzt¬ 
liche — v. Malcolm. 175. 

Miliartuberkulose nach Abort v. Westenboeffer. 883. 

Militärveterinäre s. unter Tagesgeschichte. 

Milzbrand s. a. Tierhaaredesinfektion. 

Milzbrand beim Memchen v. Rliol 217; — v. Feder- 
ichmidt 294. 

Milzbrandbazillus: Biologin und Nachweis im Kadaver 
der Haustiere v. BoDgert 694 , 763, 790; — Sauer¬ 
stoff übertragende Körnchen in dems. v. Dietrich ti. 
Liebermeister. 44. 


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Milzbrandbebandlung: mit Kollargol v. Bnracz. 600; 
leramtberapeutitfche v. Jürgelunas. 650. 

Milzbrandlmmunität. — NatOrllcha und kBnBtlicho — v. 
Bail u. Patterson. 217. 310. »46. 696, 764. 

MilzbrandmDcblnfektion v. Gram. 147. 

Milzbrandtcbutzimpfüng durch Antbracasoiamunproteidin 
v. Emmerich u. Thönnesen. 43. S. Schnecken. 

Milxbramlierum: Darstellung v. Detre-Deutzcb. 345; — des 
Hundes v. Sanfelice. 69. 

Milzbrandsporen-Lebonsdauer v. Szekoly. 715. 

Milzbranddiagnose. Autoreferat v. Fisch- 
oeder. 641. 

Milzbrauddiagnosen. — Die „Nachprüfung“ der 
— Orig.-Art. v. Schmaltz. 130; dasselbe 
v. Krüger. 146; v. Schmaltz. 159, 190. 
Dazu faktische Berichtigung v. Kamp¬ 
mann. 328. Dazu Entgegnung auf eine 
„Faktische“ v. Krüger. 353. Dazu „Audia¬ 
tur et altera pars“ v. Kunze (gegen Kamp¬ 
mann). 437. Zur Frage der Nachprüfung 
der Milzbranddiagnosen v. Preusse. 505. 
Ein Beitrag zur Nachprüfung der Milz¬ 
branddiagnosen. Orig.-Art. v. Sahner. 566. 

Milzbrandentschädigung. — Versagung der — 
(Entscheidg.desbay. Oberverwaltger.).627. 

Milzbrandentschädigung in Lippe. 506. 

Milzbrandes des Menschen. — Zur Kasuistik 
und Therapie des äußeren — v. Feder¬ 
schmidt. 294. 

Milzbrandes mit Acidum carbolicum. — Be¬ 
handlung des — v. Minder. 356. 

Milzbrandes nach der Methode „Sobernheim.“ 
— Über die Bekämpfung des — Orig.-1 
Art. v. Burow. 541. Desgl. v. Kunze. 798. ; 

Milzbrandfelle. — Verunreinigung der Fluß- j 
läufe durch Wässern der — (Im Reichs¬ 
tag erörtert). 167. 

Milzbrandkadaver. Nochmals über das Ver-; 
brennen der — Orig.-Art. v. Fabritius. 50. | 

Milzbrand nach Injektion von Argentum 1 
colloidale. — Heilung bei — v.Fäustle. 427. j 

Milzbrandstatistik b. Ländernamen. 

Milzbrandvergiftung. — Besonderer Fall von ^ 
— 573. j 

Milzbrand verendet sind. — Eine eigentümliche | 
Farbreaktion des Blutes von Tieren, die 
an — v. Fadyean. 329. 

Ministerialerlasse: Preußen: Aufhebung , 
des Verbotes der Durchfuhr verbotenen 
Fleisches. 442. — Behandlung der Schaf- 
räude. 314. — Erlaß betr. Einfuhr ausländ. 
Fleischwaren (Fleischpepton). 767. — 
Erlaß betr. forensische Blutuntersuchung. 
760. — FleischbeschaueinfUhrung. 18,348, 
382, 509. — Gültigkeit landespolizeilicher 
Anordnungen auf Grund des Viehseuchen¬ 
gesetzes. 627. — Verfügung betreffs Be¬ 
kämpfung der Geflügelseuchen (Hühner¬ 
cholera und Hühnerpest); Belehrung über 
ihre Kennzeichen etc.; Anordnung, be¬ 
treffend Überwachung der Geflügelaus- j 
Stellungen; Tabellen über Verbreitung. 
680 —684. — Bayern: Anerkennung aus¬ 
länd. Doktordiplome. 502 (bespr. v. Zobel. | 
587). — Untersuchung ausländ. Fleisches. 
244. — Mecklenburg-Schwerin: Be-! 
urteilung „nüchterner Kälber“. 573. 

Mischungen verschiedener Konzentration: Formeln zu 
ihrer Herstellung v. Ooßner. 309. 

Molkereibetrieb s. Milch. 

Monaden in Miesoherschcn Schläuchen v. I.indner. 656, 740. 

Moorwiesenheu s. Lecksucht. 

Morbus maculosuB 8. a. Blutfleckenkrankheit. 
Jodvasogen. 

Morbus maculosns. — Therapeutische Beob- 


- XI! - 

achtuugen bei einem Fall von — Orig.- 
Art. v. Perl. 638. 

Morbus maculosus u. Argentum colloidale s. d. 

Moriansche Klausel s. Unfallversicherungen. 

Morphinderivate: Zur Kenntnis des Kodein, Dionin, 

I Heroin, l’eronln v. Mayor. 3<>8. 

I Morphinismus s. Bnicin. 

Morphium-Skopolamin-Narkoao v. Grovsen. 660. Desgl. 

i v. Hartog. 777. 

Morphium bei Kolik v. Degner. 726. 

Mosers Scharlach-Streptokokkensorum v. l*otpiscbill. 310. 

Moskau s. Tuberkulose beim Rindvieh. 

Motorische Trigeminuslähmung s. d. 

Motorrad und Fahrrad s. d. 

Motorzweiräder (Automobilausstellung in 
Charlottenburg). Orig.-Art. v. Molthof. 353. 

München: Beförderung der Btädt. Tierärzte. 
717. — Tierärztliche Hochschule s. unter 
Tagesgeschichte. 

Münchener städtische Schlachtviehver -1 
Sicherung. 572. Dazu s. a. Städtische 
Schlachtviehversicherungen. 631. 

Münchener medizinischen Wochenschrift. — Vom ärzt¬ 
lichen Intelligenzblatt znr — Itede zur Feier des 
60jährigen Bestehens v. Merke'. 255. 

Mulomedicina s. Heimerus. 

Mus decumanus s. Skrotalhernie. 

Muskelatrophie als Ursache der Gelenkkrank¬ 
beiten. — Orig.-Art. v. Furluna. 554. 

Muskelkontraktion und der venöse Blutstrom, 
v. Burton. 607. 

Muskulatur des trächtigen Rinderuterus. — 1 
Untersuchungen über die — v. Rab. 404.' 

Musterstall auf der Hamburger Ausstellung. 
418. ; 

Muto-Fleischbeschaustempel s. d. 

Myelitis lumbo-sacralis acuta bei einem Hund. 
— Ein Fall von —. Orig.-Art. v. Leon¬ 
hardt. 143. 

Myogen v. Nemnann. 82. 

Nabelinfektion als Ursache von Haematuria 
renalis s. d. 

Nachgeburtsablösung bei Kühen v. Grunth. 
801. 

Nachprüfung der Milzbranddiagnosen s. d. 

Naftalan zur Behandlung akuter Ekzeme v. Auerbach. 233. | 

Nngana im französischen Sudan v. I.avoran. 560. 

Nagana s. Surra. i 

NahrungsmittelfHIsclnng v. Brouardei. 368. 

Näbrznstandsbeurteilung der Schlachttiere I 
v. Kallmann. 174. 

Narkose, pulmonale v. Kuhn. 59«. 

Narkose s. Chloroformwirkung. 

Narkose s. Sauerstoff. Pulskontrolle.Morphlum-Skopolamin- 
Narkose. Immunität 

Natal: Pferdesterbe. 587. S. a. Horse Sickneß. 

Natrium biboraclcum. 69. 

Natrium jodicum s. Tetanus. 

Naturdenkmäler. — Erhaltung der —. Vortrag | 
v. Conventz. 721. 

Naturforscherversammlung (75. in 
Kassel): Ankündigung. 237. — Ein¬ 
ladung und Tagesordnung. 395, 502. — 
Aufforderung zurVortragsanmeldung.552. 
— Vortragsverzeichnis. 564, 600. — Be¬ 
richt von Schmidt-Dresden. 709, 721. — 
Vorträge: Einfluß derNaturwissenschaften 
auf die Weltanschauung v. Ladenburg. 
710. — Physiologische Psychologie der’ 
Gefühle und Affekte v. Ziehen. 712. — i 
Vorgeschichte des Menschen v. Schwalbe. ( 
721. — Erbliche Entartung infolge sozialer 
Einflüsse v. Alsberg. 721. — Erhaltung 1 
der Naturdenkmäler v. Conventz. 721. — . 
Unser jetziges Wissen über die wichtigsten 


Geflügelseucben v. Schmidt-Dresden. 722. 
— Verbesserung des biologischen Unter¬ 
richts auf den höheren Schulen v.Kräpelin. 
722. — Stand der Sehulhygiene v. Gries¬ 
bach. 723. — Tuberkulose-Bekämpfung v. 
von Behring. 723. 

Naturwissenschaften auf die Weltanschauung. 
— Einfluß der — v. Ladenburg. 710. 

Negriscber Tollwuterreger *. <1. 

Nekrosebazillus s. Scheidenentzündung. 

Nekrosen und Nekrosebazillus (Streptothrix 
necrophora) v. Ernst. 523. 

Nephritisbehandlung durch Enteroklyse s. d. 

Nephritis und Eigentümlichkeiten im Ge¬ 
schlechtsleben (bei einem Hund) s. d. 

Nervenkrankheiten t. Vorerbung. 

Xervenpfropfung v. Körte u. Bernhardt. 809. 

Nervenschnittes. — Über die Resultate des — 
v. Vennerholm. 605. 

Nervensystems beim Hnnde. — Zur Kasuistik 
der Leiden des — v. Prof. Albrecht. 654. 

Nesselfieber s. Rotlauf. 

Neu-Guinea: Tierzucht und Tierseuchen iin 
Jahre 1901/2. 762. 

Neurectomy s. Tibio-. 

Neurektomie des Plantar- und des Median¬ 
nerven s. Überköten. 

Neu-Seeland. — Pseudo-Tuberkulosis bei 
Schafen auf — s. d. 

Nervenschnitts beim Spat der Pferde. — Re¬ 
sultate des — v. Mörkeberg. 751. 

Nervensystems. — Über die senilen Läsionen 
des — v. Vall6e. 356. 

Nervöse Störungen infolge Kompression des 
Rückenmarks nach einer Luxation der 
Halswirbel v. Rubay u. Navez. 644. 

Nestor der deutschen Tierärzte (Lange). 46. 

Niederlande: Seuchenstatistik. 319, 508, 762. 

Nierenkrankheiten. — Herzhypertrophie bei — v. Nenator. 
48; Biutgefriorpunkt bei — 130. 

Nierenkrankheiten s. a. Herzhypertrophie. 

Nierenverletznngen, traumatische, bei Haus¬ 
tieren v. Parascandolo. 787. 

NiUiiaubaxe aU Kohlensäure-Reagon« v. IleiUenliain. 777. 

Norwegen: Seuchenstatistik. 18, 318, 508, 701. 
— Tierärztestatistik. 758. 

Notierungskommissionen auf Viehmärkten, 
erörtert im preuß. Landtag. 107. 

Notschlachtungen s. Fleischbeschau. — Definit. 

Notschlachtungen untersuchungspflicbtig ? 299. 

Notschlachtungen. — Orig.-Art. v. Maier. 762. 

Nüchterne Kälber: s. unter Fleischbeschau. 
Kennzeichnung ihres Fleisches. Orig.- 
Art. v. Teetz. 439. — Erlaß betr. ihre 
Beurteilung in Mecklenb.-Schw. 573. 

Nürnberg s. Ausstellungen. 

Obergutachten (der Kreis- bzw. Departements- 
tierärzte in streitigen Fällen der Fleisch¬ 
beschau). 538. 

Oberroßarzt s. Militärveterinär unter Tages¬ 
geschichte. 

Obturatorparalyse v. Willis. 414. 

Odda g. Säuglingicrnährnng. 

Oenanthe crocata. 8. 

Ösophagismus. — Periodischer — Orig.-Art. 
v. Lellmann. 352. 

Österreich: Dr. med. vet. in Ö.-U. 258. — 
Fleischschaugesetz. 59. — Frequenz der 
Hochschulen und Einfluß der Universitäts¬ 
reife auf dieselbe. 678. — Geflügelcholera¬ 
bekämpfung. 507. — Militärveterinärreform 
und Veterinärdebatte im niederöster- 


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XIII 


reichischen Landtag. 717. — Personal- j 
Veränderungen an den Hochschulen. 551. | 
— Schweineseuche. 375. — Seuchen-' 
Statistik. 18,99,318, 439, 702, 762. — Vieh- 
seuchcnkonvention. 169, 239. — Wiener j 
Hochschule s. unter Tagesgeschichte. I 

Ohrerkraukungen v. Wlttmaarck. 140. 

Ohrmarke zum Zeichnen der Tiere, vom Ver-j 
fasser nachstehender Zeilen und Herrn i 
Uhrmacher Hammer in Greiz konstruiert 
— fIber eine neue — Orig.-Art. v. Schu -1 
mann. 591. 

Omarthritis chronica deformans des Pferdes, 
v. Kärnbach. 499. 

Operationen s. Achsendrehung des Mast¬ 
darmes, Aktinomykome, Brennen, Hufrehe, 
Intravenöse Injektionen, Inversio recti, 
Klopfhengst, Krikotomie, Krippensetzen, | 
Nervenschnitt, Punktur des Colons, Rehe, 
Retorsion, Stollbeule, Synovialen, Synovie- j 
tomie, Thyreoidektomie, Torsio Uteri,; 
überköten, Überwurf, Urachusfistel, Vi- 
borgsche Methode. 

Operation ohne direkte Berührung «ler Wunde ▼. Koenig.!». 

Operationshosen für Pferde. — Orig.-Art. v. 
Richter. 397. 

Organotherapie v. Joest. 498. 

Osteomyelitis des Pferdes. — Ein Beitrag zur j 
primären infektiösen — v. Fröhner und | 
Kärnbach. 558. 

OHteomrclitis s. Knochenmark 

Ovariotomie beim Rinde v. Freyberger. 547. i 

Oxyuria vermlcularis. Ursache akuter Appendicitis v. | 
Rammatedt 8. 

Ozon s. Bakterientötung, Wassrratoriligatiou. 

I 

Papageientuberkulose v. Delbanco. 586. j 

Papillomatose bei einem Bullen. Orig.-Art. I 
v. Schwantes. 592. 

Parasitäre Bluterkrankungen insbesondere , 
Malaria des Rindes s. d. 

Parasiten: Acarus, Anguillula, Ascaris mega- 
locephala, Coccidiosis, Cysticercus fascio- 
laris, Echinokokkus, Finnen, Maden, 
Simulia ornata, Stilesia, Strongylus con- 
tortus s. unter Magenwurmseuche, Uncin- 
naria s. unter Wurmkrankheiten beim 
Elefanten. Zebraparasiten. Zecken. 

Partus praematurus infolge Epilepsie bei einer 
Stute. — Orig.-Art. v. Eberhard. 460. 

„Patent-Rinnen-Hufeisen“ der Firma Landeker 
n. Albert, Nürnberg. D. R. P. 108141. — 
Gepreßte. — Orig.-Art. v. Angerstein. 195. 

Pegninmilch. — Praktische Erfahrung Uber Ernährung 
mit — v. Levy. 404. DesgL v. Roiuach. 780. 

Pepsin-Witte v. Edlefson. 730. 

Pepton s. Fleischpepton. 

Perlsucht- und Tuberkuloseerreger; ihre Identität er¬ 
örtert auf dem Brüsseler KongreS. 677. 

Pest: Bekämpfung, sanit&tspolizeillcbe v. Kirchner. 461; 
— Immunisierung mit abg. Kulturen v. Kollo u. 
Otto. 476; — Peststudien v. Camillo. 596; — Pest- 
Vaccine v. Cruz. 44. 

Pferd s. Abortus, Acbsendrebung, Acne, Alter, 
hohes, Anguillula, Artbritische Diathese, 
Bart, Beschälseuche, Bornasche Krank¬ 
heit, Cerebrospinalmeningitis infectiosa. | 
Erbfehler, Fohlenlähme, Fütterungsein- 
flüs8e, Gelenkrheumatismus, Gutturo- 
myces, Haematuria renalis, Haemoglo -1 
binämie, Halswirbelbrucb, Hornhaut -1 
trübungen, HypbomycosiB, Inversio recti, I 
Karzinom, Kieferhöhlenscbimmelvege-1 
tation, Künstliche Befruchtung, Lenko- i 
encephalitis, epizootische, Mastdarm¬ 
ruptur, Omarthritis, Operationshosen, I 


Osteomyelitis, Partus praematurus, Pferde¬ 
rassen in China s. Schantung, Pferde¬ 
versicherung, Polydaktylie, Retropharyn¬ 
gealer Haarballen, Schlachtpferde-Unter- j 
Buchung, Stenose, Synovialen, Throm- i 
böse, Trigeminuslähmung, Vererbung, [ 
Überbein, Urachusfistel, Zecken, Zehen -1 
aebse. ; 

Pferdefleisch (s. a. Fleisch): Nachweis durch 
ein spezif. Serum v. Gröning. 55, 206. 
Dazu Jeß 65 und Uhlenhut. 407. 

Pferdeversicherungsanstalt für das Versiche¬ 
rungsjahr 1901/02. — Geschäftsbericht 
der bayerischen Landes- 322. 

Pfuscherei s. unter Tagesgeschichte. 

Pharmazie. — Wissenschaftliche Beiträge zur 1 
praktischen — v. Kunz-Krause. I. Müssen 
Tinkturen klar und ohne Bodensatz sein? 
157. II. Über eine spontane Ausscheidung j 
von krystallisiertem Calciumtartrat aus 
Vinum Colchici. 427. 

Pharynxtuberkuloae bei Kindern v. Scboctz. 694. 

Phenolprärarate. — Dcslnfektlonskraft der —v Hummer. 
238. 

Phenylhydrazin «. Zuckerprobe. 

Phloridzindiabete* nnd chemische Eigenart v. Kraus 283. 

Phosphorvcrglftung v. Qraham-Gillam. 817. 

Phosphorwirkung v. Vogel. 44. 

Photographie s. Augenhintergrund. 

Physiologisches: Blutstrom. 

Pilocarpin bei Dummkoller nnd akuter Hirn¬ 
hautentzündung v. Waschulewski u. Bock. 
726. 

Pilocarpin bei Pneumonie v. Pelzl. 29. 

Piroplasmose des Hundes. — Häufigkeit und 
Diagnose der — v. Nocard. 593. 

Plattenepithelkrebs (Kankroid) der Harnblase 
des Pferdes. — Orig.-Art. v. Schlegel. 225. 

Plazenta spezifisches Serum. — Ein für menschliche — 
v. Llepmann. 8. 404. 

Plumbum nitricum gegen Strahlfäule v. Spring 
und als Wundstreupulver v. Hanke. 665. ^ 

Pneumonie s. Argentum colloidale. 

Pneumonie ». Pilocarpin. 

Pneumo-Pleuritis vitulorum infektiosa. — Orig.- 
Art. v. Evers. 277. 

Polydaktylie. — Zur Kasuistik der —: P. bei 
einem Fohlen von Salles; überzähliger 
Knochen an der Handwurzel des Rindes 
v. Bürki; eine überzählige Zehe beim 1 
Rind v. Share Jones. 474. 475. 

Polyvalentes Schweineseuchenserum s. d. 

Post als Vermittlerin bei der Weiterverbreitung von ' 
Krankheiten v. Müller. 754. 

Praxis s. Anmeldung. Verkauf. 

Praxis. — Aus der — Beitrag zur Rotlauf- 
impfung 1902. Orig.-Art. v. Teetz. 304. 1 

Praxis V. — Aus der — Orig.-Art. (über Er- J 
fahrungen mit Vasogenpräparaten) von ■ 
Rud. Schmidt. 302. 

Präzipitine s. Hämolysine. 

Prlzipltinreaktion v. von Düngern. 584. 

Preisaufgaben betr. Milchwirtschaft. 46. Desgl. | 
der tierärztl. Hochschule in Hannover. 502 

Prenzlauer Impfstoff s. Rotlaufimpfungen. 

Preußen (s. Ministerialerlasse, Floischbeschau- 
gesetz und Verordnungen): Beamten¬ 
verein. 480. — Bestellung der Tierärzte 
zu Beschauern. 630. — Finnen- und 
Trichinenscbaustaiistik (Ergebnisse 1902). 
766. — Herrenhausverhandlungen über 
Fleischpreise und Einfuhrbeschränkung. 
270. — Landtagsverhandlungen. 85. — 
Pferde-Influenza. 376. 

Priinula s. Dermatitis. 


Prioritätsstreit s. unter Tagesgeschichte: Dis-, 
pnte und Streitfragen. 

Privatpraxis s. Taxe. 

Prolapsus recti s. Viborgsche Methode. 

Promotion s. Doktortitel. 

Proteinochrom u. Typhusdiagnose v. Erdmann u. Win¬ 
ternitz. 463. 

Protozoon als Tollwuterreger v. Negri. 451. 

Protozoenbefhndc (Apiosoma) im Blute von Flecktyphus¬ 
kranken v. Gotscblich. 345. 

Protylin: Roborans 461; v. Gnezda. 789. 

Prüfungsordnung für Tierzuchtinspektoren. 
492. (Zusammensetzung der Prüfungs¬ 
kommission. 502). 

Prüfungsordnung. — Tierärztliche — Orig.-Art. 
v. Schmaltz. 368. 

Pseudoperinealhernie beim Hund v. Lienaux. 
366. 

Pseudotuberkelbazillen bei Rindern. Beitrag 
zum Vorkommen von — Orig.-Art v. P. 
Moeller. 156. 

Pseudotuberkulosis bei Schafen (Lymph¬ 
adenitis) v. Gilruth. 727. 

Psychologie der Gefühle und Affekte. — 
Physiologische — Vortrag v. Ziehen. 712. 

Puerperale Infektion s. Scheidenentzündung. 

Puerperalfiebers mit Antistreptokokkonserum. Behand¬ 
lung des — v. Steinbauer. 256. 

Pulskontrolle in der Narkose v. Gärtner. 464. 

Punktur des Colons per rectum v. Cunning- 
ham. 714. 

Pyrenol v. Sternberg. 789. 

„Pyrol“. — Das auskochbare Maximalthermo¬ 
meter. — Orig.-Art v. E. Kantorowicz. 
484. 

<$uarantäneanstalten s. Deutschland. 

Quecksilber- und Phenolpräparate. Desinfektionskraft 
älterer und neuorer— v. Hammer. 233. 

Quecksilbervergiftung. 786. 

Rachitisches Siechtum bei der Ziege — Orig.- 
Art. v. Zobel. 553. 

Rachitische Veränderungen am Kopfe eines 
Schweines. Orig.-Art. v. Friedericb. 685. 

Rachitis, 8amraelrcferat v. Näter. 159. 

Rachltlstheorie v. Pfaundler. 656. 

Ralnevsche Körperchen s. Monaden. 

Ratten. Pathogenes Bakterium für — v. Toyaina. 217. 

Ratteneplzootien v. Wiener. 584. 

Rattenvertilgung (internationale Vereinigung). 
376. 

Räude s. Acarus. 

Rauschbrand. — Eine neue Schutzimpfung 
gegen — Orig.-Art. v. Baer. 194. 

Rauschbrandstatistik s. Ländernamen. 

Rechtsungültigkeit veterinärpolizeilicher An¬ 
ordnungen (Kammergerichtsentscbeidg.). 
436. 

Redwater in Transvaal. — Virulent — v. 
Hutcbeon. 750. 

Rehe s. Hufrehe. 

Rehe infolge Durchscbneidung der Arteria 
digitalis lateralis. — Heilung von — 
Orig.-Art. v. Dorst. 592. 

I Rehvergiftungen durch Kainit s. d. 

Reichsfleischschau s. Fleischschau. 

Reichsgericht s. Gerichtsentscheidungen. 

Reichstagsverhandlungen s. Tagesgeschichte: 
Staatsveterinärwesen. 

i Reichsviehseuchengesetzs.Viehseuchengesetz. 

Reinblutigen Zuchttieren. — Die Vorteile der 
Verwendung von — Orig.-Art. v.Kühnau. 3. 

j Remontedepot-Roßärzte s. Häuflein (ein ver¬ 
gessenes) u. unter Tagc?geschichte (Mili- 

; tärveterinäre). 


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Resektion s. Synovialen. 

Retina bei einer zwei Monate alten blind¬ 
geborenen Katze. — Bau der — Orig.- 
Art. v. Abderhalden 709. 

Retorsion. Neue Heilmethode bei Uterus¬ 
torsionen. — Extraabdominale — v. Bach. 
594. 

Retro pharyngealer Haarballen beim Pferde 
v. Vignior. 366. 

Rezeptursünden s. d. Artikel Vergiftungen 
durch Arzeneimittel. 

Reuß ä. L.: Versicherungsbeiträge und Ent¬ 
schädigungssätze. 706. 

RlieumaBRD, v. Köbisch. 655. 

Rhodesia: Texasfieber oder Rotwasser v. 
Gray und Robertson. 231. 

Rind s. Atresia ani, Bläschenseuche, Blut¬ 
harnen, Capillarectasie, Drillingsmiß- 
bildung, Echinokokken, Eiterereger, Ge¬ 
bärparese, Geburtshindernis, Geburts- 
kunde, Gelenkrheumatismus, Geschlechts¬ 
drüsen (Einfluß auf Körperform, Hörner¬ 
gestaltung, Beziehung zur Sterilität), 
Hämoglobinurie, Hodentumor, Hörner¬ 
anomalie, Kälberruhr, Katarrhalfieber, 
Kephalo - Thoracopagus, Knieschwamm, 
Kontagiöse Mastitis, Lecksucht, Malaria, 
Milchfieber, Ovariotomie, Papillomatosc, 
Polydaktylie,Pseudotuberkelbazillen, Rin¬ 
dertuberkulose, Scheidenentzündung, 
Scheidenkatarrh, Sehnenzerreißung, Seh¬ 
nenzerschneidung, Septikämie, Tempera¬ 
tur, Temperaturen nach der Geburt, Texas¬ 
fieber, Tuberkulose, Überwurf, Weiße 
Ruhr und Lungenentzündung der Kälber. 

Rindereinfuhr. 17. 

Rinderkrankheiten bei den Tamil. — Be¬ 
handlung der — Orig.-Art. v. Werner. 
327. 

Rinderkrankheit im südlichen Zentral-Ne- 
braska während der Jahre 1899 und 1900 
v. Bostrom. 691. 

Rinderpest s. Ländernamen. Veterinärpolizei. 

Rinderpest und Rinderpestimpfung in Süd¬ 
westafrika. 17. 7G0. 

Rinderseuche s. Wild- und Rinderseuche. 

Rindertuberkulose auf den Menschen. — Über 
den Stand der Frage von der Übertrag¬ 
barkeit der — Orig.-Art. v. Köhler. 54. 

Rindertuberkulose. — Die Bekämpfung der — 
(Praktisch durchgeführt auf der Herrschaft 
Ung. Altenburg) v. Ujbelyi. 373. 

Rindertuberkulose und das v. Behringsche 
Immunisierungsverfahren. — Die Be¬ 
kämpfung der — Orig.-Art. v. Lorenz. 733. 
Berichtigung dazu. 780. 

Roborin v. Ackermann und Krüger. 691. 

Römerhunde s. Hundefährte. 

Röntgenstrahlenwirkung auf den Organismus der Tiere 
v. Albers 789; v. Heinecke. 789. 

Roßarzt s. Militärveterinär unter Tages¬ 
geschichte. 

Rotlauf s. a. Erreger. 

Rotlauf bekämpfung. Orig.-Art. v. Kiihnau. 697. 

Rotlaufimpfung 1902. Orig.-Art. v. Teetz. 304. 

Rotlaufimpfungen in der Provinz Sachsen, 
dem Herzogtum Anhalt u. d. thüringischen 
Staaten. — Bericht über die mit Prenz¬ 
lauer Lorenz-Impfstoffen im Jahre 1902/3 
ausgeführten — Orig.-Art. v. H. Raebiger. 
351. 

Rotlaufimpfung in ihrer heutigen Art eine 
Schädigung der Tierärzte. Einsendung 


nebst Besprechung („Hilf Dir selbst“) i 
v. Schmaltz. 696. 

Rotlaufschutzimpfstoff des Budapester Insti¬ 
tuts Jenner-Pasteur. Erwiderung an 
Dr. Schreiber v. Detre-Deutsch. 265. 

Rotlauf, Schwelneseucbe und Schweinepest,; 
sowie deren Bekämpfung. — Beo -1 
bachtungen und Erfahrungen über — 
Orig.-Art. v. Träger. 397. 

Rotlaufseuche der Schweine v. Raebiger. 640. 

Rotlaufs und Nesselfiebers (Urticaria) bei 
Schweinen. — Ein Beitrag zur Identität 
des — Orig.-Art. v. H. Schmidt. 351. 

Rotwasser s. Texasfieber. 

Rotz in Südafrika. 191. 

Rotz : Agglutin*tionsver*ucbe v. Kleine 656 : — Heilung 
mit Färsenserum v. Nicolle-Üubois. 112. 

Rotzstatistik s. Ländernamen. 

Rudolstädter Seniorenkonvent. 358. 

Ruhr: Ätiologie v. Jürgens 752; — Geschichte der Er¬ 
forschung und Entdeckung de* Ruhr-Bazillus v. 
Chantemesse 256 u. v. Kruse 256; — Schutzimpfung 
v. Shlga. 331. 

Rumänien: Maul- und Klauenseuchebe¬ 
kämpfung 507. 

Rußland s. Beschälseuche. — Seuchen¬ 
statistik. 439, 629. — Tierärztlicher Kon¬ 
greß. 46. 4G3. 

Ruhr s. weiße Ruhr. 

Rückenmark s. Myelitis. 

Rückenmarkskompression s. Nervöse Stö¬ 
rungen. 

Ruini s. Anatomie. 

Sachsen: s. Viehversicherung. Festsetzung 
der Durchschnittspreise der einzelnen 
Fleiscbgattungen für die Zwecke der 
sächs. Schlachtviehversicherung. 706. — 
Reformen im Veterinärwesen. 312. — Ver¬ 
einsorganisation. 151. — Viebhandels- 
bestimmung Uber Lebendgewichtfest¬ 
setzung bei Schlachttieren. 767. 

Sachsen - Meiningen: Amtsbezeichnung und 
Rang der Kreistierärzte. 468. 

Sachsen-Weimar. — Veterinärpolizei und be¬ 
amtete Ärzte in — 626. 

Sachverständiger. — Auswahl geeigneter — 
(Äußerung des pr. Justizministers). 704. 

Säugllngsalter. — Ernährungsstörungen Im — v. Ri-inach. 
730. 

SäuglingsemKhrung künstliche v. Wassermann 43; — 
mit Odda v. Katzenstein. 414. 

SäuglingseruShrung u. Säuglingssterblichkeit, besprochen 
v. Ileubner. 077. 

Säuglingsmllcb: ihie Herstellung als Ersatz der Mutter¬ 
milch v. Szfekely. 309; — s. a. Buttennilchkonaerre. 

Säuglingsnahrung. Tiermilch als —. Vortrag 
v. Heubner. 418 s. a. Milch. Säuglings 
milch. Säugling8ernäbrung. 

.Siiuglingj-Sommers'erblichkelt y. Pfaffenholz. 740. 

Salizylpräparat, ein neues s. Ester Dermasan. 

Salmlakgoistvergiftuug v. Rcekzeh. 217. 

Salochinin v. Wateff. 596. 

Salokreol (Antirhcnmatlcum etc.) v. Gnedaa. 404. 

Sandkolik s. phosphorsaurer Kalk (als Pro- 
phylaktikum). 

Sanitätstierärzte s. Tagesgeschichte u. Fleisch¬ 
beschau. 

Sarzina Streptokokkus u. Spirillum v. Ellis. 68. 

SauerstoiTbehandlung s. Brustseuche; Gebär¬ 
parese. 

Sauerztoff-Chloroformnarkose v. Lauenstein. 217. 

Saueretoffinbalationen v. Pee. 691. 

Sauerstoffinjektionen, endovenöse hei Entickungsgofahr 
v. GSrtner. 358. 

Sauerstoff zur Heilung tuberkulöser Prozesse 
s. d. 

Schachtelhalmvergiftung. 787. 


Schächtverbot. Entscheidung des pr. Ober- 
verwaltongsgerichts. 572. Dgl. im Perle¬ 
berger Schlachthof. 705. 

Schädelhalter für Sektionszwecke. Orig.-Art. 
v. Baum. 673. 

Schaf: Pseudo-Tuberkulosis. Stilesia hepatica. 

Schafe, vergiftet durch Oenanthe crocata s. d., 
durch Solanum dulcamara s. d. 

Schafräudebehandlung. Preuß. Min.-Erl. 314. 

Schantung. — Eigene Beobachtungen über 
Märkte, Pferdezucht, Verkauf, Rassen etc. 
Ein Beitrag zur Exterieurkunde v. Pfeiffer. 
781. 

Scharlach: Behandlung mit Sernm y. PotpisrhlÜ 310; 
v. Rumpel 112; v. Scholz 405. 

Scheidenentzündungen des Rindes mit be¬ 
sonderer Berücksichtigung der Wirkungen 
des Nekrosebazillus, — zugleich auch 
ein Beitrag zur Lehre von der puerpe¬ 
ralen Infektion. — Zur Kasuistik der 
übertragbaren bösartigen —. Orig.-Art. 
v. Ellinger. 25. 

Scheidenkatarrh der Rinder v. Raebiger. 639. 

Scheidenkatarrhs in Baden. — Bekämpfung 
des ansteckenden —. 506. 

Schildkröte s. Tuberkulose. 

Schimmel b. Gutturomyces. Hyphomycosis. 

Schimmelvegetation in der Kieferhöhle eines 
Pferdes v. Nielsen. 330. 

Schimpanse s. Syphilis. 

Schlachtgewichtsfeststellung (pr. Minist.-Erl. 
u. Verfüg, der hannov. Regierung). 705. 

Schlachtgewichtsfeststellung bei kranken 
Tieren (sächs. Minist.-Verordg.) 705. 

Schlachthaus (s. a. Fleischbeschaugesetz und 
Verordnungen): Gebühren. Milchunter¬ 
suchungsstation. TagebnchfÜhrung. Un¬ 
erhörtes Vorgehen gegen einen Schlacht- 
hausdirektor. — Rindereinfuhr aus den 
Quarantäneanstalten s. unter Deutschland. 

Schlachthausgesetz: Auslegungen s. 

Schlachthaus-Gebührentarif. Schlacht¬ 
hauszwang.—Vorschläge zur Abänderung 
des preuß. Schlachthausgesetzes. 99. 

Schlachthäuser. — Einwirkung der §§ 5 und 
14 des P. A. G. auf die Einrichtung 
öffentlicher —. 633. 

Schlachthaus - Gebührentarif (Oberverwal- 
tungsger.-Entsch.). 244. 

Schlachthanstierärzte und Fleischbeschauge¬ 
setz. Orig.-Art v. Kühnau. 513. 

Schlachthauszwang nur für räumlich ver¬ 
bundene Gemeinden (Kammg.-Entsch.), 
244. — Ausdehnung desselben (Kammg.- 
Entsch.). 515. 

Schlacbthöfen. — Anlage und Betrieb von — 
^Gutachten der technischen Deputation 
f. d. Vet.). 372. 

Schlachthofberichte der Stadt Berlin s. d. 

Schlachthofgemeinden und Milcbkontrolle s. d. 

Schlachthoftierärzte s. Sanitätstierärzte unter 
Tagesgeschichte. 

Schlachtpferde - Untersuchung, erörtert im 
Verein beamteter Tierärzte Preußens. 87. 

Schlachttiere. Beurteilung des Nährzustandes 
der — 174. 

Schlacht- und Viehhöfe. — Die hygienischen 
Erfordernisse der — Vortrag v. Dammann. 
432. 

Schlachtviehversicherung s. auch Viehver¬ 
sicherung. 

Schlachtviehversichernngen. — Städtische — 
631. Desgl. in München. 572. 


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XV 


Schlafkrankheit der Neger 536; v. Ziomann *83; — Er¬ 
reger derselben (Trypanosoma Castcllanl) v. Kruse 
730. 

Schlafmittel v. Fischer u. von Murlng. 309. 

Schlangengift s. Antivenin. 

Schmierseifenverätzung v. Most. 181. 

Schnecken: ihre Immunität gegen Impftnllzbrand v. 
Lode. 68. 

Schnellhärtung und Schnelleinbettung v. Stein. 789. 

Schulhygiene. — Stand der — v. Griesbach. 
723. 

Schnlterlahmheit a. Omarthritis. 

Schußbolzen-Apparate nach Patenten und 
System Dr. Liebe — Orig.-Art. 512. 

Schutzgebieten 1901,02. — Tierzucht und 
Tierseuchen in den deutschen — 762. 

Schutzimpfung s. Impfung. 

Schutzimpfungen gegen Schweinerotlauf s. d. 

Schwangerschaft. — Biochemie der — v. Opitz. 561. 

Scbwarzwasserfieber v. Panse. 66. 

Schweden: Seuchenstatistik. 18. 318. 439. 
629. — Tierärztestatistik. 758. 

Schwein s. Bakterienflora des Schweine¬ 
darms, Land schwein, veredeltes, Rachi¬ 
tische Veränderungen, Schweineimpfung, 
Sera, Viborgsche Methode (zur Behand¬ 
lung des Prolapsus recti). 

Schweinerotlaufserum v. Deutsch. 158. 

Schweinedarmes. — Beitrag zur Kenntnis 
der Bakterienflora des — Orig.-Art. von 
Heinick. 141. 

Schweineimpfung: In welcher Lage impft 
man Schweine am leichtesten? — Orig.- 
Art. v. Kunib. Müller. 278. — Desgl. I. 
v. Bury und II. v. Goldbeck. 350. (Zu 
letzterem s. Berichtigung. 364.) — 
Desgl. I. v. Platscbek. 472. II. v. Joseph. 
472. — Erwiderung auf letzteren Artikel 
v. Platscbek. 533. — Desgl. Orig.-Art. 
v. Dobler. 786. 

Schweinepackgesohäft in den Vereinigten 
Staaten. 633. 

Schweineregisterführung (landespolizeil. An- j 
Ordnung in Oppeln). 192. j 

Schweinerotlauf in Württemberg im Jahre 
1902. — Schutzimpfungen gegen — 
Mitteilg. d. bygien. Laborat. des württ, 
Med.-Kolleg. 481. (Berichtig, hierzu. 529.) 

Schweinepest s. a. Rotlauf, Septicidin. 

Schweineseuche s. a. Rotlauf. 

Schweineseuche v. Raebiger. 641; Bekämpfung 
v. Wassermann. 473; Impfung. 239. j 

Schweineseuchekranker Schweine. — Beur-1 
teilung — (Bundesrats-Beschluß.) 276. j 

Schweineseuchenserum. — Polyvalentes — 36. i 
— Abgabe desselben für die Provinz I 
Sachsen. 98. 761. S. a. den Artikel | 
Schweineseucheimpfung. 239. 

SehweiS. — Untersuchung tlbor den menschlichen — v. 
Brleger u. Disselhorst. >33. — Pomeranzenfarbigor I 
Schweif v. Harz. 790. 

Schweiz: Seuchenstatistik. 18. 318. 508. 702 .1 

Schwindsucht und Perlsucht. — Über Identität 
und gegenseitige Übertragbarkeit der — 
Verhandlungen der Berl. raed. Gesellsch. 
(Schütz-Orth). 485. 

Seequarantäneanstalten s. Deutschland. 

Sehnenzerreissung beim Rind infolge Me¬ 
tastase. — Orig.-Art. v. Richter. 555. 

Sehnenzerschneidung bei einem Ochsen v. 
Gutbrod. 500. i 

Seifenspiritus s. Sterilisierung. j 

Sektionen s. Schädelhalter. 

Septicidin in Ungarn. — Versuchsimpfungen 
mit —. Orig.-Art. von Kerkuljevic. 79. 
s. auch Geflügelcholera. 


i Septikäinie des Rindes. — Hämorrhagische 
— v. Brimhall. 619. 

Septikämie. — In ravenöae Injektion von Formaliu bei — 
v. Barrowa. 266. 

Sera: Antivenin. Geflügelcholeraserum. Gurmin. 
Schweineseuchenserum. Serum zum Nach¬ 
weis des Pferdefleisches s. d. Septicidin 
(Landsberger Serum). 

Sera: AnÜkörperhorstellnng. Antistreptokokkensera. 

Dysenterie. Diphthcrieheilserum. Drusebellserum. 
Eidotterantijcrnm. Geflügelcbolera. Hemolytlc Kom¬ 
plement. Laktoserum. Maraglianosches Heilserum. 
Mosers Scharlaclistreptokokkenserum. Menzersches 
Serum. Rotz. 8charlacb. Staphylokokkenserum. 

j Streptokokkenserum. Schwelnerotlauf. Trunecek- 

sches Serum. Antitoxische Sera v. Weichsberg 729; — 

i Spezifität der eiweiSpräzIpitierenden S. v. Wasser¬ 

mann ii. Schlitze 233; — spezifisch für menschl. 
Plazenta v. Liepmann. 8, 404. 

Seröse Häute s. Entzündungsprozeß. 

Serumdiagnostik, forensi.ebe v. Krntten 113; — der 
Tuberkulose v. Elsenberg u. Keller. 346. 

Serumreaktion s. Pferdefleisch. 

Seiumtberaple gegen Beuleopeat v. Poverini. 309. 

Sibirien: Fleischausfuhr nach Deutschland. 705. 

Silbertherapie. — Weitere Beiträge zur —. 
Orig.-Art. v. H. Meyer-Dresden. 545. 

Simulia ornata s. Insektenstiche. 

Sinapis nigra v. Roub. 357. 

Skandinavische Tierärztestatistik. 758. 

Skrotalhernie bei Mus decumanus. Orig.-Art. 
v. Baumgart. 80. 

; Soberuheimsche Milzbrandbekämpfung s. d. 

Solanum dulcamara. 8. 

I Sommerwnnden s. Eisenchlorid. Alaun. 

| Soor-Allgemeininfektion. — Ein Fall von — v. Heubner.SOI 

Spat s. Nervenscbuitt. 

Spbygmograpti v. G. Gärtner. 596. 

Sprunggelenksgalle durch Synovietomie. — 
Zur Behandlung der — v. Gavard. 620. 

Stuttgart: Tierärztliche Hochschule s. unter 
Tagesgesebiebte. 

Städtetag, 14. ostpreußischer, und seine Stel¬ 
lung zum Fleischbeschauausführungs- 
gesetz. 571. 

Städtische Tierärzte s. Sanitätstierärzte unter 
Tagesgeschichte. 

Stadtverwaltungen. — Übertragung der Fleisch -1 
beschau an die. — 682. 

Standesvertretung. — Eingabe der Zentral- 
vertretUDg, betreffend eine staatlich an¬ 
erkannte —. Verbescheidung derselben . 
durchs preußische Landwirtschafts¬ 
ministerium und Besprechung derselben 
v. Scbmaltz. 429. 548. 

Stallinfektionea v. Schwor. 68. 

Staphylokokken (s. a. Bothryomykoso): Immunität gegen 
Staphylokokken v. Prözcher. 596. 

Staphylokokkenfterum v. Pröacher. 233. 

StärkefQtterung u. ihr EluBuB auf die Zersctzungavor- 
gäuge de* Tieres v. E. Volt. 331. 

Starrkrampf s. Tetanus. 

Staupebehandlung durch Enteroklyse s. d. 

Steine statt Brot! — Orig.-Art. (über die Lage 
der Schlachthoftierärzte) v. N. 764. 

Steinkohlenteervergiftung. 786. 

Stellvertretung d. Fleischbeschauers s. d. 

Stempel s. Fleischbeschaastempel. 

Stenose des Leerdarms bei einem Pferd von 
Zürn. 776. 

Sterilisation klein. VerbzndMtoffmengen v. Holzapfel. 309. 

Sterilisierte Milch, durch die Stadtverwaltung 
in England geliefert. 175. 

Sterilisierung mittelst Seifenspiritus v. Gerson. 586. 

Sterilität bei der Kuh s Geschlechtsdrüsen. 

Stilesia hepatica nov. spec. ein Bandwurm 
aus den Gallengängen von Schafen nnd 
Ziegen Ostafrikas. Orig.-Art. v. Wolff- 
hügel. 661. (Berichtigung dazu s. Jahr¬ 
gang 1904 Nr. 3). 


; Stipendien. Stipendienstiftung u. Stipendien¬ 
fonds s. unter Tagesgeschichtc (Lehr¬ 
anstalten und Unterricht). 

St. Louis s. Ausstellungen, 
i Stollbeule nach Marder. — Amputation einer 
— v. Krameil. 67. 

I Strahlfäule s. Plumbum uitricum. 

Strahlkrebs. — Tannoform bei der Behand¬ 
lung von — v. Kothe. 198. 

: Strafleuvirus und Virus fixe v. Schilder. 217. 

1 Streptokokken: Artunterscheidung der für den Menschen 
pathogenen 8t. v. SchottmOUer. 367; — Immunität 
und Agglutination bei dens. v. Neufeid. 656; — weitere 
i Untersuchungen v. Aronaon. 294. 
i Streptokokkeninfektion, tödliche, intraperitoneale beim 
Kaninchen and ihre Behandlung v. Emmerich and 
Trommsdorf. 316. 

. Streptokokkenserum (.«.Puerperalfieber.Antistreptokokken- 
aera): v. Plorkowaki. 43; — gegen Tuberkuloae- 
I mlschlnfektlon v. Mcnzer. 729; — polyvalentes v. 

I 'Pavel. 158. 

, Streptothrix s. Nekrosebazillus. 

1 Strongylus contortus s. Magenwurmseuche, 
j Strychnin. 8. 

Studentenwerbung s. Tagesgesohichte. 
Studentisches s. unter Tagesgeschichte (Tier- 
ärztl. Lehranstalten u. Unterricht). 

Stute s. Pferd. 

Subkutin, neue Verbindung des Anäatheaina v. Becker 

u. Ritsert 367. 

Sublamin s. Händedealnflzleutien. 
i Surra s. Trypanosomen. 

Snrra und Nagana, nach Nocards Versuchen 

v. Vallöe und Carr6. 750. 

1 Surraseucbe auf Mauritius v. Lavurnn 69; — in Togo v. 
Schilling. 158. 

1 Synovialen beim Pferde. — Über die Resektion 
der — v. Meynard u. Moreau. 81. 
i Synovietomie s. Sprunggelcnksgalle. 

; Syphilis (s. n. Vererbung): artefizlelle beim Pferd v. 
i Niesaeu 789; — in der Ätiolog. d. Tabes v. Fried¬ 
länder 451; — Bazillcnfundo v. Joseph u. Pior- 
kowskl 8, 9; — v. Waelsch 731; — Überimpfung auf 
Schimpansen v. Metachnikofif u. Roux. 608. 

1 Tabletten, komprimierte In veterinärärztlichem Gebrauch, 
i 808. 

Taenia s. a. Cysticercus. Stilesia. 

Taenia cucumerina beim Kinde v. Aaam. 184. 

Tagebücher an Scblachtböfen. — Führung 
der — Orig.-Art v. Kühnau. 105. Dazu 
Erklärung der Reg. in Arnsberg. 191. — 
Desgl. Orig.-Art. v. Kühnau. 205. — Notiz 
Formulare betreffend. 224. Vereinfachung 
derselben. 630. 

Tagesgecchichte (s. a. Gebühren. Gerichts¬ 
entscheidungen). 

Tierärztliche Lehranstalten und Unter¬ 
richt: An die deutschen Veterinär¬ 
studenten. Fragm. aus der Festrede zur Ein¬ 
führung der Universitätsreife v. Scbmaltz. 
10. — Facbgenossen! Aufruf zu einer 
Stipendienstiftung v. Panli. 12. — Dazu 
Stipendienfondsquittnng. 123, 162, 259, 
313, 332, 372, 468, 564, 647 (mit Bemer- 
knngen von Scbmaltz). 759. — Wölfische 
Stipendienstiftung. 660. — Hochschul¬ 
frequenzen. 35, 59. Erste Abiturienten. 
332, 372, 395; W. S. 807. - Dürfen wir 
Studenten werben ? Orig.-Art. v. Schmaltz. 
82. — Dazu: Ein Mißverständnis. Bemer¬ 
kung v. Schmaltz. 122. — Ein vergessenes 
Stipendium für das tierärztliche Studium 
(in Marburg). 139. — Dazu 151, 205. — 
Von ausländischen Hochschulen (Wien, 
Budapest, Bologna, Mailand). Orig.-Art. 
v. Klinner. 205. Dazu Zusatz (Uber Mai¬ 
land). 333. — Dazu s. a. 678. — Bakterio¬ 
logischer Kurs in Halle. 206. — Natur¬ 
wissenschaftliche Prüfung. 332. — Dr. 


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XVI 


med. vet in Österreich. 259; s. — a. unter 
Doktortitel. — Der Rudolstädter Senioren- j 
konvent (Pfingsttagung). 358. — Tierärzt¬ 
liche Prüfungsordnung. Orig.-Art. v. 
Schmaltz. 368. — Ein Tierarzt Rektor der 
Universität (Bern). 467. — Aus Österreich- 
Ungarn (Nachrichten von tierärztl.akadem. 
Lehrern). 551. — Einfluß der Universitäts¬ 
reife auf den Zugang zu den tierärztlichen 
Hochschulen (zunächst Österreich - Un¬ 
garns). 678. Dazu die entsprechenden 
Notizen über Berlin und München. 717, 732. 

— Aus Österreich (Reorganisation des 
Militärveterinärwesens und Beseitigung 
des Kurschmiedetums). 717. — Vorschläge 
über die Reform deB tierärztlichen Unter¬ 
richts in Italien. 791. — Die tierärztlichen 
Approbationen in den Studienjahren 
1900/1 und 1901/2. 808. 

Die Hochschulen im besonderen. 
Berlin: Fortbildungskurs. 48. — Feier 
von Kaisers Geburtstag. 76. — Besuch 
des Vereins beamteter Tierärzte. 86. — 
Vorlesungsverzeichnis für das S. S. 287; 
für das W. S. 505. — Immatrikulation im j 
S. S. 314, 332. Desgl. im W. S. 717, 807. 

— Rektorat (Verleihung des Vorschlags-; 
rechtes). 790. (Ernennung deB ersten : 
präsentierten Rektors). 807. — Statistik in 
den letzten 20 Jahren. 807. — Veterinär- 
a k ad e m i e: Frequenz. 332,807. — Ihre Neu¬ 
organisation betr. Kabinettsorder. 685. — 
Besprechung ders. v. Schmaltz. 621. — An¬ 
merkung dazu 659. — Dresden: Frequenz. 
35, 332, 807. — Reformen an der Hoch¬ 
schule: Rektorat, Senat. 312. — Rang¬ 
erhöhung der Professoren. 407. — Vor- I 
lesungsverzeichnis. 505. — Habilitations¬ 
ordnung. Anregung der Verleihung des 
Promotionsrecbtes. 806. — Gießen: Fre-! 
quenz. 35, 372, 807. — Antrag auf Um¬ 
wandlung der a. o. Professur für innere ; 
Tiermedizin in eine o. seitens des Ab¬ 
geordneten Köhler. 259 — Hannover: 
Feier von Kaisers Geburtstag. 123. — 
Vorlesungsverzeichnis für das S. S. 287; 
für das W. S. 539. — Preisaufgaben. 502. 

— Die Studierenden im Festzug beim; 
deutschen Bundesschießen. 502. — Fort- j 
bildungskurs. 564. — Berichtigung dazu. j 
588. — Aufnahme des V. D. St. in den | 
Kyffhäuserverband. 527. — München: 
Frequenz. 59, 395, 732, 807. — Prinz 
Ludwig auf dem S.-C.-Ball. 138. — Vor¬ 
lesungsverzeichnis für das W. S. 648. — 
Amtstierärztliche Prüfung. 680. — Stutt¬ 
gart: Frequenz. 35,332, 807. —■ Leipzig: 
Universitäts-Veterinärinstitut. 59. — Tier¬ 
ärztlicher Privatdozent. 456. 

Staatsveterinärwesen (s. auch Technische 
Deputation. Versicherungen. Veterinär¬ 
polizei). 

Etat des preußischen Veterinär¬ 
wesens. 58. — Wert der öffentlichen 
Tiermedizin und die staatliche An¬ 
erkennung des Veterinärrate8, im R e i c h s - 
tag besprochen vom Abgeordneten HofF- 
mann. 167. — Reformen im Veterinär¬ 
wesen des Königreichs Sachsen. 312. 

Departementstierärzte: Was wird 
aus den preußischen D. Orig.-Art. v. 
Schmaltz. 623. — Dazu Artikel von L : 


Zur Veterinärreform. 646. — Bemerkungen 
hiezu v. Schmaltz. 658. 

Kreistierärzte: Zur Reform der 
Stellung der K. Orig.-Art. v. Schmaltz. l 
44. - Ausbildung, Gehalt, Pension, Rang¬ 
stellung der K., erörtert im preuß. Land¬ 
tag (30. Januar). Stenographischer Bericht. 
85. — Bemerkungen dazu v. Schmaltz. 
160 u. 184. — Zum künftigen Kreistierarzt¬ 
gesetz. Orig.-Art. v. Schmaltz. 200. — 
Diesbezügl. Eingabe der Zentralvertretung 
an d. Landwirtschaftsminist. 429. 548. — 
Verbescheidung derselben. 548. — Amts¬ 
bezeichnung, Gehalt der Kreistierärzte 
in Sachsen-Meiningen. 468.—Wann werden 
die Kreistierärzte pensionsberechtigtV 
Orig.-Art. v. Schmaltz. 668. — Gerüchte | 
dazu. 717. — Zur Kreistierarzt-Reform. 
Orig.-Ait. v. Decker. 756. — Die Kreis- | 
tierarztvorlage. Orig.-Art. v. Schmaltz. 
778. — Anerkennung des Herrn Ministers j 
für Landwirtschaft für die Veterinär¬ 
beamten. 812. , 

Tierzuchtinspektoren: PrüfungB- ; 
Ordnung, nach Erlaß des preuß. Land- 1 
wirtschaftsminiBteriums.492.— Zusammen- ! 
Setzung der Prüfungskommission in Berlin. 
502. 

Kolonialtierärzte: ihre Dienst- und 
Gehaltsverhältnisse, besprochen von 
Kaesewurm. 757. 

Iliiitlrveterlnäre (Veterinärakademie s. 
unter Lehranstalten und Unterricht): Etat 
des Reichsheeres. 46. — Personalbestand 
derMilitärroßärzte.58. — Neue Organisation 
des französ. Veterinär-Offizierkorps. 58. — 
Neue Bestimmung über die Stellung der 
bayer. Militärveterinäre. 83. — Reorgani¬ 
sation des MilitärveterinärweBens. Orig.-, 
Art. v. Schmaltz. 113. — Desgl. Orig.-Art.! 
v. Göbel. 234. Fortsetzung. 295. — Wenn ' 
schon — denn schon! Zur Rangstellung 
der Veterinäroffiziere. 149. — Beförderung j 
zum Oberroßarzt des Beurlaubtenstandes. 
236. — Militärveterinärwesen (Neurege¬ 
lung). 332. — Bayerisches Militärveterinär¬ 
korps. 332. — Eingabe des Veterinärrates, 
betreffend die Organisation des Militär¬ 
veterinärkorps. 429. Desgl. 561. — Militär- 
veterinärreform (unbegr. Gerüchte über 
dieselbe). 501. — Zur Militärveterinärreform 
(Kaiserl. Kabinettsorder und Bekannt¬ 
machung d. Kriegsministers). Besprechung 
dazu v. Schmaltz 585, s. auch 564. — 
Desgl. Orig.-Art, v. Schmaltz. 621. An¬ 
merkung dazu. 659. — Ein vergessenes 
Häuflein (Stellung der Remontedepot- 
Rofärzte). Orig.-Art. v. Schmaltz. 657. 
Desgl. Orig.-Art. v. Weiß. 740. Dazu 791. 
— Fragebogen, betreffend die Veterinäre 
d. Beurlaubtenstandes. 660. — Militärisches. 
Orig.-Art. v. S. (1. Stellung der Remonte- 
depotveterinäre; 2. Bezirkskommandos 
und Roßärzte; 3. Bezirkskommandos und 
Doktortitel der Veterinäre; 4. Roßarzt 
und Veterinär). 679. — Gerüchte über d. 
Militärveterinärreform. 717. — Bayerisches 
Militärveterinär wesen. 717. — Englisches 
Militärveterinärwesen. 717. — Österreich. 
Militärveterinärreform (n. Veterinärdebatte 
im niederöst. Landttag). 717. — Hat die 
Umwandlung der Titel d. Milifärveterinäre 


rückwirkende Kraft V Erörterung von 
Schmaltz. 791. Dazu Mitteilung von 
Fenner. 809. 

Sanltätstierlrzte (s. auch unter Vereinen 
und Versamml.): Scblachthoftierarzt, Be¬ 
amter im Sinne des § 114 des R.-Str.-G.-B. 
138. — Schlachthaustierärzte und Fleisch- 
bcschaugesetz.513. — Städtische (Sanitäts) 
Tierärzte in München (Beförderung). 717. 

— Staats- und Polizeitierärzte in Hamburg 
(Beförderung). 743. — Steine statt Brot! 
Orig.-Art. (über die Lage der Schlacht¬ 
hoftierärzte) v. N. 764. — Zur Lage der 
Schlachthoftierärzte. Orig.-Art. v. X. 765. 

Persönliche Artikel: Ehrungen: Ehren¬ 
mitgliederernennungen des tierärztl. Ver¬ 
eins, Dresden. 151. — So stehen die 
bayerischen Tierärzte! (Prinz Ludwig auf 
dem Ball des S. C. der Münchener tier¬ 
ärztl. Hochschule). 138. — Dankesbe¬ 
zeugungen des deutschen Veterinärrates 
für Einführung des Abiturientenexamens 
an Minister und Abgeordnete. 266. Desgl. 
der Tierärzte Bayerns. 269. — Ehrenpreis 
der Hamburger Ausstellung für die 
Prof. Ostertag und Happicb. 314 bzw. 
348. — Ordens- und Adelsverleihung an 
den bayerischen Landestierarzt Göring. 
429, 502. — Unterroßarzt Witte zur 
Verleihung der Rettungsmedaille vor¬ 
geschlagen. 480. — Ehrung (von 

Schmid-Kolding) 527. — Verleihung des 
Exzellenztitels an die Prof. Kühn und 
Behring. 586. — Auszeichnung des Tier¬ 
arztes Wenzel. 600. — Auszeichnung des 
Professors Fröhner. 680. — Schreiben 
des Veterinärrates an Prof. v. Zipperlen. 809. 

Jubiläen: Brandau. 35. Heyne. 258. 
Dralle. 286. Riedel. 834. Arndt. 598. 
Koschol. 679. 

Personalien: Der erste „Geheime 
Veterinärrat“ Dr. Greve in Oldenburg. 
258. Dazu vgl. auch Veterinärräte. 286. 

— Ein Tierarzt Rektor der Universität 
(Prof. Dr. Guillebau in Bern). 467. 

Nachrufe: Friedberger. 30. — Saake. 
30. — Der Nestor der deutschen Tierärzte 
(C. Lange). 46. — Reinemann. 138. — 
Bollfraß. 198. — Müggenburg. 286. — 
Friedrich Lange. 456. — Oskar Schwarz. 
490. — Edmond Nocard. 501. Biogr. 
Notizen. 669. Begräbnisfeier. 670. Nocard¬ 
denkmal. 670. Desgl. 696. Nocards 
Werke. 695. — J. Munck. 501. — Seif¬ 
mann. 551. — Szakall. 651. — Kohn- 
häuser. 652. — Göring. 586 und 645. — 
A. Jaeger. 586. — Pölitz. 624. — Cohn. 
625. — Wolff 680, 694. — Ottmar 
Schmidt. 779. — Dieckerhoff. 790, 803. 

Dispute und Streitfragen: Ein 
Mißverständnis (Prof. Schmaltz an die 
Schlachthoftierärzte). 122. — „Nach¬ 

prüfung“ der Milzbranddiagnosen. Orig.- 
Art. v. Schmaltz. 130; v. Krüger. 146; v. 
Schmaltz. 159, 190. Berichtigung dazu 
v. Kampmann. 328. Desgl. v. Krüger. 353; 
v. Kunze. 436; v. Preuße. 505; v. Sahner. 
566. — An d. Redakt. der dtsch. tierärzt¬ 
lichen Wochenschrift Herrn Prof. Dr. 
Malkmus, Hannover. 198. — Berichtigung 
(Prof. Fröhner gegen Probst) 182. — Zur 
Berichtigung (Probst gegen Fröhner). 224. 


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XVII 


— Prioritätsstreit um den Nachweis von 
Pferdefleisch durch eine spezifische Serum¬ 
reaktion (Jeß-Ublenhut-Gröriing). 65, 206. 
Schlußbemerkungen dazu von Jeß. 207, 
877 (Anmerkung). Entgegnung v. Uhlen¬ 
hut. 407; von Jeß. 420. — Entgegnung 
(von Prof. Malkmus an Prof. Schmaltz). 
224. — Genugtuung für den Professor 
Preuße 259. — Affaire Müller-Sagan (Er¬ 
örterung der kreistierärztlichen Stellung i 
im preuß. Abgeordnetenhaus). 185. — 
„Fall Pfleger“. 599, 612, 647. 

Vereine und Versammlungen (s. a. Kon¬ 
gresse; Naturforscherversammlung; Vete¬ 
rinärrat; Zentral Vertretung): Protokolle 
und Tagesordnungen: Arnsberger Schl.-T. J 
136 , 358 . — Berliner t Gesell. 36, 84, 139,! 
659, 779. — Brandenburg. 299, 348 , 659, 
731 . — Braunschweig. 360, 431 . — Brom¬ 
berger beamt. T. 59 . — Düsseldorf. 744. 

— Elsaß-Lothringen. 372, 792. — Han¬ 
nover. 33. — Köslin. 396. — Kurhessische 
T. 732. — Merseburg. 334, 625 , 625. — 
Ostpreußen. 597 , 759. — Pfälzer T. 659, 
718 . — Pommern. 420. — Posen. 648, 697. 

— Rheinpreußen. 298, 600 (Berichtigung 
612), 608 , 758 , desgl. Schl.-T. 680. - 
Sachsen (Prov.), Anhaitische u. Thüring. 
Staaten: 69 , 313, 504 , 659, desgl. Gruppe 
der Schl.-T. 334, 348. — Schlesien. 12, 
314,680, desgl. Schl.-T. 59, 76, 334, 348. — 
Schleswig-Holstein. 589. — Stettin. 31 . — 
Thüringer T. 335, 697. — Westfalen. 137 , 
539. — Westpreußen. 161 , 360, 431 , 453 , | 
464 , 526, 680. — Wiesbaden, 162, 671 , 744.1 

Verein beamt. T. Preußens: II. 
Plenarversamml. in Berlin (Nachpr. d. 
Laienfleischb.; Unters, d. Schlachtpf.; Vieh- j 
seuchenges. etc.) 87. — Einlad. z. Wander- 
vers. in Hannover. 313. Bericht darüber. 
525. — Zur Tagesordnung: 626, 731, 
759, 790. 

Preußische Schlachthoftierärzte: 
298, 431 , 453 , 464 . 

Verb, der preuß. Privattiorärzte: 
Sitzung d. Vorstandes und d. Delegierten 
in Berlin. 35,46, 84 , 123, 187 . — Beschlüsse 
betr. Abgrenzung der vet-pol. Funktionen ! 
der beamt. T. Denkschrift betr. Ein¬ 
führung der oblig. Fleischbeschau. 187. 

— Zweck und fernere Ziele des Verb. 
Orig.-Art. v. Jelkmann. 188. — Aussichten 
und Bestrebg. der Priv.-T. Orig.-Art. v. 
Schmaltz. 218. — Besuch der Landwirt- 
schaftsausst. zu Hannover. 396, 407, 491. 

— Stellung zur Bekämpfung des Geheim- 

mittelschwindels. 502. — Verbands¬ 

gruppen : Brandenburg. 744. Pommersche. 
46. Schlesische. 468. Westfälische. 791. 

Wei t er e Verein snachr ich ten:Pom- 
mersehe T.-Vereine. 36, 759. — Pr. Be¬ 
amtenverein. 480. — Erfinderverein. 480. 

— Röntgen-Vereinigung Berlin. 779. — 
T. Unterstützungsverein. 59, 697. — Pr. 
Unterstützungsverein (Jahresabrechnung). 
812. — Unterstützungsverein für die 
Hinterbliebenen verstorbener Veterinäre 
der deutschen Armee. 297 , 526 . — Milch- 
wirtschafllicher Verein. 417. — T. Vereins¬ 
organisation in Sachsen. 151. 

Arzte. Ufflversitlten Technische Hoch¬ 
schulen: Ärztekammern. 732. — Aufsichts-, 


recht der Kreisärzte über die Trichinen¬ 
schauer. 700. — Aus dem ärztlichen Stand 
(Entscheidungen des Ehrengerichtshofes) 
732. — Dr. phil. und Dr. med. 732. — 
Homöopathische Professur. 780, vgl. auch 
Homöopath. — Medizinalkollegien. 659. 
Praxisanmeldung. 35, 75; Praxisverkauf. 
75, 150, 527. — Ein Tierarzt Rektor der 
Universität. 467. — Verfassungsänderung 
der techn. Hochschule München. 35. — 
Veterinärinstitut an d. Universität Leipzig 
s. Hochschulen und Unterricht. 

Apotheken, Dispensierrecht, Pfuscherei: 
Dispensierrecht in Braunschweig. 161. — 
Verbreitung der Tier-Kurpfuscherei im 
Apothekerstande. Orig.-Art. v. Schmaltz. 
256. — Zur Kurpfuscherei seitens der 
Apotheker. Orig.-Art. v. Damman-Streh- 
litz. 284. — Kurpfuscherei in Apotheken. 
285. 333. — Zur Kurpfuscherei (Zeitungs¬ 
inserate). 333. — Anfrage (welche Rezepte 
Apotheker anfertigen müssen und dürfen) 
und Beantwortung. 407. — Pfuscher- 
literatur. 419. — Eingabe der preuß. Zen¬ 
tralvertretung gegen die Apothekerkur¬ 
pfuscherei. 429. — Das Ende des „Tier¬ 
arzt im Hause“. Kammergerichtsent¬ 
scheidung. 538. Dazu „Verteilungsverbot“ 
des Reg.-Präs. von Liegnitz. 648. — Zur 
Pfuscherfrage (Nichtanstellung von 
Pfuschern als Fleischbeschauer). 573. — 
Verantwortlichkeit der Redakteure für 
Pfuscheranzeigen auf Grund des Gesetzes 
betr. Bekämpfung des unlauteren Wett¬ 
bewerbs. 648. — Zur Kurpfuscherei (durch 
eine Federnfabrik). Orig.-Art. v. Damman- 
Strehlitz. 696. — Bay. Ministerialerlaß 
gegen den Handel mit „Viehpulvern“ 718.— 
Einrangierung der Kurpfuscher unter die 
Medizinalpersonen (Fehlwirkung der Ma߬ 
regel. Rechtsgültigkeit der betreffenden 
Verordnungen). 718. — Apothekerisches 
von jenseits der Grenze. Orig.-Art von 
Angerstein. 730.— Landwirtschaftskammer 
(von Schlesien) und Pfuscherschule. 744. — 
Zum Kapitel der Pfuscherei. Orig.-Art. 
v. Römer. 809. 

Verschiedenes: Vorbildung der Zahn¬ 
ärzte. 45. — So stehen die bayerischen 
Tierärzte! 138. — Tierarzt für die An- 
siedlungskommission. 162. — Danksagung 
(d. ärztl. Bezirksvereins Nürnberg an Prof. 
Hoffmann). 205. — Wie man Homöopath 
werden kann. Orig.-Art. v. 0. Albrecht. 
285. — Der Rudolstädter Seniorenkonvent. 
358. — Tierärztliche „Wanderlehrer“. 
Orig.-Art. v. Thiro jun. 429. — Eine 
brave Tat (des Unterroßarztes Witte). 480. 

— Mitteilung (betr. Vorbereitung zum 
Abiturientenexamen). 587. — Zur Auf¬ 
klärung (betr. Rundschreiben d. Verlg 
d. Empirischen Fleischbesch.). 587. — 
Bericht über ein praktisch erprobtes 
Kopierverfahren v. Tierarzt R. in G. 593. 

— Zur Abwehr (Bekanntmachg. d. privat¬ 
tierärztlichen Taxe des Kr.-T. Pf. in an-1 
scheinend amtlicher Form). 599. Replik 
dazu. 612. Duplik. 647. — Erklärung (von 
Bez.-T. Frank zum Hauptnerschen Er¬ 
gänzungskatalog). 599. Dazu Erklärung 
(von Hauptner) 719. — Der Kampf um 
die Idee. Orig.- Art. v. Schmitt-Cleve. 623. 


Berichtigung dazu. 660. — Aufhebung 
resp. Veränderung der Medizinalkollegien. 
659. — Aus Posen (Kr.-T. Dr. Kampmann 
bei Fürst Herbert Bismarck). 659. — 
Amtstierärztliche Prüfung 1903 in Bayern. 
680. — Schädigung der Tierärzte durch 
die heutige Art der Rotlaufimpfung (Ein¬ 
sendung). Dazu Besprechung: Hilf dir 
selbst v. Schmaltz. 696. — Institut Behring. 
732. — Mehr deutsche tierärztliche Auf¬ 
sicht über die Fleischextraktfabriken! 792. 

Zeitschriften (s. auch BUcheranzeig.): 
Fortschritte der Veterinärhygiene. 192. — 
Eingehen der ält. engl. Veterinärzeit¬ 
schrift. 335. — Zeitschrift für die gesamte 
Fleischbeschau und Trichinenschau. 552. 
— Deutsche Fleischbeschauerzeitung. 672. 

Redaktionelles: An den Redakteur 
der Deutschen tierärztl. Wochenschrift, 
Herrn Prof. Dr. Malkmus, Hannover. 198. 
— Entgegnung (an denselben). 224. — 
Eintritt des Professors Röder in d. Redakt.; 
Austritt des Kr.-T. Francke. 256. 

Kuriosa: Der Kuh Weltschmerz. Ge¬ 
dicht an die Menschen. 418. — Die viel¬ 
seitige Teplitzer Polizei. 527. 

Tamil s. Rinderkrankbeiten. 

Tannalborin als Antidiarrhoicum. Orig.-Art. 
v. Eberhard. 325. 

Tannoform bei der Behandlung von Strabl- 
krebs s. d. 

Taxe für Privatpraxis v. Krueger-Schroda. 395. 
Taxus baccata v. Graham-Gillam. 357. 
Technische Deputation: Gutaohten über An¬ 
lage und Betrieb von Schlachthöfen. 372. 
— Beratung des Seuchengesetzentwurfes. 
468. 

Teer bei Aktinomykose v. Kramei1 357. 
Temperatur des Rindes. — Die normale — 
Orig.-Art. v. Hajnal. 601 u. 617. 
Temperaturen bei Kühen und Kälbern un¬ 
mittelbar nach der Geburt v. M. Albrecht. 
67. 

i Teplitzer Polizei. — Die vielseitige — (Markt¬ 
kontrolle etc.). 527. 

Terminsgebühren s. Gebühren der Tierärzte. 

1 Tetanus. — Ein kurzes Inkubationsstadium 
von — v. de Bruin. 473. 

Tetanus:Behandlung.antitoxische v. Winter. 88; v. Behring. 
595; — Untersuchungen über T. v. Meyer u. Ransom. 
677. 

Tetanusbehandlung mit Natrium jodicum. 

Orig.-Art. v. Grams. 249. 

Tetanus beim Hund. Orig.-Art. v. Grunau. 458. 

Tetannsglft v. Ignatowsky. 758. 790. 

Tetanus mit seltener Ätiologie. — Ein Fall von — v. 
A. Schütze. 404. 

Tetanus tranmaticus. — Ein Fall von — v. Herrmann. >33. 

Tetanus. — Recidive beim — v.Mougneau. 776. 
Tetanustherapie. — Zur antitoxischen — v. 
Behring. 645. 

Texasfieber s. a. Hämoglobinurie. 

Texasfieber ähnliche Erkrankung bei den 
Rindern in Deutsch-Ostafrika. — Eine 
dem — Orig.-Art. v. Brauer. 424. 
Texasfieber oder Rotwasser in Rhodesia v. 
Gray und Robertson. 231. 

Texasflaber der Rinder in Kamerun, Tsetsekrankheit und 
Tiermalaria v. Ziemann. 309. 

Theocln. — Diurettsche Wirkung des — v. Meiner». 817. 

Thermometer s. Pyrol. 

Thigenol, Airol und Asterol. 714. 

Thrombose der vorderen Hohlvene bei einem 
Pferd v. Prof. Albrecht. 547. 

Tbymlanprhparat«. — Neuere, — 753. 


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XV111 


Thymol als Bandwurmmittel v. Hedmann. 831. 

Thyreoidektomie unter Anwendung des Adre- 
nolin v. Bailey. 344. 

Tibio-Peroneal-Neurectomy v. Wyman. 293. 

Tierärztliche populäre Literatur s. „Wander¬ 
lehrer“. 

„Tierarzt im Hause“ s. unter Tagesgeschichte 
(Pfuscherei). 

Tierarzt. — Impftuberkulose bei einem — 
v. Lassar. 405. 

Tierkörpermehle v. Glage. 654. 

Tiermalaria s. Texasfieber. 

Tierhaare-Deslnfektlon v. Proakauer u. Elsner. 451. 

Tierzucht s. Auswahl des männlichen Zucht¬ 
rindes, Künstliche Befruchtung, Land¬ 
schwein, Pferdezucht in Schantung, Rein- 
blütige Zuchttiere. — Rinder, Schafe, 
Schweine, Ziegen auf der Wanderaus¬ 
stellung der deutschen Landwirtschafts¬ 
gesellschaft s. d. — Tierzucht in den 
deutschen Schutzgebieten. — Vgl. auch 
den Vortrag über Rinderzucht im Verein 
beamt. T. v. Werner. 525. 

Tierzuchtinspektoren — Prüfungsordnung. 492. 
Ernennung der Prüfungskommission. 502. 

Togo: Tierzucht und Tierseuchen im Jahre 
1901/2. 762. 

Tollwut. — Die histologische Diagnose bei — 
v. Vallöe. 692. 

Tollwut. — Immunisierung gegen — v. Marie. 
619. 

Tollwut s. Ländernamen. Wutmikrobe. Lyssa. 
Fristberechnung. 

Tollwut s. Ländernamen. 

Tollwut: Statistik der Bißverletzungen und 
Impferfolge im Jahre 1902. 629. 

Tollwuterreger (a. a. Lyssa. Hundswat): v. Sormanis. 112. 
Desgi. v. Negri. 451 (vgl. a. 386). Dazu Schilder. 677. 
Dazu krlt. Beleucht. 716. Dazu Martinotti u. Volpino. 
778. 

Tollwutforschung (v. A. Negri). 335. Eben¬ 
dasselbe. 451. 667. 

Tollwutverbreitung in Lyon v. Galtier. 391. 

Torsio uteri bei einer Kuh v. Molter. 283. 

Toxikologische Notizen von Graham-Gillam. 
7. 357 (s. übrigens Vergiftungen). 

Toxikologie de* Fliegenschwamms v. Harmaen. 283. 

Toxin und Antitoxin v. tiruber u. v. Pirquet (Polemik 
gegen Ehrlich? Seitenkettentheorie). 500. 501. Dazu 
Entgegnung Ehrlich*. 561. 595. 

Transportverluste an Vieh. 322. 

Transvaal: Virulent Redwater v. Hutcheon. 
750. 

Trichinenschau: Behandlung schwachtrichi¬ 
nöser (und schweineseuchekranker) 
Schweine (Bundesrats-Beschluß). 276. — 
„Ergänzungsplatte“ zum Trichinenschau- 
Mikroskop. 245. — Verstoß gegen die 
Trichinenschau-Bestimmungen. 572. Be¬ 
richtigung dazu. 588. 

Trichinenschau-Bestimmungen. — Verstoß 
gegen die — 572 Berichtigung dazu. 588. 

Trichinenschau: Ergänzungsplatte zum 

Mikroskop. 245. 

Trichinenschau für Hausschlachtungen (Poli- 
zeiverordg. des Reg.-Präs. v. Düsseldorf.) 
705. 

Trichinenschauer. — Beseitigung des Aufsichts¬ 
rechtes der Kreisärzte über die — 700. 

Trichinosis in Homberg bei Kassel. 633. 

Trichlnojiaepldemie (zu Homberg) und Eoainophilie v. 
ScbleiS. 693. 

Trichorexis nodosa mit spezieller Berück¬ 
sichtigung der Ätiologie u. Therapie v. 
Tennert. 216. 

Trlferrin v. Kramm. 691. 


I Trigeminuslähmung beimPferde. — Motorische 
— v. Wilh. Meyer. 776. 

Trunecekachem Serum gegen Neurasthenie. — Ein- 
apritzung mit — v. C'osma. 5Sfi. 

i Trypanosoma beim Dromedar v. Cazalbou. 666. — Try¬ 
panosoma, the glant, dlaeovered in the blood ’of 
bovines v. Llngard. 790. 

Trypanosoma Caatellani, Erreger der Schlafkrankheit der 
Neger v. Kruse 730. 

Trypanosomen im Blut surrakranker Tiere. — 
Die Fortpflanzung, Vermehrung und Ent¬ 
wicklung der — Orig.-Art. v. Brauer. 613. 

Trypanoaomiasia v. Manaon. 752. 

Tsetsekrankheit: bei nutzbaren Säugetieren v. Martini. 

! 146, 636; v. Zlemann. 294. 

Tsingtau s. Fleischbeschauwesen. 

| Tuberkelbazillen in derMilch von reagierenden 
Kühen v. Stenström. 728. 

Tuberkelbazillen: AbtStung in der Milch v. Hesse C8; 
v. Kulimann .'30; Artgleichhoit der — dea Menschen 

u. Rindes v. Behring 295; — im Kaltblütlerorganis- 
mus v. Herzog 694 ; — Virulenz der*, v. Krompecbi r 
n. Zimmermann 309, 346; — Vorkommen im Brot v. 
Tron 740; — Vorkommeu in Milch u. Molkerei- 
Produkten v. Obermüller 500; — Züchtung ders. v. 
Spengler. 55. 

, Tuberkulin: Diagnostische Erfahrungen an Lungen¬ 
kranken v. Freymuth. 357. 

Tuberkulinimpfungen s. Deutschland. Bayern. 

Tuberkulösen Prozesse bei reagierenden Rin¬ 
dern. — Ein Versuch mit der Benutzung 
der Luft und des Sauerstoffs zur Hem¬ 
mung der — v. Moore. 739. 

Tuberkulösen Tieren. — Über die Wirkung der 
Verfütterung von Milch von — v. Michel- 
azzi. 367. 

Tuberkulose s. Impftuberkulosc. Perlsucht¬ 
bazillen. Pseudotuberkelbazillen. Rinder¬ 
tuberkulose. Schwindsucht. 

Tuberkulose als Schlußstein im Kampf gegen 
die Tuberkulose des Rindes. — Die Hei¬ 
lung der — von Hauptmann. 788. 

Tuberkulose bei Katzen. — Zwei Fälle von 
— Orig.-Art. von Lellmann 111. 

: Tuberkulose beim Esel. — Experimentelle — 

v. Stockmann. 752. 

Tuberkulose beim Rind. — Generalisierte — 
Orig.-Art. v. Schroeder. 471. 

Tuberkulose beim Rindvieh in Moskau. — 
Die Lokalisationen der — v. Kowalewski 

| (Schlachthofstatistik). 367. 

I Tuberkulosebekämpfung und Lungenschwind¬ 
suchtentstehung s. d. 

> Tuberkulosebeurteilung io der Fleischbeschau 
s. d. Art: Zur Ausführung usw. 510. 

Tuberkulose des Menschen und Rindes v. 

! Stenström. 728. 

i Tuberkulose. — Einige Experimente über 

' Immunisierung der Rinder gegen — v. 

Pearson u. Gilliland. 367. 

Tuberkulose-Feststellung an jedem lebenden 
Tier s. Gesetzesforderung. 

Tuberkulose, seine Morphologie und Biologie. 
— Zur Frage Uber die Genese des Er¬ 
regers der — v. Kleptzoff. 463. 

Tuberkulose-Schutzimpfung. Orig.-Art. v. 
Schlegel. 745. 

Tuberkulosetilgung durch die preußische 
Herdebuchgesellschaft. Vortrag v. Müller- 
Königsberg. 419. 

Tuberkulose unter den Schlachttieren in 
Bayern 1902. 629. 

Tuberkulose-Übertragungsversuche. 45. 

Tuberkulose. Über den Stand der Frage von der 
Übertragbarkeit der Rindertuberkulose auf 
den Menschen. Orig.-Art. v. Köhler. 54. 

Tuberkulose. — Weidegang und —. Orig.-Art. 
v. Schröder. 639. — Bemerkungen dazu. 

I Orig.-Art. v. Claussen. 674. 


Tuberkulose (*. a. Darm-, Fütterung*-, Impf-, Lungen-, 
Miliar-, Papageien-, Pharynxtuberkulose; Perlsucht; 
Serodlagnostik; Vererbung): Ätiologie v. Mitulescu. 
715; — Bekämpfung v. Behring. 255; — Bokämpfungs- 
maflnahmen v. Gaffky. 693; — Hundeinfektion per 
ob v. Arloing. 464; — Identität der Menschen- und 
Rinder-T. v. Cipollin*. SI7 ; — desgi. v. Friedländer. 
43; — v. Raw, 415 (Anmerkung 427). 753; v. Troje. 
233; — Immunisierung v. Neufeld. 608; — Meer¬ 
schweinchenimmunisierung v. Levy. 391; — Miscli- 
infektion v. Menzer. 729; — Schlldkröteutuberkuloso 
v. Friedmann. 43, 464; — Serumdiagnoso v. 

Uuitinga. 621; — Serum v. Marmorek. 778, 790; — 
spezifische Stoffe im Blutserum tuberkulöser Tiere 
v. Ruitinga. 802; — Studien v. KOppen. 428; — 
Transmission k l'homme v. Spronk u. Hoefnagcl. 
621; — Übertragung auf Affen v. d. Haan. 730; 
Übertragung auf verschledeneTierartenv.Wiener. 415. 
Turdus. — Infektiöse Krankheit beim Genus — v. 
Maggiora u. Valenti. 584. 

Typhusbakterien: Nachweis v. Schüder. 146; desgi. In 
FSces, Wasser, Erde v. Löffler. 607; —Vorkommen 
in Milch v. Bassenge. 655. 677. 
Typhusbazillen-Immunlsierung v. Cohn. 778. 
Typhusdiagnose s. *. Proteinochrom. 

Typhnsverbreitung durch Butter v. Bruck 464. 

Überbein der Pferde v. Selmer. 751. 
Überkötens. — Znr Behandlung des — v. 
Caillibaud. 307. 

Überseeischen Viehtransporten. — Verluste 
bei — 322. 

Überwurf. — 29 Fälle von —. Orig.-Art. v. 
Probst. 154. Berichtigung dazu v. Prof. 
Fröhner. 182. v. Probst. 224. 

Ulcus molle. — Erreger des — v. Tomasczewski. 146. 164. 
Ulcus ▼entrlcull v. Boas. 777. 

Unfallversicherungen. — Die Moriansche 
Klausel bei — Orig.-Art v. Sahner. 476. 
— Einiges über „Unfallversicherung“. 
Orig.-Art. zum vorigen v. Liebetanz. 502. 
— Einsendung des allgem. deutsch. Ver¬ 
sicherungsvereins in Stuttgart zum Art. 
v. Sahner. 527. Bemerkungen dazu v. 
Schmaltz. 539. — Zur Versicherungsfrage. 
Orig.-Art. (zu dem von Sahner) v. Gold¬ 
beck. 758. 

Ungarn (s. a. Österreich): Septicidin. Seuchen¬ 
statistik. 18. 99. 318. 439. 702. 762. 
Universal-Fleiscbbeschaustempel für Tierärzte. 

Orig.-Art. v. Garth. 145. 196. 

Unterricht. — Biologischer —. S. d. 
Unterstützungsverein für Tierärzte s. unter 
Tagesgeschichte (weitere Vereinsnach¬ 
richten). 

Urämie. Aderlaß bei — v. Jaerisch. 288. 

Urachusfistel beim Fohlen. — Operative Hei¬ 
lung einer — v. Udriski. 666. 

Urosin v. Weiß. 608. 

Urotropin v. Wateff. 596. 

Uterus 8. Kontraktionen. Muskulatur. 
Uterustorsionen s. Retorsion. 

Uterus Verdrehung s. Torsio uteri. 

Urticaria s. Rotlauf. 

Vaccine beim Rinde. — Untersuchungen 
über die intra-mammäre Kultur der — 
v. Lißnaux u. Höbrant. 216. 

Vaccination und Immunltätslehren s. d. 

Vaccineerreger v. Bonhoff. 681. 

Vasogenpräparate in der tierärztlichen Praxis 
v. Schmidt. 302. Desgi. v. Höljer. 307. 
Vasogen-Valesin s. Praxis. 

Verbandstoffe s. Sterilisation. 

Verbrennung von Milzbrandkadavern s. d. 
Verbrennungen. — Ausgedehnte — v. Heich- 
linger. 801. 

Verdaulichkeit der Kuhmilch und Pepsin-Witte v.Edlefsen. 
730. 

Vererbung der arthritischen Diathese auf 
drei Fohlen durch die Mutter v. Dar- 
magnac. 606. 

Vererbung in der Pathologie. (Tuberkulose. Syphilis. 
Malaria. Geistes- u Nervenkrankheiten.) v. Schwalbe 
668 . 


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XIX 


Vergiftungen s. Bleiverg. Conium macu- 
latum. Digitalisverg. Feinde der Haus¬ 
tiere in der Pflanzenwelt und ein giftiges 
Prinzip einiger Delphiniumarten (Delpho- 
curarin). Fleischverg. Hüttenrauchverg. 
Kainitvergiftungen (angebliche). Oenanthe 
crocata. Phosphorverg. Quecksilberverg. 
Solanum dulcamara. Steinkoblenteerverg. 
Strychnin. Sinapis nigra. Taxus baccata. 
Witheritverg. Vergiftungen durch: Buch¬ 
weizen, Insektenstiche, Kartoffeln, Lu¬ 
pinenstroh, Maisschlempe, Malzkeime, 
Schachtelhalme, Weizenschalmelasse. 

Vergiftungen durch Arzneimittel bei Tieren. 
Orig.-Art. v. Regenbogen. 445. Druck¬ 
fehlerberichtigung dazu. 457. 

VergiftungRerschelnangeQ nach Aspirin v. Kranke. 536. 

Vorkalkung der Arterien. 8erumbehandlung ▼. Cosma. 536. 

Verkauf der ärztlichen Praxis. 75. 150. 527. 

Veronal (a. a. Schlafmittel): v. Fischer. 596; v. Lilien¬ 
feld. 358. 

Verwerfen s. Abortus. 

Vcrwerfens: Bazillus des seuchenbaften v. PreiO. 158. 

Veterinärakademie s. Tagesgeschichte (tier¬ 
ärztliche Lehranstalten). 

Veterinärofßziere. — Zur Rangstellung der 

— 149. S. übrig, unter Tagesgeschichte 
(Militärveterinäre). 

Veterinärpolizei (s. auch die respekt. Ge¬ 
setze, spez. Viehseuchengesetz, Länder¬ 
und Seuchennamen, Trichinenschau): 
Allgemeine Anzeigepflicht für Geflügel¬ 
seuchen. 360, 438. — Anordnung betr. 
Schweineseuchebekämpfung im R.-B. 
Bromberg. 607; deBgl. im R.-B. Gumbinnen. 
319; desgl. im R.-B. Posen. 568. — Be¬ 
kämpfung des anst.Scheidenkat. in Baden. 
506. — Beschlüsse (d. V. d. Privattier¬ 
ärzte) betr. Abgrenzung der veterinär- 
polizeilichen Funktionen der beamteten 
Tierärzte. 187. — Bestrafungen wegen 
Veterinärpolizeikontraventionen. 240. — 
Durchfuhr verbotenen Fleisches (Beseiti¬ 
gung des Verbotes). 442. — Fleischein- 
fuhrregelung im kleinen Grenzverkehr 
des R.-B. Königsberg. 443. — FriBtbe- 
reclinung ftlr die Festlegung der Hunde 
bei Tollwutgefahr (Reichsger.-Entsch.). 
627. — Geflügelcholerabekämpfung in 
Österreich. 507. — Geflügelseuchenbe¬ 
kämpfung (d. s. spezielle Maßnahmen 
gegen die Hühnerpest), Verfügung des 
preuß. Landwirtschaftsministeriums. 680. 
— Geflügeluntersuchung (landespolizeil. 
Anordnung). 759. — Handels-Kontroll- 
bücher der Pferdehändler und Schweine- 
besitzer (landespoliz. Anordnung). 192. 
— Maßregeln zur Verhütung der Ein¬ 
schleppung der Rinderpest im R.-B. 
Oppeln. 241. — Maul- und Klauenseuche- 
bekämpfung. 17. — Maul- und Klauen- 
Beuchebekämpfnng in Rumänien. 507. — 
Maul- und Klauenseuche im Reg.-Bez. 
Koblenz und Verunreinigung der Flu߬ 
läufe durch Wässern von Milzbrandfellen, 
v. Staatssekretär von Posadowsky im 
Reichstag erörtert 167. — Maul- und 
Klauenseuche im Schlachthof in Nürnberg. 
648; desgl. in Mainz. 816. — Milz¬ 
brandentschädigung in Lippe. 506. — 

— „Nachprüfung“ der Milzbranddiagnosen 
(derKreistierärzte durch die Departements¬ 
tierärzte). Orig.-Art v. Schmaltz. 130. 


— Zur Nachprüfung der Milzbrand-' 
diagnose. Orig.-Art. v. Krüger. 146. 
Dazu: „Faktische Berichtigung“ von 
Kampmann. 328; Entgegnung auf eine 
„Faktische“ v. Krüger. 358; Audiatur etj 
altera pars v. Kunze (gegen Kampmann), j 
437; Zur Frage der Nachprüfung etc. 
v. Preuße. 505; desgl. v. Sahner. 566. - 
Dazu Milzbrandfeststellung. Orig.-Art. v. 
Schmaltz.159.—Milzbrandfeststellung.190. 
— Rechtsungültigkeit Veterinärpolizei- i 
licher Anordnungen wegen eines Form- j 
fehlere in ihrem Wortlaut (Kammerge¬ 
richtsentscheidung). 436. — (Reichs-) j 

Gerichtsentscheidung betr. Verletzung 
veterinärpolizeilicher Vorschriften. 16. — 
Reinigung und Desinfektion der Gastställe 
(Verod. des Reg.-Präs. in Marienwerder). 
630. — Schafräudebehandlung (kgl. preuß. 
Ministerialerlaß). 314. — Ungültigkeit von 
Polizeiverordnungen Uber die Einrichtung | 
von Handelsställen. 627. — Verordnung: 
zur Abwehr der Maul- und Klauenseuche | 
im R.-B. Koblenz. 98. — Versagung der, 
Milzbrandentschädigung (Entsch. des 
bayr. Oberverwaltg.). 627. — Veterinär¬ 
polizei und beamtete Ärzte in Sachsen- 
Weimar. 626. — Viehmärkteabhaltung 
(landespolizeiliche Anordnung). 759. — 
Viehuntersuchung zur Abwehr der Maul¬ 
und Klauenseuche im R.-B. Bromberg. 
76, 206; Ergänzung dazu. 316, 420, 
507, 568, 588, 744, 780. - Viehverkehr 
auf dem Magerviehhof zu Friedrichsfelde 
bei Berlin (Verordnung des Polizeipräsi¬ 
denten). 628. 

Veterinärpolizei und beamtete Ärzte in Sach¬ 
sen-Weimar. 626. 

Veterinärrat: Adressenüberreichung. 150. 
— Berichtsüberreichung an Prinz Ludwig 
von Bayern. 190. — Dankesbezeugungen 
des Vereins für die Einführung des 
Abiturientenexamens. 266. — Eingabe 
betreffend Neuorganisation des Militär¬ 
veterinärkorps. 429. Wortlaut derselben. 
561. — Französischer Veterinärrat 332. 
— Schreiben an den ausscheidenden 
Prof. v. Zipperlen. 808. — Sitzungsbericht. 
76. — Statut. 57. 

Veterinärratstitel s. unter Tagesgeschichte: 
Persönliche Artikel. 

Veterinärstudenten. — An die deutschen — 
Festrede zur Einführung der Universitäts¬ 
reife v. Schmaltz. 9. 

Veterinärtaxe, — babylonische — s Hammu- 
rabi. 

Viborgschen Methode zar Behandlung des 
nicht reponierbaren Prolapsus recti beim 
Schwein. — Modifikation der — v. Mi¬ 
nardi. 282. 

Viehaußenhandel der Vereinigten Staaten von 
Nordamerika (1901). 705. 

V.iehversicherungen: Deutsches Schlacht- 
viehversicherungsgesetz. 59. Erörterung 
im preuß. Landtag. 107. Desgl. in der 
Konferenz der Zentralstelle der preuß. 
Landwirtschaftskammern. 139. Diesbe- 
zügl. Beratung von Vertretern der Bundes¬ 
staaten. 680. 767. — Entschädigung von 
Fleischverlusten. 348. — Gutachten des 
hessischen Landwirtschaftsrats Uber eine 
staatliche Viehversicherung. 718. — 


Münchener städtische Schlachtviehver- 
sicherung. 572. Dazu 8. a. Städtische 
Schlachtviehversicherungen. 631.— Perle¬ 
berger Viehversicherungsgesellschaft und 
ihr Verhältnis zu den Tierärzten von 
Loewel. 190. — Zum Verhalten der Vieh¬ 
versicherungsgesellschaften zu den Tier¬ 
ärzten (Replik der Perleberger Gesell¬ 
schaft an Loewel). 237. — Erwiderung aur 
den offenen Brief der Perleberger Vieh- 
versicherungsgesellschatf (Duplik von 
Loewel). 299. — Pferdeversicherung s. 
diese. — Zum Schlachtviehversicherungs¬ 
gesetz. Orig.-Art. von Kopp. 570. — 
Sächsiche Schlachtviehversicherung und 
Feststellung d. Durchschnittsfleischpreise. 
706. — Stellung der Zentralstelle der 
preuß. Landwirtschaftskammern zur Schl. 
139 und diesbezügl. Beschlüsse der Vor¬ 
stände d. preuß. Landwirtschaftskammern. 
571. — Staatliche Schlachtviehversiche¬ 
rung in Sachsen. Orig.-Art. v. Opel. 169. 
Dazu Notiz. 191. Fleischabschätzung bei 
derselben. 22. — 

Viehhandelsbestimmung (sächsische) Uber 
Lebendgewichtfestsetzung bei Schlacht¬ 
tieren. 767. 

Viehmärkteabhaltung (landespolizeil. Anord¬ 
nung). 759. 

Viehmarkt. — Londoner — 572. 

Viehmärkte-Notierungskommissionen s. d. 

Viehmästung. Vortrag von Muinfond. 635. 

Viehmarktauftrieb in Chicago. 633. 

Viehseuchengesetz: Vorarbeiten zum neuen 
Reichs-V.: Begutachtung durch den Land¬ 
wirtschaftsrat. 84. 117. Desgl. durch die 
Landwirtschaftsgesellschaft. 122. — Be¬ 
sprechung im Verein beamteter Tierärzte 
Preußens. 89. — Bemerkungen zu dem 
Entwurf v. Preuße. 162. — W eitere W ünscbe 
bei der Neugestaltung des Reichs-V. Von 
einem beamt Tierarzt (Dr. E. N.). 388. 
— Seuchengesetz-Entwurf. Beratung in 
der technischen Deputation. 468. — 
Wünsche bei der Neugestaltung des 
Reichsviehseuchengesetzes. Orig.-Art. v. 
Preuße. 565. — Gültigkeit landespolizei¬ 
licher Anordnungen auf Grund des V. 627. 

Viehseuchenkonvention mit Österreich-Un¬ 
garn. 169. — Dazu Erörterung im deutsch. 
Landwirtschaftsrat. 239. 

Viehtransportwagen-DeBinfektion s. Karbol¬ 
säure. 

Vieh- und Fleischexport Amerikas (1902). 706. 

Vieh- und Fleischzölle in Frankreich. 572. 

Vieh- und Schlachthöfen. — Gutachten der 
technischen Deputation für das Vete¬ 
rinärwesen über Anlage und Betrieb von 
- 372. 

Viehuntersuchung s. Veterinärpolizei. 

Viehverkäufer durch Marktbestimmungen (in 
Mannheim.) — Verpflichtungen der — 
443. 

Viehverkehr s. Einfluß des Fleischbeschau¬ 
gesetzes auf die Fleischeinfuhr, Einfuhr¬ 
beschränkung, Rindereinfuhr, Viehaußen¬ 
handel der Vereinigten Staaten, Viehver¬ 
kehrsordnung, Vieh Verluste bei über¬ 
seeischen Transporten. 

Viehverkehr auf dem Magerviehhof zu Frie¬ 
drichsfelde bei Berlin. (Verordnung des 
Polizeipräsidenten). 628. 


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XX 


Viehverluete bei überseeischen Transporten. 
322. 

Viebzählnng (vom 1. Dezember 1900). 335. 
Vinci s. Anatomie. 

Vlnum Colchici s. unter Pharmazie. 

Viperngift v. Brabec. 4 t. 

Vorfall s. Inversio reoti. — Prolapsus recti 
s. Viborgsche Methode. 

Wanderausstellung s. Landwirtschaftsgesell¬ 
schaft. 

„Wanderlehrer“. — Tierärztliche — Orig.- 
Art v. Thiro jun. 429. 

Wanderzellen, Phagocyten u. Elterzellcn v.Klemonalewlcz. 
181. 

Warzenbehandlung v. Pecus. 232. 

WasRersterilisatiousmittel: Ozon v. Proakauer u. Schilder. 
146. 

Wasserstoffsuperoxyd in der ärztlichen Praxis t. Man- 
kiewicz. 428. 

Weidegang und Tuberkulose s. d. 

Weiße Ruhr und die Lungenentzündung bei 
Kälbern. — Bericht über die — v. 
Mettam. 307. 

Weizenschalinelassevergiftung. 787. 
Weltanschauung s. Naturwissenschaften. 
Wiener Hochschule (in Vergangenheit und 
Zukunft). — Die — Orig.-Art. v. Schmaltz. 
10. — S. a. unter Tagesgeschichte (Lehr¬ 
anstalten). 

Wild- und Rinderseuche. Orig.-Art. von 
Krueger. 261. 


Wirbelbruch s. HalBwirbelbruch. 

Wlamol fflr die Wnndbehandlung. 753. 

Witheritvergiftung. 786. 

Wolleinfubr aus Dänemark. 759. 

Wölfische Stipendienstiftung. 655. S. übrigens 
unter Tagesgeschichte (Lehranstalten und 
Unterricht). 

Wundbehandlung mit Argentum colloidale s. d. 

Wurmfortsatz: s. Angina. Appendicitls. 

Wurmkrankheit beim Elefanten. Orig.-Art. 
von Schmaltz. 42. 

Württemberg: Ausführungsbestimmung zum 
Reichsfleischbeschaugesetz. 173. — Schutz¬ 
impfungen gegen Schweinerotlauf im 
Jahre 1902. 481. Berichtigung dazu. 529. 
Wutmikrobe v. Levy und Stazzi. 365. Desgl. 
v. Levy und Negri. 667. S. a. Tollwut. 

Yohimbin: nach seiner anästhesierenden Wirkung v. Löwy 

u. MQller 309; — desgl. v. Magnanl 500; — gegen 
Impotenz v. Kraus. 5Sff. 

Zahnärzte s. Tagesgeschichte. 

Zange s. Bullenringe. 

Zebras Ostafrikas. — Zur Kenntnis der Para¬ 
siten bei den — v. Glage. 667. 

Zecken bei Pferden. — Massenhaftes Auftreten 
von — v. Junack. 787. 

Zehenachse des Pferdes. Orig.-Art v. Schiel. 
497. — Erwiderung auf dens. v. Eberlein. 
519. — Bemerkung zu beiden Artikeln 

v. Schmaltz. 532. — Orig.-Art. dazu v. 


Platschek. 687. — Orig.-Art. dazu v. 
Gröning. 724. — Desgl. v. Schiel. 797. 

Zeitacbriftenweaen ln Deutschland bis zur Mitte des 
19. Jahrhunderts. — Medizinisches — v. Sudhoff. 965. 

Zentralvereine, das Hegelundsche Melkver¬ 
fahren und ihre Folgen für die Landwirt¬ 
schaft v. Schmitt-Cleve. 520. S. a.Kontroll- 
vereine. Melkmethode. 

Zentralvertretung: s. Veterinärrat. — Preu¬ 
ßische: Eingabe ans Landwirtscbafts- 
ministerium betr. anerkannte Standes- 
vertretung, Apothekerkurpfuscherei, 
Kreistierarztgesetz. 429. — I. Eingabe be¬ 
treffend das zu erwartende Kreistierarzt¬ 
gesetz und Antwort des Ministers. II. Ein¬ 
gabe betreffend staatlich anerkannte 
Standesvertretung und Antwort des Mi¬ 
nisters. 548. — Termin der nächsten Ple¬ 
narversammlung. 759. 790. 

Zerreißung der Beckenfuge bei der Kuh. 
Zimmerer. 67. 

Zeugengebühren s. unter Gebühren. 

Ziege 8. rachitisches Siechtum. 

Zoll in Frankreich. — Vieh- u. Fleisch- — 572. 

Zollordnung. — Fleischbeschauliche — 174. 

Zuchtrindes. — Auswahl des männlichen — 
v. Lydtin. 799. 

Zuchttiere. — Reinblütige — S. d. 

Zuchtstieren im Herzogtum Anhalt — Be¬ 
stimmungen über die Haltung von — 574. 

Zuckerbeatlmmung im Harn ▼. Behrendt S95; mit oxals. 
Phenylhydrazin v. Riegler. 294. 


Autorenregister. 

■«er- » g- 

(Die Zahlen bedeuten die Seitenzahlen.) 
kleiner Schrift bedeuten die Autoren der medizinischen Literatur.) 


Abderhalden 709. 

Abraham 159. 

Ackermann 691. 

Adamkiewicz 217. 

Alber» 789. 

Albrecht, M. 67. 547. 654, 
715. 

Albrecht, 0. 285. 349. 
Alsberg 721. 

Altmann 50. 

Altachiiler 73 \ 

Angelis 390. 

Angerstein 195. 482. 730 
Archangelski 6. 

Arloing 728. 

Arloing 404. 

Arndt 644. 

Arnous 674. 

Aronson 291. 

Asakava 778. 

Asam 184. 

Avcrbacb 44. 

Bach 594. 
ßaer 194. 

Bail 217. 310. 340. 596. 754. 

Bailey 344. 

Baldoni 667. 

Bandl 346. 

Baracz 500. 

Barnick 560. 


(Die Namen in 

de Barros 524. 

Barrowa 886. 

Barry 365. 

Bartels 232. 

Basaenge 055. 677. 

Baum 673. 

Baumgart 80. 

Becker 45. 130. 

Becker 367. 

Beckmann 461. 

Behrendt 696. 

Behrens 478. 

Behring 645. 675. 723. 

Behring 855. 295. 595. 

Beier 643. 

Bellinzoni 4C8. 

Berger 148. 

Bermbach 464. 

; Bernhardt 77. 

Bernhardt 309. 

Bertarelli 601. 584. 

Besnoit 654. 

Beumer 130. 

Bickel 693. 

Biesterfeld 727. 

Biringer 696. 

Birkner 308. 

Bitscheff 426. 

Blanck 110. 

Blomquiat 331. 

Boa» 777. 

Bock 726. 


Bockeimann 755. 

Boliingor 112. 

Honfanti 693. 

Bongartz 609. 

Bongert 694. 753. 790. 

Bonhoff 564. 

Bostrom 691. 

Bonchard 606. 

Brabec 44. 

Brauer 424. 613. 

Brieger 233. 331. 

Brimliall 619. 

Brouardel 368. 

Bruck 464. 

de Bruin 125. 473. 493. 

Bruna 145. 451. 

Buch 331. 

Buckley 282. 

Bürki 474. 

Burow 541. 

Burton 607. 

Burg 350. 

| 

Caillibaud 307. 

Calamlda 754. 

Callum 282. 

Camillo 596. 

Cnntanl 2i7. 406. 

Cmiy 43. 

Carnot 606. 

Carr6e 750. 

i Caspary 08. 


Catillon 620. 

Cazaibou 656. 

Chantemesse 256. 

Ciechanowakl 146. 

Cipollina 217. 

Claude 606. 

Claudius 331. 

Clauesen 674. 

Cohn, E. 43. 44. 778. 

Cohn, Th. 130. 

Cohnheim 260. 

Conradi 43. 

Conventz 721. 

Cosma 636. 

Courcoux 559. 

Cruz 44. 

Cunningham 714. 

Czistowicz 777. 

Dagonet 713. 

Dalan 585. 

Dammauu - Hannover 482. 
525. 

Damman-Strehlitz 284.696. 
Darmagnac 606. 

Decker 756. 

Degner 726. 

Duguy 310. 

Dolbanco 536. 

Dernbach 655. 
Detre-Deutsch 265. 

| Detre-Deutsch 346. 


Deutsch 159. 

Dieckerhoff 522. 594. 

Dietrich 44. 

Disselhorst 61. 

Dlaselhorat 233. 

Dobler 786. 

Doliwa 726. 

Donath 45). 

Dorst 692. 

Dunbar 765. 

Dunbar 184. 

Düngern 584. 

Eberhardt, R. 337. 
Eberhard-Unruhstadt 325. 
460. 

Eberlein 519. 

Eckardt 177. 

Edlefsen 730. 

Eggebrecht 292. 

Ehrlich 561. 595. 

Eiaonborg 346. 

Eijkmann 763. 

Ellinger 25. 

Ellis 68. 

Elmassian 365. 

Elsner 451. 

Emmerich 43 346. 

Engel 777. 

Engelmann 411. 

Engel mann US. 

Engels 309. 


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XXI 


Epplngcr 894. 

Erdmauu 463. 

ErnBt 523 
Esser 310. 

Evers 277. 68G. 

Fahre 740. 

Fabritius 50. 

Fadyean 329. 

Fäustle 427. 

Farmagalli 8. 

Fasching 112. 

Fauerbach 690. 

Federschmidt 294. 

Feser 330. 

Feuereißen 347. 

Flach 789. 

Fischer, Karl 295. 59C. 

Fischer 475. 

Fiscbkin 29. 

Fischoeder 641. 

Platten 610. 

Fleischmanu 7JO. 

Flessa 82. 

Fock 589. 

Franke 530. 

Freyberger 547. 

Freymuth 337. 

Frlcdbergor 428. 

Friederich (»85. 

Friedländer 68. 451. 

Frtedmann 43. 404. 

Fröhner 558. 

Fromme 500. 

Fuchs 535. 

Fuchs 753. 

Fumagalli 714. 

Furtuna 554. 

Gaertner 484. 

Gaertner 464. 596. 

Gärtner 358. 

Gaffky 693. 

Galli 590. 

Gallois 559. 

Galtier 391. 

Garr6 130. 

Garth 145. 1%. 

Gavard 620. 

Gebrke 608. 

Gerhard 68. 

Gerson 536. 

Gilruth 727. 

Gilliland 367. 

Glage 419. 654. 667. 

Gnezda 789. 

Göbel 234. 295. 

Goldbeck 52. 350.426.758. 

Gollner 266. 596. 

Goßner 309. 

Goticblich 345. 500. 596. 

Graescr 536. 

Graham-Gillam 7. 217. 357. 

Graham-Giliam 217. 

Gram 146. 

Grams 249. 

Gray 231. 

Grevsen 500. 

Griesbach 723. 

Gröning 55. 206. 724. 

Gruber 294. 500. 501. 693. 

Gronau 458. 

Guedca 464. 

Guillerey 6. 

Gntbrod 500. 

Haan 534. 

Haan 730. 

Hajnal 601. 617. 


Hammer 233. 411. 

Hanke 655. 655. 

Hansemann 130. 501. 
liarmsen 283. 

Hartog 777. 

Hauptmann 788. 

Harz 790. 

Hauser 621. 

Hebrant 216. 

Hodmnnn 381. 

Hegolund 419. 

Heichlinger 560. 

Heidcuhain 777. 

Heinocke 789. 

Heinick 141. 

Heller 777 789. 

Helm 418. 

Hencko 391. 

Hcnncberg 405. 

Hennig 414. 

lionnlg 283. 

Herrmann 424. 

Herzog 694. 

Hesse 68. 

Heubner 418. 

lleubncr 255. 561. 677. 

Heyl 665. 

Hiusbcrg 500. 

Hirschbruch 501. 

Hobday 7. 

Hoefnage! 621. 

Hofer 500. 

Hoffmann, L. 293. 457. 
Hohmann 361. 

Höljer 307. 

Holzapfel 309. 

Hoogkamer 534. 
Hnntemann 8. 

Hunting 344. 

Hutcho 802. 

Hntcbeon 750. 

Vgnatowsky 753. 790. 

Imminger 688. 

Ito 694. 

IwanofT 561. 

Jackechath 479. 530. 769. 

I Jacobi 557. 

Jacobsen 419. 

Jaerisch 283. 

Jagic 315. 

Jansen 331. 

Jarmatz 655. 

Jelkmann 188. 637. 

Jenson 428. 

Jerke 390. 

Jeß 43. 

Jeß 65. 207. 377. 419. 441. I 
649. 

Jochmann 428. 

Joest 33. 498. 751. 

Joly 426. 559. 

Jones 474. 

Joseph 8. 9. 

Joseph 472. 

Josserand 606. 

Jost 198. 

Junack 787. 

JUrgelunns 656. 

Jürgens 752. 

Kämbach 499. 558. 
Kaesewurm 757. 

Kallmann 174. 

Kampmann 328. 

Kampmann 601. 

Kantorowicz, E. 484. 

Kassowitz 461. 

Kasten 607. i 


Kattner 180. 

Kalz 461. 

Katzenstein 9. 

Kayser 68. 451. 730. 

Koller 310. 

Kirchner 461. 

Kiskalt 778. 

Kitt 693. 

Kleine 656. 

Kleinpaul 1. 

Kiemensiowicz 181. 

Kleptzoflf 463. 

Kllminer 309. 

Klinner 205. 

Knoll 593. 

Kübisoh 655. 

Koch 357. 

Köhler 54. 

König 9. 

Koppen 427. 

Körte 303. 

Kofler 7. 233. 545. 

Kohl 421. 

Kokubo 346. 

Kolb 283. 

Kollo 476. 590. 696. 

Konrndi 217. 

Kopp 570. 

Korff 644. 

Koske 295. 

Koske 475. 

Koßel 558. 

Kotbe 198. 264. 

Kovarzik 146. 

Kowalewski 367. 

Kräpelin 721. 

Kramell 67. 357. 

Kramm 691. 

Kratten 113. 

Kraus 43. 283. 563. 

Krause 595. 

Kreissl 43. 

Kröning 726. 

Krompecher SJ9. 316. 

Klüger 146. 

Krüger, Richard 691. 
Krueger-Schroda 261. 353. 
395. 

Kruse 43. 112. 256. 730. 

Kuckein 283. 

Kühn 130. 

Kiihnau 3. 20. 104. 105. 
196. 205. 243. 319. 380. 
508. 513. 697. 702. 
Künnemann 308. 

Kuhn 596. 

Kukuljevic 79. 

Kunze 437. 

Kunz-Kranse 157. 427. 

Kurpjuwcit 358. 

Laabs 726. 

Ladenburg 710. 

Ladendorf 217. 

Land8teiner 82. 345. 451. 

Lange 425. 

Lange 501. 536. 

Laporter 405. 

Lnssnr 405. 753. 

Lnuensteln 217. 

Lavaran 69. 

Laveran 560. 

Leonhardt 143. 

Leistikow 69. 

Lellmann 111. 3.52. 

Lemke 777. 

Lenhossek 596. 

Lesbre 230. 

I.cvy 68. 391. 104. 

Levy 365. 667. 


| Liautard 344. 

; Liebe 512. 

I Liebermeister 41. 

Liebetanz 502. 

I Liebreich 9. 266. 283. 

1 Lienaux 216. 366. 

Liepmann 8. 404. 

Ließ 644. 

! Lilienfeld 358. 

1 Llndnor 656. 710. 

| Lingnrd 790. 

Lingelshcim 146. 

LI »stow 44. 

Lipstein 584. 

! Lochte 802. 
i Lode 68. 

1 Löffler 209. 

Löffler 607. 

• Lohde 158. 

Löwel 190. 

| I.oewy 309. 

I Lorenz 733. 

Loake 644. 

Lothes 320. 381. 

Ludewig 129. 

| Maier-Konstanz 346. 762. 

1 Maggiora 14.5. 581. 

I Magnani 500. 

Malcolm 175. 

I Malkmus 462. 

Mamlock 621 . 

I Mankiowicz 423. 
i Mauson 752. 

! Maragliano 463. 678. 

I Marder 67. 

I Marie 619. 

Marmorek 778. 793. 

Märtel 145. 

Martelly 787. 

Mattem 560. 

Martini 140. 53«. 

Martinottl 778. 

! Marx 130. 
j Matthcs 715. 

! Mauderer 215. 

| Mnyer, M. 331. 

I Mayor 3G8. 

Moincrtz 217. 

I Meißl 309. 

Melnikow 403. 

, Mendel 310. 358. 

Menzer 476. 729. 

Meroshkowsky 753. 

Merkel 255. 

Merkel 345. 

Mertens 55. 

* MetschnikofT 608. 

Mettam 307. 

: Mever 677. 

Meyer, Erich 608. 

Meyer, H.-Dresden 483. 
545. 

; Meyer, Wilh. 776. 

Meynard 81. 667. 

' Michelazzi 367. 

Mießner 558. 

Minardi 282. 

Minder 356. 

Mitulescu 715. 

Moeller-Belzig 156. 

' Mörkeberg 751. 

Moll 726. 

Molter 283. 

Molthof 353. 

Moltreoht 428. 

Moore 733. 

Moreau 81. 

Morgenrot 82. 

Moro 294. 


Mosler 159. 

Most 181. 

Mougneau 776. 

Müller 82. 309. 59C. 

Müller-Horneburg 109.385. 
Müller-Königsberg 419. 
Müller, Kunibert 278. 

Müller-Ohrdruf 754. 

MUllor, P. Th. 428. 

M umfond 635. 

Münzer 801. 


X. 388. 764. 

N'äter 159. 

Navez 644. 

Nazzanti 524. 

Nebelihau 501. 

Negri 335. 667. 

Negri 451. 

Neißjr 464. 

Neuburger 113. 

Neufeld 608. 656. 

Neumann 459. 

Naumann 82. 

Nonwirtli 427. 

Nevermann 383. 417. 451. 

Nlcollo-Dubois 112. 

Nielsen 330. 

Nießen 789. 

Noack 426. 

Nocard 593. 

Noguchi 217. 

Noorden 266. 

Nusch 30. 


von Oefele 153. 

Opel 114. 169. 

Orth 485. 

Ostertag 365. 416. 454. 

Panse 55. 

Pantke 130. 

Parascandolo 787. 
von Parpart 655. 

Paschki:; 68. 

Pauli 12. 

Pearson 367. 
Peaso-Punjab 67. 474. 
Pecus 232. 

Pce 691. 

Pclzl 29. 

Perl 638. 

Pßrnsset 535. 

Petersen 111.231. 265. 357. 

Petcrsson 310. 346. 696. 764. 
Pfaffenholz 740. 

Pfaundler 656. 

Pfeiffer 451. 650. 

Pfeiffer, R. 428. 

Pfeiffer-Kaumi 155. 781. 
Pflanz 145. 

Pflughoofl 357. 

Pick 536. 

Piorkowski 8. 9. 43. 

Pirquet 500. 

Pitchford 777. 

Plate 483. 

Platschek 472. 533. 687. 
Poetschke 726. 

Potpiscbill 310. 

Poverini 309. 

Preiß 158. 266. 

Preisz 158. 

Presta 428. 

Preusse 162. 505. 

Probst 154. 

Pröscber 233. 596. 

Proskauer 146. 451. 094. 


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XXII 


R. 593. 

Rab 404. 

Rachfall 480. 
Raebiger 351. 639. 

Raehlmann 789. 

Rammatedt 8. 

Ranke 113. 
llanaom 677. 

Rauscher 533. 

Raw 415 (437). 753. 

Rawitz 777. 

Reckzeb 317. 

Reclua 464. 

Regenbogen 445. 

Relnacb 730. 

Roye 146. 

Ribbert 729. 

Richter-Dessau 555. 
Richter-Dresden 289. 
Richter O.-R. 655. 
Riddoch 355. 

Riedel 414. 

Ricgler 294. 

Risel 217. 

Ritaert 367. 

Rivas 43. 

Robertson 231. 

Rößler 778. 

Rommel 801. 

Rooa 500. 

Roaenthal 608. 

Rossi 752. 

Rost 130 184. 

Roub 357. 

Roux 009. 

Rubay 644. 

Rubner 415. 

Rubemann 43. 

Ruitinga 621. 802. 
Rullmann 536. 

Rumpel 112. 

Saar 655. 

Sack 345. 

Sahner 173. 206. 476. 


397. 


566. 


Salles 474. 

Sand 182. 

Sanfelice 68. 

Sato 181. 

Saul 283. 895. 

Bavariaud 310. 

Schaodcl 159. 

Scheben 482. 

Scheferling 655. 

Schiel 497. 

Schilling 158. 

Scbimmelpfennig 356. 
Schlegel 225. 409. 745. 

Schleiß 693. 

Scbloßmann 294. 

Schmaltz 9. 10. 42. 44. 55. 
82. 113. 122. 130. 159. 
160. 184. 191. 198. 200. j 
204. 218. 256. 288. 368. 
532. 536. 621. 623. 657. 
658. 696. 744. 778. 
Schmidt-Dresden 421. 709. 
721. 722. 

Schmidt-Elbing 302. 
Scbmidt-Königswartha351. 
Schmidt O.-R. 655. 

Schmitt-Cleve 520. 623. 
686 . 

Schmidt-Dresden 740. 

Schmidt, Herrn. 294. 

Schneider 789. 

Scholtz 405. 

Schottmdller 367. 

Schräder 287. 511. 
Schroeder-Colmar 471. 
Schröder-Meldorf 639. 

Schilder 146. 217 677. 694. 

Schütz 485. 558. 

8cbQtzc, A. 113. 233. 401. 715. 
Schultze O. 29. 

Schumann 591. 

Schut Jr. 678. 

Schwalbe 668. 716. 


Schwalbe 721. 
Schwantcs 592. 

8chwer 08. 

Scott 535. 

Seiffert 416. 

Seitz 425. 

Selmer 751. 

Selter 476. 

I Semon 753. 

Senator 344. 

Senator 43. 

Shiga 331. 

Sigl 67. 

Silberachmidt 476. 

Simon 51. 

Sklarek 500. 
ßkrobansky 729. 

Smirnow 429. 

Sommerfeld 405. 

Borger 608. 

Sormanis 112. 

Spenglor 55. 

Spork 693. 

Spring 655. 

Spronk 621. 

Staa van 81. 

Stazzi 365. 

Stecket 621. 

Stefanxky 345. 
ßteidorff 8. 

Stein 729. 

Steinhardt 691. 
Stenström 728. 728. 
Stockmann 752. 

' Stödter 392. 405. 415. 
Strauß Ar. 461. 

8tem 405. 

Sternberg 89. 

Silcker 130. 

Strebei 546 
Streit 496. 577. 
Sturhan 548. 691. 

, SudhofT 255. 

1 Sweet 158. 


Swoboda 450. 

Swoboda 608. 

Sztkely 309. 715. 

Tabora 677. 

Tabusso 620. 

TarucHa 428. 

Tavel 158. 

Taylor 389. 

Teetz 304. 439. 
Tennert 216. 

Thiro jun. 279. 429. 

Tböneasen 43. 

Thorner 464. 

Tiede 293. 

Tissier 787. 

Toepper 37. 

Tomasczewaki 146. 464. 
Totauka 778. 

Toyama 27. 

Traeger 293. 397. 

Trojo 233. 

Trommadorf 346. 789. 

Tron 740. 

Tschernogoroff 6. 

Turro 428 

Udriski 666. 
Uhlenhuth 408. 

Uhlenhut 130 
Ublmann 790. 

Ujhelyi 373. 

Vall6e 356. 692. 750. 
Vennerholm 605. 

Velich 560. 

Vignier 366. 

Vivien 739. 

Vogel 517. 

Waelsrh 731. 

Wagner 777. 78». 

Waschulewski 726. 

Wasaermann 43. 146. 233. 

Wassermann 473. 


Wateff 596. 

Weber SO. 

Weber 558. 

Weichaberg 729. 

Weigert 694. 

Weiß 008. 

Weiß 740. 

Wendel 608. 

Wendelatadt 729. 

Werner 327. 525. 
Wessel 49. 

Weaaely 184. 

Weatenhoeffer 283. 

Wezel 358 
Wiener 4 5. 684. 

Wieainger 789. 

Wiley 82. 

Willis 414. 

Wilma 130. 

Winter 82. 

Winternitz 463. 

Wittmaarck 146. 

Wolff, A. 233. 391. 

Wolffhügel 365. 661. 
Wünsch 499. 

Wyman 293. 

X 765. 

Zangemcister 309. 

Zangger 584. 

Zehl 5. 193. 469. 568. 

Zöllner 217. 

Ziehen 712. 

Ziemann 82 *83. 294. 309. 

Zimmer 301. 

Zimmerer 67. 

Zimmermanu 309. 316. 

Zinn 294. 

Zobel 529. 553. 
Zöllner 655. 

Zorn 523. 

Zürn 776. 

Zwicker 197. 


Merlin, Druck von W. Blixenslein. 


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Die .Berliner Thierirxtllche Woohenechrift* ereeheint 
wöchentlich Im Verlege von Richard Schoets ln 
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dieselbe rum Preise von M. 5,— vlorteljShrlich (M. 4,“8 fllr 
die Wochenschrift, 18 Pf. für Bestellgeld) frei in's Haus 
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Berliner 


öriglnalbeltrlge werden mit 60 Hk. für den Bogen honorlrt. 
Alle Manuscripte, Mltthellungen und redactionellen An¬ 
fragen beliebe man su «enden au Prof. Dr. 8chmalta, 
Berlin, thlerärztllche Hochschule, NW, Luisenstrasse 60. 
Correcturen, Keoenslous-Kxomplare und Annoncen da¬ 
gegen an die Verlagsbuchhandlung. 


Thierärztliche Wochenschrift 


Bedaction: 

Professor Dr. Schmaltz-Berlin 

Verantwortlicher Redactear. 

De Bruln Kühnau Dr. Lothes Prof. Dr. Peter Peters Preusse Dr. Schlegel Dr. Vogel ZDndel 

Professor Schlacbtliofdirector Departomentsthierarat Kroisthierarzt DepartemenutUierarat Veterinärassessor Professor Landes-Insp. f. Thiercuebt Krelstlilorarzt 
Utrecht. Cöln. Cöln, Angermtlnde. Bromberg. Danzig. Freiburg i. Br. München. Mülhausen i. E. 

Francke Dr. Jess Nevermann 

Krelsthlerarzt Kreisthierarzt Krelsthierarzt 

Mülheim a. Rh. Cliarlottenburg. Bremervörde. 


Jahrgang 1903. 



Ausgegeben am 1. Januar. 


Inhalt: Kieinpaul : Die Lecksacht des Rindviehes im Kreise Johannisburg. Futtersvorth des Moorwiesenheues. — KUhnau: Die Vortheile 
der Verwendung von reinblütigen Zuchtthieren. — Zehl: Zur Behandlung der Gebärparese mittelst Luftcatheters. — Referate: 
Archangelsk und Tschernogoroff, Behandlung der Beschälseuche. — Guillerey, epizootischer Abortus der Stuten. — 
Kofler, Die Enteroclyse in der Thierheilkundc. — Hobday, Operation von 7(5 Klopfhengsten. — Graham-Gillam, Toxi- 
cologische Notizen. — Farmagalli, Behandlung eines actinomycotischen Tumors. — Huntemann, Fiitterungseinflilsse auf 
eine Foblenstutc. — Jess, Wochenübersicht über die mediciniscite Litteratur. — Tagesgeschichte: An die deutschen Veterinär¬ 
studenten; von Scbmaltz. — Die Wiener Hochschule; von Schmaltz. — Aufruf; von Pauli. — Protokoll der Herbstsitzung 
des Vereins schlesischer Thierärzte, von Marks. — Staatsveterinärwesen : Auszüge aus dem Jahresbericht des Kais. Gesundheits¬ 


amtes. — Verschiedenes. — Fleischschau und Viehhandel: 
Vergütung für die Ausbildung der Fleischbeschauer; 
Personalien. — Vacanzen. 

Die Lecksucht des Rindviehes im Kreise Johannisburg. 
Futterwerth des Moorwiesenheues. 

Vortrag gehalten im Verein Ostpreussisi-her Thierärzte am 7. De- 
cember 1902 in Königsberg. 

Von 

Kleinpaul Johannisburg, 

Kreis- und Grenzthierarzt. 

Meine Herren! Unser Herr Vorsitzender hat an mich 
mehrfach das Ersuchen gerichtet, Ihnen meine Beobachtungen 
über die im Kreise Johannisburg so heftig anftretende Leck¬ 
sucht des Rindes mitzutheilen. Ich will vorausschicken, dass 
diese Angelegenheit noch nicht spruchreif ist, denn der 
Herr Landwirthschaftsminister hat eine Commission ernannt, die 
die Ursachen der Lecksucht nach Möglichkeit ermitteln soll. 
Meine eignen Beobachtungen will ich Ihnen jedoeh hier mit¬ 
theilen: 

Die Krankheit tritt nur da auf, wo Hen von Moor- oder 
Torfwiesen gefüttert wird. 

Wir haben im Kreise Joliannisbnrg grosse Forsten, in denen 
grosse Moorflächen enthalten sind; viele Güter haben fast nur 
Moor- und Torfboden, und nebenbei leichten Sandboden. In der 
Johannisbnrger Heide nnd auf diesen Gütern tritt die Leck¬ 
sucht auf. Wenn neben Moorboden noch besserer Boden vor¬ 
handen ist, von welchem Klee, oder auch nur Stroh nebenher 
an die Rinder gefüttert wird, tritt die Krankheit nicht auf. 
Manche Moorböden erzeugen besonders heftig die Lecksucht, 
andere weniger heftig, einzelne fa9t gar keine Lecksucht. Wo 
aber ausschliesslich Futter von Moorwiesen gefüttert wird, wird 
die Kälberanfzncht geradezu unmöglich. In manchen Jahren 
tritt die Lecksucht sehr heftig auf, in manchen Jahren weniger 
heftig. Heftig besonders nach nassen Jahren nnd in langen, 
schneereichen Wintern, wenn der Austrieb des Viehes im Früh¬ 
jahr erst spät erfolgen kann. Heilend wirkt immer der Weide¬ 
gang. In diesen Lecksnchtdistricten kann der Lecksucht wegen 
Stallfüttemng nie eingeführt werden. Ich will Ihnen kurz die 


Eintührung der Reichsfleiscbbeschau in Preussen; von Kiihnau. — 
von KUhnau. — Verschiedenes. — Bücherbesprechungen. — 


l Erscheinungen der Krankheit schildern. Im Laufe des Winters 
magern die Rinder sehr starkab, obgleich sie ganz ungewöhnlich 
grosse Mengen Hen vertilgen. In den Monaten Februar nnd 
! März stellt sich Appetitlosigkeit ein, die Thiere fressen schlecht 
i und zuletzt gar nichts mehr, sie zeigen aber krankhafte Appetite, 

, sie nagen an den Krippen und Stallwänden, fressen Erde, Kalk, 
i Ziegelstücke, faulendes Holz, altes Leder, Papier, Lumpen etc. 
W’enn die Krankheit einen gewissen Grad erreicht hat, nehmen 
die Thiere ihnen dargebotenes Kraftfutter überhaupt nicht mehr 
an. Ich habe solche Thiere bei vollen Krippen verhungern 
| sehen. Am allermeisten leiden aber die Kälber an dieser 
i Krankheit. So lange die Kälber Milch bekommen, sind sie voll 
, und rund, wenn sie aber dann mehr anf das Heu angewiesen 
i werden, vertrocknen sie förmlich, bekommen lange Haare, harte 
} Hant, Ungeziefer, krummen Rücken, dicken Kopf, lecken und 
fressen an allen abnormen Stoffen, nur normale Nahrung 
| wollen sie nicht aufnehmen. Im letzten Stadium der Krankheit 
i stellt sich Durchfall ein nnd die Thiere gehen an Abzehrung 
zu Grunde. Die Kälberaufzucht wird in solchen Wirthschaften 
geradezu unmöglich. Wenn man in solchen Wirthschaften 
i Kälber anfziehen will, dürfen dieselben entweder gar kein 
Hen, oder nur sehr wenig davon bekommen, sie müssen 
| mit Kraftfutter allein hochgezogen werden, 3—4 Monate lang 
Milch bekommen etc. Sclilempefütternng, Seradellahen, Rüben 
1 nnd Melassefntter beeinflussen die Krankheit günstig. Wo bleibt 
dann aber die Rentabilität, wenn ich ein Rind nicht mehr mit 
i Heu, sondern fast nur mit Kraftfutter aufziehen soll! Leck¬ 
suchtkranke Rinder verkalben sehr häufig, und fast in allen 
diesen Fällen beobachtet man Zurückbleiben der Nachgeburt, 
i wodurch die Thiere noch mehr herunterkommen. 

Ich komme nun zu den Ursachen der Krankheit. Soviel 
steht fest, dass die Lecksucht bei uns nur dort auftritt, wo Hen 
von Moor- oder Torfwiesen gefüttert wird. 

Bevor hier die grossartigen W T iesenmeliorationen ansgeführt 
wurden, habe ich schon Lecksncht häufig beobachtet. 


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2 


Ich hebe das besonders hervor, denn unsere Bauern be¬ 
haupten fast einstimmig, dass das Meliorationsheu, das Kunst- 
wiesenheu die Ursache der Krankheit sei. Diese Behauptung 
ist falsch. Die Melioration besteht bekanntlich in der Ent¬ 
wässerung der Moore, Zerstörung der alten Grasnarbe, Düngungen 
mit Kainit (Kali) und Thomasschlake (phosphorsaurem Kalk) 
und Einsaat der besten Futtergräser und Kleearten. Durch die 
Melioration sind aus nassem, sumpfigem Unland herrliche Wiesen 
mit wundervollem Graswuchs entstanden; die Moore, die früher 
nicht genutzt wurden, sondern höchstens eine sehr mangelhafte 
Weide abgaben, liefern jetzt reichlich Heu. Es wird mehr Vieh 
gehalten, man hatte mehr Heu und stellte mehr Kälber auf und 
daher erkrankten mehr Thiere an der Lecksucht. 

Man kann also nicht sagen, dass durch die Melioration 
Lecksucht erzeugt worden ist, sondern man kann nur behaupten, 
dass durch die Melioration die Ursachen der Lecksucht nicht 
beseitigt worden sind. 

Die Erscheinungen der Lecksucht sind die der Inanition 
(Verhungerung) es müssen also dem Heu Stoffe fehlen, die zur 
Ernährung des Thieres unbedingt nothwendig sind. Welcher 
Art die Stoffe sind, wissen wir noch nicht. Dass solche Stoffe 
fehlen, geht daraus hervor, dass lecksüchtige Thiere sofort ge¬ 
sund w'erden, w'enn man sie in Gehöften aufstellt und füttert, 
in denen die Krankheit nicht auftritt. Wenn man ausgewachsene 
Thiere aus anderen Gegenden auf Lecksuchtgehöfte bringt, er¬ 
kranken sie im ersten Winter nicht, wohl aber im zweiten. 
Daraus folgt, dass der Körper im ersten Jahr die fehlenden 
Stoffe noch in sich aufgespeichert hat. Im zweiten Jahre, wenn 
diese Stoffe verbraucht sind und nicht frisch zugeführt werden, 
treten Ernährungsstörungen auf. 

Es sind ja viele Behauptungen schon über die Ursachen 
der Lecksucht aufgestellt worden, besonders sollten Natronsalze 
dem Futter fehlen, jedoch Beigaben von Natronsalzen, von Koch¬ 
salz zum Futter beseitigen die Krankheit nicht. Wenn man 
die Thiere auf der Weide beobachtet, so fällt auf, dass sie 
lieber an den Gräben fressen, wo frische Erde aufgeworfen ist, 
während sie das prachtvollste Futter in der Mitte der Wiese 
unberührt lassen. Es scheint das dafür zu sprechen, dass in 
der frischen Grabenerde noch Stoffe enthalten sind, die das 
Thier sucht, die in der Mitte der Wiese fehlen. Im Winter 
fressen solche Thiere viel lieber Stroh von nicht moorigem 
Acker, als das beste Moorwiesenheu. Je geiler das Futter 
gewachsen ist, je üppiger das Gras steht, desto mehr disponirt 
es zu dieser Krankheit. Vielfach hat man geglaubt durch Bei¬ 
gaben von Kalk die Krankheit zu beseitigen; Beigaben von Kreide 
oder phosphorsaurem Kalk sind jedoch ohne jeden Einfluss auf 
die Krankheit gewesen. Unter vielen Moorböden liegt hier 
Muschelkalk, auch wachsen auf vielen Wiesen Pflanzen, die nur 
auf kalkhaltigem Boden zu finden sind wie Huflattich (Tusilago 
farfara) und dennoch entsteht Lecksucht nach Verfuttern dieses 
Heues. Dass Futter vom Moorboden weniger nährt, wie Futter 
von schwerem, z. B. Lehmboden, ist Ihnen ja bekannt. Auf 
Gütern mit schwerem Boden bekommen junge Thiere bei weniger 
Kraftfutter stärkere Knochen und füttern sich viel besser als 
Thiere auf Gütern mit viel leichtem und Moorboden bei viel 
Kraftfutter. Das Heu vom Moorboden wiegt auch viel leichter 
als das Heu vom Lehmboden. Getreide, auf Moorboden gewachsen, 
liefert viel Stroh aber weniger Körner, als Getreide auf Lehm¬ 
boden. Das Stroh von Moorboden ist auch weicher, als das 


No. 1. 


Stroh vom Lehmboden. Auch ist es bekannt, dass Hafer von 
schwerem Boden gewonnen viel besser futtert, als die gleiche 
Gewichtsmenge Hafer von einem Moorbruch. Ganz ähnlich ver¬ 
hält es sich mit den Thieren. Man kann es hier, wo die Boden¬ 
verhältnisse so verschieden sind, immer beobachten, dass z. B. 
auch Pferde, Fohlen, auf schweren Böden gezogen, sich viel 
kräftiger entwickeln und mehr Knochen bekommen, als Fohlen, 
die auf Gütern mit Moorboden erzogen werden; letztere gehen 
auch bei viel Kraftfutter im Spätwinter im Ernährungszustand 
häufig erheblich zurück. Das ist ja auch mit ein Grund, dass 
Litthauen bei seinem schweren Boden so gute Pferde producirt. 

Klee von schwerem Boden futtert viel besser als Klee vom 
Moorboden. Es kommt eben nicht nur allein auf die botanische 
Zusammensetzung des Heues an, sondern auch darauf, auf 
welchem Boden es gewachsen ist. Heu von anderem Boden oder 
von kompostirten Moorwiesen wird viel besser gefressen, als Heu 
von reinen Moorwiesen, es erzeugt solches Heu nach meinen 
Beobachtungen auch keine Lecksucht. Schon das Auffahren von 
.Sand auf die Moorwiesen wirkt in dieser Beziehung günstig. 

Auf das Auftreten der Lecksucht ist es nicht von Einfluss, 
ob das Heu gut oder schlecht gewonnen ist; ich habe sogar 
häufig beobachtet, dass gerade nach dem Genuss von tadellos 
gewonnenem herrlichen Kunstwiesenheu sehr bald Lecksucht 
entstand. 

Nach Verfüttern von in botanischer Hinsicht sehr mittel- 
mässigem Lehmwiesenheu geben Kühe mehr Milch, als nach 
dem besten Kunstwiesenheu. Auch die Viehmästung erfordert 
längere Zeit und mehr Kraftfutter bei Zugabe von Moor¬ 
wiesenheu, als wenn Heu von anderem Boden vorgelegt wird. 

Das Alles spricht dafür, dass dem auf dem reinen Moor¬ 
boden gewonnenen Futter gewisser Gegenden etwas fehlt, was 
das Thier zu seiner Ernährung braucht; es scheint als wenn 
es nährstoffarm ist. 

Dass eine Vergiftung die Ursache der Lecksucht sei. 
kann ich nicht annehmen. Die Krankheitserscheinungen sind 
nicht die einer Vergiftung, auch habe ich keine Giftpflanzen 
auf den meliorirten Moorwiesen gefunden, sondern nur die 
allerbesten Futtergräser. Man hat Heu in Insterburg unter¬ 
suchen lassen, dort hatte man dem Vorkommen des Taumellolch 
Lolium temulentum als Krankheitserreger in Verdacht, unser 
Heu enthält aber diese Pflanze garnicht. Weiter hatte man 
Equisetaceen besonders Equisetum palustre im Verdacht; ich 
habe aber schon 1900 in einem Bericht an unseren Herrn 
Landrath darauf hingewiesen, dass auch Lecksucht auftritt, wo 
Equisetaceen garnicht Vorkommen und umgekehrt. Equisetum- 
vergiftungen beobachtet man im frühesten Frühjahr, wenn 
leckstichtige Thiere beim Weidegang ihre abnormen Appetite 
stillen, dann nehmen sie auch Equisetumarten auf. Normale 
Rinder fressen Equisetumarten bekanntlich nicht. 

Zum Schluss komme ich zur Behandlung der Lecksucht: 

Mit der prophylactischen Behandlung der Lecksucht ist 
wenig zu machen, die Kapitalkraft der Viehbesitzer reicht 
meistens nicht aus, um die Thiere nur mit Kraftfutter zu er¬ 
nähren. Möglichst lange müssen Kälber in Lecksuchtgehöften 
Vollmilch bekommen, dann recht lange Milch mit Mehl saufen, 
dann mit Schlempe, Hafer, Melasse und sehr wenig Heu ge¬ 
füttert werden. Für grössere Thiere wirkt Melassefutter, Rüben 
und Kartoffeln sehr günstig. 

Wo Schlempe gefüttert wird, erkranken ältere Thiere garnicht 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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1. Januar 1908. 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


Wo das nicht geschieht, erkranken im Spätwinter auch ältere 
Thiere, trotz Beigaben von Kraftfutter. Alle möglichen Mittel 
habe ich angewandt, Salze, Gewürze etc. alles ohne jede 
Wirkung. Das einzige Heilmittel ist der Weidegang. In den 
ersten Jahren meines Hierseins habe ich mich immer gew'undert 
darüber, dass die Leute so früh im Frühjahr anstreiben, wenn 
dransBen anscheinend noch garnichts wächst, aber die Erfahrungen 
lehren, dass trotzdem die Thiere hierbei gesunden. Sie nehmen 
überstandenes Wintergras, sie naschen und lecken überall 
herum, nehmen die ersten aus der Erde spriessenden Hälmchen 
oder Triebe, befriedigen damit ihren Appetit, und machen sich 
somit von selbst gesund. Kommt ein spätes Frühjahr, so gehen 
viele Thiere an ihrer Ernährungsstörung zu Grunde. Begegnet 
man solch einer Viehherde, so sind die Thiere zuweilen so 
schwach, dass sie dem Wagen nicht ausweichen können. Vielen 
Thieren muss man beim Aufstehen behülflich sein, ja, es ist 
vorgekommen, dass man Thiere wegen Schwäche auf die Weide 
gefahren hat. Schon nach 8 Tagen Weidegang sieht solch eine 
Heerde ungleich besser aus. 

Durch Apomorphineinspritzung bessert man den krankhaften 
Zustand der Thiere auf einige Monate, sie fangen nach drei¬ 
maliger Einspritzung wieder an zu fressen, aber von dauerndem 
Erfolg ist dieses Mittel nicht, da man das Grundleiden dadurch 
nicht beseitigen kann. Ich habe Dosen von 0,1—0,15 pro Tag 
dreimal in einem Zeitraum von sechs Tagen eingespritzt. Nach 
diesen Einspritzungen werden die Kälber sehr aufgeregt; wenn 
man grosse Bestände einspritzt, so muss man die Kälber los- 
binden, sonst erwürgen sie sich, und alles aus dem Stall ent¬ 
fernen, woran sie sich stossen können. Nach der Einspritzung 
rasen sie wie wahnsinnig im Stall umher, fressen Dünger, 
packen sich das Maul zuweilen so voll, dass der Düngerknäul 
im Schlundkopf stecken bleibt und die Thiere ersticken, wenn 
man ihn nicht entfernt. Recht schwache Thiere bekommen zu¬ 
weilen Aufblähen, welches beängstigend wird; ich habe dasselbe 
durch Massage immer beseitigen können. In einem Falle spritzte 
ich auf einmal ca. 60 Kälbern Apomorphin ein. Da mir der 
Stall zu eng erschien und ich dort Beschädigungen der Thiere 
befürchtete, liess ich die Thiere auf den Gutshof bringen, die 
Wirkung dieses Beginnens war eine furchtbare; die Kälber 
rasten auf dem Hof mit hochgehobenem Schwanz, wie wilde 
Thiere, zwei sprangen in den dort vorhandenen Teich und er¬ 
tranken, eins bekam Lungenödem und krepirte. Niemand war 
im Stande die Thiere wieder einzufangen. Den Tag darauf 
zeigten mehrere Thiere schwere Sehnenscheidenentzündungen 
an den Vorderfüssen, zwei hatten starke Fesselgelenksentzündung 
auf den Vorderfüssen, sodass sie nicht aufstehen konnten, eins 
erholte sich davon, das Andere ging an Decubitus zu Grunde. 
Man lasse also die Thiere nach der Einspritzung ja im Stall. 

Auf diese beim Rinde hier häufig vorkommende Krankheit 
habe ich im April 1897 den Herrn Landrath des Kreises Jo- 
hannisburg aufmerksam gemacht, als die Königliche Forstver¬ 
waltung bestrebt war, den bäuerlichen Besitzern in der Johannis¬ 
burger Heide den Weidegang der Rinder möglichst ein¬ 
zuschränken, und erklärt, dass es den Besitzern in der Heide 
unmöglich sei, ohne Weidegang Rinder zu erziehen und zu 
erhalten. Der Herr Minister hat eine Commission zur Er¬ 
forschung der Ursachen der Lecksucht ernannt. Diese Commission 
hat beschlossen, dass vergleichende Fütterungsversuche mit ver¬ 
schiedenem Heu an Kälbern, sowohl hier in der Oberförsterei 


3 


Turoscheln, als auch in Berlin im Hygienischen Institut der 
Thierärztlichen Hochschule gemacht werden. 

Diese Versuche leitet unser hochverehrter Herr Professor 
Dr. Ostertag in Berlin, der als Mitglied der Commission den 
Kreis Johannisburg mit bereiste. Es liegt somit die Sache in 
den besten Händen und hoffen wir, dass es diesem bedeutenden 
Hygieniker gelingen möge, die Ursachen der Lecksucht zu er¬ 
forschen und uns Mittel in die Hand zu geben, diese schwere 
Calamität zu beseitigen, zum Nutzen der Landwirtschaft. 

Die Yortheile der Verwendung von reinblütigen 
Zuchtthieren. 

Von 

Kühnau-Köln, 

Schlachthofdirector. 

Die Thierschauen sollen dem Züchter und Mäster Gelegenheit 
geben, beste Zuchtthiere zu sehen, ihre Formen sich einzuprägen 
und zur Zucht von reinblütigen Rassethieren anzuregen. Ueber 
die Fortschritte, welche in der Zucht und Mästung reinbliitiger 
Thiere gemacht worden sind, geben die Thierschauen nur zum 
geringen Theile Aufschluss. Ein viel instructiveres Bild vom 
Stande der deutschen Viehzucht wird man sich entwickeln 
können, wenn man der Beschickung der Schlachtviehmärkte 
seine Aufmerksamkeit zuwendet. Gerade was die Fleischmast 
anbelangt, hat man auf den Märkten die mannigfachsten Er¬ 
gebnisse vor sich. Am auffallendsten tritt der Umstand hervor, 
dass Mastthiere, welche den gestellten Anforderungen durchweg 
entsprechen und wie man sie auf den Mastviehausstellungen zu 
sehen bekommt, verhältnissmässig gering an Zahl unter dem 
Auftriebe vorhanden sind. Die grosse Masse sind Thiere, welche 
bezüglich der Mästung in einer oder anderer Hinsicht zu 
wünschen übrig lassen. Daher auch die widersprechenden Markt¬ 
berichte, hohe Preise und schlechter Absatz. Gewiss werden 

• 

hohe Preise angelegt, aber nur für die Thiere, welche den An¬ 
forderungen, die man in Bezug auf Vollfleischigkeit, Alter und 
Ausgemästetheit stellt, entsprechen. Lassen die Thiere in dieser 
Beziehung zu wünschen übrig, so werden nur zögernd höhere 
Preise für solche Thiere angelegt, weil der Käufer eben weiss, 
dass diese Thiere einen höchsten Schlachtwerth nicht besitzen. 
Die Thiere haben zu wenig gutes Fleisch und zu viel Abfall. 

Forscht man den Ursachen nach, warum die Märkte so 
wenig gutes Schlachtvieh aufweisen, so drängt sich nothgedrungen 
die Ueberzeugung auf, dass das rationelle Vorgehen in der 
Viehzucht zu wünschen übrig lässt. Der Verwendung von rein¬ 
blütigen Thieren wird zu wenig Aufmerksamkeit im Allgemeinen 
zugewandt. Es wird mehr nach den Formen gesehen, welche 
das Einzelthier aufweist, als dass Gewicht darauf gelegt wird, 
Ermittelungen darüber anzustellen, mit welcher Beständigkeit 
sich diese Formen vererben. 

Den besten Beweis, in welchem Maasse die Benutzung 
reinblütiger Thiere die Fleischviehzucht zu heben im Stande ist, 
liefert die Geschichte der Viehzucht Amerikas in den letzten 
fünfzehn Jahren. Früher dickknochige, eckige Thiere. heute 
überall ausgeglichene Formen. Für die Märkte wird durchweg 
eine gleichmässige Waare geliefert, darum stösst der Verkauf 
nach Lebendgewicht auch nicht auf besondere Schwierigkeiten. 
Besonders ist bei der Heranzüchtnng der Thiere in Amerika 
darauf Gewicht gelegt worden, dass die Thiere Fleisch besitzen, 


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4 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 1. 


welches anf dem Markte den höchsten Preis erzielt. Letzthin 
wurden in Chicago für solche ansgewählten Thiere 36 Mark für 
100 Pfund (engl.) Lebendgewicht gezahlt. Der Ochse ist um 
so werthvoller, je mehr die werthvolleren Fleischpartien im 
Verhältniss zu den minder werthvollen entwickelt sind. Bei 
der Auswahl zur Zucht sollten nur solche Thiere berücksichtigt 
werden, welche die Vererbung einer guten Entwickelung der 
werthvollen Fleischpartien versprechen. Der Züchter sollte 
nur solche Zuchtbullen aufstellen, welche gute Zuchteigenschaften 
und Fleischentwickelung gewährleisten. Der Mäster kann die 
gewünschte Qualität der Thiere erreichen, wenn er Magervieh 
auswählt, dessen Neigung zum Fleischansatz bekannt ist. 

In dieser Hinsicht aufklärend zu wirken, sind namentlich 
die Schlachtversuche geeignet, und es muss mit Genugthuung 
anerkannt werden, dass die Berliner Mastviehausstellung in 
dieser Beziehung schon manches werthvolle Ergebniss auf¬ 
zuweisen hat. Je mehr sich Zuchtgenossenschaften an der Ver¬ 
anstaltung der Schlachtversuche betheiligen, desto werthvoller 
werden die gelegentlich derselben gewonnenen Zahlen für den 
einzelnen Züchter und Mäster sein. 

Will man einen Ueberschlag haben über den Erlös, den ein 
gutes Fleischrind erbringen kann, so muss man wissen, welches 
Gewicht die einzelnen Fleischpartien besitzen, und welcher 
Preis für die einzelnen Fleischpartien gezahlt wird. In Deutsch¬ 
land ist die Differencirung des Werthes der einzelnen Fleisch¬ 
partien noch wenig durchgeführt. In England und Amerika 
ist man in dieser Beziehung viel weiter vor. In Amerika rechnet 
man das Durchschnittsgewicht der einzelnen Fleischpartien und 
die dafür gezahlten Preise nach folgender Zusammenstellung. 



1. Bei einem 1200 Pfund schweren erstklassigen Ochsen 
sind: Die werthvollen Fleischpartien: 

Gewicht Preis Gesammtwerth 

Pfund pro Pfund (engl.) M. M. 


1. Hochrippe . 

68 


0,67 

45,56 

2. Lendenstück 

92 


0,92 

84,64 

3. Hiiftstück . 

34 


0,76 

25,84 

4. Schwanzstück 

28 


0,42 

11,76 

5. Keule . . . 

124 


0,36 

44,64 

Zusammen 

346 

Pfund, im 

Werthe von . . 

213,44 M. 

Die minder 

wer 

thvollen 

Fleischpartien: 


6. Hals . 

24 


0,17 

4,08 

7. Brust . . . 

112 


0,19 

20,28 

8. Bauch. . . 

22 


0,21 

4,62 

9. Kamm. . . 

130 


0,315 

40,95 

10. Vorderbein . 

50 


0,17 

5,50 

11. Hinterbein . 

24 


0,13 

3,12 


Zusammen 362 Pfund, im Werthe von . . 78,55 M. 

Ein Blick auf die Tabelle zeigt sofort, welch ein grosser 
Unterschied im Werth der einzelnen Fleischpartien besteht. 


Wenn auch in Deutschland diese Unterschiede noch nicht so 
sehr hervorgetreten sind, so tritt doch gerade in der Jetztzeit, 
wo der Stand der Fleischpreise ein so abnorm hoher geworden 
ist, das Bestreben hervor, eine Classificirung des Werthes der 
einzelnen Fleischpartien mehr als bisher eintreten zu lassen. 
In Norddeutschland ist diese Classificirung bereits viel weiter 
durch gebildet als in Mittel- und Süddeutschland; indessen auch 
hier tritt ein Bestreben nach dieser Richtung hin deutlich 
hervor. 

Um so mehr drängt sich die Forderung auf, nur reinblütige, 
hochclaBsige Thiere zur Fleischproduction zu verwenden. Nur aut 
diesem Wege lässt sich ein zufriedenstellendes Resultat erzielen. 
Durch Generationen hindurch sind die reinblütigen Thiere mit 
Rücksicht auf die Entwickelung der werthvollen Fleischpartien 
entwickelt worden. Das Gewicht, welches die werthvollen 
Fleischpartien jetzt aufweisen, zeigt, was für Ergebnisse durch 
die sachverständige Zuchtauswahl erzielt worden sind. 

Es ist der grosse Nutzen, den die Schlachtconcurrenzen 
gestiftet haben, dass es möglich gewesen ist, den Werth, welchen 
das Fleischrind in seinen einzelnen Theilen in sich birgt, den 
Züchtern und Mästern zum Verständniss zu bringen. In Amerika 
ist besonders Professor F. B. Mumford von der Universität in 
Missouri bemüht gewesen, Zahlen zu sammeln, um durch ver¬ 
gleichende Zusammenstellungen beachtenswerthe Fingerzeige für 
die Auswahl der Zuchtthiere zu geben. Die oben mitgetheilte 
Zusammenstellung zeigt, dass 346 Pfund von den werthvollen 
Fleischpartien 134,89 M. mehr werth sind, als 362 Pfund der 
minderwertigen Fleischpartien, oder mit anderen Worten: das 
Fleisch des Rückens und Hinterschenkels ist im Durchschnitt 
dreimal soviel werth, als das Fleisch der übrigen Körpertheile. 

Der Werth eines Fleischrindes hängt demnach fast einzig 
und allein von der Entwickelung und Beschaffenheit der werth¬ 
vollen Fleischpartien ab. Diesen Grundsatz sollten die Züchter 
bei der Auswahl der Zuchtthiere und die Mäster bei dem Ankauf 
des Magerviehs unter allen Umständen beherzigen. Um ein 
Pfund Fleisch zu produciren, braucht der Mäster dasselbe Quantum 
Futter, einerlei ob es den werthvollen o 1er den minderwerthigen 
Fleischpartien zu Gute kommt. In ersterem Falle ist aber die 
Verwerthung dreimal so gross, als in letzterem Falle. Natürlich 
kann über eine gewisse Grenze nicht hinausgegangen werden, 
wenn die Fleischproduction in der Mästungszeit eine möglichst 
ergiebige sein soll. Es müssen im Allgemeinen alle Umstände 
berücksichtigt werden, welche an und für sich eine gute Fleisch¬ 
production gewährleisten. 

In welcher Weise es den Amerikanern gelungen ist, bei 
geeigneter Zuchtwahl und der Verwendung der richtigen Art 


von Thieren 

die Bildung 

der werthvollen Fleischpartien zu 

beeinflussen, 

zeigt folgende 

Zusammenstellung: 


Rasse 

Fleisch¬ 

Gewicht der Lende 

Procent des 

gewicht 

und des Hüftstücks Fleischgewichts 

Shorthorn . 

. . 1046 

127 

12,1 

Hereford . 

. . 1007 

109 

10,7 

Angns . . 

. . 980 

109 

11,11 

Landochse 

. . 824 

82 

9 1 


Diese Zahlen, welche aus Schlachtvei suchen, die in der 
Missouri-Universität angestellt worden sind, gewonnen wurden, 
zeigen den weiten Abstand, welcher zwischen dem gewöhnlichen 
Landochsen und den Ochsen der Reinzuchten besteht. Nicht 
nur haben die Reinzuchten durchschnittlich ein höheres Gewicht, 


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1. Januar 1903. 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


5 


als die gewöhnlichen Landrassen, sondern auch das Fleisch ist 
vorteilhafter gruppirt. Der Shorthornochse hat zum Beispiel 
45 Pfand mehr Lende und Häftsttick als der Landochse. Bei ; 
dem Preise von 88,2 Pfg. pro Pfund erbringt also der Shorthorn¬ 
ochse 39,69 M. mehr als der Landochse. Der Hereford- und 
Angusochse, welche je 27 Pfand mehr haben, würden 23,81 M. 
mehr abwerfen. Rechnet man die werthvollen Fleischpartien 
alle zusammen, so wird die Ueberlegenheit der reinblütigen 
Rassen noch offenbarer. 

Ringt sich die Erkenntniss, welche Vortheile die Ver¬ 
wendung reinblütiger Zuchtthiere für die Züchtung und MästUDg 
im Gefolge hat, mehr und mehr durch, dann werden wir auf 
den Schlachtviehmärkten nicht mehr so viel minderwertige 
Waare finden, sondern die erstklassigen Thiere werden in einer 
Mehrheit und Ausgeglichenheit am Platze sein, welche Kauf und 
Verkauf wesentlich erleichtern und zwar zu Preisen, welche 
dem Landwirt eine angemessene Verzinsung des aufgewendeten 
Capitals und eine angemessene Entschädigung für die beanspruchte 
Mühe und Sorgfalt gewähren. 

Mit Belehrungen allein wird aber wenig geholfen werden 
können, nur die nackten Zahlen beweisen. Solche Zahlen werden 
aber nur durch möglichst viele Schlachtversuche in imponirender 
Weise zur Geltung gebracht werden können. Sache der Zucht¬ 
genossenschaften ist es, in diesem Sinne bahnbrechend vor- ' 
zugehen, und namentlich bieten die Mastviehausstellungen Gelegen¬ 
heit, die einzelnen Zuchtgenossenschaften in Wettbewerb darum 
treten zu lassen, welche Thiere am besten den gestellten An¬ 
forderungen entsprechen. 

Zur Behandlung der Gebärparese mittelst Luft¬ 
katheters. 

Von 

Zehl-Trebbin, 

Thierarzt. 

Die Behandlung des Kalbefiebers durch Einblasen von Luft 
in das Euter der erkrankten Kühe ist ein noch verhältniss- 
mässig wenig erprobtes Verfahren. Ich halte es aus diesem 
Grunde für angezeigt, über die von mir mit dieser Behandlungs¬ 
methode gemachten practischen Beobachtungen und Erfahrungen 
zu berichten. Der besseren Uebersicht wegen habe ich die von mir 
so behandelten Fälle in nachfolgender Tabelle zusammengestellt. 


Wenn es nun auch nicht angängig ist, nach den hier ver- 
zeichneten und den bisher veröffentlichten, günstigen Erfolgen 
ein abschliessendes Urfheil darüber zu fällen, ob dieser neuen 
Behandlungsweise der Vorzug vor den bisher üblichen gebührt, 
so ist es doch sicher gestattet, zumal Fälle der verschiedensten 
Erkrankungsgrade zur Beobachtung gekommen sind, einige 
Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. 

Zunächst habe ich bei allen 15 erkrankten Kühen 
Heilung nur durch Lufteinpressen in das Euter 
erzielt, während ich bei der Infusion ca. 20 pCt. Todesfälle 
beziehungsweise Schlachtungen zu verzeichnen hatte. Im Be¬ 
sonderen hatte ich mit der Infusion nie Erfolg bei denjenigen 
Kühen, deren Nachgeburt zur Zeit der Erkrankung noch nicht 
abgegangen war. Ein Blick in die Tabelle zeigt, dass auch 
vier Kühe, deren Eihäute sich beim Eintritt des Kalbefiebers 
noch nicht gelöst hatten, gesund geworden sind. • Bei diesen 
Thieren ging die Nachgeburt ohne Kunsthilfe einige Stunden, 
nachdem sie auf gestanden waren, ab. 

Weiter ist bemerkenswerth, dass die Heilung in den 
meisten Fällen (13 von 15) schon innerhalb 3 Stunden 
nach Application des Luftkatheters eingetreten ist. 
Unter Heilung verstehe ich hierbei: Aufstehen der Thiere, 
Aufnahme von Trank und Heu. Auch bei den zwei Kühen, die 
erst nach 10 beziehungsweise 12 Stunden sich erhoben haben, 
ist ebenso, wie bei allen übrigen, circa eine halbe Stunde nach 
eingeleiteter Behandlung eine bedeutende Besserung zu beob¬ 
achten gewesen, indem die Thiere ihren Kopf wieder frei tragen 
konnten und in normaler Lage mit untergeschlagenen Füssen ohne 
Stütze sich hielten, sowie Heu und Trank annahmen. Diese 
prompte, schnelle Wirkung, die es dem Thierarzte ermöglicht, 
mit ziemlicher Sicherheit dem Besitzer die Zeit der. Besserung 
resp. Heilung vorher zu bestimmen, ist gewiss sehr werthvoll. 
Bei der Infusion dagegen vergingen oft 12 Stunden und darüber 
ohne sichtbare Besserung, so dass die Einspülung wiederholt 
werden musste. Die Wirkung derselben wartete dann aber der 
Besitzer, der inzwischen ungeduldig und ängstlich geworden war, 
nicht mehr ab und liess die Kuh schlachten. 

Endlich habe ich bei dieser neuen Therapie bisher keine 
Rückfälle der Krankheit, wie sie sonst häufig genug auftraten, 
gehabt. Auch fehlten üble Folgen, wie Euterentzündung, ganz. 
Dies kommt wohl daher, dass der Luftkatheter viel leichter als 



der Infusionsapparat vor Ver¬ 
unreinigungen im Stalle zu 
schützen ist und seine Appli¬ 
cation nur ganz kurze Zeit in 
Anspruch nimmt. 

Die in das Euter einge¬ 
presste Luft lässt'sich, soweit 
sie sich nicht schon selbst 
ihren Weg nach Aussen ge¬ 
sucht hat, durch das Melken, 
das alsbald nach dem Auf¬ 
stehen der Kuli stündlich aus¬ 
zuführen ist, innerhalb 24 Stun¬ 
den leicht entfernen. • Selbst¬ 
redend wird so lange das Kalb 
zum Saugen nicht zugelassen 

Die gedachte Therapie 
ist also nach den früher 


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6 BERLINER THIERARZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 1 


veröffentlichten und nach meinen Erfahrungen der 
Infusion in vielen Stücken überlegen. Weitere Versuche 
werden lehren, ob der Luftkatheter den Infusionsapparat ganz 
verdrängen wird. 

Referate. 

Die Behandlnng der Beschälseuche bei Hengsten. 

Von Archangelsk! und Tschernogoroff. 

(Journal für Pferdezucht.) 

Die Büchner’sehe ImmunitätBtheorie lautet: Eine jede 
Bacterienart kann sich nur in einem Gewebe entwickeln, mit 
welchem sie einen Kampf anshalten kann. Die Entwickelung 
und Vermehrung der Bacterien in dem dafür günstigen Organe 
dauert fort, bis eine reactive Entzündung angreift, welche auf 
die Bacterien hemmend einwirkt. 

Eine jede solche Entzündung ruft eine Gewebsveränderung 
hervor, welche somit in dem aus diesem Gewebe bestehenden Organ 
für die Entwickelung der Bacterien einen ungünstigen Boden 
bildet. Aber eine solche analoge reactive Entzündung kann 
auch mit den anorganischen Substanzen, wie z. B. dem Arsenik, 
Phosphor und Antimoninm, hervorgerufen werden. Schon längst 
wurde constatirt, dass diese Stoffe, namentlich das Arsenik dem 
Körper eine Wohlbeleibtheit verleihen und den Wuchs befördern. 
Daher empfiehlt auch Büchner bei den Infectionskrankheiten 
das Arsenik in kleinen Dosen einige Male am Tage. 

Fussend auf dieser Theorie, den Eigenschaften des Acidum 
arsenicosum nnd auf dem chronischen Verlauf der obengenannten 
Krankheit, versuchte Magister Archangelsk die Beschälseuche 
mit Arsenik zu behandeln. An dieser Senche erkrankten 
zwei Hengste; im Anfänge wurde den Patienten täglich ein 
Pulver aus Ferrum sulfnricum mit Natrum chlorat. ää 10 g im 
Trinkwasser gegeben. Nach Verlauf von zwei Wochen wurde 
anstatt Ferrum sulfnricum Arsenik verabreicht, von 1 g steigend 
bis zu 15 g und dann herunter bis zur anfänglichen Dosis. 
Nach Verlauf von sechs Monaten genasen die beiden Hengste. 

Eine solche Behandlung wurde von Magister Tscherno- 
goroff, dem Oberrossarzt des Orenburg’schen Gestüts, be¬ 
stätigt. Derselbe behandelte 14 Hengste, welche an dieser 
Krankheit litten. Im Anfänge der Krankheit verabreichte 
Tschernogoroff Acid. arsenicosum von 1 g, steigend jeden 
zweiten Tag um 2 g bis 16 g, und von da an wurde die Dosis 
jeden dritten Tag nm 2 g allmählich vermindert. Von diesen 
Hengsten starb einer in Folge einer Gastro-enteritis mycotica, 
der zweite in Folge der Druse nach einer beträchtlichen 
Besserung; bei vier Hengsten wird noch bis jetzt die Therapie 
fortgesetzt. Acht Hengste wurden also geheilt. 

D. Fischkin, Petersburg. 

Ueber den epizootischen Abortus der Stuten. 

Von 

Dr. med. vet. J. Guillerey in Porrentruy (Schweiz). 

(Archiv f. wisienKchafll. u. pract Thierheilk. 29 Hand, 1 u. 2 lieft.) 

Seine Beobachtungen über das, in der thiei ärztlichen 
Litteratur nur wenig berücksichtigte, seuchenartige Verwerfen 
der Stuten hat der Verf. in der am Nordabhange des Jura, 
in der Nähe Belfort’s, gelegenen Landschaft Ajoie snisse ge¬ 
macht. 

Es giebt zwei Formen des infectiösen Abortus, die sich 
durch die Zeit, in der sie auftreten, durch den Symptomen- 


complex, das Incubationsstadinm und besonders durch die 
Complicationen unterscheiden. 

Die gutartige Form ist die häufigere; sie zeigt sich 
meistens im 4—7 Monat der Trächtigkeit. Das Verwerfen 
kündigt sich einzig durch Schwellung der Wurflefzen und eine 
leichte punetförmige Röthung der Scheidenschleimhaut an. Bis 
znm 7 Monat findet die Ausstossung des Fötus, welche durch 
dumpfe Kolik und leichte Wehen eingeleitet wird, ohne 
Schwierigkeiten statt. Der Fötus wird in den Eihüllen ge¬ 
boren, oder diese folgen bald nach, da ihre Verbindung mit dem 
Uterus eine lockere ist. Der schon 2—3 Tage vor der Geburt 
eintretende grau-weisse, schleimig-eiterige Scheidenansflass dauert 
noch ebensolange nach der Geburt an; Wurf- und Milchdrüsen 
verkleinern sich, nach 4—5 Tagen ist Alles vorbei und das 
Thier wieder arbeitsfähig. 

In der bösartigen Form stellt sich der Abortus vom 
7. Monat der Trächtigkeit ab ein. Zu dieser Zeit ist der Uterus 
viel empfindlicher nnd die Verbindung der Placenten inniger, 
weshalb allerlei Nachkrankheiten (Retentio placentarum, Metritis) 
häufig eintreten. Die Geburt verläuft nicht so leicht, wie bei 
der gutartigen Form; abnorme Lagen sind häufiger und die 
Wehen auffallend heftig. Durch ungeschickte Geburtshülfe ge¬ 
setzte Verletzungen der Geschlechtstheile geben weiteren Anlass 
zu Complicationen. 

Bei der gutartigen Form folgen sich die Fälle von Abortus 
in einer infizierten Ortschaft alle ' 2 —3 Wochen, und die Aus¬ 
breitung von einem bestimmten Orte auf die Nachbarschaft kann 
sich über mehrere Monate ausdehnen. Die Incubationsdauer 
beträgt im Mittel 12 Tage. 

Die bösartige Form breitet sich rasch aus; die Fälle folgen 
sich in 3—5 Tagen und in einem Zeitraum von einigen Wochen 
können alle Stuten eines Dorfes oder eines Viertels verwerfen. 
Im Mittel beläuft sich die Incubationsdauer auf 4 Tage. 

Ausser den bereits erwähnten Complicationen, Retentio 
placentarum nnd Metritis, zu welch letzterer sich öfters noch 
eine infectiöse Arthritis des Tarsal- oder des Kniegelenks gesellt, 
beobachtete Verf., dass im Anschluss an den Abortus sich 
ziemlich häufig Sehnen- und Sehnenscheidenentzündungen ein¬ 
stellen, sowie ferner, dass auch Rehe, Hämoglobinurie, Phlebitis 
der V. saphena und Euterentzündung mit Abscessbildnng als 
Nachkrankheiten auftreten können. 

Während bei dem sporadischen Verwerfen die Erblichkeit, 
die Rasse, die Qualität des Futters, die Ueberanstrengung, die 
Jahreszeit und besonders Traumen in ätiologischer Hinsicht eine 
grosse Rolle spielen, ist das seuchenartige Verwerfen 
dagegen ausschliesslich contagiöser Natur. Verf. sah 
den Abortus vielfach in den Ställen solcher Besitzer auftreten, 
die bei einer abortirenden Stute Geburtshülfe geleistet hatten. 

Der Ansteckungsstoff ist sicher ein parasitärer Micro- 
organismus, der sich in allen Fällen im ausgestossenen Fötus 
und im Vaginalschleim, der dem Verwerfen folgt, befindet. Der 
für seine Entwicklung günstigste Boden ist die trächtige Gebär¬ 
mutter; denn nicht trächtige Stuten, Hengste und Wallachen, 
welche mit den Kranken in Berührung kamen, zeigen keine 
Störungen, welche als Ausdruck einer dem Verwerfen ent¬ 
sprechenden Infection gelten könnten. 

Das Contagium dringt in erster Linie durch die Scheide 
ein, jedoch lässt sich ein Eindringen durch die Athmungs- und 
besonders die Verdauungswege nicht ohne Weiteres bestreiten. 


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1. Januar 1903. 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


7 


Die Verschleppung des Ansteckungsstoffes, der ein durchaus 
fixer zu sein scheint, erfolgt sowohl durch Personen, die mit 
verwerfenden Stuten in Berührung kamen oder auch nur Ställe 
betraten, in denen kranke Thiere sich auf hielten, als auch durch 
directe Berührung gesunder Pferde mit erkrankten. Auch 
Decken, Geschirrstücke etc., die bei kranken Pferden benutzt 
wurden, können die Uebertragung des Contagiums vermitteln. 

Die schlechten Stalleinrichtungen und die unsaubere Hal¬ 
tung der Tbiere im Wirkungskreise des Verfassers brachten es 
mit sich, dass, wenn in einem Stalle ein Fall von Verwerfen 
sich einstellte, alle benachbarten Stuten abortirten. Einen 
weiteren Ansteckungsberd sieht er in dem Morast, der in seiner 
Gegend die zum Tränken der Thiere bestimmten Wasserbehälter 
umgiebt, und durch den in manchen Orten alle Stuten waten J 
müssen. 

Bemerkenswerth scheint die Beobachtung, dass Stuten, die 
im Jahre 1897 von der Krankheit schwer befallen waren, ver¬ 
schont blieben, als dieselbe 1901 in derselben Ortschaft von 
Neuem auftrat. 

Dass die Hengste bei der Aetiologie des Verwerfens eine 
Rolle spielen, wurde nicht beobachtet. 

Die Behandlung besteht in erster Linie in prophy- 
lactischen Maassnahmen, zu denen Belehrung der Züchter, 
Vermeidung verseuchter Stallungen, gründliche Desinfection der¬ 
selben bei Fällen von infectiösem, wie sporadischem Abortus 
gehören. Auch eine sorgfältige und wiederholte Desinfection 
der Scheide bei noch gesunden Stuten (lpCt. Lysollösung) hat 
sich als zweckdienlich erwiesen. 

Nach eingetretener Fehlgeburt sind Einspritzungen in 
Scheide und Uterus unerlässlich zur Anregung der Contraction 
der Organe und Zerstörung der Krankheitskeime. 

Etwaige Complicationen erfordern eine besondere Be¬ 
handlung. Francke. 

Die Enteroclyse in der Thierheilknnde. 

Von Oberthierarzt J. Kofler-Innsbruck. 

(Wochenschrift f. Thierhellkd. n. Vieh/. 190;’, N’o. 8*5.) 

Nach einer allgemeinen Besprechung der Zweckmässigkeit 
der Infusionen in den Mastdarm und ihrer Indication theilt der 
Verfasser Versuche mit, die zu günstigen Resultaten geführt 
haben. Dieselben bewegen sich in dreierlei Richtung: 1. Zur 
Bekämpfung des Fiebers durch Herabsetzung der Temperatur 
2. zur Behandlung entzündlicher, peripher vom Darm gelegener 
Organerkrankungen, 3. als desinficirendes Mittel bei Infections- 
krankheiten. 

1. Fieberbehandlung. 

Bei der Fieberbehandlung hat sich die kalte Enteroclyse 
vorzüglich bewährt. Die Körpertemperatur wurde um 6—8 Zehntel 
Grade herabgesetzt. Der Abfall der Temperatur dauerte 
3—4 Stunden. Die Temperatur des eingeführten Wassers be¬ 
trug 10—11° C. Die Flüssigkeit wurde von Hunden nach 
10—30 Minuten entleert. Die Temperatur der entleerten 
Flüssigkeit betrug 35—37° C. 

2. Behandlung entzündlicher, peripher gelegener Organ¬ 
erkrankungen. 

Besonders wirksam erweist sich hier die Enteroclyse bei 
acuter Nephritis der Pferde und Hunde. Die Flüssigkeit ist zu 
erwärmen, um eine längere Berührung derselben mit dem Darme 
zu ermöglichen und möglichst tief zu infundiren; auch können 


Diuretica, von denen die kohlensauren Alkalien den Vorzug 
verdienen, zugesetzt werden. 

Eine überraschende und für die Therapie dieser Er¬ 
krankungen überaus wichtige Wirkung der Darminfusion erhielt 
Verfasser bei Erregungszuständen des Gehirns und Rücken¬ 
markes. Am häufigsten kommen solche Zustände bei Staupe 
der Hunde zu Gesicht. Die Behandlung der clonischen Muskel¬ 
krämpfe nach Staupe ist eine sehr fatale. Verfasser giebt hier 
Sulfonal in 25—100 g Wasser. Die Menge des verabreichten 
Sulfonales beträgt 1,0—2,0. Die Application ist event. zu 
wiederholen. Der Erfolg war stets ein ausgezeichneter. Die 
Zuckungen verschwanden dauernd. 

3. Darmdesinfection bei Infectionskrankheiten. 

Sehr gute Dienste leistete die Enteroclyse bei der Be¬ 
handlung der sogenannten „Stuttgarter Hnndeseuche“. Zur An¬ 
wendung gelangten: Argent. nitr., Tannin und Creolin, welch’ 
letzteres in einigen Fällen mit blutigen Defäcationen sehr rasch 
Heilung bewirkte. 

Notizen über die Operation von 76 Klopfhengsten. 

Von Kredo Hobday M. R. (’. V. S. 

Vet. Kecord 1902 No. 747. 

Von den operirten Pferden gingen nur vier ein. In 3G 
Fällen waren der rechte, in 29 der linke und in 11 Fällen 
beide Testikel nicht hervorgetreten. 39 mal sass das Organ in 
der Bauchhöhle, 43 mal im Leistenkanal. In zwei Fällen fehlte 
der Hode, in zwei andren wurde derselbe nicht gefunden. 

In der Regel waren die verborgenen Hoden kleiner als 
normal und schlaff von Consistenz. 

Die blosse Entfernung des Nebenhodens, was eintreten 
kann, wenn dieser im Leistenkanal und der Hode in der Bauch¬ 
höhle liegen, hat keine Besserung des fehlerhaften Temperaments 
zur Folge. 

In einem zurückgebliebenen Hoden können zwar häufig 
Spermatozoen nachgewiesen werden, doch sind dieselben wie die 
Erfahrung lehrt, nicht befruchtungsfähig. Dagegen liefert der 
andere im Hodensack befindliche Testikel normale Sperma¬ 
tozoen, sodass einem Klopfhengst die Zeugungsfähigkeit ge¬ 
wöhnlich nicht mangelt. 

Es besteht nun unter Landwirthen und Züchtern die An¬ 
nahme, dass Klopfhengste die mangelhafte Beschaffenheit ihres 
Zeugangsapparates vererben können. Es ist dies nicht ohne 
weiteres in Abrede zu stellen; giebt es doch andrerseits Stuten, 
die für die Erzeugung von Kryptorchiden eine gewisse Prä¬ 
disposition zu besitzen scheinen, eine Erscheinung, die durch 
Rückschlag auf einen der männlichen Vorfahren ihre Erklärung 
finden würde. Peter. 

Toxicologische Notizen. 

Von 

W. Graham=GiIIam, M. lt. C. V. S., Minehaed. 

Journal of Comp, l’ath. and Thorap. Vol. XV. Theil 3. 

Conium maculatum. 

Ein Esel verzehrte wegen Mangel an anderem Futter eine 
grosse Menge Schierling. Vier Stunden nachher w'urde er von 
krampfartigen Schmerzen befallen; die Augen nahmen einen 
stieren Ausdruck an, die Pupillen erweiterten sich; der Kopf 
wurde gesenkt gehalten; die Fortbewegung war behindert. Der 
Esel fiel nieder und starb ohne Todeskarapf. Eine Obduction 
fand nicht statt. 


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BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 1. 


Oenanthe crucata. 

Yerf. warde zur Behandlung von plötzlich erkrankten 
südafrikanischen Schafen gerufen und fand bei seiner Ankunft 
zwei Stück verendet, während zwei Stück Erscheinungen zeigten, 
welche bei der Schierlingsvergiftung Vorkommen. 

Der Wanst der Cadaver enthielt eine Quantität grüner, 
flüssiger Ingesta, der Labmagen war mit einem Gemisch 
schaumiger und grünlich-brauner Flüssigkeit angefüllt. Schleim¬ 
haut desselben fleckweise geröthet, ebenso diejenige am Anfangs- 
theil des Duodemun und Colon. 

Die Schafe waren im Obstgarten gehütet worden, in dem 
sie die Anfangs genannte Giftpflanze aufgenommen hatten. 

Solanum dulcamara. 

Zwei Schafe, welche aus ihrer Umzäunung ausgebrochen 
waren, sättigten sich mit Nachtschatten, den sie auf ihrem 
Wege fanden. Eines derselben ging in Folge der giftigen 
Wirkung der Pflanze ein. Das überlebende Schaf zeigte 
folgende Symptome: Kleiner intermittirender Puls, Athmung 
beschleunigt, Temperatur 104° F., Pupille erweitert, Gang 
schwankend, Excremente flüssig und grün gefärbt. 

Bei dem todten Schaf hatte das Blut eine theerartige 
Beschaffenheit; die Herzventrikel waren contrahirt. Der Wanst 
enthielt eine Quantität grüner Ingesta, in welchen halbverdaute 
Blätter und Blüthen des Nachtschattens unterschieden werden 
konnten. 

Strychnin. 

Vergiftungen mit Strychnin ereignen sich bekanntlich bei 
Thieren nicht selten, da dieses Gift zum Tödten von Füchsen, 
Katzen etc. fast allgemein verwendet wird. Die klinischen Er¬ 
scheinungen dieser Vergiftung sind characteristisch und genügend 
bekannt. Verf. empfiehlt nur den chemischen Nachweis des 
Giftes, der sich mit Hilfe des Kaliumbichromates ziemlich 
einfach gestalte, immer selbst vorzunehmen. Zunächst sei der 
Magen nebst Inhalt einige Stunden im Wasser zu maceriren, 
dem eine kleine Quantität Salzsäure zugesetzt werden müsse. 
Alsdann sei die Flüssigkeit abzufiltriren und bis auf ein geringes 
Volumen einzudampfen, um mit dieser concentrirten Lösung die 
weitere Untersuchung lege artis vornehmen zu können. 

Peter. 

Behandlung eines actinomycotischen Tumors. 

Von Dr. A. Farmagalli. 

(Clin. veL 1908, No. 39.) 

Ein sieben Jahre alter Ochse war am Unterkiefer mit einer 
grossen, actinomycotischen Geschwulst behaftet. F. verordnete 
dem Ochsen innerlich täglich 10 g Kal. jodat. und änsserlich 
Einreibungen mit Jod-Jodkalinmsalbe. Nach kurzer Zeit entstand 
Ulceration mit starker Eiterabsonderung. Im Eiter wurden die 
schwefelgelben Actinomyceskörnchen gefunden, die bei micro- 
scopischer Betrachtung die bekannten Rosetten- und Keulen¬ 
formen des Parasiten erkennen liessen. Das entstandene fistulöse 
Geschwür wnrde nun täglich zunächst mit antiseptischen 
Lösungen gewaschen, dann gut trocken getupft und mit einem 
Gumraiballon 15 procent. Jodkaliumlösung in dasselbe eingespritzt. 
Schliesslich wurde der Kanal mit Watte ausgestopft, die in die 
gleiche Lösung getaucht war. Die Eiterabsonderung verminderte 
sich nach einigen Wochen, gleichzeitig nahm der Tumor ab. 
Wenn auch nicht die vollständige Heilung eintrat, so wurde 
doch iu einer veihältnissmässig kurzen Zeit eine bedeutende 


Besserung erzeugt. Der Ochse wurde lebhafter und nahm an 
Gewicht zu. Die innere Verabreichung des Jodkaliums fand 
nun nicht weiter statt, und nach kurzer Pause wurde mit einer 
Arsenickur begonnen, welche in Verbindung mit reichlicher 
Fütterung den Nährzustand des Ochsen vortrefflich förderte. 
Der Fall bildet eine neue Bestätigung der specifischen Wirkung 
des Jodkaliums auf Actinomycose. Peter. 

Fütterungseinflüsse auf eine Fohlenstute. 

Von J. Huntemann-Wildeehausen. 

(I). Land«-. Pres»«' 1902, No. 69) 

Vor zwei Jahren verkaufte der Besitzer eines mittelgrossen 
Bauernhofes im südlichen Oldenburg eine Prämienstute im Alter 
von 12 Jahren. Das Thier hatte bis dahin eine Reihe sehr 
guter Fohlen zur Welt gebracht, die ausnahmslos ein brillantes 
Fundament hatten. Die Fohlen gediehen bei den guten Weide¬ 
verhältnissen gut und wurden theils Prämienpferde theils zu 
hohen Preisen nach Auswärts als Kutschpferde verkauft. Die 
Mutterstute hatte stets reichlich Milch gehabt, und die Fohlen 
konnten dieselbe kaum verbrauchen. 

Nach dem Besitzwechsel gestaltete sich die Sache ganz 
anders. Die Stute wurde reichlich so gut mit Kraftfutter er¬ 
nährt, war auch in ebenso gutem Nährznstande, wenn nicht noch 
besser als früher. Trotzdem brachte sie nur ein recht geringes 
Fohlen zur Welt mit einem sehr schwachen Knochengerüst; 
auch hatte die Stute so wenig Milch, dass das Füllen nahezu 
verhungert wäre, wenn nicht künstliche Beifütterung gegeben 
worden wäre. Die Folgen blieben nicht aus. Das einjährige 
Thier ist auch heute nur mässig im Knochengerüst entwickelt. 

Verfasser stellte gelegentlich eines Besuches fest, dass die 
Ursache nur in der Verabreichung von kalkarmem Futter 
zu suchen war. 

Er rieth daher dem Besitzer der Zuchtstute, die bereits 
wieder aufgenommen hatte, in den letzten sechs Monaten der 
Trächtigkeit Kalk zu verabreichen. Der Erfolg ist nicht aus¬ 
geblieben. Diesmal hat die Stute ein sehr starkknochiges Hengst¬ 
fohlen geworfen und so reichliche Milchabsonderung gezeigt wie 
in den früheren Jahren. Die weitere Folge ist die, dass sich der 
Besitzer entschlossen hat, seine Weiden zu kalken. Zur Ver¬ 
abreichung gelangte basisch-phosphorsaurer Kalk. 

Nevermann. 

Wochenübersicht über die medicinische Litteratur. 

Von Dr. Jets-Charlottenburg, 

Krelithlerarxt. 

Deutsche medicinische Wochenschrift No. 51, 1902. 

Ueber ein für menschliche Placenta speclflsches Serum; von 
Dr. Liepmann. Kaninchen wurden sterile Placentar- 
anfschwemmungen in die Bauchhöhle injicirt. Das Serum dieser 
so vorbehandelten Kaninchen wurde durch Zusatz von Placentar- 
zotten getrübt, während normales Kaninchenserum klar bleibt. 
Falls diese biologische Methode des Nachweises von Placentar- 
elementen im Blutkreislauf weiteren Nachprüfungen Stand hält, 
wäre eine Serumdiagnose der Gravidität zu erhoffen. 

Weitere Beiträge zur Lehre von den Syphilisbacillen von 
Dr. Joseph und Dr. Piorkowski. Unvollendet. 

0xyuri8 vermiculari8 als Ursache acuter Appendicitis von 
Dr. Ramnistedt. Wird auf das Original verwiesen. 

Deutsche medicinische Wochenschrift No. 52, 1902. 

Ueber den Einfluss von Temperatur und Jahreszeit auf den 
Ausbruch des acuten primären Glaukomanfallet; von Steidorff 


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1. Januar 1903. 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


9 


Verf. betont, dass Menschen mit Glankomprodromen im Winter 
vor plötzlicher starker Abkühlung anf der Hnt sein müssen. 

Eine neue Operation znr Heilung der Ectopia testis congenita; 
von Katzenstein. Wird auf das Original verwiesen. 

Weitere Beiträge zur Lehre von den Syphilisbacllien ; von 
Joseph und Piorkowski. Nach einer tabellarischen Zu¬ 
sammenstellung der bisher als mit der Lues in einem ursächlichen 
Zusammenhang gestellten Microorganismen, vervollständigen die 
genannten Autoren an der Hand von Microphotogrammen der 
Bacillen im frischen syphilitischen Sperma und in syphilitischen 
Lymphdrüsen, die bisher von ihnen in ihren Arbeiten gemachten 
Angaben. 

Münchener mediciniache Wochenschrift 50/02. 

Operation ohne directe Berührung der Wunde vonKoenig. Vor¬ 
trag in der Berliner medicänischen Gesellschaft am 10. De- 
cember 1902.) K. berührt bei seinen Operationen thunlichst 
die Wunde garnicht und führt die Operationen rein instrumentell 
aus. K. empfiehlt dieses Verfahren besonders dem Practiker. 

Ueber die Wirkung des Borax und der Borsäure von 0. Lieb¬ 
reich. Neue Versuche sollen gezeigt haben, dass Borsäure in 
mässigen Grenzen genossen, unschädlich ist. Gegen die von L. 
gegen das Gutachten des Reichsgesundheitsamts (Rost) er¬ 
hobenen Vorwürfe, erhebt Herr von Bergmann Widerspruch. 


Tagesgeschichte. 

An die deutschen Veterinärstudenten. 

Fragment aus einer Rede, 

gehalten bei dem Festcommers zur Einführung der Universitätsreife 
in Berlin am 11. December 1902. 

Von 

Professor Dr. Schmaltz. 

Am Ende der Regierung Kaiser Wilhelms des Grossen 
wurden die Thierarzneischulen, erst die preussischen, dann die 
übrigen, Hochschulen. Eine zufällige Gelegenheit war mit fester 
Hand ergriffen worden und hatte zum Erfolge geführt. 

Wohl gab es auch damals Nörgler, die uns die Freude an 
jenem Fortschritt verderben wollten und sagten: Was soll die 
Hochschule ohne die Universitätsreife? Diese hätte zuerst 
kommen müssen. 

Commilitonen! Hüten Sie sich vor diesem, in unserm dicken 
Germanenblut liegenden, Hang zum Mäkeln und Grübeln, zum 
Träumen und ewigen Bedenken, vor jener Gewohnheit, welche 
schliesslich den Wald vor Bäumen nicht sieht, welche sich mit 
himmelhohen Mauern von allerlei Lehrsätzen umgiebt, die das 
Auge hindern, ins Weite zu blicken und die Welt zu verstehen, 
wie sie ist, von Lehrsätzen, die sich als unvereinbar mit dem 
practischen Leben und so oft als willkürlich, gekünstelt und 
hohl erweisen. 

Unsere Zeit mag sein wie sie will, aber das muss man ihr 
lassen: sie fordert und macht thätige Männer; sie verlangt, dass 
man die Augen aufmacht und zupackt mit raschem und festem 
Griff, wenn die rechte Gelegenheit sich bietet. 

Nehmen Sie sich ein Beispiel an Sr. Majestät, diesem wahr¬ 
haften Lehrmeister seines Volkes. Er zeigt uns, wie man den 
Anforderungen der neuen Zeit gerecht wird, er, der es versteht, 
alte stolze Tradition zu wahren und dennoch unbedenklich die 
Aufgabe des Herrschers durch und durch modern aufzufassen 
und durchzuführen. — 


Hätte man vor 15 Jahren die Zeit mit Grübeln verloren, 
ob es richtiger sei, erst das Abiturientenexamen oder die Hoch¬ 
schule einzuführen, so hätten wir heute noch keines von 
beiden. 

Die Hochschule, die allein uns nicht genügen konnte, 
hat uns den Weg zur Universitätsreife — gebahnt, kann 
man nicht sagen, aber geöffnet. Rauh blieb freilich noch 
der Pfad und steil, den wir schreiten mussten bis heute. 
Schwierigkeiten thürmten sich, Sorgen lasteten schwer und 
bis zuletzt schwankte das Zünglein der Waage; noch im vorigen 
Jahre schien es, als ob alles umsonst gewesen sein sollte, als 
ob Verzweiflung uns das Herz griffe. 

Und doch haben wir gesiegt. Eine stolze Siegesfeier 
begehen wir, aber ein Friedensfest sei sie zugleich. Wir 
wollen nicht mehr fragen: Wer war gegen uns? Wir wollen 
die Hände regen und emsig schaffen und jedem treuer Bundes¬ 
genosse sein, der fortab auf der Basis der Gleichberechtigung 
mit uns Zusammenarbeiten will. 

Nicht reuen soll uns Kampf und Noth, die wir ausgestanden. 
Noth macht die Männer tüchtig zur That und der Kampf ist 
der beste Lehrer männlicher Tugend. 

Was können Sie, Commilitonen, nicht alles aus diesem 
Kampfe lernen. 

Zum ersten, dass man nicht verzagen soll trotz aller 
Schwierigkeiten. 

Und warum haben wir dieselben überwunden? 

Weil das, was wir wollten, innerlich begründet 
war, weil wir einig waren und weil wir kämpften nicht 
für gemeinen Vortheil, sondern für ein ideales Gut. 

Commilitonen, denken Sie Ihr ganzes Leben lang an diese 
Gründe des Sieges, an diese Quelle wahrer innerer Erfolge. 

Lassen Sie sich nicht durch Schlagworte blenden. Prüfen 
Sie erst ehrlich und klug das, wofür Sie eintreten sollen. Ist 
es aber innerlich begründet, dann fechten Sie gutes Muths, 
denn die Wahrheit siegt schliesslich doch. 

Aber die Vorfrucht des Erfolges muss die Einigkeit sein. 
Wo Sonderzwecke verfolgt werden, wo schnöde Eifersucht 
und kleinliche Nebengedanken sich wie ein Nebel vor die Sonne 
der Wahrheit legen, da ist kein Gedeihen. Blicken Sie in das 
Buch der Geschichte. Wie oft ist der Sieg der gerechten 
Sache lange, lange aufgehalten worden, und wieviel Hohes und 
Edles ist darüber zu Grunde gegangen durch Uneinigkeit, 
propter invidiam. Denken Sie auch hier an das mahnende 
Wort unseres Kaisers; mit diesem Wort kennzeichnete er die 
Schlange, die unser Leben, das öffentliche und das einzelne, 
vergiftet — die invidia. Werden Sie, bleiben Sie einig, den 
Gemeinsinn wahrend und kleinliche Eifersucht zurückdrängend; 
kein Opfer an sich selbst ist zu schwer für dieses Ziel. 

Und wahren Sie sich den idealen Zug, der Gott sei Dank 
auch ein Erbe ist des Germanenbluts, und der bis heute vor 
allem den deutschen Studenten, die deutsche Intelligenz aus¬ 
gezeichnet hat vor der ganzen Welt. Den nehmen Sie mit 
hinaus ins Leben und lassen Sie sich ihn vom Leben nicht 
rauben. Und was sie auch draussen erfahren und selbst leiden 
mögen: das Ringen um den Vortheil bleibt Tagelöhner¬ 
werk, der Kampf für ideale Güter ist Heldenarbeit. 

Wenn wir auf unseren Kampf zurückblicken, so ist derselbe 
gewiss geführt worden um ein ideales, ein geistiges Gut. Und 
zweifelsohne selbstlos waren wir auch, die wir alle einig zu- 


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10 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No 1 


sammengestanden haben. Denn, Commilitonen, die Generation, 
welche diese Arbeit geleistet hat, die wird von den Vortheilen, 
die dieser Fortschritt zeitigt, kaum mehr viel sehen, nichts 
davon haben. Doch halt! Ist das wohl recht gesagt? Nichts 
davon haben? Ist es nicht genug, das Bewusstsein, seine 
Schuldigkeit gethan zu haben und das nicht umsonst; das Be¬ 
wusstsein: wir haben das Feld unserer Thätigkeit gut bebaut 
und überlassen es den Nachkommen meliorirt. Gewiss ist das 
genug für uns. 

Und Sie, junge Commilitonen, die Sie sich heute des von 
Andern erfochtenen Sieges freuen? Gewiss, Sie werden den 
Fortschritt spüren in inneren und äusseren Vorth eilen, die 
sich heute noch nicht ermessen lassen. 

Aber dieser Fortschritt hat für Sie auch seine sehr 
ernste Seite. Nicht besser kann ich Sie darauf hinweisen, 
als mit den Worten, die neulich der Präsident des Deutschen 
Veterinärratlies den Münchener Studenten zurief: Der Sieg ist 
Ihnen in den Schooss gefallen, denken Sie an das Dichterwort 
„Was Du ererbt von Deinen Vätern hast — Erwirb es, um es 
zu besitzen.“ 

Gerade Ihnen werden durch jenen Fortschritt grosse Ver¬ 
pflichtungen auferlegt. Die heutigen Studenten, wie die junge 
Generation der Thierärzte, beide müssen sich die Frage vor¬ 
legen: Werden wir zurückstehen hinter denen, die kommen 
sollen ? 

Commilitonen! Nehmen Sie diese Frage nicht leicht; 
treten Sie nicht mit Uebermuth derselben entgegen; schliessen 
Sie nicht die Augen vor ihr; sehen Sie ihr in’s Gesicht. 

Die Universitätsreife macht überlegen, das ist 
gewiss. Oder hätten wir denn für ein Nichts, für eine blosse 
Form gekämpft, als wir sie haben wollten als Vorbedingung für 
das thierärztliche Studium? Nein, wahrlich nicht. Machen Sie 
sich das ruhig und objectiv klar, aber nicht, um dann ergeben 
zurückzutreten, sondern um Ihre frischen Kräfte zu 
spannen znm Wettkampf. Dann wird sich’s zeigen, dass 
schliesslich trotz allem nicht die Schulweisheit, sondern die 
innere Tüchtigkeit entscheidet. Und auch die künftigen Jünger 
der Thiermedicin haben keinen Grund zum Uebermuth. Sollten 
Sie mit solchem herantreten an unser Studium, sie werden, so¬ 
fern sie verständig sind, sehr bald anderen Sinnes werden; ich 
spreche da aus eigenster Erfahrung. 

Wenn Urnen aber die Neuen durch die zwei Jahre 

Primanerzeit zum Theil überlegen sind, so haben auch Sie 
andererseits vor jenen etwas voraus. 

Gewiss ist Ihnen der Sieg in den Schooss gefallen, aber 
Sie haben den Kampf noch erlebt. Im Fühlen und Denken 

haben Sie noch mitgerungen. Es geht Ihnen, wie denen, die 
1870 noch als Jungen zu Hause bleiben mussten. Nie habe 
ich die Eindrücke vergessen, die ich als Zehnjähriger in jenem 
grossen Jahre empfangen habe; sie sind bestimmend für meine 
ganze Gesinnung geblieben. Grosse Ereignisse auch nur von 
Ferne zu sehen, die Morgenröthe einer neuen, befreienden 

Zeit zu erleben, das giebt gerade den jungen Seelen einen 
Zug zur Höhe. 

Ich denke, auch Sie werden zur Höhe streben. Weil Sie das 
Frühere noch kennen, wissen Sie das Gewonnene zu schätzen; 
wenn Sie dies richtig würdigen, wenn Sie die Lehren des 

nun beendeten Kampfes beherzigen, dann sind Sie jenen, die 
kommen werden, überlegen. Sie wissen noch, wie schwer der 


thierärztliche Stand hat ringen müssen, und deswegen werden 
Sie ihn am meisten lieben. Sie werden die Treuesten sein unter 
den Thierärzten der Zukunft. Sie werden mit Ehren im Ueber- 
gang von der alten zur neuen Zeit Ihren Mann stehen. 

Deshalb sehe ich in die Zukunft mit freudigster Hoffnung. 
Aus klippenreicher Enge wird unser Schiff stolz und sicher ins 
freie Meer gleiten. Der jungen Mannschaft, die den ersten 
Dienst darauf thut, Ihnen, Commilitonen, Glückauf zur Fahrt! 
Und nehmen Sie mit hinaus einen Spruch, den ich kürzlich den 
Commilitonen in München zugerufen habe: 

Treu schlag’ das Herz für unsern Stand 
Und bis zum Tod fürs Vaterland; 

Der Kopf gehör’ der Wissenschaft, 

Doch in der Faust leb’ nerv’ge Kraft; 

Die Augen hell und blank die Ehr’ — 

So sei der deutsche Veterinär. 

Die Wiener Hochschale. 

Die alte Wiener Thierarzneischnle ist in ihrer langen 
Geschichte vom Glück nicht begünstigt gewesen. Alle unsere 
Anstalten fast haben eine Periode traurigen Vegetirens gehabt, 
bis dann der rechte Mann kam, welcher die dauernde Grundlage 
für gedeihliche stetige Entwicklung schuf. In Wien ist immer 
experimentirt und geändert worden, ohne dass jemals ein 
geschlossenes Ganzes herausgekommen ist; organisatorische 
Wunderlichkeiten und namentlich crasse Gegensätze sind bis 
heutigen Tags erhalten geblieben. Auch die letzte Reform 
trägt diesen Character: Nicht bloss Halbes, sondern Unverein¬ 
bares; Abiturienten und Volksschüler*) auf denselben Bänken; 
„thierärztliche Hochschule und k. k. Militär-Thierarznei-Institut“ 
— schon der Name ein Unding. 

Die erste Folge war, dass zu wenig Abiturienten kamen. 
Die zweite Folge ist, dass dieselben es in dem Institut nicht 
aushalten. Die Studenten dürfen sich ausserhalb der Hochschule 
nur zu geselligen Zwecken versammeln; in der Hochschule 
wurde ihnen ein Versammlungsraum nicht gewährt. Damit war 
den Studenten jede Möglichkeit abgeschnitten, Beschwerden 
über die anscheinend thatsächlich unhaltbaren Zustände in 
loyaler Weise zu berathen und vorzubringen. 

Da haben denn die Studenten, 62 an der Zahl, zu einem 
„zeitgemässen“ Mittel gegriffen — zum Strike. Sie haben den 
ferneren Besuch der Vorlesungen verweigert, sie haben, nunmehr 
aller Verbote spottend, eine Versammlung abgehalten, in welcher 
Abordnungen anderer Hochschulen, in welcher Abgeordnete er¬ 
schienen sind. Mit ihrem Herzen sind natürlich sämmtliche 
Thierärzte, Beamte oder nicht, dabei. Die Sache kommt mit 
Scandal an die grosse Glocke; sie wird politisch. Nunmehr 
gehen Beschwerden an den Ministerpräsidenten. Nunmehr wird 
endlich officiell und officiös von den bestehenden Verhältnissen 
Notiz genommen. Der Rector ermahnt, zur Ruhe und zu den 
Vorlesungen zurückzukehren, giebt aber zugleich die Zusicherung, 
dass der Herr Unterrichtsminister die Beschwerden der Studenten 
prüfen werde. Der Unterrichtsminister hat dann thatsächlich 
eineAbordnung empfangen und seine Verwunderung ausgesprochen, 
warum sich die Studenten nicht gleich an ihn gewandt hätten. 

*) Die Militär-Kurschmiede-Eleven, welche an Zahl überwiegen 
und factisch iin Unterricht, wie später im Beruf Rechte gemessen, 
die sich eigentlich mehr formell als materiell von denen voll¬ 
gebildeter Thierärzte unterscheiden. 


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1. Januar 1908. 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


11 


Er sagte, unter der Bedingung, dass der Vorlesungsbesuch wieder 
aufgenommen sei, würde er die Wünsche prüfen; die Verhältnisse 
schienen in der Tbat verbesserungsbedürftig; einiges könne 
eventuell im Verordnungswege durchgeführt werden. Im Uebrigen 
würden aber Verhandlungen mit dem Reichskriegsministerium 
nothwendig werden. 

Die Studenten haben daraufhin den Besuch der Vorlesungen 
wieder aufgenommen. — 

Das Kurschmiede-System der österreichisch - ungarischen 
Armee ist hinreichend bekannt und bedarf hier keiner Er¬ 
läuterung. Von den drei thierärztlichen Bildungsanstalten hat 
Lemberg nur Civilstudirende. Auch in Budapest wird die 
Hochschule zugleich von Militär-Eleven niedererer Bildung besucht. 
Aber sie untersteht dem Ackerbauministerinm; die Professoren 
haben eine ganz andere Stellung und von einem Dominiren der 
Interessen des Kurschmiedethums ist nicht die Rede. 

Die Wiener Anstalt unterscheidet sich von denen der 
ganzen Welt dadurch, dass sie nicht allein dem Kriegs¬ 
ministerium unterstellt ist, sondern dass ihr Direktor ein 
Stabsoffizier ist, dass Rektor und Professoren Beamte des Kriegs¬ 
ministeriums sind, die augenscheinlich nicht genügende Autorität 
besitzen oder deren Wünsche keine Beachtung finden. Das 
Unterrichtsministerium scheint nur ein nominelles Condomininm 
zu haben. Anf Einzelheiten soll hier nicht eingegangen werden. 

Der Studentenstrike ist unzweifelhaft unsympathisch und 
höchst bedauerlich; nicht bloss weil er ungesetzlich ist, sondern 
weil man das Gefühl hat, dass Studenten damit aus ihrer Sphäre 
herabgedrückt werden in die des Arbeiters. 

Aber auch der, welcher diesen Schritt verurtheilt, wird die 
Verantwortung dafür nicht den Studenten zuschieben. Man hat 
das Gefühl, dass ihnen andere Wege zu Unrecht abgeschnitten, 
dass ihre berechtigten Klagen missachtet und dass sie zur Ver¬ 
zweiflung getrieben worden sind. Diesem Gefühl hat auch der 
Herr Unterrichtsminister sehr deutlich Ausdruck gegeben durch 
die Frage, warum sich die Studenten nicht gleich an ihn ge¬ 
wendet hätten. Ja, wie hätten sie das denn machen sollen, 
wenn sie sich weder draussen noch drinnen besprechen dürfen? 

Und will man nun die Studenten tadeln, so werden sie 
sagen: Wir wollen den Tadel gern tragen, denn wir haben da¬ 
für den Erfolg, dass die öffentliche Meinung, dass der Unterrichts¬ 
minister in Person endlich Kenntniss von unserer Lage erhalten 
haben. In der That wird niemand den Eindruck haben, dass 
etwa die Studenten die Unterliegenden gewesen seien, wenn sie 
auch verständiger Weise die Vorlesungen wieder besuchen. 

Gerade in dem Umstande, dass die Studenten durch ein 
illegales und unschönes Mittel einen moralischen Erfolg er¬ 
rungen haben, den sie ohne Auflehnung nicht durchzusetzen ver¬ 
mocht hatten, gerade darin liegt zugleich eine herbe Verurtheilung 
für diejenigen, welche es dahin gebracht haben oder dahin haben 
kommen lassen. Sie sind schuld, wenn die Disciplin gelitten 
hat und eine gewisse Neigung zur Widerspenstigkeit Platz greift. 

Welche Instanz hier allein oder in erster Linie verantwortlich 
ist, kann der Fremde nicht beurtheilen; es kommt auch nicht 
darauf an. Uebrigens hat Niemand Grund zu besonderem Stolz; 
Jeder sehe zu, dass ihn nicht auch einmal eine solche Verantwortung 
treffe, denn eine gewisse Neigung, Beschwerden ohne Prüfung 
en bagatelle zu behandeln oder als Querelen zu stigmatisiren, 
besteht wohl überall. 

Jedenfalls steht jetzt für die öffentliche Meinung und wohl 


auch für die oberste Civilbehörde die Thatsache fest, dass es 
so nicht weiter geht. 

Das einfachste, wünschenswerteste und einzig radicale wäre 
natürlich Anfhebuug des alten thörichten Kurschmiede-Systems. 

Die österreichischen Civilthierärzte erstreben das vor Allem 
und mit Recht, denn eher wird kein rechtes Gedeihen sein. 
Bedauerlicher Weise kommt es dabei zu Conflicten mit Militär¬ 
thierärzten, die sich in ihrer Vergangenheit als Kurschmiede 
getroffen und verletzt fühlen. Demgegenüber veröffentlicht der 
Ausschuss des Vereins der Thierärzte in Oesterreich nach¬ 
stehende categorische Erklärung: 

„Wir Civil-Thierärzte perhorresciren das gegenwärtige 
System der Heranbildung der Militär-Thierärzte, erheben gegen 
die weitere Duldung dieses und des Kurschmiedewesens ent¬ 
schieden Protest und sprechen allen Militär-Thierärzten, welche 
die zur Abschaffung dieses Systems eingeschlagenen Wege nicht 
mitbetreten wollen, die Fähigkeit und das Wollen ab, unser 
Bestreben, dem thierärztlichen Stande die ihm gebührende 
Stellung zu verschaffen, zu unterstützen.“ 

Man kann dieser Erklärung nur rückhaltlos zustimmen. 
An die Militärthierärzte aber, welche aus den Kurschmieden 
hervorgegangen sind, kann man nur die dringende Bitte richten: 
Erheben Sie sich über an sich durchaus verständliche und 
entschuldbare persönliche Gefühle. Nicht besser können Sie ja 
zeigen, dass Sie wirklich Thierärzte geworden sind, als wenn 
Sie eben als Thierärzte fühlen und urtheilen und nicht vom 
Standpunkt des ehemaligen Kurschmiedes aus, der ja hinter 
Ihnen liegen soll. Wer es selbst schlecht gehabt hat, muss 
doch wünschen, dass die Nachkommenden es besser haben. Dasp 
der vollgebildete Militärthierarzt eine ganz andere Stellung 
hat, wie der Kurschmied, muss Jedem klar sein. Dass auch 
Kurschmiede von besonderer Befähigung tüchtige Thierärzte 
werden, bezweifelt Niemand. Auch in Deutschland hat 
es Thierärzte zweiter Classe gegeben, und es leben 
noch welche, die zu den geschicktesten und ehren- 
werthesten Mitgliedern des thierärztlichen Standes zählen. 
Aber diese haben, als jetzt das Abiturientenexamen gefordert 
wurde, nicht etwa empfindlich gefragt: haben wir etwa nichts 
getaugt? Sie haben vielmehr gesagt: wie schwer ist es 
uns geworden, wie hat es uns nachgehangen und wieviel mehr 
Chancen gewährt das Rüstzeug der Vollbildung. Sie haben 
sich durch dies Bekenntniss nichts vergeben. Wohl fallen viel¬ 
leicht von der anderen Seite auch Aeusserungen, die ungerecht, 
zu weitgehend oder mindestens überflüssig sind. Aber da sollten 
die betr. Militärthierärzte jetzt darüber hinwegsehen oder 
mindestens in ihrem Urtheil zur Sache sich nicht dadurch 
beeinflussen lassen. 

Ob sich nun aber die Abschaffung des Kurschmiedesystems 
in der österreichisch-ungarischen Armee überhaupt und ob sie 
sich so bald erreichen lassen wird, das ist sehr die Frage. Der 
Reichs-Kriegsminister ist gegangen. Das thierärztliche Central- 
blatt meint, sein Nachfolger müsse günstiger denken, denn das 
Gegentheil sei einfach unmöglich (!). 

Indessen wie dem auch sei, die Reorganisation der thier¬ 
ärztlichen Bildungsanstalt in Wien würde am besten damit gar 
nicht in Zusammenhang gebracht und sollte jedenfalls nicht 
darauf warten. 

Denn diese Reorganisation muss eintreten so oder so. Auch 
wenn die Kurschmiede abgeschafft würden und die Militär- 


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12 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 1. 


studirenden den Civilstndirenden in der Bildung ebenbürtig 
würden, könnte das heutige Verhältniss nicht bestehen bleiben. 

Eine Hochschule will nach besonderen Grundsätzen geleitet 
sein und kann nicht von einem Officier befehligt werden. Das 
ist auch nirgends der Fall. Die ganze Institution der Armee 
ist nicht darauf zugeschnitten, eine Hochschule hochschulmässig 
zu verwalten. 

Zwei Ministerien können ausserdem eine Hochschule über¬ 
haupt nicht regieren. Der Dualismus ist die Quelle des Uebels; 
Dualismus ist fast gleichbedeutend mit Duellismus. Ich glaube 
daher nicht, dass selbst eine Abschaffung der Eurschmiede die 
Verhältnisse der Bildungsanstalt gründlich bessern würde, wenn 
nicht die Verwaltung eine andere wird. 

Man schaffe eine wirkliche einheitliche thierärztliche 
Hochschule und unterstelle dieselbe in Wien dem Unterrichts¬ 
ministerium. Dann werden auch genügend Thierärzte ausge¬ 
bildet werden; denn obwohl das Zweiklassen System in Oester¬ 
reich natürlich in jedem Falle noch Jahrzehnte sich geltend machen 
wird, so ist doch die vortreffliche Reorganisation des Veterinär¬ 
beamtenthums durchaus geeignet, Abiturienten anzuziehen, und 
hat diese Wirkung selbst unter den jetzigen ungünstigen Um¬ 
ständen schon erkennen lassen. 

Vollgebildete Militärveterinäraspiranten können an dieser 
Hochschule hören; die Kaiser Wilhelm-Academie und auch 
die Militär-Rossarztschule zu Berlin zeigen ja, wie trotzdem 
hinsichtlich der Erziehung und Organisation die Armee sich ge¬ 
nügend freie Hand wahren kann, auch wenn sie an der Hoch¬ 
schule selbst kein Condominium hat. 

Wenn man aber die Kurschmiedebildung nicht aufgeben 
will und so lange man sie nicht aufgiebt, möge man für die 
Kurschmiede eine eigne Anstalt, ein Militär-Thierarznei-Institut, 
errichten, das ja den Zöglingen und dem Ziel entsprechend ein¬ 
fach gestaltet werden kann. 

Wenn man für sämmtliche in Wien garnisonirenden be¬ 
rittenen Truppen die nothwendigen Krankenställe auf einem 
Terrain zusammenbaut, so hat man Material genug für den 
Unterricht der Kurschmiede. Fügt man noch einige Unterrichts¬ 
räume hinzu, so sind die Einrichtungen für eine Mittelschule 
geschaffen — mehr braucht man doch nicht. Gegen eine theil- 
weise gemeinsame Verwendung der Lehrkräfte wäre ja nichts 
einzuwenden. Ich glaube, dass ein solcher Neubau leichter 
bezw. schneller, als die Abschaffung des Kurschmiedesystems, 
zu erreichen sein wird. Auch wenn diese Abschaffung später 
erfolgt, wäre übrigens der Bau als Pferde-Lazareth der 
gesammten berittenen Truppen ja sehr gut verwendbar, das 
Geld also keinesfalls verloren. 

Hoffen wir, dass der Wunsch der Thierärzte und Studenten 
in Erfüllung geht. Etwas Geduld im Warten wird freilich 
wohl dazu nöthig sein. Aber ein allgemeiner Exodus nach 
Lemberg würde die Erreichung des Zieles kaum beschleunigen. 
Und wenn auch Lemberg deutsche Vorlesungen verheisst, der 
alte Kaiserstaat braucht unter seinen thierärztlichen Hoch¬ 
schulen doch auch eine in seinen deutschen Landen. 

Schmaltz. 

Fachgenossen! 

Bei grossen Wendepunkten der Geschichte pflegen Völker, 
die diese durchleben durften, Merkzeichen für kommende Ge¬ 
schlechter zu errichten. Einzelne Menschen begründen, wenn 


ihnen das Glück hold ist, wohlthuende Stiftungen, um ihre 
Dankbarkeit an weniger beglückte Mitmenschen abzutragen. 
Wie das Leben der Völker, wie das Schicksal des Menschen 
stellt sich der Werdegang eines Standes dar. Wir Thierärzte 
der Gegenwart durften erleben, dass das Gebäude unseres 
Standes, an dem Generationen mit redlicher Mühe und heissem 
Schmerz gearbeitet haben, endlich gekrönt wurde: Das 
Abiturienten-Examen wurde uns bewilligt. Sollen wir nunmehr 
nicht auch einen Merkstein aufrichten als ein Zeichen unserer 
Dankbarkeit für die Fürsorge unserer Behörde, als eine 
Erinnerung für das kommende Geschlecht? 

Deshalb hatten die Unterzeichneten in No. 40 v. J. dieser 
Wochenschrift einen Aufruf zur Begründung einer Stipendien- 
Stiftung erlassen, die Abiturienten von Gymnasien und Real¬ 
gymnasien, an erster Stelle aus thierärztlichen und anderen 
akademischen Kreisen, zu Gute kommen sollte. 

Gegen die Begründung unseres Aufrufes sind mancherlei 
Gegengründe aufgetaucht, vielfach sind wir missverstanden 
worden. Wohl empfiehlt es sich, gerade in solcher Angelegenheit 
von keiner Seite allzustreng zu prüfen, sondern einmüthig des 
Dankes Zoll für die Erfüllung der heissesten Wünsche gern und 
willig, jeder nach seinem Vermögen, zu geben. 

Wenn in jedem Jahr der späteren Zeitalter bekannt ge¬ 
geben werden kann, dass strebsame, aber bedürftige junge 
Männer durch das Wohlthun der Vorfahren zu einem geachteten 
Berufe hingeführt werden können, dann wird auch das 
Gedenken an die für uns Thierärzte grosse Zeit nicht schwinden. 

Was die Gesammtheit erreicht, des möge Jeder in seinem 
kleinen Kreise sich würdig zeigen für alle Zeit. Das sollte 
unser Aller Mahnung sein; deshalb unsere Bitte in dem Auf¬ 
ruf an die preussischen Collegen! 

Pauli, Departeraentsthierarzt. 

Herbst-Sitzung des Vereins Schlesischer Thierärzte in 
Breslau am 23. November 1902. 

Die Sitzung, welche im Palast-Restaurant, Neue Schweidnitzer- 
strasse 16, stattfand, wurde um ll l / 4 Uhr durch den Vorsitzenden, 
Dr. Arndt-Oppeln eröffnet. Anwesend waren über 70 Mitglieder 
und Gäste. 

Tages-Ordnung: 

1. Vereinsangelegenheiten und geschäftliche Mittheilungen. 

2. Die Ausbildung der Laienbeschauer. Schlachthofdirector 
Berenz. 

3. Die klinische Diagnose der Tuberculose. Kreisthierarzt 
Bischoff. 

4. Die Haftpflicht der Tbierärzte aus Körperverletzungen und 
Tödtungen von Personen, sowie aus Sachbeschädigungen. 

Zu Punkt 1 theilt der Vorsitzende mit, dass ein Dankschreiben 
des Kreisthierarztes a. D. Scholz-Freiburg für die Glückwünsch 
des Vereins zum 50jährigen Jubiläum eiDgegangen ist 

Das Andenken der verstorbenen Mitglieder Lohsee-Soran unc 
Schneeweiss-Strehlen wird in der üblichen Weise geehrt. Aus 
dem Verein ausgeschieden ist Kreisthierarzt Schumann in Folge 
Versetzung. Die Herren And rieh und Wiese aus Kattowitz, 
Lütkens-Zülz, Dr. Roth-Breslau haben sieb zum Eintritt gemeldet 
und werden in den Verein aufgenommen. 

Alsdann weist der Vorsitzende bezüglich der 9. Plenar¬ 
versammlung des Veterinärrathes in München auf die ausführlichen 
Berichte der Fachpresse hin und spricht dem 2. Vorsitzenden, 
Departementsthierarzt Koschel-Breslau besonderen Dank dafür 
aus, dass er die Abhaltung der nächsten Versammlung in Breslau 
gesichert habe. 

Zu dem wichtigsten Ereigniss seit der letzten Sitzung, der Ein¬ 
führung der Maturitas, sagt der Vorsitzende etwa Folgendes: Diese 


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BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


13 


1. Januar 1903. 


Thatsache sei im Allgemeinen nicht mit der jubelnden Freude auf¬ 
genommen worden, die sie eigentlich verdient hätte. Einerseits habe 
die Jahre lange Behandlung dieser Frage, der ewige Zustand des 
Harrens und Wartens, eine gewisse Ueberspannung erzeugt, die 
eine ganze Freude nicht mehr au!kommen liess. Andererseits 
wären unter der jüngeren Generation viele der Ueberzeugung ge¬ 
wesen, dass uns die Maturitas zufallen müsse und hätten das Er¬ 
eigniss als selbstverständlich hingenommen. Diesen gegenüber 
müsse er aus der Erfahrung der Aelteren heraus eindringlich darauf 
hinweisen, in wie fabelhaft kurzer Zeit unser Stand sich von einer 
mehr oder weniger ausgebildeten Kunst zu einer den übrigen 
academischen Berufen gleichartigen Wissenschaft heraufgearbeitet 
habe. Redner zeigt an drastischen Beispielen, welches die dienst¬ 
liche Stellung der einzelnen Categorien der Thierärzte, der Ross¬ 
ärzte und Kreisthierärzte noch vor 30 Jahren gewesen wäre, wie 
gering die Werthschätzung des Könnens der Thierärzte überhaupt 
und damit auch ihre Einnahmen und ihre gesellschaftliche Stellung 
gewesen wären. Es Bei ein Vorgang ohne Gleichen in der Ge¬ 
schichte der Wissenschaften, dass die unsrige in einer so kurzen 
Spanne Zeit zur Vollwerthigkeit durch gedrungen sei. Das sollten 
wir uns alle stets vor Augen halten, dann würde uns allen auch 
die rechte Freude über das Erreichte überkommen. Denn die 
Maturitas wäre das Wichtigste; nachdem wir sie errungen, könnten 
wir in eine schöne Zukunft blicken, alle übrigen Standesfragen wie 
die über Rang. Besoldung, Versorgung u. s. w. würden aus dieser 
heraus ohne Weiteres ihre Erledigung finden. 

Unter dem Eindrücke dieser Augenblicksstimraung möchte der 
Vorsitzende zwei Bitten an den Verein richten. Die erste betreffe 
das Verhältniss der Specialgrnppen zum Hauptverein. Die Bildung 
der Specialgruppen wäre eine Nothwendigkeit aus dem Zuge der 
Zeit heraus gewesen. Aber ohne Frage müsse im Interesse der 
Allgemeinheit der Thierärzte ein Absplittern von den Provinzial¬ 
vereinen vermieden werden. Die Ansätze dazu zeigten sich bei 
einzelnen Vereinen in unliebsamen Reibungen. In unserem Verein 
sei derartiges bisher nicht zur Beobachtung gelangt. Er möchte 
aber trotzdem zur Vorbeuge an die Specialgruppen die herzliche 
Bitte richten, auch in Zukunft sich von kleinlichen Eifersüchteleien 
und Nörgeleien frei zu halten, die die Grundlage für Reibungen ab¬ 
geben könnten, die den schönen Zusammenhang des Provincial- 
vereins und die Geschlossenheit aller thierärztlichen Gruppen in 
Frage stellen könnten. 

Die zweite Bitte betreffe die Zustimmung zu einer Ehrung 
eines um unseren Stand ausserordentlich verdienten Mannes, des 
Professors Schmaltz. 

In dem Kampfe für die Maturitas habe sich gewiss eine grosse 
Zahl von Männern ruhmvoll hervorgethan, ja ein jeder ehrlich und 
anständig auftretende Thierarzt habe seinen Antheil daran. Unter 
denen jedoch, welche jeder Zeit ganz besonders für unsere Interessen 
in dieser Richtung eingetreten seien, habe Schmaltz stets in erster 
Reihe gestanden. Um diese seine Thäligkeit voll zu würdigen, 
müsse man sich vor Augen halten, einen wie grossen Werth eine 
mit Geschick, Tact und Energie geleitete Presse in bedeutsamen 
Fragen habe, welche an der richtigen Stelle bremse und dann 
wieder mit überzeugender Gewalt einsetze, welche Unebenheiten 
ausgleiche und Wege zeige nnd bahne und jeder Zeit als Ver¬ 
mittlerin zwischen Wünschenden und Erfüllenden auftrete. 

Es hiesse Allbekanntes wiederholen, wenn man noch weiter 
darauf hinweisen wolle, wie unerschrocken und mannhaft auf der 
einen und wie geschickt und maassvoll auf der anderen Seite 
Schmaltz die Bewegung zur Einführung der Maturitas in der 
Presse geleitet habe. Es hiesse die Verhältnisse verkennen, wenn 
man nicht zugeben wolle, dass diese kluge Behandlung der An¬ 
gelegenheit sehr wesentlich mit auf die Entscheidung der maasB- 
gebenden Stellen im grössten deutschen Bundesstaat, in Preussen, 
eingewirkt habe. Seine Bitte gehe daher dahin, Herrn Professor 
Dr. Schmaltz, der, selbst Schlesier, zu unserem Verein noch be¬ 
sondere Beziehungen habe, zum Ehrenmitglied desVereins zu ernennen. 

Lauter, anhaltender Beifall folgte den Schlussworten. Der 
Antrag wird einstimmig angenommen und der Vorsitzende ersucht, 
Herrn Professor Schmaltz telegraphisch zu benachrichtigen. 

Es finden dann einige Kassenangelegenheiten bezüglich der 


Umlage zum Veterinärrath und des Kassenverhältnisses der Gruppen 
der Schlachthof- und Privatthierärzte zu dem Provincialverein ihre 
Erledigung. 

Es wird dann noch die Frage aufgeworfen, wie sich der Verein 
zu dem in der Begründung begriffenen Stipendien-Fonds für 
Studirende der Thierheilkunde stellen solle und nach kurzer Dis- 
cussion auf Antrag beschlossen, die Frage der pecuniären Antheil- 
nähme des Vereins vorläufig noch offen zu lassen und (Antrag 
Gückel) die Centralvertretung zu ersuchen, dass sie dafür Sorge 
tragen möchte, dass die allgemeinen Fonds von Staaten und Ge¬ 
meinden, welche für andere Studirende verwendet würden, auch für 
Studirende der Thierheilkunde zugänglich gemacht werden sollten. 

Nunmehr erhält Schlachthof-Director Berenz-Glogau zu Punkt2 
der Tagesordnung das Wort und führt etwa Folgendes aus: Die 
Ausbildung der Laien-Fleischbeschaner müsse eine möglichst gründ¬ 
liche sein, damit sie ihrem Endzwecke entspreche, aber unter stetem 
Hinweis darauf, dass die wissenschaftliche Beschau den Thierärzten 
Vorbehalten bleibe. Um ersteres zu erreichen, müsste eine strenge 
Auswahl unter den sich Meldenden bezüglich ihrer Eignung zu dein 
Beruf stattünden. Leider sei dies nicht möglich, da das Angebot 
zu gering sei uDd so müsste man nehmen, was man bekäme und 
die Anforderungen dem Niveau der Mindestbegabten anpassen. 
Aus Rücksicht auf die Billigkeit sei nur ein Cursus von 4 Wochen 
vorgesehen, der, an sich schon zu kurz, bei dem zur Verfügung 
stehenden Personal noch besonders unzureichend erscheine. Die 
Kürze der Zeit habe ferner dazu gezwungen, auch an kleineren 
Schlachthöfen Curse abzuhalten, wo nicht genügend Material an 
Schlachtungen für die Ausbildung sei, und aus dem gleichen Grunde 
würden zu viel Theilnehmer in einen Cursus zusammengebracht, 
sodass auch deswegen die Belehrung eine mangelhaftere sein müsse. 
Alle diese Umstände machten die Stellung des Leiters der Curse 
ausnehmend schwierig und verlangten von ihm ein Einsetzen seiner 
ganzen Persönlichkeit Redner schildert dann eingehend den Gang 
der Ausbildung der Beschauer, wie er sie ausübe auf Grund der 
Ausführungs-Bestimmungen zum Fleischbeschaugesetz und der 
Prüfungsvorschriften, sowie der gemeinfasslichen Belehrung für 
Fleischbeschauer. 

Zum Schluss seiner Ausführungen empfiehlt der Redner als 
geeignet zum häuslichen Studium für Fleischbeschauer den Leit¬ 
faden von Simon-Görlitz, der dem Laien-Verständniss angepasst sei. 

An der anschliessenden Debatte betheiligen sich Fülbier- 
Freiburg, Run ge-Schweidnitz, Rust-Breslau und Schmidt- 
Hirschberg. Der Vorsitzende ertheilt darauf nach einem Dankwort 
an den Vorredner Kreisthierarzt Bi sch off-Falkenberg zum 3. Punkt 
der Tagesordnung das Wort. 

Die Ausführungen behandeln die Tilgung der Tuberculose auf 
dem Wege, der von der ostpreussischen Ileerdbuchgesellschaft ein¬ 
geschlagen wurde, durch Ausmerzung derjenigen Thiere, welche 
mit den gefährlichen und klinisch erkennbaren Formen der Krank¬ 
heit, mit Lungen-, Euter-, Darm- und Gebärmutter-Tuberculose 
behaftet sind. Soweit diese Ausführungen sich mit denen des Vor¬ 
trages von Dr. 0. Müller-Königsberg in der Sitzung des Veterinär¬ 
rat hes decken, kann hier von einer Mittheilung Abstand genommen 
werden, da die No. 48 der B. T. W. den Vortrag ausführlich bringt. 
Bezüglich der klinischen Diagnose der genannten Formen führt 
Redner etwa Folgendes aus: 

Bei der Lungentuberculose kämen nur diejenigen Formen in 
Betracht, die durch die Trachea mit der Aussenwelt in Verbindung 
treten. Leider sei eine raicroscopische Untersuchung des 
Auswurfes, die beim Menschen die vorzüglichsten Resultate zeitige 
bei Rindern nicht möglich, da diese den Auswurf abschlucken. 
Die Feststellung von Dämpfungen durch die Percussion sei ihm im 
Gegensatz zu den ostpreussischen Erfahrungen nicht gelungen, 
auch nicht in Fällen, bei denen sich nach der Section umfangreiche 
tuberculöse Veränderungen der Lungen ergeben hätten. — Durch 
die Auscultation könnten zwar die verschiedensten Geräusche, 
wie sie bei Tuberculose Vorkommen, ermittelt werden, so ver¬ 
schärftes Bläschengeräuscb, Bronchialathmen, trockene Rassel¬ 
geräusche bei dickflüssigem Material in den Bronchien, feuchte 
Rasselgeräusche hauptsächlich bei Cavernen, die mit den Bronchien 
communiciren. Doch kämen alle diese Geräusche auch bei einer 


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14 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 1. 


Bronchitis einfach entzündlichen oder parasitären Characters vor 
Hier komme nun ein wesentliches Moment der Differentialdiagnose 
zu Hülfe, der characteristische Tuberculose-Husten, welcher am 
häufigsten früh nach dem Aufstehen beobachtet würde, kurz, 
dumpf und matt wäre, feucht klinge, und oft quälend und mit ge¬ 
krümmtem Rücken auegestossen würde. Derselbe sei mit dem Staub-und 
Futterhusten, sowie mit dem durch hohe Trächtigkeit erzeugten 
garnicht zu verwechseln. Von dem Husten bei acuten Katarrhen 
sei er leicht zu unterscheiden, da letzterer sich durch Druck auf 
den Kehlkopf auslösen lasse und hierbei auch Nebengeräusche von 
Seiten des Kehlkopfes und der Luftröhre nachweisbar wären. — 
Reibegeräuscbe, das sogenannte Perlreiben, habe er niemals 
ermitteln können, auch wenn die Schlachtung starke pleuritische 
Auflagerungen ergab; er führe die Annahme von Reibegeräuschen 
auf Verwechslungen mit fortgelciteten Pansengeräuschen zurück. 
Die ostpreu88ischen Collegen hätten durch klinische Diagnose von 
den ca. 30000 Rindern der Heerdbuchgesellschaft rund 500 zur 
Schlachtbank verwiesen, wo die Diagnose immer bestätigt wurde, 
und die gleiche Zahl wurde wegen nicht genügender Sicherung der 
Diagnose unter vorläufige Beobachtung gestellt. 

Die für den Menschen und die Nachzucht gefährlichste Form, 
die Eutertuberculose, sei dadurch charactcrisirt, dass in der Regel 
nur ein, und zwar ein Hinterviertel befallen sei, dass entzündliche 
Erscheinungen fehlen, die Milch nicht verändert und nur in ihrer 
Gesammtmenge herabgesetzt sei. Das betr. Viertel sei meist stark 
vergrössert, sehr hart, die Oberfläche meist glatt. In der Milch 
fänden sich fast immer bei microscopischer Untersuchung 
Tuberkclbacillen, die nur in den äusserst seltenen Fällen fehlten, in 
denen nur das interstitielle Bindegewebe Sitz der Krankheit sei. Wo 
die raicroscopische Untersuchung der Milch im Stiche lasse, müsse man 
die Harpunirung vornehmen, die sonst nur bei denjenigen 
Fällen angezeigt sei, die nicht diffus, sondern in Knotenform 
auftreten. Die frühere Anschauung, dass eine Schwellung 
der supramammären Lymphdrüsen characteristisch für Euter¬ 
tuberculose sei, müsse aufgegeben werden, da eine derartige 
Schwellung einerseits ohne Tuberculose Vorkommen, andererseits bei 
Tuberculose fehlen könne. Die Gebärmuttertuberculose sei eine 
häufige Ursache der Sterilität und des Abortus der Rinder, während 
früher als Ursachen des Umrinderns fast ausschliesslich 
cystoide Entartung der Eierstöcke, Neubildungen und chronische 
Metritis beschuldigt wurden. Der Ausfluss ist bei Gebärmutter- 
Tuberculose geringgradig, aber nicht specifisch unterschieden von 
dem Secrct der Katarrhe nach Retentio secundinarum, Prolapsus 
uteri und bei Metritis. Die Sicherung der Diagnose erfolge durch 
raicroscopische Untersuchung des Secretes, welches, um Ver¬ 
unreinigungen zu vermeiden, am besten mit einem Löffel aus der 
Tiefe der Scheide entnommen würde. 

Nach einer statistischen Uebersicht über die Gesammt-Resultate 
welche bei der ostpreussischen Heerdbuch - Gesellschaft erzielt 
worden seien, scizzirt Redner kurz das Verfahren, wie er es bei 
der Feststellung der Tuberculose in sieben Rothvieh-Heerden, mit 
deren Untersuchung er betraut sei, angewendet habe. Man müsse 
sich zunächst bei einem Gange durch den Stall Uber Aussehen und 
Nährzustand aller Thiere zur Gewinnung eines Gesaramt-Eindruckes 
orientiren und zugleich den Besitzer oder das Wartepersonal über 
Art der Fütterung, Milchertrag, hustende Thiere, Vorkommen von 
Retentio secundinarum und Euterentzündung befragen. Alsdann 
trete man allein, da beim Herzutreten von Gehülfen die Thiere 


stets unruhig wurden, an jedes Thier heran, betaBte die Kehlkopf¬ 
gegend und übe einen Druck auf den Kehlkopf aus, auscultire die 
rechte Lunge, bilde eine Hautfalte auf den Rippen, betaste die 
rechte Euterhälfte, hebe den Schwanz hoch und betrachte dessen 
untere Fläche und die Vulva auf Secrete, untersuche die linke 
Euterhälfte und auscultire die linke Lunge. Findet man Ver¬ 
dächtiges, so wird bei diesem Thiere noch einmal eingehend die 
Anamnese erhoben und das Thier für eine Superrevision notirt. 
Bei letzterer werden die Thiere zur Erregung des characteristischen 
Hustens bewegt (im Gegensatz zu dem Verfahren in Ostpreussen, 
wo alle Thiere bewegt würden, was aber zu viel Zeit wegnehme 
und nur von Specialisten, nicht in den Verhältnissen der Praxis 
durchzuführen sei) und Secrete zur microscopischen Untersuchung 
(Schleim oder Milch) entnommen. Letztere könne der Practiker 
nicht selbst ausführen, sondern es sei die Einsendung an ein 
Laboratorium nothwendig. 

Man müsse sich angewöhnen, bei jedem Thiere ganz systematisch 
die Untersuchung in derselben Reihenfolge vorzunehmen, um nichts 
auszulassen. 

Er habe die Hoffnung, dass auf diese Weise es allen Practikern 
möglich sein werde, wo es gewünscht werde, in den Rindvieh¬ 
beständen die gefährlichen Formen der Tuberculose zu ermitteln 
und auszumerzen und ohne so erhebliche Opfer, wie sie z. B. das 
Tuberculose-Tilgungsverfahren nach Bang von den Besitzern er¬ 
heische, eine Sanirung der Bestände durchzuführen. 

Nachdem der Vorsitzende dem Vortragenden besonderen Dank 
für den klaren Vortrag ausgesprochen hat, betont Kreisthierarzt 
Huth-Sarne noch, dass eine Bewegung sämmtlicher Thiere, wie 
sie in Ostpreussen vorgenommen würde, auch der anscheinend ganz 
gesunden, durchaus nothwendig sei, da bei mauchen die Rassel¬ 
geräusche überhaupt nur nach der Bewegung aufträten. 

Zu Punkt 4 der Tagesordnung hält Oberinspector Schur von 
der Versicherungsgesellschaft Zürich einen ausführlichen Vortrag 
über die durch das bürgerliche Gesetzbuch geschaffene Rechtslage 
bezüglich der Haftpflicht mit besonderer Berücksichtigung der 
thierärztlichen Verhältnisse. 

Eine Debatte hierüber findet aus Zeitmangel nicht statt und 
cs wird eine Commission, bestehend aus den Herren Koschel, 
Rust und Sporleder gewählt, um mit dem Vertreter der Gesell¬ 
schaft in Erörterungen darüber einzutreten, ob der Verein, ohne 
Bindung seiner Mitglieder, diesen anrathen soll, Versicherung bei 
der Gesellschaft Zürich zu nehmen. 

Inzwischen ist die Kasse durch die Herren Kattner und 
Schramm geprüft worden und es wird dem Kassenwart Wittlinger 
Decharge ertheilt. 

Schluss der Sitzung 2 l / a Uhr. Nach derselben fand ein gemein¬ 
sames Essen statt, an dem fast alle Anwesenden theilnahmen. Die 
gehobene Stimmung hielt auch später noch bis zum Abgang der 
letzten Züge vor. Ein paar Fässer besten Pilsener Bieres — aus 
der Vereinskasse — gaben Gelegenheit zu längerem Beisammen¬ 
sein bei munterem Sang und fröhlicher Plauderei. Inzwischen war 
auch noch ein Antwort-Telegramm von Professor Dr. Schmaltz 
eingelaufen, in welchem derselbe seiner Freude Uber die Verleihung 
der Ehrenmitgliedschaft in warmen und herzlichen Worten Ausdruck 
gab. Dem neuen Ehrenmitgliede wurde ein fröhlicher „Willkomm“ 
zugetrunken. 

Der Schriftführer 
Dr. Marks. 


Staatsveterinärwesen. 

Auszüge aus dem Jahresbericht 
des Kais. Gesundheitsamtes über die Verbreitung 
der Thierseuchen im Deutschen Reiche. 

(Iturlin, Verlag von Julius Springer.) 

Der Milzbrand Im Jahre 1901 

Im Berichtsjahre hatte eine Vermehrung der Milzbrandfälle 
um 44,27 pCt. gegen daB Voijahr stattgefunden. Hinsichtlich 


der betroffenen Gemeinden und Gehöfte betrug die Zunahme 
16,30 bezw. 17,84 pCt. 

Es sind erkrankt 5843 Thiere und zwar 134 Pferde, 
4263 Rinder, 1361 Schafe, 20 Ziegen und 65 Schweine. Hiervon 
sind wieder genesen 1 Pferd, 103 Rinder und 13 Schweine. 
Die Mortalität betrug demnach 98,0 pCt. gegen 98,4 pCt. im Vor¬ 
jahre. Es sind aus 23 Staaten Milzbrandfälle gemeldet worden; 
betroffen wurden 3160 Gemeinden bezw. Gutsbezirke und 
3646 Gehöfte. Die meisten Erkrankungen fielen in das dritte, 


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1. Januar 1903. 


BERLINER T HIERÄRZ TLICHE WOCHENSCHRIFT. 


15 


die wenigsten in das erste Vierteljahr; die grösste räumliche 
Ausbreitung zeigte die Seuche im 4. Vierteljahr. Von den 
Bundesstaaten blieben nur Schaumburg-Lippe, Lübeck und 
Mecklenburg-Strelitz frei von Milzbrand. Von Kreisen und 
ähnlichen Verwaltungsbezirken wurden 59,4 pCt. betroffen. Eine 
sehr grosse räumliche Ausbreitung hatte der Milzbrand in den 
Regierungsbezirken Breslau (218 Gemeinden und 236 Gehöfte), 
Posen (192 und 217), Düsseldorf (167 und 238), Liegnitz (161 
und 174), Frankfurt (127 und 149). Als besonders stark be¬ 
troffene Kreise waren zu verzeichnen Guhran (37 und 42), 
Pirmasens (37 und 37), Rees (31 und 56), Mörs, Pirna u. A. 
In 149 Kreisen wurde nur je 1 Gehöft vom Milzbrand betroffen, 
dies sind 23,9 pCt. aller überhaupt betroffenen Kreise etc. 
Besonders hohe Erkranknngsziffern zeigen die Regierungsbezirke 
Posen (1094), Frankfurt (309), Düsseldorf (306), Breslau (280), 
Marienwerder (257) und Potsdam (229), sowie die Kreise 
Jarotachin (406), Obornik (146), Soldin (139), Kosten (133) u. A. 
Aus 20,4 pCt. aller betroffenen Kreise ist nur je ein Erkrankungs¬ 
fall gemeldet. Innerhalb eiDes Gehöfts kamen zahlreichere Er¬ 
krankungen vor in den Kreisen Jarotschin, Satzig, Witkowo, 
Flatow, Czarnikau. In 82,6 pCt. der betroffenen Gehöfte kam 
nur je 1 Erkrankungsfall vor. Unter den Pferden kamen die 
meisten Erkrankungsfälle vor in den Regierungsbezirken Posen, 
Marienwerder und Düsseldorf, unter den Rindern in den Regierungs¬ 
bezirken Düsseldorf, Breslau, Liegnitz, unter den Schafen in 
den Regierungsbezirken Posen, Marienwerder, Frankfurt. 

In Betreff des Auslandes wurden besonders viele Er¬ 
krankungen gemeldet aus Russland, insgesammt 61 619 Fälle, 
hiervon 22 600 aus Grossrussland, Italien 2 604, Grossbritannien 
951, hiervon 664 aus England. Es sind ferner noch Mit¬ 
theilungen gemacht aus Belgien, Bulgarien, Dänemark, Frank¬ 
reich, Niederlande, Norwegen, Oesterreich-Ungarn, Rumänien, 
Schweden, Schweiz und Serbien. In diesen Ländern hat jedoch 
der Milzbrand eine erheblichere Verbreitung nicht gehabt. 

Was die Anlässe zu den Seuchenausbrüchen anbetrifft, so 
werden mehrfach wieder die Verabreichung von aus dem Auslande 
bezogenen Futtermitteln sowie die Verarbeitung überseeischer 
Haare und Häute als Ursache beschuldigt. Hauptsächlich 
wurden jedoch die Seuchenausbrtiche wieder verursacht durch 
unzweckmässige Beseitigung von Milzbrandcadavern und durch 
Verwendung von Futter und Streu aus überschwemmten Fluss¬ 
gebieten. Von ausländischen Futtermitteln kamen Kleie und 
andere Futtermittel aus Russland, Kleie aus Oesterreich in Be¬ 
tracht; tropische Futtermittel oder deren Verpackungsmaterial 
bewirkten Milzbrandausbrüche in 2 Gehöften in Mecklenburg- 
Schwerin. Die Verarbeitung ausländischer Rohhäute bewirkte 
Seuchenausbrüche in einigen Oberamtsbezirken in Württemberg, 
hauptsächlich im Murrthale. 

In 1 Falle fand eine Verschleppung des Milzbrandes im 
Inlande statt; in 6 Fällen waren die Thiere bereits erkrankt in 
den Besitz der neuen Eigenthümer gelangt. Im Kreise Wongrowitz 
wurde in einem Falle der Milzbrand durch 2 Arbeiter weiter¬ 
verbreitet, welche die Haut eines Cadavers entwendet und an einen 
Sattler verkauft hatten; dem Letzteren crepirten 2 bis 3 Wochen 
später 2 Kühe an Milzbrand. Im Kreise Znin wurde Milzbrand 
durch gestohlenes Fleisch verschleppt. Die Verwendung von 
inficirtem Heu als Streu oder Futter gab in Württemberg 
wiederholt Anlass zu Milzbranderkrankungen; auch aus Sachsen- 
Coburg-Gotha und Anhalt wurden einige derartige Fälle gemeldet. 


Aus 3 Kreisen wird mangelhafte Desinfection von Seuchen¬ 
stallungen als Anlass zu weiteren Milzbrandfällen angegeben. 
Der Bericht enthält sodann noch einige besondere Fälle von 
Milzbrandverschleppung, bezüglich welcher auf das Original ver¬ 
wiesen wird. 

Die meisten Milzbrandfälle sind durch die Besitzer der 
Thiere zur Anzeige gebracht worden. Auf dem Viehhof in 
Frankfurt a. M. wurde einmal bei einem plötzlich verendeten 
Schwein Milzbrand constatirt. In 53 Fällen wurde Milzbrand 
in Schlachthäusern bezw. bei der Fleischbeschau nothgescblachteter 
Thiere festgestellt, in 21 Fällen in Abdeckereien. 

Die Incubationsdauer betrug bei 5 Schweinen im Reg.-Bez. 
Münster, welchen die mit Blut eines an Milzbrand verendeten 
Ochsen verunreinigte Streu vorgeworfen war, 24 Stunden. Es 
wurden sodann noch ohne nähere Begründung Incubationszeiten 
von 48 Stunden, 3 Tagen und 7 Tagen angegeben. 

Ueber Schutzimpfungen nach Methode Pasteur wird aus 
Württemberg berichtet. Hier sind in 7 öfter durch Milzbrand 
betroffenen Gemeinden Impfungen an 95 Rindern ausgeführt 
worden. Bis zum Schlüsse des Jahres waren unter den Impflingen 
Milzbrandfälle nicht vorgekommen, während 15 sonstige Milz¬ 
brandfälle zur Anzeige kamen. In den im Jahre 1900 geimpften 
Beständen sind 2 nicht geimpfte Thiere dem Milzbrand erlegen. 
In Elsass-Lothringen wurden in 4 Kreisen Milzbrandschutz¬ 
impfungen nach Pasteur mit Erfolg vorgenommen. 

Von Uebertraguagen des Milzbrandes auf Menschen sind 
112 Fälle mitgetheilt worden, darunter 10 mit tödtlichem Aus¬ 
gange. Die Ansteckung erfolgte am häufigsten bei Noth- 
8chlacbtungen erkrankter, sowie bei der Zerlegung und Ab¬ 
häutung gefallener Thiere. Unter den Erkrankten befanden sich 
2 Fleischbeschauer, 2 Abdecker, 6 Arbeiter und einige Personen 
des Fleischerhandwerks. Auf Preussen kommen 68 Milzbrand¬ 
erkrankungen bei Menschen, 24 hiervon allein auf die Provinz 
Posen; 5 kommen auf Bayern, 26 auf Sachsen. In Württemberg 
starben 2 Personen, darunter eine, welcher beim Aufladen eines 
Milzbrandcadavers Blut in’s Auge spritzte. In Baden erkrankte 
u. A. auch ein Abdecker in Folge eines Fliegenstiches bei der 
Section eines an Milzbrand verendeten Thieres. In Hessen 
erkrankten 3 Arbeiter in Gerbereien und ein Arbeiter in einer 
Bürstenfabrik. 

An Entschädigungen wurden auf Grund landesgesetzlicher 
Bestimmungen in Preussen, Bayern, Württemberg, Braunschweig, 
Sachsen-Altenburg, Elsass-Lothringen incl. der RauschbrandfäUe, 
in Sachsen, Baden, Hessen, Sachsen-Weimar, Sachsen-Meiningen, 
Anhalt, Reuss ä. L., Reuss j. L. ohne die Rauschbrandfälle, ins- 
gesammt 953 493J ?4 M. für 89 Pferde, 3897 Rinder, 11 Schafe 
und 1 Ziege bezahlt. Hiervon entfallen allein 549 347,59 M. aut 
Preussen. 

Der Rauschbrand im Jahre 1901. 

Es wurden als erkrankt gemeldet 3 Pferde, 1025 Rinder, 
75 Schafe und 2 Ziegen, 69 Fälle weniger als im Vorjahre. 
Die erkrankten Thiere sind mit Ausnahme von 4 Rindern ge¬ 
fallen oder getödtet. Es wurden 659 Gemeinden und 981 Ge¬ 
höfte betroffen, 45 weniger als im Vorjahre. Die meisten Er¬ 
krankungsfälle kamen auf das 3., demnächst auf das 4. Viertel¬ 
jahr. Die höchsten Erkrankungsziffern wurden gemeldet aus 
den Reg.-Bez. Münster (129), Schleswig (98), Schwaben (95), 
Düsseldorf (91), Ober-Bayern (66) und aus den Kreisen Sont¬ 
hofen (78), Eupen (38), Steinfurt (37), Rees (35) und Mörs (35). 


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16 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 1. 


In Bezug auf das Ausland wurden die meisten Erkrankungs¬ 
fälle gemeldet aus Italien, Schweiz und Belgien. In Oesterreich 
waren Niederösterreich und Tirol-Vorarlberg besonders stark 
betroffen. 

An Rauschbrand bereits erkrankte Thiere gelangten nur 
in 2 Fällen in den Besitz der neuen Eigenthümer. 

In einer Gemeinde des Kreises Eupen wurde der Ausbruch 
des Rauschbrandes auf ungenügende Desinfection zurückgeführt. 
Unzweckmässige Beseitigung von Rauschbrandcadavern ver- 
anlasste in 6 Fällen Seuchenausbrüche. 

In 3 Fällen wurde die Seuche bei der Fleischbeschau er¬ 
mittelt, in einem Falle auf einer Abdeckerei. 

In Bayern wurden in 9 Bezirken 6235 Jungrinder schutz¬ 
geimpft, von denen an Impfrauschbrand keines, an natürlichem 
Rauschbrand 9 Thiere starben. In den betreffenden Gemeinden 
sind 79 Thiere der Seuche erlegen. In Baden wurden in 6 Be¬ 
zirken 1075 Rinder der Schutzimpfung unterworfen, kein Thier 
erkrankte. Von 260 in Elsass-Lothringen geimpften Thieren 
starben 22 an Rauschbrand, bei 5 Thieren starb das Schwanz¬ 
ende brandig ab. Es wurde hier mit imprägnirten Baumwollen¬ 
fäden im unteren Drittel der inneren Schwanzfläche geimpft. 

In Sachsen, Hessen, Baden und Sachsen-Meiningen wurden 
an Entschädigungen für Verluste durch Rauschbrand insgesammt 
10 918 M. gezahlt, in Hessen allein 6836 M. (Siehe a. Milzbrand.) 

Die Tollwuth im Jahre 1901. 

Es sind an Tollwuth erkrankt und gefallen oder getödtet 
676 Thiere (31,5 pCt. weniger als im Vorjahre), nämlich 
560 Hunde, 4 Katzen, 6 Pferde, 78 Rinder, 5 Schafe, 1 Ziege 
und 22 Schweine. Diese Tollwuthfälle vertheilen sich auf 
Preussen, Bayern, Sachsen, Elsass-Lothringen, Württemberg, 
Mecklenburg-Schwerin, Sachsen-Weimar, Sachsen-Meiningen, 
Sachsen-Coburg-Gotha, Reuss j. L. und Bremen. 

Die meisten wuthkranken Thiere kamen im 1. Vierteljahr 
zur Beobachtung, dementsprechend wurden im 1. Vierteljahr 
auch die meisten ansteckungsverdächtigen Hunde getödtet. 

Die meisten wuthkranken Hunde wurden gemeldet aus den 
Reg.-Bez. Königsberg (78), Marienwerder (77), Gumbinnen (66), 
Oppeln (65), Posen (45), Bromberg (40) u. a. und aus den 
Kreisen Osterode i. Ostpr. (20), Thorn (16), Kreuzburg (15), 
Neidenburg (14) u. a. In 61 Kreisen kam nur je ein Tollwnth- 
fall unter den Hunden vor. 

Unter anderen Hausthieren wurden die meisten Wuthfälle 
ermittelt in den Reg.-Bez. Gumbinnen (25), Königsberg (22), 
Stettin (16), Posen (16) und in den Kreisen Neidenburg und 
Naugard (je 12), Lyck (10) u. a. Während in 7 Reg.-Bez. eine 
Abnahme der Erkrankungsfälle zu verzeichnen war, hat die 
Seuche nur in 3 Bezirken zugenommen. 

Aus der dem Bericht beigegebenen cartographischen Dar¬ 
stellung geht hervor, dass ein erheblicheres Auftreten der Toll- 
wuth nur in den an Russland und Böhmen grenzenden Bezirken 
zu verzeichnen gewesen ist; im übrigen Deutschland sind nur 
ganz vereinzelte Wuthfälle vorgekommen. 

Von ansteckungsverdächtigen Hunden wurden 1411 auf 
polizeiliche Anordnung getödtet, 38,4 pCt. weniger als im Vor¬ 
jahre. Die grössten Zahlen weisen hierin die Reg.-Bez. Königs¬ 
berg (337), Oppeln (164), Gumbinnen (151), Marienwerder (139), 
Bromberg (130), Breslau (104), Posen (101) und die Kreise 
Osterode i. Ostpr. (107), Filehne (91), Neidenburg (68), Memel 


(48), Lötzen (45), Pr. Holland (44) auf. Von 159 betroffenen 
Kreisen wurden in 52 ansteckungsverdächtige Hunde nicht ge¬ 
tödtet. 85 flunde wurden unter polizeiliche Beobachtung gestellt, 
und zwar in Preussen 36, in Bayern 42, 2 in Sachsen, 3 in 
Württemberg und 2 in Reuss j. L. Herrenlose, wuthverdächtige 
Hunde wurden 174 getödtet, 21,6 pCt. weniger als im Voijahre; 
hiervon entfallen allein 166 auf Preussen, in diesem Staat wieder 
85 auf den Reg.-Bez. Gumbinnen. 

Auf je einen wuthkranken Hund entfielen im Reiche 2,52 
getödtete, anstecknngsverdächtige, 0,15 unter Beobachtung ge¬ 
stellte nnd 0,31 getödtete herrenlose, verdächtige Hunde. 

Von auswärtigen Staaten waren besonders stark betroffen 
Frankreich (2505 Fälle unter Hunden), Italien (366 Fälle). 
Ferner war die Seuche wieder stark verbreitet in Oesterreich; 
hier kommt jedoch besonders Böhmen in Betracht, die übrigen 
Länder weniger; auch Ungarn zeigte starke Verseuchung. 

Eine Einschleppung der Tollwuth ans dem Auslande durch 
kranke, übergelaufene Hunde hat mehrfach 6tattgefunden, und 
zwar aus Russland in die Kreise Orteisburg, Strassburg, Strelno, 
Inowrazlaw, Rosenberg (Oberschi.), aus Böhmen in die Bezirke 
Kötzting, Deggendorf, Cham, Waldmünchen, sowie die Amts¬ 
hauptmannschaft Zittau. 

In mehreren Kreisen etc. hat eine Weiterverbreitung der 
Tollwuth theils durch Verheimlichung gebissener Hunde, theils 
durch Weglaufen festgelegter Hunde stattgefunden. In 8 Fällen 
wurde die Tollwuth auf offener Strasse ermittelt, in 3 Fällen 
in Abdeckereien. 

Bei der Untersuchung aller Hunde in einer Ortschaft des 
Kreises Molirungen (Ostpr.) wurden angeblich 5 mit Tollwuth 
behaftete Hunde gefunden. 

Die Incubationsdauer schwankte in den sicher ermittelten 
Fällen bei Hunden zwischen 3 nnd 97 Tagen, bei Rindern 
zwischen 10 und 381 Tagen, bei Schafen zwischen 13 und 
50 Tagen; bei einem Pferde betrug sie in einem Falle 7 Monate, 
bei einem Schwein 72 Tage. 

Als an Tollwuth gestorben sind gemeldet vier Menschen. 
Zwei Knaben in der Amtshauptmannschaft Schwarzenberg, die 
von einem wuthkranken Hunde gebissen worden waren, er¬ 
krankten trotz der im Institut für Infectionskrankheiten in 
Berlin erfolgten Schutzimpfung, an Lyssa, der eine 19 Tage, 
der andere 5 Monate nach dem Bisse. 

Gerichtsentscheidung betr. Verletzung veterin&rpolizeilicher Vorschriften. 

Zu den Entscheidungen des Reichsgerichts vom 24. Sep¬ 
tember 1895 und 13. December 1898 (B. T. W. 1901, No. 22) 
ist nun noch eine dritte hinzu gekommen, welche ebenfalls den §328 
Str.-G.-B. bei Verletzungen von Absperrungs- oder Aufsichts¬ 
maassregeln, welche im Reichsviehseuchengesetz selbst getroffen 
sind, für anwendbar erklärt. Zufolge eines von dem Land¬ 
gericht Darmstadt in diesem Sinne gefällten Urtheils, gegen 
welches seitens der Verteidigung Revision eingelegt wurde, 
hat das Reichsgericht unter dem 15. Mai 1902 nachstehende, im 
Auszuge wiedergegebene Entscheidung getroffen: 

In dem concreten Falle handelte es sich um eine nachweis¬ 
lich wissentliche Uebertretung der Verpflichtung zur Anzeige 
eines Ausbruches der Maul- und Klauenseuche. Von dem Land¬ 
gericht in Darmstadt -wurde der Angeklagte wegen Vergehens 
gegen § 328 Str.-G.-B. verurteilt. Die Revision bemängelt 


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1. Januar 1903. 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


17 


die Anwendbarkeit dieses Paragraphen auf den hier vorliegenden 
Fall; der Angeklagte könne nur aus § 65 No. 2 des Reichsvieh¬ 
seuchengesetzes bestraft werden. Das Reichsgericht verweist 
in seiner Entscheidung zunächst auf die früheren Urtheile vom 
24. September 1895 und 13. December 1898. Auch dem Urtheil 
vom 12. Juli 1897 liege dasselbe Princip zu Grunde. Die zum 
Zwecke der Bekämpfung von Viehseuchen erlassenen landespolizei¬ 
lichen Anordnungen fänden ebenso wie die Bundesrathsinstruction 
ihre Stütze in dem Viehseuchengesetz. Die darin enthaltenen 
Vorschriften wären daher gleich denen des Gesetzes selbst zu 
beurtheilen. Die von der Revision herangezogenen Gegensätze 
von Gesetzgebungsacten und Maassregeln der Behörden, von 
Documenten und ihrer Natur nach vorübergehenden Maass¬ 
regeln, von Maassregeln für normale und für aussergewöhnliche 
Verhältnisse könnten nach anderer Richtung ihre Wirkung 
äussern; vorliegend seien dieselben nicht von Gewicht, da die 
im § 328 Str.-G.-B. vorgesehenen, von der zuständigen Behörde 
zur Verhütung des Einführens oder Verbreitens von Viehseuchen 
angeordneten Absperrungs- oder Aufsichtsmaassregeln nicht 
etwa von den Vorschriften des Viehseuchengesetzes losgelöste 
und in sich selbstständige Anordnungen darstellten, sondern erst 
aus den §§ 2 Abs. 1, 18, 19—24 des Viehseuchengesetzes ihre 
Berechtigung herzuleiten hätten, so dass dieselben ebenfalls nur 
weitere im Gesetze bereits vorgesehene Ausführungen desselben 
bildeten und somit mit dem Gesetze sich zu einem Ganzen ver¬ 
einigten. Jede auf Grund des Viehseuchengesetzes in im 
Uebrigen zulässiger Weise erlassene landespolizeiliche An¬ 
ordnung weist daher gleichzeitig auf das Gesetz hin, welches 
nicht etwa statt der bereits in ihm vorhandenen Vorschriften, 
sondern neben denselben je nach Lage des Falles, unter Be¬ 
rücksichtigung der betheiligten Verkehrsinteressen bestimmten 
staatlichen Organen noch weitere Schutzmaassregeln anzuwenden 
überlasse. Letztere seien daher Ausfluss desselben staatlichen 
Willens, wie die im Gesetze niedergelegten Anordnungen, und müsse 
diesen also jedenfalls auch derjenige Schutz zugebilligt werden, der 
jenen zu Theil würde. Auch die frühere Rechtsprechung stehe 
dem nicht entgegen. Der von der Revision angeführte § 4 des 
Gesetzes betr. Maassregeln gegen die Rinderpest vom 7. April 
1869 sei hier ohne entscheidende Bedeutung, da derselbe nur 
hervorhebe, dass den die Anzeige unterlassenden Viehbesitzer, 
selbst wenn gegen ihn eine Strafvorschrift nicht zur Anwendung 
gelangen könne, „jedenfalls“ der Verlust eines Entschädigungs¬ 
anspruches treffen solle. Zum Schluss erklärt das Reichsgericht 
die Ansicht für irrig, dass es gerechtfertigt sei, für die Ueber- 
tretung der im Viehseuchengesetz selbst getroffenen Anordnungen 
eine mildere Strafe — § 65 No. 2 a. a. 0. — als für die Ver¬ 
letzung der gleichartigen, von der Verwaltungsbehörde ange¬ 
ordneten Maassregeln festzusetzen. Das R.-G. habe bereits in 
dem Urtheil vom 13. December 1898 die ganz besondere Wichtig¬ 
keit der gerade hier in Rede stehenden, im § 9 des Viehseuchen¬ 
gesetzes vorgesrchriebenen Anzeigepflicht des Näheren begründet. 
Es sei vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt worden, die von ihm 
selbst getroffenen Anordnungen weniger Nachdruck zu verleihen 
als denjenigen, die erst auf Grund der von ihm im Gesetz er- 
theilten Ermächtigung von seinen Organen getroffen werden. 

Maul- und Klauenseuche In Amerika. 

Das amerikanische Repräsentantenhaus hat 1000 000 Dollars 
für die Tilgung der Maul- und Klauenseuche in den Vereinigten 


Staaten zur Verfügung gestellt. Nach den letzten Nachrichten 
ist die Seuche auch in New-Hampshire ausgebrochen und soll 
auch noch nach Canada eingeschleppt worden sein. 

Maul- und Klauenseuche in Deutschland. 

Ausser den auf S. 792 der B. T. W. genannten Staaten, 
hat auch das Königreich Sachsen, der Anregung des Reichs¬ 
kanzlers entsprechend, eine Verordnung erlassen, welche ver¬ 
schärfte Maassnahmen zur Tilgung der Maul- und Klauenseuche 
enthält. 

Rinderpest. 

In Südafrika ist amtlichen Nachrichten zu Folge die Rinder¬ 
pest in letzter Zeit wieder erheblich stärker aufgetreten und 
hat an Ausbreitung gewonnen. Eine besonders starke Ver¬ 
breitung der Seuche wird aus dem Transvaal und dem östlichen 
Theil der Capcolonie gemeldet. Bis einschliesslich den 22. Sep¬ 
tember sind in 20 Districten 115 Orte verseucht. Der Gesammt- 
bestand an Rindvieh in den betroffenen Districten betrug etwa 
20 000 Stück. Die Sterblichkeit schwankte zwischen 2 und 
37 pCt. 

Nachweisung über den Stand der Thierseuchen in Deutschland am 
15. December 1902. 

Die Zahlen bedeuten die verseuchten Kreise (Oberamtsbez. etc.) und (eingeklammert) 

Gemeinden. 

Rotz. 

Preussen: In den Regierungsbezirken Gumbinnen, Köslin, 
Posen, Breslau, Liegnitz, Magdeburg, Cassel, Düsseldorf und Cöln 
(Stadtkreis) je 1 (1), sowie im Stadtkreis Berlin; iin Rcg.-Bez. 
Oppeln 4 (4). — In Bayern 4 (4); Sachsen 2 (2); Waldcck, 
Lippe, Hamburg, Unter-Elsass je 1 (1). 

Lungenseuche. 

Die Lungenseuche herrscht im Reg.-Bez. Magdeburg noch in 
2 Gehöften resp. Gemeinden resp. Kreisen (Halberstadt und 
Wolmirstedt), und im Königreich Sachsen in 1 Gehöft des Kreises 
Grimma. Sie hat mit dieser Beschränkung auf 3 Gehöfte im ganzen 
Reiche den niedrigsten Stand, der jemals vorgekommen ist, erreicht. 
Sollte es nun nicht möglich sein, ihr ganz den Garaus zu machen? 

Maul- und Klauenseuche. 

Preussen: R.-B. Königsberg 1 (1), Potsdam 1 (1), Bromberg 
2 (5), Magdeburg 1 (1), Coblenz 1 (3), Cöln 1 (1). — Bayern: 
Oberbayern 1 (1), Unterfranken 1 (1), Schwaben 1 (2). — Württem¬ 
berg: Jagstkreis 2 (4), Donaukreis 1 (1). — Hessen: Oberhessen 
1 (1). — Reichslande: Ober-Eisass 1 (1), Lothringen 2 (4). 

In Preussen ist die Seuche in Lüneburg erloschen, hat sich 
dagegen in Coblenz, das ultimo November frei war, wieder gezeigt 
und ist in Königsberg neu aufgetreten. Sie herrschte in 7 Kreisen 
und 12 Gemeinden gegen 6 oder 8 am letzten November. — In 
Bayern ist der Stand unverändert. — In Württemberg ist der 
Neckarkreis frei, der Donaukreis dagegen neubetroffen worden; 
in dem noch immer am stärksten verseuchten Jagstkreis ist der 
Stand besser. Hessen wie ultimo November, desgl. Lothringen, 
während ein Kreis des Eisass neubetroffen ist. 

Schweineseuche resp. Schweinepest. 

Der Stand ist im allgemeinen unverändert und in den sechs 
östlichen preussischen Provinzen sehr hoch. Eine Tabelle wird 
über den jedesmaligen Stand am letzten des Monats veröffentlicht. 

Uebersicht über die im II. Quartal 1902 aus den Seequarantfineanstalten 
in öffentliche Schlachthäuser elngefdhrten Rinder und das Ergebniss der 
Fleischbeschau bei denselben. 

Es wurden im II. Quartal 1902 13 759 Rinder in die See¬ 
quarantäneanstalten eingeführt bezw. waren daselbst als Bestand 
vorhanden. Hiervon wurden 239 zurückgewiesen, 8 noth- 
geschlachtet (bezw. verendeten), 12 723 wurden nach Schlacht¬ 
höfen (Bielefeld, Bochum, Bremen, Crefeld, Dortmund, Düssel¬ 
dorf, Elberfeld, Essen, Flensburg, Hagen, Hamburg, Kiel, Lübeck, 


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BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 1. 


Osnabrück, Remscheid, Rostock) überführt, während 789 als 
Bestand verblieben. 

Von den nach den Schlachthäusern überführten 12 723 
Rindern erwiesen sich nach der Schlachtung 10 102 als gesund, 
2021 = 20,6 pCt. tuberculös (darunter 46 Stück mit allgemeiner 
Tnberculose). 

Ergebnisse der Tuberculinlmpfungen in den Seequarantfineanstalten. 

Von Ende März bis Ende Juni 1902 wurden in die 
Qnarantäneanstalten zu Altona-Bahrenfeld, Hvidding, Apenrade, 
Flensburg, Kiel, Lübeck, Rostock-Warnemünde 13 072 dänische 
Rinder eingeführt. Hierzu kam noch ein Bestand von 982 Stück, 
die vom Vorquartal her ungeimpft geblieben waren. 

Von diesen insgesammt 14054 Stück wurden vor der Impfung 
4 zurückgewiesen, 8 nothgeschlachtet, 1 Rind ist gefallen, während 
767 Stück ungeimpft verblieben. — Bei 13 273 Stück wurde 
die Tuberculinprobe mit nachstehendem Resultat vorgenommen: 
12 934 waren frei von Tuberculose und 339 = 2,6 pCt. er¬ 
wiesen sich als tuberculös. 

Thierseuchen im Auslande. 

II. Quartal 1902. 

Schweden. 

Die Zahl der neu verseuchten Ställe betrug in den 
Berichtsmonaten: Milzbrand 25 bezw. 33 bezw. 36; Rauschbrand 
2 bezw. — bezw. 1. 

Norwegen. 

Anzahl der Krankheitsfälle: Milzbrand April 44, Mai 86, 
Juni 47; bösartiges Katarrhalfieber des Rindviehs 41 bezw. 39 
bezw. 34; Schweinerothlauf 43 bezw. 75 bezw. 67; Rausch¬ 
brand — bezw. 4 bezw. 3; Brasot 7 bezw. 5 bezw. 3. 

Oesterr eich. 

Die Zahl der verseuchten Ortschaften belief sich in den 
einzelnen Monaten des Berichtsquartals beim Milzbrand auf 9 
bezw. 18 bezw. 47; beim Rauschbrand auf 13 bezw. 10 bezw. 3; 
bei Tollwuth auf 99 bezw. 97 bezw. 113; bei Rotz (Wurm) auf 
21 bezw. 18 bezw. 45; bei Maul- und Klauenseuche 19 bezw. 21 
bezw. 20; bei Pockenkrankheit auf 4 bezw. 3 bezw. —; bei 
Bläschenausschlag 226 bezw. 232 bezw. 235; bei Räude 215 
bezw. 252 bezw. 323; bei Rothlauf der Schweine 64 bezw. 80 
bezw. 236; bei Schweinepest (Schweineseuche) 674 bezw. 801 
bezw. 985. Lungenseuche und Rinderpest sind nicht vor¬ 
gekommen. 

Ungarn. 

Im April bezw. Mai bezw. Juni waren folgende Ortschaften 
verseucht: mit Milzbrand 120 bezw. 148 bezw. 230; Wuth 390 
bezw. 479 bezw. 487; Rotz (Wurm) 228 bezw. 253 bezw. 272; 
Maul- und Klauenseuche 13 bezw. 35 bezw. 45; Blattern 30 
bezw. 12 bezw. 8; Bläschenausschlag 58 bezw. 263 bezw. 278; 
Räude 2211 bezw. 2483 bezw. 2113; Rothlanf der Schweine 
191 bezw. 432 bezw. 971; Schweineseuche 904 bezw. 1387 
bezw. 2462. Lungenseuche kam nicht zur Beobachtung. 

Frankreich. 

Von Lungenseuche waren betroffen im April —, im Mai 5, 
im Juni — Gemeinden, geschlachtet wurden 34 ansteckungs¬ 
verdächtige Rinder, 2 Stück verendeten an dieser Seuche. Milz¬ 
brand trat auf im April in 33, im Mai in 28, im Juni in 29, 
Rotz in 45 bezw. 64 bezw. 56 Ställen; getödtet wurden wegen 
Rotz 69 bezw. 99 bezw. 54 Pferde. Die Zahl der gemeldeten 
wuthkranken Hunde belief sich auf 228 bezw. 183 bezw. 244 Stück. 


Die Maul- und Klauenseuche herrschte in 344 bezw. 369 bezw. 
323 Gemeinden. Die Schafpocken brachen ans in 22 bezw. 10 
bezw. 23, Schafräude in 21 bezw. 5 bezw. 6 Heerden aus. 
Rauschbrand kam in 48 bezw. 55 bezw. 59 Ställen vor. Rothlauf 
der Schweine wurde aus 8 bezw. 14 bezw. 19 Departements und 
die ansteckende Lungen- und Darmentzündung der Schweine aus 
12 bezw. 7 bezw. 9 Beständen, von 8 bezw. 7 bezw. 7 Departe¬ 
ments gemeldet. 

Belgien. 

Milzbrand 60 bezw. 41 bezw. 40; Rauschbrand 17 bezw. 19 
bezw. 25; Wuth 1 bezw. 2 bezw. 2, ausserdem wurden im 
April und Juui je 2 der Tollwuth verdächtige Hunde getödtet. 
Rotz (Wurm) 6 bezw. 4 bezw. 13, ausserdem wurden 10 Pferde 
in den Schlachthäusern für rotzkrank befunden, darunter 9 aus 
England iraportirte. 

Schweiz. 

Die Zahl der Erkrankungsfälle betrug: Milzbrand im April 31, 
im Mai 27, im Juni 22; Rauschbrand 37 bezw. 28 bezw. 72; 
Wuth — bezw. 2 bezw. —; Rotz (Wurm) 1 bezw. 5 bezw. 7; 
Maul- und Klauenseuche 43 bezw. 2 bezw. 1902; Räude 15 bezw. 
— bezw. —; Rothlauf der Schweine 171 bezw. 357 bezw. 246. 

Italien. 

Milzbrand wurde ermittelt bei 815 Thieren, Rauschbrand 
bei 70 Thieren. An Wuth erkrankten 91 Hunde und 17 andere 
Thiere. Rotz (Wurm) wurde in 133 Fällen, Maul- und Klauen¬ 
seuche in 11850 Fällen zur Anzeige gebracht. Schafpocken 
kamen bei 5, Räude bei 9765 Schafen und bei 34 Pferden vor. 
Schweineseuche wurde in 6624 Fällen festgestellt. 

Fleischschau und Viehhandel. 

Einführung der Reichsfleischbescliau in Prenssen. 

Ministerialerlass vom 10. November 1902. 

Durch allgemeine Verfügung des Ministeriums des Innern 
und für Landwirtschaft, Domänen und Forsten vom 10. November 
1902 wird bestimmt, dass an Stelle der bisherigen, insbesondere 
der in nachstehenden Erlassen: 

1. Runderlass, die Benutzung der Bestandteile trichinen¬ 
haltiger Schweine betreffend, vom 18. 1. 1876; 

2. Runderlass, die polizeilichen Anordnungen wegen der mit 
Finnen durchsetzten Schweine betreffend, vom 16. 2. 1876, 
nebst Grundsätzen für das gesundheitliche Verfahren bei 
finnigen Rindern und Kälbern vom 18. 11. 1897 und Zusatz¬ 
erlass hierzu vom 16. 6. 1898; 

3. Runderlass, betreffend die Geniessbarkeit und Verwertung 
des Fleisches von perlsüchtigem Schlachtvieh vom 26. 3. 1892; 

4. Runderlass, betreffend die Verwendung von Schweinen, die 
wegen Schweineseuche oder Schweinepest nothgeschlachtet 
sind, vom 9. 7. 1894; 

5. Rnnderlass, betreffend mit Echinococcen, Psorospermien 
und multiplen Blutaustritten durchsetztes Fleisch, vom 
28. 7. 1900 

enthaltenen Grundsätze für die Beurteilung der Genusstaug¬ 
lichkeit des Fleisches und für die weitere Behandlung des be¬ 
anstandeten Fleisches diejenigen zu treten haben, die iir den 
Ansführungsbestimmungen des Bundesraths zu dem Gesetze, 
betreffend die Schlachtvieh- und Fleischbeschau vom 3. Juni 
1900, namentlich in den §§ 35 bis 45 der Anweisung für die 


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1. Januar 1903. 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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Untersuchung und gesundheitspolizeiliche Behandlung des Schlacht¬ 
viehs und Fleisches bei Schlachtungen im Inlande (Anlage A 
zu der Bekanntmachung vom 30. 5. 1902) zur Geltung gebracht 
sind. Dabei ist jedoch zu beachten, dass das nach § 40 a. a. 0. 
als in seinem Nahrungs- und Genusswerth erheblich herabgesetzt 
zu erklärende Fleisch mindestens den in § 7 Absatz 1 des Aus¬ 
führungsgesetzes zum Fleischbeschangesetz vom 28. 6. 1902 
vorgesehenen Beschränkungen im Vertriebe unterworfen werden 
muss. Wo es an den für die Controle dieser Beschränkungen 
erforderlichen Einrichtungen, insbesondere zur Kennzeichnung pp. 
noch fehlt und solche binnen Kurzem auch nicht geschaffen 
werden können, wird es hinsichtlich der in § 40 d. B. B. A. 
gedachten Mängel des Fleisches bei den bisherigen Vorschriften 
sein Bewenden behalten müssen. Ueberhaupt wird für den 
Beginn der Anwendung der neuen Grundsätze ein je nach den 
örtlichen Verhältnissen verschieden zu bemessender Zeitraum 
gelassen werden müssen, dessen Bestimmung wir dem dortigen 
Ermessen anheimstellen. Es wird jedoch namentlich in den 
öffentlichen Schlachthäusern die Möglichkeit einer baldigen An¬ 
wendung fast überall gegeben sein. Sollten sich der Anwendung 
vor dem Inkrafttreten des Fleisclibeschaugesetzes Schwierig¬ 
keiten in den Weg stellen, so soll berichtet werden. 

Hiernach steht zu erwarten, dass die einzelnen Provinzial¬ 
verordnungen baldigst vorschreiben werden, welche der Bundes¬ 
rathsbestimmungen von nun an von den Thierärzten und Fleisch¬ 
beschauern bei der Ausübung der Fleischbeschau zu be¬ 
achten sind. 

In erster Linie werden die Grundsätze für die Beur- 
theilung der Genusstauglichkeit des Fleisches (§ 33 
bis 40 der B. B.) von jetzt ab Geltung haben. 

Entgegen den Bestimmungen der früheren Ministerialerlasse 
wird jetzt folgendes Verfahren bei der Ausübung der Fleisch¬ 
beschau und gesundheitspolizeilichen Behandlung des Fleisches 
eingeschlagen werden müssen. 

1. Beim Befund von Trichinen: Bei Hunden ist der 
ganze Thierkörper für untauglich zu erklären. Bei Schweinen 
ist der ganze Thierkörper mit Ausnahme des Fetts für un¬ 
tauglich zu erklären, das Fett ist als bedingt tauglich zu er¬ 
klären und kann durch Ausschmelzen zum Genüsse für Menschen 
brauchbar gemacht werden. Es unterliegt den in § 11 des 
Reichsgesetzes vorgesehenen Vertriebsbeschränkungen und muss 
in Gemeinden mit Schlachthauszwang auf der Freibank verkauft 
werden. 

2. Beim Befund von Finnen: Bei Hunden ist der ganze 
Thierkörper als untauglich zu erklären. Bei Schweinen, Schafen 
und Ziegen (Cysticercus cellulosae), sowie bei Rindern, (Cysti¬ 
cercus inermis) ist der ganze Thierkörper, ausgenommen das 
Fett, als untauglich zu erklären, wenn das Fleisch wässerig oder 
verfärbt ist, oder wenn die Schmarotzer, lebend oder abgestorben, 
auf einer grösseren Anzahl der ergiebig und thunlichst in Hand- 
tellergrösBe, besonders auch an den Lieblingssitzen der Finnen 
(§§ 24, 27 d. B. B.) anzulegenden Muskelschnitte verhältniss- 
mässig häufig zu Tage treten. Dies ist in der Regel anzunehmen, 
wenn in der Mehrzahl der angelegten Muskelschnittflächen mehr 
als je eine Finne gefunden wird. Die finnenfreien Eingeweide 
dürfen, falls andere Mängel nicht vorliegen, dem freien Verkehr 
überlassen werden. 

Ist das Fleisch der finnigen Rinder, Schweine, Schafe und 
Ziegen nicht wässerig, nicht verfärbt oder wenn auf der Mehrzahl 


der angelegten Muskelschnittflächen nicht mehr als eine Finne 
gefunden wird, so ist der ganze Thierkörper, mit nachstehender 
Ausnahme als bedingt tauglich zu erklären. Leber, Milz, Nieren, 
Magen und Darm der finnigen Thiere und das Fett der finnigen 
Rinder sind als genusstauglich zu behandeln, sofern sie bei sorg¬ 
fältiger Untersuchung finnenfrei befunden sind. 

Ist nur eine Finne vorgefunden und nach einer Durch¬ 
suchung des ganzen Körpers, auch nachdem eine Zerlegung des 
Fleisches in 272 hg schwere Stücke vorgenommen ist, eine 
weitere Finne nicht vorgefunden worden, so ist das Fleisch als 
tauglich, aber erheblich im Nahrungs- und Genusswerth herab¬ 
gesetzt zu erklären und in Gemeinden mit Schlachthanszwang 
auf der Freibank zu verkaufen, ohne dass es gekocht, gepöckelt 
oder drei Wochen gekühlt zu werden braucht. Die finnenfreien 
Eingeweide der Thiere und das Fett von Rindern sind dem 
freien Verkehr zu überlassen. 

3. Belm Befund von Perlsucht (Tuberculose): 

a) Bei hochgradiger Abmagerung in Folge der Perlsucht 
ist der ganze Thierkörper als untauglich zu erklären. 

b) Ohne hochgradige Abmagerung, 

«. bei Erscheinungen einer frischen Blnt- 
infection, die sich nicht auf die Eingeweide und 
das Euter beschränkt, ist der ganze Thierkörper 
mit Ausnahme des Fetts als untauglich zu erklären. 
Das Fett ist bedingt tauglich, muss ausgeschmolzen 
und in den Gemeinden mit Schlachthauszwang auf der 
Freibank verkauft werden. 

ft. bei Ausdehnung der Perlsucht auf mehrere 
Organe, wenn ausgedehnte Erweichungsheerde vor¬ 
handen sind oder Erscheinungen einer frischen 
Blutinfection sich zeigen, dieselben jedoch auf die 
Eingeweide und das Euter beschränkt sind, ist der 
ganze Thierkörper, mit Ausnahme der veränderten 
Theile, welche als untauglich zu behandeln sind, für 
bedingt tauglich zu erklären. Das Fleisch ist in 
diesem Falle zu kochen oder zu dämpfen und in den 
Gemeinden mit Schlachthauszwang auf der Freibank 
zu verkaufen. 

y. bei Ausdehnung auf mehrere Organe, wenn 
ausgedehnte Erweichungsheerde nicht vorhanden sind, 
tuberculöse Veränderungen sich nur in den Eingeweiden 
und im Euter finden, ohne dass Erscheinungen 
einer frischen Blutinfection zugegen sind, oder 
wenn die Perlsucht an den veränderten Organen, ohne 
dasB eine Verbreitung auf dem Wege des grossen 
Blutkreislaufs erfolgt ist, eine grosse Ausdehnung 
erlangt hat, so ist das Fleisch mit Ausnahme der ver¬ 
änderten Theile, welche als untauglich zu behandeln 
sind, als tauglich, aber im Nahrungs- und Ge¬ 
nusswerth erheblich herabgesetzt zu erklären. 
Das Fleisch kann in rohem Zustande auf der Freibank 
verkauft werden. Fleischviertel, in denen sich bei 
diesen Fällen eine tuberculöse Lymphdrüse befindet, 
sind als bedingt tauglich zu behandeln. Dieselben 
dürfen nur in gekochtem oder gedämpftem Zustande auf 
der Freibank verkauft werden. 

rf. bei Beschränkung auf ein Organ oder wenn 
bei Ausdehnung auf mehrere Organe die Verbrei¬ 
tung nicht auf dem Wege des grossen Blut- 


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20 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 1 


kreislaufs erfolgt ist, ausgedehnte Erweichungsheerde 
fehlen und die Krankheit an den veränderten Organen 
nur geringe Ausdehnung erlangt hat, so ist das 
Fleisch, mit Ausnahme der veränderten Theile, welche 
als untauglich zu behandeln sind, als tauglich ohne 
Einschränkung zu erklären. 

Ein Organ ist auch dann als tuberculös anzusehen, 
wenn nur die zugehörigen Lymphdriisen tuberculöse 
Veränderungen aufweisen; das Gleiche gilt von Fleisch¬ 
stücken, sofern sie sich nicht bei genauer Unter¬ 
suchung als frei von Tuberculöse erweisen. 

4. Beiße fnndvonSchweinesen che oder Schweinepest. 

Bei erheblicher Abmagerung oder Erscheinungen einer 

schweren Allgemeinkrankheit ist der ganze Thierkörper für un¬ 
tauglich zu erklären. In den übrigen Fällen sind nur die ver¬ 
änderten Theile als untauglich zu behandeln, der ganze Thier¬ 
körper muss aber als bedingt tauglich erklärt werden, und 
das Fleisch darf nur nach Durchkochung, Durchdämpfung oder 
Durchpökelung (§ 39 Ziffer 4 d. B. B.) in Gemeinden mit 
Schlachthauszwang auf der Freibank verkauft werden. 

5. BeiBefnndvonthierischenSchmarotzernin denEin- 
geweiden (Leberegel, Bandwürmer, Finnen,Hülsenwürmer,Gehirn¬ 
blasenwürmer, Rundwürmer, Miescher’sche Schläuche u. dergl.) 
sind, wenn das Fleisch nicht wässerig oder auffallend verfärbt 
ist, nur die mit den Schmarotzern durchsetzten Organe zu ver¬ 
nichten. Gestattet die Zahl und Vertheilung die gründliche 
Entfernung der Schmarotzer, so sind die Organe mit Ausnahme 
derjenigen, welche mit gesundheitsschädlichen Finnen behaftet 
sind, nach dem Ausschneiden der Schmarotzer als tauglich ohne 
Einschränkung zu erklären. Zeigen sich an dem Fleisch 
mässige Abweichungen in Bezug auf Farbe, Zusammensetzung 
und Haltbarkeit, so ist das Fleisch zwar als tauglich, aber im 
Nahrnngs- und Genusswerth erheblich herabgesetzt zu erklären 
und auf der Freibank zu verkaufen. Bei vollständiger Ab¬ 
magerung in Folge der Behaftung mit Schmarotzern ist der 
ganze Thierkörper als untauglich zu erklären. Beim Befund 
an Miescher’schen Schläuchen ist der ganze Thierkörper, wenn 
das Fleisch dadurch wässerig geworden oder auffallend verfärbt 
ist, mit Ausnahme des Fetts, welches als bedingt tauglich zu 
behandeln ist, für untauglich zu erklären. 

6. Beim Befund von multiplen Blutaustritten sind 
die veränderten Theile als untauglich zu behandeln. Bei 
mässiger Durchsetzung mit Blutungen ist das Fleisch für 
tauglich, aber im Nahrungs- und Genusswerth erheblich herab¬ 
gesetzt zu erklären und in Gemeinden mit Schlachthauszwang 
auf der Freibank zu verkaufen. 

7. Bei Befund sonstiger Krankheiten und Mängel 
sind ebenfalls die in den §§ 33 bis 40 d. B. B. enthaltenen 
Grundsätze nunmehr maassgebend. 

Dringend zu wünschen ist, dass nach den in den Bundes¬ 
rathsbestimmungen enthaltenen Grundsätzen bald überall im 
Deutschen Reich die Fleischbeschau ausgeübt wird, damit 
endlich die gleichmässige Beurtheilung und gesundheitspolizei¬ 
liche Behandlung des Fleisches Platz greift. Kühn au. 

Erhebungen über die Wirkung des $ 5 des preussischen Ausführungs- 
gesetzes zum Reichsfleischbeschaugesetz. 

Von dem preussischen Ministerium sind Erhebungen darüber 
veranlasst worden, in welchem Umfange bei den Nachunter¬ 


suchungen des nicht im öffentlichen Schlachthause ausge¬ 
schlachteten frischen Fleisches bisher Beanstandungen statt¬ 
gefunden haben, um danach ermessen zu können, welche 
Bedeutung in hygienischer Beziehung den Nachuntersuchungen 
beizulegen ist, und sodann über die Einnahmen und Ausgaben 
der öffentlichen Schlachthäuser, namentlich für die Nachunter¬ 
suchungen des eingeführten frischen Fleisches, um einen Ueber- 
blick über die financielle Wirkung zu gewinnen. 

Vergütung für die Ausbildung der Fleischbeschauer. 

Am ersten April 1903 tritt das Reichsfleischbeschaugesetz 
in Kraft. Zur Durchführung desselben ist erforderlich, dass bis 
dahin eine genügende Zahl von Beschauern zur Verfügung 
steht. Approbirte Thierärzte können ohne Weiteres als Be¬ 
schauer bestellt werden; nicht so Personen, welche nicht thier¬ 
ärztlich vorgebildet sind. Die Bestellung solcher Personen als 
Beschauer ist nach § 11 d. B. B. B. davon abhängig gemacht, 
dass sie nicht sich gewerbsmässig mit Ausübung der Thier¬ 
heilkunde beschäftigen, das Fleischer- oder Abdeckereigewerbe, 
den Fleisch- oder Viehhandel betreiben, oder Agenten eines 
Viehversicherungsunternehmens sind. Ferner müssen sie durch 
das Bestehen der vorgeschriebenen Prüfung genügende Kenntnisse 
nachgewiesen haben. Zur Prüfung werden nur Personen 
männlichen Geschlechts zugelassen, welche das 23. Lebensjahr 
vollendet und das 50. Lebensjahr noch nicht überschritten haben, 
körperlich tauglich und im Vollbesitz ihrer Sinne sind, sowie 
mindestens vier Wochen lang einen regelmässigen, theoretischen 
und practischen Unterricht in der Schlachtvieh- und Fleisch¬ 
beschau in einem öffentlichen Schlachthofe unter Leitung eines 
die Fleischbeschau dort amtlich ausübenden Thierarztes ge¬ 
nossen haben. 

Für die Art und Weise des Unterrichts bilden die An¬ 
forderungen, welche in der Prüfung an den Prüfling gestellt 
werden, die Grundlage. In dieser Hinsicht enthalten die §§ 5 
bis 7 des B. B. B. genaue Vorschriften. 

Von dem Prüfling wird im theoretischen Theil der Prüfung 
verlangt: 

1. Hauptkennzeichen der Gesundheit an lebenden Thieren; 

2. Benennung und regelrechte Beschaffenheit der einzelnen 
Organe und sonstigen Körpertheile der geschlachteten Thiere; 

3. Grundzüge der Lehre vom Blutkreislauf und vom Lymph- 
strom in Beziehung auf die Verbreitung von Krankheitserregern 
im Thierkörper; 

4. hauptsächliche Schlachtmethoden und gewerbsmässige 
Ausführung der Schlachtungen; 

5. Wesen und Merkmale der für die Fleischbeschau vor¬ 
nehmlich in Betracht kommenden Thierkrankheiten und fehler¬ 
haften Zustände des Fleisches; 

6. wesentliche Bestimmungen über die Schlachtvieh- und 
Fleischbeschau im Inlande; 

7. wichtige Bestimmungen über die Bekämpfung der Vieh¬ 
seuchen, namentlich in Bezug auf die Anzeigepflicht, Maass¬ 
nahmen vor polizeilichem Einschreiten und Schlachtverbote: 

8. Führung der Dienstbücher und Erstattung kurzer schrift¬ 
licher Berichte. 

Im practischen Theil hat der Prüfling innerhalb einer an¬ 
gemessenen Zeit folgende Arbeiten auszuführen. 

1. Aufnahme der Erkennungsmerkmale, sowie Untersuchung 
und Beurtheilung eines lebenden Sclilachtthieres mit Rücksicht 


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1. Januar 1903. 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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auf die Genusstauglichkeit des Fleisches gemäss den Aus¬ 
führungsbestimmungen zu dem Gesetze; 

2. vollständige Untersuchung und Beurtheilung eines ge¬ 
schlachteten Rindes, eines Schweines und eines anderen Stückes 
Kleinvieh (Kalb, Schaf oder Ziege) nach Vorschrift der ein- | 
schlägigen Bestimmungen: 

3. Bestimmung der Thierart, von der ein vorgelegtes Organ 
herrührt; 

4. Bestimmung und Erläuterung mehrerer veränderter 
Körpertheile von Schlachtthieren mit Rücksicht auf die Fleisch- | 
beschau. 

Wenn der Prüfling diesen Prüfungsbedingungen Genüge j 
leisten soll, so muss der Unterricht in der Mindestzeit von vier 
Wochen ausserordentlich intensiv gehandhabt werden. An jedem j 
Tag der Unterrichtszeit muss theoretischer und practischer J 
Unterricht ertheilt werden. Vormittags sind mindestens zwei j 
Stunden theoretischer Unterricht und Nachmittags mindestens 
zwei Stunden practischer Unterricht zu ertheilen. Daneben j 
empfiehlt es sich ausser der Zeit noch Repetitionen zu ver- j 
anstalten. 

Zur Ausbildung eines Fleischbeschauers sind demnach min- j 
destens 96 Unterrichtsstunden erforderlich. Wenn der Leiter | 
des Unterrichts diesen bedeutenden Ansprüchen an seine Lehr- ! 
thätigkeit voll und ganz entsprechen soll, dann muss ihm auch j 
die aufgewandte Mühe entsprechend honorirt werden. Die For- | 
derung eines Unterrichtshonorars von 50 Mark muss hiernach 
als eine durchaus mässige bezeichnet werden, denn es entfallen 
auf die einzelne Stunde knapp 50 Pfennige. In der sächsischen I 
Verordnung zur Ausführung des § 4 des Gesetzes vom 
1. Juni 1898, die Einführung einer allgemeinen Schlachtvieh- I 
und Fleischbeschau in Sachsen betr. vom 28. Juni 1898 ist 1 
ausdrücklich in Absatz 7 bestimmt worden, dass für die Zu- i 
lassung zum Unterricht der Bewerber vor dessen Beginn an 
den leitenden Thierarzt eine Gebühr von 50 Mark einzuzahlen 
hat. Wenn nun auch in der preussischen ministeriellen Ver- | 
fügung vom 1. August 1902 ein bestimmter Honorarsatz für | 
den Unterricht in der Fleischbeschau nicht bezeichnet worden . 
ist, so geht daraus doch hervor, dass die für Ertheilung des i 
Unterrichts zustehende Vergütung auf einen solchen Betrag zu 
bemessen ist, der mit der Leistung im Einklang steht. 

Um so mehr muss es befremden, dass in gewissen Regierungs- | 
bezirken Preussens ein ungewöhnlich niedriger Betrag als an- i 
gemessen bezeichnet worden ist. In östlichen Bezirken soll der 
Betrag von 20 Mark als angemessen bezeichnet worden sein. 
Ein solch niedriger Betrag ist durchaus unangemessen und 
geeignet, den Unterricht so oberflächlich zu gestalten, dass die 
Prüflinge den Anforderungen der Prüfungscommission nicht | 
genügen. Im thierärztlichen Standesinteresse ist zu fordern, | 
dass derartige Honorarvorschriften mit allen zulässigen Mitteln j 
bekämpft werden. Für die Arbeit, die den Schlachthofthier- 1 
ärzten mit der Ausbildung der Fleischbeschauer aufgebürdet i 
werden soll, gebührt ihnen auch der entsprechende Lohn. Die 
Ansbildung von Fleischbeschauern ist eine mühselige Arbeit und | 
stellt an die Lehrthätigkeit des Schlachthofthierarztes so erheb¬ 
liche Anforderungen, dass die Vergütung dafür auf mindestens i 
50 Mark für jeden Cursustheilnehmer zu bemessen ist. Von [ 
diesem Gesichtspunkt sollte bei der Bemessung der Gebühren in J 
allen Regierungsbezirken Preussens verfahren werden. Mit 
Sicherheit kann behauptet werden, dass nur unter dieser Voraus- | 


Setzung die Ausbildung der Fleischbeschauer so weit gefördert 
werden wird, dass sie den Anforderungen, welche die Durch¬ 
führung des Reichsfleischbeschaugesetzes stellen wird, werden 
entsprechen können. Kühn au. 

Welche Länder kommen als Bezugsquellen für Fleisch in Betracht? 

In England werden jetzt umfangreiche Erhebungen angestellf, 
um herauszubekommen, wie gross der Procentsatz ist, welchen das 
ausländische Fleisch bei der Fleischnahrung der Bevölkerung ein¬ 
nimmt. Die Fleischeinfuhr ist in den letzten zehn Jahren in Eng¬ 
land ungeheuer gestiegen. Im letzten Jahre wurden 938436 Tonnen 
Fleisch eingeflihrt. In letzter Zeit tritt indess bei den Einfnhr- 
mengen aus den Vereinigten Staaten von Nordamerika, welche 
45 Procent der gesammten Einfuhr aasmachten, ein bemerkbarer 
Rückgang ein, weil der Fleischbedarf in Amerika selbst beträchtlich 
zu genommen hat. Da die Vereinigten Staaten durchschnittlich be¬ 
züglich der Einwohner nm 21 Procent in dem Jahrzehnt gewachsen 
sind, kann man annehmen, dass durchschnittlich jedes Jahr 
200 000 Ochsen mehr in Amerika gebraucht werden. Dazu kommt, 
dass seit 1892 der Viehbestand in den Vereinigten Staaten ständig 
abgenommen hat. Während der Fleischviehbestand 1892 sich noch 
auf 37 651000 Stück bezifferte, beträgt er nach der letzten Vieh¬ 
zählung nur noch 27 610 000 Stück. Untei diesen Umständen ist 
es nothwendig, dass man sich umsicht, welche Länder etwa noch 
als Bezugsquellen für Fleisch in Betracht kommen können. Die 
Länder, welche sich jetzt schon an der Versorgung des englischen 
Marktes mit Fleisch betheiligen, sind: 


Flächeninhalt Anzahl 

Quadratmeilen Rinder Schafe 

Argentinien. 2 903 000 28000 000 110 000000 

Australien. 7 650 000 10 000 000 70000000 

Neu-Seeland .... 272000 800000 18500000 

Vereinigte Staaten . . 2 970 038 67.822 336 61608 811 

Uruguay. 185 000 6 000 000 18 000 000 

England. 121000 11376 000 30100000 


Auf den Kopf der Einwohner entfallen demnach in den Ver¬ 
einigten Staaten 0,88 Rinder und 0,8 Schafe, in Argentinien 6 Rinder 
und 26 Schafe, in Australien 2 Rinder und 14 Schafe, in Neuseeland 
1 Rind und 22 Schafe und in Uruguay 6 Rinder und 18 Schafe. Mexico 
und Canada, welche in dieser Aufstellung nicht in Betracht gezogen 
sind, kommen in der nächsten Zukunft auch wohl .als Bezugsquellen 
sehr in Betracht, indessen ist entschieden Argentinien dasjenige 
Land, welches in der weiteren Zukunft als Hauptbezugsquelle für 
Fleisch in Betracht gezogen werden muss. 

Gestaltung der amerikanischen Fleischausftihr. 

Aus dem kürzlich von dem englischen Consul Mr. Erskine 
in Chicago über den Vieh- und Fleischhandel der Vereinigten 
Staaten von Nordamerika erstatteten Bericht ist folgende in¬ 
teressante Betrachtung zu entnehmen. Mr. Erskiue sagt, gegen¬ 
wärtig sind die Preise für Fettvieh in Amerika sehr hoch. Die 
erhöhten Preise, welche den Landwirthen gezahlt werden müssen, 
haben den Preis des Fleisches nicht nur in Amerika, sondern auch 
in England steigen lassen. Die Frage der Fleischversorgung von 
den Vereinigten Staaten aus wird binnen Kurzem ernsteste Auf¬ 
merksamkeit erheischen, obwohl eine beinerkenswerthe Abnahme 
der Viehproduction in Amerika nicht in Erscheinung getreten ist. 
Die Bevölkerung der Vereinigten Staaten hat im letzten Jahrzehnt 
um 21 pCt., d. h. jedes Jahr um ungefähr 1500000 Einwohner zu¬ 
genommen. Der Fleischexport, welcher den Productionsliberschuss 
abgeführt hat, wird dadurch am ersten berührt werden, da, wenn 
man die Ausfuhrkosten zu den Grosspreisen hinzurechnet, in 
Amerika mehr für das Fleisch bezahlt wird, als in Europa erzielt 
werden kann. Der jährliche Bevölkerungszuschuss von 1500000 
Menschen erfordert bei einem Jahresverbrauch von 70 Pfund pro 
Kopf der Bevölkerung einen Mehrbedarf von 105000000 Pfund. 
Das sind etwa 200000 Rinder, die jedes Jahr in Amerika mehr 
verbraucht werden. Amerika dürfte deshalb als Fleischbezugs¬ 
quelle für Europa in absehbarer Zeit nicht mehr in Betracht 
kommen. K. 


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BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No 1. 


Fleischtransport — -Fellbieten. 

Kammergerlchtsentsoheidung vom 25. September 1902. 

Nach der Entscheidung des Kammergerichts 

1. ist es unzulässig, auf Grand der die Errichtung öffent¬ 
licher Schlachthäuser betreffenden Gesetze vom 18. März 1868 
und 9. März 1881 vorzuschreiben, dass beim Import von Fleisch 
dieses als „eingebrachtes Fleisch“ durch eine Tafel, welche an 
dem Transportmittel angebracht ist, gekennzeichnet werde; 

2. ist nnter dem Feilbieten einer Waare deren Bereit¬ 
stellen und Zugänglichmachen unter positiven, zum Kauf an¬ 
regenden Handlungen zu verstehen. 


Fleischabschfitzung bei der staatlichen Schlachtvlehversicherung im 
Königreich Sachsen. 

Gemäss § 14 des Gesetzes, die staatliche Schlachtviehversicheruug 
betreffend, vom 2. Juni 1898 sind von dem Verwaltungsausschusse 
der Anstalt für staatliche Schlachtviehversicherung für die Zeit vom 

1. Januar bis 31. März 1903 die der Ermittelung der Ent¬ 
schädigungen nach § 2 des angeführten Gesetzes zu Grunde zu 
legenden Durchschnittspreise für die einzelnen Fleischgattungen für 
je 50 kg Schlachtgewicht wie folgt festgesetzt worden: 

Ä. Ochsen: 

1. vollfleischige, ausgemästete, höchsten Schlachtwerthes 

bis zu 6 Jahren.69 — M. 

2. junge fleischige — ältere ausgemästetc.66,— „ 

3. mässig genährte junge — gut genährte ältere . . . 62,50 „ 

4. gering genährte jeden Alters. 57,50 „ 

5. abgemagerte.44,— „ 

B. Kalben und Kühe: 

1. vollfleischige, ausgemästete Kalben höchsten Schlacht¬ 
werthes*) .66,— ,, 

2. vollfleischige, ausgemästete Kühe höchsten Schlacht¬ 
werthes bis zu 7 Jahren**). 63,50 „ 

3. ältere ausgemästete Kühe und gut entwickelte jüngere 

Kühe und Kalben. 60,50 „ 

4. gut genährte Kühe und mäSBig genährte Kalben . . 56,50 „ 

5. gering bezw. massig genährte Kühe und gering ge¬ 
nährte Kalben.51,50 „ 

6. a) abgemagerte desgl. 38,— „ 

b) länger kranke, bezw. durch Kr&ukheit abgemagerte 

Thiere***).30,— „ 

C. Bullen: 

1. vollfleischige höchsten Schlachtwerthes. 63,50 „ 

2. mässig genährte jüngere und gut genährte ältere. . 60,50 „ 

3. gering genährte. 57,50 „ 

4. abgemagerte.47,— „ 

D. Schweine: 

1. vollfleischige der feineren Rassen und deren Kreuzungen 

im Alter bis zu 1 */ 4 Jahren f). 66,50 „ 

2. fleischige f). 64,50 „ 

3. gering entwickelte Mastschweine, sowie ausgemästete 

Schnitteber (Altschneider) und Sauen ff).61,— „ 


*) Zu B 1. Unter Kalben sind weibliche Rinder zu verstehen, 
welche noch nicht geboren haben. Länger als 5 Monate trächtige 
Kalben gehören nicht zu Gruppe B 1. 

**) Zu B 2. Länger als 5 Monate trächtige Kühe, sowie Kühe, 
welche kurze Zeit nach dem Kalben, oder wegen einer im An¬ 
schlüsse an das Kalben eingetretenen Krankheit geschlachtet 
werden, gehören nicht zu Gruppe B 2. 

***) Zu B 6b. Hierunter gehören vor Allem auch solche 
Thiere, welche sich bei der Fleischbeschau als tuberculös und 
dabei derart abgemagert erweisen, dass ihr Fleisch als völlig 
genussuntauglicb erachtet werden muBS. Es ist ohne Belang, ob 
die Krankheit, welche die Abmagerung bedingt hat, eine offen¬ 
sichtliche war oder nicht. 

f) Zu D 1 u. 2. Zu diesen Gtuppen gehören nur Schweine, 
welche noch' nicht zur Zucht verwendet worden sind. 

ft) Zu D 3. Hochträchtige, sowie solche Sauen, welche erst 

g eferkelt haben, bez. noch ihre Jungen ernähren, gehören in der 
egel nicht zu Gruppe D 3, sondern D 4. 


4. nicht ausgemästete Sauen, sowie Zuchtsauen und 


Zuchteber.48 - M. 

5. abgemagerte.40,— „ 


Dresden, den 17. Dccember 1902. 

Der Verwaltungs-Ausschuss 
der Anstalt für staatliche Schlachtviehversichcrung. 
Dr. Bonitz. 


A. Schlachthof. 



Rinder 

Kälber 

Schafe 

Schweine 

Geschlachtet und untersucht 

13 839 

10 564 

31808 

64 596 

Ganz beanstandet .... 

279 

89 

16 

371 

Ueberhaupt mit Tuberculose 
behaftet. 

2 381 

72 

3 

3 372 

Davon gänzlich verworfen . 

91 

2 

— 

49 

„ wurden der Polizeibe¬ 
hörde zur Sterilisation 
überwiesen. 

83 

10 

2 

223 

„ theilweise verworfen . . 

11 

— 

— 

— 

Also vollständig freigegeben 

2196 

60 

1 

3100 

Mit Trichinen behaftet. . . 

— 

— 

— 

6 

Mit Finnen behaftet . . . 

72 

2 

— 

29 

Stark finnig, technisch ver- 
werthet. 

1 



10 

Finnig und wässerig, tech¬ 
nisch verwerthet .... 





Schwach finnig, wurden der 
Polizeibehörde zurKochung 
überwiesen . 

71 

2 


19 

Ausserdem wegen Bebaftung 
mit Kalkconcrementen, mul¬ 
tiplen Blutungen u. s. w. 
wurden der Polizeibehörde 
zur Kochung überwiesen. 



_ 

24 


An einzelnen Organen und Theilen wurden beanstandet: bei 
Rindern 5528 Stück, bei Kälbern 192 Stück, bei Schafen 12530 Stück, 
bei Schweinen 14 314 Stück. 


B. Untersuchungsstationen. 



Rinder¬ 

viertel 

Kälber 

Schafe j 

Schweine 

Untersucht. 

23 303 

10 829 

2 226 

9 893 

Beanstandet. 

20 

20 

— 

9 

Wegen Tuberculose wurden 





beanstandet. 

12 

— 

— 

2 

Davon wurden der Polizei¬ 
behörde zur Sterilisation 





überwiesen . 

8 

— 

— 


Mithin gänzlich verworfen . 

4 

— 

— : 

2 

Mit Trichinen behaftet. . . 

— 

— 

— 1 

— 

Mit Finnen behaftet.... 

— 

— 

— 1 

— 

Davon schwach finnig, wurden 
der Polizeibehörde zur 





Kochung überwiesen. . . 

— 

— 

— 

— 


Unter dem eingeführten Fleisch waren 1818 dänische Rinder¬ 
viertel, 22 dänische Kälber, 238 österreichische Schweine und 169 
Wildschweine. 


Berlin, den 5. December 1902. 

Der Director der städtischen Fleischbeschau. 
Reissmann. 


Bücherbesprechungeil *). 

Handbuch der Anatomie der Thiere, für Künstler; von Ellenberger, 

Baum und Maler Dittrich. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung 
Theodor Weicher, Leipzig. I. Band 40 M. 

*)Von den eingesandten Büchern etc. wird hierunter der Titel u.s.w. 
mitgetheilt, eine Verpflichtung zu eingehender Besprechung jedoch 
nicht übernommen; letztere bleibt Vorbehalten. Die Redaction. 


Die ersten beiden Lieferungen des interessanten Werkes 
habe ich schon in No. 49 des Jahrganges 1899 der B. T. W. 
besprechen können. Das Ganze ist gedacht als eine Anatomie 
der Wirbelthiere. Für uns haben natürlich die Haussftugethiere 
das grösste Interesse. Das ganze Werk soll etwa 90 Tafeln 
in elf Lieferungen umfassen. 


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1. Jannar 1908. 


BERLINER THIERARZTLK’IIE WOCHENSCHRIFT. 


23 


Seit geraumer Zeit liegt nun der erste Band abgeschlossen 
vor, welcher das Pferd und das Rind darstellt; dem ersteren 
sind 24, dem letzteren 16 Tafeln gewidmet. 

Der Character des Werkes wird sich am besten aus einer 
Uebersicht über die gebotenen Darstellungen ergeben. Elf von 
den 24 Tafeln des Pferdes geben Uebersichtsbilder über den 
ganzen Körper, Tafel 1, 2, 22 und 3 von der Seite, 9 und 10 
von vorn, 11 und 12 von hinten, 19 und 20 von oben, 21 von 
unten. Tafel 1 zeigt das Pferd in der Haut, Tafel 2 ober¬ 
flächliche Muskeln, Tafel 22 tiefere Muskeln, Tafel 3 das Scelett 
in den Körpercontouren; ähnlich sind auch die übrigen Ansichts¬ 
flächen des Körpers behandelt 

Die anderen Tafeln geben Körpertheile wieder: 6, 7 und 8 
Kopf, 4 und 5 Vorderbein in verschiedenen Stellungen, 18 und 
17 Gelenke, 23 und 16 Hinterbein, 16 und 15 Fuss, 13 und 14 
Uebersichtsscizzen und 24 den Haarstand auf allen Körperflächen. 

Die 16 Tafeln des Rindes sind, mit einigen Kürzungen, 
ähnlich disponirt; 8 von ihnen enthalten Uebersichtsbilder des 
ganzen Körpers. 

Was die anatomischen Einzelheiten anlangt, so sind haupt¬ 
sächlich Knochen, Muskeln und Bänder dargestellt, Gefässe nur 
vereinzelt. Entbehrlich erscheinen mir für den Hauptzweck 
des Buches die eingeflochtenen Querschnitte. 

Die Zeichnungen sind tadellos. Die Reproduction ist durch 
Lichtdruck bewirkt, welcher namentlich die vom Künstler höchst 
characteristisch aufgefassten Muskeln hervorragend schön zur 
Geltung bringt. Die Autoren haben in der Auswahl der An¬ 
sichten Vorzügliches geleistet. Kurz, man darf Gedanken und 
Ausführung des Werkes uneingeschränkt loben und die drei 
Herausgeber zu demselben beglückwünschen. 

Den Tafeln sind Legenden in besonderen Heften beigegeben. 
Zur Ergänzung dient ein Textband, der bereits das ganze Tafel¬ 
werk umfasst, auf dessen nähere Besprechung hier verzichtet 
werden kann. 

Für uns kommt es natürlich auch besonders auf die Frage 
an, ob und inwieweit das schöne Werk auch für Thierärzte 
brauchbar ist. Unzweifelhaft wird jeder Thierarzt, der ohne 
Weiteres in der Lage ist, sich das Werk zu verschaffen, 
davon Vergnügen und Nutzen haben. Aber ich möchte wohl 
wünschen, dass gewisse Theile des Werkes sich allgemeiner 
einbürgerten, als dies hinsichtlich des ganzen kostspieligen 
Werkes zu erwarten ist. Neben den Säugethieren haben die 
übrigen Wirbelthiere für den Thierarzt ein geringeres Interesse. 
Von den Säugethieren wieder sind die Darstellungen des Pferdes 
nicht geeignet, andere anatomische Bildwerke zu ersetzen, da sie 
eben hauptsächlich für besondere Zwecke hergestellt sind und viele 
medicinisch unentbehrliche Details nicht enthalten. Dagegen haben 
wir namentlich vom Rind und Schwein keine besonderen Bild¬ 
werke in der Veterinärlitteratur. Hier würden die betreffenden 
Theile des vorliegenden Werkes einem Bedürfniss abhelfen. 
Ich möchte zur Erwägung stellen, ob es sich nicht empfehlen 
würde, die je eine Hausthierart behandelnden Theile des Werkes, 
einzeln zum Verkauf zu stellen; es würde dies ihrer Ver¬ 
breitung unter den Thierärzten dienlich und für die Bereicherung 
der speciellen Veterinärlitteratur willkommen sein. 

Schmaltz. 

Bacteriologische Diagnostik. Zum Gebrauche in den bacterio- 
logischen Laboratorien und zum Selbstunterrichte. Für Aerzte, 
Thierärzte und Botaniker. Von Teisi-Matzuschita, Dr. med. 


et. phil. Mit 17 Abbildungen. Jena. Verlag von Gustav 
Fischer 1902. Preis 15 Mk. 

Die gebräuchlichen Lehr- und Handbücher der Baeteriologie 
leisten Vorzügliches für denjenigen, welcher sich über das Ge- 
sammtgebiet zu informiren wünscht. Sobald es sich jedoch 
darum handelt, Vorgefundene Bacterien genau zu bestimmen, 
treffen wir auf Schwierigkeiten. In dem richtigen Erkennen 
dieses Umstandes hat Verf. kurze, übersichtliche Tabellen 
herausgegeben, an der Hand deren es auch für den Anfänger 
möglich ist, die Diagnose der Bacterien zu bewerkstelligen. 
Natürlich hat der Verf. nicht die Unzahl der Bacterien, welche 
in dem 660 Seiten starken Werk genannt sind, selbst gezüchtet, 
aber bei einem Drittel derselben hat er die Beschreibung an 
der Hand eigener Beobachtungen vorgenommen. Er trifft die 
Eintheilung 1. in solche Bacterien, welche die Fleicligelatine 
verflüssigen, 2. in solche, welche dieselbe nicht verflüssigen. 
3. in Bacterienarten, welche auf Fleichgelatine oder unter 20° C. 
nicht wachsen. 4. in der Litteratur bisher noch nicht genau 
beschriebene, wichtige Bacterienarten und 5. auf Nährböden 
bisher noch nicht gezüchtete, wichtige Bacterienarten. Des 
weiteren sind die Bacterienarten nach ihren Fundorten geordnet, 
also Bacterien im Wasser, in der Luft, in der Erde, iin Staub, 
in Fischen, in der Milch, in Würsten, im Eiter u. 8. w. Aus 
allem diesem geht hervor, dass es mit Dank anzuerkennen ist, 
wie sich der Verfasser dieser ausserordentlich mühevollen 
Arbeit unterzogen hat. Ein derartiges Buch hat thatsächlich 
gefehlt, und es wird kaum eine bacteriologische Arbeitsstätte, 
sei es nun im Schlachthause, oder sei es diejenige des beamteten 
Thierarztes oder des Privatthierarztes, diese bacteriologische 
Diagnostik entbehren können. Jess. 

Die Gefahren des Fieischgenusses und ihre Verhütung. In gemein¬ 
verständlicher Darstellung von Oscar Oppenheim, Stadtthierarzt in 
Lundenburg. Commissionsverlag von Carl Knobloch. Leipzig 1902. 
Preis 1,70 M. 

Der Verfasser, welcher als Sanitätsthierarzt schon manche ein¬ 
schlägige Arbeit geliefert hat, giebt in seinem Werk eine in gemein¬ 
verständlicher Form gehaltene Uebersicht über die Schlachtmethoden 
und Fleischbeschau, um auch dem Laien es zu ermöglichen, sich 
ein Bild von den Gefahren des Fleischgenusses zu machen und sich 
vor dem Genuss von verdächtigem Fleisch in Acht zu nehmen. 
Gerade jetzt, bei der Durchführung der Fleischbeschau, wo die 
Tbierbesitzer bei Vornahme von Hausschlachtungen zur Befolgung 
gewisser Bestimmungen angehalten werden, kann das Erscheinen 
des Werkes als zeitgemäss erachtet werden. Jeder gebildete Leser 
wird sieb leicht Uber die Beschaffenheit des Fleisches, die Art und 
Weise der Erschlachtung und Herrichtung und die demselben an¬ 
haftenden Fehler und Mängel leicht orientiren können. Das Büchlein 
sollte ans diesem Grunde in keiner Haushaltung fehlen. 

Kühnau. 

Gesetz betreffend die Schlachtvieh- und'Fleischbeschau vom 3. Juni 
1900 nebst Ausführungsbestimmungen. Herausgegeben und erläutert 
von Dr. K. von Buchka, Geb. Regierungsrath und Vortragender Rath 
im Reichsschatzamt. Berlin, Verlag von Julius Springer. 1902. 

Die Gesetze und Ausrührungsbestimmungen sind so znsammen- 
gestellt, dass sie ein Eindringen in den Stoff leicht gestatten. Be¬ 
sonders ist die Zusammenstellung für die Nahrungsmittelchemiker 
bestimmt. Aber auch anderen Interessenten ermöglicht die Zu¬ 
sammenstellung eine rasche Orientirung. Namentlich soll sie zugleich 
als Ergänzung zu der von v. Buchka herausgegebenen Nahrungs- 
mittelgesetzgebung dienen. Kühnau. 

Verkehrsbuch für den Breslauer Schlachtviehmarkt 
für das Winterhalbjahr 1902/1903. — Das Heftchen macht zum 
ersten Mal den Versuch, den Interessenten eine Orientirung 
über Verkehr und Verkehrsgelegenheiten eines grossen Schlacht¬ 
viehmarktes zur practischen Benutzung zu bieten. 

Das Schlachten, erläutert auf Grund zahlreicher neuer 
Gutachten, im Aufträge des Heidelberger Thierschutzvereins von 


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24 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 1. 


Hei Carl 1 Wohnung etc., keine Privatpraxis; 1 Probejahr, lebenslängliche 
Anstellung. — Ilainmerstein: Schlachthausinspcctor. Derselbe 
hat die Fleischbeschau und Trichinenschau allein auszufiihren. 


Medicinalrath Dr. Mittermaier. Heidelberg 1902 
Winter. 

Verwaltungsberichte der Vieh- und Schlachthöfe zu 
Breslau, Dresden, Magdeburg, Würzburg. — Bericht über die 
Schlachtvieh- und Fleischbeschau in Sachsen im Jahr 1901. 

Personalien. 

Ernennungen: Der bisherige Decement für das Veterinärwesen 
beim Reiehsamt des Innern, Geheimer Oberregierungsrath Dr. Kelch 
ist bekanntlich zum Präsidenten des Bundesamtes für das Heimat¬ 
wesen ernannt. In seine bisherige Function ist der frühere Ober¬ 
regierungsrath beim Berliner Polizeipräsidium, Dr. Kautz, ein¬ 
getreten. 

In Nürnberg wurden dem Director des Vieh- und Schlachthofes, 
Bezirksthierarzt Rogner, Rang, Gehalt und Rechte eines städt. 
Oberingenieurs und den Sanitätsthierärzten Dr. Zagelmeier und 
Dr. BaalBz Stabilitätsrechte verliehen. 

Der c. Kreisthierarzt Franz Sziliat ist definitiv zum Königl. 
Kreisihierarzt in Zeven (Hannover), Thierarzt Dr. Hofmann zum 
Amtsthierarzt der städtischen Fleischbeschau in Dresden, Thierarzt 
Karl Theodor Wolff zum Assistenzthierarzt am Schlachthof in 
Plauen ernannt worden. 

Wohnsitzverfinderungen, Niederlassungen etc.: Verzogen ist Thier¬ 
arzt Jürgen Junge von Wilster nach Friedrichstadt (Kreis 
Schleswig). Niedergelassen hat sich Thierarzt Baumgarten in 
Luckenwalde. 

Examina: Approbirt in Hannover die Herren: Waldemar 
Nicolaus, Paul Wilde, Karl Glässer. 

Gestorben: Thierarzt Gebhard in München. Bormann, R.-A. 
a. D. in Kruschwitz. 

Yacanzen. 

Kreistblerarztstellen etc.: a) Neu ausgeschriebene Stellen: 
Keine. 

b) Nach Ablaufder Meldefrist noch unbesetzte Stellen: 
R.-B. Arnsberg: Altena mit dem Wohnsitz in Lüdenscheid. — 
R.-B. Au rieh: Wittmund z. 1. Febr. 1903. — R.-B. C oblenz: 
Meisenheim (600 M. Gehalt; 650 M. Zuschuss). — R.-B. Düssel¬ 
dorf: Mörs nördlich mit Wohnsitz in Xanten. — R.-B. Königs¬ 
berg: Neidenburg, Kreis- und Grenzthierarztstelle (nicht aus¬ 
geschrieben). — R.-B. Magdeburg: Osterburg.— R.-B. Osnabrück: 
Meppen (600 M. Gehalt, 300 M. Stellenzulage, 500 M. Kreiszuschuss 
für Unterricht an der landwirthschaftlichen Winterschule). — R.-B. 
Trier: Bitburg-West (Wohnsitz Neuenburg; 600 M. Staatsgehalt; 
1000 M. Kreiszuschuss; 500 M. für Trichinen- und Finnenschau aus 
der Gemeindekasse). — R.-B. Wiesbaden: Untertaunuskreis mit 
dem Wohnsitz in Langenschwalbach. 

Sanitätsthierarztstellen : a) Neu ausgeschriebene Stellen: 
Krojanke: Tbierarzt für Fleischbeschau. Jährliche Renumeration 
von 1200 Mark von der Stadt. Bewerbungen bis 25. Januar an 
den Magistrat. — Neumünster: Zwei Thierärzte p. 1. IV. 03 für 
Schlachtvieh- und Fleischbeschau. Gehalt 3000—4000 Mark. Be¬ 
werbungen bis 15. Januar an den Magistrat. Persönl. Vorstellung. 

b)Nach Ablauf der Meldefrist noch unbesetzte Stellen: 
Beuthen: Assistenzthierarzt 2100 — 3000 M. — Clausthal- 
Zellerfeld: Thierarzt für Fleiscbschau. 3000 M. Fixum von der 
Fleischer-Innung. — Cöln: Schlachtbofthierarzt I. CI., Anfangs¬ 
gehalt 3000 M. (eventl. mehr), steigend bis 4800 M., keine Privat¬ 
praxis, sechsmouatl. Probezeit, dann Anstellung mit Pensions¬ 
berechtigung, jedoch kündbar. Bew. an die Schlachthofdirection. 

— Eschwege: Schlachthofvorsteher, 2100 M. Gehalt, steigend bis 
3300 M. Wohnung etc. Anstellung auf dreimonatliche Kündigung. 

— Gardelegen: Stelle des SchlachthoFinspectors. Pensions- 
berechtigtes Gehalt 1800 M., freie Wohnung und Feuerung. Privat¬ 
praxis gestattet. — Görlitz: Für den städt. Schlachthof wird zum 
1. Januar 1903 ein technisch. Assistent gesucht. Gehalt 1800 M., 
steigend von 3 zu 3 Jahren um 300 M. bis 3600 M. Dienstwohnung, 
Pensionsberechtigung.— Gollnow: Inspector, 2250—3000 M., freie 


! (1800 M. Privatpraxis gestattet. 6 Monate Probezeit, darauf viertel¬ 
jährliche Kündigung) — Langendreer: Thierarzt fiir Fleisch¬ 
schau mir. 1800 M. fest (ohne Pensionsberechtigung) Privatpraxis, 
i Schlachthausbau in Aussicht. Bew. an Amtmann Schüler. — 
i Langensalza: Director 2000 bis 2700 M., freie Wohnung etc., 
| Pensionsberechtigung. 1 Probejahr. 1000 M. Caution. — Lim¬ 
burg a. L.: Vorsteher 1800 bis 2400 M. Sechs Monate Probezeit. — 
Lindow: Fleischbeschau. Lohnende Privatpraxis. — Marklissa: 
Thierarzt Für Fleischschau mit 1600 — 2000 M.; ausserdem Privat¬ 
praxis. Bewerbungen an die Polizeiverwaltung. — Neuenburg: 
Inspector, 1600 M., freie Wohnung. Halbjährliche Probezeit — 
Plettenberg (Westfalen): Thierarzt für die ambulatorische Fleisch¬ 
beschau (ca. 1200 M. aus der Fleischbeschau, ausserdem Privat¬ 
praxis). Bewerbungen an den Amtmann. — Rakwitz (Posen): 
Schlachtviehbeschauer zum 1. October er. (ca. 1500 M. und Privat¬ 
praxis). Meldungen an den Magistrat. — Rastenburg: Inspector 
zum 1. April 1901 oder früher. — Teuchern (Prov. Sachsen): 
Thierarzt für Praxis und Fleischbeschau. (Aus letzterer 1500 M. 
Gebühren.) Bewerbungen an den Magistrat. — Ueckendorf: 
I Inspector zum 1. März 1903. Ein Jahr Probezeit; kann nach- 
I gelassen werden. :t000 M., freie Wohnung etc. Keine Privat¬ 
praxis. Bew. an Amtmann Wedelstädt. — Vacha a. W.: Thierarzt. 
(1200 M. Fixa aus der Trichinenschau und staatlichen bezw. Ge- 
meindezuschüssen. Privatpraxis.) Gesuche an den Bürgermeister. 

— Wan ge rin: Sanitätsthierarzt sofort. (Privatpraxis gestattet). 
Auskunft beim Magistrat. — Wegeleben: Fleischbeschau; Privat¬ 
praxis. Anmeld, bei der Polizeiverwaltung. 

Privatstellen: Alpen: (Niederrhein): Thierarzt. Auskunft beim 
Bürgermeister. — Castellaun (Rheinpro v.): Thierarzt. Demselben wird 
die Vieh- und Fleischbeschau (jährl. 850Mark) übertragen. Die Bürger¬ 
meisterei zahlt in den ersten drei Jahren einen jährl. Zuschuss von 
450 Mark. Meldungen an den Bürgermeister. — Fiddichow (Oder): 
i Thierarzt. Auskunft beim Bürgermeister. — Kemberg: Thierarzt. 

— Kobylin (Posen): Deutscher Thierarzt (750 M. Staatszuschuss). 
Meldungen an das Landrathsamt in Krotoschin. — Mehlsack in 
Ostpreussen. — Niemegk (Bez. Potsdam): Thierarzt fiir Praxis. 
Auskunft beim Magistrat. — Schkölen (Thüringen): Thierarzt. 
Anfragen an den landwirthschaftlichen Verein daselbst. — See¬ 
burg (Ostpr.): Thierarzt. Demselben wird die Schlachthausaufsicht 
mit übertragen. Bewerbungen an den Magistrat 


Redaotionelle Mittheilung. 

Die Herren Autoren wollen davon Kenntniss nehmen, dass 
die von nachstehend verzeichneten Herren noch im Jahre 1902 
eingeeandten Originalartikel zur Veröffentlichung im laufenden 
Jahrgang der B. T. W. gelangen: Dr. E . . r in N . . t; J. v. K 
in K (Ungarn); L . . t in St . . g; F . . s in Abo (Finnland); 
W . . 1 in W . . r; H . . n in B . . n; B . . t in B . . n; M . . r 
in H . . g; Prof. L . . in New-York; S . . n in H . . k; 11 . . e 
in H . . n; Dr. G . . k in D . . n; Dr. D . D. in Budapest; K . . e 

in Z . . k; Dr. M . . r in B . . z; B . . k in H . . g; Dr. II . . k 

in P . . n; A . . n in T . . g; P . . n in A . . t; B . . 1 in 

R . . d (Holland); Dr. B . . t in 0 . . n; E . . t in N . . s; Z . r 

in P . . z. (Böhmen). — 

Separatabzüge von Originalartikeln. 

Die Herstellung von Separatabzügen in besonderem Format 
macht verhältnissmässig erhebliche Kosten. Es ist daher allgemein 
üblich, den Autoren nur die betreffende Nummer resp. das Stück 
derselben, welches die Arbeit enthält, in einer Anzahl von 
Exemplaren zur Verfügung zu stellen, besondere Separatabzüge 
aber nur auf Kosten der Autoren hersteilen zu lassen. Die Verlags¬ 
buchhandlung hat jedoch, sobald Umfang und Inhalt der Artikel 
dazu besonderen Anlass gaben, bisher stets kostenfrei Separat- 
I abztige herstellen lassen und wird dies auch ferner thun. Bei 
kleineren Artikeln werden den Herren Autoren einfach drei Exemplare 
der betreffenden Nummern zur Verfügung gestellt; wird eine grössere 
Zahl gewünscht, so wird dieselbe gern gegeben, sofern dies bei der 
i Verlagsbuchhandlung vor dem Druck der Nummer bestellt wird. 


Verantwortlich für den Inhalt (excl. IuHoratentheil;: Prof. Dr. Schmält* in Berlin. — Verla»? und Eigentluun von Klchard Sclioet* in Berlin. — Druck von W. Büxenatcin, Berlin. 


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IM« (Berliner Thler&raiLiche Wochenschrift* erscheint 
wöchentlich im Verlage tob Richard Sehoeta ln 
Berlin, Lnlaenstr.86. Dnrch Jede« deutsche Postamt wird 
dieselbe snm Preise von M. 5,— ▼lerteljthrllch (M. 4, s 8 für 
dl« Wochenschrift, II Pf. fflr Bestellgeld) frei in’* Haus 
geliefert (Deutsche Post-Zeitungs-Preisliste No. 1101, 
Oesterrelcblsche No. 510, Ungarische No. 90.) 


Berliner 


Originalbeitrage werden mit 60 Xk. für den Bogen honortrt 
▲Ile Manuscripte, Mittheilungen and redactionellen An¬ 
fragen beliebe man an senden an Prof. Dr. Schmält», 
Berlin, thlerlntUehe Hochschule, NW, Lulsenstrasse 56. 
Correcturen, Recenslons-Ezemplare and Annoncen da¬ 
gegen an die Verlagsbachhandlang. 


Thierärztliche Wochenschrift 


Kedaction: 

Professor Dr. Schmaltz-Berlin 

Verantwortlicher Redactear. 

De Braia Kflhnaa Dr. Lothe« Prof. Dr. Peter Peters Preueee Dr. Schlegel Dr. Vogel Zündel 

Professor Schlachthofdlrcctor Departcmentsthlerarmt Kreisthierarzt DepartementsthiersLnt Veterinlrassessor Professor Landes-Insp. f. Thierzncht Krelsthlerarzt 

Utrecht. Cöln. Cöln. Angermünde. Bromberg. Danzig. Freiburg 1. Br. München. Mülhausen 1. E. 

Francke Dr. Jese Nevermann 

Krelsthlerarzt Krelsthlerarzt Krelsthlerarzt 

Mülheim a. Rh. Oharlottenbnrg. Bremervörde. 


Jahrgang 1903. 


,M. 2 • Ausgegeben am 8. Januar. 


Inhalt: Eliinger: Zur Casuistik der übertragbaren bösartigen ScheidenentzUndungen des Rindes mit besonderer 
Berücksichtigung der Wirkungen des Necrosebacillus, zugleich auch ein Beitrag zur Lehre von der 
puerperalen Infection. — Referate: Fischkin: Anomalie der Hörner bei einer Kuh. — Jese: Wochenübersicht Uber die 
mediciniache Litteratur. — Tagesgeschichte: Protocoll der Versammlung der Thierärzte des Regierungsbezirks Stettin. — 
Protocoll über die 42. ordentliche General-Versammlung des Thierärztlichen General-Vereins für die Provinz Hannover. — 
Verschiedenes. — Bücheranzeigen und Kritiken. — Personalien. — Vacanzen. 


Zur Casuistik der übertragbaren bösartigen 
Scheidenentzündungen des Rindes mit besonderer 
Berücksichtigung der Wirkungen des Necrosebacillus, 
— zugleich auch ein Beitrag zur Lehre von der 
puerperalen Infection. 

Von 

Dr. Eliinger, Neustadt (Orla), 

Grossh. 8. Bezir'i.thierarzt, 

Bereits an anderer Stelle (cf. B. T. W. 1899 No. 43) 
konnte ich darauf hinweisen, dass die Behauptung Vennerhoims 
in Bayer-Froehners spec. Chirurgie XI. Lfg. S. 173: „wonach 
ein vergleichendes Studium der verschiedenen Formen von 
Vaginitis die Zahl der jetzt noch als selbstständige Leiden 
beschriebenen Scheidenentzündungen mindern werde, zn Recht 
besteht.“ Ich erinnere dabei nur an das Studium des an¬ 
steckenden Scheidenkatarrhs der Rinder (Vaginitis granularis 
infectiosa bovis) und an die dieserhalh erschienenen literarischen 
Arbeiten. Es hat ein solches Verfahren aber anch seine 

Grenzen nnd ich kann daher mit Dieckerhoff (cf. Lehrbach 
über Rinderkrankheiten S. 222) nicht völlig übereinstimmen, 
wenn er dort schreibt: „Wie häufig die als Stallsenche auf- , 
tretende „bösartige Scheidenentzündang der Kühe“ vorkommt, 
lässt sich ans der Facblitteratnr nicht nach weisen“. Ich neige 
vielmehr zn der Ansicht, dass es nicht nur eine, sondern 
mehrere übertragbare bösartige Scheidenentzündungen, die 
anch auf den Uterus, sogar den Uterus gravidns überkriechen 
können, giebt, und dass es rathsam ist, dieselben nach ihrem 
jeweiligen pathologisch-anatomischen Charakter zu benennen 

Es liegen aber auf diesem Gebiete verhältnissmässig recht 
wenig literarische Aufzeichnungen vor und dieserhalb hielt ich 
es, nachdem ich selbst einschlägige Erfahrungen machen konnte, 
für eine dankbare Aufgabe, das vorliegende Thema zu be¬ 
arbeiten. Ich werde zuerst die hierüber vorhandenen lite¬ 
rarischen Anfzeichnungen in aller Kürze wiedergeben und sodann 
meine eigenen Erfahrungen and Ansichten daran fügen. 

Es ist allgemein bekannt, dass der ansteckende Scheiden¬ 
katarrh des Rindes gegenwärtig in ganz Deutschland eine 
allgemeine Verbreitung erlangt hat, und ich kann dabei auf die 
grundlegenden Arbeiten von Ostertag in den Monatsheften 
für praktische Thierheilkunde Band 12 S. 533 n. flg. nnd 
Raebiger B. T. W. 1902 No. 2, sowie besonders in dem 
Jahresbericht der Landwirthschaftskammer für die Provinz 
Sachsen 1901/02 hinweisen. Aus alledem geht zur Evidenz 
hervor, dass der ansteckende Scheidenkatarrh, die Vaginitis 
granularis infectiosa bovis, weit grössere Schädigungen unserer 
deutschen Rindviehzucht verursacht, als der dem Reichsvieh- 
seuchengesetz bereits unterstellte Blftschenausschlag (Vaginitis 


vesiculoBa). — Man kann getrost den ansteckenden Scheiden¬ 
katarrh nnter die bösartigen Vaginiten rechnen, weil fast 
allgemein die Beobachtungen vorliegen, dass häufig Abortus 
durch Uebergreifen des Katarrhs auf die Uterusschleimhaut ein- 
tritt und das Leben der Föten vernichtet. Anch in meinem 
Wirkungskreise kenne ich eine grössere Anzahl von Rittergnts- 
Bowie bäuerlichen Betrieben, die unter dieser Calamität geradezu 
fürchterlich zu leiden haben. Es wird daher in den landwirt¬ 
schaftlichen Kreisen der Wunsch immer dringender: diese bös¬ 
artige Scheidenkrankheit möge denselben Bestimmungen des 
Reichsviehsenchengesetzes unterworfen werden, wie der Bläschen¬ 
aasschlag.*) Bei dem abwarteuden Verhalten der kleineren 
Staaten kann jedoch dieser Wunsch nur auf Verwirklichung 
rechnen, wenn seitens des Reiches vorgegangen wird. Denn 
darin stimmen jetzt viele Praktiker mit dem Herrn Collegen 
Raebiger als dem Begründer des Heilverfahrens gegen diese 
Krankheit überein, dass sie heilbar ist bei genügender Sorgfalt 
nnd richtiger Anwendung der Mittel. Lysolausspülnngen nnd 
Tamponade mit l°/ w Ichthargan. 

Auf eine ansteckende bösartige Scheidenentzündang des 
Rindes hat Dieckerhoff zuerst aufmerksam gemacht. Im 
Jahre 1891 erschien von ihm in der Berl. Thierärztl. Wochen¬ 
schrift No. 39 eine grössere diesbetreffende Arbeit. Ans der¬ 
selben geht hervor, dass er eine specifische Infectionskrankheit 
der Scheide von relativ grosser Ansteckungsfähigkeit (Rind auf 
Rind, Rind auf Pferd) beobachtete. Die Infection erfolgte von 
der Scheide ans durch Uebertragung, wofür auch die Geschwüre 
sprachen, die bei mehrtägiger Erkrankung in der Scheiden- 
schleimhant entstanden. Die Incnbationszeit betrug 1 bis 2 
Tage, die Dauer der Krankheit 2 bis 10 Tage. Die Behandlung 
war erfolglos. — Die Erscheinungen intra vitam waren folgende: 
Die Krankheit tritt sowohl bei hochtragenden als auch frisch 
abgekalbten Kühen anf. Es zeigen sich blutiger Ausfluss aus 
der Scheide, Appetitmangel, Muskelzittern, Stöhnen nnd 
Drängen anf die Geschlechtstheile. Später tritt ein vollständige 
Blutleere der Kopfschleimhänte und frequenter drahtförmiger 
Arterienpnls. Mastdarmtemperatur bisweilen krankhaft erniedrigt. 
Schamlippen leicht geschwollen. Bei der Section wird fest¬ 
gestellt: In dem Cavum der Bauchhöhle m. o. w. kirschroth 
gefärbtes flüssiges Blut oder braune blutige Flüssigkeit, auch 
bis zu 5 cm starke Blutgerinnsel. Magen, Milz, Leber, Nieren 
j normal. Gebärmutter zusammengezogen, lockeres Bindegewebe 
| im Beckeneingang mit blutigen Extravasationen übersät. 
i Scheidenschleimhaut dnrch Blutcongestion dunkler gefärbt, 
stärkere nnd verwaschene Röthong in Längsstreifen. Geschwüre 

*) Vergl. hierzu auch die zustimmende Aeusserung Diccker- 
hoffs in Rinderkraukbeiten, III. Lfg., Seite 512, und das Gutachten 
i der techn. Deputation für d. V. Berlin. 


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2« BERLINER THIERARZTLICIIE WOCHENSCHRIFT. . No. 2. 


auf der Scheidenschleimhaut. Zerstörende Einwirkung des 
infectiösen Agens auf die Capillargefässe. Bereits im Jahre 
1892 und 1893 veröffentlichten zwei Italiener und zwar Baldoni 
in der Clin, veter. Bd. XV. S. 535 über eine Form des 
mykotischen Vaginalkatarrhs und Trinchera Clin. vet. XVI. 
S.485 ihre Erfahrungen über ansteckende diphtheritische Scheiden¬ 
entzündungen bei Kühen. Letzterer schreibt: Es trat bei 
4 Kühen eines mit 30 Stück besetzten Stalles „nach der 
Begattung“ durch einen mit ausgedehnten Ulcerationen an 
der Präputialöffnung ausgestatteten Bullen, diphtheritische 
Vaginitis auf. Es waren starke Röthung besonders im hinteren 
Dritttheil des Vaginalcanals, hie und da Geschwüre ver¬ 
schiedenen Umfangs, äusserst abundante Mengen eines dick¬ 
eitrigen, theilweise fibrinösen Detritus in der Scheide vorhanden. 
Die Behandlung bestand in Scheidenausspülungen mit 2 pro- 
centigen Solveol-, Zinc. sulf., Bismut. subnitr. Solutionen und 
Insufflationen von Dermatolpulver und war binnen 15 Tagen 
erfolgreich. 

Eber beobachtete (cf. Sächs. Vet. Ber. 1894 S. 34) in vier 
Fallen Complicationen von Gebftrmutterkatarrh mit diphtheri- 
tischer Scheidenentzündung. Es handelte sich um Erkrankungen 
der Geburtswege im Anschluss an Verkalben, Frühgeburt und 
zurückbleibender Nachgeburt. Davon gingen 2 Fälle in Genesung 
über. In 2 Fällen griff der diphtheritische Process auf die 
Gebärmutter über und veranlasste tödtlichen Ausgang. Die Be¬ 
handlung bestand in Ausspülungen mit Sublimat, 1:4000, durch 
Eber selbst und D /2 procentigen Lysolnachspülungen durch den 
Besitzer. Zur Hebung des allgemeinen Befindens Antifebrin. 
Harms-Eggeling (Lehrbuch der thierärztlichen Geburtshilfe 
1896) kennen sowohl die Vaginitis diphtheritica als auch Endo¬ 
metritis diphtheritica s. necrotica (S. 217 und 221) und er- 
theilen hiergegen eingehende Bekämpfungsvorschläge. 

Siedamgrotzky erwähnte in seinen Vorlesungen über 
Veterinärpolizei bei Besprechung der differentiellen Diagnose des 
Bläschenausschlags das Vorkommen von Vaginaldiphtherie in 
übertragbarer Form. Bezirksthierarzt Hepke-Weimar (münd¬ 
liche Mittheilung) beobachtete mehrfach übertragbare Scheiden¬ 
diphtherie. Sturm macht im Berliner Archiv 1885 S. 302 auf 
eine seuchenartige Vaginitis et Entometritis diphtheritica bei 
Schafen aufmerksam. 

Kitt beschreibt die Colpitis diphtherica in seinem Lehrbuch 
der pathol.-anatomischen Diagnostik 1895 Bd. II S. 575. 

Füglich soll nicht unerwähnt bleiben (ich folge dabei einem 
Referate von Prof. Kitt in den Monatsheften für practische 
Thierheilkunde V. Bd. S. 429), dass wir durch Arbeiten Bangs*) 
(Kopenhagen) einen sehr vielseitigen, sich bei einer Menge von 
Krankheitszuständen geschäftig erweisenden Bacillus — den 
Necrosebacillus — kennen gelernt haben. Bang traf diesen Ne- 
crosebacillus ausser bei der Kälberdiphtherie, bei den soge¬ 
nannten brandigen Euterpocken der Kühe, bei der Necrosis 
nodosa multiplex**) der Leber des Rindes (conformmitMc’Fadyean), 
bei Leberabscessen, bei der diphtheritischen Dünndarmschleim¬ 
hautentzündung der Kälber, bei embolischen Lungennecrosen, 
bei Herznecrosen, bei der necrotischen Entzündung granulirender 
Wunden der Kuh, auch bei der Diphtheritis des Uterus und der 
Vagina des Rindes sowie bei der mit Necrose endigenden hef¬ 
tigen Entzündung der Weichtheile des Fusses, dem sogen. Pana- 
ritium und dem Hauenkrebs des Rindes. Ich komme im Verlauf 
der Schilderung meiner Beobachtungen auf den sehr nahe lie¬ 
genden Zusammenhang von Scheidendiphtherie und Panaritium 
in ein und demselben Rinderstalle näher zu sprechen. 

Bezth. Horn theilt in der Wochenschrift für Thierheilkunde 
und Viehzucht 1891, No. 33, über croupöse Scheidenentzündung 
und Metritis bei Kühen mit: In einem sehr reinlichen Stalle er¬ 
krankte schon seit einigen Jahren zu verschiedenen Zeiten eine 
oder die andere Kuh an Sepsis mit unglücklichem Ausgang trotz 
sofortiger thierärztlicher Hülfe. Als Krankheitszeichen nennt 
er: heftiges Drängen, kleine Verletzungen der Geburtswege 
durch die bei der Geburt angewendeten Stricke, hohe Blut¬ 
temperatur von 40°. Nach Verlauf einiger Zeit lösten sich 
derbe, hautähnliche, zusammenhängende Auflagerungen, welche 
einen vollständigen Abguss der Scheidenwandungen darstellten. 
Interessant sind auch die Mittheilungen von Dr. Storch über 
seuchenartig auftretende Gangraen der Vulva bei Kühen. 
(B. T. W. 1898, S. 399.) Die seuchenartige Krankheit tritt 

*) F. Bang, Om Aarsagen til local Necrose, Manodskrift for Dyr- 
läger. Band II 1890 91 S. 235. 

**) cf. Dieckerhoff, Kinderkrankheiten. S. 480. 


stets nach dem Kalben resp. im unmittelbaren Anschluss daran 
auf. Die Vulva ist mehr oder weniger intensiv geschwollen, 
die Haut der Schamlippen ist gespannt, glänzend, diffus blaurotli 
verfärbt. Letztere fühlen sich kühl an, sind teigig und auf 
Druck unempfindlich. Auftreten von brandigen Gasblasen unter 
der Epidermis, Knistern beim Ueberstreichen. Im Schamwinkel 
bisweilen Geschwüre. Scheidenvorhofsschleimhaut düster geröthet 
bis blauroth gestreift. Allgemeinleiden und Pnlsus tremulis vor¬ 
handen. SectionsergebnisBe: vereinzelte Bacillen des malignen 
Oedems im Milzsafte. Herzmuskel getrübt, fleckig. Unter dem 
Endocard der linken Kammer strichförmige Haemorrhagien, 
subpleurale punktförmige Ecchymosen. Lunge, Magendarmkanal, 
Milz sind normal, Nierenparenchym getrübt, Uterus fast normal, 
Schnittfläche der geschwollenen Vulva relativ trocken, grauroth 
von schwarzen Blutpunkten durchsetzt. Die Krankheit wurde 
durch den Hirten des Dorfes verschleppt, der von den Leuten 
bei Geburtshülfen zugezogen wurde. Die Verhütung bestand in 
Stalldesinfection, Desinfection (Auskochen der Kleider!) des 
Hirten. Die Behandlung beschränkte sich auf tiefe Einschnitte, 
(athm. Luft ein Feind der Oederabacillen!), Auswischen der 
Schnittflächen mit 10 proc. Chlorzinklösung und Creolininfusionen. 

Weiter finden wir von de Bruin (Die Gebnrtshülfe beim 
Rind 1897 S. 337) eine phlegmonöse Entzündung der Vulva 
und Vagina als „puerperale Phlegmone“, die übertragbar 
ist, erwähnt. Aetiologisch stellt sie eine Infection während der 
Geburt dar. Der Infectionsstoff wird meist von aussen durch 
Mist, Erde, schmutzige Hände, Stricke, Gummischläuche u. s. w. 
eingeführt. Als Kennzeichen der Krankheit werden genannt: 
Anschwellung der Vulva am vierten bis fünften Tage nach der 
Geburt, die Haut der Labien ist glänzend und gespannt, aus 
der Vulva fliesst eine dünngelbe Flüssigkeit, beim Ueberstreichen 
der geschwollenen Fläche hörbareB Knistern wie bei dem Rausch¬ 
brande, necrotische Stellen auf der Vaginalschleimhaut, heftiges 
Drängen beim Uriniren, unterdrücktes Wiederkauen und Ver¬ 
stopfung. Fieber. Der Verlauf ist in den meisten Fällen 
tödtlich. Die Behandlung besteht in tiefen langen Einschnitten, 
weil atmosphärische Luft ein grosser Feind für maligne Oedem- 
bacillen ist. Ausspülungen mit 2—3 proc. Carboilösungen. 
Nicht unerwähnt - lasse ich die Fälle von acuter Puerperal- 
septicämie (cfr. de Bruin 1. c. S. 341), die von Epitheldefecten 
der Vaginalschleimhaut ausgehen, ebenfalls übertragbar sind 
durch Gummischläuche, Geburtsstricke, Geburtshelfer u. s. w. 
und daher seuchenartig in einem Stalle auftreten können. 
Schliesslich gedenke ich der interessanten Mitteilungen von 
Prof. Imminger-München in der Berl. thier. Wochenschrift 
1898 S. 517 über den sogenannten Klauenkrebs (Klauennecrose) 
beim Rinde. Imminger sagt da: „Auf einen weiteren Umstand 
möchte ich an dieser Stelle noch hinweisen, dass nämlich in 
solch inficirten (mit Necrosebacillen D. Ref.) Ställen bei oft 
ganz geringfügigen Verletzungen in den Geburtswegen, wie 
dieselben bei den leichtesten Geburten Vorkommen, necrotische 
Veränderungen (also necrotische Scheidenentzündungen D. Ref.) 
mit unglaublicher Schnelligkeit von mächtiger Ausbreitung ent¬ 
stehen können, welche in kürzester Zeit den Tod des Thieres 
lierbeizuföhren vermögen. Auch Bang (1. c.) macht bereits in 
seiner betreffenden Arbeit auf derartige Vorkommnisse auf¬ 
merksam. Diese für den Practiker höchst unangenehme That- 
sache mahnt daher zur äussersten Vorsicht und zur peinlichsten 
Beobachtung und Behandlung derartiger Patienten, um solch hoch¬ 
gradigen necrotischen Zerstörungen vorzubeugen.“ Imminger 
empfiehlt, um grössere Störungen bei Verletzungen der Geburts¬ 
wege in mit dem Necrose-Bacillus inficirten Ställen zu ver¬ 
meiden, im Anschluss an die Geburt Ausspülungen der Scheide 
mit desinficirenden Flüssigkeiten und Einbringen von 2 pCt. 
Pyoctaninstreupulver in die Vagina. Die Hände der dies be¬ 
sorgenden Person sehen allerdings dabei ans wie die eines 
Färbermeisters. 

Auch die von Froehner-Fulda beschriebenen Fälle von 
seuchenartigen gangraenescirendem Oedem unter Rindern und 
Schafen (cf. deutsche Zeitschr. f. Thiermed., Bd. XVHI, S. 63) 
scheinen den übertragbaren Vaginiten zuzuzählen sein, wie das 
auch Storch (1. c. S. 400) annimmt. Nach diesen Zusammen¬ 
stellungen gehe ich zur Darlegung meiner eigenen Beobachtungen 
über. Dieselben erstrecken sich über zwei grössere Rindvieh¬ 
bestände (Klostergut Hechendorf bei Wiebe 1892 und Rittergut 
Schloss-Berga 1902). 

1. Definition. In beiden Fällen handelt es sich um 
Scheiden- und Uterusnecrose im Anschluss an Panaritium. Be- 


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8. Januar 1903. BERLINER TÜIERARZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 27 


sonders hinsichtlich Schloss-Berga ist zn erwähnen, dass seit 
längerer Zeit unter dem Viehbestände Euterentzündungen, Ver- 
kalben, Panaritium, Festsitzen der Nachgeburt, Kälberdiarrhoeen, 
Kälbersterben in gehäufter Zahl in Erscheinung traten, bis 
endlich die necrotische Scheidenseuche ausbrach. Es erkrankten 
nur Kühe, die soeben gekalbt hatten. Die Krankheit endete häufig 
unter septicämischen Erscheinungen mit dem Tode. 

2. Aetiologie. Es unterliegt keinem Zweifel und ist 
durch meine umfassenden Untersuchungen im Falle Berga genau 
festgestellt, dass da als Ursache der Vaginitis necrotica sowohl 
als auch besonders der sich an diese anschliessenden Compli- 
cationen (s. u.) der Necrosebacillus, dessen vielseitige Wirk¬ 
samkeit ja bereits beleuchtet wurde, anzusehen ist. Es ist 
mir gelungen, die Necrosebacillen sowohl in den diphtheri- 
tischen Belagsmassen der Vaginalwände, als auch in dem solche 
enthaltenden Scheidenausflusse und in der Milch theils in Form 
kurzer Stäbchen, theils in Form langer Fäden, die mit Methylen¬ 
blau gefärbt, helle, runde oder eylindrische Lücken zeigten, sich 
nach Gram entfärbten, nachzuweisen. Daneben fanden sich 
jedoch auch Staphylococcen und Streptococcen in grösster Menge 
bei den septicämisch erkrankten Thieren vor. 

Es kann ein solcher Befund gar nicht wundern, denn es 
ist ja längst bekannt*), dass der Necrosebacillus, wie wir das 
ja auch vom Rothlaufbacillus der Schweine besonders durch die 
Untersuchungen Olts wissen, ein häufig anzutreffender Bewohner 
des Darmkanales ist und dass die in diesem Parasiten 
schlummernden Fähigkeiten plötzlich zu erhöhter Energie an¬ 
gefacht werden können. Gelangen die virulenten Keime ohne 
wirksame Bekämpfung mit dem Kothe in den Dünger und setzt 
sich dies Spiel längere Zeit hindurch fort, so wird der Stall- 
fussboden und mit ihm die Düngerstätte vollständig inficirt, 
von wo aus dann fortgesetzt Neuinfectionen neu eingestellter 
Rinder erfolgen können. Ereignet es sich dann noch, wie im 
Falle Berga in unerklärlicher Weise sogar von einem Fach¬ 
mann zugelassen worden war, dass eine an Scheidennecrose 
und Septicämie verendete Kuh im Gehöfte secirt und das 
Fleisch pp. durch Hühner und Hunde überallhin verschleppt 
wird, so ist der Weiterverbreitung der Krankheit in jeder 
Hinsicht Vorschub geleistet. Dann liegt es sehr nahe und wird 
in der Praxis bestätigt, dass die Infectionskeime vom Hofe in 
den Stall durch das Schuhwerk der dort verkehrenden Personen 
übertragen werden. Dadurch wild im landwirtschaftlichen 
Betriebe eine sehr schwierige Position geschaffen insofern, als 
unter Umständen es zur Unmöglichkeit wird, Kühe im Gehöfte 
noch abkalben zu lassen und Kälber aufzuziehen. Es ist als¬ 
dann der Besitzer gezwungen, wenn es ihm nicht gelingt, die 
Kühe anderswo und ebenso billig wie daheim abkalben zu 
lassen, reine Abmelkwirthschaft, also eine Umschlagswirthschaft 
mit Ankauf frischmilchender Kühe die nach dem Ab¬ 
melken fett gemacht und verkauft werden, einzurichten. 
Wie weit das unter gegebenen Verhältnissen wirtschaftlich 
unrentabel ist, muss hier unerörtert bleiben. Jedenfalls ist der 
Vorschlag Immingers (1. c. S. 518), nicht nur die Stallungen, 
sondern ganz besonders auch die mit Jauche, Dünger etc. ver¬ 
unreinigten Hofräume einer entsprechenden Reinigung und 
Desinfection zu unterziehen und dieselben nach betätigter 
gründlicher Reinigung mit einer dünnen Schicht feiner Stein¬ 
kohlenasche (sog. Lösch) aufzufüllen, in der Praxis schwer 
resp. teilweise garnicht durchführbar. 

In ätiologischer Hinsicht konnte weiter festgestellt werden, 
dass neben Necrosebacillen noch verschiedene Coccen mit in 
Thätigkeit waren. Und es stimmt auch diese Thatsache mit der 
Erfahrung überein, dass andere pathogene Keime nötig sind, um 
eine gesteigerte Giftigkeit des Necrosebacillus zu veranlassen.**) 
Ueber die Wirksamkeit dieser Coccen konnte nur soviel erörtert 
werden, als sie die Erreger der die Scheidennecrose im 
Abheilungsstadium begleitenden Eiterung sind. Ob sie die 
Ursache der bei einigen verendeten Kühen beobachteten Blutungen 
sind, also eine zerstörende Wirkung auf die kleinsten Capillaren 
entfalten, bleibt unentschieden.***) Es erkrankten nicht nur 

*) cf. Jensen, die vom Necrosebacillus hervorgerufenen 
Krankheiten, Referat in der Göhringschen bayr. Wochenschrift 
1897 S. 144—147 und Imminger, B. T. W. 1898 S. 517. 

**) cf. Brieger und Uhlcnhuth über Blut- und Organgifte, 
deutsche med. Wochenschrift 1898 No. 10 und Centralblatt für Bac- 
teriologie XXIV S. 186, auch Imminger 1. c. S. 519. 

***) cf. Dieckerhoffs Kolpitis perniciosa (Kinderkrankheiten) 
S. 222 und B. T. W. 1891, No. 39. 


Kühe, denen bei der Geburt Hülfe zu Theil geworden war, 
sondern auch solche, die ohne Hülfe geboren hatten, sogar eine 
Kuh, die abortirte und deren Foetus nur die Grösse eines 
mittleren Hundes hatte. Es gehören somit keine Verletzungen, 
Abschürfungen oder Quetschungen der Vaginalschleimhaut dazu, 
um den durch Zwischenträger übertragenen Infectionserregern 
Einlass zu gewähren, sondern es genügt die intacte, lediglich 
durch das Puerperium veränderte, Schleimhaut der Scheide. 
Dass gerade hier und nicht etwa vom Uterus her die Infection 
stattfindet, bestätigt die mehrfache Autopsie. Als Zwischen¬ 
träger für den Infectionsstoff kommt in erster Linie das Streu¬ 
stroh und die Jauche in Betracht. Ersteres wird sehr häufig 
bei der secundären Infection des Euters der bereits in der 
Scheide erkrankten Thiere beobachtet, letztere bei der An¬ 
steckung von Nachbarkühen. Es genügt aber keineswegs, die 
erkrankten Thiere an dasjenige Ende der Jaucherinne zu stellen, 
das am tiefsten liegt und eine oberflächliche Stalldesinfection 
anzuordnen. Am wichtigsten als Zwischenträger ist das beim 
Kalben anwesende Personal, insbesondere sind es deren Hände 
und Kleider, Geburtsstricke, Irrigatorschläuche und die Putz¬ 
zeuge. Diese Dinge verschleppen die virulenten Keime, sodass 
man theilweise von einer directeu Einimpfung resp. Ueber- 
impfung sprechen kann. Hier hat insbesondere die vom Thierarzt 
zn dictirende Therapie, vor allem die Vorbauung einzusetzen, 
deren ganze oder theilweise Unterlassung nicht nur dem Be¬ 
sitzer, sondern auch dem Thierarzte unangenehm werden kann. 

Ob es überhaupt obiger Zwischenträger nicht bedarf, ob 
insbesondere die nach den Untersuchungen Bang8 als häutige 
Bewohner des Darmcanals der Rinder anzutreffenden Necrose¬ 
bacillen beim Verlassen des Körpers mit den Excrementen, die 
die ja gewöhnlich die Scheide beschmutzen, an der Scheide haften 
bleiben und auf diese Weise die Infection theilweise veranlassen, 
bleibt noch eine offene Frage. In der Regel werden sicher 
obige Zwischenträger bei passender Gelegenheit (z. B. im Puer¬ 
perium) die entscheidende Rolle spielen. Dafür spricht auch 
meine Autopsie. Denn im Falle Schlossberga gelang es, nachdem 
sich die im Rittergutsgehöfte gelegenen Ställe als inficirt er¬ 
wiesen hatten, als die Kühe in einer Feldscheune bei fremdem, 
im. Rittergute sonst nicht verkehrenden Wärterpersonale ab- 
kalbten, dieselben völlig gesund zu erhalten. In aetiologischer 
Hinsicht ist ferner interessant das von mir sowohl in Heclien- 
dorf als auch Schlossberga beobachtete Zusammenauftreten von 
Scheidennecrose (Scheidendiphtherie) mit Panaritium. In Schloss¬ 
berga war eine Kuh an Panaritium erkrankt gewesen und be¬ 
handelt worden. Eine hochträchtige Kuh wurde auf diesen 
Platz gestellt und erkrankte als erster Patient nach dem Ab¬ 
kalben an Scheidennecrose. Damit stimmen auch die Erfahrungen 
von Prof. Imminger überein, der Scheidennecrose und Klauen- 
necrose (1. c.)*) zusammen und gehäuft auftreten sah. Uebrigens 
ist Imminger (briefliche Mittheilung seines Assistenten) der 
Ansicht, „weil er jene (necrotischen) diphtheritischen Scheiden¬ 
entzündungen fast ausschliesslich sah in intensiv ernährten 
Beständen, wo behufs Erzielung hoher Milchproduction haupt¬ 
sächlich Brennereiabfälle gefüttert wurden, dass besagte Haltung 
den Thieren die Widerstandsfähigkeit gegen die mit vom Mast¬ 
darm entleerten und auf die Scheide mit dem Kothe gelangten 
Necrosebacillen benehme.“ Indess sind auch in dieser Hinsicht 
noch weitere Erfahrungen zu machen. In Schlossberga wurde 
als Kraftfutter gegeben: pro Kopf und Tag 2 Pfund Palmkern¬ 
kuchen, 2 Pfand Malzkeime, später nur Grünklee gefüttert. 

Endlich unterlasse ich nicht darauf hinzuweisen, dass neben 
Scheidennecrose auch gehäuftes Kälbersterben in Schlossberga 
beobachtet wurde. Die Infectionspforte ist hierbei der Nabel 
der neugeborenen Kälber. Die auf solche Weise eingeimpften 
Bacillen verursachen eine directe Septicämie unter den Er¬ 
scheinungen schwerer Hinfälligkeit und ruhrartiger Durchfälle. 
Die Richtigkeit dieser Ansicht wurde in Schlossberga dadurch 
bewiesen, dass nachdem eine geregelte Nabelpflege der neu¬ 
geborenen Kälber, insbesondere Unterbindung des Nabelstumpfes 
eingeführt war, die Todesfälle aussetzten. Auch Friedberger 
und Froehner weisen in ihrem Lehrbuch der speciellen Patho¬ 
logie und Therapie 1892 Seite 426 darauf hin. 

3. Symptome. 

Gewöhnlich am dritten Tage, selten später nach dem 
Kalben beginnt die Scheide leicht anzuschwellen, die Thiere 

*) Auch Wochenschrift für Thierbeilkunde und Viehzucht 1898 
S. 377 flg. - 


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BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 2. 


28 

zeigen Drang znm häufigen Uriniren, wedeln mit dem Schwänze, 
haben vermehrte Pulszahl und leichtes Fieber. Der Appetit 
wird schlechter bis schliesslich die Futteraufnahme gänzlich 
aufhört. In der Scheide entstehen zahlreiche rundliche Schleim- 
hautdefecte, die anscheinend den Thieren grosse Schmerzen 
bereiten. Der anfänglich seröse Scheidenausfluss wird grau-grünlich 
bis milchschocoladeähnlich und stinkt. Demselben sind ab¬ 
gestorbene Schleimhautfetzen beigemischt. Bei früh einsetzender 
Behandlung treten weitere Erscheinungen nicht hinzu. Wird 
jedoch eine solche verabsäumt oder schreitet die Krankheit auf 
den Uterus über, so dauert es nicht lange und das Thier be¬ 
kundet alle Erscheinungen einer tödtlichen Septicämie (hohes 
Fieber, über 120 Pulse, über 40 Athemzüge, schwere Hinfällig¬ 
keit, Stöhnen und lautes Klagen, Drängen auf Mastdarm und 
Scheide, Festliegen, Schwerathmigkeit und Husten). Thiere, 
welche die Krankheit überstehen, zeigen mehrere Wochen hin¬ 
durch eitrigen Scheidenausfluss und brauchen eine sorgfältige 
Pflege, denn sie kommen bei solch fortgesetztem Säfteverluste 
in ihrem Ernährungszustände sehr herunter. 

4. Anatomischer Befund. Wie der Name schon besagt» 
finden sich die ersten Gewebsveränderungen in der Scheide- 
Die Scheidenschleimhaut ist leicht dunkel geröthet, wie mit 
einem leichten Schleier überzogen, der zuletzt eine intensiv 
braunrothe Farbe annimmt. Streicht man mit dem Messer oder 
dem Finger über die derartig verfärbte Schleimhaut hinweg, so 
findet man theilweise mehr oder weniger, gewöhnlich messer¬ 
rückenstarke Belagmassen und zerstörtes, abgestorbenes Schleim¬ 
hautgewebe. Sah man zu Beginn der Krankheit die necrotisch 
veränderten runden Schleimhautstellen vereinzelt nebeneinander 
liegen, so findet man auf der Höhe der Krankheit und in Fällen, 
wo die rationelle Behandlung fehlte, die Scheidenschleimhant in 
toto erkrankt vor. In hochgradigen Fällen stirbt die Schleim¬ 
haut bis in die tiefsten Schichten hinein ab und lässt sich ohne 
Schwierigkeiten in taubeneigrossen, bröckligen Fetzen abheben. 
In solchen Fällen besteht hochgradige Scheidenverengerung, so 
dass man mit der Hand nur eindringen kann, indem das Thier 
schwere Schmerzen erleidet. Diese Gewebsveränderungen ge¬ 
nügen vollständig, um den septicämischen Tod der Thiere zu 
veranlassen, wie ich mich bei mehreren Sectionen zu überzeugen 
Gelegenheit hatte. Es fehlten bei einzelnen Thieren, abgesehen 
von dünnflüssigem, nicht geronnenem Blute und zahlreichen um¬ 
schriebenen Blutungen alle weiteren Veränderungen auch im 
Uterus, sodass das Sectionsbild den Besitzer nicht befriedigte. 
Mit Recht sagen daher de Bruin und Ostertag*), dass gerade 
das Fehlen gröberer Läsionen der inneren Organe, bezw. die 
Geringfügigkeit der Veränderungen, welche anscheinend zu den 
schweren Erscheinungen während des Lebens in gar keinem 
Verhältniss stehen, in jedem Falle den Verdacht erwecken, dass 
das Thier an Sepsis zu Grunde ging. Geht die Krankheit auf 
den Uterus über, so wiederholen sich hier dieselben Gewebs¬ 
zerstörungen wie in der Scheide. Hinzu tritt bisweilen bei in¬ 
tensiven Ausspülungen mit desinficirenden Flüssigkeiten noch 
eine starke Erweiterung des Uterus. Weil derselbe sich nicht 
mehr contrahirt und wenn er nicht entleert wird, so ist darin 
ein m. o. w. grosses Quantum milchschocoladeähnlicher Flüssig¬ 
keit vermischt mit Gewebsfetzen enthalten. 

Sodann finden sich bei Thieren, welche an Sepsis zu 
Grunde gingen, auch alle jene cliaracteristisclien Veränderungen, 
wie Aussehen der Muskeln, als ob sie gekocht wären, sub- 
peritoneale resp. subpleurale und subendocardiale Ecchymosen, 
Enteritis, parenchymatöse Degeneration der Leber, Milz- 
vergrö8serung und — Erweichung, fettige Degeneration der 
Nieren. Interessant war in mehreren Fällen, dass der necrotische 
Process sich auf das hintere Ende des Mastdarms und durch 
Vermittelung der Harnleiter auf die Nieren ausgedehnt hatte. 
Es ist dieses Ueberkriechen bei der Beweglichkeit des Necrose- 
bacillus nicht absonderlich. Die häutige Auskleidung der Aus¬ 
führungsgänge der Nierenkelche war mit einem graubraunen 
Belage behaftet und im Cavum befand sich eine mit kleinen 
Gewebspartikeichen gemischte milchschocoladeähnliche Flüssigkeit. 
Hervorzuheben ist endlich die im Stadium der Reconvalescenz 
eintretende erhebliche eitrige Abschuppung der Schleimhäute 
des Geschlechtsrohres. 

5. Diagnose. Die Diagnose ist sehr leicht, wenn der 
Sachverständige, wie das ja unbedingt seine Pflicht ist, bei 
allen Thieren, die eben abgekalbt haben und sich krank zeigen, 

*) cf. dessen Handbuch der Fleischbeschau. 


die Scheide untersucht. Dies geschieht am einfachsten dadurch, 
dass er das Thier genügend halten lässt und mit beiden 
Händen (die Handrücken gegen einander gerichtet) die Scham¬ 
lippen weit auseinander drückt. Wird dann eine angezündete 
Küchenlampe mit Reflexschirm von einer dritten Person vor die 
Scheide gehalten, so können ohne Schwierigkeiten das Cavum 
und die Wände desselben genau besehen werden. Noch genauer 
ist das möglich durch Benutzung des Sclieiden-Speculums von 
Polansky und der Angenlampe von Pristley-Schmith. Die 
Unterlassung dieser Untersuchung, die Leugnung der Infectiosität 
und die Nichtanwendung der Prophylaxe macht den Thierarzt 
gesetzlich haftpflichtig. 

6. Differentialdiagnose. Eine Verwechselung der 
Krankheit mit anderen Leiden ist nicht gut möglich. Denn 
Bläschenausschlag findet sich gewöhnlich bei Thieren, die eben 
kalbten, nicht. Geburtsrauschbrand und Rinderpest, bei denen 
auch Scheidenveränderungen schwerer Natur Vorkommen, 
stellen sich von vornherein als Allgemeinleiden dar. Wichtig 
ist bei Stellung einer richtigen Diagnose die Erhebung eines 
eingehenden Vorberichts vom Besitzer (ob in seinem Stalle 
Kälbersterben, Panaritium, Klauenkrebs u. s. w. vorkamen). Es 
ist behauptet worden, dass die nichtbacterielle, nur durch 
mechanische Insulte bedingte Nekrose, wie sie in der Praxis sehr 
häufig bei Kühen, die eben kalbten, beobachtet wird, dem Leiden 
sehr ähnlich sei. Diese Ansicht halte ich für irrig. Denn bei 
der durch mechanische Insulte bedingten Nekrose sind stets 
Quetschungen, Verletzungen, Einrisse der Schleimhaut der 
Nekrose vorhergegangen. Das Gewebe stirbt dabei in unregel¬ 
mässigen Fetzen ab. Bei der durch den Nekrosebacillus ver¬ 
ursachten Nekrose dagegen ist die Nekrose gleichmässig, die 
Schleimhaut im Anfang wie mit einem Schleier überdeckt. (Blut- 
infection!) — 

7. Verlauf und Prognose. Wird die Krankheit früh¬ 
zeitig erkannt und rationell behandelt, so gelingt es in der 
Regel, das Leben der erkrankten Thiere zu retten. Doch 
kommen auch Fälle vor, wo trotzdem Tod durch Sepsis eintritt. 
Die Mehrzahl der Thiere erkrankt etwa am dritten Tage nach 
dem Kalben. Etwa am siebenten bis achten Tage nach dem 
Kalben ist die Krankheit auf der Höhe. Um diese Zeit herum 
erfolgen auch die meisten Todesfälle. Die Reconvalescenz 
dauert etwa drei bis vier Wochen. Unangenehm sind die sich 
an überstandene Scheidennecrose anschliessenden eitrigen Aus¬ 
flüsse aus der Scheide. Bei Thieren mit Necrose der Uterus- 
schleimhant ist die Prognose sehr schlecht zu stellen. Ich halte 
die Thiere mit consecutivem Scheidenausfluss noch als gefährlich 
für ihre Umgebung. Sie sind daher abgesondert zu halten. 

8. Therapie und Prophylaxe. Die Behandlung besteht, 
wofern lediglich Scheidennecrose vorhanden ist, in täglich mehr¬ 
maligen gründlichen Abwaschungen der Scheidenschleimhant mit 
2procentigen Lysol- oder Creolinlösungen. Mit Vortheil wird die 
Desinfection unterstützt durch Scheidentamponade mit Ver¬ 
wendung von Lugol’scher Jodlösung. Zur Anwendung von Sublimat 
1: 3000—5000 konnte ich mich trotz bester Empfehlung (Johne 
u. a.) nicht entschliessen, denn nach meinen Beobachtungen 
können Vergiftungserscheinungen auftreten, und wenn das auch 
nicht erfolgt, so werden doch durch Sublimat nicht unerhebliche 
Schmerzen ausgelöst. Ist Uterusnecrose vorhanden, dann muss 
die desinficirende Flüssigkeit direct in den Uterus gebracht 
werden, und es sind demgemäss die Personen, welche die 
Spülung besorgen, zu instruiren. Von Wichtigkeit ist dabei, 
dass möglichst viel Wasser wieder abgesaugt wird. Leider 
lassen die bis jetzt käuflichen Instrumente hierzu (Röder’s 
Katheter) ab und zu und besonders bei Kühen mit Uterus- 
erschlaffung im Stich. 

Drohende oder beginnende Septicämie bekämpft man am 
besten durch intravenöse Injection von Collargol 1:75 (pro 
injectione et die). Dabei ist, wie ich mich überzeugte, die 
Nebenwirkung auf die meist darniederliegende Vormagenthätig- 
keit eine geradezu hervorragende. Binnen 5 Minuten nach der 
Injection hört man bereits die eintretenden Pansenbewegnngen 
und Pansengeräusche. Doch sind sowohl Collargol als auch die 
bekannten Lysol- resp. Creolingaben in Leinschleim, ferner 
Antifebrin, Spiritus, Campher u. s. w. bei eingetretener Sepsis 
zumeist ohne Erfolg. 

Der Schwerpunkt bei der Bekämpfung der zumeist 
als Stallseuche auftretenden Krankheit liegt in einer 
umfassenden Vorbauung — und zwar sind ins Auge zu 
fassen diejenigen Kühe, welche vor dem Kalben stehen 


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8. Januar 1903. 


BERLINER THIERÄRZTLK'HE WOCHENSCHRIFT. 


and abkalben sollen. Am sichersten werden solche Thiere | 
ans dem betreffenden Stalle resp. Gehöfte, in denen Fälle von 
Panaritium, Klanenkrebs oder Scheidennecrose vorkamen, heraus- ! 
genommen und an Pfleger gegeben, die mit dem Infectionsstoff 
nicht in Berührung kamen resp. kommen können. Dies Mittel 
war in Schlossberga das sofort wirksame. Damit war im Falle 
Berga gleichzeitig bewiesen, dass da der Infectionsstoff nicht im 
Darm der Thiere lag, sondern übertragen wurde. — Vor der | 
Ueberführung ist eine gründliche Desinfection des ganzen Thieres 
bes. der Klauen nöthig. — Ist eine solche Maassnahme wirth- i 
schaftlich unmöglich, so muss versucht werden, innerhalb des i 
Seuchengehöftes die abkalbenden Rinder zu schützen. Vorerst 
sind dann alle Kühe, wenn irgend möglich, 10 Tage vor dem j 
Kalben in einen besonderen, gut gereinigten Stall zu stellen 
bis 10 Tage nach dem Kalben. Sodann sind die Kühe durch , 
eine Person zu pflegen und zu melken, die in dem Kranken- j 
stalle, in dem Panaritium, Klauennecrose oder Scheidennecrose 
herrscht, absolut nichts zu thnn hat. Jede Kuh ist ferner vom 
10. Tage vor dem Kalben bis 10. Tage nachher täglich ein 
mal mit einem nur zu diesem Zwecke dienenden Schwamme 
in der Umgebung der Scham, des Afters und am Schwänze mit i 
einer 3procentigen Creolinemulsion oder 3procentigen Lysollösung 
ordentlich abzuwaschen, ebenso ist die Scheide während dieser 
Zeit mit einer 1 y 2 —2 procentigen Emulsion bezw. Lösungmittels ; 
eines „nur“ zu diesem Zwecke dienenden Gummischlauches aus- j 
zuspülen. Derselbe wird in der Zwischenzeit in einem Topfe 
mit 5 procentiger conc. Carboisäurelösung sammt dem Schwamme 
aufgehoben. Ist Hülfe bei einer Geburt nöthig, so darf dabei 
niemand thätig sein, der mit der Pflege oder Behandlung 
scheiden- resp. gebärmutterkranker oder an Panaritium leidender 
Kühe zu thun hat. Wer in die Geburtswege eingeht, hat 
saubere Kleidung zu tragen und sich vorher Hände und Arme 
gründlich mit Seife und Wasser zu reinigen und zu bürsten 
und dann durch Waschen mit einer 3 procentigen Lysollösung zu 
desinficiren. Es ist nöthig, die bei der Geburt verwendeten 
Stricke jedesmal nach einer solchen ausznkochen und an einem 
reinlichen Orte, nicht aber im Stalle aufzubewahren. Vor der 
Anwendung sind sie in eine 3 °/oo Sublimatlösung 10 Minuten 
hindurch einzulegen. Nach jeder Geburt sind die Geburtswege 
mit 8—12 Liter einer 2 procentigen Creolinemulsion auszuspülen. 
Bleibt die Nachgeburt zurück, so ist der Uterus täglich 2 mal 
mit Wasser von etwa 30 0 Celsius und nachher mit einer 2 pro¬ 
centigen Creolinemulsion auszuspülen. Hierzu ist für jedes Tbier ein 
besonderer Gummischlauch zu verwenden, der in gleicherweise 
aufzubewahren ist. Kranke Thiere erhalten ein besonderes 
Putzzeug, welches bei hochträchtigen, resp. frischabgekalbten 
Thieren ohne Desinfection nicht wieder benutzt wird. Praecantiv 
sind entovenöse Collargolinjectionen und die Imminger’schen 
Pyoctanineinstäubungen in die Scheide zu versuchen. 

Ist ein Gehöft stark mit Necrosebacillen verseucht, ist eine 
starke Ausstreuung der Infectionsstoffe vorliegend, so wird sich 
die von Imminger schon angegebene Desinfection des Gehöftes 
sehr schwer vornehmen lassen. Man wird bei der Vorbauuug 
immer auf den ersten angedeuteten Weg angewiesen sein. Bei 
alledem ist eine gründliche und scharfe Desinfection der Diinger- 
stätte und besonders des gesammten Stalles, ähnlich wie dies 
im Reichsviehseuchengesetz für Milzbrand vorgeschrieben ist, 
niemals zu unterlassen. 

9. Fleischbeschauliches. Das Fleisch von Thieren, die 
an Scheidennecrose erkrankt sind, ist vom Genüsse für Menschen 
auszuschliessen. Denn einmal handelt es sich dabei um Thiere, 
die eben erst gekalbt haben und bei denen die Involution des 
Uterus noch nicht beendet ist, sodann sind die Thiere meist 
unter dem Bilde eines Allgemeinleidens und unter Fieber¬ 
erscheinungen erkrankt. Auch der Eintritt der Sepsis erfolgt 
meist sehr frühzeitig. 

10. Epicrisis. 1. Die endemische Scheidennecrose im 
Zusammenhänge mit infectiösen Klauenleiden ist bislang in 
der Litteratur nur von Bang und Imminger beschrieben. Es 
erfahren daher diese Publikationen durch meine Untersuchungen 
und Beobachtungen eine weitere Bestätigung und Stütze. 2. Es 
muss als erwiesen gelten, dass unter besonderen Verhältnissen, 
besonders während der Kalbezeit, die Necrosebacillen eine 
vielseitige und bösartige Wirkung auf die thierischen Insassen 
eines Stalles ausüben können. 3. Es ist ferner als feststehend 
zu betrachten, dass ein Zusammenhang zwischen Scheidennecrose 
und Panaritium, auch Klauenkrebs besteht resp. eintreten kann. 
4. Auch ist unbestritten, dass die Scheidennecrose unter Er¬ 


29 


scheinungen der Septicämie zum Tode führen kann, eine 
Thatsache, die bisher in den Lehrbüchern der Pathologie, Ge¬ 
burtshilfe und Fleischbeschau eine zu geringe Würdigung er¬ 
fahren hat. 5. Bei der Bekämpfung der Krankheit spielt die 
Prophylaxe die Hauptrolle. Auf diesen Punkt ist ebenfalls in 
den angezogenen Lehrbüchern künftig noch ein grösseres 
Gewicht zu legen, damit der angehende Thierarzt nicht ver¬ 
gisst, in dieser Hinsicht den Landwirth vor oft ungeahnten 
Verlusten zu schützen. Harms-Eggeling (1. c.) und De 
Brnin zeigen in ihrer Geburtshilfe hierin den richtigen Weg. 
6. Eine verschärfte Stalldesinfection ist auch bei Scheiden¬ 
necrose, wie das schon Dr. Storch 1. c. in anderer Hinsicht 
betonte, nie zu unterlassen. 7. Nach dem Vorgänge de Bruins 
ist die Scheidennecrose dem Bilde der puerperalen Infection zu 
subsummiren. Damit wird auch gleichzeitig die eingangs 
meiner Arbeit anfgestellte Möglichkeit der Vereinheitlichung 
und richtigen medicinischen Systematisirung gewisser von 
einzelner Seite noch ungekannter oder als selbstständig aufge¬ 
fasster Leiden verwirklicht. 

Referate. 

Anomalie der Hörner bei einer Knh. 

Von D. Fi schkin-Petersburg. 

(Russisch. Archiv f. Thlorheilkunde, 10, 1 02.) 

In der thierärztlichen Litteratur ist die Casuistik über die 
organischen Anomalien bei unseren Hausthieren nicht sehr reich. 
Was aber die Deviation in der Entwickelung der Hörner bei 
dem Rinde betrifft, ist nur ein diesbezüglicher Fall von Hering 
beschrieben, nämlich in Indien sah er eine Kuh mit beweglichen 
Hörnern. Einen ebensolchen Fall der Anomalie der Hörner be¬ 
schreibt der Thierarzt Trofimoff, welcher zu einer kranken 
Kuh gerufen wurde. Als man ihm die Kuh zur Untersuchung 
zuführte, sagte der Besitzer, man solle sie nicht an die Hörner 
greifen, sondern nur an die Ohren. Den Thierarzt interessirte 
diese Vorsicht des Besitzers; Letzterer forderte ihn auf, sich 
selbst zu überzeugen. Bei der Untersuchung der Hörner fand 
Trofimoff Folgendes: Die Hörner hatten eine regelrechte, 
conische Form mit einer leichten Krümmung nach vorn und 
innen; im Uebrigen unterschieden sie sich gar nicht von den 
normalen Hörnern. Es genügte nur eine kleine Anstrengung, um 
die Hörner einen Kreis mit den Spitzen in der Luft machen zu 
lassen oder sie bis zur Stirn anzudrücken; wenn man sie aber 
losliess, so nahmen sie ihren rechten Platz mit einem Wanken 
der Spitzen ein; auch wenn das Thier mit dem Kopfe schüttelte, 
wankten die Hörner sehr langsam. Nach dem Tode dieser Kuh 
untersuchte T. die Hörner; die Hornzapfen waren sehr wenig 
entwickelt, 0,5 bis 1,0 cm hoch und 2,0 cm im Durchmesser; 
die Hornscheiden waren mit einem blutreichen, lockeren Binde¬ 
gewebe angefüllt. 

Wochenfiber8icht Aber die medicinische Litteratur. 

Von Dr. Je«8-Charlottenburg, 

Kreiatblerarat. 

Wiener medizinische Wochenschrift 49/02. 

Die Pilocarplnbehandlung der croupösen Pneumonie von P e 1 z 1* 
P. hat über recht günstige Erfolge der Pilocarpinbehandlung 
bei croupöser Pneumonie berichtet. 

Was lehren uns Beobachtung und Experiment über die 
Ursachen männlicher und weiblicher Gcschieohtsbiidung bei Thieren 
und Pflanzen? von 0. Schnitze. (Vortrag, gehalten in der 
physicalisch-medicinischen Gesellschaft in Würzburg am 13. No¬ 
vember 1902.) Prantl, Ranke und KlebB zeigten an der 
Prothallien der Farne, dass unter ungünstigen Verhältnissen 
nur männliche Geschlechtszellen gebildet wurden, während bei 
besserer Ernährung Eizellen auftreten. Nuss bäum hat nun 


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No. 2. 


BKKUNER TIIIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


30 

bei wirbellosen Thieren, nämlich bei Hydra, dem Süsswasser¬ 
polypen, je nachdem er ihn schlecht ernährte, Hoden oder ihn 
gnt ernährte, Eierstöcke sich entwickeln lassen. Das befruchtete 
Ei, das ist sehr wesentlich, enthält das Geschlecht präformirt 
und eine Einwirkung auf dieses hat keinen Erfolg, man muss 
auf die Weibchen zu einer Zeit einwirken, wenn die Bildung 
der Eier vor sich geht. Bei den Säugern und den Menschen 
sind die Eier zur Zeit der Geburt oder jedenfalls zur Zeit der 
Geschlechtsreife gebildet, es hat also keinen Erfolg durch die 
Ernährung auf das geschlechtsreife Säugethier zu wirken. Die 
Eier, aus denen ein Individuum stammt, sind bereits in dessen 
Gros8mutter, als seine Mutter noch eins mit ihr war, gebildet. 
Leider schlugen Versuche an Mäusen, auf die zweite Generation 
zu wirken, bisher fehl. 

Münchener Medizinische Wochenschrift 1902, No. .52. 

Aflurin ein neues Diureticum; von Dr. Nusch. Agurin ist eine 
Verbindung von Theobrorain-Natriura und Natrium aceticum; es 
wirkt bereits in kleinen Dosen sehr energisch. Die Tagesdosis 
für den Menschen beträgt 3 g. 

Dieselbe Zeitschrift 1902, No. 32. 

Zur Kritik der Beziehnngen der Angina tonsillaris zur Ent¬ 
zündung des Wurmfortsatzes; von Dr. Weber. Bei dor Angina 
tonsillaris werden Streptococcen mit dem Speichel abgeschluckt 
und gelangen in den Wurmfortsatz. Verf. zählt eine Anzahl 
Fälle auf. 

Tagesgeschichte. 

t 

Trotz brausenden W T intersturmes fand sich am 19. De- 
cember v. Js. auf dem östlichen Friedhofe zu München eine 
Schaar von Collegen ein, um einen der Edelsten ihres Standes 
zur letzten Ruhestätte zu geleiten. Professor Dr. Franz 
Friedberger hatte am 17. December v. Js. die Augen zum 
ewigen Schlummer geschlossen. Schlicht und einfach war die 
Todtenfeier, so wie der, dem sie galt, gelebt und gewirkt hatte; 
schlicht und einfach und dennoch tief ergreifend; bildete sie doch 
den Abschluss eines tragischen Geschicks, dem ein Fürst im 
Reiche unserer Wissenschaft nach einem wahren Martyrium 
zum Opfer gefallen war. 

Franz Friedberger ward geboren am 31. Januar 1839 
zu München und erhielt im Jahre 1860 das Absolutorium der 
damaligen Königlich bayerischen Central-Thierarzneischule. Nach 
mehrjähriger, practisclier Tliätigkeit in Miesbach und Weiden 
kehrte er im Jahre 1866 an die alma mater zurück, um hier 
zunächst vier Jahre hindurch als Prosector zu fungiren. Diese 
Periode benutzte Friedberger eifrig zu seiner eigenen wissen¬ 
schaftlichen Ausbildung an der Universität München und unter¬ 
nahm zu dem gleichen Zwecke im Jahre 1870 eine grössere 
Studienreise nach Wien und Alfort. Noch in diesem Jahre zum 
Professor an der Kgl. Central-Thierarzneischule München ernannt, 
oblag ihm bis zum Jahre 1874 die Vertretung verschiedener 
Fächer, bis ihm im genannten Jahre die Vorlesungen über 
specielle Pathologie und Therapie und die Leitung der medi- 
cinischen Klinik übertragen wurden. Damit begann für 
Friedberger eine Reihe von arbeitsvollen, aber auch erfolg¬ 
reichen Jahren. 

Zum Lehrer geschaffen wie nur wenige und mit den Bedürf¬ 
nissen der Praxis genau bekannt, gab Friedberger aus dem 
reichen Schatze seines positiven Wissens und seiner Erfahrung 


seinen Schülern mit vollen Händen das, was sie brauchten, um 
dereinst in ihrem verantwortungsvollen Berufe mit Ehren be¬ 
stehen zu können. Und wie verstand Friedberger es zu 
geben! Ein feiner Menschenkenner, voll Liebe und Wohlwollen 
für seine Schüler, wusste er jeden individuell zu fassen und an 
sich zu ziehen. Friedberger’s Klinik war nicht nur ein Lehr¬ 
institut, sie war auch im besten Sinne des Wortes eine Er¬ 
ziehungsanstalt für das ganze berufliche und bürgerliche Leben. 
Zwei Eigenschaften waren es vor Allem, welche Friedberger 
jedem seiner Schüler einzupflanzen bestrebt war, und in denen 
er ihnen selbst mit leuchtendem Beispiele voranging: unbestech¬ 
liche Wahrheitsliebe und peinlichste Pflichterfüllung, in der 
That zwei Grundpfeiler der Jugenderziehung. Hunderte von 
Collegen danken es heute ihrem unvergesslichen, ehemaligen 
Professor Friedberger, dass sie nicht nur brauchbare Thier¬ 
ärzte, sondern dass sie auch tüchtige Männer geworden sind. 

Es liegt nicht im Rahmen dieses kurzen Nachrufes und 
nicht in der Zuständigkeit des Verfassers, Friedberger’s 
Thätigkeit als Forscher und Schriftsteller zu würdigen; seine 
Leistungen auf diesen Gebieten sind weltbekannt und haben 
ihre öffentliche Anerkennung gefunden, indem Friedberger 
wiederholt Rufe an auswärtige Institute erhielt und von der 
medicinischen Facultät der Universität München znm Ehren- 
doctor promovirt wurde. 

Alle diese und noch weitere Auszeichnnngen konnten den 
hochverdienten Mann zwar erfreuen; sie vermochten aber nicht, 
sein einfaches, bescheidenes Wesen zu ändern. Er blieb, wie er 
war, der stille Gelehrte, der unermüdliche, hingebende Lehrer, 
der liebenswürdige College, der treue Freund. 

Um so grösser war die allgemeine Theilnahme, als dieser 
seltene Mann in seinen schönsten Jahren und in der Fülle seiner 
Kraft von einem entsetzlichen Leiden — einer Trigeminus- 
Neuralgie — befallen wurde, welches aller ärztlichen Kunst 
spottete und ihn nahezu zwei Jahrzehnte lang auf das Fürchter¬ 
lichste marterte. Trotz dieses Leidens oblag Friedberger 
noch fast ein Decennium hindurch mit heldenmüthiger Auf¬ 
opferung seiner Lehrtätigkeit, bis endlich die physische Kraft 
erlahmte und er im Jahre 1892 dem geliebten Berufe für immer 
entsagen musste. Bei seinem Ausscheiden ans dem Amt wurde 
ihm der Verdienstorden vom heiligen Michael 3. Classe verliehen. 

Nach seiner Pensionirung suchte Friedberger im Kreise 
seiner zärtlich geliebten Familie sowie in eifriger literarischer 
Thätigkeit Trost und Vergessen; allein noch viele Jahre hindurch 
musste er unsäglich leiden, bis ihm endlich am 17. December v. Js. 
nach einem Schlaganfalle ein sanfter Tod und damit die so 
heiss ersehnte Ruhe beschieden war. R. i. p.! 

Schwarzmaier-München. 

f 

Am 5. d. Mts. verschied nach längerem Leiden im 69. Lebens¬ 
jahre der herzogliche Kreisthierarzt Medicinal-Assessor Hermann 
Saake zu Wolfenbüttel. 

Hermann Saake wurde am 24. October 1834 zu Bispe 
rode, Amtsbezirk Eschershausen, als Sohn eines Land- und 
Gastwirths geboren. Durch den Besuch der dortigen Volks¬ 
schule und durch Privatunterricht im Lateinischen vorgebildet, 
bezog er im Jahre 1853 die Thierarzneischule zu Hannover 
und später die zu Berlin. Eifer und Fieiss füllten vollauf die 
Lücken seiner Vorbildung ans, und im Jahre 1857 bestand er 


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8. Januar 1908. 


BERLINER TIIIERÄRZTLICIIE WOCHENSCHRIFT. 


vor dem herzoglichen Ober-Sanitäts-Collegium in Braunschweig 
die thierärztliche Staatsprüfung. 

Saake begann seine practische Thätigkeit 1858 zu Theding¬ 
hausen, wo er bis 1869 wirkte. In diesem Jahre siedelte er 
nach Neuenbnrg (Oldenburg) über; hier hatte er neben seiner 
Praxis das Amt eines Lehrers an der Ackerbauschule. 1879 
wurde diese Schule nach Varel verlegt, nnd Saake nahm nun 
dort seinen Wohnsitz. 

Als das Reichsviehseuchengesetz in Kraft trat, wurde er 1881 
als Kreisthierarzt in Wolfenbüttel angestellt, 1898 Mitglied des 
Ober-Sanitäts-Collegiums und 1900zumMedicinal-Assessor ernannt. 

In allen diesen Wirkungsstätten hat der Verewigte ver¬ 
möge seiner grossen Begabung und seines reichen Wissens in 
rastloser, erfolgreicher Thätigkeit gewirkt. Von hoher Be¬ 
geisterung für seine Wissenschaft erfüllt, war er stets bestrebt, 
sein Wissen zu erweitern, allerdings nicht allein in seiner 
Fachwissenschaft; Saake besass vielmehr auch eine vorzügliche 
allgemeine Bildung, er war wohlbewandert in Manchem, was 
ihm als Thierarzt hätte fernstehen können. Dabei waren ihm 
natürlich die neuen und neuesten Errungenschaften der thier¬ 
ärztlichen Wissenschaft vollständig eigen, und es war eine 
Freude zu sehen, mit wie scharfer Beobachtungsgabe und durch¬ 
dringendem Urtheil er selbst schwierige Fälle erkannte und be¬ 
handelte. Und das Alles aus eigener Kraft! Denn Saake hatte, 
wie schon gesagt, keine höhere Schule besucht. Aber was ihm 
fehlte, ersetzten schnell sein eiserner Fleiss und seine reiche 
Begabung. Und wie Fleiss und Begabung ihm so in seiner 
Jugend eigen waren, so auch sein ganzes Leben hindurch, das 
ein rastloses, nie ermattendes Vorwärtsstreben war. Saake 
war in seiner Wissenschaft nicht allein der Empfangende, er 
war auch der Gebende. Davon zeugt eine grössere Anzahl 
von Abhandlungen über Geburtshülfe, Katarrhalfieber, Kalbe¬ 
fieber etc. Eine seiner letzten Arbeiten war eine Abhandlung 
über Leberangiome, welche er in Verbindung mit seinem Sohne, 
dem Dr. med. Saake, herausgab. 

Dieser Liebe und Treue zu seiner Wissenschaft entsprach 
die Treue zu seinen Freunden, die Herzlichkeit im Verkehr mit 
allen Denen, die den Vorzug hatten, ihm im Leben näher zu 
treten. Sein offener Character liess ihn stets frank und frei 
seine Meinung sagen, Hinterhalt war ihm fremd. Auf seine 
Treue und Zuverlässigkeit konnte man bauen; um seinen Rath 
nnd seine Hülfe bat man nie vergebens. 

So haben ihm denn besonders jüngere Collegen viel zu ver¬ 
danken, denen er gern mit Rath und That treu zur Seite stand. 
Ihm wurde deshalb auch das Vertrauen seiner Collegen in 
seltenem Maasse zu theil, man wusste, was man an ihm hatte. 
Gerade sein schöner Characterzug, Jedem das Seine freudig zu 
gönnen, fesselte seine alten Freunde fest an ihn und erwarb 
ihm stetig neue. Wie gross das ihm entgegengebrachte Ver¬ 
trauen war, beweist, dass er 13 Jahre hindurch an der Spitze 
des thierärztlichen Vereins im Herzogthum Braunschweig stand, 
der unter seiner umsichtigen, geschickten Leitung stetig gedieh. 
In den Versammlungen desselben, die er wohl kaum einmal 
versäumt hat, gab er viele Anregungen und spendete Gediegenes 
und Interessantes aus den reichen Erfahrungen, die er in seiner 
grossen Praxis zu sammeln Gelegenheit hatte. 

Wie sehr er sich auch des Vertrauens seiner Vorgesetzten 
Behörden erfreute, zeigt, dass er 1898 zum Mitgliede des 
Herzoglichen Ober-Sanitäts-Collegiums gewählt wurde. In dieser , 


31 

Stellung ist er stets bestrebt gewesen, sein Möglichstes für die 
Hebung des thierärztlichen Standes zu thun, und wie sehr die 
Regierung mit seiner Tüchtigkeit und Pflichttreue zufrieden 
war, beweist die 1900 erfolgte Verleihung des Titels Medicinal- 
Assessor. 

Leider war es ihm nicht lange vergönnt, dieses Amt 
zu verwalten, denn bereits im December v. J. erlitt er einen 
Schlaganfall, von dessen Folgen er sich nie wieder recht erholt 
hat. Selbst eine Kur in Ahlbeck und später in Nauheim brachte 
nur vorübergehend Besserung. Trotzdem gönnte sich Saake 
keine Ruhe; er nahm, wenn auch in beschränktem Umfange, 
seine Thätigkeit wieder auf; doch zuletzt erlahmten seine 
Kräfte, er wurde schwächer und schwächer, — ein Herzschlag 
beendete plötzlich am 5. December sein thatenreiches Leben. 

Um den Entschlafenen trauern eine betagte Wittwe, mit 
der er etwa 40 Jahre in glücklichster Ehe lebte, und ein Sohn, 
welcher practischer Arzt ist, sowie eine verheirathete Tochter. 
Ein anderer hoffnungsvoller Sohn war im Alter von 23 Jahren 
seinen Eltern durch den Tod entrissen worden. • 

Der thierärztliche Stand haben in dem Verewigten einen 
seiner besten Vertreter, der thierärztliche Verein sein eifrigstes 
Mitglied, seine Familie den besten Gatten und Vater und seine 
Freunde den treuesten Freund verloren. 

Ein dauerndes Andenken ist ihm gesichert! 

Schräder. 

Protocoll der Versammlung der Thier’ärzte 
des Regierungsbezirks Stettin. 

Vom 7. December 1902. 

Der Vorsitzende, Departementsthierarzt und Veterinär-Assessor 
Pauli, eröffnet die Sitzung und begrüsst die Anwesenden. 

Es sind erschienen die Herren: Kreisthierarzt Büttehe r- 
Camrnin, Thierarzt Bredenfeld - Labes, Scblachthofinspector 
Bauermeister-Wolgast, Schlachthofinspector Erdmann-Anklam, 
Schlachthofdirector Falk-Stettin, Thicrarzt Fetting-Pyritz, Thier¬ 
arzt Fibian-Gollnow, Kreistbierarzt Harenburg - Stargard i. Pomm., 
Kreisthierarzt Hinniger-Pyritz, Kreisthierarzt Janzon-Alt-Damm, 
Schlachthofinspector Jantzen - Pasewalk, Schlachthofthierarzt 
kasten-Stettin, Kreisthierarzt Körner-Treptow a. d. Toll., Thier¬ 
arzt Kreuz-Züllchow, Kreisthierarzt Melchert-Naugard, Schlacht¬ 
hofthierarzt Mucha - Stettin, Veterinär-Assessor Pauli - Stettin, 
Kreisthierarzt Reims feld-Anklam, Thierarzt Scharf-Löcknitz, 
Kreisthierarzt Dr. Schimmelpfennig - Greifenberg, Thierarzt 
Schumacher-Stettin, GeBtütsinspector Schultze-Labes, Schlacht¬ 
hofthierarzt Selle-Stettin, Sanitätsthierarzt Stöhr-Misdroy, Thier¬ 
arzt Z i 1 m - Stargard i. Pomm., Schlachthofdirector Zühl-Stargard 
i. Pomm. 

Als Gäste die Herren: Departementsthierärzte Baranski 
Stralsund und Brietzmann-Köslin, Director Dr. Schwarz-Stolp, 
Dr. Joest-Stettin. 

Der Vorsitzende theilt mit, dass die im Regierungsbezirk 
Stralsund ansässigen Thierärzte einen besonderen Verein unter 
Vorsitz des Herrn Departementsthierarztes Bar an ski gebildet haben, 
demgemäss aus dem bisherigen Verein für die Regierungsbezirke 
Stettin und Stralsund ausgeschieden seien, und begründet die 
Separation der pommerseben Vereine Reimsfeld wünscht die 
Kassenangelcgenheit betreffend ev. Rückzahlung von Beiträgen 
geregelt zu wissen. Nachdem Herr Departementsthierarzt Baranski 
die Forderungen seines Vereins klar gelegt, wird demgemäss be¬ 
schlossen; die Vereinsbeiträge, welche für das laufende Jahr bereits 
gezahlt sind, werden zurück gezahlt und die noch zu zahlenden 
Beiträge nicht erhoben. Nach dieser Auseinandersetzung be- 
schliessen die anwesenden Thierärzte des Regierungsbezirks Stettin 
die Bildung des Vereins für diesen Bezirk unter Beibehaltung der 
vorhandenen Statuten und der Vorstandsmitglieder. Es sind jedoch 
nachzuwählen der 2. Vorsitzende und der 2. Schriftführer. Die 


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No. 2. 


BERLINER TIIIEUÄRZTL 

Wahl fällt auf die Herren Petting bezw. Scharf. Zn wählen 
sind ferner die Vertretungen beim Deutschen Veterinärrath und 
der Centralvertretung der thierärztlichen Vereine Proussens. Für 
den Veterinärrath wird gewählt Vcterinär-AsseBsor Pauli und als 
Stellvertreter Director Falk; zur Centralvertretung Veterinär- 
Assessor Pauli und Director Falk und als deren Vertreter 
Thierarzt Fetting-Pyritz und Gestütsinspector Schultze-Labes. 

Demnächst wird von den drei Vorsitzenden der Pommerschen 
Vereine der Zusammenschluss dieser zu einem losen Verbände 
beantragt und begründet und der Antrag angenommen. Der Ver¬ 
band soll im Wesentlichen bei allen wichtigen Fragen Gesammt- 
entscheidungen treffen, um so einflussreicher wirken zu können. 
Die Versammlungen des Verbandes finden jährlich einmal in Stettin 
statt, und zwar im Herbst. 

Der Vorsitzende bringt hierauf einen ihm aus der Versammlung 
eingebrachten Antrag zum Vortrage; er betrifft die Ernennung des 
Professors Dr. Ost er tag in Berlin zum Ehrenmitgliede des Vereins. 
Nach wohlverdienten, trefflichen Worten der Anerkennung für die 
hervorragenden Leistungen Ostertags, besonders seiner rastlosen 
Mitarbeit an der Schaffung des Reichsfleischbeschaugesetzes und 
der gesetzlichen Ausführungsbestimmungen, wird die Ernennung 
zum Ehrenmitgliede einstimmig beschlossen und der Vorstand 
beauftragt,*das Weitere zu veranlassen. 

Zu Punkt 2 der Tagesordnung: Besprechung über die Aus- 
führungsbestimmungen zum Reichsfleischboschaugesetz erhält der 
Referent Director Falk das Wort. 

Der Vortragende behandelt zunächst die geschichtliche Ent¬ 
wickelung der wissenschaftlichen Fleischbeschau seit Ausgang der 
sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts und hebt die grossen 
pecuniären Opfer hervor, welche die Gemeinden durch die Er¬ 
richtung öffentlicher Schlachthäuser gebracht haben. Die Rentabilität 
der Schlachthäuser war bisher gesichert durch die Schlachthaus¬ 
gesetze. Das am 1. April 1903 in Kraft tretende Reichsfleisch- 
beschaugesetz nehme den Gemeinden die wichtigste Grundlage für 
die gesicherte Rentabilität der Schlachthöfe, indem cs durch den 
§ 5 des preussischen Ausführungsgesetzes zum Reichsfleischbescbau- 
gesetze die Freizügigkeit desjenigen Fleisches gestattet, welches 
thierärztlich untersucht sei. Eine nochmalige Untersuchung bei 
Einfuhr solchen Fleisches dürfe sich nur auf die Feststellung be¬ 
schränken, ob daB Fleisch inzwischen verdorben sei oder sonst eine 
gesundheitsschädliche Beschaffenheit erlitten habe. Diese Be 
Stimmungen haben in den Verhandlungen des Landtages und Herren¬ 
hauses allgemein den Widerspruch der städtischen Vertreter erregt, 
und zwar um so mehr, als durch den § 14 des betreffenden Ge¬ 
setzes den Gemeinden ein erheblicher Gebührenausfall in Aussicht 
gestellt ist. 

Dieser Gebührenausfall wird sich in den Grossstädten nicht 
etwa auf den Betrag der Beschaugebühren für das von ausser¬ 
halb eingeführte Fleisch beschränken, sondern er wird durch die 
Freizügigkeit des Fleisches so gross werden, dass den mit erheb¬ 
lichen Kosten errichteten Schlachthäusern bezüglich ihrer Rentabilität 
ernstliche Gefahren drohen; auch die Rentabilität der Viebhöfe 
müsste darunter leiden, denn je mehr sich die Einfuhr des frei¬ 
zügigen Fleisches steigere, um so geringer würde der Umsatz auf 
den Viehhöfen sein. Zwar sei im § 21 der Ausführungsbestimmungen 
festgesetzt, dass der § 5 Absatz 1 erst am 1. October 1904 in Kraft 
treten soll und mit ihm sinngemäss auch die Bestimmungen des 
§ 14, welcher die Gebührenfrage regelt, doch sei zu befürchten, 
dass, wenn die in Aussicht gestellte Novelle zum Preussischen 
Schlachthausgesetz den Gemeinden nicht weitgehende Befugnisse 
einräumt, die Entschliessungen der Gemeinden bezüglich der Er¬ 
richtung, Einrichtung und Erweiterung der Schlachthofanlagen 
erheblich beeinflusst werden. Schon jetzt seien Gemeinden von 
ihren Projecten zurückgetreten, um die Wirkung des Reichs- 
fleischbeschaugesetzes abzuwarten. DerVortragende bespricht sodann 
weiter die Wirkungen des Reichsfleischschaugesetzes bezüglich der 
Qualität des freizügigen Fleisches und kommt zu dem Resultat, 
dass nach dem Inkrafttreten des Gesetzes die Vorzüge, welche die j 
Fleischbeschau in öffentlichen Schlachthäusern dem consumirenden 
Publicum bisher zu Gute kommen Hess, erheblich herabgemindert 
werden. 


ICJIE WOCHENSCHRIFT. 

Durch alle diese Verhältnisse werden die Schlachthofgemeinden 
gezwungen, ihrerseits in gerechtfertigter Nothwebr Repressalien 
gegen den übermässigen Import von Fleisch zu ergreifen. Diese 
bestehen darin, von der Anwendung des § 2 Ziffer 4 der Novelle 
zum Schlacbtbausgesetz vom 9 März 1881 Gebrauch zu machen, 
also zu verlangen, dasB sowohl auf den öffentlichen Märkten, als 
in den Privatschlachtstätten das nicht im öffentlichen Schlachtbause 
ausgcschlachtete frische Fleisch von dem daselbst ausgeschlachteten 
gesondert feil zu halten ist. Ferner werden die Schlachthof¬ 
gemeinden dem freizügigen Fleisch keinen Einlass in die Kühl¬ 
häuser der Schlachthöfe gewähren. 

Demnächst bespricht der Vortrag« nde die übrigen Bestimmungen 
des preussischen Ausfühningsgesetzes und hebt besonders hervor, 
dass vom Tage der Einführung des Reichsfleischbeschaugesetzes an 
die Fleischbeschau überall staatlich sei, auch in den städtischen 
Schlachthäusern. Dies drücken § 9 des Reichsgesetzes und § 41 
der Ausführungsbestimmungen des BundeBrathes deutlich aus. 
Durch die Bestimmungen des § 17 des preussischen Ausführungs- 
gesetzeB können im Wege weiterer Ausführungsbestimmungen Be¬ 
fugnisse der Polizeibehörden anderen Behörden oder Beamten 
allerdings übertragen werden, und es stehe zu erwarten, dass die 
Behörden hieizu die Schlachthofthierärzte bestimmen werden. In¬ 
wieweit aber ein solches Verhältnis für das nothwendige harmonische 
Zusammenwirken der staatlichen und städtischen Beamten er- 
spriesslich sein werde, bleibe abzuwarten. In kleineren Städten 
trete dies Verhältnis nicht in die Erscheinung, weil hier die Bürger¬ 
meister gleichzeitig Polizeiverwalter seien. 

Wenn nun auch das Reichsgesetz, welches am nächsten April 
mit aller Schärfe einsetzt, Neuerungen schaffe, an die wir uns ge¬ 
wöhnen müssen, und wenn die Städte mit öffentlichen Schlacht¬ 
häusern auch manches Werthvolle einbüssen und die an denselben 
angestellten Sachverständigen in ein Abhängigkeitsverbältniss zur 
Polizeibehörde gekommen sind, so dürfe man nicht verkennen, 
dass die neuen Gesetze eine hervorragende Errungenschaft unserer 
jahrzehntelangen Bestrebungen auf dem Gebiete der Hygiene sind. 

Der Correferent, Departements-Thierarzt Veterinär-Assessor 
Pauli, weist zuerst darauf hin, dass durch die Fürsorge unserer 
Centralbehörde die Ausführung des Reichsfleischbeschaugesetzes 
und Beiner weiteren Bestimmungen wesentlich thierärztlichen Or- 
_ ganen übertragen ist. Wir müssen dieses dankbar anerkennen und 
als einen Sieg der thierärztlichen Wissenschaft auffassen. 

Die Schwierigkeiten, die aus der Ausübung der Fleischbeschau 
auf dem platten Lande erwachsen würden, könnten wohl dadurch 
abgemildert werden, dass dort die Fleischbeschau der Trichinen¬ 
schau angegliedert werde. Die Kosten dürften nicht allzu hoch 
geschraubt werden. Die einzelne Amtshandlung würde besonders 
bei weiter Entfernung nicht immer ausreichend honorirt w'erden 
können, deshalb müsse man die Gesammt-Entschädigung für die 
Leistungen eines Jahres in Betracht ziehen. 

Der Correferent hofft bestimmt, dass die Ausdehnung der 
Staatscontrole nicht als eine Herabrainderung des Ansehens der 
städtischen Thierärzte, sondern eher als eine Unterstützung der 
Letzteren angesehen werde. Die Sachverständigen des Staates und 
der Städte hätten wichtige erzieherische Aufgaben, die sie nur 
gemeinsam lösen könnten, deshalb sollten auch die Zöglinge der 
Fleisch- und Trichinenbeschau möglichst von einer gemischten 
Commission, in der beide Beamten Categorien vertreten sind, geprüft 
werden. 

Dass die Fleischbeschau auch ein wesentliches Hilfsmittel für 
die Veterinär-Polizei bilde, liege auf der Hand. Das Endglied für 
die Ausübung der Fleischbeschau, die Regelung des Abdeckerei¬ 
wesens, fehle inde8s noch. So schwierig diese Materie auch sei, 
endlich müsse sie doch geregelt werden, da die unschädliche Be¬ 
seitigung der Confiscate bisher nicht garantirt sei. 

Correferent gebt alsdann auf einzelne Punkte von localer Be¬ 
deutung über. 

In der hierauf folgenden Debatte pflichtet Departementsthierarzt 
Baranski dem Vorredner besonders in dem Punkt bei, dass es 
ausserordentlich Bchwer halte, in einigen Amtsbezirken die obliga¬ 
torische Fleischbeschau einzuführen, weil den empirischen Fleisch- 


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8. Januar 1903. BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 33 


beschauern ein nennenswerthes Aequivalent für die Kosten ihrer 
Ausbildung nicht gegeben werden könne. Ferner beleuchtet der¬ 
selbe den Gang der Untersuchungen im Instanzenwege bei Meinungs¬ 
verschiedenheiten der Beschauer und kritisirt die Umständlichkeit 
des Verfahrens. 

Departementsthierarzt Veterinärassessor Pauli ist der Ansicht, 
dass unter allen Umständen von dem vorgeschriebenen Instanzen¬ 
wege nicht abgegangen werden dürfe und das alle Thierärzte im 
Interesse der grossen Errungenschaft, welche das Reichsfleisch- 
beschaugesetz auch in autoritativer Hinsicht ihnen verliehen, ihre 
ideale Mitarbeit bei der Einführung des Gesetzes nicht versagen 
möchten, wenn auch zunächst die pecuniären Erfolge nicht so aus¬ 
fielen, wie sich das Mancher wünsche. 

Hiermit ist der Gegenstand erledigt und es erhält das Wort 
zum Referat Ober Kälberruhr (Punkt 3 der Tagesordnung) Dr. Joest. 

Ref. bemerkt einleitend, dass er nicht im Stande sei, Uber das 
Ergebniss abgeschlossener Untersuchungen über die Kälberruhr in 
Pommern zu berichten. Die Untersuchungeu, die im bacterio- 
logischen Institut der Landwirthschaftskammer für Pommern aus¬ 
geführt würden und mit welchen Ref. seit kurzem betraut sei, 
seien bei weitem noch nicht abgeschlossen. Ref. wolle aber nicht 
verfehlen, die Herren Collegen für diese Untersuchungen schon 
jetzt zu interessiren. 

Ref. führte aus, dass die Kälberruhr zweifellos eine Infections- 
krankheit sei, jedoch sei dieselbe, vom aetiologischen Standpunkte 
aus betrachtet, durchaus nicht einheitlicher Natur. Der An¬ 
steckungsstoff sei kein specifischer, der Symptomencomplex der 
Kälberruhr könne vielmehr von verschiedenen Bacterien erzeugt 
werden. So constatirte Poels bei seinen Untersuchungen über 
das Kälbersterben in Holland und einer ganzen Reihe von Fällen 
verschiedene Krankheitserreger, wie virulente Colibacterien, Pseudo- 
colibacterien, Proteusbacterien, Bacterien der hämorrhagischen 
Septicämie u. a. m. Nocard fand als Erreger der „White Scour“ 
der Kälber in Irland ein Bacterium der Gattung „Pasteurella“, 
(Septicämia hämorrhagica), während Jensen bei seinen Unter¬ 
suchungen über die Kälberruhr in Dänemark eine pathogene 
Varietät des normaler WeiBe im Darmcanal vorkommenden 
Bacterium coli als Ursache der Krankheit einwandsfrei festgestellt 
hatte. Durch die Untersuchungen von Jensen wissen wir ferner, 
dass die Kälberruhr kein „einfacher Entzündungszustand im Ver- 
dauungscanal ist, sondern ein Entzündungszustand, complicirt mit 
einem septicämischen Zustande, der durch das Eindringen der 
Bacterien in den Blutstrom hervorgerufen wird.“ Das normale 
Bacterium coli kann unter Umständen, d. h. wenn die Widerstands¬ 
fähigkeit des Organismus durch gewisse Momente geschwächt ist, 
vom Darme aus in den Blutstrora eindringen. Unter diesen 
Verhältnissen können die Bacterien pathogene Eigenschaften 
nicht nur für das betreffende Individium, sondern auch für 
andere neugeborene Kälber erlangen und letztere ruhrkrank machen. 
— Die Untersuchungen, welche im bacteriologischen Institut der 
Landwirthschafskammer vom Ref. angestellt werden, haben zum 
Ziele: l. die Aetiologie der Kälber in Pommern durch genaue 
bacteriologische Untersuchung einer möglichst grossen Zahl von 
Kälberruhrfällen aus verschiedenen Beständen festzustellen, 2. die 
Pathogenese der Krankheit zu ermitteln und 3. auf Grund der Er¬ 
gebnisse der unter 1) und 2) genannten Untersuchungen eine ratio¬ 
nelle Prophylaxis bezw. Therapie zu eruiren. Was das Ergebniss 
der seitherigen Untersuchungen anbelangt, so wurden bis jetzt 
Kälber aus 10 verschiedenen, örtlich meist weit getrennten Beständen 
pathologisch-anatomisch und bacteriologisch untersucht. Die Sec- 
tionsmerkmale waren in Bezug auf den Darm, an welchem man 
die hauptsächlichsten Veränderungen vermuthen müsste, wenig 
characteristisch. Was constant bis jetzt gefunden wurde, waren eine 
allgemeine hochgradige Anämie der inneren Organe und sub¬ 
peritoneale und subendocardiale Blutungen, besonders an den Herz¬ 
klappen. Die Nabelgefässe wiesen in allen bisher untersuchten 
Fällen keine pathologischen Veränderungen auf. Bei der bacterio¬ 
logischen Untersuchung wurden coliäbnliche Bacterien in sämmt- 
lichen Organen (auch im Knochenmark) gefunden. Diese 
Bacterien Hessen sich im Blute auch solcher Kälber nacb- 


weisen, die bereits in einem frühen Stadium der Erkrankung ge¬ 
schlachtet worden waren. Morphologisch und biologisch stimmten 
die isolirten Bacterien im Allgemeinen mit den von Jensen aus 
Kälberruhrfällen in Dänemark isolirten Bacterien überein; Versuche 
mit den hier isolirten Bacterien Bind im Gange. Was die Patho¬ 
genese anbelangt, so ist, soweit sich bis jetzt ein Urtheil fällen lässt, 
anzunehmen, dass die Infection vom Darme, nicht vom Nabel aus 
erfolgt, und dass die Infection während oder unmittelbar nach der 
Geburt stattfand. Wahrscheinlich findet das Eindringen der Bacterien 
in die Blutbahn vom Dünndarm aus statt, dessen Epithel unmittelbar 
nach der Geburt in Folge des Mangels einer „Schleimzone“ eine 
besondere Durchlässigkeit besitzt. Zum Schluss sagt Ref., dass 
Versuche, gegen die Kälberruhr wirksame prophylactische und 
therapeutische Mittel ausfindig zu machen, im Gange seien, dass 
aber vor Allem mit verschiedenen Verfahren und Mitteln Versuche 
in der Praxis anzustellen seien, wozu er die Mitwirkung der Herren 
Collegen erbitte. 

An der sich an den Vortrag anknüpfenden Besprechung be¬ 
theiligen sich besonders die beamteten Thierärzte des Regierungs¬ 
bezirks Stettin und stellen dem Vortragenden ihre Mitwirkung bei 
der mühe- und werthvollen Arbeit in Aussicht. 

Punkt 4 der Tagesordnung, Mittheilungen aus der Praxis, fand 
wegen der vorgerückten Zeit nur in ganz beschränktem Maasse 
Erledigung. 

Nach der Sitzung versammelten sich die Theilnehmer mit ihren 
Damen zu eiuem gemeinschaftlichen Essen. 

Pauli, Vorsitzender. Falk, Schriftführer. 

Protocoll über die 42. ordentliche General-Versammlung 
des Thierärztlichen General-Tereins für die Provinz 

Hannover. 

Am 7. December 1902 im Hygienischen Institut der Thierärztlichen 
Hochschule zu Hannover. 

Die von 47 Mitgliedern und 2 Gästen besuchte Versammlung 
Wfrde'unr ll'/a Uhr Vormittags durch den Präsidenten Herrn Geb. 
Rath Dr. Esser-Göttingen mit herzlichen Begrüssungsworten er¬ 
öffnet und für freundliche Ueberlassung des Hörsaals im Hygienischen 
Institut zu dem heutigen Zweck Herrn Geh. Rath Dr. Dammann 
im Namen des Vereins gedankt. 

Der Vorschlag des Präsidenten, zunächst alle übrigen Positionen 
der Tagesordnung zu erledigen, damit den Ausführungen des Herrn 
Geh. Rath Dr. Dammann über den gütigst zugesagten Vortrag: 
„Die Diagnose und die Bekämpfung der TuberculoBe“ keine Be¬ 
schränkung in der Zeit gesetzt werden brauche, wird acceptirt 
Weiterhin führt der Präsident aus: „Vielleicht wird es auch noch 
nöthig sein, den Vortrag des Herrn Professor Dr. Rievel: „Ueber 
Fleischbeschau“ ebenfalls heute mit dessen Einwilligung zurück¬ 
zusetzen, wenn nach Erledigung der vorgenannten Themata die 
Zeit schon zu weit vorgeschritten sein sollte. 

Auch die Schächtfrage, über welche Herr College Friese- 
Alfeld in der vorigen Versammlung das Referat übernommen hatte, 
kann nun endgültig von der Tagesordnung gestrichen werden, 
nachdem Herr College Friese erklärt hat, dass wegen des reich¬ 
haltig vorhandenen litterarischen und experimentellen Stoffes über 
diese Frage pro und contra ein kurzes Referat ihm nicht zweck¬ 
entsprechend erscheine. 

Der Präsident geht nun zum Geschäftsbericht über. Der 
Verein hatte zu Anfang des Berichtsjahres 158 Mitglieder; von 
diesen sind im letzten Vereinsjahr zwei gestorben: der Thierarzt 
Held mann-Stadthagen und der Veterinär-Assessor Saake-Wolfen- 
büttel. Diese letzte Trauernachricht wird soeben erst durch Herrn 
Geh. Rath Dr. Dammann der Versammlung mitgetheilt Herr 
Veterinär-Assessor Saake ist erst am 6. December verschieden. 
Der Präsident veranlasst die Versammlung, dem ehrenden Andenken 
an die Verstorbenen durch Erheben von den Sitzen Ausdruck zu 
geben. (Geschieht) Vier Mitglieder sind wegen Fortzugs in andere 
Provinzen aus dem Verein ausgetreten. Hierauf werden 14 Collegen, 
welche sich zum Beitritt gemeldet haben, ohne Widerspruch aus 
der Versammlung aufgenommen, so dass der Verein jetzt 166 Mit¬ 
glieder zählt. Eingetreten sind die Herren Collegen: Behrens 


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BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 2. 


Achim, Coblcnzer-HildeBhcim, Eil man n - Springe, Greiser- 
Sulingen, Holm-Harburg, Kleine-Scbellertcn, Koch-Polle, Koch- 
Hannover, Dr. KU nnemann-Hannover, Lut her-Dorum, Rathke- 
Hannovcr, Rein bol d - Ahlden a. Aller, Stahl mann - Seelze, 
Dr. Stenzel-Detmold. 

Herr Director Geiss erstattet nun einen Bericht über die Ver¬ 
mögenslage des Vereins. In sicheren Staatspapieren sind angelegt 
das Vereinsvermögen mit 3600 Mk. und der Fond der Wittwen¬ 
kasse mit 9300 Mk. Aus den Ueberschiissen des letzten Jahres 
ist ein Werthpapier in Höhe von 600 Mk. für die Wittwenkasse 
angekauft worden, so dass sich heute das Vermögen desselben auf 
9900 Mk. beläuft. Ausser diesem capitalisirten Betrag von 600 Mk. 
ist aus dem letzten Jahre noch ein beträchtlicher Ueberschuss vor¬ 
handen, wovon 200 Mk. (gegen 300 Mk. im Vorjahr) dem Vorstande 
zur Verfügung gestellt werden, um dieselben nach seinem Ermessen 
au bedürftige Wittwen verstorbener Vereinsmitglieder zu ver¬ 
theilen. Ferner sollen 300 Mk. verwendet werden, um ein Werth¬ 
papier zu kaufen, welches der Wittwenkasse überwiesen wird. Aus 
90 pCt. der Zinsen des Vereinsverraögens und der Zinsen des Ver¬ 
mögens der Wittwenkasse sollen in diesem Jahr an 32 Wittwen 
von Vereinsmitgliedern nach dem bisherigen Modus (Antheile) Pen¬ 
sionen gezahlt werden. Drei Wittwen haben das erforderliche 
Attest nicht eingesandt. 

Die Versammlung ist nach Abstimmung dafür, dass diese 
Wittwen nochmals aufgefordert werden sollen, sich zu erklären, ob 
sie den Anspruch fallen lassen wollen oder nicht; im letzteren 
Falle sollen ihnen die ihnen zustehenden Wittwengeider auBgezahlt 
werden. 

Für die letztjährige Rechnung wird hierauf dem Herrn Ren¬ 
danten Geiss nach Bericht der Rechnungsrevisoren, der Herren 
Dr. Malkmus und Dr. Brücher sen, Decharge ertheilt. 

Die Beschlussfassung über die Reform der Wittwenkasse muss 
noch einmal bis zur nächsten Versammlung verschoben werden, 
weil versehentlich dieser Punkt nicht auf die Tagesordnung ge¬ 
stellt ist. Zu Revisoren der Rechnung für das nächste Jahr werden 
Statutengemäss die Herren Dr. Brücher und Dr. Malkmus ge¬ 
wählt, und zwar per Acclamation. 

Der Präsident berichtet nun über die 9. Plenar - Versammlung 
des Deutschen Veterinär-Rathes in München, welche in den Tagen 
vom 20.—22. October v. J. stattgefunden hat Weil angenommen 
werden muss, dass den Vereinsmitgliedern aus den Berichten der 
Fachzeitungen schon bekannt ist, dass die Berathungen haupt¬ 
sächlich über eine Neugestaltung des Reichsviehseuchengesetzes 
stattgefunden und den grössten Theil der Verhandlungen in An¬ 
spruch genommen haben, und dass sonst noch neben dem ge¬ 
schäftlichen Theil über die Aufnahme der thierärztlichen Special- 
Vereine entschieden ist, so erübrigt nur noch aus den denkwürdigen 
Tagen in der Isarstadt hervorzuheben, dass dieselben jedem Tlieil- 
nehmer stets eine schöne Erinnerung bleiben werden. Die grosse 
Antheilnahme, welche dem Veterinär-Rath von den Reichs- und 
städtischen Behörden München’s durch die Theilnahme an den 
Sitzungen und den festlichen Veranstaltungen erwiesen ist, ist ein 
erfreuliches Zeichen für die Werthschätzung der thierärztlichen 
Wissenschaft und ihrer Vertreter. Fast alle Bundesstaaten hatten 
aus den Ministerien officiellc Vertreter gesandt, ebenso die thierärzt¬ 
lichen Hochschulen; die grösste Ehre aber wurde der Körperschaft 
durch die Gegenwart Sr. Kgl. Hoheit des Prinzen Ludwig von 
Bayern, des hochsinnigen Protectors und Förderers unserer thier¬ 
ärztlichen Bestrebungen zu Theil. Ein Bericht über die Münchener 
Tage wird jedem Vereinsmitgliede nach Fertigstellung zugehen. 

Die nun statutengemäss vermittelst Stimmzettel vorgenommene 
Neuwahl des Vorstandes hat das Ergebniss, dass sämmtliche bis¬ 
herigen Vorstandsmitglieder wiedergewählt werden, nämlich die 
Herren: Geh. Rath Dr. Esser-Göttingen Präsident, Dr. Brücher sen. 
Hildesheim Vicepräsident, Director Geiss-Hannover Rendant, Thier¬ 
arzt Pölitz-Wunstorf Schriftführer Dieselben nehmen die Wahl 
dankend an. 

Geh. Rath Dr. Damm ann hielt nun seinen angekündigten 
Vortrag: „Ueber die Diagnose und die Bekämpfung der Tuberculose.“ 
Der Vortrag wird nach Fertigstellung des Stenogramms veröffentlicht 
werden. — Redner bespricht die allgemeine und grosse Gefährlichkeit 


der Tuberculose und weist darauf hin, dass die Zeit nicht mehr 
fern Bei, wo bei einer neuen Berathung des Reichsviebseuchen- 
gesetzes die Tuberculose ebenfalls unter den anzeigepflichtigen Krank¬ 
heiten verzeichnet werden müsse. Er erläutert die characteristischen 
Krankheitserscheinungen und die verschiedenen Arten der Tuberculose 
(Lungen-, Euter-, Uterustuberculose). Der Kampf gegen die ver¬ 
heerende Krankheit ist erst ernstlich begonnen, seitdem Koch die 
Herstellung des Tuberculius gelungen ist. Verschiedene Staaten, 
Amerika, Belgien, Dänemark, haben versucht, durch die Impfung 
die Ausrottung der Krankheit herbeizuführen; auch das preussische 
landwirthschaftlicbe Ministerium hat versuchsweise Impfungen an¬ 
gestellt, doch überall hat sich gezeigt, dass die consequente Durch¬ 
führung unerschwingliche Opfer an Geld fordert, und dass das 
Werk auch durch das mangelnde Entgegenkommen der Landwirthe 
ausserordentlich erschwert wird. Nur auf dem Gute Köthenwald 
beim Orte Ilten werden — anscheinend mit Erfolg — die Versuche 
durchgeführt werden. Bei der ersten Impfung reagirten 68 pCt. 
Thiere, bei der zweiten nur noch 2 Stück, bei der dritten zeigte 
sich bei keinem Thiere eine Reaction. 

Ein anderes Mittel hat Herr Behring, bekannt als Erfinder 
des Diphtherieserums, vorgeschlagen, nämlich den gesammten 
Rindviehbestand des Deutschen Reiches von Jugend auf durch 
Immunisirnng gefeit zu machen. Er ist jetzt mit den VorverBuchen 
dazu beschäftigt, aber es wird wahrscheinlich noch viele Jahre 
dauern, um die practische Brauchbarkeit der Idee zu erproben. 
Dann ist in Anregung gebracht worden, alles Rindvieh thierärztlich 
auf Tuberculose zu untersuchen und die kranken Thiere aus¬ 
zumerzen. Doch selbst, wenn jeder Thierarzt täglich 50 Thiere 
untersucht und man das Jahr mit 300 Arbeitstagen rechnet, sind 
700 Thierärzte nöthig, um die 11 Millionen Kühe, die in Deutschland 
vorhanden sind, im Laufe eines Jahres nur einmal zu untersuchen. 
Das ist also schon aus practischen Gründen unmöglich. Auch eine 
Anzeigepflicht für Thierärzte hält Redner aus gewissen Gründen 
für ungeeignet. Eine Besserung kann jedoch schon eintreten durch 
Belehrung der Landwirthe über die Schäden, welche ihnen die 
Rindertuberculose verursacht. 

Redner bespricht dann die Diagnose der Tuberculose. Dieselbe 
ist durchaus nicht leicht. Zwar giebt es viele äussere Anzeichen, 
wonach man die Krankheit vermuthen kann: glanzloses Auge, 
struppiges Haar, fest anliegendes Fell, Abmagerung u. s. w., doch 
ist ein sicheres Kennzeichen nur die microscopisch bacferiologischc 
Untersuchung. Auch sind Pseudo-Tubercelbacillen in den Präparaten 
vorhanden, die nur ein sehr geübtes Auge von den echten unter¬ 
scheiden kann. 

Betreffs der Feststellung der Eutertuberculose kommt es auf 
bacteriologische Milch Untersuchung und event. Beschaffung von 
Material aus dem Euter vermittelst der „Harpune“ an. Bei diesen 
Untersuchungsmethoden ist grosse Vorsicht nöthig, da Tubercel- 
bacillen leicht auf anderem Wege, z B. durch Abstreifen vom Euter, 
aus der Luft, in die Milch gelangen können. Durch die Centrifuge 
können die Bacillen leicht von der Milch getrennt werden, da sie 
schwerer sind als diese. Das eigentliche Characteristicum der 
Tuberkelbacillen ist ihre Unempfindlichkeit gegen Säuren. Deshalb 
ist eine Feststellung der Bacillen durch Färbemethoden möglich. 

Redner unterstützt seine Darlegungen durch Lichtbilder, Vor¬ 
zeigung von Reinculturen von Tubercelbacillen, eines Scheiden- 
speculums und eines Scheidenlöffels, welche letztere zur Beschaffung 
und Untersuchung des Vaginal- und Uterusschleimes erforderlich 
erscheinen dürften, zeigt ferner eine Harpune Für Gewinnung von 
Material aus dem Euter und spricht zum Schluss die Hoffnung aus, 
dass es der thierärztlichen Wissenschaft gelingen möge, diesen 
gefährlichen Feind — die Tuberculose — zu vernichten. 

Der vorgeschrittenen Zeit wegen fiel der Vortrag des Herrn 
Professor Dr. Rievel über Fleischbeschau aus. 

Der Präsident schliesst die Versammlung mit einer Danksagung 
an Herrn Geh. Rath Dr. Dammann Für den ausserordentlich lehr¬ 
reichen Vortrag und wünscht fröhliche Weihnachten den Mitgliedern 
und ihren Familien. 

Nach der General-Versammlung fand im Hotel zu den 4 Jahres¬ 
zeiten ein Essen statt, an dem sich die Mehrzahl der zur Versamm¬ 
lung erschienenen Mitglieder betheiligte. Ausser dem Trinkspruch 


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8. Januar 1903. 

auf Seine Majestät, durch den Präsidenten ausgebracht, toastete 
Herr College Schilling auf den Herrn Geb. Rath Dr. Dammann, 
und dieser brachte dann „unserer schönen Wissenschaft“ ein drei¬ 
faches Hoch. Andere Trinksprtlcbe folgten, und in gemüthlicher 
Weise blieben die meisten Collegen nach dem Essen noch bei¬ 
sammen, zum Theil mit der studirenden Jugend, bis die Pflicht 
einen Jeden wieder heimrief. 

Dr. Esser, Pölitz, 

Präsident Schriftführer. 

Jubiläum. 

Am 22. December v. J. beging der Kreisthierarzt Br and an 
zn Homberg a. E. den Tag seines 50jährigen Jubiläums als 
Thierarzt. 

Der Jubilar war am 27. März 1832 als Sohn des Pfarrers 
Brandan in Homberg geboren. 

Am 18. August 1852 legte er vor dem Kurfürstl. Hessischen 
Ober-Medicinal-Collegium sein Examen als Thierarzt ab und 
wurde zur Ausübung der Thierheilkunde als Thierarzt I. Classe, 
sowie zur provisorischen Bekleidung einer Kreisthierarztstelle 
für befähigt erklärt. 

Den 22. December 1852 erhielt er die Erlaubnis zur Aus¬ 
übung der Praxis in Melsungen, doch wurde er im Februar 1856 
auf seinen Wunsch nach Felsberg versetzt. 

Zu Folge eines Decrets des Kurfürstlichen Ministeriums des 
Innern vom 17. August 1864 wurde dem Brandan die Kreis¬ 
thierarztstelle in Gelnhausen verliehen, in welcher er über 
10 Jahre verblieb. 

Den 27. October 1874 übernahm er die Kreisthierarztstelle 
in Homberg, die ihm vom Landwirtschaftlichen Ministerium in 
Berlin verliehen wurde. 

Im März 1883 wurde er unter Verzichtleistung auf seine 
früheren Rechte und Ansprüche als kurhessischer Kreisthierarzt 
den Kreisthierärzten des preussischen Verwaltungsbereiches 
gleichgestellt. 

Der Jubilar, der seiner Heimatprovinz treu geblieben ist, 
hat es in der langen Zeit seiner Wirksamkeit verstanden, sich 
überall die Liebe und die Wertschätzung seiner Mitbürger zu 
erringen. Obgleich der Jubilar in seiner bekannten Be¬ 
scheidenheit die ihm angebotenen Ehrungen abgelehnt hatte, 
so fand sich dennoch auf Anregung des Landraths zu Homberg 
eine stattliche Anzahl von Getreuen aus Stadt und Land (ca. 
90 Personen) zu einem geselligen Abend zusammen, um mit 
dem Jubilar in alter hessischer Gemütlichkeit einige Stunden 
zu verplaudern. 

Manche liebe Erinnerungen wurden dabei ausgetauscht, und 
alle Hochs galten dem ehrenfesten, braven Thierarzte, dem 
friedlichen Mitbürger, dem pflichttreuen Beamten und den An¬ 
gehörigen seiner Familie. 

In Anerkennung seiner unbestrittenen Verdienste wurde 
ihm an seinem Ehrentage von Allerhöchster Stelle der Rothe 
Adlerorden IV. CI. verliehen. 

Möge es dem Jubilar beschieden sein, in völliger Gesund¬ 
heit und Geistesfrische noch manche Jahre seines Amtes zu 
walten und sich des ihm von seiner Vorgesetzten Dienstbehörde 
entgegengebrachten Vertrauens sowie der Liebe und Achtung 
seiner Mitbürger noch recht lange zu erfreuen. 

Tietze, Departements-Thierarzt. 

Verband der Privatthierärzte in Preussen. 

Der Verband der Privatthierärzte in Preussen wird im 
letzten Drittel des Januar eine Sitzung (des Vorstandes und 


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der Provinzial-Delegirten) in Berlin abhalten. Termin und 
Programm werden noch bekannt gemacht. Gleichzeitig werden 
die Vorsitzenden der Verbandsgruppen gebeten, etwaige Anträge 
rechtzeitig dem Vorsitzenden einzureichen. 

Pommersche Vereine. 

Unter Hinweis auf die Mittheilung in der B. T. W. 1902, 
No. 52 pg. 846, über die Bildung dreier pommerscher Bezirks- 
Vereine und ihren Zusammenschluss zu einem Provinzial-Verein, 
muss bemerkt werden, dass ein eigentlicher Provinzialverein 
nicht begründet worden ist, sondern dass nur die drei Bezirks¬ 
vereine dadurch in einen Zusammenhang mit einander treten, 
dass sie alljährlich einmal in Stettin gemeinsam tagen. In Folge 
dessen schickt auch jeder Bezirksverein selbständig Delegirte 
zum Veterinär-Rath und zur Central-Vertretung (s. Protocoll 
pg. 31). 

Hochsohuifrequenzen. 

Dresden hat im laufenden Semester 226 Studirende, Giessen 
unter 1018 Studirenden 175 Veterinärmediciner (neben 166 
Humanmedicinern), Stuttgart 125 Studirende. 

Verfassungsänderung an der Technischen Hochschule in München. 

Durch Allerhöchste Verordnung vom 27. December werden 
die Bezeichnungen „Director, Stellvertreter des Directors und 
Directorium“ in „Rector, Prorector und Senat“ umgewandelt. Der 
Rector wird vom König auf die Dauer von je drei Jahren er¬ 
nannt. Dem Gesammt-Colleginm steht die Befugniss zu, durch 
Wahl mit absoluter Majorität eines seiner Mitglieder in Vor¬ 
schlag zu bringen. Wird die Ernennung abgelehnt, so findet 
eine Neuwahl statt. Bei wiederholter Ablehnung bestimmt der 
König den Rector. Prorector ist der jeweils abgehende Rector. 

Nacli diesem Vorgang steht zu hoffen, dass auch die Thier- 
ärztliche Hochschule bald einen Rector und das Wahlrecht 
erhält. 

Anmeldung der ärztlichen Praxis. 

Für den R.-B. Düsseldorf sind mit Wirkung vom 1.1.1903 
zwei neue Polizeiverordnungen betreffs Anmeldepflicht der Aerzte 
aller Art, Apotheker und des Hülfspersonals erlassen worden. 
Aerzte haben ihre Meldung unter Beifügung der Approbation und 
eventuell des Doctor-Diploms an die Ortsbehörde und an den 
zuständigen Kreisarzt zu richten; Thierärzte an die Ortsbehörde 
und an den Kreisthierarzt. Ebenso sind Wohnungswechsel, 
Verzug etc. anzuzeigen. 

Eine zweite Polizeiverordnung (mit rückwirkender Kraft) 
bezieht sich auf die Personen, welche „ohne approbirt zu sein, 
die Heilkunde an Menschen oder Thieren ausüben wollen“. 
Auch diese haben sich beim Kreisärzte bezw. Kreisthierarzte 
zu melden und Auskunft über ihre Personalverhältnisse zu 
geben. Oeffentliche Anzeigen von solchen Personen sind ver¬ 
boten, sofern sie über Vorbildung, Befähigung oder Erfolge 
dieser Personen zu täuschen geeignet sind oder prahlerische 
Versprechungen enthalten. 

Ferner wird verboten im § 4: die öffentliche Ankündigung 
von Gegenständen, Vorrichtungen, Methoden oder Mitteln, die 
zur Verhütung, Linderung oder Heilung von Menschen- oder 
Thierkrankheiten bestimmt sind, wenn a) den Gegenständen, 
Vorrichtungen, Methoden oder Mitteln besondere, über ihren 
wahren Werth hinausgehende Wirkungen beigelegt werden oder 
das Publicum durch die Art ihrer Anpreisung irregeführt oder 
belästigt wird, oder wenn b) die Gegenstände, Vorrichtungen 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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36 


BERLINER TIIIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


Methoden oder Mittel ihrer Beschaffenheit nach geeignet sind, 
Gesundheitsbeschädigungen hervorzurnfen. 

Uebertretungen werden, wenn nicht höhere Strafen ver¬ 
wirkt sind, mit Geldstrafe bis zu 60 M. bestraft. 

Polyvalentes Schweineseuchenserum. 

Die Landwirthschaftskammer der Provinz Pommern hat an 
die Thierärzte der Provinz folgende bemerkenswerthe Bekannt¬ 
machung versandt: Die Landwirthschaftskammer hat zur Er¬ 
leichterung des Bezuges von polyvalentem Schweine- 
seuchenserum bei ihrer Geschäftsstelle in Stettin, Werder¬ 
strasse 31/32 eine Niederlage eingerichtet. 

Das Serum wird zu ermässigten Fabrikpreisen abgegeben 
und gelangt zum Versandt in Flaschen 

von 10 ccm zum Preise von 1,55 M. 

» 50 ,, ,, » ,, 6,85 „ 

,, 100 ,, ,, ,, „ 13,50 ,, 

„ 250 ,, „ „ „ 33,15 „ 

Die Preise verstehen sich einschl. Verpackung, aber ausschl. 
Portokosten. 

Thierärztliche Gesellschaft zu Berlin. 

(Eingetragener Verein.) 

Einladung zur Sitzung am Montag, den 12. Januar 1903, 

pünktlich 8 Uhr Abends im Restaurant zum Spaten, 
Friedrichstr. 172, II. Etage. 

Tagesordnung: 

I. Vereinsangelegenheiten. a) Rechnungslegung für 1902. 
b) Jahresbericht für 1902. c) Bericht der Commission 
für das diesjährige Wintervergnügen, d) Verschiedenes. 

II. Voitrag des Herrn Dr. Eschbaum: „Ueber die Differen- 
ciiung der im Harn vorkommenden Zuckerarten.“ Mit 
Demonstrationen. III. Mittheilungen aus der Praxis. 

Collegen als Gäste willkommen. Wir weisen ausdrücklich 
darauf hin, dass die Sitzung nicht im Rathskeller, sondern im 
Restaurant zum Spaten stattfindet. Der Vorstand. 

Biicheranzeigen*) und Kritiken. 

Lehrbuch der gerichtlichen Thiermedicin und der thierärztiichen 6e- 
setzeekunde von Prof. Dr. Csokor-Wien. — II. Aufl. Preis 24 K. ^ 20 M. 

Das Werk zerfällt in zwei Theile, nämlich in den juristischen, 
welcher die Gesetzeskunde abhandelt, und in den sachlichen Thcil, 
welcher die specielle gerichtliche Thierheilkunde umfasst 

Im juristischen Theil sind die in Oesterreich in Bezug auf den 
Thierhandel gültigen Rechtsnormen und Rechtsprincipien denjenigen 
in Deutschland vorgestellt. 

Das umfangreiche Werk enthält für den Kenner der classischen 
gerichtlichen Thierheilkunde von Dicckerhoff in dem sachlichen 
Theil kaum Neues und dürfte auch in dieser Beziehung nicht in 
dem Maasse die Materie erschöpfen, wie es das Dieckerhoff’sche 
Werk thut. In dem Csokor'sehen Bu.he ist, ähnlich wie ea iui 
Gerlacb zu finden ist, der Untersuchung ein breiterer Raum ge¬ 
geben. Die Vornahme der Section, die microscopische, bacterio- 
logische und chemische Untersuchung sind eingehend erörtert. — 
Die hygienische Untersuchung dos Euters, des Wassers und der 
Weiden gehört vielleicht streng genommen nicht in eine gerichtliche 
Thierheilkunde, dürfte aber für manchen willkommen sein. Der 
Sectionstechnik ist ein breiter Raum gegeben. Das Buch liest sich 
sehr gut. 

Practische Rindviehzucht. Von Dr. C. Nörner. Nebst einem An¬ 
hänge: Der Rindviehstall, seine Anlage und Einrichtung, von 
Professor Schubert-Cassel. Mit 165 in den Text gedruckten Ab- 

*) Von den eingesandten Büchern werden hierunter Titel u. s. w. 
mitgetheilt. Eine Verpflichtung zu eingehender Besprechung wird 
jedoch nicht übernommen; dieselbe bleibt Vorbehalten. 

Die Redaction. 


No. 2. 

bildungen. Neudamm 1903. Verlag von J. Neumann. Geheftet 
12 M., gebunden 14 M. 

Der Verfasser hat sich die Aufgabe gestellt, dem practischen 
Landwirth ein Handbuch Uber Rindviehzucht zu bieten und darin 
; Allo» zu bringen, was für den Züchter wissenswerth ist. Das hübsch 
ausgestattete Buch behandelt in 16 Abschnitten das Verhalten der 
Rindviehzucht zur Ackerwirthschaft, die wichtigsten thierzüch- 
terischen Ausdrücke und ihre Bedeutung, die Grundsätze rationeller 
Zucht, Rinderrassen, Rassenwahl und Vererbung, Körperformen, 

' Fütterung, Aufzucht, Haltung, Nutzung, Verwerthung, Maassregeln 
s zur Hebung der Rindviehzucht und schliesslich auch die bauliche 
Einrichtung von Rindviehställen. 

Alle diese Abschnitte sind klar, erschöpfend und gemeinver¬ 
ständlich behandelt und bieten in ihrer Gcsammtheit für Jeden, der 
sich mit practischer Rinderzucht befasst oder dafür interessirt, ein 
wirklich werthvolles Hand- und Nachschlagebuch, dessen An- 
. Schaffung bestens empfohlen werden kann. Vogel. 

G. Müller, Thierärztliche Receptir- und Dispensirkunde. 2. Auflage, 
i Berlin 1901, Paul Parey. Preis M. 5,50. 

Die 2. Auflage dieses Werkchens unterscheidet sich wesentlich 
! von der 1. Ausgabe. Der völlig neubearbeitete und um 114 Seiten 
vermehrte Inhalt zerfällt in 2 Tbeile. Der 1. Theil, enthält die 
Arzneiverordnungslehre, Rathscbläge über die Einrichtung und 
correcte Führung einer Hausapotheke; eine Betrachtung über 
das thierärztliche Dispensirrecht; die Löslichkeitstabellen und 
eine ausführliche, vergleichende Aufstellung der Tropfengewichte 
flüssiger Arzneien vervollständigen diesen Theil in jeder Richtung 
Im 2. Theil, welcher die Ueberschrift „Specielle Arzneiverordnungs- 
lcbre“ führt, sind die gebräuchlichen Droguen in alphabetischer 
1 Ordnung kurz characterisirt. Es ist erfreulich, dass der Verfasser, 
über den Rahmen des deutschen Arzneibuches binausgehend, auch 
die seit Alters her in der Thierheilkunde geschätzten Mittel mitbe¬ 
rücksichtigt hat. Druck und Ausstattung deB Buches lassen nichts 
zu wünschen übrig. Dasselbe ist in Leinwand gebunden und in 
Folge seines kleinen Formats sehr handlich. Das Buch ist Prac- 
tikern und Studirenden aufs Beste zu empfehlen. P. 


Personalien. 

Auszeichnungen, Ernennungen: Der Bundesrath bat zu Mitgliedern 
des Reichs-Gesundheitsrathes gewählt: den Abtheilungsvorsteher im 
Kais. Gesundheitsamt, Geheimen Regierungsrath Roeckl, den 
Professor Dr. Ostertag und den kgl. sächsischen Landesthierarzt 
Professor Dr. Edelmann. — Zu ordentlichen Mitgliedern der kgl. 
preuss. technischen Deputation für dasVeterinärwesen sind ernannt die 
bisherigen Hülfsarbciter Professoren DDr. Schmaltz und Ostertag. 

— Landesherrlich angestellt sind die grossh. bad. Bezirksthierärzte 
Einwächter-Konstanz, Fehsenmeier-Radolfzell und Sturm- 
Schopfheim. 

Wohnsitzveränderungen, Niederlassungen: Kgl. bayer. Bezirks¬ 
thierarzt Bauer zu Mainburg nach Regensburg versetzt. — Ver¬ 
zogen: Thierarzt E. Kollstede von Emden mch Hanerau- 
Hademarschen und Thierarzt Fr. Roemer von da nach Glatz in 
Schlesien; in Baden die Thierärzte H. Grevö von Edenkoben nach 
St. Georgen (Amt Villingen) und Fr. Wiest von Gammertingen 
nach Stühlingen. 

Approbationen: In Berlin die Herren Adolf Heinrich, Karl 
Peters, Conrad Schlafke. 

In der Armee: Stellenbesetzung bei der ostasiatischen Besatzungs¬ 
brigade: Beim 1. ostasiatischen Infanterie-Regiment: Oberrossarzt 
Schlie. — Beim 2. o.-a. Infanterie-Regiment: Rossarzt Hohl wein. 

— Bei der o.-a. Escadron Jäger zu Pferde: Rossarzt Günther. — 
Bei der o.-a. fahrenden Batterie: Oberrossarzt Rogge. 

Unterrossarzt Dezelski, unter Beförderung zum Rossarzt in 
das 5. Art.-Regt. versetzt. 

Im Beurlaubicnstande: Nie. Schmid, Assistent am 
Veterinär-Institut in Göttingen, zum Leutnant d. R. im Inf. R. 173 
befördert. 

Todesfälle: Corpsrossarzt Rust-Strassburg. 

Yacanzen. 

(Siehe No. 1.) 

Neue sind nicht hinzugetreten. 

Den Herren Collegen bei der ostasiatischen Besatzungs¬ 
brigade möchte ich auf diesem, wohl sichersten Wege meinen 
herzlichen Dank (wofür, werden sie schon wissen) sagen und 
ihnen viel Glück zu 1903 wünschen. Schmaltz. 


Verantwortlich fhr den Inhalt (excL Inaeratenthetl): Prof. Dr. Schmaltz ln Berlin - Verlag und Eigenthum von Richard Schoetz in Berlin. — Druck von W. BOzenateln, Berlin. 


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Die .Berliner Thler&rstUche Wochenschrift* erachelnt Orlfinslbeltrtf* werden mit 60 Hk. fUr den Bogen honorlr i 

wöchentlich im Verlege von Richard Sohoeta ln — ^ _ Alle Mennacripte, MlUbellangen and redeetlonellen An- 

Berlin, Laisenstr. 36. Darch jede* deaUche Postamt wird I ■ I w fragen beliebe man an «enden an Prot. Dr. 8chmalta, 

dieselbe anm Preise von M. 5,— rleiieljihrlich (JA 4,88 für "lf I ~E ~W~h Berlin, thlerlratHch« Hochschule, HW, Lnlsenstrasse 66. 

die Wochenschrift, lt Pf. ihr Bestellgeld) frei ln's Haus ■ ■ I j ■ I I ■ I I j ■ Correetnren, Reeensions-Rxemplare and Annoncen da- 

gellefert (Deutsche Post-Zeltnngs - Preisliste No. 110t, ® * X-/-^ gegen an die Verlagsbuchhandlung, 

Oesterrelchiacbe No. 61(V Ungarische No. 90.) _ 


Thierärztliche Wochenschrift 


Redaction: 

Professor Dr. Schm&ltz-Berlin 

Verantwortlicher Bedactenr. 

De Bruln Kühnan Dr. Lothe« Prof. Dr. Peter Peter« Preusse Dr. Schlegel Dr. Vogel Zünde! 

Professor 8ehlachthofdireetor Departementsthlerarat Krelethlerarat Departementsthlerarxt VeterinArassessor Professor Landes-Insp. f. Thleraneht Krelsthlerarat 

Utrecht. Cöln. Cöln. Angermünde. Bromberg. Danzig. Freibarg L Br. München. Mülhausen i. E. 

Franoke Dr. Jess Nevermann 

Krelsthlerarat Krelsthlerarat KreUlhlerarst 

Mülheim a. Kh. Charlottenborg. Bremervörde. 


Jahrgang 1903. 


3 . Ausgegeben am 15. Januar. 


I nh a 11: Toepper: Zur Behandlung der Brustseuche mit Sauerstoff. — Schmaltz: Wurmkrankheit beim Klefanten. — 
Referate: Jess: Wochenübersicht über die mediciniscbe Litteratur. — Tagesgeschichte: Zur Reform der Stellung der Kreis¬ 
thierärzte. — Vergütung für die Ausbildung der Fleischbeschauer — Verschiedenes. — Oeffentiiches Veterinärwesen. — Bücher¬ 
anzeigen und Kritiken. — Personalien. — Vacanzen. 


Zur Behandlung der Brustseuche mit Sauerstoff. 

Von 

Dr. Toepper-Berlin, 

Marstall-Oberrossarat 

Die Anwendung des Sauerstoffes als Heilmittel ist sehr 
lange bekannt Sie fällt zusammen mit der Entdeckung des 
Sauerstoffes durch Prieotly im Jahre 1774. Priestly war der 
Erste, der Sauerstoff einatbmete und der Umstand, dass er das 
Gefühl hatte, als ob ihm seine Brust viel leiehter würde, führte 
ihn dazu, die Verwerthung von Sauerstoffeinathnrangen bei Brost- 
Krankheiten zu empfehlen. Seine Anregung fand lebhaften An¬ 
klang und Nachahmung und sehr bald gelangte das neue Gas, 
„die Lebensluft“, nicht nur als ein Speciflcum gegen Lungen-, 
Herz- und Blutkrankheiten, sondern als ein „Allheilmittel“ bei 
allen möglichen Krankheiten znr Anwendung.*) 

Doch sehr bald, schon im Anfänge des neunzehnten Jahr¬ 
hunderts kam die Sauerstofftherapie in Misscredit und gerieth 
mehrere Jahrzehnte ganz in Vergessenheit, um erst wieder in 
der Mitte des vorigen Jahrhunderts eine zweite Blüthe von nur 
kurzer Dauer zu erleben, Die hauptsächlichsten Gründe für 
diese Unterbrechungen in der S&nerstofftherapie sind zu suchen 
in der starken Uebertreibung der erzielten Erfolge, sowie in der 
Thatsache, dass die physiologische Forschung der neuen Therapie 
nicht nur keine wissenschaftlichen Grundlagen bot, sondern der¬ 
selben sogar schroff entgegenstand durch einige in der Physiologie 
als richtig anerkannte Sätze folgenden Inhalts: 

„Der Sauerstoflfverbrauch im Organismus richtet sich ledig¬ 
lich nach dem Sauerstoffbedürfniss und nicht nach dem Sauer¬ 
stoffangebot“. Das Blut sättigt sich aus der atmosphärischen 
Luft vollständig mit Sauerstoff — „es ist immer, selbst in der 
verdorbensten Luft Sauerstoff genug vorhanden, um das Bedürf¬ 
nis der Blutscheiben zu decken“. — Daher vermag der Organis- | 
mus auch beim Athmen in reinem Sauerstoff nicht mehr von 
demselben aufzunehmen, als beim Athmen in atmosphärischer 
Luft. 

*) Therapie der Gegenwart 1901. 


Diese Sätze bildeten die stärkste Waffe gegen die An¬ 
wendung des Sauerstoffes als Heilmittel. Selbst A. Loewy*), 
dessen exacte „Untersuchungen über die Respiration und Cir- 
cnlation bei Aenderung des Druckes und des Sauerstoflfgehaltes 
der Luft“ aus dem Jahre 1895 stammen, kommt zn dem Resultat, 
dass der respiratorische Gaswechsel in weiten Grenzen unab¬ 
hängig ist von der respirirten Luft und dass Vermehrung des 
Sauerstoffgehaltes bis über das Doppelte weder die 
Kohlensäureausscheidung noch die Sauerstoflfaufnahme 
zu ändern vermögen. Obwohl nun A. Loewy sowie Znntz an 
den angeführten Grundsätzen festhalten, stehen dieselben der 
Sanerstofftherapie nicht mehr so gänzlich ablehnend gegenüber 
sondern führen vielmehr eine Reihe von Daten an, welche das 
Verständnis des Nutzens der Sauerstoffinhalationen in gewissen 
Fällen zu vermitteln geeignet sind. 

Da das Blot des normalen Individinms nicht vollständig mit 
Sauerstoff gesättigt ist, sondern nach Pflüger nur zu 9 / 10 , na ch 
Hüfner zu 14 / 15 , so kann der Sauerstoffgehalt nicht uner¬ 
heblich erhöht werden. Dazu kommt, dass neben der Sauerstoff- 
anfnahme der rothen Blutkörperchen, der Bildung von Oxy- 
haemoglobin, einem rein chemischen Acte, anch der Sanerstoff- 
gehalt des Blutserums mit in Betracht gezogen werden mnss. 
Dieser beträgt im normalen arteriellen Blut 0,5—0,6 pCt. und 
wird bei Ersatz der atmosphärischen Luft durch Sauerstoff um 
das Vierfache, also auf ca. 2 pCt. gesteigert. Die Sauerstoff¬ 
zunahme, sagt Znntz, wird nnter Umständen sogar noch grösser 
sein; „denn es ist ja der Sanerstoffgehalt der Lungenalveolar- 
lnft niedriger und zwar erheblich niedriger als der der Atmo¬ 
sphäre, der durch Athmung reinen Sauerstoffs erzielte Zuwachs 
also entsprechend grösser.“ Dieses so erzielbare Plus von nicht 
an Haemoglobin gebundenem, sondern im Plasma absorbirtem 
Sauerstoff, fährt Znntz fort, könnte unter Umständen allerdings 
von lebensrettender Bedeutung sein, nämlich dann, wenn der 
Haemoglobingehalt des Blutes so niedrig geworden ist, dass 
er nicht mehr ausreicht, um den normalen Bedarf der 

*) A.Loewy, Respiration u.€iroulationBerlin 1885. Hirschwald. 


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38 


Gewebe, der wenigstens 6 pCt Sauerstoff im Blute verlangt, 
zu decken.*) 

A. Loewy**) sagt: „Die längere Athmung in sauerstoff¬ 
reicher Luft wirkt gewissermaassen beruhigend. Der Puls ver¬ 
langsamt sich, die Athmungsfrequenz wird geringer, die will¬ 
kürliche Mu8cnlatur scheint mehr erschlafft zu sein.“ Vom 
physiologischen Standpunkte lässt er zwei Indicationen für die 
SanerBtoffinhalation gelten, nämlich 1. bei Vergiftungen, 2. bei 
Steno8irung der Luftwege. 

Aus allen hier angeführten physiologischen Daten geht 
hervor, dass Sauerstoff bei Zufuhr unter erhöhtem Drucke that- 
sächlich in erheblich vermehrten Mengen in das Blut auf¬ 
genommen wird. Wie er wirkt, ist eine andere Frage. Die 
Verstärkung der Athembewegung und die erhöhte Innervation 
des Herzens, sowie die allgemein beruhigende Wirkung der 
Sauerstoffinhalation sind wohl auf die Beeinflussung nervöser 
Centren (nach Rosenthal u. A.) zurückzufdhren, wenn auch 
die Forschungen der Physiologen hierüber noch nicht ab¬ 
geschlossen sind. 

Für den therapeutischen Werth der O-Inhalationen sind 
aber schliesslich nicht die am normalen Individuum gewonnenen 
Resultate der Physiologen entscheidend, sondern der therapeu¬ 
tische Versuch, die Erfahrungen an Kranken. 

In der Humanmedicin sind zweifellose Erfolge durch die 
Sauerstofftherapie erzielt worden: 

1. Bei Vergiftungen. Bei CO-Vergiftung wirkt die 
Sauerstoffinhalation geradezu als Antidot, ferner bei Rauch¬ 
vergiftungen, Vergiftungen durch Minengase, in Tunnels etc. 
Der vom Feuerwehrdirector Giersberg-Berlin construirte 
Sauerstoffapparat zum Betreten von mit Rauch angefüllten 
Räumen ist weltberühmt geworden. Auch bei Methaemoglobin- 
vergiftungen (Brat), bei schweren Morphiumvergiftungen 
(Michaelis), bei Strychninvergiftungen (Rosenthal und 
Laube) sind gute Erfolge erzielt worden. Die Anwendung 
der Sauerstoffinhalationen bei Ertrunkenen empfahl George 
Meyer und die Verwerthung des Sauerstoffs bei der Chloroform- 
narcose Wohlgemuth. 

2. Bei jenen dyspnoischen 'Zuständen, wie sie entstehen 
durch Stenosirung der oberen Luftwege, bei Lungenkrankheiten, 
besonders bei gewissen Bronchitiden, bei Lungenemphysem und 
Asthma. Bei Pneumonie und Pleuritis wurde eine nennens- 
werthe Wirkung der Sauerstoffinhalation auf die Dyspnoö nicht 
erzielt. Bei Phthise wurde Sauerstoff zur Erleichterung des 
Todeskampfes benutzt. Hervorragend ist aber seine Wirkung 
besonders bei Herzschwäche. Neuerdings hat Professor 
Dr. Gaertner-Wien***) intravenöse Sauerstoffinfusionen mit 
guten Resultaten angewendet. 

Die Anwendung der Sauerstoffinhalationen zur Bekämpfung 
vonThierkrankheiten ist neu. Veranlassung zu derAnwendung 
von Sauerstoff in der Thierheilkunde gab Dr. Kantorowicz, 
als er die von Wohlgemuth in der Menschenmedicin an¬ 
gewendete Sauerstoffchloroformnarcose beim Hunde verwerthete 
und seine Erfahrungen über dieselbe in München auf der Ver¬ 
sammlung der Naturforscher und Bpäter in einer Sitzung der 
Berliner Thierärztlichen Gesellschaft vortrug und mit Experi¬ 
menten begleitete. In der sich an den Vortrag über diesen 

*) Berliner klin. Wochenschrift 1901 No. 20. 

**) 1. c. S. 143. 

***) Wiener klinische Wochenschrift. 


No 3. 


Gegenstand anschliessenden Discussion wurde von einer Seite 
angeregt, die Sauerstoffinhalation bei Brustsenche zu versuchen. 
Kantorowicz empfahl ausserdem Sauerstoffinhalationen zur 
Behandlung von Lungenentzündungen beim Hunde. KnüBel- 
Luzern erzielte durch die Einführung von Sauerstoff in das 
Euter bei an Kalbefieber erkrankten Rindern ausgezeichnete 
Erfolge. Der erste, der diese theoretischen Erwägungen gerade 
bei der Behandlung der Brustseuche mit Sauerstoff in die 
Praxis umsetzte, war Professor Dr. Eberlein. Derselbe be¬ 
handelte drei schwer an Brustseuche erkrankte Pferde einer 
hiesigen Brauerei mit Sauerstoffinhalation mit sehr gutem Er¬ 
folge und hatte auch die Liebenswürdigkeit, mir seinen Assistenten 
Herrn Thierarzt Silbersiepe zur ersten Anwendung der Sauer¬ 
stoffinhalation zur Verfügung zu stellen. Beiden Herren sage 
ich hierfür meinen verbindlichsten Dank. 

Der zur Behandlung der erkrankten Pferde verwendete 
Sauerstoff wurde bezogen aus der Sauerstofffabrik Berlin, 
G. m. b. H., Tegelerstr. 15. Obwohl es verschiedene Verfahren 
zur Herstellung des Sauerstoffs giebt, wird es doch interessiren, 
dasjenige, welches in der hiesigen Fabrik verwendet wird, in 
Kürze kennen zu lernen. 

Der technische Leiter der Fabrik Herr Dr. L. Michaelis 
giebt in den Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des 
Gewerbefleisses in der Sitzung vom 31. December 1900 folgende 
Auskunft darüber: „Zur Herstellung des Sauerstoffes in möglichst 
reiner Form benutzt man in der Technik drei Verfahren, da 
ein viertes, das zu den schönsten Hoffnungen berechtigte, sich 
nicht in der gewünschten Weise entwickelt hat. 

Das älteste ist das Brin’sche Verfahren, nach welchem 
auch unsere Anlage arbeitet. Dieses Verfahren nutzt die 
eigenthümliche Fähigkeit des Bariumoxydes (Ba 0) aus: bei einer 
bestimmten Temperatur im Luftstrome erhitzt Sauerstoff auf¬ 
zunehmen und sich mit diesem zu Bariumsuperoxyd (Ba0 2 ) zu 
oxydiren. Erhitzt man nun dieses Bariumsuperoxyd auf eine 
Temperatur, die höher ist als die zu seiner Bildung nothwendige, 
so zerfällt das Bariumsuperoxyd in Sauerstoff und Bariumoxyd, 
das seinerseits nun fähig ist, im Luftstrome erhitzt die erste 
Phase des Prozesses wieder durchzumachen. 

Dieses Verfahren ist von dem Erfinder so sinnreich aus¬ 
gestaltet, dass zu dem eigentlichen Sauerstoffverfahren Menschen¬ 
kraft nur soweit nöthig ist, als das Heizen der Kessel und des 
Ofens in Betracht kommt. Alles Andere vollzieht sich auto¬ 
matisch durch Maschinen. Der Vorgang der Fabrikation ist 
folgender: 

In einem Generatorofen befinden sich in eisernen Retorten 
Bariumoxydstücke, über welche eine bestimmte, genau bemessene, 
sorgfältig gereinigte Luft gepumpt wird. In dem Moment, wo 
die Zuführung der kalten Luft aufhört, kann die Hitze des 
Generatorofens auf das soeben gebildete Bariumsuperoxyd wirken, 
das nunmehr, wie oben bereits erklärt, in Sauerstoff und Barium¬ 
oxyd zerfällt. Mit derselben Pumpe, welche die Zuführung der 
Luft bewirkt hat, kann man nach Umsteuerung der Ventile, 
welche ebenfalls automatisch durch Niederfallen eines Hebels 
bewirkt wird, nunmehr den sich entwickelnden Sauerstoff ab¬ 
pumpen. Ist dies eine Zeit lang geschehen, so wird wieder 
Luft zugeführt; diese kühlt das durch Zerfall entstandene 
Bariumoxyd soweit ab, dass es zur Oxydation fähig wird, und 
der Process wiederholt sich continuirlich. 


BERLINER THIERARZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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15. Januar 1903. 


39 


BERLINER THIER ÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


Theoretisch dürfte dieser Process ein idealer genannt l 
werden, da es nicht* abzusehen ist, warum das Bariumoxyd seine 
Fähigkeit, als Sauerstoffübertrager zu dienen, verlieren sollte. 
In praxi verhält sich das Resultat leider anders. Eine geringe 
Unachtsamkeit des Heizers in Bezug auf die Temperatur des 
Ofens führt eine Zerstörung des Materials herbei; eine nicht ge¬ 
nügende Reinigung der Luft bildet Aetzbaryt und kohlensanres 
Baryt, die ebenfalls eine weitere Verwendung des Materials un¬ 
möglich machen. Durch den Wechsel des unter Druck und 
unter Vacuum Stehens ist der Baryt ebenfalls einem verhältniss- 
mässig schnellen Zerfalle ansgesetzt, alles Gründe, die einen 
hohen Materialaufwand zur Folge haben. Auch in ihrer Ursache 
bisher nicht ermittelte Gründe sprechen hierbei mit; das Material 
ist nach einiger Zeit tot gebrannt, ohne dass es bisher gelungen 
ist, dasselbe zu regeneriren. 

Der nach dem Brin'sehen Verfahren erhaltene Sauerstoff 
enthält als einzige Verunreinigung Stickstoff und ist so für 
chemische und physicalische Zwecke das einzige Product, welches 
anstandslos Verwendung finden kann. 

In neuester Zeit hat der seit Jahren berühmte Genfer 
Professor Dr. Raoul Pictet ein Herstellungsverfahren für reinen 
Sauerstoff mittelst flüssiger Luft gefunden. Bewährt sich dies 
Verfahren und wird es im Grossen ansgenutzt, so wird es bald 
möglich sein, reinen Sauerstoff sehr billig herzustellen. 

Der Sauerstoff wird von der Fabrik in Stahlcylindern ge¬ 
liefert, die je nach Grösse GO—5000 Liter verdichteten Sauer¬ 
stoff enthalten. Die folgende Gebrauchs-Anweisung (der Fabrik) 
und Abbildung erklärt uns die Anwendung des Sauerstoffes. 



Gebrauchs-Anweisung. 

Nachdem die Schutzkappe, mit der unsere Cylinder für den 
Transport versehen werden, entfernt ist, wird mit dem beigegebenen 
eisernen Schlüssel die Mutter, welche seitlich unter dem Handrade 


sitzt, abgeschraubt und das Schlauchansatzstück aufgesetzt. Der 
Cylinder ist dann zur Sauerstoffentnahme fertig. 

Der Gummisack, der ca. 20 
Liter Rauminhalt hat, gestattet 
ein continuirliches Inhaliren des 
Gases. Der Sack wird am Schlauch¬ 
ansatzstück befestigt, der schwarze 
Hartgummihahn, der dem Cylinder 
zuniiehst sitzt, geöffnet, der andere 
resp. der Quetschhahn geschlossen. 
Man füllt dann den Sack, schliesst 
den Cylinder durch das Handrad 
und öffnet den zweiten Hartgummi¬ 
hahn (Quetschhahn). Zum Wieder¬ 
füllen wird der Hartgummihahn 
wieder geschlossen und der llallon, 
ohne Entfernung vom Cylinder, 
gefüllt. Wünscht man den Ballon, 
ohne Cylinder, an einen anderen 
Ort zu transportiren, so kann er 
nach Schliessung des Gummi- 
hahnesvom Cylinder abgenommen 
werden. 

Zur Anwendung der Sanerstoffinhalationen besass die Fabrik 
eine von Dr. Kantorowicz constrnirte Gummimaske. Da die 
Anfertigung der Masken aus Gummistoff langwierig und kost¬ 
spielig ist, kam Herr H. Hanptner, Luisenstrasse 35 darauf, 
eine solche ans Leder herzustellen. Nach Angabe von Dr. 
Kantorowicz wurde dieselbe dann verbessert. Bei Bezug von 
Sauerstoff liefert die Fabrik auf Verlangen auch die obige Maske 
für Pferde. Dieselbe besteht ans einer Lederkappe, die durch 
Lederriemen und Schnallen an der Halfter des Pferdes befestigt 
wird. Sie bedeckt die beiden Nasenlöcher, für die sich eine 
Ausbuchtung an der Kappe befindet, nnd schneidet mit der Maul- 
spalte ab. Die Application der Sauerstoffinhalationen geschah 
zuerst in der Weise, dass der verdichtete Sauerstoff direct aus 
den Stablflaschen durch einen Gummischlauch zu den Nasen¬ 
löchern der Pferde geleitet wurde. Um den Druck zn reguliren, 
wurde ein Manometer eingeschoben. Die Patienten athmeten 
dann bei einem continuirlichen Drucke von Vio Athmosphäre 
am Tage 2 mal je 10—15 Minuten verdichteten Sauerstoff ein. 
Dass hierbei viel Sauerstoff verloren ging, ist klar. Eine 
1C00 Literflasche Sauerstoff reichte bei dem Ausströmen unter 
l /io Athmo8phärendruck zn 10 Applicationen, so dass in jeder 
Minute 10 Liter Sauerstoff verbraucht wurden. Um diesen über¬ 
mässigen Verbrauch von Sauerstoff einzuschränken, wurde 
zwischen dem Manometer und den Nasenlöchern der Pferde ein 
Gummisack eingeschobon, der durch 2 Hartgummihähne, einen 
zu- nnd abführenden, abgeschlossen werden kann. Der zu dem 
Gummisack führende Hahn wird geöffnet, der andere geschlossen 
und nun der Gummisack vom Cylinder aus durch Oeffnen des 
Handrades mit Sauerstoff gefüllt. Ist der Gnmmisack gefällt, 
wird auch der znführende Hartgummihahn geschlossen. Jetzt 
erst legt man dem Pferde die Maske auf. Ein Mann nimmt 
den Gummisack unter den Arm nnd übt bei jeder Inspiration 
des Pferdes einen Druck anf den Sack ans. Das Einschalten 
eines Manometers zwischen Stahlcylinder und Gnmmisack ist 
zu empfehlen, jedoch nicht unbedingt erforderlich. Wird kein 
Manometer eingeschaltet, muss das Oeffnen des Stahlcylinders 
zum Ausströmen des Sauerstoffes durch das Handrad sehr vor¬ 
sichtig geschehen, da sonst durch zn heftiges Ausströmen der 
; Gummischlauch sich abstreift oder ein Platzen resp. Risse im 
I Gummisack verursacht werden. Festbinden des Schlauches an 
i Cylinder und Maske ist empfehlenswert!). Wird der Sauer- 
l Stoff erst in den Gnmmisack und dann von hier aus in die 
! Nasenlöcher des Pferdes geleitet, so tritt eine grosse Sanerstoff- 



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40 


ersparnisB ein. Ein Sauerstoffcylinder, gefällt mit 1000 Liter 
Sauerstoff, genügt, um ein Pferd ca. an 8 Tagen täglich 2 mal 
10 Minuten Sauerstoff einatbmen zu lassen. 

In der Regel ist in dieser Zeit auch die fieberhafte Er¬ 
krankung der Brustseuche-Patienten in der Abnahme begriffen. 

Die Pferde ertragen die Sauerstoffinbalatiouen sehr gut und 
stehen bei Application derselben sehr ruhig. Selbst kopfscheue 
Pferde, die sich dem Anlegen der Maske beim ersten Male wider¬ 
setzten, liessen sich dieselbe späterhin ohne Widerstand anlegen. 
In manchen Fällen scheint das Einatbmen des Sauerstoffes zu¬ 
erst einen Reiz auf die Schleimhäute auszuüben. Man bemerkt 
nämlich, dass einige Pferde nach einem Einathmen von 1 bis 
2 Minuten an zu husten fangen. Dieser Husten bestand meist 
nur in 2—3 kräftigen Hustenstössen und hörte dann auf. Der¬ 
selbe trat auch fast nur bei der ersten Inhalation auf. Nur 
in einem Falle hustete das Pferd jedesmal bei den ersten 
5 Inhalationen. Der Husten war hier auch intensiver und be¬ 
stand aus 5—6 Hustenstössen. Nach Abnahme der Maske sieht 
man oft, dass von der Nasenschleimhaut eine helle, durchsichtige, 
wässerige Flüssigkeit tropfenweise abgesondert wird. Gleich¬ 
zeitig werden nach der Einathmung die Nasenlöcher bedeutend 
mehr bei der Inspiration aufgerissen, als wie dies vor der Ein¬ 
athmung des Sauerstoffes geschah. Sehr bald verschwindet dies 
Symptom jedoch wieder. 

In der Reitabtheilung des Königlichen Marstalles in Potsdam 
brach am 3. März 1902 die Brustseuche unter den Remonten 
aus. Die Seuche trat in ganz besonders schwerer Form auf. 
Die Thiere waren äusserst apathisch und nahmen weder Futter 
noch Getränk zu Bich. Selbst die Aufnahme von Leckerbissen, 
wie kleine Stückchen Brot und Mohrrüben, wurde verweigert 
Dabei war eine so hochgradige Verfärbung der äusseren Schleim¬ 
häute bemerkbar, wie man sie selten sieht. Nicht allein die 
Conjunctiva, sondern auch die ganze Nasenschleimhaut waren 
quittengelb gefärbt. Neben ein- bezw. beiderseitigen Lungen¬ 
entzündungen, die schon am zweiten resp. dritten Tage der 
Erkrankung durch Percussion und Auscultation nachzuweisen 
waren, traten bei sämmtlichen Patienten schwere Erkrankungen 
der Musculatur und der Nieren auf. Schon nach einigen Tagen 
wurde der bei der Brustseuche characteristische bernsteinfarbene 
Nasenausfluss in grosser Menge beobachtet. Einige Thiere be¬ 
kamen Krämpfe, stürzten zusammen und waren nur sehr schwer 
auf die Beine zu bringen und einige Zeit stehend zu erhalten. 
Dabei waren die sonst hochgradig auftretenden Athembeschwerden 
gering und kamen wenig zum Ausdruck. Dass Medicamente, 
mit Ausnahme der Cardiaca, auf die Brustseuche fast gar keinen 
Einfluss ausüben, weiss Jeder, der viel mit Brustseuche zu thun 
hat. Daher wurden die Sauerstoffinhalationen von Herrn Collegen 
Thinins, der mit äusserster Sorgfalt und Genauigkeit die Be¬ 
handlung der Patienten leitete, mit Freuden begrüsst. Sehr 
bald war er ein grosser Verehrer derselben. Die der Arbeit 
beigegebene Liste über Pulsfrequenz, Athemzüge etc. vor und 
nach der Behandlung mit Sauerstoff ist von Herrn Thinius 
aufgestellt worden. 

Sehr bald sollte mir aber auch bei den Pferden der Wagen¬ 
abtheilung des Königlichen Marstalles in Berlin Gelegenheit 
geboten werden, Sauerstoffinhalationen bei der Behandlung der 
Brustseuche anzuwenden. Am 19. Juli 1902 erkrankte ein Hengst 
aus der Wagenabtheilung in Berlin an Brustseuche. Derselbe 
wurde sofort streng isolirt, und zwar vom 19. Juli bis 20. Sep¬ 


No. 3. 


tember. In dieser Zeit erkrankte kein Pferd im Wagenstalle 
an Brustseuche. Erst genau 14 Tage nach dem Einstellen 
dieses Hengstes in den Hauptstall am 4. October traten mehrere 
Fälle von Brustseuche in diesem Stalle auf und es ver¬ 
breitete sich dann erst die Seuche weiter. Eine Einschleppung 
von anderer Seite ist ausgeschlossen. Dieser Fall beweist, dass 
die grösste Ansteckungsgefahr nicht von den frisch erkrankten 
Pferden ausgeht, sondern dass die durchgeseuchten, wahrscheinlich 
mit Residuen in den Lungen behafteten Pferde die Hauptgefahr 
für die Ansteckung und weitere Verbreitung der Brustseuche 
bilden. Selbst eine achtwöchentliche Absperrung hatte nicht 
genügt, die Gefahr zu beseitigen. Aus Sparsamkeitsrücksichten 
hatte ich die zuerst an der Brustseuche in Berlin erkrankten 
Pferde nicht mit Sauerstoff behandelt. Dies sollte sich rächen. 
Der dritte, zwar mit hochgradigem Icterus erkrankte Hengst, 
der nur an einer linkseitigen Lungenentzündung litt und dessen 
Pulszahl bis zum sechsten Tage nicht die Zahl 48 überschritten 
hatte, starb in der Nacht zum siebenten Erkrankungstage. Am 
sechsten Tage machte sich allgemeine Muskelschwäcbe bemerkbar, 
so dass der Hengst sich nicht mehr stehend erhalten konnte. 
Die Pulszahl stieg auf 80 pr. m. und der Tod erfolgte durch 
Herzlähmung. Ob die Anwendung der Sauerstoffinhalationen am 
sechsten Tage noch den Hengst zu retten im Stande gewesen 
wären, ist fraglich. Am 12. März, als wir in Potsdam mit den 
Sauerstoffinhalationen den Anfang machten, wurde damit auch 
ein am siebenten Tage erkranktes Pferd mit 40,3° C, 26 Athem- 
zügen, 80 Pulsen und rechtsseitiger Lungenentzündung behandelt. 
Das Pferd lag vor Anwendung des Sauerstoffes lang ausgestreckt 
in seinem Stande und zeigte eine solche Schwäche im Kreuz 
und in der Musculatur, dass dasselbe nur mit Hülfe von 6 Leuten 
zum Stehen gebracht werden konnte. Nach einer Sauerstoff- 
inbalation von 15 Minuten fiel der Pulsschlag von 80 auf 62 
und konnte sich das Pferd bedeutend besser bewegen. Diese 
Besserung hielt ca. 2 Stunden vor, dann legte sich das 
Pferd wieder hin und starb nach Verlauf von .S 1 ^ Stunden in 
Folge von Herzlähmung. Die beiden hier angeführten Fälle 
sollen nur beweisen, dass Sauerstoff kein Allheilmittel ist, 
und dass hochgradig an Brustseuche erkrankte Pferde nur dann 
vielleicht zu retten sind, wenn mit den Sauerstoffinhalationen 
frühzeitig, d. h. am zweiten oder dritten Erkrankungstage, be¬ 
gonnen wird. 

Bei der Anwendung der Sauerstoffinhalationen wurde das 
Augenmerk vornehmlich auf folgende Punkte gerichtet: 

1. Ist nach dem Ausbruche der Brustseuche durch 
sofort angewandte Sauerstoffinhalationen der Eintritt 
einer Lungenentzündung zu verhüten? 

2. Welcher Einfluss wird von den Sauerstoff¬ 
inhalationen ausgeübt: 

a) auf den Puls, 

b) auf die Athmung und die innere Körpertemperatur, 

c) auf das Allgemeinbefinden der Pferde. 

3. Welches sind ungefähr die Kosten bei der Behandlung 
der brustseuchekranken Pferde mit Sauerstoff. 

Die sub 1 aufgeworfene Frage wurde nur deshalb einer 
eingehenden Beachtung gewürdigt, weil von einer Seite be¬ 
hauptet wurde, dass bei frühzeitiger Anwendung der Sauerstoff¬ 
inhalationen im Anfänge der Brustseuche überhaupt keine 
Lungenentzündung aufträte. Dies muss ich jedoch auf Grund 
der von mir bei der Behandlung von brustseuchekranken Pferden 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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15. Januar 1903. 

mit Sauerstoff entschieden bestreiten. Nach meiner Erfahrung 
tritt fast immer auch bei sofortiger Sanerstoffinhalation Lungen¬ 
entzündung auf. Ob die Lungenentzündungen denselben Höhe¬ 
grad erreichen, wie ohne Sauerstoffbehandlung, ist schwer zu 
benrtheilen. Es kommen in jedem Seuchengange Fälle vor, 
bei denen auch ohne Sauerstoffinhalationen, durch Percussion 
und Auscultation keine Lungenentzündungen nachzuweisen sind. 


41 

ab. Meist konnte man beobachten, dass je grösser die Zahl 
der Pulsschläge war, dieselbe desto mehr herunterging. Bei 
Pferden mit normaler Pulszahl konnten Thinius und ich keine 
Herabsetzung der letzteren feststellen. Die Qualität wurde 
hier nur eine bessere. Nach der Sauerstoffinhalation blieb die 
niedrigere Zahl des Pulses ca. */ 4 —1 Stunde bestehen. Dann 
erst erreichte sie allmählich wieder ihre alte Höhe. Dies geschah 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


Filibert 



Praxis 





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20 

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7. 3. 40,1 39,5 68 

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29 

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7. 3. 39,9 39,6 

64 

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40,2 40,2 

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8. 3. 40,2 39,7 72 

60 

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26 

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_ entzündung 

8. 3. 40,5 39,8 

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10. 3. 

40,1 40,1 

62 

64 

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9. 3.39,4 38,8 64 

62 

24 

24 

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9. 3. 40,2 39,8 

66 

66 

20 

20 

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11. 3. 

39,8 40,0 

64 

60 

26 

26 — 1 

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10. 3. 38,0 38,2 52 

58 

22 

24 

, — 

— 

10. 3. .38,8 38,6 

56 

58 

18 

18 

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12. 3. 

39,7 39.4 

68 

68 

28 

28 68 

62 


11. 3. 38,2 38,0 54 

60 

20 

20 

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11. 3. 38,3 38,3 

52 

50 

— 

— 

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13. 3. 

39,6 39,0 

62 

62 

24 

24 62 

56 


12. 3. 37,5 37,7 60 

60 

20 

18 

60 

48 

12. 3. 38,2 38.0 

66 

64 

— 

— 

64 

54 


14. 3. 

39,0 39,4 

60 

60 

20 

20 60 

54 


13. 3. 37,4 37,6 54 

52 

20 

16 

54 

52 

13. 3. 39,1 38,6 

66 

64 

— 

— 

60 

54 


15. 3. 

38,9 39,1 

62 

60 

16 

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50 


14. 3. 37,4 37,6 52 

56 

16 

15 

56; 

46 

14. 3.138,5 38,6 

54 

58 

— 

— 

58 

56 


16. 3. 

38,8 39,0 

52 

52 

12 

12 52 

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15. 3.37,4 37,8 50 

52 

12 

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52 

42 

15. 3. — — 

60 

56 

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56 

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17. 3. 

38,8 38,8 

60 

60 

12 

12 60 

56 


16. 3.37,5 37,7 52 

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48 

45 

16. 3. 38,6 38,4 

56 

56 

— 

— 

66 

50 


18. 3. 

38,0 38,3 

56 

52 

— 

— 52 

46 


17. 3.37,6 38.1 46 

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50 

46 

17. 3. 37,5 38,3 

60 

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58 

54 
















18. 3. 38,0 38,4 

60 

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— 

54 

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19. 3. 38,1 38,1 

52 

50 

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50 

42 










c 

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Pate. 


5. 3. 39,4 40,0 

44 

48 

12 

12 


6. 3. 40.1 40,6 

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66 

18 

20 

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7. 3.40,0 40,7 

54 

54 

20 

20 

entzündung 

8. 3. 40,6 40,5| 

54 

58 

24 

26 

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9. 3.40,3 40,0 

64 

70 

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26 

— — 1 

10. 3.39,8 39.0 68 

72 

32 

30 

— — 

11.3. 39,6 39,0 60 

54 

28 

30 

— — 

12. 3. 39,2 39,9 66 

66 

24 

26 

66 54 

13. 3.38,8 39,0, 

50 

56 

18 

18 

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14. 3.38,6 39,7 

50 

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18 

52 50 

15. 3.38,6 38,7 

50 

52 

14 

16 

52 50 

16. 3 37,6 37,8 

40 

42 

12 

12, 

42 40 

Federnelke 

11. 3.37,6 39,8 

46 

54 

14 

16 

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12. 3.39,4 40,4 

42 

56 

14 

14 

56 46 bs. Lungen- 

13. 3.40.6 40,6 

64 

60 

18 

16 

60 54 entzündung 

14. 3.40,4 40,4 

60 

62 

20 

20 

62 54 

15. 3.40,3 40,8 

54 

50 

22 

20 

50 46 

16. 3.40,0 40,5 

52 

60 

22 

22 

60 52 

17. 3.40,2 40,1 

54 

60 

20 

18 

60 54 

18. 3.40,4 40,2 

56 

66 

16 

16 

56 56 

19. 3.37,7 39.4 

50 

52 

14 

16 

52 48 

20. 3. 38,4 38,4 

46 

46 

12 

16 

46 46 

21. 3.38,0 37,6 

40 

40 

10 

12 

40 38 


8. 

3. 39,3 39,8 

52 

48 

14 

18 

_ 

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9. 

3. 41,0 40,7 

54 

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18 

18 

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bs. Lungen¬ 

10. 

3. 40,3 40,4 

58 

62 

22 

22 

— 

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entzündung 

11. 

3. 41,0 40,4 

62 

66 

24 

22 

— 1 

— 


12. 

3. 41,1 40,4 

58 

64 

24 

20 

— 

— 


13. 

3. 40.6 40,0 

62 

68 

20 

18 

68 

62 


14. 

3. 40,4 40,0 

58 

60 

16 

16 

60 

52 


15. 

8. 40,0 39,9 

48 

52 

18 

16 

52 

46 


16. 

3. 39,9 39,1 

42 

48 

12 

14 

4S 

42 


17. 

3. 38,0 33,3 

44 

48 

10 

10 

42 

40 



Pilger 

12. 

3. 39.1 39,5 

40 

40 

14 

14 

40 

40 


13. 

3. 39,8 39,2 

42 

46 

14 

12 

46 

42 


14. 

3. 40,1 40,0 

40 

40 

12 

12 

40 

40 


15. 

3. 40.2 40,6 

52 

54 

16 

16 

54 

52 

ls. Lungen¬ 

16. 

3. 4 0,5! 40,6 

50 

54 

16 

18 

54 

50 

entzündung 

17. 

3. 40,6 39,3 

58 

68 

20 

18 

68 

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18. 

3.40,9 10,6 

62 

62 

24 

22 

62 

54 


19. 

3. 40,6 40.1 

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20 

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20. 

3. 40,7 40,2 

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21. 

3. 40,7 39,8 

60 

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16 

18 

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3. 39,5 39,6 

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48 

16 

16 

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44 


23. 

3. 39,7 39,0 

46 

48 

16 

16 

48 

44 


24. 

3. 38,9 38,1 

50 

48 

12 

12 

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42 


25. 

3. 38,3 38,1 

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12 

10 

48 

40 



10. 3. 39,7 41,1 46 

46 18 

18 

_ 


11. 3. 40,6 40,6 58 

64 22 

24 

— 

— bs. Luugen- 


68 28 

28 

68 

(}Q ! entzündung 


69 26 

28 

68 

58 


30 30 

30 

56 

54 i 


64 28 

26 

64 

62 1 

16. 3. 39,7 39,0 54 

58 30 

Füjj 

68 

52 

17. 3. 39,2 39,0 50 


30 

54 


18. 3. 39,5 39,2 56 

64 32 

32 

64 

54 1 



34 

ED 

50 | 

20. 3. 40,2 39,4 64 


30 

68 

60 i 

21. 3. 38,8 38,9' 56 

62 28 

30 

62 

54 

22. 3. 39,1 38,6 52 


24 1 


50 

23. 3. 38,6 38,6 50 

52 | 18 

18' 

52 

48 

24. 3. 38,4 38.4 52 

56 16 

18 

56 

50 

25. 3. 38,3 38,2 46 

48 16 

16 

48 

46 

Ellida. 

24. 3 39,9 40,4 50 

50 24 

24 

50 

46 

25. 3. 40,1 39,7 50 

52 22 

24 

52 

50 

26. 3. 39,9 39,7 48 

54 20 

20 

54 

48 

27. 3. 39,6 39,6 44 

46 18 

20 

46 

44 

28. 3. 39,6 40,5 50 

52 18 

18 

52 

46 

29. 3. 40,7 39.7 46 

58 30 

30 

58 

46 bs. Lungen- 

30. 3. 39,3 39,2 44 

44 20 

18 

44 

entzündung 

31. 3.39,0 38,8 42 

42 16 

12 

42 

38 

1. 3.38,6 38,3 42 

42 10 

10 

42 

40 

2. 3. 38,2,38,0 40 

40 10 

10 

40 

38 


Ad 2 a. Der grösste bemerkbare Einfluss, der sich bei der 
Anwendung der Sauerstoffinhalationen nachweisen lässt, ist der 
auf die Qualität und Quantität des Pulses. Die Qualität und 
Quantität des Pulses wurde vor dem Einathmen, während 
desselben und endlich längere Zeit nach der Inhalation unter¬ 
sucht und controlirt. Dabei stellte sich herauB, dass schon 
nach einem Einathmen von 5 Minuten die Füllung der Arterie 
eine bedeutend stärkere wird. Der Puls, der vorher kaum 
fühlbar war, wurde kräftig und manchmal sogar klopfend. Da¬ 
bei nimmt die Zahl der Pulsschläge in verschiedenem Grade 


in der Regel erst nach 2 Stunden. Manchmal wurde jedoch 
beobachtet, dass der Puls nicht dieselbe Anzahl erreichte, wie 
vor der Inhalation. Die vom Collegen Thinius aufgestellte 
Tabelle ergiebt übersichtlich die Resultate. 

Zu der Tabelle möchte ich Folgendes bemerken: 

Es sind in derselben nenn Pferde aufgeführt, von denen bei 
Filibert und Praxis erst mit den Sauerstoffinhalationen an¬ 
gefangen wurde, als sie bereits fieberfrei waren. Dies geschah 
deshalb, weil die Thiere, trotzdem sie fieberfrei waren, dennoch 
als schwer krank bezeichnet werden mussten. Die Futter- und 


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42 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 3. 


Getränkaufnahme war sehr gering, die Schwäche in der Mnsknlatnr 
noch gross, sodass die Thiere sich sehr schwer vorwärts bewegen 
konnten und beim Gehen durch Leute unterstützt werden 
mussten. Gerade bei diesen Pferden sah man einen sehr vor- 
theilhaften Einfluss auf das Allgemeinbefinden. Es ist sicher, 
dass das Reconvalescenzstadium bei diesen Thieren erheblich 
durch die Anwendung der Sauerstoffinhalationen abgekürzt 
wurde. 

Bei den Pferden Pate und Federnelke wurde mit den 
Sauerstoffinhalationen 1—2 Tage nach der Erkrankung begonnen, 
bei Pilger nnd Ellida sofort nach der Erhöhung der inneren 
Körpertemperatur. Das Pferd Ellida hatte vom 13.—23. März 
eine innere Körpertemperatur von 38,5—38,6° C. gezeigt, dabei 
war die Zahl der Pulse auf 48—50 pro Minute gestiegen. 
Dasselbe wurde als der Brustseuche verdächtig zweimal 10 Minuten 
lang in dieser Zeit mit Sauerstoff behandelt. Dennoch erkrankte 
es am 24. März mit einer Körpertemperatur von 40,4 und am 
29. März Hessen sich bei derselben beiderseitig Lungen¬ 
entzündung durch Percussion und Auscultation nachweisen. 

Bei den Erkrankungen der Pferde des Wagen Stalles wurden 
die meisten Patienten sofort mit Sauerstoff behandelt und in 
nur zwei Fällen erkrankten die Pferde nicht an einer Lungen¬ 
entzündung, sonst aber immer. In Potsdam wurden neben den 
Sauerstoffinhalationen bei Lungenentzündung noch Senföl¬ 
einreibungen, in Berlin dagegen keine Medicamente weder 
innerlich noch äusserlich angewendet. 

b) Ein besonderer Einfluss auf die Zahl und Tiefe der 
Athemziige und die innere Körpertemperatur konnte nicht fest¬ 
gestellt werden. Das hierbei Beobachtete ist oben angeführt. 

c) Wie ausserordentlich günstig das Allgemeinbefinden 
der brustseuchekranken Pferde durch die Sauerstoffinhalationen 
beeinflusst wird, muss man gesehen haben. Die Pferde, die vor 
der Inhalation mit herunterhängendem Kopfe apathisch da¬ 
standen, machen einen munteren Eindruck. Sie nehmen zuerst 
gewöhnlich Getränk und später auch Futter zu sich. Ja oft 
wird sogar Hafer, der doch in der Regel bei Erkrankungen an 
Brustseuche verschmäht wird, in kleinen Quantitäten an¬ 
genommen und mit Begierde gefressen. Die Pferde heben den 
Kopf, sehen sich munter um und machen gar keinen kranken 
Eindruck mehr. Dies Wohlbehagen nach der Sauerstoffinhalation 
hält ca. 1—2 Stunden an, um dann wieder der vorherigen Ab- 
geschlagenheit Platz zu machen. Auch das Bewegungs¬ 
vermögen der Pferde wird ein besseres. Pferde, die vor der 
Inhalation bei der Bewegung stark mit dem Hintertheile 
schwankten und sich kaum auf den Füssen zu halten ver¬ 
mochten, traten kurze Zeit nach der Inhalation fest und 
sicher auf. 

Eine Abfärbung der quittengelb gefärbten Schleimhäute, 
eine höhere hellere Rötlmng derselben habe ich weder gleich 
nach der ersten, noch nach mehreren Sauerstoffinhalationen fest¬ 
stellen können. Dieselbe trat erst allmählich mit dem Nach¬ 
lassen der Krankheitssymptome ein. 

3. DieKostender Sauerstofftherapie bei Pferden können 
nur ungefähr berechnet werden. Um ein Pferd täglich zweimal 
10 Minuten lang Sauerstoff einathmen zu lassen, braucht man 
bei der oben erwähnten Einschaltung des Gummisackes ca. 
100—1201 Sauerstoff. Ein Sauerstoffcylinder mit einem Inhalte 
von 1000—1200 1 verdichteten Sauerstoffs würde demnach ca. 


8 Tage reichen. Bis zum 1. October 1902 kosteten 1000 1 
Sauerstoff 10 M. Jetzt hat die Sauerstofffabrik den Preis auf 
7 M. für 1200 1 Sauerstoff ermässigt. Für jedes schwer an 
Brustseuche erkrankte Pferd würden zur Behandlung 1200 1 
genügen, der Preis sich demnach auf 7 M. pro Pferd stellen. 
Es ist nicht nothwendig, sämmtliche an Brustseuche erkrankte 
Pferde mit Sauerstoff zu behandeln, sondern nur die hochgradig 
erkrankten. In Betracht kommt ausserdem noch, dass dann 
sämmtliche andere Medicamente gespart werden können. Ob 
die Sauerstofftherapie in der Thierheilkunde eine ausgedehnte 
werden wird, ist fraglich. In grösseren Pferdebeständen, Mar- 
ställen, Gestüten, Regimentern etc. dürfte die Anwendung des 
Sauerstoffes auf grössere Schwierigkeiten nicht stossen, da der 
Sauerstoff besonders hier in Berlin bequem zn beziehen und die 
Anwendung leicht ist. 

Fassen wir die Resultate obiger Ausführungen in Kürze zu¬ 
sammen: Der Sauerstoff ist als ein Arzneimittel zu betrachten. 
Seine Hauptwirkung ist die eines Cardiacums und obwohl ein 
bestimmter Einfluss auf den typischen Verlauf der Brustseuche 
direct nicht zu erkennen ist, so übt derselbe dennoch eine 
änsserst vortheilhafte Wirkung auf das Allgemeinbefinden der 
an der Brustseuche erkrankten Thiere aus. Bei frühzeitiger 
Anwendung desselben werden Todesfälle seltener eintreten. 

Die oben erwähnten Beobachtungen über die Anwendung 
der Sauerstoffinhalation wären mir nicht möglich gewesen, wenn 
nicht mein hoher Vorgesetzter, der Oberstallmeister Sr. Majestät 
des Kaisers und Königs, Herr Graf von Wedel mir auf meinen 
Vortrag hin bereitwilligst die Erlaubnis hierzu ertheilt hätte. 
Daher verfehle ich nicht, Sr. Excellenz, dem Herrn Ober¬ 
stallmeister Grafen von Wedel öffentlich hiermit meinen ganz 
gehorsamsten Dank auszusprechen. 


Wurmkrankheit beim Elefanten. 

Mittheilung von Professor Schmaltz. 

Der Circus Busch in Berlin hatte sich für eine Pantomime 
eine Herde Elefanten von Hagenbeck aus Hamburg liefern 
lassen, soviel mir bekannt, frisch aus Indien importirte. Kurze 
Zeit nach einander starben zwei derselben nnd wurden durch 
gütige Vermittelung des Herrn Thierarzt Klingner, welcher 
den Thierbestand des Circus ärztlich beaufsichtigt, dem anato¬ 
mischen Institut der Thierärzlichen Hochschule zur Bereicherung 
des Museums überwiesen. Die Thiere waren jung, knapp manns¬ 
hoch, etwa 25 Centner schwer. Natürlich sollte die Todesursache 
ermittelt werden. 

Die Obduction ergab folgenden, bei beiden Elefanten in 
allen wesentlichen Punkten vollkommen übereinstimmenden 
interessanten Befund. 

Beide Cadaver waren blutarm und hydrämisch. Das Unterhaut¬ 
bindegewebe war aufgequollen und so stark wäBserig durchtränkt, 
dass sich in Einschnitten alsbald gelblich-wässerige Flüssigkeit 
ansammelte. An einige Stellen lagen unter der Haut schlottrige 
Geschwülste. Die gesammte Musculatnr war auffällig blass, 
ihre Farbe ein helles Ziegelroth. In der Bauchhöhle mässige 
Quantitäten klarer Flüssigkeit. 

Die inneren Organe waren sämmtlich gesund bis auf den 
Dünndarm. Dieser zeigte sich von aussen geröthet; sein Inhalt 
war mit Blut vermischt. Mit Ausnahme der 1—2 m langen 


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15. Januar 1903. 

Anfangs- und Endstücken war die Schleimhaut des Dünndarms 
(auf etwa 10 m Länge) stark geschwollen und mit einem 
schmierigen Belag bedeckt. Sie war mit Blntpunkten und 
grösseren Blutflecken besät und enthielt viele flache Defecte mit 
geröthetem Grunde. 

In den Defecten und übrigens im Belag der ganzen 
Schleimhaut hafteten zahllose kleine Rundwürmer, welche z. Th. 
dichte Convolute bildeten. Dass diese Parasiten die Todes¬ 
ursache darstellten, konnte bei ihrer Menge, bei den schweren 
Veränderungen der Verdauungsschleimhaut und bei dem mit 
Wurmcachexie völlig übereinstimmenden, auch aus den augen¬ 
scheinlich sehr erheblichen fortwährenden Blutverlusten erklär¬ 
lichen Ge8ammtzu8tand des Körpers nicht zweifelhaft sein. 

Der Wurm wurde im Institut des Herrn Professor Dr. 
Ostertag bestimmt und als Uncinnaria os papillatum erkannt, 
eine Art, die nur in Indien bei Elefanten vorkommt. 

Bei den übrigen Elefanten ist vom Thierarzt Klingner 
eine Wurmkur (mit Santonin) eingeleitet worden, welche bei 
einigen den Abgang zahlreicher Würmer bewirkte. Der Ge¬ 
sundheitszustand der Ueberlebenden ist seitdem befriedigend. 

Eine prophylactische Wurmkur bei frisch importirten, 
namentlich jungen Elefanten, scheint hiernach nicht unangebracht. 


Referate. 

Wochenübersicht über die medieinische Litteratnr. 

Von Dr. Jess-Charlottenburg, 

KreUthiermnst. 

Deutsche Medicinische Wochenschrift 1903, No. 1. 

Ueber Herzhypefthrophie bei Nierenkrankheiten; von Professor 
Senator. Vortrag gehalten im Verein für innere Medicin. 
Bezüglich der interessanten Einzelheiten wird anf ein an anderer 
Stelle erscheinendes Referat verwiesen. 

Die Blut8enimtherapie bei der Dysenterie; von Prof. Kruse- 
Bonn. K. hat Esel und Pferde durch Einverleibung von Ruhr¬ 
bacillen immuni8irt und mit dem gewonnenen Ruhrserum recht 
gute Erfolge erzielt. 

Ueber biologische Mehrleistung des Organismus bei der 
künstlichen Ernährung von Säuglingen gegenüber der Ernährung mit 
Muttermilch; von Professor Wassermann. Durch Arbeiten von 
Heubner, Baginsky, Escherich n. A. ist es längst festge¬ 
stellt, dass Brustkinder besser gedeihen, als künstlich mit Surro¬ 
gaten aufgezogene Kinder. Dem künstlich ernährten (Kuhmilch) 
Kinde wird fremdes, heterologes Eiweiss einverleibt, während 
die Muttermilch Menscheneiweiss, homologes Eiweiss enthält. 
Das Flaschenkind muss also das heterologe erst in homologes 
Eiweiss umsetzen und hat somit eine nicht unerhebliche Mehr- 
leistung zu bewältigen. — Das Blutserum der Brustkinder hat 
eine erhebliche bactericide Kraft, welche sogleich herabgeht, 
sobald diese Kinder künstlich ernährt werden. Das Serum der 
Brustkinder hat einen höheren Complementgehalt, denn die 
Flaschenkinder verbrauchen zur Umwandlung des heterologen in 
das homologe Eiweiss einen erheblichen Theil dieser Complemente. 
Diese Verhältnisse treten in den ersten Lebensmonaten, in denen 
die Complementbildung im Körper noch darniederliegt, am 
prägnantesten zu Tage. 

Ueber Mesotan, ein externes Antlrheumaticum ; von Dr. Rnhe- 
mann. Mesotan ist ein Methyloxymethylester der Salicylsäure; es 
wird verordnet: Mesotan 25,0, Oleum olivar. 25,0, 01. lavandulae 


43 

gtt. V. Dreimal tägl. einen Theelöffel voll anzuwenden. Preis 
dieser Ordination: 2,24 Mk. 

Deutsche medieinische Wochenschrift No. 2, 1903. 

Spontane Lungentuberculose mit grosser Caverne bei einer 
Wasserschildkröte (Chelone corticata). Erste Mittheilung von 
Dr. Fried. Franz Friedmann. Bei einer grossen Seeschildkröte 
aus dem Berliner Aquarium wurde eine ausgedehnte tuberculöse 
Erkrankung der ganzen rechten Lunge wahrgenommen. Spontane 
Tuberculöse der Lunge ist bei Kaltblütern bisher noch nicht 
gesehen worden. 

Ueber lösliche, durch aseptische Autolyse erhaltene Giftstoffe 
von Ruhr- und Typhusbacillen. Von Dr. Conradi. Bezüglich 
der Einzelheiten wird auf das Original verwiesen. 

Centralblatt für Bakteriologie, Parasitenkundc und InfeciionsbranJchciten. 

Originale. XXXII—II. 

Les races coli bacillaires. Etüde de la s6ro-r6action indivi¬ 
duelle par le Dr. G. Cany. 

Der Colibacillus bildet im Darm jedes Menschen gewisser- 
maassen einen eigenen Stamm; diese Eigenthümlichkeit behält der 
Colibacillus auch bei der künstlichen Weiterzüchtung bei. Gelangt 
nun ein fremder Stamm in den Darm, so kommt es zur Er¬ 
krankung des betreffenden Organismus. — Werden die Be¬ 
dingungen geändert, so untersuchte C. Säuglinge, so wird die 
söro-röaetion individuell herabgesetzt. 

Ueber den antiseptischen Werth des Argentum colioTdale Credä 
und seine Wirkung bei Infection; von Dr. E. Cohn. 

C. hat Versuche mit Streptococcen, Milzbrand und Cholera 
im hygienischen Institut (Prof. Pfeiffer) in Königsberg an¬ 
gestellt und fasst das Resultat seiner Untersuchungen wie folgt 
zusammen: Schon 45 Minuten nach seiner Einführung in die 
Blutbahn ist das Argentum colloi'dale im Blute nicht mehr nach¬ 
zuweisen. Vielmehr wird es aus demselben im unmittelbaren 
Anschlüsse an seine Einverleibung in fast sämmtlichen Organen 
niedergeschlagen. Diesem Niederschlage kommt eine antibacterleile 
Wirksamkeit bei Infectionen nicht zu. 

Ueber den Nachweis von Schutzstoffen gegen Hundswuth beim 
Menschen; von Dr. Kraus und Kreissl. 

Die Schutzimpfung nach Pasteur ist eine active Schutz¬ 
impfung. Im Blutserum gesunder Menschen sind in der Regel 
keine Schutzstoffe gegen das Virus der Hundswuth nachzuweisen. 
Das Serum des Menschen enthält sofort nach erfolgter Schutz¬ 
impfung nach Pasteur keine Schutzstoffe. Am 22. Tage nach 
vollendeter Schutzimpfung lassen sich im Serum geimpfter 
Menschen sicher Schntzstoffe gegen das Wuthvirus nachweisen, 
doch variiren sie bei verschiedenen Menschen in ihren Werthen 
— die Schntzstoffe lassen sich auch längere Zeit nach erfolgter 
Impfung nachweisen. 

Ueber Strcptococoensera; von Piorkowski. P. berichtet über 
das von ihm und Jess hergestellte Druseheilserum. 

Schutzimpfung durch Anthracase-lmmunproteTdin gegen Milzbrand; 
von Prof. Emmerich und Thönnessen. In bestimmter Nähr¬ 
flüssigkeit gewachsene Milzbrandcultnren werden filtrirt, auf 
y 10 des Volumens eingedämpft; so erhält man Anthracase. 
Diese wird mit Schweinemilz und kohlensaurem Kali versetzt 
zur Herstellung des Anthracase-Immunprote'fdins, welches in 
seiner Wirkung dem Heilserum Sobernheim’s an die Seite 
gestellt wird. 

Ein Beitrag zur Anaörobenzüchtung : von Dr. Rivas. Wird 
auf das Original verwiesen. 


BERLINER TIIIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT 


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44 


BERLINER TIITIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 8. 


Centralblatt für Bacteriologic, Parasitenkunde und Infektionskrankheiten. 

32. Band, No. 12. 

Sauerstoff übertragende Körnchen in Milzbrandbaciilen. Von Dr. 

Dietrich & Liebermeister. In den Milzbrandbacillen treten 
in der Cnltnr kleine Körnchen im Innern des Leibes auf, welche 
einen stärkeren Glanz zeigen. Diese Körnchen sind, wie man 
sich durch Erhitzen auf 80° überzeugen kann, keine Sporen. 
Nach Ansicht der Verfasser fanctioniren sie als Sauerstoff¬ 
überträger. 

Zwei neue Distomen. Von Dr. Ludwig Cohn. Wird auf das 
Original verwiesen. 

Eine neue Cysticercus-Form, Cysticercus Taenlae Brauni Setti. 

Von Dr. v. Linstow, Göttingen. Diese neue Cysticercus von 
Bell wurde unter der Haut einer ägyptischen Springmaus gefunden. 
Es stellt eine gelappte weisse Blase, 12 mm breit und lang 
und 5 mm dick, besetzt an der Aussenseite mit mehreren 
Hundert zu Gruppen vereinigter, gelblicher, aussen kugelförmiger 
Körper, die 0,63—0,55 mm gross sind. Jeder von ihnen enthält 
einen zurückgestülpten Scolex mit 4 Saugnäpfen, die 0,13 bis 
0,18 mm gross sind, und einen Kranz von 2—15 Haken; 
die grösseren messen 0,114 mm, die kleineren 0,047 mm. 

Le vaccin contre la peste. Von Dr. Goncalves Cruz. Wird 
auf das Original verwiesen. 

Therapeutische Monatshefte. Januar 1903. 

lieber die Wirkung des Phosphors auf die rothen Blutkörperchen 
bei Hühnern. Von Vogel. Wie Vogel im internationalen 
Archiv der Pharmacie und Therapie mittheilt, nimmt bei 
Hühnern durch Phosphorvergiftung in nicht letalen Dosen die 
Zahl der Erythrocyten ab, auch die Hämoglobinmenge nimmt ab. 
Setzt man die Phosphorfütterung aus, so steigt sehr bald die 
Zahl der Erythrocyten und der Hämoglobingehalt nimmt wieder 
zu. Der Phosphor wirkt also durch Zerstörung der Blut¬ 
körperchen. 

Vergiftung mit Viperngift. Von Dr. Brabec. Es handelt 
sich um einen vierzehnjährigen Knaben, welcher nach einem 
Vipernbi8B starke Schwellung des Fusses, Erbrechen und Krämpfe 
zeigte. Der Patient verlor das Bewusstsein und der Fuss ver¬ 
färbte sich blau. Sechs Tage nach dem Biss starb der Knabe. 

Für die Behandlung des Ekzems rühmt Averbach (Practi- 
tschesky Wratsch 29/39, 1902) das Naftalan in folgender An¬ 
wendungsweise: 

Rp. Naftalani 20,0, 

Zinci oxydati, 

Amyli Tritici aa 10,0, 

Mentlioli 0,05—1,0. 

M. f. pasta molli8. 

Das Menthol verstärkt die juckreizbehebende Wirkung des 
Naftalans. 

Tagesgeschichte. 

Zur Reform der Stellung der Kreisthierärzte. 

Im vorigen Jahre hat zwar Excellenz v. Podbielski im 
Abgeordnetenhause die Hoffnung ausgesprochen, schon mit dem 
nächsten Etat eine Aufbesserung des Diensteinkommens der 
Kreisthierärzte vorlegen zu können. Eine feste Zusage war 
natürlich aus dieser Aeusserung nicht zu entnehmen. 

Wie sich nun im Laufe des Jahres die Dinge gestaltet 
haben, ist nicht zu erwarten, dass die vom Herrn Minister an¬ 
gedeutete Möglichkeit sich hat verwirklichen lassen. So sehr 


die Kreisthierärzte mit Recht die in Aussicht gestellte Re¬ 
organisation herbeisehnen, und so sehr man namentlich im 
Interesse einer Anzahl im Dienst altgewordener Beamter be¬ 
dauern muss, wenn die Pensionsberechtigung auch in diesem 
Jahre noch nicht zur Einführung gelangt, so ist doch dieser 
Aufschub für die Vollkommenheit der ganzen Reform und damit 
für die Gesammtheit der Kreisthierärzte wohl eher vortheilhaft 
als nachtheilig. 

Darüber werden sich Alle klar sein, dass die jetzige Ein¬ 
führung von Verbesserungen für absehbare Zeit deünitive Ver¬ 
hältnisse schafft. Es ist daher vor allen Dingen zu wünschen, 
dass diese Verbesserungen möglichst ausgiebige werden, und dass 
sie auf breiter Grundlage aus einem Gusse geschaffen werden. 

Wenn die Verbesserungen gewissermaassen stückweise ein¬ 
geführt würden, so würde dies kaum ein solches Gesammt- 
ergebniss haben und auch keinen solchen Eindruck machen, als 
wenn die ganze kreisthierärztliche Stellung auf einmal von Grund 
auf reorganisirt wird. 

Durch blosse Einstellung vermehrter Mittel in den Etat 
kann dies aber nicht geschehen. Die Mehrzahl der Kreisthier¬ 
ärzte legt mit Recht besonderen Werth auf die Pensions¬ 
berechtigung. Diese aber kann durch den Etat keinesfalls be¬ 
gründet werden, sondern erfordert ein Gesetz. 

Wenn aber schon ein Gesetz nothwendig wird, so sollte 
sich dieses nicht auf die Pensionsberechtigung beschränken. 
Es ist vielmehr das beste, wenn dieses Gesetz dem Kreisarzt- 
Gesetz ähnlich ist und die ganze kreisthierärztliche Stellung, 
Einkommen, Pensionsberechtigung, Rang, Titel und Gerechtsame 
regelt. 

Dass aber dem Landtage noch in dieser Session ein solch 
umfassender Gesetzentwurf vorgelegt werden könnte, ist deshalb 
ausgeschlossen, weil der Landtag, wie die Zeitungen schon 
berichtet haben, diesmal in der Hauptsache nur den Etat er¬ 
ledigen, mit gesetzgeberischen Arbeiten aber so wenig als 
möglich aufgehalten werden soll. 

Wenn nun dieser nicht vorherzusehende Umstand auch 
einen Aufschub, hoffentlich nur bis zum nächsten Jahre, bedingt, 
so würde dies vollkommen dadurch ausgeglichen werden, dass 
hernach im angedeuteten Sinne ganze Arbeit gemacht wird. 
Dies wäre jedoch nicht der einzige Vortheil; es ist vielmehr 
auch wahrscheinlich, dass das pecuniäre Ergebniss ein besseres 
wird, als es im laufenden Etat geworden wäre. Die sehr un¬ 
günstige Finanzlage würde jedenfalls das Maass der Bewilligungen 
stark beeinträchtigt haben. Dazu kommt, dass dem Vernehmen 
nach die Liquidationen der Kreisärzte auf Grund des neuen 
Kreisarzt-Gesetzes eine Höhe erreichen, welche eine keineswegs 
linanzerfreuliche Ueberraschung gebracht hat. Es ist auch 
besser, dass diese Wirkung sich erst etwas verflüchtigt, und es 
kann daher durch ein hoffentlich nicht langes Abwarten die 
Aussicht für die Kreisthierärzte sich nur bessern. Die Aenderung 
des Gebühren-Gesetzes ist ja übrigens auch für die beamteten 
Aerzte hinausgeschoben worden. 

Die Zwischenzeit bis zur Aufstellung des nächsten Etats 
wird übrigens zweckmässig benutzt werden, um namentlich auf 
einen Punkt nochmals besonders eindringlich hinzuweisen und 
wenn möglich einzuwirken: das ist die Bemessung der Pensions¬ 
sätze. Auch bei günstigem Finanzresultat und auch bei Er¬ 
füllung der von den Kreisthierärzten selbst geäusserten Wünsche 
werden die eigentlichen Gehälter nicht so hoch, dass die hier- 


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15. Januar 1903. BERLINER THIERARZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 45 


nach berechneten Pensionen, Wittwen- und Waisengelder an¬ 
nähernd denen anderer Beamten gleichkommen würden. Es ist 
meiner Ansicht nach ein sehr wesentlicher und vielleicht noch 
nicht genügend betonter Punkt, dass dnrch das Gesetz ein Theil des 
Dienstgebühren-Einkommens als pensionsfähig gemacht wird. 
Beispiele von Anrechnung von Nebenbezügen anf die Pensionen 
liegen ja genug vor; das ähnlichste ist die Pensionsberechnung 
der Gerichtsvollzieher. 

Bei der Frenndlichkeit, mit der verschiedene Abgeordnete 
sich im Vorjahr der kreisthierärztlichen Verhältnisse angenommen 
haben, ist zu hoffen, dass eine genügende Art der Pensions¬ 
berechnung Entgegenkommen im Landtage finden wird, und es 
wäre erwünscht, wenn dies schon in dieser Session auch seitens 
der Abgeordneten zum Ausdruck gebracht würde. 

Schmaltz. 

Vergütung für die Ausbildung der Fleischbeschauer. 

Die Schlachthofthierärzte, welche mit der ehrenvollen Auf¬ 
gabe betraut wurden, die Laienfleischbeschauer für ihren ver¬ 
antwortungsvollen Beruf vorzubereiten bezw. auszubilden, denken 
sicherlich nicht im entferntesten daran, diesen Umstand vom 
Geschäftsstandpunkte aus beurtheilen und als Gelegenheit zum 
Geldmachen ausnützen zu wollen, und sie müssen es als Ehren¬ 
sache betrachten, eine andere Meinung nicht aufkommen zu 
lassen. Es wäre aber im höchsten Grade verfehlt und würde den 
erwünschten Erfolg sicher in Frage stellen, wollte man denselben 
durch einen so unangemessenen Betrag, wie er nach den Mit¬ 
theilungen vom Herrn Collegen Kühn an in östlichen Bezirken 
bereits als angemessen befunden sein soll, im Voraus die Schaffens¬ 
freudigkeit lähmen, die, abgesehen von dem Umfange der bean¬ 
spruchten Leistung, auch in Hinsicht auf das anszubildende 
Prüflingsmaterial in hohem Grade nothwendig ist, soll ein 
einigermassen befriedigendes Resultat, zumal in so beschränkter 
Zeit, erzielt werden. Aber auch die Achtung vor uns selbst 
und nicht zuletzt das Ansehen des thierärztlichen Standes verlangt 
es, dass wir die dnrch Aufbietung von Zeit, Mühe und Geld 
erworbene Befähigung zu der beanspruchten Lehrtätigkeit nur 
gegen eine angemessene Gebühr zur Verfügung stellen. Dass 
20 Mark nicht als eine solche angesehen werden können, darüber 
ist kaum noch ein Wort zu verlieren; auch der etwaige Hinweis 
darauf, dass die Prüflinge, zum Theil wenigstens, die Unkosten 
eines vierwöchentlichen Aufenthaltes in der Stadt zu bestreiten 
haben werden, kann daran nichts ändern. Werden dadurch für 
Einzelne die Kosten der Ausbildung zu hoch, so darf man wohl 
verlangen, dass nicht die Schlachthofthierärzte Opfer bringen 
müssen, sondern die Gemeinden, welche dann die Wohltaten 
einer ordnungsmässigen Fleischbeschau gemessen. 

Es fragt sich nun, welcher Betrag als eine angemessene 
Vergütung zu betrachten ist. An der Hand schon bestehender 
Festsetzungen für gleiche oder ähnliche Leistungen lässt sich 
dies unschwer berechnen. In Sachsen werden, wie schon Herr 
College Kühn au anführt, in gleichem Falle 50 Mark zuerkannt. 
Meinerseits möchte ich hinweisen auf den § 12 der Anweisung 
zur Ausführung der Vorschriften der Polizei-Verordnung für den 
Regierungs-Bezirk Cassel vom 15. August 1894, betreffend die 
microscopi8che Untersuchung des Schweinefleisches auf Trichinen 
und Finnen. Dort heisst es: 

„Behufs Vorbereitung für die Prüfung bezw. Nach¬ 
prüfung (der Trichinenschauer) werden in den bei 7 er¬ 


wähnten Orten unter Leitung des Vorsitzenden (Kreisarzt) 
der Prüfungscommission bei mindestens fünf Theilnehmern 
etwa fünftägige Lehrkurse abgehalten und zwar in der 
Regel im März u. s. w. Die Gebühren mit 20 Mark 
sind vor Beginn des Kurses einzuzahlen.“ 

Hier werden also den Kreisärzten für einen fünftägigen 
Lehrkurs 20 Mark Gebühren zugebilligt. In einem Falle, wo 
für eine abgehende Trichinenschauerin baldigst eine andere Be¬ 
schauerin an gestellt werden musste, liess sich der Kreisarzt 
60 Mark für die Ausbildung bezahlen, wozu dann noch 20 Mark 
Prüfungsgebühren und 1,50 Mark Stempelgebühren kamen, 
sodass die betreffende Witwe also zusammen 81,50 Mark auf¬ 
zubringen hatte. 

Wir brauchen unsere Lehrtätigkeit um kein Jota geringer 
zu bewerten, als die Kreisärzte die ihrige. Gleichwohl be¬ 
anspruchen wir keine 5 X 20 Mark, wohl aber muss hiernach 
der vom Herrn Collegen Kühn au mit 50 Mark angegebene 
Honorarsatz als angemessen anerkannt werden. Der Betrag 
von 20 Mark stände m. E. so wenig im Verhältnis zur bean¬ 
spruchten Leistung, dass er nahezu wie ein Trinkgeld empfunden 
werden und wirken müsste. 

Wollen wir in die Herren Departementsthierärzte das Ver¬ 
trauen setzen, dass sie im Interesse unseres Standes eine 
derartige Bewertung tierärztlicher Lehrtätigkeit bei den 
maassgebenden Stellen nicht befürworten. 

Becker-Hanau. 

Vorbildung der Zahnärzte. 

Nach Zeitungsmeldnng hat Preussen beim Bundesrath be¬ 
antragt, auch für die Zahnärzte die Universitätsreife obliga¬ 
torisch zu machen. 

Diese Veränderung kann nur mit Beifall begrüsst werden. 
Die Zahnheilknnde kann unzweifelhaft zum Range eines me- 
dicinischen Specialfaches ausgebaut werden, und die Zahnärzte 
gehören zu den Medicinern. Ob man nicht neben den Aerzten 
noch ferner auch blosse Zahntechniker wird zulassen müssen, 
ist eine andere Frage. 

Es werden danach alle Mediciner, gleichviel welcher Spe- 
cialität, die Universitätsreife besitzen. Denn die Apotheker 
! kann man doch, im Gegensatz zu Zahnärzten und Thierärzten, 
nicht zu den Medicinern rechnen. Die Verbindung des Apotheker¬ 
gewerbes mit der Medicin ist doch eine rein äusserliche. Dass 
sich viele Apotheker über ihren Beruf hinaus chemisch und sonst 
wissenschaftlich beschäftigen, hat natürlich keinen Einfluss auf 
die Beurtheilung der Frage, welche Vorbildung der Apotheker¬ 
beruf an sich verlangt. Derselbe kann sich in Bezug auf seine 
wissenschaftliche Aufgabe mit keinem Zweige der Medicin ver¬ 
gleichen. Auch die wirthschaftliche Lage ist eine ganz andere 
und ungünstigere. Denn nur ein kleiner Theil der Apotheker 
erlangt eine selbstständige Existenz. Die Lage der Apotheker- 
gehülfen ist aber kaum eine derartige, dass sie einen ver- 
grösserten Studienaufwand rechtfertigen würde. S. 

Tuberculose-Versuche. 

Im Reichshaushaltsetat sind 65000 Mk. eingestellt zu Ver¬ 
suchen über die Uebertragung der Tuberculose. Diese Versuche 
sind bereits seit Jahresfrist im Kaiserlichen Gesundheitsamt im 
Gange. Sie bezwecken erstens, weiteres Material zur Klärung 
der von Koch angeregten Frage der angeblichen Nichtüber¬ 
tragbarkeit der Rindertuberculose auf Menschen zu gewinnen' 


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46 


BERLINER TIIIERÄRZTLICIIE WOCHENSCHRIFT. 


No. 3. 


wozu 50 Kühe auf dem Seuchengehöft des Gesundheitsamtes in 
Dahlem aufgestellt worden sind. In zweiter Linie sollen, wohl 
in der Richtung der Behring’schen Entdeckung, Versuche mit 
Schutzimpfung gemacht werden. 

Etat des Reichsheeres. 

Der Etat des Reichsheeres enthält bezüglich des Militär- 
Veterinärwe8enB keine Neuheiten. 

Verband der Privat-Thierfirzte in Preussen. 

Einladnng zur Sitzung des Vorstandes und der Provinzial- 
Delegirten am Sonnabend, den 31. Januar, VormittagB 10 Uhr, 
im Restaurant zum „Spaten“, Berlin Friedrichfctrasse 172. 

Tages-Ordnung: 

I. Die Mitwirkung der Privat-Thierärzte auf dem Gebiete 
der Seuchenbekämpfung. 

II. Das Fleischschau-Gesetz und dessen Ausführungs-Be¬ 
stimmungen. 

III. Berathung der von den einzelnen Verband-Gruppen ein¬ 
gelaufenen Wünsche und Anträge. 

IV. Der Zweck und die ferneren Ziele des Verbandes. 

V. Sonstige Verbands-Angelegenheiten. 

Der Vorstand 
i. d. N. Dr. Jelkmann. 

Verband der Privatthierfirzte in Preussen, Gruppe Pommern. 

Am Sonntag, den 18. d. Mts., Vorm. 1172 Uhr» findet in 
Stettin, Restaurant „Kurfürst“ Schillerstr. 6, Versammlung der 
Privatthierärzte Pommerns statt. Sämmtliche Privatthierärzte 
der Provinz sind hiermit dringend eingeladen. 

I. A.: Fetting. 

Russland. 

Ein erster allgemeiner Congress russischer Thierärzte tagt 
in der Zeit vom 16. bis 26. Januar (neuen Styls) in St. Peters¬ 
burg. Seine Kaiserliche Hoheit Grossfürst Dmitri Konstan- 
tinowitsch, der Chef der Gestütsverwaltung, hat das Protectorat 
übernommen. Präsident des Organisationscomites ist Mag. 
A. Archangelsky, Referent im Ministerium. 

Der Nestor der deutschen Thier&rzte. 

Am letzten Tage des Jahres 1902 verschied zu Stadt¬ 
oldendorf (Braunschweig) Thierarzt Carl Lange im Alter von 
96 Jahren 8 Monaten. Der Verstorbene hatte im Jahre 1831 
die Approbation als Thierarzt erworben und hat bis in die 
letzten Jahre die thierärztliche Praxis ausgeübt. Bis zu seinem 
Tode hatte er sich eine seltene geistige und körperliche Frische 
bewahrt. 

Oeffentliche8 Veterinär wesen. 

Allgemeine Ausstellung für hygienische Milchversorgung. 

Hamburg 1903. 

Das Ausstellungs - Comit6 hat ein Verzeichnis von Preis¬ 
aufgaben herausgegeben. Im Ganzen harren 31 verschiedene Auf¬ 
gaben, für welche Preise in der stattlichen Höhe von 13 800 M. 
gestiftet sind, ihrer Lösung. Die Prüfung der auf Grund der ge¬ 
stellten Aufgaben einlaufenden Arbeiten findet zum Theil während 
der Ausstellung im Ausstellungsgebäude, znm Theil aber im Ham- 
burgischen hygienischen Institut, in der Milchwirthschaftlichen 
Versuchsstation in Kiel und im Milchwirthschaftlichen Institut in 
Hameln statt Schon hieraus geht hervor, dass neben den Auf¬ 
gaben, die sich auf dem Gebiete der Praxis bewegen, auch solche 
wissenschaftlicher Art gestellt sind. Unter den Stiftern der Preise 
finden sich ausser dem Königl. Preussischcn Landwirtschaft s- 
ministerium und dem Deutschen Milchwirthschaftlichen Verein 
namentlich hervorragende Angehörige der Hamburger Gesellschaft, 


von denen zum Theil recht ansehnliche Beträge gestiftet sind. Von 
E. H. Senat der freien und Hansestadt Hamburg hat das Comit6 
eine Anzahl goldener und silberner Medaillen erbeten, die für her¬ 
vorragende Leistungen auf der Ausstellung gedacht sind. Das 
Verzeichnis der Preisaufgaben kann von dem Unter¬ 
zeichneten kostenfrei bezogen werden. Ein flüchtiger Blick 
in das Verzeichnis lehrt, dass es sich bei den Preisaufgaben um 
lauter wichtige Fragen handelt, deren Lösung als ausserordentlich 
wünschenswert bezeichnet werden muss. 


Dr. Stödter, Polizeithierarzt. 
Preisau fgaben. 

(Anmeldungen hei der Geschäftsstelle bis 15. Februar 1903.) 


Bezeichnung der Aufgaben 


Einlieferungs- 


Ort 


Zeit 

(letzter 
Tcriiiin)! 


Preise 

M. 


11 


12 


13 


14 


Stalleinrichtung für Milchkühe 
unter specieller Berücksichtung der 
Reinhaltung, wie überhaupt der 
hygienischen Anforderungen 

Besondere* Gewicht wird auf d o zweck¬ 
entsprechende Boschatlenheit (Reinigen "inl 
l»e-.iufcclioe«niöglichkcit) der Standllächen 
und Gänge golegt werden, sowie darauf, 
dass auch kleinere Viehhaltungen in der 
Lage sind, danach zu verfahren. Erwünscht 
ist die Aufstellung von MaUctiirichiiiugen in 
ganzer Grösse. Jedenfalls müssen die Zeich¬ 
nungen eine Ergänzung finden durch Modelle. 

Desinfcctionsverfahren für Milch- 
vichsiallungen. 

Erw ünscht ist die Angabe eines einfachen, 
billigen und sicheren Verfahrens, welche» 
den wichtigsten innerhalb einer Milchvieh- 
Stallung vorkommenden Krankheitsfällen 
Rechnung trägt und »velclies dio Milt h weder 
iin Geschmack noch im Geruch beeinträchtigt. 

Milchwaage zur Bestimmung der 
Milchmenge bei Probemelkungen. 

Die Waagen müssen aichfühig sein. 


Milchwagen, bestimmt Für Be¬ 
förderung der Milch von der Pro- 
ductionsstättc bis zur Eisenbahn 
raiupe bezw. bis zum Geschäfts¬ 
local des Händlers oder, mit Aus¬ 
nahme der Handwagen, für den 
Vertrieb der Milch ira Stadtveikehr. 

Zur Concurronz worden alle geeigneten 
Fahrzeuge zugelassen, gleichviel, ob sie durch 
Zugthiero oder durch mechanische Kräfte 
(Kraftwagen etc.) bewegt werden. 

Milchfahrzeug für den Handver¬ 
trieb der Milch in der Stadt. 

Es sind Vorrichtungen für Ausmessung 
und Vertheilung der Milch bezw. für den 
Milchvertriob in Flaschen zu berücksichtigen. 

Deckelverschluss für Milcheimer 
im städtischen Verkehr. 

Der Verschluss must derart construirt 
sein, da:* weder Staub noch Regen in den 
Einiar gelangen kann. 

Flaschenreinigungsapparat für den 
Gross- und Kleinbetrieb. 

Flaschenfüllapparat. 

Reinigungsapparat für Milch¬ 
kannen. 

Glasflasche mit Verschluss für 
den Milclthandel. 

Bei der Beurlhciluug wird auf Handlich¬ 
keit, Reinig mgsinöglichkeit und Dichtigkeit 
besonderes Gew icht gelegt werden. 

Vorrichtung zum Vertrieb mehre¬ 
rer Milchflaschen im Kleinhandel. 

Pasteurisirapparat ftir Kleinbe¬ 
triebe ohne Anschluss an Dampf¬ 
erzeuger. 

Automatisch wirkender Tempe¬ 
raturanzeiger bei Pasteurisirappa- 
rateu. 

Verfahren zur Verhinderung des 
Aufrahmens der Milch während des 
Transports. 


Aus- , 30. 4. 
stellungs- 1903 
gebäude 
Velodrom. 


I. 750 
II 5C0 
111.300 


Hygienisches 1. 3. 
Institut 1903 
Hamburg. 1 


Aus- 30. 4. 
stellungs- 1903 
gebäude 
Velodrom. 


300 


w. o. 


w. o. 


100 


I. 500 

II. 300 

III. 250 

IV. 100 


w. 0 . 


w. o. 


w. o. 


w. o. 
w. o. 


w. 0 . 


w. o. 


w. o. 


w. o. 
w o. 


w. o. 


w. o. 


Milchw. ! 1. 3. 
Versuchs- 1903 
Station Kiel. ; 


w. 0 . 


w. o. 


Aus- 30. 4. 
stellungs- 1 1903 
gebäude 
Velodrom. 


I. 500 

II. 200 


200 


200 

200 

100 

I. 200 

II. 100 


100 

300 

200 

200 


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15. Januar 1903 BERLINER THIERARZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


s 

Bezeichnung der Aufgaben 

Einlieferu 

Ort 

mgs- 

Zeit 

(letzter 

Termin; 

Preise 

M. 

15 

Zweckmässigster und handlichster 
Milchentrahmungsapparat mit Hand¬ 
betrieb für kleinere Hausstände. 

Für die Entrahmung von 1—5 Liter Milch. 

w. 0 . 

W. 0. 

200 

16 

Milchtransportkannen. 

Beaonderer Werth wird auf Dauerhaftig. 
kelt, RelnigungimSglichkeit, aicheren Ver. 
aehlnaa und billigen Prela gelegt 

W. 0. 

| W. 0. 

1 

I. 500 

II. 200 

17 

Einrichtung für die Reinhaltung, 
Lüftung und Kühlung der Milch 
gleich nach der Gewinnung bis zur 
Ablieferung unter besonderer Be¬ 
rücksichtigung von Raumbemessung, 
Bedienungs- und Reinigungsmöglich¬ 
keit und Dauerhaftigkeit. 

Aus¬ 

stellungs¬ 

gebäude 

Velodrom. 

30. 4. 
1903 

500 

18 

Vollständige Einrichtung einer 
städtischen Molkerei mit Einrichtung 
zum Vertrieb der Milch. 

Die Anlage kann aowohl in der Halle ala 
auch ausaerbalb deraelbon aufgeatelit werden. 

w. 0 . 

W. 0. 

I 500 
II. 300 

19 

Einfaches practisches Verfahren 
zur Erkennung und Feststellung 
des Schmutzes in der Milch. 

Milchwirt¬ 

schaft]. 

Institut 

Hameln. 

1. 3. 
1903 

250 

20 

Methode zur Fettbestimmung der 
Milch. 

Erwünscht lat ein Verfahren, welchea ln 
der Hand der Laien mit genügender Genauig¬ 
keit arbeitet, ohne dasa dabei ätzende oder 
feuergefährliche Chemikalien cur Anwendung 
kommen. 

w. 0 . 

W. 0. 

500 

21 

Zweckmässigste Ausrüstung für 
Polizeibeamte zur Ausübung der 
Milchcontrole auf der Strasse und 
in den Geschäften. 

Flaschen, Behälter für Flaschen, 8chllder, 
Rührlöffel, Lactodensimeter und Cyllnder, 
Foi molare etc., Schreibmaterial. Wischtücher 
u. s. w. au einem Ganzen vereinigt. 

Aus¬ 

stellungs¬ 

gebäude 

Velodrom. 

30. 4. 
1903 

I. 200 

II. 100 

22 

Grnndrisse von Milchhandlungen 
und Milchkellern in Verbindung mit 
der Wohnung des Händlers. 

w. 0 . 

w. 0 . 

300 

23 

Verfahren zur Herstellung eines 
billigen Volksnahrungsmittels aus 
Magermilch, ev. unter Mitbenutzung 
anderer Nährstoffe. 

Hygienisches 

Institut 

Hamburg. 

1. 3. 
1903 

500 

24 

Zweckmässigstes und billigstes 
Verfahren zur Bereitung von Säug¬ 
lingsmilch im Haushalte. 

w. o. 

w. 0. 

200 

25 

Condensirte Vollmilch, die ohne 
Zusatz von Kohlehydraten und ähn¬ 
lichen Substanzen hergestellt ist. 

Wasserentziehung kann partiell oder voll¬ 
ständig erfolgt sein. 

w. 0 . 

W. 0. 

I. 250 

II. 200 

26 

Unveränderte Vollmilch in Dauer¬ 
form. 

w. 0 . 

W. 0. 

250 

27 

Populäre Anleitung zur richtigen 
Behandlung der Milch im Haushalte 
einschl. der Säuglings- und Kinder¬ 
ernährung. 

Flugblattform. 

Geschäfts¬ 
stelle 
Hamburg, 
KampBtr. 46. 

30. 4. 
1903 

200 

28 

Zweckmässigste und billigste 
Kochvorrichtnng für Vollmilch im 
Haushalte. 

Aus¬ 
stell nngs- 
gebände 
Velodrom. 

W. 0. 

250 

29 

Vollständige Einrichtung zur Be¬ 
handlung der Milch in einem 
grösseren Familien Haushalte ein¬ 
schliesslich der Säuglings- und 
Kinderernährung bei einmaliger 
täglicher Ablieferung der Milch. 

w. 0. 

W. 0. 

250 

80 

Milcbkochapparat mit allem Zu¬ 
behör für Krippen- und Säuglings- 
abtheilungen in Krankenhäusern 
oder für Warteschulen und Schulen. 

w. 0 . 

W. 0. 

250 

81 

Hervorragende Leistung auf dem 
Gebiete für Kindermilch-Versorgung. 

w. 0 . 

W. 0. 

300 


Ausserdem ist eine Milcbkuh-Concurrenz beschlossen worden, 
fQr welche Preise im Gesammtbetrage von 2000 M. verfügbar sind. 


Nachweisung Ober den Stand der Thlerseuohen in Deutschland am 
31. Deoember 1902. 




Regierungs¬ 
bezirk etc. 

Ver¬ 

seuchte 

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Regierungs¬ 
bezirk etc. 

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Preussen: 


! 


Sigmaringen . . . 

_ 


Königsberg.... 

13 

40 

10 

Waldeck. 

l 

l 

Gumbinnen .... 

9 

26 

7 

Bayern: 



Danzig. 

7 

15 

12 

Oberbayern .... 

4 

5 

Marienwerder . . 

11 

41 

18 

Niederbayern. . . 

— 

— 

Berlin. 

— 

— 

— 

Pfalz. 

— 

_ 

Potsdam. 

14 

36 

14 

Oberpfalz. 

1 

1 

Frankfurt. 

10 

18 

6,5 

Oberfranken . . . 

— 

— 

Stettin. 

11 

24 

12,7 

Mittelfranken. . . 

1 

1 

Köslin. 

6 

24 

12 

Unterfranken. . . 

— 

_ 

Stralsund. 

2 

8 

3,3 

Schwaben. 

— 

_ 

Posen . 

17 

55 

16,5 

Württemberg . 

— 

_ 

Bromberg. 

11 

57 

25 

Sachsen. 

6 

9 

Breslau. 

17 

91 

24 

Baden . 

1 

1 

Liegnitz. 

14 

45 

16 

Hessen . 

5 

9 

Oppeln. 

6 

17 

6 

Meckl.-Schwerin 

8 

13 

Magdeburg .... 

6 

10 

7 

Meckl.-Strelitz . 

— 

— 

Merseburg .... 

6 

26 

11 

Oldenburg . . . 

1 

1 

Erfurt. 

— 

— 

— 

Sach s.-Weimar. 

3 

5 

Schleswig. 

5 

7 

3 

Sachs.-Meiningen 

1 

1 

Hannover. 

4 

7 

16 

Sachs.-Altenburg 

1 

1 

Hildesheim .... 

6 

9 

12,4 

Sachs.-Cob.-Got. 

1 

1 

Lüneburg. 

7 

9 

6 

Anhalt. 

1 

1 

Stade. 

6 

12 

16,5 

Braunschweig 

1 

2 

Osnabrück .... 

— 

— 

— 

Schwarzb.-Sond. 

— 

— 

Aurich. 

— 

— 

— 

Schwarzb.-Rud. 

— 

_ 

Münster. 

1 

1 

3,7 

Reuss ä. L. ... 

— 

— 

Minden . 

2 

8 

15,6 

Reuss j. L. ... 

— 

— 

Arnsberg. 

6 

8 

9 

S cha um b.-Lippe 

— 

— 

Cassel. 

— 

— 

— 

Lippe-Detmold . 

1 

1 

Wiesbaden .... 

4 

4 

4 

Hamburg .... 

2 

2 

Coblenz. 

1 

1 

0,9 

Lübeck . 

1 

1 

Düsseldorf .... 

3 

12 

28 

Bremen. 

— 

— 

Köln. 

2 

4 

13,5 

Eisass . 

— 

— 

Trier. 

1 

1 

0,8 

Lothringen . . 

— 

— 

Aachen. 

8 

5 

12,8 





Di« Zahlen bedeuten die veraeuchtea Krelie (OberemUbei. etc.) and (eingekUmmert) 

Gemeinden. 

Rotz. 


Preussen: In den Regierungsbezirken Marienwerder, Köslin, 
Breslau, Liegnitz, Merseburg, Minden, Düsseldorf, Cöln, Trier 
je 1 (1), sowie im Stadtkreis Berlin (1); im Reg.-Bez. Gumbinnen 
2 (2); im Reg.-Bez. Oppeln 4 (4). — In Bayern 3 (3); Sachsen 2 (2): 
Waldeck, Hamburg, Eisass je 1 (1). — Zusammen 24 Gemeinden 
(November 21). 

Lungenseuche. 

Im Kreis Halberstadt, Prov. Sachsen, und im Kreis Grimma, 
Königreich Sachsen, in je 1 Gemeinde, bezw. je 1 Gehöft. Die am 
15. December ausserdem noch verseucht gewesene Gemeinde des 
Kreises Wolmirstedt ist seuchenfrei. Demnach ist die Lungenseuche 
jetzt in Deutschland auf 2 Gehöfte beschrankt. (October und 
November 3 Gehöfte in 3 Gemeinden.) 

Maul- und Klauenseuche. 

Preussen: R.-B. Königsberg 1 (2), R.-B. Bromberg 2 (4), 
R.-B. Magdeburg und Merseburg je 1 (I), R.-B. Coblenz 1 (3) — 
Bayern: Oberbayern 2 (2), Oberfranken 1 (1), Unterfranken 1 (1), 
Schwaben 1 (2). — Württemberg: Neckarkreis 2 (4), Schwarzwald¬ 
kreis 1 (1), Jagstkreis 3 (5). — Mecklenburg-Schwerin 1 (2). 
— Ober-Eisass 2 (2). 

Vergleich mit ultimo November: In Preussen ist die Seuche 
in 3 Bezirken neu aufgetreten, nämlich in Königsberg, Merseburg 


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48 


BERLINER TIIIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 3. 


u..(l Coblcnz (das im November souchonfrei geworden war), dagegen 
in 3 Bezirken (Polsdam, Lüneburg und Cöln) erloschen; der Stand 
ist also unverändert. — In Bayern ist sie in Oberfranken neu auf¬ 
getreten, desgl. im württembergischen Schwarzwa’dkreis. — In 
Hessen und Lothringen ist sie erloschen, in Mecklenburg und 
Ober-Elsass neu aufgetreten. In ganz Deutschland herrschte die 
Seuche in 20 Kreisen und 31 Gemeinden gegen 16 bezw. 24 ult. 
November und 11 bezw. 14 ult. October. Die Zahl der betroffenen 
Gehöfte betrug 68 gegen 58 bezw. 37 im November und October. 
Davon entfallen 21 auf den R.-B. Coblenz und 16 auf den Jagstkreis. 

Aufforderung. 

. Diejenigen Herren Collegen Schlesiens, welche sich am 
diesjährigen Fortbildungskarsus für Schlachthofthierärzte unter 
Leitung des Herrn Professor Dr. Ostertag vom 14. bis 28. April 
zu betheiligen wünschen, werden hiermit ersucht, unverweilt 
diesbezügliche Mittheilungen an den Unterzeichneten Vorstand 
des „Vereins schlesischer Schlachthofthierärzte“ zu machen. 

Hentschel-Oels. 


BUcheranzeigen*) und Kritiken. 

Neue Eingänge. 

Cremat: Wie Milliarden in der deutschen Landwirtschaft ver¬ 
loren gehen —. Kritik der deutschen Geflügelzüchtung. Preis 1,25 Mk. 

Arbeiten aus der Kgl. ungarischen thierphysiologischen Versuchs¬ 
station in Budapest (Prof. Dr. Tangl). Tangl: Untersuchungen Uber den 
Einfluss der Art des Tränkens auf die Ausnutzung des Futters. — 
Derselbe: Zur Kenntniss des Futterwerthes des Rieselwiesenheus. — 
Derselbe: Beitrag zur Kenntniss deB anorganischen Stoffwechsels 
beim Pferde (Soi.dcrabdruck aus: Die landwirtschaftlichen Versuchs¬ 
stationen, Organ für naturwissenschaftliche F< rschung auf dem 
Gebiete der Landwirtschaft, unter Mitwirkung sämmtlicher deutscher 
Versuchsstationen, herausgegeben von Geheimrath Dr. Nobbe- 
Tharand. Verlag von Paul Parev-Berlin). — Weiser u. Zaitschek: 
Methodik der Stärkebestimmung und zur Kenntniss der Verdaulichkeit 
der Kohlehydrate. — Di* selben: Beitrag zur Kenntniss der chemischen 
Zusammensetzung und Bildung des Gänsefettes (SeparatabdiUcke 
aus dem Archiv für Physiologie 1902, Bonn, bei E. Strauss). — 

Behla, Medicinalrath Dr.: Das bactcriologische Laboratorium bei 
der Königl. Regierung zu Potsdam. — Derselbe: Die Sammel¬ 
molkereien als Typhusverbleiter (Abdruck aus derti Klinischen 
Jahrbuch, Jena bei G. Fischer). 

Dr. Ritter und Kreisthierarzt Nevermann: Hygienische Verhältnisse 
auf dem platten Lande nach im Regierungsbezirk Stade gemachten 
Erfahrungen (SoDderabdruck aus der deutschen Vierteljahrsschrift 
für öffentliche Gesundheitspflege von Spiess & Pistor, Braun¬ 
schweig, bei Vieweg & Sohn). 

Johannes Zürn: Vergleichend histologis he Untersuchungen über 
die Retina und die area centralis retinae der Haussäugethiere. 
Inaugural-Dissertation (Giessen 1902). 

F. Sohmltt-Cleve: Ueber das poBtembryonale Wachsthum des 
Schädels verschiedener Hunderassen. Inaug.-Dissej tatton (Sonder¬ 
abdruck aus dem Archiv für Naturgeschichte Bd. I, Heft 1. Berlin, 
Nicolai sehe Verlagsbuchhandlung). 

Ludwig Simon: Beiträge zur Anatomie und Entwicklung der 
Bradypodiden. Inaugural-Dissertation (Bern 1902; SondCrabdruck 
aus dem Archiv für Naturgeschichte. Bd. I). 

NOue Zeitschriften: Revue gönörale de mädecine v6t6rinairc 
publice par M. E. Leclalnche, professeur ä I'öcole vötörinaire de 
Toulouse. Halbmonatsschrift. Erster Jahrgang. Toulouse. Imprimerie 
Lagard & Sebille. 

Der Lehrmeister in Garten und Klcintbierhof. Wochenschrift. 
Redigirt von Dr. E. S. Zürn, Frhr. Schilling v. Canstatt und 
Thierarzt Hecker. Leipzig bei Hach meist er & Thal. Preis 
vierteljährlich 1 Mk. 

Johne: Taschenkalender für Fleischbeschauer. Dritter Jahr¬ 
gang 1903. 

*) Von den eingesandten Büchern werden hierunter Titel u. s. w. 
mitgetheilt. Eine Verpflichtung zu eingehender Besprechung wird 
jedoch nicht übernommen; dieselbe bleibt Vorbehalten. 

‘ ~ Die Redaction. 


Verantwortlich fllr de^Inli&lt (exel. Inscrateotlioil): Prof. Dr. Schmält* in Berlin 


Personalien. 

Auszeichnungen: Dem Thicrarzt Ficne zu Schwarnstedt im 
Kreise Fallingbostel wurde der Kronen Orden IV. Klasse, dem Ober¬ 
rossarzt Timm beim 7. Ulanen-Regiment wurde das Ritterkreuz 
II. Klasse des Ordens vom Zähringer Löwen und dem Bezirks¬ 
thierarzt Thomas-Ludwigshafen das Vcrdienstkreuz des kgl. baycr. 
Michaels-Ordens verliehen. 

Ernennungen: Dr. M. Casper zu Höchst a. M. wurde zum Pro¬ 
fessor extr. in der phil. Facultät der Universität Breslau, Scblachthof- 
inspector Dr. Krüger-Lobsens zum Kreisthierarzt in Meisen- 
beim, Thierarzt Dr. Moser zum Prosector an der thierärztlichen 
Hochschule in München und Thierarzt Dr. Ludwig Simon zum 
Voloutärassistenten an der Poliklinik der Thierärztli hen Hochschule 
in Berlin ernannt. 

Wohnsitzverinderungen, Niederlassungen : Verzogen sind die Thier¬ 
ärzte K. Feldmann von Darmstadt nach Dortmund und A. Heinen 
von Königshoven nach Grevenbroich. — Niedergelassen haben sich 
die Thierärzte G. Thun in Eidelstedt bei Hamburg und 0. Mack 
in Mittenwalde (Brandenburg). 

In der Armee: Befördert: Oberrossarzt Schlake, bisher 
Vorstand der Lebrschmicde zn Frankfurt a. M., zum Corpsrossarzt 
des VL Anneecorps. — Die Rossärzte Köhler vom 1. Ul.-Regr. 
und Schüler vom 2. Kür.-Regt. za Oberrossärzten dieser Regi¬ 
menter. — Die Unterrossärzte Dr. Hennig vom 1. Garde-Drag.- 
Regt, Bl unk vom 18. Drag.-Regt. unter Versetzung in das 
43. Art-Regt., Dezelski vom 17. Drag.-Regt unter Versetzung 
zum 5. Art.-Regt. — zu Rossärzten. 

Versetzt: Die Oberrossärzte Herbst vom 3. Garde-Art.-Regt. 
unter Ernennung zum technischen Vorstande der Militär Lehr¬ 
schmiede nach Frankfurt a. M., Jacob vom 2. Kür.-Regt. zum. 
16. Drag.-Regt., Nothnagel vom 6. Drag.-Regt. zum 3. Gardc- 
Art.-Regt., Kunze vom I. Ul.-Regt. zum 6. Drag.-Regt. (unter 
Belassung in dem Commando beim comb. Regt. Jäger zu Pferde), 
Krankowsky vom 16. Ul.-Regt. und Graf vom 12. Hus.-Regt 
gegenseitig, Tbomann vom 72. Art.-Regt. und Krause vom 
6. Ul.-Regt gegenseitig. — Die Rossärzte Bialias vom Regt.. 
Gardes du Corps zum 6. Drag.-Regt. (behufs Wahrnehmung der 
Obeirossarzt-Geschäfte', Winter vom 43. Art.-Regt, zum 11. Art.- 
Regt, Kühn vom 11. Art-Regt. zum 7. Train-Bat. — Die Unter¬ 
rossärzte Leonhardt vom 9. Hus.-Regt. und Taubitz vom 
11. Ul.-Regt. gegenseitig. 

Verabschiedungen: Oberrossarzt Vircliow vom Regt. 
GarJes du Corps und Rossarzt Junack vom 18. Drag.-Regt. 

Im Beurlaubtenstande: Beförderungen: Zum Oberross¬ 
arzt Dr. Uebel e (Stuttgart.) — Zu Rossärzten Hoppe (Bez.-Comm. 
Osnabrück), Weber (Lingen), Ruppert und Krautwald (Hamburg), 
Mörler (Friedberg in Hessen), Morgenstern (Wessel), Schulte 
(Essen), Fischer (Scbneeberg in Sachsen) und Üble mann (Borna 
in Sachsen). 

Todesfälle: Thierarzt Lange-StadtolJendorf, 97 Jahre alt, 
kgl. Württemberg. Landespferdezücht-Inspector Eisele-Leutkircb, 
33 Jahre alt 

Vacanzen. 

Siehe No. 1. 

Neu ausgeschriebene Sasitätsthierarztstellea :Gräfenhainichen: 
Thicrarzt für Schlachtvieh- und Fleischbeschau. Meldungen bis 
22. Januar an den Magistrat. — Lehre (Herzogtb. Braunschweig): 
Tinerarzt für Fleischbeschau zum 1. April. Näheres beim Orts¬ 
vorsteber Lohsen. — Lütgendortmund: Thicrarzt fllr Schlacht¬ 
vieh- und Fleischbeschau zum 1. April. Bewerbungen bis 1. Februar 
an die Polizeiverwaltung. — Passenheim: TbierarZt für Fleisch- 
und Trichinenschau. Einkommen 1800 M. Meldungen an den 
Magistrat. 

Besetzt: Kreisthierarztstelle Meisenheim, R.-B. Coblenz. 

Das Register zum Jahrgang 1902 der B. T. W. gelangt 
Anfang Februar zur Ausgabe. Die Redaction. 

— Verlag un<l Kigcntliiini von Richard Srhortz in Berlin. — Druck von W. BU*en»toin, Berlin. 


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Die „Berliner Thiertrztllehe Woohenichrift" ertoheint Originzlbeitriige werden mit 60 Hk.fHr den Bogen honorlrt. 

wöchentlich im Verlage von Richard Schoets ln — Alle Manuscrlpte, Mltthellangen nnd redactlonellen An- 

Berlln, Lniaenatr.86. Dnrch jedea deutsche Postamt wird I B ■ ™ fragen beliebe man in aenden an Prof. Dr. Schmalta, 

dieselbe enm Preise von M. 5,— vierteljährlich (M. 4,88 für j \ I "■ Berlin, thlerftrztUche Hochschule, NW, Luisen» trasae 66. 

die Wochenschrift, IS Pf. fUr Bestellgeld) frei in'a Haus I BI j I I I I I I j ■ Correcturen, Recenaions-Elzemplare und Annoncen da¬ 
geliefert. (Deutsche Post-Zeitung»-Preisliste No. 110S, ™ m M —M i B Vf J. gegen an die Verlagsbuchhandlung. 

Oesterrelcbische No. 510, Ungarische No. 90.) 

Thierärztliche Wochenschrift 

Redaction: 

Professor Dr. Schmaltz-Berlin 
Verantwortlicher Redacteur. 

De Bruin Kühnau Dr. Lothes Prof. Dr. Peter Peters Preusse Dr. Schlegel Dr. Vogel Zündet 

Professor Scblachthofdlrector Departementstblerarxt Kreisrliierarzt Deiiartementathieram Veterinärassessor Professor Landes-Insp. f. Thieraucht Kreisthlerarst 
Utrecht. Cöln. Cöln. Augermünde. Bromberg. Danzig. Freibnrg i. Br. München. Mülhausen i. E- 

Francke Dr. Jess Nevermann 

Kreisthlerarst Krelsthierarzt Kreisthierarzt 

Mülheim a. Rh. Charlottenburg. Bremervörde. 

Jahrgang 1903. 4. Ausgegeben am 22. Januar. 

Inhalt: Wessel: Einfachste Castrationsmethode. — Fabrltlus: Nochmals über das Verbrennen der Milzbrandcadaver. — 
Altmann: Acuter Gelenkrheumatismus beim Pferde. — Simon: Einiges Uber das Blutharnen. — ßeldbock: Etwas 
über Fuhrwerke und deren Auswahl. — Referate: Köhler: Ueber den Stand der Frage von der Uebertragbarkeit der 
Rindertuberculose auf den Menschen. — Gröning: Nachweis des Pferdefleisches durch ein BpecifischeB Serum. — Jess: 
Wochenübersicht über die medicinische Litteratur. — Tagesgeschichte: Statut des Deutschen Veterinärraths. — Verschiedenes. 
— BUcheranzeigen und Kritiken. — Personalien. — Vacanzen. 

Einfachste Ca8tration8methode. Blutungen. Um nun zn prüfen, welche Wirkung der Emascnlator 

Von zur Verhinderung von Blntnngen entfaltete, benutzte ich diesen 

Wessel-Wilster. ! verschiedene Male garnicht, indem ich den Hoden einfach durch 

Thierarzt. einen Scheerenschnitt unterhalb der Sand’schen Zange entfernte. 

Da ich alljährlich ca. 250 Thiere (Hengste, Bullen, Eber | Auch hier war der Blutverlnst bei den Castraten nur gering 
nnd Böcke) castrire nnd seit 6 Jahren die Castration ohne und ungefährlich. Der Druck der Sand’schen Zange hatte also 
Kluppen betreibe, so möchte ich in Knrzem meine Erfahrungen, [ allein genügt, eine Blutnng des Samenstranges zu verhindern, 
die ich mit den verschiedenen Castrationszangen gemacht habe, > Wirkung des Emasculators also bei der Castration von Bullen 
schildern. Bei der Auswahl der Zangen mnss man darauf achten, gleich Null. Da ich nun ansprobirt hatte, dass durch eine 
dass man nnr solche wählt, die den Samenstrang kreisförmig , Castrationszange mit genan ineinander passenden sägeförmigen 
nmgreifen, da hierdurch die bestei Fixirung und Quetschung in I Erhabenheiten an den gegenüberliegenden Qnetschstücken eine 
allen Theilen des Samenstranges erzielt wird. In den ersten viel intensivere Quetschung des Samenstranges hervorge¬ 
rufen wird, als durch eine Zange mit welligen Vorsprüngen, 
wie bei der Sand’schen Zange, so liess ich mir von 
der Firma Hanptner eine starke Sand’sche Zange mit 
znerst erwähnten Qnetschbalken construiren. 

Mit dieser nebenstehend abgebildeten Zange non 
vollführe ich seit einiger Zeit die Castration bei allen 
Hauathieren in der Weise, dass ich nach Freilegung nnd 
Hervorziehen des Hodens, den Samenstrang (mit oder 
ohne bedeckter Scheidenhant) einmal kräftig zwischen 
den Qnetschbalken des Instrumentes znsammendrücke 
und ungefähr 1 cm unterhalb der Zange mit der 
3 Jahren habe ich die Hoden stets dnrch Abdrelien entfernt, es Scheere durchschneide. Nach Abnehmen der Zange schlüpft 
ist dies eine gute nnd sichere Methode, es entstehen keine 1 der Samenstrangstnmpf in die Wandhöhle zurück nnd die 
Blntnngen. Alsdann versuchte ich die Castration mit dem Ernas- Castration ist erledigt. Es tritt nicht die geringste Blutung 
cnlator. Bei Bullen traten unter alleiniger Anwendung dieses auf. Sollten einige Herren Collegen noch Bedenken nnd Farcht 
Instrumentes stets erhebliche Blutungen auf, die ohne Weiteres ! vor Blotverlust haben, so lässt sich der Samenstrang leicht 
nicht von selbst anfhörten. Bei Hengsten nnd Ebern fnnctionirte zweimal in der Weise quetschen, dass man nach dem ersten 
der Emascnlator gut. * 1 Druck die Zange wieder öffnet nnd etwas tiefer noch einmal 

Ich konnte mir den Misserfolg bei den ersteren Thieren nnr einen Druck ansübt. Zwecks besserer Reinigung des Instrumentes 
dadurch erklären, dass der verhältnissmässig dünne und änsserst habe ich das in dem gabelförmigen Schenkel liegende Qnetsch- 
gefässreiche Samenstrang nicht hinreichend genug gequetscht stück so anfertigen lassen, dass es dnrch 2 Schrauben gehalten 
wurde. Setzte man nnn bei Bullen nm den Samenstrang eine wird und leicht herausgenommen werden kann. Mit beschriebener 
Sand’sche Zange nnd schnitt ihn unterhalb mit dem Ernas- , Zange habe ich bis zum heutigen Tage 47 Stück Ya—ljährige 
cnlator ab, so verlief die Castration ohne gefahrdrohende Ballen, 8 schwere Eber and ein 172 jähriges Hengstfohlen mit 



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50 BERLINER TH1ERARZTLICHE WOCHENSCHRIFT. ' No. 4. 


gleich gntem Erfolge castrirt und kann ich diese Castrations¬ 
methode den Herren Collegen angelegentlichst empfehlen. Der 
Preis der neuen Castrirzange beläuft sich, wie der der alten 
Construction, auf M. 20.—. Die Firma H. Hauptner, Berlin 
hat ein Deutsches Reichs-Gebrauchsmuster auf die Zange an¬ 
gemeldet. 

Nochmals Uber dasVerbrennen der Milzbrandcadaver. 

Von 

L. Fabritius-Äbo, Finland. 

Oouvememeutsthlerarzt. 

Durch die Artikel der Herren Volmer, Lothes und Profö 
in No. 37 und 41 dieser Zeitung angeregt, erfasse auch ich die 
Gelegenheit, meine Erfahrungen über das Verbrennen thierischer 
Cadaver auf offenem Felde der Oeffentlichkeit zu überliefern, 
und sehe mich dazu um so mehr veranlasst, weil die von mir 
vorgenommenen Verbrennungen in vielen Beziehungen sich auf 
andere Voraussetzungen gründen. Hier in Finland gestalten 
sich allerdings die Verhältnisse in Manchem etwas anders als 
in den grossen Culturstaaten. Die Tliiere verenden nämlich oft 
weit entfernt von jeder menschlichen Wohnung mitten im tiefen 
Walde, hinter Seen oder schwer zugänglichen Morästen, weshalb 
es meistens viel zu kostspielig und umständlich, wo nicht 
geradezu unmöglich ist, die von Lothes und Profe befür¬ 
worteten Eisenschienen oder das erforderliche Petroleum oder 
Teer anzuschaffen und an Ort und Stelle zu befördern. Ich 
habe mich deshalb beim Vertilgen der Milzbrandcadaver im 
Laufe der letzten 15 Jahre eines Verfahrens bedient, das sich 
wenigstens unter den hiesigen Verhältnissen praktisch sehr gut 
bewährt hat, meines Erachtens aber auch in Deutschland, 
namentlich in Gebirgsgegenden, mit Vortheil verwendet werden 
könnte. Für den Zweck lasse ich, dem finnischen Gesetze 
gemäss, welches das Verscharren der in Seuchen verendeten Thiere 
vorschreibt, ein Verbrennen jedoch nicht fordert, aber auch 
nicht verbietet, eine 2 Meter tiefe und entsprechend lange Grube 
in der möglichst unmittelbaren Nähe des Cadavers graben, fülle 
dieselbe mit grobem, lagerweise abwechselnd der Länge und 
Quere nach geschichtetem Holze bis zur Erdoberfläche aus, 
lasse indessen an beiden Kurzseiten je eine halbmeterbreite 
Leere zur Erzielung besseren Luftzuges und zum Anzünden 
mit Stroh, Birkenrinde oder anderen leichtbrennenden Stoffen. 
Der Holzstoss wird nun mit einer dicken Strohschicht über¬ 
deckt, darauf der Cadaver gelegt, dessen Bauch aufgeschnitten 
und ein etwa fussdickes, den ganzen Körper umschliessendes 
Lager aus Stroh, Wacholder- und Tannenreisig, Spähnen, Bretter¬ 
stücken, grobe Balken, Baum wurzeln, grossen Feldsteinen oder 
dergleichen mehr über den Cadaver ausgebreitet und schliess¬ 
lich das Ganze mit möglichst grossen Torfschollen sorgfältig 
überdeckt, worauf der Scheiterhaufen an einer Schmalseite an¬ 
gezündet wird. Dem allzu hohen Emporsteigen des Feuers, 
das ja unter Umständen eine nicht zu unterschätzende Gefahr 
in sich birgt, wird dadurch vorgebeugt, dass jedesmal, wenn 
die Flamme droht irgendwo zum Durchbruch zu kommen, sofort 
die entsprechende Stelle mit einer neuen Torf- oder Erdscholle 
überdeckt wird. 

Durch ein solches Verfahren wird erzielt, dass das Feuer 
nicht zu beiden Seiten des Cadavers unter einem drohenden 
Funkenregen hoch emporschlägt, ohne auf den Körper, nament¬ 
lich dessen Oberfläche, eine bedeutendere Wirkung auszuüben, 


sondern dass sie im Gegentheil, und darauf liegt ja das Haupt¬ 
gewicht, in allen Richtungen den Cadaver umgiebt und angreift 
und dabei eine furchtbare Hitze entwickelt. 

Allmählich senkt sich die Feuerstätte immer tiefer, bis im 
Laufe einiger Stunden die glühende Asche nur noch spärliche 
verkohlte Reste des Cadavers birgt. Der letzten Möglichkeit 
einer Ansteckungsgefahr wird ferner durch das nachfolgende 
sorgfältige Verscharren dieser Reste vorgebeugt, da ja beim 
Durchsickern der Feuchtigkeit, die sich auflösende Aschenlange 
noch dazu beiträgt die gegen alle Vermuthungen etwa noch vor¬ 
kommenden Krankheitserreger vollends zu vertilgen. Selbst¬ 
verständlich können, nach einem so gründlichen Vernichten des 
Cadavers auch die Vorsichtsmassregelu in Bezug auf Umzäunung 
der Grabstätte sehr vereinfacht werden. Da gerade unter den 
obwaltenden Umständen es sich als bisher sehr schwer erwiesen 
hat, eine einigermassen befriedigende Controle über die gewissen¬ 
hafte Verscharrung bezw. Umzäunung zu erzielen, so lässt sich 
denken, welchen hohen Grad der Sicherkeit die Verbrennung 
anderen Methoden gegenüber darbietet. Auch kann ich aus 
meiner Praxis bestätigen, dass ausnahmslos nach obigem Ver¬ 
fahren, keine neuen Todesfälle mehr vorkamen, welcher über¬ 
raschende Erfolg allerdings aber auch anderen zufälligen Um¬ 
ständen zugeschrieben werden kann. Das Hauptgewicht bei 
meinem Verfahren lege ich darauf, dass die Verbrennung sich 
in der sorgfältig überdeckten Grube vollzieht, in welcher 
die Luftzufuhr bezw. das Abweicheu der Verbrennungsgase nur 
an den beiden Endpunkten stattfindet, indem die nöthige Luft 
an einer Seite eingezogen wird, dann die Gluth unter dem 
Cadaver mächtig anfacht, um schliesslich an dem entgegen¬ 
gesetzten Ende zu entweichen und emporzusteigen. Die auf¬ 
gelegten Feldsteine beeinflussen die Verbrennung in sofern sehr 
günstig, als sie die Erddecke genügend von der Körperoberfläche 
abhalten um dem Feuer zu gestatten, dieselbe von allen Seiten 
zu umflackern. Auch unterhalten sie, einmal glühend, gut 
die Hitze. 

Acuter Gelenkrheumatismus beim Pferde. 

Von 

Altmann-Trendelburg. 

Thierarzt. 

Der Gelenkrheumatismus ist eine von den Krankheiten, 
welche noch nicht genügend erforscht sind. So sind denn auch 
die Aufzeichnungen in der Literatur sehr spärliche. Während 
Einige behaupten, es käme bei den Thieren, insbesondere beim 
Pferde, kein Gelenkrheumatismus vor, so sind doch einzelne 
Fälle bekannt, welche keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, 
um was es sich handelt. Ob diese heimtückische Krankheit 
eine Infectionskrankheit ist oder nicht, darüber will ich mich 
hier nicht näher auslassen. Einige Forscher wollen ja einen 
Infectionserreger, einen Diplococcns, gefunden haben, der, rein 
gezüchtet und den Thieren injicirt, eine dem Gelenkrheumatismus 
ähnliche Erkrankung hervorrufen soll. Ich will hier nur einen 
Beitrag dazu liefern, ob der Gelenkrheumatismus beim Pferde 
vorkommt oder nicht, indem ich hiermit einen von mir be¬ 
handelten Fall der Oeffentlichkeit übergebe. 

Der so sehr ungünstige, sich durch Nässe und Kälte aus¬ 
zeichnende Sommer wirkte natürlich besonders auf das Vieh, 
welches sich auf der Weide befand, schädlich ein. Die Thiere 
mussten sich durch die fortwährenden kalten Regenschauer eine 


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22. Januar 1903. 


Erkältung zuziehen, welche ja prädisponirend für eine Infection 
wirkt. So erkrankte auch hier auf einer mit Pferden betriebenen 
Weide ein zweijähriges Stutfohlen unter folgenden Erscheinungen: 

Das Thier war sehr stark abgemagert und zeigte mangel¬ 
haften Appetit. Mit dem rechten Hinterbein lahmte es stark. 
Beim Einfangen versuchte das Pferd zu laufen, wobei es das 
betreffende Bein garnicht auf den Boden setzte. Die nähere 
Untersuchung ergab eine Kniegelenksentzündung. Das rechte 
Kniegelenk war geschwollen, vermehrt warm, fluctuirte, und auf 
Druck äusserte das Pferd heftige Schmerzen. Im Stall wurde 
das rechte Hinterbein nicht belastet, nur die Hufspitze berührte 
den Boden. Die Temperatur im Mastdarm betrag 39,6° C. 
Am anderen Tage waren auch die Sprunggelenke geschwollen, 
vermehrt warm und schmerzhaft. Das Thier lag viel, der 
Appetit war schlecht, die Athmung angestrengt, Temperatur 
39,4° C. Nach weiteren zwei Tagen ging die Schwellung 
des rechten Kniegelenks zurück und die Schmerzhaftigkeit 
liess nach. Dagegen traten Schwellungen der vorderen 
Fesselgelenke auf. Nach achttägiger Behandlung gegen Gelenk¬ 
rheumatismus hatte sich der Zustand des Pferdes so weit ge¬ 
bessert, dass die starke Lahmheit hinten rechts und die 
Schwellung des rechten Kniegelenks ganz verschwunden waren, 
auch der Appetit wurde besser. Die Temperatur war auf 38,2° 
heruntergegangen, aber die Athmung war noch sehr angestrengt. 
Das rechte Sprunggelenk und beide Carpalgelenke waren nur 
mässig geschwollen, der Gang des Thieres immer noch etwas 
steif. Dieser Zustand blieb 5 Tage, als ein erheblicher Bück- 
fall eintrat. Die Erkrankung des rechten Kniegelenks war 
wieder, wie vorher, aufgetreten. Bei der leisesten Berührung 
dieses Gelenkes hob das Thier das Bein hoch. Auch das rechte 
Sprunggelenk wurde dicker, desgleichen schwollen die Carpal¬ 
gelenke stärker an. Alles dies verursachte dem Pferde heftige 
Schmerzen, so dass es freiwillig gar nicht mehr aufstand. Die 
Temperatur betrug 40,8°, die Athmung war äusserst angestrengt, 
der Puls klein und häutig, die Conjunctiven waren schmutzig- 
roth. Dieser Zustand dauerte ziemlich 3 Tage, während welcher 
Zeit die Temperatur zwischen 39,8° bis 41,0° schwankte. Futter 
wurde überhaupt nicht mehr aufgenommen. Am 15. Tage nach 
der ersten Erkrankung ging das Pferd ein. 

Sectionsbefund: Die Synovia des rechten Kniegelenks war 
bedeutend vermehrt und enthielt Fibringerinnsel. Die Synovialis 
sah aus wie rother Sammet. Der Gelßnkknorpel hatte sein ge- 
glänzendes Aussehen verloren und fühlte sich rauh an. Auch 
an den Sprung- und Carpalgelenken war die Synovia etwas ver¬ 
mehrt, die Synovialis stärker geröthet und die Gelenkknorpel 
trübe. Dagegen war an den Fesselgelenken nur eine etwas 
höhere Röthung der Synovialis mit schwacher Trübung der Ge¬ 
lenkknorpel zu finden, während am linken Kniegelenk überhaupt 
keine Veränderungen vorhanden waren. 

Sonstige pathologische Veränderungen wurden nur noch am 
Herzen festgestellt Die Mitralis war wie zerfressen und da¬ 
durch verkürzt. Auf den verdickten Mitralklappen, besonders 
an deren Rande, befanden sich Stecknadelkopf- bis erbsengrosse, 
grauweisse, unregelmässig geformte, derbe Erhabenheiten. Das 
Endocardium war getrübt. 

Aus den beschriebenen Symptomen und pathologischen Ver¬ 
änderungen komme ich zu dem Schluss, hier handelt es sich um 
weiter nichts als acuten Gelenkrheumatismus. Die Erscheinungen 
sind ähnlich denjenigen, welche beim Gelenkrheumatismus des 


51 

Menschen auftreten. Oder wie sollte auch das mehrfache 
Ueberspringen der Gelenksentzündungen von einem Gelenk auf 
ein anderes, entfernteres zu deuten sein? 

Einiges über das Blutharnen. 

Von 

Simon-Havixbeck, 

pract. ThierarzL 

Wenn ich auch in den folgenden Ausführungen nur wenig 
zur Aufklärung der Aetiologie dieser dunklen Krankheit bei¬ 
tragen kann, so glaubte ich doch, meine Erfahrungen der 
Allgemeinheit nicht vorenthalten zu dürfen. 

Zum genaueren Verständuiss muss ich etwas weiter aus- 
holen: Bei dem Viehhändler S. in H. trat auf einer Weide, die 
seit ca. 60 Jahren von ihm resp. seinem Vater mit Fettvieh 
betrieben wurde, plötzlich am 4. Juni 1900 das Blutharnen auf. 
Wie ich sehr wohl wusste, war diese ca. 45 Morgen grosse 
Weide die beste und „süsseste“ der ganzen Gegend, weshalb 
ich an einen Irrthum in der Diagnose des Händlers glaubte. 

Meine am 5. Juni vorgenommene Untersuchung belehrte 
mich jedoch eines Anderen! Da einzelne Symptome nicht 
mit den in den Lehrbüchern sich vorfindenden übereinstimmen, 
so gebe ich in Folgendem den Befand bei der zuerst erkrankten 
Kuh, der mit dem bei den übrigen erhobenen auf das genaueste 
übereinBtimmt: 

Status präsens: 5. Juni 1900: Die ca. 7 Jahre alte 
Kuh liegt im Stalle eines Ackerers nahe der Weide. Das Thier 
erhebt sich auf Antrieb äusserst schwer und schwankt, als es 
endlich steht, stark im Hintertheil. Ich lasse das Thier zum 
Zwecke der Untersuchung vorsichtig aus dem Stalle führen, 
wobei das Schwanken so stark wird, da98 ich an beide Hüften 
je einen Mann stelle, die das Thier zu unterstützen haben. 
Die Untersuchung ergiebt Folgendes: 

Der Nährzustand der Kuh ist als ein guter zu bezeichnen; 
Haardecke rauh und glanzlos, Haut lässt sich leicht abheben; 
die Flanken beiderseits enorm eingefallen. Die Aug¬ 
äpfel sind in die Orbita zurückgezogen; Coniunctiva 
schmutzig graugelb (pathognost.). Mastdarmtemperatur 
betrug 41,5° C. Hörner fühlen sich gleichmässig eisig kalt an, 
die Ohren dagegen noch ein wenig, aber gleichmässig warm. 
Bei Druck auf die Lendengegend giebt die Kuh deutliches 
Schmerzgefühl durch Stöhnen zu verstehen. Zahl der Palse 
an der art. max ext. 86, zwar noch äqual und regulär, jedoch 
sehr schwer fühlbar, unter der Hand fühlt man deutliches 
Schwirren. Puls an den Carotiden beiderseits sichtbar 
(in jedem Falle!). Herztöne abnorm stark hörbar, sogar bei 
der Auscultation des Pansens (Herzschwäche in Folge Anämie). 
Zahl der Athemzüge 20 pro Minute; am Brustkörbe beiderseits 
normales vesiculäres Athmen hörbar. Die Kuh zeigt durchaus 
keine Neigung, Futter anfzunehmen. Es macht sich deutlich ein 
aashafter Geruch aus dem Maule bemerklich (pathognost.). 
Pansengeräusche sehr verlangsamt. Bei der Untersuchung per 
rectum zeigt sich der Mastdarm in ziemlicher Menge befindliche 
Koth abnorm trocken, mit glasigem, dickem Schleim überzogen 
und schwarz verfärbt. Obgleich die Harnblase sehr stark 
gefüllt ist, entleert sie sich trotz Massage vom Mastdarm aus 
nicht. Auffallend war in jedem von mir beobachteten Falle die 
Verkleinerung der Vulva in ihrem Durchschnitt von oben nach 
unten (Faltenbildung!). Ich führe dieses Phänomen auf eine 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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52 


BERLINER TIIIERÄRZTL1CHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 4. 


Schwellung der Harnröhre und die collossale Füllung der Harn¬ 
blase (Zug nach vorn und unten!) zurück. Der später auf¬ 
gefangene Harn war schwarzroth, schäumte beim Absetzen sehr 
stark; letzteres geschah unter Stöhnen. Stets fand ich, dass 
der Harn von Anfang an eine schwarzrothe Färbung zeigte, 
die er bis zum Tode beibehielt. Am folgenden Tage trat der 
exitus letalis ein. 

Section ergab Folgendes: 

Unterhaut blass, als wenn das Thier durch Verbluten ge¬ 
storben wäre (Anämie). Vulva geschwollen; aus derselben 
sickert blutig gefärbter Urin. 

Leber rothbraun, Consistenz fest, Ränder scharf, Gallenblase 
stark gefüllt. Serosa des Magens und Darmes überall blass 
und blau- bis grauweiss gefärbt. Schleimhaut des Mastdarmes 
geschwollen, faltig, auf der Höhe der Falten zäher Schleim; 
Inhalt besteht aus wenig schwarz gefärbten Kothpartikelchen. 
Milzkapsel blaugrau gefärbt, glatt und überall spiegelnd, das 
ganze Organ geschwollen; Milzpulpa weich, aber nicht zer- 
fliessend, Trabecelsystem deutlich erkennbar. Harnblase stellen¬ 
weise an der Oberfläche dunkelroth gefärbt. Inhalt besteht aus 
einer geringen Menge dunkelrothen, wässrigen Harnes, der 
jedoch nicht aufgefangen werden konnte, da das Organ vorzeitig 
angeschnitten wurde; Schleimhaut der Blase geschwollen, mit 
glasigem Schleim bedeckt, an einigen Stellen bohnengrosse 
Blutpunkte enthaltend. Scheidenschleimhaut dunkelroth, stark 
geschwollen, so dass sie Falten bildet; Harnröhre dunkelroth, 
geschwollen. Her? blass, grauroth, Musculatur „wie gekocht“; 
beide Höhlen angefüllt mit tintenschwarzen Blutkuchen, die von 
gelben Inseln durchsetzt waren (Fibrin). An allen übrigen 
Organen zeigt sich nichts, was eine Erwähnung verdiente. 

Innerhalb 14 Tagen starben resp. mussten nothgeschlachtet 
werden 11 Stück, eine zwölfte hochgradig erkrankte Kuh genass 
langsam; dass bei letzterer die Behandlung Einfluss gehabt hat, 
ist kaum anzunehmen. Der Merkwürdigkeit halber soll sie aber 
der Oeffentlichkeit nicht vorenthalten werden: Der entleerte, 
blutig gefärbte Urin muss mit einer frischen Muskatnuss ver¬ 
rieben und mit Roggenmehl zu Pillen verarbeitet werden, die 
dem Thiere sofort eingegeben werden. In derselben Weise wird 
mit der ganzen Urinmenge und 1 oder 2 Muskatnüssen pro die 
vorgegangen, bis der Ham wieder seine normale Farbe zeigt. 

Mit allen jemals empfohlenen Arzneien hatte ich übrigens 
nicht die geringste Wirkung erzielt. In den noch sehr wenig 
vorkommendeu Fällen von Blutharnen habe ich später gute 
Wirkung von nachfolgenden Arzneien gehabt: 

Rp. Chinin, ferro-citric. 3,0 
Aq. destill. 20,0 

Mf sol D 4. Zur subcutanen Iojection auf einmal, alle 12 
bis 24 Stunden ev. zu wiederholen; dazu per os: 

Antifebrin 100,0 

Natr. bicarbon. angl. 400,0 

Mf Pulvis D 5. An einem Tage (alle 4 Stunden y 3 des 
Pulvers) mit je */ 2 Flasche Wein eingeben; unter Umständen 
symptomatisch noch dazu Ferrum sulfur. pulv. resp. Natr. sulfur. 
in grossen Dosen. 

Vor allem ist unser Augenmerk auf die Prophylaxe zu 
liebten, mit der ich auch in obigem Falle die vorzüglichsten 
Erfolge gehabt habe. Auf Grund meiner nunmehr zweijährigen 
Erfahrung kann ich diese Prophylaxe als sicherstes Mittel zur 
Verhütung des Blntharnens empfehlen: 


1. Drainirnng des Bodens am besten in Form von 
offenen ca. IV 2 Fuss breiten und 1 Fuss tiefen Gräben. 

Die Weide des obigen Händlers war muldenförmig, so dass 
das Wasser gar keinen Abfluss hatte, und die Weide ständig 
nass blieb. 

Dadurch entwickeln sich, meiner festen Ueberzeugung nach, 
gewisse Pflanzen (Ranunculaceen ??), welche die Hämoglobinämie 
der Rinder verursachen. Der sicherste Beweis, dass Infections- 
erreger bei dem Blutharnen in hiesiger Gegend wenigstens 
keine Rolle spielen, ist m. A. n. das Vorkommen des Blut- 
harnens in der grossen Weide des Händlers. Diese Weide ist 
rings umgeben von mindestens 8 grösseren und kleineren 
Weiden, auf denen im Jahre 1900 die sämmtlichen Thiere völlig 
gesund blieben. Nicht unerwähnt möchte ich hierbei lassen, 
dass häufig die Stiere von einer Weide in die andere, auch in 
die Blutharnweide, liefen; aber das sämmtliche Vieh der um¬ 
liegenden Weiden blieb wohlauf. 

2. Beschickung der Weide neben den Kühen mit 
einer entsprechenden Anzahl von Schafen. 

Letztere prophylactische Maassregel habe ich bis auf den 
heutigen Tag weder in einem Lehrbuche noch in irgend einer 
Zeitschrift erwähnt gefunden, trotzdem dieses Mittel zur Ver¬ 
hütung des Blutharnens sich im hiesigen Landkreise in den 
letzten Jahren vorzüglich bewährt hat. 

Meiner Ansicht nach fressen die Schafe die bei Kühen das 
Blutharnen verursachenden Pflanzen (Ranunculaceen), die hin¬ 
wiederum den Schafen ungefährlich sind. Auf der Weide des 
Händlers waren die Schafe sogar innerhalb 2 Monaten in vor¬ 
züglichem Nährzustande und schlachtreif. 

Im Sommer 1902 waren die Gräben der genannten Weide 
theilweise wieder zugewachsen und fortgesptilt Ich Hess die¬ 
selben nicht auswerfen, um die Wirkung von der Beschickung 
der Weide mit Schafen allein festzustellen. Und siehe da, es 
kam in diesem Jahre ebensowenig, wie im Jahre 1901, wo 
sorgfältig für den Abfluss des W T assers gesorgt wurde, ein 
Fall von Blutharnen vor, trotzdem der Sommer 1902 sich be¬ 
kanntlich durch grosse Nässe auszeichnete. 

Dadurch ist aber bewiesen, dass Schafe im Stande sind, 
l von Blutharnweiden die schädigenden Agentien fortzufressen, 
ohne dass die Pflanzen ihnen selbst Schaden zufügen. 

Auch aus anderer Gegend des Landkreises Münster war 
von dem Augenblick an, wo Schafe mit den Kühen die Weide 
besuchten, das Blutharnen verschwunden. Viele Landwirthe 
sind dadurch von einer grossen Calamität befreit. 

Den Herrn Collegen kann ich nur ratlien, diese ein¬ 
fachen prophylactischen Maassregeln überall da zu empfehlen, 
wo das Hämoglobinämie-Blutharnen unter den Kühen noch seine 
Opfer fordert. Gerne gebe ich zu, dass es auch infectiöse 
Ursachen des Blutharnens geben mag, wobei höchst wahr¬ 
scheinlich obige prophylactische Maassnahmen in Stich lassen; 
so lange wir aber noch nicht die wirklichen Ursachen des 
Leidens kennen und im Dunkeln tappen müssen, so lange sind 
wir auf obige, empirischen Maassnahmen angewiesen. 

Etwas über Fuhrwerke und deren Auswahl. 

Von 

Dr. Goldbeck-Demmin, 

1 Koisarzt. 

Wie verschiedene Veröffentlichungen in den letzten Nummern 
, dieser und der deutschen thierärztlichen Wochenschrift beweisen, 


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22. Januar 1903. 


hat die Frage, welches wohl das zweckmässigste Gefährt für 
den in der Praxis stehenden Thierarzt sei, angenblicklich ein 
ganz besonderes Interesse. Es kommen da zunächst drei 
Gruppen in Frage: Antomobil, Zweirad und unser alter Wagen 
mit Pferd. 

Das Automobil sali man lange Zeit in thierärztlichen Kreisen 
als das idealste Fuhrwerk an. Nach reiflicher Erfahrung ist 
diese Begeisterung sehr geschwunden und in dem interessanten 
Artikel des Collegen Dr. Oehmke-Braunschweig werden die 
Nachtheile des Automobils so klar und überzeugend geschildert, 
dass wenigstens wir Thierärzte uns noch längere Zeit vor 
einer Wiederholung der Oehmke'sehen kostspieligen Versuche 
hüten werden. 

Anders steht es mit dem Zweirad. Seine Verwendung im 
gewöhnlichen Sinne mit all ihren Vorzügen und Nachtheilen ist 
zu allgemein bekannt, nm hier weiter erörtert werden zu müssen. 
Immerhin möchte ich auf die interessante Beobachtung hinweisen, 
die mir überall entgegen getreten ist, dass nämlich seine Ver¬ 
wendung umgekehrt proportional der Grösse der Praxis ist: je 
grösser die Praxis, um so weniger radelt der College. 

Um der beim einfachen Bicycle unvermeidlichen körper¬ 
lichen Anstrengung zu entgehen, wurden in letzter Zeit die 
Motor?weiräder benutzt und theilweise recht gelobt. Hier aber 
tritt doch noch mehr als bei den anderen der Nachtbeil hervor, 
dass sie auf Feldwegen — wie sie noch in ganz Ostelbien die 
Regel — fast gar nicht verwendbar sind, ferner, dass sie bei 
Regen oder Schnee keinen Schutz bieten und selbst ausser¬ 
ordentlich abgenutzt werden. Da, wo es überall Chausseen und 
gepflasterte Wege giebt, geht die Sache, nicht aber anf Land¬ 
wegen. Und auch dann muss der Fahrer seine Gesundheit fast 
muthwillig aufs Spiel setzen — oder er muss daneben noch 
Wagen und Pferde zur Verfügung haben. 

Bleibt also immer wieder der Wagen und Pferd — und 
alB Thierarzt freue ich mich darüber. Aber welches System 
unter den vielen? Schon vor Jahren habe ich auf die Vorzüge 
hingewiesen, welche ein zweirädriger Wagen für alle Be¬ 
theiligten — nicht zum Mindesten für den Geldbeutel des 
Collegen — hat. Ich empfahl damals das sog. „Bessel’sche 
Zweirad“ der bekannten Firma J. G. Beseel -Bartenstein (Ost- 
preussen). Dieses „Gig“artige Gefährt sieht elegant aus, fährt 
sich leicht und kann vom Sitz aus so regulirt werden, dass 
kein Druck der Gabelstangen auf die Vorderbeine des Pferdes 
ausgeübt wird. Ausser der Schonung des Pferdes hat diese 
Einrichtung noch den Erfolg, dass das unangenehme Schütteln 
beim Fahren — soweit dies bei zweirädrigen Wagen überhaupt 
möglich ist — verschwindet. 

Nachdem ich nunmehr dieses „Zweirad“ mehr als fünf 
Jahre in den verschiedensten Gegenden viel gefahren habe, 
musB ich ihm noch einen wesentlichen Vorzug nachrühmen: 
Ich habe noch nie eine nennenswerthe Reparatur 
nöthig gehabt. 

Dagegen sind mir auch hier, wie wohl bei jedem Gegen¬ 
stand, den man längere Zeit benutzt, Umstände aufgefallen, die 
einer Verbesserung bedürfen. So war es — namentlich für 
Damen — recht unbequem auf das Zweirad aufzusteigen, ohne 
sich zn beschmutzen. Wie ich nun aus dem neuesten Catalog 
der Firma Beseel ersehe, ist diesem Umstande jetzt dadurch 
abgeholfen, dass die Räder und damit der Sitz niedriger gebaut 


53 


werden, während die Gabelstangen bogenförmig so nach oben 
gebogen sind, dass sie dem Pferde bequem liegen. 

Ferner bedauerte ich manchmal, nur einen kleinen Sitz¬ 
kasten zur Mitnahme von Instrumenten etc. zur Verfügung zu 
haben. Es würde sich empfehlen, bei Neubestellungen hierauf 
von vornherein zu achten. 

Immerhin werden namentlich ältere Collegen keine Neigung 
für zweirädrige Wagen haben, sondern vierrädrige Wagen vor¬ 
ziehen. Die Schwierigkeit der richtigen Auswahl eines solchen 
ist nun so gross, dass manche Collegen auf den sonderbaren 
Gedanken kamen, sich selbst einen solchen Wagen zu construiren 
und so entstanden — da wir doch schliesslich keine Wagenbau¬ 
techniker sind — solche Ungethüme, wie es z. B. der sog. 
Richter’sche Praxiswagen (B. T. W. 1890, p. 124) ist, der 
mit einem Schlächterwagen eine verzweifelte Aehnlichkeit hat. 
Wenn schliesslich die Form auch nicht die Hauptsache ist, so 
darf sie doch nicht ganz vernachlässigt werden. 

Die erste Frage bei Beschaffung eines vierrädrigen Wagens 
ist die: Soll der Wagen mit oder ohne Langbaum sein. Im 
Allgemeinen ist man nun der Ansicht, dass ein Langbaum vor¬ 
züglich bei solchen Wagen genommen werden soll, die speciell 
geleisige oder sehr schlechte Landwege zu befahren haben. 
Ich will nun nicht gerade sagen, dass ein Langbaum ein altes 
Vorurtheil ist; Thatsache bleibt, dass er heut lange nicht mehr 
so geschätzt wird, wie vor Jahren. Seine Aufgabe ist doch die 
Vorder- und Hinterachse zu verbinden, also ein Auseinander¬ 
ziehen des Untergestelles, d. h. der Vorder- und Hinterachse 
nicht zu gestatten. Man verwendet ihn heut fast nur noch bei 
Wagen mit ganz kurzem Achsenabstand, z. B. finden wir ihn 
bei manchen Bessel’schen Feldwagen mit amerikanischer, 
beweglicher Deichselconstruction. 

Denken wir uns nun einen Wagen ohne Langbaum, z. B. 
einen Landauer oder Halbverdeckwagen, wie er in den grossen 
Städten gefahren wird. Fährt man mit einem solchen Wagen 
auf Landwegen, deren Geleise löcherig sind, so wird jeder 
Widerstand im Geleise, den die Räder überwinden müssen, auf 
die Achsen wirken. Letztere werden zurückgedrängt, weil die 
Elliptikfeder, welche nnr in der Mitte eingebunden ist, sich mit 
ihrer Spitze senkt und daher die Achse um 2—3 mm zurück¬ 
weichen lässt. Dieses Zurückweichen der Achse nun soll auf 
den Anzug der Pferde einen nachtheiligen Einfluss ausüben, 
indem die Thiere gewissermassen zweimal anziehen müssen, um 
den Wagen vorwärts zu bewegen. Demgegenüber sollen die 
Pferde bei einem Wagen mit Langbaum einen unbehinderten 
Zug ausführen. 

Demnach ist es sicher, dass ein Wagen ohne Langbaum 
auf geleisigen Landwegen schwerer fortzubewegen ist, als ein 
solcher mit Langbaum. Der Wagen mit Langbaum hat aber 
— abgesehen von dem Umstande, dass er zum Wenden mehr 
Platz braucht, als ein solcher ohne Langbaum — einen sehr 
grossen Nachtheil. Langbaum und Wendezeng liegen hier noth- 
gedrungen unter den Federn, deren Wohlthat sie also nicht ge¬ 
messen. Die Gestelltheile sind daher stets starken Er¬ 
schütterungen ausgesetzt und lockern sich in ihren Verbindungen. 
Bei einem Wagen ohne Langbaum liegt das Wendezeng über 
den Federn; ein Langbaum ist überhaupt nicht vorhanden und 
die Gestelltheile werden daher aueb nicht so angegriffen, daher 
kommen bei einem Wagen ohne Langbaum weniger 
Reparaturen vor, als bei einem solchen mit Langbaum. 


BERLINER TIHERÄRZTLICIIE WOCHENSCHRIFT. 


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54 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 4. 


Man sieht, dass beide Systeme ihren Vorzug, aber auch 
ihren Nachtheil haben; es wird sich daher immer empfehlen, in 
speciellen Fällen die Ansicht des Wagenfabrikanten zu hören 
und zu berücksichtigen. Eine Wagenform nun, welche die An¬ 
wendung beider Systeme gestattet und für die thierärztliche 
Praxis sehr empfehlenswerth ist, stellt der Bessel’sche Catalog 
pro 1902 unter „Universal“ vor. 

Diese Wagen sind unter Beibehaltung der Grundform so 
variabel, dass sie für jeden thierärztlichen Zweck ausreichen. 
Zunächst Bind zwei bequeme Rücksitze vorhanden. Ein auf¬ 
klappbarer Vordersitz giebt Platz für eine grössere oder zwei 
kleinere Personen. Der Kutschersitz kann abgenommen und 
als Lakeisitz hinten angebracht werden. Aber dies ist sehr 
wesentlich, da man oft in die Lage kommt, den bestellenden 
Boten etc. mitzunehmen. Weiter kommen dann in Betracht 
ein abnehmbares Verdeck — am besten wohl aus Segeltuch, 
ein und zweispännige Anspannung. Da der Wagen, um leicht 
zu sein, nur kurz sein darf, könnte man glauben, dass man sich 
beim Einsteigen leicht an den Vorderrädern die Kleidung be¬ 
schmutzt. Dies ist zu vermeiden, wenn niedrigere Tritte an¬ 
gebracht werden und der Kutscher — falls links ein gestiegen 
wird — die Pferde etwas nach rechts stellt. Dadurch wird 
genügend Raum geschaffen, um auch den bequemsten Personen 
das Einsteigen mühelos zu gestatten. 

Wesentlich ist dann bei einem solchen Wagen der gleich¬ 
zeitige Bezug von mehreren Krampen, die sich jeder nach Be¬ 
lieben behufs Befestigung von Ledertaschen etc. anbringen lassen 
kann. Für die grösseren Instrumente empfiehlt es sich dann 
— obgleich ja im Wagenkasten etwas Platz ist — einen be¬ 
sonderen Kasten anfertigen zu lassen. Derselbe muss so ein¬ 
gerichtet sein, dass er bequem am Wagen angebracht und ab¬ 
genommen werden kann. Nicht zweckdienlich ist es, denselben 
mit dem Wagen aus einem Stück zu arbeiten. Schon der 
Vorzug, dass man den Kasten ins Haus mitnehmen und dort 
ein- und auspacken kann, ist sehr beachtenswerth. Ein solcher 
Kasten lässt sich bei Bessels Universal bequem hinten zwischen 
den Federn auf eisernen Kastenträgern mit Oesenschrauben an¬ 
bringen. Ohne die Form und das Aussehen des Wagens zu 
stören, kann er eine Grundfläche von 70 cm Länge, 50 cm Breite 
haben, bei einer Höhe bis zu 40 cm. Man vergleiche diese 
Maasse mit einem ReisekofFer und man wird einsehen, dass 
diese Grösse für unsere Zwecke meist nicht erforderlich ist. 
Die innere Eintheilung kann jeder College leicht selbst nach 
seinem Geschmack treffen lassen. 

Es dürfte kaum einen anderen vierrädrigen Wagen geben, 
der für thierärztliche Zwecke gleich geeignet wäre, als dieses 
Bessel’sche Fabrikat. 


Referate. 

Ueber den Stand der Frage von der Uebertragbarkeit 
der Rindertubercnlose anf den Menschen. 

Von Dr. Köhler, Präsident des Kaiserlichen Gesundheitsamtes 

zu Berlin. 

(Vortrag, gehalten auf dem Internationalen Tuberculose-Congress 
am 25. October 1902 zu Berlin.) 

(Deutsche med. Wochenschrift 1902, No. 45.) 

Die Hauptgefahr für die Weiterverbreitung der Tuberculose 
jst zweifelsohne der tuberculose Mensch. Neben dem Menschen 


hat die Tuberculose unter den Thieren, namentlich unter den 
Rindern eine weite Verbreitung. Da nun gerade diese Thiere es 
sind, welche uns die wichtigsten Nahrungsmittel liefern, als 
Milch für das heranwachsende Geschlecht, die Kinder, besonders 
aber Butter, Käse und Fleisch, so ist viel über die Frage der 
Identität discutirt. Ob die Rindertubercnlose mit der Tuber¬ 
culose bei den Menschen identisch ist, darüber sind seit Jahren 
die Meinungen soweit geklärt gewesen, dass man die Identität 
als feststehend betrachtete. Im Jahre 1901 hat R. Koch in 
London seine in Verbindung mit Schütz an 19 Rindern an- 
gestellten Versuche über diese Frage mitgetheilt und dadurch 
das grösste Aufsehen erregt. Trotz der verschiedensten 
Versuchsanordnung war bei den mit Menschentuberculose in- 
ficirten Rindern nur unbedeutende Reizerscheinung an der Impf¬ 
stelle beobachtet. Dagegen hatten solche Versuchsrinder, welche 
mit Rindertubercnlose inficirt waren, nach */ 2 bis 3 Monaten 
schwere Krankheitserscheinnngen gezeigt. Aehnliche Versuche 
an Schweinen waren zwar nicht völlig negativ ausgefallen; bei 
einzelnen Thieren waren kleine Knötchen in den Lymphdrüsen 
des Halses und in einem Falle wenige, graue Knoten in den 
Lungen beobachtet. 

Zur Zeit werden umfassende Versuche im Gesundheitsamt 
über diese Frage angestellt. Für die Praxis interessirt es 
natürlich ungemein mehr, ob die Rindertubercnlose auf den 
Menschen, als ob die Menschentuberculose auf das Rind über¬ 
tragbar ist. Die Möglichkeit, menschliche Tuberculose auf den 
Affen zu übertragen, kann als ein ausschlaggebendes Argument 
nicht angesehen werden, wie auch die von Smith, de Jong, 
Möller herausgefundenen Abweichungen im Wachsthum des 
Tuberkelpilzes nicht als allgemein anerkannt gelten können. 
Statistische Erhebungen über Wechselbeziehungen zwischen 
dem Vorkommen der Menschen- und Rindertubercnlose haben 
weder in Bayern noch in Hessen zu einem Resultat geführt. 
Als Beweis der Identität werden stets Fälle in’s Treffen 
geführt, in denen Thierärzte und Fleischer sich mit tnber- 
culösem Material inficirten. Die Anhänger der Identität sehen 
in der geringgradigen Localveränderung (Leichentuberkel) den 
Beweis für die Gleichartigkeit des Giftes, während die Gegner 
anführen, dass die Rindertuberkelbacillen, als die virulenteren, 
weit heftigere Erscheinungen hervorrufen müssten. Ein be¬ 
sonders beachtenswerter Umstand ist noch folgender: die 
Bacillen der Rindertubercnlose werden mit der Butter, dem 
Käse und dem Fleische aufgenommen; bei Kindern mit aus¬ 
schliesslicher Milchnahrung müssten daher in erster Linie die 
tuberculösen Darmerkrankungen Vorkommen, dies ist jedoch, 
mit Ausnahme einer Beobachtung von Heller in Kiel (37,73 pCt.) 
nicht der Fall. Bereits Ostertag hat bei seinen Fütterungs¬ 
versuchen an Schweinen dargethan, dass der mit dem Futter 
eingebrachte Ansteckungsstoff auch durch die Mandeln seinen 
Weg in den Körper nehmen kann; auch mit dieser Möglichkeit 
haben wir bei der Tuberculose zu rechnen. 

Professor Baumgarten theilte mit, dass in Königsberg 
vor etwa 20 Jahren mehrere völlig unheilbare Krebskranke mit 
Rindertuberkelbacillen deshalb geimpft wurden, weil nach 
Rokitansky Krebs und Tuberculose sich gegenseitig ans- 
schliessen sollten. Bei keinem dieser Unglücklichen hat die 
Section Tuberculose (bei Lebzeiten beobachtete man kleine, 
bald verschwindende Geschwüre) festgestellt. Diesen Versuchen 
hat man entgegen gehalten, dass Krebskranke ein ungeeignetes 


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22. Januar 1903. 


BERLINER THIERÄRZTLICITE WOCHENSCHRIFT. 


5f» 


Material sind und dass die snbcatane Injection nicht maass¬ 
gebend sei. 

Unser heutiger Standpunkt ist also folgender: Weder die 
Gleichheit, noch die Verschiedenheit, noch die Uebertragbarkeit 
der Rinder- und Menschentuberculose ist bisher bewiesen oder 
widerlegt. Dr. J e s s. 

Nachweis des Pferdefleisches durch ein speciflsches 

Serum. 

Dr. H. Gröning-Hamburg veröffentlicht in der „Zeitschrift 
für Fleisch- und Milchhygiene“ XIII, 1, das Ergebniss einer 
Reihe von Arbeiten, welche von ihm unternommen worden sind, 
um das Uhlenhut-Wassermann’sche Verfahren des Blut¬ 
nachweises durch specifi8che Sera naclizuprüfen, beziehentlich 
für die Zwecke der Fleischnahrimgsmittelcontrole auszubauen. 

Nach hinreichender Uebung gelingt es unzweideutig und 
zutreffend, nicht statthafte Beimengungen von Pferdefleisch in 
nicht gekochten und nicht erhitzten Fleischzubereitungen durch 
ein Reagens nachzuweisen, welches durch Behandlung von 
Kaninchen mit Pferdefleischsaft gewonnen wird. 

Der Pferdefleischsaft, welcher zweckmässig dadurch ge¬ 
wonnen wird, dass man Pferdefleisch in Kühlräumen zum Ge¬ 
frieren bringt und dann das gefrorene Fleisch aufthauen 
lässt, wird durch Filter gereinigt und Kaninchen subcutan 
injicirt. Die Einspritzung von 5 bis 10 cm 3 wird alle acht 
Tage wiederholt. Nach acht- bis neunwöchiger Behandlung 
liefern die Thiere ein reactionsfähiges Serum. Das Serum 
wird steril gewonnen und hält sich fünf bis sechs Tage. Im 
lebenden Kaninchen bleibt das Serum vier bis sechs Wochen 
wirkungsfähig. Es empfiehlt sich, vorbehandelte Kaninchen für 
den Nachweis des Pferdefleisches durch Serum vorräthig zu 
halten. Um in ihnen das Serum wirkungsvoll zu erhalten, müssen 
sie alle vier Wochen nachbehandelt werden. 

Znm Nachweis des Pferdefleisches wird von dem ver¬ 
dächtigen Fleisch eine kleine Menge fein zerhackt, in ein 
Reagensglas gebracht, mit physiologischer Kochsalzlösung 
bedeckt und durchgeschüttelt. Je trockener die Fleischprobe, 
desto länger, bis zu 24 Stunden muss sie der Einwirkung der 
Kochsalzlösung unterliegen. Die abgegossene Flüssigkeit wird 
durch vierfache Filtei* bis znr vollständigen Klarheit filtrirt 
und zu 5 cm 3 des Filterats mittelst der Pipette 1 cm 3 Special¬ 
serum hinzugefügt. Ohne zu schütteln, tritt, wenn es sich um 
Pferdefleisch handelt, sofort oder spätestens binnen einer Minute 
eine Trübung ein, welche sich zu einem fein- oder grobflockigen 
Niedersatz verdichtet. Die Reactionsfähigkeit des Serums muss 
in jedem Falle vorher geprüft werden. 

Wochenübersicht über die medicinische Litteratur. 

Von Dr. Jets-Charlottenburg, 

Kreiatbiermnt. 

Zeitschrift für Hygiene und Infeciionskrankheite». 42. Bd., Heft 1. 

13. Januar 1903. 

Schwarzwa88erfleber; von Dr. Panse-Tanga. Wird auf das 
Original verwiesen. 

Beiträge zur Actinomycoseforschung von Dr. Victor Mertens. 
M. hat von einem actinomycotischen Halsabscess eines Knechtes 
Material gewonnen und giebt nach einer kritischen Sichtung der 
vorliegenden Litteratur eine ausführliche Darstellung deB Ver¬ 
haltens des Pilzes auf den verschiedenen Nährmedien. Bezüglich 
der Keulenbildung giebt M. an, dass sie zu Stande kommt durch 


degenerative Vorgänge innerhalb des lebenden Pilzfadens, und 
zwar können diese degenerativen Processe entweder sofort den 
ganzen Faden oder nur einzelne Theile desselben ergreifen. 

Tuberkelbacillenzüchtung aus Bacteriengemischen und Formal- 
dehyddeslnfection von Dr. Spengler. Verf. kommt zu folgendem 
Resultat: Die Formaldehyddesinfection Flügge’s ist kein zu¬ 
verlässiges Verfahren zur Desinfection von Phthisikerräumen. 

Tagesgeschichte. 

Wie sollen sich die Thierärzte zur Einführung der allgemeinen 
obligatorischen Fleischschau stellen? 

Die allgemeine Fleischschau ist eine hygienisch nothwendige 
Maassregel. Als solche ist sie von allen Thierärzten freudig 
begrüsst worden.*) Die Erwartung eines mehr oder weniger 
grossen Nutzens für den thierärztlichen Beruf ist nicht der 
Anlass dieser einmütigen Befürwortung der allgemeinen Fleisch¬ 
schau von thierärztlicher Seite gewesen. Mag sein, dass viele 
Thierärzte hierüber eine optimistische Meinung hatten und 
haben; ein grosser Theil ist jedenfalls von vornherein anderer 
Ansicht gewesen. 

Ich bekenne, dass ich mehr auf der letzteren Seite stehe. 
Ich halte es mindestens für ganz ungewiss, ob die allgemeine 
Fleischschau den Thierärzten nützen wird, und glaube das 
keinenfalls, wenn nicht von vornherein hierbei die thierärztlichen 
Interessen richtig und sehr entschieden wahrgenommen werden. 

Ein Vortheil für die Thierärzte ist unbedingt anzuerkennen, 
das ist die endgültige Eroberung dieses wichtigen und weiten 
Gebietes für ihren Wirkungskreis gegenüber ärztlichen Aspi¬ 
rationen. Das Wohlwollen und die Energie, mit welcher dabei 
namentlich durch das preussische landwirtschaftliche Ministerium 
die tierärztliche Interessen wahrgenommen worden sind, kann 
nicht genug anerkannt werden. Noch vor einem Jahrzehnt wäre 
da manches ganz anders gekommen und über diesen sehr deut¬ 
lichen Fortschritt kann man nur ungeteilte Freude empfinden. 

Sachlich kam ja aber die Coucurrenz der Aerzte mehr für 
die Schlachthöfe, die Ausbildung und Beaufsichtigung des Per¬ 
sonals in Betracht. Das Neue, was uns bevorsteht, ist aber 
die Einführung der obligatorischen Fleischschau ausserhalb von 
Schlachthöfen in kleinen Orten und Dörfern. Nur die Wirkung 
dieser Maassregel für die Thierärzte gilt es zu prüfen und mög¬ 
lichst günstig zu gestalten. 

Die städtischen Schlachtoftierärzte sind hieran eigentlich 
nur mit der Ausbildung der Laienfleischbeschauer beteiligt. 
Im Uebrigen kommt aber allein oder doch in erster Linie der 
auf dem Lande (incl. Landstädtchen) practicirende Thierarzt in 
Frage. 

Die Einführung des Abiturientenexamens verlangt gebieterisch, 
dass die Stellung des Privatthierarztes, mit der doch die Meisten 
zufrieden sein müssen, gehoben werde. Wer das nicht ein¬ 
sieht, ist blind für tierärztliche Gesammtinteressen, mag er 
sonst noch so scharfe Augen für den eigenen Vorteil haben. 
Das ist ein durchaus gemeinsames, dringendes Interesse und 
von diesem Gesichtspunkt aus müssen wir alle, namentlich 
Departements- und auch Kreisthierärzte, die Einführung 

*) D. h. in derjenigen Abgrenzung, in der sie jetzt zur Ein¬ 
führung gelangt. Ucber die Einbeziehung der Haussehlachtungen 
sind die Meinungen geteilt. Jedenfalls war es, von allem anderen 
abgesehen, sehr weise, dieselben zunächst herauszulassen, denn 
sonst hätten sich die schon jetzt sehr grossen Schwierigkeiten der 
Einführung ins Ungemessene vermehrt. 


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56 

der Landfleischbeschau einer sehr ernsthaften Betrachtung unter¬ 
ziehen. 

Unzweifelhaft enthält die allgemeine Fleischschau für den 
in der Landpraxis lebenden Thierarzt, sei er nun Beamter oder 
nicht, sehr ernste Gefahren. Von der Beschimpfung, mit welcher 
gleich der Anfang gemacht wurde, dass dieselben die Fleisch¬ 
schau nicht richtig ausüben könnten und würden, will ich ab- 
sehen, obwohl sie einen characteristischen Ausblick gewährt. 
Indessen der schlechte und aufregende Eindruck, den diese An¬ 
gelegenheit gemacht hat, ist durch die entschiedene Missbilligung, 
welche sie im Vorgesetzten Ministerium erfahren hat, ausgeglichen. 
Mahnungen und Warnungen können sehr wohl nöthig werden, 
aber man wird sie hoffentlich anders in die Oeffentlichkeit 
bringen und sich statt der aggressiven der belehrenden Form 
bedienen. 

Das dauernd Bedenkliche ist aber jedenfalls das Neben¬ 
einanderarbeiten von Thierärzten und Laienfleischbeschauem, 
wenn auch die Rechte der Letzteren eingeschränkt sind. Es 
ist ja ganz unbestreitbar, dass sich daB nicht vermeiden liess, 
aber ebenso unbestreitbar, dass das für das Ansehen der Thier¬ 
ärzte sicher kein Gewinn ist und leicht eine Schädigung 
werden kann. Desshalb ist die mässige Ausbildung der Fleisch¬ 
beschauer ein Vortheil. Würden diese Leute Monate lang auf 
Schlachthöfen erzogen, so würde mit ihnen später gar nicht 
auszukommen sein. Zum Pfuschen werden die Laienfleisch- 
beschauer so wie so neigen, müssen sie doch das lebende Thier 
anf Krankheitszeichen untersuchen. Man hüte sich daher auch, 
in den zu erwartenden Lehrbüchern ihnen mehr, als das un¬ 
bedingt nothwendige, zu bieten. 

Bei dieser Mitarbeiterschaft hat m. A. n. der practische 
Thierarzt, der sich eine ausreichende eigentliche ärztliche Praxis 
erworben hat oder sich das zntraut, gar keinen Anlass, sich 
um jeden Preis zur Ausübung der Fleischschau zu drängen. 
Er kann sich das neunmal überlegen und würde, im Besitz einer 
guten Praxis, überhaupt besser ohne weiteres darauf ver¬ 
zichten, wenn nicht eine Gefahr bestände, die die schlimmste 
von allen ist. Jedes Nest, am liebsten jedes grössere Dorf, | 
wird nach einem Thierarzt zur Ausübung der Fleischschau 1 
schreien. Wo sich ein solcher niederlässt, da muss er natürlich 
zu practiciren anfangen. So wird, fürchte ich, manche Praxis, 
die jetzt ihren Mann vollkommen nährt, zerstört werden und 
mancher College wird Fleischschau bloss desshalb annehmen, 
um sich einen Concurrenten in seiner ärztlichen Praxis fern zu 
halten. Gott sei Dank, dass das Abiturientenexamen zugleich 
mit der Fleischschau eingeführt wird und für ein Jahrzehnt den 
gegenwärtigen übermässigen Zudrang zur Thiermedicin auf 
normales Maass reduciren wird; sonst wäre uns die Proletarisirung 
sicher. 

Es muss mit aller Schärfe von vornherein das Wort zurück¬ 
gewiesen werden, das sicher in allen Tonarten erklingen wird: 
„wir brauchen Thierärzte für die Fleischschau viel, viel mehr“. 
Jeder, der dieses Schlagwort hört, schlage es mit einem Bündel 
von Gründen zu Boden. Nein, wir brauchen keine Thierärzte 
für die Fleischschau (ausserhalb der Schlachthöfe). Für diese 
Fleischschau sind gesetzlich Laien zuständig, also ist gesetzlich 
festgelegt, dass wir keine Thierärzte dafür brauchen. Wir 
können auch keine Thierärzte dafür haben, denn die Erträgnisse 
sind so minimal, dass sie in vielen Gegenden kaum einen 
Laienfleischbeschauer anlocken, geschweige denn einen studirten. 


No. 4. 

Die Fleischschau kann also nur ausnahmsweise eine thierärztliche 
Niederlassung begründen. 

Im Uebrigen richten sich die thierärztlichen Niederlassungen 
i lediglich nach der Möglichkeit einer genügend ausgedehnten und 
ertragreichen ärztlichen Praxis, und diese Möglichkeit ist in den 
meisten Gegenden schon zu sehr beschränkt. Nur im Osten, 
wo Thierärzte noch dünn sind, kann vielleicht eine noch er¬ 
wünschte Vermehrung von Thierärzten durch Nebeneinnahmenr 
aus der Fleischschau gefördert werden; freilich auch nur nute 
günstigen Umständen, wenn es sich nicht um weit verstreute 
Dörfer handelt. 

Irgend einen Werth muss nun aber eine Sache haben 
j wenn man sich für sie interessiren soll, einen idealen oder einen 
I realen. Da nun die allgemeine Fleischschau einen idealen Werth 
für den thierärztlichen Stand durchaus nicht hat, sondern im 
j Gegentlieil Bedenken und Gefahren mit sich bringt, so muss 
f wenigstens die reale Seite den Thierärzten etwas bieten. 

Ich kann mich daher der Ansicht durchaus nicht an- 
i schliessen, dass die Thierärzte sich damit abfinden sollten, 
wenn zunächst die pecuniären Erfolge der Fleischschau zu 
wünschen übrig Hessen. Ich bin vielmehr der Meinung, dass 
die Thierärzte alles aufbieten müssen, um von vornherein das 
richtige Maass zu erlangen, dass sie hier sich lediglich auf den 
Standpunkt des berechtigten Verdienens stellen, dass hier zu 
Opfern nnd Verzichten „im Dienste der Sache“ nicht der geringste 
Anlass vorliegt und dass in dieser Frage die Thierärzte aller 
Stellungen, die Departementsthierärzte voran, sich, jeder in 
seinem Interesse, nur von einem festen Corpsgeist leiten lassen 
dürfen. 

Von späteren Erhöhungen ist gar keine Rede. Jetzt 
müssen angemessene Sätze festgelegt werden. Sehen Sie sich 
die Aerzte an; die sind wahrhaftig nicht schüchtern gewesen in 
ihrer Taxe. Hier heisst es fordern. 

Es ist auch gar kein Grund zu übertriebener Aengstlich- 
keit hinsichtlich der Gebühren. In der Stadt wird das Fleisch 
sehr erheblich vertheuert durch die Fleischschau. Warum soll 
es denn nun im platten Lande nicht eine Kleinigkeit theurer 
werden. In der Stadt kommen alle möglichen Gebühren dazu, 
auf dem Lande ist die Beschaugebühr die einzige. Deswegen 
braucht sie sich nicht nach der städtischen Gebühr zu richten, 
sondern kann ruhig höher sein. Sie muss das mit vollem Rechte, 
weil die Leistung auf dem Laude durch Weg und Zeitverlust eine 
grössere ist. 

Warum soll denn für ein Rind von 300 Pfund Schlacht¬ 
gewicht nicht eine Gebühr von 6 M. gezahlt werden? Das ist 
doch nicht zuviel für zweimalige Beschau mit stundenlangem 
Aufenthalt. Und auf das Pfund kommen 2 Pfennige. Der 
Schlächter schlägt doch um 5 Pfennige pro Pfund auf, ob man 
ihm nun 2 Pfennige oder bloss 1 Pfennig abnimmt. 

Ich würde es auch für discutabel halten, Thierärzten höhere 
Gebühren zu bewilligen, als den Laienfleischbeschauern; es wäre 
nur billig, die bessere Qualität der Fleischschau dadurch zum 
Ausdruck zu bringen. Wenn man dann keine Thierärzte aH- 
stellt, nun dann nicht, dann bleiben eben die Thierärzte die 
Superrevisoren. 

Unbedingt erforderlich ist aber eins, und es ist eine Pflicht, 
dies durchzusetzen: Es ist ganz ausgeschlossen, das der Thier¬ 
arzt (und auch der Laienfleischbeschauer) von dem Schlächter 
nach dessen Belieben citirt wird. Es müssen Schlachttage 


BERLINER TI1IERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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22. Januar 1903. 

und Schlachtstunden festgesetzt werden. Ist der Schlächter 
unpünktlich oder will er die Fleischbeschau ausser der Zeit 
haben, so mag er doppelte Gebühren zahlen. Hier ist die grösste 
Rücksichtslosigkeit zum Schutze der Fleischbeschauer nöthig. 
Der Schlächter kann sich schadlos halten, den Fleischbeschauer 
entschädigt niemand für Zeitverluste. 

Ich halte es für ganz ausgeschlossen, dass ein Thierarzt 
in einem Landbezirk Fleischschau ausüben könnte, wenn nicht 
(sei es von der Regierung oder vom Landrath) Schlachttage je 
nach der Oertlichkeit etc. vorgeschrieben sind. Denn sonst 
kann er bei der Fleischschau verhungern und zur ärztlichen 
Praxis bleibt ihm keine Zeit; wehe, wenn er einmal auf Praxis 
wäre und wäre dann nicht für den Schlächter gleich zu haben; 
die Scherereien braucht man nicht auszumalen. 

Ferner wird es doch nothwendig sein, Wegegebühren zuzu¬ 
lassen. Der Fleischbeschauer kann doch nicht im Nachbarort 
für denselben Preis die Fleischschau ausüben, wie im Wohnort. 
Wenn ein Ort keinen eigenen Fleischbeschauer halten kann, so 
ist das 8ein Pech. 

Vor allem aber wird es nothwendig sein, ein wenig Acht 
darauf zu haben, wie die Gemeindeverwaltungen sich die 
Fleischschau einrichten. Es sieht ganz so aus, als ob da ein 
wenig gewuchert werden sollte. Man liest jetzt schon so viele 
Ankündigungen: „Thierarzt gesucht, für 1200—1500 M. Fleisch¬ 
schau (natürlich „lohnende Praxis in Aussicht“), Gebühren 
fliessen in die Gemeindekasse“. Sollte das nicht überhaupt lieber 
verboten werden? Die Gemeinde, die kein Schlachthaus er¬ 
richtet, braucht die Fleischschau nicht zur Einnahmequelle zu 
machen. Die Fleischschau soll nicht mehr kosten als was dem 
Beschauer gebührt, und das soll diesem in die Hand gegeben 
werden. Vor Pauschquanten kann nicht genug gewarnt werden. 
Es ist mir ein Fall mitgetheilt worden, wo eine Gemeinde nach 
ihrer Einwohnerzahl das Mehrfache aus den Schaugebühren 
einnehmen müsste, als sie dem Thierarzt als Pauschquantum 
bot. Ob dies richtig ist und zulässig wäre, weiss ich nicht. 

Endlich kann ich mich nur vollständig dem anschliessen, 
was schon Eühnau und Becker bezüglich des Honorars für 
den Ausbildungs-Unterricht gesagt haben. 50 Mark sind als 
Gebühr unbedingt festzuhalten. Man findet für die Bemessung 
auf 20 Mark gar keinen Vergleich, der nicht verletzend wäre. 
Es ist einfach unmöglich. Solchen Zumuthungen gegenüber ist 
festestes Zusammenhalten das einzige Mittel. In der heutigen 
Zeit kann selbst ein „Gelehrtenstand“ eine gewisse Genossen- 
schaftlichkeit nicht entbehren. Schmaltz. 

Statut des Deutschen Yeterinärraths. 

§ 1. Der Deutsche Veterinärrath besteht aus den gewählten 
Vertretern der deutschen thierärztlichen Vereine und hat den 
Zweck, das gesammte Veterinärwesen zu heben und zu fördern. 

§ 2. Jeder thierärztliche Verein des Deutschen Reiches 
hat das Recht, nach der Zahl seiner wirklichen Mitglieder einen 

*) Die Statuten des Veterinärrathes sind den Separatberichten 
über die letzten Tagungen jedesmal beigedruckt worden; auch der 
diesmalige Bericht, welcher jetzt zur Versendung gelangt, enthält 
dieselben. Sie erregen jedoch an diesem Platze kaum die Auf¬ 
merksamkeit aller Leser und es scheint nützlich, sie einmal wieder 
der allgemeinen Beachtung zu unterbreiten, umsomehr, als sie dies¬ 
mal materiell und dementsprechend formell erheblich verändert 
worden sind. S. 


67 

oder mehrere Vertreter zum Deutschen Veterinärrath zu ent¬ 
senden. 

Die Zahl der Delegirten wird so normirt, dass für jede 
angefangene Fünfzig der Mitgliederzahl eines Vereins ein Ver¬ 
treter gewählt werden kann. 

Wenn zwei oder mehrere Vereine nach getroffener Ver¬ 
ständigung einen gemeinschaftlichen Delegirten absenden, so 
kann derselbe im Veterinärrath doch nur eine Stimme abgeben. 

Die Delegirten haben sich durch Mandat ihres Vereins zu 
legitimiren. 

Die Wahlperiode der Vereinsdelegirten zum Deutschen 
Veterinärrath ist eine sechsjährige. 

§ 3. Die von den Reichsbehörden und den deutschen 
Bundesregierungen zu den Plenarversammlungen des Deutschen 
Veterinärraths entsandten Vertreter haben, bei den Berathungen 
(excl. Ausschusswahl und Statutenänderung) dieselben Rechte, 
wie die Delegirten des Veterinärraths. 

§ 4. Der Deutsche Veterinärrath wählt aus der Mitte der 
Vereinsdelegirten einen ständigen Ausschuss, bestehend aus 
einem Präsidenten, einem Stellvertreter desselben und vier 
anderen Mitgliedern, durch Stimmzettel. 

Die Vertheilung der dem Ausschuss obliegenden Geschäfte 
steht dem Präsidenten zu. 

Zur Giltigkeit der Wahl der Ausschussmitglieder ist die ab¬ 
solute Stimmenmehrheit der anwesenden Delegirten erforderlich. 
Wird dieselbe bei dem ersten Scrutinium nicht erreicht, so muss 
zu engeren Wahlen geschritten werden, bei denen diejenigen, 
welche die geringste Stimmenzahl erhalten haben, aus der Zahl 
der Wählbaren ausscheiden. 

Bei Stimmengleichheit entscheidet das Loos. 

Die Wahlperiode ist sechsjährig und beginnt mit dem Tage 
der Wahl. Die Neuwahl wird von der ersten nach Ablauf einer 
Wahlperiode tagenden Plenarversammlung vorgenommen. 

Der jedesmalige Ausschuss bleibt so lange in Function, bis 
die neuen Wahlen stattgefunden haben. Er hat das Recht, 
sich bis zu der statutenmässigen Mitgliederzahl zu ergänzen, 
wenn in der Zwischenzeit zwischen zwei Versammlungen eines 
oder mehrere Mitglieder ausscheiden. Die definitiven Ergänzungs¬ 
wahlen bleiben aber der nächsten Plenarversammlung Vorbehalten. 

§ 5. Der Vorsitzende eines dem Veterinärrath (nach § 2) 
angehörigen deutschen Specialistenvereins tritt als solcher dem 
vom Veterinärrath gewählten Ausschuss als Mitglied bei. 

Die Prüfung, ob ein Verein als deutscher Specialistenverein 
anzusehen ist, liegt dein Ausschuss ob. 

§ 6. Der Deutsche Veterinärrath wird von dem Präsi¬ 
denten zusammenberufen, so oft es derselbe für nothwendig er¬ 
achtet und sofern demselben mindestens zwei Ausschussmitglieder 
beistimmen. 

Ausserdem muss die Einberufung erfolgen, wenn ein Drittel 
der Vereinsdelegirten, welche mindestens drei verschiedenen 
deutschen Staaten angehören, beim Präsidenten darauf anträgt. 

Der Ort, in welchem der deutsche Veterinärrath zu seinen 
Berathungen Zusammentritt, wird von dem ständigen Ausschuss 
bestimmt. 

§ 7. Der ständige Ausschuss setzt für jede Sitzung die 
während derselben zur Berathung zu bringenden Gegenstände 
durch eine besondere Tagesordnung fest. 

Jeder Delegirte hat das Recht, Gegenstände zu bezeichnen, 
welche er auf die Tagesordnung gebracht zu sehen wünscht. 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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BERLINER TIIIERÄRZTLK’llE WOCHENSCHRIFT. 


No. 4. 


r»8 


Der Ausschuss ist aber nur dann verpflichtet, diesem Verlangen 
zu entsprechen, wenn mit der Bezeichnung des Gegenstandes 
ein bestimmt formulirter Antrag verbunden, der Antrag von 
mindestens drei Delegirten unterzeieiinet und wenigstens sechs 
Wochen vor dem Zusammentreten des Deutschen Yeteriniirraths 
in die Hände des Präsidenten gelangt ist. 

Gegenstände, welche auf die Tagesordnung gebracht sind, 
dürfen nur dann von derselben wieder abgesetzt werden, wenn 
für den darauf gerichteten Antrag zwei Drittel der anwesenden 
Delegirten stimmen. 

Selbstständige Anträge, welche nicht auf die Tagesordnung 
gesetzt sind, aber von mindestens einem Viertel der anwesenden 
Mitglieder unterstützt werden, müssen nachträglich in die Tages¬ 
ordnung aufgenommen werden. 

§ 8. Der ständige Ausschuss hat die Befugniss, auch 
Nichtmitglieder des Veterinärrathes zu den Sitzungen einzu¬ 
laden; doch steht denselben, wenn auf sie nicht die Bestimmung 
des § 3 zutrifft, ein Stimmrecht nicht zu. 

§ 9. Der Präsident hat die Mitglieder des Deutschen 
Veterinärrathes, sofern mit Genehmigung des ständigen Aus¬ 
schusses nicht ein schleunigeres Zusammentreten nothwendig ist, 
vier Wochen vor jeder Versammlung zu derselben unter Bei¬ 
fügung der Tagesordnung einzuladen 

Für jeden Berathungsgegenstand hat der Präsident einen 
Referenten, event. auch einen Correferenten rechtzeitig zu er¬ 
nennen. 

§ 10. Für die Verhandlungen der Plenarversammlung er¬ 
nennt der Präsident zwei Delegirte zu Schriftführern. 

Bei den Abstimmungen giebt die einfache Majorität der 
anwesenden Delegirten den Ausschlag, soweit nicht andere Vor¬ 
schriften des Statuts entgegenstehen. 

Wenn sich Stimmengleichheit ergiebt, so entscheidet die 
Stimme des Präsidenten. 

§ 11. Der Präsident ist verpflichtet, sich mit dem Aus¬ 
schüsse ins Einvernehmen zu setzen, wenn eine vorherige Be- 
rathung über die in der Delegirtenversammlung zu besprechenden 
Gegenstände oder die Mitwirkung des Ausschusses zur Aus¬ 
führung gefasster Beschlüsse oder ein eigenes Vorgehen desselben 
(§ 12) nothwendig wird. 

Die Beschlussfassung des Ausschusses erfolgt durch ein¬ 
fache Majorität. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme 
des Präsidenten. 

Die abzugebenden Gutachten oder die an Reichsbehörden 
oder au den Reichstag zu richtenden Anträge werden von den 
Referenten entworfen, dem Präsidenten überreicht, von dem ge- 
sammten Ausschüsse festgestellt und unterzeichnet. 

§ 12. In allen den Fällen, die eine ungesäumte und rasche 
Erledigung zur Wahrung der vom Deutschen Veterinärrath ver¬ 
tretenen Interessen sehr dringlich und unaufschiebbar machen 
und bei denen eine Einberufung einer Plenarversammlung un¬ 
möglich ist, ist der ständige Ausschuss befugt, selbständige 
Vorstellungen und Anträge an die geeigneten Stellen abgehen 
zu lassen. Für diese Zwecke besitzt er zugleich das Recht der 
Oooptation aus dem Kreise der Delegirten und anderer Fach¬ 
genossen. In der nächsten Plenarversammlung ist darüber 
Bericht zn erstatten. 

§ 13. Alle durch die statntenmässigen Geschäfte des 
Deutschen Veterinärrathes und seines ständigen Ausschusses 
entstehenden baaren Ausgaben — mit Ausschluss der Diäten 


und Reisekosten für die Delegirten zur Plenarversammlung 
werden auf die dem D. Y.-R. ungehörigen thierärztlii hen Vereine 
! des Deutschen Reiches nach Maassgabe ihrer Mitgliederzahl 
vertheilt. 

Die Beiträge der einzelnen Vereine sind auf Antrag des 
Präsidenten durch den Ausschuss festzustellen und einzuziehen. 

Der Präsident legt dem Deutschen Yeterinärrathe die 
Rechnung für die seit der letzten Sitzung erwachsenen Auslagen 
zur Prüfung und Genehmigung beziehungsweise Entlastung vor. 

Etat des Veterinärwesens. 

Wie zu erwarten war, enthält der Etat der landwirth- 
schaftlichen Verwaltung für das Veterinärwesen keine grösseren 
Neuheiten. Es sind nur eine Veränderung im Ordinarium und 
eine Bewilligung im Extraordinarium zu erwähnen. Von den 
bisherigen neun noch nicht vollbesoldeten Departementsthierarzt¬ 
stellen werden drei in vollbesoldete umgewandelt und die 
Veterinärphysikusstelle für Schleswig wird unter Verlegung des 
Amtssitzes nach Schleswig ebenfalls in eine vollbesoldete 
Departementsthierarztstelle umgewandelt, so dass künftig 
28 Departementsthierärzte in gleichartigen vollbesoldeten Stellen 
und 6 in Stellen mit je 900 M. und Stellenzulagen sich befinden. 
Zwei Kreisthierarztstellen werden neu begründet (495 Stellen, 
davon 30 von Departementsthierärzten mit verwaltet). Die 
Kreis- und Grenzthierärzte in polnisch-gemischten Gegenden 
sollen bis zur anderweitigen Gehaltsregulirung 300 M. Zulage 
erhalten. Im Extraordinarium sind 92 000 M. für Umbau der 
Klinik für kleine Hausthiere bei der thierärztlichen Hochschule 
zu Hannover ausgeworfeu. 

Personalbestand der Militärrossärzte. 

Nach dem Etat des Reichsheeres excl. Bayern ergiebt sich 
folgender Personalbestand: In Preussen und den in preussische 
Verwaltung übernommenen Contingenten 17 Corpsrossärzte hei 
den Generalcommandos und 1 bei der Lehrschmiede in Berlin; 
182 Oberrossärzte und zwar 146 bei den Truppen, 5 an der 
Militärrossarztschule, 4 an der Lehrschmiede, 27 bei den Re- 
montedepots; 207 Rossärzte, wovon 6 bei Lehrschmieden; 153 
Unterrossärzte. — In Sachsen 2 Corpsrossärzte, 14 Oberross¬ 
ärzte bei den Regimentern und 3 in Remontedepots, 20 Ross¬ 
ärzte, wovon 2 an der Lehrschmiede in Dresden; und 16 Unter¬ 
rossärzte. — In Württemberg 1 Corpsrossarzt, 8 Oberrossärzte 
bei den Regimentern und 1 im Remontedepot, 10 Rossärzte und 
8 Unterrossärzte. 

Die Gesammtzahl beträgt 21 Corpsrossärzte, 208 Oberross¬ 
ärzte, 237 Rossärzte und 177 Unterrossärzte; zusammen 643. 

Im Etat befindet sich das Veterinärwesen an verschiedenen 
Stellen, nämlich Militärrossarzt-Schule und Lehrschmiede unter 
den Unterrichtsanstalten, Remontedepots unter Pferdebeschaffungs- 
Etat und das Veterinärpersonal im Uebrigen unter Geld¬ 
verpflegung bei den Truppen. 

Die Gehälter betragen bekanntlich 3300—4200 M. für Corps¬ 
rossärzte, 2400—3300 M. für Oberrossärzte, 1800—2200 M. für 
Rossärzte und 1206 M. für Unterrossärzte. 

Neue Organisation des französischen Veterinär-Offlciercorps. 

Durch Gesetz vom 13. December 1902 ist die Organisation 
des französischen Militärveterinärcorps durch Schaffung eines 
Ressortchefs mit Oberstenrang, Vermehrung der Oberstleutnant- 
und der Rittmeisterstellen auf Kosten der Leutnantsstellen ver- 


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22. Januar 1903. BERLINER T1I1ERARZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 59 


ändert worden. Die Organisation begreift z. Z. 467 Veterinäre, 
und zwar: 

1 vütdrinaire principal de 1. classe (Oberst), 

14 vötürinaires principaux de 2. classe (Oberstleutnant, bis¬ 
her 11), 

42 v4tdrinaires majors (Major), 

184 vötürinaires en preuirer (Rittmeister, bisher 164), 

226 vötörinaires en second und aides vötörinaires (Oberleutnant 
und Leutnant, bisher 250). 

In den Verhandlungen hatte der Kriegsminister erklärt, 
dass er bis zur demnächst zu regulirenden allgemeinen Ab¬ 
änderung der Armeecadres davon Abstand nehme, schon jetzt 1 
Für den Chef des Veterinärwesens den Rang als Brigadegenerals 
und für jedes Armeecorps einen Vütörinaire principal mit dem 
Rang als Oberst resp. Oberstleutnant zu fordern. 

Einstimmig bedauern die französischen Fachblätter, dass 
der den Theilnehmern des internationalen Congresses in Baden- 
Baden wohl bekannte und für das französische Militärveterinär- 
wesen hochverdiente V^törinaire principal Aureggis, der für 
den neuen Oberstenrang vorgesehen war, durch die Altersgrenze j 
(58 Jahre für Oberstleutnant) gezwungen wurde, sich einige I 
Tage vor der Annahme des Gesetzes pensioniren zu lassen. 

Zfindel. 

Jahresversammlung der beamteten Thierärzte des Regierungsbezirkes 

Bromberg. 

Auf Veranlassung und unter dem Vorsitze des Herrn j 
Departementsthierarztes Peters fand am 4. Januar d. J. im 
Hotel Moritz zu Bromberg die Jahresversammlung der beamteten 
Thierärzte des Regierungsbezirkes Bromberg statt. Zu derselben 
hatten sich sämmtliche Herren des Bezirkes Kreisthierärzte 
Müller-Wongrowitz, Kettritz-Mogilno, Wagner-Inowrazlaw, 
Deppe-Schubin, Dlugay-Filehne, Fredrich-Kruschwitz, Joch¬ 
mann-Czarnikan, Hummel-Nakel, Krüger-Witkowo, Dosse- 
Gnesen, Brunnenberg-Znin, Dr. Bartels-Colmar eingefanden. 
Nach einigen einleitenden Bemerkungen des Herrn Departements¬ 
thierarztes Peters über Abfassung der Veterinär- und Begleit¬ 
berichte gelangten folgende Gegenstände zur Verhandlung und 
Berathung, deren genaue Wiedergabe über den Rahmen vor¬ 
liegender Zeilen hinausgehen würde: 

1. Durchführung einer besseren Controle der Pferde- und 
Viehmärkte. 

2. Aufgabe der beamteten Thierärzte bei der Einführung 
und Ausübung des neuen Fleischbeschaugesetzes 

3. Abwehr der Viehseuchen im Inlande durch Verkehrs¬ 
beschränkungen. 

4. Verschiedenes. 

Die Sitzung währte von 10 bis iy 2 Uhr. 

Hieran schloss sich ein Diner mit Damen, welches unter 
reger Betheiligung zahlreicher Militär-, Civil- und Schlachthaus- 
collegen des Bezirkes Bromberg verlief. An Herrn Professor 
Schm alt z wurde ein Begrüssungstelegramm gesandt. Auf 
Anregung des Collegen Schrempf-Nakel fand eine Sammlung 
für den neugegründeten Stipendienfonds für thierärztliche 
Studirende Btatt, welche 80 M. ergab. Auf das Diner folgte ein 
Tänzchen, welches die Theilnehmer bis spät nach Mitternacht 
in fröhlicher Stimmung zusammenhielt. 

Herrn Departementsthierarzt Peters und Frau Gemahlin 
im Namen sämmtlicher Collegen an dieser Stelle nochmals 


un8ern besten Dank für die von allen Seiten mit grossem Beifall 
aufgenommene Veranstaltung! 

Auf Wiedersehen im nächsten Jahre! 

Dr. Bartels. 

Hoohschulfrequenzen. 

Die Zahl der Studenten beträgt in München im laufenden 
Wintersemester 342, worunter 295 Bayern. 

Veterinärinstitut zu Leipzig. 

In Leipzig hat am 17. Januar die Einweihung des neu¬ 
erbauten Veterinärinstituts der Universität in Anwesenheit zahl¬ 
reicher Notabein stattgefunden. Das Institut hat über eine 
halbe Million Mark gekostet und ist sehr zweckmässig und 
schön eingerichtet. Der Director desselben, Professor Dr. Eber, 
dessen Bemühungen es gelungen ist, den Neubau herbeizuführen, 
und der den Plan aufgestellt hat, erntete verdiente Anerkennung. 

Deutsches Schlachtvieh-Versioherungs-Gesetz. 

Nach Zeitungsmeldungen hat die preussische Regierung 
angeregt, der Frage eines Reichs-Schlachtvieh-Versicherungs- 
Gesetzes näher zu treten. 

Zur Fieischbeschaugesetzgebung in Oesterreich. 

Der Verband der Fleischer und Selcher Deutsch-Böhmens 
hat am 19. November dem Ministerpräsidenten von Körber 
eine Petition überreicht, in welcher der Erlass eines allgemeinen 
Schlachtvieh- und Fleischbeschaugesetzes für Oesterreich ge¬ 
fordert wird. Zu diesem Behufe soll ein Veterinärrath unter 
Hinzuziehung von Experten aus den interessirten Kreisen der 
Thierärzte, Fleischer, Viehhändler und Anderer geschaffen werden. 

Der Ministerpräsident anerkannte das Bedürfnis eines 
derartigen Gesetzes und bedauerte die Rückständigkeit der 
österreichischen Gesetzgebung auf wirtschaftlichem Gebiete. 
Die verschiedenartigen wirtschaftlichen Verhältnisse in den 
einzelnen Kronländern haben einheitliche veterinär-polizeiliche 
Anordnungen bisher unmöglich gemacht. 

Verein schlesischer Schlachthofthlerärzte. 

Einladung zu einer ausserordentlichen Versammlung am 1. Fe¬ 
bruar, Vormittags 11 Uhr, im Börsensaale des städtischen Vieh- und 
Schlachthofes zu Breslau. 

Tagesordnung: 1. Berichterstattung über die Vorstandssitzung 
des Vereins preussischer Schlachthofthierärzte am 23. November 1902 
zu Berlin. 2. Die durch Ministerialerlass angeordneten Erhebungen 
über die coramunalen Schlachthöfe. 3. Die Honorarfrage für den 
Unterricht in der Fleischbeschau. 4. Vereinsangelegenheiten. 

Der Vorstand. Hentsc h el-Oels. 

Thierfirztiioher Unterstützungsverein. 

Nach § 7 des Statutes ist der Kassirer verpflichtet, die 
am 1. Februar nicht eingezahlten Beiträge durch offene 
Postnachnahme-Karte einzuziehen. Diejenigen Herren Mit¬ 
glieder, welche diese Art der Einziehung nicht wünschen, 
wollen daher ihren Beitrag vor dem 1. Februar einsenden. 

Bticheranzeigen*) and Kritiken. 

Veröffentlichungen aus den Jahresberichten der beamteten Thierärzte 
Preussens für das Jahr 1901. 

Es ist nunmehr der 2. Jahrgang der von dem Departements- 
Thierarzt Bermbach im Aufträge des Vorsitzenden der Veterinär- 

♦) Von den eingesandten Büchern werden hierunter Titel u. s. w. 
mitgetheilt. Eine Verpflichtung zu eingehender Besprechung wird 
jedoch nicht übernommen; dieselbe bleibt Vorbehalten. 

Die Redaction. 


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BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 4. 


deputation zusammengestellten Auszüge auB den amtlichen Jahres¬ 
berichten der Departements- und Kreisthieriirztc erschienen. In 
dem zunächst herausgegebenen ersten Theil sind wieder die Be¬ 
obachtungen Uber die anzeigepflichtigen Seuchenkr.inkheiten ent¬ 
halten. Ausser statistischen Angaben über die Verbreitung der¬ 
selben, welche vollkommen noch in dem vom Reichsgesundheitsamt 
herausgegebenen Jahresbericht wiedergegeben sind, findet man in 
dem vorliegenden Werke eine grosse Fülle zum Theil sehr werth¬ 
vollen und hochinteressanten Materials, casuistischen sowohl, als 
auch wissenschaftlichen Inhalts, welches für die Seuchenforschung 
von grossem Werth ist und zu eingehendem Studium sehr empfohlen 
werden kann. Bei jeder einzelnen Seuchenkrankheit ist eine Tafel 
■wiedergegeben, welche in grosser Uebersichtlichkeit über die Ver¬ 
breitung der betreuenden Seuche in den einzelnen Regierungs¬ 
bezirken näheren Aufschluss giebt. Bei Rotzkrankheit, Lungen- 
Beuche, Maul- und Klauenseuche und Schweineseuche sind Tafeln 
beigefügt, welche in graphischer Darstellung den Verlauf zeigen, 
den die betreffende Seuchenkrankheit während des Berichtsjahres 
iu Preussen genommen hat. Sie sind nach den halbmonatlich im 
Reicbsanzeiger veröffentlichten Nachweisungen Uber den Stand der 
Thierseuchen im Deutschen Reiche angefertigt worden und geben 
ein sehr übersichtliches Bild dieses Verlaufes. Als Anhang sipd 
beigefügt bei der Tollwutb der Bericht des Instituts für die Infections- 
krankheiten in Berlin über die im Jahre 1901 vorgekommenen Biss- 
verletzungen durch wuthkranke Thiere. Hierüber ist bereits an 
anderer Stelle in der B. T. W. berichtet worden. Dem Kapitel 
„Bläschenausschlag“ ist ein 2. Gutachten der technischen Deputation 
für das Veterinärwesen über den ansteckenden Scheidenkatarrh 
an gefügt. 

Das 1. Gutachten dieser Behörde, welches in den vorjährigen 
Veröffentlichungen mitgetbeilt worden ist, wurde den betheiligten 
Regierungs-Präsidenten, den Landwirthschafiekammern und durch 
Vermittlung des Reichskanzlers auch den interessirten Bundes¬ 
regierungen zur gutachtlichen Aeusserung übersandt Hierüber sind , 
sehr verschiedene widersprechende Gutachten eingegangen. Das 
auf Grund dieser erstattete 2. Gutachten der Deputation verbleibt ; 
bei dem in dem 1. Gutachten abgegebenen Urtheil: Dass für die i 
als ansteckende Scheiden- und Gebärmutterkatarrh bezeichnete i 
Krankheit der Riuder gemäss §§ 9 und 10 des Reichsviehseuchen¬ 
gesetzes die Anzeigepflicht einzuführen ist, und dass die Seuche durch 
gesetzliche Maassregeln eingeschränkt und bekämpft werden muss. 

Der Schluss des Gutachtens enthält eine Reihe besonderer 
Bekämpfungsmaassregeln. I 

Im Anschluss an die Mittheilungen über die Räude der Schate 
wird ein Gutachten wiedergegeben über das von den Farbwerken ■ 
vormals Friedrich Bayer & Comp, zu Elberfeld hergestellte und 
in den Handel gebrachte Acaprin. Dasselbe lässt dieses Mittel als 
ein für die Behandlung der Räude brauchbares Präparat erscheinen; ; 
es sind jedoch weitere Versuche nöthig. Schliesslich ist noch das Gut¬ 
achten der Deputation mitgetheilt, welches Veranlassung zu dem die 
Gleichstellung des Rothlaufs und der Backsteinblattefn behandelnden | 
Ministerialerlass gewesen ist und welches Angaben über die i 
dieserhalb von Schütz angestcllten Versuche enthält Aus dein 
Angeführten geht hervor, wie reichhaltig der Inhalt auch des 
2. Jahrgangs der Veröffentlichungen ist, so dass dessen Lectiire 
nur jedem Thierarzt empfohlen werden kann. 

P. Goldbeck, Gesundheitspflege der Militflrpferde. Berlin 1902. 
Verlag von Mittler u. Sohn. Pr. geh. M. 5,50. 

Obwohl in hippologischen Werken nicht selten lange Seiten 
der Pflege des Reit- und Wagenpferdes gewidmet sind, fehlte es 
in Deutschland noch an einem Buche, welches speciell die Gesund¬ 
heitspflege der Militärpferde behandelt. Diesem Mangel ist die Ent- ! 
stehun^ des vorliegenden Buches zu verdanken. 

Wie schon ein Blick auf das reiche Inhaltsverzeichniss lehrt, 
hat G. seine Aufgabe erschöpfend gelöst. In das Bereich der Be- j 
trachtung sind aufgenommen: die Stallung des Pferdes, die Ge- j 
sundheitspflege bei verschiedenen Charactereigenschaften der Pferde, i 
Füttern und Tränken, allgemeine Körperpflege, Gesundheitspflege i 
in besondern Fällen, das Eingeben innerer Arzneien, Gesundheits- 
flege des Menschen bei ansteckenden Pferdekrankheiten, Huf- 
eschlag und Hufpflege, Transport von Pferden über See, Hygiene 


der Arbeit, Pflege der Remonten, Remontelabmheiten. Dazu kommt 
ein Anhang Uber die gesetzlichen Bestimmungen beim Kauf nnd 
Verkauf von Pferden. 

Die Schreibweise ist lebendig, zuweilen sogar erzählend. Die 
Capitel bestehen aus logisch aneinander ge'eibten, kurzen Absätzen, 
an deren Beginn der besprochene Gegenstand durch fetten Druck 
hervorgehoben ist. Iu den meisten Fällen wird der Kern der Sache 
präcis characterisirt Wie bei vielen längeren Schriftwerken, sind 
aber auch hier Breiten nicht ganz vermieden, z. B. bei der 
Schilderung einer einfachen Wasserinfusion bei der Kolikbehandlung, 
welche zum Ueberfluss noch durch ein Bild verherrlicht wird. — 
Die Anschaffung des Buches ist auch den weiteren Kreisen der 
Pferdebesitzer angelegentlich anzurathen. P. 

Neue Eingänge. 

Malkmus: Grundriss der klinischen Diagnostik. Zweite Auf¬ 
lage. 210 Seiten Octav mit 50 Abbildungen. Hannover bei Gebr. 
Jänecke 1902. 

Eberlein: Leitfaden des Hufbeschlages. Mit Unterstützung 
der Ministerien für Handel etc. und für Landwirtschaft etc. herans- 
gegeben vom Bund deutscher Schmiede-Innungen als Leitfaden für 
den Unterricht in den Fachschulen. 240 Seiten Octav mit 240 Ab¬ 
bildungen und 2 Tafeln. Berlin 1903, bei Adolf Schulz. 


Personalien. 

Auszeichnungen: Anlässlich des Ordensfestes am 18. Januar in 
Berlin haben erhalten: Den Rothen Adler-Orden III. Classe mit der 
Schleife Geheiuirath Professor Dr. Schütz-Berlin; den Rothen 
Adler-Orden IV. Classe Regierungsrath und Landesthierarzt Feist- 
Strassburg; die Kreisthierärzte Co 11 mann zu Hanau, Knese zu 
Bruchhausen im Kreise Hoya, Tappe zu Beuthen; Gestütsinspector 
Mieckley-Beberbeck und Oberrossarzt Zeuner gen. Gantzer 
vom 1. Garde-Drag.-Regt; den Kronen-Orden IV. Classe die Ober¬ 
rossärzte Dönicke vom 43. Art.-Regt., Kaden vom 22. Art.-Regt., 
Lewin vom 26. Art.-Regt., v. Paris vom 16. Art.-Regt., Priess 
vom 8. Hus.-Regt., Wilde vom 11. Drag.-Regt., Zeitz vom 
4. Art.-Regt. 

Ernennungen: Dem Kreisthierarzt Assenmacher und dem 
Professor Dr. Preusse sind die Kreisthierarztstellen zu Meppen 
bezw. Berncastel übertragen worden. Dr. med. vet. Tiede, bisher 
im Institut des Geheimrath v. Behring zu Marburg, zum Assistenten 
des bacteriologiscben Institutes der Serum - Gesellschaft in Lands¬ 
berg a. W., Thierarzt Resow zum Schlachthofthierarzt I. Classe 
in Köln. 

Wohnsitzverändeningen, Niederlassungen: Verzogen sind Thierarzt 
Röpke von Tarnowo nach Stenschewo bei Posen, Oberrossarzt a. D. 
Fünfstiick von Grimma nach Taucha. — Niedergelassen haben 
sich die Thierärzte A. Leitzen in Skurz, J. Manasse in Lahn 
(Schlesien) und S. Simon in Petershagen a. Weser, sowie in 
Bayern die Thierärzte Joh. Jacob Trautmann in Grünstadt und 
A. Schaich in Göllheim. 

Examina: Approbirt wurden in Berlin die Herren Biesterfeld, 
Garbe und Krause und in Hannover die Herren A. van Bent¬ 
heim, Joh. Bohls, Aug. Nobbe und Alf. Schneider. 

In der Armee: Im Beurlaubtenstaude: Thierarzt»Röpke-Sten- 
schowo, Vicefeldwebel d. Res. beim Landwehr-Bezirk Posen, zum 
Leutnant d. Res. im Thür. Inf.-R. No. 72 befördert. 

Todesfälle: Veterinär I. CI. a. I). Lorz zu München. 


Vacanzen. 

Neu ausgeschriebene Stelle: Alsenz, Districtsthierarzt- 
stelle für den Bezirk Obermoschel in Bayern (der bisherige Inhaber 
Weiler hat die Stelle niedergelegt, Stelle wird demnächst ausge¬ 
schrieben). — Districts- und Stadtthiorarztstelle zu Weikersheim, 
Bew. bis 28. Jan. beim Kgl. Wiirttembg. Oberamt Mergentheim. — 
Willenberg, Kr. Orteisburg, Thierarzt z. 1. April, Bew. möglichst 
bald an den Magistrat. 

Besetzt: Schlachthotstelle zu Cöln a. Rh. 


Das Register zum Jahrgang 1902 gelangt Anfang Februar 
zur Ausgabe. Die Redaction. 


Verantwortlich für dch Inhalt (excl. Inseratenteil): Prof. I)r. Schmaltz iu Berlin. — Verlag und Eigonthum von Richard ßchoetz in Berlin. — Druck von W. Bdzenatelu, Berlin. 


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Dl« .Berliner Tblertraülehe Wochenschrift* erschein! 
wöchentlich im Verleg« von Richard Schoetx In 
Berlin, LuUenatr.36. Durch Jedez deutsche Postamt wird 
dieselbe mm Preise von M. 5,— vierteljährlich (M. 4, B 8 für 
die Wochenschrift, 19 Pf. fUr Bestellgeld) frei in's llaus 
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Orlglnalbeltrlge werden mit 50 Mk. für den Bogen honorlrt 
Alle Mannscripte, Kittheilungen und redactionellen An¬ 
fragen beliebe man au senden an Prof. Dr. Schmalts, 
Berlin, thierärstllche Hochschule, NW, Luisenstrasse 56. 
Correcturen, Kecensious-Rxemplare und Annoncen da¬ 
gegen an die Verlagsbuchhandlung. 


Thierärztliche Wochenschrift 


Redaction: 

Professor Dr. Schmaltz-Berlin 

Verantwortlicher Redacteur. 

Oe Brtiin KUhnau Dr. Lothe« Prof. Dr. Peter Peter« Preusse Dr. Schlegel Dr. Vogel Ziindel 

Professor Schlachthofdirector Departementstbierarxt Kreisthierarzt l>e|'i»iMement*thier*rzt Veterinärassessor Professor Landes-Insp. f. Thiersucht Kreisthierarzt 

Utrecht. Cöln. Cöln. Angermünde. Bromberg. Danzig. Freiburg i. Br. München. Mülhausen i. E. 

Francke Dr. Jesa Nevermann 

Krcisthierarst Krcisthierarzt Kreisthierarzt 

Mülheim a. Rh. Charlottenbnrg. Bremervörde. 


Jahrgang 1903. Jß. 5 * Aasgegeben am 29. Januar. 

Inhalt: Diaaelhorat: Ueber Entstehung und vergleichende Anatomie der bösartigen Geschwülste. — Jesa: Wer ist der 
Urheber der neuen Methode des Nachweises von Pferdefleisch (in Würsten) durch die specifische Serum- 
reaction? — Referate: Amputation einer Stollbeule nach Marder. — Pease: Hepatitis suppurativa als Folge eingedickter 
Galle. — Sigl: Geheilte Axendrehung des Mastdarmes beim Pferde. — Albrecht: Mittheilnngen aus der Praxis. — Jeaa: 
Wochenübersicht über die medicinische Litterator. — Tageageachiohte: Protocoll Uber die Festsitzung zur Feier des 25jährigen 
Bestehens des thierärztlichen Centralvereins für die Provinz Sachsen, die Anhaitischen und Thüringischen Staaten. — Ver¬ 
schiedenes. — Personalien. — Vacanzen. 


Ueber Entstehung und vergleichende Anatomie der 
bösartigen Geschwülste. 

Featvortrag, gehalten zur Jubelfeier des 25jährigen Bestehens des 
thierärztlichen Centralvereins von Sachsen, Thüringen nnd den an- 
haltischen Staaten, zu Halle am 9. November 1902. 

Von , 

Professor Dr. R. Disselhorst, Vorsitzender des Vereins. 

(Unter Benutzung der Arbeiten von Czerny, 8chlltz, Fröhner, Caspar u. A.). 

Meine Damen nnd Herren! 

Das Stndinm der Entstehungsgeschichte nnd Aetiologie der 
Geachwfilste, insbesondere der bösartigen Tumoren ist in nenerer 
Zeit wieder mehr in den Vordergrund des Interesses getreten, 
wenn auch die Forschung anf diesem Gebiete niemals ganz ge¬ 
ruht hat; soweit man statistischen Angaben Bedentnng bei¬ 
messen will, scheint es, dass wir uns mit der Thatsache ab¬ 
linden müssen, die Zahl der bösartigen Tumoren, insbesondere 
des Krebses habe unter den Menschen nnd Thieren in den 
letzten 20 Jahren zngenommen. Wie wenig wir aber 
trotz aller Bemfihnngen in der wirklichen Erkenntniss, ins¬ 
besondere in Bezng auf die Entstehungsursache der Krebse 
fortgeschritten sind, darüber giebt das Schlusswort Czerny’s anf 
dem voijfthrigen Chirnrgencongress uns traurige Gewissheit. 
Czerny ftnsserte sich dort mit folgenden Worten: „Leider hat 
die genaueste anatomische Erforschung der Tumoren, ins¬ 
besondere der Krebse uns über ihre Ursachen bisher im Un¬ 
gewissen gelassen. Es ist deshalb wünschenswert^ nene Wege 
der Forschung einznschlagen. Wenn sicher nachzuweisen wäre, 
dass die Krebse in einzelnen Ländern zu- nnd abnehmen, dass 
es ganze Orte und Häuser giebt, in denen der Krebs endemisch 
herrscht, dass znsammenlebende Menschen, auch wenn sie nicht 
blutsverwandt sind, häufiger nnd bald nacheinander an Krebs 
erkranken; dass es andrerseits ganze Länder giebt, in denen 
der Krebs eine noch unbekannte Krankheit ist — so reichen 
die in Deutschland mit Vorliebe gemachten Versuche, die Ent¬ 
stehung des Krebses anf endogene anatomische Ursachen zurück- 
zuführen, zur Erklärung dieser Thatsachen nicht aus. Wenn 
es gelingt, die letzteren durch eine über die ganze Erde 


anszndehnende Forschung sicherznstellen, dann mnss eine 
änssere Ursache des Krebses existiren, nnd diese schreckliche 
Krankheit würde in die Reihe der vermeidbaren Krankheiten 
einzureihen sein, deren Ausrottung möglich wäre. Das aber 
sind noch ferne Zukunftsträume“. 

Nach diesem schien es mir keine ganz undankbare Aufgabe, 
den Standpunkt zu präcisiren, bis zu welchem die Forschungen 
der Entstehungsgeschichte der Geschwülste in unserer Zeit vor¬ 
geschritten sind, nnd zn versuchen, ob sich nicht vielleicht an 
der Hand der Vergleichung ein Einblick gewinnen Hesse in die 
Gründe der anscheinend sichergestellten Thatsache, dass ins¬ 
besondere der Krebs unter Menschen und Thieren häufiger ge¬ 
worden. Bei den Betrachtungen über Entstehung nnd Histogenese 
treten naturgemäss die bösartigsten Geschwülste in den Vorder¬ 
grund des Interesses. 

Die Bösartigkeit einer Geschwulst änssert sich bekanntlich 
in dem schrankenlosen Wachsthnm, in den Recidiven, in der 
Generalisation nnd in der Aenssemng eines schädigenden Ein¬ 
flusses anf den Träger der Geschwulst. Diese Eigenschaften 
besitzen die normalen Zellen des Körpers nicht, sondern nur 
die Zellen der bösartigen Geschwülste. Auch müssen sich diese 
Eigenschaften in irgend einer Weise an den ZeUen derselben 
änssern. Ob aber diese morphologischen Eigenschaften bezw. 
Veränderungen der Geschwulstzellen immer für nns wahrnehmbar 
sind oder nicht, diese Frage hat in der nenesten Zeit eine 
starke Anregung für das Stndinm der bösartigen Geschwülste 
abgegeben. Die Ergebnisse dieser Studien mögen nach kurzer 
Berücksichtigung der historischen Entwickelang hier folgen: 

Der Erste, welcher eine wirküch brauchbare Theorie über 
den Entstehnngsmodns des Krebses gegeben hat, war Thier sch; 
indem er die von Virchow vertretene Ansicht, das Binde¬ 
gewebe sei der Entstehungsort aller in den bösartigen 
Geschwülsten vorkommenden Zellen, beseitigte, wies er als 
Erster nach, dass die Epithelien der Krebse nicht vom Binde¬ 
gewebe abznleiten sind. Er erwies, dass in jedem Krebse 
gefässlose, epitheliale Massen von gefässhaltigem, bindegewebigem 


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62 BERLINER THIERAliZTLIOIlE WOCHENSCHRIFT. No. 5. 


Stroma zu unterscheiden seien; aber im Krebse, so fährt 
er fort, sei das statische Gleichgewicht, in welchem seit 
Ablauf der Entwickelung die anatomischen Gegensätze des 
Epithels und Stromas verharrten, gestört. Und diese Störung 
thue sich kund durch epitheliale Wucherung, welcher das 
Stroma Platz mache. Die Initiative zu dieser Wucherung 
könne aber im Epithel allein nicht gesucht werden, sondern 
eine Veränderung des Stromas müsse dieser übermässigen 
Epithelproduction den Weg bahnen. Die Abnahme des Wider¬ 
standes und des bindegewebigen Stromas, wie sie im vor¬ 
geschrittenen Lebensalter eintritt, sei es eben, die mithin die 
wirkliche Ursache des Krebses darstelle. 

Diese Anschauung steht in Uebereinstimmung mit den 
Ansichten über die von Franz Boll begründete Lehre vom 
Kampfe der Gewebe im Organismus; die Axiome dieser Lehre 
lassen sich im Allgemeinen dahin zusammenfassen, dass das 
einzelne Gewebe für sich unfähig ist, auch nur den kleinsten 
Fortschritt im Wachsthum zu machen, sondern dass es seine 
Bildungskraft nur im Zusammenhang mit einem anderen 
Gewebe bethätigen kann. Das, was wir Wachsthum nennen, 
sei ein Zusammenwirken stets mehrerer Gewebe, das der 
drüsigen Organe beispielsweise nichts anderes als ein fort¬ 
gesetzter Grenzkrieg zwischen Epithel und Bindegewebe. 

Boll construirte deshalb seine Theorie über den Krebs ab¬ 
weichend von Thiersch so, dass der Krebs nicht etwa zu 
Stande komme „aus einer Grenzverschiebung des Epithels gegen 
das Bindegewebe“; der Krebs sei vielmehr „der im Alter wieder 
ausgebrochene Grenzkrieg zwischen Bindegewebe und Epithel. 
In der eigentlichen Entwickelungsperiode führe dieser Krieg 
zur Bildung von Drüsen, in der Involutionsperiode aber zur 
Bildung von Krebsen“. Der Kampf zwischen Gefäss-Keim- 
gewebe und Epithel habe im Embryo die Entstehnng der 
Organe zur Folge, habe dann geschlummert, sei aber in der 
Involutionsperiode zum zweiten Mal angefacht worden, da in ihm 
die Gew'ebe noch einmal Wachsthumsvorgänge einleiten, welche 
mit denen der Entwickelungsperiode übereinstimraen. Die 
Gewebe reagiren in dieser Periode auf einen Reiz mit erneuter, 
formativer Thätigkeit, weil die strenge Scheidung zwischen 
Blutgefässen und Bindegewebe in der Involution aufhört und 
Beide zusammen nun, wie im Embryo, auf die histologische 
Einheit des Gefäss-Keimgewebes zurückkehren. An den Stellen 
aber, wo es mit dem Epithel zusammenstösst, entsteht auf 
Reizung ein Krebs. 

Die Anschauung von Boll lässt sich mit der von Roux 
construirten „über den Kampf der Theile im Organismus“ in 
Einklang bringen; immerhin erklärt sie viele Vorkommnisse der 
Geschwulstlehre garnicht oder unvollkommen. Sie löst unter 
Anderem nicht die Frage, warum der Krebs nur bei einer 
verhältnissmässig geringen Anzahl von Individuen vorkommt, 
und warum auch jugendliche daran leiden, bei denen er sich 
bekanntlich schneller ausbildet und mehr und umfangreichere 
Metastasen hervorruft, als bei alten Leuten, und diese un¬ 
gewöhnlich schnell. 

Sehr bald wurden die von Thiersch und Boll aufgestellten 
Theorien über die Geschwulstbildung zurückgedrängt durch 
Cohnheim. Bei ihm ist die angeborne Anlage das entscheidende. 
Hiernach sind in einem frühen Stadium der embryonalen Ent¬ 
wicklung mehr Zellen gebildet, als zum Aufbau des Organes 
notwendig; daher bleibt eine bestimmte Zahl von Zellen übrig, 


welche wegen ihrer embryonalen Natur eine grosse Vermehrungs¬ 
fähigkeit besitzen. Bleiben sie an einer Stelle mehr oder 
weniger abgeschlossen liegen, so kommt es später zur Geschwulst- 
bildung. 

Dass Neubildungen aus reiner embiyonaler Anlage hervor¬ 
gehen können, hatte schon Virchow für die Teratome nachge¬ 
wiesen; aber Niemand hatte bis dahin den Satz zu verall¬ 
gemeinern gewagt, dass jedes pathologische Gewächs aus einer 
solchen Anlage hervorgehen müsse. Dass dies nicht immer der 
Fall, dafür sprechen schon die Beobachtungen, wonach bösartige 
Geschwülste in Folge mechanischer Einwirkungen (Stoss, Fall, 
Schlag) in den verschiedensten Organen sich bilden können. 
Man kann sich aber nicht vorstellen, dass in allen eine embryonale 
Anlage bestanden hat, in denen dann durch mechanische Reizung 
eine Neubildung sich entwickelte! 

Auch die Beobachtungen von Roux, welcher bei Frosch¬ 
larven im inneren und mittleren Keimblatt abgesprengte 
Furchungskugeln zerstreut zwischen den übrigen Zellen nach¬ 
wies, vermögen die Cohnheim’sche Theorie nicht ausgiebig zu 
stützen, da man nicht weise, was aus diesen Furchungskugeln 
bei fernerer Entwicklung geworden wäre, und ob sich wirklich 
Geschwülste aus ihnen gebildet hätten! 

Hierher gehören auch die Versuche Barfurth’s, nach denen 
in die Gastrulahöhle hineingestossene Ectodermzellen weiter¬ 
wuchsen, und sich zu dermoidartigen Bildungen entwickelten; 
auch diese Versuche können die Cohnheim’sche Theorie nicht 
über den Zweifel erheben, da wir nicht wissen, wie derartige 
künstlich erzeugte Bildungen bei völliger Entwicklung der 
''•Embryonen sich verhalten haben würden. 

Der schwächste Punkt der Cohnheim'Bchen Ausführungen 
liegt aber ebenfalls darin, dasB mit ihnen die Thatsache uner¬ 
klärt bleibt, aus welchem Grunde jene embryonalen Zellen (ihr 
Vorhandensein immer vorausgesetzt) mit einem Male zu wuchern 
beginnen! Das fühlte Cohnheim sehr wohl; er nahm deshalb 
später an, dass nicht die Grösse, Structur und Vermehrungs¬ 
fähigkeit der liegengebliebenen Keime, sondern einzig und 
allein das Verhalten der umgebenden Gewebe über das 
Wachsthum einer Geschwulst entscheide. Diese „Schwäche“ 
der umgebenden Gewebe können angeboren oder erworben sein, 
bilde sich erst in späteren Lebensjahren aus, und deshalb können 
bei vielen Individuen Geschwulstkeime vorhanden sein, ohne 
dass auch nur das geringste Wachsthum an den letzteren be¬ 
obachtet werde. 

Damit war Cohnheim glücklich wieder beim Thiersch’schen 
Standpunkte angekommen; es ist aber weder ihm noch Andern 
gelungen, für diese Widerstandsabnahme der Nachbarschaft eine 
anatomische Grundlage zu finden. 

Man kam daher bald wieder auf die oft gemachte Beobachtung 
einer gesteigerten Wachsthnmsenergie der Zellen als Ursache 
des Wachsens der Geschwülste zurück. 

Hierauf fassend hat in neuerer Zeit Hansemann eine 
geistvolle Theorie für die Entstehung der Geschwülste auf¬ 
gestellt. Er vertritt im Gegensatz zu Boll die Anschauung, 
dass eine strenge Differenzirung (Specifität) der Gewebselemente 
schon im embryonalen Leben vorhanden sei. Es bestehen nun 
nach der Ansicht von Weissmann in den Zellen neben den 
Hauptplasmen noch Nebenplasmen; nach ihm kommt die von 
Hansemann in Anspruch genommene Specifität der Zellen 
durch eine, auf qualitativ ungleicher Theilung beruhender 


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29. Januar 1903. 


Ueberz&hl der Hauptplasmen zu Stande. Die aus der inäqualen 
Theilung hervorgegangenen Schwesterzellen fasst Hansemann 
als Antagonisten der ursprünglichen auf; die Beziehungen 
zwischen beiden Arten von Zellen, welche er mit dem Ausdruck 
„Altruismus“ bezeichnet, sollen sich vorzugsweise darin 
äus8ern, dass der Vermehrung der einen Zellart die Vermehrung 
ihrer Antagonisten folgen müsse, und dass der Ausfall einer 
Zellart genüge, den Tod des Individuums herbeizuführen, weil 
die Antagonisten diesen Ausfall nicht ertragen. (Tod nach 
Ausfall einer Nebenniere). 

Nun ist es eine bekannte Thatsache, dass das Parenchym 
der Geschwülste dem des Organes, aus dem sie hervorgegangen, 
zwar nicht selten überraschend ähnlich ist; zuweilen aber geht 
der Charakter des Organparenchymes in dem des Geschwulst- 
parenchymes auch ganz verloren, und auch das der Metastasen 
stimmt nicht immer mit dem der Primärgeschwülste überein; 
endlich wird nach entstandener Abweichung der Charakter des 
Geschwulstgewebes dem des Muttergewebes niemals wieder ge¬ 
nähert. Und ob nun die Zellen der bösartigen Geschwülste in 
die Gewebsspalten eingewandert, oder ob sie durch Blut und 
Ljinphe verschleppt Bind, eines steht fest: sie vermehren sich 
in anderen Organen des Körpers, und können dort ein neues 
Gewebe bilden. 

Dadurch aber stehen sie im geraden Gegensatz zu allen 
transplantirten Geweben, die auf fremden Boden verpflanzt, 
regelmässig nach kurzer Wachsthumszeit resorbirt werden. 
(Periost in Lunge, Haut auf Haut nicht gleichartiger Thiere). 

Hierdurch ist der selbständige und durchaus eigenartige 
Charakter der Geschwulstzellen genügend charakterisirt; H an se¬ 
in an n erklärt dieses eigentümliche Verhalten der letzteren 
dadurch, dass ihr Altruismus, d. h. ihre Abhängigkeit von 
der specifischen Umgebung geringer geworden sei. Die 
Geschwulstzellen haben an Differenzirung abgenommen, sie sind 
den ursprünglichen Keimzellen wieder ähnlicher geworden. 
Diesen Vorgang der Entdifferenzirung hat Hansemann Ana- 
plasie genannt. 

Für die Anaplasie gelang es ihm nun, eine morphologische 
Unterlage beizubringen; sie drückt sich nämlich nicht nur in 
dem schon geschilderten allgemeinen Verhalten der Geschwulst¬ 
zellen aus, sondern die letzteren lassen auch noch principielle 
Unterschiede von den Zellen des Muttergewebes in der Art der 
Zelltheilung (Mitose) erkennen. Da man diese Unterschiede 
der Zelltheilung aber an den Zellen der Regeneration, Hyper¬ 
plasie und entzündlichen Wucherung nicht finde, so sei der 
Schluss berechtigt, „dass die veränderte Form der Mitose 
die Ursache der Anaplasie sei“! 

Auf diese Weise entstehe, führt Hansemann weiter aus, 
in den bösartigen Geschwülsten ein neues Gewebe, wie bei 
der Entwickelung des Embryo, und diese Aehnlichkeit sei so 
gross, dass sogar die Wachsthumsrichtung bei Krebsen und 
Sarcomen sich ändere; dieser Umstand sei es, der Thiersch, 
Boll und Cohnheim veranlasst habe, eine Widerstandsherab¬ 
setzung der Nachbargewebe anzunebmen. 

In den gutartigen Geschwülsten dagegen finde sich keine 
erhebliche Abweichung in der Zelltheilung von der normaler 
Körpergewebe, und daher lässt sich die Han Bemann' sehe 
Theorie, bisher nicht verallgemeinern sondern nur auf bösartige 
Geschwülste anwenden. 


63 

Auch dieser Theorie ist in Ribbert ein Gegner erwachsen. 
Er lässt alle Geschwülste aus Zellen hervorgehen, welche sich 
aus dem physiologischen Zusammenhang gelöst, also isolirt 
haben; ob die Ablösung in der embryonalen Entwicklung oder 
nach der Geburt stattgefunden hat, ist gleichgültig. Die Ur¬ 
sache der Zellisolation, und damit die Möglichkeit des Wachsens 
in die Umgebung sucht er in einer Veränderung, einer 
chronischen Entzündung der bindegewebigen Um¬ 
gebung oder in einem Trauma. 

Die Ribbert’sche Theorie ist schon jetzt als widerlegt 
anzusehen, indem mit Recht hervorgehoben wird, dass in vielen 
Krebsen alle entzündlichen Veränderungen fehlen; wäre die 
Ribbert’sche Anschauung richtig, so müssten die Geschwulst¬ 
zellen mit denen, welche sich bei der Regeneration, Hyper¬ 
plasie und Entzündung bilden, übereinstimmen. Das sei, 
wie Hansemann betont, nicht der Fall. Auch finde eine Ab¬ 
schnürung von Zellen im Körper häufig statt, ohne dass es zur 
Krebsbildung komme, und bei einer grossen Anzahl von Krebsen 
könne man die Anaplasie, d. h. die krebsige Entartung der 
Zellen bereits nachweisen, ehe Ablösung erfolge. Es sei ganz 
ausgeschlossen, dass durch Abtrennung einer normalen Zelle 
ein Krebs entstehe; was den Anstoss zur krebsigen Entartung 
gebe, wisse man nicht; es sei nicht unmöglich, dass dieser 
unbekannte Factor im Bindegewebe sitze. 

Damit hätte ich die bis heute bestehenden Theorien über 
die Entstehung der Geschwülste besprochen; bei genauer Be¬ 
trachtung beschäftigen sich auch die eingehendsten und geist¬ 
vollsten von ihnen nur mit dem histogenetischem Geschehen, 
und lassen uns über die eigentliche Entstehungsursache, durch 
deren Feststellung allein eine wirksame therapeutische Be¬ 
kämpfung zu erhoffen wäre, im Dunklen. Die von Czerny 
eingangs erwähnten Hinweise beherrschen deshalb anch heute 
durchaus den Modus der Forschung. — Es liegt ja nahe, an eine 
infectiöse Ursache zu denken, um so mehr, seitdem es gelungen 
war, die Erreger der sog. Infectionsgeschwülste, der Tuberkel, 
Actinomycome, Botryomycome etc. nachzuweisen. Alles Suchen 
aber nach den entsprechenden Erregern bei den echten Neu¬ 
bildungen ist meines Wissens bisher vergeblich gewesen, so- 
dass bis zu dieser Stunde ein zwingender Beweis für die in¬ 
fectiöse Natur der Geschwülste nicht erbracht ist. 

Da sich die bisher besprochenen Fragen wesentlich auf 
klinische Beobachtungen am Menschen stützen, so möchte ich 
noch einiges Vergleichende aus der Säugetliierreihe beibringen, 
welches für die Beurtheilung mancher Punkte nicht ohne 
Interesse ist. Die wesentlichsten Angaben sind der verdienst¬ 
vollen Schrift von Casper*) entnommen. 

Vererbung bei Thieren. Zunächst die Frage der Ver¬ 
erbung von Geschwülsten bei Thieren. Es ist darüber nicht 
viel bekannt, doch wissen wir, dass die Neigung zur Papillom¬ 
bildung sich vererben kann. Auch für Melanome wird die 
Möglichkeit der Vererbung angenommen; so behauptet Diecker- 
lioff, dass ihre Entstehung nach zahlreichen einwandsfreien 
Beobachtungen sehr oft auf einer ererbten Anlage beruhe. 

Alterseinfluss bei Thieren. Der Einfluss des Alters 
dagegen macht sich ganz entschieden auch bei Thieren geltend. 
Wie das Carcinom beim Menschen in ca. 70 pCt. der Fälle eine 
Krankheit des höheren Lebensalters ist, so hat Fröhner in 

*) Casper: Geschwülste bei Hausthieren. 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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64 


BERLINER TIHERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 5. 


262 Fällen feststellen können, dass nur ältere Hunde von Krebs 
befallen werden, während er bei Hunden unter zwei Jahren 
niemals Krebs beobachtete. 87 pCt. der krebsig erkrankten 
Thiere waren über fünf, 54 pCt. über sieben Jahre alt. 

Das Carcinom steht auch hier im Gegensatz zum Sarcom, 
welches häufig bei ganz jungen Hunden vorkommt; damit steht 
im Einklang die Thatsache, dass bei Rindern und Schweinen, 
welche ja früh abgeschlachtet werden, das Carcinom viel seltener 
zur Beobachtung kommt als das Sarcom. 

Bedeutung des Geschlechts. Was die Bedeutung des 
Geschlechts anbelangt, so ist hervorzuheben, dass der beim 
Menschen so häufig befallene weibliche Geschlechtsapparat bei 
Thieren verhältnissmässig selten von Geschwülsten erkrankt. 
Geschwülste der Mammae sind bei Hunden nicht selten, sehr 
selten dagegen bei Kühen. Uteruscarcinome bei Thieren sind 
nach Caspar in der ganzen Literatur nur vier aufzufinden, 
cystische Entartung der Ovarien kommt bei Kühen etwas häufiger 
zur Beobachtung. Ob männliches oder weibliches Geschlecht 
zu Geschwülsten mehr disponirt ist, lässt sich z. Z. kaum ent¬ 
scheiden. 

Hautfarbe. Nicht ganz ohne Bedeutung ist die Haut¬ 
farbe; so treten Melanosarcome am meisten bei Thieren mit 
pigmentloser Haut auf. (Schimmel). 

Thierart. Was die Bedeutung der Thierart für die Ver¬ 
breitung der einzelnen Geschwulstarten anlangt, so fehlt es bis¬ 
her darüber an statistischen Angaben. Caspar fand, dass bei 
Hunden verhältnissmässig häufig Carcinome, bei Rindern und 
Schweinen dagegen häufiger Sarcome beobachtet werden. Das 
erklärt sich aber vielleicht z. Th. daraus, dass letztere kein 
hohes Alter erreichen. Cholesteatome kommen nur bei Pferden 
vor, ebenso Melanosarcome am häufigsten bei diesen. Es muss 
jedoch betont werden, dass, entgegen den Angaben der meisten 
medicinischen Lehrbücher auch die Pflanzenfresser, ganz be¬ 
sonders das Pferd, nicht selten von Krebs befallen werden, ja, 
dass dieser beim Pferdegeschlecht zu den häufigeren Neu¬ 
bildungen gehört. 

Statistik der Geschwülste bei Thieren. 

Die hier gegebene Statistik stützt sich die Jahresberichte der 
Berliner, Münchener und Dresdener Thierärztlichen Hochschulen, 
und auf die Zusammenstellungen Johne’s und Fröhner’s, auch 
auf das, was sich etwa noch sonst in der Litteratur findet. Sie 
kann aus verschiedenen Gründen auf Vollständigkeit keinen An¬ 
spruch machen. 

Eine Zusammenstellung der in den genannten drei Instituten 
während eines Zeitraumes von 12 Jahren behandelten Pferde ergiebt 
eine Summe von 86113 Stück; davon waren 1131, also ca. 1,3 pCt. 
mit Neubildungen behaftet. Dabei ergiebt sich die eigentümliche, be¬ 
merkenswerte Thatsache, dass die in der Berliner Anstalt beobachtete 
Erkrankungsziffer mit ca. 0,9 pCt. wesentlich geringer ist, als die 
in München mit 2,1 pCt, und in Dresden mit 2,5 pCt. Es scheint 
demnach, dass die Localität auch hier nicht ganz ohne Einfluss ist. 

Fiir Hunde stellten sich folgende Zahlen heraus: Es wurden 
behandelt 85537; davon waren 4020 = ca. 4,7 pCt. mit Neubildungen 
behaftet. In Berlin hatten 4,7 pCt, in München 4,4 pCt., in Dresden 
4,7 pCt. der Thiere Tumoren. 

Von 4972 behandelten Rindern waren 102, also 2 pCt. mit 
Tumoren behaftet. 

Absolute Häufigkeit. 

Nach der obigen Aufstellung kommen Neubildungen demnach 
am häufigsten vor bei Hunden (4,7 pCt. aller Erkrankungen), etwas 
seltener bei Rindern (2 pCt.), noch seltener bei Pferden (1,3 pCt.) 
aller Krankheitsfälle« 


Häufigkeit des Vorkommens der einzelnen 
Geschwulstarten. 

Hierüber besitzen wir bisher nur eine umfangreichere Special¬ 
statistik, welche Fröhner an einem grossen Hundematerial 
gewonnen hat: 

Es befanden sich unter 643 im Laufe von 8 Jahren operirten 
Geschwülsten: 

262 = 40 pCt. Carcinome 
97 — 13 pCt Filrome 
65 = 10 pCt. Papillome 
44 --- 7 pCt. Sarcome 
39 = 6 pCt. Lipome 

2 =0,3 pCt Angiome 

Wenn diese Zusammenstellung auch nur die chirurgisch in 
Betracht kommenden Tumoren berücksichtigt, so geht doch schon 
hieraus hervor, dass die Carcinome bei Hunden ungewöhnlich 
häufig sind. 

Auch bei Pferden hat Fröhner an einem kleinen klinischen 
Material eine Zusammenstellung gemacht Danach waren unter 47 
im Laufe eines Jahres operirten Tumoren: 

10 = 21 pCt. Sarcome 
17 = 36 pCt. Papillome 
6 = 13 pCt. Filrome 

3 = 6 pCt. Carcinome 
1 = 2 pCt. Lipome 
1=2 pCt. Osteome 

Danach gehören bei Pferden die Sarcome zu den häufigsten 
Neubildungen, und kommen bei Weitem öfter vor als die Carcinome. 

Unter den bei Rindern in Berlin beobachteten 75 Tumoren 
waren 20—27 pCt. Sarcome und 2—2,7 pCt. Carcinome. Demnach 
sind auch bei Rindern die Sarcome weitaus häufiger als die 
Carcinome. 

Zur Vergleichung möge folgende Tabelle dienen: 

Pferde. Hunde. Rinder. 


Es bilden 1. die Sarcome 21% 7% 27 %; 

2. die Carcinome 6 % 40 % 2,7 % aller Tumoren. 

Wesentlich anders als die klinische gestaltet sich die 
Statistik des pathologischen Anatomen, da letzterer auch die Ge¬ 
schwülste der inneren Organe berücksichtigt, wenn auch manche 
kleine Neubildungen der äusseren Haut bei den Sectionen un¬ 
berücksichtigt bleiben mögen. Johne constatirte bei 

Pferden 47% Sarcome, 22% Carcinome ( Ueberwiegen der 

' 0 l Sarcome. 

Ueberwiegen der 
Carcinome. 
Ueberwiegen der 
Sarcome. 

Es ergiebt sich aus dieser Zusammenstellung folgendes Bild: 


Hunden 28% 
Rindern 35% 


52% 

8 % 


1. Sarcome 


2. Carcinome 


Pferde. 

Hunde. 

Rinder. 

kl. 

21 % 

7% 

27% 

anat. 

47% 

28 % 

37% 

kl. 

6% 

40% 

2,7 % 

anat. 

22% 

52% 

8% 


aller Tumoren. 


aller Tumoren. 


Wenn hiernach freilich die Carcinome bei Hnnden ungleich 
häufiger Vorkommen als bei Pferden und Rindern, so lehrt 


andererseits die Tabelle, dass die Carcinome bei den Pflanzen¬ 
fressern nicht so selten Vorkommen, wie es in vielen Lehr¬ 
büchern immer wieder dargestellt wird. 

Andererseits mehren sich auch die Angaben über das Vor¬ 
kommen von Krebs bei jungen Thieren; eine respectable Anzahl 
von dahin schlagenden Fällen lassen sich aus der Literatur 
zusammenstellen. In neuester Zeit konnte Gör in g bei zwei, 
sieben Monaten alten Schweinen typische Primärcarcinome der 
Nieren von beträchtlicher Entwicklung beobachten, welche aber 
keine Metastasen oder Secundärknoten hervorgerufen hatten. 
Ebenso sah er bei einem zweijährigen Rinde einen ausgedehnten 
Leberkrebs, bei einem anderen gleichalterigen ein mannskopf¬ 
grosses Carcinom des linken Ovariums. 


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29. Januar 1903. 


BERLINER THIERARZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


Da die Krebse iin Allgemeinen langsam zu wachsen pflegen, 
bei diesen jungen Thieren aber schon eine bedeutende Grössen- 
entwicklung zeigten, so schliesst Göring mit Recht, dass sie 
schon frühzeitig, ja vielleicht schon im intrauterinen Leben ent¬ 
standen sein möchten. 

Bpmerkenswerth ist auch, dass, wie die Statistik ergeben 
hat, die Melanome nicht ausschliesslich Pferde, insbesondere 
Schimmel befallen, sondern dass sie auch bei Rindern, Schafen 
und Hunden beobachtet wurden. Jedoch scheinen sie hier nicht 
die ausgesprochene Neigung zur Metastasenbildung zu besitzen 
wie beim Pferd, ganz insbesondere nicht wie beim Menschen. 
Göring konnte schon bei eifern drei Wochen alten Kalbe von 
weissbrauner Farbe ein mächtiges Melanosarcom nachweisen. 

In neuester Zeit hat Sticker versucht, der Aetiologie der 
bösartigen Geschwülste, insbesondere des Krebses, näher zu 
kommen, indem er der Localisation desselben in den einzelnen 
Körpergebieten und Geweben erhöhte Aufmerksamkeit widmete. 
Er räumt der anatomischen Beschaffenheit des befallenen Gewebes 
dabei eine bedeutungsvolle Rolle ein. Schon lange wusste man, 
dass beim Menschen die äussere Decke ein günstiges Feld für 
das Haften und Eindringen des hypothetischen Krebsvirus dar¬ 
bietet. Sticker fand nun, dass beim Pferde von 332 Primär- 
carcinomen 119 auf die äussere Decke entfielen, d. s. 34,7 pCt.; 
beim Hunde fanden sich von 766 Krebsen 620 in der Haut, 
d. s. 80,9 pCt. und bei der Katze von 21 Krebsen 13, d. s. also 
62 pCt. 

Dagegen wurden beim Rinde von 78 Primärcarcinomen 
nur 9 in der äusseren Decke beobachtet; vom Schwein wurden 
bisher 2, vom Schaf kein Fall beschrieben. 

Sticker glaubt aus seinen umfangreichen Zusammen¬ 
stellungen den Schluss ziehen zu dürfen, dass es die mannig¬ 
fachen Traumen sind, denen die Haut der Arbeitsthiere in 
besonderem Maasse ausgesetzt ist, welche die Entstehung des 
Krebses an dieser Stelle begünstigen, vielleicht in der Art, dass 
dem Eindringen eines Krebserregers damit eine Pforte eröffnet 
wird. Man weiss ja in der Human-Medicin lange, dass sich 
Krebs leicht an Traumen anschliesst, namentlich gern an Narben, 
welche nach Brandwunden entstehen. Ein interessanter Beitrag 
dazu ist, dass in manchen Gegenden Australiens, wo die frei 
weidenden Thiere sämmtlich mit Brandzeichen versehen werden, 
gerade an den Narben dieser Brandmale Krebs oft in weiterer 
Verbreitung auftritt. Auch Eggeling beobachtete in einigen 
Gegenden Hannovers, dass der Krebs bei Schweinen an zwei 
Lieblingsstellen auftrat, oft geradezu in endemischer Verbreitung: 
am Unterkiefer, wo die Thiere sich an den Trögen scheuern, 
dann aber bei weiblichen Thieren an den Narben der Castrations¬ 
wunden. 

Es darf aber nicht verschwiegen werden, dass von den bei 
Thieren beobachteten Hautkrebsen 4 / 5 an den Uebergangs- 
stellen von Haut und Schleimhaut sich befinden; da diese 
Stellen zumeist den Uebergang in innere Organe darstellen, 
so sind auch sie mancherlei Läsionen ausgesetzt, so dass auch 
hier das Moment des Trauma die gebührende Beachtung verdient. 

Ich bin am Ende — aber, werden Sie sagen, ist das nun 
auch das Ende unserer Hoffnungen, den Krebs zu heilen? Ist 
kein Lichtblick in eine düstere Zukunft? Doch! Ein Stück ist 
man dem Erkenntniss näher gekommen; zwar ist es bisher 
nicht gelungen, einen Erreger des Krebses in irgend einer 
parasitären Form glaubwürdig nachzuweisen, so viel von kom¬ 


65 


petenter und unberufener Seite auch darüber gearbeitet und 
vor Allem geschrieben wurde. Aber in neuester Zeit hat 
Jensen in Kopenhagen die Transplantationsfähigkeit des Krebs- 
gewebes, die auf einer enormen Lebenskraft desselben oder der 
vielleicht darin enthaltenen Parasiten schliessen lässt, über¬ 
zeugend dargethan. Er vermochte ein typisches Caroinom v 
welches er zufällig an einer weissen Maus fand, auf acht Gene¬ 
rationen der Reihe nach zu übertragen und fortzupflanzen. 
Wenn er Krebsgewebe vier Tage lang im Eisschrank auf¬ 
bewahrte, so zeigte es sich, auf Thiere übertragen, dennoch 
entwickelungs fähig. 

Grösseres aber errang Jensen durch die Herstellung eines 
Heilserums; er injicirte Kaninchen gequetschtes Geschwulst¬ 
gewebe und benutzte dann deren Blutserum zu Heilzwecken 
bei weissen Mäusen, die er mit Krebs inficirt hatte. Der Erfolg 
war ein durchaus günstiger, indem die so behandelten, krebsig 
inficirten Thiere völlig unversehrt blieben. Weder klinisch 
noch microscopisch konnte man an ihnen etwas Krankhaftes 
feststellen. 

Fast zu gleicher Zeit und unabhängig von Jensen ver¬ 
öffentlichen Leyden und Blumenthal Versuche an Hunden, 
welche, in derselben Weise ausgeführt, dieselben günstigen 
Resultate zeitigten. 

Zugleich hat die Regierung den Professor Ehrlich am 
Institut für Therapie zu Frankfurt a. M. beauftragt, sich ganz 
der Krebserforschung zu widmen, und ihn hierzu mit reich¬ 
lichen Mitteln ausgestattet; so dass wir heute sagen dürfen: 
Die Forschung bewegt sich auf rationellen Bahnen. — Hoffen 
wir, dass es ihm in nicht allzu ferner Zeit gelingen möge, 
Menschen und Thiere von einer furchtbaren Geissei zu be¬ 
freien, die besonders dem Menschen nach der Tuberculose die 
schwersten Schläge zufügt. 


Wer ist der Urheber der neuen Methode des Nach¬ 
weises von Pferdefleisch (in Würsten) durch die 
specifische Serumreaction? 

Von 

Dr. Jess. 

Herr Dr. Gröning hat in der Zeitschrift für Fleisch- und 
Milchhygiene eine in der B. T. W. pg. 55 d. J. kurz refeiirte 
Arbeit publicirt, in welcher er den Nachweis des Pferde¬ 
fleisches auf biologischem Wege beschreibt. Herr Dr. G. hat 
es nicht für nöthig erachtet, die ersten Arbeiten anzugeben und 
vielleicht auch störend empfunden, dieselben zu benennen, um 
nicht von seiner Schöpfung abzulenken. Ich hasse Prioritäts¬ 
streitigkeiten, aber ich kann nicht ruhig zuschauen, wie Arbeiten 
erscheinen , die nur „nachempfunden“ sind. — Miessner 
und Herb st haben am 7. April 1902 eine Arbeit über diese 
Methode veröffentlicht, in welcher sie mich zwar in gehässiger 
Weise erwähnen, aber sie vermögen mich doch nicht zu unter¬ 
drücken; Gröning jedoch scheint meinen Vortrag in Hamburg 
ganz vergessen zu haben. 

Ich will in wenigen Worten die obige Frage klar stellen, 
wer denn nun eigentlich derjenige ist, welcher den biologischen 
Pferdefleischnachweis zuerst angegeben hat. 

Im September 1901 (siehe Verhandlung der Gesellschaft 
deutscher Naturforscher und Aerzte. 73. Versammlung Hamburg 
22.—28. September 1901, Seite 604 der B. T. W.) habe ich bereits 


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66 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 5. 


in Hamburg genau angegeben, wie die Kaninchen vorbereitet 
werden etc. Erst am 7. November hat Uhlenhut seine 
Publication über den gleichen Gegenstand gemacht und ange¬ 
führt, er habe meine Versuche „bei der Correctur“ gelesen. 
Im Anfang 1902 erschien in der Pharmaceut. Zeitung 12. Jalirg. 
•Heft I ein Vortrag vom 9. Januar 1902, welcher die genauen 
Einzelheiten meiner Methoden enthielt, wie ich sie weiter in 
Gemeinschaft mit Dr. Piorkowski ausgebaut hatte. Am 
17. April 1902 hat Miessner und Herbst eine Arbeit ver¬ 
öffentlicht, in welcher sie zwar mich nennen, aber angeben: 
Ohne jede thatsächliche nähere Begründung sagt Jess, dass 
wir in der Uhlenhut’schen (?) Methode eine ausgezeichnete 
Methode zur Erkennung von Pferdefleisch und Pferdeblut haben. 

Diese letzte Angabe ist so unerhört und willkürlich, die 
ganze Arbeit wenig angethan, die Verfasser zu solchen Kühn¬ 
heiten zu berechtigen, dass ich ganz energisch Verwahrung ein¬ 
lege gegen derartige Unterschiebungen, welche bisher un¬ 
bekannte Forscher, die dieses Gebiet zum ersten Mal betreten, 
mir machen wollen. 

Aus den Veröffentlichungen geht nur eins hervor, dass die 
Autoren weit entfernt sind, den Kern der Sache zu treffen. Wenn 
M. und H. pro foro nach ihren Angaben den Nachweis von 
Pferdefleisch in Würsten führen sollten, würden sie mit ihren 
Trübungen trübe Erfahrungen machen. — So einfach, wie es diese 
Autoren beschreiben, ist das Verfahren denn nun doch nicht. 

Zunächst sei festgestellt, dass Uhlenhut mit dieser Methode 
als geistiger Urheber so wenig zu thun hat, wie Miessner 
und Gröning. Die Methode der specifischen Präcipitine stammt 
von Bordet, Ehrlich, Wassermann und Schütze. 

Ich führe aus der Real-Encyclopädie der gesammten Heil¬ 
kunde IH. Auflage, Band XXVII, neue Folge I, Seite 547 (aus¬ 
gegeben December 1902) über meine Präcipitin-Differencirungs- 
methode Folgendes an: 

Eine weitere Anwendung hat diese Wassermann’sche 
Präcipitin-Differencirungsmethode für die Unterscheidung einzelner 
Fleischsorten gefunden, indem zuerst Jess im September 1901 
auf der Naturforscher-Versammlung darauf hinwies, 
dass sich nach Injectionen von defibrin. Pferdeblut 
im Serum von Kaninchen Antikörper gegenüber einer 
aus Pferdefleisch hergestellten eiweisshaltigen Lösung 
erzeugen lassen, welche sich durch Trübung und Nieder¬ 
schlagsbildung bei Vermischung des Serums jenes mit 
Pferdeblut behandelten Thieres mit dem Extract aus 
der homologen Fleischart documentiren. Auch diese 
Reaction ist specifiscb, tritt nach Hinzufügung dieses Immun¬ 
serums zu einem aus Rindfleisch hergestellten Auszug nicht ein 
und ist mithin für die Erkennung der Fleischverfälschung, 
namentlich bei Beimengung minderwerthiger Fleischsorten zum 
Hackfleisch, von practischer Bedeutung. Diese von Jess 
für die Differencirung der einzelnen Fleischsorten angewandte 
und in Gemeinschaft mit Piorkowski ausgearbeitete Methode 
hat dann ihre Bestätigung gefunden in Veröffentlichungen von 
Uhlenhut, Nötel u. A., welche nach dem zuerst von Wasser¬ 
mann und Schütze für den forensischen Blutnachweis an¬ 
gegebenen Verfahren der Injection von zellenfreiem Blutserum 
stets immer das Serum derjenigen Thiere einspritzten, deren 
Fleisch auf diesem biologischen Wege erkannt werden sollte, 
also Pferdeserum für den Nachweis von Pferdefleisch, Hunde- 
serum für den Nachweis von Hundefleisch u. s. f. 


Diese Ausführung in der bedeutendsten medicinischen 
Encyclopädie dürften thierärztliche Kreise wohl aufklären. Ich 
füge noch hinzu, dass von Düngern, die Antikörper, Seite 65 
ebenfalls angiebt: Jess und Uhlenhut verwenden die biolo¬ 
gische Methode zum Auseinanderhalten verschiedener Fleisch¬ 
arten, namentlich zum Erkennen des Pferdefleisches etc. 

Herr Gröning schickte mir direct seine Arbeit zu, wahr¬ 
scheinlich weil er annahm, die Sache interessire mich; nun sie 
interessirte mich denn auch und ich schrieb an G. meine un¬ 
verblümte Ansicht, worauf er mir mitteilt, die Veröffentlichung 
in der pharmaceut. Zeitung sei ihm unbekannt, meine W T orte 
in Hamburg habe er für die Andeutung einer in Vorbereitung 
stehenden Arbeit angesehen. — Es ist aber in den besseren 
litterarischen Kreisen üblich, dass man solche „Andeutungen“ 
namentlich, wenn man auf deren Schultern weiter arbeitet, an¬ 
giebt. Darauf hat der erste Autor ein gewisses Recht und um 
dieses handelt es sich hier. 

Ich bin aber noch die Begründung meiner Behauptung 
schuldig, dass die Veröffentlichung meiner Methode von Gröning 
sich nicht als practisch durchführbar erweist. 

Wenn G. zu 5 ccm Filtrat 1 ccm Specialserum (?) zu¬ 
setzt, so kann er eine Trübung erhalten, ob Pferd oder 
Rind odersonBt ein Thier. Das Wichtigste ist folgendes: 

Das specifische Pferdeserum kann auch in Rinder- 
etc.-Eiweisslösung eine Trübung hervorrufen aber nur 
unter besonderen Verhältnissen. Man muss von einem 
Serum, das sei hervorgehoben, welches zur forensischen Begut¬ 
achtung dienen soll, wissen: 

1. In welchem Verhältniss giebt es in Pferdeeiweisslösnng 
eine Trübung oder einen Niederschlag. 

a) Concentration der Eiweisslösung, 

b) Verhältniss des Serum zu der Eiweisslösung. 

2. Zeitdauer bis zum Eintritt der Reaction, — Reactionen, 
welche später als 2 Stunden eintreten sind werthlos (Miessner 
giebt U /2 Stunden an!). 

3. Verhalten des specifischen Serums in heterologen Eiweiss¬ 
lösungen. 

a) Ob Trübung eintritt, 

b) in welchem Verhältniss. 

Ich werde an anderer Stelle auf diese Einzelheiten 
eingehen, es ist nüthig, dass eine genaue Instruction für diesen 
biologischen Pferdefleischnachweis geschrieben wird, weil durch 
die Publicationen von Miessner und Herbst und von Gröning 
leicht Irrthümer entstehen können. Ich werde diese Instruction 
schreiben. Der Zweck dieser Zeilen war, nur „anzudeuten“, 
dass ich nicht gewillt bin, die Früchte langer und ernster Arbeit 
so ohne Weiteres mir entreissen zu lassen. Wenn die Mediciner 
(cf. oben) es rückhaltlos zugestehen, dass die biolog. Fleisch- 
differencirung von einem Thierarzt stammt, dann hätte man es 
von den Thierärzten auch erwarten können. Es ist nöthig, wie 
Uhlenhut bereits hervorhob, dass ein Centralinstitut zur Her¬ 
stellung und Prüfung des Serums vor der Abgabe an die Unter¬ 
sucher geschaffen wird. Nur solches Serum, von dem man genau 
weiss wie es sich zu meinen Forderungen 1—3 verhält, darf in 
den Handel gelangen. 


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29. Januar 1903. BERLINER THIERÄKZTL 

Referate. 

Amputation einer Stollbeule nach Marder. 

(Zeitschrift f. VetorinSrkunde 1902). 

Ueber die Amputation einer Stollbeule nach Marder be¬ 
richtet Rossarzt Kr am eil. Eine 14 jährige Stute war linker¬ 
seits mit einer grossen Stollbeule behaftet. Da erneute 
Quetschungen und Infectionen wiederholt umfangreiche, phleg¬ 
monöse Schwellungen der Gliedmaassen hervorriefen und das 
Ansserdienststellen des Pferdes erforderten, wurde die Amputation 
beschlossen. Zur Zeit der Operation war die Geschwulst von 
Kindskopfgrösse, hatte eine feste, derbe Beschaffenheit, und 
es zeigte sich die Haut auf det Höhe der Geschwulst der Länge 
nach durchbrochen, so dass der stark verdickte Schleimbeutel in 
der an der breitesten Stelle 2 cm klaffenden Hautwunde sicht¬ 
bar wurde. Nach Injection einer Morphiamlösung (0,5 : 20,0) 
wurde am stehenden, gebremsten Pferde operirt. Die Geschwulst 
wurde von einem Geliülfen möglichst weit vom Ellbogen ab¬ 
gezogen und die Haut zunächst an der oberen Fläche kurz vor 
der Geschwulst durchschnitten und darauf der Schnitt weiter 
nach unten in dem Bindegewebe fortgefiihrt, bis die Geschwulst 
vollständig entfernt werden konnte. Die entstandene Wundfläche 
hatte die Grösse eines Handtellers. Die Blutung war gering 
und stand ohne weiteres Zuthun nach 15 Minuten von selbst. 
Unter Waschungen mit Burow’scher Mischung verlief die 
Heilung rasch, so dass das Thier schon nach drei Wochen wieder 
zum Dienste verwendet werden konnte. Nach weiteren vier 
Wochen war nur noch eine kleine, unscheinbare Narbe sichtbar. 

Nevermann. 

Hepatitis suppurativa als Folge eingedickter Galle. 

Von 

Henry T. Pease-Punjab, Veterinary College-Lahore. 

(The Veterinarian Vol. LXXV. No. 895.) 

Eiterige Entzündung der Leber, welche in Indien, ver- 
muthlich in Folge von Dysenterie und Malaria, beim Menschen 
sehr häufig ist, wird dortselbst beim Pferde ziemlich selten 
beobachtet. Verfasser hat bei diesem Thiere nur drei Fälle 
beobachtet, deren Ursache immer die gleiche war, nämlich Ver- 
schliessung der Gallengänge durch inspissirte Gallenmasse. 
Die directe Ursache der Leberabscesse beim Menschen bilden 
dagegen nach Harley’s 20jähriger Erfahrung gewöhnlich ein¬ 
gekeilte Gallensteine. Einer der vom Verfasser beim Pferd 
beobachteten Fälle wird genauer beschrieben. Eine ältere Stute, 
welche wegen Kolik in die Institutsklinik eingestellt wurde, 
zeigte nachstehendes Krankheitsbild. Die Conjunctival- und 
Maulschleimhaut saffrangelb und mit Petechien bedeckt; Maul 
trocken; Puls schnell, hart und klein; Temperatur 40° C. Die 
Stute bekundete starke Eingenommenheit des Sensoriums und 
beständige Kolikschmerzen. Fäces lebmfarben; Urin dickflüssig 
und wie Saffran gefärbt. Der Eigenthümer hatte die Stute 
neun Monate lang in Besitz, während welcher Zeit öfter Kolik¬ 
anfälle eingetreten waren, die drei bis zehn Tage anhielten. 
Das Pferd starb 36 Stunden nach der Einstellung. 

Obduction. Leber anämisch, normal gross und ockergelb 
gefärbt. Ductus choledochus erweitert und durch einen harten, 
gallensteinähnlichen Körper blockirt, der grösser als ein Golf¬ 
ball war. In den erweiterten Gallengängen wurden noch eine 
grosse Zahl anderer Massen von verschiedener Grösse ge¬ 
funden, die mit einer Quantität Eiter gemischt waren. Das 


ff HE WOCHENSCHRIFT 67 

ganze Leberparenchym war mit einer grossen Menge meist 
sehr kleiner Abscesse durchsetzt. Die Milz war doppelt bo 
gross als normal. Nieren etwas vergrössert und intensiv gelb 
gefärbt, wie alle Gewebe des Körpers. 

Die Concremente, welche in den Gallengängen sassen 
(96 an Zahl), hatten eine dunkelgrüne Farbe und sanken zu¬ 
nächst in Wasser unter. Die kleinsten hatten Erbsengrösse. 
Die Masse zerfiel in Staub, sobald sie getrocknet w’urde. 

Peter. 

Geheilte Axendreliuug des Mastdarmes beim Pferde. 

Von Dr. med. vet. Sigl. 

Wochenschrift f. Thierheilkundo u. Viehzucht, No. 49, 1902. 

Ein neunjähriger, brauner Wallach erkrankt plötzlich an 
Kolik. Bei der Exploration vom Mastdarme erweist sich der 
Mastdarm etwa 45—50 cm vom After an gerechnet, geschlossen 
und zwar durch Faltenbildnng der eigenen Wandung. Die 
untere und rechte Seitenwand bildet eine ca. 4 cm hohe quer¬ 
gestellte Falte. Eine zweite Falte zieht, etwas mehr auf der 
rechten Hälfte gelegen, in verticaler Richtung unmittelbar hinter 
der Querfalte nach abwärts; beide Falten sind straff gespannt. 
Mit gekrümmtem Finger ist es möglich, weiter vorn noch weitere 
Falten zu fühlen; der Finger gelangt dann in einen kurzen 
nur mit der Fingerspitze zu passirenden Spiralgang, aD dessen 
oralem Ende Koth zu fühlen ist. Beim Znrückziehen des Fingers 
entleert sich eine kleine Menge Gas. Ausserhalb der rechten 
Mastdarmwand liegt eine deutlich durchfühlbare, kugelförmige 
Geschwulst, die so weit man fühlen kann eine durch Kot und 
Gas aufgetriebene Partie des oral vom Verschlüsse liegenden 
Mastdarmes darstellt. Es gelingt nach vieler Mühe das Ansatz¬ 
rohr des ClystierschlaucheB durch die Verdrehung durchzubringen 
und Wasser in den Darmtheil davor zu infundiren. Die im Mast¬ 
darm befindliche Hand fühlt dabei deutlich, wie die aussen 
liegende Geschwulst nach vorwärts zu langsam verschwindet. 
Unmittelbar nachdem sie verschwunden, schnellt die verdrehte 
Darmwand empor und eine ziemliche Menge Darmgase und 
gleich darauf Koth kommen zum Vorschein. Das Pferd war 
sofort vollständig gesund. Nevermann. 

Mittheilungen ans der Praxis. 

Au» der Wochenschrift ftlr Thierheilkunde und Viehzucht. 

Temperaturen bei Kühen uriti Kälbern unmittelbar nach der Geburt. 

Von Professor Al brecht. 

Auf der geburtshiilflichen Station in München wurden in 
den letzten Jahren bei 44 Kühen und deren Kälbern unmittelbar 
nach der Geburt die Rectaltemperaturen festgestellt. Das Alter 
der Kühe schwankte zwischen drei und elf Jahren. Die Geburten 
hatten zu 2 / 3 Nachts und zu V:t am Tage stattgefunden. Bei 
42 Fällen stand die Temperatur des Kalbes höher als bei der 
Mutter, nur in zwei Fällen war sie niedriger. Die geringste 
Temperaturdifferenz zwischen Mutter und Kalb betrug 0,1° C.; 
die höchste 1,2° C. Am häufigsten wurde eine Differenz von 
0,5° C. constatirt. Die Höchsttemperatur bei den Kälbern betrug 
39,9° C.; die niedrigste 38,4° C. Eine Beeinflussung durch das 
Geschlecht liess sich in den Differenzen nicht nachweisen. 

Zerreissung der Beokenfuge bei der Kuh. 

Von Bezirksthierarzt G. Zimmerer-Hersbruck. 

Eine Kuh hat vor 14 Tagen gekalbt. Das Kalb hat normale 
Lage gehabt, ist jedoch ziemlich gross gewesen, so dass ein 
starker Zug nöthig war. Beim Ziehen wollen die Anwesenden 


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68 


ein Krachen gehört haben. Die Kuh kann nicht mehr aufstehen, 
jedoch besteht noch ziemlich guter Appetit. Die Untersuchung 
ergiebt eine Beckenfractur. Es wird Schlachtung angerathen. 
Die Section ergiebt eine vollständige Trennung der Beckenfuge. 

Wochenübersicht über die medicinische Litteratur. 

Von Dr. Jess-Charlottenburg, 

Kreiathlerarst. 

Zeitschrift für Hygiene und fnfectionskrankheitcn. 12. Bd. Heft 1. 

Januar 1903. 

Ueber Bacterienhämolyslne, im Besonderen das Coliiysin von 
Dr. Kayser. Man muss trennen zwischen hitzebeständigen 
und hitzeunbeständigen Bacteriohämolysinen. Zu 1 gehören: 
Pyocyaneo-, Typhus- und Coliiysin; zu 2: das Tetano- und 
Staphylolysin. — Es bestehen ferner Unterschiede zwischen 
Serum- und Bacterienfiltrathämolysinen. 

Ueber die Abtödtung der Tuberkelbacillen in 60° C. warmer 
Milch von Med.-Rath Dr. Hesse-Dresden. Verf. hat die von 
Th. Smith gemachte Angabe (The thermal death-point. of 
tubercle bacilli in milk and some other fluids. The journal of 
experimental medicine 1899. Vol. TV 2), dass die Tuberkel¬ 
bacillen in 60° warmer Milch binnen 15—20 Minuten absterben, 
nachgeprüft. Er inficirte mehrere Reagenzgläser, welche mit 
Milch gefüllt waren, mit Tuberkelbacillen und versenkte sie 
20 Minuten lang in Milch von 60° C. Die mit dieser Milch 
inficirten Meerschweinchen blieben intact, während diejenigen 
Thiere, welche unerhitzte, inficirte Milch erhalten hatten, 
generalisirte Tuberculose erworben hatten. 

Fortschritte der Medicin. 20. Band. No. 33. 

Alcohol als menschliches Nahrungsmittel. Sammelreferat von 
Dr. Caspary. 

Nach einer kritischen Sichtung der vorhandenen Arbeiten 
ergiebt sich, dass der Alcohol als Nahrungsmittel das Eiweiss 
zu ersparen vermag, jedoch ist dabei zu bedenken, dass der 
Alcohol in grösseren Mengen ein Gift ist und bei Ungewohnten 
einen erheblichen Eiweisszerfall bedingt, sodass seine Eiweiss 
sparende Wirkung durch den Verlust übertroffen wird. 

Ueber das zu Entfettungskuren empfohlene Natrium blboracicum. 
Von Gerhard. 

In der Therapie der Gegenwart 1902 No. 4 wird das 
Natrium biboracicum als wirksames Unterstützungsmittel bei 
Entfettungskuren empfohlen. Der Borax wird in Dosen von 
3 mal täglich 1 f 2 Gramm gut vertragen. Giebt man jedoch mehr, 
so treten Beschwerden in Form von Uebelkeit, Druck in der 
Magengegend und Ziehen in den Gliedern auf. 

Dieselbe Zeitschrift. No. 35. 

Die Hefe als Arzneimittel. Von Paschkis. 

Wie P. in der Wiener klinischen Wochenschrift 1902 No. 31 
mittheilt, hat er durch Verwendung von Presshefe und Dauer¬ 
hefe in etwa 20 Fällen bei Furunculose, Acne und Folliculitis rasche 
Heilwirkung erzielt. Die Hefe wird in Dosen von 5 bis 10 Gramm 
gut vertragen und dreimal täglich verabreicht. 

Der microscopische Nachweis vom Eindringen des Alcohols in 
die Haut bei Heisswasser-Alcoholdesinfection. 

Wie in der Zeitschrift für Gynäcologie No. 47 mitgetheilt 
wird, wurde die Streckseite eines Armes zunächst 5 Minuten 
lang mit Bürste, Heisswasser und Seife desinficirt, dann 
5 Minuten lang in 20 proc. alcoholischer (96 pCt.) Kupfernitrat¬ 
lösung mittels eines Flanelllappens eingerieben und 10 Minuten 
lang diese Stelle mit Ferrocyankalilösung betupft; alsdann wurde 


No. 5. 


diese Hautstelle, ohne Anästheticum bis auf die oberflächliche 
Fascie excidirt. An Serieschnitten konnte nachgewiesen werden, 
dass die Alcoholeinwirkung bis in das Bindegewebe hineinreichte. 

Dieselbe Zeitschrift. No. 30. 

Ueber den Zusammenhang zwischen Menschen- und Rinder- 
tuberculose. Sammelreferat von Dr. Friedländer.' 

Bezüglich der Einzelheiten wird auf das Original verwiesen. 

Centralblatt für Bactcriologie, Parasitenkunde und Infectionskrankheiten. 

XXXIII. Ild., No. 1. 

Die Untersuchungen über Sarzina Streptococcus und Spirillum, 
von David Ellis. 

Die Wachsthum- und Dauerformen der Strahlenpilze (Acti- 
nomyceten) und ihre Beziehungen zu den Bacterien, von Professor 
Levy. L. hat seine Untersuchungen an nicht pathogenen Acti- 
nomyceten vorgenommen, welche er aus dem Boden durch Anlage 
von Glycerin-Gelatine- oder Glycerin-Agar-Platten cultivirte. Er 
verwendete zu seinen Versuchen Actinomyces ochroleucus. 

Ueber einen neuen, Stallinfectionen verursachenden Micro- 
organismus; von Dr. Schwer. In dem hygienischen Institut in 
Posen wurden des öfteren Epizootien in den Thierställen be¬ 
obachtet, namentlich waren es die Meerschweinchen, welche 
während der Wintermonate in grosser Zahl dahingerafft wurden. 
Professor Wernicke isolirte aus Meerschweinchen ein Stäbchen, 
welches durch Sch. näher untersucht und geschildert wird. Es 
handelt sich um kleine Stäbchen, welche sich nicht nach Gram 
färben und weder Sporen noch Geiseln, noch eine Kapsel er¬ 
kennen lassen. Sie wachsen sowohl bei Sauerstoffanwesenheit, 
wie bei Sauerstoffabschluss. Durch Uebertragung auf Meer¬ 
schweinchen konnten diese Thiere getödtet werden und zwar 
gelang es sowohl durch subentane Injection, als auch durch 
Einreiben einer Platinöse frischer Agar-Strich-Cultur in die 
Nasenöffnung. 

Untersuchungen über die Wirksamkeit des Milzbrandserums des 
Hundes als Schutz- und Heilmittel von Professor Sanfelice. 
Zuerst hat Sclavo Versuche an Kaninchen mit dem Blut¬ 
serum eines Hammels, welchen er gegen sehr hohe Dosen 
virulenter Milzbrandculturen refraetär gemacht hatte, angestellt. 
Marchoux hat die Resultate Sclavos bestätigt. In neuester 
Zeit hat Sobernheim Versuche an Schafen veröffentlicht 
Verfasser hat nun eigene Studien über die Empfänglichkeit der 
Hunde für Milzbrand unternommen und fand, dass die allgemeine 
Ansicht der Hund sei refraetär gegen Milzbrand, nicht ohne 
weiteres zurecht besteht, denn er fand eine grosse Anzahl von 
Thieren, welche der Injection geringer Dosen widerstehen, 
aber auch Thiere, welche an einer typischen Septicämie zu 
Grunde gehen. Es ist mindestens ein Vorbereitungszeitranm 
von 20 Tagen nöthig, um die Hunde gegen Milzbrand derart 
zu immnnisiren, dass sie ein heilkräftiges Serum liefern. Die 
Wirksamkeit des Hundeserums studirte S. an Kaninchen und 
später bei einem an Milzbrand erkrankten Menschen. Der 
Patient, welcher eine Milzbrandpustel hatte und bei dem 
gleichzeitig ein colaterales Oedem an der entsprechenden Seite 
über den ganzen Theil des Halses und die untere Gesichtshälfte 
verbreitet war, erhielt 8 ccm Milzbrandserum unter die Haut 
am ersten Tage. Im ganzen wurden 56 ccm Milzbrandserum 
verbraucht, nach etwa 10 Tagen wurde der Kranke vollständig 
geheilt entlassen. 

Notiz zur Immunität der Schnecken gegen Impfmilzbrand von 
A. Lode. Nach der Angabe von Karlinski gehören die 


BERLINER TIIIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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29. Januar 1903. 


69 


BERLINER THIERÄRZTLICIIE WOCHENSCHRIFT. 


Schnecken zu denjenigen Tbieren, welche eine natürliche 
Immunität gegen Impfmilzbrand besitzen. Nach den Versuchen 
Lodes gehen die Thiere, wenn ihnen Impfstoffe in die Leibes¬ 
höhle injicirt wurden zn Grunde, falls sie Temperaturen von 
ca. 32° C. ausgesetzt wurden, während die Thiere bei Zimmer¬ 
temperatur am Leben blieben und auch eine intramuscnläre 
Infection erfolglos blieb. 

Ueber den vererbten und intrauterinen Uebergang der 
agglutinirenden Eigenschaften des Blutes und die Bildung der 
Jkgglutinlne im Körper der Embryonen von Dr. Jure witsch wird 
auf das Original verwiesen. 

Deutsche Medicinal-Zeitung. 

lieber die Surraseuche auf der Insel Mauritius im Jahre 1902, 
von A. Lavaran. In dem Bul. de l’acadm. de med. 34/1902 
theilt L. seine Beobachtungen mit, welche er bei einer Epizootie 
machte, die sowohl Rinder, als auch Maulthiere, Esel und 
Pferde ergriff. DaB erste bemerkbare Symptom ist eine Ver¬ 
änderung im Verhalten der Thiere, sie werden schlaff und träge, 
sie bekommen bald Fieber (41 °). In diesem Stadium stirbt nur 
ein geringer Procentsatz. An verschiedenen Körperstellen zeigen 
sich Oedeme, in deren Flüssigkeit man zahlreiche Trypanosomen 
findet. Die Thiere werden schliesslich so anämisch, dass sie 
nicht mehr aufstehen können. Beim Rinde gehen dem Tode 
nervöse Phänomene, Reitbahnbewegungen n. s. w. voraus. Gegen 
die Surra wurde kein Mittel wirksam gefunden. Die Tsetse¬ 
fliege ist zwar auf Mauritius unbekannt, jedoch sind es jedenfalls 
andere Fliegen, welche die Krankheit übertragen. Es soll eine 
Stechfliege Stomoxys nigra die Rolle der Tsetsefliege über¬ 
nehmen. Nach der Schilderung scheint die Surraseuche den 
Ruin von Mauritius bilden zu sollen. 


Tagesgeschichte. 

Protocoll Ober die Festsitzung zur Feier des 
25 jährigen Bestehens des thierärztlichen Centralvereins 
für die Proyinz Sachsen, die Anhaitischen 
und Thüringischen Staaten, 

abgebalten am 9. November 1902 zu Halle a. S. im Grand Hötel Bode*. 

Die Versammlung wurde 11 Uhr Vormittags durch den Vor¬ 
sitzenden, Herrn Prof. Dr. Disselhorst eröffnet Die Präsenzliste 
wies folgende Herren Mitglieder auf: 

Professor Dr. Disselhorst-Halle a. S., Vet.-Assessor Pirl- 
Dessau, Vet - Assessor Leistikow-Magdeburg, Kreisthierarzt 
Gundelach-Magdeburg, Kreisthierarzt Thunecke-Calbe a. S., 
Institutsleiter Raebiger-Halle a. S., pract. Thierarzt Goeroldt- 
Ht-imersleben, pract. Tbierarzt Holzhau sen-Gr.-Ammersleben, pract. 
Thierarzt Schulze-Bernburg, pract Thierarzt Dolle-Oschersleben, 
Oberrossarzt a. D. Naumann-Halberstadt, Kreisthierarzt Haas- 
Zerbst, Kreisthierarzt Evke-Halle a. S., Oberrossarzt a. D. 
Micbalski - Magdeburg, Kreisthierarzt Lehnhardt - Salzwedel, 
pract Thierarzt Liebrecht-Zörbig, Kreisthierarzt Martens- 
Sangerhausen, Schlachthaus-Dir. Colberg-Magdeburg, Kreisthier¬ 
arzt Ziegen bei n - WolmirBtedt, Kreisthierarzt Ziegenbein- 
Oschersleben, Schlachthaus-Dir. Trautwein-Eisleben, Kreisthier¬ 
arzt Kl oo ss-Eisleben, Kreisthierarzt Tannebring-Querfurt, 
Scblacbth.-Dir. Bierbach-Naumburg a. S., Scblachtb.-Dir. Witte- 
Quedlinburg, pract.Thierarzt Schröder-Eilenburg, pract.Thierarzt 
Ude-Wittenberg, Kreisthierarzt Wienke-Wittenberg, Assistenztbier- 
arzt Müssemeier-Leipzig, Kreisthierarzt Lauche-Bitterfeld, pract. 
Thierarzt Fi sch er-Halle a. S., Schlacht h-Dir. Geldner-Burg, 
pract. Thierarzt Schümm- Naumburg a. S., pract Thierarzt Jünger- 
Weissenfels, Hof - Thierarzt Ernst - Quedlinburg, Kreisthierarzt 
Kühn-Zeitz, Kreisthierarzt Reinshagen Genthin, Kreisthierarzt 
Rössler-Cöthen. 


Die Tagesordnung begann mit der Neuwahl des Schriftführers. 
Der in der Generalversammlung vom 13. Juli d. J. während seiner Ab¬ 
wesenheit zum Schriftführer gewählte Herr Kreisthierarzt Gunde¬ 
lach-Magdeburg bat dieses Amt wegen vielfacher anderweitiger 
Inanspruchnahme niederlegen zu dürfen. Es wurde darauf Herr 
Thierarzt Raebiger-Halle zum Schriftführer und Herr Kreisthier¬ 
arzt Gundelach zu seinem Stellvertreter gewählt. Sodann erfolgte 
die Aufnahme der Herren Kreisthierärzte Dr. Achilles-Wernigerode, 
Dr. Boehme-Oebisfelde, Sondt-Halberstadt, pract. Thierärzte 
Borchardt-Calbe a. M., Schraepler-Beetzendorf, Oberrossarzta. D. 
Fleischer-Halle a. S., Stegmann-Halberstadt, Schilling Oster¬ 
wieck, Roll-Povey, Fr iedrichs-Gr.-Ottersleben und des Assistenz- 
thierarztes Rautmann-Halle a. S. als neue Mitglieder des Vereins. 

Herr I. Schlachthausthierarzt WeisBhuhn-Halle a. S. meldete 
seinen Austritt an. 

Als Gäste waren anwesend die Herren Institutsleiter Dr. Burow, 
Sanität8tbierärzte Semner und Stephan, Assistenzthierärzte Thor- 
mählen und Reimers, Oberrossarzt Bose; von den Ehren¬ 
mitgliedern konnte leider nur Geh. Regiernngsrath Professor 
Dr. Freitag ans Halle an der Feier theilnehmen. 

Als Versammlungsort für die Frühjahrssitzung wurde wiederum 
Halle a. S. bestimmt. Zu derselben sagten Herr Dr. Burow einen 
Vortrag über Milzbrandimpfungen und Herr Raebiger einen Vortrag 
über die bisherigen Ergebnisse neuerer Versuche auf dem Gebiete 
des Souchenwesens zu. 

Der Antrag Naumann-Halberstadt (Provinzialthierärzte) und 
die Statutenabänderung wurden vertagt. 

Schliesslich wurden die an die Begründer des Vereins ge¬ 
richteten Anerkennungsschreiben verlesen, in denen der Dank des 
Vereins für ihre rastlos fördernde Mitarbeit an allen thierärztlichen 
Fach- und Berufsfragen zum Ausdruck gebracht war. Nachfolgenden 
Geschlechtern zum Vorbild sollen die Namen der Begründer im 
Mitgliederverzeichniss fortan an ehrender Stelle vorangesetzt werden. 

Der geschäftliche Theil der Sitzung endete mit der Demonstration 
eines verbesserten elektrischen Lichtstabes durch Herrn Landes¬ 
thierarzt Pirl-Dessau. Es entwickelte sich eine lebhafte Discussion, 
an der die Herren Prof. Dr. Disselhorst, Director Colberg, 
Müssemeyer und Raebiger theilnabmen. 

Hiernach trat eine Pause ein. 

Die Festsitzung mit Damen begann um 1 Uhr. 

Der Vorsitzende Herr Professor Dr. D iss eihorst begrüsste die 
Anwesenden mit herzlichen Worten des Willkommens. Er schilderte 
im Verlaufe seiner Ansprache die bewegte Zeit, in welche die 
Gründung des Vereins hineinfiel, die hin- und herschwankenden 
Kämpfe und das sich immer mächtiger gestaltende Drängen nach 
Aenderung und Besserung der obwaltenden Verhältnisse bis zur end¬ 
lichen Erfüllung der sehnlichsten Wünsche der thierärztlichen Welt: 
der Gleichstellung mit den Studirenden der Universitäten auf Grund 
der gleichen Vorbildung. Redner betonte, dass in allen diesen, 
für den gesammten Stand so hochwichtigen Fragen der Central¬ 
verein stets eine markante führende Stellung eingenommen habe 
und schliesst mit den ermahnenden Worten: „Wenn auch Grosses 
erreicht wurde, das Sehnen nach Grösserem ist noch nicht zu 
Ende, doch nur durch Einigkeit ist es zu erreichen!“ An die mit 
grossem Beifall aufgenommene Begrüssungsrede schloss sich die 
Verlesung der zahlreich eingelaufenen Glückwunschtelegramme, 
unter welchen besonders die Wünsche der Ehrenmitglieder des 
Vereins, der Herren Geh. Oberregierungsrath Ly dtin-Baden, 
Geh. Oberregierungsrath Kühn-Halle a. S., Geheimrath Diecker- 
hoff-Berlin, Geheimrath Esser-Göttingen genannt Bein mögen. Von 
den abwesenden Mitgliedern sandte vor allem Herr Kreisthier¬ 
arzt a. D. Im me Imann-Stendal ein überaus warm empfundenes 
Schreiben ein. 

Nunmehr erhielt Herr Departementsthierarzt Leistikow das 
Wort zu seinem Vortrage über 

Gründung, Vergangenheit und Wirksamkeit des thlerfirztlichen Centralvereins 
für die Provinz Sachsen, die Thüringischen und Anhaitischen Staaten. 

Vortrag, gehalten bei der Feier des 25jährigen Bestehens des 
Vereins vom Departementsthierarzt Leistikow-Magdeburg. 

M. D. u. H. Die beste Lehrerin auf allen Gebieten des öffent¬ 
lichen Lebens ist die Geschichte. Unser Verein begeht heute sein 


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70 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 5. 


25jähriges Stiftungsfest, er hat also auch schon eine, wenn auch 
nicht besonders weit zurückreichende Geschichte. Gestatten Sie 
mir, Ihnen diese Geschichte in kurzen Zügen vorzuführen. Ob 
unter dem Vorgeführten eins oder das andere sein wird, welches 
auch uns zur Belehrung dienen kann und muss, will ich dem Er¬ 
messen der geehrten Herrschaften überlassen. 

Wie Sie wissen, m. D. u. H., ist unser Verein am 10. October 
1877 im Gasthof „Zum Kronprinzen“ in Halle a. S. gegründet 
worden, nachdem der Professor Pütz mit den derzeitigen Depar¬ 
tementsthierärzten der Provinz Sachsen, Prof. Dr. Jacobi-Erfurt, 
Müller-Magdeburg und Oemler-Merscbnrg einen Monat vorher 
einen Aufruf an die Thierärzte in der Provinz Sachsen, den Thürin 
gischen und Anhaitischen Staaten erlassen hatie, wodurch zur Theil- 
nahme an der Gründung des Vereins eingeladen, wurde Motivirt 
wurde die beabsichtigte Vereinsgründung mit der Bedeutung, welche 
die Mitwirkung thierärztlicher Vereine bei dem erfreulichen Fort¬ 
gänge der Reformen im Gebiete der Veterinär-Gesetzgebung ver¬ 
schiedener deutscher Staaten gefunden habe. Es dürfe hierbei 
namentlich derjenige Theil des Vaterlandes nicht Zurückbleiben, 
welcher für das Studium der verschiedenen Thierseuchen die meiste 
Gelegenheit biete, er dürfe sich besonders bei dem bevorstehenden 
Erlasse eines Seuchengesetzes für daB Deutsche Reich nicht 
passiv verhalten. 

Unter Hinweis auf die alte Devise: 

„Concordia parvae res crescunt 
Discordia maximae dilabuntur“ 

wird zu festem und treuem Zusammenhalten ermahnt und zum 
Beitritt zum Verein aufgefordert. 

In Folge dieses Aufrufs vereinigten sich am genannten Tage 
über 50 Thierärzte hier in Halle. Prof. Pütz eröffnete die Geschäfts¬ 
verhandlungen im Namen des Comites, sprach sich zunächst in 
freier Rede über die Nothwendigkeit einer innigeren collegialischen 
Verbindung unter den Tbierärzten der Provinz aus und betonte die 
Dringlichkeit der Bildung grösserer tierärztlicher Vereine hier und 
in allen Provinzen unseres gemeinsamen Vaterlandes. 

Nachdem Pütz zum Tagespräsidenten erwählt war, legte er 
einen Statuten-Entwurf vor, welcher angenommen wurde und bis 
vor Kurzem in Geltung gewesen ist. 

Bei der Berathung der Statuten wurde nur wenig discutirt. 
Nur zum § 10 beantragte Mummenthey-Genthin, die Vereins¬ 
versammlungen zeitweilig auch in Magdeburg abzuhalten, indem er 
die weiten Entfernungen betonte, welche einzelne Vereinsmitglieder 
nach Halle zurückzulegen hätten. Nachdem mein derzeitiger Vor¬ 
gänger, Müller, sich gegen diesen Antrag ausgesprochen hatte, 
indem er angab, Halle sei mit Rücksicht auf das Eisenbahnnetz, 
der verhältnissmässig günstigste Versammlungspunkt, und nachdem 
auch Pütz dagegen gesprochen hatte, wurde der Mummenthey’sche 
Antrag abgelehnt. Nichtsdestoweniger haben in der Folge wieder¬ 
holt Vereinsversammlungen in Magdeburg stattgefunden, worüber 
ich später noch berichten werde. 

Nach Annahme der Statuten wurde zur Wahl des Vorstandes 
geschritten. Auf Antrag von Jacoby wurde Pütz zum Vereins¬ 
präsidenten, Jacoby wurde zum Vicepräsidenten, Müller-Magde¬ 
burg zum Schriftführer, Jost-Aschersleben zum Hülfsschriftführer 
und Oemler-Merseburg zum Kassirer gewählt. 

In dieser ersten Sitzung wurde dann noch der Anschluss an 
den deutschen Veterinärrath beschlossen und Prof. Kühn in Halle 
und Oeconomierath Nobbe-Niedertopfstedt zu Ehrenmitgliedern 
des Vereins ernannt. 

Wie allgemein bekannt, hat Pütz, auf dessen Initiative wohl 
zumeist die Gründung des Vereins zurückzuführen ist, den Vorsitz 
bis zu seinem Tode, am 4. März 1898, also über 20 Jahre lang, 
geführt und in 40 Sitzungen präsidirt. Er hat dem Vereine un¬ 
vergessliche Dienste geleistet. Er war zugleich Rückgrat und 
Seele des Vereins. Was Letzterer an Erfolgen, besonders im Standes¬ 
interesse aufzuweisen hat, verdankt er zum allergrössten Theil 
seinem ersten Präsidenten. Sein Andenken wird, solange der Verein 
besteht, also, wie wir hoffen, in unabsehbarer Zeit unvergessen 
bleiben. Möge er als Vorbild dienen! 

Die Thätigkeit und Wirksamkeit des Vereins in dem ver¬ 
gangenen Vierteljahr!)undert bewegten sich in drei Richtungen: 


1. In Arbeiten zur Förderung der Wissenschaft. 

2. In Arbeiten im Interesse des Standes. 

3. In Pflege der Geselligkeit. 

Die folgenden Angaben habe ich aus den Protokollen ent¬ 
nommen, welche von Anfang an Uber jede Sitzung aufgenommen 
und gedruckt an die Vereinsmitglieder vertheilt worden sind. Durch 
di* Güte mehrerer Collegen ist mir die Einsicht in den grössten 
Theil dieser Protocolle möglich gewesen. Ich will nicht versäumen, 
den betreffenden Herren Collegen hiermit meinen besten Dank aus¬ 
zudrücken. 

Werfen wir nun, meine sehr geehrten Herrschaften, einen ge¬ 
meinsamen Blick rückwärts und betrachten zunächst, was der 
Verein zur 

1. Förderung der Wissenschaften 
gethan hat, so fällt uns eine stattliche Reihe von Vorträgen in die 
Augen, welche grösstentheils von Mitgliedern, zum kleineren Theil 
aber auch von Gästen, die eine hervorragende Stellung in der 
thierärztlichen Welt einnehmen und auch von Auderen gehalten 
worden sind. Sie haben in den meisten Fällen zu lebhaftem 
Meinungsaustausch geführt. 

In der 2. Generalversammlung in Halle am 20. März 1878 
hielt der verstorbene College Ziegenbein-Oschersleben einen 
Vortrag über die Lungenseuche-Impfung. Leider verbietet mir die 
Zeit, hierauf näher einzugehen, nur möchte ich erwähnen, dass 
Redner sich warm für die Nothimpfung in bereits verseuchten 
Beständen aüsspricht, während er die Schutzimpfung in nicht 
verseuchten Beständen nicht empfiehlt. Correferent war Villaret- 
Halle. Es entspann sich eine äusserst lebhafte Debatte, an welcher 
sich auch einige als Gäste anwesende Landwirthe betheiligten. 

In der 3. Versammlung, November 1878, in Halle wurde 
über den Milzbrand verhandelt. Da Oemler, welcher den Vortrag 
übernommen hatte, wegen Krankheit ausgeblieben war, leitete Pütz 
die Discussion ein. 

Dann sprach noch Professor Kühn-Halle über befallene 
Futterpflanzen. 

In der 4. Versammlung am 3. Mai 1879 in Halle hielt 
Oemler seinen Vortrag über Milzbrand. Die Discussion hierüber 
wurde der vorgeschrittenen Zeit wegen verschoben. 

Wie Sie wissen, m. D. u. H., hat Oemler sich ganz besonders 
, eingehend mit der Erforschung des Milzbrandes beschäftigt und 
j auf diesem Gebiet Hervorragendes geleistet. Seine Arbeiten sind 
! im Archiv veröffentlicht. Der Oemler'sche Vortrag ist gedruckt 
i an die Mitglieder vertheilt worden. In den Vereinsacten habe ich 
j ihn leider nicht vorgefunden. 

In derselben Sitzung referirte noch König-Neuhaldensleben 
| über chronische Zellgewebe-Wassersucht bei Zugochsen. 

5. Versammlung, 16. October 1879 in Halle. Vortrag von 
Prof. Pütz über antiseptische Wundbehandlung. Er 
empfahl, der damaligen Zeit gemäss, besonders die (Jarbolsäure 
und demonstrirte mehrere Instrumente und Bandagen. Auch der 
farboleinspritzung nach Dammann beim Rothlauf der Schweine 
wurde Erwähnung gethan. 

Dann wurde noch über die Zellgewebswassersucht und Schlempe¬ 
mauke verhandelt. 

Die 6. Versammlung wurde am 29. Mai 1880 in Magdeburg 
im Belvedere abgehalten. Zunächst wurde über die Zahnscheere 
nach Möller und den Zahinneissel discutirt. 

Dann ersucht Pütz, ihm hochgradig mit Perlsucht behaftete 
Kühe zum Ankauf nachzuweisen. Er beschäftigt sich mit Ver¬ 
suchen, deren bisherige Ergebnisse denen des verstorbenen Geheim¬ 
raths Gerl ach sehr nahe kämen. 

7. Versammlung in Halle am 16. October 1880. Nach einem 
Rückblick auf die Thätigkeit des Vereins während seines nunmehr 
dreijährigen Bestehens seitens des Vorsitzenden hielt Prof. Dr. 
j Zürn-Leipzig einen Vortrag über die Aetiologie des Milzbrandes. 

Dabei wurden microphotographische Abbildungen vorgezeigt und 
j microscopische Präparate demonstrirt. 

Oemler zeigt eine von ihm erfundene Lungenseucherlmpfnadel 
vor. Pütz erwähnte die guten Erfolge, welche Holland mit 
seinem Lungenseucbetilgungs-Verfahren gehabt hat. Es wv schon 


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29. Januar 1903. BERLINER THIERARZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 71 


damals ganz scuchenfrei und die gegen Holland seitens der 
Nachbarstaaten eingerichteten Grenzsperren sämmtlich wieder auf¬ 
gehoben. 

Pütz sprach im Anschluss hieran die Erwartung aus, dass 
auch in unserer Provinz bei rationell ausgeflihrter Impfung und 
sachverständiger Centralisation des Tilgungsverfahrens derselbe 
Erfolg'erzielt werden würde. Zürn bemerkt hierauf, er habe noch 
niemals sichtbare Erfolge durch die Impfung gesehen. Danach 
wird die Lungenseuche-Impfung nochmals auf die nächste Tages¬ 
ordnung gesetzt und Pütz als Referent, Zürn als Correferent 
bestellt. 

8. Versammlung in Halle am 21. April 1881. Pütz trägt 
über Lungenseuche-Impfung vor, welche er als wichtigstes und 
wirksamstes Mittel für die Tilgung der Lungenseuche in der Provinz 
Sachsen ansicht. Zürn war leider nicht erschienen, er ist später 
ausgeschieden. Die Discussion wurde verschoben. 

Müller Magdeburg trug darauf über „weisse Ruhr der Kälber“ 
vor, wozu Emke-Halle das Correferat hatte. Der Müller’sche 
Vortrag befindet sich als Anlage beim Protocoll dieser Sitzung. 

9. Versammlung in Halle am 14. October 1881. Es waren der 
Landes-Director und mehrere Landwirthc als Gäste anwesend. 
Pütz referirtc über eine Reise, welche er im ministeriellen Auf¬ 
träge nach Frankreich, Holland und Belgien unternommen hatte, 
um im ersteren Lande die Milzbrand-, in den anderen die Lungen¬ 
seuche-Impfung zu studiren. 

Pütz schliesst seinen Vortrag mit dem Hinweise, dass in dem 
damals neu erlassenen französischen Viehseuchengesetz die Zwangs- 
Notbimpfung gegen Lungenseuche vorgesehen sei. 

Es entspann sich darauf eine Debatte über den Werth oder 
Unwerth der Lungenseuchen-Impfung, an den sich besonders 
Oemler und auch die Gäste betheiligten. Oemlerwarf die Frage 
auf, ob die Lungenseuche von der sporadischen Lungenseuche 
anatomisch verschieden sei. 

Pütz trat ir.it der Behauptung hervor, die Lungenseuche sei 
überhaupt keine ansteckende Lungenentzündung, sondern eine 
Infectionskrankheit. Die veraltete Annahme, dass Lungenseuche 
eine ansteckende Lungenentzündung sei, führe zu unrichtigen 
Folgerungen. Dieser Behauptung trat Oemler energisch entgegen. 

Professor Pütz referirte dann über die Resection der Huf bein¬ 
beugesehne zur Heilung veralteter Nageltritte bei Pferden. Diese 
Operation sei in neuester Zeit in Alfort mit sehr gutem Erfolge 
ausgeführt worden. Auch Pütz hat sie gemacht. 

Die Protocolle der 10., 11. und 12. Versammlung sind mir 
leider nicht zugänglich geworden. 

13. Versammlung, 18. October 1883 in Halle. Pütz referirte 
über den internationalen thierärztlichen Congress in Brüssel. 

Die 14. Versammlung wurde am 23. Mai 1894 im Hörsaal der 
Veterinär-Klinik abgehalten, woselbst Geheimrath Kühn über Tliier- 
zucht mit besonderer Berücksichtigung der Abstammung und Art 
unseres Hausschafes und Rindes vortrug. Er erläuterte Alles so¬ 
weit möglich an Präparaten und durch Vorstellung lebender 
Kreuzungs-Producte im landwirtschaftlichen Thiergarten. Oemler 
referirte dann noch über die Frage: „Welche Erkrankungen sind 
im Sinne des § 91 der Bundesrathsinstrnction als neue Lungen¬ 
seuchefälle anzusehen?“ Diese Frage ist, wie bekannt, später 
durch ein Gutachten der technischen Deputation entschieden worden. 

Das Protokoll der 15. Versammlung, welche am 19. Sep¬ 
tember 1884 in Magdeburg gelegentlich der dort tagenden Natur¬ 
forscher-Versammlung stattgefunden hat, fehlt. 

16. Versammlung in Halle, 26. April 1885. Prof. Dieckerhoff 
hielt einen Vortrag über diphtheritische Erkrankungen der Haus¬ 
tiere. 

Es folgte eine Discussion über das bösartige Katarrhalfieber 
des Rindes und schliesslich über Milzbrand-Impfungen in Packisch 
und über Rauschbrand-Impfungen. 

17. Versammlung in Halle, 23. October 1885. Professor Dr. 
Freytag hielt einen Vortrag über Thierzucht in Rumänien. 

18. Versammlung in Magdeburg, Kaiserhof, 14. April 1886 
ohne wissenschaftliche Vorträge. 

19. Versammlung in Halle, 19. October 1886. Pütz hielt einen 
Vortrag über Gregarinen, Psorospermien und Mieschersche Schläuche. 


Anlass zu diesem Vortrage gab ein der Klinik zugefiihrtes Pferd 
mit einer eigentümlichen Erkrankung der Muskeln, welche, wie 
sich nach dem Schlachten des Thieres und aus Untersuchungen 
von^ Rabe und Johne ergab, durch Psorospermien verursacht war. 

20. Versammlung in Halle, 6. April 1887. Discussion über die 
Frage: Welche veterinär-polizeilichen Massregeln sind bei Pferden 
zu treffen, die zufällig in einem durch Rotz verseuchten Stalle 
untergebracht waren und inwieweit bedürfen die betreffenden ge¬ 
setzlichen Bestimmungen einer Ergänzung? Wolf-Dessau leitete 
die Discussion ein. Sie wird nicht bis zum Schluss durchgefUhrt, 
sondern vertagt. 

21. Versammlung zur Feier des 10jährigen Stiftungsfestes. 
Halle am 10. August 1887. Vortrag von Fi sc her-Halle Uber den 
Dumrakoller der Pferde. 

22. Versammlung in Halle am 24. April 1888. Dr. Schneide¬ 
mühl-Halle berichtet über den internationalen Congress für Hygiene 
und Demographie in Wien, Peters-Aschersleben über die Sehnen¬ 
krankheiten der Pferde, an welche sich eine Discussion schloss, in 
der besonders Frick-Hettstedt über die pathologischen Zustände 
an den Sehnen und Sehnenscheiden sprach. 

23. Versammlung am 11. October 1888. In der Thierklinik der 
Universität führte zunächst Peters-Aschersleben die Operation 
der Durchschneidung des nervus medianus beimPferde aus, Frick- 
Hettstedt die Möller'sche Operation zur Beseitigung des Kehlkopf 
pfeifens. Darauf demonstrirte Schneidemühl-Halle einen elek¬ 
trischen Beleuchtungsspiegel für Untersuchung der Nasen-, Manl- 
und Rachenhöhle. Die in der 22. Versammlung abgebrochene 
Discussion über die Sehnenkrankheiten der Pferde wird fortgesetzt, 

24. Versammlung am 10. April 1889 in Halle. Im Hörsaale der 
Universitäts-Thierklinik demonstrirte der Vorsitzende verschiedene 
Präparate, Kehlköpfe von Pferden, die nach Möller gegen Kehlkopf¬ 
pfeifen operirt waren, die Instrumente zu dieser Operation und ein 
operirtes und geheiltes Pferd, sowie einen Huf, an welchem er 
einen Sequester aus der Beugesehne entfernt und einen cariösen 
Defect mit dem scharfen Löffel ausgekratzt hatte. Nach vollendeter 
Operation hatte sich das betreffende Pferd den ersten Lenden¬ 
wirbel gebrochen. Auch einige anatomische Präparate wurden 
noch vorgezeigt. Falk-Bernburg hielt einen Vortrag über die Be¬ 
deutung, zweckmässige Einrichtung und Leitung von Schlacht¬ 
häusern. 

25. Sitzung am 16. October 1889. Besichtigung des Thier¬ 
gartens in Halle unter Leitung von Geheimrath Kühn. 

27. Versammlung am 24. October 1890 in Halle. O e m 1 e r referirt 
über die Naturforscher-Versammlung in Bremen. Hofherr-Halle 
trägt vor über das Thema: „Die thierärztliche Controle der Fleisch¬ 
nahrung des Menschen.“ Dasselbe Thema wird auf die Tages¬ 
ordnung der 28. Versammlung gesetzt, in welcher Hertwig-Berlin 
zugegen war. 

In dieser Sitzung am 23. April 1891 eröffnet Falk-Bernburg 
die Discussion. Er schlägt vor, der Central-Vertretung verschiedene 
Forderungen der Thierärzte über die Fleischbeschau und die 
Trichinenschau zu einer Eingabe an das Ministerium zu unter¬ 
breiten. Die Forderungen haben im Wesentlichen das Ziel, die 
Fleischbeschau; von der ärztlichen Controle unabhängig zu machen 
und sie ausschliesslich in die Hand der Thierärzte zu legen. 
Darauf spricht Hertwig über „die Freibänke“. 

Das Protocoll der 29. Versammlung fehlt. 

30. Versammlung am 28. April 1892 in Halle. Dr. Hugo 
Hertwig-Berlin hält einen Vortrag über Concretionen im Schweine¬ 
fleisch. Er stellt am Schlüsse folgende Thesen auf: 

1. Fleisch mit wenigen Concretionen kann zum Consum zu¬ 
gelassen werden, wenn dieselben nicht von Trichinen und Finnen 
herrühren. 

2. Fleisch, welches sehr viele Concretionen enthält, gleichviel 
welchen Ursprungs dieselben sind, kann nur zur Fettgewinnung 
benutzt werden. 

31. Versammlung am 3. December 1892 in Halle. Goltz-Halle 
hält einen Vortrag zur Definition des Begriffes „Kalb“. 

32. Versammlung am 24. Mai 1893 in Halle. Goltz-Halle 
trägt vor „über die verschiedene Qualität des Fleisches unserer 
Haupt8chlachtthiere“. 


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72 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 5. 


33. Versammlung am 22. October 1893 in Halle. Ucmlcr 
leitet die Discussion ein über „die Nothwendigkeit der Einführung 
einer Entschädigung für an Milzbrand gefallenes Grossvieh“. Frick- 
Hettstedt hält einen Vortrag , über Brennmethoden und deren Werth 
für die Chirurgie“. 

34. Versammlung am 22. Mai 1894 in Halle. Schulze-Bernburg 
berichtet über Behandlung der Actinomycome der Rinder mit 
Arsenik. 

35. Versammlung am 14. October 1894 in Halle. Friedrich- 
Halle hält einen Vortrag über „verschiedene Behandlungsmethoden 
der Actinomycome und deren Erfolge“. 

38. Versammlung am 14. Juni 1896 in Halle. Ko hl-Lützen 
hält einen Vortrag Über die Boma’sche Krankheit. Pasch- 
Benkendorf berichtet über Schutzimpfungen gegen den Ruthlauf 
der Schweine. Goltz-Halle zeigte ein Stück Kuhleber vor, 
welches mit multiplem Angioma cavernosum behaftet war, und 
knüpft daran einige Bemerkungen. 

39. Versammlung am 25. October 1896 in Magdeburg. Enke- 
Halle und Martens-Sangerhausen berichteten über die Borna’scbe 
Krankheit, Thunecke-Calbe über Impfungen gegen den Rotblauf 
der Schweine mit Porcosan. 

40. Versammlung am 16. Mai 1897 in Halle. Goltz-Halle hält 
einen Vortrag über Speisegesetze der Juden. Klebba-Halle be¬ 
richtet über erfolglose Behandlung eines Pferdes, das an Starrkrampf 
litt, mit Tetanus-Antitoxin, Li ebner-Delitzsch referirt über den 
Stand der Borna’schen Krankheit und über die von Professor 
Ostertag angestellten Heilversuche mit Blutserum. Goltz-Halle 
berichtet über Impfversuche mit dem von Siegel und Possenius 
gefundenen Microben der Maul- und Klauenseuche auf dem Hal¬ 
lenser Schlachthofe. Sie blieben resultatlos. 

41. Versammlung am 3. October 1897 in Halle. Festsitzung 
zur Feier des 20jährigen Bestehens des Vereins Plitz’s Fest¬ 
vortrag werde ich im 2. Theil meines Vortrages besprechen. Klebba- 
Halle hielt einen Vortrag über Infection, Immunität und Schutz¬ 
impfung. 

42. Versammlung am 13. März 1898 in Halle. Martens- 
Sangerhausen berichtet über vaginitis boum contagiosa. 

43. Versammlung am 23. October 1898. Steinmeyer-Weissen- 
fels trägt über Tuberculose vor. 

44. Versammlung am 4. Juni 1899 in Magdeburg. Pirl- 
Dessau hält einen Vortrag über Trichinen bei Hunden, Griesor- 
Naumburg über die subcutane Anwendung wichtiger Alcalolde in 
der tierärztlichen Praxis. Friedrich-Halle theilt mit, dass er in 
den Besitz eines im Jahre 1781 erschienenen Werkes „Der Pferde¬ 
arzt“ von J. B. von Lind gekommen sei. In diesem Werke wird 
eine Krankheit beschrieben, deren Symptome vermuthen lassen, 
dass es sich um die Borna'sche Krankheit gehandelt habe. 

45. Versammlung am 5. November 1899 in Halle. Rössler- 
Cötben referirt über Gewährleistung beim Viehhandel nach dem 
Neuen Bürgerlichen Gesetzbuch. Bereits an den beiden vorher¬ 
gehenden Tagen war in Halle die Gruppe der Schlachthofthierärzte 
zusammengetreten. Nach Erledigung geschäftlicher Angelegenheiten 
hielt Ri stow-Magdeburg eineu Vortrag über den derzeitigen Stand 
des Reichsfleischschaugesetzes. Colberg - Magdeburg referirte 
dann noch über die Stellung der Schlachthofthierärzte nach dem 
Communalbeamten-Gesetz vom 30. Juli 1899. 

46. Versammlung am 13. Mai 1900 zu Magdeburg. Richter- 
Dessau trägt über „die neue Hundeseuche“ vor. Prof. Dr. Ostertag 
berichtet über „die Borna’sche Krankheit“. Endlich macht Hecker- 
Halle noch einige Bemerkungen über die vaginitis boum contagiosa. 

47. Versammlung am 7. October 1900 in Halle. Liebener- 
Delitzsch hält einen Vortrag über die Castration weiblicher Haus- 
thiere. Friedrich-Halle und Haas-Zerbst referiren über Todes¬ 
fälle von Schafen in Folge von Creolinbädern. Friedrich-Halle 
theilt ausserdem noch mit, dass er in zwei Rindviehbeständen nach 
4J£- bis 5V> monatlicher Zwischenzeit die Maul- und Klauenseuche 
zum zweiten Male habe auftreten sehen. Einzelne Thiere sollen 
beim zweiten Male schwerer erkrankt gewesen sein, als beim ersten 
Male. 

48. Versammlung am 16. Juni 1S01 in Halle gelegentlich der 
Ausstellung der Deutschen Landwirthschafts-Gesellschaft. Nach 


einem einleitenden Vortrage des Collegcn H. Räbiger-Halle zwang¬ 
lose Besichtigung der Ausstellung. 

Am 17. Februar 1901 hat die Gruppe der Schlachthofltliier- 
ärzte eine ausserordentliche Versammlung in Dessau abgehalten, in 
welcher Klap hake-Zeitz einen Vortrag über die Gewährleistung 
beim Handel mit Scblachtthieren hielt 

49. Versammlung am 10. November 1901 in Magdeburg. 
Prof. Dr. Disselhorst-Halle hält einen Vortrag über Immunität. 
Ziegenbain-Wolmirstedt spricht über das Dispensirrecht der 
Thierärzte. 

50. Versammlung am 25. Mai 1902 in Magdeburg. Leistikow- 
Magdeburg hält einen Vortrag über Lungenseuche - Impfung, 
Gundelach-Magdeburg über Hackfleischuntersuchungen und Hack¬ 
fleischvergiftungen. Thunecke-Calbe über die Entsendung von 
Delegirten zur Central-Vertretung. Die Gruppe der Schlachthof¬ 
thierärzte hält eine kurze Sitzung ab. 

Dies ist der eigentlich wissenschaftliche Theil unserer Vereins¬ 
geschäfte, ich komme nun zum zweiten Tlieile: 

2. Arbeiten im Interesse des Standes. 

Hiermit sind ausserdem mancherlei geschäftliche Angelegen¬ 
heiten verknüpft worden. Es war zuweilen nicht leicht zu ent¬ 
scheiden, ob bestimmte Gegenstände in den ersten oder zweiten 
Theil meines Vortrages aufgenommen werden sollten. Falls ich 
hierbei Fehler begangen habe, bitte ich um möglichst wohlwollende 
und milde Kritik. In einer ausserordentlichen Versammlung in 
Kösen am 12. Juli 1878 wurde die Absendung einer Adresse an 
den Kaiser Wilhelm I. beschlossen, aus Anlass des kurz vorher 
verübten Attentates. Auf diese Adresse, welche durch den Land- 
wirthschaftsminister eingereicht wurde, erfolgte auf demselben Wege 
eine sehr huldvolle Antwort, die in der dritten Versammlung 
im November 1878 verlesen wurde. In dieser letzteren Versamm¬ 
lung beantragte Oemler-Merseburg die Errichtung einer Sterbe¬ 
kasse für die Vereinsmitglieder, welche aber abgelehnt wurde. In 
der vierten Versammlung am 3. Mai 1879 machte Pütz 
Mittheilung Uber die in Aussicht genommene Section der 
Veterioärraedicin im Verein Deutscher Naturforscher und Aerzte. 
In der 5. Versammlung am 16. October 1879 wird über eine 
Hiilfskasse für Deutsche Thierärzte in Folge Anregung des Veterinär- 
rathes verhandelt. Der Verein lehnte die Betheiligung an der 
Gründung einer derartigen Kasse wegen der grossen Schwierigkeit 
der Durchführung ab. 

Pütz referirte noch über die im selben Jahre in Baden-Baden 
stattgehabte Versammlung der Naturforscher und Aerzte, in welcher 
er einen Vortrag „über die Stellung der Veterinär-Wissenschaft zu 
den übrigen Naturwissenschafften“ gehalten hatte. 

Ferner wurde die Beschaffung einer Instrumenten-Sammlung 
aus Vereinsmitteln beschlossen. Die vorhandenen InBtrumeute 
sollten den Vereinsmitgliedern leihweise überlassen werden. 

VI. Magdeburg, Belvedere, 29. Mai 1860. Verhandlung über 
das Geselz vom 9. März 1872. Durch minist. Circular-Verfügung 
vom 3. December 1879 waren den Thierärzten die Auctionsgebiihren 
abgeschnitten worden. Bekanntlich eiud Bie erst durch Ergänzungs¬ 
gesetz vom 2. Februar 1881 wieder gewährt worden. Es wurde 
die Abfassung einer Denkschrift beschlossen, welche dem damaligen 
Minister von Lucius in Ballhausen durch eine Commission über¬ 
reicht worden ist. 

In dieser Denkschrift, welche von mehreren anderen Provinzial¬ 
vereinen mit unterzeichnet wurde, kamen auch noch einige andere 
Wünsche zur Sprache. Es wurde darin gebeten, den Kreisthier¬ 
ärzten eine höhere Rangklasse zu verleihen und die Reisekosten 
und die Tagegelder anderweitig zu regeln. Ferner wurde für das 
Studium das Reifezeugnis gefordert. Endlich wird die Ueber- 
tragung des Referates für Veterinär-Angelegenheiten an die De¬ 
partements-Thierärzte und die Bestellung eines thierärztlichen 
Referenten im Ministerium erbeten. 

Die Antwort auf diese Denkschrift wurde in der 7. Ver¬ 
sammlung am 16. October 1880 verlesen. Der Herr Minister er¬ 
klärte es zunächst nicht für angemessen, die Vorbildung zu er¬ 
höben, nachdem erst durch Bekanntmachung des Reichskanzlers 
vom 27. März 1878 die Reife für die Prima vorgeschrieben worden 
sei. Ebenso hält er es zur Zeit nicht für angebracht, eine Aen- 


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29. Januar 1903. BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 73 


derung der Rangverhältnisse anzuregen, wenngleich er mit Be¬ 
friedigung constatirt, dass die beamteten Thierärzte im Allgemeinen 
dem Vertrauen entsprochen haben, welches die neuere Gesetz¬ 
gebung ihnen entgegenbrachte. Ebenso werden höhere Tagegelder 
abgelehnt, die Gewährung von ObductionsgebUhren aber in Aus¬ 
sicht gestellt und auch den DepartementB-Thierärzten die Mit¬ 
wirkung an der Bearbeitung der vet-pol. Angelegenheiten bei den 
Laudespolizeibebörden zugesichert. Eines thierärztlichen Referenten 
im Ministerium bedürfe es unter Hinweis auf die technische De¬ 
putation und aut die je nach Bedürfnies zu veranlassende Mit¬ 
wirkung der bewährtesten Veterinäre nicht. 

Diese Antwort bereitete den Anwesenden eine nicht geringe 
Enttäuschung. Sie beauftragten den Vorsitzenden, dem Herrn 
Minister nochmals über die Wünsche des Vereins persönlich Vor¬ 
trag zu halten. 

Als Anhänge zu dem Protocoll der 7. Versammlung finden sich 
die Adresse des Vereins an die Thierarzneischule zu Dresden zur 
Säcularfeier und ein Bericht von Pütz über seine Audienz bei den 
Herren Minister Dr. Lucius, Ministerial-Director Macard und 
Geheimrath Beyer. Pütz spricht sich hierin sehr zufrieden aus 
und vertröstet auf die Zukunft. Er ist vom Minister beauftragt 
worden, seinem Verein zu erklären, dass er (Pütz) bei Sr. Excellenz 
volles Verständniss und viel guten Willen gefunden habe. 

8. Versammlung am 21. April 1881 in Halle. Es wurde darüber 
Beschwerde geführt, dass die Professoren der thierärztlichen Hoch¬ 
schule mit Functionen betraut wurden, welche den beamteten Tier¬ 
ärzten zuständen. Gemeint ist besonders Geheimrath Müller» 
welcher in jener Zeit noch sehr häufig als Rinderpest-Commissar 
beschäftigt wurde. 

Martens-Sangerhausen brachte die Stellung der Civilthier- 
ärzte bei der deutschen Reserve und Landwehr zur Sprache. Er 
beantragte, durch eine Denkschrift das Kriegsministerium um Ver¬ 
besserung der militärthierärztlichen Stellung der Reserve und 
Landwehr zu bitten. Der Antrag wurde angenommen. 

14. Versammlung am 23. Mai 1884 in Halle. Pütz referirt über 
die Stellung der Militärthierärzte in England und Frankreich. 

16. Versammlung am 26. April 1885 in Halle. Pütz referirt 
über die stattgebabte Sitzung des Veterinärrathes. 

17. Versammlung am 23. October 1885 in Halle. Der Verein 
triit der in der Bildung begriffenen Central-Vertretung bei und er¬ 
klärt sich für die Errichtung des Ger lach-Denkmals. Professor 
Dr. Freitag wurde zum Ehrenmitgliede ernannt. 

18. Versammlung in Magdeburg, Kaiserhof, 14. April 1886. 
Pütz referirte über die Central-Vertretung, die sich kurz vorher 
constituirt hatte, und in welcher Pütz Vorsitzender geworden war. 
Der Vorstand war als Deputation an den Herrn Minister, Excellenz 
Macard, Geheimrath Beyer und Geheimrath Virchow entsandt 
worden. Bei der Audienz beim Herrn Minister kam auch wieder 
die Frage der Universitätsreife zur Sprache, wobei Excellenz sich 
äusserte, diese Forderung würde kaum zu erfüllen sein, ohne 
wieder Thierärzte 2. Klasse für die Landpraxis auszubilden. Für 
das Gerlach-Denkmal stellte der Verein 1000 M. zur Verfügung. 

Es folgte dann eine Erörterung der Frage, ob und inwiefern 
eine Belehrung der Tbierbesitzer über Selbsthülfe bei Behandlung 
von Thierkrankheiten Aufgabe der Veterinär Wissenschaft sei? 
Pütz glaubt diese Frage bejahen zu sollen, Oe ml er spricht sich 
dagegen und Uber den Unterricht in landwirtschaftlichen Instituten 
tadelnd aus. Pütz verwahrte sich gegen diese indirect auch gegen 
ihn gerichteten Vorwürfe. 

20. Versammlung in Halle am 6. April 1887. Lehnhardt sen.- 
Wiehe, wird Ehrenmitglied anlässlich seines 50jährigen Jubiläums. 
Pütz berichtet über eine von ihm verfasste Petition an das Ab¬ 
geordnetenhaus betreffend Standesfragen. Diese Petition ist ausser 
an sämrotliche Abgeordnete auch an den damaligen Kronprinzen, 
den Grossherzog von Baden, Moltke, den Cultus-, Kriegs-, Land- 
wirthschafts- und Justizminister, sowie an Macard, Beyer, 
Schläger und Virchow gesandt worden. Aus dem Geheimen 
Cabinet des Grossherzogs von Baden ist darauf ein sehr huldvolles 
Dankesschreiben eingegangen. 

Schläger wird zum Ehrenmitglied ernannt. Das Diplom 
wurde am^22. April^durch eine_Deputation überreicht. 


21. Festversammlung (Feier des 10jährigen Bestehens. Halle, 
10. August 1887.) Pütz hält einen Rückblick auf die Thätigkeit 
des Vereins während des abgelaufenen Decenniums und hebt be¬ 
sonders das freudige Ereigniss der Erhebung der Thierarznei¬ 
schulen zu Hochschulen hervor. Di eck erhoff und Hugo Hertwig 
Berlin wohnten dieser Versammlung bei. 

22. Versammlung in Halle am 24. April 1888. Pütz gedenkt 
in warmen Worten des Hinscheidens Kaiser Wilhelms I. und der 
schlimmen Krankheit, von welcher Kaiser Friedrich betroffen ist. 

Weiter referirte der Vorsitzende über die Thätigkeit der 
Central-Vertretung und den Stand der Angelegenheit des Gerlach- 
Denkmals. Der Central-Verein bewilligte nochmals 1000 M. dazu. 

Es folgt darauf eine Besprechung der Rangverhältnisse der 
beamteten Thierärzte, welche jedoch zu keinem bestimmten An¬ 
träge führt. 

23. Versammlung am 11. October 1888 in Halle. Pütz bringt 
die Verehrung und Liebe zum Ausdruck, welche der am 15. Juni 
heimgegangene Kaiser Friedrich allgemein, nicht am wenigsten 
auch unter den Vereinsmitgliedern genossen hat und betrauert das 
tragische Geschick und den frühen Tod des ritterlichen und all¬ 
gemein geliebten Herrschers, der sein schweres Leiden mit be¬ 
wunderungswürdiger Heldengrösse und Ergebenheit in den Willen 
des Höchsten getragen hat. 

24. Versammlung am 10. April 1889 in Halle. Esser, Lydtin, 
Schall-Bonn und Rothenbusch-Cöln werden zu Ehrenmitgliedern 
ernannt. Es wird beschlossen, die chirurgischen Instrumente des 
Vereins in der nächsten Sitzung zu verkaufen. 

Das Protocoll der 26. Sitzung fehlt. 

27. Versammlung am 24. October 1890 in Halle. Pütz be¬ 
richtet Uber die Säcularfeier der Hochschule in Berlin und die Ent¬ 
hüllung des Gerl ach-Denkmals, bei welcher Pütz als Vorsitzender 
der Central-Vertretung an erster Stelle gestanden hat. 

28. Versammlung in Halle am 23. April 1891. Für ein Gitter 
zum Gerlach-Denkmal werden 100 M., für eine Virchow-Adresse 
150 M. aus der Vereinskasse bewilligt. Ziegenbein I. wird zum 
Ehrenmitgliede ernannt anlässlich seines 50 jährigen Jubiläums als 
Thierarzt. 

30. Versammlung in Halle am 28. April 1892. Pütz macht 
Mittheilung von der Rangerhöhung der Rossärzte. Die Central- 
Vertretung hat dem Herrn Kriegsminister hierfür den besten Dank 
ausgesprochen und daran die Bitte geknüpft, den Militärthierärzten 
den Eintritt in die thierärztlicben Vereine wieder zu gestatten. 
Diese Bitte ist abgeschlagen worden, wie in der folgenden 31. Ver¬ 
sammlung mitgetheilt wird. Es wird ferner über die Frage des 
Reifezeugnisses als Vorbedingung zum Studium der Thierheilkunde 
discutirt. Die Regelung dieser Frage wird schon zum Herbst für 
wahrscheinlich gehalten. 

31. Versammlung in Halle am 3. December 1892. Prof. Rabe- 
Hannover, Dr. Hertwig-Berlin und Dr. Albrecht-Berlin werden 
Ehrenmitglieder. 

32. Versammlung. Jacoby-Erfurt und Müller-Stettin werden 
Ehrenmitglieder. 

33. Versammlung: 22. Oktober 1893 in Halle. Lauche- 
Bitterfeld berichtet über eine Differenz, in welche er mit dem 
Concursrichter Uber die Frage gerathen sei, ob die Thierheilkunde 
eine Wissenschaft sei. Es handelte sich dabei um die Entscheidung 
Uber bevorrechtigte Forderungen. 

Im Regulativ vom 24. Juni 1836 und in der Cabinetsordre vom 
10. Februar 1847 ist die Thierarzneikunde als eine wahre Wissen¬ 
schaft und die Thierarzneischule als ein wissenschaftliches Institut 
anerkannt. College Lauche hat daher mit seiner Ansicht obgesiegt. 
Zur Berathung über die Lebensversicherung und Unterstützungs¬ 
kasse der Thierärzte wird eine Commission bestehend aus den 
Herrren Pirl, Schlemmer und Ziegenbein gewählt. 

34. Versammlung: 22. Mai 1894 in Halle. Pütz berichtet 
Uber die Bestrebungen, die Anforderungen für die Zulassung zum 
Studium der Thiermedicin herabzusetzen und die dagegen unter¬ 
nommenen Schritte. 

Zur Beschaffung von 50 Commersbiicher und einem Clavier- 
auszuge werden die Mittel aus der Vereinskasse bewilligt 


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74 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 5. 


35. Versammlung: 14. October 1894 in Halle. Pirl er¬ 
stattet den Bericht der in der 33. Versammlung gewählten Com¬ 
mission über Lebens- und Unfallversicherung. Wie bekannt, ist 
die Angelegenheit von der Centralvertretung in die Hand genommen 
worden. 

36. Versammlung: 21. Mai 1895 in Halle. Thunecke 
referirt über die 5. Versammlung der Central-Vertretung. 

37. Versammlung: 27. October 1895 in Halle. Pütz be¬ 
richtet über den 6. internationalen thierärztlichen Congress in Bern. 
Colberg berichtet über die soeben erfolgte Bildung der Gruppe 
der Schlachthausthierärzte innerhalb des Ccntral-Vereins. Nachruf 
für Pasteur. 

Von der 38. Versammlung, 14. Juni 1896, ist nichts Besonderes 
zu berichten. 

39. Versammlung in Magdeburg, 25. October 1896. Pütz 
schlägt vor, die Versammlungen für die Folge abwechselnd in 
Halle und in Magdeburg abzuhalten. Endgültige Annahme der 
Statuten der Gruppe der Schlachtbausthierärzte. 

40. Versammlung: 16. Mai 1897 in Halle. Thunecke-Calbe 
beantragt eine Petition dun h die Centralvertretung an den Herrn 
Minister um Rangerhöhung der Kreisthierärzte zu richten. Dieser 
Antrag wird von Liebener-Dclitzsch und Klebba-Halle leb¬ 
haft unterstützt. Pütz erklärt ihn aber für inopportun. Die Be¬ 
sprechung soll in der nächsten Sitzung fortgesetzt werden. In der 
Gruppe der Schlachthofthierärzte referirt Goltz über die Petition 
betreffend die definitive Anstellung der Schlachthofthierärzte und 
über die Abhaltung bacteriologischcr Curse für Schlachthofthierärzte. 

41. Versammlung: 3. October 1897 in Halle. 20jährigcs 
Stiftungsfest. Pütz hält einen Festvortrag. An der Hand eines 
historischen Abrisses der Genesis unserer Wissenschaft schildert 
er die Wirksamkeit der thierärztlichen Vereine. Der Rückblick, 
den er hielt, giebt im Wesentlichen die von mir vorgetragenen 
Fortschritte und Bestrebungen wieder. Am Schlüsse erwähnt er 
die Zeichen der Dankbarkeit, welche hervorragenden Thierärzten 
und Gönnern der Thierheilktinde von der Gcsammtheit der Thier¬ 
ärzte dargebracht sind. 

Er erwähnt: 

1879 Ueberreichung einer kunstvollen Adresse an Excellenz 
Friedenthal; 

1888 Haubner-Denkmal in Dresden; 

1890 Gerlach-Denkmal und die Erinnerungstafel zur Säkular¬ 
feier der thierärztlichen Hochschule in Berlin; 

1891 die Virchow-Adresse; 

1893 die Macard-Biiste. 

8961 die Adresse*) an Geh. Rath Beyer. 

Der Vortrag ist ausserordentlich interessant und lesenswerth. 

42. Versammlung: 13. März 1898 in Halle. Oeraler als stell¬ 
vertretender Vorsitzender widmet dem am 4. März verstorbenen 
Gründer und stetigen Vorsitzenden des Vereins, Prof. Dr. Pütz, 
einen wohlverdienten, ehrenden Nachruf indem er die Verdienste 
des theuren Dahingeschidenen um den thierärztlichen Stand, die 
thierärztliche Wissenscl aft und unseren Verein beleuchtet und 
ausserdem des liebenswürdigen, stets heiteren Collcgen von 
strengster Rechtlichkeit und Wahrheitstreue gedenkt. Der Ehren¬ 
rath des Vereins — errichtet am 16. October 1889 — wird wieder 
aufgehoben. Liebener-Delitzsch referirt über „Stacdesangelegen- 
heiten der Kreisthierärzte“. Auf Antrag desselben Referenten be- 
schliesst der Verein bei der Central-Vertretung vorstellig zu werden, 
das Andenken des Professor Dr. Hertwig anlässlich seines 100. 
Geburtstages möglichst durch Aufstellung seiner Büste in der Aula 
der Hochschule in Berlin zu ehren. 

43. Versammlung in Halle am 23. October 1898. Lange-Salz- 
wedel wird zum Ebrenmitgliede ernannt. Li eben er und Thunecke 
berichten über die Verhandlungen der letzten Central-Vertretung. 
Für den thierärztlichen internationalen Congress in Baden-Baden 
werden 200 M bewilligt. 

Leistikow nimmt den von Pütz in der 39. Versammlung ge¬ 
machten Vorschlag wieder auf, die Vereins-Sitzungen abwechselnd 

*) Es handelte sich um keine Adresse, sondern um ein hervor¬ 
ragendes Kunstwerk den „Mai-Grafenbecher“. (Anm. d. Red.) 


in Halle und Magdeburg abzuhaltcn. Die Berathung über diesen 
Antrag wird auf die Tagesordnung der nächsten Versammlung 
gesetzt. 

44. Versammlung, 4. Juni 1899 in Magdeburg. Der Verein 
beschliesst die Abänderung des § 10 der Statuten. Dieser soll 
künftig lauten: Die Vereinsversammlungen finden in der Regel 
zweimal im Jahre, im Frühjahre und ira Herbst abwechselnd in 
Halle und in Magdeburg statt. 

An die Versammlung schliesst sich eine kurze Sitzung der 
Gruppe der Schlachthofthierärzte. 

45. Versammlung, am 5. November 1899 in Halle. Colberg- 
Magdeburg und Pirl-Dessau berichten über den thierärztlichen 
Congress in Baden Baden, Gundelach-Magdeburg über die Ein¬ 
weihung der neuen thierärztlichen Hochschule in Hannover. 

46. Versammlung am 13. Mai 1900 in Magdeburg. In der 
Gruppe der Schlachthofthierärzte referirt der Obmann Colberg- 
Magdeburg nach Erledigung geschäftlicher Angelegenheiten über 
das von der Stadt Magdeburg auf Grund des Communalbeamten- 
Gesctzes erlassene Ort-statut, soweit es die Angestellten und Be¬ 
amten des Schlacht- und Vichhofes betrifft. 

47. Versammlung am 7. October 1900 in Halle. Der Verein 
bewilligt für die Büsten von Gurlt und Hertwig einen Beitrag 
von 250 Mark. 0einler wird zum Ehrenmitgliede ernannt. 

48. Versammlung am 16. Juni 1901 in Halle. Ausstellung der 
Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft. 

49. Versammlung am 10. November 1901 in Magdeburg. Be¬ 
rathung der neu entworfenen Statuten. Discussion über die Wahl 
der Delegirten zur Central-Vertretung. Die Gruppe der Schlachthol¬ 
thierärzte hielt eine kurze Versammlung ab. 

50. Versammlung am 25. Mai 1902 in Magdeburg. Pirl-Dessau 
widmet dem dahingesebiederen Gründer nnd langjährigen Vorstands- 
mitgliede, zuletzt Vorsitzenden und Ehrenmitglied des Vereins, 
Departemcntstbierarzt a. D. Oemler - Merseburg einen Nachiuf. 
Leistikow macht davon Mittheilung, dass man im Regierungs¬ 
bezirke Merseburg mit der Absicht umgehe, einen besonderen 
thierärzilieben Verein zu gründen. Die endgültige Annahme der 
Statuten wird auf die nächste Tagesordnung gesetzt. Michalski- 
Magdcburg berichtet über Anweisungen des Central-Vieh-Ver¬ 
sicherungs-Vereins in Berlin an die Pfcidebesitzer betreffend die 
Behandlung der Kolik, Lehnhardt-Salzwedcl über Curiren der 
Apotheker. Klooss-Eilsleben wird zum Ehrenmitgliede ernannt. 

Ausserordentliche Versammlung am 13. Juli 1902 in Halle. 
Herr Professor Dr. Disselhorst wird zum Vorsitzenden erwählt, 
nachdem vorher über interne geschäftliche Angelegenheiten ver¬ 
handelt worden war. 

Von den 51 abgchaltenen Sitzungen sind die 6., 15., 18, 39., 
44., 46., 49. u. 50, im Ganzen 8, in Magdeburg, die übrigen in Halle 
abgehalten worden. Die Zahl der Mitglieder ist mit geringen 
Schwankungen allmählich erheblich gestiegen. Bei Gründung des 
Vereins waren 59, in der 2. Sitzung am 20. März 1878 8(hon 86, 
am 16. October 1879 89, am 10. August 1887 80 Mitglieder vor¬ 
handen. Im Mai 1897 zählte der Verein 108 ordentliche und 10 
Ehrenmitglieder, am 13. Juli 1902 115 ordentliche und 9 Ehren¬ 
mitglieder. 

Hiermit wäre auch der zweite Theil meines Vortrages beendet. 
Ich möchte jedoch kurz noch darauf hinweisen, dass von den 
Wünschen, welche in der 6. Versammlung zu Magdeburg am 
29. Mai 1880 ausgesprochen und in einer Denkschrift dem damaligen 
Herrn Landwirthscbaftsminister von Lucius überreicht worden sind, 
alle, bis auf einen — anderweitige Regelung der Rangverhältnisse 
der Kreisthierärzte und ihrer Reisekosten und Tagegelder — Er¬ 
füllung gefunden haben. 

Wir haben das Reifezeugniss, die Departementsthierärzte haben 
das Referat für Veteiinär-Angdegenheiten, wir haben einen tech¬ 
nischen Hülfsarbeiter im Ministerium und hoffen, dass auch der 
letzte noch unerledigte Punkt in kurzer Frist zur Zufriedenheit ge¬ 
regelt sein wird. Ich meine, wir haben alle Ursache mit dem 
Erreichten vorläufig zufrieden und denen dankbar zu sein, welche 
mit ausdauerndem, regem Eifer mitgeholfen haben, diese Erfolge 
zu erringen. Hoffen wir, dass unsere Nachkommen, wenn sie das 


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29. Januar 1903. 


50jährige Bestehen unseres Vereins feiern werden, mit gleicher 
Befriedigung auf die letzten 25 Jahre zurückblicken können. 

Auf den Inhalt der einzelnen, in den Sitzungen gehaltenen 
Vorträge und Discussionen wäre ich gern ausführlicher eingegangen. 
Mein Referat würde dann aber wohl den dreifachen Umfang an¬ 
genommen haben und ich fürchtete durch zu grosse Länge den 
berechtigten Unwillen, besonders der verehrten Damen zu erregen, 
deren Geduld ich wohl so wie so schon allzusehr missbraucht 
habe. Ich bitte nun noch um-wenige Augenblicke Gehör für den 
3. Theil meiner Aufgabe, welcher der kürzeste und heiterste sein 
wird, nämlich: 

3 Die Pflege der Geselligkeit. 

Dieser Theil der Vereinsthätigkeit ist besonders in der ersten 
Zeit recht eifrig gepflegt worden. Die Festmahle, welche nach 
Erledigung der wissenschaftlichen und geschäftlichen Arbeiten die 
Mitglieder vereinigten, wurden meist durch Musik verschönt. 
Zwischen den einzelnen Gängen wurden gemeinsame Lieder ge¬ 
sungen und Reden ernsten und heiteren Inhaltes gehalten. Bei 
der ersten Festtafel stimmte Pütz das gaudeamus igitur an. Sehr 
häufig haben, wie auch heute, die Damen im lieblichen Kranz dazu 
beigetragen, die Festesfreude zu erhöhen und der Feier die rechte 
Würze zu geben. Auch einige Sommerfeste sind abgehalten worden, 
das erste 1878 auf der Rudelsburg, 1880 eins in Harzburg, das 
letzte 18^6 in Ballenstedt. Auch hierbei ist es stets lustig ber- 
gogangen, an Musik hat es nicht gefehlt; am letzten Sommerfeste 
nahmen, wie Pütz etwas ironisch bemerkt, 12 Mitglieder und 25 
Musiker Theil. Zur Feier des ersten Sommerfestei hat ein un¬ 
bekannter Dichter eine Chronik inVersen und 3Gesängen geschrieben, 
welche gedruckt vertheilt wurden und jedenfalls nicht wenig zur 
allgi meinen Erheiterung beigetiagen haben. 

In der 4. Versammlung wird einem gottbegnadeten Sänger die 
Würde des „cantator illustrissimus“ verliehen. Sehr angenehm 
scheint auch die 21. Versammlung — Festsitzung zur Feier des 
10jährigen Bestehens des Vereins — verlaufen zu sein. Die Tisch¬ 
karten waren mit dem Portrait Pütz's geziert. In der Weinkarte 
waren Lacrimä-Pützii-, Wolfs-Milch und Oemler-Tropfen verzeichnet. 
In dem Gesagten habe ich das kurz wiedergegeben, was mir bei 
Durchsicht der Vereins-Protocolle als besonders wichtig aufgefallen 
ist; ob etwas darin ist, was uns zur Lehre dienen kann, muss ich 
der Prüfung jedes Einzelnen überlassen. Ich möchte jedoch darauf 
aufmerksam machen, dass wir in den Arbeiten des Vereins ein 
sehr wertbvolles ererbtes Gut besitzen. An uns ist es, dies Gut, das 
uns als derzeitigen Trägern des Vereins übergeben ist, zu hegen, zu 
pflegen und zu mehren. Ich schliesse mit dem Worte des Dichters: 

„Was Du ererbt von Deinen Vätern hast, 

Erwirb cs, um es zu besitzen!“ 

An diesen mit grossem Interesse aufgenommenen Vortrag über 
die Geschichte des Vereins, für welchen der Herr Vorsitzende im 
Namen der Versammlung dankte, schloss sich der Festvortrag des 
Herrn Professor Disselhorst über Entstehung und ver¬ 
gleichende Anatomie der bösartigen Geschwülste, welcher 
am Kopf dieser Nummer der B. T. W. veröffentlicht ist. Der 
stellvertretende Vorsitzende, Herr Landesthierarzt Pirl, Btattete für 
diese, auch den Damen hochinteressanten Ausführungen den Dank 
aller Zuhörer ab. 

Hierauf folgte das Festmahl, verherrlicht durch die freundliche 
Betbeiligung der Damen, gewürzt durch manch schönes Wort und 
durch frohe Weisen, bis die würdige Feier in einem Tänzchen 
ihren Abschluss fand. 

Möchte auch in Zukunft ein guter Stern über den Bestrebungen 
unseres Vereins leuchten. 

Der Vorsitzende. Der Schriftführer. 

Disselhorst. H. Raebiger. 

Kann eine irztllche Praxis verkauft werden? 

Die ärztliche Sachverständigen-Zeitung referirt in No. 23 
über eine Entscheidung des Oberlandesgerichts zn Braunschweig 
betr. den Verkauf einer ärztlichen Praxis, welche auch für uns 
Thierärzte Interesse hat und demnach hier wiedergegeben 
werden soll: 


75 


Es handelt sich um eine Civilklage, welche einen der¬ 
artigen Verkauf betraf, aber seitens des Gerichts abgewiesen 
worden ist. In der Begründung wird die Gleichstellung des 
Verkaufs einer ärztlichen Praxis mit dem Verkaufe eines Han¬ 
dels- oder sonstigen, in den Kreis der Gewerbe fallenden Geschäfts 
nebst Kundschaft verneint. „Wenn auch die Ausübung der Heil¬ 
kunde in einigen Beziehungen der Gewerbeordnung unterstellt 
sei, so werde hierdurch der Beruf des Arztes keineswegs zu einem 
blossen Gewerbebetrieb gemacht. Die wissenschaftlichen Grund¬ 
lagen seiner Ansübnng und die gesellschaftliche Stellung seiner 
Träger lege vielmehr den Vergleich mit den Rechtsanwälten 
nahe, deren Ehrengerichtshof das Ausbieten und den Verkauf der 
Anwaltspraxis für unvereinbar mit der Würde des Standes er¬ 
klärt habe. In der That sei die Wirksamkeit des Arztes, wie 
die des Anwalts, auf das Vertrauen des Publicums zu seinem 
Wissen und Können gegründet; dieses in seine Persön¬ 
lichkeit gesetzte Vertrauen dürfe nicht wie eine 
Waare feilgehalten und in Geld umgesetzt werden. 
Der in einem solchen Verfahren zu Tage tretende materielle 
Erwerbssinn lege zudem die Vermuthung nahe, dass der Arzt, 
welcher den Verkauf seiner Praxis betreibt, sein Augenmerk 
weniger auf Fähigkeit, Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit 
des Reflectanten richten, als danach sehen und trachten werde, 
einen möglichst hohen Kaufpreis zu erzielen und einen solventen 
Käufer zu finden. Deshalb kennzeichne sich der Verkauf einer 
Arztpraxis als ein Vorgang, welcher der für den Beruf eines 
Arztes erforderlichen Achtung unwürdig sei; er sei ein 
gegen die guten Sitten verstossendes und demnach nichtiges 
Rechtsgeschäft, aus dem irgend welche Ansprüche nicht her¬ 
geleitet werden können.“ 

In obiger Begründung braucht nur das Wort „Arzt“ durch 
„Thierarzt“ ersetzt zu werden, um sie auf Vorgänge anwendbar 
zu machen, die sich bedauerlicher Weise wiederholt auch in 
unserm Beruf abgespielt haben und wohl auch noch abspielen. 
Möge daher obiges Gerichtserkenntniss eine Mahnung sein. 

Pr. 

Die richterllohe Werthschätzung des Doctsrtitels. 

Unter dieser Ueberschrift veröffentlicht die D. m. W. 52/02 
folgende, auch für thierärztliche Kreise interessante Ober¬ 
landesgerichtsentscheidung: 

Die Erwerbung des Doctortitels, so entschied das Ober¬ 
landesgericht in Dresden, ist in ärztlichen Berufskreisen neuer¬ 
dings geradezu Regel geworden. Der Arzt ist gezwungen, den 
Anschauungen des Publikums, dem er durch seine Kunst dienen 
will, Rechnung zu tragen. Im grossen Publicum ist vielfach 
der Irrthum verbreitet, dass zu einem vollständig ausgebildeten 
Arzt der Besitz des Doctortitels gehöre; wer daher ohne diesen 
Titel die Laufbahn des practischen Arztes beschreiten will, 
kann zu seinem Schaden leicht die Erfahrung machen, dass er 
von Manchen nicht für voll angesehen wird; sicher wird der 
promovirte Arzt vor dem nicht promovirten im Wettbewerbe 
des täglichen Lebens in Folge des erworbenen academischen 
Grades einen Vorsprung haben. Dr. Jess. 

Anmeldung der ärztlichen Praxis. 

Für den Landespolizeibezirk Berlin ist ebenfalls (vgl. B. T. W. 
No. 2, pg 35) eine Polizei-Verordnung betr. Anmeldung der 
ärztlichen Praxis ergangen. Danach haben Aerzte beim zu- 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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BERLINER THIERARZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 5. 


76 

ständigen Kreisarzt and Thierärzte beim Departementsthierarzt 
von Berlin, und zwar beide persönlich, ihre Niederlassung an- 
zuzeigen; Wohnungswechsel sind schriftlich anzuzeigen. 

Feier des Geburtstages Sr. Majestät des Kaisers. 

Die Thierärztliche Hochschule zu Berlin feierte den 
27. Januar in der üblichen Form durch einen Festact in der 
Aula. Der Feier wohnten Vertreter des landwirtschaftlichen 
Ministeriums, an deren Spitze Excellenz Sterneberg, und der 
neue Inspecteur des Militär-Veterinärwesens, Major Dreher, bei. 
Die Festrede hielt Geheimrath Dr. Munk über Entwicklung und 
Schulung der Gehirnthätigkeit. 

Die Studentenschaft hatte bereits am 19. Januar einen 
solennen Kaiser-Geburtstags-Commers veranstaltet. 

Verein Schlesischer Schlachthofthierfirzte. 

Einladung zu einer ausserordentlichen Versammlung am 

1. Februar, Vormittags 11 Uhr, im Börsensaale des städtischen 
Vieh- und Schlachthofes zu Breslau. 

Tagesordnung. 

1. Berichterstattung über die Vorstandssitzung des Vereins 
Preuss. Schlachthofthierärzte am 23. November 1902 zu 
Berlin. 

2. Die durch Ministerialerlass angeordneten Erhebungen 
über die kommunalen Schlachthöfe. 

3. Die Honorarfrage für den Unterricht in der Fleischbeschau. 

4. Vereinsangelegenheiten. 

Der Vorstand. 

Hentschel-Oels. 

Bericht Ober die Sitzung des Deutschen Veterinlrrathes. 

Der von dem Schriftführer des Deutschen Veterinärrathes 
verfasste und in der B. T. W. veröffentlichte Bericht über die 
Plenarversammlung zu München ist in einer Auflage von 3000 
gedruckt worden (als Separatabzug der vorher in der B. T. W. 
erfolgten Veröffentlichung, wodurch der Casse des Veterinär¬ 
rathes die gesammten Setzerkosten erspart werden). Jeder 
zum Veterinärrath gehörige Verein erhält die seiner Mitglieder¬ 
zahl entsprechende Anzahl der Berichte. Die Versendung an 
die einzelnen Vereinsmitglieder muss von den Vereins Vorständen 
besorgt werden, denen die Berichte zugesandt worden sind. 

Landespolizeiliche Anordnung. 

In Verfolg der Declaration vom 9. April 1896 zur landespolizeilichen 
Anordnung vom 6. December 1896, betreffend die Abwehr gegen die 
Einschleppung der Maul- und Klauenseuche in den diesseitigen Regierungs¬ 
bezirk durch das aus anderen Reichstheilen stammende Vieh, bestimme 
ich, dass die Vorschriften der vorbezeichneten landespolizeilichen An¬ 
ordnung sich auf das aus nachbenannten Reichstheilen: 1. aus den 
preussischen Regierungsbezirken Königsberg, Potsdam, Magdeburg, Merse¬ 
burg, Lüneburg, Coblenz, Köln, 2. aus den bayerischen Regierungs¬ 
bezirken Oberbayern, Oberfranken, Unterfranken, Schwaben, 3. aus den 
württembergischen Kreisen Neckarkreis, Schwarzwaldkreis, Jagstkreis, 
4. aus der hessischen Provinz Oberhessen, 6. aus dem Grossherzogthum 
Mecklenburg-Schwerin, 6. aus den Reichslanden Elsass-Lothringeu — im 
Regierungsbezirk Bromberg zur Entladung mit der Eisenbahn gelangende 
Rindvieh bis auf Weiteres beschränken. 

Bromberg, den 8. Januar 1903. Der Regierungspräsident. 


Personalien. 

Auszeichnungen: Mit dem kgl. bayer. Michaelsorden IV. Classe 
wurden decorirt der kgl. bayer. Kreistbierarzt Aug. Weiskopf 
zu Augsburg und der Corps-Stabsveterinär des I. Armeecorps 
Gustav Ehrensberger. 


Ernennungen: Nach der QuartalszuBauunenstellung des preuss. 
landwirtbschaftlicben Ministeriums sind ausser den bereits in 
der B. T. W. veröffentlichten Veränderungen folgende zu ver¬ 
zeichnen: Ihre definitive Ernennung erhielten die bisher comm. 
Kreisthierärzte Bo sang zu Soest, Schimmelpfennig-Greifenberg 
i. P., MUllcr-Ottweiler, Fritsche-Bohmte, Velmelage-Jülich. — 
Zu comm Kreistbierärzten wurden ernannt Eilts-Wittmund für 
diese Stelle, Sievers-Gardelegen für Osterburg, Wieler-Bonn ftlr 
Mörs nördlich mit dem Wohnsitz in Xanten, Rossarzt Kranz-Münster 
für Bitburg-West mit dem Wohnsitz in Neuenburg (R.-B. Trier). — 
Versetzt sind die Kreisthierärzte Simmermacher von St Goars¬ 
hausen nach Langenschwalbach (vgl. auch No. 47, 1902 B. T. W.), 
Macks von Seehausen i. A. nach Ueckermünde. 

Thierarzt Prösch ist zum Schlachthofihierarzt in Krotoschin, 
Thierarzt A. Piltz zum Schlachtboflnspector in Bischofswerder 
(Westpr.) und Thierarzt Grein er aus Vilsbiburg zum 2. Assistenten 
an der chirurgischen Klinik in München ernannt worden. 

Wohnsitzverinderungen, Niederlassungen: Verzogen sind die Thier¬ 
ärzte C. Dornbusch von Sorau N.-L. nach Wegeleben, Opalka 
von Stutthof nach Garnsee (Westpr.). — Thierarzt S. Simon bat 
die Uebersiedelung nach Petershagen (s. No. 4 der B. T. W.) nicht 
ausgeführt, sondern ist in Havixbeck verblieben. 

Examina: Das Examen als beamteter Thierarzt in Berlin 
haben bestanden die Thierärzte Dr. Max Jerke aus Breslau, Dr. 
Franz Seiler aus Hannover, Theod. Seemann aus Zell a. M., 
Friedr. Mahlendorf aus Breslau, Georg Boltz aus Friedland i. Pr., 
Wilhelm Karstens aus Twedt, Alfred Feldhaus z. Zt. in Berlin, 
Hugo Hohmann aus Braunschweig, Ernst Starfinger z. Zt. in 
Berlin, Karl Kober-Erkelenz, sowie die Rossärzte Paulus Hahn 
und Paul Gerth. 

Die amtsthierärztliche Staatsprüfung in Württemberg haben 
bestanden die Thierärzte K. Biber-Langenau, P. Dien er-Waldsee, 
E. Gloz-Gerstetten, P. Kienzle-Kornwestheim, F. Kläger-Stutt¬ 
gart, Dr. Nieberle - Stuttgart, W. Stolpp - Möckmübl, J. Welte- 
Stuttgart. 

Promovirt wurde Thierarzt Arthur Isert von der philo¬ 
sophischen Facultät der Universität Rostock. 

Approbirt wurden in München die Herren: 0. Eichinger, 
H. Fischer, J. Geyer, F. Hollweck, J. Kratzer, W. Wirthl. 

In der Armee: Rossarzt Brettschneider vom 19. Train-Bat. 
zum 18. Hus.-Reg. versetzt. 


Vacanzen. 

Neu ausgeschriebene Sanitfitsthierarztstellen: Eupen: Scblachtbof- 
director zum 1. Juli. Anfangsgebalt 3000 M. Bewerbungen nebst 
Zeugnissen bis zum 15. März an das Bürgermeisteramt — Frank¬ 
furt a. M.: 2. Schlachthofthierarzt. Gehalt 2500 M. Bewerbungen 
mit Lebenslauf und Zeugnissen bis zum 7. Februar an das 
städtische Gewerbe- und Verkehrsamt, Wedelgasse 1. — Kiel: 
1. Thierarzt und Stellvertreter des Directors am städtischen 
Schlacbthofe; alsbald. Gehalt 3000 M, steigend bis 4500 M. 
Bewerbungen mit Lebenslauf, Zeugnissen und kreisärztlichem 
Gesundheitszeugniss an den Magistrat der Stadt Kiel. — 
Allenburg (Ostpr.): Thierarzt für Schlachtvieh- und Fleisch¬ 
beschau. Garantirtes jährliches Einkommen 1800 M. Bewerbungen 
mit Zeugnissen bis zum 7. Februar d. J. an die Polizeiverwaltung. 
— Homberg a. Rhein: Thierarzt für Schlachtvieh- und Fleisch¬ 
beschau. Einkommen 4500— 5000 M. Bewerbungen an den Bürger¬ 
meister. — Privatpraxis: Dömitz i. Mecklbg. Niederlassung er¬ 
wünscht. Auskunft durch Magistrat. — Sande bei Bergersdorg 
desgl. Auskunft der Amts- und Gemeinde-Vorsteher. 

Besetzt sind die Kreisthierarztstellen Wittmund, R.-B. Auricb; 
Osterburg, R..B. Magdeburg; Mörs (nördlich), R.-B. Düsseldorf; 
Bitburg (West), R.-B Trier; Untertaunuskreis (LangenBchwal- 
bach), R.-B. Wiesbaden; Meppen, R.-B. Osnabrück. — Die Fleisch- 
beschau8telle zu Wege leben. 


Verantwortlich fUr den Inhalt (excl. Inaeralentheil); Prof. Ur. Schmaltx in Berlin -- Verla* und Eigrntlinm von ltiehard Schoelz in Berlin. — Druck von W. HUxentdeiu, Berlin. 


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Die .Berliner Tblerlntllehe Wochenschrift* erscheint 
wöchentlich im Verlege von Richard Schoetz ln 
Berlin, Lulsenstr.38. Dnrch jedes deutsche Postamt wird 
diesolbe «um Preise von M. 5,— vierteljährlich (M. 4,88 für 
die Wochenschrift, IS Pf. fUr Bestellgeld) frei in'« Haus 
geliefert. (Deutsche Post‘Zeitungs-Preisliste No. 1101, 
Oosterreichlsche No. 510, Ungarische No. 90.) 


Berliner 


Origlnalbeltrlge werden mit 60 Hk. für den Bogen honorlrt 
Alle Manusrripte, Mittheilungen and redactlonellen An¬ 
fragen beliebe man au senden an Prof. Dr. Schmälte, 
Berlin, tbierBrztUche Hochschule, NW, Luisenstrasse 66. 
Correctoren, Reccnsions-Ezemplare und Annoncen da¬ 
gegen an die Verlagsbuchhandlung. 


Thierärztliche Wochenschrift 


Kedaction: 

Professor Dr. Schmal tz-Berlin 

Verantwortlicher Redacteur. 

De Bruln KUhnau Dr. Lothes Prof. Dr. Peter Peters Preusse Dr. Schlegel Dr. Vogel Zünde! 

Professor Schlachthofdlrector Departementsthierarzt Kreistblerarzt Departementsthierarzt Veterinärassessor Professor Landes-Insp. f. Thierzucht Kreisthierarzt 

Utrecht. Cöln. Cöln. Angermiinde. Bromberg. Danzig. Freiburg i. Br. München. M Uthausen i. E. 

Francke Dr. Jess Nevermann 

Kreisthierarzt Kreisthierarzt Kreistblerarzt 

Mülheim a. Rh. Charlottcnbnrg. Bremervörde. 


Jahrgang 1903. 


6# Ausgegeben am 5. Februar. 


Inhalt: Bernhardt: Erfahrungen bei der Anwendung von Ichthargan. — Kukuljevic: Versuchs-Impfungen mit Septicidin 
in Ungarn. — Baumgart: Skrotalhernic bei Mus decumanus. — Referate: van Staa: Die Drahtsäge. — Meynard und 
Moreau: Ueber die Resection der Synovialen beim Pferde. — Zange zum Legen von Bullenringen. — Jess: Wochenübersicht 
über die medicinisebe Litteratur. — Tagesgeschichte: Dürfen wir Studenten werben? — Verschiedenes. — Stenogramm der 
Verhandlungen des preussiseben Landtages über Veterinärwesen am 30. Januar. — Verein beamteter Thierärzte Preussens. — 
Staatsveterinärwesen. — Fleischschau und Viehhandel. — Bücheranzeigen und Kritiken. — Personalien. — Vacanzen. 


Erfahrungen bei der Anwendung von Ichthargan. 

Mitgetheilt von Oberthierarzt Dr. Bernhardt 

am Königl. Württemb. Landeagestüt. 

Das Ichthargan, ein braunes, feines, trockenes, sehr hygro- 
scopisches Pulver, wird hergestellt von der Ichthyolgesellschaft 
Cordes, Hermanni & Co. in Hamburg. Das Präparat ist 
eine Ichthyolsilberverbindung, welche nach Angabe der Fabrik 
30 pCt. Silber enthält, in warmem und kaltem Wasser, ebenso 
in Glycerin leicht and klar löslich ist, an bactericider Kraft das 
Argent. nitric. übertrifft, hervorragende Tiefenwirkung besitzt 
and relativ ungiftig ist. 

Ich habe das Mittel in den verschiedensten Fällen angewandt 
und stets überraschend gute Erfolge erzielt. Bei Wanden, die 
wegen der Art ihres Sitzes oder ans sonstigen Gründen offen 
behandelt werden müssen, ist es ganz vorzüglich, weil es sich 
sehr fein zerstäubt und sofort, wenn es mit der Wundfläche in 
Berührung kommt, im Wnndsecret sich löst nnd einen braunen, 
theerartigen, fest anhaftenden Ueberzng bildet. Auf frische 
Wanden gebracht erzengt es einen langsam sich bildenden Aetz- 
Bchorf, der nach zwei bis drei Tagen sich abstösst nnd einen 
frisch granulirenden Grund mit ausserordentlicher Heiltendenz 
znrücklä8st. Ich habe mehrfach Schlagwanden mit Verletzungen 
des Knochens in der Tiefe behandelt und unter Anwendung des 
Ichthargans eine so schnelle und sichere Heilung erzielt, wie 
ich sie in ähnlicher Weise bei Anwendung von anderen 
Präparaten nie habe vor sich gehen sehen. Die Eiterung ist 
dabei sehr gering. Bei tiefgehenden canalbildenden Wunden, 
wie sie bei Schlägen an die Extremitäten so häufig Vorkommen, 
wende ich Ichthargan in der Weise an, dass ich Bindfäden von 
verschiedener Länge nnd Dicke mit Gummilösung bestreiche 
und sie dann so lange in dem Pulver umdrehe, als davon haften 
bleibt. Dann werden sie getrocknet und vor Feuchtigkeit ge¬ 
schützt für den jeweiligen Gebrauch anfbewahrt. Einen solchen 
Ichtharganstift stecke ich in den Wnndgang, nachdem die 
Wunde vorher änsserlich gnt desinficirt worden ist, nnd 


ich mich mit einer sterilen Sonde über den Verlauf deB 
Canals orientirt habe. Der Stift bleibt so lange in der 
Wunde liegen, bis der Faden zu erweichen anfängt. 
Dann wird er herausgezogen nnd die Wunde auch noch 
änsserlich mit Ichthargan bestäubt. So behandelte Wund¬ 
canäle heilen schnell nnd ohne Complication. Die Schwellang 
in der Umgebung verschwindet sehr bald, wenn das Thier jeden 
Tag etwas bewegt wird. Ausserordentlich gute Dienste leistet 
das Mittel bei Utemserkranknngen; wegen seiner leichten Lös¬ 
lichkeit, durchdringenden Desinfectionskraft nnd geringen Giftig¬ 
keit lassen sich mit Ichthargan sehr leicht Ausspülungen dieses 
Organs vornehmen. Stuten, welche nach der Geburt einen krank¬ 
haften Ausfluss ans der Scheide zeigten, oder deren Fohlen fort¬ 
während an Durchfall litten, der mit keinen innerlich verab¬ 
reichten Mitteln za beseitigen war — ein Umstand, welcher 
immer darauf hinweist dass die Mattermilch den Stoff beherbergt, 
der den dauernden Darmreiz unterhält — wurden folgender- 
massen behandelt: Morgens wnrde eine reichliche Ansspülnng 
des Uterus zuerst mit einer warmen 1 proc. Natr. bicarbonic.- 
Lösnng vorgenommen. Dieser folgte sofort eine solche mit 
8 Litern warmer 2 proc. Septoformalösnng. Auf diese Aus¬ 
spülungen hin stellt sich regelmässig eine reichliche Schleim¬ 
absonderung ein. Abends wird dann die erkrankte Gebärmutter 
mit 10 Litern warmer y 2 prom. Ichtharganlösung (5 gr. Ichtharg. 
anf 10 Liter Wasser) irrigirt. In dieser Weise 2—4 Tage 
behandelt, wird der Uterus rein und der Durchfall bei den Saug¬ 
fohlen hört ohne weiteres Zuthnn anf. Eine Stute, bei welcher 
einmal der Uterus mit 1 prom. warmer Ichtharganlösung aas¬ 
gespült worden war, zeigte im Anschluss daran heftige Schmerzen, 
welche sie durch anhaltendes Drängen nnd müdes Liegen 
änsserte. Nach einigen Tagen kamen mit der eingeführten 
Septoformalösnng kleine Stücke oberflächlich abgestorbener 
Uterus8chleimhaut heraus; 1 prom. Ichtharganlösnngen hatten 
niemals zuvor auffällige Erscheinungen liervorgerufen. Die 
warme Lösung wirkt intensiver, und das genügt daher in dieser 


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78 


Form y 2 gr. Ichtharg. auf 1 Liter Wasser. — Bei Durchfall 
von Absatzfohlen giebt man es mit gutem Erfolg in folgender 
Form: 

Rp. Op. pulv.1,25 

Ichthargan.1,0 

Tannoform, Rad Rhei ää . . 7,0 
M. f. pulv. 

D. S.: Innerlich täglich ein Pulver mit Milch verschüttelt 
eingeben, nachdem der Darm zuerst mit Ricinusöl gereinigt ist. 
Mehr als zwei solcher Pulver wird man zur Erreichung der 
beabsichtigten Wirkung kaum einzugeben haben. 

Mit einer Salbe in der Zusammensetzung: 


Rp. Ichthargan.1,0 

Solv. in aqu. dest. ... 0,5 

Glycerin.1,0 

Addc. Vaselin . . . ... 10,0 
M. f. nnguent 


hatte ich zweimal bei Entzündungen des Euters einer Stute, 
geraume Zeit nach dem Absetzen des Fohlens, schnellen und 
guten Erfolg. Die Salbe muss leicht aber gründlich auf die 
Haut der entzündeten Euterpartie eingerieben werden. Die 
Schwellung lässt bald nach, es ist aber nöthig, ein Ausmelken 
der von der Entzündung betroffenen Euterhälfte regelmässig 
vornehmen zu lassen, sobald diese beim Palpiren sich nicht 
mehr so hart anfühlt, wie vorher. 

Zum Schluss lasse ich noch zwei ausführliche Krankheits¬ 
berichte folgen, welche die durchgreifende Wirkung des Ichth- 
argans bei intravenöser Anwendung vor Augen füliren. Die 
Aufzeichnungen sind im Verlauf der Krankheitsfälle vom Gestüts¬ 
thierarzt Kr afft auf’s Sorgfältigste gemacht worden. 

1. Fall: Dorothea, Stutfohlen von Rosette-Donnerschlag, 
geboren den 18. Mai 1902. 

Geburt normal, Nabelheilung geht anstandslos von statten. 
Das Fohlen bekommt von der ersten Rossigkeit der Mutter ab 
Durchfall, welcher auf Behandlung mit 

Opii pulv.1,0 

Sacchar. alb. p.40,0 

in täglich einmaliger Dosis sich jedoch bessert. Rosette erhält 
am 22. Mai einen Sprung von Hengst Hugo. 

Am 7. August wird die Stute wiederum rossig und zeigt 
gTauen, trüben Scheidenausfluss in geringer Menge. Gleichzeitig 
bekommt das Fohlen zum zweiten Male profusen, grauen, übel¬ 
riechenden Durchfall, wozu am 8. August noch die Erscheinungen 
einer acuten Bronchopneumonie sich gesellen. Trotz energischer 
Behandlung am 9. August nesterförmige Dämpfung auf beiden 
Lungen, Pleuritis rechterseits. An mehreren Gelenken treten 
heisse, bei Druck empfindliche Anschwellungen auf, das Fohlen 
wechselt im Stehen häufig mit den Beinen. Temperatur 41,5° C.; 
102 Pulse; 46 Athemzüge. 

Diagnose: Acute Lähme. 

Am 10. August auf der rechten Lunge nur noch leise 
knisternde Geräusche hörbar, bei künstlich hervorgerufenen, 
tieferen Athemzügen lautes, giemendes Rasseln. Der Durchfall 
besteht ununterbrochen weiter. Temperatur 40,2; 98 Pulse; 
46 Athemzüge. 

Therapie: Behandlung des Mutterthieres mit warmen 
Soda- und Ichtharganausspülnngen der Gebärmutter- 
Injection einer lproc. Ichtharganlösung (täglich ein 
Mal 40 g der lproc. Lösung in abgekochtem aqua destillata in 


No. 6. 


die Jugnlaris des Fohlens. Mit Ausnahme einer rasch 
vorübergehenden, leichten Trübung deB Sensoriums ist nach der 
Einspritzung keine üble Nebenwirkung bemerkbar. 

Am folgenden Tage kann bereits bedeutende Besserung 
constatirt werden. Die Fäces sind etwas dickbreiiger, die Ge¬ 
lenkschmerzen haben anscheinend aufgehört, auf beiden Lungen 
ist wieder rauhes, giemendes Vesikulärathmen zu vernehmen. 
Zweite Ichtharganinjection. 

Am 12. August wird mit den Injectionen ausgesetzt, worauf 
am 13. August alsbaldige Verschlechterung eintritt. Die Beine 
werden wieder häufiger gewechselt, der Mist ist wieder dünner 
und übelriechend, die Athmung rascher. Temperatur 40,1° C.; 
92 Pulse; 40 Athemzüge. Infolge dessen Abends dritte Injection. 

Am 14. August erneute Besserung; Temperatur 38,5° C.; 
Husten; beiderseitiger schleimiger Nasenausfluss; Mist etwas 
consistenter. Trennung des Fohlens von dem Mutter¬ 
thier, Einstellung in besondere, frisch mit Torf eingestrente Box. 
Fütterung mit Hafer und Heu sowie mit rohen Eiern, welche, in 
einer Saugflasche mit viel gestossenem Zucker verschüttelt, 
gerne genommen werden. 

Die medicamentöse Behandlung des Fohlens beBteht in täglicher 
Verabreichung von Ichthargan 1,0, verschüttelt mit etwas ge¬ 
kochter Milch und mehreren Löffeln pulv. Sacchar. alb. 

Von da an, abgesehen von einigen kleinen Rückfällen, fort¬ 
schreitende Besserung und schliessliche Genesung. 

2. Fall: Hyacinthe, Stutfohlen von Anna - Ibindoo, ge¬ 
boren den 22. September 1902. 

Bei dem Thierchen nahm die Nabelheilung einen etwas ver¬ 
zögerten Verlauf, ausserdem litt dasselbe 8 Tage nach der Ge¬ 
burt bereits an Durchfall, welcher jedoch nach Uterusaus¬ 
spülungen des Mutterthieres mit Ichtharganlösung etc., sowie 
nach innerlicher Verabreichung von Ichthargan mit Zucker an 
das Fohlen sich rasch besserte. 

Plötzlich am 13. October zeigte das Fohlen eine Reihe von 
Lähmesymptomen, welche über Nacht aufgetreten waren. 

1. Einen acuten Anfall von Iritis exsudativa am rechten 
Auge mit hinterer Synechie, Thränenfluss und starker Licht¬ 
scheu; 

2. Anschwellungen an mehreren Gelenken, verbunden mit 
schmerzhafter Lahmheit; 

3. Beiderseitige Bronchopneumonie; Temperatursteigerung 
auf 39,7 0 C. und eingenommenes Sensorium. 

4. Uebelriechende, profuse Diarrhoe. 

Das Fohlen liegt sehr viel und ist nur mit Mühe zum Auf¬ 
stehen und Gehen zu bewegen. Es sangt noch an der Matter, 
jedoch sichtlich ohne Appetit. 

Therapie: Täglich 2mal wiederholte Uterusausspülungen 
des Mutterthieres mit warmer Soda- und Ichthargan¬ 
lösung. Das Fohlen erhält eine intravenöse Injection von 
Ichtharganlösung (0,3:30 aqua), Einreibungen der erkrankten 
Gelenke mit Jodvasogen (lOproc.), Instillationen von Atropin 
(2 proc.), sodann von Sublimat-Lösung (1 proc.) in das rechte 
Auge; ferner Einschütt von Zucker mit Eigelb verschüttelt. 

Am 14. October Wiederholung der intravenösen Ichthargan¬ 
injection bei dem Fohlen, bei welchem bereits eine wesentliche 
Besserung eingetreten ist. Vom 15. October ab bekommt das Thier 
eine Woche lang täglich Ichthargan 0,5 mit Milch und reich¬ 
lich Zucker als Einschütt. Am 19. October ist daB Exsudat in 
der rechten vorderen Augenkammer resorbirt; das Fohlen saugt 


BERLINER TIIIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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5. Februar 1903. 


BERLINER TIIIERÄRZTLICHE WOCITENSCHRIFT. 


lebhaft; am 23. October ist die Lahmheit verschwunden; Ende 
October sind auch die Lungen und der Darm wieder in Ordnung. 

Aus den beiden vorstehenden Krankheitsberichten ist die 
präcise und schnelle Wirkung des Ichthargans bei intravenöser 
Anwendung deutlich ersichtlich, und das ist um so erfreulicher, 
als im Anschluss daran keinerlei unangenehme Erscheinungen 
zu bemerken waren, die auf eine giftige Wirkung des Mittels 
hätten Bchliessen lassen. Allerdings entstehen an der Injections- 
stelle gerne entzündliche Anschwellungen; dieselben sind in den 
beobachteten Fällen jedesmal nach kurzer Zeit und ohne weiteres 
Zuthun verschwunden. 

Alles in Allem genommen, habe ich in dem Ichthargan ein 
Mittel kennen gelernt, das mich bis jetzt nie im Stich liess. 
Es hat vor den anderen Silberverbindungen den Vorzug, dass 
es leicht und klar löslich ist und die Lösung kurz vor jedes¬ 
maligem Gebrauch bequem und ohne weitere Umstände her¬ 
gestellt werden kann. Es wäre zu diesem Zweck wünschens- 
werth, wenn es, ausser in Pulverform, in Tabletten zu 1 gr., in 
Glasröhren verpackt, zu haben wäre, damit man im gegebenen 
Augenblick sich nicht mit Abwiegen des Mittels zu beschäftigen 
hätte, Bondern blos znzugreifen brauchte. Wer es zur Wund¬ 
behandlung in einem Zerstäuber mit sich führt, was sehr zu 
empfehlen ist, thnt gut daran, die Mündung des Zerstäubers 
luftdicht zu verschlieBsen, weil das Mittel sonst leicht Feuch¬ 
tigkeit aus der Luft anzieht und sich dann nicht mehr so schön 
zerstäubt, als wenn es ganz trocken aufbewahrt worden ist. 

Einer ausgiebigen Anwendung des Präparates stand bis jetzt 
der Preis desselben in vielen Fällen entgegen. Derselbe betrug 
seither 30 Pf. für 1 gr. Wie mir die Fabrik bei der letzten 
Sendung mitgetheilt hat, soll sich der Preis künftighin auf 20 Pf. 
für 1 gr. reduciren, ein Umstand, der dem Mittel dann eine 
breitere Einführung in die Veterinärpraxis ermöglichen wird. 

Versuchs-Impfungen mit Septicidin in Ungarn. 

Von 

Josef v. Kukuljevic. 

K. ung. 8Uat»-Tliierarzt. 

Die in deutschen Fachblättern erschienenen Artikel betreffs 
Schutzimpfungen mit Septicidin gegen Schweineseuche 
und Schweinepest, haben mich veranlasst, mit diesem Serum 
auch in meiner Heimat Versuche zu machen. 

Zweck meines Versuches war, in erster Linie persönliche 
Ueberzeugung von der Brauchbarkeit dieses Impfstoffes zu ge¬ 
winnen, in zweiter Linie — wenn die Versuche wirklich mit 
Erfolg gekrönt sind — dies den hiesigen Fachleuten und 
Oeconomen, auf Grund eigener Erfahrungen, zur Kenntniss zu 
bringen, und so das neuere Schutzmittel gegen die — bei uns 
ohnehin schon im starken Abnehmen befindliche — Schweine¬ 
seuche bekannt zu machen. 

Zu meinen Versuchen bot sich allsogleich in einer Gemeinde 
meines Bezirkes Gelegenheit, wo die Schweineseuche epidemisch 
auftrat. 

Bei Beginn der Seuche liess ich sämmtliche veterinär- 
polizeilichen Schutzmassregeln durchführen, die in den 
ungarischen Gesetzen vorgeschrieben sind; ganz besonders 
streng nahm ich die Desinfection vor. Da aber doch durch 
Desinficiren nur das Weiterverbreiten der Seuche verhindert 
wird, nicht aber die Heilung der Thiere erreicht ist, entschloss 
ich mich, nach Gebrauchsanweisung der „Berliner Serum¬ 
gesellschaft“ mit Septicidin, event. mit Reinculturen zu impfen. 


79 


Der anatomische Befund anlässlich der Section der Cadaver 
erwies die vorgeschrittenste pectorale Form der Schweineseuche. 

Ich fand 7 Stück Schwerkranke, und 8 Stück im Anfangs¬ 
stadium der Seuche. Die 7 Schwerkranken sind binnen 3 Tagen 
gefallen. Ich machte die Bevölkerung auf die Schutzimpfung 
aufmerksam, besonders betonend, dass dieselbe keinenfalls 
schadet, im Gegentheil nur vortheilhaft ist. Nach gehöriger 
Erläuterung gelang es mir, die Bewohner zu einer Probe zu be¬ 
wegen und ich war nun in der Lage 17 Thiere zur Impfung zu 
bekommen. Darunter befand sich nur ein schwerkrankes Schwein, 
dieses fiel 3 Tage nach der Impfung ohne dass sich Reaction 
gezeigt hätte. Die Section ergab, dass das Thier nicht an 
Seuche, sondern an Peritonitis purulenta litt und verendete. 
(Siehe Tabelle 1. No. 1.) 

Ein anderes Thier (Siehe 1. No. 11) erlag am 7. Tage nach 
der Impfung, Ergebniss der Section: hochgradige SchweineBeuche. 

Ausserdem impfte ich 4 Stück im Anfangsstadium der Seuche 
befindliche Thieren, diese genasen, und bei 3 Thieren, die vorher 
die Krankheit durchmachten, fand keine Reaction statt, ebenso¬ 
wenig wie bei den im gesunden Zustande geimpften. 

Die beigeschlossene Tabelle stellt ein klares Bild meiner 
Versuchsimpfungen dar; eine Detaillirung derselben kann hier 
meine Aufgabe nicht bilden. Der Versuch kann trotz alledem 
nicht als vollständiger gelten, da die Aufnahme der Körper¬ 
temperaturen auf unüberwindliche Hindernisse stiess und ich 
deshalb die Temperaturschwankungen nicht in jedem Falle be¬ 
obachten konnte, trotzdem ein junger College sich ständig be- 
hnfs Beobachtung der geimpften Thiere im Dorfe aufhielt und 
täglich über deren Zustand referirte. 

In der beigefügten Tabelle ist das Quantum des an¬ 
gewendeten Impfstoffes, daB Alter und Geschlecht der Thiere 
verzeichnet, ausserdem ist bezeichnet, welche in krankem oder 
gesundem Zustand geimpft wurden. Das genaue Gewicht der 
Thiere war wegen Mangel einer entsprechenden Waage nicht 
zu bestimmen, so dass ich gezwungen war, das Quantum des 
Impfstoffes nach Alter und approximativem Gewicht der Thiere 
zu verabreichen. 

Aus Vorhergehendem ist ersichtlich, dass der Versuch gelang; 
im gegebenen Falle erreichte ich, dass die Seuche nicht weitergriff. 

Die Bieben nicht mit Septicidin behandelten Control-Thiere 
erlagen, ausserdem ein schwerkrankes, bei welchem die Impfung 
nichts nützte. Die im Anfangstadium sich befindenden Schweine 
sind geheilt, bei den gesunden zeigte sich absolut keine 
Reaction. 

Auf Grund der Gebrauchsanweisung wollte ich bei einigen 
Gesunden Nachimpfungen mit Reinculturen vornehmen, dies ist 
mir leider — wegen Furcht der Bevölkerung — nur in zwei 
Fällen gelungen. Diese zwei Stück blieben gesund, trotzdem in 
demselben Hofe und demselben Stall zwei Krankheitsfälle vor¬ 
gekommen und die Geimpften mit den Kranken in fortwährendem 
Contact gewesen sind. 

Es erwies sich also der Bericht der Serumgesellschaft auch 
in diesem Falle als richtig. Ich fand, dass das Serum zur rechten 
Zeit, unter Einhaltung der Maassregeln angewendet, ein gutes 
Schutzmittel gegen Seuche ist, und werde ich im gegebenen 
Falle nicht versäumen, solche Schutzimpfungen vorzunehmen. 

Ich kann nicht umhin zu bemerken, dass in Ungarn mehrere 
Collegen solche Schutzimpfungen vorgenommen haben, deren 
Resultat aber bisher mir unbekannt ist. 


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80 


BERLINER TIIIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 6. 


Ausweis 

üher die in der Gemeinde V—m am 26. Juli vollftihrten Impfungen mit Septicidin. 


© 

Geimpfte Schweine 




Datum 

a _ 

«s-g 

p w 
rttSJ 
J 

Alter 

Geschlecht 

! Gesundheits¬ 
zustand 


R e a c ti o n 

Temperatur 

des 

Fallens 

1 

1 Jahr 

beschn. Eber 

schwer krank 

10 cm 3 

Hat am Abend der Impfung die Milch 
getrunken, in der Frühe nichts, matt, 
an den Impfstellen keine Beulen, 
bis zum Fallen keine Reactiou zu 
bemerken. 

- 

29. Juli 

2 

V* Jahr 

beschn. Eber 

krank 

5 cm 3 

Am Abend des Impfens nichts gefressen, 
27. Morgens gefressen, ist matt, keine 
auffallende Reaction. 


“ 

3 

*/ 4 Jahr 

beschn. Eber 

krank 

5 cm 3 

Am Abend des 26. nichts gefressen, 
Morgens gefressen, matt, hat keine 
Beulen, vom 28. hat das Thier guten 
Appetit. 



4 

1 Jahr 

beschn. Eber 

war krank 

7 cm 3 

Hat am 27. guten Appetit, lebhaft, 
keine Reaction. 

38,0" C. am 26., 38,5° C. am 
27. Morgens. 

— 

5 

1 Jahr 

beschn. Eber 

krank 

10 cm 3 

Bei gutem Appetit, lebhaft, ohne 
Reaction. 

40° C. beim Impft n, 41" C. 
den anderen Morgen. 

— 

6 

V 4 Jahr 

beschn. Eber 

gesund 

3 cm 3 

Am 27. bei gutem Appetit, lebhaft, 
ohne Beulen und Reaction. 

— 

— 

7 

l U Jahr 

beschn. Eber 

gesund 

3 cm 3 

Appetit am 27. gut, wenig matt, an 
Impfungsstelle Beule, keine Reaction. 

— 

— 

8 

1*/* Jahr 

beschn. Eber 

war krank 

10 cm 3 

Am 27. gefressen, lebhaft, keine 
Reaction. 

— 

— 

9 

V, Jahr 

Mutter¬ 

schwein 

gesund 

3 cm 3 

Appetit gut, lebhaft, keine Reaction. 

— 

- 

10 

V« Jahr 

Mutter¬ 

schwein 

gesund 

3 cm 3 

Appetit gut, keine Reaction. 

— 

— 

11 

2 Jahr 

Eber 

krank 

15 cm 3 

Matt, frisst nicht, bis zum Fallen auf¬ 
fallend matt, ohne Appetit. 

40,4» C. 

2. August 

12 

V* Jahr 

Multer- 

Bchwein 

gesund 

3 cm 3 

Keine Reaction, Appetit gut. 

38,0-38,5» C. 

— 

13 

3 Monat 

verschn.Eber 

war krank 

3 cm 3 

Appetit gut, keine Reaction. 

39,5-39,1» C. 

— 

14 

3 Monat 

Mutter¬ 

schwein 

war krank 

3 cm 3 

Keine Reaction. 

39,7—39,5° C. 

— 

15 

17, Jahr 

Mutter¬ 

schwein 

gesund 

7 cm 3 

Keine Reaction. 

38,7-38,9» C. 

— 

16 

y 4 Jahr 

verschn.Eber 

gesund 

3 cm 3 

Keine Reaction. 

— 

— 

17 

V 4 Jahr 

verschn.Eber 

geBund 

3 cm 3 

Keine Reaction. 

— 

— 


Skrotalhernie bei Mus decumanus. 

Von 

Baumgart-Bautzen, 

Thlororit. 

Mit einer Arbeit über die Nager beschäftigt, hatte ich einen 
Fleischerlehrling beauftragt, mir Ratten zu verschaffen. Eines 
Tages wurde mir ein besonders starkes und gut genährtes Thier 
überbracht mit der Bemerkung, dass es vom Hunde gefangen 
worden sei. An der linken Skrotalhälfte konnte man eine etwa 
walnussgrosse Geschwulst bemerken; die Haare waren an dieser 
Stelle ein wenig abgeschabt und die Haut schimmerte röthlich 
durch. 


Wie die Section ergab, lag eine vollständige Skrotalhernie 
vor. Durch den stark erweiterten Leistenring war eine Dünn¬ 
darmschlinge geschlüpft, die dann den ganzen Dickdarm nach¬ 
gezogen hatte. Wie Figur I zeigt., lag eine Einklemmung nicht 
vor, denn im Leistenring befand sich nur als zuführender 
Schenkel der Dünndarm und als abführender Schenkel der End¬ 
darm, während der ganze Dickdarm (Fig. I, Br; siehe auch Fig. II) 
zusammengefaltet auf dem Hoden lag. 

Eine Störung des Allgemeinbefindens scheint nicht Vorgelegen 
zu haben, denn die Weiterbewegung des Speisebreies war nicht 
behindert und der Ernährungszustand war ein guter. Dass der 
Bruch längere Zeit bestanden haben muss, geht daraus hervor, 


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5. Februar 1903. 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


81 


dass der betr. Hoden, offenbar durch Druckatrophie, merklich 
kleiner war, als auf der andern Seite; vielleicht ist das Thier 
beim Laufen etwas behindert gewesen, sonst wäre es wohl nicht 
dem Hunde zum Opfer gefallen. 



Da in der Litteratur, 
soweit ich ersehen konnte, 
nichts über einen Bruch 
bekannt ist, wo selbst 
der Dickdarm durch den 
Leistenring in den Skrotal- 
sack verlagert ist, und dies 
auch bei den Thieren, die 
sonst daraufhin zur Beob¬ 
achtung gelangen können, 
wie Pferd, Rind und 
Schwein, durch die anato¬ 
mischen Verhältnisse wohl 
ausgeschlossen ist, habe 
ich die Veröffentlichung 
meiner Beobachtung für 
angezeigt gehalten. 

Referate. 

Die Drahtsäge. 

Von W. van Staa. 

(Tyd*cbrift voor Veeartsenykunde, Bd. 80, S. 167.^ 

In obengenannter Zeitschrift wird von W. van Staa die 
hier unten abgebildete Drahtsäge beschrieben. Das kleine 
Instrument besteht aus einem etwa 80 cm langen Kupferdraht, 
an dessen beiden Enden sich zwei kupferne Ringe befinden. 
Der Kupferdraht ist aus zwei feineren mit Querfurchen ver¬ 
sehenen und um einander gedrehten oder um einander ge¬ 
schlungenen Drähten zusammengesetzt. Diese Drahtsäge wird 
bei der Embryotomie gebraucht, um alle weichen Theile, sogar 
die Haut und auch die Knochen durchzusägen und sie tritt ganz 
an die Stelle der Kettensäge. 


Man bringt einen'Strick um den dnrchzusägenden Theil, 
befestigt an dem Strick die Drahtsäge, welche soweit um den 
Theil hingezogen wird, dass beide Ringe ausserhalb der Vulva 
sichtbar sind; in jeden Ring wird der Finger gebracht und man 
arbeitet alsdann wie mit der Kettensäge. 



Vor der Kettensäge hat die Drahtsäge den Vorzug, dass 
sie nach allen Seiten biegt und dass man sofort damit 
sägen kann, wie sie bei der Einführung auch zu liegen 
kommt. Scharfe Kanten hat sie nicht und läuft nie fest. Man 
kann sie w r ie ein Strickchen aufrollen. 

Der einzige Nachtheil besteht darin, dass der Draht bei 
schnellem Sägen heiss läuft und brechen kann. Sägt man aber 
langsam bald mit dem einen, bald mit dem anderen Ende des 
Drahtes, dann bricht er nicht und er läuft auch nicht heiss. 

Van Staa theilt mit, dass fast alle Thierärzte in Fries¬ 
land die Drahtsäge heut zu Tage gebrauchen. M. G. d. B. 

Ueber die Resection der Synovialen beim Pferde. 

Von Meynard & Moreau-Bordeaux. 

(Revue generale v. Leclaiuclie, 15. I. 03.) 

Die Operation verlangt strengste Asepsis der Instrumente, 
des Verbandmaterials, des Operationsfeldes, hauptsächlich der 
Hände des Operateurs. Sie geschieht am besten im Brücken¬ 
apparat von Vinsol, kann aber auch auf dem Strohbette vor¬ 
genommen werden, wenn es mit einer Kantsclmckdecke über¬ 
zogen ist. Die Technik besteht in: 

1. Ausschnitt eines länglichen Hautlappens; 

2. Dissection der Synovialis; 

3. Ausschnitt eines grösstmöglichen Lappens aus der 
Synovialmembran; 

4. Auswaschung der Höhle mit sehr warmem Carbolwasser; 

5. Catgutnaht der Synovialmembran; 

6. Hautnaht; 

7. Grosser und sehr compressiver Verband mit Gaze und 
Watte. 

Als Beispiele werden citirt: 

I. Stute mit grosser Fesselgalle hinten rechts; das Thier 
lahmt, ist noch nicht behandelt, die Galle nicht indurirt. 

Operation am 20. September 1899. Der ausgeschnittene 
Hautlappen ist 7 cm lang, 2 ! / 2 cm breit. Am folgenden Tage 
ist das Thier fieberlos, der operirte Fuss wird nicht aufgesetzt, 
dies geschah jedoch bereits am 23. Am 10. October wurde der 
Verband geöffnet; die Galle war verschwunden und die Ver¬ 
narbung vollständig. Das Pferd wurde am 30. October in 
Dienst genommen; die Galle ist seitdem nicht mehr aufgetreten. 

II. Schwere Stute mit sehr grosser Fesselgalle hinten links, 
ohne Lahmheit. Operirt am 23. Januar 1900, fieberlos und an¬ 
scheinend ohne Schmerzen bis 14. Februar. An diesem Tage 
wurde der Verband geöffnet, die Vernarbung war vollständig, 
die Galle beseitigt. Sie ist seitdem nicht aufgetreten. 

III. Irländische Stute mit starken Sehnengallen an beiden 
Hinterextremitäten. Operirt an beiden Füssen am 1. Juni 1900. 
Zwei Tage nach der Operation sind die Verbände stark durch¬ 
nässt und müssen erneuert werden; es geschieht dies während 



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82 


acht Tage, worauf der Ausfluss geringer wird und die Ver¬ 
narbung rasch vorschreitet. Diese war am 30. Juni vollständig. 
Die compressiven Verbände wurden aber bis zum 15. Juli fort¬ 
gesetzt. 

IV. Fesselgalle mit Lahmheit, ist bereits zweimal mit 
Brennpunkten, mehrere Male mit scharfen Einreibungen behandelt 
worden. Die Operation fand am 26. September 1901 statt, die 
Resection war erschwert, die Synovialis war indurirt und stellen¬ 
weise knorpelig. Der Verband wurde am 27. October entfernt, 
die Vernarbung war vollständig. Die Galle ist seitdem wieder 
aufgetreten, ist aber kleiner und verursacht keine Lahmheit. 

ZündeL 

Zange zum Legen von ßullenringen. 

Schlachthofinspector Flessa, Bezirksthierarzt in Hof, hat 
eine Zange angegeben zum Einfuhren von Bullenringen, welche 
eine sehr beachtenswerthe Neuerung auf diesem Gebiete dar¬ 
stellt. Dieselbe hat die Form einer Hufzange; und der geöffnete 
Nasenring kann in die ausgehöhlten Backen der Zange ein¬ 
gelegt und dort festgeklemmt werden. Ein kräftiger Druck auf 
die Zangenschenkel genügt, um den Ring durch die Nasen¬ 
scheidewand zu führen und zugleich denselben zu schliessen. 
Es bedarf hierzu keines Vorstechens, und es sind Verletzungen der 
Hände des Operateurs vollkommen ausgeschlossen. Nach dem 
Schliessen der Zange kann der kleine Stift eingeschraubt werden, 
welcher das Wiederöffnen verhindert. Das Instrument hat sich 
bei den damit angestellten Versuchen sehr gut bewährt und 
es seien hierauf Interessenten aufmerksam gemacht. Die Aus¬ 
führung hat die Firma Haup tner-Berlin übernommen. 

Heiss. 

Wochenfibersicht Aber die medicinische Litteratnr. 

Von Dr. Jets-Charlottenburg, 

KrelatbieranL 

Deutsche Medicinal-Zeitung No. 78. 

Ueber Malaria einst und jetzt In den Marschen; von Dr. Hans 
Ziem ann wird auf das Original verwiesen. 

Deutsche Medicinal-Zeitung No. 99. 

Beobachtungen über Hämagglutination von Dr. Landsteiner. 
Wie L. in der W. Kl. Rsch. No. 40 1902 mittheilt, kann man 
aus Blutkörperchen, welche durch einen Ueberschuss von Normal¬ 
oder Immunserum agglutinirt sind, durch langes Digeriren mit 
physiologischer Kochsalzlösung intensive, agglutinirend wirkende 
Lösungen gewinnen. 

Beobachtungen über die Schädlichkeit der Bort&ure auf den 
menschlichen Organismus. Der erste Chemiker des Ackerbau- 
Departements der Vereinigten Staaten Mr. Wiley unternimmt 
eine Reihe von Untersuchungen an Menschen, um die deutschen 
Einwendungen gegen die mitBorsäure zubereiteten amerikanischen 
Fleischconserven zu prüfen. Sechs Personen unterwerfen sich 
diesen Versuchen. Sie haben sich freiwillig hierfür zur Ver¬ 
fügung gestellt. 

Münchener Medicinische Wochenschrift No. 2. 

Ueber die Immunisirung des Typhusbacillus gegen specifische 
Agglutinlne von Müller. 

Verfasser kommt zu dem Resultat, dass es nicht angeht, 
auf Grund eines negativ ausgefallenen Agglutinationsversuches 
bei einer frisch isolirten, sonst Typhus ähnlichen Cultur von 
vornherein die Diagnose „Bacterium typhi“ abzulehnen, sondern 
dass durch eine Reihe von Ueberimpfungen auf unsere gewöhn¬ 


No. 6. 


liehen Nährböden, die verloren gegangene Agglutinationsfähigkeit 
wieder hergestellt werden muss. 

Ueber die Bindung hämolytischer Ambozeptoren; von 
Dr. Morgenrot wird auf das Original verwiesen. 

Münchener Medicinische Wochenschrift, No. 3. 

Ueber Myogen, ein neues Eiweisspräparat von Dr. Neumann. 
Dr. Plön nie bringt unter dem Namen Myogen ein Eiweiss¬ 
präparat in den Handel, welches aus thierischem Eiweiss, 
nämlich aus dem Blutserum frisch geschlachteter Rinder so 
hergestellt wird, dass das Eiweissmolekul keine Veränderung 
erleidet. Die Untersuchungen von N. ergaben, dass das Myogen 
vom Organismus gut vertragen wird, allerdings kommt es 
bezüglich der Resorption dem frischen Fleische nicht ganz 
gleich. Es steht jedoch in dieser Beziehung höher, als die 
übrigen Eiweisspräparate. Das Myogen N.’s empfiehlt sich 
deshalb speciell für Reisen, Sport und im Felde. 

Lancet 1902, Norcmber. 

Ein Fall von durch Antitoxlnbehandlung geheilten Tetauus 
von Winter. Durch Verletzung des FusseB mit einem rostigen 
Nagel war bei einem Arbeiter Starrkrampf entstanden. Dem 
Patienten wurden sechsstündlich 10 ccm Antitoxin injicirt, im 
ganzen 60 Injectionen, worauf nach 45 Tagen Heilung eintrat. 

Berichtigung. 

In meinen Ausführungen betr. das spec. Serum muss es auf 
Seite 66, Spalte 1, Zeile 5 von oben heissen: Bericht der deut¬ 
schen pharmaceutischen Gesellschaft. 12. Jahrg., Heft 1; statt 
Pharmac. Ztg.; ferner auf derselben Seite, Spalte 2, Zeile 21 
von unten Miessner giebt 12 Stunden an, statt D /2 Stunden. 

Jess. 


Tagesgeschichte. 

Dürfen wir Studenten werben? 

Von Professor Sohmaltz. 

Vor einigen Wochen hatte ich an verschiedene berliner 
und an Provinzial-Zeitungen des Ostens und des Westens einen 
kurzen Artikel gesandt, in welchem zum Studium der Thier- 
medicin gerathen wird mit dem Hinweis, dass die Aussichten 
jetzt im Gegensatz zu anderen überfüllten academischen Berufen 
ausserordentlich günstige seien. Dieser Artikel hat auch eine 
entsprechende Verbreitung gefunden. 

Es wäre besser, wenn wir in der thierärztlichen Fach¬ 
presse über dieses Thema nicht discutirten. Allein überflüssiger 
Weise hat die Schlesische Zeitung anscheinend mich als den 
Schreiber genannt und in Folge dessen erhielt ich bereits aus 
Schlesien einen Brief, dessen Inhalt kurz der ist: „Wie können 
Sie solche Artikel schreiben? Wir haben schon viel zu viel 
Thierärzte, und Sie fordern auch noch zu diesem Studium auf.“ 

So, wie der verehrte Briefschreiber, möchten vielleicht 
mehrere Thierärzte denken, denen die örtliche Concurrenz 
lästig wird; deshalb muss ich darüber wohl doch einiges sagen, 
nicht um mich zu vertheidigen, sondern um zu verhüten, dass 
etwa au8 jener Stimmung heraus Gegenäusserungen in die Tages¬ 
presse gebracht werden, die dem guten Zweck meines Artikels 
entgegenwirken möchten. Dieser, so kurz wie möglich ge¬ 
fasste Artikel hatte folgenden Wortlaut: 

Allgemein wird geklagt, dass die academischen Berufe sämmtlich 
eine ausserordentlich starke Ueberfüllung aufwiesen, welche die Berufs¬ 
wahl sehr erschwert. Angesichts dieser unbestreitbaren Thatsache ist 
es vielleicht nützlich, die Aufmerksamkeit auf ein 8tudium zu lenken, 
das in seinen Anfängen zwar älter ist, jedoch erst seit 20 Jahren einen 


BERLINER TI1IERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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5. Februar 1903. 


academischen Character angenommen hat nnd vor Kurzem auf die Stufe 
der Vollendung gehoben worden ist: es ist dies das Studium der Thier- 
medicin. Die thierärztliche Wissenschaft und das gesammte Veterinär- 
wesen haben sich seit 20 Jahren in ungeahnter Weise entwickelt. Es 
hat dazu namentlich der Erlass eines Reichs-Yiehseuchen-Gesetze» im 
Jahre 1880 beigetragen, mit welchem die Veterinärmedicin damals der 
Humanmedicin vorauseilte. Vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes hielt 
sich der thierärztliche Beruf in bescheidenen Grenzen und war wenig 
bekannt, vielfach verkannt; dies ganz mit Unrecht. Selbstverständlich 
kann die Ausübung der Menschenheilkunde in den grossen Städten mit 
der Ausübung der thierärztlichen Praxis nicht in Vergleich gestellt 
werden; aber zwischen den Verhältnissen des Landarztes und des auf 
dem Lande practicirenden Thierarztes bestehen keine solchen Unter¬ 
schiede, dass sie wesentlich zu Ungunsten der Thiermedicin in die Wag¬ 
schale fielen. Die Mühseligkeiten des Berufs sind dieselben, an das 
menschliche und ästhetische Gefühl stellen die ärztlichen Aufgaben 
vielfach grössere Zumuthungen als die des Thierarztes*) und was den 
Ertrag anbetrifft, so ist es unbestreitbar, dass ein tüchtiger Thierarzt 
in seinen Einnahmen denen des Landarztes nicht nur gleichkommt, 
sondern diese häufig weit hinter sich lässt. Namentlich wenn der Thier¬ 
arzt aus der privaten Stellung in Folge eines besonderen Examens in 
die Stellung des beamteten Thierarztes Übertritt, ist sein Einkommen 
und seine Lage eine ausserordentlich sichere. Andererseits bietet der 
thierärztliche Beruf übrigens auch für Solche eine grosse Zahl von 
Stellungen, welche keine Neigung und Befähigung haben, die eigent¬ 
liche tierärztliche Praxis auf dem Lande auszuüben. & sind das die 
Stellungen der Schlachthofdirectoren u. s. w. in den Städten, welche 
immer noch neuen Zuwachs und neue Verbesserungen erfahren. Da 
die Thiermedicin der Humanmedicin sehr ähnlich und ausserdem ein 
8tück zoologischer Wissenschaft ist, so ist ihr Studium ein sehr inter¬ 
essantes und durchaus geeignet, junge Männer, welche die Universitäts¬ 
reife erworben haben, zu fesseln. Bisher wurde für dieses Studium nur 
die Priraareife verlangt; vom 1. April 1903 ab ist durch Bundesraths¬ 
beschluss die Universitätsreife (das Abitnrientenzeugniss eines Gym¬ 
nasiums, Real-Gymnasiums oder einer Ober-Realschule) obligatorisch vor¬ 
geschrieben. Selbstverständlich wird dies in den nächsten Jahren den 
Zugang zu diesem Studium etwas herabmindem; und da auch sonst 
eine lästige Ueberfüllung ira thierärztlichen Berufe, wie sich diese 
namentlich im ärztlichen bemerkbar macht, noch nicht hervorgetreten 
ist, so bieten sich also gerade für Diejenigen, welche in den nächsten 
Jahren sich dem thierärztlichen Studium widmen, ausserordentlich 
günstige Chancen. 

Ich glaube jeden Satz dieses Artikels vertreten zu können, 
nicht bloss mit Rücksicht auf unsere Interessen, sondern auch 
auf Diejenigen, welche etwa dadurch zum Studium der Thier¬ 
medizin veranlasst werden sollten. 

Der Einwand, dass solche Aeusserungen der Besorgniss ent¬ 
sprängen, wir würden nicht genug Abiturienten bekommen, und 
dass dies ein Widerspruch mit unseren früheren Versicherungen 
sei, ist ganz unbegründet. **) Solche Besorgniss besteht in der 
That bei manchen „höheren“ Thierärzten und hat sich da, wenn 
auch nicht öffentlich, schon sehr eigentümlich geäussert. Bei 
mir besteht sie nicht. Aber das ist freilich selbstverständlich, 
dass vorübergehend in den ersten Jahren eine sehr starke 
Verminderung des Zuzuges eintreten wird. Daraus ist auch 
nie ein Hehl gemacht worden. 


*) Dieser Satz ist anscheinend nicht verstanden und deshalb 
in einigen Zeitungen abgeändert und sinnentstellt wiedergegeben. 
Ich wollte damit sagen: Ein feines Empfinden braucht durchaus 
kein Hinderniss für das Studium der Thiermedicin zu bilden; es 
ist ein ganz unberechtigtes Vorurtheil, dass mit dem thierärztlichen 
Beruf insbesondere ekelhafte Manipulationen etc. verbunden seien. 
Das ist in der Medicin durchaus nicht anders am menschlichen 
Object wird vielmehr dem ästhetischen Gefühl, wenn es in dieser 
Beziehung noch nicht abgestumpft ist, schlimmeres zugemuthet. 
Ebenso fällt in der Thiermedicin die Folterung des menschlichen 
Gefühls durch die fortwährende Berührung mit menschlichem Elend 
fort (freilich damit auch die höchste Freude, Menschen zu retten, 
das schöne Vorrecht deB Arztes). 

**) Dieser Einwand ist auch gegen die Stipendienstiftung er¬ 
hoben worden, mit noch grösserem Unrecht. Der Furcht vor einem 
Mangel an Thierärzten ist dieser Gedanke nicht entsprungen, schon 
deswegen nicht, weil die wenigen Stipendien, die allenfalls aus 
einem solchen Fonds gezahlt werden können, einem etwaigen 
Mangel unmöglich abhelfen könnten. 


83 


Wir Thierärzte wissen, dass eine solche vorübergehende 
Verminderung uns durchaus nichts schadet. Sicher ist aber, 
dass das Publikum, die Landwirthschaft anders denkt und dass 
alsbald alle möglichen Angriffe gegen die Vollbildung sowie Ab¬ 
hilfsvorschläge auftauchen würden, wenn sich gar zu wenig 
neue Studenten einfänden. Namentlich ein etwaiger Mangel 
an Anmeldungen für die Militärcarriöre wäre eine Calamität. 

Deshalb liegt es in unserem innersten Interesse, wie in 
dem unserer Behörden, dass wir selbst ein wenig für Zuzug 
zum thierärztlichen Studium in den nächsten Jahren sorgen, und 
ich kann nur den Herren Collegen dringend empfehlen, dies auch 
ihrerseits zu thun. 

Andrerseits kann man das aber auch mit gutem Gewissen. 
Ich habe während meiner kurzen practischen Thätigkeit in der 
Grafschaft Calenberg Alles genau so gefunden und empfunden, 
was ich über Landarzt und Thierarzt in obigem Artikel gesagt 
habe. Und das ist doch nicht zu bezweifeln, dass die ersten 
Jahrgänge der Abiturienten sehr gute Chancen haben. Wenn 
auch z. Z. für alle Stellen Anwärter genug da sind, so muss 
sich doch in Zukunft der jetzt zu erwartende Frequenzrückgang 
in bestimmten Jahrgängen bemerklich machen, ganz abgesehen 
von den Bevorzugungen, welche die ersten Jahrgänge der Abi¬ 
turienten bei amtlichen Concurrenzen sicher dereinst erfahren 
werden. 

Ich halte es auch für berechtigt, zu sagen, dass der thier¬ 
ärztliche Stand zur Zeit noch keine Ueberfüllung aufweist. 
Dieselbe fing ja bereits an; sie wäre uns sicher gewesen, wenn 
die derzeitige ungesunde Ueberfüllung der thierärztlichen 
Hochschulen noch ein Jahrzehnt anhielt. Aber diese Frequenzen 
haben nun für absehbare Zeit ein Ende; das ist gewiss und sehr 
gut. Und wenn wir Alle noch so viele Zeitungsartikel schreiben, 
eine Frequenz von 550 Studenten, wie gegenwärtig, wird die 
thierärztliche Hochschule zu Berlin sobald nicht wieder auf- 
weisen. Gewiss sind viele Gegenden zu dicht mit Thierärzten 
besetzt; in Hannover wohnen sie durchschnittlich nur 8 km 
von einander entfernt. Aber dafür ist der Osten noch ver- 
hältnissmässig arm an Thierärzten. Und der Osten ist als 
Veterinärgebiet nicht schlecht, in amtlichen Stellen sogar un¬ 
vergleichlich besser als grösstentheils der Westen. Wenn in 
einem schlesischen Kreise sechs Thierärzte sitzen, so giebt es 
doch in Schlesien auch noch Kreise, die neben dem Kreisthierarzt 
überhaupt keinen Thierarzt haben. Das kann man doch nicht 
Ueberfüllung nennen; die Thierärzte müssen sich nur mehr ver¬ 
theilen. Wenn manche Thierärzte schlechte Fixa annehmen, 
so ist das weniger ein Zeichen von mangelndem Unterkommen, 
als davon, dass die Betreffenden sich nicht getrauen, in freier 
practischer Thätigkeit sich ihren Unterhalt zu erwerben. 

Dies sind die Gründe, welche mich bei jenem Artikel ge¬ 
leitet haben, und ich kann im Interesse des Standes nur wünschen, 
dass sie anerkannt und mindestens nicht angefochten werden. 

Neue Bestimmung der Stellung der bayer. Militärveterinäre. 

Se. kgl. Hoheit der Prinz Regent hat mit Allerhöchster 
Entschliessung vom 27. Januar 1903 in Bezug auf Rang und 
Gebührnisse der Militär-Veterinäre bestimmt: 1. Die Veterinäre 
zählen zu den mittleren Beamten, die Stabsveterinäre und Corps¬ 
stabsveterinäre zur fünften Rangklasse der höheren Beamten 
der Militärverwaltung. Die Corpsstabsveterinäre können bei 
entsprechender Dienstzeit und Würdigkeit zur Allerhöchsten 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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84 


Verleihung des persönlichen Ranges der vierten Rangklasse be¬ 
antragt werden; als Angehörige dieser Klasse tragen sie Epau- 
letten mit Fransen und Achselstücke mit Geflecht, beide ohne 
Rosetten. Im Uebrigen bleibt die Dienstbekleidung der Militär¬ 
veterinäre unverändert. 2. Die Stabsveterinäre erhalten bei 
Dienst- und Versetzungsreisen Tagegelder nach Gruppe II und 
Vergütung für Umzugskosten nach Gruppe III der §§ 1 und 13 
der Allerhöchsten Verordnung vom 20. März 1902; die Neu¬ 
feststellung ihrer Gebühr an Servis und Wolmnngsgeldznschuss 
durch den Etat bleibt Vorbehalten. 

Deutscher Landwirthschaftsrsth. 

In Berlin haben die landwirtschaftlichen Tagungen, welche 
sich um die „grosse landwirtschaftliche Woche“ crystallisiren, 
begonnen. Dem deutschen Landwirthschaftsrath ist der Ent¬ 
wurf des neuen Viehseuchengesetzes zur Begutachtung 
zugegangen. Der Referent für dieses wichtige und umfassende 
Thema ist Veterinär-Assessor Preusse-Danzig. Ausserdem 
spricht Geheimrath Damm ann über die deutsch-österreichische 
Viehseuchen - Convention. 

Versammlung der preusslschen Departementsthierärzte. 

Am 21. Febrnar versammeln sich die preussischen De¬ 
partementsthierärzte in Berlin zur Beratung dienstlicher An¬ 
gelegenheiten. 

Verband der Privatthierärzte in Preussen. 

Unter dem Vorsitz des Präsidenten, Dr. Jelk mann-Frankfurt, 
versammelten sich am 31. Januar zu Berlin die Delegirten der 
Provinzialgruppen des Verbandes. Es wurde zunächst über 
Regelung des Geschäftsganges beraten. Zu Generalsecretären 
wurden neugewählt: Dr. Flatten-Köln, Bettelhäuser-Duisburg 
un4 Janssen-Meldorf. Beschlossen wurde zunächst eine Ein¬ 
gabe an den Herrn Minister für Landwirtschaft, welche darlegen 
soll, in welcher Weise die Privattierärzte an veterinärpolizei¬ 
lichen Geschäften beteiligt werden können. Eine zweite Ein¬ 
gabe richtet sich gegen das nach übereinstimmenden Berichten 
in verschiedenen Provinzen zu Tage tretende Bestreben der 
Landräthe etc., grundsätzlich Laienfleischbeschauer anzustellen 
auch da, wo Thierärzte vorhanden und zur Uebernahme der 
Fleischschau bereit sind. Es widerspricht diese Auffassung den 
Intentionen des Gesetzes, dessen Entwurf besagt, dass thun- 
liehst Thierärzte mit der Fleischbeschau betraut werden sollten. 

Schliesslich wurde die Ausarbeitung einer kurzen Denkschrift 
beschlossen, welche die gesammte Regelung der Fleischschau 
auf dem Lande mit Rücksicht auf die Interessen der wissen¬ 
schaftlichen Fleischbeschauer betrifft. Die Denkschrift soll allen 
Regierungen und Landräthen unverzüglich zugestellt werden; 
auch können die Mitglieder des Verbandes Exemplare (zur Ver- 
theilung an Bürgermeister etc.) erhalten. 

Fieischschau ausserhalb der Schlachthöfe in Preussen. 

Wenn der Verband der Privatthierärzte in Preussen noch 
eines besonderen Beweises für seine Existenzberechtigung neben 
den beiden anderen Sonderverbänden bedürfte, so wäre dieser 
schon durch die Thatsache geliefert, dass die Privatthierärzte 
in erster Linie an der Landfleischbeschau interessirt sind und 
alle Veranlassung haben, ihre Wünsche auf diesem Gebiete 
selbstständig und entschieden zu vertreten. Der Verband thut 
Recht daraD, dass er, wie oben berichtet, sich zunächst haupt¬ 
sächlich dieser Aufgabe zuwenden will; nur wird er hier mit 
grösster Beschleunigung handeln müssen. 


No. 6. 


Eine ganz besondere Beachtung verdient die immer mehr 
auftauchende Absicht der Orte ohne Schlachthaus, von den in 
die Gemeindekasse zu vereinnahmenden Fleischschaugebühren dem 
wissenschaftlichen Fleischbeschauer ein mageres Pauschquantum 
zu bieten. Dies ist ganz unzulässig. Auch im Landtag haben 
Abgeordnete entschieden betont, dass die Fleischschau keine 
Einnahmequelle für die Communen werden solle. Wie Kühnau 
pg. 104 berichtet, soll nach den zu erwartenden Bestimmungen 
die Zahlung von Pauschquanten nicht ausgeschlossen sein. Es 
empfiehlt sich dann aber schleunig Schritte zu thun, damit 
einem Missbrauch grundsätzlich vorgebeugt wird. 

Ueber diesen Punkt würde am besten eine besondere Ein¬ 
gabe an die Centralinstanz erstattet werden. S. 

Ausbildungsunterrlcht für Fleischbeschauer. 

Es ist die Frage aufgeworfen worden, ob bei Ausbildung 
der Fleischbeschauer das vorgeschlagene Unterrichtshonorar von 
50 Mk. eine Ermässignng erfahren sollte, wenn sich mehrere 
Personen zugleich der Ausbildung unterziehen. Das ist wohl 
Ansichtssache. An sich ist eine Herabsetzung des Einzelhonorars 
bei einer grösseren Zahl von Theilnehmern an ein und demselben 
Cursus nicht unbillig. 

Ausstellung für hygienische Milchversorgung In Hamburg. 

Ueber diese interessante Abstellung macht Herr Dr. 
Stödter nähere Mittheilungen in einem Artikel, 4er sich auf 
Seite 99 dieser Nummer findet. 

Medici nal- Gebühren. 

Der im Vorjahr zurückgestellte Gesetzentwurf betr. die Ge¬ 
bühren der Medicinalbeamten ist dem Abgeordnetenhause von 
Neuem zugegangen. Der Entwurf weicht principiell von dem 
z. Z. noch gültigen Gesetz vom 9. März 1872 darin ab, dass 
die Gebühren für Verrichtungen nicht im Gesetz selbst festgelegt 
werden sollen, sondern analog der Taxe für Aerzte in einem 
Tarif, der vom Medicinal-Minister unter Zustimmung des Finanz- 
und Justiz-Ministers festgesetzt wird. Dies gestattet eine 
leichtere Anpassungsfähigkeit an wechselnde Verhältnisse. Tage¬ 
gelder und Reisekosten werden nach den allgemeinen 
Bestimmungen für Staatsbeamte gezahlt. Die Tage¬ 
gelder werden nicht gezahlt, wenn an demselben Tage Ge¬ 
schäfts-Gebühren in mindestens gleicher Höhe liquidirt werden. 
Dagegen werden für mehrere Verrichtungen an demselben Tage 
die für jede einzelne festgesetzten Gebühren gezahlt eventl. bis 
zu einem Gesammt-Höchstsatz. In dem als Anhang zu dem 
Gesetz vorgelegten Tarif werden an Geschäfts-Gebühren aus- 
geworfen z. B. für eine Obduction 24 M., für Gutachten 
10—30 M., für einen zweistündigen Termin 6 M. Die übrigen 
Sätze interessiren uns nicht. 

Es ist kaum zu bezweifeln, dass die in obigem Gesetz ent¬ 
haltenen Grundsätze auch bei der Gebühren-Regelung der 
KreisthieräTzte werden maassgebend werden. 

Thlerärztliohe Gesellschaft zu Berlin. 

(Eingetragener Verein). 

Einladung. 

zur Sitzung am Montag, den 9. Februar 1903 abends pünktlich 
8 Uhr im Hörsaal des hygienschen Instituts der Thierärztlichen 
Hochschule. 

Tagesordnung: 

1. Vereins-Angelegenheiten. 

a) Aufnahme der Herren Thierarzt Dr. Zeh 1-Trebbin und 
Assistent Dr. Simon: 

b) Verschiedenes. 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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85 


ft. Februar 1903. 


BERLINER THIERÄRZTLICIIE WOCHENSCHRIFT. 


2. Vortrag des Herrn Repetitors Dr. Bngge: „Ueber die ge¬ 
bräuchlichsten Methoden der MHchuntersuchung.“ Mit Demon¬ 
strationen. 

3. Mittheilungen aus der Praxis. 

Nach der Sitzung geselliges Beisammensein im Restaurant 
Schüneinann, Luisenstr. 

Collegen als Gäste willkommen. 

Der Vorstand. 

Stenogramm der Verhandlungen des preussischen Land¬ 
tages über Yeterinärwesen am 30. Januar. 

v. Arnim, Berichterstatter: Meine Herren, in der Budget¬ 
commission ist ebenBO wie im vorigen Jahre dort wie im Plenum 
eine Debatte bervorgerufen worden über die Kreisthierärzte. Es 
wird noch erinnerlich sein, dass die Wünsche der Kreisthierärzte 
gerichtet Bind erstens auf eine obligatorische bessere wissen¬ 
schaftliche Ausbildung, zweitens auf Erhöhung ihres Fixums, 
welches sie beziehen, drittens auf die gesetzliche Festlegung eines 
Pensionsanspruches und viertens auf einen höheren Rang in der 
Beamtenschaft. 

Was den letzteren Wunsch anbetrifft, so ist bekannt, dass dar¬ 
über nicht der Landtag zu entscheiden hat, sondern lediglich Seine 
Majestät bezw. die Königliche Staatsregierung. Was den ersten 
Wunsch betrifft, die bessere wissenschaftliche Ausbildung, so steht 
in Vorbereitung die Forderung, dass das Abiturientenexamen obli¬ 
gatorisch gemacht wird für die Zulassung als Kreisthierarzt*). 

Was aber die Erhöhung des Fixums und den Pensionsanspruch 
anbetrifft, so erklärte die Königliche Staatsregierung, dass 
sie die ganze Frage im W'ege eines Gesetzes regeln werde, 
welches in Vorbereitung sei, und dass wohl gehofft werden könne, 
die Vorlegung würde in der nächsten Session erfolgen. 

v. Neumann-Grossenborau, Abgeordneter: Meine Herren, 
nachdem ich mich in der vorigen Session zum Dolmetsch der 
Bitten und der Wünsche der Kreisthierärzte gemacht habe, glaube 
ich, dass es mir heute zusteht, auch Namens der Kreisthierärzte 
respective meiner Person, da ich selbst gebeten hatte, der Königlichen 
Staatsregierung den Dank auszuspreeben, für die umfassenden 
Arbeiten, die sie im Laufe dieses Jahres geleistet hat, um den 
Wünschen und Bitten der Thierärzte abhelfend nacbznkommen, um 
ihrer Nothlage abzuhelfen. Ja, meine Herren, die Fragen sind ja 
alle erörtert worden, wie dringend alle diese Wünsche und Bitten 
waren, und die Königliche Staatsregierung ist auf dem Wege, alle 
diese Bitten zu erfüllen. 

Wenn wir heute noch nicht eine Vorlage im Etat finden, so 
sind es naturgemäss besondere Schwierigkeiten, die sich derselben 
entgegenstellen, in erster Linie das zu schaffende Gesetz, welches 
der Herr Berichterstatter bereits erwähnt hat. Es ist also vorläufig 
datür gesorgt, dass die Thierärzte das Abiturientenexamen machen 
und dass sie dadurch eine Stellung in der Gesellschaft einnehinen, 
welche würdiger ist als die, die sie heute haben. Es wird ferner 
eine Gehaltserhöhung in Aussicht gestellt, und es wird für eine 
ausreichende Pensionsberechtigung und eine ausreichende Relikten- 
versorgung von Seiten der Königlichen Staatsregierung Sorge ge¬ 
tragen werden. Ausserdem wird auch das Gebührengesetz vom 
Jahre 1872, das mannigfaltig bemängelt worden ist, einer Revision 
unterzogen werden, und, wie ich hoffe, mit demselben ganze Arbeit 
gemacht werden. 

Die Thierärzte können mit alledem wohl zufrieden sein. Dass 
sie aber den Wunsch gehabt hätten, diese Vorlage bereits in diesem 
Etat zu sehen, das kann man ihnen wohl nicht verdenken. 

Neben der Schwierigkeit, die ich vorhin erwähnt habe, des 
Schaffens und der Vorlage eines neuen Gesetzes, ist es ja wohl 
in erster Linie die Finanzlage unseres Landes, welche verhindert 
hat, dass bereits in diesem Jahre eine entsprechende Vorlage in 
den Etat kommt. Da möchte ich nun doch an den Herrn Finanz- 
minister die Bitte richten, dass er die wohlwollenden Absichten 
unseres Herrn Landwirthschaftsministers für die Thierärzte auf das 
kräftigste nnd auf daB schleunigste unterstütze. Denn wie die 
Lage gegenwärtig ist, so ist mir von hervorragender und maass¬ 
gebender Seite gesagt worden, dass in Folge der Lage, in der sich 
die Kreisthierärzte jetzt befinden, schon eine Abnahme der An¬ 
wärter stattfindet. Nun müssen wir doch nicht unterschätzen, was 
wir bei Einführung unseres Fleischschaugesetzes für eine Masse 
von Kräften brauchen. Je später also diese Neustellung und Neu¬ 
besoldung der Kreisthierärzte ins Leben gerufen wird, desto später 
werden die Anwärter zu dem für uns alle so wichtigen Amte 
wieder heranströmen. 

Ich richte deshalb die dringende Bitte an den Herrn Finanz¬ 
minister, schleunig vorzugehen. Die Finanzen der Kreisthierärzte 
sind, glaube ich, an manchen Stellen auch sehr schlecht: sie be¬ 
dürfen einer gründlichen Aufbesserung, — und bei dem Wohlwollen, 

*) Es ist eigentlich merkwürdig, dass der Herr Berichterstatter 
noch in diesem Irrthum lebt, der nun natürlich auch theilweise in 
die Zeitungen übergegangen ist. 


das in dem Ministerium für die Beamten so ausgiebig vorhanden 
ist, bin ich der festen Ueberzeugung, dass auch dieser Bitte Rech- 
nuug getragen wird. 

An den Herrn Ressortminister richte ich noch die ganz ge¬ 
horsame Bitte, dein, was seitens des Herrn Referenten und von mir 
darüber gesprochen worden ist, was den Kreisthierärzten in Aus¬ 
sicht steht, vielleicht einige erläuternde Worte hinzuzufügen. 

v. Podbielski, Minister für Landwirtschaft, Domänen und 
Forsten: Ich habe aus den Worten des Herrn Vorredners zumeiner 
Freude entnommen, dass die Thierärzte überzeugt sind, dass die 
landwirtschaftliche Verwaltung unausgesetzt bestrebt ist, den be¬ 
rechtigten Wünschen dieser Beamten nachzukommen. 

Betreffs der Ausbildung ist ja. wie das Hohe Haus weiss, be¬ 
reits im laufenden Jahre ein wesentlicher Schritt vorwärts gethan, 
und, wie ich constatiren kann, von allen Betheiligten freudig auf- 
genomraen worden. Ich kann die Erklärung abgeben, dass meinen 
Wünschen von der Finanzverwaltnng das bereiteste Entgegenkommen 
gezeigt ist, und ich hoffe, dass es möglich sein wird, im nächsten 
Jahre im Etat eine Aufbesserung der Gehälter der Kreisthierärzte 
vornehmen zu können. 

Was die beiden anderen Fragen betrifft, die der Herr Vorredner 
berührt hat, die Pensionsberechtigung und die Relictenversorgung, 
so kann dieses Beides nur durch ein Gesetz geregelt werden. Es 
liegt in meiner Absicht, dieses wenn möglich dem Hohen Hause 
im nächsten Jahre vorzulegen. 

Weiter wird zu erwägen sein, ob nicht auch über die Aenderung 
des Gebührengesetzes von 1872 eine Gesetzesvorlage zu machen 
sein wird. 

Ich kann nur wiederholen, dass der Herr Finanzminister mit 
mir anerkennt, dass auf diesem Gebiete IJebelstände vorliegen, die 
der Abhülfe bedürfen. Einer Bemerkung des Herrn Vorredners muss 
ich jedoch widersprechen; zur Zeit können wir noch keine Abnahme 
der Anwärter für die Stellen der Kreisthierärzte constatiren, 
sondern der Andrang ist noch ebenso, wenn nicht stärker, wie in 
früherer Zeit; vielleicht wirkt schon die Aussicht auf die bevor¬ 
stehenden Verbesserungen anregend auf die Wahl des thierärztlichen 
Studiums. 

Dr. Müller, Abgeordneter: Meine Herren, zunächst möchte ich 
meiner Befriedigung darüber Ausdruck geben, dass nunmehr endlich 
auch für Preussen die Maturitas als Vorbedingung für die Zu¬ 
lassung zum thierärztlichen Hochschulstudium vorgeschrieben 
worden ist. Durch diese Maassnahme ist einer gerechten Forderung 
entsprochen worden, die namentlich seitens derjenigen Veterinäre 
immer kräftiger und immer dringlicher erhoben worden ist, die sich 
in Folge ihrer wissenschaftlichen Bethätigung davon überzeugt 
haben, dass die Veterinärwissenschaft und -Kunst nur erfolgreich 
betrieben und zeitgemäss gefördert weiden kann, wenn ihre Jünger 
völlig auf gleicher Höhe stehen, wie die der menschlichen Medicin. 
Ferner möchte ich auch meine Genugthuung darüber aussprechen, 
dass der Herr Minister zugesagt hat, die Thierärzte besser im Ge¬ 
halte zu stellen, als sie bisher in Preussen stehen. Preussen ist ja in 
dieser Hinsicht leider noch sehr im Rückstände gegenüber anderen 
deutschen Bundesstaaten. Das Fixum der meisten preussischen Kreis¬ 
thierärzte — von 600 M. jährlich — ist doch ein so geringes, dass 
es zuzüglich der Tagesgelder von 4.50 M. in polizeilichen, 6 M. in 
gerichtlichen Fällen nicht ausreicht, davon wirtschaftlich selbst¬ 
ständig zu existiren. Die meisten, wenn nicht alle preussischen 
Kreisthierärzte sind daher in gewissem Grade von ihrer Privat¬ 
praxis abhängig. Wie es zu ermöglichen ist, sie vollständig selbst¬ 
ständig zu machen gegenüber den Grossgrundbesitzern, deren Vieh¬ 
bestände sie amtlich zu überwachen haben, das ist eine Frage, die 
der ernstesjen und schleunigsten Erwägung des Herrn Ministers 
würdig ist. In den holländischen Colonien sind, soviel ich weiss, 
schon seit langen Jahren die beamteten Veterinäre so gestellt, dass 
sie Privatpraxis überhaupt nicht treiben dürfen. Ein solches Ver¬ 
bot setzt selbstverständlich voraus, dass ihr dienstliches Ein¬ 
kommen so hoch bemessen ist, dass Bie die Einnahmen aus privater 
Thätigkeit entbehren können. — Immerhin begrüsse ich die Zusage 
des Ministers, die Gehälter zu erhöhen, mit Freudigkeit. Ich be- 
daure nur, dass dem Herrn Minister seitens der Finanzverwaltung 
die Mittel verweigert worden sind, um schon für das kommende 
Etatsjahr höhere Gehälter für die Kreisthierärzte zu gewähren. 
Ich glaube aber doch, wenn auch in dieser Hinsicht aus 
der ungünstigen Finanzlage Schwierigkeiten hergeleitet werden 
könnten, so wäre es doch wohl möglich gewesen, wenigstens 
bezüglich der Rangstellung der Kreisthierärzte ein weitgehendes 
Entgegenkommen zu zeigen. Ich bin der Meinung, dess es doch 
der wissenschaftlichen Qualification der Kreisthierärzte gegenüber 
unmöglich als zeitgemäss erachtet werden kann, dass sie zu den 
subalternen Beamten der 8. Classe gezählt werden, also mit den 
Regierungsbureauassistenten auf gleicher Stufe und tiefer als die 
Secretäre der Localbehörden stehen. Man sollte sie gerechter 
Weise den übrigen wissenschaftlich Vorgebildeten gleichstellen. 
(Zuruf.) Meine Herren, unrecht ist es auch, dass den Kreisthierärzten 
in Preussen verwehrt wird, selbst wenn Bie ihre wissenschaftliche 
lR-tähigung durch eine Dissertation und durch ein Rigorosum nach¬ 
gewiesen haben, den Doctortitel zu führen, den sie in der Schweiz 
erworben haben auf solchen Universitäten, denen der Doctortitel 


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86 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 6. 


sonst — Dr. pbil. — in Preussen anerkannt wird. So darf z. B. 
meines Wissens der philosophische Doctortitel, der von den Uni¬ 
versitäten Basel, Bern oder Zilrich verliehen ist, in Preussen 
geführt werden. Der von denselben Hochschulen verliehene Titel 
Dr. med. vet., welcher meines Wissens in Baden, Bayern, Braun¬ 
schweig, Bremen, Hamburg, Hessen und sogar in den Keichslanden 
anerkannt wird, ist in Preussen für die Kreisthierärzte nicht zu¬ 
lässig, weil angeblich es in Preisen den Titel Dr. med. vet. nicht 
gebe, obwohl dieser schon seit etwa 50 Jahren oder mehr, wenn 
in Giessen verliehen, in Preussen geführt werden darf. 

Meine Herren, ich habe mich eingehend mit den Dissertationen, 
die von Thierärzten geschrieben sind, beschäftigt. Ich habe eine 
ganze Reihe derselben hier zur Hand, und bitte Sie, sich in das 
Studium dieser Dissertationen zu vertiefen. Wenn Sie das thun, 
dann werden Sie erkennen, dass darin für die weitere Entwickelung 
der Anatomie, der Physiologie, der Bacteriologie und der Veterinär¬ 
pathologie wissenschaftlich so Hervorragendes geleistet worden ist, 
wie nur von irgend einem Mediciner auf seinem engeren Gebiete 
in einer solchen Arbeit geleistet werden kann. Weshalb will unsere 
Regierung nun nicht die Thierärzte zu selbstständiger Betätigung 
auf dem Gebiete der Wissenschaft dadurch anspornen, dass sie die 
Tbierärzte des gleichen Vorzugs theilhaftig werden lässt, dessen 
sich die Studirenden aller anderen Facultäten uneingeschiänkt 
erfreuen für besondere Leistungen? Weshalb gewährt die Re¬ 
gierung nicht den Thierärzten das Recht, den in Basel, Bern oder 
Zürich erworbenen Titel Dr. med. vet. auch bei uns in Preussen 
zu führen? Sie werden vielleicht denken, das sei eine kleinliche 
Etikettenfrage, die keine practische Bedeutung habe. Aber, meine 
Hei reu, gerade bei einem Stande, der wie dem der Thierärzte, die 
entgegen ihrer hohen Bedeutung für unsere Volkswirtschaft, trotz 
ihrer wissenschaftlichen Qnalification, anderen Categorien der 
Beamtenschaft gegenüber nach allen Richtungen hin zurückgesetzt 
werden, auch auf ein gesellschaftlich niedrigeres Niveau, ist es meiner 
Meinung nach wichtig, wenn ihm auch in solchen Aeusserlichkeiten 
die gleichen Ehren wie anderen ihm gleichwertigen Ständen 
gewährt werden. 

Ich möchte den Herrn Minister dringend bitten, baldigst dahin 
zu wirken, dass der tierärztliche Doctor der Baseler, Berner und 
Züricher Hochschulen anerkannt und dass der Dr. med. vet. 
auch an den preussischen Hochschulen allgemein ein¬ 
geführt wird, um auf diese Weise zu wissenschaftlicher Be¬ 
tätigung anzuregen. 

Ich erwarte nach der Zusage des Herrn Ministers mit Bestimmt¬ 
heit, und kann in dieser Hinsicht den Ausführungen des Herrn 
Abgeordneten von Neumann nur zustimmen, dass den Kreis¬ 
thierärzten baldigst durch Gesetz Besoldungsverbesserung, Pensions¬ 
berechtigung und Relictenversorgung garantirt, sowie durch eine 
Novelle zum Gesetz von 1872 die Gebübrenregelung bald in einer 
Weise durchgeführt wird, wie dies alles den gerechten Ansprüchen 
dieser wichtigen Beamtenklasse entspricht. (Bravo!) 

Winkler, Abgeordneter: Meine Herren, der Herr Abgeordnete 
v. Neumann hat dem Herrn Minister bereits seine Befriedigung, 
seinen Dank Uber das ausgesprochen, was uns als seine Absicht 
pro futuro heute und auch schon in der Kommission mitgetbeilt 
worden ist. Der Herr Minister wolle es mir nicht verübeln, wenn 
ich noch von einem anderen Standpunkte aus ihm auch einen Dank 
ausspreche. Das ist nämlich tür die Art und Weise, wie er in der 
Reicnstagssitzung vom 27. October v. J. die beleidigenden Angriffe 
zurückgewiesen hat, die der Abgeordnete Bebel gegen den Stand 
unserer Kreisthierärzte gerichtet hatte. Als der Abgeordnete Dr. 
Müller (Sagan) sich jetzt zum Worte meldete, glaubte ich, dass er 
in einem ähnlichen Ton wie damals im Reichstag die Sache be¬ 
handeln würde, wo er sich für verpflichtet gehalten hat, den Ab¬ 
geordneten Bebel in Schutz zu nehmen gegen die Verwahrung 
des Herrn Ministers. (Hört, hört! rechts.) Zu meiner Freude ist 
das nicht geschehen. Der Herr Abgeordnete Müller hat mit der 
in diesem Hause üblichen ruhigen und gesebäftsmässigen Weise 
gesprochen und jedenfalls damit die Interessen der Thierärzte besser 
vertieten als damals im Reichstage. Ich hatte auch geglaubt, nach¬ 
dem ich die Rede des Herrn Abgeordneten Dr. Müller im Reichstag 
über unsere preussischen Kreisthierärzte gelesen habe, dass er heute 
wieder Bezug nehmen würde auf den sogenannten amtlichen Veterinär¬ 
bericht eines Kreisthierarztes für 1901, mit dem er damals operirt hat. 
Er wird sich inzwischen überzeugt haben, dass es einen solchen amt¬ 
lichen Bericht eines preussischen Kreisthierarztes nicht geben kann. 
Allein die Behauptung in jenem angeblich amtlichen Bericht, dass 
manche Kreisthierärzte, die 600 Mk. für Papier und Tinte auszugeben 
hätten, zeigt doch von vornherein, dass es sich um einen amtlichen 
Bericht eines königlichen Beamten nicht handeln kann. 

Der Herr Minister hat uns in Aussicht gestellt, dass wir das 
nächste Jahr im Etat eine Aufbesserung der Besoldung der Kreis¬ 
thierärzte zu erwarten haben; er hat ferner mitgetheilt, dass die 
Absicht bestände, ein Gesetz einzubringen, durch welches den 
Kreisthierärzten die Pensionsfähigkeit verliehen werden soll; und 
ausserdem hat er eine Abänderung des Gebührengesetzes in Aus¬ 
sicht gestellt. Ich möchte da eine Bitte anssprechen, nämlich die, 
erwägen zu wollen, wenn die Einkünfte der Kreisthierärzte neu ge¬ 
regelt werden, ob man da nicht mutatis mutandis sich die Art und 


Weise zum Vorbild nehmen möchte, wie in Bezug auf die Kreis¬ 
ärzte die Sache geregelt ist. Aach sie haben ein Fixum einerseits 
und andererseits Gebühren, und es hat eich eine Regelung Anden 
lassen, die, glaube ich, wohl allgemein Beifall findet. Ich würde 
mich freuen, wenn in ähnlicher Weise ein richtiges Verhältnis 
zwischen der festen Besoldung und den Gebübreu herbeigeführt 
werden könnte, damit nicht das Einkommen der Kreisthierärzte in 
dem Maasse wie jetzt von der Höhe der Gebühren abhängt und 
deshalb so ausserordentlich schwankend und verschieden ist. Es 
wird im Allgemeinen gesagt werden müssen — und das ist von 
unserer Seite stets betont worden — dass das Einkommen der 
Kreisthierärzte der Regel nach ein nicht befriedigendes, nicht ge¬ 
nügendes ist. Wir wissen aber sehr wohl, dass es vereinzelt auch 
Kreisthierärzte giebt, die ein übermässig hohes Einkommen haben; 
das hängt eben damit zusammen, dass der Tbeil ihres Einkommens, 
der aus den Gebühren sich zusammensetzt, so ausserordentlich ver¬ 
schieden und bei einigen eben unverhältnissmässig hoch ist. Gerade 
nach der Richtung ist es wünschenswert!), eine gleichraässigere Ge¬ 
staltung herbeizuführen, und in den Kreisen der betheiligten Vieh¬ 
besitzer würde eB jedenfalls mit Freuden begrüsst werden, wenn es 
in der Weise geschähe, dass die Gebühren im Allgemeinen herab¬ 
gesetzt werden. 

Dr. Müller, Abgeordneter: Meine Herren, der Herr Vorredner 
hat gemeint, ich hätte mich ruhig und sachlich ausgedrückt und 
weiter gemeint, ich hätte im Reichstag anders gesprochen. Ich 
kann ihm versichern, da«s ich gerade so, wie hier, auch dort ge¬ 
sprochen habe und überall zn sprechen pflege; das liegt nun ein¬ 
mal so in meinem Temperament. Der Herr Vorredner hat dann 
des Weiteren behauptet, ich hätte mich auf einen „angeblich“ 
amtlichen Bericht berufen, und seinerseits bestritten, dass dieser 
Bericht ein amtlicher gewesen sei. Ja, meine Herren, ich habe 
diesen amtlichen Bericht damals im Reichstag auf den Tisch des 
Hauses niedergelegt. Dieser „Veterinärbericht für 1901“ war in 
No. 32 des Sprottauer Wochenblattes vom 16. März 1902 erschienen 
und gezeichnet von dem Kreisthierarzt Nowag. Das ist eine That- 
sache, auf die ich mich hier nur wiederholt berufen kann. Aber, 
meine Herren, die Auffassung, die in jenem Berichte zum Ausdruck 
gelangte, stand nicht vereinzelt da. Ich konnte sie nicht als die 
Auffassung eines einzelnen Thierarztes betrachten, da sie durchaus 
entsprach dem Ergebniss einer privaten Enquete, welche „im Auf¬ 
träge der Centralvertretung der thierärztlichen Vereine Preussens“ 
über ,,die persönlichen, Familien- und dienstlichen Verhältnisse der 
preussischen Kreisthierärzte“ angestellt war, einer Enquete, über 
die in No. 8 bis 10 der „Deutschen thierärztlichen Wochenschrift“ 
im zehnten Jahrgänge berichtet wurde in Artikeln, von denen ich 
hier einen Sonderabdruck vor mir habe. In dieser Broschüre heisst 
es z. B. auf Seite 29: Die grosse Mehrheit der Berichterstatter 
bringt die Ansicht zum Ausdruck, dass die Ausübung der Funktionen 
des beamteten Thierarztes einen sehr erheblichen und zwar aus¬ 
gesprochen nachtheiligen Einfluss auf die Privatpraxis ausübe. 
Dann heist es auf der folgenden Seite weiter: Der ganze Unmuth 
concentrirt sich deshalb gegen den Kreisthierarzt Kommen 
die Uebertretungen vor, die der beamtete Thierarzt aufdeckt und 
anzeigen muss, oder bei deren Verhandlung vor Gericht der Kreis¬ 
thierarzt wahrheitsgemäss ein belastendes Zeugniss oder Gutachten 
abgiebt, so wird der Kreisthierarzt offen angefeindet Die erste 
Reaction ist selbstverständlich die Entziehung der Privatpraxis für 
alle Zeit. Diese Feindseligkeit ist um so empfindlicher gegen den 
Veterinärbeamten, je einflussreicher der Gegner ist. Ist er Vor¬ 
sitzender des landwirtschaftlichen Kreisvereins oder Voi stand 
einer landwirtschaftlichen Genossenschaft (Kornhaus, Molkerei, 
Viehversicherung, Darlehnskasse), so fällt meist alsbald 
auch ein grosser Tbeil der anderen Viehbesitzer vom Kreis- 
thierarzt ab. Ist er Kreistagsmitglied, womöglich Kreisdeputirter 
und Stellvertreter des Landraths, oder sitzt er gar im Provinzial- 
Landtag oder in Berlin im Abgeordnetenhause, dann ist der Kreis¬ 
thierarzt schlimm dran. Man kann sagen, dass er dann nach einigen 
grösseren Seuchenzügen bestimmt abgewirtschaftet hat und sich 
nach einer anderen Stelle umseben kann. Nicht wenige Bericht¬ 
erstatter spinnen dieses trübe Capitel weiter aus und erzählen 
Einzelheiten von hämischen Angriffen, unwürdigen Anfeindungen, 
von Leiden und Drangsalen, die sie haben erdulden müssen, weil 
sie ihre Pflicht und Schuldigkeit gethan haben. 

Meine Herren, mir ist cs ja garnicht eingefallen, mir ein selbst¬ 
ständiges Urtheil anzuraaassen über die thierärztlichen Verhältnisse. 
Ich habe mich nur für verpflichtet gehalten, auf das aufmerksam 
zu machen, was als Ergebniss einer Rundfrage publicirt worden 
ist, die an die sämmtlichen Kreisthierärzte Preussens, ich glaube 
an 452 Adressen, ergangen war. Ich bin im Augenblick nicht in 
der Lage, genau angeben zu können, wieviel Antworten auf diese 
Rundfrage gegeben worden sind; ich brauchte aber nur in diesem 
Scbriftchen zu blättern, um das festzustellen. Soweit ich mich er¬ 
innere, sind gegen 300 Antworten eingegangen. Was ich heute 
hier mitgetheilt habe, ist dem Resümö des Herrn Kreisthierarzt 
Dr. Fröhner-Fulda entnommen. Ich stelle seine Broschüre gern 
jedem Mitglied dieses Hauses zur Verfügung. Ich habe mich 
lediglich an die Angaben derselben gehalten. Als ich mich im 
Reichstag über die wirthschaftliche Abhängigkeit der Kreisthier- 


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5. Februar 1903. 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


87 


ärzte von den Grossgrundbeaitzern ausliess, bezog ich mich ausser¬ 
dem noch auf Briefe, die mir von Kreisthierärzten zugegangen 
waren. Ich halte auch diese hier — in Urschrift — zu gefälliger 
Einsichtnahme bereit. Sie sehen also, ich arbeite mit einem 
Material, das offen zu Tage liegt. Ist dieses Material unzutreffend, 
so ist es doch Sache meiner Herren Gegner, etwaige Unrichtigkeiten 
nachzuweisen. Mir als Volksvertreter kann aber doch in keinem 
Falle verargt werden, wenn ich auf ein Missverhältniss, wie die 
wirthschaftliche Abhängigkeit von Kreisthierärten gegenüber den 
Gutsbesitzern, bei denen Bie privat practiciren, weise, ein Miss¬ 
verhältniss, dessen Vorhandensein in einer für mich überzeugenden 
Weise öffentlich festgestellt worden ist. (Bravo! links.) 

Winckler, Abgeordneter: Meine Herren, die Worte, welche 
der Herr Abgeordnete Müller verlesen hat, machen es mir erst 
recht zweifellos, dass dasjenige, was er vorgelesen hat, in einem 
amtlichen Bericht eines Königlichen Kreisthierarztes nicht stehen 
kann. Wenn ein einzelner Königlicher Beamter auch mit seiner 
Namensunterschrift irgendwo etwas veröffentlicht, in dem so etwas 
steht, dann kann es nur eine Privatarbeit, kein amtlicher Bericht 
sein Ein amtlicher Bericht kann es auch keines Falls sein, in 
dem das steht, was damals Herr Abgeordneter Müller im Reichstag 
vorgelesen hat als von einem Beamten herrührend. Das lautet so: 

Zum Schutz für die Landwirtschaft vernichtet er im Kampfe 
mit dereu Vertretern seine eigene Existenz. Die vielen Beweise 
für diese meine Ansicht anzuführen, würde zu weit führen; es ist 
ja zur Genüge bekannt, was einem Kreisthierarzt Alles nachgesagt 
wird — etwas Gutes habe ich noch nicht gehört. Wie wenigen ist 
es bekannt, dass ein preussischer Kreisthierarzt ganze 600 M. Ge¬ 
halt bezieht und diese allein für Tinte und Papier u. s. w. verbraucht. 
Bei amtlichen Reisen bekommt er keine lucrativen Tagekilometer¬ 
eider; verunglückt er bei den vielen, seine Gesundheit und sein Leben 
edrohenden Gefahren, so kann er seiner Wege gehen; stirbt er 
im Dienst, so war er dagewesen, — dass Weib und Kind unver¬ 
sorgt Zurückbleiben, das ist Nebensache bei diesen Beamten, das 
sind Luxusartikel! Steht da ein Tagearbeiter nicht besser da? 
Wie wird für den gesorgt! Giebt es noch einen einzigen Stand, 
der gezwungen ist, gegen seinen Vortheil und seine Interessen zu 
arbeiten? Meine Herren, derartige Berichte erstattet kein König¬ 
licher Beamter seiner Vorgesetzten Behörde! (Bravo!) 

v. Savigny, Abgeordneter: Meine Herren, ich kann mich den 
geäusserten Wünschen nach einer Besserstellung der Kreisthier¬ 
ärzte anscbliesscn und es nur mit Freude begrüssen, dass uns 
schon für den nächsten Etat vom Herrn Minister in Aussicht gestellt 
worden ist, diese Besserung in Zahlen umgesetzt zu sehen. Da 
aber zu vermuten ist, dass, wie wir das bei den Kreisärzten erlebt 
haben, doch eine längere Zeit, vielleicht noch Jahre vergehen 
werden, bis die erwähnte Reform zur practischen Wirkung gelangt, 
so möchte ich den Herrn Minister noch auf einen besonderen 
Punkt aufmerksam machen und ihn bitten, zu erwägen, ob das Vor- 
geschlagene bereits in der Zwischenzeit in’s Werk zu setzen und 
nach dieser Richtung vorzugehen sein möchte. 

Eine der Pflichten der Kreisthierärzte ist unzweifelhaft die, 
dass sie in freiwilliger Weise zum Besten der Landwirthe ihres 
Kreises tür die Hebung der Viehzucht sich interessiren und auch 
ausserhalb ihrer streng amtlichen Pflichten auf diesem Gebiete 
mitwirken. Dies erfordert für einen Mann, der nothwendig doch 
seine Zeit braucht, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen — 
denn notorisch ist ja, dass das Gehalt allein es ihnen nicht er¬ 
möglicht, davon zu leben; mit 600 M. und allen sonstigen Ge¬ 
bühren kann Niemand eine Familie unterhalten — ein erhebliches 
Opfer nach dieser Richtung, um eben in freiwilliger Weise für die 
Landwirthschaft sich bethätigen zu können, am Vereinsleben theil- 
zunehmen, durch Vorträge und Belehrungen zu wirken. 

Einer der wichtigsten Zweige auf diesem Gebiete ist auch der 
Schutz der Viehzucht im Wege der Versicherung. Da wir leider 
hierin in staatlicher Hinsicht noch nicht vorgegangen sind, wie 
das einzelne Staaten im Deutschen Reiche schon gethan haben und 
zwar, wie ich glaube, mit Erfolg, da wir ferner auch auf dem Ge¬ 
biete der Schlachtviehversicherung noch immer im Rückstände uns 
befinden und im Stadium der Erwägungen, so haben einzelne Be¬ 
zirke sich schon ihrerseits im Wege der Selbsthilfe auf dieses 
Gebiet begeben und haben Vorkehrungen getroffen, um die Land¬ 
wirthe gegen die grossen Schäden zu sichern, die ihnen durch 
Viehverluste entstehen können, welche für den mittleren und 
kleineren Landwirth oft geradezu finanziell vernichtend wirken. 
Früher beBtand ein Grundsteuerdeckungsfonds in Pretissen, der ja 
durch die Reform der Grundsteuer beseitigt ist und aus dem hier 
und da Beihilfen für Viehverluste bezahlt wurden. Die Reste dieses 
Fonds sind den Kreisen überwiesen worden, und einzelne Kreise 
sind dazu übergegangen, mit diesen Mitteln, unter Hinzufügung 
eigener Mittel, Kreisviehversicherungen ins Leben zu rufen. Ganz 
besonders ist das in Westfalen geschehen. Das war nur möglich 
durch die aufopfernde und sachverständige Mitwirkung der Kreis¬ 
thierärzte. Da kann an erster Stelle ein Name genannt werden, 
der für Westfalen von Bedeutung ist, der Name des jetzigen 
Departementsthierarztes Dr. Klosterkemper zu Osnabrück, der da¬ 
mals Kreisthierarzt im Kroise Coesfeld war und dort zuerst in 
musterhafter Weise eine solche Versicherung ins Leben gerufen 


hat, nach deren Vorbild sich dann in verschiedenen anderen Kreisen 
ähnliche Verbände gebildet haben, die segensreich und heilsam für 
die Viehzüchter dort fungiren. Wenn nun eine solche Kreisvieh¬ 
versicherung wirksam sein soll, muss unbedingt an ihrer Spitze 
ein Sachverständiger stehen oder dort mitarbeiten; das kann we^en 
der Unbefangenheit seiner amtlichen Stellung nur der Kreistlner- 
arzt sein. Und wenn dieser Mann das auf sich nehmen soll, steht 
er vor der Frage, ob ihm durch den Verlust an Zeit und Mühe, der 
ihm daraus erwachsen muss, nicht auch seine sonstige Stellung 
finanziell gefährdet wird. Es erfordert also einen Entschluss im 
öffentlichen Interesse, im Interesse der Landwirthschaft, wenn er 
sich an einer solchen Kreisviehversicherung betheiligt und ehren 
amtliche Pflichten, wie ich ausdrücklich betone, übernimmt. Da 
erscheint es mir angebracht, wenn der Herr Minister gütigst in 
Erwähnung nehmen wollte, solche Männer, die in selbstlosester 
Weise sich ira öffentlichen Interesse, im Interesse der Landwirth¬ 
schaft aufopfern, dafür in etwas schadlos zu halten und ihnen aus 
den Fonds, die ihm zur Verfügung stehen, einen Ausgleich zu ge¬ 
währen, der zwar niemals ein voller Ausgleich sein wird für das, 
was sie thatsächlich durch ihre Thätigkeit leisten, der aber einen 
Ansporn enthält in gewissem Maasse und ihnen erleichtert, auf 
diesem Gebiete thätig zu sein und ihre Zeit, Mühe und damit auch 
gewissermaassen indirect ihr Geld aufzuopfern. Ich weise auf Cap. 15 
hin, in dem 10 000 Mk. Stellenzulagen für Kreisthierärzte in be¬ 
sonders schwer zu besetzenden.Stellen vorgesehen sind. Vielleicht 
lässt sich eine Summe aus diesem Capitel nehmen. Eb werden 
auch noch andere Wege oder andere Fonds dem Herrn Minister 
zur Verfügung stehen. 

Ich möchte dringend bitten, bis zu dem Zeitpunkt, wo die 
Kreisthierärzte durch allgemeine Regelung ihres Gehalts in die 
Lage gesetzt werden, in umfangreicherer Weise sich dem öffent¬ 
lichen Interesse auch ehrenamtlich ohne directen Entgelt zu widmen, 
diesen Herren einen solchen Entschluss zu erleichtern und ihre 
Thätigkeit durch derartige Zuwendungen aus den zur Verfügung 
stehenden Fonds anzuerkennen. 

Dr. Müller, Abgeordneter: Meine Herren, der Herr College 
Winckler bestreitet fort und fort, dass der Veterinärbericht, auB 
dem ich im Reichstag einen Passus verlesen habe, ein amtlicher 
gewesen sei. Wenn ein Kreisthierarzt dem Landrathe oder dem 
Kreistage oder wem sonst auch immer öffentlich berichtet über die 
Geschehnisse in seinem Amte während eines Rechnungsjahres, so 
halte ich das für ein amtliches Referat. Aber darauf kommt es 
doch wirklich nicht an, ob der Bericht als amtlich oder als nicht¬ 
amtlich anzusprechen ist; das ist doch Silbenstecherei. Der Bericht 
bezieht sich auf seine Amtstätigkeit; die Erfahrungen, über die er 
berichtet, hat der Kieisthierarzt in seinem Amte gemacht. Wenn 
aber der Herr Abgeordnete Winckler der Meinung Ausdruck giebt, 
dass ein Beamter, dass ein Kreisthierarzt nicht so berichten könne, 
wie ich im Reichstage verlesen habe, so kann ich darauf nur er¬ 
widern: dann unterschätzt der Herr Abgeordnete Winckler eben 
den Mannesmuth der Kreisthierärzte. 

Winckler, Abgeordneter: Dem Mannesmuth steht die Disciplin 
gegenüber; ich habe dann die Disciplin dieses Beamten überschätzt. 

Verein beamteter Thierärzte Preussens. 

Bericht über die II. Plenarversammlung*) 
am 13. und 14. December 1902. 

I. Tag. 

Annähernd 60 Vereinsmitglieder aus den verschiedensten Theilen 
der preussischen Monarchie hatten der Einladung zur zweiten Plenar¬ 
versammlung Folge geleistet, welche in den Räumen des Restaurants 
„Zum Spaten“ in Berlin tagte. 

Der Vorsitzende, Th unecke-Calbe, eröffnete die Versammlung 
etwa ll 1 /* Uhr Vormittags und hiess die erschienenen Ccllegen 
herzlich willkommen. 

Zu Punkt 1 der Tagesordnung „Geschäftliches“ theilte 
er der Versammlung mit, dass sich im letzten Vereinsjahr die Mit¬ 
gliederzahl erfreulicherweise um 49 vermehrt habe, während 
nur ein Mitglied ausgeschieden sei. Zwei sind verstorben. Auf die 
Aufforderung des Vorsitzenden hin erheben sich die Anwesenden 
von den Plätzen, um das Andenken der beiden verstorbenen Mit¬ 
glieder, des Veterinär-Physicus, Departementsthierarzt Wedekind- 
Altona und des Kreisthierarztes Swierzy-Colberg zu ehren. 

*) Die Plenarversammlung des V. b. T. hatte beschlossen, dass 
das Protocollden beiden grossen Zeitschriften gleichzeitig zugestellt 
werden sollte. Ich constatire, dass mir dasselbe verspätet zugestellt 
worden ist, indem es mir erst am 23. Januar zugegangen ist, während 
in der deutschen thierärztlichen Wochenschrift die am 17. ans- 
gegebene Nummer bereits das Protocoll enthielt. Ich entspreche 
nichts destoweniger dem Wunsche der Mehrheit bezüglich der Ver¬ 
öffentlichung. S. 


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BERLINER TI1IERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 6. 


«8 

In gleicher Weise ehrt die Versammlung das Andenken des 
verstorbenen Königlich Sächsischen Landesthierartzes, Geheimen 
Medicinalraths Professor Dr. Siedamgrotzky-Dresden, eines der 
ausgezeichnetsten deutschen beamteten Thierärzte aller Zeiten, 
nachdem ihm Dr. Fröhner-Fulda einen kurzen Nachruf gewidmet 
hatte. 

Der Vorsitzende bittet alsdann die Anwesenden, im Interesse 
des Vereins von allen Veröffentlichungen über die Verhandlungen 
abzusehen, bevor das ofticielle Protocoll erschienen sei. Er theilte 
dann noch mit, dass an Stelle des 1. Schriftführers Jakob-Luckau, 
der sich unwohl fühlte, Dr. Meyner-Kyritz die Berichterstattung 
übernehmen werde. Neubarth-Züllichau hat sich in anerkennens- 
werther Weise erbeten, die Verhandlungen stenographisch aufzu¬ 
nehmen. 

Der Vorsitzende berichtet nunmehr über die Thätigkcit des 
Vereins im vergangenen Jahre und bemerkt insbesondere, dass das 
umfassende Referat von Wittlinger-Habelschwerdt über die jetzige 
Lage der preussischen Kreisthierärzte, das als Denkschrift den 
Landtagsabgeordneten zugegangen ist, in ausgezeichneter Weise 
dazu beigetragen habe, dieselben aufzuklären und für unsere Sache 
zu interessiren. 

Hinsichtlich des vorjährigen Referates: „Neues zurvetrinär- 
polizeilichen Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche“ 
theilt der Vorsitzende mit, dass eine diesbezügliche Eingabe an 
den Herrn Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten ab¬ 
gesandt worden sei. Die Eingabe sei augenscheinlich schon in 
sofern von Erfolg gewesen, als der Herr Minister unter dem 
25. Juli d. J. eine Verfügung erlassen habe, die einem Theil unserer 
Wünsche Erfüllung brachte. 

Dagegen hat der Vorsitzende nach Rücksprache mit Professor 
Dr. Ostertag in Anbetracht des damals bevorstehenden Fleisch¬ 
beschaugesetzes es für richtiger erachtet, das Referat von Weber- 
Sögel „Ueber die Nothwendigkeit, sowie Art und Weise 
der Durchführung einer gleichmässigen technischen Be¬ 
aufsichtigung der Trichinenschau“ zurückzubehalten. 

Endlich bemerkt der Vorsitzende noch, dass der Herr Minister 
die seitens des Vereins gemachte Eingabe „die beamteten 
Tbierärzte möglichst bald zu einem Fortbildungskursus 
einzuberufen“ in sehr dankenswerther Weise dahin beantwortet 
habe, dass solche Kurse in diesem Jahre sowohl in Berlin, als auch 
in Hannover abgehalten werden sollten, und dass dabei diejenigen 
Herren bevorzugt werden würden, welche an einem bacteriologischen 
Cursus in Berlin noch nicht theilgenommen hätten. 

Zu Punkt 2 der Tagesordnung: 

„Die Ausführung der Fleischbeschau“ ergreift nunmehr 
Referent Dr. Fröhner-Fulda das Wort. Er referirt über die im 
Vorstand gepflogenen Verhandlungen bezüglich der Betheiligung 
der Kreisthierärzte an der Prüfung, Nachprüfung und Beaufsichtigung 
der Fleisch- und Trichinenbeschauer und liest die Eingaben vor, 
die der Vorstand des Vereins beamteter Thierärzte Preussens dem 
Herrn Minister der Landwirthschaft etc. am 15. November v. J. unter¬ 
breitet hat. Dieselben lauten wie folgt: 

1. Prüfung und Nachprüfung der Laienfleisclibeschauer 
und der Trichinenschauer betreffend. 

Euere Excellenz 

bittet der gehorsamst un'erzeichnete Vorsitzende des Vereins be¬ 
amteter Thierärzte Preussens 

Euere Excellenz wollen hochgeneigtest bezüglich der Prüfung 
und Nachprüfung der Fleisch- und Trichinenbeschauer einheitlich 
für die ganze Monarchie Einricbtungnn treffen und zwar derart, dass 

1. die Prüfung der Fleischbeschauer durch eine aus dem De¬ 
partementsthierarzt als Vorsitzenden, einem Schlachthausthierarzt 
und einem Kreisthierarzt des Bezirks als Mitgliedern bestehende 
Commission am Sitze der Regierung vorgenommen wird, 

2. die periodischen Nachprüfungen der Fleischbe¬ 
schauer, und 

3. die Prüfungen und periodischen Nachprüfungen 
der Trichinenbeschauer durch den zuständigen Kreis- 
thicrarzt vorgenommen werden. 

Es ist im Interesse der Einheitlichkeit der an die Fleisch¬ 
beschauer zu stellenden Anforderungen geboten, dass eine Com¬ 


mission das Zeugniss dor Befähigung für alle Fleischbeschauer 
eines Bezirks ertheilt. Bei den Nachprüfungen handelt es sieb 
darum, dass der Beschauer über die theoretischen Kenntnisse, 
welche er an competenter Stelle nachgewiesen hat, sowie auch 
über seine practische Fähigkeit dauernd verfügt. Dies genau 
festzustellen, dürfte in erster Linie Sache des zuständigen Kreis- 
thicrarztes sein. Dieser, der vermöge seiner Thätigkeit im ganzen 
Kreise in der Lage ist, die Fleischbeschauer persönlich näher 
kennen zu lernen, kann ihre Zuverlässigkeit erproben, belehrend 
und berathend auf sie einwirken und durch Beobachtungen fest- 
Btellen, ob die einzelnen Personen befähigt sind, den Anforderungen 
in der Praxis zu genügen. Der Kreisthierarzt ist der gebotene 
technische Aufsichtsbeamtc der Laienfleischbeschauer, und seine 
Autorität denselben gegenüber wird allein dadurch sicher gestellt, 
dass ihm die Nachprüfung gesetzlich übertragen ist. 

Bei der Trichinenschau liegen die Verhältnisse viel ein¬ 
facher als bei der Fleischbeschau. Der Trichinenschauer ist nur 
zu prüfen, ob er die richtigen Fleischproben entnehmen, brauch¬ 
bare Präparate anfertigen und diese zuverlässig durchmustern 
kann, ausserdem, ob er Trichinen und Finnen von anderen ähn¬ 
lichen Gebilden zu unterscheiden versteht. 

Dieser Nachweis ist so einfach und bezüglich seiner Be¬ 
urteilung so eindeutig, dass eine Commission zur Prüfung nicht 
erforderlich ist, sondern letztere jedem Kreisthierarzt unbedenklich 
allein überlassen werden kann. Aus denselben Gründen durfte 
auch den Kreisthierärzten allein die Nachprüfung der Trichinen¬ 
schauer übertragen werden. 

2. Die Untersuchung der Schlachtpferde durch die 
Kreisthierärzte betreffend. 

Euere Excellenz 

bittet der gehorsamst Unterzeichnete Vorsitzende des Vereins der 
beamteten Thierärzte Preussens 

Euere Excellenz wolle hochgeneigtest bezüglich der nach 
dem Gesetz den approbirten Thierärzten vorbehaltene 
Untersuchung bei Schlachtungen von Pferden, Eseln, Mauleseln 
und Maulthieren für die ganze Monarchie einheitlich bestimmen, 
dass diese Untersuchungen im allgemeinen nur durch die be¬ 
amteten Thierärzte vorzunehmen sind und zwar ausnahms¬ 
los in allen Fällen, in welchen sich die Rossschlächtereien am 
Wohnorte selbst oder doch in der Nähe des Wohnortes des 
Kreisthierarztes befinden. 

Lange, ehe man an eine allgemeine sanitätspolizeiliche Unter¬ 
suchung der übrigen Schlachtthiere dachte, war in vielen Theilen 
des Landes, besonders jedoch in den durch Rotz öfters verseuchten 
östlichen Provinzen angeordnet, eine veterinärpolizeiliche 
Untersuchung der Schlachtpferde durch die beamteten Thierärzte 
vorzunehmen. Diese Einrichtung hat sich im Laufe der Zeit gut 
bewährt und sind mehrfach Rotzherde dadurch aufgedeckt. Die 
Diagnose des Rotzes ist aber in vielen Fällen eine so schwierige 
und erfordert derart bedeutende Erfahrungen und Specialkenntnisse, 
dass es schon für nöthig befunden ist, zur Feststellung des ersten 
Rotzfalles in einem bis dahin seuchefreien Bestände neben dem 
Kreisthierarzt noch den Departementsthierarzt zuzuziehen, und 
kann es nicht unbedenklich erscheinen, diese Untersuchungen 
nun ganz jungen, wenig erfahrenen Privatthierärzten zu überlassen. 
Es ist den Kreisthierärzten auch nicht gleichgültig, wenn ihnen die 
Aufsicht über die Rossschlächtereien und die Untersuchung der 
Schlachtpferde jetzt abgenommen wird, da ihnen der Ueberblick 
über den Gesundheitszustand der Pferde ihres Wirkungskreises 
und auch eine Einnahme, welche bisher zu den amtlichen ge¬ 
rechnet wurde, entzogen wird. Die Kreisthierärzte bitten deshalb 
ganz gehorsamst, ihnen die veterinär- und sanitäts-polizeilichen 
Untersuchungen der Schlachtpferde u. s. w. zu übertragen und 
Ausnahmen hiervon nur in ganz besonderen Fällen zu gestatten. 

In der sich anschliessenden Debatte führt Schaumkell-Ragen 
aus, dass noch Meinungsverschiedenheiten über die Bezeichnungen 
Fleischbeschauer und Trichinenbeschauer beständen, was eine dies¬ 
bezügliche Eingabe Sachsens an den Bundesrath wohl beweise, die 
verlange, dass die Trichinenschauer amtlich diese Bezeichnung 
erhalten sollten und nicht als „Fleiachbeschauer“ zu bezeichnen 
wären. Auf die Untersuchung der Schlachtpferde nur durch die 


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BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


89 


5. Februar 1903. 


Kreisthierärzte legt Schaumkcll weniger Werth, während Dr 
Froh ne r hervorhebt, dass in verschiedenen Gegenden, wie eine 
Anzahl Zuschriften von Vereinsmitgliedern bewiesen, die Kreis¬ 
thierärzte ein besonderes Gewicht auf diese Untersuchungen legten. 
Er selbst wünsche, dass die Untersuchung der Schlachtpferde den 
Sanitätsthierärzten überlassen bleibe. Ziegenbein-Wolmirstedt 
beantragt Schluss der Debatte, da die Eingabe doch schon gemacht 
und eine Discussion daher überflüssig sei. 

Der Antrag wird angenommen. 

Es kommt nunmehr Punkt 3 der Tagesordnung: 

„Das zu erwartende neue Viehseuchengesetz“ 
zur Verhandlung. 

Da Referent Wittlinger-Habelschwerdt infolge Erkrankung 
am Erscheinen behindert ist, kommt sein sehr umfangreiches 
Referat zur Verlesung. 

Wittlinger weist in dieser Denkschrift, die als Eingabe 
sowohl dem Herrn Minister der LandwirthBchaft etc. wie auch dem 
Herrn Reichskanzler zugegangen ist, darauf hin, dass sich während 
der 2 Decennien seines Bestehens Lücken im Gesetz berausgestellt 
hätten, welche auch die Novelle vom 1. Mai 1894 nicht auszufüllen 
vermocht habe. 

Im nachstehenden Auszuge sind nur die wesentlichsten 
Abänderungsvorschläge des Referats berücksichtigt, während 
von der Wiedergabe der in der Regel sehr eingehenden Begründung 
Abstand genommen ist. 

A. Allgemeine Vorschriften. 

Zu § 9. Die in Absatz 1 vorgeschriebene Anzeigepflicht muss 
auch auf solche Personen ausgedehnt werden, welche Thiere in Ge¬ 
wahrsam haben. Ferner muss die ebendaselbst vorgeschriebene 
Anzeige an die Polizeibehörde unbedingt gleichzeitig auch an den 
zuständigen beamteten Thierarzt erstattet werden. 

In der Begründung weist Referent besonders auf den jetzt üb¬ 
lichen, äu8serst umständlichen Geschäftsgang hin, welcher die 
SeuchenfeBtsteliung in für die Seuchentilgung überaus schädlicher 
Weise verzögert. 

Zu § 10 wären neu aufzunehraen: 

1. Der Rauschbrand; 

2. die Wild- und Rinderseuche; 

3. die Influenza (Brustseuche und Pferdestaupe) der Pferde; 

4. der chronische, infectiöse Scheiden- und Gebärmutterkatarrh 
der Rinder; 

5. die Tuberculose der Rinder; 

6. der Rothlauf der Schweine, Schweineseuche und Schweinepest; 

7. die Geflügelcholera, einschliesslich Braunschweiger Darm¬ 
seuche, italienischer Vogelpest und Geflügeldiphtherie. 

Zu § 12 in Absatz 2 soll den beamteten Thierärzten das Recht 
eingeräumt werden, in eiligen Fällen schon vor dem polizeilichen 
Einschreiten „Schutzmassregeln anzuordnen“, was bekannt¬ 
lich jetzt nicht der Fall ist. 

Zu § 17. Dieser Paragraph erhält zweckmässig folgende 
Fassung: 

Alle Vieh- und Pferdemärkte, öffentliche Thierschauen, 
Schlachthöfe, der gesammte Viehhandel und das Handelsvieh, 
ferner alle Gast- und Handelsstallungen, endlich die Rossschläch¬ 
tereien und Sammelmolkereien müssen durch beamtete Tbierärzte 
beaufsichtigt werden. 

Zu § 18. Da das Kammergericht 1901 entschieden hat, dasB 
nur eine bestehende Seuchengefahr Anlats zur Anordnung von 
— über den Rahmen der Instruction binausgehonden — Mass- 
regeln sein dürfe, so erscheint es erforderlich, hinter „Dauer der¬ 
selben“ die Worte: „sowie zur Verhütung der Einschleppung und 
Weiterverbreitung von Seuchen“ einzufügen. 

B. Besondere Vorschriften für einzelne Seuchen. 

I. Milzbrand. 

Zu § 32 d. R. V. G. empfiehlt sich nach Absatz 1 folgender 
Zusatz: „Die Schutzimpfung gegen Milzbrand darf nur von appro- 
birten Thierärzten vorgenommen werden.“ 

Zn § 11 d. B. J. hinter „die Gruben“ die Worte: „welche sich 
nur an — laut Gutachten des beamteten Thierarztes — dazu ge¬ 
eigneten VerscharruUgsplätzen befinden dürfen“. 


Zu § 14 d. B. J. Es ist ein Zusatz aufzunehmen: 

„Ueber die vorschriftsmässig erfolgte Ausführung der Desinfec- 
tion, sowie der Beseitigung der Cadaver hat der beamtete Thier¬ 
arzt der Polizeibehörde eine Bescheinigung einzureichen“. Endlich 
muss im Interesse der wirksamen Bekämpfung des Milzbrandes 
Entschädigung für an Milzbrand verendete Schafe angestrebt 
werden. 

II. Tollwuth. 

Bei § 17 Abs. 2 d. B. J. müsste hinter „ausgedehnt“ der Zu¬ 
satz: „und nach deren Ablauf wiederholt“ aufgenommen werden. 

Zu § 37 d. R. V. G. Da manche Hunde einen erheblichen 
Werth besitzen, wäre es practisch, nach dem Absatz I des § 37 
folgende Worte einzuschieben: „Ergiebt die nachträgliche Impfung, 
dass die auf Grund der bestehenden Bestimmungen polizeilich 
angeordnete Tödtung von Hunden zu Unrecht stattgefunden hat, so 
muss deren gemeiner Werth, welcher in jedem Falle vor der Tödtung 
festzustellen ist, entschädigt werden.“ 

Zu § 37 Abs. IV. Dieser Absatz bedarf dringend einer Präci- 
8irung etwa in folgender Form: „Die Polizeibehörde hat derartige 
abgesperrte Hunde mindestens alle 14 Tage durch den beamteten 
Thierarzt auf ihren Gesundheitszusland untersuchen zu lassen“. 

Zu § 38 d. R. V. G. Endlich muss nach dem heutigen Stand 
der Wissenschaft dieser Paragraph folgende Erweiterung erhalten; 

„Den Polizeibehörden wird die Belugniss ertheilt, diese Mass- 
regeln aufzuheben, wenn die vermittels des von dem fraglichen 
Hunde stammenden Materials vorgenommene Impfung — deren 
Ausführungsart die Landesbehöide bestimmt — nach Verlauf von 
28 Tagen den ausgesprochenen Wuthverdacht nicht bestätigt hat. 

IV. Maul- und Klauenseuche. 

Ausser rücksichtsloser Verfolgung derjenigen Besitzer, die zu 
spät, oder überhaupt nicht Anzeige erstattet haben, — wobei möglichst 
auf § 328 des Strafgesetzbuchs hinzuweisen ist — könnte die Zu¬ 
sicherung einer Entschädigung im Falle pünklichster Anzeige als 
vortheilhaft — zwecks rascher Seuchentilgung — ins Auge gefasst 
werden. Ferner erscheint eine präcise Definition des Begriffes 
„Verdacht“ erforderlich, etwa in dem Sinne: „Jede innere Er¬ 
krankung mit Lahmheit, besonders bei neu angekauften Klauen- 
thieren ist anzuzeigen.“ 

In der letzten Zeit sind fast alle auf Grund des § 19 etc. von 
den preussischep Regierungs präsidenten erlassenen landespolizei¬ 
lichen Anordnungen von den Gerichten für rechtsungültig erklärt 
worden, da letztere stets in die Prüfung der Frage eintreten, ob 
eine Seuchengefahr vorlag oder nicht (§ 18 R V. G.). Um letzteres 
in Zukunft zu verhindern und um dem Begriffe Seuchengefahr durch 
die B. J. selbst die in den Motiven zum Gesetz verlangte, zu einer 
freien Bewegung der Vetrinärpolizei unerlässliche Erweiterung zu 
geben — ist in der Bundesrathsinstruction vor dem Abschnitt a 
ein Abschnitt „Massregeln zur Abwehr der Seuchengefahr“ aufzu¬ 
nehmen, welcher die letzteren namentlich aufführt. Die wichtigste 
Massregel dieser Art ist die Ueberwachung des gesammten Vieh¬ 
handels und zu diesem Behufe Listenführung über An- und Ver¬ 
käufe, Ursprungsatteste für den Transport und Markt, amtsthier¬ 
ärztliche Untersuchung der Klauenthiere vor dem Verladen und 
Entladen u. s. w. Ferner gehört hierher die Einschränkung des 
Treibens von Handels- und Marktvieh auf öffentlichen Wegen und 
endlich das eventuelle Verbot des freien Umherlaufens der Hunde. 

Zu § 61 B. J. begr. § 44 d. R. V. G. Die Abkochung der 
Magermilch etc. muss obligatorisch sein, denn bei Anordnung von 
Fall zu Fall kommt diese Massregel stets zu spät. 

Zu § 61 Abs. III B. J. Der Abkochung gleich zu erachten ist 
eine 1 bis 2 Minuten dauernde Erhitzung der Milch auf 85 I is 90° C. 
mit darauffolgender sofortiger Abkühlung. 

Zu § 64 B. J. Es muss angestrebt werden, dass neben der 
Feldmark- und Gebietssperre, auch Gehöftssperre bestehen bleibt. 

Zu § 67 B. J. Es muss eine Desinfection der Thiere selbst 
angeordnet werden; vor allem Beschneidung der Klauen und 
gründliche Desinfection derselben, wie auch der Haut, Haare etc. 

Zu § 68—69 B. J. Eine Präcisirung des Begriffes „Ab¬ 
heilung“ (§ 69 B. J.) ist besonders mit Rücksicht auf die Definition 
der Worte „krankhafte Folgezustände“ dringend nöthig. 

Endlich erscheint es im Interesse einer wirksamen Seuchen- 


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90 BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 6. 


bekämpfung durchaus erforderlich, dass der Kreisthierarzt jeden 
Fall von Maul- und Klauenseuche feststellt. 

V. Die Lungenseuche des Rindviehs. 

Zu § 45 d. R. V. G. Die Polizeibehörde hat die Tödtung aller 
nach dem Gutachten des beamteten Thierarztes an der Lungen¬ 
seuche erkrankten und der Lungenseuche verdächtigen Thiere an¬ 
zuordnen. Erkrankt mehr als der zehnte Theil des Bestandes auf 
einem Gehöft, so ist der ganze Bestand abzuschlachten. 

Zu § 74 d. B. J. Die polizeiliche Beobachtung muss sich auf 
180 Tage erstrecken. 

Zu § 91 d. B. J. . . . und wenn unter dem der Anstockung ver¬ 
dächtigen Vieh während eine Zeit von mindestens 9 Monaten .... 

Bezüglich der: 

VI. Pockenseuche der Schafe 

VII. der Beschälseuche der Pferde und 

VIII. des Bläschenausschlags der Pferde und des Rind¬ 
viehs erscheinen Aenderungen nicht nothwendig. Dagegen hat in 
den letzten Jahren eine Geschlechtskrankheit des Rindviehes die 
Aufmerksamkeit aller betheiligten Kreise auf sich gelenkt, nämlich 
der chronische infektiöse Gebärmutter- und Scheiden¬ 
katarrh des Rindes. 

Die gesetzliche Bekämpfung dieser so verbreiteten, sehr infek¬ 
tiösen und sehr schädlichen Epizootie erscheint, trotz des entgegen¬ 
stehenden Beschlusses des deutschen Veterinärraths, unbedingt 
erforderlich. 

Zwar darf hierbei nicht verkannt werden, dass die Anordnung 
veterinärpolizeilicher Maassregeln insofern Schwierigkeiten macht, als 
wir zur Zeit kein wirksames Heilmittel gegen diese Krankheit be¬ 
sitzen. Andererseits wird der Erlass von Sperrmaassregeln dazu 
führen, dass solche Thiere, welche als Zuchtthiere entwerthet sind, 
alsbald zur Mast gestellt werden. 

Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass nur sehr milde Maass¬ 
nahmen getroffen werden können, jedoch wären dringend zu 
empfehlen: 

1. Anzeigepflicht, 

2. das Verbot der Begattung kranker Thiere durch gesunde Bullen, 

3. das Verbot des Verkaufs kranker Thiere zu anderen Zwecken, 
als zur Abschlachtung, welche innerhalb einer festzusetzenden 
kurzen Frist (etwa 14 Tage) zu erfolgen hat, 

4. Desinfection des Stalles, 

5. die Ausfuhr von Zuchtvieh aus verseuchten Gebieten ist 
nur nach erfolgter Untersuchung durch den beamteten Tbierarzt 
zulässig. 

IX. Räude der Pferde, Esel, Maulesel, Maulthiere und 

der Schafe. 

Während sich die gesetzlichen Bestimmungen zur Bekämpfung 
der Pferderäude vollkommen bewährt haben, kann man dies 
hinsichtlich der Schafräude leider nicht behaupten. Der Stand 
der Schafräude in Preussen ist ein derart ungünstiger, dass die 
Maassregeln des Seuchengesetzes als genügende nicht anerkannt 
werden können. Bei der langsamen und unauffälligen Ent 
Wickelung der Räude muss stets angenommen werden, dass in 
einer Herde, welche auch nur ein räudiges Schaf birgt, bereits 
mehrere den Keim der Krankheit aufgenommen haben. Es ist des¬ 
halb nöthig, dass alle Schafe einer solchen Heerde als räudever¬ 
dächtig gelten und die §§ 121 und 122 d. B. J. auch auf räude¬ 
verdächtige Schafe ausgedehnt werden. 

Zu § 129 d. B. J. Auch bezüglich der Desinfection der Ställe etc. 
sind die der Räude verdächtigen Schafe ebenso zu behandeln, wie 
die räudekranken. 

Für die von anderer Seite beantragte Ausdehnung der Anzeige¬ 
pflicht auf die Schäfer kann nicht eingetreten werden, denn die 
Schäfer in den westlichen Theilen Preussens sind mindestens 
ebenso abhängig von ihren Herren — den Schafbesitzern — wie 
irgend ein anderer Dienstbote. 

Dagegen verdient die z. B. für die Bezirke Cassel und 
Hannover getroffene Anordnung, wonach sämmtliche Schaf bestände 
periodisch amtsthierärztlich zu untersuchen sind, weiteste Nach¬ 
ahmung. 

X. Die Tuberculose des Rindviehs. 

Die Bekämpfung der klinisch erkennbaren Formen der Tuber¬ 
culose der Rinder ist ohne Verzug einzuführen. Zu diesem Zweck 


ist die Anzeigepflicht und zur sicheren Feststellung thierärztliche 
Untersuchung anzuordnen. 

Die mit klinisch erkennbaren Formen (Lungen-, Darm-, Gebär¬ 
mutter- und Eutertubercnlose) behafteten Thiere sind sofort zu 
sepaiiren und binnen einer angemesssenen Frist zu schlachten. 
Wegen Gefahr der Tuberculoseverbreitung dürfen Sammelmolkereien 
Milch nur nach Erhitzung auf 85° C. an die Lieferanten zurückgeben. 

Die Besitzer sind bei zwangsweiser Schlachtung der Rinder 
durch eine Tuberculoseversicherung schadlos zu halten, die auf 
Gegenseitigkeit zu begründen ist, und zu der der Staat einen an¬ 
gemessenen Beitrag leistet. 

XI. Rothlauf der Schweine. 

Nach ausführlicher Begründung macht Referent folgende Vor¬ 
schläge: 

1. Die Aufnahme des Rothlaufs in allen seinen Formen in den 
§ 10 d. R. V. G. 

2. Ein den Rothlauf betreffender Zusatz zu dem § 57 d. R. V. G. 

3. Im § 58 Abs. 3 d. R. V. G. ein Zusatz bezüglich der Schweine. 

4. Die Tilgung des Rothlaufs hat nur dann Aussicht auf Erfolg, 
wenn sie eine energische und consequente Sanirung der örtlichen 
Verhältnisse ins Auge fasst. 

5. Neu zu erlassende Bestimmungen gegen denselben müssen 
auf der Basis einer geeigneten Verschmelzung von Polizeimassregeln 
und Schutzimpfung erlassen werden 

6. Die Sperrmassregeln sind aufzuheben, wenn nach Erfüllung 
aller übrigen Bestimmungen sämmtliche Schweine des Gehöfts 
mittels einer wissenschaftlich anerkannten Serumimpfung von einem 
approbirten Thierarzt geimpft sind, und drei Tage nach der Impfung 
kein neuer Seuchenfall aufgetreten ist. 

7. Das Impfwesen gegen Rothlauf ist gesetzlich derart zu 
regeln, dass 

a) für sämmtliche Thiere eineB Bestandes, in welchem Roth¬ 
lauf festgestellt ist, die Schutzimpfung angeordnet wird, 

b) sobald in einer Gemeinde der Rothlauf grössere Aus¬ 
dehnung gewinnt oder häufiger wiederkehrt, die Schutz¬ 
impfung sämmtlicher Schweine dieser Gemeinde unge¬ 
ordnet werden kann, 

c) Impfungen in bisher seuchenfreien Gegenden zu verbieten 
sind, 

d) Cnlturimpfungen nur von approbirten Thierärzten ausge¬ 
führt werden dürfen. 

XII. Schweineseuche. 

Die immer zunehmende Verbreitung der Schweineseuche ist 
nicht der Zwecklosigkeit, sondern der Unzulänglichkeit der bisher 
gebräuchlichen Maassregeln zuzusebreiben. Bei den im Jahre 1894 
geschaffenen Schutzmaassregeln batte man in erster Linie der acut 
auftretenden Seuche Rechnung getragen, nicht aber der jetzt fast 
allgemein verbreiteten chronischen Form derselben. Die Erfahrung 
bat gelehrt, dass Schweine, welche die SchweineBeuche Überstunden 
haben und scheinbar ganz gesund sind, andere Schweine noch nach 
Monaten anstecken können, und dass besonders dieser Umstand 
dazu beigetragen hat, die Schweineseuche von den Züchtereien aus 
in weitestem Umfang zu verschleppen. Referent hält zu einer 
erfolgreichen Bekämpfung der Schweineseuche folgende Maassregeln 
für erforderlich: 

1. Die Aufnahme der Schweineseuche bezw. der Schweinepest 
in den § 10 des R.-V.-G. 

2. Hinter § 52 des R.-V.-G. ist folgender Zusatzparagraph auf- 
zunebmen: „Schweineseuche. Die Polizeibehörde hat die 
Tödtung der nach dem Gutachten des beamteten Thierarztes an der 
Schweineseuche bezw. Schweinepest erkrankten Schweine zu ver¬ 
fügen und kann auch die Tödtung verdächtigerjBestände anordnen. 
Falls die Bestände nicht getödtet werden, ist eine sechsmonatliche 
Beobachtungssperre nöthig.“ 

3. Die Besitzer sind bei zwangsweiser Tödtung der Schweine 
durch eine auf Gegenseitigkeit zu begründende und vom Staate 
zu subventionirende Schweineseuche - Versicherung schadlos zu 
halten. 

4. In § 57 des R.-V.-G. ist ein auf die Schweineseuche bezüg¬ 
licher Zusatz zu machen. 

5. Desgl. in § 58 Abs. 3 und in § 62 ff. ein Zusatz hinsichtlich 
der Schweine. 


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5. Frbroar 1903. 

6. Impfungen gegen Schweineseuche mittelst Cultur sind zu 
verbieten. 

XIII. Geflügelseuchen. 

Nach den traurigen Erfahrungen der letzten Jahre erscheint es 
dringendes Bedürfniss, die Bekämpfung der Getlügelcholera und 
der dieser dem Wesen und der wirtschaftlichen Bedeutung nach 
ähnlichen contagiösen Gcfliigelkrankheiten baldmöglichst zu ver¬ 
wirklichen. Die Anzeigepflicht bat sich zu erstrecken auf: 1. die 
Geflügelcholera, 2. die Braunschweiger Darmseuche, 3. die Vogel¬ 
pest und Lombardische Seuche, 4. die Geflügeldiphtherie. Es dürfte 
unbedingt notwendig sein, auch die Geflügoldiphtherio mit in 
das Seuchengesetz aufznnehmen, weil nur dann eine erfolgreiche 
Bekämpfung der Geflügelcholera möglich erscheint. Die Erfahrung 
hat gelehrt, dass geriebene Händler und Geflügelhalter, namentlich 
in der Nähe von Grossstädten, beim Ausbruch der Geflügelcholera 
die vorgeschriebene Anzeige unter dem Vorgeben unterlassen, dass 
es sich um die nicht anzeigepflichtige Diphtherie handele. 

Als Maassregeln kämen in Betracht: 

1. Die Einfuhr lebenden Geflügels aus dem Auslande darf nur 
mit der Eisenbahn und nach besonders hierfür bestimmten Stationen 
erfolgen. 

2. Die aus dem Ausland eingehenden Sendungen sind sofort 
nach der Ankunft und dann nochmals nach 24 Stunden vor der 
weiteren Verladung durch den beamteten Thierarzt zu untersuchen. 

3. Der Transport von der Eingangsstation bis zum Bestimmungs¬ 
ort hat, sofern derselbe auf der Eisenbahn stattfindet, nur in plom- 
birton Wagon zu geschehen. 

4. Die zum Transport verwendeten Wagen müssen derartig 
gebaut sein, dass die Thiere darin bequem verfrachtet werden 
können, sowie dass die Reinigung und Desinfection leicht und sicher 
stattfinden kann. 

5. Bei der Ausladung am Bestimmungsort sind die Sendungen 
wieder vom beamteten Thierarzt zu untersuchen. 

6. Das Treiben ausländischen Geflügels im Inlande ist zu ver¬ 
bieten. 

7. Die Transportmittel sind nach jedesmaligem Gebrauch zu 
reinigen und zu desinficiren. 

8. Die Geflügelausstellungen, Geflügelmärkte und Sammelstellen 
für Geflügel, die Geflügelbandlungen und Geflügelmästereien sind 
ständig durch beamtete Thierärzte zu beaufsichtigen. Zu Zeiten 
der Seuchengefahr ist die Abhaltung von Geflügelausstellungen und 
Geflügelmärkten zu verbieten. 

9. Die Seuchenfeststellung hat der beamtete Thierarzt stets an 
Ort und Stelle vorzunehmen. 

XIV. Influenza der Pferde. 

Der Sammelname „Influenza“ umfasst bekanntlich eine ganze 
Reihe von Krankheiten, von denen für die Veterinärpolizei nur die 
Brustseuche und Pferdestaupe insofern hervorragendes Interesse 
haben, als sie alljährlich sowohl unter den Pferden der Civil- 
bevölkerung, wie unter den Armeepferden in erheblicher seuchen¬ 
artiger Ausbreitung herrschen. Es ist hierbei wohl zu beachten, dass 
die über die Ausbreitung der Influenza Aufschluss gebenden Jahres¬ 
berichte nicht annähernd richtige Zahlen liefern können, da nach 
dem Erlass des LandwirthschaftsminiBters vom 15. Decembcr 1889 
zwar den Ortepolizeibehörden und beamteten Thierärzten, nicht 
aber den Besitzern und Privattbierärzten die Anzeigepflicht auf¬ 
erlegt ist. 

Bezüglich der Frage, welche Schutz- und Tilgungsmaassregeln 
unter Berücksichtigung des Wesens und der Eigenthümlichkeiten 
dieser beiden Seuchen als zweckmässig und practisch durchführbar 
erachtet werden können, ohne Handel und Verkehr unnöthig zu 
belästigen, erscheinen folgende Vorschläge angezeigt: 

1. Anzeigepflicht und Aufnahme der Brustseuche und Pferde¬ 
staupe in den § 10 des R. V. G. 

2. Feststellung des ersten Ausbruchs der Influenza in einem 
bis dahin seuchenfreien Gehöft durch den beamteten Thierarzt. 

3. Ist der Ausbruch der Influenza festgestellt, so hat die Orts- 
Polizeibehörde und der beamtete Thierarzt zu ermitteln, wo die 
kranken Thiere innerhalb der letzten 8 Tage untergebracht ge- 
gewesen sind etc. und es sind darnach die erforderlichen Maass¬ 
nahmen zu treffen. 


91 


4. Veröffentlichung des Seuchenausbruchs und des Erlöschens. 

5. Mittheilung von jedem Seuchenverdacht und Seuchenausbruch 
wie auch von dem Erlöschen der Seuche an das zuständige General- 
commando, bezw. den Garnisonältesten und an den Dirigenten des 
Landgesttttes, in dessen Bezirk der Seuchenort liegt. 

6. Anbringung einer Tafel am Seuchengehöft mit der Inschrift: 
„Influenza.“ 

7. Absonderung der kranken Thiere sammt ihren Ausrüstungs¬ 
stücken, Geschirr u. s. w. und Bestellung eines besonderen 
Pflegers, eventl. Absonderung der gesunden Pferde von den kranken. 

8. Gehöftsperre für die kranken Pferde. 

9. Die einem Seuchengehöft entstammenden Pferde dürfen mit 
fremden Pferden nicht in nähere Berührung gebracht und nicht in 
fremde Stallungen eingestellt werden. Einführung und Verkauf, 
sowie Abgabe von Pferden ist während der Dauer der Schutz- 
maas-sregeln zu verbieten. Fremde Personen dürfen den Seuchen¬ 
stall, fremde Pferde das Seuchengehöft nicht betreten. 

10. Desinfection der Stallungen und Räumlichkeiten, in denen 
kranke Pferde gestanden haben, der Geschirre, Decken u. s. w. 
Die vorschriftsmäsBige Ausführung hat der beamtete Thierarzt zu 
bescheinigen. 

11. Die Seuche gilt als erloschen: a) wenn nach dem Auf¬ 
treten des letzten Erkrankungsfalles in dem Gehöft eine Frist von 
mindestens fünf Wochen verstrichen ist; b) wenn die Endschaft der 
Seuche durch den beamteten Thierarzt nach Ablauf der unter a) 
angegebenen Frist festgestellt und c) wenn die angeordnete Des- 
infection vorschriftsmässig ausgefülirt ist. 

Bevor die Versammlung in eine Berathung der einzelnen Punkte 
des Referates eintritt, bemerkt Schaumkell-Hagen, dass wohl 
auch hierüber eine Discussion überflüssig, da die diesbezügliche 
Eingabe schon abgegangen sei. Huth-Templin bemängelt den 
Begriff „Viehseuchengesetz“ und hält den Ausdruck „Tierseuchen¬ 
gesetz“ für angemessener. Die Versammlung entscheidet sich da¬ 
gegen für den bestehenden und allgemein üblichen Ausdruck „Vieh- 
seuchengeBetz“. Hesse-Friedeberg ist mit Schaumkell der Mei¬ 
nung, dass es von Interesse für die Mitglieder war, von der Ein¬ 
gabe Kenntniss zu nehmen, bittet aber von einer Debatte abzusehen. 
Die Versammlung schliesst sich dieser Ansicht an. Nach einer 
Anfrage von Dr. Froehner, ob die Hauptpunkte des Wittlinger- 
schen Referates in das Protokoll aufger.ommen werden sollten, 
wird dies beschlossen. Es wird von mehreren Mitgliedern bedauert, 
dass die Eingabe nicht in der Plenarversammlung besprochen 
worden sei. Seitens des Vorstandes wird demgegenüber darauf 
hingewiesen, dass man Anfang November allgemein glaubte, dass 
noch im November die abschliessenden und entscheidenden Be¬ 
ratungen des Gesetzentwurfes bei den Reichsbehörden stattfänden 
und dass, da die grösste Eile nöthig zu sein schien, wenn 
der Verein überhaupt zu Worte kommen wollte, die General- 
Versammlung deshalb leider nicht befragt werden konnte. Hesse 
bemerkt hierauf: Dringende Eingaben habe der Vorstand zweifel¬ 
los das Recht, selbst zu machen, wenn auch verschiedene Collegen 
anderer Meinung wären. In diesem Falle musste der Vorstand, da 
der Verein im Veterinärrath nicht vertreten ist und doch zu diesem 
uns so eng berührenden Gegenstände unbedingt das Wort nehmen 
musste, selbstständig vergehen. Dr. Froehner führt aus, dass 
auch er mit einzelnen Punkten der Eingabe nicht einverstanden 
sei; es würden aber auch, wenn auf Grund eines Mehrheits¬ 
beschlusses der Plenarversammlung eine Eingabe abgefasst worden 
sei, nicht aller Mitglieder Ai. sichten zur Geltung und der Behörde 
zur Kenntniss gekommen sein. Jedenfalls seien die Interessen der 
beamteten Tbierärzte aufs Beste gewahrt. 

Kieckhaefer-Berlin stellt nachträglich zu Punkt 3 der Tages¬ 
ordnung noch folgenden Antrag: Es erscheint von Vortheil, wenn 
in § 9 des R.-V.-G. Absatz 1 hinter „verdächtigen Erscheinungen“ 
oingeschoben wird: „und Umständen“. Er begründet seinen Antrag 
damit, dass häufig Fälle Vorkommen, z. B. bei Rotz und Tollwut, 
wo der Besitzer, obgleich er weiBS, dass sein Vieh mit kranken 
Tieren in Berührung gekommen ist, die Anzeige unterlässt. 

Ziegenbein-Wolmirstädt beantragt, auch die Versicherungen, 
z. B. die sogen.Schweinekassen, anzeigepflichtig zu machen. Höhne- 
Griinberg meint jedoch, das neue Fleischschaugesetz werde mit den 


BERLINER TüIERÄRZTLICnE WOCHENSCHRIFT. 


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92 BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 6. 


jetzt in dieser Beziehung zu Tage tretenden Missständen schon 
aufräumen, man solle sich in dieser Frage abwartend verhalten. 
Der Antrag Kieckhaefer betreffend Zusatz zu § 9 R.-V.-G. wird 
mit grosser Majorität angenommen. 

Zu No. 5 der Tagesordnung: Nachprüfung der Milz¬ 
branddiagnosen und die Abschätzungsgebühren, nimmt 
Referent Graffunder-Landsberg das Wort und führt unter Anderem 
Folgendes aus: 

Der Milzbrand hat erst dadurch eine erhöhte Bedeutung ge¬ 
wonnen, dass die Entschädigungspflicht auf Grund des Gesetzes 
vom 11. Apiil 1892 eingeführt worden ist. Bei keiner anderen 
Seuche werden soviel Verdacht6fälle, begründete wie unbegründete, 
zur Anzeige gebracht, wie beim Milzbrand. Um so grösser sind 
auch die Enttäuschungen der Viebbesitzer, wenn wider Erwarten 
kein Milzbrand vorliegt und die Entschädigung ausfällt. Durch 
derartige Ablehnungsfälle hat sich mit der Zeit eine versteckte 
Animosität gegen die beamteten Thierärzte herausgebildet, die 
dann bei passei.der Gelegenheit zum Ausdruck gebracht wird. 

Es ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass dieser Um¬ 
stand, ebenso wie die von Zeit zu Zeit mit oder ohne Verschulden 
einzelner Kreisthierärzte bekannt gewordenen Fehldiagnosen, die 
Veranlassung gegeben haben, dem Drängen verschiedener landwirt¬ 
schaftlicher Körperschaften und Provinzialverwaltungen nachzugeben 
und die Nachprüfung der Milzbranddiagnosen in einzelnen Bezirken 
der Provinzen Ostpreussen, Pommern, Rheinprovinz etc., anzuordnen. 
Es ist nicht zu leugnen, dass durch derartige Maassnahmen dem 
Ansehen, sowie der ganzen Stellung der Kreisthieräizte ein harter 
Schlag versetzt und ihnen in Betreff ihrer Fähigkeiten ein grosses 
Armuthszeugniss ausgestellt worden ist. 

Seitens einiger landwirtschaftlicher Körperschaften war sogar 
ein Antrag gestellt worden, die Nachprüfungen der Milzbrand¬ 
diagnosen generell für das ganze Staatsgebiet anznordnen, ein 
Antrag, dem allerdings bis jetzt nicht stattgegeben worden ist. 
Referent äussert sich nun in erschöpfender Weise über die Er¬ 
scheinungen. die bei Milzbrand intra vitam, sowie post mortem 
auftreten können. Ferner über den pathologisch-anatomischen und 
bacteriologischcn Befund, die anzustellenden Thierexperimente, die 
verschiedenen Culturmethoden des Milzbrandbacillus, und endlich 
über die Differentialdiagnose in bacteriologischer und pathologisch- 
anatomischer Hinsicht. Alsdann fährt er fort: Nach diesen Aus¬ 
führungen komme ich nun zu den wichtigsten Ausführungen meines 
Referates, zu der Stellung des beamteten Thierarztes in der Veterinär¬ 
polizei auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen. In § 2 des R.- 
V.-G. ist die Mitwirkung der Thierärzte, die vom Staate angestellt 
worden sind, d. h. der beamteten Thierärzte zur Bekämpfung der 
Thierseuchen angeordnet worden. Speciell in Preussen ist zu allen 
veterinärpolizeilichen Functionen, die nach den Gesetzesvorschriften 
von einem beamteten Thierarzte ausgeführt werden müssen, der 
für den betreffenden Bezirk zuständige Kreisthierarzt zuzuziehen 
(Begründung zu § 2). 

Nach § 12 ist der beamtete Thierarzt zur sachverständigen 
Ermittelung des Seuchenausbruches zuständig. Hegt die Polizei¬ 
verwaltung Zweifel über die Erhebungen des beamteten Thierarztes, 
so kann dieselbe gemäss § 14 des R.-V.-G. ein thierärztlicheB Ober¬ 
gutachten bei der Vorgesetzten Behörde beantragen. Nach § 6 des 
Preuss.Ansführungsgesetzes ist das Obergutachten vom Departements¬ 
thierarzt abzugeben. § 16 des R.-V.-G. gestattet die Zuziehung 
eines Privatthierarztes Seitens des Besitzers. Die §§ 2 und 12 des 
R.-V.-G. schreiben also ausdrücklich die Feststellung der Seuchen¬ 
ausbrüche durch die beamteten Thierärzte vor. Nur in zweifelhaften 
Fällen und bei Meinungsverschiedenheiten zwischen mehreren Sach¬ 
verständigen, mithin in Ausnahmefällen ist ein Obergutachten des 
Departementsthierarztes bezw. der Technischen Deputation für das 
Veterinärwesen nothwendig. In allen übrigen Fällen den beamteten 
Thierärzten generell die Feststellung von Seuchen, speciell des 
Milzbrandes, entziehen zu wollen, dürfte gesetzlich unzulässig sein. 
Die darauf bezüglichen Verordnungen in einzelnen Regierungs¬ 
bezirken, die Nachprüfung des Milzbrandes betreffend, sind dem¬ 
zufolge als nicht zu Recht bestehend zu erachten. Die zulässigen 
Ausnahmefälle sind, wie bereits erwähnt, durch die §§ 14 uni 16 
des R.-V.-G. und durch den § 21 des Preuss. Ausführungsgesetzes 


geregelt. Ich möchte daran erinnern, wie viele veterinärpolizeiliche 
Anordnungen in letzter Zeit von hohen Gerichtshöfen für ungültig 
erklärt worden sind, weil dieselben nicht mit den Bestimmungen des 
R.-V.-G. in Einklang gestanden haben. Wenn man als weiteren Grund 
für die Entziehung der Milzbranddiagnosen ein zu geringes Vertrauen 
zu den Fähigkeiten der beamteten Thierärzte annehmen will, so würde 
dieser Grund wieder dadurch hinfällig, dass die beamteten Thier¬ 
ärzte durch Ablegung der kreisthierärztlichen Staatsprüfung die 
staatliche Anerkennung zur Ausführung ihres Amtes gesetzlich er¬ 
langt haben. Sollte ein Kreisthierarzt bei besonders schwieriger 
Sachlage sich hinsichtlich eines Befundes nicht im Klaren sein, so 
wird er sich leicht die erforderliche Aufklärung zu verschaffen 
wissen, wie dies bei zweifelhaften Fällen bisher auch schon ge¬ 
schehen ist Wenn nun wirklich in einzelnen Fällen Fehler und 
Irrthümer vorgekommen sind, wenn fernerhin einige beamtete Thier¬ 
ärzte sich als unfähig im Amte gezeigt haben sollten, dann möge 
man diese Beamten durch den zuständigen Departementsthierarzt 
auf Grund der §§ 14 und 16 des R.-V.-G. beaufsichtigen lassen, 
aber einen ganzen Stand in seiner Würde und Beinern Ansehen 
widerrechtlich herabsetzen zu wollen, das dürfte doch zu weit 
gehen. Es muss die vornehmste Pflicht unseres Vereins sein, da¬ 
für zu sorgen, dass derartige, den ganzen Stand entehrende Ver¬ 
ordnungen, aus der Welt geschafft werden. 

Ich stelle demnach folgenden Antrag: 

In Erwägung, dass in einigen Regierungsbezirken der Provinzen 
Ostpreussen, Pommern, Rheinprovinz u. s w. die amtliche Fest¬ 
stellung des Milzbrandes den beamteten Thierärzten entzogen und 
eine Nachprüfung der Milzbranddiagnosen angeordnet worden ist, 
beschliesst der V. b. T., Seine Excellenz den Herrn Minister für 
Landwirthschaft u. s. w. zu bitten, die betreffenden Verordnungen, 
welche das Ansehen der beamteten Thierärzte herabzusetzen ge¬ 
eignet und welche durch das Reichsviehseuchengesetz nicht be¬ 
gründet sind, für ungültig zu erklären. 

Das Correferat von Wilkens-Warendorf betreffend Nachprüfung 
der Milzbranddiagnosen und die Abschätzungsgebühren wird, da 
Correferent nicht erschienen ist, vorgelcsen. Referent führt unter 
Anderem aus, dass das bei Rotz und Lungenseuche bewährte 
Abschätznngsverfahren beim Milzbrand mit mannigfachen Schwierig¬ 
keiten verbunden sei, da ausser der Section ein microscopischer 
Nachweis der Milzbrandbacterien erforderlich sei. Die Ausführung 
der raicroscopischen Untersuchung an Ort und Stelle sei oft über¬ 
haupt nicht ausführbar und keinesfalls der microscopischen Unter¬ 
suchung im Laboratorium des Kreisthierarztes gleichwerthig zu 
erachten. Trotz dieser Schwierigkeiten und der in der Regel un¬ 
möglichen schnellen Herbeischaffung der Schiedsmänner soll die 
Abschätzung zur Vermeidung besonderer Kosten möglichst im 
Sectionstermin erfolgen. Da nun aber in den einzelnen Provinzen 
die zur Zeit gültigen Eutscbädigungs-Reglements als Vorbedingung 
für die Einleitung des Abschätzungsverfahrens die Feststellung des 
Milzbrandes durch Section und microscopiscbe Untersuchung be¬ 
zeichnen, so folgt daraus ohne Weiteres, dass die Abschätzung 
nicht in dem Sectionstermin erfolgen kann. 

Das vielfach geübte Verfahren, die Abschätzung lediglich auf 
Grund des positiven Sectionsergebnisses vorzunebmen, erscheint 
ebenso bedenklich, wie die bedingungsweise vorgenommene Ab¬ 
schätzung des Cadavers. Letztere besonders ist geeignet, bei nach¬ 
folgender Ablehnung der Entschädigung Missstimmung im Publikum 
zu erwecken und die beamteten Thierärzte zu discreditiren. In 
gleicher Weise ist eine Nachprüfung der Milzbranddiagnosen der 
Kreisthierärzte durchaus zu veiwerfen. Dort wo eine Nachprüfung 
besteht, werden naturgemäes die zweifelhaften Fälle erst bei der 
Nachprüfung ausgeschieden, während da, wo eine solche nicht 
besteht, dies die Kreisthierärzte selbst bereits vorher prompt be¬ 
sorgen. Aus diesem Grunde ist auch der Hinweis nicht stichhaltig, 
dass bei eingeführter Nachprüfung eine grössere Anzahl angeblicher 
Milzbrandfälle für die Entschädigung ausgemerzt weiden. Referent 
geht nunmehr ausführlich auf die Gründe ein, die einzelne 
Provinzialverwaltungen wohl veranlasst haben, die Nachprüfungen 
einzuführen und hebt besonders das colossale Anwachsen der Milz¬ 
brandfälle seit Einführung der Entschädigung hervor, welches nur 
ein scheinbares sei, da früher der b$i weitem grösste Theil der 


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5. Febiuar 1903. BERLINER TIIIERARZTLIC1IE WOCHENSCHRIFT. 93 


Milzbrandausbrüche nicht angezeigt wurde, und führt dann hin¬ 
sichtlich der eventuellen Zuziehung von Privatthierärzten weiter aus: 
Scheinbar können nach einzelnen Reglements Privatthierärzte 
bedingungslos bei der Abschätzung wegen Milzbrandes mitwirken; 
indess wird diese Eventualität wiederum aufgehoben durch die 
in keinem Reglement fehlende Bestimmung, dass rücksichtlich 
des Abschätzungsverfahrens die §§ 18, 19, 20 und 21 des 
Gesetzes vom 12. März 1881 Anwendung zu finden haben. Der 
§ 18 dieses Gesetzes bestimmt aber, dass der Abschätzungs¬ 
commission der Kreisthierarzt angehören muss. Was die Kosten 
des Abschätzungsverfahrens an belangt, so bemerkt Referent Fol¬ 
gendes: Die Thätigkeit der Kreisthierärzte beim Abschätzungsver¬ 
fahren ist ein Dienstgeschäft, für das nach dem Gesetz vom 
9. März 1872 zu liquidiren ist, auch wenn dies nicht ausdrücklich 
im Reglement ausgesprochen ist. (Vergleiche Beyer, Viebseuchen- 
gesetze S. 83.) Der Anspruch auf die höheren Sätze der Schieds- 
männer ist jedoch nur dort zulässig, wo diese Sätze dem Kreistbier- 
arzt ausdrücklich zugebilligt sind. Auch bei Reisen Uber 2 Kilometer 
ist neben den Reisekosten nicht das Tagegeld, sondern eine Gebühr 
von 9 M (in der Höhe der Tagegelder der Schiedsmänner) zu 
liquidiren. Meines Erachtens stehen nun diese Abschätzungs¬ 
gebühren den beamteten Thierärzten auch dann zu, wenn die Ab¬ 
schätzung im Sectionstermin erfolgt ist, weil dieselbe im Aufträge 
und Interesse der Provinzialverwaltung geschieht und ein besonderes 
Dienstgeschäft darstellt, das mit der im staatlichen Aufträge und 
zu veterinärpolizeilichen Zwecken ausgeführten Section nichts zu 
thun hat. Da eine Häufung von Gebühren au einem Tage statt- 
finden darf, so wäre die Abschätzungsgebühr bei der Provinzial¬ 
verwaltung besonders zu liquidiren. Allerdings steht dieser Auf¬ 
fassung der gemeinschaftliche Erlass der Herren Minister des 
Inneren und für Landwirthschaft u. s. w. vom 7. December 1893 
(Beyer, S. 94 und 95) entgegen, wonach die Gebühren des beam¬ 
teten Thierarztes in diesem Falle von der Staatskasse zu tragen 
sind. Der citirte Erlass ist mir unverständlich. Soll die Staats¬ 
kasse neben der Sectionsgebilhr auch die Abschätzungsgebühren 
bezahlen oder soll der Erlass besagen, dass die Staatskasse sich 
für zahlungspflichtig erklärt, aber nichts bezahlen will? Weshalb 
soll nach dem Erlasse in dem einen Falle die Provinzialverwaltung, 
in dem anderen die Staatskasse die Kosten der Abschätzung zu 
tragen haben, je nachdem dieselbe in einem besonderen Termin 
oder im Anschlüsse an die Section erfolgt ist? — Ich vermag 
diesen Widerspruch nicht aufzuklären! Eine dankbare Aufgabe ist 
es für den Verein beamteter Thierärzte Preussens, in dieser für 
seine Mitglieder hochwichtigen Angelegenheit klare Bestimmungen 
und Entscheidungen herbeizufübren. 

Bei der nun folgenden Discussion weist Hesse auf das Ab- 
schätznngsverfahren in der Provinz Brandenburg hin, wo der 
KreiBthierarzt gleich bei Vornahme der Section seine Taxe stellt, 
und die Schiedsmänner erst nach Sicherung der Diagnose zu eicem 
besonderen Abschätzungstermin berufen werden. Dieses Verfahren 
müsse den anderen Provinzialverwaltungen zur Annahme empfohlen 
werden. Kieckhaefer ist gleichfalls der Ueberzeugung, dass sich 
die Angelegenheit in dieser Weise überall einrichten lasse. 

Es wird nunmehr ein kurzes Referat von Eisenblätter- 
Memel verlesen, welcher auch die Ansicht vertritt, dass die 
Abschätzung eine von der staatsthierärztlichen Thätigkeit des 
Obducenten ganz unabhängige, besondere Leistung des Kreis¬ 
thierarztes darstelle und deshalb besonders zu vergüten sei, ähnlich 
wie die Beaufsichtigung der Vieh- und Pferdemärkte. Huth-Sarne 
ist der Meinung, dass nach dem Gesetze lediglich der Kreisthierarzt 
die Milzbrand fälle festzustellen habe und dass nur in Zweifels¬ 
fällen die Polizeibehörden ein Obergutachten, und zwar vom 
Departementsthierarzte, einfordern dürfe. Höhne-Grünberg ist für 
eine entschiedene Stellungnahme gegen die Nachprüfungen, denn 
wenn die Diagnose nicht bestätigt würde, käme der Kreisthierarzt 
in eine sehr schiefe Lage, sowohl moralisch als pecuniär, insofern, 
als er dem Besitzer eventuell den Schaden (für die zerstörte 
Haut u. s. w.) ersetzen müsste. Sepmeyer-Fürstenberg theilt mit, 
dass einem armen Manne, welcher die Kosten der Verbrennung 
eines Milzbrandcadavers nicht bestreiten konnte, von -der Provinzial¬ 
verwaltung auf Antrag das Geld erstattet sei und Lehmann-Calau 


berichtet, dass in seinem Kreise in letzter Zeit vier Fälle von Milz¬ 
brand anstandslos lediglich auf Grund des Sectionsbefundes ent¬ 
schädigt worden seien, Milzbrandbacterien waren microscopisch 
nicht mehr nachzuweisen gewesen. Schaumkell meint, es wäre 
wohl nicht anzunehmen, dass der Landwirthschaftsminister für seine 
beamteten Thierärzte Superrevisionen allgemein anordnen werde 
(Beifall) und bittet, sich abwartend zu verhalten. Kieckhaefer 
ist gleichfalls der Ueberzeugung, dass diese unsere gerechte Sache 
beim Ministerium in sehr guten Händen sei; es sei ja auch im 
Jahresbericht von Bermbach zu lesen, dass Nachprüfungen der 
seitens der Kreisthierärzte gestellten Milzbranddiagnosen nicht 
stattfinden würden. 

Der Antrag Graffunder (siehe oben am Schlüsse seines 
Referates) wird hierauf mit grosser Mehrheit angenommen. 

Ueber Punkt 6 der Tagesordnung: Stellungnahme zu 
der Frage der Zuziehung von Privatthierärzten zu amt¬ 
lichen Geschäften referirt Kieckhaefer kurz wie folgt: Wie 
kommt man dazu, uns Kreisthierärzten, die wir unsere Privatpraxis 
so ziemlich verloren haben, wieder eine Concurrenz schaffen zu 
wollen?! Sind jetzt nicht die Privatthierärzte im Allgemeinen 
besser gestellt, als mancher Kieisthierarzt? Der Kreisthierarzt hat 
sein Examen als beamteter Thierarzt gemacht und dafür grosse 
Opfer an Zeit und Geld gebracht, und nun will man den piactischcn 
Thierarzt an seiner Tafel speisen lassen! Wer bleibt denn eigent¬ 
lich der Verantwortliche? Der practische Thierarzt jedenfalls nicht, 
sondern einzig und allein der beamtete Thierarzt. Man müsse sich 
beim Herrn Minister ganz energisch gegen den diesbezüglichen An¬ 
trag des Veterinärrathes durch eine Petition verwahren. 

Correferent Dr. Fröhner. Alle Kreis-, Bezirks- und Oberamts¬ 
thierärzte im deutschen Vatei lande werden mit Kopfschütteln diese 
in der That verwunderliche Kundgebung des deutschen Veterinär¬ 
rathes vernommen haben. Die grosse Mehrheit der preussischen 
Kreisthierärzte wird über den Antrag Sch mal tz entrüstet sein. Es 
ist bekannt, dass die meisten Kreisthierärzte nur einige Tage jeden 
Monat dienstlich voll beschäftigt sind. In Preussen ist der staat¬ 
liche Veterinärdienst noch nicht ansgebaut. Viele und grosse Auf¬ 
gaben, die die Kreisthierärzte zu erfüllen hätten, werden uns nicht 
gestellt. Wir drängen uns zu den Dienstgeschäften und 
suchen unausgesetzt, uns neue Gebiete amtlichen Wirkens zu er- 
schliessen. Wir wollen mehr Dienst, um mehr Verdienst zu haben, 
um uns unentbehrlich zu machen, um auch als wirkliche Beamte 
dazustehen. Heute sind mit wenig Ausnahmen die Kreisthierärzte 
auf Privatpraxis angewiesen. Sie haben dabei notorisch einen 
überaus schweren Stand. Nun sollen sie ihre Dienstgeschäfte und 
also auch die Einnahmen aus solchen mit Privatthierärzten theilen! 
In Preussen erheischt das der Dienst nicht! Es ist mir 
nicht bekannt, dass Unzuträglichkeiten dadurch entstanden wären, 
dass der Kreisthierarzt den dienstlichen Requisitionen Folge zu 
leisten nicht im Stande gewesen wäre. Sollten einzelne Kreisthicr- 
ärzte vorübergehend oder dauernd mit Dienstgeschäften überbürdet 
sein, so können die Nachbarn einspringen, die Bezirke getheilt 
werden u. s. w. Die preussischen Kreisthierärzte werden, wie ge¬ 
sagt, entrüstet sein, aber sie brauchen m. E. nicht bange zu 
sein. Die Veterinärverwaltung wird uns nicht schmälern. Der 
Staat fordert von den Thierärzten, die er anstellt, ein gewisses, in 
einem besonderen Examen nachweisendes Wissen und Können und 
unter den erfolgreich Geprüften sucht er sich auch noch seine 
Leute aus. Er übt über die Thierärzte, die er mit staatlichen Ge¬ 
schäften betraut, ein Aufsichts- und Diciplinarrecht aus, er be¬ 
schränkt auch ihre Erwerbsthätigkeit, wo er Collisionen mit der 
amtlichen Thätigkeit befürchtet. Als Aequivalent für die Beamten¬ 
pflichten räumt die Verwaltung den beamteten Thierärzten einen 
Anspruch darauf ein, die veterinärpolizeilichen Geschäfte zu be¬ 
sorgen und die durch Gesetz dafür festgesetzten Einkünfte dafür 
zu beziehen. Jahrzehnte schweren Kampfes hat es unsere Vor¬ 
gänger gekostet, bis sie es erreicht hatten, allein zu den staats¬ 
thierärztlichen Geschäften herangezogen zu werden. Wie ein rother 
Faden zieht sich durch die Geschichte der Stellung der preussischen 
Kreisthierärzte der Kampf für die Elimination der zähen Con- 
currenten. Erst waren es die Kreisphysiker und Kreiswundärzte, 
dann die nicht approbirten Thierheiler und endfich die approbirten 


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94 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 6. 


Privatthierärzte, mit denen die Kreisthierärzte ihr geringes amtliches 
Einkommen theilen mussten. Im Jahre 1880 endlich konnten die 
Kreisthierärzte aufathmen. 

Das Reichsviehscuchengesetz brachte ihnen die Ausschliesslich¬ 
keit der technischen Mitwirkung in der Seuchenbekämpfung. Es 
heisst zwar auch in diesem Gesetz (§ 2): „Im Falle ihrer (sc. der 
beamteten Thierärzte) Behinderung oder in sonstigen dringenden 
Fällen können auch andere approbirte Thierärzte zugezogen werden. 
Die von v. Markard geschriebenen Motive zum Gesetz geben aber 
hierzu die Erklärung und Ergänzung. Sie lauten: „Nicht minder 
unabweisbares Bediirfniss ist es, die sachverständige Mitwirkung bei 
Handhabung der Vetcrinärpolizei staatlich angestellten Thier¬ 
ärzten anzuvertrauen, da im Allgemeinen nur von solchen 
die Beiseitesetzung von Rücksichten von Privatinte ressen 
und eine rückhaltlose Beachtung der gesetzlichen und 
reglementarischen Vorschriften erwartet werden kann. 
Auch die von Gemeinden und anderen Corporationen angestellten 
Thierärzte können zu jener Mitwirkung nicht berufen werden, da die 
ihnen bei Letzteren obliegende Thätigkeit (z. B. die Ueberwachung 
von Märkten) leicht Konflikte mit den Interessen der anstellenden 
Corporation bervorrufen kann, auf deren dem öffentlichen Interesse 
entsprechende Lösung der Staat mangels genügender Disciplinar- 
befugnisse nicht einzuwirken vermöchte u. s. w. (Aktenstück No. 60 
pro 1880, Anlagen zu den Verhandlungen des Reichstages 3. Band, 
S. 403 ff.). Auch Beyer, der Mitarbeiter v. Makards, hat es aus¬ 
gesprochen, dass in Preussen zu allen veterinärpolizeilichen Funktionen, 
welche nach den bestehenden Vorschriften von einem beamteten Thier¬ 
arzte ausgeübt werden müssen, der für den betreffenden Bezirk an- 
gestellte Kreisthierarzt zuzuziehen ist. (Anmerkung zu § 2 R.-V.-G. 
in Beyers „Viehseuchengesetze“.) Unsere mustergiltige Viehseuchen- 
gesetzgebung wird sich in absehbarer Zeit nicht fundamental ändern. 
Der Geist v. Markard8, des Schöpfers unseres Reichsgesetzes, wird 
fortleben, und deshalb brauchen wir uns nicht zu sorgen, dass 
der Antrag Schmaltz in der preussischen Veterinärveiwaltung 
Gehör finden wird. Es wird m. E. auch kaum erforderlich sein, 
dass die preussischen beamteten Thierärzte mit einem Gegenanträge 
an die Verwaltung herantreten. Die Agitation zu Gunsten der Privat¬ 
thierärzte ist aussichtslos. Die, welche den Praktikern auf Kosten 
der beamteten Thierärzte ein Geschenk zu wenden möchten, führen diese 
auf ein falsches Ziel. Die Enttäuschung kann auf der anderen Seite 
nicht ausbleiben! 

Ein schriftlich eingereichtes Referat von Eisenblätter zum 
vorliegenden Gegenstand wird nur theilweise verlesen. Schlegel 
und Röttger beantragen, schriftliche Referate von nichtanwesenden 
Mitgliedern nicht zu verlesen; die betreffenden Herren müssten selber 
erscheinen. Der Antrag wird genehmigt. Es wird dabei zum Ausdruck 
gebracht, dass es wünschenswerth sei, dass Mitglieder, die nicht 
anwesend sein können, aber ihro Meinung zu einem Gegenstände 
der Tagesordnung zum Vortrag bringen wollen, einen bestimmten 
Herrn mit der mündlichen Darlegung der Ansicht betrauen. 

Kurschat-Opalenitza hält den Antrag des Veterinärrathes auch 
nicht für bedeutungsvoll, da nach wie vor stets der Kreisthierarzt 
requirirt werden würde. Dem widerspricht der Vorsitzende, 
indem er darauf hinweist, dass schon jetzt manche Polizeibehörden 
sich für berechtigt hielten, jeden nicht beamteten Thierarzt heran¬ 
zuziehen. Elschner-Kolmar kommt nochmals auf den § 2 des 
R.-V.-G. zu sprechen, wonach nur im Falle der Behinderung 
des beamteten Thierarztes ein anderer Thierarzt zugezogen werden 
könne, und auf die in den Motiven ausgesprochene Tbatsache, dass 
der Privatthierarzt in der Regel nicht als geeignet zu gelten habe, 
bei amtlichen Dingen mitzuwirken. Damit aber die in den Motiven 
ausgesprochene Anschauung auch in der Novelle zum Vichseuchen- 
gesetz zum Ausdruck käme, sei es nothwendig, geeigneten Orts 
einen entsprechenden Antrag zu stellen. Hesse findet eine Er¬ 
klärung für den Antrag Schmaltz in der Gründung des Vereios 
der Privatthierärzte, dem Inhalt gegeben werden sollte. Jacobi- 
Pleschen hält es in Ansehung der Begründung des Sc hin altz’schen 
Antrages, dass die Zeit der Kreisthierärzte zur Feststellung der 
Seuchen nicht ausreiche, für erforderlich, den Nichtigkeitsbeweis 
anzutreten, der leicht gelingen müsse. 

Der von Kieckhäfer gestellte Antrag, man solle bei dem 


Herrn Minister dahin vorstellig werden, dass der Beschluss des 
Veterinärrathes vom 22. October 1902 betreffend Zuziehung der 
Privatthierärzte zu amtlichen Geschäften in der Novelle zum Reichs- 
viehsenchengesetz keine Berücksichtigung finde, wird fast ein¬ 
stimmig angenommen. 

Zu Punkt 7 dev Tagesordnung: Versammlungen der 
beamteten Thierärzte unter dem Vorsitz des betr. 
Departementsthierarztes nimmt Dr. MeynerKyritz das Wort 
zu nachstehenden Ausführungen: 

M. H., ich nehme an, dass die Aufforderung zu diesen 
Conferenzen bisher überall in der Form einer Einladung seitens 
des Departementsthierarztes erfolgte, und dass dieselben wohl von 
allen Collegen insofern als zweckentsprechende Einrichtungen 
empfunden wurden, als sich Ungleichheiten in der Auffassung von 
Regierungsverfügungen in gegenseitiger mündlicher Aussprache am 
schnellsten und einfachsten erledigen licssen, mochte es sich hierbei 
um die leidige Frage der amtlichen Liquidationen, oder um neuere 
Erlasse, Verfügungen u. s. w. handeln. Wenn nun auch diese Ver¬ 
sammlungen an und für sich wohl allgemein als sehr zweckmässig 
anerkannt wurden, so empfanden es doch viele Collegen als Härte, 
dass für diese in amtlicher Eigenschaft gemachten Reisen, Reise¬ 
kosten und Tagegelder nicht gewährt werden. Abgesehen davon, 
dass der Verdienst eines Tages verloren geht, entstehen nicht un¬ 
erhebliche Aufwendungen für dasllebernachten. Von dieser Auffassung 
ausgehend haben Sabner-Lauban und Ulra-Bunzlau einen Antrag 
gestellt, der auf eine Petition seitens des V. b. T. an den Herrn 
Minister abzielt. M. II., bevor wir in die Discussion Uber die 
Zweckmässigkeit einer derartigen Petition eintreten, gestatten Sie 
mir wohl, dass ich Ihnen zwei Erlasse des Herrn Ministers für 
Medicinalangelegenheiten mittheile, die auf ähnliche Zusammen¬ 
künfte der Kreisärzte Bezug haben. Der erste Erlass vom 
4. Juli 1901 M. 2442 liegt mir augenblicklich nicht vor, er betrifft 
auch nur Bestimmungen über die Art der Ausführung der Conferenzen. 
Den Runderlass vom 10. Juli 1902 M. 2033 I. gestatte ich mir, 
Ihnen zum Theil vorzulesen. 

„Aus den Berichten über die in Gemässheit des Erlasses vom 
4. Juli 1901 abgehaltenen Versammlungen der Kreismedicinalbeamten 
habe ich mit Genugthunng ersehen, dass alle Betheiligten den 
Gegenständen der Berathung ein lebhaftes Interesse entgegen¬ 
gebracht haben, und dass der gegenseitige mündliche Austausch 
der Ansichten über Fragen der neueren mcdicinal- und sanitäts¬ 
polizeilichen Gesetzgebung das Verständnis für dieselben sowohl 
bei den Kreisärzten, als auch bei den an dem Gesundheitswesen 
betheiligten, in der Versammlung anwesenden sonstigen Beamten 
wesentlich gefördert hat. Da der Erfolg der Medicinalbeamten- 
Conferenzen den gehegten Erwartungen voll entsprochen hat, will 
ich im Einverständnis mit dem Herrn Finanzminister genehmigen, 
dass zum Zwecke der Theilnahme an einer in diesem Jahre ab¬ 
zuhaltenden Medicinalbeamtenvcrsainmlung des dortigen Bezirks 
den ausserhalb des Versammlungsortes wohnenden Medicinalbeamten 
Reisekosten und Tagegelder für einen Tag aus dem Personal- 
bedUrfnissfonds der Regierung gezahlt werden.“ Der letzte Absatz 
des Erlasses behandelt die Frage der Absendung eines Regierungs- 
commissars und die Festsetzung des Terraines. 

Nach dem soeben Gehörten müsste man annehmen, dass der 
Erlass Reisekosten und Tagegelder nur für die eine im Herbst d. J. 
abgehaltenc Conferenz gewähren will. Nach meinen Informationen 
haben aber die Kreisärzte, wenigstens im Regierungsbezirk Potsdam, 
auch für die weiteren Versammlungen Tagegeld und Rcisevergütung 
erhalten. M. H., nachdem ich Ihnen nun kurz die Sachlage ge¬ 
schildert habe, bitte ich Sie, sich zu dieser Sache zu äussern. Es 
sollte mich freuen, wenn Sie meine Angaben ergänzen könnten. 
Sahn er hält es für unbedingt erforderlich, dass wir schon jetzt zu 
dieser Frage Stellung nehmen, dass wir in einer Eingabe den Herrn 
Minister bitten, Versammlungen einzurichten und Tagegelder und 
Reisekosten für die Veterinärbeamten zu gewähren. Dabei müsste 
besonders auf das am 1. April 1903 in Kraft tretende Fleischbeschau¬ 
gesetz hingewiesen werden. Ich kann mich den Gründen des 
Herrn Sahner nicht ganz verschliessen, wenn auch mancherlei Be¬ 
denken vorliegen, in der Eingabe an den Herrn Minister die Tage¬ 
gelderfrage zu berühren, wir andererseits finden in den nächsten 


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f> Februar 1903. BERLINER TniERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 96 


Jahren wohl keine so günstige Gelegenheit wieder zur Begründung 
der Nothwendigkeit amtlicher Conferenzen, wie jetzt wegen der 
Einführung des Fleischbeschaugesetzes und der Novelle zum Reichs¬ 
viehseuchengesetz. 

Bei der sich anschliessenden Discnssion giebt der Vorsitzende 
seiner Meinung dahin Ausdruck, dass man für die minimalen Aus¬ 
lagen keine Vergütung beanspruchen solle. Jacob-Luckau kann 
sich dieser Auffassung nicht anschliessen; die Unkosten seien für 
manchen Kreisthierarzt, besonders in Brandenburg, recht grosse. 
Sahn er stellt folgenden Antrag: Der Verein wolle beim Herrn 
Minister dahin vorstellig werden, dass den an amtlichen Conferenzen 
theilnehmenden, ausserhalb des Versammlungsortes wohnenden be¬ 
amteten Thierärzten Reisekosten und Tagegelder bewilligt würden. 
Ehling-Winsen theilt mit, dass im Regierungsbezirk Lüneburg in 
letzter Zeit schon einmal Reisekosten und Tagegelder gezahlt worden 
sind; die Einladung zu der Versammlung war vom Departements¬ 
thierarzt ausgegangen. Huth-Sarne schlägt vor, den Herrn Minister 
nicht mit der Bitte um Reisekosten und Tagegelder zu behelligen, 
sondern ihm nur die Bitte zu unterbreiten, dass er im Interesse des 
Dienstes solche Conferenzen anordne. Sahn er hält die gegen 
seinen Antrag vorgebrachten Gründe nicht für stichhaltig. Er habe 
an officielle Versammlungen gedacht, deren Besuch eine dienstliche 
Verrichtung sei, wie jede andere. Kurschat theilt mit, dass in 
Posen ein Antrag des Departementsthierarztes auf Zahlung von 
Reisekosten u. s. w. abschläglich beschicden worden sei. Huth- 
Templin bittet, den Antrag Sahn er anzunehmen. 

Der Antrag Sahner wird abgelehnt, der Antrag Huth- 
Sarne mit grosser Mehrheit angenommen. 

Punkt 8 der Tagesordnung: Standesangelegenheiten. 
Referent Wittlinger hat ein umfangreiches schriftliches Referat 
eingesandt Dasselbe wird verlesen. Referent theilt mit, dass sich 
eine wahre Hochfluth von Anfragen und Zustimmungen aus thier¬ 
ärztlichen und besonders aus Abgeordnetenkreisen über ihn an¬ 
lässlich der Veröffentlichung und Versendung seiner vorjährigen 
Denkschrift über die gegenwärtige Lage der preussischen Kreis¬ 
thierärzte ergossen habe. Fast sämmtliche Aeusserungen der Ab¬ 
geordneten bekunden mehr oder weniger ein Staunen darüber, dass 
derartige beinahe unglaubliche Verhältnisse so lange möglich ge¬ 
wesen wären und erkennen einstimmig an, dass unsere Wünsche 
berechtigt und bescheiden, sowie eine dahin zielende Reform 
unerlässlich sei. Als hocherfreuliches Resultat der denkwürdigen 
Verhandlungen des Abgeordnetenhauses vom Februar 1902 darf die 
Einstimmigkeit hervorgehoben werden, mit welcher sämmtliche 
Fractionen die Nothwendigkeit einer baldigen Reform und die 
Berechtigung unserer Wünsche anerkannten. Nicht minder erfreulich 
war für uns die die Reform unserer Stellung betreffende Antwort 
des Herrn Ministers auf eine an ihn gerichtete Anfrage; konnten 
w'ir doch aus derselben das uns auch bei anderer Gelegenheit be¬ 
wiesene Wohlwollen ersehen, dessen wir beamteten Tliierärzte nns 
im Ministerium zweifellos zu erfreuen haben. Aus diesem Grunde 
und mit Rücksicht darauf, dasB wir auf eine diesbezügliche Vorlage 
frühestens im Etat Für 1904 rechnen dürfen, halte ich es nicht für 
zweckmässig, wieder eine Petition einzureichen. — Ich komme 
nunmehr zum zweiten Theil meines Referates, nämlich zu der 
Frage: Wie ist die von der Regierung beabsichtigte Reform be¬ 
schaffen ? 

M. H, diese Frage gehört, da über die Einzelheiten der Reform 
amtlich nichts bekannt geworden ist, in das Gebiet der Zukunfts¬ 
musik. Dennoch will ich das, was bis jetzt darüber durchgesickert 
ist, in Anbetracht der Wichtigkeit der Sache nicht vorenthalten. 
Die Gehälter sollen so vcrtheilt werden, dass die amtlich viel be¬ 
schäftigten Kreisthierärzte weniger Gehalt, dagegen die amtlich 
weniger beschäftigten Kreisthierärzte das volle Gehalt bekommen, 
und zwar sollen letztere 2400 M., erstere dagegen ein Gehalt von 
1200 M. an erhalten; die Diensteinnahmen (nach dem dreijährigen 
Durohschnitt) sollen also die Gehaltsdifferenz ausgleichen. Ich 
glaube, dass Sie, ebenso wie ich, mit dieser Art der Reform wenig 
einverstanden sind. Ich kann es nicht für zweckmässig erachten, 
wenn die einzelnen Stellen analog den Kreisarztstellen ungleich- 
mässig dotirt würden. Wir müssen in der Gewährung eines für 
alle Stellen einheitlichen, nach Altersstufen geregelten Gehaltes, 


beginnend mit 1800 M. und steigend bis 3300 M, die zweck- 
massigste und einwandfreieste Besoldung erblicken. Referent ver¬ 
breitet sich dann noch Uber den Einfluss, den die inzwischen als 
Vorbedingung für das Studium der Tbiermedicin eingeführte 
Universitätsreife auf unsere Wünsche und die Aussichten ihrer 
Erfüllung ausUben wird und bittet, in Anbetracht des Umstandes, 
dass die bevorstehende Reform nach menschlichem Ermessen die 
Dinge nicht nur für uns zeitlebens, sondern auch für unsere 
Epigonen regeln wird, keine falsche Bescheidenheit an den Tag 
zu legen. 

Der Vorsitzende verliest einige Briefe von Abgeordneten, 
die auf die bevorstehende Reform Bezug haben. Ein Mitglied der 
conservativen Partei theilt u. A. mit, dass seine Partei stets bereit 
sei, unsere Sache zu vertreten. 

Kurschat fragt an, wie die in der vorjährigen Plenar¬ 
versammlung erörterte, von Kieckhaefer und dem Rechtsanwalt 
Pinkus-Berlin referirte Angelegenheit der Concurrenz von Tage¬ 
geldern und Gebühren bei dienstlichen Geschäften erledigt sei. 
Kieckhaefer erwidert, dass man die Erledigung durch die bevor¬ 
stehende Reform der Bezahlung der Kreisthierärzte erwarten könne. 

Elschner-Kolmar referirt Uber einen Artikel von Schmaltz 
in No. 44, 1902 der B. T. W., in welchem ein Kreisthierarzt in 
überaus heftiger Weise angegriffen worden sei. Er bittet, die 
Angelegenheit zur Discnssion zu stellen. Die Versammlung 
beschliesst, nachdem von mehreren Seiten, namentlich vom Vorstands¬ 
tisch, der Wunsch ausgesprochen war, im Interesse des Friedens 
über alles Vergangene hinwegzusehen, die Angelegenheit auf sich 
beruhen zu lassen. Als vornehmer Verein wollten wir alle Streit¬ 
punkte so gut wie möglich umgehen. Kurschat bemerkt dazu, 
dass es dann aber dringend verlangt werden müsse, dass Schmaltz 
sich etwas zurückhalte und nicht bei jeder Gelegenheit in ver¬ 
letzender Form gegen den Verein und einzelne Mitglieder des¬ 
selben Stellung nehme. Elschner verweist auf den in dem 
Artikel von Schmaltz vorkommenden Ausdruck „Helfershelfer“, 
der die Angelegenheit für alle Andersdenkenden zu einer recht 
unschönen stempele. Schmaltz spiele unsere Standesangelegen¬ 
heiten in das politische Parteigetriebe hinein, und dagegen müssten 
die preussischen Kreisthierärzte Stellung nehmen. 

Der Vorsitzende theilt mit, dass der Vorstand in seiner letzten 
Sitzung beschlossen habe, wegen der vielfachen Angriffe, die die 
B. T. W. gegen den V. b. T. gerichtet habe, dieser Zeitung Ver¬ 
öffentlichungen nicht mehr zuzusenden. Dr. Peter-Angermünde 
beantragt, die Protokolle ausser in der D. T. W. auch in der B. T. W. 
zu veröffentlichen, wie früher. Reimsfeld stellt den Zusatzantrag, 
auch die Einladungen und Tagesordnungen in der D. T. W. und 
B. T. W. abdrucken zu lassen. Jacob-Luckau weist darauf hin, 
dass nach § 7 der Statuten die Einladungen unter Bekanntgabe 
der Tagesordnung durch besondere Zuschrift und durch die thier- 
ärztlichen Fachzeitschriften zu erfolgen haben. Er habe 
mit Schmaltz viel correspondirt und sei der Ueberzeugung,'dass 
Schmaltz uns nicht feindlich gegenüberstehe. Die B. T. W. nehme 
unsere Veröffentlichungen sehr gerne auf. Der Vorsitzende hat für 
seine Person nichts dagegen einzuwenden. Auch Kiekhacfer ist, ob¬ 
gleich er speciell heftig von Schmaltz angegriffen sei, im Interesse 
der Vermeidung jeden Zwistes für den Antrag Dr. Peter. Er schlage 
vor, ein zu dieser Angelegenheit vorliegendes, von Wittlinger ver¬ 
fasstes, sehr umfangreiches Referat überdas Verhältniss Schmaltz 
zu unserem Verein und umgekehrt, nicht, wie beabsichtigt war, 
zu verlesen, sondern ohne Discussion ad acta zu legen. Der Antrag 
Dr. Peter-Keimsfeld wird angenommen. 

Hesse-Friedeberg beantragt, 1. die Departementsthierärzte zum 
Beitritt zu unseremVerein aufzufordern und 2. dem Deutschen Veterinär¬ 
rath beizutreten. Der Vorsitzende führt aus, dass der Verein 
jeder Zeit dem D. V.-R. beitreten könne, wenn er sich nur anmelde 
und seine Beiträge bezahle. Augenblicklich liege oin Bedürfniss 
hierzu nicht vor, da der D. V.-R. einige Jahre, wie der Präsident 
in München verkündet habe, nicht zusammentreten werde. Zum 
anderen Punkt des Hesse sehen Antrages ist T h u n e c k e der Ansicht, 
dass die Departementsthierärzte glaubten, als Regierungsbeamte sich 
an unseren Bestrebungen nicht betheiligen zu können. Kiekhaefer 
sieht in der Eigenschaft der Departementsthierärzte als Regierungs* 


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BERLINER THIERÄRZTLICIJE WOCHENSCHRIFT. 


No. 6. 


96 

beamte keinen triftigen Grund, sich fernzuhalten. Dr. Froehner 
glaubt, dass bei einigen Departementsthierärzten eine Missstimmung 
gegen unseren Verein bestände, weil derselbe direct an die Central- 
bebörde berichte, die Regierungsinstanz aber umgehe und damit auch 
die Departementsthierärzte bei Seite schiebe. Er sei auch dafiir, 
die Herren noch einmal einzuladen, \erspreche Bich aber auf Grund 
brieflichen Verkehrs mit einigen ihm bekannten Departements- 
thierärzten keinen Erfolg. Was den beantragten Anschluss an den 
Deutschen Veterinärrath betreffe, so hätten wir zu wählen, ob wir 
selbstständig bleiben wollten oder nicht. Der D. V.-R. will die Spitze 
der gesammten thierärztlichen Vereinsorganisation sein; er würde 
uns sehr bald zumuthen, dass wir uns bei unserer Thätigkeit 
seiner Vermittelung bedienen. 

Gewisse Vorgänge in einem Provinzialverein, die sich hei um¬ 
gesprochen haben, ermahnten uns dringend, unsere Selbstständigkeit 
zu wahren. Er meine doch, wir hätten alle Veranlassung, mit 
unseren bisherigen Erfolgen zufrieden zu sein. 

Die Versammlung beschliesst, die Departementsthierärzte noch 
einmal einzuladen, dem D. V.-R. aber nicht beizutreten. 

Ein Antrag Ziegenbein-Wolmirstädt, die Versammlungen in 
Zukunft Sonntags abzuhalten und ein Antrag Kurschat, dieselben 
etwas früher im Jahre als im Deccmber anzusetzen, wird abgelehnt. 

Der Vorsitzende berichtet hierauf Uber die Wander- 
versamralung des Vereins ira Juni gelegentlich der Ausstellung der 
D. L.-G. zu Mannheim und über den sehr schönen und ausser¬ 
ordentlich lehrreichen Verlauf. Ira Juni 1903 (18. bis 23.) finde die Aus¬ 
stellung in Hannover statt. Der Verein werde dortselbst wieder eine 
ausserordentliche Versammlung abhalten. Herr Geheimer Regierungs¬ 
rath Professor Dr. Werner-Berlin habe sich bereits freiwillig er¬ 
boten, für die Mitglieder eine Demonstration abzuhalten und Herr 
Geheimer Oberregierungsrath Dr. Lydtin-Baden-Baden werde 
gebeten werden, abermals einen Vortrag zu übernehmen. Endlich 
soll versucht werden, Herrn Geheimen Regierungsrath Professor 
Dr. Dammann-Hannover zur Uebernahme eines Vortrages aus 
seinem Specialgebiete zu bestimmen. Der Vorstand bitte, dass recht 
viele Mitglieder sich in Hannover einfinden möchten. Da schon 


heute die Zeit bestimmt sei, könne man sich langer Hand vorbereiten. 
Kieckhäfer bittet, in Anbetracht der sehr wichtigen Verhandlungen 
die die nächste Generalversammlung bringen würde, allerseits für 
den Verein zu wirken, dass möglichst auch die Kreisthierärzte, die 
dem Verein noch fern stehen, eich uns anschliessen und mit uns 
arbeiten. Departementsthierarzt Klebba-Potsdam, der dem Verein 
beigetreten ist, erscheint erst nach Schluss der Sitzung. Er spricht 
sein Bedauern aus, durch eine Dienstreise verhindert gewesen zu 
sein, den Verhandlungen beizuwohnen. 

Thunecke dankt Namens des Vorstandes allen Mitgliedern, 
die gekommen sind, und insbesondere den Referenten, und bittet, 
ohne Ausnahme am nächsten Morgen zum Vortrage des Herrn 
Geheimrath Dieckerhoff zu erscheinen. 

2. Tag. 

Am Sonntag, den 14. December, Vormittags 10 Uhr versammelten 
sich die Mitglieder des Vereins im Hörsaal des Hauptgebäudes der 
thierärztlichen Hochschule zu Berlin, um den Vortrag des Herrn 
Geheimrath Piofessor I)r. Dieckerhoff über die Gewährs¬ 
vorschriften des B. G.-B. und ihren Einfluss auf den Viehhandels¬ 
verkehr zu hören. Dieser Vortrag wird im Januarheft der Zeit¬ 
schrift für Veterinärkundc erscheinen. Jedem Mitglied wird ein 
Separatabdruck zugehen. 

Im Anschluss an seinen Vortrag Hess Herr Geheimratb 
Dieckerhoff bei einigen Versuchspferden intravenöse Injectionen 
mit Argentum colloidale, Barium chloratum und Ammonium 
chloratum ausführen und demonstrirte die Wirkungsweise dieser 
Medicamente. 

Für den hochinteressanten Vortrag, sowie für die Demonstrationen 
und Belehrungen sprach der Vorsitzende dem Herrn Geheimrath 
den herzlichsten Dank des Vereins aus. 

Hierauf trennten sich die Mitglieder, um wieder auf den 
Posten zurückzueilen, mit dem Wunsche: Auf Wiedersehen im Juni 
in Hannover! 

Der Vorsitzende Der 2. Schriftführer 

Thunecke-Calbe a. S. Dr. Meyner-Kyritz. 


Staatsveterinärwesen. 

Die Verbreitung der Maul- und Klauenseuche in Deutschland im Jahre 1902. 

Im Jahre 1902 hat die Maul- und Klauenseuche wiederum 
eine wesentliche Abnahme erfahren. Am 31. December 1901 
waren 144 Gemeinden und 550 Gehöfte verseucht. Im Februar 
und März nahm zwar die Zahl der verseuchten Gemeinden 
wieder etwas zu, sie erreichte am 15. März ihren Höhepunkt, 
von da an ging es rapide abwärts. Am 31. Mai waren nur 
noch 21 Gemeinden und 33 Gehöfte von der Seuche betroffen. 
In der folgenden Zeit trat zunächst eine weitere Abnahme nicht 
ein, sie nahm im Gegentheil bis Ende August wieder zu; von 
da nahm die Seuche aber noch mehr ab, sie erreichte am 
31. October mit 14 Gemeinden und 37 Gehöften ihren niedrigsten 
Stand. In der nächstfolgenden Zeit hat wieder eine kleine Zu¬ 
nahme stattgefanden, am Schlüsse des Jahres waren 31 Ge¬ 
meinden und 68 Gehöfte verseucht. Wenn man somit auch noch 
nicht von einem völligen Erlöschen der Maul- und Klauenseuche 
sprechen kann, so ist sie doch immerhin zur Zeit so wenig ver¬ 
breitet, dass man sie nahezu als erloschen betrachten kann. 
Wie es bei der geringen Verbreitung nicht anders sein kann, 
zeigt die Curve auf beistehender Tafel bez. der verseuchten 
Gemeinden und Gehöfte grosse Uebereinstimmung. In nennens- 
werthem Grade sind nur Preussen, Bayern, Württemberg und 
Elsass-Lothringen von der Seuche betroffen worden. In Preussen 
herrschte die Seuche am 15. Januar 1902 in 34 Gemeinden und 
81 Gehöften; hiervon entfallen allein 6 Gemeinden und 62 Ge¬ 
höfte auf den Regierungsbezirk Cassel, später nahm die Seuche 


sehr ab und blieb nur auf einige wenige Fälle in den öst¬ 
lichen Bezirken beschränkt; am 30. Juni waren 6 Gemeinden 
und 6 Gehöfte betroffen, der Westen war ganz seuchefrei. Im 
August trat eine stärkere Verseuchung des Regierungsbezirks 
Coblenz ein, welche am 15. September mit 18 Gemeinden und 
79 Gehöften in diesem Bezirk den Höhepunkt erreichte und 
demnach zwei Drittel der Verseuchung von ganz Deutschland 
betragen hat. Dank der sehr energischen veterinärpolizeilichen 
Maassnahmen kam die Seuche hier bald wieder zum Erlöschen. 
Im November waren die Rheinlande wieder nahezu seuchefrei. 
Gegen Schluss des Jahres hat die Seuche im Regierungsbezirk 
Coblenz wieder zugenommen, es wurden hier wieder 3 Gemeinden 
und 21 Gehöfte als verseucht gemeldet. Die östlichen preussischen 
Provinzen haben während des ganzen Jahres nur wenig unter 
der Seuche zu leiden gehabt. Die einzelnen Fälle blieben 
meistens vereinzelt und hatten keine weitere Ausbreitung zur 
Folge. Bayern ist im Laufe des Jahres nur wenig von der 
Seuche betroffen worden. Am 15. Januar 1902 waren 25 Ge¬ 
meinden und 58 Gehöfte verseucht. Die Seuche ging hier bald 
zurück. Mitte Mai waren nur 5 verseuchte Gemeinden und 
6 Gehöfte zu verzeichnen und Ende Juli nur 1 Gemeinde und 
1 Gehöft. Wenn auch in der Folge ein völliges Erlöschen in 
Bayern nicht eingetreten ist, so blieb die Zahl der vorgekommenen 
Seuchenfälle doch stets eine sehr kleine. Am Schluss des Jahres 
waren 4 Gemeinden und 6 Gehöfte verseucht. 

In Württemberg hat die Seuche während des ganzen Jahres 
geherrscht, hier ist sie noch verhältnissmässig am stärksten 


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5. Februar 1903. 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 97 


Die Maul- und Klauenseuche im Jahre 1902. Folgezeit die Seuche weiter nicht 

hervorgetreten. Aehnlich verhält 
es sich mit Hessen. Dieses war 
am 31. December 1902 völlig 
seuchefrei; die im Laufe des Jahres 
aufgetretenen Seuchenfälle waren 
auch nur vereinzelte. 

Von anderen Staaten sind nur 
noch ganz vereinzelte Seuchen¬ 
fälle zu verzeichnen gewesen aus 
Mecklenburg-Schwerin, Oldenburg, 
Braunschweig, Sachsen-Meiningen, 
Anhalt und Schwarzburg-Rudol¬ 
stadt. Irgend welche Bedeutung 
haben dieselben jedoch nicht er¬ 
langt. 

Am Schlüsse des Jahres 
herrschte die Maul- und Klauen¬ 
seuche in einzelnen Fällen nur 
in den preussischen Reg.-Bez. 
Königsberg, Bromberg, Magde¬ 
burg, Merseburg, Coblenz, in den 
bayerischen Reg.-Bez. Oberbayern, 
Oberfranken, Unterfranken, Schwa¬ 
ben, in den württembergisclien 
aufgetreten. Am 15. Januar waren 18 Gemeinden und 49 Ge- | Verwalt.-Bez. Neckarkreis, Schwarzwaldkreis, Jagstkreis, in 
höfte betroffen, diese Zahlen stiegen bis 15. März auf 68 bezw. | Mecklenburg-Schwerin und im Ober-Elsass. 

110, von da an ging die Seuche auch hier sehr zurück. Während j 

des Sommers hatte sie nur einen sehr niedrigen Stand, am j Di « Verbreitunfl der Schweineseuohe in Deutschland im Jahre 1902. 

15. September waren 3 Gemeinden und 6 Gehöfte betroffen; j Die Schweineseuche hatte im Jahre 1902 wieder eine 
später nahm die Seuche wieder etwas zu. Am Schlüsse des I erhebliche Zunahme zu verzeichnen. 

Jahres waren 10 Gemeinden und 23 Gehöfte verseucht. Der Ver- I Am 31. December 1901 waren 449 Gemeinden und 572 Ge- 
waltungsbezirk Donaukreis war 
seuchefrei. Eisass - Lothringen 
zeigte am Beginn des Jahres eine 
stärkere Verseuchung. Am 15. 

Januar waren 29 Gemeinden und 
182 Gehöfte betroffen gewesen. 

Am 30. April war dies jedoch nur 
noch bei 7 Gemeinden und 54 Ge¬ 
höften der Fall. Am 31. Mai war 
dieses Land seuchefrei. In der 
Folgezeit sind zwar noch einige 
Seuchenfälle vorgekommen, doch 
erlangten sie keine grössere Ver¬ 
breitung mehr. Am 31. October 
war Elsass-Lothringen wiedeium 
seuchefrei. Am Schluss des Jahres 
waren hier 2 Gemeinden und 2 Ge¬ 
höfte betroffen. Sehr viel geringer 
waren im Jahre 1902 die Staaten 
Baden und Hessen verseucht ge¬ 
wesen. In Baden sind zwar am 
15. Januar noch 12 verseuchte 
Gemeinden und 53 Gehöfte an¬ 
gegeben worden, doch gingen die 
Zahlen sehr bald zurück, am 
31. August war Seuchenfreiheit 

eingetreten; hier ist auch in der Verseuchte Gemeinden - ganze Linie. Verseuchte Gehöfte . punktirte Linie. 


Die Schweineseuche im Jahre 1902. 


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Verseuchte Gemeinden - ganze Linie. Verseuchte Gehöfte .- punktirte Linie. 


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höfte verseucht. Die Seuche blieb jedoch nicht auf diesem 
Stand, sondern nahm in den nächstfolgenden Monaten stark an 
Ausbreitung zu. Am 30. Juni erreichte sie mit 896 ver¬ 
seuchten Gemeinden und 1124 Gehöften ihren höchsten Stand. 
Von da an hielt sie sich annähernd auf gleicher Höhe bis Ende 
August, um von da an wieder zurückzugehen; am Jahresschluss 
hatte die Seuche jedoch den Stand vom Jahresbeginn noch nicht 
wieder erreicht. Die nachstehende Curve veranschaulicht den 
Verlauf der Seuche. Wenn man dieselbe mit der entsprechenden 
Curve aus dem Jahre 1901 vergleicht (B. T. W. 1902, S. 99), 
so fällt die Conformität beider Curven auffällig in die Augen. 
In beiden Curven fällt der niedrigste Stand in den Januar, der 
höchste in den Juni; von da an ist wieder ein Abfall zu ver¬ 
zeichnen. Ob diese Aehnlichkeit nur eine zufällige ist, oder 
irgend eine gemeinsame Veranlassung zur Grundlage hat, lässt 
sich nicht mit Bestimmtheit sagen. 

Was die Betheiligung der einzelnen Bundesstaaten an der 
Ausbreitung der Schweineseuche anbetrifft, so kommt hier in 
erster Linie sowohl absolut, als auch relativ Preussen in 
Betracht. In diesem Staate kamen während des Verlaufes des 
ganzen Jahres 93—97 pCt. sämmtlicher Schweineseucheausbrüche 
vor. In Preussen sind ganz besonders wieder die sechs östlichen 
Provinzen betheiligt, in erster Linie Schlesien, sodann Ost- 
preussen und Brandenburg. Diese drei Provinzen wiesen allein 
30 bis über 50 pCt. aller Schweineseuchenausbrüche in Deutsch¬ 
land auf. Im Mai und Juni fielen 30 pCt. aller Ausbrüche allein 
auf den Regierungsbezirk Breslau. Dieser Bezirk ist bei Weitem 
am meisten von der Schweineseuche betroffen gewesen. Am 
15. Januar waren hier 88 Gemeinden und 108 Gehöfte verseucht 
gewesen, am 31. Mai bereits 217 bezw. 322, also das Dreifache, 
am Jahresschluss 91 bezw. 101. In Ostpreussen fiel die stärkste 
Verseuchung in den Monat Januar: 89 Gemeinden, 117 Gehöfte; 
hier blieben die Seuchenziffern aber während des ganzen Jahres 
annähernd hoch, sie gingen bezüglich der betroffenen Gehöfte 
nicht unter 80 herunter. 

In der Provinz Brandenburg schwankten die Seuchenziffern 
wieder in weiteren Grenzen; hier fiel die stärkste Verseuchung 
auf Ende Mai mit 110 Gemeinden und 140 Gehöften. In dieser 
Provinz ist besonders wieder der Reg.-Bez. Potsdam betroffen 
gewesen, Frankfurt nur */3 80 ßtark. Aber auch die anderen 
östlichen Provinzen zeigten theilweise recht hohe VerseuchungB- 
zahlen, wenn auch nicht durchweg so hoch wie die drei vorge¬ 
nannten. Man kann also wohl sagen, dass auf die sechs östlichen 
preussischen Provinzen 80—90 % aller Schweineseucheausbrüche 
in Deutschland entfallen. Von den übrigen preussischen Pro¬ 
vinzen sind nennenswerthe Zahlen nur noch ans den Provinzen 
Sachsen und Rheinland anzugeben, doch bleiben auch diese sehr 
erheblich hinter den aus den östlichen Provinzen zurück. Dessen 
ungeachtet waren sämmtliche Reg.-Bezirke Preussens, wenn auch 
die meisten, nur vereinzelt verseucht gewesen. Von den übrigen 
Bundesstaaten blieben gänzlich frei nur Reuss ä. L., Reuss j. L. 
und Schaumburg-Lippe; in Baden, Elsass-Lothringen und in einer 
Reihe kleinerer Bundesstaaten sind nur ganz vereinzelte Fälle 
vorgekommen, welche sich nicht weiter ausbreiteten. Auch 
Bayern war nur ganz geringfügig von der Schweineseuche be¬ 
troffen worden, meistens wurden in den halbmonatlichen Berichten 
nur ein oder wenige Fälle gemeldet. Die meisten Fälle, 17 Ge¬ 
meinden und 39 Gehöfte, waren am 31. Juli zu verzeichnen. 
Sachsen war etwas stärker von der Seuche betroffen, noch stärker 


No. 6. 

Mecklenburg-Schwerin, aus welchem Lande halbmonatlich fast 
regelmässig 11 bis 13, selbst bis 17 verseuchte Gehöfte gemeldet 
wurden; eine grössere Ausbreitung fand jedoch auch hier nicht 
statt. Im VerhältnisB zu den anderen ausserpreussischen Bundes¬ 
staaten hatte noch Waldeck einige Seuchenausbrüche mehr zu 
verzeichnen. Am Schlüsse des Jahres waren die preussischen 
Reg.-Bez. Breslau, Erfurt, Osnabrück, Aurich, Cassel, Sigmaringen 
frei von Schweineseuche, sowie die Bundesstaaten Württemberg, 
Mecklenburg-Strelitz, Schwarzburg-Sondershausen und Schw.- 
Rudolstadt, Reuss ä. L., Reuss j. L., Schaumbnrg-Lippe, Bremen 
und Elsass-Lothringen. 

Maul- und Klauenseuohe. 

In Folge des erneuten Auftretens der Maul- und Klauenseuche 
im Reg.-Bez. Coblenz ist von Seiten des Regierungs-Präsidenten 
dortselbst unter dem 8. December v. J. eine landespolizeiliche An¬ 
ordnung erlassen worden, welche die Abhaltung von Rindvieh-, 
Schaf- und Schweinemärkten in den Kreisen Simmern, St. Goar, 
Kreuznach, Meisenheim, Coblenz Land, Cochem, Zell und Mayen 
verbietet. Der Hausierhandel in diesen Kreisen ist bis zum 
1. Februar er. untersagt. Aus dem Kreise Simmern dürfen Wieder¬ 
käuer und Schweine nur nach vorheriger amtsthierärztlicher Unter¬ 
suchung ausgeführt werden. Zum sofortigen Abschlachten kann 
die Genehmigung zur Ausführung durch die Ortspolizeibehörde er- 
theilt werden. 

In verseuchten Ortschaften darf Unbefugten, insbesondere 
Händlern und Metzgern das Betreten von Ställen nicht gestattet 
werden. In solchen Ortschaften darf Klauenvieh auf öffentlichen 
Wegen nur nach Reinigung der Klauen getrieben werden; auch 
sind hier die öffentlichen Strassen täglich mindestens einmal besen- 
rein zu machen. 

Amtliche Bekanntmachungen der Landwirthsohaftskammer für die Provinz 

Sachsen: 

Kostenlose Abgabe von polyvalentem Schweineseuche- 
Serum nach Prof. Oster tag und Prof. Wassermann zur 
Schutzimpfung gegen die Schweineseuche. 

In Anbetracht der grossen Verbreitung der Schweineseuche 
und der guten Erfolge, welche bereits mit den Impfungen zur Be¬ 
kämpfung der Schweineseuche erzielt worden sind, hat der Vorstand 
der Landwirthschaftskammer beschlossen, das polyvalente Schweine¬ 
seuche Serum zu Schutzimpfungen von 1—14 Tage alten Ferkeln, 
welche der Seuche hauptsächlich unterliegen, für die Landwirthe 
der Provinz Sachsen, so lange es die für die Förderung dieser 
Impfungen zur Verfügung gestellten Mittel gestatten, kostenlos 
abzugeben. 

Die Impfungen haben durch approbirte Thierärzte zu erfolgen*), 
welche wir gleichzeitig durch ein Rundschreiben ersucht haben, 
den interessirten Viehbesitzern auch ihrerseits nach Möglichkeit 
entgegenzukommen. 

Die Schutzimpfungen können bei allen gesunden Schweinen 
vorgenommen werden, welche der Ansteckung mit Schweineseuche 
ausgesetzt sind, also 

1. besonders bei Ferkeln, welche in verseuchten Stallungen ge¬ 
boren werden. 

2. bei Schweinen jeden Alters, welche von auswärts in ver¬ 
seuchte Stallungen eingeführt werden. 

Die Impfung von Ferkeln in den ersten Lebenstagen empfiehlt 
sich deshalb besonders, weil es auf diese Weise möglich ist, die 
Nachzucht unter dem Schutze einer geringen Serumdosis durchseuchen 
zu lassen. Die Serumimpfung muss bei Ferkeln, welche eine 
schlechte Entwicklung zeigen, nach Ablauf von 3 Wochen wieder¬ 
holt werden. 

Das Serum ist seit dem 10. December 1902 der staatlichen 
Prüfung unterstellt. 

* Vergl. unsere diesbez. Veröffentlichung in No. 40/1902 dieser 
Wochenschrift. 


BERLINER THIERARZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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5. Februar 1903. 

Bestellungen, welche an unser bakteriologisches Institut, De- 
litzscherstr. 29, hierselbst, Telephon No. 2738, zu richten sind, werden 
am einfachsten einem Thierarzte übertragen, da ansser der Angabe 
von Zahl, Gewicht und Alter der Impflinge (bei Ferkeln genaues 
Datum der Geburt!), eine thierärztliche Bescheinigung beizufügen 
ist, dass in dem betreffenden Bestände keine Schweinepest herrscht, 
da das Serum gegen eine Mischinfection von Schweineseuche und 
Schweinepest unwirksam ist. 

Für das Herzogthum Anhalt und die Thüringischen Staaten, 
sowie zur Impfung älterer Schweine von Landwirthen unserer 
Provinz geben wir das Serum zu den Fabrikpreisen des pharma- 
ceutischen Instituts zu Frankfurt a. M. ab. 

Landwirthschaftskammer für die Provinz Sachsen. 

(Landw. Wochenschrift für die Provinz Sachsen vom 31. Jan.) 

(Thierseuchen im Auslände. III. Quartal 1902.) 

Grossbritannien. 

An Milzbrand erkrankten bei 141 Ausbrüchen 206 Thiere, 
wovon 150 auf England, 10 auf Wales und 46 auf Schottland kamen. 
Die Wuth befiel 9 Thiere in der Grafschaft Wales. An Rotz 
(Wurm) in England 535, in Wales 1, in Schottland 8 Pferde. Die 
Zahl der wegen Schweinefieber geschlachteten, erkrankten und an¬ 
steckungsverdächtigen Thiere betrug 2161, wovon 1684 auf England, 
85 auf Wales, 392 auf Schottland entfielen. An Schafräude wurden 
36 Ausbrüche gemeldet. Lungenseuche' und Maul- und Klauen¬ 
seuche sind nicht vorgekommen. 

Oesterreich. 

Die Zahl der verseuchten Ortschaften belief sich in den ein¬ 
zelnen Monaten des Berichtquartals auf 30 bezw.39 bezw.37 beim Milz¬ 
brand; 32 bezw. 13 bezw. 4 beim Rauschbrand; % bezw. 72 bezw. 
69 bei Wuth; 34 bezw. 25 bezw. 22 bei Rotz (Wurm); 3 bezw. 13 
bezw. 26 bei Maul- und Klauenseuche; 163 bezw. 122 bezw. 48 bei 
Bläschenausschlag; 382 bezw. 323 bezw. 186 bei Räude; 440 bezw. 
634 bezw. 522 bei Rothlauf der Schweine; 1055 bezw. 863 bezw. 
759 bei Schweinepest (Schweineseuche). Lungenseuche, Rinderpest 
und Pockenkrankheit sind nicht vorgekommen. 

Ungarn. 

Es waren im Juli bezw. August bezw. September nachstehende 
Zahl von Ortschaften verseucht: mit Milzbrand 228 bezw. 222 bezw. 
248; mit Wuth 455 bezw. 391 bezw. 288; mit Rotz und Hautwurm 
309 bezw. 323 bezw. 303; mit Maul- und Klauenseuche 204 bezw. 
684 bezw. 1395; mit Blattern 12 bezw. 25 bezw. 42; mit Bläschen¬ 
ausschlag 178 bezw. 123 bezw. 94; mit Räude 1574 bezw. 1285 
bezw. 954; mit Rothlauf der Schweine 1523 bezw. 1574 bezw. 1298; 
mit Schweineseuche 3935 bezw. 4766 bezw. 4462. 

Influenza unter den Pferden in Bayern 1901. 

Es waren 1901 in Bayern betroffen 27 Bezirksämter und un¬ 
mittelbare Städte, 31 Gemeinden und 42 Gehöfte. Es erkrankten 
an Brustseuche 50, an Pferdestaupe 65, an Skalma 9, zusammen 
124 Pferde, wovon 7 St. fielen. 

Fleischschall und Viehhandel. 

Allgemeine Ausstellung 

für hygienische Milchversorgung, Hamburg 1903. 

In einer körzlich unter Leitung des Herrn Bürgermeister 
Dr. Hach mann abgehaltenen Sitzung des Comitds konnte über 
guten Fortgang der Arbeiten in den verschiedenen Abtheilungen 
und Commissionen berichtet werden. Zur Vorlage gelangte ein 
Schreiben des Herrn Präsidenten Wirklichen Geheimen Ober- 
Regierungsrath Dr. Köhler vom Kaiserlichen Gesundheitsamt 
in Berlin, in welchem dieser mittheilt, dass er bereit ist, das 
vom Comitd ihm angetragene Präsidium der Jury zu übernehmen. 
Zum Eintritt in die Jury werden eine Anzahl hervorragender 
Fachleute aus dem Bereich der Wissenschaft, der Technik und 
der Landwirtschaft aufgefordert werden. 

An einigen Tagen der Ausstellungswoche sind für die 
Besucher öffentliche Vorträge in dem neben der Ausstellungs- 


99 

halle gelegenen grossen Saale in Aussicht genommen; zur 
Uebernahme eines Vortrages haben sich schon jetzt Herr 
Geheimer Regierungsrath Prof. Dr. Heubner und Herr Prof. 
Dr. Rubner bereit erklärt. Mit einem anderen Herrn, dessen 
Aufgabe es sein wird, die wirthschaftliche Seite der Ideen zu 
behandeln, welche sich in der Ausstellung verkörpert finden, 
schweben noch Verhandlungen. 

Neben diesen gleichsam öffentlichen Vorträgen werden Ver¬ 
sammlungen fachlicher Vereine, so der Aerzte, der Thierärte, 
der Milchwirthe u. A. berufen werden, in denen weitere, speciell 
mit der Ausstellung in Verbindung stehende Fragen behandelt 
werden sollen. Zu Vorträgen innerhalb der thierärztlichen 
Gruppe haben sich die Herren Prof. Dr. Ostertag, Kreisthier¬ 
arzt Ne vermann, Thierarzt Dr. Müller, Polizeithierarzt Glage 
und Kreisthierarzt Dr. Jess freundlichst bereit finden lassen. 

Für die Milchkuh-Concurrenz, welche schon früher 
beiläufige Erwähnung gefunden hat, sind hinreichend Meldungen 
von Zuchtvereinigungen aus verschiedenen Theilen Deutschlands 
eingegangen. Zur Aufnahme der Thiere wird ein Musterstall 
in dem hinter der Ausstellungshalle gelegenen Garten errichtet 
werden. Für die Herren Collegen wird es von Interesse sein, 
bei dieser Gelegenheit zu erfahren, dass Herr Thierarzt 
Hegelund von Seiten des Comit&j ersucht worden ist, seine 
rühmlichst bekannte dänische Melkmethode den interessirten 
Kreisen während der Ausstellung durch Demonstration und 
Vortrag vor Augen zu führen. Es darf schon jetzt gemeldet 
werden, dass an dem Erscheinen des Herrn Collegen Hegelund 
nicht zu zweifeln ist. Dr. Stödter. 

Vorschläge zur Abänderung des Preussischen Schlacht¬ 
hausgesetzes vom Verein preussischer Schlachthof¬ 
thierärzte. 

Die Vorschläge sind durch eine Commission aus den Mit¬ 
gliedern des Vereins Reissmann-Berlin, Bockelmann-Aachen, 
Dr. Schwarz-StoIp, Ruser-Kiel, Klepp-Potsdam und Dr. Kabitz- 
Hannover zusammengestellt und von Reissmann-Berlin mit einer 
eingehenden Begründung versehen worden. In einer am 23. No¬ 
vember v. J. in Berlin stattgefundenen Sitzung sind die Vorschläge 
eingehend geprüft und dann den Herren Ministern des Innern und 
für Landwirtschaft, Domänen und Forsten überreicht worden. 

Aus der hier folgenden vergleiche weisen Gegenüber¬ 
stellung des in Cursir.schrift gedruckten Textes des alten 
Gesetzes vom 18. 3. 68 (nebst den Ergänzungsgesetzen 

vom 9. 3. 81 und 29. 5. 02) und der Abänderungsvorschläge 
sind am besten die ge wünschten Aenderungen zu ersehen. 

§ 1 . 

In denjenigen Gemeinden, für welche eine Gemeindeanstalt xum 
Schlachten von Vieh (öffentliches SchlachthausI errichtet ist, kann durch 
Gcmcindeheschluss angeordnet werden, dass innerhalb des ganzen Ge¬ 
meindebezirks oder eitles Theils desselben das Schlachten sämmtlicher 
oder einzelner Gattungen von I 'ich, sowie gewisse mit dem Schlachten 
in unmittelbarem Zusammenhänge stehende, bestimmt zu bezeichnende 
Verrichtungen, ausschliesslich in dem öffentlichen Schlachthause, resp. 
den öffentlichen Schlachthäusern, vorgenommen werden dürfen. 

In dem Gemeindebeschlusse kann bestimmt werden, dass das Verbot 
der ferneren Benutzung anderer als der in einem öffentlichen Schacht¬ 
hause befindlichen Schlachtstätten: 

1. auf die im Besitze und in der Verwaltung von Innungen oder 
sonstigen Corpora!ionen befindlichen gemeinschaftlichen Schlacht¬ 
häuser, 

2. auf das nicht gewerbsmässig betriebene Schlachten keine 

Anwendung finde. 

*) Die eingeklammerten Zahlen sind Hinweise auf die nach¬ 
folgende Begründung. 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT 


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In denjenigen Gemeinden, für welche eine Gemeindeanstalt zum 
Schlachten von Vieh (öffentlicher Schlachthof ( 3 )) errichtet ist, ist 
durch Gemeindebeschluss anzuordnen (*), das innerhalb des ganzen 
Gemeindebezirkes ( 5 ) das Schlachten sämmtlichen ( fi ) Gattungen von 
Vieh (§§ 1 des ,.R.-Flbsch.-G.“ und der Ausfiihrungsbcstimmungen 
des Bundesrathes zu demselben vom 3. 6.19C0 und vom 10.7.1902) ( 7 ) 
„sowie gewisse mit dem Schlachten in unmittelbarem Zusammen¬ 
hang stehende, bestimmt zu bezeichnende Verrichtungen aus¬ 
schliesslich auf dem öffentlichen Schlachthofe ( s ), bezw. den öffent¬ 
lichen Schlachthöfen vorzunehmen sind. Ausnahmen bedürfen der 
Genehmigung des Bezirksausschusses (§ 13) ( 9 ). 

In dem Gemeindebeschlusse kann bestimmt werden, dass das 
Verbot der ferneren Benutzung anderer als der in einem öffentlichen 
Schlachthofe befindlichen Schlachtstätten auf die im Besitze und in 
der Verwaltung von Innungen und sonstigen Corporationen befind¬ 
lichen gemeinsamen Schachthöfe ( l0 ) keine Anwendung finde. 

§ 2 . 

Durch Gcmcindcbeschluss kann nach Errichtung eiiws öffentlichen 
Schlachthauses angeordnet werden: 

1. dass alles in dasselbe gelangende Schlachtrieh xvr Feststellung 
seines Gesundheitsxustandes sotrohl vor, als nach dem Schlachten 
einer Untersuchung durch Sachverständige xu unterwerfen ist; ( i3 J 

2. dass alles nicht im öffentlichen Seklaehthausc ausgcschlaehtetc 
frische Fleisch in dem Gemeindebczirke nicht eher fcilgehalten 
werden darf, bis cs einer Untersuchung durch Sachverständige 
gegen eine xur Gerne indckassc fJicsscnde Gebühr unterzogen ist; 

3. dass in Gasticirthschaften und Speisewirf hschaftcn frisches Fleisch, 
welches von auswärts bezogen ist, nicht eher zum Genüsse xu¬ 
bereitet werden darf, bis es einer gleichen Untersuchung unter¬ 
zogen ist; 

4. dass sowohl auch den öffentlichen Märkten als in den Privat¬ 
verkaufsstätten, das nicht im öffentlichen Schlachthausc aus- 
geschlachtctc frische Fleisch von dem daselbst ausgcschlaehtctcn 
Fleisch gesondert fe ilxubicten ist; 

«5. dass in öffentlichen, im Eigenthum und in der Verwaltung der 
Gemeinde stehenden Fleisch rerkanfshallen frisches Fleisch ron 
Schlachtrieh nur dann fcilgcbotcn werden darf, wenn cs im 
öffentlichen Schlachthause ausgcschlachtct ist; 

6. dass diejenigen Personen, welche in dem Gemcindebezirk das 
Schlächfcrgcwerbe oder den Handel mit frischem Fleisch als 
stehendes Gewerbe betreiben, innerhalb des Gemeindebezirks das 
Fleisch von Schlachtvieh, welches sic. nicht in dem öffentlichen 
Schlachthausc, sondern an einer anderen innerhalb eines durch 
den Gemeindebesch luss festzusetzenden Umkreises gelegenen 
Schlachtstättc geschlachtet haben, oder haben schlachten lassen, 
nicht feilbieten dürfen. 

Durch Gemeindebeschluss kann nach Errichtung eines öffent¬ 
lichen Scblachthofes angeordnet werden (“): 

( ,a ) 1. dass alles nicht im öffentlichen Schlachihofe der Gemeinde 
ausgeschlachtete frische Fleisch (im Sinne der Ausf.-Bcst. 
d. Bundesr. z. Reichs-Flbsch.-Gcs. vom 3. 6. 1900, Litt. D. 
§ 2 in Verbindung mit § 1, Abs. 1 desslb. Ges.) ( 1S ) — jedoch 
mit Ausnahme des für den eigenen Haushalt (i. S. des 
§ 2 Abs. 3 K. Flbsch.-Gs.) ( u ) durch Glieder des 
Hausstandes eingebrachten oder durch die Post 
oder Eisenbahn für den Hauegebrauch bezogenen 
Fleisches — ohne Verzug ( l5 ) der nächsten amt¬ 
lichen Beschaustelle zur Untersuchung oder Be¬ 
sichtigung ( l6 ) und Kennzeichnung ( ,7 ) gegen eine zur 
Gemeindekasse fliessende Gebühr vorzulegen ist; 

( 1S ) 2. dass sowohl auf den öffentlichen Märkten, als in den Privat¬ 
verkaufsstätten das nirht im öffentlichen Schlachthofe aus¬ 
geschlachtete frische Fleisch von dem daselbst ausge¬ 
schlachteten Fleische gesondert feilzuhalten und als aus¬ 
wärtiges zu bezeichnen ist; 

3. dass in öffentlichen, in Eigenthum und in der Verwaltung 
der Gemeinden stehende Fleischverkaufshallen frisches Fleisch 
von Schlachtvieh nur dann feilgehalten werden darf, wenn 
es im öffentlichen Schlachthofe ausgeschlachtet ist; 

4. dass diejenigen, welche in dem Gemeindebezirke das Schlächter, 
gewerbe oder den Handel mit frischein Fleisch als stehendes 


No. 6. 


Gewerbe betreiben, innerhalb des Gemeindebezirkes Fleisch 
von Vieh, welches sie nicht auf dein öffentlichen Schlachthofe 
sondern an einer andern innerhalb eines durch Gemeinde¬ 
beschluss festzuselzenden Umkreises gelegenen Schlachtstätte 
geschlachtet haben oder haben schlachten lassen, nicht feil¬ 
halten dürfen; 

(''•') f> dass bedingt taugliches, sowie in seinem Nahrungs¬ 
und Genusswerthe erheblich herabgesetztes Fleisch 
überhaupt nicht oder nur unter bestimmten Be¬ 
dingungen eingeführt werden darf. 

Die Regulative für die Untersuchung (No. 1, 2 u. 3) und der 
Tarif für die xu erhebende Gebühr (No. 2 u. 3) werden gleichfalls durch 
Gemeindebeschluss festgesetzt und zur öffentlichen Kenntniss gebracht. 
In dem Regulativ für die Untersuchung des nicht im öffentlichen 
Schlachthause ausgcschlaehtctcn Fleisches (No. 2) kann angeordnet 
werden, dass das der Untersuchung xu unterziehende Fleisch dem 
Fleischbescliauer in grösseren Stücken (Hälften, 17. / telnj und, was 

Kleinvieh anbclangt, in unzerthciltcm Zustande rorzulegen ist; die in 
dem Tarife (No. 2 n. 3) festxusetzenden Gebühren dürfen die Kosten 
der Untersuchung nicht, übersteigen. 

I i3 ) Die Anordnungen zu No. 2 bis 6 können nur in Verbindung 
mit der Anordnung xu No. 1 und dem Schlachtzwang (§ 1) beschlossen 
werden; sie bleiben für diejenigen Theile des Gemeindebezirks und die¬ 
jenigen Gattungen ron Vieh, welche gemäss § 1 ron dem Schlachf- 
zwatuge ausgenommen sind, ausser Anwendung. 

(*’) Die Regulative Für die Untersuchung und der Tarif Für die 
zu erhebende Gebühr (Abs. 1, Ziff. 1) werden gleichfalls durch 
Gemeindebeschluss festgesetzt und zur öffentlichen Kenntniss ge¬ 
bracht. In dem Regulativ für die Untersuchung des nicht im 
öffentlichen Schlachthofe ausgeschlachteten Fleisches kann an¬ 
geordnet werden, dass das der Untersuchung zu unterziehende 
Fleisch dem Besclnv er in grösseren Stücken (Hälften, Vierteln) und, 
was Kleinvieh anbelangt, in unzertheilteui Zustande vorzulegen ist, 
und dass zugleich mit dem Fleische eines jeden Thieres, 
mit Ausnahme des in einem öffentlichen Schlachthofe 
geschlachteten und vom Gemeindethierarzt unter¬ 
suchten, gewisse zugehörige, für die Beurteilung wich¬ 
tige Theile und Organe (Litt. D. § 6 der Ausf.-Bestimmung. d. 
Bundesrathes zum R.-Flbsch.-G.) entweder in natürlichem Zu 
sammenhang mit demselben , oder durch überein¬ 
stimmende Zeichen oder Nummern von dem zuständigen 
Beschauer des Herkunftsortes deutlich erkennbar als 
zusammengehörig gekennzeichnet und bescheinigt, zur 
Beschau vorzulegen sind. 

( 21 ) Ferner kann angeordnet werden, dass Fleisch, 
welches im Sinne der §§ 5 und 14 (Satz 2) des Prss. AusF- 
Ges. bevorzugt ist, und Schweinefleisch, welches 
trichinenfrei befunden worden ist, nur mit einer Be¬ 
scheinigung des zuständigen Sachverständigen ein¬ 
geführt werden darf. 

( 2S ) Die in dem Tarife fest zusetzenden Gebühren . . . 

( 23 ) 

( W ) Die in Absatz 1 Ziff. 1—3 und in Absatz 2 be¬ 
zeichnten Befugnisse werden nur den Gemeinden zu 
theil, in denen die Fleischbeschau (abgesehen von der 
Trichinen- und Finnenschau) nur durch Thierärzte aus¬ 
geübt wird. 

Im übrigen steht es den Gemeinden frei, die unter No. 2 bis G 
aufgeführten Anordnungen sämmllich oder theilweise und die einzelnen 
Anordnungen in ihrem vollen, durch das Gesetz begrenzten Umfange 
oder in beschränktem Umfange zu bcschliessen. 

Im Uebrigen steht es den Gemeinden frei, die unter Ziffer 1 
bis 5 aufgeführten Anordnungen sämmtlich oder theilweise und die 
einzelnen Anordnungen in ihrem vollen, durch das Gesetz be¬ 
grenzten Umfange oder in beschränktem Umfange zu beschliessen. 

§3. 

Die in den §§ 1 und 2 bcxcichneten Gcmeindcbeschlüssc bedürfen 
zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung der Bczirksregierung. 

Die in den §§ 1 und 2 bezeichneten Gemeindebeschlüsse be¬ 
dürfen zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung des Bezirks¬ 
ausschusses. ( 2r> ) Derselbe ist auch befugt, Gemeinden, 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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5. Februar 1903. BERLINER TH1ERARZTLICHE WOCHENSCHRIFT. _ _ 101 


in denen von den Ermächtigungen dieses Gesetzes nicht 
der den örtlichen Verhältnissen angemessene Gebrauch 
gemacht wird, nach Anhörung der Gemeindebehörden zu 
den erforderlichen Anordnungen zu veranlassen. 

Das Verbot der Benutzung anderer als der im öffentlichen Schlacht- 
hause befindlichen Schlachtstätten /§ 1) tritt sechs Monate nach der 
Veröffentlichung des genehmigten Gemeindebeschlusses in Kraft, sofern 
nicht in diesem Beschlüsse selbst eine längere Zeit bestimmt ist. 

Das Verbot der Benutzung anderer als der im öffentlichen 
Schlachthofe befindlichen Schlachtstätten. 

Neue Privatschlachtstätten dürfen von dem Tage dieser Veröffent¬ 
lichung ab nicht mehr errichtet teer den. 

Neue Privatschlachtstätten. 

§ 4. 

Die Gemeinde ist verpflichtet, das öffentliche, ausschliesslich xu \ 
benutzende Schlachthaus den örtlichen Bedürfnissen entsprechend ein¬ 
xurichten und xu erhalten. 

(**) Die Gemeinde ist verpflichtet, den öffentlichen, ausschliesslich 
zu benutzenden Schlachthof den örtlichen Bedürfnissen entsprechend 
einzurichten und zu erhalten. 

Kühlhäuser, Anstalten zur unschädlichen Be¬ 
seitigung oder zur technischen Verwertbung von Abfall¬ 
stoffen, gen us s untauglichen Fl ei sch es und dgl, Anlagen zur 
Brauchbarmachung bedingt genusstauglichen Fleisches, 
Freibänke und ähnliche dem Gemeinwoblc dienende An¬ 
stalten des Schlachthofes gelten als wesentliche Be- 
Btandtheile desselben. 

Will die Gemeinde die Anstalt tingehen lassen u. s. ic. 

Will die Gemeinde die Anstalt eingehen lassen u. s. w. 

Begründung. 

(Die Ziffern (*; und ( a ) haben in den einleitenden Ausführungen 
Anwendung gefunden.) 

3 ) Der Verein preussischer Schlachthof-Thierärzte hält die 
Bezeichnung der ausschliesslich zu benutzenden Schlachtanlage als 
„Schlacbthof' für zutreffender als die bisher übliche „Schlachthaus“. 
Er selbst hat mit weit überwiegender Stimmenmehrheit Für seine 
eigene Bezeichnung diesen Ausdruck bevorzugt, in der Erwägung, 
dass kaum noch irgendwo ein blosses Schlachthaus existire, dass 
vielmehr wohl ausnahmslos mit dem Schlachthause ein Schlachthof 
vorhanden sei. Dem Worte „Schlacbthof 1 wohnt der Begriff inner 
der Schlachthof mit seinen gesummten Anlagen. Das Wort 
„Schlachthaus“ deckt sich im Allgemeinen nicht mehr mit dem 
Begriff, der ihm bei Schaffung des Gesetzes vom 18. 3. 1868 zu 
Grunde gelegen hat oder ihm damals zu Grunde feelegt worden ist. 
Stellenweise kann die Bezeichnung „Schlachthaus“ im Gesetz vom 
18 3 1868 

zu schiefen und sogar zu sanitär bedenklichen Auf- 

9. o. 1881 

fassungen führen, worauf bei ( 9 ) noch hingewiesen wird. 

Das Preuss. Ausf.-Ges. zum R.-Flbsch.-G. bedient sich freilich 
durchweg noch des Ausdruckes „Schlachthaus“, die Ausfiihrungs- 
bestimmungen des Bundesrathes zu demselben Gesetz wenden aber 
auch schon den Ausdruck „Schlachthof“ an (§ 47 Abs. 4.). 

( 4 ) „ist anzuordnen“ statt „kann angeordnet werden“. In Ge¬ 
meinden mit öffentlichen Schlacbthöfen liegt nach Einführung der 
allgemeinen Fleischbeschau kein Grund mehr vor, die Haus- 
schlachtungen oder irgend welche anderen Schlachtungen von dem 
Schlachtzwange auszunehmen. Uebrigens trifft der Hauptgrund für 
die Aufhebung der Privatschlachtstätten, die Sanirung der Städte, 
auch für die Hausschlachtungen zu, wenn auch in geringem Um¬ 
fange sls für die gewerblichen. Auch erschwert die Zulassung 
von Schlachtungen ausserhalb des Schlachtbofes die Controle des 
Fleischverkehrs. Die Aenderung in die kategorische Form erstreckt 
sich auch auf die Verweisung gewisser Verrichtungen auf den 
Schlachthof; auch diese ist aus sanitären Gründen gerechtfertigt. 
Im Allgemeinen werden die Behörden von Gemeinden mit Schlacht¬ 
höfen freilich ohnehin nicht zur Gestattung von Ausnahmen ge¬ 
neigt sein. Damit aber nicht private Interessen zum Schaden der 
Allgemeinheit die Oberhand gewinnen, empfiehlt es sich, das „kann“ 
in ein „muss“ (dem Sinne nach) umzuwandeln. Etwa begründete 
Ausnahmen von dieser Zwangsauflage werden übrigens durch den 


Schlusssatz des Absatzes 1 und durch Abs. 2 dieses Paragraphen 
( lu ) ermöglicht. 

( 5 ) „des ganzen Gemeindebezirkes“ — Die folgenden Worte 
„oder eines Theiles desselben“ sind weggelassen worden, weil für 
eine theilweise Einführung des Schlachtzwanges jetzt, nachdem alle 
Grossstädte in Preussen mit Schlachthöfen ausgestattet sind, kein 
Grund mehr voriegt. 

( 6 ) „Das Schlachten sämmtlicher Gattungen von Vieh“. — 
Die Worte „oder einzelner“ hinter dem gesperrt gedruckten Wort 
sind wegelassen worden; wegen der Gründe wird auf die Aus¬ 
führungen bei ( 4 ) verwiesen. Wo etwa, wie z. B. zur Zeit noch in 
Berlin, die Pferde in einem besonderen, privaten Schlachthause 
geschlachtet werden oder geschlachtet werden sollen, ist es zweck¬ 
mässig, dass die Gründe für den Ausnahmezustand von der Aufsichts¬ 
behörde geprüft werden, bezw. dass die Beseitigung desselben 
veranlasst wird [vergl. ( S5 )]. 

t 7 ) „Gattungen von Vieh“. — Die verschiedenen Gattungen 
sind hier nicht aufgeführt worden, weil durch den Bundesrath die 
Untersuchung8pflicbt auf andere als die im R.-Flbsch.-G. auf¬ 
gezählten Viehgattungen ausgedehnt werden kann; der Hinweis 
auf die bezüglichen Gesetzesbestimmungen wird für zweckmässiger 
erachtet. 

( rt ) Es ist Thatsache, dass z. B. das Entleeren und die Reinigung 
der Eingeweide aus den im Freien gelegenen Scblachthofgassen 
in die Schlachtkamniern verwiesen worden ist, wo das aus¬ 
geschlachtete Fleisch hängt. Die Beiechtigung zu dieser Anordnung 
ist vermuthlich aus dieser Stelle des Schlachthausgesetzes her¬ 
geleitet worden, die solche Verrichtungen gerade in die öffent¬ 
lichen Schl ach thfiuser verweist 

Ohne Frage ist aber gerade eine solche Arbeit, die doch das 
Fleisch nicht allein den intensiven, vom Fleisch so leicht auf¬ 
genommenen Gerüchen der Futterbrei- und Kothmassen, sondern so¬ 
gar der Beschmutzung durch dieselben aussetzt, aus sanitären 
Gründen aus den Scblachtkammern gänzlich zu verbannen. Sie 
müsste sogar ausdrücklich verboten werden (durch Schlachthof- 
Ordnung!). Die meisten Schlachthöfe besitzen übrigens Dunghäuser, 
auf deren Plattform solche Verrichtungen verwiesen werden. 

Deshalb ist wenigstens an dieser Stelle des Gesetzes der Aus¬ 
druck „Schlachthaus“ durch „Schlachthof“, den weiteren Begriff, 
zu ersetzen, wenn der allgemeine Austausch in dem ganzen Gesetz 
nicht gutgeheissen werden sollte. 

( y ) Der Zusatz bei ( 9 ; (Zulassung von Ausnahmen durch die 
Aufsichtsbehörde) ist mit Rücksicht auf die bei ( 4 ) vorgenommene 
Aenderung des „darf* in ein „muss“ eingefügt worden. 

( lü ) Im Absatz 2 des § 1 ist Ziffer 2 des bestehenden Gesetzes, 
worin der Ausschluss des nicht gewerbsmässig betriebenen Schlachtens 
von dem Zwange zugelassen wird, wegen der Aenderung bei {*) 
gestrichen worden. 

Die Ausnahme unter Ziffer 1 ist darum vielleicht noch nicht 
zu entbehren, weil noch etliche öffentliche Schlachthöfe im Besitze 
von Innungen sind. 

( M ) Ziffer 1 des § 2 des jetzigen Schlachthausgesetzes ist 
durch § 4 des Prss. Ausf.-Ges. z. R.-Flbsch.-Ges. überflüssig ge¬ 
worden. 

(•-') In diesem Satze sind die Ziffern 2 und 3 des bisherigen 
§ 2 zusammengefasst und darüber hinaus erweitert worden. Nach 
dieser, gleich der im Königreich Sachsen allgemein gehaltenen, nur 
das zum Hausgebrauch bezogene Fleisch ausnehmenden Bestimmung 
fällt auch das zu Fabrikationszwecken eingeführte frische Fleisch 
unter den Beschauzwang. Das Herausgreifen einzelner Arten der 
Einfuhr frischen Fleisches im § 2 des bisherigen Gesetzes (Ziffer 2 
und 3) hat sich sanitär ungemein nachtheilig erwiesen. 

Die Anwendung der hierin (bei Ziffer 1 des Entwurfes) und 
der im Absatz 2 bei (*°) in den gesperrt gedruckten Worten ge¬ 
gebenen Befugnisse kann selbstverständlich nur solchen Gemeinden 
zugestanden werden, in deren Schlachthäusern und Beschauanstalten 
die Untersuchungen nur von Thierärzten amtlich ausgeführt werden. 

Nach § 6 des Preuss. Ausf.-Ges. darf in Gemeinden mit weniger 
als 10 000 Einwohnern trotz Schlachthofzwanges die Fleischbeschau 
mit Genehmigung der Landespolizeibehörde Nicht-Thierärzten über¬ 
tragen werden. Für Gemeinden, in denen eine solche durch 


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102 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 6. 


„Laien“ ausgeübte Beschau besteht, liegt kein ausreichender Grund 
vor, eingeführtes Fleisch einer zweiten Untersuchung oder Be¬ 
sichtigung zu unterwerfen, denn ihre Beschau ist mit der ausser¬ 
halb der Schlachthäuser durch Laien ausgeübten nahezu völlig 
gleichwertig; an solchen Orten genügt die übliche Marktcontrole. 

0 3 ) Die Umgrenzung des Begriffes „Frisches Fleisch“ geschieht 
am kürzesten durch Bezugnahme auf Litt. D § 2 der Ausf.-Best. 
d. Bdsr. zum R.-Flbsch.-Ges. Da der Begriff dort aber einen 
weiteren Sinn hat, als hier erforderlich ist, wird er zweckmässig 
durch gleichzeitige Bezugnahme auf § 1 R.-Flbsch.-Ges. eingeschränkt. 

( u ) Die Zulassung dieser Ausnahme (des Haushaltfleisches vom 
Beschauzwang) bedarf keiner Begründung; sie entspricht der all¬ 
gemeinen Auffassuug über diesen Punkt. Diese Ausnahme musste 
aber durch die nachfolgenden Worte („durch Glieder des eig. Haus¬ 
standes pp.“) eingeschränkt werden, weil erfahrungsmässig aus¬ 
wärtige Schlächter mit Bezug auf eingefUhrtes Fleisch, welches 
sie der Untersuchung entzogen haben, zu behaupten pflegen, es sei 
bestelltes, an „Privatleute“ (d. h. an Leute, die nicht das Schlächter¬ 
gewerbe oder Fleischhandel treiben) abzulieferndes Fleisch. Die 
Einschränkung lässt jedoch den privaten Interessen hinreichenden 
Spielraum. 

( 15 ) Die Regulative haben bisher den Empfängern auswärtigen 
Fleisches in der Regel eine Frist von 24 Stunden bis zur Ein¬ 
lieferung in die Beschaustelle gewährt Diese Nachsicht hat sich 
als ein Fehler erwiesen. Die Empfänger nehmen meist mit Recht 
an, dass der Bezug auswärtigen Fleisches nicht bemerkt wird. 
Wird der Bezug ausnahmsweise wahrgenommen und erscheint der 
Controlbeamte vor Ablauf der 24 Stunden an der Verkaufsstätte, 
so verspricht der Empfänger die rechtzeitige Einlieferung, oder er 
herrscht den Beamten gar wegen vorzeitiger Belästigung an. 
Kommt der Controlbeamte erst nach Ablauf der 24stündigen Frist 
zu dem Empfänger, so findet er, dass das von ausserhalb bezogene 
Fleisch entweder ganz oder zum grossen Theil bereits verkauft 
ist. Letzteres ist oft schon wenige Stunden nach dem Empfange 
der Fall. Gewöhnlich entspricht das Fleisch, wenn es nach tbeil- 
weisem Verkauf zur Beschaustelle geschafft wird, nicht mehr den 
Vorschriften über die zulässige Mindestgrösse. Es kann daher 
nicht mehr mit dem Beschaustempel versehen und in den Verkehr 
gelassen werden, sondern wird dem Besitzer mit dem Bedeuten 
zurückgegeben, dass er das Fleisch am Einfuhrorte nicht feilbieten 
dürfe; er müsse es dem Absender zurückschicken oder es nach 
ausserhalb schaffen. Das geschieht natürlich gewöhnlich nicht; es 
wird dennoch im Geschäft des Empfängers verkauft, aber der 
Verkauf kann von den Fleischbeschaubeamten nicht bewiesen 
werden, und eine Bescheinigung über die Rücksendung zu fordern, 
haben diese kein Recht. 

Deshalb empfiehlt es sich, keine Frist zu gewähren, sondern 
zu fordern, dass das Fleisch sofort nach dem Empfang (ohne 
Verzug) zur Beschaustelle zu bringen ist. Anscheinend hegen die 
städtischen Behörden Bedenken, diese Forderung aufzustellen; 
sachlich begründet sind dieselben jedoch nicht; die Erfüllung dieser 
Vorschrift verursacht den Empfängern keine nennenswerthen 
Schwierigkeiten. 

( 16 ) DerUnterschied zwischen „Untersuchung“ und „Besichtigung“ 
ist mit Rücksicht auf die durch die §§ 5 und 14 des Prss. Ausf.- 
Ges. schwielig gewordene Frage der Untersuchung und der Ge¬ 
bührenerhebung gemacht worden. In den einleitenden Bemerkungen 
ist bei t 1 ) auseinandergesetzt worden, dass zum wenigsten eine 
„Besichtigung“ des durch § 5 von der üblichen Beschau ausge¬ 
nommenen Fleisches auch nach dem 1. October 1904 stattfinden 
müsse, und dass die Erhebung einer entsprechenden, angemessenen 
Gebühr ( a ) gerechtfertigt und nach Lage der Gesetzgebung nicht 
ausgeschlossen sei. Dem wird hier durch die Einschiebung des 
Wortes „Besichtigung“ Rechnung getragen in der Annahme, dass 
jenen Anregungen Folge gegeben werden wird. Aus den ein¬ 
leitenden Bemerkungen ergiebt sich, dass die Annahme des § 2 
Ziff. 1 ohne die Worte „oder Besichtigung“ bei Weitem er¬ 
wünschter wäre. 

( 17 ) Die. Einschiebung des Wortes „Kennzeichnung“ hat 
praktischen Werth. Nicht ganz selten wird Fleisch in die Beschau¬ 
anstalt gebracht und fahrlässiger Weise vor der Kennzeichnung, 


ja bisweilen sogar schon vor der Untersuchung wieder daraus ent¬ 
fernt. Viel häufiger jedoch kommt es vor, dass Jemand einen Theil 
des eingeführten Fleisches der Beschaustelle vorlegte, den übrigen 
Theil aber ununtersucht in der Absicht in den Verkehr bringt, die 
Beschaukosten zu ersparen und bei etwaiger Ermittelung des un¬ 
gestempelten Fleisches zu behaupten, es habe zur Beschau Vor¬ 
gelegen, sei aber durch ein Versehen des Fleischschaubeamten un¬ 
gestempelt geblieben. 

Das Wort „Kennzeichnung“ soll eine Unterlage für die zu er¬ 
lassenden Regulative nach der Richtung geben, dass die Ent¬ 
fernung ungestempelten Fleisches von der Beschaustelle, namentlich 
aber das Inverkehrbringen ungestempelten Fleisches mit Strafe be¬ 
droht wird. 

( IS ) Die Ziffern 2, 3 und 4 entsprechen den Ziffern 4 bis 6 des 
jetzigen Schlachthausgesetzes. Sie sind fast unverändert geblieben, 
nur ist das Wort „feilbieten“ durch „feilhalten“ ersetzt und sind 
bei Ziffer 2 hinter „feilzuhalten“ die Worte „und als auswärtiges zu 
bezeichnen“ eingeschoben worden; letzteres ist geschehen, weil 
das Publikum sonst doch nicht erfährt, was für Waare es kaufr. 

Der Ausdruck „feil geh alten“ anstatt des früheren „feil- 
geboten“ ist mit Rücksicht auf wiederholte, in sanitärer Hinsicht 
ungünstige gerichtliche Entscheidungen gewähit worden, die nur 
das Feilbieten, nicht aber das umfassendere Feilhalten als straf¬ 
bar gelten Hessen. 

Es ist ein noch jetzt von Schlächtern viel geübter Brauch, ein¬ 
gefUhrtes ununtersuchtes und selbst von Laien-Fleischbeschauern 
bereits untersuchtes und gestempeltes Fleisch, welches nach ihrem 
Dafürhalten die Beschaustelle des Einfuhrortes möglicher Weise 
oder wahrscheinlich nicht ungefährdet passiren würde, auf ihrem 
an ablegener Stelle stehenden Wagen zu behalten, oder es auf 
ihrem Verkaufsstande zu verstecken, und alsdann Leute, die ihnen 
als Käufer solcher Waare bekannt sind, heranzuziehen. Diese be¬ 
sichtigen das Fleisch meist in Abwesenheit des Besitzers, werden 
dann abseits mit diesem handelseins und erhalten das Fleisch zu- 
getührt. Wird es aber zufällig vorher von einem Aufsichtsbeamten 
entdeckt, so giebt der Eigenthilmer vor, es sei aus Versehen mit¬ 
gebracht worden und solle nach Beendigung des Marktes wieder 
nach ausserhalb mitgenommen werden. 

Nicht selten ist solches Fleisch, zwangsweise der Beschaustelle 
zugefiihrt, gesundheitsschädlich befunden und beschlagnahmt 
worden; in der Regel aber muss es ungestempelt dem Eigenthümer 
belassen werden, weil die kranken Theile entfernt sind und daher 
ein Beanstandungsgrund nicht mehr nachweisbar ist. 

Fast ausnahmslos wird solches Fleisch bisher dann doch, trotz 
des Fehlens der Stempel, am Einfuhrorte untergebracht, namentlich 
bei Fleischwaarenfabrikanten. 

Nach einer in Nr. 87 der deutschen „Fleischer-Zeitung“ vom 
31. October 1900 mitgetheilten Kammergerichts-Entscheidung ist 
ein solches Feil halten nicht mit Strafe bedroht, sondern nur das 
Feilbieten; dieses setze eine positive, das Publikum zum Kauf 
anreizende Thätigkeit voraus. 

Die Bestimmung unter Ziffer 4 (bisher 6) ist eine Lebensfrage 
für alle Schlachthöfe; ihre Beibehaltung bedarf keiner Begründung. 

Aber auch die Bestimmungen unter Ziffer 2 und 3 (bisher 4 
und 5) müssen bestehen bleiben. Zwar ist bisher wohl kaum 
irgendwo von den darin gegebenen Befugnissen Gebrauch gemacht 
worden. Das wird aber zukünftig nothwendig werden, wenn die 
§§ 5 und 14 (Satz 2) des Prss. Ausf.-Ges. überhaupt oder ohne be¬ 
friedigende Abänderung am 1. October 1904 Geltung erlangen; die 
Gemeinden müssen dann wenigstens noch einige Mittel in der 
Hand behalten, der mit Recht zu befürchtenden Neigung, ja sogar 
schon offen ausgesprochenen Absicht der eingesessenen Schlächter 
zum Auszüge aufs Land und der Verödung der eigenen Schlacht¬ 
höfe entgegenzuwirken. Diese Neigung ist thatsächlich zu be¬ 
fürchten, theils wegen der niedrigeren Gebühren ausserhalb der 
Schlachthäuser, theils wegen der Schwierigkeit, mit der die Durch¬ 
führung der Beschau in Privatschlachtstätten zu kämpfen hat und 
wegen der dadurch gegebenen Möglichkeit, die Beschauer leichter 
zu hintergehen. 

Neben den finanziellen bleiben sanitäre Gründe für die Bei¬ 
behaltung dieser Befugnisse der Gemeinden bestehen, wenngleich 


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5. Februar 1903. 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


103 


EUzugeben ist, dass die sanitären Bedenken nach dem Inkrafttreten 
des R-Flbscb.-Ges. an Gewicht verlieren werden. Bisher ist allseitig 
anerkannt worden, dass die Beschau des eingefiihrten Fleisches 
nicht so verlässliche Ergebnisse liefern kann, als die Beschau auf 
dem Gemeinde-Schlachthofe, da die Lebendbeschau fehlt und die 
Eingeweide meist nicht mit eingeführt werden, oder, wenn es ge¬ 
schieht, die Zugehörigkeit eine zweifelhafte ist. 

Diese Mängel bleiben in gemildertem Maasse auch nach dem 
1. April 1903 bestehen, da gemäss den einleitenden Ausführungen (*) 
die Beschau in Privatschlachtstätten mit der in öffentlichen 
Schlachthäusern ausgeübten im Allgemeinen nicht gleichwerthig 
sein kann. Wird der Minderwerthigkeit der Beschau des ein¬ 
geführten Fleisches nun auch entgegengewirkt durch strengere Be- 
urtheilung desselben, so wird dem eingeführten Fleische doch mit 
Recht von dem kaufenden Publikum ein gewisses Misstrauen ent¬ 
gegengebracht. Dem muss durch Beibehaltung dieser Bestimmungen 
Rechnung getragen werden können. 

( ,9 ) Zu Ziffer 5. Diese ist neu eingeschaltet worden. Für den 
Vertrieb von Fleisch, welches „in seinem Nah’rungs- und Genuss- 
werthe erheblich herabgesetzt“ (nichtbankwürdig, minderwerthig) 
ist, schreibt § 11 R.-Flbsch.-Ges. und § 7 Prss. Ausf.-Ges die 
Declaration und gesondertes Feilhalten vor. Nach § 9 Pres. Ausf.- 
Ges. ist solches Fleisch in Gemeinden mit Freibankeinrichtung nur 
auf dieser zu verkaufen. Dass in Gemeinden ohne Freibank solch 
„minderwerthiges“ Fleisch am Schlachtorte selbst unter Angabe 
seiner Beschaffenheit verkauft werden müsse, ist nicht vor¬ 
geschrieben. Beim Ausbruch von Seuchen oder seuchenartigen 
Krankheiten unter dem Schlachtvieh wütde der Vertrieb an kleinen 
Orten nicht einmal möglich sein; das Fleisch müsste zum grössten 
Theil verderben. Die Ausfuhr solchen Fleisches ist also dem 
jetzigen Stande der Gesetzgebung nach zulässig. Die meisten Ge¬ 
meinden mit Schlachthauszwang und Freibank werden ihre 
Schlächter und Fleischhändler gegen die Concurrenz des aus¬ 
wärtigen Freibankfleisches zu schützen trachten. Andere Ge¬ 
meinden mit ärmerer Bevölkerung und Mangel an Freibankfleisch 
werden nicht allein dieses, sondern auch bedingt taugliches Fleisch 
nach seiner Brauchbarmachung unter gewissen Vorsicbtsmaassregeln, 
die einen unerlaubten Vertrieb solchen Fleisches ausschliessen, 
gern zulassen. Um den verschiedenen Bedürfnissen der Gemeinden 
nach Freibankfleisch zu genügen, empfiehlt sich die Aufnahme der 
unter Ziffer 5 aufgestellten Befugniss in das Schlachthausgesetz. 

Die in den §§ 43 und 44 der Ausf.-Best. d. Bdsr. z. R.-Flbsch.- 
Ges. vorgeschriebene Stempelung genügt nicht, um den Missbrauch 
solchen Fleisches von Orten aus, die keine Freibank haben, zu 
wehren. Die Stempel können herausgeschnitten oder durch vor¬ 
sichtige Entfernung des Quadrates um den Kreis in Bescheinigungen 
der Tauglichkeit verwandelt werden. Die Form der Stempel ist 
bekanntlich die: JO ein Kreis mit der Bezeichnung des Schau¬ 
bezirkes, von einem Quadrat umschlossen. Das Fleisch muss daher 
für den Transport zur Freibank und auch für den abgesonderten 
Verkauf auf Privatverkaufsstätten in Gemeinden ohne Freibank 
reichlich, etwa so, dass jede ungefähr handgrosse Stelle der Ober¬ 
fläche den vorgeschriebenen Stempel trägt, gekennzeichnet werden. 

Die unentbehrliche polizeiliche Controle des Transportes 
zur Verwertungsstelle könnte durch einen Begleiter, oder — bei 
grösserer Entfernung — auf die Weise geschehen, dass der Besitzer 
des minderwerthigen Fleisches von der Ortspolizeibehörde einen 
Begleitschein erhielte, den er mit Ablieferungsvermerk der Beschau¬ 
stelle des Einfuhrortes zurückzuliefem hätte. 

(**) Der zweite Absatz des § 2 hat den alten Wortlaut behalten, 
doch ist der gesperrt gedruckte Theil eingeschoben worden. 

Bei ( l8 ) ist am Schlüsse bereits ausgeführt worden, dass und 
weshalb die Ergebnisse der Beschau des eingeführten Fleisches 
weniger Vertrauen verdienen, als die auf dem Schlachtbofe. Um 
sie durch Untersuchung der zugehörigen Eingeweide noch möglichst 
werthvoll und zuverlässig zu gestalten, ist die Einfuhr der wich¬ 
tigsten derselben erforderlich, und zwar entweder in natürlichem 
Zusammenhänge mit dem Fleische, oder in der angegebenen Weise 
als zusammengehörig deutlich und zuverlässig gekennzeichnet. 
Diese Forderung wird durch die einleitenden Ausführungen Uber 


die geringere Zuverlässigkeit der Beschau ausserhalb der öffent¬ 
lichen Schlachthäuser begründet. Das von Schlachthofthierärzten 
untersuchte Fleisch war von dieser verschärften Vorschrift folge¬ 
richtig auszunebmen, für den Fall, dass jener § 5 nicht aufgehoben 
werden sollte. 

Es ist vermieden worden, den Gemeinden mit öffentlichen 
Schlachthäusern diese Forderung als eine Pflicht gesetzlich aufzu¬ 
erlegen; vielmehr ist die Geltendmachang derselben ihrem Ermessen 
nach Lage der örtlichen Verhältnisse überlassen worden. Denn 
ohne Zweifel wird die Einfuhr durch Auferlegung dieser Bedingung 
wesentlich erschwert. Städten, die auf eine reichliche Fleischzu¬ 
fuhr angewiesen sind, soll daher die Möglichkeit gewährt werden, 
auf jene Bedingung gänzlich zu verzichten, oder sie auf die aller¬ 
wichtigsten Organe zu beschränken, was unbedenklicher als bisher 
geschehen kann, da die Einführung der allgemeinen Fleischbeschau 
immerhin einen ordentlichen Fortschritt bedeutet. 

( 3I ) Zur Vereinfachung und Sicherung des Geschäftsganges in 
stark beschickten Beschauanstalten für eingeführtes Fleisch ist es 
nothwendig, dass für Fleisch, welches gebührenfrei oder gegen 
eine abnorm niedrige Gebühr untersucht werden soll, eine Beschei¬ 
nigung beigebracht wird. Noch nothwendiger ist diese für Schweine¬ 
fleisch, welches ausserhalb durch amtliche Untersuchung trichinen¬ 
frei befunden worden ist; denn in Preussen ist die Trichinenschau 
nicht allgemein durchgeführt, in etlichen anderen Bundesstaaten 
fehlt sie gänzlich. Die Stempelung allein ist keine ausreichende 
Bescheinigung dafür, dass die Trichinenschau erfolgt ist und daher 
am Einfubrorte unterlassen werden darf. Denn die Stempel sind 
oft undeutlich; und ob ausserpreussische Bundesstaaten, die keine 
Trichinenschau haben, zur Vervollständigung der Stempelvor- 
schriften in den §§ 43 u. 44 der Ausf.-Best. d. Bdsr. anordnen 
werden, auch auf den Zwischenrippenmuskeln Beschaustempel an¬ 
zubringen, ähnlich denen der Trichinenschau in Preussen, steht 
dahin. Ausreichende Sicherheit giebt erst eine amtliche Bescheini¬ 
gung in Verbindung mit gleichartigen Stempelabdrücken auf dem 
Fleische und im Attest. 

( aa ) Auf die Gebübrenfrage wird hier grundsätzlich nicht näher 
ein gegangen ( a ). 

i 73 ) Absatz 3 des bisherigen Gesetzes fällt weg; er ist durch 
das Preuss. Ausf.-Ges. uud durch § 1 dieses Entwurfes überflüssig 
geworden. 

( w ) Es wird hier vorgeschlagen, einen Unterschied zwischen 
solchen Gemeinden zu machen, in deren Schlacbthöfen die Fleisch¬ 
beschau durch Thierärzte ausgeführt wird, nnd solchen, die Nicht- 
tbierärzte damit betraut haben. Die Rechtfertigung dieses Vor¬ 
schlages ergiebt sich aus dem bisher Gesagten. Sonst ist dieser 
Absatz unverändert geblieben. Den Gemeinden muss nach ihrem 
Ermessen die Wahl unter den im § 2 zugelassenen Befugnissen 
überlassen bleiben; diese kann nöthigenfalls durch die Aufsichts¬ 
behörde abgeändert werden. 

(“) Dieser Zusatz zu § 3 Abs. 1 ist aus folgendem Grunde 
hinzugefligt worden. 

Einzelne Gemeindebehörden haben sich schwierig gezeigt, 
sanitär dringend erwünschte Anordnungen zu treffen und aus dem 
gleichen Gesichtspunkte nötbige Anlagen zu schaffen. Es ist daher 
zweckmässig, dass der Aufsichtsbehörde eine bequeme Handhabe 
gegeben werde, die Gemeindebehörden in solchen Fällen zur Er¬ 
füllung ihrer Pflicht zu veranlassen. 

In § 4 des bisherigen Gesetzes ist zwischen den beiden 
unverändert gebliebenen Absätzen ein dritter (Kühlhäuser u. s. w. 
betreffend) eingeschaltet worden. 

Es dürfte in den interessirten Kreisen allgemein bekannt sein, 
dass in Cöln ein Rechtsstreit um die Frage entbrannt war, ob das 
Kühlhaus ein integrirender (wesentlicher) Bestandteil des Schlacht¬ 
hofes sei, und ob somit die zur Verzinsung und Amortisation er¬ 
forderlichen Beträge mit der Gebühr für die Benutzung des Schlacht¬ 
hofes erhoben werden dürften, oder ob das Kühlhaus für sich allein, 
nach einem besonderen Etat, zu verwalten sei. 

Der Streit ist von dem Bezirksausschüsse vorläufig zu Ungunsten 
der beklagten Gemeinde entschieden worden; anscheinend wird sie 
es aber bei diesem Urtheil erster Instanz nicht bewenden lassen. 

Die Vortheile des Kühlhauses (Möglichkeit der Aufspeicherung 


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104 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 6. 


von Fleischvorräthen, Minderung der Preisschwankungen auf den 
Schlachtviehmärkten, Ersparnis an Schlachthausfläche, Tafelreife 
des Kiihlhausfleiscbes u. s. w.) brauchen hier nicht erst hervor- 
gehoben zu werden. Sie kommen dem Schlächter und dem Ver¬ 
braucher — sie kommen der OeffeDtlichkeit zu gute. 

Zur Vereinfachung der Verwaltung ist es dringend erwünscht, 
dass eine Grundlage geschaffen werde, nach der die Kühlhäuser 
allgemein als wesentliche (integrirende) Bestandteile behandelt 
werden dürfen Bestehen doch jetzt schon Sonder-Etats für den 
Viehhof, den Schlachthof, die Beschau auf diesem und für die 
Beschau des eingeführteu frischen Fleisches. Müsste auch noch 
das Kühlhaus oder müssten gar, wie von den Fleischern neuerdings 
beansprucht wird, Rinder-, Kleinvieh- und Schweinescblachthaus 
je nach einem Sonder-Etat verwaltet werden, so könnte die Aus¬ 
dehnung dieser Maassnahmen auch auf andere, z. T. in lockerem 
Zusammenhänge mit dem Schlachthof-Etat stehenden Anlagen 
(Talgschmelze, Blutverwerthungsanlage u. dergl.) verlangt werden. 
Das geschieht bisher Dur deshalb nicht, weil diese Anlagen sich 
meist zu Gunsten des Schlachthof-Etats — die Blutverwerihungs- 
Anlagen hier und da ausgenommen — vortheilhaft verzinsen 

Das ist bei dem Kiililhause nicht überall von Anlang der Fall, 
daher das Widerstreben der Schlächter. 

Durch die Anerkennung des Kühlhauses als integrirenden Be- 
standtheil des Schlachthofes wird selbstverständlich den einzelnen 
Schlächtern nicht das Recht zu Theil, ohne Miethszahlung nach 
Belieben Fleisch in dasselbe hineinzuhängen; Kühlraummiethe muss 
gerade so gut bezahlt werden wie Kammermiethe. Nicht jeder 
Schlächter auf dem Schlachthofe bedarf eines Kühlraumes oder 
einer Fleischkammer. 

Im sanitären Interesse ist es erwünscht, dass auch die übrigen 
im Absatz 2 allgemein bezeichneten Anlagen zur unschädlichen Be¬ 
seitigung oder zur technischen Verwerthung von Abfallstoffen, 
genussuntauglichem F(eich u. s. w. ausdrücklich Für wesentliche 
Bestandtheile des Scblachthofes erklärt werden. Die Er¬ 
richtung von Anstalten zur unschädlichen Beseitigung der Con- 
fiscate auf den Schachthüfen unterbleibt an vielen Stellen sicherlich 
nur wegen der Ungewissheit, ob der Erlös die Unkosten decken 
werde, und in der Befürchtung, dass ähnliche Schwierigkeiten wie 
in der Cölner Kühlhausangelegenheit erwachsen könnten. Es ist 
aber dringend zu wünschen, dass die Fleischconfiscate auf dem 
Schlachthofe selbst technisch verwerthet oder vernichtet werden, 
damit nicht auf dem Wege zu der vielleicht weit entfernten Ab¬ 
deckerei durch Diebstahl oder durch Verkauf ven angeblichem 
Hundefutter oderauf andere Weise Missbrauch getrieben werden kann. 

Auch die Freibank kann ohne Bedenken in den Gesammt- 
baushalt des Schlachthofes einbezogen werden. Die Kosten werden 
durch Gebühren oder Miethe sicher gedeckt. Freibänke sind dem 
Publikum möglichst von der offenen Strasse aus, also nicht vom 
Vieh- oder Schlachthofe her zugänglich zu machen, damit Unglücks¬ 
fälle auf diesem vermieden werden; die Gemeinden haften andern¬ 
falls für etwa entstandenen Schaden. 

Aus den vorstehenden Gründen wird es für zweckmässig 
erachtet, dass das Kühlhaus und die anderen, sanitären Zwecken 
dienenden Anlagen des Schlachthofes durch dieses Gesetz Für 
wesentliche (integrirende) Bestandtheile desselben erklärt werden, 
damit Processe wie der Cölner vermieden werden und die Ge¬ 
meinden nicht vor der Errichtung der bezeichneten gemeinnützigen 
Anstalten zurückschrecken. Erwüns ht wäre übrigens auch eine 
Einwirkung der Aufsichtsbehörden auf die Gemeinden, Anstalten 
zur unschädlichen Beseitigung oder zur technischen Ausnutzung 
der Confiscate zu errichten. 

Berlin, den 24. November 1902. 

Der Vorstand 
des 

Vereins preussischer Schlachthoftbierärztc. 

I. A.: 


Goltz 

Vorsitzender, 
Verwaltungsdirector 
des städtischen Vieh- und 
Schlachthofes zu Berlin. 


K ü h n a u 
Schriftführer, 

Director 

des städtischen Schlacht- und 
Viehhofes zu Cöln. 


Zur Ausführung des Reichsfleisehbeschaugesetzes. 

Die Vorarbeiten zur Einführung des Reichsfleischbeschau¬ 
gesetzes nähern sich ihrem Abschluss. Die Ausbildung des 
BeschauperBonals geht überall rüstig vorwärts und es dürfte zum 
1. April 1903 die genügende Anzahl von Beschauern zur Ver¬ 
fügung stehen. Auch über die Höhe der Beschaugebühren 
ist Beschluss gefasst und sind im Allgemeinen folgende Sätze 
als angemessen erachtet worden: Für die ordentliche Beschau 
sind an Gebühren vorgesehen: für ein Rind 3 Mk., für ein 
Schwein (einschliesslich Trichinenschau) 1,60 Mk. (ohne Trichinen- 
schan 1 Mk.), für ein Kalb 1 Mk., für ein Schaf oder Ziege 
0,60 Mk. Die Gebühren sollen von den Gemeinden eingezogen 
werden. Zur Bestreitung der Kosten der Stellvertretung und 
der etwa erforderlich werdenden thierärztlichen Ergänzungs- 
beschan sollen von den aufkommenden Gebühren 0,50 Mk. für 
jedes Rind und 0,10 Mk. für jedes andere Schlachtthier zurück¬ 
behalten weiden. Nach Abzug des Rückbehalts sollen die Ge¬ 
bühren den Beschauern, einerlei ob thierärztlich vorgebildet oder 
nicht, in gleicher Höhe ausgehändigt werden. Sobald ein Reserve¬ 
fonds von 1000 Mk. angesammelt ist, sollen die vollen Gebühren 
den Beschauern auBgehändigt werden. Die sächlichen Kosten 
der Beschau sind von den Gemeinden aus dem angesammelten 
Fonds zu bestreiten. Für die Vornahme der Ergänzungsbeschau 
sind als angemessen erachtet worden: Für ein Pferd 5 Mk, für 
ein Rind 4 Mk., fiir ein Schwein 2 Mk., für ein Kalb 2 Mk. 
und für ein Schaf 1 Mk. Ausserdem sind als Wegegelder 
7 Pf. pro Km. Eisenbahn und 30 Pf. pro Km. Landweg zu ver¬ 
güten. Pauschalvergtitungen für die Beschauer, insbesondere 
tür Thierärzte, sowohl bei der ordentlichen als bei der Er¬ 
gänzungsbeschau sollen nicht ausgeschlossen sein. 

Die Bestellung der Beschauer soll nach Anhörung der 
Gemeindevorstände und der Kreisthierärzte durch die Landräthe 
erfolgen. Die thierärztlichen Beschauer sollen der Bestätigung 
der Provinzial-Regierung unterliegen. Sollen diese Bestimmungen 
allgemein durchgeFührt werden, so dürften doch für die Regelang 
der Beschau in Schlachthaus-Gemeinden Bedenken entstehen. 
Indessen ist in der allgemeinen Verfügung vom 1. August 1902 
ausdrücklich hervorgehoben, dass bezüglich der Bestellung der 
Beschauer sich die Minister die weiteren Entschliessungen Vor¬ 
behalten haben. Für die Schlachthaus-Gemeinden dürfte deshalb 
eine anderweitige Regelung zu erwarten sein. 

Wenn in dieser Hinsicht auch noch nichts Bestimmtes ver¬ 
lautet, so dürfte doch das sächsische Fleischbeschaugesetz hier¬ 
für vorbildlich sein. Der § 5 dieses Gesetzes sagt, dass 
approbirte Thierärzte in allen den Gemeinden und selbstständigen 
Gut8bezirken ausüben dürfen, für welche sie auf deren Antrag 
als Fleischbeschauer in Pflicht genommen worden sind. Die 
Verpflichtung erfolgt in den Städten mit revidirter Städte¬ 
ordnung durch den Stadtrath, im Uebrigen durch die Amts¬ 
hauptmannschaft mittelst Handschlags. Dementsprechend dürfte 
in den Schlachthausgemeinden Preussens die Bestellung der 
Beschauer und der Stellvertreter durch den Gemeindevorstand 
zu erfolgen haben. Eine Bestätigung der Beschauer, welche 
für zweckmässig erachtet wird, würde in die Hände der 
Provinzialregierung zu legen sein, wenn die Bestätigung für 
die Dauer der Bestellung als Beschauer erfolgt. Dringend zu 
wünschen aber ist, dass die Bestätigung nicht auf jederzeitigen 
Widerruf ertheilt wird. Die Schlachthofthierärzte haben in den 
vergangenen Jahren mühsam und Schritt für Schritt die feste An- 


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5. Februar 1903. 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


106 • 


Stellung und Ruhegehaltsberechtigung in den Gemeinden erlangt. 
Diese Errungenschaften würden aber unbedingt wieder verloren 
gehen, wenn die Bestätigung nur auf jederzeitigen Widerruf er- 
theilt wird. Denn in diesem Falle werden die Gemeinden sich nicht 
bereit finden lassen, die Thierärzte lebenslänglich anzustellen. Man 
braucht in dieser Beziehung nur auf Berlin hinzuweisen, wo die 
Gemeindeverwaltung von der Anstellung der Gemeindethierärzte 
bisher Abstand genommen hat, weil die Polizeibehörde gegen 
die Beschäftigung der Thierärzte als Beschauer jederzeit 
Einspruch erheben kann. Jetzt, wo die Absicht besteht, die 
gesammte Fleischbeschau unter staatliche Aufsicht zu nehmen, 
dürfte Alles zu vermeiden sein, was gegen die Anstellung der 
Schlachthofthierärzte in’s Feld geführt werden könnte. Zu dem 
Zweck ist dringend zu wünschen, dass geeignete Thierärzte 
mit der Ausübung der Fleischbeschau in den Schlachthaus¬ 
gemeinden betraut werden. Dazu ist eine Bestätigung zweck¬ 
mässig. Aber diese Bestätigung muss für die Amtsdauer 
Geltung besitzen. Eine weitere Forderung, welche die 
ordnungsmäsBige Ausübung der Fleischbeschau in den Schlacht¬ 
hausgemeinden Bicherzustellen geeignet ist, ist die, dass die 
Schlachthausgemeinden die bestellten Beschauer nicht ohne 
Genehmigung der Provinzialregierung entlassen dürfen. 

Wird die Bestellung der Beschauer in Schlachthaus¬ 
gemeinden in diesem Sinne geregelt, so wird jede Gemeinde 
bestrebt sein, geeignete Thierärzte für ihre Schlachthöfe zu 
bekommen und dieselben so zu stellen, dass allen Klagen vor¬ 
gebeugt sein wird. 

Die zu erwartenden Ansführungsbestimmungen dürften noch 
Vorschriften über die Benutzung der Freibänke enthalten. 
Hier ist dringend zu wünschen, dass den Gemeinden, welche 
Freibänke errichtet haben oder noch errichten, die Befügniss 
eingeräumt wird, zu bestimmen, ob die Freibänke nur für den 
Verkauf des in dem Schaubezirk selbst geschlachteten 
minderwertigen und bedingt tauglichen Fleisches eingerichtet 
sind, oder ob auch das in anderen Scbaubezirken erschlachtete 
minderwertige und bedingt taugliche Fleisch zum Verkauf zu¬ 
gelassen wird. Wird für dieses Fleisch aber ein Annahmezwang 
eingeführt, wie landwirthschaftliche Kreise es wünschen, so 
erfolgt sicherlich eine Ueberschwemmung der Städte mit 
diesem Fleisch, was im Interesse der Versorgung der Städte 
mit gesundem Fleisch durchaus zurückgewiesen werden muss. 

Kühnau. 

Die Führung der Tagebücher an Schlachthöfen. 

Die Tagebücher, welche die Thierärzte, die die Schlacht¬ 
vieh- und Fleischbeschau ausüben, zu führen haben, sollen Auf¬ 
zeichnungen über jedes Stück Schlachtvieh enthalten, welches 
zur Schlachtvieh- und Fleischbeschau angemeldet und untersucht 
worden ist. Für die Massenschlachtungen, welche sich noch 
dazu auf den Schlachthöfen meist auf wenige Tage und Stunden 
zusammendrängen, scheint die Führung der Tagebücher auf den 
ersten Blick mit sehr grossen Schwierigkeiten verknüpft zu sein. 
Von verschiedenen Collegen ist mir bereits die Ansicht entgegen¬ 
gehalten worden, dass die Führung der Tagebücher an den 
Schlachthöfen unmöglich sei. 

Um so mehr dürfte daher das Verfahren interessiren, 
welches am Kölner Schlachthof eingeschlagen ist, um eine 
tadellose Führung der Tagebücher und Controle der Schlach¬ 
tungen zu erzielen. Bei der Einrichtung des Verfahrens ist 


der Grundsatz massgebend gewesen, die schriftlichen Auf¬ 
zeichnungen nach Möglichkeit zu vereinfachen, sie in ein ge¬ 
wisses Schema zu bringen und sie für den Leser möglichst 
deutlich und rasch entzifferbar zu gestalten. 

Um dies zu erreichen sind folgende Einrichtungen getroffen 
worden: 

1. Jeder Viehbegleiter, welcher dem Schlachthof Schlacht¬ 
vieh zuführt, hat einen Anmeldeschein nach beigedrucktem Muster 
auszufällen. Dieser Anmeldeschein wird mit den Schlachtscheinen 
und Schlachtthieren beim Zutrieb verglichen, entwerthet und 
von den Pförtnern den Viehbegleitern abgenommen. Anmelde- 
und Schlachtscheine werden gesammelt und nach Schluss des 
Dienstes dem Schlachthofinspector geordnet übergeben. Der 
Schlachthofinspector ordnet die sämmtlichen Anmelde- und 
Schlachtscheine des Tages und stellt, nach Abzug des über¬ 
stehenden Schlachtviehs, so die Tagesschlachtung fest. Anmelde¬ 
scheine und Schlachtscheine sind mit dieser Zusammenstellung 
dem Verwaltungsbüreau einzureichen. 

Anmeldung. 

Name: Wohnort: 

des Besitzers 

meldet zur Schlachtvieh- und Fleischbeschau an: 

Stück Bullen 

. „ Ochsen 

. „ Kühe 

„ Bautzen (Jungrinder, Ochsen, Bullen, Kühe bis 
300 kg Lebendgewicht) 

„ Kälber (bis 150 kg Lebendgewicht) 

. „ Schweine (bis 125 kg Lebendgewicht) 

„ „ (über 125 kg Lebendgewicht) 

. „ Schafe, Ziegen, Lämmer oder Spanferkel 

(letztere bis zu 6 Wochen alt) 

. „ Pferde, Maulthiere oder Esel. 

Köln, den .Uhr. 

Unterschrift 
des Viehbegleiters. 

Z. 

2. Jeder diensthabende Thierarzt erhält ein Tagebuch nach 
beigedrucktem Muster. In dasselbe hat er die erforderlichen 
Eintragungen nach dem Vordruck zu leisten. In den Schlacht¬ 
hallen ist dem Thierarzt bei der Untersuchung ein Hallenmeister 
und ein Gehülfe beigegeben. Letzterer hat bei der Untersuchung 
die nöthigen Handreichungen zu leisten und der Hallenmeister 
hat nach dem Dictat des Thierarztes die erforderlichen Vermerke 
zu machen. Um nun die Aufzeichnungen zu vereinfachen, finden 
sich in den einzelnen Rubriken eine Reihe von Vordrucken, von 
denen er nur das Zutreffende zu durchstreichen hat. Besonders 
möchte ich auf die Vordrucke hinweisen, welche das Ergebniss 
der Untersuchung nach dem Schlachten enthalten. Wir finden 
dort in der ersten Reihe die Kennzeichen für taugliche, minder- 
werthige, bedingt taugliche und untaugliche ganze Thierkörper. 
Ist der ganze Thierkörper tauglich, so ist nur der Kreis zu 
durchstreichen u. s. w. Das Dreieck in der zweiten Zeile be¬ 
deutet „theilweise untauglich“ und nun brauchen die veränderten 
Theile, welche beanstandet werden, nur durchstrichen zu werden, 
um für den Leser den nöthigen Aufschluss zu geben. Der Vor¬ 
theil liegt bei dem Vordruck auch noch darin, dass so leicht 
kein Theil bei der Untersuchung vergessen wird, sondern der 
Tagebuchführer hat die sämmtlichen Theile, welche zu unter- 


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Laufende No. 


' 106 


No. 6. 


BERLINER THTERÄRZTLTCHE WOCHENSCHRIFT. 


5. Februar 1903. 


Bezeichnung 
des Schlacbt- 
thiercs 

nach Art und 
Geschlecht 

Bei Beanstandung 
Angabe weiterer 
Erkennungsinerk- 
malo 


Zeit der 


Name und I_ 


Wohnort 


Besitzers 


meldung 


Untersuchung 


dem Schlachten 


Ergebniss 
der Unter¬ 
suchung 
ror dem 
Schlachten 


Std. i Tag I Std. Tag Std. 


Jungrind 

Kalb 

Schwein 

Schaf 

Ziege 

Pferd 


Bulle N. N. xu X. 5 


Geschlecht! Alter 


I Jungrind 
j Kalb 
! Schwein 
Schaf 
Ziege 
Pferd 


Bulle M iV. xu X. 5. 
Ochse 


überwiesen 

an: 

übernommen 

von: 

Schlachtung 

gestattet. 

Schlachtung 

verboten. 


10 überwiesen 
an: 

übernommen 


Geschlecht!! Alter || Farbe | von: 


Jungrind 

Kalb 

Schwein 

Schaf 

Ziege 

Pferd 


Bulle I xu X. I 5 


Geschlecht Alter 


Jungrind 

Kalb 

1 Schirein 
Schaf 
Ziege 
Pferd 


5 9 


Geschlecht i Alter 


Bulle 1^' xu ^*1 


| Jungrind 
Kalb 
Schwein 


Geschlecht! Alter 


Schlachtung 

gestattet. 

Schlachtung 

verboten. 


überwiesen 


übernommen 


Schlachtung 

gestattet. 

Schlachtung 

verboten. 


11 I überwiesen 


übernommen 


Schlachtung 

gestattet. 

Schlachtung 

verboten. 


ö 12 überwiesen 
an: 

übernommen 
Farbe von: 
schwarz Schlachtung 


über 4 J. .: weiss gestattet, 
roth 

unter 4 J. brÜÜ, SChl t Cht "° g 

braun verboten. 


Marke 


Ergebniss Grund der Be 
der Unter- anstandung 
Buchung oder Minder 
nach dem werthigkeitB 
Schlachten erklärung 


O ö □ A 

AKopf, 
Herz, Zunge, 
Lunge, Brust¬ 
fell, Magen, 
Därme, Netz, 
Gekröse, 
Leber,Bauch¬ 
fell, Milz, 
Nieren, Euter 
Gebärmutter, 
kg Fleisch 
Fett A □ 
Ein¬ 
geweide O 


o m □ a 

▲ Kopf, 
Herz, Zunge, 
Lunge, Brust¬ 
fell, Magen, 
Därme , Netx, 
Gekröse, 
lyeber, Bauch¬ 
fell, Milx, 
Nieren,Euter, 
Gebärmutter, 

.kgFleisch 

Fett A □ 
Ein¬ 
geweide O 


• ö [] A 

AKopf, 
Herz, Zunge, 
Lunge, Brust¬ 
fell, Magen, 
Därme, Neiz, 
Gekröse, 
lieber. Bauch¬ 
fell, Milz, 
Nieren,Euter, 
Gebärmutter. 
kgFleisch 
Fett A □ 
Ein¬ 
geweide O 


Be¬ 
rn erknngen 

(z. B. zurück¬ 
gezogen, Be¬ 
schwerde erhob-, 
Entscheidung 
auf die Be¬ 
schwerde und 
dergleichen) 


nach § 4 
Abs. 1 v 


gedämpft 


schmolz., 

gepökelt, 


nichtet, 
nach § 45 
Abs. 1 v., 
gekocht, 
gedämpft, 
Fett 
ausge- 
schmolz., 
gepökelt, 
gekühlt 

ver¬ 
nichtet, 
nach § 45 
Abs. 1 v., 
gekocht, 
gedämpft, 
Fett 
ausge- 
schmolz., 
gepökelt, 
gekühlt 

ver¬ 
nichtet, 
nach § 45 
Abs. 1 v.. 

gekocht, 

gedämpft, 

Fett 

ausge- 

schmolx., 

gepökelt, 

gekühlt 

ver¬ 

nichtet, 

nach § 45 
Abs. 1 v., 
gekocht, 
gedämpft, 
Fett 
ausge- 
schmolz., 
gepökelt, 
gekühlt, 


* 


iS ~ 


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6. Februar 1908. 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


107 


suchen sind, vor Angen. In den drei letzten Zeilen sind die 
Kennzeichen hinter die betreffenden Theile gesetzt. Wird hier 
der zutreffende Theil nnd das zutreffende Kennzeichen durch* 
strichen, so ist auch hier die Deutung nicht schwer. Die Rubrik 
„Weitere Behandlung des beanstandeten Fleisches“ betrifft auch 
nur ganze Thierkörper. Soll sie sich auf einzelne Theile be¬ 
ziehen, so ist ein Vermerk mit Bemerkungen zu machen. 
Einzelne Theile werden ja fast stets vernichtet. 

Durch diese ganze Anordnung ist die Eintragung wesentlich 
vereinfacht und doch ist Platz genug, um bei Beanstandung 
ganzer Thiere auch noch sorgfältigere Eintragungen machen zu 
können. Am Schluss des Dienstes hat jeder Thierarzt sein 
Tagebuch auf die Richtigkeit der Eintragungen zu prüfen und 
ist alsdann dasselbe an das Verwaltungsbureau abzugeben. 

3. Im Verwaltungsbureau werden Anmeldescheine und Tage¬ 
bücher verglichen und die vorgeschriebenen Eintragungen in 
das Hauptbuch, welches den vom Bundesrath vorgeschriebenen 
Vordruck zeigt, gemacht. Für jede Gattung Vieh ist ein be¬ 
sonderes Hauptbuch vorhanden, in dem die einzelnen Möglich¬ 
keiten im Vordruck auseinandergezogen sind, um die Aufzählung 
der einzelnen Rubriken leicht zu gestalten. Das Gesammttages- 
ergebniss wird in ein besonderes Tagebuch eingetragen. In 
diesem können die monatlichen und Jahresabschlüsse mit Rasch¬ 
heit zusammengesteUt werden. 

Diese Art der Tagebuchführung ist seit dem 1. Januar 
auf dem Kölner Schlachthofe in Wirksamkeit und hat sich aus¬ 
gezeichnet bewährt. An Personal sind nur zwei Buchfuhrer 
mehr eingestellt worden. Die Untersuchung wird unter Be¬ 
obachtung der erforderlichen Sorgfalt ebenso rasch als früher 
erledigt, die Entzifferung der Tagebücher ist leicht und die 
Uebertragung schnell bewerkstelligt. Etwaige Unstimmigkeiten 
lassen sich unschwer aufklären und ausserdem ist eine ausge¬ 
zeichnete Controle der Schlachtungen und der Untersuchungen 
geschaffen. Kühn au. 

Berliner Mastviehaussteliung. 

Die 29. Berliner Mastviehausstellung findet vom 12. bis 14 Mai 
d. J. auf dem Centralviehhof in Berlin statt Bei dem lebhaften 
Interesse, welches die Fleischversorgung der Bevölkerung gerade 
in Anspruch nahm, werden die Wägungen der lebenden und der 
Vorweis der geschlachteten Thiere, welcher an den letzten Tagen 
statlbaben wird, zu eigner Urtheilsbildung führen. Das Comitö 
wird, soweit es möglich ist, für Belehrung der Hörer der land¬ 
wirtschaftlichen und der thierärztlichen Hochschule sorgen. 

Boraxverbot in Amerika. 

Die „Pure Food Bill“ ist im December v. J. im Repräsentanten¬ 
hause in Amerika angenommen worden. Dieses Gesetz verbietet 
die Einführung verfälschter und verdorbener Nahrungsmittel vom 
Auslande sowohl als von einem Staat oder einem Territorium in 
einen anderen Staat. Nahrungsmittel, die mit Substanzen vermischt 
sind, welche die Qualität vermindern oder einen schädlichen Ein¬ 
fluss auf diese Nahrungsmittel ausüben können, müssen von der 
Einfuhr zurttckgewiesen werden oder sind zu confisciren. 

Die Einfuhr von auswärts gesobiachtetem Fleisch darf nicht verboten werden. 

Die Schlachtbausordnung in Wasselnheim verbietet im § 2 die 
Einfuhr von auswärts geschlachtetem Fleisch. Metzger, welche sich 
gegen diese Bestimmung vergingen, wurden mit Strafe belegt, vom 
Schöffengericht aber freigesproeben. Das Landgericht Zabern 
verurtheilte sie aber zu 1 M. Geldstrafe. Das Oberlandesgericht 
hob das Urtheil auf und sprach die Metzger frei mit der Begründung, 
dass der Bürgermeister nicht Anordnungen treffen dürfe, welche 
gegen die Gewerbeordnung verstiessen. 


Schlachtvieh Versicherung — Notirungs-Commisslonen. 

(Aus dem preussischen Landtage.) 

Gelegentlich der Etatsberathung wurden auch die Fragen der 
Schlacbtviehvcrsicherung und der Wirkung der Notirungs-Commis- 
sionen an den Viehmärkten in den Kreis der Erörterung gezogen. 
Der Landwirthschaftsminister kennzeichnete seinen Standpunkt da¬ 
hin. dass für eine staatliche Viehversicherung die Grundlage vom 
Reich geschaffen werden müsse, Preussen allein könne die Ver¬ 
sicherung nicht durchführen. 

Die Preisnotirungs-Commissionen, welche auf Grund desMinisterial- 
Erlasses vom Juni 1901 an 18 grösseren preussischen Viehmärkten 
eingerichtet wurden, haben sich nicht bewährt. Der Zweck des 
Ministerial-Erlasses soll eventuell auf dem Wege eines besonderen 
Gesetzes erreicht werden. 


Berlin: Auszug aus dem Fleischsohaubericht für Monat Deoember 1902. 
A. Schlachthof. 



Rinder 

Kälber 

Schafe 

Schweine 

Geschlachtet und untersucht 

12 546 

11979 

30 604 

66 212 

Ganz beanstandet .... 

256 

83 

14 

317 

Ueberhaupt mit Tuberculose 
behaftet. 

2 953 

74 

4 

3 276 

Davon gänzlich verworfen . 

81 

3 

1 

47 

„ wurden der Polizeibe¬ 
hörde zur Sterilisation 
überwiesen . 

89 

7 

2 

192 

„ theilweise verworfen . . 

10 

— 

— 

— 

Also vollständig freigegeben 

2 773 

64 

1 

3 037 

Mit Trichinen behaftet. . . 

— 

— 

— 

4 

Mit Finnen behaftet . . . 

70 

— 

— 

26 

Stark finnig, technisch ver- 
werthet. 

1 



7 

Finnig und wässerig, tech¬ 
nisch verwerthet .... 





Schwach finnig, wurden der 
Polizeibehörde zur Kochung 
überwiesen. 

69 



19 

Ausserdem wegen Behaftung 
mit Kalkconcrementen, mul¬ 
tiplen Blutungen u. s. w. 
wurden der Polizeibehörde 
zur Kochung überwiesen. 




15 


An einzelnen Organen und Theilen wurden beanstandet: bei 
Rindern 5766 Stück, bei Kälbern 184 Stück, bei Schafen 10 771 Stück, 
bei Schweinen 13 400 Stück. 


B. Untersuchungsstationen. 



Rinder¬ 

viertel 

Kälber 

Schafe 

Schweine 

i 

Untersucht. 

22 838 

12 977 

1328 1 

11768 

Beanstandet. 

40 

34 

— 

6 

Wegen Tuberculose wurden 





beanstandet. 

25 

— 

— 

1 

Davon wurden der Polizei¬ 
behörde zur Sterilisation 





überwiesen . 

21 

— 

— 

— 

Mithin gänzlich verworfen . 

4 

— 

— 

— 

Mit Trichinen behaftet. . . 

— 

— 

— 

1 

Mit Finnen behaftet.... 

— i 

— 

— 

— 

Davon schwach finnig, wurden 
der Polizeibehörde zur 





Kochung überwiesen. . . 

— 

— 

-■ 

— 


Unter dem eingeführten Fleisch waren 2048 dänische Rinder- 
j viertel, 81 dänische Kälber, 273 österreichische Schweine, 1 dänisches 
Schwein und 248 Wildschweine. 


Berlin, den 6. Januar 1903. 

Der Director der städtischen Fleischbeschau. 
Reissmann. 


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108 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. fi. 


Bücheranzeigen*) und Kritiken. 

Tereg, Professor J. — Grundriss der Eieotrotherapie für Thierärzte. 

220 Seiten. Berlin bei Paul Parey 1902. 

Das Buch ist entstanden als eine Erweiterung der Experimental¬ 
vorträge, welche der Physiologe der Hannoverschen thierärztlichen 
Hochschule gelegentlich der Feriencurso für Thierärzte gehalten 
hat. Es verfolgt den Zweck, auf wissenschaftlicher Basis die Electro- 
therapie auch in die tierärztliche Praxis einzuführen. Die Gründ¬ 
lichkeit der Arbeiten des Autors ist bekannt und das Buch bedarf 
daher keiner weiteren kritischen Zergliederung. 

Soeben erschien: 

Ostertag: Leitfaden für Fieisohbeschauer. Eine Anweisung Air die 
Ausbildung als Fleischbeschauer und Air die amtlichen Prüfungen. 
Mit 150 Abbildungen. Preis 6,50 M. Verlag von Richard Schoetz, 
Berlin. 

Ostertag: Wandtafeln zur Fleischbeschau. Tafeln zum Unterricht 
der Fleischbeschauer (Format ca. 1 L. -Meter). Tafel I. Fleiscli- 
eintheilung; II. Altersbestimmung nach Zähnen; III. Geschlechts¬ 
unterschiede an ausgeschlachteten Thieren; IV. u. V. Lage sämmt- 
licher Lyrophdrüsen beim Rind; VI. desgl. beim Schwein, Lieblings¬ 
sitze der Schweinefinnen. Derselbe Verlag. Preis 20 M. 

Schmaltz: Situs viscerum und Seotionstechnik heim Pferde, sowie 
Eingeweidepräparate. Dritter (Schluss-) Theil der Piäparirlibungen 
am Pferd. 340 Seiten mit 6 Gehirn-Tafeln und 25 Textbildcrn. 
Verlag von R. Schoetz, Berlin. 1902. Preis 10 M. 

Bayer-Fröhner: Handbuch der tierärztlichen Chirurgie und Geburts- 
hülfe. Verlag von W. Braumüller, Wien und Leipzig. 

Hautkrankheiten; von Prof. Schindelka-Wien. 500 Seiten. 

Krankheiten der Zähne; von Prof. Ostertag-Berlin. 190 Seiten. 

Krankheiten des Hufes; vonComm.-RathLungwitz. HOSeiten. 

Festschrift zum 20jährigen Bestehen der Herdbuch-Gesellschaft 
zur Verbesserung des in Ostpreussen gezüchteten Holländer Rind¬ 
viehes. Verlag von R. K. Schmidt & Co., Leipzig. 


Personalien. 

Auszeichnungen, Ernennungen: Dem Kreisthierarzt a. D. Busch 
zu Idstein, bisher in LangenBchwalbach, ist der Rothe Adler-Orden 
IV. Klasse verliehen; der Bezirksthierarzt Wehrle in Mosbach ist 
als HUlfsarbeiter in das Kais. Gesundheitsamt berufen; der Prof. 
Dr. Hofer an der Thierärztlichen Hochschule zu München ist zum 
II. Vorsitzenden des vom Grafen Moy geleiteten bayerischen Landes¬ 
fischerei-Vereins ernannt; der städtische Thierarzt Fasold in Marien¬ 
berg (Sachsen) ist zum Director des Schlachthofes in Langensalza 
und der Thierarzt Lohoff zum Thierarzt bei der Verwaltung in 
Styrum gewählt worden. 

Examina: Das amtliche Examen in Sachsen haben abgelegt die 
Herren DDr. phil. Hugo und Otto Zietzschmann, Assistenten am 
patholog. bezw. physiolog. Institut der Thierärztlichen Hochschule 
zu Dresden. — Approbirt wurden in Berlin die Herren Alexander 
Augustin, Bertbold Jacobs, Theodor Lütkefels, Jacob Wilz. 

In der Armee: Rossarzt Traeger vom 5. Hus. Regt, zum Re- 
montedepot Sperling versetzt. 


Yacanzen. 

Kreisthierarztstellen eto.: a) Neu ausgeschriebene Stellen: 
Bezirksthierarztstelle zu Kahla. Bew. (auch Militärpapiere) bis 
1. März b. d. herzogl. sächs. Ministerium, Abtheilung d. Innern, in 
Altenburg. 


*) Von den eingesandten Büchern werden hierunter Titel u. s. w. 
mitgetheilt Eine Verpflichtung zu eingehender Besprechung wird 
jedoch nicht übernommen; dieselbe bleibt Vorbehalten. 

Die Redaction. 


b) Nach Ablaufder Meldefrist noch unbesetzte Stellen: 
R.-B. Arnsberg: Altena mit dem Wohnsitz in Lüdenscheid. — 
R.-B. Königsberg: Neidenburg, Kreis- und Grenzthierarztstelle 
(nicht ausgeschrieben). 

Sanitätsthierarztsteilen : a) Neu ausgeschriebene Stellen: 
Guttstadt: Niederlassung zum 1. April Für Beaufsichtigung des 
städt. Schlachthauses 750 Mark. Meid. b. Magistrat bis 15. Februar. — 
Krojanke: Thierarzt für Fleischbeschau. Jährliche Remuneration 
von 1200 Mark von der Stadt. Bewerbungen bis 25. Januar an 
den Magistrat. — Neumünster: Zwei Thierärzte p. 1. IV. 03 Air 
Schlachtvieh- und Fleischbeschau. Gehalt 3000—4000 Mark. Be¬ 
werbungen bis 15. Januar an den Magistrat. Persönl. Vorstellung. 

b)Nach Ablauf der Meldefrist noch unbesetzte Stellen: 
Beuthen: Assistenzthierarzt2100 —3000M. — Clausthal-Zeller¬ 
feld: Thierarzt für Fleischschau. 3000 M. Fixum v. d. Fleischer-Innung. 

— Eschwege: Schlachthofvorsteher, 2100 M. Gehalt, steigend bis 
3300 M. Wohnung etc. Anstellung auf dreimonatliche Kündigung. 

— Gardelegen: Stelle des SchlachthoAnspecors. Pensions- 
berecl.tigtes Gehalt 1800 M., freie Wohnung und Feuerung. Privat¬ 
praxis gestattet. — Görlitz: Für den städt Schlachthof wird zum 
1. Januar 1903 ein technisch. Assistent gesucht. Gehalt 1800 M., 
steigend von 3 zu 3 Jahren um 300 M. bis 3600 M. Dienstwohnung, 
Pensionsberechtigung. — Gollnow: Inspector, 2250—3000 M., freie 
Wohnung etc., keine Privatpraxis; 1 Probejahr, lebenslängliche 
Anstellung. — Hammerstein: Schlachthausinspector. Derselbe 
hat die Fleischbeschau und Trichinenschau allein auszuführen. 
(1800 M. Privatpraxis gestattet. 6 Monate Probezeit, darauf viertel¬ 
jährliche Kündigung.) — Langendreer: Thierarzt für Fleisch¬ 
schau mit 1800 M. fest (ohne Pensionsberechtigung) Privatpraxis. 
Schlachthausbau in Aussicht. Bew. an Amtmann Schüler. — 
Langensalza: Director 2000 bis 2700 M., freie Wohnung etc., 
Pensionsberechtigung. 1 Probejahr. 1000 M. Caution. — Lim¬ 
burg a. L.: Vorsteher 1800 bis 2400 M. Sechs Monate Probezeit. — 
Lindow: Fleischbeschau. Lohnende Privatpraxis. — Marklissa: 
Thierarzt für Fleischschau mit 1600—2000 M.; ausserdem Privat¬ 
praxis. Bewerbungen an die Polizeiverwaltung. — Neuenburg: 
Inspector, 1600 M., freie Wohnung. Halbjährliche Probezeit — 
Plettenberg (Westfalen): Thierarzt für die ambulatorische Fleisch¬ 
beschau (ca. 1200 M. aus der Fleischbeschau, ausserdem Privat¬ 
praxis). Bewerbungen an den Amtmann. — Rakwitz (Posen): 
Scblachtviehbeschauer zum 1. October er. (ca. 1500 M. und Privat¬ 
praxis). Meldungen an den Magistrat. — Rastenburg: Inspector 
zum 1. April 1903 oder früher. — Teuchern (Prov. Sachsen): 
Thierarzt für Praxis und Fleischbeschau. (Aus letzterer 1500 M. 
Gebühren.) Bewerbungen an den Magistrat. — Ueckendorf: 
Inspector zum 1. März 1903. Ein Jahr Probezeit; kann nach¬ 
gelassen werden. 3000 M., freie Wohnung etc. Keine Privat¬ 
praxis. Bew. an Amtmann Wedelstädt. — Vacha a. W.: Thierarzt. 
(1200 M. Fixa auB der Trichinenschau und staatlichen bezw. Ge- 
meindezuschüssen. Privatpraxis.) Gesuche an den Bürgermeister. 

— Wan ge rin: Sanitätsthierarzt sofort. (Privatpraxis gestattet). 
Auskunft beim Magistrat. 

Privatstellen: Alpen: (Niederrhein): Thierarzt. Auskunft beim 
Bürgermeister. — Castellaun (Rheinprov.): Thierarzt. Demselben wird 
die Vieh- und Fleischbeschau (jährl. 850Mark) übertragen. Die Bürger¬ 
meisterei zahlt in den ersten drei Jahren einen jährl. Zuschuss von 
450 Mark. Meldungen an den Bürgermeister. — Fiddichow (Oder): 
Thierarzt. Auskunft beim Bürgermeister. — Kemberg: Thierarzt. 

— Kobylin (Posen): Deutscher Thierarzt (750 M. Staatszuschuss). 
Meldungen an das Landrathsamt in Krotoschin. — Laage i. Meckl. 
Niederlassung erwünscht. Anfr. b. Magistrat. — Mehlsack in 
Ostpreussen. — Niemegk (Bez. Potsdam): Thierarzt Air Praxis. 
Auskunft beim Magistrat. — Schkölen (Thüringen): Thierarzt 
Anfragen an den landwirtschaftlichen Verein daselbst. — See¬ 
burg (Ostpr.): Thierarzt. Demselben wird die Schlachthausaufsicht 
mit übertragen. Bewerbungen an den Magistrat. — Worringen 
oder Dormagen. Niederl. erwünscht; amtliche Fleischschau kann 
übertragen werden. Anfr. b. Bürgermeisteramt. 


Verantwortlich fUr den Inhalt (excLItweratenthell): Prof. Dr. Schmaltz in Berlin. — Verla« und Eigenthum von Richard Schoetz ln Berlin. — Druck von W. Bllxenrtcln, Berlin. 


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Dl« .Berliner Thlerftrstllehe Woehemebrift* erscheint 
wöchentlich im Verlege von Richard Schoets In 
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die Wochenschrift, IS Pf. für Bestellgeld) frei ln’s Haus 
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fragen beliebe man so senden an Prof. Dr. 8chmalta, 
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Thierärztliche Wochenschrift 


Redaction: 

Professor Dr. Schmaltz-Berlin 

Verantwortlicher Redacteur. 

De Bruln KOhnau Dr. Lothes Prof. Dr. Peter Peters Preusse Dr. Schlegel Dr. Vogel ZQndel 

Professor Schlachthofdlreotor Departementsthlerarst Kreisthierarzt Departemonuthierarst Veterlnirassessor Profosaor Landes-Insp. f. Thierzucht Kreisthierarzt 

Utrecht. Cöln. Cöln. Angermünde. Bromberg. Danzig. Freiburg i. Br. München. MUlhansen i. E. 

Francke Dr. Jess Nevermann 

Kreisthlorarzt Kreisthierarzt Krelsthlerarzt 

Mülheim a. Rh. Charlottenbnrg. Bremervörde. 


Jahrgang 1903. 7 . Ausgegeben am 12. Februar. 


I n h a 1 1: Müller: Meine Erfahrungen mit Chlorbarium in intravenöser Anwendung und per os beider Kolik der 
Pferde. — Bianck: „Jodoien“, ein neues Ersatzmittel für Jodoform. — Petersen: Jodoien. — Lellmann: Zwei Fälle 
von Tuberculose bei Katzen. — Referate: Jess: Wochenübersicht über die medicinische Litteratur. — Tagesgeschichte: 
Reorganisation des Militär Veterinärwesens. — Wie sollen sich die Thierärzte zur Einführung der allgemeinen obligatorischen 
Fleischbeschau stellen? — Die Vorarbeiten zum neuen Reichs-Viebsencben-Gesetz. - Verschiedenes. — BUcheranzeigen 
und Kritiken. — Personalien. — Vacanzen. 


Meine Erfahrungen mit Chlorbarium in intravenöser 
Anwendung und per os bei der Kolik der Pferde. 

Von 

Müiier-Horneburg, 

Thierarzt 

Ich hatte mich verpflichtet nachstehende Erfahrungen zn 
veröffentlichen, weil sie im Gegensatz stehen mit den einige 
Male mitgetheilten massenhaften günstigen Erfahrungen, die mit 
der Anwendung des Chlorbarinms gemacht nnd in der Fach¬ 
presse mitgetheilt sind, zumal von Seiten, von denen man an¬ 
nehmen muss, dass bei der Fülle des Versnchsmaterials sie 
maassgebend sein müssten. 

Als seiner Zeit die ersten Veröffentlichungen erschienen 
über die Anwendung des Chlorbarinms bei der Kolik der Pferde 
per os und intravenös, machte ich mich an die Anwendung des 
Medicamentes in mir geeignet erscheinenden Fällen. Im Ganzen 
habe ich es etwa 40 Mal angewandt und zwar bei hannoverschen 
Halbblutpferden mit Ausnahme trächtiger Fohlenstuten. 

Anfangs war es noch nicht bekannt, dass das Chlorbarinm 
in seiner concentrirten Anwendung von 1 : 10 intravenös auf 
ein Mal injicirt leicht die Veranlassung zn Herzkrämpfen sein 
könnte, in Folge dessen passirte auch mir ein prompter Todes¬ 
fall zwei Minuten nach intravenöser Application bei einem 
Kolikpatienten, dessen Puls noch gut fühlbar war und der noch 
nicht erheblich krank erschien. Dieser Fall wnrde seiner Zeit 
auch von mir veröffentlicht. Auf dieselbe Weise verendete 
einige Zeit später mit derselben Promptheit nnd unter Herz¬ 
krämpfe nein Kolikpatient nach 0,8 : 10 C. intravenös. Anch bei 
diesem Patienten war der Puls gut fühlbar. Bei der Section 
dieses Pferdes konnten innerhalb der Bauchhöhle keine Er¬ 
scheinungen gefunden werden, die als die plötzliche Todesursache 
hätten angesehen werden können. Alsdann wnrde von competenter 
Seite die Anwendung des Medicaments dahin modificirt, dass in 
ca. eine Viertelstunde dauernden Zwischenpausen drei bis vier 
Mal je 0,25 des Mittels angewandt worden. Bei dieser Be¬ 


handlung habe ich gute und auffallende Erfolge gesehen, haupt¬ 
sächlich rasche Erfolge und das ist eben das Bestechende bei 
der Chlorbariumbehandlnng. 

Ich bemerke, dass die Behandlung der Koliker nicht 
schematisch betrieben wnrde, sondern dass jeder einzelne Fall 
auf Grnnd seiner muthmasBlichen Ursachen individnalisirt nnd 
danach behandelt wnrde. Es wurden die sog. Erkältungs¬ 
koliken und die, die mit Harnverhaltung als Ursache anftreten 
nnd als solche erkannt worden, nicht mit diesem heroischen 
Mittel behandelt, sondern nur diejenigen, bei denen eine möglichst 
baldige Entlastung des Darmcanals indicirt erschien. Eine 
ganze Reihe zufriedenstellender Resultate waren zu verzeichnen, 
bis ich eines Nachts eine vieijäbrige hannoversche Stute, die 
sich zur Winterszeit bei Mangel an Bewegung an Rauhfatter 
überfressen hatte, weit ab von Hans zn behandeln hatte. Anf 
Grund der Mastdarmuntersuchung war bei dem Pferde eine 
starke Anschoppung in den Dickdärmen zu constatiren. Appetit 
bestand noch, daneben aber intermittirende Leibschmerzen. Die 
Defäcation war immer weniger geworden nnd sistirte seit acht 
Stunden ganz. Entsprechend dem Untersuchungsbefund war 
dem Pferde eine kräftige Schüttelmixtor von Aloe, Tart. stibiat. 
nnd Natr. sulfuric. zngedacht, bei der Application wurde jedoch 
die Flasche durch eine Ungeschicklichkeit zerbrochen. Nun 
war das Chlorbarinm kurz vorher von einem Kliniker als ein 
„non plus ultra“ bei der Kolik der Pferde empfohlen worden 
nnd wenn ich das auch nicht geglaubt habe, so machte ich 
doch in diesem Falle, da ich mich bei der weiten Entfernung 
von Haus in Verlegenheit befand, ans der Noth eine Tugend 
nnd applicirte dem Pferde in viertelstündlichen Pansen vier Mal 
je 0,25 Chi. in 10 Aqu. dest. — Die Behandlongsweise liess mich 
glatt im Stich. Ein bis zwei Mal ein oder zwei kleine Koth- 
ballen, war alles, was sich sehen liess; dann beruhigte sich das 
j Pferd und es war wieder beim Alten. Im Laufe der nächsten 
zwölf Stunden wurden erhebliche Wassermengen per annm 
infhndirt, eine Aloemixtur verabreicht und nach viernndzwanzig 
Stunden war Patient genesen. 


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110 


BERLINER THTERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 7. 


Ein anderes Mal traten nach der Verabreichung von 6,5 
Chlorbarium in 750 Aqn. per os bei einem neunjährigen Halb- 
blutwallacb so bedrohliche Unruhe- und Schwächeerscheinungen 
auf, dass ich darauf gefasst war, jeden Augenblick den letalen 
Ausgang des Falles zu erleben. Selbst dem Besitzer waren die 
Symptome der Chlorbarium Wirkung auffällig. Nach vier Stunden 
verloren sich die beängstigenden Wirkungserscheinungen, aber 
Tage lang litt Patient noch unter allgemeiner Schwäche und 
geschwollenen Gliedmassen. Da mir auf Grund dieses selbst 
und genau beobachteten Falles selbst die Dosis von 6,5 per os 
noch als verhängnisvoll erscheinen musste, wandte ich für die 
Folge Einzeldosen von 4,0 per os in viertelstündlichen Pausen 
an, namentlich bei den schnell entstandenen Windkoliken, habe 
aber keine offensichtliche Wirkung davon beobachten können, 
auch habe ich es nur einige Male in dieser Form angewandt. 

Der letzte Fall endlich bereitete mir eine höchst fatale 
Ueberraschung und hat mich geradezu empört 

Ein junges, gut genährtes, anscheinend fehlerfreies Pferd, 
war seit fünf Stunden kolikkrank, der Puls gut fühlbar, regel¬ 
mässig, nicht sehr hart, ohne Besonderheiten. Abdomen mässig 
gefüllt; ich dachte an eine leichte Ueberfütterung. Da ich 
glaubte dem Patienten mit einer Leibesöffnnng helfen zu können, 
so applicirte ich demselben 0,25 Ba. chl. in 10 Aqu. dest., (nicht 
mehr und nicht weniger) einer selbst zubereiteten Lösung ohne 
technischen Fehler intravenös. Eine halbe Minute später fing 
das Pferd an zu taumeln und stürzte gleich darauf nieder. Der 
ganze Körper zog sich in ein Knäuel zusammen, streckte sich 
dann, erhob sich wieder, um gleich darauf umzufallen und zu 
verenden. Der Chlorbariumtod mit der schon häufiger beobachteten 
Schnelligkeit und Promptheit war unverkennbar. Die Section 
dieses Patienten, die ich ans naheliegenden Gründen unter Zu- 
hülfenahme eines Collegen machte, ergab in der Bauchhöhle 
keine Ursachen für den plötzlichen Tod. Am Magen und Zwerch¬ 
fell hingen kleine röthlichgraue weiche schlotterige Efflorescenzen, 
sonst nichts Bemerkenswerthes. 

In der Brusthöhle auf dem Lungentiberzug und der Rippen¬ 
wandung, ebenfalls kleine, schlaffe, röthlich graue bindegewebige 
Anhängsel. Das Herz war auffallend schlaff, der rechte Ventrikel 
bedeutend erweitert und auffallend dünnwandig. Die Lungen 
strotzend mit schwarzem Blut gefüllt. 

Wenn nun auch auf Grund des Sectionsbefundes und einigen 
anamnestischen Wahrscheinlichkeiten vielleicht mit Recht 
geschlossen werden darf, dass in Rede stehendes Pferd im 
Frühjahr 1902 die Influenza durchgemacht habe und in Folge 
davon eine Herzerweiterung mit daraus resultirender verminderter 
Funktionsfähigkeit und Widerstandskraft des Herzens erworben 
habe, so bleibt doch dieser Fall für den Praktiker, der dem 
Urtheile des Publikums ausgesetzt ist, sehr fatal, viel unan¬ 
genehmer wie für den Kliniker. 

Bemerkenswerth für Beide, insofern es einmal nicht sehr 
leicht ist, sich bei der Untersuchung eines Kolikers, dessen Puls 
durch Schmerzen verändert ist, zu vergewissern, dass eine ver¬ 
minderte Herzenergie vorhanden ist, und weil es eine wohl un¬ 
bestrittene Tbatsache, ist dass sehr viele Pferde an einer mehr 
oder weniger erheblichen Herzerweiterung leiden. 

Räthselhaft bleibt mir, dass gerade mir unter ca. vierzig 
Fällen es passieren muss, dass zwei einwandsfreie Chlorbarium¬ 
todesfälle nach intravenöser Application von 1: 10 resp. 0,8 :10 
und einer gar nach 0,25 : 10 eingetreten sind und ein Mal die 


regelrechte Anwendung deB Medikamentes in einem gar nicht 
schweren Fall im Stich liess, wo Andere von hunderten von 
Fällen reden, in denen es sich bewährt haben soll, natürlich 
abgesehen von unheilbaren Erkrankungen. 

Das Chlorbarium war von guter Droguenfirma als purissimum 
bezogen und sah schneeweiss aus. Die Lösung ist von mir 
selbst mit nochmals gekochtem destillirten Wasser hergestellt. 

Meiner Ansicht nach bleibt für den, der Chlorbarium in¬ 
travenös zur Kolikbehandlung verwenden will, zu überlegen, ob 
es nicht rathsam ist, die Einzeldosen von 0,25 statt mit 10,0 
mit der zwei bis dreifachen Menge Wasser gelöst zu verwenden, 
vielleicht ist eine zu starke Concentration des Medicaments die 
Ursache dieser energischen Alteration der nervösen Elemente 
des Herzmuskels und auch der andern Körpermusculatur. 

„Jodolen“, ein neues Ersatzmittel für Jodoform 

von 

Emil Bianck-Hamburg-Eppendort 

pract Thierarzt. 

Seit Anfang dieses Jahres wurde von mir an Stelle des 
eine dominirende Stellung in der Wundbehandlung einnehmenden 
Jodoforms vielfach ein anderes Jodpräparat verwendet, welches 
die Firma Kalle «St Co., Anilinfabriken in Biebrich a. Rb., 
unter dem Namen „Jodolen“ in den Handel bringt. Das Jodolen 
ist ein specifisch leichtes, weissgelbliches, geruchloses und fast 
geschmackloses Pulver, welches sich eigenartig fettig anfuhlt 
und leicht wie Puder auf der Haut haftet. Das Präparat ist 
als Jodol-Eiweiss zu charakterisiren und ist die Herstellung 
desselben der obengenannten Firma durch das Patentgesetz 
(D. R. P. 108 904) geschützt. Die Wirkung des Jodolens unter¬ 
scheidet sich nach Feststellungen von Sommerfeld (Archiv für 
Dermatologie und Syphilis, Band 52, Heft 1) von der des Jodo¬ 
forms vortheilhaft dadurch, dass Jodolen seine Wirksamkeit 
sofort in der nicht inficirten Wunde entfaltet und letztere 
aseptisch macht, während Jodoform langsam sein Jod abspaltet 
und hauptsächlich erst nach eingetretener Infection wirksam 
wird. Dabei wirkt Jodolen in viel höherem Grade als Jodo¬ 
form, selbst als Jodoformium farinosum, austrocknend und 
anaesthesirend, wie ich letzteres besonders auch bei Behandlung 
von Wunden am eigenen Körper constatiren konnte. Die bei 
Jodolen-Behandlung auftretenden Granulationen zeigen viel 
schneller als bei Jodoform-Behandlung Tendenz zur Heilung, 
wie sich bei gleichzeitiger Anwendung beider Präparate bei 
einem und demselben Thiere (einem durch Stacheldraht an den 
verschiedensten Stellen verletzten Jagdhunde und einem durch 
sein Nebenpferd an mehreren Stellen über Nacht geschlagenem 
Pferde) zeigte. Auch erweckte es den Anschein, als ob Jodolen 
nicht so stark irretirend auf die Wundfläche wirkte, wie dies 
beim Jodoform, welches ja vielleicht wegen seiner schweren 
Löslichkeit fremdkörperartig die Wunde bezw. die Granulationen 
beeinflusst, der Fall ist. Schliesslich war in den Fällen, wo es 
sich um Wunden in der Nasengegend handelte, die Behandlung 
mit Jodolen deshalb vorzuziehen, weil besonders bei Jagd¬ 
hunden sonst die Nase litt, resp. weil die Thiere sich gegen die 
Behandlung mit dem intensiv riechenden Jodoform sträubten. 
Die Geruchlosigkeit des Jodolens gab auch Anlass zur Ver¬ 
wendung desselben in der feineren Hundepraxis, da es ja nicht 
möglich ist, durch alle möglichen desodorisirenden Mittel (Kaffee, 
Pfefferminzöl etc.) den für manche Thierbesitzer unangenehmen 


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12. Februar 1903. 


BERLINER THTERÄRZTLICIIE WOCHENSCHRIFT. 


111 


Geruch den Jodoforms zu beseitigen. Innerlich wurde Jodoien 
(2,0 pro dosi, dreimal pro die) Pferden gegen Drüsenschwellungen 
verabreicht und wurde bei Abnahme der Schwellungen keine 
unangenehme Nebenwirkung beobachtet, nur trat der 
charakteristische Jodschnupfen ein. Bezüglich der Indicationen, 
bei welchen Jodoien Verwendung fand, füge ich noch die 
klinischen Termini technici an, da ja dann jeder Kollege ohne 
Weiteres sich wird zurechtfinden können: Nageltritt, Wunden 
aller Art, Fisteln, Acne auf dem Nasenrücken des Hundes, 
Drüsenschwellungen (innerlich), Otitis externa des Hundes, Ge¬ 
schwüre, Verbrennung, Hautausscbläge (Eczema madidans resp. 
Mauke) etc. 


Jodolen. 

Von 

Petersen-Altrablstedt. 

Tbierarzt 

Von der chemischen Fabrik Kalle & Co., Biebrich a. Rb., 
wurden mir bereitwilligst zwei Quanten ä 250,0 Jodolen zu Ver¬ 
suchszwecken zur Verfügung gestellt. Die ausserordentlich 
günstigen Resultate, die ich mit diesem neuen Jodpräparat 
gehabt habe, glaube ich den Herren Collegen nicht vorenthalten 
zu dürfen. 

1. Rapphengst: sehr schwerer Kettenhang auf beiden Hinter- 
schenkeln, so dass beide Fesselbeugen bis fast auf den Knochen 
durchgescheuert waren. Nach gründlicher Reinigung mit 3proc. 
Creolinwasser wurde ein Jodolen-Watte-Verband angelegt, der 
Anfangs täglich zweimal erneuert wurde. Die Eiterung unter 
dem Verband war nach drei Tagen so gering, dass der Verband 
täglich nur einmal gewechselt wurde. Nach sieben Tagen war 
das Pferd wieder gebrauchsfähig. 

2. Brauner Wallach war auf frisch aufgeschütteter Chaussee 
gestürzt und hatte sich beide VorderfuBSwurzeln derartig durch¬ 
geschlagen, dass die Synovia herausfloss. Die Wunden wurden 
mit Sublimatwasser (l%o) gereinigt, die Gewebsfetzen mit der 
Scheere entfernt und Jodolen-Watte-Verbände angelegt Zunächst 
wurden die Verbände zweimal täglich gewechselt, nach 6 Tagen 
jedoch nur einmal, da der Ausfluss der Synovia aufgehört hatte. 
Die Wunden zeigten gesunde Granulationen ohne irgend welchen 
üblen Geruch. Nach 18tägiger Behandlung konnte Patient 
wieder eingespannt werden und war vollständig geheilt. 

3. Pferd mit Lappenwunde am rechten oberen Augenlid. 
Nach gründlicher Reinigung mit 3proc. Borwasser wurde der 
Lappen mittels Knopfnaht angenäht, die Wundränder dreimal 
täglich mit Jodolen bepudert und zur Verhinderung des Scheuerns 
ein Leinenlappen über das Auge gebunden. Heilung ohne 
Eiterung nach 5 Tagen. 

4. Zweijähriges Fällen war auf einen Baumstumpf auf¬ 
gelaufen und hatte sich eine dreieckige Brustwunde zugezogen, 
deren grösste Tiefe 15 cm und Breite 25 cm betrug. Die 
Wunde ging links vom Brustbein unter die rechte Schulter (vor 
dem Pferde stehend gedacht). Der dreieckige Hautlappen war 
vollständig abgerissen. Nach Unterbindung der Arterien wurde 
die Wunde mit l%oiger Sublimatlösung ausgespritzt und mit 
Jodolen bepudert. Zunächst wurde diese Behandlung dreimal 
am Tage wiederholt. Nach 6 Tagen war die Eiterung jedoch 
so gering, dass eine einmalige Behandlung am Tage genügte. 
Nach 14 Tagen war die Wunde mit einer sehr kleinen Narbe 
tadellos geheilt. 


5. Pferd mit Kronentritt am linken Hinterschenkel. Seit 
14 Tagen hatte der Besitzer den Kronentritt mit Asa fötida 
behandelt. Beim Führen belastete das Pferd den linken Hinter¬ 
schenkel nur noch wenig. Die übelriechende Wunde wurde mit 
Seife und Bürste gründlich gereinigt, das necrotische Gewebe 
mit scharfem Löffel und Scheere entfernt und mit Creolinwasser 
ausgewaschen. Nachdem das Horn unter dem Kronentritt mit 
der Raspel verdünnt war, wurde ein Jod ölen-Verb and angelegt, 
der täglich erneuert wurde. Schon nach 2 Tagen belastet das 
Pferd bedeutend besser; der üble Geruch ist verschwunden. 
Nach 6 Tagen ist von einer Lahmheit kaum noch etwas zu 
sehen. Nach 12 tägiger Behandlung ist das Pferd wieder 
gebrauchsfähig. 

6. Breitenburger Rind, ca. 10 pfundiger Knieschwamm 
(Hygrom) an der rechten Vorderfusswurzel. Nach Abwerfen 
des Rindes und Unterbindung des rechten Vorderschenkels mit 
dem Esmarch’schen Schlauch wurde das ganze Hygrom mit 
Kapsel herausgeschält, die stehen gebliebenen Reste mit Scheere 
und scharfem Löffel entfernt und die Operationsfläche mit 
Creolinwasser gereinigt. Nach Bepudern mit Jodolen wurde 
die Haut ziemlich stramm vernäht, die Ränder der Naht 
wieder mit Jodolen bepudert und ein fester Verband angelegt. 
Jeden zweiten Tag wurde der Verband erneuert. Nach 8 Tagen 
wurden die Nähte herausgenommen; mit Ausnahme der untersten 
Naht war die Wunde gut geheilt. Nach 16 Tagen wurde der 
Verband fortgelassen und Patient war geheilt. Auffallend 
während der Behandlung war trotz der grossen Operationsfläche 
die geringe Eiterung. 

7. Rind, am rechten Metatarsus jauchige Stichwunde. Nach 
gründlicher Reinigung mit dem scharfen Löffel wurde die Wunde 
mit Creolinwasser ausgespritzt und ein Jodoienverband angelegt, 
der täglich gewechselt wurde. Heilung nach 7 Tagen. 

8. Hund mit Schnittwunde am linken Vorderfuss. Nach 
Reinigung mit Creolinwasser wurde die Wunde mit Jodolen 
bepudert und ein fester Verband angelegt. Jeden zweiten Tag 
wurde der Verband gewechselt. Heilung unter sehr geringer 
Eiterung in 8 Tagen. 

Diesen Beispielen könnte ich noch eine Reihe anderer an¬ 
fügen, die gleichfalls die vorzügliche Heilwirkung und Secretions- 
beschränkung des Jodolens beweisen würden; dasselbe ist ohne 
Zweifel eins der besten Wundpulver. Ich möchte dasselbe in 
der Wundbehandlung nicht mehr entbehren und kann den Herren 
Collegen einen Versuch mit demselben nur empfehlen. 


Zwei Fälle von Tuberculose bei Katzen. 

Von 

Professor Dr. Wilfred Lellmann, 

N. Y. Unlverilty. 

Durch Veröffentlichungen von Jensen, Cadiot, Froehner 
und anderen Autoren ist bewiesen worden, das Tuberculose bei 
Hunden und Katzen garnicht so selten ist, als man früher an¬ 
genommen hat Ueber Tuberculose bei Katzen ist indess ver- 
hältnissmässig noch wenig veröffentlicht worden; aus diesem 
Grunde möchte ich die folgenden beiden Fälle von Tuberculose 
nicht der Oeffentlichkeit vorenthalten; zumal die Befunde selbst 
als interessant bezeichnet werden dürften. 

No. 1. Weisse, männliche Angorakatze, circa 3 Jahre 
alt, war laut Vorbericht innerhalb der letzten 6 Wochen stark 
abgemagert und hatte träges Temperament gezeigt. Appetit 


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112 


No. 7. 


BERLINER TIIIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


war ziemlich gut geblieben. Meine Untersuchung ergab folgendes 
Resultat: 

Patient erscheint in stark abgemagertem Zustande; die 
sichtbaren Schleimhäute sind sehr stark anämisch, der Puls 
ist sehr klein und circa 130 mal per Minute Fühlbar. Die 
Athmung ist beschleunigt und beläuft Bich auf circa 30 Athem- 
züge per Minute. Auscultation des Thorax ergiebt anämische 
Herzgeräusche und stark vesiculäres bis unbestimmtes Athmen. 
Der Hinterleib des Thieres ist beträchtlich geschwollen und die 
Palpation ergiebt die Anwesenheit von Flüssigkeit. 

Eine Probepunction wird gemacht und die abgenommene 
Flüssigkeit erscheint in Farbe und Consistenz wie Milch. 

Die Blutuntersuchung d. h. die Blutkörperchenzählung er¬ 
giebt eine ungeheure Verminderung der rothen Blutkörperchen 
ca. 250,000 per cmm; das Verhältnis zwischen rothen und 
weisen Blutkörperchen beläuft sich nach mehreren Unter¬ 
suchungen wie 50:1. Es bestand somit eine ausgesprochene 
Leucocytose. 

Lymphdrüsenschwellungen sind intra vitam nicht nachweis¬ 
bar. Das Symptomenbild ist mit dieser Beschreibung erschöpft. 
Eine Urinuntersuchung konnte leider nicht gemacht werden. 

Nach diesen klinischen Erscheinungen zu urtheilen, wäre 
man berechtigt gewesen, die Diagnose auf Leucämie zu steilem 
und zwar laut Vorbericht auf acute. 

Differentialdiagnostisch kam nach meiner Meinung nur acute 
Miliartuberculose in Betracht. 

Aus diesem Grunde wurde die von der Bauchhöhle ent¬ 
nommene Flüssigkeit auf Tuberkelbacillen untersucht; und zwar 
nicht vergeblich. Auf diesem Befund hin wurde die Katze 
chloroformirt und eine Obduction sofort post mortem vorgenommen. 

In der Bauchhöhle befand sich über ein Liter einer trüben 
serösen Flüssigkeit mit reichlichem Fibringerinnsel. 

Die mesenterialen Lymphdrüsen waren vergrössert. 

In der Milz und Leber fanden sich unzählige sehr kleine 
weisse Knötchen, welche kaum die Grösse eines Hirsekornes 
hatten. 

Die Bronchial- und Mediastinaldrüsen waren ebenfalls ver¬ 
grössert; in den Lungen fanden Bich auch zahlreiche miliare 
Tuberkeln. — Nach diesem Befunde ist es ausser Zweifel, dass 
es sich um acute Miliartuberculose handelte. 

Interessant erscheint mir dieser Fall hauptsächlich deshalb, 
weil das klinische Bild das einer Leucämie war, wenngleich 
keine positiven Schwellungen der Lymphdrüsen intra vitam nach¬ 
gewiesen werden konnten; nur die Untersuchung der durch 
Probepunction erhaltenen Flüssigkeit hatte eine präcise Diagnose 
erlaubt 

No. 2. Weibliche weisse Angora Katze, ca. 2 Jahre alt, 
war laut Vorbericht während der letzten Monate abgemagert. 

Die klinische Untersuchung ergab in Kurzem folgendes: 
Stark abgemagert, Haarkleid gesträubt, die sichtbaren Schleim¬ 
häute sehr anämisch, kleiner frequenter Puls, Percussion des 
Thorax ergiebt ausgesprochene Dämpfung auf beiden Seiten. 
Anämische Herzgeräusche, Husten, Dyspnoe, Reibungsgeräusche, 
bronchiales Athmen. Bei Palpation des Abdomens lässt sich 
ein Tumor fühlen und zwar direct unterhalb der Wirbelsäule. 
Wahrscheinlichkeitsdiagnose war Tuberculose, daraufhin wurde 
das Thier getödtet. 

Die Obduction ergab kurz folgenden Befund: Geringe Menge 
einer weisslichen Flüssigkeit in der Bauchhöhle, starkvergrösserte 


Lymphdrüsen, welche die Grösse eines Hühnereies hatten, 
starke Milzvergrösserung; dieselbe enthielt zahlreiche Tuberkel¬ 
knoten, von der Grösse einer Erbse bis zu der einer Haselnuss. 
Das Omentum enthielt gleichfalls zahlreiche Tuberkelpackete. 
Die Lungen waren ebenfalls bedeckt und durchsetzt mit zahl¬ 
reichen Tuberkelknoten, die fast alle ziemlich gleiche Grösse 
hatten, ungefähr die einer Erbse; der Inhalt sämmtlicher ge¬ 
öffneten Knoten erwies sich als rahmähnlich und enthielt un¬ 
zählige Tuberkelbacillen. Die Pleura zeigte ebenfalls zahlreiche 
Tuberkeln. Die bronchialen und mediastinalen Lymphdrüsen 
waren wesentlich vergrössert. 

Referate. 

Wochenfibersicht Aber die medicinische Litteratnr. 

Von Dr. Jess-Charlottenburg, 

KreUthiermrct, 

Münchener Medicinische Wochenschrift No. 1. 1903. 

Ueber primäre Actinomycose der Fnsswurzelknochen von Prof. 
Bollinger, Vehikel für die Pilzsporen sind Aehren, Grannen, 
Stroh, Heu, Erde, Milch, Mehl. Die Eintrittspforte sind krank¬ 
hafte Zähne, die Tonsillen, die Lungen und der Darm. In- 
cubationsdauer bis zu 2 Jahren ist bekannt. Verschleppung 
auf dem Wege der Lymphbahn kommt nicht vor, dagegen sind 
hämatogene Metastasen beobachtet. Beim Menschen verläuft 
die A. als chronische Phlegmone mit Eiterung. Es folgt Be¬ 
schreibung eines Falles, in welchem ein Patient 53 Jahre vor 
erfolgter Amputation eine Wunde sich zuzog, in welche Acti- 
nomyceskeime gelangten und latent und lebensfähig blieben. 
Späteiterungen nach Schussverletzungen (59 Jahre) sind bekannt. 
Möglich wäre auch eine kryptogene, hämatogene Infection. 

Altes und Neues zur pathologischen Anatomie des nomatösen 
Brandes, von H. v. Ranke wird auf das Original verwiesen. 

Zur Behandlung des Soharlaohs mit Reoonvalescentenserum von 
Rumpel. Nach einem Vortrag im ärztl. Ver. in Hamburg ist 
anzunehmen, dass die Verwendung von Reconvalescentenserum 
bei Scharlach einen günstigen Einfluss nicht erkennen lässt. 
Dieselbe Zeitschrift No. 4, 1903. 

Ein Fall von Heilung des Rotzes heim Menschen von Nicolle- 
Dubois. Verf. theilen in der Presse m^dicale No. 82 1902 einen 
Fall mit, in dem ein Landmann eine vom Auge (Conjunctiva) 
ausgehende Rotzinfection acquirirte. Es wurden die infiltrirten, 
regionären Lymphdrüsen exstirpirt und alle 6 Tage eine Injection 
von Färsenserum verabreicht. Die Heilung trat dann ein und 
hielt bis jetzt 8 Monate an. 

Dieselbe Zeitschrift No. 5, 1903. 

Den Erreger von Tollwuth hat angeblich, wie der M. M. W. 
mitgetheilt wird, Prof. Sormanis in Paris aufgefunden. — 
Prof. S. hat den Lehrstuhl der Hygiene in Paris inne und gilt 
als einer der tüchtigsten Professoren jener Universität, sodass 
man mit einiger Spannung weiteren Nachrichten entgegensicht. — 
Deutsche medicinische Wochenschrift. 1903, No. 3. 

Blutsenjmtherapie bei der Dysenterie von Prof. Kruse. Wird 
auf das Original verwiesen. 

Ueber Jodoform-Calomel-Behandlung macht Fasching in der 
W. m. Pr. 1. Mittheilung. Auf feuchten Substraten entsteht aus 
der Mischung ätzendes Quecksilberjodid- und -jodür. — Bei 
eitrigen, tuberculösen etc. Geschwüren soll diese Therapie von 
Vortheil sein. 


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12 Februar 1903. BERLINER TIITERARZTLICIIE WOCHENSCHRIFT. 113 


Zur forensischen Serumdiagnostik des Blutes theilte Eratten 
auf der 74. Naturforscher-Versammlung mit (W. m. W. 1), dass 
er diesen Blutnachweis nicht für unbedingt specifisch hält. 

Dermatitis durch Hantiren mit Primula obconica. Neuberger 
theilt im Aerzte-Verein Nürnberg am 6. November 1902 einen 
Fall mit, in welchem ein Mädchen durch Eindringen der Härchen 
von den Blättern und Stielen der Primula obconica papulöse 
und vesiculöse Efflorescenzen an beiden Händen acquirirte. 
IHeselbe Zeitschrift No. 4, 1903. 

Ueber die Unterscheidung von Menschen- und Thierknochen mittels 
der Wassermannschen Differencirungsmethode von Dr. Albert 
Schütze. Nach der Wassermannschen Eiweisspräcipitiv- 
differencirung8methode, nach welcher zuerst von Jess, dann von 
Uhlenhuth und Nötel u. a. die Trennung der verschiedenen 
Fleischarten und besonders der Nachweis von Pferdefleisch¬ 
verfälschungen ausgeführt wurde, hat Sch. ein Verfahren aus¬ 
gearbeitet, mittelst dessen es gelingt, frische oder mehrere 
Wochen alte Knochenstücke zu erkennen. Es werden die 2 bis 
4 cm langen und 1—3 cm breite Knochenstücke in 10—20 ccm 
einer 0,85 procent. Kochsalzlösung eine halbe Stunde bei Zimmer¬ 
temperatur unter öfterem Umschütteln aufbewahrt, dann klar 
filtrirt und zu je 5 ccm dieses Filtrats 0,5—1,0 ccm des homo¬ 
logen Immnnserums zugesetzt, nach t/ 2 —1 ständigem Stehen 
tritt dann der specifische Niederschlag ein. 

Einiges über die sogenannte „physiologische Kochsalzlösung“; 
von Dr. Engelmann. Als die mit dem menschlichen Blutserum 
isotonische Kochsalzlösung ist die ca. 0,9 % Na Cl-Lösung anzu¬ 
sehen. 


Tagesgeschichte. 

Reorganisation des Militär-Veterinärwesens. 

von Prof. Dr. Schmaltz. 

In Bayern ist die Neuordnung der Rangverhältnisse der 
Militärveterinäre, deren Bevorstehen schon gelegentlich der 
Veterinärrathssitzung betont wurde, vollzogen (vgl. B. T. W. No. G 
pg. 83). Dieselbe giebt den Stabsveterinären und Corpsstabs¬ 
veterinären die Stellung der höheren Beamten zurück, welche 
sie früher in Bayern schon besessen aber verloren hatten. In 
den Verhältnissen der Veterinäre ändert sich nichts. Die Corps- 
sfcabsveterinäre können den persönlichen Rang der IV. Classe 
erhalten, womit das Tragen der Stabsofficier-Candillen verbunden 
ist. Da die Herren diese Abzeichen auch schon vordem auf 
Grund persönlicher Verleihung trugen, so ist eigentlich äusser¬ 
lich wenig geändert. 

Diese Neuordnung dürfte die Erwartungen der bayerischen 
Veterinäre nicht erfüllt haben, namentlich nicht hinsichtlich der 
Stellung der Veterinäre. Aber auch die Corpsstabsveterinärstellen 
sind nicht so gehoben werden, wie dies für die Spitze des 
Veterinärwesens eines Armee-Corps nothwendig erscheint. Diese 
Stellen erfordern den Amtsrang der IV. Classe, der durch die 
persönliche Characterisirung keineswegs ersetzt wird. 

Indessen dürfte ein etwaiges Gefühl der Enttäuschung und 
Missstimmung näherer Erwägung nicht standhalten. Eben die 
Unzulänglichkeiten dieser Neuordnung kennzeichnen 
dieselbe als ein Provisorium. Gerade daraus kann man 
auf die Richtigkeit der Annahme schliessen, dass die definitive 
Reorganisation noch bevorsteht und diese gleichmässig 
für das ganze deutsche Heer durcbg<führt werden wird. 


Man darf annehmen, dass die Absicht besteht, ein Veterinär- 
Officier-Corps zu schaffen. Dies wird dem Vernehmen nach 
gerade im preussischen Kriegsministerium erwogen; es ist aber 
kein Zweifel, dass Süddeutschland diesen Schritt mitmacht, da 
er dort ja nur frühere Verhältnisse wiederherstellt. Da diese 
Reform jedoch vielleicht erst eintritt, wenn die erste Jahr¬ 
gänge der Abiturienten in das Heer treten (das wäre 1908) 
und man in Bayern die Veterinäre auf schon früher in Aussicht 
gestellte Verbesserungen nicht so lange warten lassen wollte, 
so ist eben hier eine vorläufige Maassregel getroffen worden. 

Mir war die Aussicht auf ein deutsches Veterinärofficier- 
Corps schon bekannt, als ich in München veranlasst wurde, 
betreffs des Militärveterinärwesens das Wort zu ergreifen*). 
Da vorzeitige Mittheilungen aber schaden können, so habe ich 
das für mich behalten. Zu solcher Zurückhaltung besteht kein 
Grund mehr, da seit Kurzem in Berlin ziemlich offen und 
allgemein davon gesprochen wird. 

So bestimmt auch die Nachrichten lauten, sie können falsch 
sein. Und selbst wenn sie richtig sind, so kann die bestehende 
Absicht noch unausgeführt bleiben. Aber da sie einmal bekannt 
geworden ist, so sind einige Worte der Beurtheilung am Platze. 

Es ist möglich, dass in den Kreisen der Nächstbetheiligten 
die Meinungen verschieden sind, dass Manche zunächst Bedenken 
hegen und vielleicht eine entsprechend höhere BeamtenBtellung 
bevorzugen würden. 

Fasst man aber, ohne Rücksicht auf persönliche und Erwerbs- 
Interessen, die Wirkung einer solchen Reform auf das Ansehen 
der Militärveterinäre, auf die Stellung der Thiermedicin neben 
der Medicin und auf die Entwicklung des ganzen thierärztlichen 
Standes ins Auge — und nur diese Gesichtspunkte können aus¬ 
schlaggebend sein — so kann man m. A. n. nur zu einem 
Urtheil gelangen: dieScliaffungeinesdeutschenVeterinär- 
officier-Corps ist das Ideal. Diese Maassregel würde eine 
Hebung des ganzen Standes nach innen und aussen bedeuten, 
wie sie wirksamer nicht gedacht werden kann. Nirgends wird 
dem Unbetheiligten der Vergleich zwischen Medicin und Thier¬ 
medicin so aufgedrängt, wie in der Armee, wo Sanitätsofficiere und 
Rossärzte neben einanderstehen. Nichts kann daher erwünschter 
sein, als dass der derzeitige himmelweite Unterschied dem Wesen 
nach beseitigt wird; den Graden nach werden Unterschiede 
natürlich bestehen bleiben und sind auch berechtigt. 

Wenn bisher für den Veterinär-Officier im deutschen Heere 
keine Stimmen laut geworden sind (im Gegentheil), so dürfte 
das darauf zurückzuführen sein, dass man dies für unerreichbar 
hielt und daher mit Recht davon absah, anscheinend zwecklose 
Bestrebungen hervorzurufen; ich wenigstens habe bo gedacht. 

Eine Voraussetzung muss natürlich an die Beurtheilung der 
Reorganisation geknüpft werden, — dass dasVeterinärofficier-Corps 

*) Eben desshalb wäre die mir zugeschricbene Aeusserung, die 
preussischen Collegen würden aufgebessert werden, „wenn auch 
nicht in dem Maasse wie die bayerischen“, ftir mich gerade¬ 
zu unmöglich gewesen, weil sie meiner Keuntniss direct wider¬ 
sprochen hätte. Der Berichterstatter der Deutsch, tb. Woch., Herr 
Fröhner, hat sich ebenda darauf berufen, er habe die oben durch 
Sperrdruck gekennzeichneten Worte „mit seinen gesunden Ohren 
gehört.“ Das ist möglich, er hat dann aber ihre Stelle und damit 
ihren Sinn verwechselt, denn ich habe ähnliches nicht betreffs des 
in Zukunft zu Erwartenden gesagt, sondern betreffs des Ver¬ 
gangenen, nämlich mit Bezug auf die letzte Gehaltsaufbesserung, 
die bekanntlich das Maass der bayerischen Gehälter nicht ganz er¬ 
reicht hat. 


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114 

dem Wesen nach dem Sanitätsofficier-Corps ähnlich organisirt 
wird, damit nicht eine ähnliche Stellung wie die des Feuerwerks- 
officiers herauskommt. Freilich ist dessen Vorbildung ja mit 
der des Veterinärs überhaupt nicht zu vergleichen; aber der 
Bildungsgrad allein entscheidet nicht. Es scheint mir in erster 
Linie wesentlich, dass die obersten erreichbaren Chargen nicht 
zu niedrig abgemessen werden. Was nicht avanciren und 
namentlich nicht über den Hauptmann hinaus kann, das wird 
in der Armee nicht für voll angesehen. Die Corpsrossärzte 
müssen also Stabsofficiere werden; das wäre die erste Grund¬ 
bedingung. Die persönliche Rangverleihung ist ganz ungenügend; 
in dieser Beziehung erinnert man sich unwillkürlich eines der 
vielen treffenden Worte des alten Kaisers Wilhelm: „Was soll mü¬ 
der Character-Major“. Der Corpsrossarzt, z. Z. der einzige beim 
Stabe des Corps, der die Candillen nicht von Amtswegen trägt, 
muss eine Charge höher stehen, als die Oberrossärzte. Das ist 
nothwendig, wenn seine Stellung als Vorgesetzter und das all¬ 
gemeine Ansehen des Veterinärwesens gewahrt sein soll. Die 
derzeitigen Oberrossärzte würden wohl den Hauptleuten II. und 
I. Classe entsprechend rangiren und die jetzigen Rossärzte 
wären wohl ebenfalls in zwei Classen entsprechend den 
Leutnants und Oberleutnants zu theilen; die Unterrossärzte 
müssten natürlich viel früher in die Officiercharge gelangen. 
Ob alten Oberrossärzten die Candillen persönlich verliehen werden 
sollten, ist eine Nebenfrage, deren Lösung sich später von selbst 
ergiebt. Dass der Name „Rossarzt“ schwindet, ist sicher, wie 
ich schon in München sagte. Bezeichnungen der Chargen ent¬ 
sprechend den jetzigen bayerischen sind die besten: Corpsstabs¬ 
veterinär, Stabsveterinär, Oberveterinär und Veterinär. Dass 
die Reorganisation auch in der Uniform ihren Ausdruck finden 
müsste, bedarf keiner Betonung. Die Officiers-Achsel-Abzeichen 
verstehen sich von selbst; aber auch der schwarze Tuchkragen 
bedarf am Waffenrock einer silbernen Belebung. 

Kommt es zu dieser Reorganisation und wird die Militär¬ 
rossarztschule und der Eintritt ins Heer entsprechend, wie schon in 
München ausgeführt, umgeformt, so wird die militärische Laufbahn 
an die Spitze des Veterinärwesens treten, auch hinsichtlich des 
Andranges. Das freilich ist sicher: ohne die Berechtigung zum 
einjährig-frei willigen Dienst, welche heute sogar den Volksschul¬ 
lehrern honoris causa zugeBtanden ist, giebt es kein Ansehn 
und keinen genügenden Zuzug. Als „gemeiner Soldat“ dienen 
zu müssen, gilt nun einmal in den meisten gebildeten Familien 
schlechtweg als eine Schande. Ob das berechtigt ist oder nicht, 
bleibt ausser Betracht; widersinnig ist es für einen gebildeten 
Menschen jedenfalls, auf das Vorrecht des einjährig-freiwilligen 
Dienstes verzichten zu müssen. Wenn man etwa meint, man 
würde „Söhne einfacher, armer Familien“ durch den 
Einjährigendienst abschrecken, so gewähre man diesen doch 
pecuniäre Erleichterungen. Sicher ist jedenfalls, dass man 
durch Versagung des Einjährig-Freiwilligen-Charakters „Söhne ge¬ 
bildeter Familien“ abschrecken würde. Die gegenwärtige Kenn¬ 
zeichnung der Aspiranten genügt nicht. Vom Abiturientenexamen 
ist der Einjährig-Freiwillige untrennbar. 

Es wäre, damit der Zugang zur Armee keine Unterbrechung 
erfährt, sehr erwünscht, wenn das preussische Kriegsministerium 
recht bald seine Absichten bekannt machte, selbst wenn deren 
Ausführung noch nicht so nahe bevorsteht. Diejenigen, die in 
die militärische Laufbahn eintreten möchten, machen ihren 
definitiven Entschluss natürlich davon abhängig. 


No. 7. 

Wie sollen sich die Thierärzte zur Einftihrnng der 
allgemeinen obligatorischen Fleischbeschanstellen? *) 
Vom Amtßthierarzt Opel-Markneukirchen i. Sa. 

Unter diesem Thema bringt Herr Professor Dr. Schmaltz 
in der No. 4 d. Wochenschrift einen sehr beherzigenswerten 
Artikel, sehr wichtig und interessant deshalb, weil wir am Be¬ 
ginn einer neuen Aera des tierärztlichen Standes in der Ge- 
sammtheit, der Aera der Fleischbeschaugesetzgebung, stehen. 
Nachdem die reichsgesetzliche Regelung dieser Frage nach 
langem Harren endlich erfolgt ist und sämmtliche deutschen 
Thierärzte, denen ja die Hauptarbeit an diesem sanitären 
Riesenwerk zufällt, nach gleichen Grundsätzen arbeiten müssen, 
ißt es nicht nur erwünscht, es ist auch Pflicht der Arbeiter, 
sich darüber zu einigen, wie diese Arbeit in der Zukunft er¬ 
ledigt werden soll und muss. Die neue veränderte Lage, die 
Altes umwertet, neue Werte schafft, darf uns nicht müssig 
finden, wir müssen uns wappnen und zeigen, dass wir den 
kommenden Verhältnissen gewachsen sind, dass wir den neuen 
Geist auch verstehen. Es kann hierüber garnicht genug ge¬ 
schrieben und gesprochen werden, wollen wir nicht an unserer 
mühsam errungenen socialen Stellung Schaden erleiden; wir 
haben es jetzt selbst in der Hand, diese Stellung noch zu ver¬ 
bessern, wir wollen nicht warten, bis man uns eine bescheidene 
Stelle in dem neuen Gebäude an weist; selbst wollen wir uns da¬ 
hin setzen, wohin wir gehören, denn vorläufig braucht man 
uns. Wir wollen das Eisen schmieden, so lange es warm ist, 
damit uns die späteren Geschlechter nicht den Vorwurf machen 
können, „sie haben den Augenblick nicht zu erfassen gewusst; 
alle ihre Kraft und ihr Können hat das eine Ziel absorbirt, aber 
den errungenen Sieg auszunützen haben sie nicht verstanden“. 

In dieser Beziehung ist von besonderer Bedeutung der Satz 
von Professor Schmaltz am Schlüsse seines Artikels: „In der 
heutigen Zeit kann selbst ein Gelehrtenstand eine gewisse Ge- 
nossenschaftlichkeit nicht entbehren.“ 

Dieser Zusammenschluss aller Angehörigen unseres Standes 
ist nie nötliiger gewesen wie eben jetzt. Zwar hat sich allent¬ 
halben diese Erkenntniss bereits Bahn gebrochen und die vielen 
in der letzten Zeit darauf gerichteten Bestrebungen legen Zeug- 
nisB dafür ab. Aber diese allerorts entstandenen und noch im 
Entstehen befindlichen Vereinigungen darauf hinzuweisen, 
welche Anfgaben vor Allem zu erledigen sind, welche Arbeit 
zuerst zu leisten ist, das mögen möglichst viele unter obigem 
Thema folgenden Besprechungen bewirken. 

Es ist aber wesentlich, dass aber nicht nur theoretische 
Erwägungen Platz greifen, sondern dass auch bereits gemachte 
Erfahrungen, und wären es unangenehme, veröffentlicht werden. 
Diese Erfahrungen besitzen aber wohl in reichem Masse wir 
sächsischen Thierärzte, die wir doch bereis seit beinahe drei 
Jahren unter denselben Verhältnissen arbeiten, wie sie das 
Reichsfleischschaugesetz für das ganze Reich vorsieht. Was 
in anderen Staaten erst werden soll, das ist bereits bei uns 
seit Jahren, und eben deshalb wollen wir nicht zurückhalten 
mit dem, was uns aufgefallen, was der Abänderung und Besserung 
bedürftig ist. Unhaltbares zu beseitigen, Versäumtes nachzuholen, 
dürfte sich wohl kaum ein geeigneterer Zeitpunkt finden lassen, als 
der jetzige des Inkrafttretens der neuen Reichsbestimmungen. 

*) Ein Tbeil der Ausführungen des obigen Artikels erfährt 
schon durch die bereits in No. 6 pg. 104 veröffentlichten Mit- 
theilungenKühnau’s eine Beantwortung. Ich habe trotzdem geglaubt, 
den Artikel unverkürzt veröffentlichen zu sollen. Schmaltz. 


BERLINER TIIIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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12. Februar 1903. 


BERLINER THIERÄRZTLIOIIE WOCHENSCHRIFT. 


Die Ausführungen des Herrn Prof. Schmaltz betreffen in 
der Hauptsache die Fleischbeschau aut dem flachen Lande bezw. 
kleinen Städten, und diese Verhältnisse bedürfen auch speciell 
der grössten Fürsorge und der sorglichsten Erwägungen, denn 
hier stellen sich die meisten Schwierigkeiten und Hindernisse 
in den Weg, — aber unüberwindlich sind sie nicht. 

Zunächst möchte ich mich gegen die scheinbar allgemeinere 
Auffassung wenden, dass die Fleischbeschau den Thierärzten 
nichts nutzen wird. Das ist glücklicher Weise ein Irrthum. Ich 
möchte im Gegentheil behaupten, dass in jeder Beziehung die 
Fleischbeschau demjenigen Nutzen bringt, der die richtige Auf¬ 
fassung von seinem Berufe hat, der es versteht, die Fleisch¬ 
beschau als das zu betrachten und hinzustellen, was sie ist und 
sein soll: Staatliche Maassnahme zur Verhütung von Krank¬ 
heiten beim Menschen, Beaufsichtigung des Fleischereibetriebes 
behufs Gewinnung hygienisch tadelloser Nahrungsmittel, Ein¬ 
dämmung der Thierseuchen und Nutzbarmachung der Ergebnisse 
der Fleischbeschau für die Landwirtschaft (vgl. Tuberculose, 
Leberegel, Finnen etc.) u. s. w. Das sind ideale Aufgaben, 
und solchen Zwecken seine Arbeit und seine Kraft zu widmen, 
kann doch unmöglich für den betreffenden Fleischbeschauer etwas 
anderes als die Achtung und Anerkennung seiner Mitbürger 
auch in kleineren Orten selbst bei in Vorurteilen befangenen 
Menschen zur Folge haben. Die Zukunft der Thierärzte liegt 
nicht so sehr auf kurativem, als auf sanitärem, hygienischem 
Gebiete; wir haben uns dieses Gebiet selbst erobert, darum 
müssen wir uns auch dessen annehmen. Und es ist gar nicht 
so undankbar, als man anzuuehmen geneigt ist. Man denke 
sich die Wirkung eines alljährlich veröffentlichten Berichtes 
über die Ergebnisse der Fleischbeschau des vergangenen Jahres 
— ich freue mich heut noch der erstaunten Gesichter meiner 
lieben Mitbürger, als der erste derartige Bericht am Ende des 
Jahres 1900 ihnen die lange Reihe von Beanstandungen und 
kaum geahnten Krankheiten bei Schlachtthieren vor Augen 
führte — ferner die rücksichtslose Aufdeckung von Mängeln 
und Fehlern und unhaltbaren Zuständen im Fleischereibetriebe. 
Man halte Vorträge über dieses oder jenes interessirende Thema; 
wie unbekannt sind zum Beispiel noch gewisse Wechsel¬ 
beziehungen von thierischen und menschlichen Parasiten in 
weiten Schichten der Bevölkerung und wie dankbar kann man 
sich letztere machen durch gelegentliche passende Aufklärungen 
oder Gespräche — und wäre es am Stamm- oder Biertisch. Hierin 
liegt nach meiner Ansicht in der Hauptsache das Moment, wodurch 
sich die Thierärzte wenigstens äusserlich von den Laien-Fleisch- 
beschanern unterscheiden können und unterscheiden sollen: Auf 
ihrer Seite die durch wissenschaftliches Studium begründete 
genaue Kenntniss der Funktionen des gesunden und kranken 
Thierleibes, welche ein sicheres Urtheil ermöglichen, auf der 
anderen Seite mechanischer Drill mit begrenzter Beurtheilungs- 
fähigkeit. Man glaube ja nicht, dass der gewöhnliche Mensch 
das nicht zu unterscheiden vermöchte. Allerdings giebt es Fragen, 
die den Unterschied verwischen, aber wo liegt da der Fehler? 

Wir in Sachsen arbeiten seit Jahren mit den Fleisch¬ 
beschauern und es sind unter diesem Personal gewiss auch viele 
intelligente Leute, die gewissenhaft und mit Verständniss ar¬ 
beiten, aber ich glaube kaum, dass das Ehrgefühl und das An¬ 
sehen eines Thierarztes darunter gelitten hat, oder der Be¬ 
treffende ist selbst daran Schuld — doch das wird natürlich 
Niemand zugestehen wollen. 


115 

Also eine Gefahr in dem Nebeneinanderarbeiten von Thier¬ 
ärzten und Laien möchte ich nicht erblicken; ich glaube im 
Gegentheil, das dadurch bedingte „Besser auf sich halten“ der 
Thierärzte gegenüber Laien, kann den Ersteren nur förderlich 
sein. Und noch eins: die Praxis allein hat es nicht vermocht, 
den Namen „Thierarzt“ anstatt des üblichen Doctor einzubürgern 
— mich hat man früher, aus Scheu, den Namen „Thier“ aus¬ 
zusprechen, vielfach mit „Herr Arzt“ angesprochen, aber der 
Gegensatz von Laien- zu wissenschaftlichen Fleischbeschauern 
hat dem Namen „Thierarzt“ scheinbar doch einen besseren 
Klang und eine bessere Bedeutung in den Augen des Publikums 
abgenöthigt, denn jetzt ist der „Herr Thierarzt“ bei uns auch 
die Persönlichkeit, die er werden und sein wollte. Uebrigens 
ist die Zuständigkeit des Laienfleischbeschauers durch das Gesetz 
derart beschränkt worden, dass eine Verwechselung desselben 
mit dem thierärztlichen Beschauer kaum möglich ist. 

Dass sich Fleischbeschauer ferner zu Pfuschern ausbilden 
könnten, diese Gefahr halte ich für sehr gering und nebensächlich. 
Man denke sich, dass den Fleischbeschauern in solchen Fällen 
durch die Aufsicht führenden Personen (beamtete Thierärzte) 
viel leichter beizukommen ist als pfuschenden Privatpersonen. 
Die blosse Fähigkeit der Feststellung von Temperatur- und 
Athmungszuständen — auf weitere Fertigkeiten braucht sich ja 
die Ausbildung nicht zu erstrecken — macht dieselben noch nicht 
zu Kennern von Krankheitsprocessen, vielmehr habe ich eine in 
der Ueberschätzung von Temperatur- oder Athemsteigerungen be¬ 
gründete Ueberängstlichkeit bei Fleischbeschauern häufig beob¬ 
achten können. Mit all’ diesem soll nicht etwa gesagt sein, dass die 
Ausbildung der Laien begünstigt oder dass die Fleischbeschau 
möglichst weitgehend Laien übertragen werden solle — im 
Gegentheil. Man wird der Fleischbeschauer nicht ganz ent- 
rathen können, aus Gründen, die ja genügend bekannt sind und 
hauptsächlich in territorialen Verhältnissen zu suchen sind, aber 
der Thierarzt ist und bleibt durch sein Studium der einzig 
bevorzugte und bevorrechtigte Sachverständige in Fleischbeschau¬ 
dingen und eben deshalb sehe ich nicht ein, warum sich der 
Thierarzt nicht „zur Ausübung der Fleischbeschau drängen“, 
warum „er besser ganz darauf verzichten solle“. Es ist viel¬ 
mehr anzuratlien, dass sich Thierärzte lieber wenig ein¬ 
trägliche Stellen entgehen lassen und möglichst die Fleisch¬ 
beschau in ihre Hände zu bringen suchen sollen. Die Zukunft 
wird es lehren, dass diese Anschauung richtiger ist, als sich 
von vornherein auf einen ablehnenden, naserümpfenden Stand¬ 
punkt zu stellen, vorausgesetzt, dass es sich um einträgliche 
Stellen handelt. 

„Einträglich“. Damit komme ich zur Gebührenfrage. 

Meines Wissens ist die Gebührenfrage weder in Preussen 
noch anderwärts schon einheitlich geregelt, ich glaube aber 
kaum, dass in Zukunft festzusetzende Gebühren hinter unseren 
gegenwärtig gültigen sächsischen Zurückbleiben werden. Diese 
letzteren betragen für Lebend- und Fleischbeschau zusammen 
1,50 Mk. für Grossvieh, 75.Pf. für Schweine (ohne Trichinen¬ 
schau) und 60 Pf. für Kleinvieh. Diese Sätze sind im All¬ 
gemeinen als ausreichend erachtet worden, wenn auch solche 
von 2 Mk. für Grossvieh bezw. 1,75 Mk. besser entsprechen 
würden und zu wünschen wären. 

Durch die Fleischbeschau in Sachsen haben viele Thier¬ 
ärzte ihr Brod gefunden, viele Orte, die vordem einem Thierarzt 
keine Existenz bieten konnten, Bind zu begehrten Stellen ge- 


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BERLINER TIIIERÄRZTLICIIE WOCHENSCHRIFT. 


No. 7. 


116 

worden, lediglich durch die obigen Fleischbeschaugebühren. Die 
Anschauung, dass sich die thierärztlichen Niederlassungen 
lediglich „nach der Möglichkeit einer genügend ausgedehnten 
und ertragreichen ärztlichen Praxis richten“, fällt mit dem 
Inkrafttreten der Fleischbeschau als veraltet in sich zusammen, 
die Erträgnisse der Fleischbeschau bestimmen fortan die Mög¬ 
lichkeit der Niederlassung und die Praxis tritt in den Hinter¬ 
grund. Das ist eine im Königreich Sachsen allgemein bekannte 
Thatsache und auch in Preussen und den übrigen Staaten wird 
es kaum anders werden. 

Dass sich nun auch kleinere Orte lieber einen Thierarzt 
wünschen als einen Laien, ist an sich eigentlich ganz ver¬ 
ständlich; ob alle Wünsche in dieser Richtung befriedigt werden 
können, hängt ab von der Zahl der vorhandenen Thierärzte und 
diese hinwiederum wird abhängig sein von der Zahl und Qualität 
der Angebote. In dieser Beziehung allerdings werden manchmal 
Stellen „gemacht“ und ausgeschrieben, die von Unverfrorenheit 
und absoluter Verständnisslosigkeit für die Existenzbedingungen 
eines Thierarztes zeugen. Solche „Mache“ verdient gar nicht 
genug Verurtheilung. Wie schon Schmaltz erwähnt, fliessen 
häufig die Gebühren in die Gemeindekasse, aus der der Thierarzt 
einen Theil bekommen soll, unter Hinweis auf die zu erwartende 
und freigegebene „lohnende“ Praxis. Ja, wem gehören denn 
eigentlich die Fleischbeschaugebühren? Der Gemeinde, weil sie 
in ihrem Edelmuth einen Fleischbeschauer mit der Ausübung 
der Beschau betraut hat, oder dem Beschauer selbst für seine 
Arbeit, die durch Gesetz genau vorgeschrieben ist? Im 
Königreich Sachsen sind die Gebühren durch Verordnung „für 
die Fleischbeschauer“ bestimmt, es unterliegt also keinem 
Zweifel, dass diesen die Gebühren gehören. Trotzdem giebt 
es in Sachsen viele Städte, welche ihren Thierärzteu einfach 
einen Theilbetrag als Fixum anssetzen, der Ueberschuss aus 
den Gebühren flieBSt in die Stadtkasse. Ist denn dies berechtigt? 
Wie ist dies überhaupt möglich und wo bleibt hier die Auf¬ 
sichtsbehörde, die darüber zu wachen hat, dass dem Sinne des 
Gesetzes auch allenthalben entsprochen wird? Ja, wenn die 
Städte einsichtsvoll genug sind nnd ihre Thierärzte zu vollbe¬ 
soldeten, vollberechtigten Beamten mit Pensionsberechtigung 
und Hinterbliebenenversorgung machen oder etwaige Ueber- 
scliÜ8se zur Beschaffung wissenschaftlicher Hülfsmittel, Microscope, 
Bücher, Zeitschriften etc. verwenden! Wo aber solche Einsicht 
nicht besteht, sondern fortgesetzt die Fleischbeschauer die 
Stadtsäckel bereichern müssen? Und wie steht es mit der 
dienstlichen Stellung der Thierärzte als Fleischbeschauer? 
Das Reichsgesetz sieht in dieser Beziehung nichts vor; die 
Regelung dieser Verhältnisse ist den Landesbehörden überlassen. 
Im Kgr. Sachsen sind in dem Fleischbeschaugesetz seither die 
Fleischbeschauer als Aufsichtsorgane der Ortspolizei an¬ 
zusehen. An anderer Stelle des Gesetzes wurden dieselben 
zur Anlegung eines polizeilichen Verschlusses von Schlacht¬ 
häusern bei Beanstandungen ermächtigt. Eine falsche Auffassung 
dieser Befugniss kann leicht zu Irrthümern Veranlassung geben. 
Nur so konnte es einem sächsischen Collegen, der einem 
Fleischer gegenüber sich als Polizeibeamter vorstellte, 
passieren, dass er zur Antwort erhielt: Ja, das möchten Sie 
gerne sein, sind’s aber nicht! (Tableau!) 

Im Grossen und Ganzen ist es der Willkür der Ortsbehörde 
selbst überlassen, in welche Klasse von Angestellten sie ihr 
Flei&chbeschanpersonal einreihen will. Sie kann anstellen, wen 


sie will, kann dieselben auch beliebig nach der üblichen y 4 jähr¬ 
lichen Kündigung wieder entlassen. Das ist ein beklagenswerther 
Zustand. Wie schon erwähnt, ist die Thätigkeit der Fleisch- 
beschaner durch Gesetz genau vorgezeichnet. Jeder Ort muss 
eiuen Beschauer haben. Ohne das nöthige Beschaupersonal ist 
das Gesetz nicht durchzuführen. Der Staat hat also ein 
Interesse daran, dass dies Personal die entsprechenden Existenz¬ 
bedingungen wirklich findet, es muss ihm staatlicher Schutz 
vor Ausbeutung gewährt werden, von Staatswegen muss die 
Stellung desselben in dienstlicher Beziehung geregelt werden, 
denn das Fleischbeschaupersonal ist lediglich zur Ausführung 
staatlicher Massnahmen vorhanden. Hier vor Allem müssten 
Aenderungen geschaffen werden. Hier müssten alle thierärzt¬ 
lichen Körperschaften sich vereinigen nnd genau fixirte An¬ 
stellungsbedingungen fordern, die dienstliche Stellung der Fleisch- 
beschauer, ihr Verhältniss zu der Polizei, die Pensions- undGebühren- 
frage — das sind Dinge, die genau und möglichst einheitlich zu 
regeln sind, das sind Aufgaben, die zuerst erledigt werden müssen. 

Um noch einmal auf die Gebührenfrage zurückzukommen, 
so ist gegenwärtig nichts nachtheiliger, als allzu hohe Forde¬ 
rungen zu stellen. In Sachsen ist es den Städten möglich, trotz 
der oben angeführten und verhältnissmässig geringen Gebühren¬ 
sätze ihre Thierärzte zu bezahlen und theilweise auch noch 
einen Theil selbst einzustecken. Einzeln betrachtet sind ja die 
Gebühren für die doppelte Untersuchung, für die damit ver¬ 
bundene doppelte Buchführung sehr gering, aber im Laufe eines 
Jahres summiren sich die Beiträge doch ganz erheblich. 
Und diese Gesamrateinnahmen halten eben manche Städte als 
Verdienst für die Thierärzte für zu hoch. Noch schlimmer 
würde dies natürlich werden, wenn die Gebühren übermässig in die 
Höhe getrieben würden. Diese würden dann noch viel weniger 
dem Fleischbeschauer als den Gemeinden selbst zu gute kommen, 
die Gemeinden würden die Gebühren weit mehr als Einnahme¬ 
quelle für sich betrachten, es würde damit ein schönes Unter¬ 
bietungssystem bei der Anstellung von Fleischbeschauern 
geschaffen und die natürliche Folge würde das sein, was wir 
eben vermeiden wollen — die Entstehung eines thierärztlichen 
Proletariats oder die Auslieferung der Fleischbeschau an die Laien. 

Ein Satz von 6 M. (horribile dictu) für Rinder, wie es vor¬ 
geschlagen wurde, ein dementsprechend hoher für die übrigen 
Thiere, würde bei meinen bescheidenen 4000 Schlachtungen 
jährlich eine Einnahme von ca. 20 000 M. bedeuten.*) Das wäre 
zu viel für die Fleischer bezw. das Publicum. Solche Sätze 
müssten nothwendiger Weise die Fleischpreise in die 
Höhe treiben. Uebermässige Ansprüche in dieser Richtung 
müssten schliesslich beim Publicum doch den Glauben erwecken, 
dass es uns bei der Fleischbeschau nur um das Geldverdienen 
zu thun wäre, und das wollen wir im Interesse der guten 
Sache doch vermeiden. Wir wollen vielmehr, und das halte 
ich für viel richtiger, uns in weiser Mässigung mit einem ge¬ 
ringen, allerdings angemessenen Betrag begnügen, dagegen als 
absolut nothwendig und berechtigt fordern, dass den Thier¬ 
ärzten in Orteu mit ambulatorischer Fleischbeschau die Ge¬ 
bühren in voller Höhe überlassen bleiben müssen. 

*) Herr College Opel übersieht hierbei doch wohl, dass ich 
in No. 4 J. T. B. W. ganz andere Verhältnisse im Auge hatte, 
nämlich nicht Orte mit 4000 Schlachtungen, sondern verstreut 
liegende Dörfer, wo die ansässigen Fleischer wenig schlachten und 
dem Beschauer bei der einzelnen Untersuchung ein unverhältniss- 
mässig grosser Zeitverlust entsteht. S. 


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12. Februar 1903 BERLINER THIERARZTLICITE WOCHENSCHRIFT. 117 


Den Thierärzten höhere Gebühren zu bewilligen als den 
Laienflei8chbeschanern bei der gewöhnlichen Beschau, dazu liegt 
meines Erachtens keine Veranlassung vor. Die Arbeitsleistung 
bei gesunden Thieren ist ja schliesslich dieselbe; dagegen 
bei kranken Thieren bezw. Beanstandungen und solchen Fällen, 
die nur dem thierärztlichen Beschauer Vorbehalten sind, müssen 
naturgemäss die Gebühren höhere sein, wie es auch bei uns 
der Fall ist. In Verbindung mit Reisekosten, falls Unter¬ 
suchungen ausserhalb des Wohnortes in Frage kommen, werden 
auch diese Gebühren befriedigen, wie die sächsischen Collegen 
beweisen können. 

Die Hauptsache ist die schon oben erwähnte möglichst ein¬ 
heitliche Regelung der Anstellungs- und der dienstlichen Ver¬ 
hältnisse der Fleischbeschaubeamten, speciell in den kleinen Orten 
ohne gemeinsame Schlachthöfe, in den Orten mit ambulatorischer 
Fleischbeschau. 

Das sind Aufgaben, die in erster Linie grössere thierärzt¬ 
liche Verbände beschäftigen sollen und müssen. Hier sind die 
Hebel einzusetzen und mit Energie und Rücksichtslosigkeit, wo 
es noth thut, diese Ziele zu verfolgen. Insbesondere der neu 
gegründete thierärztliche Bundesverband für das Königreich 
Sachsen kann nach dieser Richtung hin segensreiche Thätigkeit 
entfalten. Die thierärztliche Wissenschaft zu pflegen und zu 
fördern ist gewiss ein schönes Ziel, und wird den Beifall aller 
haben, dasselbe aber als Hauptzweck eines grossen Verbandes 
an erster Stelle zu setzen, halte ich nicht fiir richtig. Wissen¬ 
schaftlich fortbilden kann sich jeder selbst, Anregung genug 
bietet ja fortwährend die Fachpresse; aber die sociale Stellung 
der Thierärzte zu heben und zu verbessern, das vermag der 
einzelne nicht, das kann nur planmässige, zielbewusste Arbeit 
einer Gesammtvertretung, die als solche erst beachtenswerth 
wird und bei geeignetem Vorgehen auch Anerkennung finden 
muss. Aber dazu bedarf es der Mitwirkung Aller, beamteter, 
Sanitäts- und Privat- bezw. practischer Thierärzte. Leider aber 
sind gerade in dieser Beziehung die sächsischen Collegen wenig 
rührig, obwohl gerade wir in Fleischbeschaudingen Erfahrungen 
genug gesammelt und sich so manche Mängel herausgestellt haben, 
hört und liest man speciell aus Practikerkreisen doch nicht, man 
murmelt, man murrt auch bisweilen, aber immer nur in Einzel¬ 
kreisen, möglichst verschwiegen. Selbstverständlich aber können 
Mängel nicht abgestellt werden, wenn sie nicht bekannt, wenn 
sie Dicht als solche empfunden und als thatsächlich vorhanden 
an den geeigneten Stellen zur Kenntniss gebracht werden. 
Hierin mögen thierärztliche Körperschaften ihre Aufgabe suchen 
und im Verein mit einer richtig und gut geleiteten Presse unsere 
Wünsche an der geeigneten Stelle zum Ausdruck bringen — 
ein geeigneterer und günstigerer Zeitpunkt für die obigen Be¬ 
strebungen dürfte sich wohl so bald nicht wieder bieten. — 

Die Vorarbeiten znm neuen Reichs-Viehseuchen-Gesetz. 

Der Vorstand des Deutschen Landwirthschaftsraths hatte 
in einer Eingabe vom 9. Januar d. J. den Herrn Staatssekretär 
im Reichsamt des Innern gebeten, dass ihm für die Verhand¬ 
lungen seiner Plenarversammlung über die Abänderung des 
Viehseuchengesetzes der etwa schon fertiggestellte Gesetz¬ 
entwurf zur Verfügung gestellt werden möchte. Auf diese Ein¬ 
gabe ist folgende Antwort erfolgt: 

„Dem Vorstande beehre ich mich angeschlossen drei Exem¬ 
plare des Entwurfs einer Novelle zum Reichs-Viehseuchengesetze 


mit dem Bemerken zu übersenden, dass der Entwurf lediglich 
vorläufige, im Kaiserlichen Gesundheitsamt in der Hauptsache 
nach veterinärtechnischen Grundsätzen aufgestellte Vorschläge 
enthält, zu deren Einzelheiten die Reichsverwaltung noch nicht 
Stellung genommen hat, und dass die endgültige Gestaltung des 
Entwurfs von dem Ergebnisse der zwischen den betheiligten 
Ressorts schwebenden Verhandlungen abhängig ist. Es kann 
indess nur erwünscht sein, wenn der Deutsche Landwirthschafts- 
rath die Angelegenheit schon jetzt einer eingehenden Prüfung 
unterwirft. Für gefällige Aeusserung über das Ergebniss dieser 
Prüfung werde ich dankbar sein. 

In Vertretung: 

Graf von Posadowsky.“ 

In Folge dessen ist der Entwurf in voriger Woche im 
Deutschen Landwirthscbaftsrath berathen worden; thierärztlicher 
Referent war Departementsthierarzt Preusse. Der Veröffent¬ 
lichung des bisher sehr Beeret behandelten Entwurfes, dem der 
Landwirthschaftsrath zugestimmt hat, steht nun nichts mehr im 
Wege. 

Der Raum für eine Besprechung ist heute nicht verfügbar. 
Besonders hervorzuheben sind die neuen Paragraphen 8 a und 8b, 
sowie 52 a—d. Im allgemeinen entspricht der Entwurf den 
Wünschen und Beschlüssen des Deutschen Veterinärrathes voll¬ 
kommen. Nur bei der Lungenseuche ist zwar die Schutzimpfung 
beseitigt, aber die Beseitigung der Bestände nicht vorgeschrieben. 
Auch in der Auswahl der neu in das Gesetz aufzunehmenden 
Seuchen deckt sich der Entwurf mit den Beschlüssen des 
Veterinärrathes, obwohl z. B. hinsichtlich des Scheidenkatarrhs 
und der Influenza Abweichungen sehr nahe gelegen hätten. 
Dabei ist hervorzuheben, dass keinem der referirenden preussi- 
schen Departementsthierärzte der damals schon ausgearbeitete 
Entwurf bekannt war. Die thierärztlichen Mitglieder des Reichs- 
gesundheitsrathes beobachteten über denselben hartnäckiges Still¬ 
schweigen. Inwieweit die Beschlüsse des Veterinärrathes in der 
Anfang November im Kaiserlichen Gesundheitsamte stattgehabten 
endgültigen Berathung des Entwurfes zu Aenderungen der ersten 
Ausarbeitung geführt haben, entzieht sich der Kenntniss. 

Jedenfalls ist die Uebereinstimmung erfreulich und ein gutes 
Vorzeichen. Wenn in gänzlich von einander unabhängigen Be¬ 
rathungen die hervorragendsten Sachverständigen sich auf die¬ 
selbe Grundlage vereinigen, so wird das Richtige getroffen sein. 

Hervorgehoben mag werden, dass der deutsche Land¬ 
wirthschaftsrath sich für seine Berathung nicht nur die Be¬ 
schlüsse sondern auch die Verhandlungen des deutschen Veterinär¬ 
rathes zur Vertheilung an seine Mitglieder hatte abdrucken 
lassen. 

Der Entwurf wird freilich eventuell noch manche Aende¬ 
rungen erfahren. Das oben citirte Schreiben des Herrn Staats- 
secretärs betont, dass er zunächst hauptsächlich vom veterinär- 
technischen Standpunkte aus vorläufige Vorschläge mache. In¬ 
dessen ist das Vorhandensein einer technisch unanfechtbaren 
Grundlage immerhin das Wesentliche. 

Der Raum gestattete nicht, hierunter den gesammten Wort¬ 
laut des bisherigen Gesetzes neben die Abänderungsvorschläge 
zu stellen. 

Der Leser wird gebeten, sich Bayer’s Viehseuchen¬ 
gesetze oder den Veterinärkalender zur Hand zu nehmen und 
mit den dort zu findenden Gesetzesparagraphen den hierunter 
veröffentlichten Text zu vergleichen. Die veränderten Worte 


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118 


BERLINER TH1ERÄRZTLICIIE WOCHENSCHRIFT. 


and neuen Zusätze sind durch Sperrdruck hervorgehoben. 
Künftig wegfallende Theile sind in Kleindruck und Klammern 
angegeben. 

Vorläufige Vorschläge 

zur Abänderung und Ergänzung des Gesetzes, betr. 
die Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen, vom 
23 . 6 . 1880 / 1 . 5 . 1894 . 

§ 1 . 

(Zusatz.) 

Vieh im Sinne die3eB Gesetzes sind alle nutzbaren Haus- 
thiere einschliesslich Hunde, Katzen und Geflügel. 

Schlachtvieh im Sinne dieses Gesetzes ist Vieh, das be¬ 
stimmt ist, behufs Verwendung als Nahrungsmittel für Menschen 
alsbald geschlachtet zu werden. 

§ -• 

Die Anordnung nnd Ausführung der Abwehr- und Unter- 
drückong8maassregeln liegt den Landesregierungen und deren 
Organen ob. 

Absatz 2 (Znr Leitung des Verfahrens können besondere 
Commissare bestellt werden) ist zu streichen. 

(Sonst unverändert.) 

§ 3 - 

Abs. 2 soll lauten: Dieselben Befugnisse können den Vor¬ 
ständen der militärischen Remontedepots auch rücksichtlich der 
sonst dazu gehörigen Viehbestände, Bowie den Vorständen 
der landesherrlichen und der Staatsgestüte rücksichtlich der 
daselbst anfgestellten Viehbestände von den Landes¬ 
regierungen übertragen werden. 

§ 4 . 

Unverändert. 

§ 5 . 

Unverändert. 

I. Abwehr der Einschleppung aus dem Auslände. 

§ 6. 

Die Einfnhr von Thieren, die an einer übertragbaren Seuche 
leiden, und von verdächtigen Thieren (§ 1 Abs. 2) ist ver¬ 
boten. Dasselbe gilt für die Cadaver und Theile von 
Thieren, die an einer übertragbaren Seuche gefallen 
oder wegen einer solchen getödtet worden sind. 

§ 7. 

Abs. 2 soll lauten: Die Einfuhr- und Verkehrsbeschränkungen 
sind, soweit erforderlich, auch auf thierische Erzeugnisse 
und Rohstoffe sowie auf solche Gegenstände auszu- 
dehnen, welche Träger des Ansteckungsstoffes sein können. 

§ 8 . 

.... der für die Seuche empfänglichen Thiere (statt: 
der durch die Seuche gefährdeten) . . . 

II. Bekämpfung von Viehseuchen Im Inlande. 

A. Allgemeine Vorschriften. 

§ 8a (früher § 17). 

Alle Viehmärkte und öffentlichen Schlachthäuser 
sind durch beamtete Thierärzte zu beaufsichtigen. Dieselbe 
Maassregel kann auch auf die zu Handelszwecken oder zum 
öffentlichen Verkauf zusammengebrachten Viehbestände, auf die 
zu Zuchtzwecken öffentlich aufgestellten männlichen Znchtthiere, 
auf öffentliche Thierschauen, auf die durch obrigkeitliche An¬ 
ordnung veranlassten Zusammenziehungen von Vieh, auf private 
Schlachthäuser und Gastställe, auf Ställe und Betriebe von 


No. 7. 

Viehhändlern und Abdeckern, sowie auf gewerbsmässige 
Geflügelmästereien ausgedehnt werden. 

Der Thierarzt hat bei Feststellung eines Seuchen¬ 
ausbruchs oder eines Seuchenverdachtes soweit er¬ 
forderlieh sofort die Absonderung und Bewachung der er¬ 
krankten und der verdächtigen Thiere anzuordnen und im 
Uebrigen nach § 12 zu verfahren. 

§ Hb. 

Ferner können, sowohl um ausgebrochene Seuchen 
zu unterdrücken, als auch um dem Ausbruche von 
Seuchen vorzubeugen, folgende Maassnahmen allgemein 
angeordnet werden. 

1. Amtsthierärztliche oder thierärztliche Unter¬ 
suchung von Thieren vor dem Verladen und Ent¬ 
laden im Eisenbahn- und Schiffsverkehr; 

2. Verbot oder Beschränkung des Treibens von 
Handels- nnd Marktvieh auf öffentlichen Wegen; 
Beibringung von Ursprungs- und Gesundheits¬ 
zeugnissen für Handelsvieh und für das auf 
Märkte oder öffentliche Thierschauen gebrachte 
Vieh; 

4. Verbot der Abgabe von Magermilch und Milch¬ 
rückständen aus Sammelmolkereien ohne vor¬ 
herige Erhitzungbis zu einem bestimmten Wärme¬ 
grade und für eine bestimmte Zeitdauer; 

5. Verbot des Umherziehens mit Zuchthengsten zum 
Decken von Stuten und Beschränkung des Handels 
mit Vieh im Umherziehen; 

6. Herstellung von Viehladestellen mit undurch¬ 
lässigem Boden; 

7. Reinigung und Desinfection der zur Beförderung 
von Vieh dienenden Fahrzeuge einschliesslich 
Schiffe sowie der Behältnisse, Geräthschaften 
und der Ladeplätze; 

8. Regelung der Einrichtung und des Betriebes von 
Viehmärkten, Viehhöfen und Schlachthöfen, Gast- 
und Händlerstellen, Abdeckereien, Fell- und 
Häutehandlungen, insbesondere auch räumliche 
Trennung der Viehhöfe von den Schlachthöfen 
bei Neuanlage von solchen, sowie die Anlegung 
getrennter Zu- und Abfuhrwege für die Viehhöfe 
und Schlachthöfe; 

9. Meldepflicht für Gast- und Händlerställe sowie 
für private Viehmärkte; 

10. Beschränkung des Verkehrs mit den Erregern 
übertragbarer Krankheiten der Hausthiere; 

11. Regelung des Gewerbebetriebes der Viehcastrirer; 

12. Regelung des Verkehrs mit Fellen und Häuten. 

B. Anzeigepflicht. 

§ 9. 

.sofort der Polizeibehörde oder einer anderen von 

der Landesregierung zu bezeichnenden Stelle . . . . 
(Anzeige zu machen). 

.vorsteht, sowie demjenigen, der als Hirte oder 

Schäfer Thiere in Obhut hat und demjenigen, welchem 
vom Besitzer die Aufsicht übertragen ist, ferner be¬ 
züglich . . . . (liegt der Anzeigepflicht ob). 

.welche sich mit der Ausübung der Thierheilkunde oder 

mit der Castration von Thieren beschäftigen .... 


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12. Februar 1903. BERLINER TIIIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


.Bearbeitung geschlachteter, getödteter oder ver¬ 
endeter Thiere oder .... (statt: thierischer Cadaver). 

§ 10 . 

Seuchen, auf welche sich die Anzeigepflicht erstreckt, sind: 

1. Milzbrand, Rauschbrand, Wild- und Rinderseuche; 

2. Tollwuth; 

3. Rotz der Pferde, Esel, Maulthiere und Maulesel; 

4. Maul- und Klauenseuche des Rindviehs, der Schafe, Ziegen 
und Schweine; 

5. Lungenseuche des Rindviehs; 

6. Pockenseuche der Schafe; 

7. Beschälseuche der Pferde und Bläschenausschlag der Pferde 
und des Rindviehs; 

8. Räude der Pferde, Esel, Maulthiere, Maulesel und der 
Schafe; 

9. Schweineseuche und Schweinepest; 

10. Rothlauf der Schweine; 

11. Geflügelcholera und Hühnerpest; 

12. Tuberculose des Rindviehs, sofern sie sich in der 
Lunge in vorgeschrittenem Zustande befindet oder 
Euter, Gebärmutter oder Darm ergriffen hat. 

(Der Reichskanzler ist befugt).einzuführen und die 

Anzeigepflicht für einzelne der vorgenannten Seuchen 
aufzuheben. 

§ 11 . 

(Sonderstellung ständiger Milzbrandbezirke) 
zu streichen. 

C. Ermittelung der Seuchenausbrüche. 

§ 12 . 

(Der Thierarzt hat sein Gutachten darüber abzugeben) 

.und welche besonderen Maassregeln 

zur Bekämpfung der Seuche ihm erforderlich erscheinen. 

(In eiligen Fällen kann derselbe).auch deren Be¬ 

wachung sowie nach Vorschrift der Landesregierungen 
sonstige dringliche Maassnahmen zur Verhütung der 

Weiterverbreitnng der Seuche anordnen.(vgl. § 8a) 

§ 13. 

(Wenn über den Ausbruch einer Seuche nur mittelst Zer¬ 
legung eines) . . . Thieres oder mittelst Impf- oder Blut¬ 
probe Gewissheit zu erlangen ist, so können diese Maass¬ 
regeln von der .... 

§ 14. 

.Polizeibehörde die in diesem Gesetze.(es fallen 

fort die Worte „für den Fall der Seuchen-Gefahr“). 

§ 15. 

Ist der Ausbruch der Maul- und Klauenseuche (§ 10 Ziffer 4) 
des Bläschenausschlags der Pferde und des Rindviehs 
(§ 10 Ziffer 7), des Rothslaufs der Schweine (§ 10 
Ziffer 10), der Geflügelcholera oder der Hühnerpest 
(§ 10 Ziffer 11) durch das Gutachten des beamteten Thier¬ 
arztes festgestellt, so kann die Polizeibehörde auf die Anzeige 
neuer Seuchenausbrüche in dem Seuchenorte selbst (oder in 
dessen Umgegend) sofort die erforderlichen polizeilichen Schntz- 
maassregeln anordnen, ohne dass es einer nochmaligen Zu¬ 
ziehung des beamteten Thierarztes bedarf. 

(Auch ist in solchen Bezirken, in welchen sich der Milzbrand 
Btändig zeigt (§ 11), die Zuziehung des beamteten Thierarztes nicht 
in jedem Falle dieser Seuche erforderlich.) 

[An in : Die klein gedruckten und eingeklammerten Worte stehen 
im gegenwärtigen Gesetz und kommen in Wegfallj. 


§ 16 . 

Unverändert. 

§ 17 - 

Vergl. § 8a und 8b. 

D. Schutzmaassregeln gegen Seuchengefahr. 

§ 18 . 

Ist eine Seuche im Reichsgebiete ausgebrochen, so 
können je nach Lage des Falles und nach der Grösse der Ge¬ 
fahr, unter Berücksichtigung der betheiligten Verkehrsinteressen 
die nachfolgenden Schutzmaassregeln (§§ 19 bis 29 a) polizeilich 
angeordnet werden. (Bisher lautete der erste Satz: Im Falle 
der Seuchen-Gefahr und für die Dauer derselben.) 

§ 19. 

(Die Absonderung etc. der) für die Seuche empfäng¬ 
lichen Thiere, Beschränkungen des Personen- und 
Viehverkehr8 innerhalb der verseuchten Räumlich¬ 
keiten (Stall, Standort, Hof- oder Weideraum u. s. w.). 

.bestimmte Räumlichkeit nicht verlassen kann. [Anm.: 

Hier fällt die Bezeichnung der Räumlichkeiten fort]. 

§ 20. 

(Beschränkungen in) .... Transporte und in der Be¬ 
nutzung der für die Senche empfänglichen und solcher Thiere, 
welche .... 

Verbot oder Beschränkung des Handels mit Thieren 
im Umherziehen sowie ausserhalb des Sitzes der 
Handelsniederlassung. 

§ 21. 

(Verbot des freien Umherlaufens der).Schweine, 

Hunde und des Geflügels. 

§ 22. 

Die Sperre (des Gehöftes, des Ortes, der Weide) der Feld¬ 
mark, oder des sonstigen Sperrgebietes (Absatz 1) darf erst 
dann verfügt werden, wenn der Ausbruch der Seuche durch das 
Gutachten des beamteten Thierarztes festgestellt ist und wenn 
die Seuche ihrer Beschaffenheit nach eine grössere und all¬ 
gemeinere Gefahr einschliesst. 

(Die Sperre eines Ortes, einer Feldmark oder eines sonstigen 
Sperrgebietes (Absatz 1) ist nur dann zulässig, wenn die Seuche 
ihrer Beschaffenheit nach eine grössere und allgemeinere Gefahr 
einschliesst.) Die Sperre kann auf einzelne Strassen oder Theile 
des Ortes oder der Feldmark beschränkt werden. 

[Anm.: Die klein gedruckten und eingeklammerten Worte 
stehen im gegenwärtigen Gesetz und kommen in Fortfall]. 

§ 23. 

Die Impfung der für die Seuche empfänglichen 
(der Seuchengefahr ausgesetzten) Thiere, die thierärztliche Be¬ 
handlung der erkrankten Thiere, sowie Beschränkungen in der 
Befugniss zur Vornahme von Heilversuchen. 

(Die Impfung oder die thierärztlichc Behandlung darf nur in 
den Fällen angeordnet, werden, welche in diesem Gesetze aus¬ 
drücklich bezeichnet sind und zwar nach Maassgabe der daselbst 
crtheilten näheren Vorschriften). 

Die polizeilich angeordnete Impfung erfolgt durch den 
beamteten Thierarzt oder unter seiner Aufsicht. 

[Anm.: Die klein gedruckten und ein geklammerten Worte 
stehen im gegenwärtigen Gesetz und fallen fort]. 

§ 24. 

.verwendet zu werden, ferner auf solche Thiere, 

welche unter staatlicher Aufsicht für die Erforschung 
oder Bekämpfung von Seuchen benutzt werden. (Findet 
die Vorschrift der Tödtung keine Anwendung.) 


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No. 7. 


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BERLINER TIIIERÄRZTLICIIE WOCHENSCHRIFT. 


§ 25. 

Unverändert. 

§ 26. 

7. Die unschädliche Beseitigung der Cadaver solcher Thiere, 
welche zurZeit des Todes an der Seuche gelitten haben 
oder der Seuche verdächtig sind, und solcher Theile . . . 

§ 27. 

8. Die Unschädlichmachung (Reinigung und Desinfection) 
der von den kranken oder verdächtigen Thieren benutzten 
Ställe, Standorte, Ladestellen und Wege, sowie des von 
ihnen herrührenden Düngers und die Unschädlichmachung oder 
unschädliche Beseitigung der mit denselben in Berührung ge¬ 
kommenen Geräthschaften und sonstigen Gegenstände, insbe¬ 
sondere auch der Kleidungsstücke solcher Personen, welche mit 
den kranken Thieren in Berührung gekommen sind; erforder¬ 
lichenfalls auch die Reinigung und Desinfection der Personen, 
welche mit seuchenkranken oder verdächtigen Thieren in Be¬ 
rührung gekommen sind, ferner der Thiere, die Träger des 
Ansteckungsstoffes sein können, sowie der Streu- und 
Futtervorräthe. 

Die Reinigung undDesinfection der von znsammengebrachten, 
für die Seuche empfänglichen Thieren benutzten Wege 
und Standorte (Rampen, Buchten, Gastställe, Marktplätze u. s. w.) 

§ 28. 

9. Die Einstellung der Viehmärkte, Körungen und 
Viehversteigerungen, sowie der etc. 

§ 29. 

10. Die thierärztliche Untersuchung der am Seuchenorte 
oder in dessen Umgegend vorhandenen, für die Seuche 
empfänglichen Thiere und die Kennzeichnung kranker 
und verdächtiger Thiere. 

§ 29 a. 

Unverändert. 

Besondere Vorschriften. 

§ 30. 

Die näheren Vorschriften zur Ausführung der §§ 8a, 8b, 
18 bis 29a werden von dem Bundesrath unter Berück¬ 
sichtigung der in den §§ 31 bis 56 gegebenen Be¬ 
stimmungen erlassen. Weitergehende Maassregeln inner¬ 
halb des Rahmens dieses Gesetzes können die obersten 
Landesbehörden und mit Genehmigung derselben die 
höheren Polizeibehörden anordnen. 

Der Absatz 2 ist zu streichen. Derselbe lautet: 

Es sollen jedoch bei den hierunter benannten Seuchen, vor¬ 
behaltlich der weiter erforderlichen Schutzmaassregeln, nachfolgende 
besondere Vorschriften Platz greifen. 

a. Milzbrand, Rauschbrand, Wild- und Rinderseuche. 

§ 31. 

Thiere, welche am Milzbrände, Rauschbrande oder an 
der Wild- und Rindersenche erkrankt oder einer dieser 
Seuchen .... 

§ 32. 

(Vornahmen blutiger Operationen an) railzbrand-, rausch¬ 
brand-, wild- und rinderseuchekranken oder einer dieser 
Seuchen . 

§ 33. 

(Cadaver) milzbrand-, rauschbrand-, wild- und rinder¬ 
seuchekranker oder einer dieser Seuchen. 

(Ausbruch) des Milzbrandes, Rauschbrandes und der 
Wild- und Rinderseuche unter Wildständen. 


b. Tollwuth. 

§ 34. 

Unverändert. 

§ 35. 

Unverändert. 

§ 36. 

Unverändert. 

§ 37. 

Ist die Tollwuth oder der Verdacht derselben an 

einem.(festgestellt).(Tödtung des) wnthkranken 

oder der Seuche verdächtigen Thieres und aller derjenigen 
Hunde nnd Katzen anzuordnen, rücksichtlich welcher der Ver¬ 
dacht vorliegt, dass sie mit dem wnthkranken oder der 
Seuche verdächtigen Thiere in unmittelbare Be¬ 
rührung gekommen sind. 

Der Absatz 3 ist zu streichen. 

Ausnahmsweise kann die mindestens dreimonatige Ab¬ 
sperrung eines ansteckungsverdächtigen Hundes gestattet 
werden. 

§ 38. 

Unverändert. 

§ 39. 

Unverändert. 

c) Rotz der Pferde, Esel, Maulthiere und Maulesel. 

(Die Bezeichnung Wurm ist überall weggefallen.) 

§ 40. 

Uebrigens unverändert. 

§ 41. 

Unverändert. 

§ 42. 

Der letzte Satz: (Die Tödtung muss angeordnet werden) 
— „oder wenn der Besitzer die Tödtung beantragt, und die be¬ 
schleunigte Unterdrückung der Seuche im öffentlichen Interesse 
erforderlich ist.“ — fällt fort. Dafür wird zugefügt: 

sie kann ausserdem augeordnet werden, wenn die 
beschleunigte Unterdrückung der Seuche im öffent¬ 
lichen Interesse erforderlich ist. 

§ 43. 

Unverändert. 

§ 44. 

.Armeekorps sowie dem Verwalter desjenigen 

landesherrlichen oder Staatagestüts, in dessen Bezirk. 

cc. Maul- und Klauenseuche. 

§ 44a. 

Das Weggeben roher Milch aus Sammelmolkereien kann in 
Zeiten der Seuchengefahr und für die Dauer derselbeu verboten 
werden. 

Ist der Ausbruch der Maul- und Klauenseuche festgestellt, 
so muss da3 Weggeben von Milch aus dem Seuchengehöft ver¬ 
boten oder an die Bedingung der vorherigen Erhitzung 
bis zu einem bestimmten Wärmegrad und für eine be¬ 
stimmte Zeitdauer geknüpft werden. 

Für die Abgabe von Milch an Sammelmolkereien, 
in denen eine wirksame Erhitzung (Abs. 2) der ge- 
sammten Milch gewährleistet ist, können Ausnahmen 
zngelassen werden. 

Für diejenigen Gehöfte, in denen die Seuche nicht 
herrscht, die jedoch in dem Sperrgebiete liegen, kann 


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12. Februar 1903. 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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das Weggeben der Milch verboten oder an die gleiche 
Bedingung der Erhitzung (Abs. 2) geknüpft werden. 

§ 44b. 

Wenn die Maul- und Klauenseuche in einer sonst 
seuchenfreien Gegend nur vereinzelt herrscht, so 
kann die Tödtung der seuchekranken und verdächtigen 
Thiere angeordnet werden, wenn anzunehmen ist, 
dass die Seuche dadurch getilgt werden kann. 

d. Lungenseuche des Rindviehes. 

§ 45. 

Absatz 2 ist zu streichen. Derselbe lautet: 

Der Landesgesetzgebung bleibt die Bestimmung überlassen, 
ob und unter welchen Bedingungen eine Schutzimpfung der der 
Ansteckung ansgesetzten Rindviehbestände polizeilich angeordnet 
werden darf. 

e. Pockenseuche der Schafe. 

§ 46. 

Unverändert. 

§ 47. 

Unverändert. 

§ 48. 

Unverändert. 

§ 49. 

Unverändert. 

f. Beschälseuche der Pferde und Bläschenausschlag der Pferde 
und des Rindviehes. 

§ 50. 

.leiden, sowie Thiere der genannten Arten, 

welche einer dieser Seuchen oder der Ansteckung ver¬ 
dächtig sind, dürfen. 

§ 51. 

Unverändert, 

g. Räude 

der Pferde, Esel, Maulthiere, Maulesel und der Schafe. 

§ 52. 

.so kann der Besitzer angehalten werden, die räude¬ 
kranken und verdächtigen Thiere und die Schafheerden, 
in denen die Räude herrscht, sofort dem Heilverfahren eines 
approbirten Thierarztes zu unterwerfen, sofern er nicht die 
Tödtung der Thiere vorzieht. 

h) Schweineseuche und Schweinepest. 

§ 52 a. 

Die Tödtung der nach dem Gutachten des beamteten Thier¬ 
arztes an der Schweineseuche oder der Schweinepest erkrankten 
oder der verdächtigen Thiere kann angeordnet werden, 
i) Rothlanf der Schweine. 

§ 52b. 

Gewinnt der Rothlanf der Schweine eine grössere Aus¬ 
dehnung, so kann die Impfung der gefährdeten Schweinebestände 
eines Gehöftes, einer Ortschaft oder eines grösseren Bezirkes 
angeordnet werden. 

Den Landesregierungen bleibt die Bestimmung überlassen, 
ob und unter welchen Bedingungen eine Schutzimpfung in 
anderen Fällen polizeilich angeordnet werden darf. 

k) Geflügelcholera und Hühnerpest. 

§ 52 c. 

Wenn die Geflügelcholera oder die Hühnerpest in einer 
sonst seuchenfreien Gegend nur vereinzelt herrscht, so kann die 
Tödtung der seuchekranken und der verdächtigen Thiere ange¬ 


ordnet werden, wenn anzunehmen ist, dass die Seuche dadurch 
getilgt werden kann. 

1) Tuberculose des Rindviehs 
(§ 10 Ziffer 12). 

§ 52 d. 

Thiere, bei welchen eine der im § 10 Ziffer 12 bezeichnten 
Formen der Tuberculose festgestellt oder bei denen von dem 
beamteten Thierarzte der Ausbruch einer dieser Tuberculose- 
formen auf Grund der vorliegenden Anzeichen für wahrschein¬ 
lich erklärt ist, sind zu kennzeichnen und innerhalb einer Frist, 
die in der Regel sechs Wochen nicht überschreiten darf, auf 
Antrag‘des Besitzers aber auf zehn Wochen verlängert werden 
kann, zu tödten. Zugleich Bind Schutzmaassregeln gegen die 
Weiterverbreitung der Krankheit während dieser Fristen zu er¬ 
lassen (§§ 19, 20, 27). 

Die Milch der Kühe darf ohne vorherige Erhitzung bis zu 
einem bestimmten Wärmegrad und für eine bestimmte Zeitdauer 
nicht weggegeben oder verwerthet werden. 

Die Milch der mit Eutertuberculose behafteten Kühe darf 
auch nach dem Erhitzen weder als Nahrungsmittel für Menschen 
weggegeben, noch zur Herstellung von Molkerei-Erzeugnissen 
verwendet werden. 

E) Besondere Vorschriften für Viehhöfe und Schlachthöfe, 
einschliesslich öffentlicher Schlachthäuser. 


§ 53. 

.Viehhöfe und Schlachthöfe, einschliesslich 

öffentlicher Schlachthäuser . . . aufgestellte Vieh finden . . . 

§ 54. 

.aufgestellten Vieh der. 

§ 55. 

.können Viehhöfe und Schlachthöfe, (öffentliche 

Schlachthäuser) für . . . . gesperrt. 

Der Absatz 2 ist zu streichen. (Derselbe lautet: Strengere 
Absperrungsmaassregeln dürfen nur in dringenden Fällen ange¬ 
wendet werden). 

§ 56. 

Soweit Schlachtvieh in Frage kommt und die Art 
der Krankheit es gestattet (vergl. §§ 31, 36, 43), kann der 
Besitzer der erkrankten oder verdächtigen Thiere oder sein 
Vertreter angehalten werden, die sofortige Schlachtung unter 
Aufsicht des beamteten Thierarztes in den dazu bestimmten 
Räumen vorzunehmen. 

Diese Maassregel kann in dringenden Fällen auch ohne 
Benachrichtigung des Besitzers oder seines Vertreters 
in Anwendung gebracht und auf alles andere, in der be¬ 
treffenden Räumlichkeit vorhandene, für die Seuche empfängliche 
Vieh ausgedehnt werden. 

F. Entschädigung für getödtete, 
oder nach Vornahme einer polizeilich angeordneten Impfung 
eingegangene Thiere. 

§ 57. 

.Thiere, welche in Folge einer polizeilich angeordneten 


Impfung 


§ 58. 

(Entschädigung für) getödtete Thiere bis.Besitzer der 

betreffenden Thiergattungen nach Maassgabe. 

§ 59. 

.gewährt werden, und zwar abgesehen von der 

Tuberculose (§ 10 Ziffer 12), ohne Rücksicht. 


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122 BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 7. 


.bei dem mit der Langensenche behafteten Rindvieh 

nnd bei den mit der Schweineseuche oder der Schweine¬ 
pest behafteten Schweinen, vier Fünftel des so berechneten 
Werthes, bei dem mit Tuberculose (§ 10 Ziffer 12) be¬ 
hafteten Rindvieh vier Fünftel des gemeinen Werthes 
zu betragen. 

Auf die zu leistende Entschädigung werden angerechnet: 

1. die ans Privatverträgen zahlbare Versicherungssumme, 
und zwar bei Rotz zu drei Viertel, bei Lungenseuche, 
Schweineseuche, Schweinepest und Tuberculose (§ 10 
Ziffer 12) zu vier Fünftel. 

§ 60. 

Unverändert. 

§ 61. 

Keine Entschädigung wird gewährt. 

3. für Thiere, bei welchen nach ihrer Einführung in das 
Reichsgebiet innerhalb 14 Tagen die Maul und Klauen¬ 
seuche, innerhalb 90 Tagen die Rotzkrankheit oder 
innerhalb 180 Tagen die Lungenseuche, die Schweine¬ 
seuche oder Schweinepest oder innerhalb 270 
Tagen die Tuberculose (§ 10 Ziffer 12) festgestellt 
wird, wenn nicht der Nachweis erbracht wird, dass die 
Ansteckungder Thiere erst nach Einführung derselben in 
das Reichsgebiet stattgefunden hat 

4. für Geflügel, welches mit der Geflügelcholera 
oder der Hühnerpest behaftet befunden ist 

§ 62. 

1 .des Rotzes, der Lungenseuche, der Schweine¬ 

seuche oder Schweinepest und der Tuberculose (§ 10 Ziffer 12) 
behaftet waren, oder an einer in Folge polizeilich angeordneter 
Impfung aufgetretenen Krankheit verendet sind; 

2 . in Viehhöfen oder in Schlachthöfen, ein¬ 

schliesslich öffentlicher Schlachthäuser, aufgestellte, 

(§§ 13, 34, 37 Absatz 1, 38). 

§ 63. 

Unverändert. 

§ 64. 

Wenn znr Bestreitung der Entschädigungen Beiträge nach 
Maassgabe des vorhandenen Thierbestandes . . . und im Falle 
des § 62 No. 2 für das in Viehhöfen oder in Schlacht¬ 
höfen, einschliesslich öffentlicher Schlachthäuser, 
aufgestellte. 

III. StrafVorechrlften. 

§ 65. 

1. wer der Vorschrift des § 6 zuwiderhandelt. 

Neben der Strafe ist auf Einziehung der.Thiere, 

Cadaver oder Theile von Thieren zu erkennen. 

3. wer den Vorschriften der §§31 bis 33 zuwider an Milz¬ 
brand, Rauschbrand oder an Wild- und Rinder¬ 
seuche erkrankte oder einer dieser Seuchen ver¬ 
dächtige Thiere schlachtet. 

7. wer gegen die Vorschriften des § 50 Pferde, welche an 
der Beschälseuche, Pferde oder Rindviehstücke, welche 
an dem Bläschenausschlage der Geschlechtstheile leiden, 
sowie Thiere der genannten Arten, welche einer 
dieser Seuchen oder der Ansteckung verdächtig 
sind, zur Begattung zulässt. 

§ 66 . 

1.Einfuhr- und Verkehrsbeschränkungen. 


3 .in den Fällen des § 8a Absatz 2 und des § 12 

Absatz 2. 

4 .(§§19 bis 28, 38, 44a, 51, 52d), sowie den auf 

Grund des § 8b getroffenen Anordnungen zuwider¬ 
handelt; 


5. wer die Kennzeichen (§ 52d) beseitigt oder ver¬ 
ändert; 

6. wer auf polizeiliche Anordnung vergrabene Ca¬ 
daver oder Theile solcher unbefugt ausgräbt. 

§ 67. 

Unverändert. 

IV. Schlussbestlnnungea. 

§ 68. 

Unverändert. 

. § 69. 

Der Reichskanzler wird ermächtigt, den unter Berück¬ 
sichtigung obiger Aenderungen sich ergebenden Text des Gesetzes 
vom 23. Juni 1880/1. Mai 1894 durch das Reichs-Gesetzblatt 
bekannt zu machen. Dieses Gesetz tritt mit dem ... in Kraft. 

Deutsche Landwirthschafts-Gesellschaft. 

Die D. L. G. hat dieser Tage in Berlin ebenfalls den obigen 
Gesetzentwurf berathen und demselben durchaus zugestimmt. 
Sie empfiehlt jedoch Aufnahme des ansteckenden Scheidenkatarrhs 
in das Gesetz und wünscht bei Tuberculose Entschädigung des 
vollen gemeinen Werthes statt 4 Fünftel (siehe oben § 59). 
Referenten waren Eggeling-Berlin und Dr. Vogel-München. 

Seuohenstand In Deutschland. 

Es fehlt in dieser No. leider der Raum, um den Seuchen¬ 
nachweis vom 31. Januar zu veröffentlichen. 

Aber auf eine erfreuliche, fast sensationelle Thatsache soll 
wenigstens hingewiesen werden. Sachsen ist, zum ersten 
Male seit Menschengedenken, lungenseuchefrei, Dank 
der energischen Durchführung der veterinär-polizeilichen Maass¬ 
regeln, namentlich der raschen Ausräumung der verseuchten 
Bestände. Die Maul- und Klauenseuche ist gleichfalls auf wenige 
Bestände eingeschränkt. 

Ein Missverstftndnlss. 

In No. 6, pg. 82 der B. Th. habe ich schon erörtern 
müssen, warum ich verschiedenen angesehenen Zeitungen einen 
Artikel geschickt habe, der zum Studium der Thiermedicin auf¬ 
forderte. Dieser Artikel hat mir noch eine andere Bemängelung 
eingetragen, welche mir ebenso überraschend kommt, wie die 
in No. 6 widerlegte. 

Ich hatte geschrieben: „Der thierärztliche Stand bietet auch 
für solche eine grosse Zahl von Stellen, welche keine Neigung 
und Befähigung haben, die eigentliche thierärztliche Praxis auf 
dem Lande auszuüben. Es sind das die Stellen der Schlachthof- 
directoren u. s. w. in den Städten, welche immer noch neuen 
Zuwachs und neue Verbesserungen erfahren“. 

Von befreundeter Seite wird mir nun mitgetheilt, dass man 
in einem Kreise vonSanitätsthierärzten sich über diese Aeusserung 
beschwert hat, weil man sie so deutete, als ob die Minder¬ 
fähigen auf die Schlachthöfe verwiesen werden sollten. 

Aber, meine Herren! Ist das nicht etwas gar zu nervös? 
Die Zeiten sind doch schon lange vorbei, wo der oder 
jener eine solche Ansicht aussprach. Ich habe das übrigens 
nie gethan. Ich habe im Gegentheil wiederholt und gerade 
auch in letzter Zeit meine Bewunderung darüber ausgesprochen, 


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12. Februar 1903. 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


123 


wie die Schlachthofthierärzte durch ihre Leistungen sich allen 
Concurrenten zum Trotz die Leitung der Schlachthöfe erobert 
haben. Das sollte mich doch eigentlich vor solchem Missver- 
Bt&ndnisB oder Misstrauen schätzen. 

Jedenfalls kann ich nur sagen, dass es mir noch nie in den 
Sinn gekommen ist, die zur sanitätsthierärztlichen Thätigkeit 
nöthige Befähigung geringer einzuschätzen als diejenige für 
die Landpraxis, und dass mir deshalb eine solche Deutung jenes 
Satzes gar nicht eingefallen ist. Ich halte sie auch überhaupt 
nicht für möglich; denn es kann doch selbstverständlich der eine 
für diese, der andere für jene Specialität mehr befähigt sein, 
ohne dass desshalb einer dem andern nachsteht. 

Wird von Thierärzten gesprochen, so denkt derjenige, 
welcher die Verhältnisse nicht kennt, natürlich an das Curiren. 
Da habe ich denn darauf hinweisen zu müssen geglaubt, 
dass der thierärztliche Beruf noch zu einer ganz anders gearteten 
Thätigkeit den Zugang eröffne, und habe diese als ebenso 
empfehlenswerth hingestellt wie die Landpraxis, — in der wohl 
zutreffenden Annahme, dass gerade Vielseitigkeit eines Berufes 
seine Anziehungskraft nur vermehren könne. Schmältz. 


I. Quittung über die~[zum preussisohen Stipendienfonds eingegangenen 

Beiträge 

bis zum 1. Februar er. 


Dietz, Thierarzt, Frankfurt a. M. 

Schmal tz, Professor Dr., Berlin. 

Pauli, Departementsthierarzt, Stettin. 

Pauli, Frau verw. Departementsthierarzt, Berlin . . . . 

Niens, Thierarzt, Oberbausen, Rhld. 

Nowag, Kreisthierarzt, Sprottau. 

Profö, Dr., Polizeithierarzt, Köln a. Rh. 

Goltz, Schlachthofdirector, Berlin. 

Schlieper, Kreisthierarzt, Schmiegel. 

Janzon, Kreisthierarzt, Alt-Damm. 

Verein der Schlachthofthi. rärzte des Reg.-Bez. Arnsberg 

Heyne, Veterinärassessor, Posen. 

Bettendorf, Dr., Thierarzt, Uerdingen. 

Beamtete Thierärzte des Regierungsbezirks Bromberg, durch 

Departementsthierarzt Peters. 

Fisch, Kreisthierarzt, Heiligenbeil. 

Melchert, Kreisthierarzt, Naugard i P. 

Nitschke, Kreisthierarzt, Lüchow. 

Amons, Thierarzt, Berlin. 

Beckhard, Thierarzt, Ahrensböck. 

Haase, Thierarzt, Hohenmölsen. 

Hemprich, Thierarzt, Parey. 

Holm, Kreisthierarzt, Harburg (Elbe). 

Kohl, Thierarzt, LUtzen. 

Müggenburg, Kreisthierarzt, Grimmen. 

Schaumann, Thierarzt, Mölln (Lauenbg.). 

Stein, Schlachthofthierarzt, Bernburg. 

Iskraut, Thierarzt, Jerichow. 

Biermann, Thierarzt, Guttentag. 

Dobrick, Thierarzt, Marggrabowa. 

Hertz, Schlachthofinspector, Harburg (Elbe). 

Klein, Kreisthierarzt a. D., Berlin. 

Kretschmer, Thierarzt, Ziegenhals. 

Lnckow, Thierarzt, Berlin. 

Lütkemüller, Kreisthierarzt, Lnblinitz. 

Mieckley, Gestütsinspector, Beberbeck b. Hofgeismar . . 

Müller, Kreisthierarzt, Duderstadt . . . 

Müller, Kreisthierarzt, Horka, Ob.-L. 

Schilling, Thierarzt, Osterwieck (Harz). 

8chrÖter, Thierarzt, Pritzerbe. 

Schultz, Kreisthierarzt, Schlüchtern (Bez. Cassel) . . . 

Schwarz, Dr., Schlachthofdirector, Stolp i. P. 

Stier, Schlachthofdirector, Wesel. 

Stöcker, Kreisthierarzt, Lüben (Schlesien). 

Finger, Thierarzt, Pritzwalk. 

Franke, Thierarzt, Zehden a. 0. 

Grebe, Kreisthierarzt, Rheinbach. 

Griesbach, Thierarzt, Lauenau. 

Grupe, Kreisthierarzt, Malmedy. 

Harde, Kreisthierarzt, Badbergen. 

Hartmann, Hofthierarzt, Hannover. 

Herschel, Thierarzt, Görlitz. 

Hirschland, Kreisthierarzt a. D., Essen (Ruhr) .... 
Huth, Kreisthierarzt, Templin.. 


250,15 M. 
100,- „ 
60,- „ 
60,- „ 
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10,05 „ 
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Loewel, Kreisthierarzt, Langensalza. 

Meyner, Dr., Kreisthierarzt, Kyritz. 

Oberschulte, Schlachthofdirector, Lüdenscheid . . . . 

Peters, Veterinärrath, Schwerin i. M. 

Reusche, Thierarzt, Löwen (Schlesien). 

Siebke, Thierarzt, Plettenberg i. W. 

Simmat, Kreisthierarzt, Schlawe. 

Ti 11 mann, Kreisthierarzt, Lüdinghausen. 

Volmer, Kreisthierarzt, Hattingen (Ruhr). 

Willmer, Thierarzt, Ringelheim. 

Bockeimann, Schlachthofdirector, Aachen. 

Clausuitzer, Schlachthofdirector, Dortmund. 

Fabian, Thierarzt, Zehlendorf b. Berlin. 

Höhne, Schlachthausdirector, Neustadt, Westpr. 

Kattner, Kreisthierarzt, Neustadt, Ob.-Schl. 

Kruse, Thierarzt, Barmstedt (Holstein). 

Marks, Dr., Kreisthierarzt, Ohlau. 

Meyer, Paul, Thierarzt, Elberfeld. 

Töllner, Thierarzt, Wildeshausen. 

Wendt, 8chlachthofinspector, Könitz, Westpr. 

Borchmann, Polizeithierarzt, Berlin. 

Johann, Dr., Thierarzt, Berlin. 

Klopmeyer, Schlachthofdirector, Wattenscheid . . . . 

Kühn, Kreisthierarzt, Zeitz. 

Knnze, Kreisthierarzt, Bremerhaven. 

Meyer, Dr., Thierarzt, Barmen. 

Staupe, Kreisthierarzt, Biedenkopf. 

Bernhard, Kreisthierarzt, Ranis. 

Göttsch, Thierarzt, Schönberg (Holstein). 

Klosterkemper, Dr., Departementsthierarzt, Osnabrück . 

Sin dt, Thierarzt, Nortorf. 

Thurmann, Thierarzt, Altena (Wcstf.). 

Weile, Thierarzt, Elbing. 

Wieland, Kreisthierarzt, Soldin. 

Becker, Thierarzt, Bevensen . 

Gabbey, Kreisthierarzt, Pless. 

Geldner, Schlachthofdirector, Burg b. Magdeburg . . . 

Richter, Kreisthierarzt, Löwenberg (Schles.). 

Zeisler, Thierarzt, Cörlin (Persante). 

Arendt, Schlachthofdirector, Neuruppin. 

Oettern, Thierarzt, Salzdetfürth. 

Sonntag, Thierarzt, Kremmen. 

Fischer, Thierarzt, Franz. Buchholz. 

Krüger, Kreisthierarzt, Witkowo. 

Kleinschmidt, Schlachthofdirektor a. D., Erfurt . . . 

Mal km ns, Professor Dr., Hannover. 

Prösch, Thierarzt, Krotoscbin. 

Ostertag, Professor Dr., Berlin .. . 


10,- 

M. 

20,- 

91 

20,- 

11 

100,- 

11 

6,- 

11 

10,— 

11 

10,- 

11 

20,- 


10,05 

11 

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11 

10,- 

11 

16,- 

11 

3- 

11 

6,06 

11 

10,- 

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5- 

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11 

60,— 

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10,- 

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10- 

11 

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20,- 

11 

60,— 


10,06 

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10,- 

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60,— 

11 

10,05 

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16,05 

11 

5- 

11 

10,— 

11 

5- 

11 

30,06 

11 

io,- 

11 

5- 

11 

10,- 

11 

6- 

11 

100,— 

11 


Sa. 1971,70 M. 


Feier des Geburtstages Se. Majestät des Kaisers. 

In Hannover feierte die Studentenschaft ebenfalls den 
Geburtstag Se. Majestät am 23. Januar durch einen solennen 
Commers im Tivolisaal. Bei dem Festact in der Aula am 
27. Januar hielt Professor Boether die Festrede über: „Die 
Entwicklung der Zellenlehre“. 

Posen. 

Auf Einladung der Herren Departements-Thierärzte Heyne- 
Posen und Peters-Bromberg fand am 25. Januar d. J. in dem 
von dem Director des Kgl. Hygienischen Instituts gütigst zur 
Verfügung gestellten Hörsaale des genannten Instituts eine 
Versammlung der beamteten Thierärzte der Provinz Posen statt. 
Auf der Tagesordnung standen folgende Gegenstände: 

1. Zur Frage der Milzbrandimmnnisirung. Referent: Herr 
Universitätsprofessor Dr. Wer nicke -Posen. 

2. Zur Diagnose des Milzbrandes. Referent: Herr Dr. Lange, 
Assistent am hygienischen Institut zu Posen. 

Beide Vorträge, welche von der sehr zahlreich besuchten 
Versammlung mit lebhaftem Beifall aufgenommen wurden, werden 
demnächst in der B. Th. W. zur Veröffentlichung gelangen. H. 

Verband der Privatthierärzte. 

Die Vorsitzenden der Provincialgruppen ersuche ich, znm 
Zwecke der Aufstellung der Mitgliederliste mir umgehend ein 
revidirtes Verzeichniss ihrer Mitglieder zukommen zu lassen. 
Gleichzeitig bitte ich um Angabe der Vertheilung der Aemter 
in den Gruppen. 


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124 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 7. 


Die im Aufträge der Delegirten-Versammliwg verfasste 
Denkschrift, welche die gesammte Regelung der Fleischbeschau 
auf dem Lande mit Rücksicht auf die Interessen der wissen¬ 
schaftlichen Fleischbeschauer betrifft, ist im Drucke fertig ge¬ 
stellt; zur Vertheilung an Bürgermeister etc. können Exemplare 
von den Verbandsmitgliedern bei mir gefordert werden. 

Der Generalsecretär 
Dr. Flatten. 

Köln (Ehrenfeld) Venloerstr. 177. 


Bücheranzeigen*) und Kritiken. 

Ostertag, Leitfaden für Fleischbeschauer. Berlin 1903. Verlag 
von Richard Schoetz. Pr. 6,50 M. 

Ostertag, Wandtafeln zum Unterricht in der Fleischbeschau I bis VI. 

Derselbe Verlag. Pr. 20,00 M. 

Wohl selten ist ein Werk mit solcher Spannung und Ungeduld 
erwartet worden, wie der „Kleine Ostertag“ und nun ist er er¬ 
schienen in einem so ansprechenden Gewände und ausgestattet mit 
einem so vollkommenen Rüstzeug, dass jeder Laie, welcher seine 
Ausbildung mit Hülfe des Ostertag’schen Leitfadens erhalten hat, 
ruhig der Prüfung entgegensehen kann. 

Die früher erschienenen Leitfäden verschiedener Autoren sind 
durch das Ostertag’sche Werk so in den Schatten gerückt, dass 
sie noch schwerlich auf erheblichen Absatz werden rechnen 
können. 

Die Anordnung des für den Fleischbeschauer nothwendigen 
Unterrichtsstoffes hat Oster tag so geschickt mit den gesetzlichen 
Bestimmungen vereinigt, dass die Bewältigung des Unterrichtsstoffes 
und Einprägung der gesetzlichen Bestimmungen für den Lernenden 
spielend leicht gemacht worden ist. Dabei ist alles, aber auch 
alles, was der nichtthierärztliche Beschauer wissen muss, .von 
Ostertag in verständlicher, klarer Weise abgehacdelt. Jeder un- 
nöthige Ballast ist vermieden. Von ganz besonderem Werth sind 
aber die vielen, ausserordentlich deutlichen Abbildungen, welche 
über die Lernperiode hinaus dem Fleischbeschauer als Rathgeber 
bei schwierigen Fällen dienen werden. 

Beim Unterricht werden die Abbildungen, vor allem aber die 
Ostertag’schen Wandtafeln, besonders da wo es an dem erforder¬ 
lichen Demonstrationsmaterial fehlte, ein Eindringen in den Lern¬ 
stoff ermöglichen, welches dem Lernenden die Auffassung wesentlich 
erleichtern wird. 

Alle Vorzüge des Ostertag’schen Leitfadens aufzuzählen, fehlt 
es an Platz. Nur auf die Abbildung des Lymphgefässsystems will 
ich hinweisen (Seite 25 des Leitfadens), die Lage der Lymphdriisen 
tritt einem hier geradezu plastisch entgegen. Instructiv sind auch 
die Abbildungen, welche für die Aufzeichnung der Erkennungs- 
raerkmale von Wichtigkeit sind. Der Ansicht Ostertags, dass die 
Haarschnitte als besondere Kennzeichen nicht verwendbar sind, kann 
ich allerdings nicht zustimmen. Sondern die Praxis lehrt, dass für 
den Identitätsnachweis gerade die Haarmarken von Werth sind. 
Indessen sind dies Ansichtssachen, welche den hohen Werth des 
Ostertag’schen Leitfadens in keiner Weise beeinträchtigen. Für 
die ganze Durchführung der Fleischbeschau wird es sich als segens¬ 
reich erweisen, dass Prof. Ostertag, welcher bei dem ganzen 
Aufbau des Reichsfleischbeschaugesetzes mitgearbeitet hat, die 
Unterrichtsmittel für die Beschauer herausgegeben hat. 

Kühnau. 


Neue Eingänge. 

Carl, Siegfried, Bezirks-Thierarzt zu Karlsruhe: Zur Aetiologie 
des sogenannten Geburtsrauschbrandes. (Inaug. Dies. Bern). 
Berlin 1903. 

Semper, Johann, Thierarzt in St. Stephan (Bern): Torsio utori 
gravidi (Inaug. Dies. Bern). Berlin 1902. 

*) Von den eingesandten Büchern werden hierunter Titel u. s. w. 
mitgetheilt Eine Verpflichtung zu eingehender Besprechung wird 
jedoch nicht übernommen; dieselbe bleibt Vorbehalten. 

Die Redaction. 


Harm, Carl, Thierarzt aus Rom in Mecklenburg: Die Ent¬ 
wickelungsgeschichte von Clava squamata (Inaug. Diss. Rostock). 
Leipzig 1902. 

Stenzei, Wilhelm, Thierarzt aus Hannover: Ueber Angiome, Carci- 
nome und Chondrome in der Milchdrüse der Hausthiere (Inaug. Diss. 
Bern). Berlin 1902. 

Thiede, Theodor, Thierarzt aus Berlin, z. Z. in Landsberg: 
Wann lassen sich die Erreger des Rothlaufs und der Geflügel¬ 
cholera nach einer Haut-Impfung in den inneren Organen von Mäusen 
nachweisen? (Inaug. Diss. Giessen) Jena 1902. 

Haefke u. Berju: Beiträge zur Frage der Blutverwerthung. 
Aus dem technischen Geraeindeblatt (Bd. V, No. 18.) Verlag von 
Carl Heymann, Berlin. 

VIII. Verwaltungsbericht über den städtischen Vieh- und Schlacht¬ 
hof zu Zwickau. 

Verwaitangsberloht des Magistrats zu Berlin. 


Personalien. 

Auszeichnungen: Dem Oberrossarzt a D. Bergemann und 
Thierarzt Adolf Schmidt zu Berlin ist der Kronenorden IV. Klasse, 
dem Corpsrossarzt Plättner zu Karlsruhe das Ritterkreuz II. Klasse 
des Ordens vom Zähringer Löwen und den Corpsstabsveterinären 
der drei königl. bayerischen Arraeecorps Ehrensberger, Sesar und 
Zwengauer sowie dem technischen Vorstande der Militärlehr¬ 
schmiede Corpsstabsveterinär v. Wolf der persönliche Rang der 
IV. Klasse der höheren Militär-Verwaltungsbeamten verliehen worden. 

Wohnsitzverinderungen, Niederlassungen: Verzogen sind die Thier¬ 
ärzte Rühm von Eigeltüngen nach München, Seltenreich von 
Lahr nach ?, Welte von Stut'gait nach Lahr als Assistent des 
Bezirksthierarztes. Thierarzt H. Nehls hat sich in Bramsche bei 
Osnabrück niedergelassen, desgl. Dr. Kurt Roth in Breslau. Thier¬ 
arzt Wittmar aus Merchingen ist beim Bezirksthierarzt Frank in 
Kusel (Bayern) als Assistent eingetreten. 

Examina: Promovirt in Leipzig zum Dr. pbil. Kurt Roth, in 
Bern zum Dr. med. vet. Alois Hauger in Tiefenbronn. — Approbirt 
die Herren R. Böhme, E. Franke und R Langer in Berlin, 
J. Rau und W. Schaaf in Stuttgart. 

In der Armee: Beförderungen: Zum Oberrossarzt die Ross¬ 
ärzte Fischer v. 7. Ait.-R. und Aulich v. 6. Art.-R. — Zum Ross¬ 
arzt die Unterrossärzte Sauvan v. 8. Kür.-R., unter Versetzung z. 

2. Hus.-R., Dr. Rüther v. 7. Ulan.-R., Bergfeld v. 11. Hus.-R., 
unter Versetzung z. 13. Drag.-R. — Zum Unterrossarzt die M. R. E. 
Schlafke beim 2. Hus.-R., Krause beim 17. Drag.-R. 

Versetzungen: Oberrossarzt Ebcrtz, unter Belassung in 
seinem Commando zum path. Institut der thierärztl. Hochschule zu 
Berlin, v. 7. Art.-R. zum R. Gardes du Corps; die Rossärzte Rade¬ 
mann v. 17. Train-B. behufs Wahrnehmung der Oberrossarzt¬ 
geschäfte zum R. Gardes du Corps, Wünsch vom 2. Hus.-R. zum 
17. Train.-B., Arfert vom 13. Drag. R. zum 18. Drag.-R, Kinsky 
v. 50. Art.-R. zum 2. Drag.-R., Rips v. 2. Garde Art.-R. u. Liess 
v. 72. Art. R., gegenseitig; — die Unterrossärzte Griebelcr vom 

3. Hus.-R. zum 8. Ktir.-R., Bauer v. 20. Drag.-R. zum 50. Art.-R, 
Wen dl er v. 63. Ait.-R. zum 11. Hus.-R. 

In der Armee angestellt: Rossarzt der Reserve Ehrle, 
commandirt zur Probedienstleistung beim 4. Art.-R., in diesem 
Regiment mit Dienstalter vom 10. 9. 99. 

Abgang: Oberrossarzt Schröder vom 30. Art.-R. pensionirt. 

Im Beurlaubtenstande: Erich Schaffer, Assistent an der 
Veterinärklinik zu Königsberg i. Pr. zum Leutnant d. Res. im 
6. Train-Bat. befördert. 

Todesfälle: Thierarzt Joseph Klingert in Lauda. 

Yacanzen. 

(Siehe No. 6.) 

Herbede a. d. Ruhr: Thierarzt für Schlachtvieh-und Fleisch¬ 
beschau. Garantierte Einnahme jährlich M. 2000,—. Privatpraxis in 
Aussicht. Meldungen baldigst an den Ebrenamtmann Meesmann. 

Besetzt. Thierarztstelle in Herzfelde. 


Verantwortlich fllr den Inhalt (oxel. Inseratenteil): Prot Dr. Schmaltz in Berlin. — Verlag und Klgcnthum von Richard Schoett ln Berlin. — Druck von W. Büxenateln, Berlin. 


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Dia „Barliner ThlerAnUletae Woehenaehrift* eraehelnt 
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Berlin,Laiaenstr.86. Dnrch Jedea deutiohe Po'tamt wird 
dieaelbe com Prelae von M. 5,— vierteljährlich (M. 4,R8 für 
die Wochenachrift, II Pf. für Beateilgeld) frei in’a Hana 
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Thierärztliche Wochenschrift 

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Professor Dr. Schmaltz-Berlin 

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fragen beliebe man an senden an Prof. Dr. Sehmalta, 
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Correctnren, Raeensioaa-Exemplare und Annoncen da¬ 
gegen an die Verlagsbuchhandlung. 


Jahrgang 1903. J|£ 8. Ausgegeben am 19. Februar. 


I n h a 1 tj de Brills: Untersuchungen über die Contractionen des Uterus und die Wirkung der Bauchpresse während 
der Geburt. — Referate: Mittheilungen aus der Armee. — Jess: Wochenübersicht über die medicinische Litteratur. — 
Tagesgeschichte : Die „Nachprüfung“ der Milzbranddiagnosen. — Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Gebühren der Medicinal- 
beamten. — Protocolle der beiden letzten Versammlungen des Vereins der Schlachthofthierärzte des Regierangsbezirks Arns¬ 
berg. — Protocoll über die 31. ordentliche General-Versammlung des thierärztlichen Vereins der Provinz Westfalen. — 
Verschiedenes. — Bücheranzeigen und Kritiken. — Personalien. — Vacanzen. 


Untersuchungen über die Contractionen 
des Uterus und die Wirkung der Bauchpresse 
während der Geburt 

Von 

M. 6. de Bruin. 

Schon vor Jahrzehnten haben sich viele Physiologen und 
Geburtshelfer mit den Untersuchungen über den Mechanismus 
der Geburt beschäftigt. Die meisten dieser Untersuchungen 
wurden an kleineren Thieren, besonders an Kaninchen and 
Händen, and zwar nach Laparotomie angestellt. Kehrer 1 ) 
schliesst ans seinen Versuchen Folgendes: 

„Bei der Contraction der Mnsculatur erfahren die Lagen glatter 
Muskelfasern eine Verdickung und Flächenreduction. Letztere ist eine 
Redaction der totalen contractilen Fläche. Man kann bei der Con¬ 
traction der glatten Genitalmnscnlatnr ein Stadium der steigenden 
Energie, eine Akme, und einen Zeitraum der sinkenden Energie unter¬ 
scheiden. Aber die glatten Muskelbündel gerathen nnr nacheinander in 
Thätigkeit; es erreicht deshalb die Znsammenziehnng erst nach Ver¬ 
lauf einer Reihe von Secnnden ihre grösste räumliche Ansdehnnng and 
höchste Energie, and es kehren die einzelnen Zonen dann ebenfalls lang¬ 
sam and allmählich in den Ruhezustand zurück.“ 

Betrachtet man den Uterus der schon genannten Thiere, 
nachdem die Laparotomie verrichtet worden ist, dann zeigt es 
sich, wenn das Thier in partu ist, dass die Contractionen peri¬ 
staltisch verlaufen. Diese Contractionen aber können, wie 
Obernier 3 ) schon angiebt, so schnell stattflnden, dass man an 
eine Contraction in toto glauben könnte. Wiewohl diese Ver¬ 
suche für den Uterus bicollis s. duplex (Kaninchen) und den 
Uterus divisuB (Hund) gelten, so meinte man diesen Modus der 
Contraction auch für den Uterns bicomis und sogar für den 
Uterus simplex annehmen zu dürfen. Veit 3 ) nimmt anch für 
den menschlichen Uterus an, dass die Wehe peristaltisch ver¬ 
läuft und dann in jedem Falle am Mnscnlaris des Mesometrinms 
anfängt und vom Fundus bis zur Cervix fortläuft, wiewohl auch 
diese Contractionswelle so schnell über das Organ fortschreitet, 
dass aus practischer Hinsicht die Contraction als eine zu 
gleicher Zeit auftretende Erscheinung betrachtet werden müsse. 

Dass die accessorischen Bewegungen, welche wir Bauchpresse 
nennen, beim Mechanismus der Geburt eine wichtige Rolle 


spielen, ist eine längst bekannte Thatsache und jedem Beobachter 
deutlich. Unter dem Namen Wehe versteht man denn auch 
nicht allein die Contraction des Uterus, sondern die Zusammen¬ 
setzung der Uternscontraction und der Bauchpresse. Für die 
Praxis hat die Trennung dieser beiden Factoren keine Be¬ 
deutung, für das Stadium der austreibenden Kräfte aber ist sie 
ohne Zweifel wichtig. Aus der weiteren Darstellung wird sich 
ergeben, welchen Theil jede von ihnen an der Austreibung hat. 

Die graphische Methode für das Studium der Contractionen 
und der Druckdifferenzen fand auch hier ihre Anwendung, und 
Schatz 4 ) war der erste, der sie beim Menschen anwendete. 
Er brachte einen Colpeurynter in den Uterus, welcher mittelst 
einer Caoutchoucröhre mit einem Manometer verbunden war. 
Das Steigen nnd Fallen des Quecksilbers wurde auf das berusste 
Papier eines Kymographions geschrieben. -Die Nulllinie der 
Curveu wurde nach dem Austreiben des Colpeurynters während 
oder nach der Geburt festgesetzt. Poullet 5 ) und Polaillon 6 ), 
später anch Acconci 7 ), haben mit einigen kleinen Abänderungen 
auf dieselbe Weise gearbeitet. Poullet hat mit St. Cyr 8 ) 
auch die Wehen einer Kuh registrirt. Er giebt davon eine 
bildliche Darstellung, ohne jedoch nähere Einzelheiten anzugeben. 
Er hatte auch einen Caoutchoucballon in das Rectum eingeführt, 
um die Bauchpresse zu registriren. 

Die eingehendsten Versuche aber hat Westermark 9 ) 
angestellt. Er führte einen Uteruscatheter mit Blase in den 
Uterus ein, füllte dieselbe mit Wasser und verband sie mittelst 
einer 185 cm langen nnd 3 mm dicken Bleiröhre mit dem von 
Gad abgeänderten Hürthle’sehen Manometer. Ein Queck¬ 
silbermanometer gebrauchte er nicht, und zwar hauptsächlich 
wegen der grossen Schwankungen, welche das Quecksilber zu 
dem Zwecke machen muss, und weil schnelle Druckändemngen 
dnrch die Eigenbewegungen des Quecksilbers ungenau notirt 
werden. Um aber den Druck in Millimetern Hg messen zu 
können, hatte er das elastische Manometer auf das Quecksilber- 
manometer geaicht. 

Westermark construlrt aus seinen graphischen Darstel¬ 
lungen die Curve der Uternscontraction. Er behauptet, dass 


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126 


die complicirte Methode Poullets nicht dazu nötig sei. So 
bildet er Cnrven der letzten Wehen ab, bei welchen der durch 
die Uteruscontraction ausgeübte Druck 75, 72 und 110 mm Hg 
beträgt, der Druck durch die Mithilfe der Bauchpresse aber bis 
auf 200 resp. 240, ja sogar bis auf 400 mm Hg steigt. Dieser 
Letzte Druck aber ist der höchste, den er beobachtet hat. 

Die Untersuchungen Westermark’s haben u. A. bewiesen: 

1. dass die Dauer der Wehenpause im Anfänge des Oeffnungs- 
stadiums am grössten ist; 

2. dass, so lange das Volum des Uterusinhaltes nicht verändert 
ist, der intrauterine Druck von einer Wehenpanse zu der anderen 
derselbe bleibt; 

3. dass die Wehencurve erst langsam, dann ziemlich schnell 
und darauf wieder langsam bis auf das Maximum steigt, durch* 
schnittlich während 8,1 Secunden auf dem Maximum bleibt, dann 
erst langsam, darauf während 5 bis 25 Secunden schneller und 
endlich sehr langsam fällt und einen langgezogenen Schweif bildet; 

4. dass beim Uterusmuskel „Verkfirzungsrückstände“ Vor¬ 
kommen ; 

5. dass die Frequenz der Wehen im Anfänge des Oeffnungs- 
Btadiums klein ist, im weiteren Verlauf der Geburt zunimmt 
und ihr Maximum am Ende der Oeflfnungsperiode und während 
der Austreibung erreicht; 

6. dass die Frequenz durch langanhaltende und kräftige 
Wehen zeitweilig vermindert wird; 

7. dass die Dauer der Wehen ihr Maximum in dem letzten 
Stadium erreicht; 

8. dass der iutrauterine Wehendruck im Laufe des Partus 
steigt und am Ende desselben sein Maximum erreicht. 

9. dass der Uterusmuskel nach kräftiger Arbeit Zeit nötig 
hat, sich wiederherzustellen, und dass daher entweder eine 
schwache Wehe oder eine lange Pause nach einer oder 
mehreren starken Wehen folgt. 

Die Untersuchungen Westermark’s sind mit Frauen an- 
gestellt. Der einzige Versuch, den man nach der Sch atz'sehen 
Methode mit einer Kuh angestellt hat, ist von Poullet be¬ 
schrieben worden. 

Eigene Untersuchungen. 

Sollte man auch per analogiam annehmen, dass auch für 
das Rind der Modus der Uteruscontraction, die Druckdifferenzen 
und die Wirkung der Bauchpresse grosse Uebereinstimmung mit 
den obengenannten Resultaten geben würden — der durch die 
Untersuchungen gelieferte Beweis fehlte. 

Zwar hatten Poullet und St. Cyr eine Beobachtung an 
einer Kuh gemacht und davon eine graphische Darstellung 
abgebildet, aber nähere Einzelheiten davon fehlten. 

Dergleichen Versuche mit Rindern haben grosse Schwierig¬ 
keiten, welche zwar zu beseitigen, aber doch nicht für gering 
zu halten sind. Das Registriren einer ganzen Geburt dauert 
sehr lange, und für die richtige Registrirung ist eine ruhige 
Mutter eine Hauptbedingung. 

Meine Experimente fanden bei sechs Primiparae statt; ich fing 
damit im Jahre 1900 schon an, setzte dieselben im Jahre 1901 
und im Frühling des Jahres 1902 fort. Bedeutende Differenzen 
bei den Aufnahmen, welche ich machte, gab es nicht, vielmehr 
beobachtete ich eine grosse Uebereinstimmung in den Cnrven 
aller dieser Thiere. 

Die Weise, wie die Wehen aufgenommen wurden, ist folgende 
In den Uterus wurde ein Caoutohoucballon von 325 cbm 


No. 8. 


Inhalt eingebracht. Dieser Ballon mit kurzer Röhre konnte 
mittelst eines Hahnes geschlossen werden. Als Fortsetzung dieser 
Röhre diente eine Caoutchoucröhre, welche 250 cm lang war 
und einen 7 mm grossen Diameter hatte. Die Wanddicke der 
Röhre betrug 1V 2 mm, der Diameter des Lumens also 4 mm 
Letztere war mit einem Qnecksilbermanometer verbunden. In 
dem Arm des Manometers, der mit dem Ballon nicht in Ver¬ 
bindung stand, schwamm auf dem Quecksilber ein Ebonit¬ 
schwimmer, auf dem ein Aluminiumdraht stand, an dessen Spitze 
eine Feder befestigt war. Diese mit Tinte versehene Feder 
schrieb auf ein von einer Rolle ablaufendesPapier. Die Schnelligkeit, 
mit welcher das Papier sich bewegte, wurde gleichfalls durch 
einen Aluminiumstift mit Feder notirt, welcher mit einem Electro- 
magneten verbunden war und sich nach den Schwankungen eines 
Metronoms regelte oder vielmehr den Schwankungen eines Metronoms 
synchronisch war. Dass diese Methode, die Zeit in Secunden 
zu notiren, grosse Vortheile darbietet, wird sich unten heraus¬ 
steilen. Setzen wir den Registrirapparat in Bewegung, bevor 
der Ballon in den Uterus eingebracht ist, dann schreibt die 
Feder blos eine horizontale Linie. 

Dass ich für meine Experimente nicht das Kymographion 
mit berusster Walze, welcher schönere Cnrven giebt, gebrauchte, 
findet seinen Grund darin, dass ein wiederholter Wechsel der 
Walze grosse Störungen erzeugt, weil die schönsten Curven 
oft gerade unter das Wechseln fallen. Ausserdem sind die 
Schwankungen des Quecksilbers bei diesen Versuchen so gross, 
dass nur wenig Curvenreihen auf einer Walze gemacht werden 
können. Die Papierrolle hat den Vorzug, dass man später den 
ganzen Partus auf einem Stücke Papier ablesen kann. 

I. Die Asweudung des Apparates. 

Der Ballon und die Caoutchoucröhre bis zu dem Quecksilber 
in dem Manometer werden mit Wasser gefüllt, und der Hahn 
wird geschlossen. Der Ballon wird in den Uterus eingebracht, 
und zwar so weit wie möglich, am liebsten in die Nähe des 
Nabelstranges. Man stellt ihn zwischen das Chorion und die 
Uteruswand, was bei einer stehenden Kuli sehr leicht ist; der 
schwere, mit Wasser gefüllte Ballon bewegt sich von selbst 
nach vorn. 

Nachdem man dieses gethan hat und der Hahn stets ge¬ 
schlossen geblieben ist, lässt man die Papierrolle sich bewegen. 
Eine horizontale Linie zeigt sich auf dem Papier: das ist die 
Nulllinie. Bei späteren Versuchen habe ich auch Lufttransport 
angewandt. Bedeutende Differenzen entstanden nicht dadurch. 

Selbstverständlich muss der Ballon unter aseptischen 
Cautelen eingebracht werden. Ich gebrauchte dafür eine 
2procentige Creolinlösung, in welcher Ballon und Röhre eine 
ziemlich lange Zeit gelegen hatten. Vor Allem soll darauf ge¬ 
achtet werden, dass Ballon und Röhre beim Einbringen nicht 
durch Faeces beschmutzt werden. Nachtheilige Folgen habe 
ich bei keinem einzigen Thier beobachtet 

2. Bestimmung vom Tonus des Uterus. 

Wird nun, nachdem der Ballon in den Uterus eingebracht 
und die Nulllinie bestimmt ist, der Hahn geöffnet, so sehen wir 
auch in einer Wehenpause das Quecksilber unmittelbar steigen. 
Sind wir im vorbereitenden Stadium der Geburt, dann sehen 
wir jedesmal die Curve eine geringe Krümmung nach oben 
machen; sie kommt aber nie wieder bis zur Nulllinie, sondern 
bleibt immer so hoch über derselben, als das Quecksilber stieg 
im Augenblick, wo der Hahn geöffnet wurde. Diese Er- 


BERLINER THIERARZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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19. Februar 1903. 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


127 


soheinung ist eine Folge der Uterusspannung, der Uterus* 
tonicität. Diese Spannung ist im vorbereitenden Stadium gering 
und nimmt fortwährend zu; in der Anstreibungsperiode ist sie 
grösser und kurz vor der Geburt am grössten. Sie 
beträgt gewöhnlich durchschnittlich während der Geburt (aus¬ 
treibende Wehen) 66 mm Hg. 

Während der Wehenpause bleibt die Spannung constant; 
die Linie ist horizontal und zeigt keine Schwankungen. An 
keinem meiner Thiere habe ich die kleinen Excursionen, welche 
Poullet angiebt, beobachten können. Aus der folgenden Tabelle 
ersieht man, dass der Uterustonus bei jeder Wehe verschieden 
ist So fand ich bei zehn austreibenden Wehen während einer 
Geburt die folgenden, in mm Hg. ausgedrückten Ziffern: 64, 
63, 60, 56, 80, 73, 72, 68, 60, 60. 

In der Wehenpause kann man bei der Exploration den 
Uterustonus sehr gut wahrnehmen; die fortwährende Spannung 
der Wand ist ein characteristisches Kennzeichen. Die Druck, 
differenzen während der Wehen und während der folgenden 
Pausen sind mit der Hand nicht wahrzunehmen, nur die Curven 
geben sie uns an. 

Ein Contractionsring, der beim Menschen deutlich wahr¬ 
genommen werden kann, und den Schroeder so benannt hat, 
ist beim Rinde zu fühlen, wenn viel Fruchtwasser abgeflossen 
ist; er befindet sich vor dem Oriflcium internum an der Stelle 
der Verbindung der Ligamenta lata. Dieser Ring spielt eine 
wichtige Rolle bei der Ruptur des unteren Uterinsegmentes 
(beim sogenannten „spontanen Riss“) im Falle der Steisslage des 
Kalbes mit unter den Leib geschlagenen Beinen. 

3. Constructlon der Wehencurve. 

Will man die Curve einer Uteruscontraction machen, so 
geschieht dies am besten in dem Stadium, wo keine accessorischen 
Bewegungen, d. h. Pressungen stattfinden, also im vorbereitenden 
Stadium, wenn die Cervix soweit geöffnet ist, dass man den 
Ballon gerade hineinbringen kann. Besser wäre es allerdings 
dieses zu thun, wenn die Cervix sich eben geöffnet hat, aber 
dieses ist unmöglich. Setzt man in diesem Stadium, nachdem 
man den Ballon eingebracht hat, den Apparat in Thätigkeit, 
dann wird die Curve gemacht wie, Fig. 1 sie darstellt. 


*• 


3 l «. Cn/\AS&w (•/>!. muA 



Der einzige, Gipfel ist eine accessorische Bewegung, Diese 
Curve ist eine schwach nach oben gebogene Linie. Die Uterus¬ 
contraction steigt langsam bis zu dem höchsten Punkte und 
nimmt dann wieder langsam ab. Registrirt man ein vorbereiten¬ 
des Stadium, so bekommt man sehr viele dergleichen Curven; 
endlich aber, wenn die Cervix sehr weit wird, zeigt die Curve 
in ihrem Verlaufe einige Gipfel. Diese sind reflectorisch er¬ 
zeugte Pressungen. Damit ist das Uebergangsstadiura zu der 
austreibenden Periode erreicht. 

Die obengenannte Form der typisohen Wehencurve, d. h. die 
Curve der Uteruaöontraction, finden wir auch in der graphischen 
Darstellung der Wehe in dem Austreibungsstadium wieder. Ist 


nämlich die Wasserblase gesprungen und die Fussblase in der 
Cervix, dann haben die accessorischen Bewegungen einen grossen 
Antheil an der austreibenden Kraft, und wir sehen dann die 
graphischen Darstellungen scheinbar völlig anders. Ich wieder¬ 
hole: scheinbar, denn dieCurve der Uteruscontraction ist wirklich 
dieselbe. Die hohen Gipfel sind ausschliesslich die Folge der 
Banchpresse (Fig. 2 und 3). Man kann dieses nicht nur unter 









_ JCuUJLuu. _ 

der Aufnahme der Darstellung am Thiere wahrnehmen, sondern 
man sieht dieses auch durch nähere Beobachtung. Jede Steigung 
und jeder Fall des Quecksilbers beginnt und endigt bei der 
schwach gekrümmten Curve der Uteruscontraction, und da, wo 
sie unter dieselbe kommt, ist dieses die Folge der Inertion des 
Quecksilbers; die Regelmässigkeit der Schwankung unter dieser 
Linie bei jeder Bauchpresse zeigt dieses deutlich genug. 

Ist an der Form der Curve schon zu sehen, welchen 
wichtigen Antheil an der Austreibung die Bauchpresse hat, so 
wird aus der Bestimmung des ansgeübten Druckes in mm Queck¬ 
silber dieses noch deutlicher hervorgehen. 


Welien im Austrolbungsstadlum, Primipara, dd. 15. April 1902. 


Dauer der Wehe 
ln Secnnden 


Däner der nach¬ 
folgenden Pause 
ln Secnnden 




USS-s 

2 Sfi;S 

O *2 © 2- 

” fl-gs 
© o Jr* 

S SM 

oSS 
BP fl 


31 4 102 ; 64 64 92 66 

25'/ a 5 87V*' 44 63 96 76 

37 7 78 ! 34 60 98 70 

115 14 87 I 80 56 100 74 

55 7 99 | 99 80 106 66 

56 8 82 , ? 73 102 68 

26 4 132 | ? 72 94 70 

64«/, 11 45 | ? 68 102 80 

106 9 143 I ? 60 100 70 


•S-3 2 

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Schnitts-1 83 
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71.6 32 


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128 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 8. 


Bei einer normalen Geburt einer Färse war die Durch¬ 
schnittsdauer einer Wehe (Üternscontraction und Bauchpresse) 
83 Secunden, die Dauer der Bauchpresse 60 Secunden. Die 
Uteru8contraction dauerte also 23 Secunden länger. 

Wie aus der Tabelle ersichtlich, kommen also durch¬ 
schnittlich 8 Contractionen der Bauchmuskeln auf eine Wehe. 

Die Wehenpause ist durchschnittlich, was die Bauchpresse 
betrifft, 95 Secunden, und für die Üternscontraction 65 Secunden. 

Die Wehencurve während der Austreibungsperiode zeigt 
uns, dass die Bauchpresse keine anhaltende Contraction ist, 
sondern eine Reihe von Contractionen, die schnell einander folgen. 

Dieselben Formen der Curven fand ich bei allen Thieren, 
deren Wehen ich registrirte, nirgends fand ich eine Platte 
zum Beweise einer accessorischen Bewegung, welche einige 
Secunden anhielt, auch nicht wenn ich das Papier schnell be¬ 
wegte, in welchem Falle der Gipfel sich doch einigermassen 
abplattete. 

Kann man also die Curve in zwei Theile zerlegen, die 
Curve der üternscontraction und die Curve der accessorischen 
Bauchpresse, so wäre der absolute Beweis, dass die Gipfel 
über der schwach gekrümmten Linie von der Bauchpresse 
herrühren, erst geliefert, wenn man die letzteren allein dar¬ 
stellen könnte. Ich habe dieses versucht, indem ich einen 
gleichfalls mit Wasser gefüllten Ballon, der dieselbe Form und 
dieselbe Grösse hatte als der, welcher in den Uterus ein¬ 
gebracht war, in das Rectum einführte an der Stelle vorbei, wo 
die Ligamenta lata liegen und diesen Ballon mittelst einer 
Caoutchoucröhre mit einem zweiten Manometer in Verbindung 
brachte. Die Schwankungen des Quecksilbers dieses Mano¬ 
meters wurden auf dasselbe Papier und unter die Curven des 
ersten Manometers geschrieben. Der Uterusballon gab also 
Curven derUteruscontractionen -}-der Bauchpresse, und der Rectal¬ 
ballon nur die Curven der Bauchpresse. Indem man nun die 
beiden Curven verglich und die zweite von der ersten substrahirte» 
blieb also die Curve der üternscontraction übrig. Es muss 
aber zugleich bemerkt werden, dass der Rectalballon nie eine 
richtige Curve der Bauchpresse geben kann, weil hier zwei 
Factoren sehr störend wirken, erstens, die langanhaltenden 
Contractionen der Darmmusculatur und zweitens die Luftsäule, 
welche sich während der Geburt im Rectum befindet. Dass 
diese beiden Factoren sich geltend gemacht haben, beweist Fig. 4. 



Die Abplattung der Curve des Rectalballons rührt von der 
Wirkung jener beiden Factoren her. Näheres darüber hoffe ich 
später mitzutheilen. Ans der Vergleichung der beiden Curven 
zeigt es sich trotzdem ganz bestimmt, dass die Gipfel ausschliess¬ 
lich die Folge der Wirkung der Bauchmuskeln sind. 

Was sich dem Beobachter beim gebärenden Thiere als Wehe 
andeutet, sind allein die letztgenannten Contractionen, die 


eigentliche Uteruscontraotion fängt schon früher an 
und endigt später. 

Die graphische Darstellung lehrt uns weiter, dass die 
accessorischen Bewegungen, kenntlich an den Gipfeln in der 
Curve, immer dann kommen, wenn die Uteruscontractionen ihren 
Höhenpunkt erreicht haben, also in dem Augenblick, wo sie 
das günstigste Resultat erzielen können. Ob dieses nun zu¬ 
sammenhängt mit dem grossen Wehenschmerz, sodass in dem 
Augenblick die Bauchpresse sich reflectorisch einstellt, lässt 
sich nicht beweisen, aber lässt sich sehr wohl voraussetzen. 
Gleichfalls darf man voraussetzen, dass das reflectorische Mit¬ 
drängen also unwillkürlich ist. Westerm ark’ s Versuche haben 
dargethan, dass der Schmerz zugleich mit der Üternscontraction 
anfängt, und dass, je grösser der intrauterine Druck ist, desto 
grösser auch der Schmerz sein wird. Hört das Sinken der 
Curve auf, dann ist der Schmerz verschwunden. 

Bei der Austreibung machen sich also drei Factoren geltend, 
d. h. erstens der Tonus des Uterus, zweitens die Uterus- 
contraction und drittens die Bauchpresse. 

4. Bestimmung des intrauterinen Druckes, 
a) Von der üternscontraction. 

Der Druck, der allein durch die Üternscontraction, also 
ohne Bauchpresse ausgeübt wird, lässt sich aus der graphischen 
Darstellung einer Curve berechnen. Die Höhe der Curven muss 
dazu verdoppelt werden, weil, wenn in dem einen Arm des 
Manometers das Quecksilber um einige Millimeter steigt, das¬ 
selbe in dem andern Arm um ebensoviel Millimeter fällt. Ist 
der höchste Punct der Uteruscurve in einer Wehe, welche ich 
aufnahm, 46 mm über der Nulllinie, so beträgt der ausgeübte 
Druck 46 X 2 = 92 mm Hg. 

Während einer Geburt ist dieser Druck nicht immer der¬ 
selbe. Im vorbereitenden Stadium ist der Druck etwa 38 mm Hg, 
im austreibenden Stadium durchschnittlich 99 mm Hg. Die 
Intensität nimmt zu bis zur Austreibung der Frucht. Ich schreibe 
dieses dem Umstande zu, dass der Uterus kleiner wird, wenn 
ein Teil des Fruchtwassers oder die Frucht in den Geburtskanal 
getrieben ist. Wenn die Oberfläche kleiner wird, wird die 
Uterusmusculatur dicker und dadurch steigt die Wirkung der 
Contraction. Grosse Differenzen kommen hier aber nicht vor, 
der Druck schwankt zwischen 92 und 106 mm Hg. 
b) Von den accessorischen Bewegungen (Bauchpresse). 

Wird die austreibende Kraft durch die associirten Be¬ 
wegungen der Scelettmuskeln unterstützt, dann sehen wir einige 
Gipfel oder Hügel in der graphischen Darstelluug der Wehe 
über der schwach gebogenen Linie, welche die üternscontraction 
darstellt. Bei der äusserlichen Betrachtung macht es auf uns 
den Eindruck, dass die Bauchpresse aus einer oder aus zwei 
Pressungen bestände, die Curve lehrt uns aber, dass dieses nicht 
so ist. Sie zeigt uns, dass die scheinbar tonische Contraction 
der Bauchmuskeln aus einer Reihe Contractionen bestehen, welche 
5—8 Secunden dauern. Bisweilen sieht man einen Doppelgipfel, 
die folgende Contraction überholt dann die erste und die 
Gesammtdauer beträgt dann zuweilen 15 Secunden. Gewöhnlich 
steigt die Contraction der Bauchmuskeln langsamer als sie 
abnimmt. Das Fallen der Curve ist meistens schnell. Die 
Anzahl von Contractionen pro Wehe schwankt zwischen 4 und 13. 

Die kleinste Curve, d. h. der niedrigste Druck, den ich 
wahrnahm, betrug 11 mm Hg über der Curve der Uterus- 
contraction und zwar 111 mm Hg über der Nulllinie; der 


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19. Februar 1908. 


höchste Druck 80 mm Hg über der Uterusconstraction und 
182 mm Hg über der Nulllinie (s. die Tabelle). 

Die Ziffern sind bedeutend niedriger als die von Westermark 
bei einer Frau gefundenen. Zu verwundern braucht dieses uns 
nicht, wenn wir in Betracht ziehen, dass die Uterusmusculatur 
des Rindes viel dünner als die des Menschen ist; es zeigt sich 
hieraus vielmehr, dass die Ziffern des intrauterinen Druckes 
sich einigermassen wie die Dicke der Muscularis Uteri verhalten. 

Der Druck, der durch die Contractionen des Uterus und 
durch die der Bauchmuskeln auf das Kalb ausgeübt wird, ist 
sehr bedeutend. Der durchschnittliche Druck, welcher bei der 
Geburt ausgetibt und in der Tabelle angegeben wird, betrug 
99 + 71,6 = 170,6 mm Hg = 17,06 cm Hg = 17,06 X 13,6 = 
232,016 cbm 3 H 2 0 per cm 2 oder ungetähr 23,2 kg per dm 2 . 

Die Druckwirkungen, welche auf das Kalb ausgetibt werden, 
heben einander meistens auf, sodass eine Multiplication von der 
Anzahl dm 2 Oberflüche des Kalbes und der Anzahl kg per dm 2 
uns keine richtige Vorstellung giebt. Von grösserer Bedeutung 
ist der Druck, der auf den Beckeneingang des Mutterthieres 
ausgeübt wird. 

Der Beckeneingang der Kuh bildet eine unter einem Winkel 
von 45 0 stehende Ellipse, deren grösster Diameter ca. 24 (Con- 
jugata vera), und deren kleinster Diameter ca. 18 c m ist. Die 
Oberfläche beträgt demnach 12 X 9 X n — 339,12 cm 2 . Ist 
der Druck nun 23,2 kg pro dm 2 , so ist der Druck, der während 
einer Wehe auf den Beckeneingang ausgeübt wird, 23,2 X 
3,39 kg = 78,6 kg. Dieses ist ein ziemlich grosser Druck, der 
fast ebenso gross ist als die. Zugkraft einer stark gebauten Person. 

Ich habe mir auch die Frage vorgelegt, ob der vom Uterus¬ 
tonus ausgeübte Druck hinreichend sei, um das Gewicht eines 
in einer Flüssigkeit von ziemlich grosser Viscosität (Amnion¬ 
flüssigkeit) liegenden Kalbes unter einem Winkel von 45 0 zu 
halten. Die Berechnungen, die ich hier übergehe, lehrten mich, 
dass nur ein Theil jenes Tonus dazu genügt. Das übrigbleibende 
dient zur Unterstützung der Austreibung. 

5. Der Modus der Uteruscontraction. 

Die Weise, wie sich der Uterus bei der Austreibung zu¬ 
sammenzieht, wird von einigen Schriftstellern peristaltisch ge¬ 
nannt, indess andere meinen, dass eine Contraction in toto 
stattfinde. Betrachten wir den Geburtsmechanismus bei dem 
Uterus duplex oder bei dem Uterus divisus, so können wir uns 
die Austreibung der Früchte kaum anders erklären, als dass die 
Contractionswelle von der Tuba nach dem Collum uteri peristal- 
tisch verlaufe. Eine langsame Verschiebung der Früchte hat 
dann von einer Ampulle zur anderen statt. Dass dieses auch 
für den Uterus bicornis gelten würde, ist zwar per analogiam 
anzunehmen, aber noch nicht bewiesen. Kehrer und später 
Veit nahmen dann noch an, dass die Wehe vom Fundus uteri 
bis zur Cervix peristaltisch verlaufe und zwar so schnell, dass 
in der Praxis die Zusammenziehung als eine gleichzeitig er¬ 
folgende betrachtet werden könne. 

Die Präge ist nun, ob unsere Curven darauf Antwort 
geben können. Schatz liest die Peristaltik aus seinen Curven. 
Aus unserer graphischen Darstellung ergiebt sich, dass neben 
dem Uterustonus eine Uteruscontraction besteht, die langsam 
steigt, nach einiger Zeit ihren Höhepunkt erreicht, diese Akme 
einige Secunden behält, um dann wieder langsam abznnehmen. 
Die Dauer dieser Contraction schwankt zwischen 54 und 122 
Secunden und ist durchschnittlich 83 Secunden. 


129 


Wiewohl die Form der Curve darauf hinweist, dass die 
Contractionswelle vielleicht langsam über das Organ hin¬ 
schreitet und zwar vom Fundus bis zur Cervix und dass 
diese Contractionswelle, nachdem sie ausgelaufen ist, sich nach 
34—99 oder durchschnittlich nach 65 Secunden wiederholt, so 
erachte ich dieses doch nicht für bewiesen und ich gedenke 
dieser Frage durch Experimente genauer auf den Grund zu 
gehen. 

6. Zusammensetzung der austreibenden Kraft. 

Die austreibende Kraft, die beim Geburtsmechanismus 
thätig ist, besteht aus 3 Factoren, nämlich: 

a) dem Uterustonus mit einem Durchschnittsdruck von 
66 mm Hg. Dieser Tonus übt einen fortwährenden Druck 
auf das Fruchtwasser und indirect auf die Frucht aus. Er 
schwankt bei den verschiedenen Wehen. Wenn der Uterusinhalt 
kleiner wird, bleibt der Tonus, er schiebt gewissermaassen den 
Inhalt in die Richtung nach der Cervix fort. 

b) der Uteruscontraction mit einem Durchschnittsdruck 
von 99 mm Hg über der Nulllinie. Er übt durch die viscöse 
Flüssigkeitssäule einen gleichmässigen Druck auf den Inhalt 
aus, der zur Austreibung mithilft. 

c) der Baucbpresse. Das Pressen, d. h. die Contraction 
der Bauchmuskeln, bildet den wichtigsten Factor im Ans- 
treibungsmechanismus. Der höchste Druck, der dadurch ans¬ 
geübt wird, beträgt 80 mm Hg über der Uteruscontraction 
oder 182 mm Hg über der Nulllinie. Diese Pressungen, 
welche schnell auf einander folgen, unterstützen die Uterus¬ 
contraction gerade in dem Augenblick, wo dieselben ihre 
Akme erreicht, demnach in dem günstigsten Augenblicke. 

Litteratur. 

*) Kehrer, Beiträge zur vergl. und experira. Geburtskunde, 
Heft 2, S. 119. 1867. 

3 ) Obernier. Bonn, 1865. 

*) Veit Lehrb. d. Geburtsh. von Olshausen und Veit, 
S. 16i. 1902. 

4 ) Schatz, Archiv für Gynäologie, Bd. III und XXVII. 

5 ) Poullet, Archives de Focologie, Bd. VII, S. 65. 

®) Polaillon, Archives de Physiologie. 1880. 

*) Acconci, Sulla contrazione e sul’ inerzia dell utero 
Forino. 1891. 

8 ) St. Cyr et Viojet, Traitö d’obstötrique, ipöme Edition. 

9 ) Westermark, Skandinavisches Archiv für Physiologie, 

Bd. IV. 1893. 

Referate. 

Mittheilungen aus der Armee. 

(An* der Zeitschrift für Veterinärktinde. Heft 5—7.) 

Hefebehandlung bei Druse. 

Oberrossarzt Lndewig berichtet, dass er häufig gesehen 
habe, wie bei Herrschen von Druse die bäuerlichen Besitzer 
ihren Pferden Hefe zur freiwilligen Aufnahme vorsetzten oder 
dieselbe als dicken Brei den Thieren eingaben. 

L. hat daher feste Hefe 100 g mit Althaepulver und Honig 
zu einer Latwerge anrühren lassen und 2 bis 3 Mal den druse¬ 
kranken Thieren eingeben lassen. Alle übrigen Pferde des Be¬ 
standes erhielten dünne Sauerteigsnppen als Getränk zur Prophy¬ 
laxe. Die Erfolge waren durchaas ermuthigend und die Ursache, 
dass von dieser Therapie in weitestem Umfange Gebrauch ge¬ 
macht wurde. Da wir heute den Hefepilzen besondere bactericide 
Eigenschaften zusprechen können, entbehrt diese Art der Be¬ 
handlung nicht mehr des wissenschaftlichen Hintergrundes. 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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130 BERLINER THIERARZTL1 CHE WOCHENSCHRIFT. No. 8. 


Inzwischen hat General von Damnitz, der Inspectenr des 
Remontewesens, gleichfalls znr versuchsweisen Anwendung der 
Hefe bei Druse aufgefordert. (Der Referent.) Nevermann. 

Baoliiol. 

Bacillol wird in der Wundbehandlung mit zunehmender 
Häufigkeit genannt. Die Verwendung auch in schwereren 
Fällen, z. B. bei Sehnen- und Gelenkwunden zeigt, dass dieses 
Desinficiens sich Zutrauen erworben hat. Meist werden 2 bis 
5proc. Lösungen angewandt. 

Häufig sind Waschungen des ganzen Körpers mit 3 bis 
4proc. Lösungen ausgeführt worden bei Läusetilgungen, ohne 
dass Nachtheile aufgetreten wären. 

Oberrossarzt Kühn bemerkt, dass das jetzige Präparat, 
welches wohl noch einem Reinigungsprocess unterworfen worden 
ist, sich vortheilhaft vor dem früheren auszeichne, welch letzteres 
oft unsaubere und schmierige Lösungen gab. 

ObeiTossarzt Becker und Rossarzt Pantke rühmen eine 
Combination von Sublimat (1:1000) und 5proc. wässeriger 
Bacillollösnng als besonders wirksam. Nevermann. 

Wochenübersicht über die medicinische Litteratur. 

Von Dr. Jen-Charlottenburg, 

Krelsthlerarst. 

Deutsche medicinische Wochenschrift Nr. 5. 

Ein Fall von Hermaphroditismus; von Prof. Garr6. Wird 
auf daB Original verwiesen. 

Mechanismus der Strangulation des Darmes; von Privatdocent 
Dr. Wilma. W. fand, dass bei einer Strangulation durch die 
Peristaltik der eingeklemmten oder abgeknickten Schlinge der 
abführende Schenkel so weit in die Strangulation hineingezogen 
wird, bis die Schnürung eine absolut feste ist. 

Weitere Untersuchungen über Mitigation des Epithelioma 
contagiosum des Geflügels; von Prof. Dr. Marx und Dr. Anton 
Sticker. Wird auf das Original verwiesen. 

Hämolytische Wirkungsweise des Kobragiftes. Wenn man rothen 
Blutkörperchen durch sorgfältiges Waschen alles Serum entzieht, 
so tritt Agglutination und nicht Hämolyse bei Zusatz von 
Kobragift ein. Setzt man sofort Serum hinzu, so werden die 
rothen Blutkörperchen aufgelöst. 

Lacto8erumreaction; von Stabsarzt Dr. Uhlenhut. IT. demon- 
strirte am 6. September 1902 im medicinischen Verein zu 
Greifswald die Ausfällung des Caseins der Kuhmilch durch ein 
specifisches Lactoserum bei Zusatz von 0,5 ccm und 0,3 ccm. 
Gleichzeitig demonstrirte U. ein Dotterantiserum. Mit Hülfe 
dieses Serums ist U. im Stande, auch biologisch im Reagensglas 
den Beweis zu liefern, dass das Eiweiss des Eigelbes und des 
Eiweisses different sind. Das Eiweiss besteht aus Albumin und 
Globulin, das Eigelb aus Vitellin, Lecithin und Nuclein. In 
der Nahrungsmittelchemie lässt sich also das Dotterantiserum 
zum Nachweis von Eigelb verwenden. 

Die Unterscheidung von Thier und Menschenknochen; von Prof. 
Beumer. B. hielt über diesen Gegenstand im medicinischen 
Verein in Greifswald im December 1902 einen Vortrag, aus 
welchem hervorgeht, dass es ihm mittelst der biologischen 
Methode möglich war, die Herkunft kleiner Knochentheilchen 
genau zu bestimmen. 

Dieselbe Zeitschrift No. 6. 190.1. 

Nierenfunction und Blutjefrierpunct. Ueber diesen Gegenstand 
hielt Theodor Cohn im Verein für wissenschaftliche Heilkunde 
in Königsberg i. Pr. am 8. December 1902 einen Vortrag, in 


welchem er auf Grund seiner eigenen Beobachtungen zu dem 
Schlüsse kommt, dass die Bestimmung des Blutgefrierpunktes 
nicht als Maassstab für die Beurtheilung der Nierentüchtigkeit 
verwendet werden kann. Es war bekanntlich behauptet worden, 
dass jede Beeinträchtigung der Nierentüchtigkeit sich in einer 
Verstärkung der molecularen Concentration des Blutes äussert, 
welche ihrerseits aber durch die Gefrierpunktsbestimmung er¬ 
mittelt werden sollte. 

Dieselbe Zeitschrift No. 7. 

Sind Borsäure und Borax wirkungs- und gefahrlos für den 
Organismus. Ein Wort von Dr. Rost. Die Arbeit ist noch 
unvollendet. 

Münchener medicinische Wochenschrift No. 6. 

Ueber Fütterungstubercalose; von Hansemann. Von H. hielt 
über diesen Gegenstand am 28. Januar 1903 in der Berliner 
Medicinischen Gesellschaft einen Vortrag. Auch er hat ge¬ 
funden, gleich wie Virchow, dass die primäre Darmtuber- 
culose selten vorkommt. Er sah in 7 Jahren nur 25 Fälle 
von primärer Darmtuberculose. Meistens betrafen sie Kinder oder 
Kranke (z. B. Lebercirrhose). Bei Lebercirrhose sah er ausser¬ 
dem 4 Fälle von Peritoneaituberculose ohne nachweissbare Ein¬ 
gangspforte, woraus gefolgert werden muss, dass der Tuberkel¬ 
bacillus die Fähigkeit hat, die Darmwand zu passiren, ohne 
dort nachweisliche Erkrankung zu erzeugen. Die Zungentuber- 
cuiose kommt nach von H. viel häufiger vor, als gemeinhin 
angenommen wird Primäre Tonsillentuberculose hat er nur ein 
einziges Mal gesehen. Prof. Max Wolff demonstrirt eine 
grössere Zahl von experimentellen Ftitterungstuberculosen, bei 
denen auch das Freibleiben des Darmes bei Fütterung mit 
infectiösem Material auffällt. In der Discussion gab noch 
Geheimrath Schütz über seine mit R. Koch gemeinsam aus¬ 
geführten Versuche an, dass er an Kälbern experimentirt habe. 
Da ja bekannt sei, dass die menschliche und thierische Tuber- 
culose auf Meerschweinchen übertragbar sei, so seien die Ex¬ 
perimente WolffB irrelevant. 4 Kälber bekamen 230 Tage lang 
in der Milch täglich 10 Gramm menschliches bacillenreiches 
Sputum und 2 Kälber 200 Tage lang 1 gr. Reinkultur von 
menschlichen Tuberkelbacillen. Als sie nun getödtet wurden, 
waren sie vollkommen gesund. Alle Kälber hingegen, welche 
mit Milch von Kühen gefüttert wurden, die an Eutertuberculose 
erkrankt waren, erkrankten. Hieraus erhellt, der Unterschied 
zwischen den Bacillen der Menschen und der Rindertuberkulose. 

Tagesgeschichte. 

Die „Nachprüfung“ der Milzbranddiagnosen. 

Von Professor Sch mal tz. 

Die letzte Plenarversammlung des Vereins beamteter Thier¬ 
ärzte hat sehr entschieden gegen eine Nachprüfung der Milz¬ 
branddiagnosen Stellung genommen (vergl. B. T. W. No. 6, pg. 92). 
Der Referent Graffunder nannte eine solche Anordnung 
ungesetzlich und entehrend für den ganzen Stand. In An¬ 
betracht der tiefen Erregung, welche sich in dieser Aeusserung 
zeigt, erscheint es doch nützlich und geboten, zu prüfen, ob 
nicht eine andere Auffassung der Angelegenheit möglich und 
richtig ist. 

Meiner Ansicht nach handelt es sich nicht mehr darum, 
eine Maassregel herbeizuführen oder zu verhindern, sondern es 
ist bereits mit einer Thatsache zu rechnen. Der Ausgangs¬ 
punkt der Betrachtung sei folgende Annahme: Es wird all- 


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19. Februar 1903, 


BERLINER THTERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


131 


gemein vorgeschrieben, die Diagnose des Milzbrandes auf Grand 
des Obdnctionsbefandes nur vorläufig zn stellen, die definitive 
Diagnose aber von der bacteriologischen Untersuchung abhängig 
zu machen. Diese bacteriologische Diagnose wird principiell aus¬ 
geführt vom Departementsthierarzt resp. unter seiner Ver¬ 
antwortung. Der Departementsthierarzt erhält dazu die er¬ 
forderlichen Einrichtungen, sagen wir: ein Institut und einen 
speciell bacteriologisch geschulten Assistenten. 

Fragen wir nun, diese Annahme als vollendete Thatsache 
vorausgesetzt, wie dieselbe zu beurtheilen sein würde, wobei 
die technische Seite ausser Betracht bleibt und nur die Be¬ 
gründung einerseits und die Wirkungen andererseits zu erörtern sind. 

Ist zunächst das obige Verfahren überhaupt eine 
Nachprüfung? Keineswegs. Eine Nachprüfung wäre es, wenn 
der Departementsthierarzt käme, um den Obductionsbefund zu 
controliren, oder wenn der Kreisthierarzt die Pflicht hätte 
seinerseits die bacteriologische Diagnose zu stellen, und dann 
diese anderweitiger Bestätigung zu unterwerfen So soll es 
ja aber gar nicht sein. Die sichere Feststellung des Milzbrandes 
besteht nach dem heutigen Stande der Wissenschaft aus zwei 
Theilen: aus der Obduction und aus der bacteriologischen 
Prüfung. Die erstere besorgt der Kreisthierarzt, die letztere 
will man centralisiren. Warum? Weil die bacteriologische 
Diagnose viel complicirter ist, als man früher glaubte; weil es 
sich gezeigt hat, dass es mit dem Microscop allein nicht gethan 
ist; weil häufig dazu verschiedene Impfungen nöthig werden; 
weil dazu ein kleines Institut gehört. Ein solches Institut kann 
bequem die Arbeit für den ganzen Bezirk und noch grössere 
Gebiete besorgen; ja, es muss ein solches Arbeitsfeld haben, 
wenn es voll beschäftigt sein und seine Einrichtung sich lohnen 
soll. Dieser eine Grund genügt vollständig für die Centralisirung 
der bacteriologischen Diagnose, und man braucht daher nach 
anderen Gründen gar nicht zu suchen. 

Das Institut hai die bacteriologische Diagnose zu stellen, 
der Kreisthierarzt stellt eine solche überhaupt nicht Also ist 
die Institutsdiagnose auch keine Nachprüfnng: sie kann den 
Kreisthierarzt unmöglich desavouiren, weil dieser seine Meinung 
gar nicht engagirt hat. Er hat lediglich gesagt: „Die Obduction 
spricht für Milzbrand, das genügt aber nicht; das Weitere wird 
die Untersuchung der Blutprobe ergeben“. Wie die Untersuchung 
ausfällt, kann ihn gar nicht tangiren. 

Die Auffassung, dass diese Centralisirung der bacterio¬ 
logischen Milzbranddiagnose mit dem bestehenden Gesetz un¬ 
vereinbar sei, lässt sich m. A. n. nicht begründen. Die Absicht 
des Gesetzgebers, dass der zuständige Kreisthierarzt zugezogen 
werden muss, wird nicht verletzt, da der Kreisthierarzt ja die 
Obduction macht. Dass die Centralbehörde allgemein sich mit der 
Zuziehung deB Kreisthierarztes begnügen müsse, steht nirgends 
im Gesetz. Die §§ 14 und 16 beschränken nur die Polizei¬ 
behörden in der Herbeiführung eines Obergutachtens, beziehen 
sich aber doch nicht auf allgemeine Anordnungen des Ministers. 
Ganz ähnliche Anordnungen liegen ja auch schon vor betreffs 
der Feststellung erster Ausbrüche von Lungenseuche und Rotz. 
Der § 21 des prenss. Ausführungsgesetzes kann m. A. n. des¬ 
wegen nicht herangezogen werden, weil dieses Gesetz auf Milz¬ 
brandentschädigung gar nicht Bezug nimmt. 

Im Uebrigen würde auch der Versuch, die gesetzliche 
Ungültigkeit der Centralisirung der bacteriologischen Milzbrand- 
diagnose darzuthun, wenig nützen. Denn wenn er Aussicht 


auf Gelingen hätte, würden in dem neuen Seuchengesetz einfach 
entsprechend veränderte Bestimmungen Aufnahme finden. 

Untersucht man die Gründe der Maassregel, so ist ja 
freilich unzweifelhaft der Anstoss gegeben worden dadurch, dass 
in einigen Gegenden eine grosse Zahl gestellter Diagnosen 
bacteriologisch nicht bestätigt wurden, und dass daher in einigen 
Provinzen seitens der Provinzialverwaltung bacteriologische 
Feststellung angestrebt wurde, wobei auch das ganz unrichtige 
Wort „Nachprüfung“ aufkam. Die Provinzialverwaltung ist 
sogär durchaus in der Lage, die Beachtung dieses Verlangens 
energisch zu betreiben, da die ganze Milzbrandentschädigung 
auf ihren Beschlüssen beruht und sie die Einführung dieser 
gewiss segensreichen Maassregel von der Erfüllung jenes Ver¬ 
langens sehr wohl abhängig machen kann. 

Wenn nun die Centralbehörde sich zu einem entsprechenden 
Schritt entschliesst, so ertheilt sie damit den Kreisthierärzten 
ganz gewiss kein Misstrauensvotum. Die Fähigkeit der Kreis¬ 
thierärzte, den Milzbrand zu diagnosticiren, wird gar nicht an- 
gezweifelt. Wenn Kreisthierärzte Milzbrand diagnosticirt haben, 
der dann bacteriologisch nicht erweislich war, so haben sie 63 
gethan, weil sie (sehr mit Recht) im Zweifelsfalle (manchmal 
vielleicht auch in anderen Fällen) lieber zu Gunsten des einzelnen 
Viehhalters, als zu Gunsten des Entschädigungsfonds gesprochen 
haben. Dies ist auch der alleinige Grund für die Stellung der 
Provinzialverwaltungen, dass sie annehmen, der Kreisthierarzt 
nehme so weit als möglich das Interesse des Einzelnen wahr, 
während ihnen das communale Interesse nähersteht. 

Uebrigens aber ist das allein Entscheidende, wie schon ge¬ 
sagt, die Erkenntniss, dass die Diagnose des Milzbrandes that- 
sächlich vervollkommnter Hülfsmittel bedarf, wie sie eben nur 
in einem Institut angewendet werden können. 

Welches sind nun die Wirkungen der Centralisirung der 
bacteriologischen Milzbranddiagnose? Ist sie kränkend für die 
Kreisthierärzte? Kann sie deren Ansehen beim Publikum be¬ 
einträchtigen? Oder ist sie vielmehr vortheilhaft für sie? 

Wollte man einzelnen Kreisthierärzten die Diagnose ent¬ 
ziehen oder wollte man dies in einzelnen Regierungsbezirken 
thun, so wäre das schwer kränkend für die betreffenden Kreis¬ 
thierärzte. Deshalb kann die Vorschrift nur eine allgemeine sein. 

Bei ihrer Beurtheilung ist von entscheidender Bedeutung, 
wem die bacteriologische Diagnose übertragen wird. Würde 
dieselbe Instituten übertragen, welche von einem Arzte oder 
Chemiker geleitet sind, so würde dies als eine Bevormundung 
der Thierärzte durch Vertreter anderer Wissenschaften aufge¬ 
fasst werden, nicht blos von uns, sondern vom Publikum. Die 
betreffenden Institutsleiter würden in der Regel selbst in erster 
Linie diese Auffassung haben und verbreiten. Das wäre eine 
Demüthigung, also eine Schande, selbst wenn die Auffassung 
sachlich unbegründet wäre. Davon ist nun aber gar keine 
Rede, sondern die Departementsthierärzte sollen Institute er¬ 
halten, in welchen unter anderen Arbeiten auch die bacterio¬ 
logischen und experimentellen Milzbrandnachweise gemacht 
werden sollen. Selbst wenn es sich um eine „Superrevision“ 
oder „Nachprüfung“ handelte, wäre dabei doch nichts Kränken¬ 
des, wenn sie der Departementsthierarzt vornimmt, weil Revi¬ 
sionen durch höhere Beamte in der Beamtenschaft eine ganz 
regelmässige Erscheinung sind. 

Es ist aber gar keine Superrevision, wie schon oben aus¬ 
geführt. Es wird nicht die Diagnose des Kreisthierarztes nach- 


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132 


BERLINER THTERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 8. 


geprüft, sondern es wird die Diagnose in zwei ganz verschiedene 
Theile getheilt: die Obduction nnd den bacteriologischen Nach¬ 
weis. Natürlich müssen die Ergebnisse beider Theile zusammen- 
stimmen, ehe die Diagnose feststeht. Der Kreisthierarzt stellt 
daher gar keine Diagnose, ehe der bacteriologische Befand 
vorliegt. Also wird anch keine Diagnose nmgestossen, wenn 
dieser Befand negativ ansfällt. Der Kreisthierarzt constatirt 
künftig anf Grnnd der Obdnction nur Milzbrandverdacht. 
Er erklärt dem Publiknm, dass nnn erst noch die Giftigkeit des 
Blotes an kleinen Impfthieren probiert werden müsse, dann 
käme definitiver Bescheid. Das wird den Bauern höchstens 
ausserordentlich imponieren nnd dem Ansehen des Kreisthier¬ 
arztes bei ihnen gewiss nicht schaden. Der Kreisthierarzt hat 
vielmehr dadurch, dass er sich mit der bacteriologischen Dia¬ 
gnose garnicht abzngeben braucht, einen dreifachen grossen 
Vortheil. 

Erstens kann ich mir nicht denken, dass einem vielbe¬ 
schäftigten Kreisthierarzt die langweilige bacteriologische Unter¬ 
suchung erwünscht sein kann, von Impfungen mit allem Zube¬ 
hör ganz zu schweigen. 

Zweitens wird er mit der Entscheidung auch die inneren 
Conflicte zwischen Mitleid und Pflicht los, welche gerade bei 
der Frage, ob Milzbrand oder nicht, besonders häufig entstehen. 
Mir wenigstens würde es sehr schwer fallen, einem atmen 
Teufel, dem die vielleicht noch nicht bezahlte Kuh plötzlich 
gefallen ist und der zitternd auf Bescheid wartet, zu sagen: 
Es ist kein Milzbrand, Sie bekommen nichts. Die Erfahrung 
hat ja bewiesen, dass viele Kreisthierärzte ebenso empfinden. 

Drittens aber wird der Kreisthierarzt dadurch vor den 
äusseren Conflicten geschützt, welche ebenfalls gerade beim 
Milzbrand an der Tagesordnung sind. Die Kreisthierärzte 
klagen, dass sie sich in ihrem Dienst Feinde machen. Dies 
geschieht thatsächlich besonders bei der Milzbranduntersuchung- 
jeder Todesfall, bei dem jetzt der Kreisthierarzt Milzbrand 
nicht feststellt, schafft ihm einen Feind. So erwähnt Nowag 
in einem Vortrag*), dass ihm ein solcher Feind nachgesagt hat, 
er tände Milzbrand nur auf Gütern. Auch Graffunder sagte, 
dass nach Einführnng der Milzbrandentschädigung eine Animo¬ 
sität gegen die Kreisthierärzte entstanden sei. — Ja, dann 
können sie doch nur froh sein, wenn ihnen die Pflicht der Ent¬ 
scheidung abgenommen wird. 

Wie ist also die Sachlage? Um eine „Superrevision“ oder 
„Nachprüfung“ handelt es sich überhaupt nicht. Die Fähigkeit 
der Kreisthierärzte, den Milzbrand festzustellen, wird nicht 
bezweifelt. Die wissenschaftliche Erfahrung, die seit Einführung 
der Milzbrand-Entschädigung sehr bereichert ist, hat nur gezeigt, 
dass auch die bacteriologische Diagnose viele zweifelhafte Fälle 
ergiebt, welche weitere Untersuchungen, Ueberimpfnngen etc. 
nöthig machen. Dazu gehört eine vollständige Einrichtung. Da 
man diese den Kreisthierärzten nicht verschaffen kann, erhält 
der Departementsthierarzt ein Institut, in welchem diese Arbeiten 
ausgeführt werden. Der Kreisthierarzt wird dadurch weder in 
seinem Ansehen geschmälert, noch in seiner Einnahme, denn er 
macht nach wie vor die Obduction. Dagegen wird seine Arbeit 
erleichtert und er wird von einem ihm häufig erwachsenden 

*) Dieser durchaus einwandsfreie Vortrag ist im Landtag zur 
Sprache gekommen (vgl. B. T. W. No. 6 pg. 86) und von Dr. 
Müller irrthümlich als „amtlicher Bericht 1, bezeichnet worden. Ich 
komme darauf zurück. 


Odium befreit. Ich finde, die nähere Erwägung ergiebt also 
lediglich Vortheile für die Kreisthierärzte. 

Andererseits kann man es nur mit besonderer Freude be- 
grtissen, wenn nach und nach allen Departementsthierärzten 
Institute eingerichtet werden. Eine noch concentrirtere Centrali- 
sation, etwa durch Ueberweisung der Untersuchungen an die 
Hochschulen, wäre verkehrt. Die Hochschulen haben schon zu 
viel zu thun. Eine Decentralisation und Vermehrung der Arbeits¬ 
stellen für hygienische Forschung wird für letztere erspriesslich 
sein. So werden wir am besten die Concurrenz der Mediciner 
aushalten. Es hat ja eigentlich für uns einen gewissen Reiz, 
wenn ein Mann von einzig dastehendem Ruhm, wie Koch, den 
Schwerpunkt seiner Thätigkeit so sehr auf thierärztliches Gebiet 
verlegt, dass wir ihn eigentlich ganz als unseren Collegen be¬ 
trachten dürfen, wie jetzt wieder seine Reise nach Afrika zu 
thierärztlichen Zwecken beweist. Aber im Allgemeinen ist es 
uns doch lieber, wenn thiermedicinische Arbeiten von Thier¬ 
ärzten geleistet werden. Da kann uns nichts willkommener 
sein, als wenn neben den Hochschulen in allen Provinzen all¬ 
mählich sich auswachsende, thierhygienische Institute entstehen, 
wo unter thierärztlicher Directive junge Thierärzte, die in den 
hygienischen und pathologischen Instituten unserer Hochschulen 
erzogen sind, eine Wirkungsstätte finden, an der sie auf 
moderner Grundlage das Gelernte verwerthen und in unmittel¬ 
barer Berührung mit den Bedürfnissen des Landes eigne 
Arbeiten unternehmen können. Schon jetzt zeigen ja Er¬ 
fahrungen und Erfolge, dass man jungen Thierärzten 
bloss Platz zum Arbeiten zu schaffen braucht. Die Vortheile 
der thierärztlichen Institute in den Provinzen sind auch noch 
mannigfaltige andere. Die Departementsthierärzte erhalten damit 
Assistenten, die zugleich in amtliche Geschäfte eingeführt werden 
können. Die Institute können den Tbierärzten allgemein nutz¬ 
bar gemacht werden zu Untersuchungen und Aufschlüssen aller 
Art. Wo solche ärztlichen hygienischen Institute bestehen, wie 
z. B. in Posen, da werden sie von den Aerzten so viel als 
möglich in Anspruch genommen. 

Ich glaube also, diese Institute werden kommen und werden 
sich sehr bald als eine segensreiche Einrichtung erweisen. 

Die Kreisthierärzte werden bald erkennen, dass es nur ein 
Vortheil ist, wenn diesen Instituten die Bearbeitung der bakterio¬ 
logischen Milzbranddiagnose übertragen wird. 

Entwarf eines Gesetzes, betreffend die Gebfihren der 
Medicinalbeamten. 

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preussen u. s. w. 
verordnen mit Zustimmung beider Häuser des Landtages für den 
Umfang der Monarchie, was folgt: 

§ 1. Die Kreisärzte erhalten für amtliche Verrichtungen, deren 
Kosten der Staatskasse zur Last fallen, soweit dieses Gesetz in den 
§§ 3 und 4 nicht ein anderes bestimmt, ausBer ihren elatsmässigen 
Bezügen keine weitere Vergütung aus der Staatskasse. 

§ 2. Bei anderen amtlichen Verrichtungen, insbesondere bei 
solchen, welche durch ein Privatinteresse veranlasst sind oder Für 
ortspolizeiliche Interessen in Anspruch genommen werden, deren 
Befriedigung den Gemeinden gesetzlich obliegt, erhalten die Kreis¬ 
ärzte von den Betheiligten Gebühren. 

§ 3. Für die Thätigkeit als gerichtliche Sachverständige (Gerichts- 
ärzte) steht den Kreisärzten ein Anspruch auf Gebühren zu. 

§ 4. Die Kreisärzte erhalten aus der Staatskasse, in den Fällen 
des § 2 von den Betheiligten Tagege'der nnd Reisekosten nach 
Maassgabe der für Staatsbeamte geltenden allgemeinen gesetzlichen 
Bestimmungen. 


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19. Februar 1908. 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


185 


Die Tagegelder und Reisekosten in gerichtlichen Angelegen¬ 
heiten (§ 3) werden durch Königliche Verordnung festgesetzt. 

Werden die in dem § 2 bezcichneten Verrichtungen an dein 
Wohnorte oder in einer Entfernung von weniger als zwei Kilo¬ 
metern von demselben vorgenommen, so haben die Kreisärzte An¬ 
spruch auf Ersatz der verauslagten Fuhrkosten. 

§ 5. Ist ein und dieselbe Reise durch mehrere Geschäfte ver¬ 
anlasst, so werden die Tagegelder und Reisekosten gleicbmässig 
nach der Zahl der Geschäfte auf dieselben verteilt und nur die ent¬ 
sprechenden Theilbeträge von den Zahlungspflichtigen erfordert. 
Die Zahlungspflichtigen haften als zweite Schuldner für die einem 
anderen zur Last fallenden Theilbeträge bis zur Höhe der Tage¬ 
gelder und Reisekosten, welche bei abgesonderter Ausführung des 
Geschäfts entstanden wären. Sind mehrere Geschäfte auf derselben 
Reise an verschiedenen Orten ausgerichtet, so werden die Reise¬ 
kosten auf die mehreren Geschäfte, durch welche die Reise veran¬ 
lasst ist, nach Verbältniss derjenigen Beträge vertheilt, welche bei 
abgesonderter Erledigung jedes dieser Geschäfte an Reisekosten 
entstanden wären. 

Die vorstehenden Bestimmungen finden entsprechende An¬ 
wendung auf die Veriheilung der bei Verrichtungen am Wohnorte 
oder in einer Entfernung von weniger als zwei Kilometern von dem¬ 
selben entstandenen Auslagen flir Fuhrkosten. 

Tagegelder können auch dann, wenn mehrere Dienstreisen an 
einem Tage erledigt werden, nur einmal beansprucht werden. 

§ 6. In den Fällen der §§ 2 und 3 werden Tagegelder nur in 
soweit gezahlt, als sie die Gebühren für die auf der Reise vorge¬ 
nommenen amtlichen Verrichtungen übersteigen. Den vollbesoldeten 
Kreisärzten verbleibt bei der Abführung ihrer Gebühren an die 
Staatskasse (§ 8 Abs 3 des Gesetzes, betreffend die Dienststellung 
des Kreisarztes u. s. w. vom 16. September 1899, Gesetzsamml. 
S. 172) ein Betrag, welcher dem ausser Ansatz gebliebenen Tage¬ 
geldersatze gleichkommt. 

§ 7. Der Tarif für die den Kreisärzten in Gemässbeit der §§ 2 
und 3 zustebenden Gebühren wird durch den Minister der Medicinal- 
angelegenheiten im Einvernehmen mit den sonst betheiligten Ministern 
festgesetzt. In gleicher Weise werden auch die erforderlichen Aus¬ 
führungsbestimmungen erlassen. 

In dem Taiife kann auch bestimmt werden, dass bei einzelnen 
Arten von Verrichtungen Gebühren nicht zu erheben sind. 

Der Tarif ist durch die Gesetzsammlung bekannt zu machen. 

§ 8. Werden in den Fällen, in welchen der Tarif einen Mindest- 
und Höchstsatz vorsieht, Bedenken gegen die Angemessenheit des 
geforderten Betrages erhoben, so entscheidet, soweit nicht für gewisse 
Verrichtungen ein anderes bestimmt ist, der Regierungspräsident, 
innerhalb des der Zuständigkeit des Polizeipräsidenten von Berlin 
unterstellten Bezirks dieser, endgültig. 

§ 9. Als Kreisärzte im Sinne dieses Gesetzes gelten auch die 
Kreisassisten zärzte. 

§ 10. Werden andere Aerzfe, beamtete oder nicht beamtete, 
zu einer der in den §§ 1, 2 und 3 bezeichneten Verrichtungen amt¬ 
lich aufgefordert, so erhalten sie in Ermangelung anderweitiger 
Verabredung Gebühren in Gemässbeit der §§ 2 und 3, sowie die¬ 
selben Tagegelder, Reisekosten und Fuhrkosten, welche den Kreis¬ 
ärzten in Gemässhcit der §§ 4 bis 6 zustehen, sofern sie nicht in¬ 
folge ihrer Amtsstellung zur unentgeltlichen Besorgung des Geschäfts 
verpflichtet sind oder Anspruch auf höhere Sätze haben. 

§ 11. Für die Besichtigung einer Apotheke an seinem Wohn¬ 
orte oder in einer Entfernung von weniger als zwei Kilometern von 
demselben erhält der medicinische Kommissar 6 Mark Vergütung. 

Der pharmaceutische Commissar erhält Tagegelder und Reise¬ 
kosten nach den den Kreisärzten zustehenden Sätzen, ausserdem 
1,50 Mark für jede Apothekenbesichtigung als Ersatz für verbrauchte 
Reagentien. 

§ 12. Dieses Gesetz tritt mit dem Tage der Verkündigung 
in Kraft. 

Die Bestimmungen des Gesetzes vom 9. März 1872 (Gesetz¬ 
sammlung S. 266) und der Verordnung vom 17. September 1876 (Ge¬ 
setzsammlung S. 411) treten in Beziehung auf die unter dieses 
Gesetz fallenden Personen, ausser Kraft, 


Der Minister der Medicinalangelegenbciten ist ermächtigt, im 
Einvernehmen mit den sonst betheiligten Ministern an Stelle der 
Vorschrift in dem § 8 des Gesetzes vom 9. März 1872 die Gebühren 
des zu einer gerichtlichen oder medicinalpolizeilichen Feststellung 
zugezogenen Chemikers anderweit festzusetzen. Die Vorschrift in 
dem § 8 dieses Gesetzes findet auch in diesem Falle Anwendung. 

Begründung. 

Die Bestimmungen des Gesetzes, betreffend die den Medicinal- 
beamten für die Besorgung gerichtsärztlicher, medicinal- oder 
sanitätspolizeilicber Geschäfte zu gewährenden Vergütungen vom 
9. März 1872 (Gesetzsamml. S. 265) haben sich schon seit Jahren 
nach verschiedenen Richtungen als unzulänglich erwiesen. In erster 
Linie hat die Fassung des Gesetzes an manchen Stellen zu Klagen 
über Unklarheiten und Lücken und in Folge dieser Mängel tu Aus¬ 
legungen Veranlassung gegeben, die zu widersprechenden, höchst- 
richterlichen Entscheidungen geführt (vergl. u. A. Urth. des Reichs¬ 
gerichts vom 5. Januar 1899 und 3. December 1900, Entsch. in 
Civils. Bd. 43 S. 220, Bd. 47 S. 319, Urth. des Oberverwaltungs¬ 
gerichts vom 20. Januar und 1. December 1899, in Anlage I aus¬ 
zugsweise mitgetheilt), sowie eine Reihe ergänzender Erlasse der 
Verwaltungsbe: Orden nothwendig gemacht haben. Dies gilt ins¬ 
besondere von den Vorschriften in den §§ 1 und 3 des Gesetzes. 

Es hat sich ferner gezeigt, dass die Vergütungen des Gesetzes 
vom 9. März 1872 auch nach ihrer Höhe nicht mehr überall den 
heutigen Verhältnissen angemessen sind. Es ist bekannt, dass seit 
dem Inkrafttreten dieses Gesetzes die gesnndheits- und medicinal¬ 
polizeilichen Geschäfte der Medicinalbeamten ebenso wie ihre 
Sachverständigenthätigkeit an Umfang und Häufigkeit mit den Fort¬ 
schritten der Gesundheitswissenscbaft und gerichtlichen Medicin, 
insbesondere aber mit dem Hervortreten der Unfallheilkunde wesent¬ 
lich zugenommen haben. Die Anforderungen an die wissenschaft¬ 
liche und practische Ausbildung der Modicinalbeamten haben mit 
Rücksicht hierauf seit dem Erlass des Gesetzes vom 9. März 1872 
wiederholt eine Steigerung erfahren. Demgegenüber entsprechen 
die Gebührensätze dieses Gesetzes weder dem heutigen Geldwerthe, 
noch dem Umfange und der Schwierigkeit der gesteigerten Mühe¬ 
waltung. 

Die jüngst erfolgte Regelung der Verhältnisse der Kreis- 
raedicinalbeamten lässt es deshalb angezeigt erscheinen, auch die 
Bestimmungen Uber die Gebühren dieser Beamten einer Revision 
zu unterziehen. Auch in Zukunft bleibt der Kreismedicinalbeamte, 
soweit er nicht vollbesoldet ist, auf Gebühren angewiesen. Das 
Gesetz, betreffend die Dienststellung des Kreisarztes u. s.w., vom 
16. September 1899 (Gesetzsamml. S. 172), hat sich aus den zu § 8 
des Entwurfes desselben näher dargelegten Gründen darauf be¬ 
schränkt, dem künftigen Kreisärzte die Pensionsfähigkeit der Be¬ 
soldung und damit in Consequenz der gesetzlichen Bestimmungen 
(vergl. Gesetz vom 20. Mai 1882, Gesetzsamml. S. 298) den Hinter¬ 
bliebenen auch Anspruch auf Relictenversorgnng zu gewährleisten. 
Im übrigen aber beabsichtigt das Kreisarztgesetz nicht, 
wie dort ebenfalls ausgeiührt ist, der Dienststellung des Kreis¬ 
arztes einen von der des Kreisphysicus abweichenden 
Rechtscharacter zu geben. Während demnach der Kreisarzt, 
wie auch frül er der Kreisphysicus, für seine Thätigkeit im staat¬ 
lichen Interesse seine Besoldung aus der Staatscasse bezieht, welche 
durch den Staatshaushaltsetat für 1901 wesentlich erhöht worden 
ist, und demnach sämmtliche amtliche Verrichtungen dieser Art ohne 
weitere Vergütung vorzunehmen hat, wird er — abgesehen von den 
vollbesoldeten Kreisärzten — für sonstige amtliche Verrichtungen 
auch weiterhin durch Gebühren entschädigt werden. 

Besoldung und Gebühren stellen zusammen das Dienstein- 
kommen des nicht vollbesoldeten Kreisarztes dar, welches ent¬ 
sprechend dem nach den örtlichen Verhältnissen sehr verschiedenen 
Umfang seiner amtlichen Inanspruchnahme sich auch in Zukunft, 
wenn auch unter allgemeiner Aufbesserung seiner materiellen 
Stellung, verschieden gestalten wird. Zu bemerken ist hierbei, 
dass die Bestimmung in dem § 3 des Gesetzes, betreffend 
die Dienststellung des Kreisarztes u. s.w., vom 16. September 
1899, wonach die den vollbesoldeten Kreisärzten zu¬ 
stehenden Gebühren zur Staatskasse fliessen, durch den 


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134 BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 8. 


vorliegenden Entwurf, abgesehen vor. der Sonderbestimmung in dem 
§ 6, Satz 2, nicht berührt wird. Als Gebühren im Sinne dieser 
Vorschrift, sowie auch der des § 15 des genannten Gesetzes, sind 
indess nur die Gebühren für amtliche Verrichtungen im engeren 
Sinne anzusehen, nicht auch die Gebühren, welche den Kreisärzten 
zustehen, wenn Bie als gerichtliche Sachverständige zugezogen 
werden. Demnach verbleiben auch den vollbesoldeten Kreisärzten 
die nach § 3 anzu3etzenden Gebühren mit Ausnahme der Leichen¬ 
öffnungsgebühren, weil bei diesen nach § 87 der Strafprocess- 
ordnung der Gerichtsarzt als solcher zugezogen werden muss, somit 
eine amtliche Verrichtung im engeren Sinne vorliegt. 

Hervorzuheben ist ferner, dass mit der Neuregelung der Be¬ 
soldung der Kreisärzte nach dem Inkrafttreten des Kreisarztgesetzes 
der in dem Artikel V Abs. 2 des Gesetzes, betreffend die Tage¬ 
gelder und Rekekosten der Staatsbeamten, vom 21. Juni 1897 (Gc- 
setzsamml. S. 193), bezüglich der Medicinalbeamten ausgesprochene 
Vorbehalt seine Erledigung gefunden hat, so dass von diesem 
Zeitpunkte ab die allgemeinen, für Staatsbeamte gelten¬ 
den Bestimmungen dieses Gesetzes auch auf die Kreis¬ 
ärzte Anwendung finden. 

Nach dem Gesetze vom 9. März 1872 hat der Medicinalbeamte, 
welcher auf Dienstreisen gebührenpflichtige Verrichtungen vornimmt, 
keinen Anspruch auf Gebühren und Tagegelder, sondern nur die 
Wahl zwischen beiden in der Weise, dass, wenn er Gebühren bean¬ 
sprucht, er für den Tag, an welchem das Geschäft vorgenommen 
wird, keine Tagegelder eihält (vergl. § 5 des Gesetzes vom 9. März 1872 
in der Fassung der Verordnung vom 17. September 1876, Gesetz- 
samml. S. 411). Bei dem Ausschlüsse der Combinirung von 
Gebühren und Tagegeldern belässt es auch der vorliegende 
Entwurf mit der Maassgabe, dass Tagegelder nur insoweit gezahlt 
werden, als sie die Gebühren für die auf der Reise vorgenommenen 
Verrichtungen übersteigen (vergl. § 6 Satz 1 des Entwurfs). Sind 
umgekehrt die Gebühren höher als die Tagegelder, so gelangt der 
nach den §§ 2 und 3 zustehende volle Gebührensatz zur Auszahlung. 
Da bei dieser Regelung die Gebühren in den Vordergrund treten, 
so bietet es keine Schwierigkeit, bei der Festsetzung des pensions- 
fähigen DienB'einkommens der nicht vollbesoldeten Kreisärzte auch 
für die mit Dienstreisen verknüpften Verrichtungen die Gebühren 
zu berücksichtigen. 

Es empfiehlt sich nicht, die Gebühren, wie dies im Gesetz vom 
9. März 1872 geschehen ist, in dem Gesetze selbst festzulegen. 
Vielmehr erscheint es mit Rücksicht auf den schnellen Wechsel, 
dem die amtsärztliche Thätigkeit, sowie die derselben zu Grunde 
liegenden Zweige der medicinischen Wissenschaft unterliegen, zweck¬ 
mässig, einen Modus zu wählen, welcher geeignet ist, dem jeweiligen 
Bedürfnisse der Abänderung oder Ergänzung der normierten Gebühren¬ 
sätze ebenso schnell wie sachgemäss Rechnung zu tragen. Nach 
dem Vorgänge der Regelung der Gebührenverhältnisse der appro- 
birten Aerzte (vergl. § 80 Abs. 2 der Rciehsgewerbeordnung, Ge¬ 
bührenordnung für approbirte Aerzte und Zahnärzte vom 15. Mai 1896, 
M. Bl. f. d. i. V. S. 105) soll daher der Minister der Medicinalange- 
legenheiten ermächtigt werden, den Tarif für die den Kieisärzten 
nach §§ 2 und 3 zustehenden Gebühren festzusetzen und auch die 
erforderlichen Ausführungsbestimmungen zu erlassen. Dass der 
Minister der Medicinalangelegenl.eiten vor dem Erlasse oder der 
Abänderung des Tarifs sich des Einverständnisses sonst beteiligter 
Minister (des Finanzministers, des Justizministersi zu versichern 
bat, entspricht den begehenden Rcssortgrundsätzen. 

Im einzelnen ist folgendes zu bemerken: 

§ 1. Die Vorschrift im § 1 des Entwurfes stellt den Grundsatz an 
die Spitze, dass der Kreisarzt, wie jeder andere Staatsbeamte, für 
die in dem Bereiche seiner dienstlichen Thätigkeit liegtnde Inan¬ 
spruchnahme seitens des Staates durch seine etatsmässigen Bezüge 
entscl ädigt wird. Ausrahmen von diesem Grundsätze sind in den 
§§ 3 und 4 aufgeführt. Schon die Fassung des § 1 lässt erkennen, 
dass hier nur Einzelverrichtungen gemeint sind, die dem Kreis¬ 
ärzte als staatlichen Gcsundheitsbcamton des Kreises obliegen, nicht 
aber Geschäfte, wel» he von dem Kreisärzte in der Form eines ihm 
s+aatsseitig übertragenen Nebenamtes besorgt werden (z. B. die 
Geschäfte als Bahnarzt, Gefängnissarzt u. s. w.) 


Der Grundsatz des § 1 gilt auch für die im ortspolizeilichen 
Interesse vorgenommenen Verlichtungen in den Städten mit König¬ 
licher Polizeiverwaltung, sodass hier die Kreisärzte für solche 
Verrichtungen nichts zu beanspruchen haben (vergl. Gesetz, be¬ 
treffend die Kosten Königlicher Polizeiverwaltungen in Stadtge¬ 
meinden, vom 20. April 1892, Gesetzsamml. S. 87). Zur Beseitigung 
von Unbilligkeiten ist jedoch in Aussicht genommen, den Kieis¬ 
ärzten in solchen Städten, in welchen die Verrichtungen ortspolizei¬ 
licher Natur einen grösseren Umfang haben, angemessene pensions- 
fähige persönliche Besoldungszulagen zu gewähren. Das Gleiche 
gilt für die Landgemeinden der Provinz Hannover, wo ähnliche 
Verhältnisse voiliegen. 

§ 2. Der § 2 trifft im Gegensätze zu dem § 1 Bestimmung 
Uber alle anderen amtlichen Verrichtungen, d. h. über alle Ver¬ 
richtungen, deren Kosten der Staatskasse nicht zur Last fallen. 
Neben einer Reihe von Geschäften, welche den Kreisärzten von 
Behörden, Corporationsvorständen u. s. w. aufgetragen werden, 
gehören hierher insbesondere die Fälle, in welchen die Verrichtung 
durch ein Privatinteresse veranlasst ist oder die Thätigkeit des 
Kreisarztes lür solche ortspolizeilichen Interessen in Anspruch 
genommen wird, deren Befriedigung den Gemeinden gesetzlich 
obliegt (vergl. auch Abs. 2 und Abs. 3 des § 1 des Gesetzes vom 
9. März 1872). Die Besorgung ortspo'izeilicher Geschäfte liegt den 
Kreisärzten nicht von Amts wegen ob, sie sind vielmehr, wenn 
ihnen solche Geschäfte aufgetragen werden, auch schon nach der bis¬ 
herigen Rechtslage berechtigt, dafür von den Gemeinden Gebühren zu 
beanspruchen. Die Frage, in welchen Fäll n auf dem Gebiete 
des Medicinalwe-ens, insbesondere im Hinblick auf die Feststellung 
und Bekämpfung der ansteckenden Krankheiten, die Kosten der 
polizcilicherseit8 getroffenen Maassnabmen von den Gemeinden und 
in welchen Fällen sie vom Staate oder sonst Verpflichteten zu 
tragen sind, ist aus dem materiellen Recht zu entscheiden und wird 
durch den Gesetzentwurf nicht berührt. Die Verpflichtung der Ge¬ 
meinden, Für orte bezw. medicinal- und sanitätspoli/.eiliche Kosten 
aufzukommen, erleidet ebensowenig, wie der UmfaDg dieser Ver¬ 
pflichtung durch den Gesetzentwurf eine Aenderung; derselbe lehnt, 
indem er wegen der materiellen Kostenpflicht der Gemeinden aus¬ 
drücklich auf das bestehende Recht verweist, seinerseits das Ein¬ 
gehen auf diese Frage ab und beschränkt sich darauf, den Gebühren¬ 
satz, nicht die Gebülirenpflicht zum Gegenstände seiner Regelung 
zu machen. 

§ 4. Zu Abs. 1 vergl. das Gesetz, bet'effend die Tagegelder 
und Reisekosten der Staatsbeamten, vom 21. Juni 1897 (Gesetz¬ 
sammlung S. 193) In gerichtlichen Angelegenheiten wird die Ersatz 
pflicht der zur Kostentragung verurtbeilten Personen durch die 
Bestimmung des Entwurfs selbstverständlich nicht berührt. 

Zu Abs. 2: In gerichtlichen Angelegenheiten bezogen die 
Medicinalbeamten für ihre Sachverständigenthätigkeit schon nach 
dem bislerigen Rechte Tagegelder und Reisekosten nach den den 
Richtern in gerichtlichen Angelegenheiten zustehenden Sätzen. Bei 
dieser Einrichtung soll es auch in Zukunft verbleiben. Die Fest¬ 
setzung wird in Abänderung der Verordnung, betreffend die Tage¬ 
gelder und Reisekosten der Medicinalbeamten, vom 17. Sep¬ 
tember 1876 (Gesetzsamml. S. 411) durch Königliche Verordnung 
erfolgen. 

Die Bestimmung in dem Abs. 3 entspricht dem bestehenden 
Rechte (vergl § 1 Abs. 2 und 3 des Gesetzes vom 9. März 1872). 
Werden Verrichtungen aus § 1 an dem Wohnorte oder in einer Ent¬ 
fernung von weniger als zwei Kilometern von demselben vorge¬ 
nommen, so steht dem Kreisärzte nur unter denselben Voraus¬ 
setzungen, wie den übrigen Staatsbeamten, ein Anspruch auf Er¬ 
statt g von Fuhr- und sonstigen nothwendigen Unkosten >u (vergl. 
§ 6 des Gesetzes, betreffend die Tagegelder und Reisekosten der 
Staatsbeamten, vom £4. März 1«73; §6 der Verordnung, betnffend 
die Tagegelder und Refreko ten der Staatsbeamten, vom 15. April 1876, 
Gesetzsamml. S. 107). Einer besonderen Erwähnung dieses Anspruchs 
im Gesetz bedarf es nicht. 

§ 5. Die Bestimmungen dieses Paragraphen lehnen sich in In¬ 
halt und Fassung an die den gleichen Fall für die Gericbtspersonen 
regelnden Vorschriften des § 115 des Preussischen Gericbtskosten- 


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19. Febrnar 1903. BERLINER THIERARZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 136 


gesetzes vom 25. Juni 1895 (Fassung von lö99, Gesetzsamml. 

S. 325) an. 

§ 8. Vergl. § 10 Satz 2 des Gesetzes vom 9. Mürz 1872. Der 
Vorbehalt, „soweit nicht för gewisse Verrichtungen ein Anderes 
bestimmt ist", trifft alle Angelegenheiten, auf welche die Vorschrift 
des § 17 der Reichsgebührenordnung für Zeugen und Sachverständige 
vom 30. Juni 1878 (Fassung 1898 R. G. 13. S. 689) Anwendung findet. 

§ 10. Die Bestimmung dieses Paragraphen ist im Wesentlichen 
eine Wiederholung des § 7 des Gesetzes vom 9. März 1872. Handelt 
es sich in dem Falle des § 10 um Verrichtungen aus dem § 1, für 
welche den Kreisärzten Gebühren nicht znstehcn, so erscheint es 
gerechtfertigt, in Ermangelung einer abweichenden Verabredung 
auch jeden anderen, amtlich zugezogenen Arzt für die Einzelleistung 
nach Massgabe der Bestimmungen in dem § 2 zu entschädigen. 

Tarifentwurf 

nach § 7 des Gesetzes 

A. Gebühren für gerichtsärztliche Verrichtungen (§3a.a.0.) 

I. Abwartung eines Termins. 

1. Abwartung eines Termins bis zur Dauer von zwei 

Stunden, einschliesslich der während des Termins 
ausgeführten Untersuchungen und erstatteten münd¬ 
lichen Gutachten. 6 M. 

Jede angefangene halbe Stunde mehr .... 1 „ 

Als Anfang des Termii s gilt die Zeit, zu welcher 
geladen ist, als Endpunkt die Zeit der Entlassung. 

Unterbrechungen der Verhandlungen und Beur¬ 
laubungen des Medicinalbeamten werden in die 
Terminsdauer mit eingerechnet; dies gilt jedoch bei 
einer Unterbrechung oder Beurlaubung, welche auf 
mehr als zwei Stunden bestimmt wird, dann nicht, 
wenn der Medicioalbeamte an seinem Wohnorte ver¬ 
nommen wird oder wenn seine Rückreise durch die 
Unterbrechung oder Beurlaubung nichtverzögertwird. 

Die Gebühr ist ftir jeden Verhandlungstag be¬ 
sonders zu berechnen. 

Ist der Medicinalbeamte in mehreren Terminen 
an demselben Tage beschäftigt gewesen, so darf 
eine mehrfache Berechnung derselben Zeit nicht 
stattfinden. 

2. Untersuchung behufs Vorbereitung eines in einem 

Termine zu erstatteten Gutachtens: 

a) wenn die Untersuchung in der Wohnung des 
Medicinalbeamten oder, falls dieser Anstalts- 

. arzt ist, in der Anstalt stattfindet .... 3 „ 

b) wenn die Untersuchungen ausserhalb der 

Wohnung oder Anstalt stattfindet . ... 5 „ 

Hat sich der Medicinalbeamte in dem Falle zu b 
an Ort und Stelle begeben und kann die Unter¬ 
suchung ohne sein Verschulden nicht stattfiuden, 

so ist eine Gebühr von. 3 „ 

in Ansatz zu bringen. 

Mehr als drei Untersuchungen dürfen nur mit 
Zustimmung der ersuchenden Behörde berechnet 
weiden. 

3. Für eine Acteneinsicht ausserhalb des Termins . . . 1,50 - 6 „ 

II. Leicbenbesichtignngen, Leichenöffnung. 

4. Für die Mitwi-kling bei einer richterlichen Leichen¬ 

schau, die sons ige Besichtigung einer Leiche oder 
die Besichtigung von Leichentheilen oder einer 

Leibesfrucht. 8 „ 

Wird die Besichtigung mehrerer Leichen, Leicben- 
theile oder Leibesfrüchte bei derselben Gelegenheit 
vorgenommen, so darf die Gesammtgebühr für jeden 
Tag 30 Mark nicht übersteigen. 

ö. Für eine Leichenöffnung. 24 „ 

6 . Für die Sektion von Leicbentbeilen, sowie für die 

Oeffnnng einer nicht lebensfähigen Leibesfrucht . 12 „ 

7. In den Gebühren zu 4—6 ist die Gebühr für den 

Termin und den zu Protokoll gegebenen Bericht 
einbegriffen. 


8. Kann ausnahmsweise der Bericht über eine Be¬ 

sichtigung nicht sogleich in dem Termine zu Pro¬ 
tokoll gegeben werden, so ist für ihn eine Gebühr von 4 M. 
in dem Falle von 4 Abs. 2 höchstens eine Gebühr von 
ausserdem anzusetzen. 20 „ 

9. Wird ein besonderer Bericht über die Leichenöffnung 

(Obductionsbericht) ausdrücklich erfordert, so ist 
ausser der Gebühr zu 5 und 6 die Gebühr zu 11 
Abs. 1 anzusetzen. 

III. Schriftliche Gutachten, Untersuchungen. 

10. Ausstellung eines Befundscheines oder Ertheilung einer 

schriftlichen Auskunft ohne nähere gutachtliche Aus¬ 
führung . 3 „ 

11. Schriftliches, ausführliches, wissenschaftlich begründetes 

Gutachten, insbesondere über den körperlichen oder 
geistigen Zustand einer Person oder über eine Sache 10—30 „ 
Sind mehrere Medicinalbeamte zu einem Obduc- 
tionsberichte oder Gutachten aufgefordert worden, 
so erhält in dem Falle der gemeinschaftlichen Er¬ 
stattung jeder eine innerhalb der Mindest- und 
Höchstsätze nach der Mühewaltung des einzelnen 
zu bemessende Gebühr. 

12. Untersuchung eines Nahrungs- und Genussmittels, sowie 

Gebraucbsgegenstandes, eines Arzneistoffes, Geheiin- 
mittels und dergleichen nebst kurzer gutachtlicher 


Aeusserung. 3—10 

13. Untersuchung, mikroskopische, physikalische, ein¬ 

schliesslich einer kurzen gutachtlichen Aeusserung 
und des verbrauchten Materials an Farbstoffen und 
dergleichen.6-20 

14. Untersuchung, bactcriologische, chemische, einschliess¬ 

lich des Gutachtens.12-75 

Die verwendeten Reagentien, Nä rhöden, ver¬ 
brauchten Apparate, Auslagen für Benutzung eines 
besonderen Locals, sowie sonstige nothwendige Un¬ 
kosten sind neben der Gebühr zu vergüten 


15 Ausser der Gebühr zu 11 erhält der Medicinalbeamte 
im Falle der Wahrnehmung eines Termins die zu 1 
bestimmte Gebühr, dagegen sind die zu 2 und 3 
bestimmten Gebühren in den Gebühren zu 11—13 
mit einbegriffen. 

Erfordert ein schriftliches, ausführliches, wissen¬ 
schaftlich begründetes Gutachten eine Untersuchung 
der in 12 und 13 bezeichneten Art oder wird in 
den Fällen zu 12 und 13 nachträglich ein schrift¬ 
liches, ausführliches und wissenschaftlich begründetes 
Gutachten erfordert, so kommen die Gebühren zu 11, 
sowie zu 12 und 13 nebeneinander in Ansatz. Er¬ 
fordert die Untersuchung zu 14 einen vorgängigen 
Besuch oder eine vorgängige Besichtigung, so treten 
die Gebühren zu 2 hinzu. 

IV. Schreibgebühren. 

16. Schreibgebühren sind, sofern der Medicinalbeaorte sich 
zur Reinschrift der Berichte und Gutachten fremder 
Hülfe bedient, nach Maassgabe der für die Berech¬ 
nung der gerichtlichen Schreibgebühren geltenden 
Bestimmungen zu bewilligen. 

B. Gebühren für sonstige amtliche Verrichtungen 
(§ 2 a. a. 0.) 

1. Werden Verrichtungen der unter A 4—15 genannten 
Art in aussergerichtlichen Angelegenheiten vor¬ 
genommen, so kommen dieselben Gebühren wie für 
die gerichtsärztlichen Verrichtungen in Anwendung. 

18- Befähigungszeusniss als Trischinenschauer .... : 6 „ 

Die Sätze zu 9—13 schliessen die Prüfungs¬ 
gebühr mit ein. 

14. Nachprüfung der zu 11—13 genannten Personen, für 

jede.. 3 ., 

20. Wegen der Schreibgebühren gelten die unter A 16 
getroffenen Bestimmungen. 


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186 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


Protocolle der beiden letzten Versammlungen 
des Vereins der Schlachthofthierärzte des Begiernngs- 
bezirks Anisberg. 

Von Klopmeyer-Wattenscheid. 

Versammlung am 26. October 1902 

iin Hotel Römer zu Hagen i. W. 

Tagesordnung: 1. Geschäftliches; 2. Besprechung des Reichs¬ 
fleischbeschaugesetzes; 8. Mittheilungen aus der Scblachthanspraxis. 

Anwesend waren 21 Mitglieder: Klopmeyer, Clausnitzer, 
Tllrcks, Kredewahn, Albert, Westhoff, Lange, Kämpfer, 
Stolte, Beckhaus, R. Schmidt, Neuhaus, Clausen, Lau, 
Bullmann, Ewald, Schräder, Thurmann, Wysocki, Gold¬ 
stein, Feldmann, und 4 Gäste: Kreisthierarzt Schaurakell, 
Holzapfel, Liebke, Dr. Logemann. 

DerVorsitzende, Kredewahn, eröffnete die Sitzung um 12 l / 4 Uhr 
mit einer Begrüssung der erschienenen Mitglieder un 1 besonders 
auch der Gäste. Der Verein, so fuhrt Redner weiter aus, sei seinem 
Statut stets treu geblieben und habe in den elf Jahren seines Be¬ 
stehens das, was er anstrebte, vollauf erreicht. Seine Mitglieder¬ 
zahl bestehe heute aus 36 Collegen, welche stattliche Anzahl be¬ 
rechtige, unsere Standesinteressen und wissenschaftliche Fragen 
unter uns zu ordnen und zu regeln. Im weiteren Verlaufe seiner 
Rede weist derselbe dann auf die grosse Errungenschaft des Jahres 
1900 hin, denn es habe uns endlich das gebracht, was unsere Vor¬ 
gänger und wir in langen und harten Kämpfen verfochten und 
angestrebt haben, nämlich das Maturitäts-Zeugniss als Vorbedingung 
zum thierärztlichen Studium. Damit sei der Anfang zu einer ehren¬ 
vollen und sorgenlosen Zukunft gegeben und vor allen Dingen 
auch die Gleichstellung mit jenen Herren der anderen Facultät er¬ 
reicht, die allzeit voll des Neides und der Eifersucht auf uns herab¬ 
blickten. Jetzt bleibe nnr noch übrig, den Anschluss der sämmt- 
lichen thierärztlichen Hochschulen an die Universitäten zu erstreben, 
was unter BeihUlfe einflussreicher Gönner, namentlich des Prinzen 
Ludwig von Bayern, des stets warmen Verfechters unserer 
Standesangelegenheiten, hoffentlich bald verwirklicht sein würde. 

Weiterhin gedenkt Redner des neu gegründeten Vereins der 
preussischen Schlachthofthierärzte, indem er nochmals auf den 
Beschluss unserer im Sommer zusammen mit den rheinischen 
Specialcollegen in Düsseldorf abgehaltenen Versammlung hinweist, 
wonach nicht der ganze Verein als Corporation diesem grossen 
Verein beitreten, sondern dies jedem einzelnen überlassen bleiben 
möge. 

Gelegentlich der Gründung dieses Vereins in Berlin war unser 
Verein durch sechs Mitglieder vertreten. 

Auf der im September v. Js. in Hamm stattgefundenen Ver¬ 
sammlung des Thierärztlichen Provinzial-Vereins vertrat B ul Im an u- 
Witten die Interessen seines Vereins. Einer der Hauptpunkte der 
Tagesordnung bildete dort die Beratung der neuen Vereinsstatuten. 
Bei der Erörterung des § 15 des Statuts erklärte Bullmanu, dass 
dieser Paragraph seines Erachtens eine Majorisirung der Special¬ 
vereine bedeute, weshalb er ersuche, denselben zu streichen, was 
auch geschah. Die Hagener Versammlung erklärte sich nachträglich 
mit dem Vorgehen Bullmanns einverstanden. 

Alsdann gelangt der Hauptpunkt der heutigen Tagesordnung, 
Besprechung des Reichsfleischbeschaugesetzes, zur Erörterung. Die 
Versammlung kann sieb mit den einzelnen Paragraphen dieses Ge¬ 
setzes, mit Ausnahme der Ausführungsbestimmungen, nur ein¬ 
verstanden erklären. Welche Verluste die Städte mit Schlachtböfen 
durch die letzteren erfahren würden, Hesse sich erst nach längerem 
Inkraftsein des Gesetzes beurtheilen. Auf eine Anfrage des 
Collegen Clausen-Haspe, ob nach dem Inkrafttreten des Fleisch- 
be8chaugesetzes Aendei ungen der einzelnen Gemeindebeschlüsse, 
und event. welche, vorzunehmen seien, räth die Versammlung das 
Abwarten einer diesbezüglichen Regierungs-Instruction an. Gleich¬ 
falls sei eine abwartende Stellung einzunehmen bei dem § 47, 
woraus nicht klar ersichtlich sei, ob der Beschauer in den Schlacht¬ 
höfen überhaupt, wie der auf dem Lande, das Signalement sämmt- 
licber Thiere aufnehmen müsse, oder nur das von den beanstandeten. 

Als Aequivalent für die Ausbildung der Trichinenschauer wird 
ein Allgemeinsatz von 20 M. vorgeschlagen. 


No. 8. 


Die Ausbildung von LaieDfleischbeschauem soll auf Vorschlag 
von Kredewahn nur in Dortmui.d, als dem grössten Schlachthofe 
unseres Bezirkes, erfolgen. Als Lehrbücher werden vorgesclilagen 
die von Fischoeder, Johne und Simon. Die Versammlung kommt 
jedoch zu der Ueberzeugung, dass im Interesse einer mehr einheit¬ 
lichen Ausbildung der Beschauer nur ein Lehrbuch für das ganze 
Deutsche Reich obligatorisch gemacht werden möge. 

3. Mittheilungen aus der Praxis. College Ewald-Soest ist von 
seiner Behörde beauftragt, Nachfrage zu halten bezüglich der Ren¬ 
tabilität und Zweckmäsbigkeit von Verbrennungsöfen auf Schlacht¬ 
höfen. Die Versammlung weist auf die von H. Kori-Berlin im Preise 
von 1350 M. offerirten und von Ostertag empfohlenen Oefen hin, wie 
eie bereits in Barmen, Saarlouis, Petersburg und Kronstadt aufge- 
stellt sind. Schaumkeil - Hagen empfiehlt, nicht für jeden einzelnen 
Schlachthof, sondern für jeden Kreis einen solchen Ofen (Kreis- 
verbrennungsofen) aufzustellen, welcher, mit den nötigen Hülfs- 
mittcln versehen, jederzeit telephonisch schnell und leicht erreicht 
werden könne. 

Antrag Bullmann: „Verlesung des Protocolls am Schlüsse 
jeder Sitzung“ wird angenommen. 

Zur Rechnungslage berichtet Türcks als Cassirer, dass das 
Vereinsvermögen und die Einnahmen des verflossenen Jahres 
145 M. betragen. Der von Clausnitzer gestellte Antrag, hiervon 
50 M. an die Stipendienstiftung für unbemittelte Studirende an die 
Thierärztlichen Hochschule abzuführen, wird angenommen und das 
Geld sofort abgeschickt. Nach Schluss der Sitzung um 8 1 /, Uhr 
erfolgte gemeinsames Mittagmahl. Im Verlaufe dieses ergreift 
Clausnitzer das Wort, indem er in ehrenden Worten des seltenen 
Festes gedenkt, das heute als erster deutscher Thierarzt ein Mitglied 
unseres Vceins begebt. Es ist dies das silberne Dienstjubiläum 
des Vereins-Vorsitzenden, des Herrn Schlachthofdirectore Krede- 
wahn-Bochum, der am 1. October d. Js. auf eine 25jährige Thätig- 
keit als Leiter des Schlacht- und Viehhofes in Bochum zurückblicken 
konnte. Alle wünschen dem verdienten Collegen, dass er noch 
lange Jahre in alter Rüstigkeit seines Amtes walten möge. Bewegten 
Herzens und in langer Erwiderungsrede dankt der Jubilar dem 
Redner lür die liebenswürdigen Worte und jedem einzelnen der 
Anwesenden tür die herzlichen Glückwünsche. 

Versammlung am I. Februar 1903 

im Hötel Lunenschloss zu Hagen i. W. 

Einziger Punkt der Tagesordnung: Besprechung des Reichs¬ 
fleischbeschaugesetzes. 

Anwesend waren: Kredewahn (Vorsitzender), Albert, Neu¬ 
haus, Lange, Beckhaus, Thurmann, Gallus, R. Schmidt, 
Bullmann, Clausen, Liebke, Lau, Jochim, Thiemann, 
Clausnitzer, Nierhof, Klopmeyer, Westhof, Voss, 
Schräder, Meier, Stolle, Goldstein, Dreymann. Als Gäste: 
Plate, Loewenstern, Mildenberg, Wolfram, Dr. Logemann, 
Holzapfel, Sasse tiud Kreisthierarzt Schanmkell. 

Der Vorbitzende — Kredewahn — eröffnet die Sitzung um 
11 3 / 4 Uhr und begrüsst mit Freude und Genugthuung die Mitglieder 
und Gäste, die der Einladung in so grosser Anzahl Folge geleistet 
haben. Er führt aus, dass die Versammlung eine ausserordentliche 
und lediglich diesmal zur Besprechung des am 1. April d. J. in Kraft 
tretenden Fieischbesc-haugesetzes einberufen sei. Jedem solle hier 
nochmals zum Vortrage seiner Wünsche und speziell auch zur 
Orientirung in Fragen des neuen Gesetzes Gelegenheit gegeben werden. 

Beim Uebertritt in die Tagesordnung theilt Vorsitzender zunächst 
mit, dass auf die in der Herbstversammlung abgefasste und an den 
Herrn Regierungs Präsidenten abgesandte Petition, betreffend die 
Vertretung des tür kurze Zeit behinderten 8chlachtthierarztes durch 
den zum Laienbeschauer approbirten Hallenmeister, eine ofßcielle 
Antwoit noch nicht eingegangen sei. In dem inzwischen von 
Herrn Departements - Thierarzt Bio me-Arnsberg eingetroffenen 
Entschuldigungsschreiben, dass er der Sitzung nicht beiwohnen 
könne, wird nochmals ausdrücklich hervorgehoben, dass in Städten 
mit mehr als 10000 Einwohnern der Schlachtthierarzt nur durch 
einen Thierarzt vertreten werden könne. Ob bei vorübergehender 
Behinderung der geprüfte Hallenmeister zugelassen werden kann, 
sei noch nicht entschieden. 


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19.” Februar 1908. 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


187 


Versammlung ist der einmfltbigen Ansicht, dass, falls die 
Petition abschlägig beschieden würde, den Leitern besonders der 
mittelgrossen Betriebe nichts anderes übrig bleibe, als auf die An¬ 
stellung je eines Assistenzthierarztes zu dringen; was das koste, 
könne und müsse uns dann egal bleiben, ebenso, ob für eineu 
Hülfsthierarzt auch ausser den Hauptschlachttagen genügende, regel¬ 
mässige Arbeit vorhanden sei. 

Bei Besprechung der Führung der neuen Bescliaubücher erklärte 
Clausnitzer, dass eine solche umständliche und zeitraubende 
Buchführung an grossen Schlachtböfen, wo an einzelnen Wochen¬ 
tagen wahre Massenauftriebe erfolgten und beispielsweise über 
10000 Stück Vieh geschlachtet würden, einfach undurchführbar sei. 
Dem Thierarzte bleibe dann für das Wichtigste, die Ausübung der 
Fleischbeschau noch kaum Zeit übrig. Aus diesen Gründen ge¬ 
langte nachstehende von Clausnitzer verfasste und von der Ver¬ 
sammlung gebilligte Resolution an den Herrn Regierungs präsidenten: 

„Soll sich die Führung der Beschaubücher, wie sie in den 
Ausführungsbestimmungen des Reichsfleischbeschaugesetzes vorge¬ 
schrieben ist, auch auf die Betriebe von Schlachthöfen erstrecken? 
Die am 1. Febr. d. J. in Hagen versammelten Scblachthofthierärzte 
halten eine derartige Buchiührung nicht für durchführbar, und 
sprechen die Ansicht aus, dass die Eintragung nur für diejenigen 
Schlachtungen erfolgen möge, bei denen Beanstandungen stattge¬ 
funden haben. Es sei bemerkt, dass die Eintragungen der sonst 
geschlachteten und gesundbefundenen Thiere an und für sich 
erfolgen, aber in einfacherer Form, aus der die Anzahl und 
Gattung der Thiere in übersichtlicher Weise hervorgeht“. 

Im weiteren Verlaufe der Versammlung wird die Sprache auf 
den den einzelnen Behörden zum Bericht zugegangenen und von 
fünf Ministern Unterzeichneten Ministerial-Erlass, betr. die Frei¬ 
zügigkeit des Fleisches, gebracht. Clausnitzer verliest den über 
diesen Erlass von ihm verfassten, sehr umfangreichen fleissigen 
Bericht. Versammlung vertritt mit Redner den Standpunkt, dass die 
Freizügigkeit des Fleisches den Städten sowohl in sanitärer als 
anch in materieller Hinsicht von Nachtheil sein würde. 

Hierauf empfiehlt Vorsitzender, zu den Ausführungsbestimmungen 
des Fleischschaugesetzes zum Zwecke der Einheitlichkeit eine 
Normalpolizei-Verordnung, sowie eine Normalfreibank-Ordnung zu 
erlassen. Zur Ausarbeitung der Letzteren erklären sich Clausen, 
Thiemann und Thurmann bereit 

Als besten Dampfkochapparat zum Tauglichmachen des bedingt 
tauglichen Fleisches erklärt Versammlung den auf vielen Schlacht¬ 
höfen aufgestellten Dr. Rohrbeck sehen Kochapparat Derselbe 
hat ein Fassungsvermögen von circa 600 C'entnern und kostet 
1620 Mark. (Dr. Rohrbeck, Berlin. Carlstr. 22.) Der von Dr. 
Schwarz empfohlene Kochapparat von Ritzius und Henneberg 
ist im hiesigen Bezirke nirgendwo aufgestellt, sodass aus Ver¬ 
sammlung heraus ein Unheil über seine Brauchbarkeit nicht ab¬ 
gegeben werden kann. Die Benutzung des Kochapparats von Seiten 
der Aussengemeinden kann jederzeit gegen Entrichtung von Ge¬ 
bühr erfolgen. In Witten wurden beispielsweise gezahlt für das 
Kochen eines Stückes Grossvieh 4,00, eines Schweines über 200 Pfd. 
3,00, darunter 2,00 Mk. Wanne nimmt pro 1 kg Fleisch 2 Pf. 

Mittheilungen aus der Praxis: 

Türcks wirft die Frage auf, welche Eisröhrenfarbe die beste 
sei? Kredewahn und Clausen empfehlen als eine vorzügliche 
Farbe die Eisröhrenfarbe von v. Rosenzweig und Baumann 
in Cassel. 

Auf die vom pract. Thierarzte, Herrn Collegen Mildenberg 
erbetene Auskunft, ob es dem Privatthierarzt nach Inkrafttreten 
des neuen Gesetzes noch gestattet sei, die Fleischschau an einem 
von ihm behandelten und später auf seine Veranlassung hin ge¬ 
schlachteten Thiere auszuüben und darüber zu attestiren, erwidert 
Clausen-Haspe, dass dieses seines Erachtens nach dem Wort¬ 
laute des Gesetzes nur dann angängig sei, wenn der betreffende 
Privatthierarzt auch für den Bezirk, in welchem die Schlachtung 
erfolgte, als Ergänzungsbeschauer bestellt sei, sonst nicht. Hierzu 
bekundet Herr pract Thierarzt Sasse-Schwelm, dass der Ver¬ 
band der Privatthierärzte zu dieser Frage bereits Stellung ge¬ 
nommen habe und an competenter Stelle demnächst das Weitere 


veranlassen würde, womit fraglicher Punkt für die Versammlung 
abgethan war. 

Auf die Anfrage von Dr. Logemann-Barmen, ob wir uns 
im Schlachthausdieuste ausgestellte thierärztliche Atteste hono- 
riren lassen dürften, erwidert Klopraayer - Wattenscheid, dass 
dieses laut richterlicher Entscheidung gestattet sei, weil die frag¬ 
lichen Schriftstücke wissenschaftliche Gutachten seien. 

Der von Bull mann-Witten gestellte Antrag, man möge 
zwecks einheitlicher Ausbildung der Laienbeschauer nur ein Lehr¬ 
buch einführen, sowie für die Ausbildung selbst als Mindestsatz 
ein Aequivalent von 50 Mark verlangen, wird einstimmig ange¬ 
nommen. 

Im Anschluss an die um 3' 2 Uhr erledigte Sitzung erfolgt 
gemeinsames Mittagsmahl. 

Protocoll Aber die 31. ordentliche General-Versammlung 
des thierärztlichen Vereins der Provinz Westfalen. 

Die Versammlung fand statt am Sonntag, den 14. Sep¬ 
tember 1902 zu Hamm i. W. Zu derselben waren ungefähr 
30 Mitglieder erschienen. Entschuldigt hatten sich nnser all¬ 
verehrtes Ehrenmitglied, der Herr Geheimrath Professor Dr. 
Dieckerhoff, sowie die Collegen Blome, Baldewein, 
Herdering, Rösler, Jostes und Hosang. 

Nachdem die Versammlung von dem Vorsitzenden, Herrn 
Vet-Assessor Hinrichsen, um ll 1 /* Uhr eröffnet war, ferner 
die üblichen geschäftlichen Angelegenheiten, Rechnungslage, 
Prüfung derselben und Ertheilung der Entlastung an den Ren¬ 
danten, Herrn Collegen Volmer, sowie die Zahlung der Bei¬ 
träge, erledigt worden waren, fand zunächst die Aufnahme neuer 
Mitglieder statt. — Zur Aufnahme hatten sich gemeldet die 
Herren: Gallus-Dortmund, Hosang-Ltidenscheidt, Pilimann- 
Herne, Preker-Werl und Schwardt-Gütersloh, welche sämt¬ 
lich aufgenommen und von dem Vorsitzenden als Vereins¬ 
mitglieder herzlich begrüsst wurden. 

Es folgte der Bericht über den Abschluss des Vertrages 
betreffend die Unfall- und Haftpflichtversicherung mit der 
schweizerischen Actiengesellschaft in Winterthur. 

Wie schon in dem Protocoll von dem vergangenen Jahre 
gesagt werden konnte, war von der zu diesem Zwecke ge¬ 
wählten Commission zu Anfang des Jahres 1902 mit der Actien¬ 
gesellschaft in Winterthur ein Vertrag, auf 5 Jahre laufend, 
abgeschlossen worden. Dieser Vertrag wurde von dem Vor¬ 
sitzenden der Versammlung vorgelegt. Bei der Besprechung 
wurden zu verschiedenen Punkten abweichende Meinungen laut. 
Namentlich wurde der § 2 der allgemeinen Versicherungs¬ 
bedingungen: „Begriff und Umfang der Versicherung“ einer 
scharfen Kritik unterzogen, und es wurde von einem Theile der 
Collegen empfohlen, zu diesem § als Absatz 2 eine Zusatz- 
bestimmung mit folgender Fassung zu beantragen: 

„Versichert sind ferner sftmmtliche Infectionskrankheiten, 
sowie alle aus diesen Krankheiten entstehenden Folgezustände.“ 
Anderseits wurde von dem Collegen Nutt-Brakel zu diesem 
Punkte der Antrag gestellt, man möge versuchen, von der Ver¬ 
sicherungs-Gesellschaft die gleichen Bedingungen zu erlangen, 
wie solche der Berliner Aerzte-Verein von derselben Gesell¬ 
schaft bekommen habe. 

Ein weiterer, lebhafter Meinungsaustausch wurde herbei¬ 
geführt bei der Besprechung des § 12: „Zuziehung des Arztes, 
ärztliche Zeugnisse und Auskunfts-Ertheilung.“ Es wurde be¬ 
schlossen, in theilweiser Abänderung des § 12, Abs. 2 für den¬ 
selben folgende Form zu beantragen: „Der Verletzte ist ver¬ 
pflichtet, den von der Gesellschaft beauftragten Aerzten jeder 


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138 


Zeit die Untersuchung zu gestatten und den von der Gesell¬ 
schaft zur Beförderung der Heilung getroffenen Anordnungen, 
soweit diese die Zustimmung des von dem Verletzten 
zugezogenen behandelnden Arztes finden, Folge zu 
leisten. Falls die Zustimmung des behandelnden Arztes nicht 
zu haben ist, so entscheidet ein von beiden Parteien zu 
wählender Obmann.“ Der bei der Versammlung anwesende In¬ 
spector der Actiengesellschaft in Winterthur, Herr A. Trost 
aus Düsseldorf, versprach, die beregten Punkte seiner Gesell¬ 
schaft zur Erwägung vorznlegen. Eine Antwort steht zur Zeit 
noch aus, doch sind die Verhandlungen im Gange. 

Der nächste Punkt der Tagesordnung lautete: „Berathnng 
über den neuen Statuten-Entwurf.“ — Naturgemäss nahm diese 
Angelegenheit viel Zeit in Anspruch, und es ist nicht möglich, 
den ganzen Gang der Besprechungen hier schriftlich niederzu¬ 
legen. Es möge deshalb die Erwähnung genügen, dass der Ver¬ 
sammlung von der schon früher hierfür gewählten Commission 
ein Entwurf von Vereins-Satzungen vorgelegt worden war, welcher 
die stattliche Zahl von 44 Paragraphen enthielt, und welcher in 
der Form den Satzungen des rheinischen Vereins ähnlich war. 
Bei der Berathnng wurden verschiedene Paragraphen des Ent¬ 
wurfs abgeändert oder gestrichen und schliesslich der so umge¬ 
staltete Entwurf einstimmig angenommen. Zur Zeit befinden 
sich die neuen „Satzungen des thierärztlichen Vereins der Provinz 
Westfalen“ im Druck und werden demnächst den einzelnen Ver¬ 
einsmitgliedern zugestellt werden. 

Leider musste der in Aussicht genommene Vortrag des 
Herrn Hosang-Lüdenscheidt „über den Unterschied im Bau 
der Rotzknoten und der entozoisischen Knötchen in den Lungen 
der Pferde“ ausfallen, weil der Herr Referent durch plötzliche 
Krankheit am Erscheinen verhindert worden war. 

Aber es wäre auch kaum möglich gewesen, den Vortrag 
zur Erledigung zu bringen. Denn bei der Debatte um Regelung 
der Vereinssatzungen waren die Stunden sehr schnell geschwunden, 
so dass es hohe Zeit wurde, sich zu dem 2. Theil des Tages, 
nämlich zu der vergnüglichen Seite desselben, zu wenden. 
Vorher wurde nur noch in möglichster Beschleunigung die Wahl 
des Vorstandes und des stellvertretenden Vorsitzenden erledigt. 
Es wurden hierbei wiedergewählt die Collegen Hinrichsen, 
Volmer, Lück und als stellvertretender Vorsitzender Johow. 

Zum ersten Male seit langer Zeit waren nämlich in diesem 
Jahre auch die Damen der Vereinsmitglieder zur Theilnahme 
an dem Vereinsfeste wieder eingeladen. Um denselben geeig¬ 
nete Räumlichkeiten bieten zu können, waren als Versammlungs¬ 
lokal die Räume des Schützenhofes in Bad Hamm gewählt und 
in dem schönen und für solche Zwecke sehr geeigneten Saale 
des Kurhauses war die Tafel gedeckt worden. 

Hier wurde etwa von 2V 3 Uhr ab im Verein mit den Damen, 
deren leider noch nicht genug erschienen waren, in änsserst 
angeregter Weise gefeiert. Eine schöne Tafelmusik und ver¬ 
schiedene Reden hoben die Stimmung, und ein gemüthliches 
Kränzchen gab dem schönen Tage einen guten Abschluss, so 
dass hoffentlich die Theilnehmer eine gute Erinnerung an den¬ 
selben behalten haben. 

Auch im nächsten Spätsommer soll eine Versammlung mit 
Damen stattfinden. Als Ort der Versammlung ist vorläufig 
Bielefeld in Aussicht genommen worden. 

gez. Hinrichsen, gez. Lück, 

Vorsitzender. Schriftführer. 


No. 8. 


f 

Am 6. d. Mts. verschied nach langen schweren Leiden 
unser hochverehrter College und Freund der Königl. Kreisthier¬ 
arzt Herr Adolf Reinemann zu Krotoschin, Ritter des Rothen 
Adler-Ordens. Geboren am 3. Mai 1827 zu Schlawa, Reg.-Bez. 
Liegnitz, als Sohn eines dortigen Tuchfabrikanten, studirte er 
in den Jahren 1847—1850 in Berlin Thierarzneikunde und 
bestand daselbst am 12. Mai 1850 das Examen als Thierarzt 
I. Classe mit dem Prädicat „sehr gut“. Nachdem er zuerst 
kurze Zeit in Schlawa, sodann in Grätz practicirt hatte, erwarb 
er sich im Jahre 1854 das Fähigkeitszeugniss für die Anstellung 
als beamteter Thierarzt, ebenfalls mit dem Prädicat „sehr gut“ 
und wurde unter dem 9. September 1873 zum Kreisthierarzt 
des Kreises Schroda ernannt, von wo aus er am 1. April 1875 
in den Kreis Krotoschin versetzt wurde. Hier ist der Ver¬ 
blichene seit jener Zeit, mithin seit nahezu 28 Jahren, rastlos 
und unermüdlich thätig gewesen, bis schwere Krankheit seinem 
Streben ein Ziel setzte. Das was Reinemann besonders aus 
zeichnete, war seine ausgesprochene Pflichttreue und grosse 
Gewissenhaftigkeit im Amte sowohl, wie in der privaten 
Thätigkeit. Durch sein geradezu vorbildliches, zu all und jeder 
Stunde hülfsbereites, stets liebenswürdiges Entgegenkommen hat 
er sich in den Kreisen der Landwirthe und Thierbesitzer für 
alle Znkunft ein dankbares Andenken gesichert. Dabei ver¬ 
fugte er über ein reiches Maass practischen Könnens und 
theoretischen Wissens, namentlich auf dem Gebiete der 
Microscopie und der Bacteriologie, deren Fortschritte er mit 
ganz besonderem Interesse verfolgte. 

Der thierärztliche Provinzialverein für Posen, zu dessen 
Begründern der Verblichene gehörte, verliert in ihm eines 
seiner eifrigsten und begabtesten Mitglieder, und die be¬ 
amteten Thierärzte des Reg.-Bez. Posen einen ihrer pflicht¬ 
treuesten Collegen und besten Freunde. 

Sein Andenken wird von uns stets in hohen Ehren gehalten 
werden! Heyne. 

S* stehen die bayerisohen Thierärzte! 

Prinz Ludwig von Bayern hat seinen Thierärzten ein 
neues Zeichen besonderer Huld gegeben. 

„Die beiden den S.C. der Thierärztlichen Hochschule bildenden 
Corps Normannia und Vandalia gaben am Samstag den 7. Februar 
in den Festsälen der Hotels „Bayerischer Hof“ einen Ball, der 
einen glänzenden Verlauf nahm. Se. Königl. Hoheit Prinz 
Ludwig wohnte, begleitet von seinem persönlichen Adjutanten 
Baron Lassberg, dem Feste bei und unterhielt sich in leut¬ 
seligster Weise mit den Anwesenden. Ferner waren erschienen: 
Kammerpräsident Dr. v. Orte rer, die beiden Rectoren der Uni¬ 
versität und der Technischen Hochschule, Polizeidirector Haider, 
der Referent im Cultusministerium Regierungsrath v. Pracher 
u. A. Der Director und die Professoren der Thierärztlichen Hoch¬ 
schule verweilten fast bis zum Schlüsse des Balles, zu welchem 
zahlreiche Philister von Nah und Fern mit ihren Damen sich 
eingefunden hatten. Um 12 Uhr wurde das Souper servirt, an 
das sich ein prächtiger Cotillon anschloss.“ 

Damit können wir freilich nicht concurriren. Auf unseren 
studentischen Festen haben wir noch niemals eine officielle Per¬ 
sönlichkeit gesehen. 


BERLINER THIERARZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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19. Februar 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


Der Schiachthofthlerarzt Ist Beamter Im Sinne des § 114 St.-6.-B. 

Entscheidung des König). Kammergerichts v. 20. Nov. 1902. 

Der Thierarzt L. war als städtischer Schlachthofthierarzt 
Gemeiudebeamter der Stadt Köln, demnach unmittelbarer Staats¬ 
beamter im Sinne des § 359 St.-G.-B. und deshalb auch Beamter 
im Sinne des § 114 St.-G.-B.; dass er keinen Diensteid ge¬ 
leistet hat, ist nach § 359 unerheblich. Zutreffend hat die 
Strafkammer angenommen, dass L. nicht zur Vollstreckung von 
Befehlen und Anordnungen der Verwaltungsbehörden im Sinne 
des § 113, sondern zur Ertheilung solcher Befehle berufen war; 
mit Recht ist deshalb § 114 und nicht § 113 St.-G.-B. an¬ 
gewendet. Dass Angeklagter seine Drohung bewusst gegen L. 
gerichtet hat, ist vom Landgericht auf Grund thatsächlicher, 
rechtlich bedenkenfreier Erwägungen angenommen. Die Revision 
war daher und zwar nach § 505 St.-P.'-O. auf Kosten des 
Revidenten zurückzuweisen. 

Ein vergessenes Stipendium für das thierärztliche Studium. 

Es dürfte nur wenig, vielleicht überhaupt nicht bekannt 
sein, dass an der Universität Marburg ein Stipendium für 
Veterinärmediciner besteht. Wann und von wem dasselbe 
errichtet wurde, ist mir nicht bekannt; vielleicht noch in der 
Zeit, als in Marburg thierärztliche Vorlesungen gehalten wurden. 
Ebenso ist mir nicht bekannt, ob Bewerber aus den ehemals 
hessischen Landen stammen müssen. Jedenfalls aber ist die 
Verleihung des Stipendiums vom Studienort nicht abhängig. 
So ist dasselbe 1887 dem damals in Hannover studierenden, 
(aus Kurhessen stammenden) jetzigen Schlachthofinspector in 
Angermünde, Herrn Göbels, verliehen worden, auf dessen Wunsch 
ich auch diese Mittheilung mache. Das Stipendium beträgt 
225 M. für das Semester; die verfügbaren Mittel sollen 1000 M. 
jährlich betragen, also für 2 Stipendiaten ausreichen. Es sollen 
sich schon lange keine Studenten der Veterinärmedicin als Be¬ 
werber gefunden haben, und das Stipendium soll in den letzten 
Jahren an Mediciner vergeben worden sein. Die Thierärzte 
sollten sich diese nicht unerhebliche Stiftung nicht entgehen 
lassen. S. 

Conferenz der Centraistelle der preussischen Landwirthschaftskammern. 

Die diesjährige Winter - Conferenz der Vorstände der 
preussischen Landwirthschaftskammern trat am 14. Februar 
unter dem Vorsitz des Grafen v. Schwerin (Löwitz) im 
Brandenburgischeu Landeshause zusammen. Als Vertreter des 
Landwirthschaftsministeriums waren anwesend die Geh. Ober- 
Regierungsräthe Dr. Holtermann, Küster und Müller, die 
Geh. Regierungsräthe Dr. Kapp, Schröter und Hoffmann. 
Es sind sämmtliche dreizehn Landwirthschaftskammern ver¬ 
treten. Die Berathungen waren z. Th. vertraulicher Natur. 

Aus den angenommenen Beschlüssen interessirt hier der¬ 
jenige, welcher die Frage der Schlachtviehversicherung betrifft: 
An die Königliche Staatsregierung die Bitte zu richten, unge¬ 
säumt einen Gesetzentwurf über die Errichtung staatlicher 
Schlachtviehversicherungs-Anstalten für Preussen im Ab¬ 
geordnetenhause einbringen zu wollen. Um dem vorzubeugen, 
dass sich einzelne Bundesstaaten der Aufgabe der Errichtung 
von Schlachtviehversicherungen entziehen, ist neben der 
Forderung der baldigen landesgesetzlichen Regelung der Ver¬ 
sicherungsfrage in Preussen die Forderung der reichsgesetz¬ 
lichen Anordnung der Schlachtviehversicherung für alle Bundes¬ 
staaten aufrecht zu erhalten. Um zu verhindern, dass die 


139 


Kosten der Fleischbeschau sich zu einer unverhältnissmässig 
hohen und schwer drückenden, neuen Belastung der Vieh¬ 
producenten entwickeln, ist in erster Linie an der Forderung 
festzuhalten, dass der Staat als Vertreter der Gesammtheit der 
Consuraenten zur Tragung dieser Kosten heranzuziehen ist. 
Jedenfalls sind die den Viehproducenten aufzuerlegenden Kosten 
so weit, wie irgend möglich, zu beschränken. 

Zum Menschen - Seuchen • Gesetz. 

Dem preussischen Abgeordnetenhause ist der Entwurf eines 
Ausführungsgesetzes zu dem Reichsgesetze betr. die Bekämpfung 
gemeingefährlicher Krankheiten vom 30. Juni 1900 zugegangen. 

Nach § 1 des Entwurfes soll die Anzeigepflicht ausser den 
im Reichsgesetz aufgetührten Seuchen (Lepra, Cholera, Fleck- 
fleber, Pest und Pocken) ausgedehnt werden auf jeden Erkran- 
kungs- und Todesfall an Diphtherie, Genickstarre, Kindbettfieber, 
Körnerkrankheit (Granulöse), Rückfalltieber (f. recurrens), Ruhr, 
Scharlach, Typhus, Milzbrand, Rotz, Tollwuth, Fleisch-, Fisch- und 
Wurstvergiftung, Trichinose. Ferner soll eine theilweise Anzeige¬ 
pflicht eingeführt werden für ansteckende Geschlechtskrankheiten 
und für Tuberculose. Erstere wird nur angezeigt bei gewerbs¬ 
mässig unzuchttreibenden Personen. Von Tuberculose sind 
anzeigepflichtig die Todesfälle an vorgeschrittener Lungen- 
und Kehlkopftuberculose; Erkrankungen an diesen Formen 
sollen „nur dann“ angezeigt werden, wenn der Erkrankte seine 
Wohnung wechselt. In letzterem Vorschläge liegt eine so grosse 
Härte, dass seine Ablehnung rathsam erscheint. Sonst könnte 
es sich ereignen, dass diese armen Kranken auch noch obdachlos 
werden. Wir kommen auf den Entwurf zurück. 

Thierärztliche Gesellschaft zu Berlin. 

(Eingetragener Verein.) 

Am Montag, den 23. Februar 1903, Abends 8 Uhr, 
findet im oberen Saale von Keller’s „Neue Philharmonie“, 
Köpenickerstrasse 96/97, ein von Collegen bezw. deren An¬ 
gehörigen veranstalteter Concert-Abend statt. Nach demselben 
Tanz und Kaffeepause. 

Collegen und deren Angehörige als Gäste willkommen. 

Der Vorstand: 

(gez.) Prof. Dr. Eberlein, Polizei-Thierarzt Neumann, 
Vorsitzender. Schriftführer. 

Automobil-Ausstellung. 

Die Herren Collegen, welche sich für Motorfahrzeuge, 
spec. Motorzweiräder, interessiren, mache ich auf die vom 
8.-23. März d. J. in der Flora zu Charlottenburg stattfindende 
Automobil-Ausstellung aufmerksam. Molthof. 

Bücheranzelgen*) und Kritiken. 

M. 6. de Bruin: Die Geburtshüife beim Rind. Zweite verbesserte 
Auflage. 7. Band I. Theil des Handbuches der Chirurgie und 
Geburtshülfe von Beyer und Frühner. 

In kaum 4 Jahren ist die zweite Auflage der Geburtshülfe beim 
Rinde von M. G. de Bruin nöthig geworden. Das spricht wohl am 
besten für die Brauchbarkeit des Werkes. Es giebt auch dem Ver¬ 
fasser darin Recht, dass die getrennte Bearbeitung der Geburtshülfe 
beim Rinde, die in der geburtshülflichen Praxis am meisten vor¬ 
kommt, angebracht erschien. Wohl nur wenige Lehrbücher haben 

*) Von den eingesandten Büchern werden hierunter Titel u. s. w. 
mitgetheiit. Eine Verpflichtung zu eingehender Besprechung wird 
jedoch nicht übernommen; dieselbe bleibt Vorbehalten, v 

Die Redaction^ •" 


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140 


BERLINER THIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 8. 


Bich so rasch auch unter den Practikern verbreitet wie gerade die 
Geburtshülfe von de Bruin. Der Practiker verlangt von einem 
Buche, das er sich anschaffen soll, nicht nur die auf der Höhe 
stehende Wiedergabe des derzeitigen Wissens der behandelten Dis- 
ciplin, er will auch gerne in seiner practischen Thätigkeit hier und 
da noch einmal sich Rath und Hülfe holen; er sucht Anregung und 
Fortbildung im Wissen und im Können. 

Die vorliegende zweite Auflage des de Bruin’schen Werkes 
scbliesst sich in jeder Beziehung der ersten Auflage würdig an. 
Die Eintbeilung des Buches ist im Ganzen dieselbe wie vorher. 
Neu ist ein Abschnitt Uber Sterilität, soweit die Ursache derselben 
bei der Kuh zu suchen ist. In dem Kapitel „Hydrops der Frucht¬ 
hüllen“ sind einige Erweiterungen vorgenommen. Im Instrumentarium 
für die Embryotomie fand das Pflanz’sche Embryotom die wohl¬ 
verdiente Aufnahme. 

Der Abschnitt Gebärparese ist gemäss der Einsicht, die wir 
seit 1897 in die Aetiologie und Therapie dieser Krankheit erlangten, 
wesentlich geändert worden. Der Behandlung mit Kal. jodat. ist 
ein breiter Raum gewährt worden. Die Behandlung mit dem Luft¬ 
gebläse ist in dieser Auflage noch nicht enthalten. (Vorwoit ist 
vom October 1901 datirt.) Die Eclampsia puerperalis ist neu auf¬ 
genommen. 

Die Benennung der beim Kalbe kurz nach der Geburt vor¬ 
kommenden Krankheiten ißt eine aetiologischc geworden. Das 
enzootische Kälbersterben zerfällt jetzt in a) die Colibacillosis; 
b) die Bacteriämie (hämorrhagische Nephritis und Cystitis); c) Sep¬ 
tische Pleuropneumonie; d) die Kälbersepticämie nach Jensen; 
e) die Kälberlähme (Polyarthritis). 

Die Zahl der Figuren ist um 24 neue vermehrt; die weniger 
deutlichen sind durch andere ersetzt. 

Das Buch bedarf einer Empfehlung nicht. Es wird in kurzer 
Zeit seinen Weg in den Bücherschrank der meisten Thierärzte ge¬ 
funden haben. Nevermann. 

Edelmann: Lehrbuch der Fielsohhygiene. Jena 1903. Verlag von 
Gustav Fischer. Preis 9 M. 

Neu einführen will der Verfasser in die Wissenschaft und 
schnelle Auskunft geben für die Praxis der bearbeiteten Gebiete 
der öffentlichen Hygiene. Diesem Vorsatz getreu bat Edelmann 
auf 336 Seiten einen vollkommenen Abriss alles dessen, was für 
den Fleischhygieniker von Bedeutung ist, gegeben. Unbestritten ist 
heute der Thierarzt auf dem Gebiete der Nahrungsmittelcontrole 
competent. Um aber zu einem competenten Urtheil zu gelangen, 
ist es nothwendig, dass dem angehenden Sachverständigen be¬ 
friedigende Unterrichtsmittel an die Hand gegeben werden. Edel¬ 
mann hat es verstanden, mit seinem Lehrbuch dieser Bedingung 
zu entsprechen. Nicht nur findet der Studirende darin Aufschluss 
über die Umstände, welche bei der Beurtheilung des Fleisches 
unserer schlachtbaren Hausthiere in Frage kommen, sondern auch 
die Eigentümlichkeiten des Fleisches des Geflügels, des Wildbrets, 
der Fische, der Krustenthiere, der Weichtiere, der Reptilien und 
Amphibien sind treffend geschildert und durch zahlreiche Abbildungen 
erläutert. Derjenige, welcher sich mit der polizeilichen Nahrungs¬ 
mittelcontrole zu befassen hat, wird gerade ein Eingehen auf diese 
Gegenstände, welche in anderen Lehrbüchern stiefmütterlich be¬ 
handelt sind, zu schätzen wissen. 

Dabei ist aber der Theil des Edel mann'sehen Lehrbuches, 
welcher sich mit der Schlachtkundo, Schlachtvieh- und Fleisch¬ 
beschau beschäftigt, nicht zu kurz gekommen. Die gesetzlichen 
Bestimmungen sind vollständig wiedergegeben. Bei den Abschnitten, 
welche von den Mängeln und Krankheiten des Fleisches handeln, 
ist in jedem Falle der Standpunkt, welcher für die Beurtheilung 
des Fleisches maassgebend ist, genau gekennzeichnet worden. Der 
Thierarzt, welcher sich bei der Ausführung der Fleischbeschau 
amtlich bethätigt, kann sich in jedem Falle durch Nachschlagen im 
Edelmann’8chen Lehrbuch Rath für seine Entscheidung holen. 
Edelmann schließt sein Werk ab mit einer Geschichte der 
Fleischhygiene und einer kurzen Belehrung über die Einrichtung der 
Schlacht- und Viehhöfe, in welcher die Erfordernisse enthalten sind, 


welche bei modernen Anlagen verlangt werden müssen. Kurz zu- 
sammengedrängt und dabei doch klar und verständlich, das ist die 
Signatur des Edelmann’schen Lehrbuches. Der Preis von 9 Mark 
muss als ein mässiger bezeichnet werden, besonders auch in An¬ 
betracht des sehr guten Drucks und Papiers, sowie der vorzüglichen 
172 Textabbildungen und 2 Farbentafeln. Kühn au. 

Neue Eingänge. 

Fischoeder, Dr. F.: Leitfaden der practischen Fleischbeschau, 
einschliesslich der Trichinenschau. Mit vielen Abbildungen. F ünfte, 
neubearbeitete Auflage, Berlin 1903; bei Richard Schoetz. 260 Seiten 
Octav. Preis 5 M. 


Personalien. 

Ernennungen etc.: Tbierarzt Römer z. Zt. in Rostock zum Kreis- 
tbierarzt in Wolfonbüttel, Prosector an der Thierärztlichen Hoch¬ 
schule in Hannover Möller zum comm. Kreisthierarzt in Löbau 
i. Westpr., Bezirksthierarzt Fröber-Eschenbach zum pragmatischen 
Bezirksthierarzt. 

Wohnsitzveränderungen eto. : Bezirksthierarzt Krug von Brückenau 
nach Hammelburg versetzt. Schlachthofdirector Dr. Dönecke- 
Schwiebus in gleicher Eigenschaft nach Ueckendorf bei Gelsen¬ 
kirchen, Stadtthierarzt W. Stolpp als Schlachtbofthierarzt nach 
Schwäb.-Graünd, die Thierärzte Dr. Wucher-Neuburg als Districts- 
thierarzt in Pappen heim, F. Kaiser von Osterburg nach Seehausen 

1. Altm., G. Evers von Kaköhl nach Eutin, G. Fauss von Möck- 
mühl nach Freudenstadt, als Assistent zum Oberamtsthierarzt 
Reinhardt — verzogen. Thierarzt W. Meyerhoff hat sich in 
Schleswig niedergelassen. 

Examina: Approbirt wurden die Herren A. Süssenbach und 
K. Witte in Berlin, F. Behr in München. 

Promovirt in Bern zum Dr. med. vet Thierarzt Haack in 
Höchst im Odenwald. 

In der Armee: Unterrossarzt Schipke, unter Versetzung vom 

2. Ulan.-R. zum 5. Hus.-R., zum Rossarzt befördert. — Oberross¬ 
arzt Kauffmann vom Würtbg. Art.-R. No. 13, pensionirt. 

Todesfälle: Kreisthierarzt Fuchs-Berncattel (verspätete Mit¬ 
theilung), Schlachthofthierarzt Ladenbnrger in Schwäb. Gmünd, 
Thierarzt Adalbert Schiller in Iffeldorf (Bayern), Ehren-Staats¬ 
thierarzt Eugen Fischer in Luxemburg. 


Vacanzen. 

Siehe No. 6 ff. 

Danzig: Thierarzt für das am 1. April zu eröffnende Unter¬ 
suchungsamt für ausländisches Fleisch. Remuneration 2000 M. p. a. 
Meldungen schleunigst an den Regierungspräsidenten. — Elze 
(Hannover): Thierarzt. Betreffendem würde die am 1. April einzu¬ 
führende Fleischbeschau übertragen werden, die nach angestellten 
Erhebungen 1400—1500 M. ergeben dürfte. Ausserdem gewährt die 
Stadt in den ersten 3 Jahren jährlich 300 M. Beibülfe. — Lübtheen: 
Niederlassung eines Thierarztes, dem auch die Schlachtvieh- und 
Fleischbeschau übertragen werden soll. Meldungen beim Gemeinde¬ 
vorstand. — LUgumkloster: Thierarzt; demselben kann die 
Fleischbeschau mit einer Nebeneinnahme von ca. 1000 M. jährlich 
übertragen werden. Meldungen an den Bürgermeister. — Märkisch- 
Fried land: Thierarzt für Schlachtvieh- und Fleischbeschau vom 
1. April ab. Jährliche Einnahme aus der Fleischschau ca. 1800 M. 
Meldungen schleunigst an den Magistrat. — Osnabrück: Thierarzt 
an der Einlass- und Beschaustelle für das in das Zollinland ein¬ 
gehende Fleuch. Gehalt jährlich 3600 M. Bewerbungen bis 1. März 
an den Regierungspräsidenten. 

Besetzt: Thierarztstelle See hausen. 

Thierarzt Amelung in Steele a. d. Ruhr ist bereit, über die 
vom Amte Herbede (Ruhr) ausgeschriebene Stelle Auskunft zu 
geben. 


Verantwortlich für den Inhalt (ezcl. Inseraten theil): Prof. Dr. Schmaltz ln Berlin. — Verlag nnd Eigenthum von Richard Schoetz ln Berlin. — Druck von W. BQxenateln, Berlin. 


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Ol« .Berliner Tierärztliche Wochenschrift* erscheint 
wöchentlich lm Verlage ton Richard Schoeta in 
Berlin, Lulsenatr.36. Durch )edee deutsche Pottamt wird 
dieselbe tunt Preise ron M. 5,— vierteljährlich (M. 4,'■8 Ihr 
die Wochenschritt, IS Pf. für Bestellgeld) frei Int Haut 
geliefert (Deuttche Post-Zeitung* Preisliste No. 110S, 
Oesterreicbitche No. 510, Ungarische No. 90.) 


Berliner 


Orlginalbettrlge werden mitGOMk.fllr den Bogen honoriert 
Alle Manuskripte, Mitteilungen und redaktionellen An* 
fragen beliebe man au «enden an Prof. Or. Schmält«, 
Berlin, tierirztllche Hochschule, NW, Luisen-traate 60. 
Korrekturen, Uesenaiout-Kxemplare und Annoncen da¬ 
gegen an die Verlagsbuchhandlung. 


Tierärztliche Wochenschrift 


Redaktion: 

Professor Dr. Sch mal tz-Berlin 

Verantwortlicher Redakteur. 

Oe Bruin Kühnau Dr. Lothe« Prof. Dr. Peter Peters Preusse Dr. Schlegel Dr. Vogel ZOndol 

Professor Schlachthofdirektor Departementstierarzt Kreistlerarzt lH-|>arteineiiuiier»rct Vctcrinäramrusor Protesnor Landes-Insp. f. Tierzucht Krelatlerarat 
Utrecht. Cöln- Cöln. Angermilnde. Bromberg. Danzig. Freiburg i. Br. München. Mülhausen i. E. 

Francke Dr. Jess Nevermann 

Krcistiurarzt Kreistierarzt Kreistierarzt 

Mülheim n. Rh. Charlottenburg. Bremervörde. 


Jahrgang 1903. J)[s. 9 * Ausgegeben am 26. Februar. 


I n h a 11 : Heinick: Beitrag zur Kenntnis der Bakterienflora des Schweinedarmes. — Leonhardt: über einen Fall von 
Myelitis lumbo-sacralis acuta bei einem Hund. — Barth: Universal-Fleischbeschaustempel für Tierärzte. — 
Pflanz: Ratschläge bei der Handhabung des Pflanzschen Embryotoms. — Referate: Jess: Wochenübersicht Uber 
die medizinische Literatur. — Tagesgeschichte: Zur „Nachprüfung“ der Milzbranddiagnose. — Wenn schon — denn schon. — 
Fleischschau-Gebühren. — Verkauf der ärztlichen Praxis. — Verschiedenes. — Bücheranzeigen und Kritiken. — 
Personalien. — Vakanzen. 


Beitrag zur Kenntnis der Bakterienflora des 
Schweinedarmes. 

Aus dem Kgl. Hygien. Institute zu Posen. 

Von 

Dr. E. Helnick-Pudewitz b. Posen, 

prakt. Tierarzt. 

Als im FriÜyahre 1901 in der Deutschen Tierärztl. Wochen¬ 
schrift die in Fachkreisen Aufsehen erregenden Veröffent¬ 
lichungen des Herrn Prof. Dr. Olt über das regelmässige 
Vorkommen von Rotlaufbazillen im Darme gesunder Schweine 
erschienen, welche Befunde später noch durch Jensen eine 
Bestätigung fanden, gelangten dieselben insofern zn einer ganz 
besonderen Bedentong, als in Anbetracht solcher Ergebnisse 
eine erfolgreiche Bekämpfung des Rotlaufes mit veterinär¬ 
polizeilichen Massregeln beinahe aussichtslos erscheint. 

Olt kam nämlich anf Grund eingehender Untersuchungen 
zn der Überzeugung, dass nicht nnr bei rotlanfkranken, 
sondern auch bei jedem ganz gesunden Schweine Rotlauf¬ 
bazillen neben ovoiden den Schweinesenchebakterien ähnlichen 
Organismen in den fast regelmässig im Cäcnm und Kolon vor¬ 
handenen Follikulargeachwüren Vorkommen. Hauptsächlich sollten 
die Folliknlarpfröpfe besondere Fundorte für die genannten 
Bakterien bilden, ans welchen sie dann leicht durch Gr am sehe 
F&rbnng oder Mänseimpfhng nachzuweisen wären. 

Die geimpften Mäuse nämlich sollten in der Mehrzahl an 
typischem Rotlauf, hin and wieder auch an der Infektion mit 
ovoiden Bakterien oder an Mischinfektionen eingehen, wobei 
jedoch bei den letzteren durch weitere Impfungen oder durch 
das Plattenverfahren Rotlaofbazillen isoliert werden können. 

Es haben demnach die im Darme vegetierenden Rotlauf¬ 
bazillen täglich Gelegenheit, von den Folliknlargeschwüren ans 
in die Blntbahn zn dringen, womit dann für diese Bakterien 
auch die Möglichkeit gegeben ist, ihre Virulenz zur Geltung zu 
bringen. Eventuell dürfte anch durch zufällige Schwächung der 
Widerstandsfähigkeit des Schweines dasselbe empfänglicher für 
Rotlanferkranknngen werden, so dass die sonst saprophytisch, 1 


nach Banermeister, anch in den Tonsillen und im Darm vor¬ 
kommenden Bakterien dann pathogene Eigenschaft annehmen 
und Rotlauf erzeugen können. 

Da ich es für ganz besonders wichtig hielt, anlässlich 
solcher Beobachtungen, die sich ganz von selbst ergebende 
Frage, welche Bakterien denn überhaupt im Darme gesunder 
Schweine Vorkommen, zu studieren, zumal in der Literatur, 
soweit mir bekannt, nnr ganz sporadische Mitteilungen über 
Darmbakterien bei Tieren vorhanden sind, in welchen noch 
dazu die Bakterien nnr ihrer änsseren Form nach und sonst 
nicht näher bestimmt, besprochen werden, so prüfte ich bei 
einer grösseren Anzahl von Schweinen den Darminhalt nach 
dieser Richtung hin. 

Was nun den Gang meiner Untersuchungen anlangt, so er¬ 
laube ich mir, anf die Originalarbeit zn verweisen, welche dem¬ 
nächst im „Archiv für wissenschaftliche und praktische Tier¬ 
heilkunde“ zum Abdruck gelangen wird. Hier sei mir gestattet, 
in Kürze nur folgendes zn bemerken. Zunächst galt es fest¬ 
zustellen, welche Bakterienarten in den einzelnen Darmabschnitten 
durch das Koch sehe Gelatineplattenverfahren nachgewiesen 
werden können. Zu dem Zwecke wurden von 15 Schweinen 
unmittelbar nach erfolgter Schlachtung von vier verschiedenen 
Abschnitten des Darmes, und zwar vom Dünndarm, vom Blind¬ 
darm, Grimmdarm nnd Mastdarm, Proben des Darminhaltes 
unter sterilen Kantelen entnommen und weiter verarbeitet. Dieses 
frische Material wurde zunächst einer mikroskopischen Unter¬ 
suchung unterzogen, an welche sich dann die Aussaat in Gelatine¬ 
platten 8 Chl 088 . 

Um möglichst vergleichbare Resultate zu erzielen, wurde immer 
in gleicher Weise ein gut hirsekorngrosses Stück des betreffenden 
Darminhaltes in der gleichen Menge Peptonwasser verteilt und 
von dieser Anfschwemmung die jedesmaligen Übertragungen 
bezw. Verdünnungen gleichmässig vorgenommen. 

Meine Hauptaufgabe bestand nun darin, die anf den Gelatine¬ 
platten gewachsenen Arten mit bestimmten Spezies zn identi¬ 
fizieren, sowie von den anscheinend unbekannten eine möglichst 


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142 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 9. 


genaue Charakteristik zn geben. Das angewandte Verfahren 
ermöglichte ferner einen gewissen Überblick über die quanti- 
tativen Verhältnisse der Bakterienflora des Schweinedarmes. 
Anhangsweise wurde anch bei einer kleinen Zahl von Schweinen 
auf das Vorkommen von obligat anaeroben, durch das Gelatine¬ 
plattenverfahren natürlich nicht nachweisbaren Arten gefahndet. 
Zu mehr spezielleren Zwecken wurden einerseits, nämlich in 
bezug auf die Veröffentlichungen von Olt und Jensen über 
das Vorkommen tierpathogener Arten, vor allem der Rotlauf¬ 
bacillen, Mäuseimpfungen vorgenommen; andererseits wurde bei 
tuberkulösen Schweinen und auch bei zwei tuberkulösen Rindern 
ganz besonders auf das Vorkommen von Tb. hin untersucht. 

Durch das oben erwähnte Gelatineplattenverfahren wurden 
nun die weiter unten mit Namen angeführten 23 bekannten 
Arten, sowie 14 nicht zu identifizierende Spezies festgestellt. 

Die anaeroben Züchtungsversuche wurden mit dem modi¬ 
fizierten Pfeifferschen Apparat vorgenommen. Es wurde dazu 
das Material der vier verschiedenen Darmabschnitte von noch 
sechs Schweinen verarbeitet. Es hat sich jedoch dabei gezeigt, 
dass es in keinem Falle gelang, ein obligat anaerobes Bakterium 
nachzuweisen. Wohl konnte man deutlich bemerken, dass bei 
einzelnen Bakterien wie z. B. der Streptothrix alba das anaerobe 
Wachstum schneller und üppiger ist, jedoch gediehen alle diese 
Arten, wenn auch einzelne nur sehr langsam, doch deutlich 
auch auf schrägem Agar. 

Auf Anregung des Herrn Professors Dr. Wernicke 
wurde in derselben Weise und aus denselben Darmabschnitten 
Iohalt von zwei tuberkulösen Schweinen untersucht und dabei 
ganz besonderes Gewicht auf den eventuellen Nachweis von 
Tb. gelegt. Anhangsweise wurde auch Inhalt aus dem Mast¬ 
darm zweier tuberkulöser Rinder auf das Vorhandensein von 
Tb. geprüft. Sämtliche vier untersuchten Tiere litten an 
ausgebreiteter Tuberkulose, wenn auch bei keinem derselben 
tuberkulöse Darmgeschwüre vorhanden waren. Es konnten 
jedoch in keinem Falle, sowohl durch die mikroskopische Unter¬ 
suchung des frischen Materials, als auch durch Verimpfung des¬ 
selben auf Meerschweinchen, Tb. nachgewiesen werden. Dieser 
Befund ergibt eine Übereinstimmung mit den Ostertagschen 
Resultaten, wonach auch in der Milch von auf Tuberkulin 
reagierenden Tieren nur dann Tb. sich finden, wenn Euter¬ 
tuberkulose vorhanden ist. Dass bei dem Bestehen tuberkulöser 
Darmgeschwüre sich Tb. in den Fäces unter Umständen nach- 
weisen lassen würden, ist wohl nicht zu bezweifeln. 

Durch die bakterioskopische Untersuchung von insgesamt 
23 Schweinen liess sich also feststellen, dass in denselben regel¬ 
mässig nur das Bact. coli commune und das Bact. lactis aerogenes 
Vorkommen. Sehr wahrscheinlich gilt das auch für den Staphylo- 
coccus pyogenes aureus, obgleich es mir. bei einem Schwein 
nicht gelang, im Darminhalte desselben diesen Coccus nach¬ 
zuweisen. Bei den übrigen gefundenen Arten gestaltet sich das 
Verhältnis ungefähr folgendennassen: 

Es sind gefunden worden im: 



Dünn- 

Blind- 

Grimm- 

Mast- 


darin 

dann 

dann 

darm 

Staphylococcus albus . . . 

. . 1 mal 

7 mal 

8 mal 

5 mal 

„ citreus . . 

• • o „ 

1 „ 

ß „ 

8 „ 

Bac. mesent vulg. 

• • 0 „ 

1 , 

5 „ 

4 „ 

Bact. Proteus vulg. 

. . 1 „ 

1 „ 

4 „ 

8 „ 

Bac. Bubtilis. 

• • 0 „ 

0 „ 

3 , 

7 „ 

Bac. megatherium .... 

. . 0 „ 

o „ 

2 „ 

2 „ 


Dünn- Blind- Grimm- Mast- 






darm 

darm 

darm 

darm 

Bact. Proteus mirabilis . 

, , 



3 mal 

4 mal 

3 mal 

2 mal 

„ „ Zenkeri . . 




1 

ff 

0 

1» 

1 „ 

1 

ff 

Bact. Zopfii. 




5 

ff 

6 

ff 

7 „ 

6 

fy 

Bac. mycoides . . . . 




0 

ff 

1 

ff 

1 „ 

3 

fy 

Bact. fluorescens liquefaciens . 



0 

ff 

0 

ff 

0 „ 

1 

IT 

„ acidi lactici . . . 




0 

ff 

0 

ff 

0 ,. 

1 

ff 

Micrococcus candicans 




3 

„ 

3 

,, 

3 „ 

2 

ff 

Sarcina lutea. 




1 

ff 

0 

ff 

1 

1 

ff 

„ flava . 




2 


1 

ff 

4 „ 

3 

,, 

Coccus flavus . 




1 


1 


1 „ 

3 

i» 

Streptothrix alba . . . 




1 

ff 

3 

ff 

3 „ 

2 

fl 

Oidium lactis . 




5 

ff 

3 

ff 

3 „ 

0 

1f 

Hefezellen. 




1 

ff 

5 

’f 

6 

5 

ff 

Schimmelpilze. 




9 

ff 

10 

ff 

7 „ 

8 

ff 

No. 1 der unbekannten Arten 



0 

ff 

0 


1 „ 

1 

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9 

ff * ff ff 

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2 

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14 

ff n ff 

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0 

ff 

1 

ff 

0 „ 

0 

ff 


In Bezug auf die Zahl der einzelnen Keime kommen die 
Kolibakterien in weitaus grösster Menge im Darm vor. Dieses 
aus den Schweinefäces [isolierte Bact coli unterscheidet sich 
äusserlich anscheinend in nichts von dem aus den menschlichen 
Fäces gezüchteten Bact coli commune. Den Kolibakterien fast 
gleich an Zahl kommt das Bact. lactis aörogenes. Jedoch 
scheint im Dünndarm und im Blinddarm das Bact coli zu über¬ 
wiegen, während im Grimmdarm und Mastdarm das Mengen¬ 
verhältnis beider Arten fast gleich ist. Im Mastdarm scheint 
öfters sogar das Bact. lactis aerogenes an Zahl zu überwiegen. 
Alle die übrigen vorhin genannten Bakterienarten dagegen 
kommen auf fast allen Plattenkulturen nur in vereinzelten 
Kolonien vor. Überhaupt ist der Bakteriengehalt des Dünn¬ 
darmes, wahrscheinlich infolge der Magenwirkung als ein über¬ 
aus spärlicher zu bezeichnen. Ein auffallender, aber durch das 
Stagnieren der Massen leicht erklärlicher Keimreichtum fand 
sich fast durchgängig im Cäcum. 

Wie eingangs dieser Arbeit schon erwähnt wurde, ist mit 
Rücksicht auf die von Olt und Jensen gemachten Beobachtungen 
ein ganz besonderes Gewicht auf den Nachweis von Rotlauf- 
bazillen und ovoiden, den Schweineseuchebakterien durchaus ähn¬ 
lich sein sollenden Kurzstäbchen gelegt worden. Es gelang mir 
jedoch in keinem Falle, weder Rotlaufbazillen, noch die ge¬ 
nannten ovoiden Bakterien nachzuweisen; namentlich eigaben 
die Mäuseimpfungen ein ganz negatives Resultat. 

Von 30 Mäusen, die mit einer Spur eines Follikularpfropfes 
aus dem Cäcum bezw. der Gegend der Ileo-Cäcalklappe geimpft 
waren, ist nur eine nach ca. 2 J /2 Tagen einer durch Mikrokokken 
verursachten Infektion erlegen. Von 20 Mäusen, die mit je 
einer Spur Darminhalt aus einem der Follikulargeschwüre des 
Kolons geimpft worden sind, ist keine einzige verendet. Von 
15 Mäusen, die mit je einer Spur Darminhalt aus dem Rectum 
geimpft worden sind, ist eine Maus nach drei Tagen ebenfalls 
an einer Kokkeninfection zu Grunde gegangen. Es handelt sich 


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26. Februar 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


148 


selbstverständlich jedesmal um den Darminhalt verschiedener 
Schweine. 

Züchtungsversuche, die mit dem Heiz- und Milzblute der 
beiden verendeten Mäuse vorgenommen wurden, führten eben¬ 
falls bezüglich des Schweinerotlaufes zu einem absolut nega¬ 
tiven Ergebnis. 

Nach diesem Befunde scheinen wenigstens bei den Schweinen 
hiesiger Gegend tierpathogene Bakterien äusserst selten, da¬ 
gegen Kotlaufbazillen un<l die vorerwähnten ovoiden Kurz¬ 
stäbchen überhaupt nicht im Darminhalte derselben vor¬ 
zukommen. 

Über einen Fall von Myelitis lumbo-sacralis acuta 
bei einem Hund. 

Von 

Leonhardt -Strassburg i. E. 

UntorrouarzL 

Am 1. Juli d. J. wurde ich auf einem Truppenübungsplatz 
von einem Hauptmann zur Behandlung seines erkrankten Hundes 
requiriert. Die Untersuchung erfolgte — beiläufig bemerkt — 
unter Beisein eines Oberstabsarztes und anderer Militärärzte, 
die, durch das Krankheitsbild gerührt, einstimmig für eine „Pille“ 
plädierten. Da dem Besitzer sehr viel an der Erhaltung seines 
kleinen Freundes gelegen, und der Fall in prognostischer Hin¬ 
sicht nicht ohne Hoffnung war, wurde gerne von jenem vor¬ 
geschlagenen Modus therapeutischer Kunst Abstand genommen. 

Die Myeliten werden bei Hunden relativ selten beobachtet. 
Nach Fröhner fanden sich unter 70000 kranken Hunden 
der Poliklinik nur 69. Da zweifellos für die genaue Kenntnis 
einer Krankheit eine ausgedehnte Kasuistik von der grössten 
Bedeutung ist, so dürfte auch vorliegender Fall ein gewisses 
Interesse in Anspruch nehmen, um so mehr, da ich den Krank¬ 
heitsprozess während vier Wochen genau verfolgen und einige 
Beobachtungen machen konnte, über die ich in den vier veterinär¬ 
medizinischen Lehrbüchern der Pathologie und Therapie, die 
mir zur Hand sind, keine Aufzeichnung finde. 

Die Anamnese ergab folgendes: 

Patient habe vor etwa 17 Tagen durch sein Benehmen ein 
gewisses Unwohlsein bekundet, habe viel gelegen und sei nicht 
mehr so wie sonst auf die Stühle gesprungen. Zwei Tage 
darauf habe er Erbrechen gezeigt und keine Nahrung mehr zu 
sich genommen. Ein hinzugezogener Tierarzt soll (toxische?) 
Darmentzündung, die nach fünf Tagen zurückging, diagnostiziert 
haben. 8—10 Tage nach dem Erbrechen soll der Hund Schwanken 
in der Hinterhand gezeigt haben, einen Tag vor meiner Unter¬ 
suchung ab und zu hinten umgefallen sein und nicht mehr ge¬ 
fressen haben. 

Meine Untersuchung stellte fest: 

Hellbrauner Teckel, von mittlerer Grösse, 5 Jahre alt, liegt 
apathisch und stöhnend in einem Korbe; sonst sehr folgsam, 
reagiert er auf Zuruf j-eines Herrn nur schwerfällig. Der Ver¬ 
such, aus seinem niedrigen Korbe herauszusteigen, misslingt. 
Atmung, Puls, Temperatur weichen gar nicht oder nur un¬ 
erheblich von der Norm ab. Die Maulschleimhaut ist blassrot, 
die Zunge zeigt geringgradigen, grauweissen Belag. Die 
Gefässe der Sklera und der Konjunktiven sind injiziert. Die 
Banchdecken sind stark gespannt, der Bauchumfang [ist ver- 
grössert. Durch die schwierige Palpation, bei der kein Schmerz 


geäussert wird, lassen sich harte Exkremente im Rectum und 
in anderen Darmteilen nackweisen. Auf die Erde gesetzt und 
zur Bewegung veranlasst, schleift er das IJinterteil platt wie 
ein nicht zu seinem Körper gehörendes Anhängsel nach. Die 
Beine sind gestreckt und übereinander gekreuzt. Die Muskulatur 
der ganzen Hinterhand ist härter als normal. Die Hinter¬ 
gliedmassen haben daher einen gewissen Grad von Steifigkeit 
und folgen nur schwer passiven Bewegungen. Die Zehenglieder 
sind stark gebeugt, so dass beim Versuch, den Hund hinten auf 
die Beine zu stellen, die Dorsalflächen der Zehen den Erdboden 
berühren. Es besteht ferner Priapismus; der von dem Präputium 
etwa 6 cm entblössle Penis schleift bei den Gehversuchen auf 
dem Erdboden und wird stark mit Sand pp. beschmutzt, ohne 
dass von seiten des Hundes darauf gleich oder später in irgend 
einer Weise reagiert wird. Der Sphincter ani ist geschlossen 
und bietet dem eindringenden Finger den normalen Widerstand. 
Der Schwanz wird bei Liebkosungen ab und zu kaum wahr¬ 
nehmbar aktiv bewegt. Der Patellarreflex ist in ganz ge¬ 
ringem Grade vorhanden; Plantar- und Achillessehnenreflexe 
sind erloschen. Vollständige Anästhesie der Haut besteht von 
der Segraentalebene des letzten Brustwirbels ab nach hinten 
zu, auch am Penis, Anus und am Schwanz. Nadelstiche durch 
die Haut hindurch, sowie stärkstes Drücken und Kneifen werden 
nicht empfunden. Durch Palpation des Rückens und durch 
passives Bewegen besonders der Lendenwirbelsäule kann keine 
Schraerzempfindung ausgelöst werden. Die Rückenhaut ist in¬ 
takt; etwaige Narben, Abschürfungen, Schwellungen sind nicht 
vorhanden. 

Das Symptomenbild wird in den nächsten Tagen dahin ver¬ 
vollständigt, dass ausser den beschriebenen Symptomen*) eine 
Harnverhaltung beobachtet wird. Die Blase zeigt sich durch 
Palpation stark gefüllt, und durch Ausdrücken von den Bauch¬ 
decken aus werden ca. s / 4 Liter Urin entleert. 

Mit Rücksicht auf die spartische Paraplegie der Hinter¬ 
hand, die Lähmung des Detrusor urinae, des Darmes und 
die komplette Paranesthesie war mit Sicherheit der Sitz 
der Erkrankung im Rückenmark zu suchen (eingenommenes 
Sensorium war auf die Obstipation zurtickzuführen), und nach 
unseren Kenntnissen über die Lokalisation der Funktionen in 
den verschiedenen Segmenten desselben konnte das Feld der 
Erkrankung vom ersten Lendenwirbel- bis zum letzten Kreuz¬ 
wirbelsegment abgegrenzt werden. 

Hämatomyelie oder Tumorenbildung war nach der Anam¬ 
nese nicht wahrscheinlich, Tumorenbildung besonders nicht 
wegen fehlender lokaler Schmerzen. Die gestellte Diagnose: 
Myelitis lumbosaeralis acuta, scheint mir daher die richtige 
gewesen zu sein. 

*) E. von Leyden hält „die isolierte Lähmung des Detrusor- 
oder des Spincter-Zentnims für nicht bewiesen und nicht wahr¬ 
scheinlich. Bei der Entzündung des Rückenmarks würden, da beide 
Zentren mindestens eng benachbart seien, beide betroffen. Das 
Anhäufen von Harn sei mechanischen Ursachen zuzuschreiben. 
Auch in der Leiche enthalte die Blase Inhalt“. Leider versäumte 
ich das Mass festzustellen, wieviel Harn ich aus der ausserordent¬ 
lich prall gefüllten Blase entleerte. Nach meiner Ansicht konnte 
bei gleichzeitiger Lähmung des Spincter-Zentrums die Blase nicht 
so prall gefüllt sein und soviel Urin, wie entleert wurde, enthalten. 
Eine'^Untersuchung darüber, wieviel Flüssigkeit bezw. Urin ex- 
stirpierte Hundeblasen bis zum Abträufeln halten können, ist wohl 
noch nicht gemacht. Ein entsprechender Vergleich mit meinen 
Angaben dürfte für die Frage nicht ohne Bedeutung sein. 


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144 


No. 9. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


Die Therapie richtete sich zunächst auf die Beseitigung 
der Obstipation, die das Leben des Tieres ohne Behandlung 
vernichtet hätte. Ol. ricin. und Klistiere mit ol. olivar. und 
später mit lauwarmem Salzwasser taten gute Wirkung. Die 
immer harten Exkremente mussten täglich mehrmals aus dem 
Rectum herausgespült werden. Am zweiten Tag nimmt der Hund 
etwas gekochtes und rohes, gehacktes Fleisch zu sich. Milch 
wird nicht genommen, dagegen kleine Quantitäten Wasser. 
Mit der Beseitigung der Verstopfung nach zwei Tagen wird auch 
das Temperament des Tieres lebhafter. 

Wegen der Lähmungen werden Einreibungen und Massage 
zunächst verordnet. Am 5. Juli zeigt Patient guten Appetit 
auf Fleisch, das Bewusstsein ist kaum noch getrübt. Lähmungs- 
erscheinnngen dieselben. Selbständiger Absatz der Exkremente 
erfolgt nicht. Die Blase wird mehrmals täglich ausgedrückt. 
Um einer dauernden myogenen Kontraktur vorzubeugen, werden 
die Hinterextremitäten häufig gebeugt und gestreckt. Patient 
wird von jetzt ab faradisiert. Es zeigt sich die electrische Er¬ 
regbarkeit der Muskulatur quantitativ stark herabgesetzt. Bei 
den stärksten Strömen des Apparates kontrahiert sich nur an 
einigen Stellen in der Umgebung der Elektroden der Haut¬ 
muskel, und nur minimale Kontraktionen der Extremitäten¬ 
muskeln etc. werden ab und zu wahrgenommen. Es wird täglich 
viermal, jedesmal 20 Minuten elektrisiert; besonders lange werden 
die Elektroden zu beiden Seiten der Lendenwirbelsäule gehalten. 
Vom Elektrisiren der gelähmten Teile spürt Patient nichts. 
Ausserdem werden fünf Tropfen Tinct. strychn. täglich verabfolgt 
und die vorherige Behandlung fortgesetzt. Auch eine gewisse 
suggestive Heilmethode wird dadurch versucht, dass der wieder 
lebhafte Hund auf Hunde, Katzen etc. gehetzt wird, um seine 
motorische Energie anzufeuern. 

Die Erregbarkeit der Muskeln nimmt von Tag zu Tag zu. 
Am 12. Juli konstatiere ich, dass die Beine nicht mehr so kreuz¬ 
weis nachgeschleppt werden. Eine minimale Sensibilität stellt 
sich ein. Der Patellarreflex ist deutlich wahrnehmbar; auch 
erzählt mir der Besitzer freudevoll, der Hund habe wieder beim 
Berühren der Haare zwischen den Zehenballen wie früher ge¬ 
zuckt, wenn auch nicht so stark. Wird das Skrotum mit in 
den Stromkreis gezogen, zeigt der Hund knurrend seine Zähne. 
Dagegen ist der Spincter ani jetzt gelähmt; auch der Schwanz 
zeigt weder Sensibilität noch Motilität: ein Zeichen dafür, dass 
die Entzündung mehr nach hinten geschritten ist. Der Priapismus 
hat etwas nachgelassen, aber leichte Balanitis hat sich ein¬ 
gestellt. 

Bei den Gehversuchen, die täglich mehrmals, durch Empor¬ 
heben des Hinterteils am Schwanz (später durch einen Trag¬ 
apparat aus Leinen) unterstützt, ausgeführt werden, stellt sich 
am 17. Juli zuerst schwaches, pendelartiges Bewegen der ge¬ 
lähmten Extremitäten ein, das sich in den nächsten Tagen mit 
einem geringgradigen Beugen und Strecken der Extremitäten 
verbindet. 

Am 23. Juli läuft Patient ohne Hilfe, wenn auch sehr 
ungeschickt unter starkem Schwanken, ein paar Schritte. Unter¬ 
stützt am Schwanz, macht der Hund mit den Vorderbeinen etwa 
5 Schritte, während mit den Hinterbeinen erst 1 Schritt ausgeführt 
ist. Die Hinterextremitäten werden dabei stark gebeugt und 
unnötig hochgehoben, als wenn sie über ein Hindernis hinweg¬ 
treten sollten. Einmal so kontrahiert bleiben sie längere Zeit 
in dieser Verkürzung, und es macht den Eindruck, als wenn es 


einer relativ grossen Anstrengung der Antagonisten bedarf, um 
die Extremitäten wieder zu extendieren. Die Zehenglieder sind 
nur noch wenig flektiert. In geringer Menge werden schon 
Exkremente und Urin selbständig abgesetzt. Auch die Sensi¬ 
bilitätsstörungen sind Hand in Hand mit denen der Beweg¬ 
lichkeit zurückgegangen. 

Am 28. Juli, dem letzten Tage meiner persönlichen Beob¬ 
achtung, ist nur in der Gegend der Krenzwirbel und von da 
au8 auf Handtellerfläche an dem rechten Oberschenkel ans¬ 
gebreitet, Parästhesie vorhanden. Priapismus besteht nicht 
mehr. Fresslust ist ausgezeichnet. Der Hund kann, wenn auch 
langsam, steif und ungelenk, etwa 50—100 m selbständig gehen; 
auf die Seite gefallen, richtet er sich auf und geht weiter. 

Zwei Monate nach Beginn des Leidens teilt mir der Be¬ 
sitzer des Hundes unter Versicherungen seines Dankes mit, dass 
der Hund in seinen Bewegungen nur noch eine geringgradige 
Schwäche verrate. 

Die Ätiologie der Myeliten ist nach den Angaben de** 
veterinär-medizinischen Literatur wenig aufgeklärt. Man be¬ 
schuldigt ausser Traumen, Erkältung, Infektionskrankheiten etc. 
In der humanen Medizin legt man das grösste Gewicht auf die 
Heredität. 1 ) Dieser Faktor scheint mir auch bei den Hunden 
eine nicht zu unterschätzende Rolle zu spielen. Hoffmann 2 ) 
berichtet, dass die Dachshunde nach seiner Erfahrung häufiger 
an Rückenmarksleiden erkranken als andere. Aus meiner zwar 
sehr geringen Erfahrung kann ich das bestätigen. Den ersten 
Fall sah ich vor einem Jahre in der Poliklinik für kleine Tiere 
in Berlin. Es war ein älterer Teckel, der einem Förster gehörte 
und sehr gebessert wurde. Ursache war bei diesem Patienten 
unbekannt. Der kürzlich in der B. T. W. pag. 327 (Hämato- 
myelie) beschriebene Fall betraf, wie meiner, auch diese Rasse. 

Sehr erfahrene Kollegen, die ich nach dieser Richtung hin 
befragte, schliessen sich der Annahme Hoffmanns an. 

In Verbindung mit einer kongenitalen Prädisposition möchte 
ich in meinem Fall als unmittelbare Ursache (was sich auch 
mit der Anamnese deckt) Toxine ansehen, die in Folge der Darm¬ 
entzündung auf dem Wege der Blutbahn ins Rückenmark ge¬ 
langten und in dem vielleicht prädisponierten Lendenmark die 
Entzündung bewirkten. 

Die Heilungen der Rückenmarksentzündungen sind selten. 
Wenn ich mich frage, was in meinem Fall ausser dem selbst¬ 
tätigen Heilen der Natur die Wiederherstellung bewirkte, so 
war es zunächst die dauernde Fürsorge für den Kraftkessel der 
tierischen Maschine, den Verdauungskanal und dessen Arbeit. 
Sodann dürfte auch der Elektrizität ein gewisser Anteil an der 
Heilung zukommen, entgegen der heute vielfach von Ärzten 
(Möbius) vertretenen Ansicht, die ihr jede direkte Heilkraft ab¬ 
sprechen und alles Heil von der Suggestion erwarten. Eins 
scheint, nach meinem Fall zu urteilen, die Faradisation hintenan¬ 
halten zu können, nämlich die bei rückenmarkskranken 
Menschen so ausserordentlich häufig beobachtete Atrophie der 
Muskulatur. Mir schienen bei meinem Patienten die Schenkel 
sogar hypertrophisch geworden zu sein. Oder war der 
spartische Zustand der Muskulatur und die geringe Zeitdauer 
an der fehlenden Atrophie schuld? 

1 ) Nothnagel, spez. Pathol. Bd. X. 1896. pag. 191. 

2 ) L. Hoffmann,, Kompend. d. inn. Tiermedizin 1897. pag. 150. 


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146 


26. Februar 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


Mit der Strychninbehandlung setzte ich versuchsweise 
5 Tage aus, trotzdem war fortschreitende Besserung zu kon¬ 
statieren. 

Die täglichen Gehversuche, verbunden mit der suggestiven 
Anregung des Willensimpulses, können von Vorteil gewesen 
sein, ebenso Massage und antiphlogistische Einreibungen. 

Universal-Fleischbeschaustempel für Tierärzte. 

Vorläufige Mitteilung 

von 

Dr. Garth-Darm Stadt 

Schlachthofdirektor. 

Die Ausführungsbestimmungen zum Reichsfleischschaugesetz 
schreiben die Kennzeichnung des Fleisches von Schlachttieren 
je nach Qualität und Herkunft vor. 

Insgesamt sind für die Fleischbeschau im Inlande sechs 
verschiedene Stempelformeu vorgesehen, und wenn die vorläufige 
Kennzeichnung in besonderen Fällen ebenfalls durch Stempel 
geschehen soll, so sind sieben und für Tierärzte, welche 
ausserhalb ihres Schaubezirkes in Tätigkeit treten, sogar acht 
Stempel nötig. 

Die mit der Ausübung der Beschau im Inlande betrauten 
Tierärzte können nun jeden Augenblick in die Lage kommen, 
einen der zahlreichen Stempel anwenden zu müssen. Das stete 
Mitführen aller Stempel und deren sichere Aufbewahrung zur 
Verhütung von Missbräuchen ist selbst für Tierärzte in Schlacht¬ 
höfen eine missliche Sache, das Herbeischaffen der jedenfalls 
unter Verschluss zu haltenden Stempel zeitraubend. 

Dasselbe gilt in noch höherem Grade für Tierärzte, die in 
ausgedehnten Bezirken amtlich tätig sind. 

Ich habe mich bemüht, einen Universalstempel zu schaffen, 
der unter den Bedingungen der Dauerhaftigkeit, Handlichkeit, 
des leichten Gewichts und der raschen, leicht ausführbaren Um¬ 
stellung die Vornahme aller gesetzlich vorgeschriebeneu j 
Stempelungen ermöglichen soll und so die Mitführung vieler | 
Stempel überflüssig macht. 

Die Versuche sind geglückt; der Apparat hat die Form 
eines gewöhnlichen Stempels und ist, abgesehen vom Griff, ganz 
aus Metall gebaut. Er liefert tadellose Abdrücke und zwar alle, 
welche gefordert werden. Dabei ist die Möglichkeit gegeben, 
besonderen Wünschen bezüglich des Namens oder Zeichens, des 
Schaubezirks (Form, Grösse etc.) Rechnung zu tragen. 

Die einfache, solide Bauart (ohne Federn, Räder oder 
sonstige dem Verschleiss besonders ausgesetzte Teile) ermöglicht 
die Herstellung zu geringerem Preise, als die Anschaffungs¬ 
kosten aller Stempel. 

Ich behalte mir die nähere Beschreibung und weiteie An¬ 
gaben vor. 

- I 

I 

Ratschläge bei der Handhabung des Pflanzschen 
Embryotoms. 

Von 

Pflanz-Kreuzburg, Ob.-Schl., 

Kreistierarzt. 

Verschiedene Anfragen aus Kollegenkreisen lassen es im 
allgemeinen Interesse als nützlich erscheinen, über die An¬ 
wendung meines Embryotoms mit der Messerkette einige Finger¬ 
zeige zu geben. Bei der jetzigen Konstruktion des Instrumentes, , 


wie sie die Firma Hauptner-Berlin unter Verwendung eines 
vorzüglichen Materials liefert, sind Verbiegungen des Instru¬ 
mentes unmöglich und selbst die stärksten Foeten lassen sich mit 
Leichtigkeit durchschneiden. Bedingung ist jedoch das richtige 
Anlegen des Instrumentes, wobei folgendes zu beachten ist. 

Die Messerkette muss annähernd dieselbe Richtung haben 
wie der Körper des Instruments. Man vergegenwärtige sich 
stets die Lage der Messerkette im Uterus und halte dement¬ 
sprechend das Instrument in der erforderlichen Lage. Wenn 
z. B. ein Kopf abgeschnitten werden soll, der nach unten ver¬ 
schlagen ist, so wird die Kette, nachdem sie sich um den Hals 
des Foetus gelegt hat, eine Lage schräg von oben und hinten 
nach unten und vorne einnehmen; dementsprechend muss das 
Instrument ebenfalls zu dem Körper des Muttertieres im Winkel 
gehalten werden. 

Wird diese Vorsicht nicht beachtet, so entsteht an der 
DurchtrittssteUe der Messerkette durch die Öse der Stangen 
ein Knick und somit eine Seitenwirkung auf die Messerglieder. 
Bei der grossen Kraft, welche man durch die Zahnradüber- 
tragung hervorzubringen im stände ist, muss jetzt natürlich 
entweder eine Verbiegung des Rahmens oder ein Zerbrechen 
der Messerkette eintreten. 

Man vergegenwärtige sich stets, dass man zum glatten 
Durchschneiden des Foetus, sei es an welcher Stelle auch immer, 
keiner sehr grossen Kraft beim Andrehen der Kurbel benötigt 

Fühlt man einen Widerstand, bezw. lässt sich das Weiter¬ 
drehen sehr schwer bewerkstelligen, so liegt die Kette nicht 
richtig und man überzeuge sich durch Eingehen mit der Hand 
von der Lage derselben. Stets wird man durch kleine Ver¬ 
änderungen den Fehler abstellen und so Lädierungeu des In¬ 
struments verhüten können. 

Referate. 

Wochenübersicht über die medizinische Literatur. 

Von Dr. Jeaa-Charlottenburg, 

Krelltierarzt. 

Münchener medizinische Wochenschrift No. C>. 

Zentrale Aktinomykose des Unterkiefers; von Prof, von Bruns. 
Die Aktinomykose hat die Neigung, sich längs des Skeletts, 
namentlich längs der Kieferschädelbasis, Wirbelsäule, Rippen etc. 
auszubreiten. Die Aktinomykose des Unterkiefers nimmt eine 
Sonderstellung ein, während sie beim Rinde sehr häufig ist, 
gehört sie bei dem Menschen zu den Seltenheiten. Von B. 
teilt einen Fall mit, in dem boi einem 30jährigen Mann plötzlich 
eine als Knochensarkom diagnostizierte Geschwulst des Unterkiefers 
auftrat. Bei der Operation wurde eine grössere Knochenhöhle 
eröffnet, welche mit sarkomähnlichen Gewebsmassen ausgefüllt 
war. Die Untersuchung ergab wohlentwickelte Aktinomyces- 
drüsen. Die Höhle wurde mit dem scharfen Löffel ausgeschabt 
und mit einem feuchten Sublimattampon ausgestopft. Die Hei¬ 
lung hat bis jetzt seit 10 Jahren angehalten. 

Zc.tschrift für Hygiene uml Infektionskrankheiten. !2. Bd. Heft 2. 

Über eine Seuche von exsudativem Typhus bei Hühnern; von 
Prof. Arnalds Maggiora und Dr. Gian Luca Valenti. Verf. 
beschreiben eine der Vogelpest ähnliche, vielleicht identische 
Seuche, deren Erreger zu den ultravisiblen, filtrierbaren Virus 
gehört. 

Zur Kenntnis des Mechanismus der künstlichen Immunilit gegen 
Pest. Von Dr. Märtel. Verf. resümirt seine Beobachtungen bei 


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146 


der Pest dahin, dass bei grosser Widerstandsfähigkeit des Or¬ 
ganismus die Bakterien aufgelöst werden, während bei geringerer 
Widerstandsfähigkeit Phagocytose vorherrscht. 

Untersuchungen über das Verhalten von Milzbrand- und 
Geflügelcholerabazillen im Körper von Mäusen bei Mi80hinfektion von 
Gram. Es wurden Mäuse zu den Vei suchen gewählt, weil für 
sie sowohl Geflügelcholera als auch Milzbrand pathogen ist. 
Es ergab sich nun, dass Bakteriengemische sowohl in der Kultur 
als im Körper weder virulenzsteigernd noch abschwächend auf 
die einzelnen Arten einwirken. Die Geraischmäuse starben 
gleichzeitig mit den Kontrollieren. 

Über Agglutinine und Präzipitine; von Wassermann. Wird 
auf das Original verwiesen. 

Weitere Versuche mit dem Ozon als Wassersterilisationsmittel 
im Wiesbadener Ozonwerk; von Prof. Proskauer und 
Dr. Schüder. Das Ozonwassersterilisierungsverfahren wirkte 
selbst noch bei sehr gesteigertem Keimgehalt, wie er in der 
Praxis kaum vorkommt, sicher. 

Ausfällung bakteriolder und giobuildder Blutfermeate durch 
Pflanzenschleim; von Dr. von Dingel sh eim. Das Resultat der 
Versuche war folgendes: Der Schleim des Karrageenmooses fällt 
im aktiven Serum die baktericiden und globuliciden Substanzen, 
sowie die Giftstoffe, und zwar wird die Fällung begünstigt 
durch die Alkaleszens. 

Zum Nachweis der Typhusbakterien im Wasser; vonDr. Schüder. 
Wird auf das Original verwiesen. 

Bakteriologische Untersuchungen über den Erreger des Ulcus 
molle; von Dr. Tomasczewski. Verf. gibt eine eingehende 
Darstellung des bakteriologischen Verhaltens des als Erreger 
des Ulcus molle bekannten Streptobazillus. Die Kulturen des 
Streptobazillus riefen bei Menschen, selbst wenn die Bakterien 
bis zur 15. Generation fortgeztichtet waren, Ulcera mollia 
hervor. 

Über die Entwicklung des Tsetseparasitea in Säugetieren; 
von Dr. Martini. M. schildert an der Hand von 10 Abbildungen 
die Entwickelung des Tsetseparasiten. 

Über eine Fllarla sanguinis equi; von Dr. Martini. Wird 
auf das Original verwiesen. 

Deutsche Medixinalxeitung, 1903; No. 3. 

Lebemiptur durch Hufschiag, von Berger. Wie B. in dem 
12. Jahresbericht der Kehr-Rohdenschen Privatklinik mitteilt, 
hat er Gelegenheit gehabt, bei einem 47 jährigen Kutscher, 
welcher beim Pferdeputzen einen Hufschlag in die rechte Ober- 
bauchgegend erhielt, bei der Operation eine intraperitoneale 
Blutung, wahrscheinlich infolge von Leberruptur, zu beobachten. 
8 Wochen nach der Operation wurde der Patient als geheilt 
entlassen. 

Zentralblatt für Bakteriologie, Parasilenkunde und Infektionskrankheiten. 

XXXIII. Bd. No. 2. 

Meerschweinchenepizootie durch eine Varietät des Kolibazillus 
verursacht, von Kovarzik, Kgl. ung. Tierarzt Unter der 
Meerschweinchenzucht des Instituts Für Seuchenlehre in Budapest 
hatte K. im Dezember 1900 eine Erkrankung beobachtet, bei 
welcher die Tiere folgende Erscheinungen zeigten: Sie sassen 
mit gekrümmtem Rücken, zeigten Schüttelfrost und machten nur 
träge Bewegungen. Nach zweitägiger Koprostase erfolgte 
profuse Diarrhöe. Die Tiere magerten erheblich ab; es traten 
Lähmungen des Hinterteiles ein. Die Sektion ergab einige 


No. 9. 

nekrotische Herde an der Oberfläche der Leber und der Milz, 
im Dünndarm Ansammlung von Gasen, in der Bauchhöhle seröser 
Erguss von unbedeutender Menge. Die Isolierung der Bakterien 
aus der Leber und Milz ergab Kolibazillen. Der Kolibazillus 
ist, wie auch von Sanfelice, Piorko wski und Jess an anderer 
Stelle mitgeteilt wurde, bei vielen Tierkrankheiten in ätio¬ 
logischer Beziehung tätig. 

Zur Aktinomycesflrbusg In Sohaltten von Professor Ciecha- 
nowski. Nach Formalinhärtung und Celloidineinbettung werden 
die Schnitte in Anilinwasser-Gentianaviolettlösung erwärmt, in 
0,6 proz. Kochsalzlösung abgespült und in eine wässerige Jod¬ 
jodkaliumlösung 1:2:300 1 Minute übertragen, dann abgetrocknet 
und in 7 proz. Alkohol abgespült. Dann werden die Schnitte in 
Urschälchen in folgender Lösung erwärmt: Orcei'n 1,0, Salz¬ 
säure 1,0, destilliertes Wasser 100.0. Man sieht dann das 
zentrale Fadengerüst blau, die Keulen rotviolett und die Kerne 
dnnkelbraunrot. 

Fortschritte der Medizin 1003, No. 3. 

Neuere Arbeiten über Erkrankusgeii des Ohres von Dr. Witt- 
maarck. Bezüglich der in Form eines Sammelreferats ver¬ 
öffentlichten Zusammenstellung wird auf das Original hingewiesen. 

Klinische Erfahrungen mit Aguria von Reye. Wie R. in 
„Die Heilkunde“, Juni 1902, mitteilt, hat das unter dem Namen 
Agurin im Handel befindliche Theebreniaun natrlo-aoetioun be¬ 
sonders bei chronisch interstitieller Nephritis sich als Diareticun 
gut bewährt. 


Tagesgeschichte. 

Zur „Nachprüfung“ der Milzbranddiagnose. 

Von Kreistierarzt Krüger-Schroda. 

Die Stellung, die Herr Professor Schmaltz*) in der letzten 
Nummer der Berliner tierärztlichen Wochenschrift zur „Nach¬ 
prüfung“ der Milzbranddiagnose eingenommen hat, ist meines 
Erachtens keine richtige und fordert zum Widerspruch heraus. 
Und das kommt daher, dass Herr Professor Schmaltz nicht 
die z. Z. in einzelnen Bezirken bestehenden Verhältnisse und 
Bestimmungen genügend berücksichtigt, sondern vielmehr eine 
Annahme zum Ausgangspunkt seiner Betrachtung genommen 
hat. Gegenwärtig wird die Sache aber ganz anders geübt und 
gehandhabt. 

Die Kreistierärzte haben auch jetzt in einzelnen Bezirken 
nur eine vorläufige Diagnose zu stellen, aber nicht allein — 
und das ist der springende Punkt — unter Berücksichtigung 
des Sektionsbefundes, sondern auch auf Grund einer mikro¬ 
skopischen Untersuchung. Sie haben dort also auch eine bak¬ 
teriologische Diagnose zu stellen. Sie haben ferner das Präparat, 
in dem sie Milzbrandbazillen gefunden, sowie den Sektionsbe¬ 
fund zur Nachprüfung einzusenden. Es ist nach obigem nicht 
zweifelhaft, dass in einzelnen Bezirken entschieden eine wirk¬ 
liche Nachprüfung stattflndet. 

Die Wirkung einer solchen Nachprüfung, falls sie negativ 
ausfällt, ist für den Kreistierarzt unter Umständen eine recht 
unangenehme. Hat z. B. eine Notschlachtung stattgefunden, 
bei der das Fleisch eines Tieres vielleicht noch hätte genossen 

*) Ich komme meinerseits auf diese Frage in der nächsten 
Nummer zurück. Schmaltz. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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26. Februar 1903. 

werden können, oder wo es zu technischen Zwecken hätte Ver¬ 
wendung finden können, wo jedenfalls die Haut noch einen ge¬ 
wissen Wert hatte, wo aber, nachdem Milzbrandverdacht aus¬ 
gesprochen, das Tier mit Haut und Haaren zu beseitigen war, 
so wird der Tierbesitzer dem Kreistierarzt unfreundlich gesinnt 
werden, wenn dessen Diagnose — und Milzbrand verdacht ist 
doch auch eine Diagnose — nicht bestätigt wird, oder ihn gar, 
wie ich das aus einem Falle weiss, zivilrechtlich belangen, weil 
jener seiner Meinung nach fahrlässigerweise Milzbrandverdacht 
ausgesprochen und ihn dadurch geschädigt hat. 

In dem mir bekannten Falle, in dem der Kreistierarzt sofort 
einen eingehenden Sektionsbefund dem Landratsamt eingesandt 
hatte, wurde der Prozess zu Gunsten des Kreistierarztes ent¬ 
schieden, weil der Departementstierarzt auf Grund des Sektions¬ 
befundes den Fall geschickt dahin begutachtete, dass er die 
Frage, ob Milzbrand Vorgelegen habe oder nicht, gar nicht be¬ 
rührte, sondern vielmehr erklärte: nach dem Sektionsbefund 
habe eine septikämische Erkrankung Vorgelegen, und bei dieser 
Krankheit wäre das Fleisch als gesundheitsschädlich ohnehin 
zu vernichten gewesen. 

Immerhin hätte ein gewandter Rechtsanwalt noch versuchen 
können, den Wert des Felles etc. herauszustreiten. Wunder¬ 
barerweise hat der Regierungspräsident, dem die Angelegenheit 
nach Klageerhebung unterbreitet war, den Kompetenzkonflikt 
nicht erhoben. 

Gegen das Unangenehme dieser Lagen, dass sie überhaupt 
in solche Situationen geraten können, richtet sich das Empfinden 
der Kreistierärzte. 

Unter den heutigen Verhältnissen und unter dem jetzigen 
Viehseuchengesetz sind die Nachprüfungen überdies in ge¬ 
wissem Sinne sicherlich ungesetzlich. 

Die Provinzialverwaltung, auf deren Beschlüssen die ganze 
Milzbrandentschädigung beruht, ist zur Zeit zweifellos in ihrem 
Recht, wenn sie die Entschädigung davon abhängig macht, dass 
die Nachprüfung „Milzbrand“ ergibt. Die Veterinärpolizei wird 
aber nicht von der Provinzialverwaltung ausgeübt, sondern 
nach der technischen Seite hin im allgemeinen von den Kreis- 
und Departementstierärzten. Es ist deshalb ungerechtfertigt 
und meines Erachtens ungesetzlich, wenn die Provinzial Verwaltung 
zu bestimmen hat, was veterinärpolizeilich als Milzbrand zu 
behandeln ist, und was nicht. Es muss entschieden auch in 
Zukunft für die Kreis- und Departementstierärzte in Anspruch 
genommen werden, dass sie entscheiden, was als Milzbrand 
veterinärpolizeilich zu behandeln ist. 

Die Entscheidung über die Entschädigungsfrage mag der 
Provinzialverwaltung überlassen bleiben. Aber auch da ist es 
Ehrensache für die Kreistierärzte, dass ein tierärztliches 
Gutachten für die Entschädigungsfrage massgebend bleibt. 

Auch heute noch gibt es Fälle, wo mikroskopische Unter¬ 
suchungen, Kulturversnche, Impfangen versagen, und wo auf den 
pathologisch-anatomischen Befand und den klinischen Verlauf 
Rücksicht genommen werden muss. Wer aber soll letztere, die 
von dem Kreistierarzt aufgenommen sind, richtiger deuten als 
ein tierärztlicher Gutachter. 

Es besteht für die Provinzialverwaltung aber auch die 
Anstandspflicht, die Befunde der Kreistierärzte, deren Hilfe 
sie bei der Anfertigung der Präparate, der Zusendung von 
Kadaverteilen, der Einreichung der Sektionsberichte in Anspruch 
nimmt, durch tierärztliche Gutachter deuten und auslegen zu 


147 

lassen. Die Bestrebungen der allerneuesten Zeit, auch hier in 
Posen, neigen aber ganz wo anders hin, und diesen Bestrebungen 
arbeiten wir Kreistierärzte entgegen. Wir wollen als Gutachter 
die Departementstierärzte haben, und zwar soll jeder in seinem 
Bezirk als solcher fungieren. Denen mag, wenn es sein muss, 
die Provinzialverwaltung die „kleinen Institute“ beschaffen. 

Superrevisionen oder Nachprüfungen durch den Departements¬ 
tierarzt haben für die Kreistierärzte nichts kränkendes, und finden 
solche Superrevisionen auch heute schon allgemein statt bei den 
ersten Fällen von Rotz, Lungenseuche, Maul- und Klauenseuche. 
Es treten da, denke ich, doch nur vereinzelt Fälle auf, wo sich 
die Kreistierärzte nicht der besseren Kenntnis beugen und sich 
gerne der Autorität der Departementstierärzte unterordnen. Da 
sollen, wie ich gehört habe, die Privattierärzte mitunter starr¬ 
köpfiger sein. 

Indes meine ich, dass die Superrevisionen bei Milzbrand¬ 
diagnosen seitens der Departementstierärzte in der Regel 
nicht zum Ausgang genommen werden sollten zu Redressierungen 
auf veterinärpolizeilichem Gebiete oder in Betreff der Ent¬ 
schädigungsfrage, sondern vielmehr zu kleinen Aufmunterungen, 
noch eifriger, kenntnisreicher und umsichtiger in der Stellung 
der Diagnose zu sein. Ähnlich ist es ja auch bei den Begut¬ 
achtungen von Sektionsberichten der früheren Physiker durch 
die technische Deputation für das Medizinalwesen. Vereinzelte 
Fehldiagnosen sind ja auch nicht schlimm; die Tiere sind drauf¬ 
gegangen, der Besitzer ist geschädigt, die Gesamtheit der Be¬ 
sitzer einer Provinz entschädigt ihn, und er zahlt seine Prämie. 

Im übrigen sollen die Kreistierärzte auch ein „kleines In¬ 
stitut“ besitzen, damit sie möglichst einwandfreie Diagnosen 
stellen können, und es soll uns recht oft Gelegenheit geboten 
werden, unser Wissen auf diesem Gebiete zu vervollkommnen. 
Das können wir Kreistierärzte verlangen, und der Staat wird 
in seinen Säckel greifen müssen. Wozu haben wir die bakterio¬ 
logischen Übungen getrieben, wozu sind wir zu bakteriologischen 
Kursen berufen, wenn das alles totes Wissen sein soll, 
wenn wir im Amte bakteriologisch nicht arbeiten sollen? 
Unser Ministerium will es, dass wir das tun. Es hat den Grund 
gelegt zu dem kleinen Institut, indem es uns zunächst Mikro¬ 
skope überwies. Es wird auf diesem Wege fortschreiten. Es 
wird für die weitere Einrichtung und Unterhaltung uns Pausch- 
quanten gewähren, sagen wir 100—150 M. p. a., der Kreistier¬ 
arzt zahlt für sein Vergnügen auch etwas, und die Provinzial¬ 
verwaltung ersetzt die Unkosten für die Kultur- und Impf¬ 
versuche in Form von Pauschquanten für jeden einzelnen Fall. 

Es handelt sich ja auch nicht allein um die Feststellung 
des Milzbrandes. Wir sollen uns ja auch ex officio bei den 
anderen Seuchen bakteriologisch betätigen, bei Rotz und Rotlauf, 
Geflügelcholera, Schweineseuche, Wild- und Rinderseuche, Rausch¬ 
brand, Tuberkulose. Oder soll später, wenn die Entschädigung 
für schweineseuchekranke und tuberkulöse Tiere eingeführt wird, 
die Entscheidung auch dem Kreistierarzt entwunden und den 
Instituten überwiesen werden? Man ruiniere doch nicht aus 
lauter Interesse für die Wissenschaft den Stand als solchen. 

Im übrigen meine ich, dass die tierhygienischen Institute 
in allen Provinzen so bald noch nicht entstehen werden. Weder 
Staat noch Provinzialverbände werden grosse Neigung haben, 
kostspielige Institute in jedem Regierungsbezirk einzurichten. 
Geschieht das nicht, so ist die Lage des Departementstierarztes, 
an dessen Wohnsitz nicht ein derartiges Institut besteht, eine 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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148 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


peinliche. Er hat dann in seiner Eigenschaft als Kreistierarzt 
seine Diagnose von dem Departementstierarzt des Provinzial- 
institnts begntachten zn lassen. 

Diese Institute können auch nicht Pflegestätten der Wissen¬ 
schaft werden, da es dauernde Stellen an ihnen nicht gibt. 
Professor Schmaltz spricht ja selbst davon, dass nur junge 
Tierärzte an ihnen eine Wirkungsstätte finden sollen. Diese 
werden vielleicht drei bis vier Jahre dort bleiben und dann in 
kreistierärztliche Stellen zu gelangen suchen. All ihr schönes 
Wissen und Können auf bakteriologischem Gebiet ist dann ver¬ 
loren. Als Kreistierärzte dürfen sie ja nicht mehr bestimmte 
Diagnosen stellen, dies steht ihnen nicht mehr zu. 

Und in den drei bis vier Jahren, wo sie an den Instituten 
arbeiten, treten sie da in unmittelbare Berührung mit den Be¬ 
dürfnissen des Landes? Weniger als der Kreistierarzt. Sie 
sind lediglich darauf angewiesen, was ihnen die Tierärzte 
schicken, und das wird nicht so reichlich sein. Entweder bearbeiten 
die Tierärzte selbst das Material, oder sie senden es an die 
tierärztlichen Hochschulen, schon aus Dankbarkeit für den 
Unterricht, den sie daselbst genossen haben. 

Die ärztlichen hygienischen Institute in den Provinzen 
werden von den Ärzten auch nicht reichlich beschickt, auch das 
Posener nicht. Ihr Material erhalten sie von den Krankenhäusern 
und den Ärzten des Sitzes. 

Um auf die Milzbranddiagnose zurückzukommen, muss 
ich bemerken, dass die Kreistierärzte Viehseuchen weder zu 
Gunsten des Viehhalters, noch zu Gunsten des Entschädigungs¬ 
fonds diagnostizieren. Wir walten unseres Amtes unbeeinflusst, 
ohne Rücksicht auf die Person. Entweder liegt Milzbrand vor 
oder nicht; aber man kann doch nicht die Erwägung anstellen: 
es kann Milzbrand sein, es kann auch nicht sein; deshalb sage 
ich lieber: Milzbrand, du erwirbst dir dadurch mit dem un¬ 
gerechten Namen Freunde. 

Herr Professor Schmaltz wollte die technische Seite ausser 
Betracht lassen, indes stellte er doch den Satz auf, dass das 
allein Entscheidende die Erkenntnis wäre, dass die Diagnose 
des Milzbrandes tatsächlich vervollkommneter Hilfsmittel bedarf, 
wie sie eben nur in einem Institut angewendet werden können. 

Gewiss ist es sicher, dass die Diagnose Milzbrand vielleicht 
in 10 Proz. der Fälle sich sehr schwierig gestalten kann. Aber 
ebenso sicher ist es auch, dass die Diagnose des Kreistierarztes, 
die er auf Grund des klinischen Verlaufes, der Geschichte, des 
Bodens, des pathologisch-anatomischen Befundes und der sofort 
vorgenommenen mikroskopischen Untersuchung stellt, mitunter 
sicherer ist, als die bakteriologische Untersuchung in einem 
Institut. Milzbrandbazillen können im Tierkörper unter dem 
Einfluss der Fäulnis zu Grunde gehen oder in ihrer Virulenz 
abgeschwächt werden, Sporen bilden sich da auch nicht; aber 
der pathologisch-anatomische Befund bleibt bestehen und spricht 
seine Sprache. Daher lassen sich die bakteriologischen Institute 
auch Vor- und Sektionsbericht mitteilen. 

Es war mir kürzlich interessant, als der erste Assistent an 
einem ärztlichen hygienischen Institut, um den Tierärzten die 
Schwierigkeit der Milzbranddiagnose und die Notwendigkeit der 
Feststellung in diesem Institut nachzuweisen, von einem Fall 
erzählte, wo ein Kreistierarzt auf Grund des klinischen Ver¬ 
laufes und des pathologisch-anatomischen Befundes Milzbrand 
festgestellt hatte, wo die Untersuchung im Institut die spärliche 
Anwesenheit von Stäbchen ergab, die man zunächst gar nicht 


No. 9. 

für Milzbrandbazillen ansprach, und dass erst die mannig¬ 
faltigsten Knltnrzüchtungen und Tierimpfangen, an denen sich 
der Kreistierarzt persönlich beteiligte, zeigten, dass der letztere 
recht hitte, und in der Tat Milzbrand vorlag. 

Ob in jedem Falle und bei einer Häufung von Milzbrand¬ 
feststellungen so intensiv verfahren wäre, stelle ich dahin. 

Auch die Feststellungen in hygienischen Instituten sind nicht 
immer fehleifrei; auch diese können, da sie ja nur von Menschen 
geleitet werden, irren. Mir ist bekannt, dass in einem Bezirk, 
wo Nachprüfungen stattfanden, von Kreistierärzten in gewissen 
Fällen Kadaverteile eines und desselben Tieres gleichzeitig an 
hygienische Institute verschiedener Universitäten und an tier¬ 
ärztliche Hochschulen geschickt wurden, ferner dass nicht immer 
die Diagnose eine gleichlautende war, und dass dabei die mannig¬ 
faltigsten Kombinationen zwischen den verschiedenen Instituten 
zu Tage traten. 

Ich bin davon fest überzeugt, dass man auch in Zukunft 
von dem Krei»tierarzt verlangen wird, dass er seine Diagnose 
bei Milzbrand stellt auf Grund des klinischen Verlaufs, des 
pathologisch-anatomischen und mikroskopischen Befundes und 
vielleicht auch auf Grund von Impf versuchen, und jede Nach¬ 
untersuchung wird eine Nachprüfung werden. 

Den dreifachen grossen Vorteil, den der Kreistierarzt er¬ 
reicht, dass er sich mit der bakteriologischen Diagnose gar 
nicht abzugeben braucht, kann ich gar nicht anerkennen. 

Erstens sind die bakteriologischen Untersuchungen gar 
nicht langweilig, selbst für einen vielbeschäftigten Kreistierarzt, 
der übrigens, wenn erst die Vorschläge des Herrn Professor 
Schmaltz, betr. Mitbeteiligung der Privattierärzte bei der Be¬ 
kämpfung der Schweineseuche*) Approbation finden, ganz un¬ 
beschäftigt sein wird. Auch mit den Impfungen wird er sich 
abfinden, wenn keine pekuniären Opfer von ihm verlangt, sondern 
ihm solche von der Provinzialverwaltung ersetzt werden. Letztere 
kann das sehr wohl thun, da sie die Kosten für die Einrichtung 
eines grossen Instituts, die Gehälter für den Institutsvorsteher 
mit 2500—3000 Mark und den Institutsdiener spart. 

Zweitens haben innere Konflikte zwischen Mitleid und Pflicht 
immer bestanden, bestehen noch und werden bestehen bleiben 
nicht nur bei der Entscheidung über die Frage, ob Milzbrand 
vorliegt oder nicht. Dann müsste man auch verzichten wollen 
auf jedes Gutachten in gerichtlichen Angelegenheiten zwischen 
einem reichen und eiuem armen Manne, oder man müsste eine 
Sperre anfheben, wenn ein armer Teufel Vieh verkaufen und 
sich die notwendigsten Sachen dafür anschaffen will. 

Drittens wird der Kreistierarzt dadurch auch nicht von 
den äusseren Konflikten geschützt. Uns Kreistierärzten ent¬ 
stehen Feinde in der Regel nicht dadurch, dass wir Milzbrand 
nicht feststellen, sondern wenn wir Milzbrandverdacht aus- 
sprechen. das notgeschlachtete Tier mit Haut und Haaren ver¬ 
graben lassen, durch die Anordnung und Durchführung der Des¬ 
infektion dem Besitzer Kosten verursachen, und wenn dann dem 
Besitzer mitgeteilt wird, dass die bakteriologische Untersuchung 
im Institut den Milzbrand verdacht nicht bestätigt hat. Den 
Kreistierarzt, den das nicht tangiert, möchte ich sehen. So 
entsteht die Animosität gegen die Kreistierärzte, von der 
Graffunder sprach. 

*) Ich habe von Rotlauf, nicht von der Schweineseuche ge¬ 
sprochen. S. 


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26. Februar 1908. 


Wir wollen dem Bauer nicht dadurch ausserordentlich 
imponieren, dass wir uns mit den fremden Federn schmücken 
die aus den Nacliprüfungsinstituten stammen. Dem Bauer so¬ 
wohl wie dem Grossgrundbesitzer imponiert es mehr, wenn der 
Kreistierarzt erklärt: Hier liegt Milzbiandverdacht vor; ich muss 
indes den Fall noch weiter mikroskopisch untersuchen. Von 
dem Ausfall dieser mikroskopischen Untersuchung wird die 
Entschädigung abhängen. 

Wenn schon — denn schon! 

Zur Rangsteliung der Veterinäroffiziere. 

In No. 7 der B. T. W. ist Herr Prof. Dr. Schmaltz mit 
Veröffentlichungen über die beabsichtigte Neuorganisation des 
M.-V.-Wesens hervorgetreten, welche allerseits sicherlich das 
grösste Interesse hervorzurufen geeignet sind. Dass eine der¬ 
artige Regelung die einzig richtige Lösung der ganzen Frage 
darstellen und damit auch eine ausserordentliche Hebung des 
ganzen Standes verknüpft sein würde, darin sind wohl die 
meisten mit Prof. Schmaltz einig. Vom militärischen Stand¬ 
punkte aus liegt, nach Einführung der Haturitas als Vorbildung, 
diese Lösung sehr nahe; denn dienstlich ist es ganz gleich¬ 
gültig, ob höherer oder mittlerer Beamter; der eine wie der 
andere hat nichts zu befehlen, kaum etwas direkt anzuordnen. 
Wenn sich daher seinerzeit für die Humanmediziner aus dienst¬ 
lichen Gründen die Notwendigkeit herausstcllte, dieselben aus 
der Beamtenschaft herauszuheben und als Sanitätsoffiziere dem 
Offizierkorps anzugliedern, so ist, da gleiche Ursachen vorliegen, 
bei uns dieselbe Wendnng zu erwarten, denn der Rossarzt steht 
dem Truppendienste ebenso nahe, wenn nicht noch näher, als 
der Sanitätsoffizier. Dieser Tatsache scheint man sich auch 
höheren Ortes erfreulicherweise nicht zu verschliessen, wenigstens 
glaube ich dies aus der nunmehr bekannt gewordenen geplanten 
Änderung schliessen zu dürfen. 

Ob übrigens die gewünschte Besserung in Stellung und 
Ansehen mit dem „höheren“ Beamten eingetreten wäre, ist sehr 
fraglich. Für den Fernstehenden, also das grosse Publikum, 
sind diese Unterschiede zu fein. 

Die Ansicht von Prof. Schmaltz, dass ranglich eine mög¬ 
lichste Gleichstellung mit den Sanitätsoffizieren eintreten müsste, 
ist zweifelsohne berechtigt. Mit Recht will er eine zweite 
Feuerwerkerkarriere vermieden sehen. Trotzdem ist aber das, 
was er bezüglich der künftigen Rangstufen mitteilt, nichts 
Besseres, und ich habe mich gewundert, dass diese Regelung 
seinen vollen Beifall findet. Ist es denn etwas anderes, wenn 
es der Oberrossarzt als Stabsveterinär nur bis zum Hauptmanns¬ 
rang bringen kann? Mit Rücksicht auf die geringe Zahl der 
Korpsrossarztstellen und die Lebenszähigkeit ihrer Inhaber ist 
die Aussicht, einmal in eine dieser Stellen einzurücken, dem 
grössten Teile verschlossen. Wenn dann aber ein Stabs¬ 
veterinär bis ans Lebensende oder bis zur Pensionierung im 
Hauptmannsrange verbleiben soll, so ist dies nicht sehr ver¬ 
lockend und um nichts besser als beim Feuerwerksoffizier. Ja 
der letztere wird sogar meist als charakterisierter Major pen¬ 
sioniert. Rangstufen der Hauptleute I. nnd II. Klasse sind 
äusserlich nicht vorhanden, es sind nur Gehaltsstufen. Dem 
Einwand, dass die Kandillen den älteren Stabsveterinären per¬ 
sönlich verliehen werden könnten, muss mit dem bereits von 
Prof. Schmaltz an anderer Stelle im gleichen Sinne angeführten 
Ausspruch Kaiser Wilhelms I. „Was soll mir der Charakter- 


149 

Major“ begegnet werden. Es ist nicht einzusehen, warum nicht 
analog den Sanitätsoffizieren ein Stabsveterinär im Hauptmanns¬ 
rang und ein Oberstabsveterinär im Majorsrang einzustellen 
wären. Die Korpsstabsveterinäre müssten dementsprechend höheren 
Rang einuehmen und zwar: Oberstleutnantsrang für die jüngeren 
und Oberstenrang für die älteren Herren. 

Diese Rangstufen sind folgerichtig und auch als gerechte 
Forderung anzusehen und, wenn in der Tat die Gründung eines 
Veterinär-Offizier-Korps beabsichtigt ist, mit allen Mitteln anzu¬ 
streben. Allzugrosse Bescheidenheit kann sonst wieder Stück¬ 
werk bringen. Wenn schon — denn schon! R. U. in P. 

Fleischsohau-GebQhren. 

Die Bemessung des Unterrichtshonorars für die Ausbildung 
der Laieiifleischbeschauer hat vielfach zu Kontroversen geführt. 
Dieselben wären vielleicht weit weniger entstanden, wenn man 
von vornherein unterschieden hätte: Einzelhonorar und 
Gruppenhonorar. 

Gegenwärtig werden an den meisten Schlachthöfen eiue 
ganze Anzahl, oft 10, 20 und mehr Beschauer zusammen aus¬ 
gebildet; es handelt sich also fast ausnahmslos um Gruppen 
Mit Recht aber nehmen die Schlachthoftierärzte an, dass das 
Honorar, welches gegenwärtig festgesetzt wird, auch später 
gelten soll, wenn nur noch einzelne Personen sich aus¬ 
bilden lassen werden. Es ist aber ebensowohl recht und billig, 
dass das Honorar für die Ausbildung eines einzelnen eine an¬ 
gemessene Höhe habe, wie andererseits eine Ermässiguug des 
Honorars bei gleichzeitiger Ausbildung mehrerer allgemeinem 
Unterrichtsbrauch entsprechen würde, da die aufgewandte Mühe 
nicht proportional der Schülerzahl wächst. 

Deshalb sollte überall der Satz für Einzelausbildung fest¬ 
gestellt werden und daneben eine nach der Zahl der Teilnehmer 
abgestnfte Ermässigung für Gruppenausbildung. Mit einer 
solchen Ermässigung werden die Schlachthoftierärzte gewiss 
einverstanden sein. 

Der in No. 4, pg. 57 befürwortete Satz von 50 M. verstand 
sich als Einzelhonorar und ist m. A. n. als solches unbe¬ 
dingt festzuhalten. Bei 2 oder 3 Teilnehmern kann ja eine Er¬ 
mässigung auf je 40 M. eintreten, während bei grösseren Gruppen 
ein Honorar von 30 M. auf jeden Teilnehmer durchaus befriedigend 
ist. Dieser Satz ist denn auch für die derzeitigen Kurse meistens 
schliesslich vereinbart worden. Auf weitergehende Ermässi- 
gungen sollt n die Schlachthoftierärzte aber nicht eingehen. 
Als erfreuliche Erscheinung ist übrigens zu konstatieren, dass 
ein Unterbieten im allgemeinen nicht eingetreten ist. — 

Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch nochmals auf meine 
Bemerkung in No. 4 pg. 56 der B. T. W. zurückkommen, dass 
man in der Landfieischbeschau für eine Kuh 6 M. nehmen könne. 
Herr Kollege Opel* nimmt an, dass ich dies als Normalsatz 
bezeichnen wollte, und nennt (in dieser Voraussetzung mit Recht) 
den Satz horribel. Auch andere scheinen mich zu meinem Be¬ 
dauern so verstanden zu haben. So habe ich es freilich nicht 
gemeint und möchte, um nicht zu unerfüllbaren Anforderungen 
zu reizen, das genauer präzisieren. Ich habe nur sagen 
wollen, dass für eine Kuh 6 M. gezahlt werden können, ohne 

*) Berichtigung: In dem Artikel von Opel in No. 7 der 
B. T. W sind tiuige Druckfehler enthalten. Es mußs auf pg. 115 im 
vorletzten Absatz, heissen: 2 M. für Grossvieh bezw. 1 M. und 75 Pfg. 
etc. (nicht 1 75 M.). Seite 116 ist tierärztlicher Landesverband (siehe 
unten), nicht Bundesverband, zu lesen. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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150 


dass das Fleisch nennenswert verteuert wird, und dass man 
daher nicht zu ängstlich sein sollte, lokalen Schwierigkeiten in 
der Ausübung der Fleischbeschau durch entsprechende Höhe der 
Gebühren Rechnung zu tragen. Denn sicher werden in manchen 
Gegenden die Einnahmen des Fleischbeschauers sehr kümmer¬ 
lich werden, wo derselbe für mehrere, weit entfernte, womöglich 
noch verstreut gebaute Ortschaften angestellt werden muss, in 
denen gewerbsmässig nur ab und zu einmal ein Rind, sonst 
nur ein paar Schweine und Kälber geschlachtet werden, während 
der übrige Bedarf durch beschaufreie Hausschlachtungen ge¬ 
deckt wird. 

Einen allgemeinen Massstab für die Gebührenbemessung 
können diese Verhältnisse natürlich nicht abgeben; ebenso¬ 
wenig aber kann dies die Fleischbeschau in dicht bevölkerter 
Gegend oder kleinen Städten, wo verhältnismässig leicht auch 
bei geringeren Gebühren eine erhebliche Einnahme zu erzielen 
ist. Im allgemeinen, d. h. bei mittleren Verhältnissen, ist 
jedenfalls ein Satz von beispielsweise 3 M. für ein Rind ja als 
gut zu bezeichnen ("wenn Schlachttage etc. festgesetzt und 
keine weiten Wege zu machen sind). — 

Die Tierärzte des Kreises Steinfurth haben an den Land¬ 
rat eine Eingabe gerichtet, w'orin sie eine Erhöhung der Ge¬ 
bühren für die Ergänzungsbeschau wünschen, da sie sonst die 
Beschau nicht ausführen könnten. Bei den Verkehrsverhält¬ 
nissen des dichtbevölkerten Kreises werde es oft Vorkommen, 
dass ein Tierarzt nach einem Bahnhof nicht ganz 2 km, dann 
4 km Eisenbahn, dann wieder nicht ganz 2 km nach einem 
Dorfe und dann denselben Weg znrückreisen müsste und dafür 
bei einem Zeitaufwand von 5 Stunden 4,50 M. für die Unter¬ 
suchung eines Rindes, 1,50 M. für ein Schaf und 2,50 M. für 
ein Schwein erhalte, was keine angemessene tierärztliche 
Honorierung sei. 

Verkauf der ärztlichen Praxis. 

In No. 5 der B. T. W. pg. 75 ist eine Entscheidung des 
Oberlandesgerichts zu Braunschweig vom 19. 6. 1902 mitgeteilt, 
welche den Verkauf einer ärztlichen Praxis als unzulässig, weil 
gegen die guten Sitten verstossend, erklärt. Diese Entscheidung 
entspricht übrigens der Standesordnung für die Ärzte des 
Herzogtums Brannschweig, welche im § 5 sagt: Der Kauf und 
Verkauf der ärztlichen Praxis sowie das Vermitteln derartiger 
Käufe und Verkäufe durch Ärzte ist unstatthaft. 

Eine gerade entgegengesetzte Entscheidung hat jedoch das 
Oberlandesgericht zu Posen am 26. 9. 1902 gefällt:*) „Das 
erkennende Gericht trägt kein Bedenken, die Gültigkeit des 
Vertrages (Abtretung einer ärztlichen Praxis für 1000 M.) an¬ 
zuerkennen. Was gute Sitte ist, richtet sich nach den An¬ 
schauungen der Allgemeinheit, die für Zeit und Ort verschieden sein 
können. Entscheidend ist das jeweilige Volksbewusstsein, nicht ein 
besonderes Standesbewusstsein. Die Verletzung besonderer 
Standespflichten macht ein Rechtsgeschäft noch nicht zu einem 
wider die guten Sitten verstossenden; nicht einmal ein für jedermann 
verbotenes Geschäft verstösst deshalb unbedingt gegen die guten 
Sitten. Das nicht seltene Vorkommen solcher als Verkauf einer 
ärztlichen Praxis bezeichneten Rechtsgeschäfte, die ungescheute 
Eimncknng von Anzeigen, die hierauf Bezug haben, kommen 

*) Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiet 
des Zivilrechtes. Herausgeg. v«>n Mugdan und Falkmann. 
Bd. VI, No 3. 


No. 9. 


als Anzeichen dafür in Betracht, dass nach allgemeinem Volks¬ 
bewusstsein in derartigen Abmachungen nichts verwerfliches 
gefunden wird; sie würden nur dann bedeutungslos sein, wenn 
es sich um einen Missbrauch handelte, der im allgemeinen Volks- 
bewusstsein als unsittlich empfunden wird. Aber das liegt nicht 
vor, der Vertrag verstösst nicht gegen das öffentliche Interesse 
und enthält insbesondere auch keine unzulässige Einschränkung 
der persönlichen und Erwerbsfreiheit der Beteiligten. Der 
Vertrag ist auch nicht wegen Unbestimmtheit des Gegenstandes 
unverbindlich. Es handelt sich um einen eigenartigen Vertrag 
über Aufgabe der Praxis und Wegzug auf der einen Seite, 
Übernahme der Praxis und Wohnung sowie Geldentschädigung 
andererseits, und der Vertrag ist genau bestimmt, übrigens auch 
dann, wenn man Kauf annimmt.“ 

Das Erkenntnis betont übrigens einleitend, dass die Frage 
ob ein Verkauf ärztlicher Praxis gegen die guten Sitten ver- 
stosse, in der Rechtsprechung verschieden beantwortet werde, 
und erwähnt neben der oben zitierten Braunschweiger Ent¬ 
scheidung noch eine solche des Oberlandesgerichtes zu Zwei¬ 
brücken vom 28. 11. 98, die mit der Auffassung des Posener 
0. L. G. übereinstimmt. 

Rechtlich ist also die Frage nicht geklärt, und der Braun¬ 
schweiger Entscheidung stehen die der 0. L. G. Zweibrücken 
und Posen gegenüber. Letztere Entscheidung lässt jedoch aus¬ 
drücklich offen, dass der Verkauf einer Praxis, wenn auch rechts¬ 
verbindlich, doch eine Verletzung der Standespflichten 
sein könne. Ob das entscheidende Gericht eine solche als vor¬ 
liegend ansieht, spricht es nicht direkt ans, doch scheint das 
in der Fassung des Textes zu liegen. Jedenfalls ist danach 
das Verbot des Verkaufes der Praxis durch eine ärztliche 
Standesordnung als gültig anzusehen. S. 

Überreichung der Adressen des deutschen Veterinärrates. 

Geheimrat Esser hat gelegentlich seiner Anwesenheit bei 
der Versammlung der Departementstierärzte in Berlin Seiner 
Exzellenz dem Kriegsminister v. Gossler und dem Präsidenten 
des Kais. Gesundheitsamtes Dr. Köhler die vom Veterinärrat 
beschlossenen Adressen überreicht. Präsident Dr. Köhler war 
leider durch Krankheit an der persönlichen Annahme verhindert. 
Exzellenz v. Gossler betonte, dass er sich mit der Veränderung 
der Vorbildung einverstanden erklärt habe, obwohl die Leistungen 
der Rossärzte schon gegenwärtig durchaus befriedigend gewesen 
seien, er also seinerseits zu Änderungen keine Veranlassung ge¬ 
habt hätte. Im übrigen liess Seine Exzellenz erkennen, dass 
weitgehende Veränderungen namentlich auch hinsichtlich der 
jetzigen Militärrossarztschule würden eintreten müssen, die jedoch 
noch nicht spruchreif seien. Gegenüber einer Äusserung des 
mitanwesenden Prof. Schmaltz bemerkte Seine Exzellenz, er 
habe keinen Zweifel, dass künftig Einjährig-Freiwillige ange¬ 
nommen werden würden, obwohl näheres jetzt nicht zu sagen sei. 

Nachdem dem Herrn Kriegsminister nunmehr die Dank¬ 
adresse überreicht ist, wird ihm in nächster Zeit auch die eben¬ 
falls vom Veterinärrat beschlossene Eingabe, welche sich ja 
namentlich auf die Annahme der Aspiranten und die Militärross¬ 
arztschule bezieht, übersandt werden. 

Geheimrat Esser hat ferner die Dankschreiben unterzeichnet, 
welche der Veterinärrat an die Abgeordneten Bassermann, 
Dr. Endemann, Hoffmann, Dr. Müller-Sagan, Dr. von 
Orterer und Freiherrn v. Wangenheim zu senden beschlossen 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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26. Februar 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


151 


hat. Sie sind in einfacher Schrift, jedoch auf Pergament, ge¬ 
schrieben und ruhen in geschmackvollem Lederumschlag.*) 

Versammlung der Departementstierftrzte. 

Die grosse Mehrzahl der Departementstierärzte Preussens 
war, einer in Mönchen gegebenen Anregung entsprechend, am 
Sonnabend, den 21. Februar, in Berlin zu einer Besprechung 
zusammengetreten. Die Verhandlungen, denen die Dezernenten 
für das Veterinärwesen im Ministerium für Landwirtschaft, 
Geheimer Oberregierungsrat Rüster und Geheimer Regierungs¬ 
rat Schröter beiwohnten, fanden in einem Hörsaale der Tier¬ 
ärztlichen Hochschule statt, betrafen die wichtigen schwebenden 
Angelegenheiten und waren im übrigen vertraulich. Es folgte 
denselben ein Diner im englischen Hause, an welchem Geheimrat 
Küster und Schröter ebenfalls teilnahmen. 

Vereinsorganisatiou in Sachsen. 

In dem Artikel von Opel No. 7 pg. 116 der B. T.W. ist 
vom sächsischen Landesverband gesprochen; da dessen Be¬ 
gründung noch nicht allgemein bekannt geworden ist, so sei hier 
folgendes mitgeteilt: In Sachsen bestehen die alten tierärzt¬ 
lichen (gemischten) Vereine der Kreishauptmannschaften Leipzig, 
Chemnitz-Zwickau, Dresden und Oberlausitz, deren Aufgabe 
Pflege der Wissenschaft und Kollegialität ist. Es machte sich 
jedoch fühlbar, dass den sächsischen Tierärzten die Möglichkeit 
fehlte, als geschlossenes Ganzes namentlich für Standesinteressen 
aufzutreten. Deshalb haben vor Jahresfrist die vier oben 
genannten Vereine sich unter Wahrung ihrer Selbständigkeit 
als „tierärztlicher Landesverein im Königreich 
Sachsen“ zusammengeschlossen, der die Gesamtheit der 
sächsischen Tierärzte darstellt und als vornehmste Aufgabe 
die tierärztliche Interessenvertretung zu betrachten hat. Die 
Statuten unterliegen noch der Beratung und die Konstituierung ist 
daher noch nicht erfolgt. Die Leitung soll aus Vorstandsmitgliedern 
der Kreisvereine bestehen, als Vorsitzender soll ein nicht im 
Staats-, Kommunal- oder Militärdienst stehender Kollege fungieren. 

Ausser dieser Organisation besteht in Sachsen ein Verein 
der sächs. Bezirkstierärzte, dem die im Staatsdienst stehenden 
Bezirkstierärzte als ordentliche und die Amtstierärzte als ausser¬ 
ordentliche Mitglieder angehören. Die Mitglieder dieses Vereins 
sind jedoch gleichzeitig sämtlich Mitglieder der Kreisvereine. 

Ehrungen. 

In seiner letzten Herbstversammlung am 30. November v. J. 
hatte der tierärztliche Verein der Kreishauptmannschaft Dresden 

*) Die Adressen an den Herrn Minister Frh. v. Feilitzsch, 
Herrn Minister v. Podbielski und Herrn Gehcimrat Küster sind 
bekanntlich unmittelbar nach der Tagung des Veterinärrates über¬ 
reicht worden. Es konnte dies geschehen, weil diese Adressen, 
deren Votierang durch den Veterinärrat ganz sicher war, schon 
fertig Vorlagen. Ich hatte, nach eingeholtem Einverständnis 
des Vorsitzenden, diese Vorbereitung (auf eigenes Risiko im Falle 
der Ablehnung) getroffen, damit die Abstattung dieser uns zunächst 
liegenden Dankesschuld sofort erfolgen konnte und die persönliche 
Überreichung nicht, wie dies bei den übrigen Dankadressen nun 
geschehen ist, eine lange Verzögerung erfahre. Daraufhin hat (in 
welcher Absicht?!) ein Anonymns beim Münchener Fest erzählt, 
die Dankesbriefe seien bereits abgesandt gewesen, ehe der Veterinär¬ 
rat sie beschlossen gehabt hätte. Zu meinem Bedauern bat Herr 
Direktor Alb recht diesem falschen Gerücht in seiner Wochen¬ 
schrift Aufnahme gewährt, ohne den notwendigen Versuch zu 
machen, sich Uber seine Richtigkeit zu vergewissern. Ich weise 
darauf hin, wie dieses Gerücht jetzt durch obige Mitteilung wider¬ 
legt und charakterisiert wird. Sch mal tz. 


den einstimmigen Beschluss gefasst, Herrn Professor Dr. Suss¬ 
dorf, Direktor der Stuttgarter Hochschule, sowie die bisherigen 
Mitglieder, Herren] Landestierarzt Professor Dr. Edelmann- 
Dresden, Kommissionsrat A. Lungwitz-Kleinzschachwitz, Pro¬ 
fessor Dr. Müll er-Dresden, Landestierzuchtdirektor Professor 
Dr. Pu8ch-Dresden, wegen hervorragender Leistungen auf dem 
Gebiete der Veterinärmedizin bezw. in dankbarer Anerkennung 
der Verdienste um den Verein zu Ehrenmitgliedern zu er¬ 
nennen. In den letzten Tagen der vergangenen Woche erfolgte 
die Übersendung resp. persönliche Überreichung der künstlerisch 
ausgeführten Diplome durch den Kassierer, Herrn Oberrossarzt 
Schleg, und den unterfertigten Schriftführer. Die oben¬ 
genannten Herren empfingen die Vertreter mit grösster Liebens¬ 
würdigkeit und waren über die erwiesene Ehrung sichtlich 
erfreut. Der Verein zählt nunmehr 12 Ehrenmitglieder und 
83 Mitglieder. Dr. Schmidt-Dresden. 

Das Stipendium in Marburg. 

(B. T. W. No. 8, pg. 139.) 

Herr Tierarzt Lucas-Fulda hat die Freundlichkeit, folgendes 
mitzuteilen: Das Stipendium wurde nur an geborene Kurhessen, 
gleichgültig, wo dieselben studierten, verliehen. L.s Vater hat 
daraus 3 Jahre lang jährlich 225 Taler erhalten. Als er selbst 
sich im Jahre 1896 darum bewarb, wurde ihm vom Kuratorium 
der Universität Marburg die Mitteilung, dass das Stipendium 
seit zwei Jahren wegen „Nichtgebrauches“ aufgehoben sei. 

Das ist ebenso bedauerlich als merkwürdig! 

Seuoheastand am 15. Februar. 

Die Lungenseuche-Freiheit in Deutschland hat nicht lange 
gedauert, indem bereits wieder ein Ausbruch im Kreise Wolmir- 
stedt (R.-B. Magdeburg) zu verzeichnen ist (1 Gehöft). Die 
Maul- und Klauenseuche ist noch vorhanden in den 3 rheinischen 
Bezirken Koblenz, Düsseldorf und Trier, sowie in den Bezirken 
Stettin, Bromberg und Magdeburg. In Koblenz sind in einem 
Kreise 4 Gemeinden, in Magdeburg 3 Gemeinden in 3 Kreisen 
betroffen, in den übrigen Bezirken nur je 1 Gehöft — zusammen 
11 Gemeinden (15 Gehöfte). Ausserdem besteht die Seuche 
noch in Oberbayern (2 Gemeinden), in Württemberg (Neckar¬ 
kreis 2 und JagstkreiB 1 Gern.), in 5 Gehöften einer badischen 
Gemeinde (Mannheim), sowie im Obereisass und in Lothriogen 
(20 Gehöfte in 5 Gemeinden). Die Schweineseuche herrscht 
nach wie vor. 

Biicheranzeigen*) und Kritiken. 

Wie Milliarden ln der deu!sohen Landwirtschaft verloren werden. 
Eine Kritik der deutschen Geflügelzucht. Von W. Cremat. Hauptm. a. D. 

Unter dem oben genannten Titel ist ein Büchlein erschienen, 
dessen Inhalt in mehr als einer Beziehung interessant ist. In dem 
nachfolgenden soll den Lesern dieser Zeitung daher eine Über¬ 
sicht des dort zu Findenden gegeben werden. Ich lasse es vor¬ 
läufig dahingestellt, ob man dem Verfasser in allen Punkten recht 
geben will; es ist sogar sicher, dass die Schrift den heftigsten 
Widerspruch unserer Geflügelzüchter erregen wird. So viel ist 
aber auch wohl feststehend, dass unsere heutige Geflügelzucht in 
Deutschland sehr verbesserungsbedürftig ist. Cremat macht für 
die Hebung der deutschen Geflügelzucht nun Vorschläge, die weit 
von dem Hergebrachten abweichen. 

*) Von den eingesandten Büchern werden hierunter Titel usw. 
mitgeteilt Eine Verpflichtung zu eingehender Besprechung wird 
jedoch nicht übernommen; dieselbe bleibt Vorbehalten. 

Die Redaktion. 


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152 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 9. 


Im ersten Teile wird die gegenwärtig geübte Methode der 
deutschen Geflügelzucht besprochen. Im letzten Jahre wird Deutsch¬ 
land 165 Millionen für Geflügelerzeugnisse an das Ausland zahlen. 
Das sind wieder etwa 15 Millionen mehr als im Vorjahre. Mithin 
verliert die deutsche Volkswirtschaft alle 5 Jahre etwa eine 
Milliarde. Woher kommt es, dass die deutsche Geflügelzucht so 
leistungsunfähig geworden ist? 

Die ausführliche Begründung 'des Verfassers lässt sich dahin 
zusammenfassen, dass das Federkleid allmächtig geworden ist, der 
Eierertrag Nebensache. Es ist eine wahre Wut eingerissen, die 
verschiedensten Rassen zu züchten. Dabei strebt man nur danach, 
Tiere zu erzielen, die in ihrem Äussern, in ihrem Feder¬ 
kleide, ihrer Haltung etc. genau den vorgeschriebenen Bedingungen 
entsprechen. Um die Leistungsfähigkeit, die Rentabilität kümmert 
man sich gar nicht. Man will Preistiere haben, um sie nachher 
teuer zu verkaufen. 

Dem Zwecke dieser Zucht nach ÄuBserlichkeiten dienen ver¬ 
schiedene Kniffe wie das Einkreuzen, die Doppelpaarung etc. 

Hat der Sportzüchter z. B. einen rebhuhnfarbigen Wyandotte- 
stamm, dem es an der rebhuhnfarbigen Färbung fehlt, so kreuzt 
er einfach rebhuhnfarbige Italiener ein. Die dabei zufällig richtig 
einschlagenden Thiere der Nachzucht werden nun als reinrassige 
Wyandottes ausgegeben, auf die Ausstellung geschickt und prämiiert. 

Um die sehr schwer zu erzielende richtige Färbung zu erreichen, 
w erden zwei Linien gezüchtet, von deren einer die Hähne 
richtig gefärbt sind, während die zweite Linie richtig gezeichnete 
Hennen liefert. 

Nun würden die Sportzüchter dieser verschiedenen Rassen 
niemals auf ihre Kosten kommen, wenn sie nicht für einen grossen 
Absatz ihrer Rassetiere Sorge getragen hätten. Die Landwirte 
mussten zu unaufhörlichen Käufern von Zuchttieren und Rasse¬ 
bruteiern gemacht werden. Zu diesem Zwecke erfand man die 
Lehre vom frischen Blute, von der Blutsfremdheit und die Theorie, 
wonach fortwährendes Kreuzen mit einer anderen Rasse die er 
forderliche Hebung der Produktivität bewirken soll. 

In dem zweiten Abschnitte bespricht der Verfasser dann die 
Lehren der Tier- und Geflügelzucht. In dieser Beziehung muss 
hier auf das Original verwiesen werden. 

In dem letzten und wichtigsten Abschnitte geht Cremat dann 
zu der Frage über, wie muss die Hebung der deutschen Geflügel¬ 
zucht organisiert werden. Er geht davon aus, dass die deutschen 
Landhühner pro Henne und Jahr nur etwa 80 Eier legen. Die 
gegenwärtig angewandten Massregeln laufen nun in der Mehrzahl 
darauf hinaus, die Landwirte zu einer besseren Pflege, namentlich 
aber zu einer Vermehrung des Hühnerbestandes anzuhalten. 
Man will die vorhandenen 50 Mill. Hühner zu 70 Mill. vermehren. 
Wenn aber der Landwirt, der 100 unrentable Hühner besitzt, sich 
ebenso unrentable halten würde, so wäre er ein Tor; seine 
Abneigung gegen die Geflügelzucht ist daher völlig berechtigt. 

Es kommt darauf an, die Qualität der Hühner zu bessern, d. h. 
ihre Legetätigkeit um 45 Proz. zu erhöben. Ist dies geschehen, 
so wird jede Henne einen Reinertrag von mehreren Maik pro Jahr 
abwerfen; dann kommt die Vermehrung ganz von selbst. 

Diese Verbesserung der Qualität erreicht Cremat nur durch 
nach seinen Angaben geleitete Hochzuchten, in denen die Tiere auf 
einen möglichst hohen Eierertrag gezüchtet werden. Die Erhöhung 
der Leistungsfähigkeit in seinen Hochzuchten erreicht C. durch 
sogenannte „Linienzucht“, eine Form der Inzucht. Man kann die 
Linienzucht charakterisieren als eine Inzucht mit ununterbrochener 
männlicher Linie. Derartige Zuchten gibt es zur Zeit etwa 100. 
Die allgemeine Vergrösserung der Fruchtbarkeit der deutschen 
Hühner will Cremat nun dadurch herbeiführen, dass das Blut von 
Tieren, welche in Stammherden reingezüchtet und auf eine Pro¬ 
duktion von 200 Eiern pro Jahr mit Hülfe von Fallennestern 
gebracht sind, alle zwei bis drei Jahre in die ländlichen Geflügel¬ 
höfe eingeführt werden. 

Solche Stammherden müssten in Deutschland etwa 2000 vor¬ 
handen sein. Diese sämtlichen Hochzuchten werden in ein deutsches 


Geflügelherdbuch eingetragen. Die einzelnen ländlichen Geflügel¬ 
höfe scbliessen sich dann einer bestimmten Hochzucht an, das heisst, 
sie beziehen alle zwei bis drei Jahre einige Hähne für die Auf¬ 
besserung ihres Geflügels, Btets von derselben Hochzucht. 

Nevermann. 

Neue Eingänge. 

Hafner, Regierungsrat: Das Veterinärwesen im Grossherzogtum 
Baden. L Band, enthaltend Organisation, Seuchenpolizei, Abdeckerei¬ 
wesen und Nahrungsmittelpolizei, nebst Anhang über die Einrichtung 
von Schlächtereien und die Fleischsteuer. 750 Seiten Duodezformat. 
6 M. Abteilung von Längs Sammlung deutscher und badischer 
Gesetze. Karlsruhe bei J. Lang. 

Heine, Dr. Paul, Hannover: Untersuchungen Uber Bau und Ent¬ 
wicklung des Herzens der Salpen und der Ciona intestinalis. Aus 
dem zoolog. Institut der Universität Rostock. Sonderabdruck aus 
der Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie Bd. 73. 3. Leipzig bei 
W. Engelmann. 

Berichtigung: In No. 7 ist bei der dort genannten Dissertation: 
Torsio Uteri gravidi der Name des Autors verdruckt. Verfasser i*t 
Dr. Lempen (nicht Semper). 


Personalien. 

Auszeichnungen: Dem Korpsrossarzt Plättner ist das Eichen¬ 
laub zum Ritterkreuz des Ordens vom Zähringer Löwen verliehen 
worden. 

Ernennungen: Tierarzt Menzel zum Schlachthofinspektor in 
Barth (Vorpommern), Tierarzt Kreinberg zum städtischen Tierarzt 
in Marienberg (Sa.). 

Wohnsitzveränderungen, Niederlassungen: Verzogen ist Tierarzt 
Becker von Hermersberg nach Bruchsal. — Niedergelassen haben 
sich die Tierärzte Fritz Bauer in Woerstedt (Rheinhessen) und 
H. Wenders in Aachen. 

Examina: Approbiert wurden die Herren Dziengel, Mattau- 
schek, Plesser, Pfaar, Stampa und Willenberg in Berlin 
und Rudolf Meyer (Brakei), Stolz, Scherenberg und Riesling 
in Hannover. 

In der Armee: Tierarzt Kurt Schmidt in Auerbach i. V. zum 
Veterinär der Reserve befördert. 


Vakanzen. 

Barmen: Sanitätstierarxt für Schlacht- und Viebhof zum 

I. April d. Js. Gehalt 2400 M., jährlich steigend um 100 M. bis 
4500 M. Bewerbungen sind innerhalb 8 Tagen an die Verwaltung 
des Schlacht- und Viehhofes einzureichen. — Dortmund: 

II. Assistenz-Tierarzt am Schlacht- und Viehhof zum 1. April d. Js. 
Vergütung 2000 M. jährlich. Meldungen bis 10. März 1903 erbeten. 
— Krakow i. M.: Niederlassung eines Tierarztes zum 1. April er. 
Gebührenaufkunft aus der Stadt allein etwa 800 M. Fleischbeschau 
wird voraussichtlich übertragen werden. Bewerbungen an den 
Magistrat. — Rendsburg: Zwei Tierärzte für Fleischbeschau. 
Gehalt M. 3000 jährlich für jede Stelle. Meldungen bis 10. März 
an den Magistrat. — Schwiebus: Leiter für den städtischen 
Schlachthof zum 1. April er. Jährliches Gehalt 2400 M. und freie 
Familienwohnung. Bewerbungen bis 10. März d. Js. an den 
Magistrat. — Treffurt im Werratal: Tierarzt Für Schlachtvieh- 
und Fleischbeschau. Bewerbungen möglichst umgehend an den 
Magistrat. — Visselhövede: Tierarzt, der ev. Fleischbeschau und 
Trichinenschau mit übernehmen könnte, zum 1. April er. Anfragen 
erbittet der Magistrat. 

Das Register des Jahrganges 1902 der B. T. W. kann erst 
mit der ersten Märznnmmer zur Ausgabe gelangen, da seine 
Herstellung diesmal durch besondere Umstände verzögert 
worden ist. Die Redaktion. 


Verantwortlich für ilen Inhalt (oxkl. Inseratenteil): I’rof. Dr. Schmält/, in Berlin. — Verlag und Eigentum von Richard Schoetz in Berlin. 


— Druck von W. BUxemteln, Berlin. 


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Dl« .Berliner TlerlntUehe Woeheneehrift* erscheint 
wScbentlieh Im Verlege von Richard Sohoeta ln 
Berlin, LnUenatr.86. Durch Jedee deuteebe Postamt wird 
dleeelbe mm Preise von H. 5,— vierteljährlich (M. 4,88 für 
die Wochenschrift, IS Pf. für Bestellgeld) frei ins Ham 
geliefert (Dentsehe Post-Zeitungs- Preisliste No. 110S, 
Oesterreichlache No. 610, Ungarieehe No. 90.) 


Berliner 


Orlginalbeltrige werden mltfiO Xk. für den Bogen honoriert 
Alle Manuskripte, Mitteilungen and redaktionellen An¬ 
fragen beliebe man an senden an Prof. Dr. Schmalta, 
Berlin, tieräratliehe Hochschule, NW, Laisenatrasse 68. 
Korrektoren, Reaenaions-Exemplare and Annoncen da¬ 
gegen an die Verlagsbuchhandlang. 


Tierärztlich© Wochenschrift 


Redaktion: 

Professor Dr. Schmaltz-Berlin 

Verantwortlicher Redakteur. 

De Brola KOhnau Dr. Lothe« Prof. Dr. Peter Peters Preusse Dr. Sohlegel Dr. Vogel ZBndel 

Professor Sehlachthofdirektor Departementstlerarst Kreistierarzt Departemenutlerarat Veteriniraaaeaaor Profeaaor Landea-Inap. f. Tlercooht Krelatlerarst 

Utrecht Oöln. Cöln. Angermünde. Bromberg. Danzig. Freibarg L Br. München. Mülhausen i. E. 

Francke Dr. lese Nevermano 

Krelatlerarst Krelatlerarzt Krelatlerarst 

Mülheim a. Rh. Oharlottenbnrg. Bremervörde. 


Jahrgang 1903. 


M 10 . 


Ausgegeben am 5. März. 


Inhalt: Oefele: § 224 dee Code Hammnrabi, eine Veterinftrtaxe vor 4000 Jahren. — Probst: 29 Fälle von Überwurf. — 
Pfeiffer: Acarus folliculorum cuniculi. — Moeller: Beitrag zum Vorkommen von Pseudotuberkelbazillen bei 
Rindern. — Referate: Kunz-Krause: Wissenschaftliche Beiträge zur praktischen Pharmazie. — Jess: Wochenübersicht Uber 
die medizinische Literatur. — Tagesgesohlohte : Milzbrandfeststellung. — Bemerkungen zu der Verhandlung des Abgeordneten¬ 
hauses vom 30. Januar. — Bericht über die 44. Sitzung des tierärztlichen Vereins in Westpreussen. — Verschiedenes. — 
Staatsveterinlrwesen. — Fleischschau und Viehverkehr. — Personalien. — Vakanzen. 


§ 224 des Code Hammurabi, eine Veterinärtaxe 
vor 4000 Jahren. 

Von 

Baron Dr. Oefele-Neuenahr. 

Kollege Oskar Albreckt hat schon über die Gesetze 
Hammurabis, Königs von Babylon nm 2250 v. Chr., eines 
Zeitgenossen Abrahams nach biblischem Berichte (I. Mos. 14), 
soweit sie für Tierheilkunde in Betracht kommen, referiert. Der 
Wortlaut der Gesetze ist in deutscher Übersetzung um 60 Pfennige 
als 4. Heft des 4. Jahrgangs des alten Orient in der Übertragung 
des Berliner Gelehrten Hngo Winckler allgemein zugänglich. 
Doch sind die Ergebnisse für die älteste Tierheilkunde zn inter¬ 
essant, als dass damit diese Gesetze aus der Besprechung einer 
tierärztlichen Zeitschrift für weiteres aasfallen müssten. Vor 
allem sind ja auch so viele alte babylonische Knnstansdrücke 
der verschiedensten Bernfsarten im Wortlaut dieser Gesetze 
verwendet und ist die Keilschriftforschnng immerhin noch so 
jung, dass es ganz unmöglich war, dass trotz der hochbedeut- 
samen Vorarbeiten des französischen Dominikanerabtes Scheil 
nnd der eigenen Arbeit Win ekler s noch mancher Fachausdruck 
schon jetzt seine Erklärung finden konnte. 

Nur als Beispiel sei § 243 erwähnt, welcher in der vor¬ 
liegenden Übersetzung noch lantet: „Als Miete des Herden¬ 
ochsen (?) soll man 3 Gor (ein altes Getreidemass) Getreide 
dem Besitzer geben“. Der Übersetzer hat selbst bei „Herde¬ 
ochs“ ein Fragezeichen gemacht und mit Recht. In Wirklich¬ 
keit muss nämlich „Herdestier“ übersetzt werden nnd entpnppt 
sich daraus eine uralte staatlich festgesetzte Beschälgebühr. 
Der Leser lächelt vielleicht über solchen nicht „Druckfehler¬ 
teufel“, sondern „Übersetzungsfehlerteufel“. Das hängt aber 
vielfach mit der erstrebten Kürzung der Schreibung der Alten 
da zusammen, wo für Leser jener alten Zeiten ein Missverständnis 
nicht entstehen konnte. 

Vor allem ist aber auch noch zu beachten, dass die Keil¬ 
schrift ln der spätassyrischen Schriftform der Zeit Sardanapals 


entziffert und studiert wurde. Die neueren Ausgrabungen bringen 
aber vielfach Schriftdenkmäler in viel altertümlicheren Schrift¬ 
formen zn Tage. So sind auch die Gesetze Hammurabis 
mindestens anderthalb Jahrtausende vor Sardanapal in alter¬ 
tümlicher Schriftform niedergeschrieben. Zur Entzifferung muss 
darum Zeichen für Zeichen erst in die Schriftform der Zeit 
Sardanapals umgeschrieben werden, bevor eine Lesung mög¬ 
lich ist. Wie aber das alte römische Recht bis in unsere Zeiten 
Gültigkeit besass, so war auch das Recht Hammurabis bis 
Sardanapal gültig. Eine Anzahl der Gesetze sind somit auch 
in späterer Schreibung erhalten geblieben und wenn nicht schon 
vorher der sichere Schlüssel von älteren Zeichen zn jüngeren 
Zeichenformen gefunden gewesen wäre, so würde sich jetzt eine 
sichere Probe für eine Reihe von Paragraphen ergeben. 

Der wichtigste Paragraph für den Tierarzt ist § 224 (und 
§ 225). Darum soll dieser Paragraph hier auch in der Keil¬ 
schriftform derZeit Sardanapals folgen: 

IfeH r=j* 4-lEll IEH e'.Is 

~sn st 

5" .Shit s4i 

HMH =R +M !sn =fc= 
g -M* u *i 
ü ~*1 H -dl 
set 

=£1 <fcf 

§ 224 

Wörtlich: „Wenn ein Arzt für Rind oder Esel sei es einem 
Rinde oder Esel eine schwere Wunde macht nnd es heilt, der 
Herr des Rindes oder Esels 6 Groschen in Silber an den Arzt 
als seinen Lohn soll er geben.“ 

Es sind hierin einige besonders beachtenswerte Dinge. 
Von eigentlichen Ärzten der gesamten Heilkunde ist nirgends 
die Rede. Das Wort, welches hier mit „Arzt“ übersetzt ist, 


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No. 10. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


154 

kommt überall in den Gesetzen von Hammurabi nur in 
chirurgischer Tätigkeit vor und auch alle anderen bisher zu¬ 
gänglichen Belegstellen dafür beziehen sich auf die sogenannte 
niedere Chirurgie. Wenn wir also Chirurgen statt Ärzten sagen 
wollen, wird es richtiger sein. Diese Chirurgen schieden sich 
wieder in Chirurgen für Menschen, von denen die §§ 215—223 
handeln und ausserdem nach § 224 in Rinder¬ 

chirurg und Jy fcATfe Einhuferchirurg, da unter das Genus 
Esel auch die Pferde und andere Tiere eingereiht wurden. Der 
Einhuferchirurg scheint nach einem Beamtenverzeichnis aus der 
Zeit Sardanapals ein Staatsbeamter gewesen zu sein und laut¬ 
lich gesprochen den Titel „munaischu“ geführt zu haben. 

Diese Scheidung innerhalb der Tierärzte war wohl eine 
ganz natürliche. Pferde für Landwirthschaft gab es, wie es 
scheint, im alten Orient nicht. Das Pferd war, soweit es über¬ 
haupt benützt wurde, Kriegstier und königliches Regal. Auch 
die Esel wurden z. B. in Ägypten von Staats wegen vermietet. 
Dagegen waren die Rinder Privateigentum. Wir würden also 
ungefähr, wenn es auch nicht strenge durchführbar ist, den 
Ziviltier Chirurgen und Militärtierchimrgen in obiger Scheidung 
erhalten. Bei der Wichtigkeit, welche in Altbabylon dem Zivil 
zukam, ist es ganz natürlich, uns in modernen Zeiten berührt 
es aber als aussergewöhnlich, dass der Militärchirurg bescheiden 
sich an zweite Stelle setzen lassen musste. 

Unangenehmer als diese Rücksetzung des Militärs ist aber 
die geringe Schätzung des Chirurgenstandes überhaupt. Die 
Gesetze Hammurabis sprechen mit modernen Wendungen über¬ 
setzt beim Architekten und Schiffsbaumeister von Honorar; da¬ 
gegen empfangen Erntearbeiter, Töpfer, Schneider, Zimmermann, 
Seiler, Maurer bei Akkordarbeit ihren Lohn. Der Chirurg bei 
Mensch wie Tier erhält aber ebenfalls nur Lohn und zwar nur 
bei Erfolg. Eine Chirurgie, welche in der gesellschaftlichen 
Schätzung so nieder stand, kann kaum wissenschaftlich Grosses 
geleistet haben. Wenn wir darum zum Schlüsse fragen, welcher 
Art die schweren Wunden waren, so dürfen wir keinesfalls an 
Operationen im grossen Stile entsprechend moderner Chirurgie 
denken. Aus §§ 215 und 218 ersehen wir, dass das gleiche 
Instrument, welches zum Starstich verwendet wurde, auch für 
diese schweren Wunden in Anwendung kam. Zehnpfund hat 
aber schon früher gezeigt, dass dies als „Skorpion“ benannte 
Instrument ein oben geöster und unten gekrümmter Pfriemen 
war. Aus obigen Paragraphen erfahren wir weiter, dass dieser 
Pfriemen aus Kupfer gefertigt war. Diese Pfriemen waren an 
Peitschenschnüren armiert und dienten zum Schröpfen mit 
Geiselhandhabung. Dies kann auch nur für obige „schwere 
Wunden“ bei Rind und Esel verstanden sein. 

Jedenfalls ist manches Interessante aus obigen Paragraphen 
für die Geschichte der Tierheilkunde zu ersehen. Vieles ist 
aber auch erst unter sachverständiger Beratung von Tierärzten 
als Mitarbeiter zu erschliessen und, Fehler wie in obiger Sprung¬ 
taxe werden leichter von vornherein vermieden, wenn sich den 
betreffenden wissenschaftlichen Gesellschaften zur Erforschung 
des alten Orient auch zahlreiche Tierärzte als Mitglieder an- 
schliessen. Für Wochen verringerter Berufsarbeit ist solche 
Forschung in der Vergangenheit eine nützliche und erfreuende 
Beschäftigung. 


29 Fälle von Überwurf. 

Von 

Probst-Heidenheim Mf. 

DlstrlkaUenrzt. 

Ich hatte im vergangenen Jahre 29 mal Gelegenheit, zu 
Tieren mit Überwurf gerufen zu werden. Es waren Tiere im 
Alter von 8 Monaten bis 2*/ 2 Jahren. Am häufigsten waren 
' iy 2 jährige Tiere erkrankt. 

Meine hierbei, und zum Teil in früheren Jahren, gemachten 
I Erfahrungen decken sich nicht mit den in der Literatur ver- 
zeichneten. 

■ Fröhner gibt in seinem Handbuch der tierärztlichen 
Chirurgie und Geburtshilfe an, dass bei der Behandlung per 
rectum in der Weise vorzugehen sei, „dass man die Hand dem 
Strange entlang bis an den eingeklemmten Darm führe, ver¬ 
suche, die Geschwulst in die Höhe zu heben und dadurch den 
Darm aus der Bruchöffnung zu befreien. Sei dieses geschehen, 
so werde der Strang durch Druck nach vorne und aufwärts oder 
durch Ziehen nach rückwärts und unten von seiner Anheftungs¬ 
stelle losgerissen. Da dieses Verfahren häufig erfolglos bleibe, 
dürfte der Operation durch die Flanke der Vorzug zu geben sein.“ 

Hierzu möchte ich bemerken: Es ist freilich sehr 
schwierig, die Darmschlinge aus dem Bruchspalte herauszu¬ 
heben. Wer sich damit abmüht, wird allerdings in den 
seltensten Fällen zum Ziele kommen. Es ist dieses Verfahren 
aber auch ganz unnötig. Im gleichen Augenblicke, als die 
Loslösung des Stranges erfolgt, wird die Darmschlinge ohnedies 
aus ihrer Lage befreit, was ja mit der Heilung gleichbedeutend ist. 

Ebensowenig kann ich der Behauptung zustimmen, dass 
das Verfahren der Reposition per rectum häufig erfolglos bleibe. 
Ich bin im Gegenteil der Ansicht, dass gerade durch den Mast¬ 
darm die Heilung besonders leicht und sicher bewirkt werden 
könne. 

Beweis hierfür sind 27 von den 29 Fällen, die ich im ver¬ 
gangenen Jahre unter die Hände bekam. In 2 Fällen, wo die 
Jugend der Tiere ein Eindringen des Armes unmöglich machte, 
nahm ich die Operation von der Flanke aus vor. 

„Unrichtig habe ich auch die hier und dort in der Literatur 
verzeichnete Angabe gefunden, dasB die Wiederherstellung nach 
Lösung der Hernie, sei es auf blutigem oder unblutigem Wege, 
eine fast momentane sei und dass in der Regel nach einer Viertel¬ 
stunde schon Kotabsatz erfolge, sowie die Fresslust und das 
Wiederkauen sich einstelle. 

Nach meinen Erfahrungen verstreichen in der Regel Stunden, 
bis Kotabsatz eintritt und die Tiere mit normalem Appetit ihr 
Futter verzehren. Theoretisch ist diese Tatsache auch plausibler. 
Es wird eine gewisse Zeit notwendig sein, bis die Folgen der 
partiellen Enteritis sich ausgeglichen haben und die durch sie 
bedingten Allgemeinerscheinungen verschwinden.“ 

Mein Verfahren bei der unblutigen Reposition ist folgendes: 
Ich gehe mit eingeseifter Hand in das rectum ein, suche den 
Strang auf, und drücke mit eingebogener Hand, den Strang dem 
Rücken der Finger anliegend, nach vorne. Nur in den relativ 
seltenen Fällen, dass der Strang sich nicht spannt, auch wenn 
der ganze Arm eingeführt ist, wickle ich die Schnur um einige 
Finger oder die ganze Hand. Das Wesentliche ist jetzt, dass 
ein genügend kräftiger Zug erfolgt, der die Lösung des 
Stranges im Gefolge hat Ein Ziehen in anderer Richtung als 
sagittal nach vorwärts erlaubt eine nennenswerte Gewalt- 


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5. März 1903. 

anwendung nicht, ohne dass der Mastdarm gefährdet würde. 
Ich bin fest überzeugt, dass in der Mehrzahl der Fälle, in denen 
den Praktikern eine Reposition vom Mastdarm ans, nicht 
gelungen ist, kein genügend kräftiger Zug ansgeübt wurde, 
eben in der Befürchtung, es könnte Gewaltanwendung eine Ruptur 
des Rektums im Gefolge haben. 

Ich habe in fast der Hälfte der Fälle, zwar vorsichtig, aber 
mit voller Kraft nach vorwärts gedrückt, bis die Lösung des 
Stranges von der Anhaftungsstelle erfolgte, und in keinem 
einzigen Falle Verletzungen des Mastdarms verursacht. In 
selteneren Fällen erfolgt die Lösung bei ganz leichtem Zuge. 

Während ich überzeugt bin, dass es sich in diesen Fällen 
um eine losgerissene Bauchfellduplikatur handelt, glaube ich 
dass in den Fällen, wo grössere Gewaltanwendung erforderlich 
ist und der Strang beim Loslösen sich fühlbar verlängert, 
der Strang das Samenstrangrudiment darstellt, das noch im 
Leistenkanal verwachsen ist. 

Ich bin in die Praxis der Überwurfbehandlung durch eine 
Reihe von Empirikern gedrängt worden, welche dieselbe in der 
Gegend seit Jahrzehnten in tausenden von Fällen mit Erfolg 
per rektum vornehmen. Ein wenigstens teilweises Verdrängen 
der Pfuscher wurde deshalb nur möglich, wenn ich die Operation 
in gleicher Weise erledigte wie jene, weil die Landwirte mit 
Recht die Reposition vom Mastdarm ans der blutigen Operation 
vorziehen. 

Meine eigene Erfahrung, wie noch mehr jene zahlreicher 
Landwirte, deren mit Überwurf befallene Tiere von Empirikern 
geheilt worden waren, geht dahin, dass ein Recidiv nach Ab¬ 
lösung des Stranges zu den grössten Seltenheiten gehört. 

Acarus folliculorum cuniculi. 

Von 

PfeifTer-Kaumi (China), 

UnterrossArzt. 

Unter dem Kaninchenbestande des Hauptmanns Mauve im 
Detachement Kanmi wurde von dem die Tiere fütternden See¬ 
soldaten das Fehlen einzelner Ohren und Augen gemerkt und 
gemeldet. Trieb man die Tiere, welche sich scheu verkrochen 
hatten, aus ihren Höhlen und Kisten, so sah man, dass that- 
sächlich ganze Löffel und die Haut in deren Umgebung fehlten. 
Trotzdem diese enormen Verwüstungen eigentlich nicht für 
das Zerstörungswerk von einfachen Milben gehalten werden 
konnten, untersuchte ich zunächst den borkig-eiterigen Belag 
im noch vorhandenen Stumpfe des äusseren Gehörganges, der 
Vermutung Raum gebend, dass es sich eventuell doch um ganz 
schwere Fälle von Dermatocoptes cuniculi handeln könnte, da 
nach Zürn diese Milbe Entzündung des Ohrmuschelgrundes, 
des äusseren Gehörganges und des Trommelfelles, aber auch 
heftige Entzündungen des Mittelohres, ja selbst der Gehirnhäute 
und des Gehirnes hervorrufen und sich auf die Hautoberfläche 
verbreiten kann. Auch die Haarbalgdrüsen, soweit sie noch 
vorhanden waren, wurden untersucht. Der Erfolg war ein 
negativer. Flechten oder sonstige pflanzliche Parasiten waren 
ebenfalls nicht mikroskopisch nachznweisen. 

Um dem Wesen der Erkrankung näher zu kommen, sezierte 
ich einige Tiere, ohne etwelche Anhaltspunkte betreffs der 
Ätiologie des Leidens zu erlangen. 

Bruchstücke einiger Sektionsergebnisse, soweit dieselben 
von Belang sind, lasse ich folgen: 


155 

Kaninchen Nr. 1; (26. November 1902). 

6, gut genährt, rechtes Ohr und rechte Augenlider voll¬ 
ständig verschwunden. Rechte Kopfhälfte wie abgenagt aus¬ 
sehend. Schädeldach freiliegend. Das unter eitriger Kruste 
liegende Auge ist vollkommen erhalten, Hornhaut desselben 
rauchig getrübt, matt. Es besteht Keratitis superficialis. Die 
Obduktion der Bauch- und Brusthöhle, sowie die Besichtigung 
der darin befindlichen Organe liess keinerlei Krankheitser¬ 
scheinungen erkennen. Die genauere Beschreibung dieser Teile 
erübrigt sich also von selbst. 

Kaninchen Nr. 2; (27. November 1902). 

rechterseits Ohrmuschel und umliegende Hantpartie ver¬ 
schwunden. Desgleichen fehlen die Augenlider. Bindehäute 
durch Eitermassen verpappt, Auge vollkommen erhalten. Die 
einzelnen Teile dieses Organes zeigen keinerlei Krankheits¬ 
erscheinungen. 

Kaninchen Nr. 3; (2. Dezember 1902). 

6, zeigt nur verklebte Augenliderreste nnd im Umkreise 
von ’/a cm. ums Auge kahle Stellen, an welchen die Haut ver¬ 
dickt, faltig und trocken ist. Auch fehlen hier die für die 
sqnamöBe Form des Acarus-Auschlages typischen Schüppchen 
nicht. Das Auge selbst ist gesund. Knoten und Pusteln waren 
bei keinem Krankheitsfall zu sehen. 

In allen Fällen fiel die starke Anfüllung des Magens und 
des Dickdarmes auf, wie denn auch der Appetit der Tiere nichts 
zu wünschen übrig liess. Auf dieses Moment komme ich weiter 
unten noch einmal zurück. Die jedesmalige mikroskopische 
Untersuchung des Blutes und der Organparenchyme der sezierten 
Tiere zeitigte keinerlei typische Resultate, dagegen zeigte das 
mikroskopische Gesichtsfeld des untersuchten, ans den Haar- 
balgdrüsen von Nr. 3 ausgedrückten Materials Akarusmilbeu 
und es war somit die gestellte Aufgabe, die Ursache der Erkran¬ 
kung zu finden, gelöst. 

Sowohl die Milbe selbst, welche bedeutend kleiner als die 
beim Hunde vorkommende ist, als auch die „spindel- oder spitz¬ 
weckenähnlichen“ [Fröhner, Path. u. Therapie] Eier waren 
vorhanden. 

Da meines Wissens, und soweit ich aus der mir zur 
Verfügung stehenden Literatur ersehe, Acarus folliculorum beim 
Kaninchen noch nicht bekannt ist, nnd die von demselben an¬ 
gerichteten Zerstörungen solch grossen Umfang erreichen, dürfte 
es von Interesse sein auch unsere heimischen Kaninchen auf 
das eventuelle Vorkommen dieses Parasiten hin zu beobachten. 

Man kann das, was Zürn [„Die Schmarotzer“] über den 
Acarus folliculorum canis sagt („Demodex canis ist ein sehr 
gefährlicher Parasit, der einen meist unheilbaren, oft todbrin¬ 
genden Ausschlag erzeugt“), mit Fug und Recht auch von dem 
Acarus folliculorum cuniculi behaupten. 

Die oben schon erwähnte starke Anfüllung des Verdauungs- 
traktus, welche auf einen trotz der tiefgreifenden Erkrankung 
regen, ja noch vermehrten Appetit schliessen lässt, fällt nicht 
auf, sondern deckt sich auch mit der Erfahrung, welche Prof. 
Fröhner bei an Akarus erkrankten Hunden gemacht hat. Bei 
diesen letzteren ist „der Appetit regelmässig noch gesteigert, 
so dass die Tiere oft einen wahren Heisshunger an den Tag 
legen“. [Fröhner, Path. u. Ther.] 

Differentialdiagnose: 

Mit der vorbeschriebenen Erkrankung könnten evtl, ver¬ 
wechselt werden: 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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No. 10. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


156 

1. Favus (Tinea favosa). Auch für dieses Leiden 
wird von Zürn als Lieblingsstelle der Kopf (Stirn- and Nasen¬ 
rücken, Basis der Ohren) angegeben. Auch hätte die Borken- 
bildnng Anlass za Verwechselung mit dieser Krankheit geben 
können. Jedoch fehlte diesen Borken die von allen Autoren 
für die Anwesenheit von Achorion Schönleini als charakteristisch 
bezeichnete schüsselförmige Vertiefung. Dann aber war auch 
trotz genauester Untersuchung das Vorhandensein dieses Pilzes 
nicht zu ermitteln. 

2. Herpes tonsurans. Diese Erkrankung, für die nach 
Fröhner „eine einheitliche, auf alle Fälle passende Schilderung 
nicht gegeben werden kann, weil die Symptome je nach der 
Tierart, der Tierrasse, ja selbst bei ein und demselben Tiere 
je nach Lokalisation, dem Alter des Ausschlages, sowie dessen 
Beeinflussung durch Kratzen, Scheuern, Nagen etc. seitens der 
erkrankten Individuen ausserordentlich verschieden sein können“, 
muss ebenfalls ausgeschaltet werden, da die durch Trichophyton 
tonsurans verursachten Bläschen gänzlich fehlten, auch die 
durch gewöhnlich in der Schuppenmitte beginnende Eiterungs¬ 
vorgänge entstehende Konvexität der Schuppen nicht vorhanden 
war, und endlich durch mikroskopische Untersuchung der Haar¬ 
bälge und des Haares ebenso wenig wie bei 1. Beweismomente 
für das Vorhandensein dieses Krankheitserregers zu Tage ge¬ 
fördert wurden. 

Schliesslich spricht gegen die Anwesenheit einer Flechte 
auch die starke Verbreitung des Ausschlages in dem Kaninchen- 
bestande, ein Zeichen der sehr leichten Übertragungsfähigkeit 
des Krankheitserregers, da nach Zürn Flechte selten, Räude 
immer ansteckend ist. 

Im ganzen waren ca. 20 Tiere erkrankt. Bei allen ging 
die Erkrankung von der Umgebung der Augenlider aas und 
ging dann über auf die Haut am Grunde der Ohrmuschel, auf 
diese und deren Inneres und auf das Schädeldach. 

Es handelte sich in allen Fällen um die squamöse 
Form von Akarusrlude. 


Beitrag zum Vorkommen von Pseudotuberkelbazillen 
bei Rindern. 

Von 

Dir. P. Moeller-Belzig 

Chefarzt der HelUt&tte. 

Im folgenden möchte ich, einem mir gegenüber wiederholt 
von Veterinärärzten geäusserten Wunsche entsprechend, Näheres 
über die beiden säurefesten Bakterien mitteilen, die ich un¬ 
längst aus der Milch und aus Perlsuchtknoten (hier fand 
ich die Pseudotuberkelbazillen neben den echten Perlsucht¬ 
bazillen) isoliert habe. 

Bei den von zahlreichen Forschern angestellten Unter¬ 
suchungen über den Gehalt von Tuberkelbazillen in Milch und 
ihren Derivaten, Butter, Käse etc. ergaben sich weit von ein¬ 
ander abweichende Resultate. Zum grossen Teil lassen sich 
diese Differenzen darauf zurückführen, dass manche Autoren 
nur das Mikroskop entscheiden liessen, indem sie alle Mikro¬ 
organismen, die die Tuberkelbazillenfärbung annahmen, für Er¬ 
reger der Tuberkulose hielten. Erst seit der Entdeckung der 
„Tuberkelbazillenähnlichen“ Bakterien erkannte man, dass 
es unbedingt nothwendig sei, auch das Tierexperiment in 
jedem Falle zu Hilfe zu nehmen, wo es sich darum handelt, mit 


Sicherheit einen säurefesten Bazillus als echten Tuberkelbazillus 
zu diagnostizieren. 

Schon vor Jahren beschrieb ich (cf. dies. Zeitschrift 1898 
No. 9) einen aus den Exkrementen von Rindern gezüchteten 
Pseudotuberkelbazillus, den ich als Mistbazillus bezeichnete, so¬ 
wie die ebenfalls säure- und alkoholfesten Grasbazillen (Timo- 
theebazillen). 

Gelegentlich einer Prüfung der Beiziger Milch auf Tuberkel¬ 
bazillen erhielt ich eine Probe „pasteurisierter“ Milch, in der 
mir schon in mikroskopischen Präparaten der grosse Gehalt an 
säurefesten Stäbchen, die meist zu Häufchen angeordnet 
waren, auffiel. Es gelang mir auch unschwer, durch Strich- 
kultnren auf Agarplatten diesen Bazillus (der den Pasteurisierungs¬ 
prozess unbeschadet überstanden hatte) zu isolieren. 

Dieser Milchbazillus wächst als ein dem Tuberkelbazillus 
morphologisch äusserst ähnliches Stäbchen auf den gebräuchlichen 
Nährböden, sowohl bei Brut- wie auch bei Zimmertemperatur; er 
ist vollkommen säure- und alkoholfest, besonders in jugendfrischen 
Kulturen. Auf Agar- sowie Glyzerinagar-Nährböden bildet er 
eine grauweisse, später gelblich werdende Auflagerung; auf 
Bouillon sowie Glyzerinbouillon bildet sich ein bernsteinfarbiges 
Häutchen, welches am Glasrande emporwuchert. In Milch 
wächst er schnell und üppig, und bildet am Rande einen ocker¬ 
gelben Ring. 



Fig. 1. MilchbaxUlen 1:1000. 


Als wegen seines Fundortes besonders interessant war für 
mich die Isolierung eines Mikroorganismus, den ich aus Tuberkel¬ 
knoten von perlsüchtigen Rindern (und zwar aus den 
Lungen), also aus erkranktem tierischen Gewebe züchten konnte. 
Es gelang mir zu wiederholten Malen, aus solchen Knoten,*) in 
denen sich auch, wie Tierexperimente erwiesen, echte Perlsncht- 
bazillen fanden, einen säure- und alkoholfesten Bazillus zu 
isolieren, der sich durch seine Wachstumsbedingungen und das 
Aussehen der Kulturen von den echten Erregern der Perlsucht 
unterscheidet und den ich Pseudoperlsuchtbazillus benannt 
habe. Die Isolierung gelang schon, ohne Zuhilfenahme von Tier¬ 
experimenten, dadurch, dass ich eine dem Innern der Knoten 
steril entnommene Masse auf Glyzerin ansstrich. 

*) Das Material wurde mir von Herrn Tierarzt Hemmerling in 
Brück liebenswürdigerweise zur Verfügung gestellt 


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5. MÄr* 1903. 

Der Pseudoperlsuchtbazillus wächst auf allen gebräuchlichen 
Nährböden bei Brut- und Zimmertemperatur. Morphologisch 
zeigt er sich als ein Stäbchen von gleicher Länge wie der Perl- 
suchtbazillus, ist im allgemeinen etwas dicker als dieser. Die 
anf Glyzerinagar gewachsene Reinkultur bildet einen anfangs 
feuchten, später etwas trocken werdenden, schmutzig grauen, 
membranartigen Belag und ist von einer Tuberkulosekultur 
leicht zu unterscheiden. Das Kondenswasser bleibt klar. 

Beide, Milchbazillus wie Pseudoperlsuchtbazillus, teilen mit 
den früher von mir isolierten Pseudotnberkelbazillen die Eigen¬ 
schaft, dass sie bei den üblichen Versuchstieren eine Knötchen¬ 
krankheit hervorzurufen vermögen. Besonders virulent erweisen 
sich die Bazillen, wenn man sie mit Butter zusammen den Tieren 
injiziert, es entsteht dann immer eine Peritonitis mit Schwarten¬ 
bildung bei intraperitonealer Einverleibung. Bei Kälbern an- 
gestellte Impfversnche hatten das Resultat, dass auch hier die 
Pseudotuberkelbazillen, wenn Bie mit Butter zusammen injiziert 
wurden, unbedingt pathogen wirkten, während Kälber, denen 
die Bazillen ohne Butter ipjiziert wurden, gesund blieben.*) 



Fig. 2. Pseiidoperlauchtbaxillen 1: 1000. 


Bei den kleinen Versuchstieren, Meerschweinchen und 
Kaninchen, ist mitunter die Ähnlichkeit der Psendotnberknlose 
mit der echten Tuberkulose so gross, dass auch das geübte Auge 
getäuscht werden kann. Bei näherer Prüfung stellen sich aller¬ 
dings erhebliche Unterschiede heraus. Impft man echte Tuberkel¬ 
bazillen in die vordere Augenkammer, so entsteht stets eine 
Tuberkulose des Auges, während, wenn man die Pseudotuberkel¬ 
bazillen in gleicher Weise injiziert, niemals eine tuberkulose¬ 
ähnliche Affektion erzeugt wird. Ferner ist die echte Tuber¬ 
kulose auf Versuchstiere dadurch weiter übertragbar, dass man 
ihnen Teile von tuberkulösen Organen einimpft, was bei der 
Pseudotuberkulose mit dieser Methode nicht gelingt. Wohl kann 
man mit den aus den Organen in Reinkultur gezüchteten Bakterien 
wieder Tiere infizieren. Der bedeutsamste Unterschied aber 
dokumentiert sich darin, dass der Tuberkelbazillus, wenn er in 
den Tierkörper gebracht wird, weiter wuchert, sich vermehrt, 

*) Ausführliche Mitteilungen über diese Injektionsversuche 
nebst Sektionsprotokollen, wobei mir Herr Kreistierarzt Krause- 
Belzig liebenawürdigst mit Rat und Tat zur Seite stand, habe ich 
in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift 1902 No. 26 und 27 
publiziert. 


157 


während die Pseudotuberkelbacillen nur Fremdkörperwirkung 
zeigen; je grösser die Menge des verwandten Impfmaterials ist, 
desto schwerere und ansgebreitetere Veränderungen werden 
hervorgerufen. 

In allen fraglichen Fällen, d. h. wo es zu entscheiden gibt, 
ob es sich um echte Tuberkelbazillen, oder um Pseudotuberkel¬ 
bazillen handelt, pflege ich seit Jahren folgendes einfache, auf 
das langsame Wachstum des Tuberkelbazillus und seine 
besonderen Temperaturansprüche begründete Verfahren in 
Anwendung zu bringen. Das fragliche Sekret stelle ich mit 
etwas Nährbouillon vermischt in den auf ca. 28—30° C. ge¬ 
haltenen Thermostaten. Zeigt sich auch noch nach Verlauf von 
mehreren Tagen eine deutliche Vermehrung der säurefesten 
Bakterien, so ist mit Sicherheit anzunehmen, dass es sich um 
Pseudo- und nicht um echte Tuberkelbazillen handelt. Der echte 
Tuberkelbazillus beansprucht bekanntlich zum Wachstum ca. 37° 
und wird, wenn er sich in Verunreinigung mit anderen Bakterien 
befindet, von diesen längst überwuchert sein, ehe bei seinem 
langsamen Wachstum überhaupt eine Vermehrung stattfinden 
könnte. 

Wenn auch das Vorkommen von Pseudotnberkelbazillen bei 
Rindern und in Se- und Exkreten, auch im erkrankten Orga¬ 
nismus (Perlsuchtknoten) mehrfach erwiesen ist, so konnte 
ihnen eine ätiologische Bedeutung hierbei doch nicht nachgewiesen 
werden; von grösstem Interesse aber sind sie in differenzial¬ 
diagnostischer Hinsicht. 

Referate. 

Wissenschaftliche Beiträge zur praktischen Pharmazie. 

Von Dr. Kunz-Krause, Professor an der Tierärztlichen 
Hochschule, Dresden. 

(Pharmazeut. Zentralhalle, 1902, No. 52.) 

Unter dem Titel: wissenschaftliche Beiträge zur praktischen 
Pharmazie — beabsichtigt Prof. Dr. Kunz-Krause alle die¬ 
jenigen Beobachtungen und Erfahrungen auf dem Gebiete der 
pharmazeutischen Praxis und der Arzneimittelprüfung im be¬ 
sonderen zusammenfassend zu publizieren, welche sich dem ge¬ 
nannten Autor in seiner Eigenschaft als Apothekenrevisor ent¬ 
weder als direkte Befunde ergaben, oder für welche er die 
erste Anregung aus seiner amtlichen Betätigung empfing. Da 
die zu behandelnden Fragen nicht bloss den Apotheker, sondern 
auch den praktischen Tierarzt als Besitzer einer Hausapotheke 
und ebenso den Veterinärbeamten als Revisor der letzteren sehr 
interessieren dürften, so erscheint mir ein Referat in unserer 
Fachpresse nicht nur nicht überflüssig, sondern sogar dringend 
geboten zu sein. 

Als Thema der ersten, jetzt erschienenen Abhandlung ist die 
Frage gewählt: 

Müssen Tinkturen klar und ohne Bodensatz sein? 

Bei der Beantwortung gibt K.-Kr. folgendes an: 

Es ist zuerst zu unterscheiden, ob die etwaige Forderung 
der Klarheit die im Vorratsraum und in der Offizin oder nur die 
in der letzteren befindlichen Tinkturen betreffen soll. Hierzu 
hat bereits früher die Pharmazeutische Zentralhalle und ebenso 
der Kommentar von Jehn und Crato*) sich dahin ausgesprochen, 
dass die vorgeschriebene Bereitung der Tinkturen bei 
gewöhnlicher Temperatur vor Bildung bedeutender 

*) Jehn und Crato, Kommentar zum Arzneib. f. d. D. Reich 
Leipzig 1901. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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158 

Ausscheidungen während der Aufbewahrung sichert. 
Unbedingte Klarheit wird nur von der zur unmittel¬ 
baren Abgabe bestimmten, also im Standgefäss der 
Apotheke befindlichen Menge verlangt. Sind Tinkturen 
im Vorratsraum trüb geworden, so müssen sie vor 
dem Einfassen gut aufgeschüttelt und nach Annahme 
der Zimmertemperatur unter wiederholtem Um¬ 
schütteln nötigenfalls nochmals filtriert werden. 

Gegen die unbedingte Forderung völliger Klarheit könnte 
vielleicht der Umstand geltend gemacht werden, dass die letztere 
im Arzneibuch für das Deutsche Reich direkt nur bei zwei 
Tinkturen gefordert wird, nämlich bei T. Ferri chlorati aetherea 
und T. Strophanti. Dies Verlangen findet aber seine Begründung 
in der Tatsache, dass bei der erstgenannten Tinktur infolge 
langen Stehens durch Oxydation Eisenhydroxyd gebildet wird, 
welches eben in dem Medikament fehlen soll, und dass bei der 
zweiten Arznei die nach und nach entstehende Trübung ein Be¬ 
weis der Gegenwart von fettem Öl ist, welch letzteres gleich¬ 
falls möglichst nicht vorhanden sein soll. Es wird also bei 
beiden Mitteln die Vorschrift völliger Klarheit nur deswegen 
besonders hervorgehoben, weil man die durch langes Stehen 
veränderte Beschaffenheit direkt vermieden wissen will. Die 
anderen Tinkturen werden durch lang andauernde Aufbewahrung 
in ihrer Verwendbarkeit nicht wesentlich ungünstig beeinflusst; 
durch Umschütteln und Filtrieren können sie zur Füllung der 
Offizin-Standgefässe meistenteils unbedenklich gebraucht werden. 

Betreffs des zweiten Teiles des Themas geht K.-Kr. des 
näheren auf das Wesen der Tinkturen und des in ihnen sich bilden¬ 
den Bodensatzes ein. Nach ihm sind Tinkturen Lösungen oder 
Lö8nngsgemische, die letzteren hauptsächlich bei der Darstellung 
aus Drogen. Sie werden daher im Zeitpunkte ihrer Herstellung 
noch nicht im eigentlichen Sinne fertig sein, sondern bedürfen 
einer gewissen, sehr verschieden langen Zeit, bis sich ein 
Gleichgewichtszustand der einzelnen Lösungen zu einander ge¬ 
bildet hat. Ist dadurch im Aussehen keine wesentliche Ver¬ 
änderung eingetreten, so wird sie aber sicherlich sich be¬ 
merkbar machen, sobald ein Wechsel der Konzentration oder 
der Temperatur eintritt. Daher empfiehlt es sich, durch 
möglichst dichten Verschluss eine Verdunstung zu 
verhüten und andererseits einen Vorratsraum zu be¬ 
nützen, dessen Temperatur derjenigen des Her¬ 
stellungsraumes bezw. des Geschäftslokals nahe¬ 
kommt. 

Auch an die Einwirkung des Lichtes ist zu denken. So 
bleicht z. B. das Sonnenlicht durch Reduktionsvorgänge ver¬ 
schiedene Tinkturen (T. Arnicae, Benzoes, Capsici, Croci, 
Myrrhae etc.), während es andere Tinkturen wiederum in der 
Farbe verstärkt. (T. Rhei bräunt sich, T. Valerianae wird blau¬ 
schwarz verfärbt.) Es muss daher für die Art der Auf¬ 
bewahrung — nicht nur für die Herstellung — Lichtschutz 
empfohlen werden, der entweder durch entsprechende Räumlich¬ 
keit bezw. Schrank oder besser durch zuverlässige dunkle 
GlasgefÜsse gewährt wird. Betreffs der letzteren wird besonders 
erwähnt, dass die neuerdings bevorzugten gelben resp. braunen 
StandgefäBBe nicht immer den erwarteten Schutz gegen die 
Wirkung des Sonnenlichtes bieten. Es erscheint daher geboten, 
Gefässe vor deren Erwerb einer entsprechenden Prüfung zu 
unterziehen oder sie nur unter Garantie zu kaufen. 

Weiterhin kommen noch innere Vorgänge in Betracht, 


No. 10. 


welche K.-Kr. als intrasubstantielle Störungen des molekularen 
Gleichgewichtszustandes bezeichnet. Dieselben bestehen vor 
allem in allmählicher Ausscheidung von hochmolekularen 
Pflanzenstoffen, wie Öl, Gummi, Harz, oder von Salzen, wie 
Chlorkalium. Ebenso rufen noch Reduktions-, Oxydations- oder 
selbst Spaltungsvorgänge Veränderungen hervor. Den wich¬ 
tigsten Einfluss zeigen aber die Fermente resp. Enzyme, die ja 
vom Moment der Zubereitung an in den aus Drogen hergestellten 
Tinkturen vorhanden sind. Als hierher gehörig müssen genannt 
werden die sogenannten Oxydasen, d. h. oxydierend wirkende 
Enzyme, welche repräsentiert werden durch die Laccase (nach¬ 
gewiesen durch Bertrand und Rey-Pailharde in weiter Ver¬ 
breitung im Pflanzenreich), Tyrosinase (oxydiert zahlreiche 
aromatische Verbindungen, Phenole, Aniline), Oenoxydasen und 
verschiedene im Tierkörper vorkommende Oxydasen. Anch die 
sogen. Hydrogenasen, welche im Gegensatz zu den oben¬ 
genannten reduzierend wirken, kommen hier in Betracht. 

Aus dem gesagten lässt sich nach K.-Kr. leicht folgern, 
dass jede Tinktur gewissermassen ein Individuum für sich dar¬ 
stellt, welches erst nach seiner Herstellung in einen mehr oder 
weniger endgültigen Zustand stabilen Gleichgewichts übergeht 
— ein Vorgang, den man als „Reifen“ bezeichnen könnte. 
Mit anderen Worten: „die Tinktur arbeitet“. Das Resultat 
dieser Tätigkeit ist das oftmals plötzliche Auftreten von 
Trübungen und festen Ausscheidungen (Bodensätzen), deren Er¬ 
scheinungen im Wesen der Tinkturen begründet sind, sich, 
soweit äussere Einflüsse (Konzentration, Temperatur, Licht) 
mitwirken, bis zu einem gewissen Grade vermeiden lassen, im 
Übrigen aber, sobald es sich um innere chemische Prozesse 
handelt, durchaus keinerlei Beweis für ein etwaiges Verschulden 
des betr. Geschäftsmannes zu liefern im stände sind. 

Dr. Schmidt-Dresden. 

Wochenübersicht Über die medizinische Literatur. 

Von Dr. Jess-Charlottenburg, 

Kreiltierarzt. 

Fortschritte dir Medizin 1303, No. 3. 

Der Bazillus des seuchenhaften Verwerfens von Professor 
Dr. Preisz. Bang hat 1897 seine Untersuchungen über die 
Ätiologie des seuchenhaften Verwerfens angestellt und hierbei 
einen bestimmt charakterisierten Bazillus gefanden. P. hat 
diesen BazilluB bei seinen Untersuchungen wiedergefunden und 
beschreibt die Methoden seiner Züchtung. Der Bazillus wird 
bezeichnet als Corynebacterium abortus endemici. Die von Professor 
Marek angestellten Versuche mit Reinkulturen bei tragenden 
Kühen hatten nicht den gewünschten Erfolg, ebensowenig die 
Versuche der subkutanen intraperitonealen und intravenösen 
Einverleibung bei kleinen Tieren. 

Bericht über die Surrakrankheit der Rinder und Pferde im 
Schutzgebiet Togo vom Regierungsarzt Dr. Schilling. Wird 
auf das Original verwiesen. 

Experimentelle Untersuchungen über Bakterienantagonismus 
von Professor Loh de. Für den Antagonismus kommen nur die 
Stoffwechsel-Produkte in Betracht. Es wird anscheinend ein 
labiler Körper gebildet. 

A study of an hemolytic complement found in the serum of 
the rabbit von Edwin Sweet. Wird auf das Original verwiesen. 

Über das polyvalente Streptokokkenserum von Professor Tavel. 
T. legt Protest ein, dass Moser als erster ein Streptokokken¬ 
serum aus Scharlachstämmen hergestellt habe. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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5. März 1903. 

Beiträge zur Kenntnis des Sohwelnerotiaufserums von Dr. 
Deutsch in Budapest Verfasser gibt eine eingehende Dar¬ 
stellung der Bereitung des Schweinerotlaufseruras und vor allem 
der Prüfung8methode des Serums auf seine Schutzwirkung und 
seine Agglutinationsfdh'gkeit. 

Wertbestimmung von Defiiigeloholerasenim von Dr. Mosler 
in New York. M. hat das von Jess und Piorkowski her¬ 
gestellte Geflügelcholeraserum geprüft und zu seinen Unter¬ 
suchungen ein Serum verwandt, welches bereits ein Jahr alt 
war. Die Dosis für Immunsiernngszwecke gegen 2—3 Ösen der 
virulenten Kultur beträgt innerhalb 24 Stunden 1 Tropfen, bei 
72 Stunden 2 Tropfen Antiserum. Durch Zusatz von Komplement¬ 
serum wird die Dosis auf die Hälfte herabgedrückt. Verfasser 
resümiert das Resultat seiner Versuche dahin, dass es angezeigt 
iBt, gefährdete Geflügelbestände oder Geflügeltransporte pro¬ 
phylaktisch mit dem Jess-Piorkowskischen Geflügelcholera¬ 
serum zu immunisieren. 

Dieselbe Zeitschrift, No. 4. 

Die letztjährigen Arbeiten über Rhachitis von Dr. Eugen 
Näter. N. hat in einem umfangreichen Sammelreferat 44 in 
dem letzten Jahre über die Rhachitis veröffentlichte Arbeiten im 
Auszug wiedergegeben. Auch bezüglich dieser Arbeit wird auf 
das Original verwiesen. 

Deutsche Medixinische Zeitung, IG, 1903. 

Chlorbarium als Herzmittel von Schaedel-Bad Nauheim. Im 
Verein f. d. Medizin hielt Sch. am IG. Februar 1903 über diesen 
Gegenstand einen Vortrag, dem folgendes zu entnehmen ist. 
Lisfranc hat Chlorbarium gegen erhöhte Herztätigkeit empfohlen. 
Sch. hat mit Dosen von 0,01—0,08 g operiert. Nach täglich 
zweimaliger Gabe von 0,02 betrug der Puls 60, der Blutdruck 
war erheblich gestiegen. Es wurden Versuche in 13 Fällen in 
der Rostocker Klinik angestellt. Bei Mitralinsufficienz stieg 
der Blutdruck nach Chlorbarium erheblich, der Puls wurde 
kräftig. Bei Myodegeneratio cordis, mit Oedemen, Cyanose, 
Albuminurie Kollapserscheinungen wirkte Chlorbarium auffallend 
güustig; die Oedeme und die Cyanose schwanden und der Appetit 
wurde gut. Sch. empfiehlt Chlorbarium als ein Mittel, welches 
die unsichere Digitalis weit übertrifft. Die Diurese wird gesteigert. 
Eine analoge Wirkung auf den Darm, wie sie von Dieckerhoff 
bei Pferden zuerst gesehen wurde, hat Sch. bei seinen kleinen 
Dosen nicht bemerkt. 

Münchener medixinische Wochenschrift. No. 7, 1903. 

Zur Behandlung der weiblichen Gonorrhoe mit Hefe von 
Abraham. A. teilt im 16. Bd. Heft 6 der Monatsschrift für 
Geburtshilfe und Gynäkologie die Behandlung von 40 Fällen mit, 
in denen Hefe die Gonokokken abtötete. Durch Zusatz von 
Asparagin wird die Hefewirknng erhöht. 

Tagesgeschichte. 

Milzbrandfeststellnng. 

Von Professor Dr. Schmaltz. 

Der Artikel des Herrn Kreistierarzt Krüger*) veranlasst 
mich, auf diesen Gegenstand mit einigen Bemerkungen zurück¬ 
zukommen. 

*) Berichtigungen: In dem Artikel, B.T. W. No. 9, pg. 146 ff. 
muss es heissen pg. 148 links, Zeile 34: „Freunde mit dem unge¬ 
rechten Mammon“ und 148, rechts: „Schweineseuchen“, nicht 
Schweineseuche. 


159 


Ich brauche wohl nicht zu versichern, dass eine sachliche 
Diskussion in der B. T. W. mir nur erwünscht sein kann. Sie 
ist interessant und nützlich. Der Nutzen liegt darin, dass der 
Leser eine Sache in verschiedener Beleuchtung sieht, dass er 
das Für und Wider erwägt, mit seiner eigenen Auffassung ver¬ 
gleicht und schliesslich eine geklärte Ansicht gewinnt, mag er 
nun seine ursprüngliche Meinung ändern oder befestigt fühlen. 

Soll dieser Nutzen der Klärung der Meinungen geschaffen 
werden, so darf aber die Diskussion selbst nicht kompliziert 
werden; es muss dem Leser möglichst leicht gemacht werden, 
sich darin zurecht zu finden; die Sache, welche diskutiert wird, 
muss in scharfen, unveränderlichen Umrissen hervortreten; sie 
darf nicht bald in dieser, bald in jener Gestalt erscheinen. 

Deshalb möchte ich ganz allgemein den Wunsch aussprechen, 
dass derjenige, welcher eines anderen Meinung kritisiert, sich 
ausschliesslich das zum Gegenstand nimmt, was der andere ge¬ 
sagt hat, damit der Leser aus der Erwiderung des einen auch 
den Standpunkt des anderen klar erkennt. 

In dem Artikel des Herrn Kollegen Krüger scheint mir 
aber die Basis der Diskussion etwas verschoben. Ich hätte 
gewünscht, dass er gesagt hätte: „Schmaltz geht von der 
und der Annahme aus. Wenn ich mich nun auch auf den 
Boden dieser Annahme stelle, so gebe ich S. doch nicht recht: 
ich beurteile die Lage, falls jene Annahme sich verwirklicht, 
vielmehr so etc.“ Er verlangt dagegen im ersten Satz, dass 
ich von den bestehenden Verhältnissen hätte ausgehen sollen, 
und tut dies seinerseits. So kommt es, dass in seinem Artikel 
sich Thesen finden, die ganz mit den meinigen übereinstimmen, 
während es doch auf die Leser den Eindruck machen muss, als 
ob diese Thesen gegen mich verteidigt würden, ich also eine 
andere Meinung gehabt hätte. 

So z. B. sagt Herr Kollege Krüger (pg. 147, links unten) 
folgendes: „Es besteht — — die Anstandspflicht — —, die 
Befunde der Kreistierärzte durch tierärztliche Gutachter deuten 
zu lassen. Die Bestrebungen der allerneuesten Zeit, auch hier 
in Posen, neigen aber ganz wo anders hin, und diesen Be¬ 
strebungen arbeiten wir Kreistierärzte entgegen. 
Wir wollen als Gutachter die Departementstierärzte haben, und 
zwar soll jeder in seinem Bezirk als solcher fungieren. Denen 
mag, wenn es sein soll, die Provinzialverwaltung die „kleinen 
Institute“ schaffen.“ 

Ja, da sind wir doch ganz einer Meinung. Ganz 
dasselbe habe ich ja auch gesagt. Das ist doch die „Annahme“, 
von der ich ausgegangen bin, dass es sich um eine Mitwirkung 
der Departementstierärzte handelt. Wenn, wie Herr Kollege 
Krüger sagt, die Kreistierärzte speziell gegen Bestrebungen 
arbeiten, die auf Heranziehung ärztlich geleiteter Institute (das 
meint er doch mit dem Hinweis auf Posen) abzielen, so arbeite 
ich von ganzem Herzen mit gegen diese Bestrebungen und 
habe dies (in No. 8, pg. 131, rechts unten) klipp und klar 
gesagt. Eben um diese Bestrebungen ein für allemal lahm zu 
legen, scheinen mir die den Departementstierärzten (übrigens 
wohl von Staatswegen) zu schaffenden Institute vorteilhaft. 
Von dem Befinden der Provinzialverwaltung muss die ganze. 
Sache natürlich unabhängig gemacht werden. 

Im Verlaufe seiner Ausführungen kommt nun aber Herr 
Kreistierarzt Krüger doch auf meine Annahme betreffs zu¬ 
künftiger Gestaltung der Dinge und lässt ja keinen Zweifel 


BERLINER TIKRÄRZTLICIIE WOCHENSCHRIFT. 


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160 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


darüber, dass er auch darcli das Zutreffen dieser Annahme nicht 
befriedigt sein würde. Er will dem Kreistierarzt die endgültige 
Feststellung Vorbehalten wissen, befürchtet andernfalls Nachteile 
für die Kreistierärzte und erkennt die von mir geltend gemachten 
Vorteile als solche nicht an. 

Ich beabsichtige nicht, gegen diesen Standtpnnkt des Kollegen 
Krüger meinerseits weitere Einwendungen zu erheben. Ich 
habe meine Ansicht ausgesprochen nnd bescheide mich damit; 
es ist Sache jedes einzelnen, ob er jene Ansicht teilen will oder 
nicht Aber über den Anlass zu meiner Äusserung möchte ich 
mich noch einmal deutlich aussprechen, obwohl ich glaubte, dies 
am Eingang meines Artikels (No. 8, pg. 130) schon getan zu 
haben. 

In Zuschriften wurde ich ersucht, „meinen Plan oder Vor¬ 
schlag nicht weiter zu verfolgen“. Ja, das ist doch kein „Vor¬ 
schlag“ von mir! Wie sollte ich denn dazu kommen ? Es ist 
mir ja nicht zweifelhaft, dass vielen Kreistierärzten die so¬ 
genannte „Miizbrand-Nachprüfang“ mindestens unsympathisch ist. 
Ich weiss überdies sehr wohl, dass einige Mitglieder des tier¬ 
ärztlichen Standes zur Zeit sich bemühen, mich womöglich als 
einen Feind der Kreistierärzte hinzustellen; es würde mir 
nicht einfallen, ohne Not auch noch Wasser für diese 
Agitationsmühle zu liefern. Ich würde daher in einer mir ziem¬ 
lich fernliegenden Sache dem Wunsche vieler Kreistierärzte 
nicht widersprechen, wenn es sich noch darum handelte, dass 
dieser Wunsch eventuell erfüllt werden könnte. 

So viel ich weiss, ist aber diese Frage prinzipiell 
schon entschieden. Die Opposition dagegen hat also keinen 
Zweck mehr. Darauf muss ich hinweisen, damit jeder danach 
seine Stellungnahme einrichten kann. Denn wenn unter diesen 
Umständen herbe Worte fallen, so können dieselben nur noch 
die gewiss von niemand beabsichtigte nnd allen unerwünschte 
Wirkung haben, im Ministerium zu verstimmen, um es rund 
herauszusagen. Das wäre, znmal mit Rücksicht auf die der¬ 
zeitigen Bestrebungen und Hoffuungen, sehr zu beklagen, und 
deshalb habe ich versucht, die Gründe darzolegen, die m. A. n. 
die Massregel rechtfeitigen, um eine derselben geneigtere Auf¬ 
fassung anzubahnen. 

Auf die technische Seite einzugehen, bin ich nicht kompe¬ 
tent. Nur zwei Punkte möchte ich berühren. Erstens ist voll¬ 
kommen znzngeben, dass Fehldiagnosen auch durch Prüfung in 
Zentral-Instituten nicht vermieden werden. Dafür sprechen ge¬ 
nügend die Mitteilungen in dem Jahresbericht von Bermbach. 
Zweitens muss der Kreistierarzt unbedingt geschützt werden 
gegen unangenehme Nachwirkungen in solchen Fällen, wo z. B. 
eine not geschlachtete Kuh wegen Milzbrandverdacht vergraben 
ist nnd hernach Milzbrand bakteriologisch nicht nachgewiesen 
wird. In solchen Fällen musste eben der Besitzer, falls das 
Fleisch geniessbar gewesen wäre, Entschädigung erhalten. 
Liegt hier nicht ein ähnlicher Fall vor, wie wenn ein Tier 
wegen einer Seuche polizeilich getötet wird und mit der Seuche 
nicht behaftet ist? Die Verscharrung war veterinärpolizeilich. 
Der Fleischwert müsste eventuell aus der Staatskasse entschädigt 
werden. Hier scheint doch eine Lücke in den Entschädigungs¬ 
bestimmungen vorzuliegen, die im nenen Seuchengesetz aus- 
zogleichen sein würde. Denn andernfalls bedingen solche Fälle 
allerdings ebensowohl einen schweren Übelstand für den Kreis¬ 
tierarzt als eine Unbilligkeit gegen den Besitzer. 


No. 10. 


Bemerkungen zu der Verhandlung des Abgeordneten¬ 
hauses vom 30. Januar. 

(Vergl. B. T. W. No. 6, pg. 85 ff.) 
von Professor Sohmaltz. 

Die Verhandlung über das Veterinärwesen im Landtage 
hat unzweifelhaft allseitig ein gesteigertes Interesse für das 
Veterinärwesen ergeben und kann bei uns Tierärzten nur einen 
erfreulichen Eindruck hinterlassen. 

Zwei Angelegenheiten verschiedener Art kamen dabei zur 
Sprache, anf welche ich hier mit einigen Bemerkungen zurück¬ 
kommen möchte, die Promotion zum Dr. med. vet. und die 
Stellung der Kreistierärzte. 

Abg. Dr. Hüiier-Sagan empfahl, den tierärztlichen Hoch¬ 
schulen das Promotionsrecht zu verleihen, und bedauerte 
im Anschluss daran, dass der Kultusminister es grundsätzlich 
ablebne, den in der Schweiz erworbenen Doctor medicinae 
veterinariae anzuerkennen (vgl. B. T. W. pg. 86 oben). 

Es ist über diesen Punkt in der tierärztlichen Fachpresse 
seit geraumer Zeit nicht mehr gesprochen worden. Ich glaube 
auch, dass eine lebhafte Presserörterung nicht im Interesse der 
Herren liegt, welche sich diesen Doctor-Titel erworben haben. 
Die Ausführungen des Herrn Dr. Müller aber geben doch eine 
zwingende Veranlassung zu einer Erörterung der Lage. 

Als besonders erfreulich erscheint mir die Äusserung 
des Abgeordneten über die Qualität der Dissertationen. Es ist 
wirklich nicht genug anznerkennen, dass er sogar die Mühe 
nicht gescheut hat, eine Anzahl derselben durchzusehen, wozu 
er als Naturwissenschaftler ja die volle Kompetenz besitzt. Das 
günstige Urteil, welches er gewonnen hat, besitzt deshalb auch 
hohen Wert nnd es ist dadurch einmal vor dem ganzen Lande 
festgestellt, dass der Grund zu prinzipieller Nichtanerkennung 
dieser Promotion nicht in wissenschaftlicher Inferiorität derselben 
zu suchen ist. 

Das Hindernis für die Genehmigung des in der Schweiz 
erworbenen Dr. med. vet. liegt wohl vielmehr gerade in dem 
von Dr. Müller befürworteten Promotionsrecht der tierärztlichen 
Hochschulen Deutschlands. Das preussische Kultusministerium 
deduzirt wohl so: Die schweizerischen veterinärmedizinischen 
Fakultäten sind nichts weiter als mit der Universität verbundene 
tierärztliche Hochschulen. Wird der von ihnen verliehene 
Doktortitel in Deutschland anerkannt, so besteht eigentlich kein 
sachlicher Grund mehr, den deutschen tierärztlichen Hochschulen 
nicht ebenfalls das Promotionsrecht zu verleihen. — Gerade dazu 
aber ist man zur Zeit durchaus nicht geneigt, und daher die 
grundsätzliche Abneigung gegen die Promotion zum Dr. med. vet., 
während der ebenfalls ohne Abitnrientenexamen in der Schweiz 
erworbene Dr. phil. ohne weiteres genehmigt wird. 

Wie die Verhältnisse zur Zeit liegen, ist vor der Hand an 
eine Zustimmung des die Universitäten vertretenden Ministeriums 
znm Promotionsrecht der tierärztlichen Hochschulen auch gar nicht 
zu denken.*) Es besteht, wie von Wissenden versichert wird, 
in Universitätskreisen usw. „eine starke Erregung“ (1) über die 

*) Der Deutsche Veterinärrat hatte diesen Gegenstand anf die 
Tagesordnung gesetzt. Er wurde aus Zeitmangel abgesetzt Wäre 
er aber verhandelt worden, so würde sich, wie sich bereits erkennen 
liess, gerade seitens einiger Hochschulvertreter ein heftiger Wider¬ 
spruch gegen ein etwaiges Vorgehen in dieser Richtung entwickelt 
haben, eben weil die Betreffenden ein solches zur Zeit für in¬ 
opportun hielten. Soeben berichten auch die Zeitungen, dass in 
der Kommissionsberatung des preuss. Kultusetats Ministerialdirektor 
Althoff eine ablehnende Erklärung betr. des Promotionsrechtes 
der tierärztlichen Hochschulen abgegeben hat. 


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5. März 1903. 


Einführung der Universitätsreife für das tierärztliche Stadium, 
welche weitere Konzessionen verhindert. 

Die Weiterentwicklung der veterinärmedizinischen Studien¬ 
verhältnisse wird aber die Lösung dieser Frage von selbst 
bringen. Von jetzt ab studieren nur noch Abiturienten. Die¬ 
selben brauchen nicht mehr nach der Schweiz zu gehen, 
sondern können den Doctor medicinae veterinariae in Giessen 
machen. Dieser Doktortitel unterliegt selbstverständlich, weil 
im Inland erworben, der Genehmigungspflicht nicht. Er ist freilich 
von anderer Seite ebenfalls angefeindet worden. Er hat sein 
unanfechtbares Ansehen nur dadurch erhalten können, dass man 
für seine Erwerbung jede Erleichterung und namentlich jeden 
Dispens vom Abiturientenexamen ausgeschlossen hat. Gerade 
mit Rücksicht auf diesen allerdings beachtenswerten Punkt hat 
man auch in Hessen die Anerkennung des in der Schweiz er¬ 
worbenen Dr. med. vet. abgelehnt. 

In Zukunft wird also Giessen das Mekka aller Doctoranden 
der Veterinärmedizin werden. Als zweiter Platz wird vielleicht 
bald genug Mönchen hinzukommen, wo sich wohl sicher eine 
Vereinigung der tierärztlichen Hochschule mit der Universität 
vollziehen wird, mit der ja dann das Promotionsrecht von selbst 
verbunden wäre. Daraus, dass dann Süddeutschland zwei tier¬ 
ärztliche Bildungsanstalten mit Promotionsrecht besitzt, müssen 
sich solche Widersprüche und solche Nachteile für die selbst¬ 
ständigen Hochschulen ohne Promotionsrecht ergeben, dass die 
resp. Landesregierungen wohl oder übel für einen Ausgleich 
werden sorgen müssen. 

Wenn damit dann der oben angenommene Grund für die 
prinzipielle Ablehnung des Schweizer Dr. med. vet. fällt, wird 
vielleicht auch das preussische Kultusministerium nachträglich 
diesen Titel genehmigen. Es könnte dies um so leichter tun, 
als die schweizer Promotionen in Zukunft überhaupt nicht mehr 
in Frage kommen. Denn wenn ich nicht irre, wird, infolge der 
zwischen Deutschland und der Schweiz im vorigen Jahre ge¬ 
troffenen Vereinbarungen über Gleichgestaltung der Promotions¬ 
bedingungen, binnen kurzem der Dispens vom Abturientenexamen 
in der Schweiz ebenfalls eingeschränkt werden oder wegfallen. 

Damit ist aber auch die Bedeutung dieser Frage für den 
tierärztlichen Stand geschwunden. Sie kommt weder für die 
von jetzt ab eintretenden Studierenden noch für die bereits 
approbierten Tierärzte, soweit sie noch nicht promoviert haben, 
mehr in Betracht. Die Herren, welche in der Schweiz bereits 
promoviert haben, dürfen angesichts der Rede des Herrn Dr. 
Müller eine freudige Genugtuung empfinden. Es wird ihnen 
gerade deshalb leichter fallen, vorläufig abzuwarten, was durch¬ 
aus ratsam erscheint. Dem Kultusminister ist die Befugnis zur 
Entscheidung ohne jede Einschränkung übertragen. Erzwingen 
lässt sich hier mit noch so guten Gründen nichts, und es ist 
unter diesen Umständen sehr fraglich, ob es opportun wäre, durch 
aussichtslose Massnahmen die Aufmerksamkeit im Lande auf 
diesen Punkt zu lenken (Schluss folgt.) 

Bericht über die 44. Sitzung des tierärztlichen Vereins 
in Westprenssen. 

Am 30. November 1902 zu Marienburg. 

Die stark besuchte Versammlung wird von dem Vorsitzenden, 
Departementstierarzt Preusse, eröffnet. Als Gäste sind die Herren 
Landrat von Sen ft und Bürgermeister Korn zu Marienburg an¬ 
wesend. Als neue Mitglieder werden aufgenomraen, Bahr-Zoppot, 
Blume-Lessen, Moses-Tuchel, Kissuth-Tucbel. 


161 

Der Vorsitzende hebt den schweren Verlust hervor, den die 
Provinz durch den Tod des all verehrten Oberpräsidenten von 
Gossler erlitten hat und berichtet, dass er den Verein bei der 
Trauerfeier vertreten habe. 

Ein Vertrag mit der Unfallversicherungs-Gesellschaft in Winter¬ 
thur wird noch nicht abgeschlossen, Schönek und Tiede sollen 
Erkundigungen einziehen und ira Frühjahre unter Vorlegung eines 
Vertragsentwurfes berichten. 

Der Delegierte des Vereins, Departementstierarzt Preusse, be¬ 
richtet über den grossartigen, glänzenden Verlauf der Sitzung des 
Veterinärrates zu München. Departeraentstierarzt Jakob zu Marien¬ 
werder stellt den Antrag, Herrn Professor Dr. Schmaltz in An¬ 
erkennung seiner grossen Verdienste um die Eiufilhrung der 
Maturitas als Vorbildung für das tierärztliche Studium zum Ehren¬ 
mitglied des Vereins zu ernennen. Der Antrag wird mit grossem 
Beifall begrüsst und einstimmig angenommen. 

Über das Fleischschangesetz spricht Departementstierarzt 
Jakob-Marienwerder. Referent bespricht die wichtigsten Be¬ 
stimmungen des Gesetzes an der Hand der Motive, er hebt die 
Nachteile hervor, die durch die Auslassung der Hausschlachtungen 
von der Beschau verursacht werden und die grossen Schwierig¬ 
keiten, die die Besetzung vieler Bezirke mit Beschauern machen 
wird. In einigen Amtsbezirken wohnt kein einziger Fleischer; 
werden nun mehrere Bezirke zusammengelegt, so weiden die zurück¬ 
zulegenden Entfernungen sehr gross, die Einnahmen bleiben aber 
bei den wenigen, kleinen Fleischern so gering, dass sich kaum 
Bewerber für diese Stellen finden werden. Es wird die Frage auf¬ 
geworfen, ob auch ein Kreistierarzt die Fleischbeschau an seinem 
Wohnort übernehmen könne, wenn ein weiterer Tierarzt dort nicht vor¬ 
handen sei. Die Versammlung ist der Ansicht, dass dies zulässig 
sei, im allgemeinen aber von den Kreistierärzten nur die Ergäuzungs- 
schau zu übernehmen sei. 

Über Kurpfuscherei referiert Departementstierarzt Preusse- 
Danzig. Er teilt mit, dass die Danziger Kollegen einen Kurpfuscher 
wegen unlauteren Wettbewerbes angezeigt hätten, der in den Zeitungen 
anzeigte, er heile alle, selbst die schwersten Fälle von Kolik und 
Druse unter Garantie. Der Pfuscher wurde vom Schöffengericht zu 
300 Mk. Strafe verurteilt. Hiergegen legte er Berufung ein. Der 
Staatsanwalt beantragte vor der Strafkammer selbst seine Frei¬ 
sprechung, weil das Versprechen, „alle Fälle von Kolik und Druse 
zu heilen“, keine tatsächliche Angabe enthalte und deshalb der 
Tatbestand des § 4 des Gesetzes betr. die Bekämpfung des un¬ 
lauteren Wettbewerbes nicht vorhanden sei. Es erfolgte Frei¬ 
sprechung. Ein Danziger Kollege legte als Geschädigter Revision 
ein, da mehrere Reichsgerichtsentscheidungen im Gegensatz mit 
diesem Urteil Angaben, wie sie der Beklagte in seinen Annoncen 
gemacht hat, als tatsächliche bezeichnet haben. Anf Antrag von 
Felbaum-Graudenz erklärt der Verein einstimmig sein Einverständ¬ 
nis mit diesem Vorgehen und beschliesst, die Kosten des Prozesses 
ev. aus der Vereinskasse zu ersetzen.*) 

Als Ort für die Sitzung im Frühjahre wird Danzig gewählt, 
Nach der Sitzung vereinigte ein gemeinschaftliches Mahl die Mit¬ 
glieder, ihre Damen und eine grössere Zahl Militärkollegen vom 
17. Korps, woran sich noch ein kleines Tänzchen schloss. Bis zum Ab¬ 
gang der letzten Züge blieb man in fröhlichster Stimmung zusammen. 

Preusse, Departementstierarzt, Fel bäum, 

Vorsitzender. Schriftführer. 

Das tierärztliche Dlspensierrecht in Braunschweig. 

In Braunschweig war durch den Entwurf einer neuen Me¬ 
dizinalordnung das tierärztliche Dispensierrecht in Frage 
gestellt. Der Braunschweigische tierärztliche Verein hatte da¬ 
gegen eine Petition an den Landtag gerichtet. Der deutsche 
Veterinärrat hat diese Petition durch eine Eingabe seiner¬ 
seits unterstützt, da er mit Recht eine Gefährdung des Dispensier¬ 
rechts in Deutschland befürchtete. Die Eingaben haben Erfolg 

*) Inzwischen ist das Erkenntnis des Landgerichts Danzig von 
dem Oberlandesgericht in Maiienwerder aufgehoben und die Sache 
zur nochmaligen Verhandlung an das Landgericht zurückverwiesen 
worden. (Anm. des Vorsitzenden.) 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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162 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 10. 


gehabt. Dem Geheimrat Dr. Esser ist folgendes Schreiben 
zagegangen: 

Aus dem beigefiigten amtlichen Protokoll bitte ich ge¬ 
fälligst ersehen zu wollen, dass durch Beschlussfassung der 
Landesversammlung vom 17. d. M. die auf das Dispensierrecht 
der Tierärzte bezüglichen Bittschriften des Präsidenten des 
Deutschen Veterinärrats vom 7. April 1902 und des Vereins 
Braunschweiger Drogisten — ohne Datum — als durch die 
Beschlussfassungen der Landesversammlung über den § 28 des 
Entwurfs einer neuen Medizinalordnung erledigt erklärt worden 
sind, d. h. es ist die im Entwurf der Regierung vor¬ 
geschlagene ausschliessliche Entnahme der Arznei¬ 
mittel für die Hausapotheken der Tierärzte aus braun¬ 
schweigischen Apotheken fallen gelassen. 

Braunschweig, den 24. Februar 1903. 

Der Landsyndikns. 

Rhamm. 


An 

den Präsidenten des Deutschen Veterinärrats, 
Herrn Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Esser 
in Göttingen. 


Einen Tierarzt für die Ansiedlungs-Kommisslon! 

Von sachkundiger Seite wird darauf hingewiesen, dass die 
Ansiedlungskommission für Posen und Westpreussen unter den 
zahlreichen für sie tätigen Sachverständigen einen Tierarzt 
nicht besitzt, dass aber ein solcher innerhalb der umfassenden 
Aufgaben dieser so überaus wichtigen Organisation eine sehr 
reichliche, mannigfaltige und fruchtbringende Tätigkeit ent- i 
falten könnte. 

Ohne dies zunächst im einzelnen zu schildern, möchten 
wir diesen beachtenswerten Hinweis der öffentlichen Aufmerk- J 
samkeit unterbreiten. 

Wir zweifeln auch nicht, dass eine derartige Stelle für | 
einen erfahrenen Tierarzt eine sehr interessante und anziehende 
werden könnte. Ist doch nicht zu verkennen, dass die nord¬ 
deutschen Tierärzte eine immer lebhaftere Neigung bekunden, 
über den Rahmen ihrer engeren ärztlichen Tätigkeit hinaus sich 
als Berater der Landwirte in bezug auf alle mit der Tier¬ 
haltung zusammenhängenden Fragen zu betätigen, wie dies in 
Süddeutschland schon längst der Fall ist. Diese erfreuliche 
Neigung wächst proportional mit der Bereitwilligkeit der Land¬ 
wirtschaft, sich dieser Sachverständigen ausgiebiger zu bedienen. 


II. Quittung Ober die zum preusslschen Stipendienfonds eingegangenen 

Beiträge 

bis zam 1. März er. 

Transport vom 31. Januar 1971,70 M. 


Brand, Oberrossarzt, Charlottenburg . 10,— „ 

Ostendorff, Schlachthofinspektor, Schneidemiihl . . . 6,— „ 

Schultze, Gestütsinspektor, Labes i. P.100,— „ 

Ulm, Kreistierarzt, Bunzlau. 10,— „ 

Uthoff, Schlachthofdirektor, Koblenz. 10,— „ 

Bettkober, Kreistierarzt, St. Goar. 10,— „ 


Dlugay, Kreistierarzt, Filehne. 

Fried er ich, Schlachthofverwalter, Uersfeld . . 

Kohl, Schiachthofinspektor, Sommerfeld N.-L. 

Schumann, Veterinärassessor, Greiz. 

Jess, Dr., Kreistierarzt, Charlottenburg .... 

Friede mann, Tierarzt, Katzenelnbogen . . . 

Litfas, G., Tierarzt, Neidenhurg. 

Morschhäuser, Tierarzt, Nimptsch. 

Oellerich, Kreistierarzt, Euskirchen .... 
Wermbter, Kreis- und Grenztierarzt, Orteisburg 

Goetzke, Tierarzt, Bernau (Mark). 

Jelkmann, Dr., Tierarzt, FrankAirt a. M.. . . 

Maske, Schlachthofdirektor, Königsberg i. Pr. . 
Bartels, Kreistierarzt, Blumenthal (Hann.) . . 

Ei nicke, Kreistierarzt a. D., Wreschen ... 

Ewald, Kreistierarzt a. D., Köln n. Rh. ... 

Kypke, Polizeitierarzt, Köln a. Rh. 

Just, Kreistierarzt, Waldbröl. 

Lothes, Dr., Departementstierarzt, Köln a. Rh. . . 

Sahling, Tierarzt, Harburg a. E. 

Bo eck, Tierarzt, Kockwitz. 

Greve, Dr., Amtstierarzt, Oldenburg. 

Kieler, Kreistierarzt, Rybnik. 

Magdeburg, Dr., Schlachthaustierarzt, Posen 
Friedrich, Kreistierarzt, Halle a. Saale . . . 

Braedel, Kreistierarzt, Stuhrn, Westpr. 

Gützlaff, Kreistierarzt, Guben. 

Kubaschewski, Kreistierarzt, Insterburg ... 
Sehinunelpfennig, Dr., Kreistierarzt, Greifenberg (Pom.) 
Schuberth, Dr., Kreistierarzt, Liegnitz .... 
Storch, Dr., Kreistierarzt, Schmalkaden .... 
Conze, Oberrossarzt a. D., Mühlhausen (Thür.) . . 

Keller, Kreistierarzt, Glogau. 

Daasch, Tierarzt, Hannover-Linden. 

Diercks, Kreistierarzt, Ploen. 

Klingmfilier, Kreistierarzt, Strehlen. 

Thinius, Marstalltierarzt, Potsdam. 

Paul, Kreistierarzt, Schwetz (Weichsel). 

Säger, Grenztierarzt, Tilsit. 

Voerckel, Kreistierarzt, Heiligenstadt (Eichsfeld) 

Kegel, Kreistierarzt, Gerdauen. 

David, Kreistierarzt, Nauen. . . . 

Gehrig, Kreistierarzt, Goslar. 

Bunge, Tierarzt, Lobenstein (Reuss). 

Seyderhclm, Oberrossarzt a. D., Strassbarg i. E. . 
Scharsich, Kreistierarzt, Striegau. 


60,05 

M. 

5,- 

11 

15,- 

»t 

10,- 

11 

10,- 


3,— 

11 

10,- 

11 

3,- 

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10,- 


20,10 


10,05 


. 20,- 


10,- 

11 

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ii 

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30,— 


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10,- 


5,- 


20,10 


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15,05 


. 20,- 

ii 

10,06 


. 10,- 

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10,- 


10,- 

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10,- 


. 20,- 


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ii 

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ii 

20,05 


20,06 


10,05 


10,- 


10,- 

ii 

50,— 


20,— 


5,- 


10,- 


100,— 


10,10 

ii 

2922,36 

M. 


XXXIX. Generalversammlung des Vereins der Tierärzte 
des Reg.-Bez. Wiesbaden 

am Sonnabend, den 14. März 1903 
im Hotel „Drexel“ zu Frankfurt a. M., Grosse Friedbergerstr. 
Beginn der Versammlung vormittags 11 Va Uhr. 
Tagesordnung: 

1. Vereinsangelegenheiten (Vorstandswahl, Delegiertenwahl, Kassen¬ 
bericht). 

2. Aufnahme neuer Mitglieder. 

3. Besprechungen über das neue Reichsäeischbeschaugesetz. Ein¬ 
leitendes Referat von Departementstierarzt Dr. Augst ein. 

4. Vorschläge für die nächste Versammlung. 

Um 2 Uhr gemeinsames Mittagsmahl unter erwünschter Be¬ 
teiligung der Damen. 

Gäste sind herzlich willkommen. 

Anmeldung der Gedecke (Preis 4 M.) bis spätestens 12. März 
an Herrn Dr. Voirin, Frankfurta. M., Deutschherrnquai 37, erbeten. 

Diejenigen Teilnehmer, welche schon am 13. März in Frankfurt 
anwesend sind, treffen sich abends von 8 Uhr an im Kaiserhof, 
Goetheplatz. 

Departementstierarzt Dr. Augstein, Prof. Dr. Casper, 

Vorsitzender. Schriftführer. 


Staatsveterinärwesen. 

Bemerkungen zu dem Entwurf einer Novelle zum 
Reichsviehseuchengesetz. 

Von Prensse-Danzig. 

In No. 7 der B. T. W. ist der Entwurf einer Novelle zum 
Reichsviehseuchengesetz veröffentlicht, welcher die vom Kaiser¬ 


lichen Gesundheitsamt hauptsächlich nach veterinärtechnischen 
Grundsätzen aufgestellten Abänderungsvorschläge enthält. Der 
Entwurf ist das Resultat vielmonatlicher Arbeit. Es werden 
sich nunmehr die einzelnen Landesregierungen zu demselben zu 
äussern haben. Erst nachdem dies geschehen ist, kann der 
Gesetzentwurf dem Bundesrat und weiterhin dem Reichstag 
zur Beschlassfassung vorgelegt werden. Es ist demnach aus- 


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5. März 1903. 


163 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


geschlossen, dass die Viehseuchengesetznovelle noch in der gegen¬ 
wärtigen Sitzungsperiode des Reichstags zur Verhandlung kommt. 

Als im Oktober v. J. der Veterinärrat in München über 
Abänderungsvorschläge zum Viehseuchengesetz beriet, lag der 
obenerwähnte Entwurf demselben nicht vor, obgleich er der 
Hauptsache nach bereits fertiggestellt war. Dessenungeachtet 
muss mit Genugtuung konstatiert werden, dass die Vorschläge 
des Veterinärrats im allgemeinen den Abänderungen des Gesetz¬ 
entwurfs entsprechen. In der letzten Plenarversammlung des 
Deutschen Landwirtschaftsrats stand das Thema „Abänderung 
des Viehseuchengesetzes“ gleichfalls auf der Tagesordnung. Ich 
war beauftragt worden, hierüber an der Hand des nunmehr 
vorliegenden Gesetzentwurfs zu referieren, und konnte ich die 
Zustimmung hierzu nur empfehlen, was denn seitens der 
Plenarversammlung geschah. 

Was nun die einzelnen Abänderungen betrifft, so ist 
folgendes zu bemerken. 

Der Entwurf enthält eine Reihe von sachlichen, sowie von 
redaktionellen Abänderungsvorschlägen. Die letzteren bezwecken 
bei einzelnen Paragraphen grössere Klarheit und Vereinfachung 
im Ausdruck. Die wesentlichsten Änderungen nach dieser 
Richtung hin befinden sich in den §§ 1 und 2. 

Der erstere enthält eine genaue Definition des Begriffes 
„Vieh“, insbesondere Schlachtvieh. Infolge dieser Definition 
erübrigt sich auch in den späteren Gesetzesparagraphen die 
Auseinanderhaltung von Vieh und Pferd, Vieh- und Pferde¬ 
märkten, Vieh- und Pferdebeständen etc. Es ist in allen Fällen, 
in denen nicht besondere Viehgattungen gemeint sind, überall 
nur kurzweg von Vieh die Rede. Diese Vereinfachung verdient 
gegenüber der bisherigen Ausdrucksweise den Vorzug. 

In § 2 ist das Wesentlichste die Streichung des § 2 betr. 
Seuchenkommissare. Wenn es sich um den völligen Fortfall 
dieser Einrichtung handelte, so wäre diese Streichung eine 
wichtige, sachliche Änderung. Dies ist aber nicht beabsichtigt, 
sondern die Bestellung besonderer Seuchenkommissare soll in 
Zukunft der Landesgesetzgebung Vorbehalten bleiben. 

Unter den sachlichen Änderungen befinden sich eine ganze 
Reihe sehr wesentlicher und tief einschneidender Bestimmungen. 
Ich will die wichtigsten einer kurzen Besprechung unterziehen. 
Der § 6 schreibt zur Zeit vor, dass die Einfuhr von Tieren, 
welche an einer übertragbaren Seuche leiden, verboten ist. 
Nach dem Entwurf sollen auch verdächtige (also seuchen- 
und ansteckungsverdächtige) Tiere von der Einfuhr ausge¬ 
schlossen werden können, ebenso Kadaver und Teile von Tieren, 
die an einer übertragbaren Seuche gefallen oder wegen einer 
solchen getötet worden sind. Diese Änderung entspricht auch 
einem Beschlüsse des Veterinärrats (Bericht S. 171 No. 15 
der Beschlüsse). Dieselbe ist nur zu begrüssen, da sie eine 
vermehrte Handhabe bietet, um die Einschleppung der Seuchen 
aus dem Auslande zu verhindern. Wichtige Änderungen be¬ 
finden sich auch im § 8 a des Entwurfs. Derselbe entspricht dem 
§ 17 des Gesetzes. Er ist zunächst insofern präziser gefasst, 
als nunmehr bestimmt wird, dass alle Viehmärkte und öffent¬ 
lichen Schlachthäuser durch beamtete Tierärzte zu beaufsichtigen 
sind; jetzt heisst es: sie sollen beaufsichtigt werden. Der 
§ 8 a lässt auch eine erweiterte Beaufsichtigung des Handels- 
viehes zu; es heisst darin: „Dieselbe Massregel kann auch auf 
die zu Handelszwecken oder zum öffentlichen Verkauf zusammen¬ 
gebrachten Viehbestände etc., ferner auf Ställe und Betriebe 


von Viehhändlern und Abdeckern, sowie auf gewerbs¬ 
mässige Geflügelmästereien ausgedehnt werden.“ Es sind 
also eine ganze Reihe Zusätze gemacht worden; fortgefallen ist 
der Passus „in öffentlichen oder privaten Räumlichkeiten“. 
Durch diese Änderungen wird der Bewegungsfreiheit der Vete¬ 
rinärpolizei mehr Raum geschaffen,' und kann nach dem neuen 
Entwurf der Viehhandel einer noch strengeren Kontrolle unter¬ 
worfen werden, als wie dies bisher der Fall war. Da aber 
trotz dieser Ausdehnung des § 17 durch den neuen § 8 a noch 
eine ganze Reihe notwendiger Massnahmen in diesem Para¬ 
graphen keine Stütze fanden, so wurde noch § 8 b hinzugefügt, 
welcher den mit der Veterinärpolizei betrauten Behörden die 
weitesten Befugnisse gibt. § 8b bedeutet daher einen für die 
Veterinärpolizei äusserst wichtigen und hervorragenden Fort¬ 
schritt. Ein grosser Teil der unter 1 bis 12 aufgeführten 
Massnahmen entspricht den vom Veterinärrat aufgestellten For¬ 
derungen. Ich kann hierbei nur auf die diesbezüglichen Ver¬ 
handlungen verweisen (s. Bericht S. 170 ff., Beschlüsse No. 6, 
17, 18). Hier ist auch das zur Begründung Erforderliche ge¬ 
sagt worden. In dem § 8 b sind aber noch einige Punkte ent¬ 
halten, welche teilweise zwar ebenfalls vom Veterinärrat, aber 
an anderer Stelle verlangt worden sind. 

Unter No. 5 § 8b sind auch das Verbot des Umherziehens 
mit Zuchthengsten zum Decken von Stuten und die Beschränkung 
des Handels mit Vieh im Umherziehen aufgeführt worden. Die 
Aufnahme dieser Bestimmung war eigentlich überflüssig, da die¬ 
selbe bereits im § 56b der Reichsgewerbeordnung in der Fassung 
der Novelle vom 6. August 1896 enthalten ist. Im § 8b des 
Entwurfs ist dieser Punkt daher lediglich der Vollständigkeit 
halber wiederholt worden, es hätte dann aber ausser der Be¬ 
schränkung auch das Verbot des Handels mit Vieh im Umher¬ 
ziehen aufgeführt werden müssen. Der Deutsche Landwirt¬ 
schaftsrat hat in seiner Sitzung am 4. Februar d. J. auch einen 
dementsprechenden Beschluss gefasst. In No. 8 sind die Regelung 
der Einrichtung und des Betriebs von Viehmärkten etc., sowie 
auch die räumliche Trennung der Viehhöfe von den Schlacht¬ 
höfen bei Neuanlagen von solchen vorgesehen. Ich will hierbei 
bemerken, dass letztere Forderung nur bei Neuanlagen gestellt 
werden darf, erstere jedoch auch bei bereits bestehenden An¬ 
lagen. Es ist dies eine Bestimmung von grosser Tragweite, 
welche geeignet ist, die zahlreichen Schwierigkeiten zu be¬ 
seitigen, welche zur Zeit der Anordnung dieser Massregeln ent¬ 
gegenstehen. Alle die im § 8b genannten Massnahmen können 
nach der Fassung des Textes desselben angeordnet werden, 
sowohl um prophylaktisch zu wirken, als auch um abgebrochene 
Seuchen zu unterdrücken. Der § 8b enthält also keine be¬ 
stimmte Anordnung, sondern schafft den Veterinärpolizeibehörden 
nur die nötige Freiheit, um erforderlichenfalles mit aller Strenge 
einzugreifen, wenn es gilt, gefährliche Seuchen fernzuhalten 
oder sie baldmöglichst zu unterdrücken. Des weiteren kann 
nach § 8b noch angeordnet werden: die Meldepflicht für Gast- 
und Händlerställe, sowie für private Viehmärkte, ferner, was 
für uns Tierärzte von besonderer Wichtigkeit ist: die Be¬ 
schränkung des Verkehrs mit den Erregern übertragbarer 
Krankheiten der Haustiere. Es Messe Eulen nach Athen • 
tragen, wenn ich hier die Notwendigkeit dieser Forderung 
nochmals eingehend begründen wollte. Hierüber ist bereits 
sehr viel gesprochen und geschrieben worden. • Ich brauche 
auch hier nur auf die diesbezüglichen Verhandlungen in der 


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164 


letzten Veterinärratssitzung: za verweisen (Bericht S. 37). Seitens 
einzelner Regierungspräsidenten sind sogar schon Anordnungen 
getroffen worden, welche den Verkehr mit Seuchenerregern 
Beschränkungen unterwerfen, aber es hat sich doch wohl heraus¬ 
gestellt, dass mit den jetzigen gesetzlichen Hilfsmitteln auf 
diesem Wege nicht weiter fortgeschritten werden konnte. Daher 
ist die Bestimmung im § 8b No. 10 nur mit Freuden zu be- 
griissen. Dieselbe wird allerdings im Reichstag nicht unange¬ 
fochten bleiben, da, wie die Verhandlungen in der letzten 
Plenarversammlung des Deutschen Landwirtschaftsrats bewiesen 
haben, viele Landwirte den Verkehr mit Rotlaufkulturen keinen 
Beschränkungen unterworfen wissen wollen; doch werden 
hoffentlich die einsichtigeren unter denselben einsehen, wie ge¬ 
fährlich es ist, wenn solche bedenklichen Stoffe, wie die 
Seuchenerreger es sind, vogelfrei bleiben. In Betreff des 
Verkehrs mit Erregern der Menschenseuchen besteht bereits 
eine analoge Bestimmung im § 27 des ReichsseuchengesetzeB 
vom 30. Juni 1900. 

Gemäss No. 11 und 12 im § 8b können auch Anordnungen 
zur Regelung des Gewerbebetriebes der Viehkastrierer und des 
Verkehrs mit Fellen und Häuten getroffen werden, was sich 
zweifellos von grossem Vorteil erweisen wird. 

Im § 9 des Entwurfs ist eine für die beamteten Tierärzte 
wichtige Änderung enthalten. Dieselbe bestimmt, dass die 
Anzeige bei der Polizeibehörde oder einer anderen von der 
Landesregierung zu bezeichnenden Stelle gemacht werden muss. 
Hierbei ist wohl in erster Linie an den beamteten Tierarzt 
gedacht worden, da die Anzeige an diesen das Verfahren der 
Seuchenfeststellung sehr vereinfacht und auch beschleunigt. 
Diese Änderung entspricht auch einem Wunsch des Veterinärrats 
(Bericht S. 172, Beschluss No. 16). Ferner hat der Entwurf 
den KreiB der zur Anzeige Verpflichteten erweitert; es kommen 
hinzu: Hirten, Schäfer, Viehkastrierer, Fleischer. Diese Erweiterung 
ist dringend notwendig. Kurpfuscher können zur Zeit für die 
Anzeige nur dann verantwortlich gemacht werden, wenn sie 
sich gewerbsmässig mit der Ausübung der Tierheilkunde 
beschäftigen. Das Wort „gewerbsmässig“ fällt nach dem Ent¬ 
wurf glücklicherweise fort. 

Die wichtigsten Änderungen des ganzen Entwurfs enthält der 
§ 10. Dieser Paragraph enthält diejenigen Seuchenkrankheiten, 
welche mit den gesetzlichen Mitteln bekämpft werden sollen. 
Zur Zeit sind nur acht Krankheiten ständig dem Gesetz unter¬ 
stellt; drei Krankheiten sind vorübergehend für das Gebiet des 
Deutschen Reiches als anzeigepflichtig bestimmt, zwei weitere 
für einzelne Landesteile. Der Entwurf sieht als ständige 
anzeigepflichtige Seuchenkrankheiten noch vor Rauschbrand, Wild- 
und Rinderseuche, Schweineseuche und Schweinepest, Rotlauf 
der Schweine, Geflügelcholera und Hühnerpest, Tuberkulose des 
Rindviehes, sofern sie sich in der Lunge in vorgeschrittenem 
Zustand befindet oder Euter, Gebärmutter oder Darm ergriffen 
hat. Über die Notwendigkeit der Aufnahme der genannten 
Krankheiten unter die anzeigepflichtigen Seuchen brauche ich 
wohl hier kein Wort mehr zu verlieren; ich verweise auch hier 
auf die Verhandlungen der 9. Plenarversammlung des Veterinär¬ 
rats (Bericht S. 32, 140, 169). Ich will nur ein paar Worte 
in Betreff Tuberkulose binzufügen. Es ist selbstredend unaus¬ 
führbar, die Tuberkulose ganz allgemein als anzeigepflichtige 
Seuche zu bezeichnen. Bei der enormen Ausbreitung dieser 
Krankheit und bei der Unsicherheit der Diagnose besonders 


No. 10. 


der leichteren Formen würde dies auf unüberwindliche Hindernisse 
stossen. Aber auch in der jetzt vorgeschlagenen Form wird die 
Durchführung der Anzeigepflicht ihre Schwierigkeiten haben, 
denn man muss bedenken, dass in erster Linie der Besitzer, 
also ein Laie zur Anzeige verpflichtet ist, und dass er diese 
natürlich erst dann erstatten kann, wenn er zum mindesten 
Verdacht hegt. Es muss daher auch zum Ausdruck gebracht 
werden, welche Erscheinungen den Verdacht der anzeige¬ 
pflichtigen Tnberkuloseformen begründen. Dies kann selbst¬ 
redend nicht im Gesetz geschehen, dagegen wobl in der neu zu 
erlassenden Bundesratsinstruktion. Dieser Wunsch ist auch 
vom Deutschen Landwirtschaftsrat ausgesprochen worden. Ich 
kann diesen Wunsch nur für berechtigt anerkennen. Mit der 
Annahme der Einführung der Tuberkulose unter die anzeige¬ 
pflichtigen Seuchenkrankheiten wird nun endlich gegen diese so 
verderbliche Krankheit planmässig vorgegangen werden können, 
hoffentlich auch mit Erfolg. 

Am Schlüsse des § 10 hebt der Entwurf hervor, dass der 
Reichskanzler befugt sein soll, die Anzeigepflicht für einzelne 
der vorgenannten Seuchen auch wieder aufzuheben. 

§ 11 ist in dem Entwurf gestrichen, weil derselbe sich 
als überflüssig herausgestellt hat; auch der Veterinärrat hat 
sich dahin ausgesprochen (s. Bericht S. 33, 41). 

Die dem beamteten Tierarzt durch § 12 zuerteilten Befug¬ 
nisse sind nach dem Entwurf insofern erweitert worden, als der¬ 
selbe nach Vorschrift der Landesregierungen auch sonstige 
dringliche Massnahmen zur Verhütung der Weiterverbreitung 
der Seuche anordnen kann. Auch dies entspricht einem Wunsche 
des Veterinärrats (s. Bericht S. 33, 41). Im § 13 des Ent¬ 
wurfs ist die Bestimmung hinzugekommen, dass, um Gewissheit 
über einen etwaigen Seuchenausbruch zu erlangen, ausser der 
Tötung eines verdächtigen Pferdes auch die Impf- oder Blut¬ 
probe polizeilich angeordnet werden kann. Diese Vorschrift 
trägt den neueren wissenschaftlichen Forschungen Rechnung; sie 
schafft z. B. auch die Möglichkeit für eine zwangsweise Aus¬ 
führung diagnostischer Tuberkulin- und Mallei'nimpfuDgen. 

Eine nicht unwichtige Änderung enthält der § 15. Hier wird 
die den Polizeibehörden eingeräumte Befugnis auch auf den 
Bläschenausschlag, den Rotlauf, die Geflügelcholera und die 
Hühnerpest ausgedehnt. So unliebsam diese Bestimmungen sind, so 
lassen sie sich doch nicht umgehen, da bei grosser Ausbreitung 
der vorgenannten Seuchen die amtstierärztliche Feststellung 
jedes einzelnen Seuchenfalles geradezu unmöglich ist 

Der Veterinärrat hegte hierbei allerdings den Wunsch, 
dass von der nach § 15 den Polizeibehörden erteilten Befugnis 
nur nach Anordnung der Landesregierung Gebrauch gemacht 
werden möge (s. Bericht S. 33, 42). Dieser Wunsch hat im 
Entwurf keine Berücksichtigung gefunden, dagegen der weitere 
Wunsch: die Worte „oder in dessen Umgegend“ zu streichen. 

Die Befugnis der Polizeibehörden, von der weiteren Zu¬ 
ziehung des beamteten Tierarztes abzusehen, erstreckt sich daher 
nur auf den Seuchenort selbst. Abs. 2 ist gemäss der Streichung 
des § 11 gestrichen. § 17 fällt im Entwurf fort; an dessen 
Stelle treten die §§ 8a und 8b. Von § 18 ist der ganze 
1. Satz gefallen. Wie schon in der Veterinärratssitzung hervor¬ 
gehoben wurde (s. Bericht S. 34), beschränkt die jetzige Fassung 
des § 18 die Anwendung der in den §§ 19 und 29 aufgeführten 
Massregeln erheblich, wie verschiedene Gerichtsentscheidungen 
bewiesen haben. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT 


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5. März 1903. 


Daher schlag der Veterinärrat bereits eine andere Fassung 
des § 18 vor (s. Bericht S. 170, Beschluss No. 7.) Die Fassung 
im Entwurf ist zwar etwas anders, sie bezweckt aber im Prinzip 
dasselbe; ob sie gegenüber der vom Veterinärrat vorgeschlagenen 
Fassung den Vorzug verdient, möchte ich dahingestellt sein 
lassen, ich kann sie nicht für sehr glücklich halten. 

Zu § 19 ist ein sehr wichtiger Zusatz gemacht worden; 
nach dem Entwurf können nunmehr auch Anordnungen betr. 
Beschränkung des Personenverkehrs mit strafrechtlichen Folgen 
getroffen werden, zur Zeit ist dies auf Grund des Viehseuchen¬ 
gesetzes nicht möglich, da nirgends eine Bestimmung enthalten 
ist, wonach Personen bestraft werden können, welche entgegen 
der Weisung der Besitzer verseuchte Ställe etc. betreten haben. 
Auch hierauf hat der Veterinärrat aufmerksam gemacht. Der 
Beschluss desselben, welcher allerdings zu § 20 gefasst worden 
ist, deckt sich vollkommen mit den Änderungen im § 19 des 
Entwurfs (s. Bericht S. 35, 36 nnd 45). Der § 20 des Ent¬ 
wurfs enthält mehrere nicht unwesentliche Zusätze. Hiernach 
können nicht nur Beschränkungen im Transport, sondern auch 
in der Benutzung der für die Seuche empfänglichen Tiere und 
solcher Tiere, welche geeignet sind die Seuche zu verschleppen, 
angeordnet werden. Diese Änderung ist insofern wichtig, als 
darnach z. B. Pferde, die in durch Maul- und Klauenseuche be¬ 
troffenen Ställen untergebracht gewesen sind, nicht mehr un¬ 
beschränkt benutzt werden dürfen. Die Bestimmung des letzten 
Absatzes des § 20 des Entwurfs ist zwar schon im § 6 ent¬ 
halten, hier ist jedoch insofern noch eine Verschärfung ent¬ 
halten als durch den Zusatz „ausserhalb des Sitzes der Handels¬ 
niederlassung“ Umgehungen der den Handel mit Tieren im Um¬ 
herziehen beschränkenden oder verbietenden Anordnungen ver¬ 
mieden werden können. Nach § 21 Abs. 2 des Entwurfs darf 
auch das freie Umherlaufenlassen von Schweinen und von Ge¬ 
flügel verboten werden, es ist dies gewiss eine nicht zu unter¬ 
schätzende Massregel. Auch § 22 des Entwurfs enthält Ver¬ 
schärfungen. Der Abs. 2 heisst: die Sperre der Feldmark und 
des sonstigen Sperrgebietes darf erst dann verfügt werden, wenn 
der Ausbruch der Seuche durch das Gutachten des beamteten 
Tierarztes festgestellt ist. Hier kommen in Wegfall die Worte 
„des Gehöftes, des Ortes, der Weide.“ Diese können also nach 
den neuen Vorschriften auch schon vor der amtstierärztlichen 
Seuchenfeststellung gesperrt werden, was zur Zeit nicht an¬ 
gängig ist Die Änderungen in den folgenden §§ 23 bis 26 sind 
weniger wichtig und mehr redaktioneller Art. Ich will nur 
hervorheben, dass § 23 Abs. 2 im Entwurf weggefallen ist. 
Dieselbe, welche sich auf die Zulässigkeit der polizeilichen An¬ 
ordnung der Impfling und tierärztlichen Behandlung bezieht, ist 
infolge anderer neuerer Vorschriften überflüssig geworden. 
Nach § 27 des Entwurfs kann auch die Desinfektion von Wegen, 
von Tieren, von Streu- und Futtervorräten angeordnet werden. 
Auch dieses entspricht teilweise einem Veterinärratsbeschluss 
(Bericht S. 173, Beschluss No. 24). 

Nach § 29 des Entwurfs kann auch die Kennzeichnung 
kranker und verdächtiger Tiere angeordnet werden. Ich komme 
hierauf noch bei der Tuberkulose zu sprechen. Es hat sich als 
zweckmässiger erwiesen, die Stelle im § 1 der Bundesrats¬ 
instruktion, wonach weitergehende Massnahmen nur von den 
obersten Landesbehörden oder mit Genehmigung derselben er¬ 
lassen werden dürfen, in das Gesetz selbst zu übernehmen. 
Dieses ist durch einen Zusatz zu § 30 des Entwürfe geschehen. 


165 

Die Änderungen in den nächstfolgenden Paragraphen, welche 
besondere Vorschriften für Bekämpfung der einzelnen Seuchen 
enthalten, sind zum Teil die Konsequenz der Änderungen im 
§ 10 des Entwurfs. Bei der Tollwut kommt hinzu, dass nun¬ 
mehr auch die Tötung wutverdächtiger Tiere angeordnet 
werden kann. Auch ist der Begriff Ansteckungsverdacht bei 
der Tollwut erweitert. Die dreimonatige Absperrung ist nur 
bezügl. ansteckungsverdächtiger, nicht wutverdächtiger Hunde 
zugelassen. Das Wort „Wurm“ kommt in dem Entwurf nicht 
mehr vor. Der Veterinärrat hatte einen dahingehenden Be¬ 
schluss gefasst (Bericht S. 171, Beschluss No. 12). Zur Tötung 
verdächtiger Pferde ist für den Fall § 42, Abs. 3 nach dem 
Entwurf ein Antrag des Besitzers nicht mehr erforderlich, was 
von grossem Vorteil bezeichnet werden muss. Der zu § 42 von 
dem Veterinärrat gefasste Beschluss, wonach bei einem Seuche¬ 
ausbruch in einem Pferdebestand von weniger als 40 Haupt, 
wenn mehr als der dritte Teil ergriffen ist, die Tötung des 
Viehbestandes angeordnet werden muss (Bericht S. 171, Be¬ 
schluss No. 13), ist im Entwurf nicht berücksichtigt. Dagegen 
entspricht die Änderung im § 44 a des Entwurfs, wonach bei 
Ausbruch von Maul- und Klauenseuche das Weggeben von 
Milch aus dem Seuchengehöft verboten werden muss (nicht kann, 
wie jetzt) wieder einem Beschlüsse des Veterinärrates (Bericht 
S. 173, Beschluss No. 20). Neu ist § 44b, welcher eventuell 
auch die polizeiliche Anordnung der Tötung maul- und klauen¬ 
seuchekranker und verdächtiger Tiere zulässt. Auch hier¬ 
über hat sich der Veterinärrat in gleichem Sinne geäussert 
(S. 173, Beschluss No. 21a). Selbstredend wird hierfür Ent¬ 
schädigung gewährt werden und zwar zum vollen Werte, natür¬ 
lich abzüglich etwaiger dem Besitzer zur Verfügung bleibender 
Teile. Im § 45 des Entwurfs ist Absatz 2 des Gesetzes fortge- 
lassen worden, welcher von der polizeilichen Anordnung der 
Schutzimpfung lungenseucheverdächtiger Viehbestände handelt. 
Ich bemerke hierbei, dass dieser Passus ursprünglich nicht im 
Gesetz enthalten gewesen, sondern durch die Novelle vom 
1. Mai hinzugesetzt worden fet. Der Wunsch des Veterinär¬ 
rates, wonach ein Verbot der Schutzimpfung gegen Lungen¬ 
seuche der Rinder ausgesprochen werden müsste, ist nicht be¬ 
rücksichtigt. Es ist dies aber nicht geschehen, weil man dessen 
Berechtigung etwa nicht anerkannt hätte, sondern weil anzu¬ 
nehmen ist, dass die Lnngenseuche in absehbarer Zeit aus 
Deutschland verschwunden sein wird. Nach den letzten Seuchen¬ 
nachrichten herrschte sie in ganz Deutschland nur in einem Gehöft. 

Die Bestimmungen des Entwurfs, welche vom Bläschen¬ 
ausschlag handeln, sind insofern gegen den bisherigen Zustand 
verschärft, als auch verdächtige und ansteckungsverdächtige 
Tiere bis zur Erklärung ihrer Unverdächtigkeit von der Be¬ 
gattung ausgeschlossen werden müssen. Diese Verschärfung 
bildet eine wesentliche Verbesserung der zur Bekämpfung dieser 
Seuche dienenden Massregeln. Dasselbe gilt für den Zusatz 
zu § 52, wonach nicht nur für räudekranke, sondern auch für 
verdächtige Tiere und Schafherden, in denen die Räude herrscht, 
eine tierärztliche Behandlung angeordnet werden kann, es ist 
nur zu bedauern, dass hier wieder gesagt worden ist „kann“ 
statt „muss“ (s. Bericht des Vet-Rats S. 174, Beschluss No. 30). 
Neu hinzugekommen sind nun die §§ 52 a, 52 b, 52 c und 52 d. 
Dieselben enthalten die Massnahmen, welche gegen die neu- 
aufgenommenen anzeigepflichtigen Seuchen zur Anwendung 
kommen sollen. In betreff Schweineseuche und Schweinepest 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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166 

war es nur natürlich, dass die Zulässigkeit der polizeilichen 
Anordnung der Tötung kranker und verdächtiger Tiere in 
den Entwurf mit aufgenommen worden ist. Die Tötung ist das 
beste Mittel, um diesen Seuchen wirksam zu begegnen, der dies¬ 
bezügliche Beschluss des Veterinärrats geht jedoch weiter als 
der Entwurf (Bericht S. 175, Beschluss No. 35). Letzterer 
spricht auch wieder nur von „können“ und nicht von „müssen“. 
Wenn man aber bedenkt, welche grosse finanzielle Tragweite 
die Bestimmung in § 52 a ohnehin haben wird, so kann man 
wohl verstehen, wenn zunächst die etwas mildere Fassung ge¬ 
wählt worden ist. Vom veterinärpolizeilichen Standpunkt aus 
muss jedoch immer wieder hervorgehoben werden, dass, was 
die Tötungen kranker und verdächtiger Schweine anbetrifft, 
nicht radikal genug verfahren werden kann. Der § 52 b regelt 
die Frage, unter welchen Bedingungen Schutzimpfungen gegen 
Botlauf polizeilich angeordnet werden dürfen, in einer be¬ 
friedigenden Weise, etwas mehr Bestimmtheit könnte jedoch 
auch hier nichts schaden. 

Dasselbe gilt auch für § 52 c betr. Geflügelcholera und 
Hühnerpest. Im übrigen ist die Anordnung der Tötung in 
der hier vorgeschlagenen Form, welche genau dem § 44 b ent¬ 
spricht, im Interesse einer wirksamen Seuchenbekämpfung nur 
zu begrüssen. 

Ein völliges Novum in der Viehsenchengesetzgebung ist 
nun § 52 d. Da nun aber einmal die Tuberkulose unter die 
anzeigepflichtigen Seuchen aufgenommen werden soll, so müssen 
natürlich auch Bekämpfungsmassregeln in Vorschlag gebracht 
werden. Ich muss gestehen, dass die Massnahmen im § 52 d 
das geringste Mass dessen bilden, was angeordnet werden muss, 
wenn überhaupt der gesetzliche Kampf gegen die Tuberkulose 
Erfolg haben soll. Ohne zwangsweise Tötung der hochgradig 
tuberkulösen Tiere kann von einer wirksamen Bekämpfung nicht 
die Rede sein. 

Der Entwurf setzt eine Frist von 6 bis 10 Wochen 
fest, innerhalb welcher die Tötung ausgeführt werden muss. 
Diese lange Frist ist eine billige Rücksichtnahme auf wirt¬ 
schaftliche Interessen, welche um so unbedenklicher sind, als ja 
doch durch die anderen Massnahmen Kennzeichnung, Separation, 
Desinfektion, Beschränkung der Milchverwertung, einer Weiter¬ 
verbreitung der Seuche vorgebeugt werden kann. Sehr wichtig 
ist, dass diese Massnahmen auch auf solche Tiere zutreffen, 
bezüglich welcher der Ausbruch einer der im Gesetz genannten 
Tuberkulose-Formen amtstierärztlich für wahrscheinlich erklärt 
worden ist. Welche Massnahmen ausser der Tötung noch ge¬ 
troffen werden können, bleibt dahingestellt. Dieselben dürfen 
jedoch nicht über den Rahmen der in den §§ 19, 20, 27 enthaltenen 
Vorschriften hinausgehen. Sehr zu begrüssen sind die Be¬ 
stimmungen in den Abs. 2 u. 3 betr. die Milch tuberkulöser 
Kühe. Dieselben entsprechen allgemeinen hygienischen Forde¬ 
rungen, sie dienen insbesondere auch zum Schutze der Nachzucht. 

In vorstehendem habe ich die wesentlichsten Änderungen 
des Reichsviehseuchengesetzes besprochen. Ich will nur noch 
mit ein paar Worten auf die Entschädigungen eingehen. Hier 
soll prinzipiell nichts geändert werden. Entsprechend der Auf¬ 
nahme der Schweineseuche etc. und der Tuberkulose unter die 
anzeigepflichtigen Krankheiten mussten dieselben auch bei der 
Entschädigungsfrage Berücksichtigung finden. Es ist nun im 
Entwurf vorgeschlagen, dass bei der Entschädigung tuberkulöser 
Tiere der Minderwert, den dieselben durch die Krankheit erlitten 


No. 10. 


haben, mit in Betracht gezogen werden soll, bei Schweineseuche 
etc. nicht. Für Schweineseuche und pestkranke Tiere sollen 
vier Fünftel des berechneten Wertes, für tuberkulöse Rinder 
vier Fünftel des gemeinen Wertes entschädigt werden. Letzteres 
möchte ich insofern für etwas hart halten, als dann in vielen 
Fällen nicht viel herauskommen dürfte, zumal da ja auch der 
Wert der dem Besitzer zur Verfügung bleibenden Teile in Ab¬ 
zug gebracht werden soll. Ich möchte daher entsprechend den 
Beschlüssen des Deutschen Landwirtschaftsrats und der Deutschen 
LandwirtschaftsgesellBchaft vorschlagen, dass für tuberkulöse 
Rinder volle Entschädigung nach dem gemeinen Werte gezahlt 
wird. Nach § 61 des Entwurfs wird keine Entschädigung ge¬ 
währt für Tiere, bei welchen innerhalb 14 Tagen nach der 
Einführung in das Reichsgebiet die Maul- und Klauenseuche, inner¬ 
halb 180 Tagen die Schweineseuche oder Schweinepest und 
innerhalb 270 Tagen die Tuberkulose festgeBtellt wird. Ferner 
soll auch für Geflügel, welches mit der Geflügelcholera oderHühner- 
pest behaftet befunden ist, keine Entschädigung gewährt werden. 
Die Änderungen der übrigen, insbesondere auch der auf die 
Strafvorschriften bezüglichen Paragraphen sind nur die Konse¬ 
quenz der vorhergegangenen Änderungen. Ich will nur noch 
erwähnen, dass sich nach dem Entwurf auch derjenige straf¬ 
bar macht, welcher auf polizeiliche Anordnung vergrabene 
Kadaver oder Teile solcher unbefugt ausgräbt. Es ist dies ein 
nicht unwichtiger Zusatz. Jetzt macht es oft grosse Schwierig¬ 
keiten, solche Personen, welche unbefugt Wiederausgrabungen 
vornehmen, strafrechtlich zu belangen, Bofern man nicht andere 
Gesetzesbestimmungen, z. B. das Nahrnngsmittelgesetz, gegen 
sie zur Anwendung bringen kann. 

Im Anschluss an diese Besprechung des neuen Gesetzentwurfs 
möchte ich noch mit paar Worten auf die Beschlüsse des 
Deutschen Landwirtschaftsrats eingehen. Der 1. Beschluss lautet: 

Dem vom Herrn Reichskanzler vorgelegten Entwurf 
einer Novelle zum Reichs-Viehseuchengesetz ist im Interesse 
der wirksamen Bekämpfung der Seuchen unter Berück¬ 
sichtigung der zu § 8b No. 5 und § 59 von der Kommission 
vorgeschlagenen Änderungen im allgemeinen zuzustimmen. 

Diesem Beschluss wird man auch vom veterinärtechnischen 
Standpunkt nur beipflichten können. Die vorerwähnten Ände¬ 
rungen, auf welche ich in der Besprechung der einzelnen Para¬ 
graphen schon hingewiesen habe, lauten: 

1. in § 8b No. 5 nach den Worten „Decken von Stuten 
und“ einzufügen „Verbot oder“, 

2. in § 59 für die Tuberkulose die Entschädigung auf 
den vollen gemeinen Wert statt auf *l t festzusetzen. 

Es sind dann noch folgende Anträge angenommen worden: 
Im § 7 Abs. 1 sind die Worte „in einem für den inländischen 
Viehbestand bedrohlichen Umfange“ zu streichen. Ich möchte 
diese Änderung nicht für unbedenklich halten, da sie geradezu 
einem Einfuhrverbot gleichkommt. Im § 7 Abs. 2 sollen ferner 
noch die Worte „soweit erforderlich“ gestrichen werden. Be¬ 
züglich der Tuberkulose wurden sodann noch folgende Be¬ 
schlüsse gefasst: 

a) Zu §§ 9, 10, die Anzeigepflicht bei Tuberkulose ist für 
Laien auf die äusserlich deutlich in die ErBcheinnng tretenden, 
leicht erkennbaren Anzeichen der in § 10 Nr. 12 bezeichneten 
Tuberkulose zu beschränken. Diese Anzeichen sind ausdrück¬ 
lich, einzeln im Gesetz oder in der Bundesrats-Instruktion 
aufzuführen. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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5. März 1903. 

b) Zu § 52 d 1. In Zeile 5 sind die Worte „einer dieser 
Tuberkuloseformen“ zu streichen und zu ersetzen durch folgende 
Worte „der Lungentuberkulose“; 2. der letzte Satz des Absatz 1 
„Zugleich etc.“ ist zu streichen. Statt dessen ist zu setzen: 
„Zagleich ist während dieser Fristen die Isolierung der gekenn¬ 
zeichneten Tiere und die Desinfektion ihrer Stände anzuordnen. 

In Betreff des Antrages a, den man nur für berechtigt 
halten kann, wurde Berücksichtigung bei Erlass der Instruktion 
zugesagt. Bei Beschluss b wurde hervorgehoben, dass nur die 
Lungentuberkulose noch Schwierigkeiten bei der Diagnose, 
selbst im vorgeschrittenen Stadium mache und dass daher nur 
bezüglich dieser die Wahrscheinlichkeitserklärung berücksichtigt 
werden brauche. Dieser Ansicht möchte ich mich nicht an- 
schliessen, da sich auch andere Tuberkuloseformen nicht immer 
mit positiver Sicherheit intra vitam feststellen lassen. Bei der 
Fassung des Beschlusses b Abs. 2 hat die Befürchtung obge¬ 
waltet, dass nach dem Entwurf eventuell alle möglichen Sperr- 
massregeln angeordnet werden könnten, daher sollen diese im 
Gesetz genauer präzisiert werden. 

Schliesslich gelangten noch folgende beide Resolutionen zur 
Annahme: 

a) zu § 8b No. 6 der Vorlage. 

Der Deutsche Landwirtsohaftsrat hält die allgemeine 
Herstellung von Viehladestellen mit undurchlässigem 
Boden, namentlich auf den Verladestellen mit regel¬ 
mässigem Markt- und Handelsverkehr für dringend geboten; 

b) zu dem Anträge des Landeskulturrats für das Königreich 
Sachsen betreffend den Umzug von Stallschweizern. 

Der Deutsche Landwirtschaftsrat macht die Land¬ 
wirtschaftskammern und landwirtschaftlichenZentralvereino 
darauf aufmerksam, dass durch den häufig eintretenden 
Umzug von Stallschweizern Gefahren in bezug auf die 
Verschleppung von Viehseuchen, namentlich der Maul¬ 
und Klauenseuche entstehen können. Er fragt an, ob 
Erfahrungen in dieser Beziehung gemacht Bind und ob 
Vorschläge zur Beseitigung dieser Gefahren vorgeschlagen 
werden. 

Vom veterinärtechnischen Standpunkt aus wird man gegen 
diese Resolutionen kaum etwas einzuwendeu haben. 

Die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft hat sodann noch 
den Beschluss gefasst, zu beantragen, dass auch der infektiöse 
Scheide- und Gebärmutterkatarrh unter die anzeigepflichtigen 
Seuchen aufgenommen werde. 

Der deutsche Veterinärrat hat diese Aufnahme nicht 
empfehlen können, da dessen Wesen und Tilgbarkeit noch nicht 
genügend geklärt ist. Der deutsche Landwirtschaftsrat hat 
sich hierzu stillschweigend verhalten. Da diese Seuche zur 
Zeit nur einzelne Gebiete des Deutschen Reichs bevorzugt, in 
Westpreussen z. B. ganz unbekannt ist, so liegt meines Er¬ 
achtens nach zu einer derartigen Anordnung zur Zeit kein Grund 
vor. Der Reichskanzler hat ja ohnedies die Befugnis, die 
Anzeigepflicht vorübergehend auch für andere, als nur die im 
Gesetz genannten Seuchen einzuführen. 

Aus dem Reichstag. 

Beim Etat des Reichs-Gesundheitsamtes wurde auch über 
Viehseuchen debattiert. Bei dieser Gelegenheit konstatierte 
der Abgeordnete Professor Hoffmann, dass die Landwirtschaft 


167 


den Wert der Veterinärpolizei jetzt erkenne und daher auch 
den Tierärzten freundlicher als früher gegenüberstehe. Im 
übrigen habe die öffentliche Tiermedizin jetzt eine solche Wich¬ 
tigkeit erlangt, dass es sich empfehlen würde, ihr eine von 
Reichswegen anerkannte Vertretung zu geben und daher den 
Deutschen Veterinärrat mit ähnlichen Befugnissen wie den 
Deutschen Landwirtschaftsrat auszustatten. 

Bemerkenswert waren Mitteilungen des Staatssekretärs 
v. Posadowsky über die Maul- und Klauenseuche-Epidemie im 
Reg.-Bez. Koblenz und über die Verunreinigung der Flussläufe 
durch Wässern von Milzbrandfellen. Exz. v. P. sagte: 

Der Regierungsbezirk Koblenz war vom 15. Juli 1901 bis zum 
15. April 1902 seuchenfrei. Vom 15. April bis zum 31. Mai 1902 
waren 1 bis 3 Gehöfte in zwei Kreisen verseucht; vom 1. Juni bis 
zum 15. Juli 1902 herrschte wieder Seuchenfreiheit. Da verseuchten 
plötzlich im Kreise Simmern 20 Gehöfte; die Seuche ergriff auch 
Nachbarkreise. Am 15 September 1902 waren im Regierungsbezirk 
Koblenz wieder 79 Gehöfte verseucht -- in der ganzen übrigen 
Monarchie nur 5 Gehöfte, und zwar im Osten; der ganze Westen 
war seuchenfrei. 

Nun, meine Herren, liegen gerade im Hunsrück die Verhältnisse 
besonders schwierig, weil dort die Ortschafien so eng an einander 
gebaut sind, und dadurch die Durchführung der Desinfektionsraass- 
regeln sehr erschwert wird, und weil ferner die Bevölkerung es 
liebt, sehr häufig mit ihrem Viehbestand zu wechseln. Es sind 
deshalb auch besonders viele kleine Viehhändler im Hunsrück tätig. 
Deshalb war es besonders wichtig, ein Marktverbot für einen 
grösseren bezirk zu erlassen. Es wurde ein Seuchenkommissar be¬ 
stellt, und es wurden von Berlin aus drei Tierärzte in den Bezirk 
gesandt, die mit allem Nachdruck der Seuche Herr zu werdeu 
suchten. Es gelang denn auch, die Seuche Ende Oktober zu unter¬ 
drücken; die Marktverbote wurden daher Anfang November auf¬ 
gehoben. Wider Erwarten brach Mitte Dezember im Kreise Simmern 
die Seuche von neuem aus. Am 15. Dezember waren 16 Gehöfte 
in 3 Gemeinden, am 31. Dezember 21 Gehöfte, am 15. Januar 1903 
20 Gehöfte in 5 Gemeinden, am 31. Januar 13 Gehöfte, am 
15. Februar noch 5 Gehöfte in 4 Gemeinden verseucht. Die neue 
Seuchengefahr machte wieder energische Massregeln erforderlich; 
es hatte sich herausgestellt, dass bei den schlechten baulichen Ver¬ 
hältnissen die Abtötnng des Ansteckungsstoffes durch die Des¬ 
infektion nicht gelungen war. Auf die Marktvcbote musste deshalb 
um so grösserer Nachdruck gelegt werden, als nachgewiesen war, 
dass die Seuche bei ihrem ersten Auftreten im September 1902 
durch einen Markt strahlenförmig in der Gegend verbreitet worden 
war. Da sich die Senche in den übrigen Kreisen, in denen die 
Märkte verboten sind, bisher nicht gezeigt hat, kann angenommen 
werden, dass es gelungen ist, Übertragungen aus dem Kreise 
Simmern zu verhüten. Der Regierungspräsident in Koblenz ist 
daher vor etwa 10 Tagen angewiesen worden, die Marktsperre in 
allen Kreisen bis auf Simmern, wo die Seuche noch herrscht, auf¬ 
zuheben, da die wirtschaftlichen Nachteile durchaus nicht verkannt 
werden, und eine Milderung der Massnahmen der Veterinärpolizei 
jetzt zulässig erscheint. 

Ob auch im Kreise Simmern Erleichterungen einfreten können, 
unterliegt der Erwägung. Es fällt hierbei ungünstig ins Gewicht, 
dass die verseuchten Gemeinden fast in der Mitte des Kreises liegen. 

Was speziell die Marktverbote betrifft, so ist schon nach¬ 
gelassen, dass man sie auf einzelne Teile und Strassen grösserer 
geschlossener Orte beschränkt. 

Ich habe meine Ausführungen damit begonnen, dass ich er¬ 
klärte, uns ist sehr wohl bewusst, welch schwere Opfer von einzelnen 
Gemeinden und einzelnen Besitzern gebracht werden müssen, um 
diese strengen Massregeln durchzuführen; aber ich glaube, eine 
wesentliche Milderung der gesetzlichen Massregeln wird im Gesamt¬ 
interesse der deutschen Viehzucht kaum möglich sein. (Sehr richtig!) 
Wir sind ja im Begriff, eine Novelle zum Viehseuchengesetz vor¬ 
zubereiten. Diese vorliegende Frage wird bei dieser Gelegenheit 
auf das gründlichste von nenem erwogen werden. Ich bitte aber, 
in bezug auf etwaige Milderung der Bestimmungen keine zu grossen 
Hoffnungen zu hegen. Das Gesamtinteresse der deutschen Vieh¬ 
zucht muss hier jedem Einzelinteres-ie vorangehen. 

Was speziell die Frage des Milzbrandes betrifft, so ist schon 
darauf bingewiesen worden, dass das Reichsgesundheitsamt eine 
Bekanntmachung erlassen hat, die zu den nötigen Vorsichtsmass- 
regeln ermahnt. Es ist das keine neue, sondern nur die Um¬ 
arbeitung einer weit älteren Bekanntmachung. Darin ist besonders 
empfohlen, die Haare und andere Abfälle des Gerbverfahrens voll¬ 
kommen sicher zu beseitigen, am besten durch Feuer. Es ist un¬ 
zweifelhaft, dass noch jetzt, namentlich von kleineren Gerbereien, 
die Felle im fliessenden Wasser geweicht und gereinigt werden, 
und dass damit auch die Gefahr der Verbreitung des Milzbrandes 
verbunden ist. Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus wird jetzt 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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No. 10. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


diese Frage zur Entscheidung kommen in dem Streit, der zwischen 
nohenzollern und Württemberg wegen Verunreinigung des Schmcie- 
flusses schwebt. In Ebingen sind nämlich eine Anzahl kleiner 
Gerbereien, die im Schmeiefluss ihre Felle reinigen. In diesem 
Streit wird das Reichsgesundheitsamt sich mit der Frage eingehend 
beschäftigen, inwieweit diese Verrichtungen gesundheitspolizeilich 
zulässig sind, und inwieweit eventuell Beschränkungen eintreten 
müssen. Es wird dann weiter die Frage sein, ob durch eine Ver¬ 
ordnung des Bundesrats oder eventuell durch ein Gesetz die Gefahr 
der Verseuchung von Flussläufen durch das Wässern von Tierfellen 
zu beseitigen ist. 


Tierseuchen in Deutschland im II. Quartal 1902. 


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„ WestpreuBsen 

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— 

„ Brandenburg . 

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143 

— 

6 

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3 

813 

„ Pommern . . . 

3 

1 175 

10 

19 

— 

— 

3 7 

— 

— 

„ Posen .... 

4 

77 

67 

101 

i 

16 

3 6 

— 

— 

„ Schlesien . . . 

2 

167 123 

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4 

23 

2^ 102 

— 


„ Sachsen . . . 

1 

128 

62 

188 


— 

35 168 

24 

2 652 

„ Schleswig . . . 

— 

— 

45 

68 

2 

8 

35 106 

2 

156 

„ Hannover . . . 

— 

52 

31 

174 

1 

2 

29 167.224 

13 210 

„ Westfalen . . . 

-— 

— 

53 

66 

3 

34 

17 91 

38 

3 340 

„ Hessen .... 

2 

79 

67 

69 

— 

71 

671 178 

69 

5 039 

„ Rheinprovinz. . 

6 

95 

84 

101 

1 

— 

41 239 

4 

848 

Hobenz.-Sigmaringen 

— 

— 

8 

10 

— 

— 

2 32 

2 

244 

Preussen zusammen . 

26 

6 045 

685 

1118 

19 

1893042235366 

26172 

Bayern. 

24 

583 

48 

52 

7 

18 

92 319. 29 

1738 

Sachsen . 

— 

— 

70 

78 

2 

8 

9 24 

1 

— 

Württemberg.... 

22 

1 570 

38 

44 

— 

— 

76| 292 

19 

1 183 

Baden . 

10 

229 

12 

12 

—- 

— 

44 327 

11 

34 

Hessen. 

11 

238 

10 

' 12 

— 

— 

21 185 

9 

1 717 

Mecklenburg-Schwerin 

— 

— 

1 

1 

— 

— 

5 169 

1 


Sachsen-Weimar . . 

— 

— 

18 

29 

— 

— 

15: 145 

6 

84 

Mecklenburg-Strelitz . 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

—, — 

— 

— 

Oldenburg . 

— 

— 

3 

4 

— 

- 

1 1 

1 

— 

Braunschweig . . . 

— 

— 

13 

17 

— 

— 

5 7 

6 

75 

Sachsen-Meiningen. . 

— 

— 

2 

2 

— 

— 

4 27 

2 


Sachsen-Altenburg 

- 

— 

7 

8 

— 

— 

3| 8 

— 

— 

Sachsen-Koburg-Gotha 

— 

— 

1 

1 

— 

— 

2 12 

2 

1 600 

Anhalt. 

— 

— 

12 

14 

— 

— 

—i — 

2 

173 

Schwarzburg-Sondersh 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— _ 

1 

— 

Schwarzburg-Rudolst. 

— 

— 

2 

2 

— 

— 

2 15 

— 

— 

Waldeck. 

— 

— 

1 

2 

— 

— 

4 32 

1 

— 

Reuss ä. L. 

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— 

1 

1 

— 

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— — 

— 

— 

Reuss j. L. 

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— 

3 

3 

— 

— 

2 9 

2 

— 

Schaumburg-Lippe. . 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

—1 — 

— 

— 

Lippe . 

— 

— 

2 

2 

— 

— 

— — 

2 

252 

Lübeck. 

— 

— 

1 

1 

— 

— 

—I — 

— 

— 

Bremen. 

— 

— 

1 

1 

1 

1 

li 1 

— 

— 

Hamburg. 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

—1 — 

2 

7 

Elsass-Lothringen . . 

16 

367 

13 

15 

1 

2 

15| 99 

0 

41 

Deutsches Reich . . 

109 

9 032^944,1419 

30218605,3907469, 33 076 


>) Die gefährdeten, d. h. auf den neubetroffenen Gehöften be¬ 
findlichen Bestände betrafen von den einzelnen Tiergattungen für 
das Deutsche Reich berechnet: 3 241 Rinder, 4 716 Schafe, 
33 Ziegen, 1042 Schweine. Hiervon kamen auf Preussen 
1 554 Rinder, 3 874 Schafe, 12 Ziegen und 605 Schweine. 

*) Unter den erkrankten Tieren befanden sich 83 Pferde, 
1091 Rinder, 277 Schafe, 14 Schweine und 4 Ziegen. Hiervon 
entfielen auf Preussen 29 Pferde, 805 Rinder, 270 Schafe und 
14 Schweine. 

3) Am Beginn des Quartals waren verseucht 33 Gemeinden 
(davon in Preussen 24, Baden 3, Bayern 2, Sachsen, Württemberg, 
Mecklenburg-Schwerin und Braunschweig je 1). Am Schluss des 
Quartals blieben verseucht 24 Gemeinden (davon in Preussen 19, 
Bayern 4, Sachsen 1). 

4 ) D. h. gefallene oder getötete Tiere. 


An Rauschbrand verendeten in den nachbenannten Staaten: 
Preussen 123 Rinder, wovon 35 Fälle im R.-B. Münster, 19 in 
Aachen, 18 in Düsseldorf, 14 in Wiesbaden, 9 in Schleswig, 7 in 
Kassel, je 5 in Stade und Aurich, 4 in Arnsberg, 2 in Koblenz und 
je 1 in Gumbinnen, Potsdam, Posen, Liegnitz, Osnabrück gemeldet 
wurden; Bayern 1 Schaf und 58 Rinder, Sachsen 1 Rind, Württem¬ 
berg desgl. 15, Baden desgl. 2, Hessen 15 Schafe und 15 Rinder, 
Braunschweig 1 Rind, Sachsen-Meiningen 2 Schafe und 12 Rinder, 
Sachsen-Altenburg, Anhalt, Elsass-Lothringen je 1 Rind. Zusammen 
18 Schafe und 230 Rinder. 

Von der Tollwut wurden im ganzen 169 Gemeinden betroffen, 
die sich wie folgt verteilen: Preussen 148 (wovon in den R.-B. 
Oppeln 31, Gumbinnen 27, Breslau 20, Posen 17, Marienwerder 16, 
Königsberg 15, Bromberg 11, Köslin 3, Liegnitz 2, Danzig, Frankfurt, 
Stettin, Magdeburg, Minden, Düsseldorf je 1); Bayern 9, Sachsen 6, 
Sachsen Weimar 2, Sachsen-Altenbürg, Reuss j. L. 1. 

Die Lungenseuche herrschte in den preuss. Regierungs¬ 
bezirken Magdeburg, Merseburg und Oppeln. Nur in letzterem 
R.-B. kam ein Neuausbruch in 1 Gern. (1 Gehöft) vor, der auch am 
Ende des Quartals noch nicht erloschen war. Dagegen handelte 
es sich bei den Reg.-Bez. Magdeburg (9 Gern, und 14 Gehöfte) und 
Merseburg (1 Gern. u. 1 Gehöft) um Seuchenherde vom Vorquartal. 
Während aber der Reg.-Bez. Merseburg bis zum Quartalsschluss 
seuchefrei wurde, erhielt sich die Seuche im Reg.-Bez. Magdeburg 
nach Erlöschen in 4 Gern. (8 Geh.) noch in 5 Gemeinden und 
6 Gehöften. 

Die Pferderäude befiel 128 Pferde, von denen 48 auf 
Preussen, 54 auf Bayern, 7 auf Württemberg und 19 auf Elsass- 
Lothringen kamen. 

Die Rotlaufseuche der Schweine kam in folgender Ver¬ 
breitung vor: Es erkrankten im Deutschen Reiche in 3192 neu 
betroffenen Gemeinden (5562 Gehöften) 9116 Stück, von denen 
7935 fielen oder getötet wurden. Auf Preussen kamen davon in 
2758 Gemeinden (4956 Gehöften) 8108 Erkrankungsfälle, wobei die 
R.-B. Posen mit 438, Königsberg mit 255, Oppeln mit 249, Brom¬ 
berg mit 201, Marienwerder mit 153, Gumbinnen mit 150, Pots¬ 
dam mit 137, Breslau mit 135, Magdeburg mit 111, Liegnitz mit 110 
und Frankfurt mit 100 neuverseuchten Gemeinden an der Spitze 
stehen; Bayern in 34 Gemeinden (51 Geh.) 117; Sachsen in 
106 Gemeinden (132 Geh.) 207; Württemberg in 36 Gemeinden 
(46 Geb.) 67; Baden in 49 Gern. (76 Geh.) 96; Hessen in 53 Ge¬ 
meinden (65 Geh.) 103; Mecklenburg-Schwerin in 9 Gemeinden 
(15 Geh.) 54; Sachsen-Weimar in 14 Gemeinden (15 Geh.) 28; 
Mecklenburg-Strelitz in 13 Gemeinden (17 Geh.) 24; Braunschweig 
in 48 Gemeinden (80 Geh.) 117; Sachsen-Altenburg in 10 Ge¬ 
meinden (10 Geh.) 23; Anhalt in 5 Gemeinden (7 Geh.l 7;Schwarz- 
burg-Sondershausen in 7 Gemeinden (9 Geh.) 16; Waldeck in 8 Ge¬ 
meinden (10 Geh.) 20; Lippe in 8 Gemeinden (11 Geh.) 15; Ham¬ 
burg in 10 Gemeinden (11 Geh.) 15, während in den übrigen Bundes¬ 
staaten (Oldenburg, Sachsen-Meioingen und Koburg-Gotba, Schwarz¬ 
burg-Rudolstadt, den beiden Reuss, Schaumbnrg-Lippe, Bremen und 
den Reichslanden) weniger als 5 Gemeinden betroffen waren. 

An der Schweineseuche (-pest) erkrankten in Preussen in 
1421 neubetroffenen Gemeinden (2302 Geh.) 14 345 Stück Schweine; 
und zwar zeigen die Reg.-Bez. Breslau mit 439, Liegnitz mit 223 
neuverseuchten Gemeinden die weitaus stärkste Verseuchung, denen 
sich weiterhin die R.-B. Potsdam mit 89, Posen mit 82, Königsberg 
mit 72, Frankfurt mit 69, Bromberg mit 64, Stettin mit 52 und die 
übrigen Bezirke mit weniger als 50 neuverseuchten Gern, an- 
schliessen. In Sachsen waren in 116 Gera. (136 Geh.) 364 Er¬ 
krankungsfälle; Hessen desgl. in 3 Gern. (3 Geh.) 7; Mecklenburg- 
Schwerin desgl. in 16 Gern. (16 Geh.) 196; Sachsen-Weimar desgl. in 

6 ) Unter den erkrankten Tieren befanden sich 168 Pferde und 
3 749 Rinder. 

6 ) D. h. bei Beginn des Quartals bereits verseuchte und im 
Laufe des Quartals neubetroffene Gemeinden. (Die Stückzahl der 
Herden ist nur aus den neubetroffenen Gemeinden angegeben.) Es 
blieben am Quartalsschluss von Gemeinden verseucht 354, wovon 
auf Preussen 288, Bayern 19, Württemberg und Hessen je 9, Baden 
und Sachsen-Weimar je 6, Braunschweig und Elsass-Lothringen je 4, 
Anhalt, Lippe, Hamburg je 2, Mecklenburg-Schwerin, Oldenburg, 
Sachsen-Koburg-Gotha je 1 entfielen. 


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5. März 1903. 

4 Gern. (5 Geh.) 23; Braunscbweig desgl. in 9 Gera. (10 Geh.) 21; 
Anhalt desgl. in 7 Gern. (8 Geh.) 78; Lübeck desgl. in 2 Gera. 
(5 Geh.) 46; Hamburg desgl. in 2 Gern. (9 Geh.) 14, während in 
Bayern, Württemberg, Baden, Mecklenbnrg-Strelitz,Sachsen-Meiningen, 
den beiden Schwarzbnrg, Waldeck nur je 1 Gemeinde ergriffen wurde. 

Die Schafpocken, welche vom Vorqnartal her sich in dem 
preuss. Reg.-B. Gumbinnen (Pillkallen) in 1 Gemeinde (1 Geh.) 
erhalten hatten, konnten bis zu Ende des Berichtsquartals getilgt 
werden. 

Von Geflügelcholera wurden nachstehende Verlustziffern 
festgestellt: Preussen 8552, Bayern 1144, Sachsen 783, Wür.temberg 
5458, Baden 1379, Hessen 215, Sachsen-Weimar 11, Oldenburg 30, 
Braunschweig 77, Sachsen-Meiningens, Sacbsen-Altenburg 56, Anhalt 
22, Hamburg 1, Elsass-Lothringen 1481 Stück Geflügel. Schwarzburg- 
Sondershausen, Schaumburg-Lippe und Lübeck sind nicht inbegriffen, 
weil daselbst Anzeigepflicht nicht besteht. 

Rinderpest ist nicht aufgetreten. Kr. 

Viehseuchenkonvention mit Österreich-Ungarn. 

Abgesehen von der Besprechung des Entwurfes eines neuen 
ReichsviehBeuchengesetzes, hat der Deutsche Landwirtschaftsrat 
noch einen Beschluss betreffs des Viehseuchen-Übereinkommens 
mit Österreich-Ungarn gefasst, dahin lautend: 

Bei dem etwaigen Abschluss eines neuen Handelsvertrages 
mit Österreich-Ungarn ist mit Rücksicht auf eino erfolgreiche 
Bekämpfung der Viehseuchen eine Erneuerung des Viehseuchen¬ 
übereinkommens mit Österreich-Ungarn im landwirtschaftlichen 
und allgemein volkswirtschaftlichen Interesse nicht zu empfehlen. 
Der Verkehr mit Österreich-Ungarn ist vielmehr uneingeschränkt 
den Bestimmungen des Viehseuchengesetzes zu unterstellen. 

Referent über diesen Gegenstand war Geheimrat Dr. 
Dammann. 


Fleischschau und Viehverkehr. 

Tierärzte und staatliche Schlachtvieh - Versicherung 
im Königreich Sachsen. 

Von Amtstierarzt Opel-Markneukirchen. 

Bekanntlich ist die Reichsregierung damit beschäftigt, zwecks 
Errichtung einer für das ganze Reichsgebiet gleichmässigen 
obligatorischen Schlachtviehversicherung Erhebungen bei den 
einzelnen Bundesstaaten über die Frage der Notwendigkeit einer 
solchen und deren eventueller Organisation anznstellen. Jeden¬ 
falls ist man sich an den massgeblichen Stellen über die Schwierig¬ 
keit eines solchen Unternehmens klar, darf ja doch die Vieh¬ 
versicherungsfrage im allgemeinen als eines der noch ungelösten 
Probleme anf dem Gebiete des Versicherungswesens überhaupt 
gelten. Verhältnismässig am einfachsten gestalten sich noch 
Schlachtviehversicherungen, wie solche seit langem als Lokal¬ 
versicherungen einzelner Korporationen, besonders der Fleischer¬ 
innungen an Schlachthöfen bestehen, später auch von den 
grösBerenPrivatversicherungsgesellschaften als eigene Abteilungen 
begründet wurden. 

Neuerdings sind auch staatlicherseits verschiedene dies¬ 
bezügliche Bestimmungen erlassen worden und als eines der 
jüngsten und selbständigsten Gesetze darf wohl das Schlacht¬ 
viehversicherungsgesetz für das Königreich Sachsen gelten, 
welches gleichzeitig mit dem Fleischbeschaugesetz am 1. Juni 1900 
in Kraft getreten ist. 

Die Berichte über die Ergebnisse der staatlichen Schlacht¬ 
viehversicherung sind verschiedentlich veröffentlicht worden, 
auch die näheren Bestimmungen über den Zweck und Umfang 


169 

derselben dürfen wohl als bekannt vorausgesetzt werden. Wie 
sich aber die Versicherungsarbeiten in der Praxis abspielen, 
insbesondere welcher Art die von den Tierärzten zu erledigenden 
Funktionen sind, darüber ist meines Wissens nach nichts in 
die Öffentlichkeit gelangt. Die Mitarbeiterschaft der Tierärzte 
bei der Durchführung der staatlichen Schlachtviehversicherungen 
kann nicht entbehrt werden, ebensowenig wie bei der Fleisch¬ 
beschau. Wir haben also als ausführende Organe zunächst ein 
Interesse daran, wie eventuell zu erlassende Reichsbestimmungen 
zu- fassen sind, wie weit bei eventueller Neuregelung bereits 
bestehender auch unseren Interessen Rechnung getragen werden 
bann und muss. Veröffentlichung diesbezüglicher Erfahrungen 
kann auch hier nur klärend wirken und aus diesem Grunde gehe 
ich an die Besprechung einer so heiklen, derselben aber doppelt 
bedürftigen Angelegenheit. 

Um kurz des Wesentlichsten Erwähnung zu tun, sei be¬ 
merkt, dass die „Anstalt für staatliche Schlachtviehversicherung 
im Königreich Sachsen“ die durch Minderwerts- oder Ungeniess- 
barkeitserklärung des Fleisches (einzelne Organe werden nicht 
entschädigt) bei der Fleischbeschau entstehenden Verluste zu 
80 Proz. des Wertes entschädigt, und zwar nur Schlacht- nicht 
Nutzwert nach bestimmten Qaalitätsklassen, welche auf Grund 
der Marktpreisnotierungen in Dresden, Chemnitz, Leipzig und 
Zwickau von der „Anstalt“ alle Vierteljahr neu festgesetzt 
werden. Diese Qualitätsklassen und das Gewicht der zu ent¬ 
schädigenden Tiere bestimmt der jeweilige Ortschätzungsaus¬ 
schuss. Die Versicherung aller zu schlachtenden Rinder und 
Schweine von drei Monaten aufwärts ist Zwang. 

Der Umstand, dass die Versicherung auch krankheits- oder 
unfallshalber getötetes Vieh, also sogen. Notschlachtungen, ein¬ 
begreift und entschädigt, nimmt derselben den Charakter einer 
Schlachtviehversicherung in dem gewöhnlichen Sinne. Wenn 
irgend etwas die Versicherung teuer und kompliziert macht, so 
ist es dieses System. Es muss Prinzip jeder Versicherung sein, 
die Lasten möglichst gleichmässig zu verteilen, den einzelnen 
Versicherungsnehmern bei gleicher Inanspruchnahme auch gleiche 
Gewinn- bezw. Entschädigungschancen zu ermöglichen. Bei der 
sächsischen Versicherung ist dieses Prinzip nicht gewahrt, die 
Lasten sind hier ganz ungleich verteilt, noch mehr aber die 
Ansprüche auf Entschädigung zu gunsten der einen Inter¬ 
essentengruppe verschoben. Der Fleischer versichert das ganze 
Jahr sein Schlachtvieh und kommt bei einer durchschnittlichen 
Beanstandungsziffer von ca. 4—5 Proz. verhältnismässig selten 
in die Lage, die Versicherung in Anspruch nehmen zu müssen. 
Der ländliche Besitzer schlachtet und versichert nur dann, wenn 
ihn Krankheit oder Unfälle seiner Viehstücke dazu zwingen und 
für die einmalige Prämienzahlung bekommt er dann meist den 
10—20fachen Betrag der Prämie als Entschädigung für sein 
beanstandetes Tier (bei Notschlachtungen handelt es sich doch 
in 95 Proz. der Fälle um Beanstandungen) ausbezahlt. Es ist 
selbstverständlich, dass diese Not Schlachtungen mit ihrer hohen 
Beaostandungsziffer die Versicherung ganz enorm belasten müssen. 
Im Jahre 1900 worden beispielsweise 60, 1901 62,96 Proz. aller 
entschädigten weiblichen Rinder (von 1249 463,91 M. Ent¬ 
schädigungssumme treffen 880 396,17 M. allein anf weibliche 
Rinder!) durch Notschlachtungen verursacht. Dieser über¬ 
wiegende Prozentsatz bei den weiblichen Rindern hat die „An¬ 
stalt“ zwar veranlasst, die Prämie für dieselben von ursprüng¬ 
lich 5 M. auf 7, für 1903 sogar auf 10,50 M. zu erhöhen, die 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 10. 


170 

Prämie für männliche Tiere aber za erniedrigen. Allein diese 
Massregel trifft die Fleischer wieder in gleichem Masse mit, 
denn was sie an den männlichen Tieren sparen, zahlen sie für 
die weiblichen wieder darauf. Aas diesen Gründen haben auch 
die Fleischergeno88en8chaften Petitionen an das Königliche 
Ministerium gerichtet, die Notschlachtungen von der Schlacht- 
viehversicherung zu trennen, ohne Erfolg*). Die Fleischer haben 
sich denn eben selbst geholfen und überall mit einem ziemlich 
bedeutenden Preisaufschlag für das Fleisch — begründet durch 
die hohe Versicherungsprämie, nicht etwa die Fleischbeschan- 
gebühren — geantwortet, und das konsumierende Publikum, das 
allerdings die „breitesten Schultern“ aufzuweisen hat, muss in 
den höheren Preisen die Prämien bezahlen. Schon daraus ist 
ersichtlich, auf wessen Seite der Nutzen liegt, dass die Anstalt 
für staatliche Schlachtviehversicherung nichts ist als ein gross- 
artiges Geschenk für die sächsische landwirtschaftliche Be¬ 
völkerung. Aber weit entfernt, dies einzusehen und der Re¬ 
gierung für solche Fürsorge (gewährt doch der Staat 25% aller 
Entschädigungen als Zuschuss, welcher natürlich wieder zum 
grössten Teil der Landwirtschaft zu gute kommt) Dank zu wissen, 
wird häufig in einer Art und Weise gegen die bestehende 
Einrichtung opponiert, die im umgekehrten Verhältnis steht 
zu den Wohltaten, die das Gesetz trotz seiner verschiedenen 
Mängel für die Landwirte mit sich gebracht hat. An den 
höheren Verwaltungsstellen hört und merkt man natürlich von 
solchem Gebühren nichts, die ganze Schale agrarischen Unmutes 
ergieBst sich vielmehr über die armen Tierärzte, die immer und 
überall schuld sein müssen, wenn eine Entschädigung nicht 
verabfolgt wird oder wenn dieselbe nicht nach Wunsch aus¬ 
fällt. Die Tätigkeit, durch welche sich die Tierärzte solch 
zweifelhafte Anerkennung zu erwerben in der Lage sind, möchte 
ich auffassen als eine indirekte und eine direkte. 

Die erstere beginnt mit dem Moment, wo ein sächsischer 
Viehbesitzer den Tierarzt wegen Krankheit eines Viehstückes 
zu Rate zieht. Man bekommt stets die Frage vorgelegt, ob 
Gefahr vorhanden, ob sich eine sofortige Notschlachtung empfehle, 
wie sich die Versicherung in dem konkreten Fall bezüglich der 
Entschädigung stelle. Sehr oft wird man weder die eine noch 
die andere Frage mit Sicherheit beantworten können. 

Ausweichenden Antworten wird gewöhnlich entgegengesetzt: 
„Ja, Sie sind der Sachverständige, ich verlasse mich ganz auf 
Ihr Gutachten.“ Man hat keinen anderen Ausweg, entweder 
gibt man den Rat zur Schlachtung oder entschliesst sich 
zur exspektativen bezw. kurativen Behandlung. Bietet nun 
eine sofort vorgenommene Schlachtung genügend Grund zur 

*) Soeben sind neuerdings eingereichte Massenpetitionen säcbs. 
Fleischerinnungen, betr. die Ausschaltung der Notschlacbtungen 
von der staatl. Schlachtviebversicherung etc., seitens des Kgl. 
Ministeriums wiederum abschlägig beschieden worden bezw. ist die 
Mitteilung erfolgt, dass eventl. Abänderungsanträgen nicht eher 
näher getreten werden kann, bis nach Inkrafttreten des Reichs- 
Fleischbeschaugesetzcs die Schlachtviehversicherungsfrage auch in 
den anderen mit Sachsen in Viehaustausch stehenden Staaten ge¬ 
regelt sein wird. Gleichzeitig sind die Fleischerinnungen darauf 
hingewiesen worden, dass zum teilweisen Ausgleich seit Beginn 
dieses Jahres ein Sonderbeitrag von 5 M. in den Fällen not¬ 
geschlachteter weiblicher Rinder erhoben wird, wo eine Lebens¬ 
beschau nicht vorgenommen worden ist. 

Ob jedoch die wenigen Fälle, auf die sich diese Massregel 
erstreckt, auch wirklich entlastend wirken können, muss sehr an- 
gezweifelt werden. D. V. 


Beanstandung des Tieres und fällt die Entschädigung hierfür 
günstig genug aus oder ist eine evtl, eingeleitete Behandlung 
von Erfolg, so ist ja die Angelegenheit glücklich erledigt. In 
sehr vielen Fällen wird aber eine im guten Glauben und Ver¬ 
trauen auf sein diagnostisches Urteil und seine ärztliche Kunst 
unternommene Behandlung erfolglos sein und bis man zur Er¬ 
kenntnis der Aussichtslosigkeit seiner Bemühung kommt, ist das 
Schlachttier im Nährzustand wesentlich zurückgegangen, das 
Gewicht hat abgenommen, es muss dadurch womöglich in eine 
andere Qualitätsklasse eingeschätzt werden. Denn wehe dem 
Tierarzt, der den Zustand des Tieres nicht sofort richtig er¬ 
kannte oder die Behandlung nicht richtig geleitet, eine recht¬ 
zeitige Schlachtung nicht zagelassen und dadurch den Verlust 
verschuldet hat. Dadurch kommt man als Tierarzt überaus 
häufig in eine äusserst peinliche und missliche Lage. So wenig 
man bei jeder an sich geringfügigen Krankheit gleich zum 
Schlacbtmesser raten kann oder will, längeres Verweilen aber, 
und wäre es nur kurze Zeit des Zuwartens, kann noch unglück¬ 
lichere Folgen haben, ja für den betreffenden Sachverständigen 
direkt verhängnisvoll werden. Diese Zwangslage wird in der 
Hauptsache verursacht durch den § 1 Abs. 1 des Versicherungs¬ 
gesetzes: 

Ausgeschlossen von der Versicherung sind: die¬ 
jenigen Tiere, welche sich bereits im lebenden Zu¬ 
stand als zur menschlichen Nahrung ungeeignet dar¬ 
stellen. 

So wenig man im Grunde genommen der Versicherung eine 
solche Klausel verdenken kann, so unglücklich wirkt dieser 
Paragraph in der Praxis. Festzustellen, wann sich ein Tier im 
lebenden Zustand als zur menschlichen Nahrung ungeeignet 
darstellt, ist Sache des Sachverständigen. Wie schwer eine 
solche Feststellung unter Umständen ist, das wird jeder zu¬ 
geben, der in solcher Lage sich je befanden hat. Ja, handelte 
es sich lediglich um die Genusstauglichkeit allein, die Angelegen¬ 
heit wäre rasch entschieden. So aber steht das Vermögen des 
Besitzers, die Entschädigung auf dem Spiele, der Anspruch auf 
eine solche muss begründet werden durch einen im sogen. Be¬ 
anstandungsschein ausführlich zu erstattenden Befundbericht, 
welcher die Frage der Genusstauglichkeit im lebenden Zustand, 
auch wenn eine Lebensbeschau gar nicht stattgefunden hat, nicht 
verneinen darf. D. h. der betr. Fleischbeschauer hat unter allen 
Umständen, ob Lebendbeschau vorgenommen wurde oder nicht, 
die Frage zu beantworten: „Stellte sich das Tier in lebendem 
Zustand unmittelbar vor der Schlachtung als zur menschlichen 
Nahrung geeignet dar oder nicht,“ seine Antwort muss 
ausführlich durch den Befund und durch die Art der 
Krankheit begründet sein. Welche prekäre Lage wird dadurch 
oft geschaffen, welchen Widerstreit der Pflichten gegen das 
Interesse der Schlachtviehversicherung einerseits, gegen einen 
ärmlichen, unschuldig betroffenen Besitzer andererseits hat man 
da manchmal durchzukämpfen. Gewiss existieren gewisse Krank¬ 
heiten, welche den Genuss des Fleisches als gesundheitsschädlich 
von vornherein verbieten bezw. das Fleisch als hochgradig ver¬ 
dorben von vornherein ausschliessen, wie tuberkulöse Kachexie, 
septische und pyämische Zustände, aber man glaube ja nicht, 
dass solche Beurteilungen in der Praxis so leicht sind, wie sie 
etwa in Lehrbüchern stehen oder wie vortrefflich sie sich von 
den Lehrkanzeln herunter ausnehmen mögen, besonders wenn 
solche EntschädigungBbedingungen im Verein mit Frauentränen 


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171 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


5. März 1903. 

die Beurteilung, ob gewollt oder ungewollt, beeinflussen. Es 
kommen da manchmal Umstände und Zufälle hinzu, die jeder 
Vorhersage spotten, eine an sieb noch so harmlose Erkranknng 
kann plötzlich Wendungen nehmen, die dann in den peinigendsten 
Widerstreit hineindrängt. Dafür nur ein Beispiel ans meiner 
Praxis: Bei einem Stallbrand war eine Kuh ans qualmendem 
Rauch entfernt worden, hatte sich in frischer Luft jedoch rasch 
sehr gut erholt und zeigte keine wesentlichen Krankheitssymptome. 
Der Absicht des Besitzers, die Kuh sofort zu schlachten, trat 
ich mit der Bemerkung entgegen, dass im Falle der Schlachtung 
das Tier jedenfalls als bankwürdig zu erachten sei und dem¬ 
gemäss eine Entschädigung seitens der Versicherungsanstalt 
nicht erfolgen könne — [ich schalte hier die Bemerkung ein, 
dass für den Landwirt der Begriff der Not Schlachtung gleich¬ 
bedeutend mit Vermögensverlust ist, denn ein zwar bankwürdiges 
aber notgeschlachtetes Tier kauft doch kein Fleischer zum vollen 
Preis und auch das „Selbstverpfanden“ ist mit Verlust verknüpft; 
man kann also als Fleischbeschauer einem Besitzer nach seiner 
Ansicht nichts Ungerechteres zufügen als ein notgeschlachtetes 
Tier für bankwürdig erklären, weil ja nur Minderwert bezw. 
Ungeniessbarkeit den Entschädigungsanspruch begründet] — 
worauf Besitzer auf die Schlachtung verzichtete. In der 
folgenden Nacht trat jedoch eine fieberhafte Lungenentzündung 
(Rauchpneumonie) auf, in dessen Verfolg das zur Hälfte tragende 
Tier verkalbte, weiterhin Zurückbleiben der Nachgeburt, Er¬ 
scheinungen der Gebärmutterentzündung. Besitzer wollte nun 
sofort zur Schlachtung schreiten, ich musste jedoch auf Grund 
dieses Befundes das Tier als ungeniessbar von der Versicherung 
ausschlie88en, die Schlachtung unterblieb, und in der Nacht 
darauf starb das Tier. Solche und ähnliche Beispiele könnte 
ich viele anführen. Oft Bchliessen chronische Krankheiten mit 
Abmagerung die Genussfähigkeit nicht aus, der Entschädigungs¬ 
anspruch bleibt im Falle der NotBchlachtung und Beanstandung 
begründet, man denke nur an die traumatischen Abszessbildungen 
in dem Magen, Leber, Milz etc.; häufig aber begründen akut 
verlaufende Krankheiten die Genussuntauglichkeit infolge ihres 
septischen Charakters von vornherein und Bchliessen damit 
jegliche Entschädigung aus, ohne dass dem Besitzer oft irgend 
eine Schuld beizumessen ist. Die einzelnen Fälle sehen sich 
oft so sehr ähnlich und doch sind sie hinsichtlich der Be¬ 
urteilung quoad Genussfähigkeit grundverschieden; die Land¬ 
wirte berufen sich häufig auf diesen oder jenen ähnlichen oder 
gleichen Fall und trotz aller Erklärungen kommt man häufig 
in den Geruch der Parteilichkeit. In den Augen der Land¬ 
wirte ist gewöhnlich nur der Tierarzt an seinem Verluste 
schuld, denn er gibt das Gutachten ab, von dem die Ver¬ 
sicherungsfähigkeit abhängig ist. Für die Tierärzte ist das 
ein grosser Nachteil und muss auch auf deren praktische 
Tätigkeit äusserst ungünstig einwirken; mancher ehemals sehr 
populäre Tierarzt hat dadurch seine Beliebtheit eingebüsst oder 
selbst die Lust an der Praxis verloren. 

' Sollen schon Notschlachtungen in die Versicherung mit ein¬ 
bezogen werden, so mögen sie alle entschädigt werden, denn 
auf diese erwähnten verhältnismässig nicht häufigen Ent¬ 
schädigungsfälle kommt es bei der horrenden Entschädigungs¬ 
summe nicht mehr an und damit fiele eine Hauptursache der 
Unzufriedenheit der Landwirte und der Tierärzte hinweg. Der 
§ 1 Absatz 1 ist auch vollkommen überflüssig, wenn der § 4 
Absatz 2 des Gesetzes: „Der Anspruch kann gauz oder 


teilweise zurückgewiesen werden, wenn die Krankheit, 
welche Veranlassung zur Verwerfung oder Minder¬ 
wertserklärung des Fleisches gegeben hat, nach¬ 
weislich vom Besitzer absichtlich oder durch grobes 
Verschulden verursacht oder nicht behoben worden 
ist“ entsprechend häufiger und rigoroser zur Anwendung gelangt. 
Dadurch würde verhindert, dass Besitzer im Falle eigener 
Nachlässigkeit auch noch Entschädigung erhalten, dadurch 
würden also nur Schuldige von den Wohltaten des Gesetzes 
ausgeschlossen, während der § 1, 1 sehr häufig ungerechterweise 
Unschuldige trifft, und das kann doch unmöglich dem Sinne des 
Gesetzes entsprechen. 

Die direkte Tätigkeit der Tierärzte für die Versicherungs¬ 
anstalt erstreckt sich in der Hauptsache auf die Ausstellung 
der Beanstandungsscheine und die Teilnahme an den Ab¬ 
schätzungen. — Ich erwähne hier, dass sie für ihre gesamte 
diesbezügliche Tätigkeit (auf dem Lande haben sie auch meist 
noch die Protokollführung und die ganze Leitung in facto) nur 
dasselbe an Vergütung erhalten wie die ländlichen Mitglieder, 
die lediglich ihren Namen unter das Protokoll zu setzen haben, 
nämlich im Orte 1 M. für ein Schwein, 2 M. für ein Rind, 
ausserhalb 2 bezw. 3 M. 

Nach jeder Beanstandung eines versicherten Tieres hat der 
betreffende Tierarzt einen Beanstandungsschein auszustellen, 
welcher sowohl den Krankheitsbefund am lebenden Tier als auch 
den pathologischen Befand bei der Schlachtung genau zu ent¬ 
halten hat, über die Dauer der Krankheit, sowie Alter und 
Nährzustand des Schlachttieres genau Auskunft gibt und der 
Versicherungsanstalt als Grundlage für die Entschädigung, neben¬ 
bei auch zur direkten Kontrolle der Fleischbeschauer in bezug 
auf die Beurteilung der Schlachttiere insbesondere nach den 
„Grundsätzen“ dient. Wenn über diese Tätigkeit anfänglich 
vielfach geklagt worden ist und es zu Verzögerungen in der 
Schädenregulierung gekommen ist, so hat dies jedenfalls seinen 
Grund darin, dass die Tierärzte anfänglich den Beanstandungs¬ 
scheinen nicht die Bedeutung zumassen, die sie in Wirklichkeit 
haben sollten; zudem war die Beurteilung des Fleisches nach 
bestimmten Paragraphen der „Grundsätze“ noch zu neu und 
ungewohnt, als dass man sich so rasch damit hätte abfinden 
sollen. Die vielfachen Erörterungen zwischen Versicherungs¬ 
anstalt und Tierärzten haben jedoch so manche Frage geklärt. 
Wenn diese Erörterungen aber häufig zu einer gewissen Schärfe, 
ja ernsten Differenzen geführt haben, so hat dies gewiss seinen 
Grund in den den Tierärzten durch die eben geschilderten 
Verhältnisse erstandenen mannigfaltigen Unannehmlichkeiten 
und in der daraus resultierenden der Versicherung keineswegs 
günstigen Stimmung der Tierärzte im Lande. Vielfach sind 
diese in ihrem Wirken und Wollen auch nicht richtig verstanden 
worden. Es ist von der grössten Wichtigkeit, dass die Ver¬ 
sicherungsanstalt in der Auswahl ihrer tierärztlichen Sach¬ 
verständigen die grösste Vorsicht und Umsicht bekundet, dass 
auch den durch die Praxis gegebenen, oft so schwierigen Ver¬ 
hältnissen speziell auf dem Lande das weitgehendste Verständnis 
und praktische Beurteilungsfähigkeit entgegen gebracht werden 
kann. Uns wollte es häufig scheinen, als wäre das nötige Mass 
der Kenntnis praktischer Dinge nicht immer in dem als berechtigt 
zu fordernden Umfang vorhanden gewesen. 

Was den Tierärzten ferner fortgesetzt zur grössten Un¬ 
beliebtheit verhilft, das ist das Abschätzungsverfahren. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 10. 


172 

Der za ersetzende Schaden wird bestimmt durch den Orts- 
schätzungsausschuss, welcher jeweils ans einem Gemeinde¬ 
vertreter (Vorstand oder Stadtrat), zwei Viehbesitzern and dem 
Tierarzt besteht; in Orten mit selbständigen Gntsbezirken tritt 
noch ein Vertreter desselben als Fünfter hinzu. 

Voraussetzungen bei allen derartigen Abschätzungen ist 
doch, dass dieselben möglichst unparteiisch sind. Ich be¬ 
streite jedoch auf Grund meiner Erfahrungen ganz entschieden, 
dass unsere Schlachtviehabscbätzungen auf dem Lande ausser¬ 
halb der Schlachthöfe unparteiisch sind. Hier gilt mehr 
wie irgend wo der Satz: Eine Hand wäscht die andere; denn 
einer ist auf den andern angewiesen. Wer heute selbst mit 
abschätzt, kann morgen als Kalamitose selbst zu einer Taxation 
Veranlassung bieten und so ein Interesse an möglichst hoher 
Abschätzung haben. Das Bestreben der ländlichen Besitzer 
geht stets dahin, möglichst hoch zu taxieren, ob die betreffende 
Qualitätsklasse mit den tatsächlichen objektiven Fleischverhält¬ 
nissen übereinstimmt oder nicht; Verantwortung haben sie ja 
keine. Das tierärztliche Mitglied aber ist stets dasjenige, 
welches immer widersprechen, immer die Ansprüche in die ge¬ 
bührenden Grenzen zurückweisen muss, denn die bestimmte 
Qualität muss ja schon mit seinen Angaben auf dem Bean¬ 
standungsschein in bezug auf Alter, Ernährungszustand überein- 
stimmen, die Versicherungsanstalt hält sich stets an den Tier¬ 
arzt und dessen schriftliches Gutachten. Ja wenn die Tierärzte 
nicht ein Gegengewicht gegen die oft masslosen Ansprüche der 
Besitzer, vertreten durch ihre Freunde und getreuen Nachbarn, 
im Schätzungsausschass bilden würden, der Satz von M. 10,50 
für ein weibliches Rind würde nicht zur Hälfte ausreichen. 
Solcherma8sen sind die Abschätzungen auf dem Lande, wie ein 
Justizbeamter einst treffend bemerkte, oft der reinste „Kuh¬ 
handel“. Immer wieder berufen sich die Besitzer auf den 
Nutzwert und ihren ohnehin schon grossen Schaden. Aber 
gerade hierin, in der Verquickang der Versicherung von Vieh, 
das lediglich zur Fleiscbgewinnung geschlachtet wird, und 
solchem, welches meist mitten im Nutzwert stehend, oft einen 
Schlachtwert überhaupt nicht repräsentierend nur schnell zur 
Verhütung des drohenden Todes getötet wird, liegt nach meiner 
Ansicht der hauptsächlichste Mangel unseres sächsischen Schlacht- 
viehversicberungsgesetzes. Nutzvieh — um solches handelt es 
sich doch meist bei Notschlachtungen — noch dazu nach mehr 
oder weniger langer Krankheitsperiode, mit Wage und Gewicht 
zu taxieren, kann unmöglich bei den Beteiligten Befriedigung 
erwecken. Die Landwirte glaubten sich anfangs gegen alle 
Verluste gedeckt, ihre Ansprüche können aber natürlich nicht 
im entferntesten in dem erhofften Masse befriedigt werden. 
Daher kommen die vielen Klagen und die arge Diskreditierung 
unserer Schlachtviehversicherung. In der Hauptsache tragen 
natürlich die Tierärzte ihre Haut dabei zu Markte, sie machen 
zu viel Schwierigkeiten bei den Abschätzungen, sie gönnen den 
Bauern nichts etc. etc. Die Wirkung aller dieser Umstände 
auf die tierärztliche Privatpraxis brauche ich wohl nicht 
auszuführen, Tatsache ist, dass die kurative Praxis be¬ 
deutend nachgelassen hat, einesteils weil sie weniger oft ge¬ 
wünscht wird, andernteils, weil Tierärzte selbst möglichst wenig 
Risiko mit der Behandlung von Schlachttieren übernehmen und 
sich Unannehmlichkeiten mit der Versicherung aussetzen wollen. 
Dass in Orten und Gegenden mit grosser Konkurrenz übrigens 
der „strenge Herr Tierarzt“ einfach nicht mehr geholt, sondern 


sein willfährigerer Konkurrent zu solchen Sachen zugezogen 
wird, nur nebenbei. Um übrigens nochmals auf die Abschätzung 
zurückzukommen, so möchte ich in einer Abänderung der Zu¬ 
sammensetzung viele Vorteile erblicken. Es handelt sich doch 
lediglich um Feststellung des Gewichts. Alter, Ernährungs¬ 
zustand und damit die Qualität wird doch zum grossen Teil 
schon durch den Beanstandungsschein bestimmt. Wozu also 
vier oder gar fünf Mitglieder, die ja doch nur opponieren oder 
stillschweigend ihre Namen unter das Protokoll schreiben? Wird 
dadurch etwa eine erhöhte Unparteilichkeit gewährleistet, 
eventueller Unterschleif ausgeschlossen? Nein, bestimmt nicht. 
Im Jahre 1901 sind als Vergütungen für die Orts-Bezirks¬ 
schätzungsmitglieder 112 372,55 M. gezahlt worden. Mindestens 
die Hälfte dieser Ausgabe kann gespart werden, wenn man den 
Ausschuss reduziert auf den Gemeindevorstand und den be¬ 
treffenden Tierarzt. Diese Vereinfachung läge im Interesse 
der Versicherung selbst als auch vor allem der Tierärzte, die 
der überwältigenden Mehrzahl gegenüber nicht immer opponierend 
gegenübertreten müssten, manche Differenz würde vermieden. 

Noch auf eines möchte ich hinweisen. Die vorher vielfach 
vorhanden gewesenen, mit Inkrafttreten des Schlachtvieh¬ 
versicherungsgesetzes als vermeintlich überflüssig leider auf¬ 
gelösten Ortsviehversicherungsvereine müssten als Ergänzung 
zu der staatlichen Versicherung wieder allgemein eingeführt 
werden. Die sich jetzt schon geltend machenden Bestrebungen 
in dieser Richtung müssten seitens der Tierärzte weitgehendst 
unterstützt werden. Nur in gut geleiteten Lokalversicherungen 
mit ihrer kostenlosen einfachen Selbstveiwaltung, ihrer gegen¬ 
seitigen scharfen Kontrolle und raschen Schadenregulierung, 
ob als Viehlebendversicherung auf dem Lande oder als Schlacht¬ 
viehversicherung an Scblachthöfen, vermag ich die endgültige 
befriedigende Lösung der Viehversieherungsfrage zu erblicken. 
Zusammenschluss solcher lokaler Versicherungen za grösseren 
Verbänden unter schliesslicher Oberaufsicht und — Leitung 
des Staates mit entsprechenden Zuschüssen müsste denn weiter¬ 
hin als erstrebenswert bezeichnet werden. Sollen jedoch unsere 
sächsischen Bestimmungen nur einigermassen die verschiedenen 
Interessenten befriedigen, so möchte ich, meine obigen Aus¬ 
führungen zusammenfassend, schliesslich folgende Abänderung 
Vorschlägen: 

1. Der § 1, 1 des Vers. Ges. v ‘ 2 - ?nach welchem 

za . Juli loyy 

Tiere, welche sich bereits im lebenden Zustand als zur mensch¬ 
lichen Nahrung ungeeignet darstellen, von der Versicherung aus¬ 
geschlossen sind, ist fortgesetzt eine Qaelle der Unzufriedenheit 
der Landwirte und in ihren Wirkungen schwerwiegendster An¬ 
feindungen der Tierärzte. Er ist als in vielen Fällen ungerecht 
und überflüssig zu streichen, dagegen auf die Selbstverschuldung 
der Besitzer bei Verlusten ein grösseres Gewicht zu legen. 
Damit würden nur Schuldige von den Wohltaten des Gesetzes 
ausgeschlossen und eine gerechtere Auffassung Platz greifen. 

2. Die Ortsschätzungsausschüsse mit ihrer Mitgliederzahl 
von 4 bezw. 5 Personen sind, als der Versicherung direkt nach¬ 
teilig und die Tierärzte in der Ausübung ihrer Funktionen sehr 
hemmend, auf 2 Mitglieder, einen Gemeindeverteter und einen 
tierärztlichen Sachverständigen zu reduzieren. Die dadurch 
erzielten wesentlichen Ersparnisse können zu den durch oben 
vorgeschlagene Abänderung bedingten eventuellen Mehrausgaben 
zweckmässig Verwendung finden. 


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5. März 1903. 


Dadurch würde viel Unzufriedenheit mit den jetzigen Be¬ 
stimmungen der Boden entzogen und auch die Tierärzte würden 
unter Verzicht auf höhere Honorierung ihrer vielfachen Mühen 
und Schreibereien gewiss mit mehr Freude und gutem Willen 
ihre unter den jetzigen Verhältnissen ebenso schwierigen wie 
undankbaren Aufgaben erledigen. 

Fleischbeschau-Stempel. 

Von Sahn er-Lauban, Kreistierarzt. 

Nach den Ausführungsbestimmungen zum Reichsfleisch¬ 
beschaugesetz sind zur Kennzeichnung des Fleisches Färb- bezw. 
Brandstempel vorgeschrieben. Jeder Stempel trägt als Aufschrift 
den Namen oder das Zeichen des Schaubezirks, ausserdem ist 
Tierärzten gestattet, einen Stempel mit ihrem Namen zu ver¬ 
wenden, wenn sie ausserhalb ihres gewöhnlichen Schaubezirks 
abzustempeln haben. Die Form des Stempels ist je nach Qualität 
des Fleisches verschieden, für das im Inland geschlachtete 
tauglich befundene Fleisch kreisrund, für das minderwertige 
ebenso, jedoch umschlossen von einem gleichseitigen Viereck, 
für das untaugliche dreieckig und für das bedingt taugliche vier¬ 
eckig. Es ist also lediglich die Form des Stempels massgebend 
für die Qualität, der Konsument muss Kenntnis davon haben, 
falls er sich vor eventueller Täuschung schützen will. 

Unter den mir zugegangenen zahlreichen Offerten von 
Stempelfabriken war kürzlich in einer solchen eine meines Er¬ 
achtens wichtige Ergänzung vorgesehen, indem die Qualität 
des Fleisches ausser durch die Form des Stempels auch noch 
durch besondere Bezeichnungen zum Ausdruck gebracht war, 
z. B. in einem kreisrunden Stempel die Worte: „Tauglich. 
Schlachthof Lauban“, in einem kreisrunden, jedoch von einem 
gleichseitigen Vierecke umschlossenen Stempel: „Minderwertig. 
Schaubezirk Marklissa“, dreieckig: „Untauglich. Schlachthof N.“, 
viereckig: „Bedingt tauglich. Schlachthof X.“ Ich erlaube mir 
kein Urteil darüber, ob es überhaupt statthaft ist, die Aus¬ 
führungsbestimmungen in diesem Punkte zu erweitern, zweck¬ 
mässig und ausführbar wäre das letztere zweifellos. Die 
für Fleisch von Einhufern und Hunden bestimmten Stempel 
tragen ja auch ausser dem Namen des Beschaubezirks noch 
eine Aufschrift und zwar: „Pferd“ bezw. „Hund“. Auch für 
das aus dem Ausland eingeführte Fleisch sind bei den Stempeln 
besondere Bezeichnungen vorgesehen. 

AusfUhniRgsbestimmungen zum Reichsfleisohbeschaugesetz. 

In den meisten Bundesstaaten sind nunmehr die erforderlichen 
Ausführungsbestimmungen zum Reicbsfleischbeschaugesetz er¬ 
lassen worden oder steht doch ihr Erlass unmittelbar bevor, so 
dass dem Inkrafttreten des Gesetzes mit dem 1. April 1903 
nichts entgegensteht. Erfreulicherweise hat eine Reihe von 
Staaten einen Untersuchungszwang auch für die Hausschlach- 
tungen vorgeschrieben. Namentlich die thüringischen Staaten 
sind hier übereinstimmend vorgegangen. Die süddeutschen 
Staaten, welche bereits eine allgemeine Fleischbeschau besessen, 
haben ihre Verfügungen dem Rahmen des Reichsgesetzes angepasst. 

Die württembergische Verfügung enthält auch Be¬ 
stimmungen über den Betrieb öffentlicher und privater 
Schlachthäuser, den Transport von Schlachttieren, die Aus¬ 
führung der Schlachtungen u. s. w. Aus der sehr umfang¬ 
reichen Verfügung ist hervorzuheben, dass die Gebühren für 
die Benutzung öffentlicher Schlachthäuser so zu bemessen sind, 
dass die Einnahme an Gebühren den zur Unterhaltung der An¬ 


178 


lagen, zur Bestreitung der Betriebsunkosten, sowie zur Ver¬ 
zinsung und Tilgung des Anlagekapitals erforderlichen Betrag 
nicht übersteigen. Als Zinsfuss darf höchstens ein Satz von 
fünf Prozent und als jährliche Tilgungsquote ein solcher von 
zwei Prozent angesetzt werden. Die Tötung des Schlachtviehs 
darf nur nach vorhergegangener Betäubung oder mit Anwendung 
von Apparaten, die den sofortigen Tod des Tieres herbei¬ 
zuführen geeignet sind, stattfinden. Durch ortspolizeiliche 
Vorschrift können bestimmte Betäubungs- und Tötungsmethoden 
vorgeschrieben werden. Auf das Schlachten nach jüdischem 
Ritus (Schächten) finden diese Vorschriften keine Anwendung. 

Die Gebühren für die Schlachtvieh- und Fleischbeschau 
betragen inWürttemberg für die allgemeine Beschau 1—1,50 M. 
für Rinder, 0,50—0,75 M. für Schweine und 0,40—0,60 M. für 
Kälber, Schafe und Ziegen, bei Nichtvornahme der Fleischbeschau 
ermässigen sich diese Gebührensätze um die Hälfte. 

Für die Beschau eingeführten Fleisches sind die Gebühren 
festgesetzt auf 0,50—0,75 M. für ein Rinderviertel, ganze und 
halbe Schweine, 0,40—0,60 M. für ganze oder halbe Kälber, 
Schafe oder Ziegen, auf 0,30—0,40 M. für Fleischstücke bis 
zu 10 kg Gewicht, für jede weiteren angefangenen 10 kg 
0,10—0,15 M. mehr. Für die Beaufsichtigung des Geschäfts¬ 
betriebs der Metzger je nach dem Zeitaufwand 0,50—1,00 M. 
die Stunde. Als Reisekosten werden 0,10—0,15M. per km gewährt. 

Die Tierärzte erhalten, im Falle sie die Ergänzungsfleisch¬ 
beschau auszuüben haben für die Schlachtvieh- und Fleisch¬ 
beschau bei Rindern 2—3 M., bei Schweinen 1—1,50 M., bei 
Kälbern, Schafen und Ziegen 0,75—1 M., für die Schlachtvieh- 
beschan allein bei Rindern 1—1,50 M., bei den übrigen Tieren 
0,50—0,75 M., für die Fleischbeschau allein bei Rindern 
1,35—2 M., bei Schweinen 0,70—1 M., bei Kälbern, Schafen 
und Ziegen 0,50—0,75 M., für die Beschau eines vom nicht¬ 
tierärztlichen Beschauer beanstandeten Rinderviertels 0,70—1 M., 
für ganze oder halbe Schweine 0,70—1 M., für Kälber, Schafe 
oder Ziegen 0,50—0,75 M., für einzelne Fleischstücke bis zum 
Gesamtgewicht von 10 kg 0,40—0,60 M., für weitere ange¬ 
fangene 10 kg 0,15—0,25 M. mehr; für andere Verrichtungen 
nach dem Zeitaufwand für die Stunde 1—1,50 Mk. Als Reise¬ 
kosten bei Verrichtungen ausserhalb des Wohnorts a) für jede 
Stunde Abwesenheit 1 Mk. bis zum Höchstbetrage von 8 Mk. 
pro Tag, b) für jedes zurückgelegte km 0,15 Mk. Werden 
gleichzeitig andere Geschäfte besorgt, so sind die Reisekosten 
entsprechend zu verteilen. 

In Baden sind die Gebührensätze für die allgemeine Be¬ 
schau 1 M. für ein Rind, 0,50 M. für ein Kalb, 0,60 M. für ein 
Schwein, Schaf oder Ziege und 0,30 für ein Ziegenlamm, für 
die Schlachtviehbeschau allein ermässigen sich die Gebührensätze 
um die Hälfte, mit Abrundung nach oben auf volle 10 Pfennig¬ 
beträge. Für die Beschau von eingeführtem Fleisch sind für 
die ersten 10 kg. 0,30 M., für jede weiteren 10 kg. 0,10 M. 
mehr zu zahlen. Für die Ausstellung einer Bescheinigung beträgt 
die Gebühr 0,20 M. Ausserhalb des Wohnortes erhält der Be¬ 
schauer ausserdem für jedes km. 0,20 M. 

Für die den Tierärzten vorbehaltene Beschau sind folgende 
Gebühren festgesetzt. Für Pferde 2 M., für Hunde 1 M. Für 
Wiederholung der Schlachtviehbeschau 1,00 resp. 0,50 M. 
Für die Ergänzungsbeschau bei Rindern 2 M., Kälbern, 
Schweinen, Schafen und Ziegen 1 M., Zicklein 0,50 M., für die 
Fleischbeschau ohne Lebendbeschau bei Rindern 1,50, Kälbern, 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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174 


Schafen, Ziegen und Schweinen 0,70 M. und bei Zicklein 0,30 M. 
Für die Ausstellung einer Bescheinigrung 1 M. Die Festsetzung 
der Reisekosten bleibt der Vereinbarung zwischen Gemeinde und 
Tierarzt überlassen. In Elsass-Lothringen werden die Be¬ 
schauer nach Anhörung des Bürgermeisters vom Kreisdirektor 
bestellt. In Ausübung ihres Amtes sind die Beschauer Orts¬ 
polizeibeamte. Für Erteilung des Fleischbeschaunnterrichts sind 
die tierärztlichen Leiter der Schlachthöfe in Strassburg, Metz, 
Kolmar, Saarburg und Mülhansen befugt. 

In den übrigen Staaten stehen die Bestimmungen im grossen 
und ganzen im Einklang mit dem preussischen Ausführungsgesetz. 

Kühnau. 

Der Begriff des Haussehiaohtens. 

Der § 2 des Reichsfleiscbbeschaugesetzes, der die Befreiung 
der Hausschlachtungen von der Fleischbeschau behandelt, gab 
in der] Reichstagssitzung am 18. Februar er. Anlass zu Er¬ 
örterungen. Vom Abgeordneten Stockmann wurde Beschwerde 
darüber geführt, dass auch die Hausschlachtungen von Tage¬ 
löhnern, die von ihren 1 bis 2 Schweinen, die sie jährlich 
schlachten, einzelne Teile zu verkaufen pflegen, der Doppel¬ 
beschau unterworfen werden sollen. Der Staatssekretär Graf 
PoBadowsky hielt seine frühere Ansicht aufrecht, dass diese 
Schlachtungen der Tagelöhner unter die Hausschlachtungen 
fallen, welche von der Beschau befreit sind. Nur die gewerbs¬ 
mässige Verwendung des Fleisches von Hausschlachtungen sei 
verboten. Die gelegentliche entgeltliche Abgabe von Fleisch 
dagegen, das von einer Hausschlachtung übrig geblieben sei, 
falle nicht unter das Verbot und mache nicht die Untersuchung 
des Tieres erforderlich. Im übrigen würde es Sache der Gerichte 
sein, die Frage zur Entscheidung zu bringen. 

Fleischbeschau-Zoliordnung. 

Der Bundesrat hat dem Entwürfe einer Fleischbeschan- 
Zollordnnng zugestimmt. Darin werden zunächst die Beschränkungen 
der Ein- und Durchfuhr aufgeführt, wobei die Fleischarten, die 
in das Zollinland nicht eingeführt werden dürfen, einzeln anf- 
geführt werden. Sodann ist das Verfahren bei der Einfuhr von 
Fleisch eingehend geordnet. Danach hat bei der Einfuhr 
beschaupflichtigen Fleisches der Verfügungsberechtigte die Wahl, 
ob er die Untersuchung bei der Beschaustelle des Eingangs¬ 
amtes, sofern daselbst eine für die vorzunehmende Untersuchung 
geeignete Stelle vorhanden ist, oder bei einer anderen zuständigen 
Beschaustelle des Inlandes vornehmen lassen will. Die Kenn¬ 
zeichnung des ausländischen Fleisches, insbesondere die Be- 
chaffenheit der zu verwendenden Stempel, ist bereits geregelt. 

Die Beurteilung des Nlhrzustandes der Schiachttiere. 

Der städtische Tierarzt Dr. D. Kallmann-Berlin gibt in 
der „Rnndschau“ III. Jg. No. 21 sehr beachtenswerte Finger¬ 
zeige für die Beurteilung des Nährzustandes der Schlachttiere, 
die gerade jetzt bei dem Inkrafttreten des Fleischbeschaugesetzes 
sehr gelegen kommen. Bei der Beurteilung des Nährzustandes 
der Schlachttiere ist festzustellen, ob ein Tier nach den ob¬ 
waltenden Verhältnissen normal entwickelt, oder ob es durch 
Krankheiten, schlechte Haltung u. s. w. in seiner Konstitution 
gelitten hat. Bei der Prüfung ist auf das Geschlecht der 
Schlachttiere und die Funktionen, welche sie vor dem Schlachten 
ausgeführt haben, zu achten. Besonders kommt dieser Gesichts¬ 
punkt bei der Beurteilung fettarmen, mageren Fleisches in 


No. 10. 

Betracht. Es gibt deutliche Merkmale, die einen Unterschied 
zwischen magerem und abgemagertem Fleisch zulassen. Während 
im ersteren Falle das Schlachtvieh durch Haltung nnd Züchtung 
bei normaler physiologischer Funktion der Organe sich fettarm 
erhalten hat, resp. fettarm geworden ist, finden wir bei der Ab¬ 
magerung als Ursache Krankheit, schlechte Wartung und andere 
schädliche Einflüsse, welche die Ernährung des Organismus so 
beeinträchtigt haben, dass er einen kachektischen Eindruck 
macht. 

Bei normalen, gesunden Tieren haben die Muskeln eine 
gewisse Fülle; sie bilden Bäuche oder schwach gewölbte, an 
manchen Stellen auch flache, sich derb elastisch anfühlende 
Massen. Bei gesunden, mageren Kühen beobachtet man vor¬ 
herrschend an den später zu bezeichnenden Stellen schwach 
gewölbte oder flache Muskeln. Die Muskeln, welche bei der 
Fleischbeschau behufs Beurteilung von besonderer Wichtigkeit 
sind, sind der vordere und der hintere Grätenmuskel, die Muskeln 
am Widerrist, die Rücken- und die Lendenmuskeln. 

Das Fettgewebe ist am besten zu prüfen an der Nieren¬ 
kapsel und besonders hinter den Dornfortsätzen der Rücken¬ 
wirbel, sodann unter dem Schulterblatt in der Nähe des Achsel¬ 
geflechtes, ferner in der Niere selbst, um das Nierenbecken und 
endlich am Fett des Herzens im Verlaufe der Kranzarterie. 

Bei krankhaft abgemagerten Tieren erscheinen die Mnskeln 
stets stark durchfeuchtet. Ferner findet man besonders die 
Gräten- und Rückenmuskeln so stark eingefallen, dass sie zu¬ 
weilen konkav ausgebuchtet erscheinen und die Schulterblattgräte 
nnd die oberen Teile der Dornfortsätze stark hervortreten. 
Dieselbe Ausbuchtung kann man auch am Filetmuskel beobachten, 
der dann vom Fett fast vollkommen befreit und daher sichtbar 
jst. Das Fett zeigt eine zähe Beschaffenheit, ist feucht und in 
späteren Stadien sulzig, resp. wässerig, während es bei gesunden 
Tieren immer noch einen gewissen Grad von Brüchigkeit besitzt. 
Die Nierenkapsel hängt als schlaffer, sulzig infiltrierter, wenig 
Fett enthaltender Beutel um die Nieren, und an den Dornfort¬ 
sätzen besonders am hinteren Rande derselben quillt das Fett¬ 
gewebe völlig gelb und stark wässerig hervor. Beim Durch¬ 
schneiden der Nieren fällt die sulzige Beschaffenheit des Nieren¬ 
beckens auf. Die Prüfung der Nieren sollte immer vorgenommen 
werden im Zweifelsfalle, weil hier die ersten Erscheinungen der 
Kachexie deutlich hervortreten. Eine charakteristische Er¬ 
scheinung bei abnorm abgemagerten Tieren ist das feuchte sich 
nach dem Abhäuten blasig abhebende Unterhautbindegewebe an 
den Flanken und in der Bauchgegend, ferner die wässerige Be¬ 
schaffenheit des Halsmuskels. Um sicher zu gehen ist es rat¬ 
sam, die Abkühlung des Fleisches vor der Entscheidung abzu¬ 
warten. Die Unterschiede treten dann deutlich hervor. 

Bei Kälbern und Schafen sind die Erscheinungen der 
Kachexie ebenfalls deutlich genug: Bei Schafen sind die Bauch¬ 
muskeln mehr oder weniger feucht, darum empfiehlt es sich bei 
mageren Schafen immer erst abzuwarten, ob die Bauchmuskeln 
trocken werden. In diesem Falle sind die Schafe, wenn auch 
wenig Fett an den Nierenkapseln vorhanden, nicht als ab¬ 
gemagert zu behandeln. 

Bei Schweinen hat dagegen eine andere Beurteilung Platz 
zu greifen. Schweine sollen eine beträchtliche Fettanhäufung 
aufweisen, Eber und Ferkel ausgenommen. Jedes Schwein, 
welches eine starke Abmagerung zeigt, ist deshalb als krank¬ 
haft abgemagert zu betrachten. K. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


175 


5. März 1903. 

Sammelübersioht Ober die veterinäre Kontrolle bei der Kopenhagener 
Milchversorgung. 

„Kobenhavns Maelkeforsyning“ im Dezennium 1889—1898. 

(Maanedsikrift for Dyrlaeger, XI.. 1899/1900). 

Im Jahrzehnt 1. Januar 1889 bis 1. Januar 1899 sind im ganzen 
folgende Ausmerzungen von Kühen aus den Beständen, welche 
Milch an die „Kobenhavns Maelkeforsyning“ liefern, vorgenommen 
worden. 

Ausmerzungen wegen Tuberkulose bei den festen 
Lieferanten: 



Anzahl der 
Bestände 

Anzahl 

der 

Kühe 

Ausmerzungen 

Anzahl Prozent 

Bestände 
mit Aus¬ 
merzungen 

Bestände i 
ohne Aus¬ 
merzungen 

Fälle von | 
Euter¬ 
tuberkulose 

1889 

35 

ca. 2675 

105 

3,93 

26 

9 

3 

1890 

86 

3053 

101 

3,31 

27 

9 

3 

1891 

36 

3143 

85 

2,70 

23 

13 

3 

1892 

40 

3535 

96 

2,72 

30 

10 

1 

1893 

39 

3700 

98 

2,65 

29 

10 

2 

1894 

40 

4103 

109 

2,66 

29 

11 

1 

1895 

42 

4286 

87 

2,03 

28 

14 

1 

1896 

40 

4078 

80 

1,96 

26 

14 

— 

1897 

34 

3699 

58 

1,57 

19 

15 

1 

1898 

35 

3671 

53 

1,44 

18 

17 

2 

Im 

ganzen: 

— 

— 

872 - 

— 

— 

17 


Die Zahl der Außmerzungen wegen Tuberkulose bei anderen 
Lieferanten betrug im gleichen Zeitraum ausserdem noch 197 im 
ganzen. 

Auf Grund anderer Krankheiten sind in den 10 Jahren im 
ganzen 2660 Kühe zeitweilig ausgemerzt worden. 

Vollständiges Sistieren der Milchlieferung ganzer Bestände ist 
infolge ansteckender Krankheiten 19mal vorgekommen und zwar 
wegen Diphtherie 5, Scharlach 3, Milzbrand 3, bösartiges Katarrhal- 
fieber 1 und Maul- und Klauenseuche 7mal. Dr. Stödter. 

Tierärztliche Beaufsichtigung der Milchwirtschaften. 

Von J. Malcolm F. R. C. V. S., Birmingham. 

Journal of comp, patliol. and therap. 1901 Bd. XIV, No. 1. 

Aus den Mitteilungen des Verf. ist zu entnehmen, dass in 
England eine einheitliche Vorschrift über die Kontrolle der Milch- 
kuhbestände noch nicht besteht, ebensowenig als dies in andern 
Ländern der Fall ist. Auf den Bericht der Königlichen Tuberkulose- 
Kommission wurde im Jahre 1899 den Polizeibehörden die gesetz¬ 
liche Befugnis zuerteilt, gegen die Eutertuberkulose in Milchwirt¬ 
schaften in der gleichen Weiße vorzugehen, wie bei den anderen 
infektiösen Krankheiten, welche im Gesetz von 1885 aufgeführt sind. 
Die städtischen Behörden haben mit lobenswertem Eifer von diesen 
gesetzlichen Vorschriften Gebrauch gemacht, für das Land hingegen 
scheinen dieselben nicht zu existieren und so kommt es, dass Milch 
von tuberkulösen Kühen, welche ausserhalb der Stadtgemeinden 
gehalten werden, innerhalb derselben unbehindert verkauft werden 
kann. 

Diese ungleicbmässige Beachtung der Vorschriften macht natür¬ 
lich die beabsichtige Wirkung illusorisch. 

In der Stadt Birmingham gab es am 31. Dez. 1900 60 Milch¬ 
wirtschaften mit 608 Kühen. Dieselben wurden monatlich einmal 
tierärztlich untersucht. Als Resultat dieser Besichtigungen ergab 
sich, dass 36 Kühe einer Spezialuntersuchung unterworfen werden 
mussten. Von denselben waren 11 Stück mit Induration des Euters, 
2 mit Kuhpocken, 20 mit sporadischer Mastitis von eiterigem oder 
katarrhalischem Charakter und 2 mit Eutertuberkulose behaftet. 
Im Jahre 1899 wurden bei den Untersuchungen 35 Kühe als krank 
befunden. Von diesen zoigten 13 Induration des Euters, 7 eiterige 
Mastitis und 12 EutertuberkuloBe. Die Abnahme dieser Krankheit 
im folgenden Jahre (1900) ist offenbar darauf zurückzufUhren, dass 
die Milchviehbesitzer beim Einkauf der Kühe vorsichtiger zu Werke 
gingen und mehr auf Veränderungen des Euters achten als früher. 


Die Arbeit befasst sich weiter mit der Diagnose der Tuber¬ 
kulose des Euters. Zunächst sind die örtlichen Veränderungen 
zu beachten. Eine indolente, allmählich sich vergrössernde 
Induration des Euters, bei welchem Prozess eine Zeitlang Milch 
von normalem Aussehen abgesondert wird, erweckt im hohen Grade 
Verdacht auf Eutertuberkulose. Ein wertvolles Hilfsmittel bei der 
Feststellung der Eutertuberkulose liefert die Tuberkulinprobe. Die 
Exstirpation der Inguinaldrüse oder einer Portion des erkrankten 
Euters mittelst Harpune zum Zweck der mikroskopischen Unter¬ 
suchung dürfte in der Praxis nur wenig Anklang finden. Es stehen 
für die Diagnose noch weiter zu Gebote die mikroskopische Unter¬ 
suchung der Milch auf Tuberkelbazillen und die intraperitoneale 
Impfung von Meerschweinchen mit den fraglichen Milchproben. 
Von letzterem Experiment dürfte auch nur in beschränktem Masse 
Gebrauch gemacht werden. 

In der weiteren Betrachtung werden die Krankheiten des Euters 
besprochen, die mit der Tuberkulose desselben verwechselt 
werden können. 

Verordnung, betreffend Futtermittel für Kindermiichkühe in Berlin. 

Der Oberpräsident von Potsdam hat unter dem 16. Sep¬ 
tember 1902 folgende Bekanntmachung erlassen, welche der Polizei¬ 
präsident von Berlin unter dem 22. September zur Kenntnis ge¬ 
bracht hat. 

Mit Bezug auf § 13 c der Polizeiverordnung des kgl. Polizei¬ 
präsidenten zu Berlin vom 15. März d. J., betreffend den Verkehr 
mit Kuhmilch und Sahne im Landespolizeibezirk Berlin, bringe ich 
nachstehend das Verzeichnis derjenigen Futtermittel zur Kenntnis 
der beteiligten Kreise, welche bis auf weiteres an Kindermilch¬ 
kühe verabfolgt werden dürfen: 

1. Wiesenheu; dasselbe muss gut gewonnen sein, frische Farbe 
und aromatischen Geruch besitzen, nicht mit giftigen Pflanzen und 
nicht in nennenswerter Menge mit wenig gedeihlichen Kräutern 
durchsetzt, nicht schimmelig, dumpfig, staubig und mit Befallungs- 
pilzen überzogen sein. 

2. Stroh von Halmfrüchten; dasselbe darf nicht dumpfigen Ge¬ 
ruch besitzen, nicht mit Befallungspilzen besetzt und nicht mit 
schädlichen Kräutern durchmengt sein. 

3. Gute, unverfälschte und nicht verdorbene Roggen- und 
Weizenkleie. 

4. Gutes, unveriälschtes und unverdorbenes Hafer-, Gersten- 
und Roggenschrot. 

5. Leinsamenmehl in vorzüglicher Qualität. 

6. Getrocknete Biertreber in vorzüglicher Qualität. 

Alle anderen Futtermittel sind verboten. 

Potsdam, den 16. September 1902. 

Der Oberpräsident. 

I. V.: von der Schulenburg. 

Lieferung von sterilisierter Milch durch die Stadtverwaltung ln England. 

In England gibt es jetzt mindestens ein Dutzend grösserer 
Städte, deren Verwaltungen das Publikum mit reiner steri¬ 
lisierter Milch versorgen. Den Anfang hat die Stadt St. Helens 
(Lancashire) gemacht. Der Erfolg war, dass die Kindersterblich¬ 
keit in ganz ungewöhnlichem Masse znriickging. Dies gab 
Anlass, dass andere Städte, wie Liverpool, York, Belfast u. s. w., 
dem Beispiel von St. Helens folgten. 


Berlin: Auszug aus dem Fieischschaubericht für Monat Januar 1903. 

A. Schlachthof. 



Rinder 

Kälber j 

Schafe 

| Schweine 

Geschlachtet und untersucht 

13 725 1 

11 673 ! 

35 346 

I 67 648 

Ganz beanstandet .... 
Überhaupt mit Tuberkulose 

331 

60 

12 

329 

behaftet. 

3 561 

62 

2 

3 398 

Davon gänzlich verworfen . 

„ wurden der Polizeibe- 

120 

— 

— 

49 

hörde zur Sterilisation 
überwiesen . 

116 

11 

— 

191 


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176 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 10. 



Rinder 

Kälber 

Schafe 

Schweine 

Davon teilweise verworfen . 

19 

1 

_ j 


Also vollständig freigegeben 

3 30G 

50 

— 1 

3158 

Mit Trichinen behaftet. . . 

— 

— 

— 

5 

Mit Finnen behaftet . . . 
Stark finnig, technisch ver- 

62 

2 

— 

28 

wertet. 

Finnig und wässerig, tech- 

2 : 



13 

nisch verwertet .... 
Schwach finnig, wurden der 
Polizeibehörde zur Kochung 





überwiesen. 

Ausserdem wegen Behaftung 
mit Kalkkonkrementen, 
multiplen Blutungen usw. 
wurden der Polizeibehörde 

60 

2 


15 

zur Kochung überwiesen. 

“ | 

2 

1 

23 


An einzelnen Organen und Teilen wurden beanstandet: bei 
Rindern 6716 Stück, bei Kälbern 284 Stück, bei Schafen 4610 Stück, 
bei Schweinen 14 021 Stück. 


B. Untersuchungsstationen. 



Rinder¬ 

viertel 

Kälber 

Schafe 

Schweine 

Untersucht. 

26 308 

13 223 

1755 

12 377 

Beanstandet. 

57 

31 

1 


Wegen Tuberkulose wurden 





beanstandet. 

26 

— 

— 

— 

Davon wurden der Polizei¬ 
behörde zur Sterilisation 





überwiesen. 

13 

— 

— 

— 

Mithin gänzlich verworfen . 

13 

— 

— 

— 

Mit Trichinen behaftet. . . 

— 

— 

— 

7, 

Mit Finnen behaftet.... 

8 

— 

— 

— 

Davon schwach finnig, der 
Polizeibehörde zur Kochung 





überwiesen. 

8 

— 

— 

— 


Unter dem eingeführten Fleisch waren 2029 dänische Rinder¬ 
viertel, 106 dänische Kälber, 210 österreichische Schweine und 
227 Wildschweine. 


Berlin, den 4. Februar 1903. 

Der Direktor der städtischen Fleischbeschau. 
Reissmann. 


Personalien. 

Ernennungen etc.: Kgl. bayer. Bezirkstierarzt Etzinger von 
Viechtach nach Mainburg versetzt. Tierarzt Hartmann in Vömel 
zum städt. Tierarzt in Salzuflen in Lippe und Tierarzt Otto Brun¬ 
bauer (München) zum Schlachthoftierarzt in Freiburg i. Br. ernannt 

Niederlassungen, Wohnsitzveränderungen : Tierarzt Hans Frit¬ 
scheier hat sich in Asbach (Westerwald) und Tierarzt Brendler 
(bisher Hannover) in Barup bei Dortmund niedergelassen. Tierarzt 
Gödecke (bisher Hannover) ist als Einjahrig-Freiwilliger in das 
21. (’hcvauxlegers-Regiment in Dillingen eingetreten. 

Promotion: Tierarzt A. Geissler in Werden zum Dr. med. yet. 

Todesfälle: Verbandsinspektor des Badischen Landesverbandes 
der Viehversicherungsvereine Wilhelm Stadler in Karlsruhe. 


Vakanzen. 

Kreistbierarztstellen: a) Neu ausgeschriebene Stellen: Keine, 
b) Nach Abi auf der Meldefrist noch unbesetzte Stellen: 
R.-B. Arnsberg: Altena mit dem Wohnsitz in Lüdenscheid. — 
R.-B. Königsberg: Neidenburg. 

Schiachthof-Stelien : a) Neu ausgeschriebene Stellen: 
Barmen: Sanitätstierarzt z. 1. April. 2400 M., jährlich steigend 
um 100 M. bis 4500 M. Bewerbungen bis 4. März beim Magistrat. — 
Dortmund: Zweiter Assistenztierarzt zum 1. April. 2000 M. Re- 
numeration. Meid, bis 10. März. — Mülheim a. Rh.: II. Tierarzt 
1800 M. Meid, bis 16. März an Schlachthofdirektor Ährens. — 
Schwiebus: Verwalter zum 1. April. 2400 M. und freie Wohnung. 
Bewerb, bis 10. März beim Magistrat. 

b)Nach Ablauf der Melde fr ist noch unbesetzte Stellen: 
Beuthen: Assistenztierarzt2100—3000M. — Eschwege: Schlacht¬ 
hofvorsteher, 2100 M. Gehalt, steigend bis 3300 M. Wohnung etc. 
Anstellung auf dreimonatliche Kündigung. — Gardelegen: Stelle 
des Schlachthofinspektors. Pensionsberechtigtes Gehalt 1800 M. f 
freie Wohnung und Feuerung. Privatpraxis gestattet. — Görlitz: 
Assistent. Gehalt 1800 M., steigend von 3 zu 3 Jahren um 300 M. 
bis 3600 M. Dienstwohnung, Pensionsberechtigung. — Gollnow: 
Inspektor, 2250—3000 M., freie Wohnung etc., keine Privatpraxis; 
1 Probejahr, lebenslängliche Anstellung. — Hammerstein: 
Schlachthausinspektor. Derselbe hat die Fleischbeschau und 
Trichinenschau allein auszuführen. (1800 M. Privatpraxis gestattet. 
6 Monate Probezeit, darauf vierteljährliche Kündigung.) — Langen¬ 
salza: Direktor 2000 bis 2700 M., freie Wohnung etc., Pensions¬ 
berechtigung. 1 Probejahr. 1000 M. Kaution. — Limburg a. L.: 
Vorsteher 1800 bis 2400M. Sechs Monate Probezeit. — Neuenburg: 
Inspektor, 1600 M., freie Wohnung. Halbjährliche Probezeit — 
Rastenburg: Inspektor zum 1. April 1903 oder früher. 

Staatliche Fleischschausteiien : Danzig: Tierarzt für das am 


1. April zu eröffnende Untersuchungsamt für ausländisches Fleisch. 
2000 M. Remuneration. Bew. an den Regierungspräs. — Osna¬ 
brück: Tierarzt für die Zolleinlassstelle. Gehalt 3600 M. Bew. an 
den Regierungspräs. — Frankfurt a. M.: Dieselbe Stellung. 3600 M. 
Meid, bis 18. März bei dem Regierungspräs. in Wiesbaden. — Köln: 
Dieselbe Stellung. 4000 M. Bew. bis 10. 3. beim Regierungspräs. 

Stellen für ambulatorische Fielschschau und Privatpraxis: Alpen 
(Niederrhein): Privatpraxis (Ausk. Bürgermeister). — Castellaun 
(Rheinprov.): 850 M. Fleischschau und 450 M. jährl. Gemeinde- 
znschuss in den ersten drei Jahren. — Clausthal-Zellerfeld: 
Fleischschau; 8000 M. Fixum von der Fleischerinnung. — Elze 
(Hannover): Fleischschau, Ergebnis 1400—1500 M., 300 M. Jahres¬ 
beihilfe in den ersten drei Jahren, Privatpraxis (Bürgermeister). — 
Fiddichow a. Oder: Privatpraxis (Bürgermeister). — Märkisch- 
Friedland: Fleischschau 1800 M. (Magistrat). — Guttstadt: 
750 M. für Beaufsichtigung des Schlachthauses, Privatpraxis 
(Magistrat). — Kemberg: Privatpraxis. — Kobylin (Posen): 
Deutscher Tierarzt, 750 M. Staatszuschuss (Meid, beim Landratsamt 
Krotoschin). — Krakow i. M.: Privatpraxis, voraussichtlich Fleisch- 
schau (Magistrat). — Krojanke: Städt. Fleischschau 1200 M. Fixum 
(Magistrat). — Laage i. M.: Privatpraxis (Magistrat). — Langen¬ 
dreer: Fleischschau, 1800 M. Fixum; SchlachthauBbau in Aussicht 
(Amtmann Schüler). — Lindow: Fleischschau, Privatpraxis. — 
Lübtheen: Fleischschau, Privatpraxis (Gemeindevorstand). — 
Lügumkloster: Fleischschau ca. 1000M., Privatpraxis(BUrgermstr.). 
— Marklissa: Fleischschau 1600—2000 M., Privatpraxis (Polizei¬ 
verwaltung). — Mehlsack i. Ostpr.: Privatpraxis. — Neumünster: 
Zwei Tierärzte für Fleischschau, Gehalt 3000—4000 M. Persönl. 
Vorstellung. Bew. bis 15. Jan. beim Magistrat. — Niemegk 
(R.-B. Potsdam): Privatpraxis. — Oberpeil: Privatpraxis. 500 M. 
Gemeindefixum. Fleischschau voraussichtlich 700—800 M. Ein¬ 
nahmen (Bürgermeister). — Plettenberg (Westfalen): Fleisch¬ 
schau ca. 1200 M., Privatpraxis (Amtmann). — Rackwitz (Posen): 
Fleischschau ca. 1500 M., Privatpraxis (Magistrat). — Rendsburg: 
Zwei Tierärzte für Fleischschau. Gehalt je 3000 M. Bew. bis 
10. März (Magistrat). — Schköhlen (Thüringen): Privatpraxis 
(landwirtschaftl. Verein daselbst). — Seeburg i. Ostpr.: Privat¬ 
praxis, Schlachthausaufsicht (Magistrat). — Teuehern (Prov. 
Sachsen): Fleischschau ca. 1500 M., Privatpraxis (Magistrat). — 
Treffurt (im Werratal): Fleischschau (Magistrat). — Vacha a. W.: 
1200 M. Fixa aus Fleischschau und Zuschüssen, Privatpraxis 
(Bürgermeister). — .Visselhövede: Privatpraxis, evenL Fleisch- 
schauübertragung(Magistrat). — Wangerin: Sanitätstierarzt, Privat¬ 
praxis gestattet (Magistrat). — Wetter (Ruhr): Fleischschau zum 
1. Juni oder früher (Bew. bis 20. März beim Amtmann). — 
Worringen oder Dormagen: Privatpraxis, event Fleischsehaü- 
übertragung (Bürgermeisteramt). 


Verantwortlich für den Inhalt (cxkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmaltz ln Berlin. — Verlag und Eigentum von Richard Schoetz in Berlin. — Druck von W. BUzeniteln, Berlin. 


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DU »B«rttn«r TlartratHeb« Woeh*n*«hrtft* an oheint 
wöchentlich im VtrU(< von Richard Schotts in 
Berlin, Lnlaenatr.Sfl. Durch Jedes deutaobe Postamt wird 
dieselbe rum Preise von M. 5,— vierteljährlich (M. 4,88 fhr 
die Wochenschrift, 19 Pf. für Bestellgeld) frei ins Hans 
geliefert (Deutsche Post ■ Zeitungs • Preisliste No. 1101, 
Oesterreiohische No. 610, Ungarische No. 90.) 


Berliner 


Orlfinalbeltrflge werden mit 601k. Ar den Bogen honoriert 
Alle Manuskripte, Mitteilungen und redaktionellen An¬ 
fragen beliebe man au senden an Prof. Dr. Schmal ta, 
Berlin, tlerirmtllche Hochschule, NW, Lulsenstraase 56. 
Korrekturen, Reienaiona-Exemplare und Annoncen da¬ 
gegen an die Verlagsbuchhandlung. 


Tierärztliche Wochenschrift 


Redaktion: 

Professor Dr. Schmaltz-Berlin 

Verantwortlicher Redakteur. 

De Bruln Köhnan Dr. Lothes Prof. Dr. Peter Peters Preusse Dr. Sohlegel Dr. Vogel ZOndel 

Professor Schlachthofdirektor Departementstlerarat Kreistierarzt Departemeutatlerarat Veterin&raaaeasor Professor Landes-Insp. f. Tierzucht Krelstlerant 

Utrecht Cöln. Cöln. Angermünde. Bromberg. Danzig. Freibarg i. Br. München. Mülhausen i. E. 

Franoke Dr. Jeee Nev ermann 

Krelstlerant Kreistierarzt Krelstlerant 

Mülheim a. Rh. Charlottenburg. Bremervörde. 


Jahrgang 1903. 


Jfä 11 . Ausgegeben am 12. März. 


I n h a 11: Eckardt: Über Coccidiosis intestinalis beim Geflügel. — Kattner: Aus dem Gesetze des Königs Hammurabi 
von Babylon. — Referate: Sand: Künstliche Befruchtung von Stuten. — Jess: Wochenübersicht über die medizinische 
Literatur. — Tagesgesohiohte: Bemerkungen zu der Verhandlung des Abgeordnetenhauses vom 30. Januar. (Schluss). 
— Verband der Privattierärzte in Preussen. — Verschiedenes. — Bücheranzeigen und Kritiken. — Personalien. — 
Vakanzen. 


Über Coccidiosis intestinalis beim Geflügel. 

Vortrag, gehalten im Verein der Tierärzte des Reg.-Bez. Düsseldorf 
am 12. Oktober 1902 

von 

Eckardt-Neuss, 

Kreistierarzt. 

Meine Herren! Die Tierärzte haben in den letzten Jahren 
das Studium der Geflügelkrankheiten eifriger als früher betrieben. 
Das erhöhte Interesse resultierte einerseits ans der Erkenntnis 
der grösseren Bedentnng der früher so stiefmütterlich behandelten 
Geflügelzucht, andererseits aus den veterinärpolizeilichen Ver¬ 
pflichtungen, den Senchen und senchenartigen Erkrankungen 
des Geflügels eine erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen. Mit 
welchem Erfolg, zeigen die in den letzten Jahrgängen unserer 
Zeitschriften veröffentlichten Arbeiten. In diesen finden sich 
durch praktische Erfahrungen and exakte Laboratorienversnche 
ermittelte Tatsachen, deren Kenntnis eine wesentliche Erleichterung 
unserer diagnostischen Aufgaben bedingen. Wir kennen genau 
die Unterschiedsmerkmale der eigentlichen Geflügelcholera und 
der sogenannten Braunschweiger Gefltigelseuche. Die Eigenart 
dieser letzten Krankheit zu erkennen und weiter zu studieren, 
wurde bekanntlich veranlasst dnrch ihre umfangreiche, über ganz 
Deutschland sich erstreckende Verbreitung, welche einer in Braun¬ 
schweig abgehaltenen Geflügel -Ausstellung gefolgt war. Schon 
vor dieser Zeit war die Beobachtung gemacht worden, dass 
bei verschiedenen Senchegängen, welche auf einer Infektion 
mit Geflügelcholera beruhen sollten, die für diese Krankheit 
so empfindlichen Gänse verschont geblieben sind. Ich erinnere 
mich genau, diese Tatsache schon vor vier Jahren mit Nachbar¬ 
kollegen besprochen zu haben. Wir teilten damals bereits die 
Auffassung, dass es sich in den gegebenen Fällen am eine andere 
ansteckende Geflügelkrankheit, als die Cholera, handele. 

Sie wissen auch noch, meine Herren, dass wir in der vor¬ 
jährigen Herbstversammlnng bei der im Anschluss an den Vortrag 
des Herrn Kollegen Schache „Über Gefltigelcholera“ entstandenen 
Diskussion übereinstimmend zu der Ansicht gekommen sind, dass 
die zweckmässige Bezeichnung für diese Krankheit „Htihnersenche“ 


sei. Ich konnte hierbei noch die Mitteilung machen, dass ich, ausser 
bei Haushühnern, Truthühnern, Pfauen, Perlhühnern diese Seuche 
und den durch sie bedingten Tod auch bei den in Gefangenschaft 
gehaltenen Rebhühnern festgestellt habe. Wir haben den dia¬ 
gnostischen Grundsatz anfgestellt, dass die Hühnerseuche nur 
die Hühnervögel befällt und dass die Geflügelcholera vor den Ställen 
des Wassergeflügels nicht nur nicht Halt macht, sondern vielmehr 
unter diesem besonders bei den Gänsen, ein viel schnelleres und 
massenhafteres Sterben verursacht, als bei den Hühnervölkern. 
Meines Erachtens ist es am zweckmässigsten, dieses Prinzip bei 
der Scheidung der beiden Krankheiten aufrecht zu erhalten, and 
empfiehlt es sich für den Fall, dass bei senchenhaftenErkrankungen 
auf dem Geflügelhofe, welche Hühner und Wassergeflügel gleich¬ 
zeitig befallen, die Cholera nicht festgestellt werden kann, zu 
erwägen, ob es nicht noch andere Krankheiten gibt, welche im¬ 
stande sind, ganze Bestände in verhältnismässig kurzer Zeit hin¬ 
zuraffen. So ist es meines Erachtens noch nicht als entschieden 
zu betrachten, ob die sogenannte Geflügelpest, welche vielfach 
das italienische Junggeflügel mitgebracht hat, mit der Braun¬ 
schweiger Geflügelseuche identisch oder eine eigenartige Er¬ 
krankung ist. Zn dieser Entscheidung bedarf es noch exakter 
Versuche und bakteriologischer Beweismittel. Diese sind aber 
schwer zu erbringen und in ihrer Wertschätzung ist man be¬ 
rechtigt skeptisch zu sein. Wie vorsichtig ein bakteriologischer 
Befund beurteilt werden muss, das beweisen Fälle, wie der folgende: 
Von einem grösseren, bei Düsseldorf gelegenen Gefltigelhofe, wurde 
ein plötzlich verendeter Pfauhahn an ein Institut zur Unter¬ 
suchung eingeschickt. Dort wnrde anf Grand des bakteriologischen 
Befondes Geflügelcholera festgestellt. Letztere war aber tat¬ 
sächlich nicht vorhanden, wie ich konstatieren konnte. Dass es 
aber nicht immer gleich gelingt, die Cholerabakterien im Blute 
des an der Cholera notorisch eingegangenen Geflügels zu finden, 
ist auch bekannt. Es kommt vor, dass man erst bei der Sektion 
des 3. oder 4. Huhnes die Bakterien zn Gesicht bekommt. 

Versuche, welche ich angestellt habe, nm zu ermitteln, ob 
Hühnerseuche (Braunschweiger) und Geflügelpest identisch seien, 


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178 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


haben bis jetzt noch nicht zum Ziele geführt. Die hierzu 
erforderlichen Arbeiten haben mich aber zum eingehenden 
Studium der bei den Hühnern unter gewissen Bedingungen 
seuchenartig auftretenden Gregarinosis bezw. Coccidiosis intest¬ 
inalis veranlasst. Da, wie ich gefunden habe, die Kenntnis 
dieser Krankheit für uns Tierärzte einen hohen diagnostischen 
Wert hat, und die grosse Bedeutung für die Geflügelzucht, ins¬ 
besondere für die künstliche Brut und künstliche Aufzucht all¬ 
gemein bekannt zu werden verdient, bitte ich mir zu gestatten, 
dass ich die Erfahrungen, welche ich durch Beobachtungen auf 
verschiedenen Geflügelhöfen (sogar auf meinem eigenen) und 
Zuchtanstalten, durch Impf- bezw. Fütterungsversuche und un¬ 
zählige Sektionen gesammelt habe, hier vortrage. 

Als ich im vergangenen Sommer die Ursache eines Massen¬ 
sterbens unter dem Junggeflügel einer Anstalt und eines Züchters 
welcher ausser dem selbstgezüchteten Material noch aus Italien 
eingeführtes Junggeflügel besass, feststellen sollte, kam ich in 
arge Verlegenheit, weil ich aus dem Zweifel über die Natur der 
Erkrankung — zuerst dachte ich an italienische Geflügelpest — 
nicht heranskara, bis es Herrn Kollegen Martin-Düsseldorf und 
mir gelang, im Darm der eingegangenen Hühner Coccidium 
tenellum in ziemlicher Menge und in konstanter Wiederkehr bei 
den folgenden Sektionen zu entdecken. Dabei zeigte sich, dass die 
Zahl der im Darm vorhandenen Coccidien zunahm in dem Masse, als 
die Todesfälle sich häuften und die Erkrankungen heftiger auf¬ 
traten. Mir war wohl bekannt, dass auf den in Frage kommenden 
Geflügelhöfen ab und zu durch Gregarinen hervorgerufene 
Krankheiten in der bekannten Form von Augen- oder Kehlkopf¬ 
schleimhaut-Erkrankungen Vorkommen; dass aber die jetzt auf¬ 
tretende Darmseuche, welche unter den Erscheinungen von 
Durchfall, starker Hinfälligkeit, Blauwerden des Kammes und 
Speichelfluss entweder akut in Zeit von 2 bis 3 Tagen oder 
subakut in ungefähr 14 Tagen zum Tode durch Erschöpfung 
führte und 60 bis 70 Prozent des Bestandes mordete, durch das 
im Darm Vorgefundene Coccidium tenellum verursacht sei, be¬ 
durfte der Bestätigung durch Versuche. Durch Impfung mit 
Blut und Körpersäften, und mit Hilfe der bakteriologischen 
Untersuchungen wurden Geflügelcholera und Hühnerseuche aus¬ 
geschlossen. Hierbei will ich bemerken, dass durch die Kontroll- 
versuche des Kollegen Martin, welcher seine Studien an dem 
durch mich gelieferten Material ganz unabhängig von meinen 
Untersuchungen ausgeführt hat, die von mir behaupteten Tat¬ 
sachen, soweit sie sich auf den mikroskopischen und makro¬ 
skopischen Sektionsbefund beziehen, bestätigt worden sind. — 
Bei subkutaner Impfung mit Blut und mit Darminbalt konnte 
bei 4 Junghühnern die Krankheit nicht übertragen werden. Die 
kleinen Hautwunden waren in fünf Tagen verheilt. Die Hühner, 
welche nach zwei Monaten zu Schlachtzwecken benutzt worden 
sind, erwiesen sich gesund, insbesondere frei von Darm- 
coccidien. An der Impfstelle war nichts Abnormes zu erkennen. 

Zur Fütterung wurden 4 Küken im Alter von 5 Wochen, 
5 Junghühner, 3 alte Hühner und 2 anderthalbjährige Hähne 
benutzt. Die Därme von 2 Junghühnern, bei welchen Darm- 
coccidien in Menge gefunden waren, wurden mit dem Hack¬ 
messer zerkleinert und mit angefeuchtetem Maismehl verrührt 
an die fraglichen Versuchstiere zu gleichen Teilen verfüttert, 
wobei festgestellt wurde, dass sämtliche Tiere die ihnen zu¬ 
geteilte Portion verzehrten. Das weiterhin gereichte Futter 
bestand in Weizen, Maismehlbrei und frischem Wasser. Am 


No. 11. 


dritten Tage abends zeigten 2 Junghühner kalkigen Durchfall, 
und waren weniger munter als vorher, nahmen aber noch das 
dargereichte Futter und tranken viel Wasser. Am folgenden 
Tage hatten die Krankheitssymptone zugenommen und Speichel¬ 
fluss war noch hinzugetreten. Am dritten Erkrankungstage 
kauerten die Hühner in der Ecke des Käfigs, pickten noch nach 
dem Futter, Hessen aber die aufgenommenen Körner aus dem 
Schnabel wieder fallen. Das Mastdarmejekt war grünlioh und 
schleimig geworden, und unter dem Mikroskop waren Coccidien 
darin zu erkennen. Am vierten Tage nach dem Eintreten der 
ersten Krankheitserscheinungen verendeten die beiden erkrankten 
Junghühner und mit ihnen zwei Küken, welche sich nicht merk¬ 
lich krank gezeigt hatten. Bei allen vier zeigten sich ungefähr 
übereinstimmend folgende Erscheinungen: Schwellung und 
Rötung der Darmschleimhaut; dünnbreiige, grünliche Beschaffen¬ 
heit des Darminhalts, dessen Farbe im Mastdarm grauweiss ist; 
massenhaftes Vorhandensein von Coccidien im Darminhalt und 
zwischen den Darmepithelien; im übrigen negativer Befund. Ein 
Junghuhn, zwei alte Hühner und ein Hahn hatten am sechsten 
Tage nach der Fütterung Durchfall; die Dejekte waren anfangs 
kalkig, später schleimig. Die Tiere verloren ihre Munterkeit, 
pusterten die Federn auf und zogen den Leib hoch, so dass sie 
immer grösser zu werden schienen. Die Mattigkeit nahm zu 
und eine ans Unglaubliche grenzende Abmagerung machte die 
Tiere in Zeit von drei bis vier Wochen zu wahren Skeletten. 
Der Tod trat in Folge von Marasmus ein. Im Darm fanden 
sich die Erscheinungen des chronischen KatarrheB, mit starker 
Schleimsammlung im Dünndarm und fleckiger Rötung der durch¬ 
weg geschwollenen Schleimhaut. Das Darmrohr war im Anfangs¬ 
teil stark zusammengezogen, am Grimmdarm erweitert. Mikro¬ 
skopisch wurde das Vorhandensein einer Unmenge von Coccidium 
tenellum im ganzen Darmtraktus und in den Lebergallengängen 
festgestellt. An der Leber konnten mikroskopisch keine Ver¬ 
änderungen wahrgenommen werden. 

Von den probegefütterten Hühnern erkrankten weiter: 
1 Junghuhn, 2 alte Hühner und 1 Hahn; es zeigte sich aber 
die Krankheit in chronischer Form. Die Hühner hörten auf 
zu legen, der Hahn krähte nicht mehr. Ihre Kämme wurden 
welk und blass. Es trat Durchfall mit starkem Dräogen auf 
den Mastdarm ein. Das Dejekt war anfangs kalkig, später 
schleimig und grünlich gefärbt. Diese Krankheitserscheinungen 
waren deutlich sichtbar am 10. bis 14. Tage nach der Fütterung. 
Von dieser Zeit wechselte der Znstand der Tiere, welche trotz 
ihrer Krankheit das Futter nicht verschmähten. Der Durchfall 
wechselte mit Verstopfung. Besonders auffallend waren aber die 
fortschreitende Abmagerung und zunehmende Mattigkeit. Die 
Tiere vermochten nicht mehr auf die Sitzstangen zu fliegen, 
sondern kauerten Tag und Nacht, den Kopf in den Federn ver¬ 
steckt, in der Ecke des Käfigs, sodass man ihren baldigen Tod 
erwarten konnte. Nur das eine alte Huhn wurde in der 
6. Woche wieder kräftiger, hatte in der 9. Woche wieder ein 
leidlich gutes Aussehen und war in der 12. Woche anscheinend 
wieder gesund. Die 3 anderen verendeten aber in der 8. Woche. 
Der Sektionsbefund ergab folgendes: Starke Abmagerung, wäs¬ 
serige Beschaffenheit des Blutes, chronischer Darmkatarrh mit 
massenhafter Schleimabsonderung; die Oberfläche der Dünndarm¬ 
schleimhaut, gründlich mit Wasser abgespült, hatte das Aus¬ 
sehen, als wenn sie über und über mit feinem Mehlstaub belegt 
sei. Die weissen Pünktchen erkennt Kollege Martin als in 


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12 März 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


179 


Kalk eingebettete Coccidien. Diese finden sich anch noch frei 
in dem schleimigen Darminhalt. Das Hohn, welches die Krank¬ 
heit überstanden hatte, wnrde geschlachtet. Bei ihm fanden 
sich in der Darmschleimhant die mehlstaubartigen Pünktchen 
in geringer Anzahl, sie waren grösser, als bei den 3 zuletzt 
verendeten Tieren. Die Pünktchen konnten vereinzelt auch an 
der Leberoberfläche wahrgenommen werden und erwiesen sich 
als Coccidienhäufchen. — Soweit, meine Herren, reichen meine 
experimentellen Untersuchungen. Ich bemerke noch hierzu, dass 
ich mir die Versuchshühner von einem Bauernhöfe verschafft 
habe, von dem ich mit Bestimmtheit wusste, dass hier eine 
Coccidienerkrankung noch nicht vorgekommen war. 

Auf Grund dieser Untersuchungsergebnisse und meiner 
weiteren klinischen Erfahrungen, welche ich besonders in mehreren 
Zuchtanstalten mit künstlicher Ausbrut und Aufzucht zu machen 
reichlich Gelegenheit gehabt habe — ich selbst habe nämlich 
auch seit mehreren Jahren die künstliche Geflügelzucht intensiv 
betrieben —, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass das 
Coccidium tenellum bei den Hübnern eine seuchenartige, 
mörderische Darmsenche verursachen kann, wenn die Haltung 
der Tiere und die Witterungsverhältnisse für die Entwickelung 
der Coccidien besonders günstig sind. Die Coccidien sind nur 
fakultative Schmarotzer, sie gedeihen in feuchter Gartenerde 
und vermehren sich massenhaft bei schwüler Sommertemperatur 
in fauligen Futterresten etc. Mit dem Futter und Trinkwasser 
werden sie von dem Geflügel aufgenommen und die Erkrankungen 
beginnen. So darf ich nach meinen Erfahrungen auch annehmen, 
dass die grosse Sterblichkeit, welche im Hochsommer in den 
Aufzuchtkasten unter den Küken zum Leidwesen der Züchter 
nicht selten eintritt, und das Zurückbleiben in der Entwickelung 
bei einer grösseren Anzahl von Hühnchen durch die Coccidiosis 
bedingt werden. Würde für heute die Zeit nicht zu kurz sein, 
würde ich Ihnen die an sich so interessante künstliche Geflügel¬ 
zucht bis in die Details schildern; ich kann mich leider nur 
darauf beschränken, das herauszugreifen, was für das Ver¬ 
ständnis der Pathogenese der Coccidiosis von Wichtigkeit ist. 
In den Aufzuchthäusern muss mit besonderem Fleiss auf eine 
hochnormale Treibhaustemperatur, auf trockene, sandige Fuss- 
böden und reichlich vorhandenes Licht geachtet werden. Diesen 
Anforderungen werden diejenigen Aufzuchteinrichtungen gerecht, 
bei welchen die Wärmezufuhr von unten durch die Fussböden 
und Licht und Luft von oben geschafft werden, wie z. B. bei 
dem Bergmannschen Junggeflügelheim und ähnlichen, nach dem¬ 
selben Prinzip konstruierten Apparaten. 

Mit Hilfe dieser Aufzuchthäuser während der Wintermonate 
und im Frühjahr Küken aufzuziehen, ist leicht, und es werden 
Todesfälle kaum beobachtet. Aber während der Monate Mai bis 
Juli ist zuweilen auch in diesen Apparaten die Sterblichkeit so 
gross, dass erfahrene Züchter es zweckmässig finden, in der 
genannten Zeit die künstliche Aufzucht einzustellen. Ich habe 
Gelegenheit gehabt, eine grosse Menge der in den Aufzucht¬ 
häusern eingegangenen Küken zu sezieren. In dem Darm eines 
jeden fand ich unzählige Coccidien, deren Kolonien als mehl¬ 
staubartige Pünktchen schon mit blossem Auge zu erkennen 
sind. Die Erkrankungen treten in folgender Weise auf: In den 
ersten drei Wochen ihres Lebens sind die Tierchen munter und 
kräftig. Während dieser Zeit bekommen sie Weichfutter, Milch 
(gekochte oder vollständig gesäuerte), aber kein Trinkwasser. 
In der vierten Woche wird ihnen auch Wasser gereicht. Nun 


beginnen in der Regel die Erkrankungen, und zwar stellt sich 
als erste Erscheinung Durchfall ein. Die Fresslust ist anfangs 
noch ziemlich gut; sie lässt erst nach, wenn die allgemeine 
Schwäche zunimmt. Besonders auffallend ist die progressive 
Abmagerung. Die Schnäbel werden lang, der Hinterleib wird 
aufgezogen, die Flügelspitzen hängen tief. In acht Tagen führt 
allgemeiner Marasmus zum Tode. Von 120 vierwöchentlichen 
Küken, welche in einem Aufzuchthause gehalten wurden, lebten 
nach zehn Tagen nur fünf elende Tierchen, welche, weil sie des 
Aufziehens nicht wert waren, getötet wurden. Aus dem Um¬ 
stande, dass die Tierchen erst erkrankten, als sie TrinkwaBser 
in reichlicher Menge erhielten, schloss ich, dass das Wasser die 
direkte Infektionsquelle bildete, oder dass der Sand für die in 
ihm enthaltenen Coccidien infolge der durch das verschüttete 
Wasser entstehenden Durchfeuchtung ein günstiger Nährboden 
wurde. Wie bekannt, picken die Tierchen viel Sandkörner und 
finden hierdurch hinreichende Gelegenheit zur Aufnahme der 
Parasiten. Von diesem Gesichtspunkte aus hielt ich es für ge¬ 
boten, folgenden Versuch zu machen. Ich setzte neben den 
Aufzuchtkasten, in welchem die besagte Krankheit die Reihen 
der Küken dezimierte, einen anderen neuen Kasten mit gesunden 
Küken. Alles, was den Tierchen gereicht wurde, wurde durch 
Kochen steril gemacht, und der täglich zu erneuernde Streu¬ 
sand wurde vor dem Einstreuen auf einer Ofenplatte so stark 
erhitzt, dass man ihn nicht anzufassen vermochte. Das Resultat 
war, dass kein Küken erkrankte. 

Wie manchem unter uns haben nicht im Laufe des Sommers 
die Hausfrauen auf dem Lande ihr Leid geklagt, weil auch die 
von der Henne ausgebrüteten und geführten Küken zum grössten 
Teil eingegangen sind. Die Ursache schob man mit Recht auf 
die feuchtkalte Witterung. Ich glaube aber, dass hier und da 
auch die Coccidiosis zum Teil mit Schuld daran war. In 
einzelnen Fällen konnte ich diese Annahme durch meine Unter¬ 
suchungen als Tatsache feststellen. 

Ich will nicht unerwähnt lassen, dass ein mir bekannter 
Züchter der Ansicht ist, dass die von mir als Coccidiosis 
erkannte Krankheit, welche unter seinen Hühnern herrschte, 
durch Bruteier eingeschleppt sei. Ob diese Annahme berechtigt 
ist, muss durch weitere Versuche ermittelt werden. Bis jetzt 
habe ich folgendes festgestellt: An der Kalkschale und im Ei- 
wei8B der Eier von Hühnern, welche an Coccidiosis gelitten 
haben, ist das Coccidium tenellum zu finden, ferner an der 
Oberfläche der 4 bis 5 Tage vor der Ausschltipfzeit abgestorbenen 
Embryonen. Ob die Parasiten das Absterben der Küken im Ei 
verursachen oder nicht, das zu erforschen ist ebenfalls noch 
weiteren Untersuchungen Vorbehalten. 

Die Coccidiosis internationale der Haushühner — Trut¬ 
hühner und Puten erkranken nur selten und nur im jugendlichen 
Alter bei künstlicher Aufzucht — hat für uns Tierärzte insofern 
ein differentialdiagnostischeB Interesse, als sie eine ansteckende 
Krankheit Vortäuschen kann, während sie in Wirklichkeit nur 
eine Invasionskrankheit ist. Diese kann eingeschleppt werden 
durch junge Hühner, welche im Darm Coccidien beherbergen, 
durch Verstreuen des Kotes; die Krankheit erhält sich jahrelang 
in infizierten Beständen und kommt jedesmal zur Sommerzeit 
wieder zum Ausbruch. 

In den Aufzuchthäusern richten die Coccidien besonders 
grossen Schaden an. Künstlich gezüchtete Junghühner, welche 
viel in den Handel gebracht werden, sind nach meiner Erfahrung 


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180 


als der Coccidiosis besonders verdächtig zn betrachten, wenn 
sie sich unter den oben geschilderten Erscheinungen krank 
zeigen und nicht gleich auf den ersten Blick als cholera- oder 
höhnerpestkrank zu bezeichnen sind. 

Zum Schluss kann ich Ihnen noch mitteilen, dass Herr 
Kollege Martin versprochen hat, in der nächsten Versammlung 
das Wissenswerte über die biologischen etc. Verhältnisse der 
Coccidien vorzutragen. Ich versäume nicht, ihm an dieser Stelle 
für sein liebenswürdiges Entgegenkommen und seine Hilfe¬ 
leistungen bei den mikroskopischen Arbeiten meinen verbind¬ 
lichsten Dank auszusprechen. 

Aus dem Gesetze des Königs Hammurabi von Babylon. 

Von 

Kattner-Xeustadt, O.-S. 

KroUtlerarzt 

Seit einer Reihe von Wochen liegt eine ausführlichere Arbeit 
über die ausgegrabene Stelle mit dem Gesetze Hainmurabis 
auf meinem Schreibtische zur Abschrift und Absendung an die 
B. T. W. bereit. Aber jetzt ist Jagdzeitl Und welcher Jünger 
Sancti Huberti hat während der jagdlichen Hochsaison, in welcher 
Jagd auf Jagd sich jagen und in welcher kaum Zeit zur Aus¬ 
übung der eigentlichen Berufsgeschäfte bleibt, noch die nötige 
Zeit zur Schriftstellerei! 

So kam es denn, dass der Kollege Albrecht in München 
mit seinem Artikel „Forensische Tiermedizin der Babylonier“ 
(B. T. W. pro 1902, Nr. 51) der Veröffentlichung meiner Aus¬ 
führungen zuvorkam*). Da aber meine Bearbeitung des 
Gegenstandes noch mehr ins spezielle geht, als dies in 
Albrechts Artikel der Fall ist, so will ich aus meiner längeren 
Arbeit wenigstens einen Auszug zum Abdruck bringen und 
dadurch Albrecht etwas ergänzen, wobei einzelne Wieder¬ 
holungen von Albrechts Worten nicht ganz zu vermeiden 
sein werden. 

Ad rem: 

Im Anfänge des 17. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung hatten 
Reisende in Persien auf Steinen etc. keilartige Zeichen gefunden, 
welche sie für blosse Zieraten hielten. Gegen Ende des 18. Jahr¬ 
hunderts fand Josef Hager in Babylon ebensolche Zeichen auf 
Steinen und sprach 1801 die Vermutung aus, dass dieselben die 
Schrift Zeichen der alten Babylonier und Assyrier und die Grund¬ 
lage der Kultur des assyrischen Weltreiches waren. Durch das 
Studium der Abschriften solcher Keilzeichen, welche Niebuhr 
in seiner Reisebeschreibung über Arabien und die umliegenden 
Länder schon 1774—78 in Kopenhagen veröffentlicht hatte, 
konnte der junge Gymnasiallehrer Grotefend in seinem am 
4. September 1802 vor der „Gelehrten Gesellschaft“ in Göttingen 
gehaltenen Vortrage aus einer Anzahl sich öfter wiederholender 
Zeichengruppen die Namen Dareios, Xerxes und Hystaspes, sowie 
den alten persischen Königstitel „König der Könige“ nachweisen. 
Seitdem ist die in ganz Vorderasien (von Babylon ausgehend) 
die Schriftsprache gewesene Keilschrift vielfach weiter studiert 
und bis zur heutigen Vollkommenheit erforscht worden, namentlich 
nachdem die zuerst in Ninive begonnenen und dann auch ander¬ 
wärts fortgesetzten systematischen Ausgrabungen und deren 
Ergebnisse das reichhaltigste Material zu diesem Studium lieferten. 

*) Der obige Artikel ist uns am Jahresschluss 1902 zu¬ 
gegangen. Die Redaktion. 


No. 11. 


Uns Tierärzte interessieren in erster Linie die neuerdings 
bei jenen Ausgrabungen gefundenen Gesetze eines der berühmtesten 
Herrscher von Babylon, des Königs Hammurabi (in der 
Bibel, 1. Mos. Kap. 14, zu Amraphael entstellt) eines Zeit¬ 
genossen des biblischen Urvaters Abraham, der um 2250 v. Chr. 
gelebt hat, da sich in denselben Tierärzte erwähnt finden und 
in ihnen sich auch eine Gebührentaxe für Ärzte und Tierärzte 
vorfindet. 

Zunächst sind in diesem Corpus juris Bestimmungen mit 
Angaben der oft recht harten Strafen gegen Vergehen an 
denselben und gegen Verbrechen enthalten, z. B. über Diebstahl, 
Hehlerei (die Zeugenaussagen mussten unter Eid erfolgen!), 
Entziehung vom Militärdienst (die alten Babylonier hatten 
damals bereits allgemeine Wehrpflicht!!), Verpflichtung zum 
Ackerbau, über Darlehn und Zinsen, über Wirtshäuser (deren 
Inhaber nur Frauen bezw. weibliche Personen waren), Schuld¬ 
haft, Miete, Ehevertrag, Ehebruch und Ehescheidung, über Blut¬ 
schande, Erbschaft, Adoptierung und Körperverletzung. Sodann 
folgt in allerdings nur wenigen Sätzen (Paragraphen) die 
„Medizinaltaxe“, welche in wörtlicher Übersetzung folgender- 
massen lautet: 

Wenn ein Arzt jemandem eine schwere Wunde mit dem 
Operationsmesser macht und ihn heilt oder wenn er jemandem 
eine Geschwulst mit dem Operationsmesser öffnet und das Auge 
erhalten bleibt, so soll er 10 Sekel 1 ) Geld erhalten. 

Wenn es ein Freigelassener 2 ) war, so erhält er 5 Sekel. 

Wenn es jemandes Sklave war, so soll dessen Eigentümer 
dem Arzte 2 Sekel geben. 

Wenn ein Arzt jemandem eine schwere Wunde mit dem 
Operationsmesser macht und ihn tötet, oder jemandem eine 
Geschwulst mit dem Operationsmesser öffnet und das Auge wird 
zerstört, so soll man ihm die Hände abhauen. (Das war denn 
doch eine harte Strafe für den Arzt. K.) 

Wenn ein Arzt dem Sklaven eines Freigelassenen mit dem 
Operationsmesser eine schwere Wunde macht und ihn tötet, soll 
er einen Sklaven für den Sklaven ersetzen. 

Wenn er ihm seine Geschwulst mit dem Operationsmesser 
geöffnet hat und das Auge zerstört wurde (also ohne den Tod 
des Patienten. K), so soll er seinen halben Preis bezahlen. 

Wenn ein Arzt den zerbrochenen Knochen jemandes heilt 
oder kranke Weichteile heilt, so soll der Kranke dem Arzte 
5 Sekel Geld geben. 

Wenn es ein Freigelassener war, soll er 3 Sekel geben. 

Wenn es ein Sklave war, so soll dessen Eigentümer dem 
Arzte 2 Sekel geben. 

Wenn ein Arzt der Rinder oder Esel einem Rinde 
oder Esel eine schwere Wunde macht und das Tier 
heilt, so soll der Eigentümer */ 6 Sekel dem Arzte als 
Lohn geben. 

Wenn er dem Rinde oder Esel eine schwere Wunde 
macht und es tötet, so soll er y 4 seines Preises dem 
Eigentümer geben. 

Hieraus ist zu ersehen, dass die Babylonier vor über 
4000 Jahren schon besondere Ärzte für Tiere, also Tierärzte 
hatten, deren Bezahlung aber im Verhältnis zu der der Menschen¬ 
ärzte bedeutend geringer war; allerdings waren die Strafen für 

*) Leider habe ich nicht ausfindig machen können, wieviel 
dies nach unserem heutigen Gelde betragen würde. K." 

a ). Man unterschied Freigeborene, Freigelassene und Sklaven. K. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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12. Mürz 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


181 


unsere damaligen Spezialkollegen bei sogenannten Kunstfehlern 
— denn solche dürften wohl nnr gemeint sein — auch nicht so 
hart wie für die Menschenärzte. 

Die folgenden Abschnitte (Paragraphen) handeln über Bau¬ 
meister (Hochbauer), Schiffbauer und Schiffsunglticke. Sodann 
sind über das Mieten von Tieren, von Feldbebauern (gleich 
unseren Pächtern oder Inspektoren. K.) von Feldarbeitern und 
Hirten Bestimmungen getroffen, welche vielleicht vielfach eben¬ 
falls von Interesse sein dürften, weshalb ich sie in Ergänzung 
der Alb recht sehen Arbeit noch wörtlich anführe. 

Wenn jemand ein Rind zu erzwungener Arbeit zwingt, soll 
er Va Mine 3 ) Geld zahlen. 

Wenn jemand (sich den Ochsen) Für 1 Jahr mietet, so soll 
er als Miete des Ackerochsen 4 Gur 3 ) Getreide, 

als Miete des Herdenochsen*) 3 Gur Getreide dem Besitzer 
geben. 

Wenn jemand ein Rind oder einen Esel mietet und im 
Felde ein Löwe ihn tötet, so trifft das seinen Besitzer. 

Wenn jemand einen Ochsen mietet und ihn durch schlechte 
Behandlung oder Schläge tötet, so soll er Ochsen für Ochsen 
dem Eigentümer ersetzen. 

Wenn jemand einen Ochsen mietet und er bricht ihm ein 
Bein, zerschneidet ihm das Nackenband, so soll er Ochsen für 
Ochsen dem Eigentümer ersetzen. 

Wenn jemand einen Ochsen mietet und ihm ein Auge aus- 
schlägt, so soll er die Hälfte des Preises dem Eigentümer geben. 

Wenn jemand einen Ochsen mietet und ihm ein Horn ab-' 
bricht, den Schwanz abschneidet oder die Maulteile beschädigt, 
so soll er in Geld 1 J 4 seines Preises zahlen. 

Wenn jemand einen Ochsen mietet und Gott (ein Zufall) 
ihn schlägt, er stirbt, so soll der Mieter bei Gott schwören und 
schuldlos sein. 

Wenn ein Ochse beim Gehen auf der Strasse jemanden 
stösst und tötet, so soll diese Rechtsfrage keinen Anspruch 
bieten. 

Wenn jemandes Ochse stössig ist und man ihm seinen 
Fehler, als stössig, angezeigt hat, er seine Hörner nicht um¬ 
wunden, den Ochsen nicht gehemmt hat, und der Ochse stösst 
einen Freigeborenen und tötet ihn, so soll er (der Inhaber) 
x / 2 Mine Geld zahlen. 

Wenn er den Sklaven jemandes tötet, so soll er */ 3 Mine 
zahlen. 

Wenn jemand einen anderen dingt, um sein Feld (Landgut) 
zu warten, ihm die Aussaat übergibt, das Spannvieh anvertraut, 
das Feld zu bestellen ihn verpflichtet; wenn jener Getreide oder 
Pflanzen stiehlt und für sich nimmt, so soll man ihm die Hände 
abhauen. 

Wenn er die Aussaat für sich nimmt, das Spannvieh nicht 
benutzt, soll er den Betrag des Bestellgeldes ersetzen. 

Wenn er das Spannvieh des Mannes (weiter) gegeben 
oder das Saatkorn stiehlt, auf dem Felde nichts baut, so soll 
man ihn überführen und er soll für 100 Gan 3 ) 60 Gur Getreide 
zahlen. 

Wenn seine Gemeinde nicht für ihn einzutreten (i. e. zu 
zahlen) vermag, so soll man ihn auf jenem Felde beim Vieh 
lassen. 

3 ) Die Höhe dieser Geldsorten bezw. Masse habe ich eben¬ 
falls nicht in Erfahrung bringen können. K. 

*) Herdenstier; s. Oefele B. T. W. No. 10. S. 153. 


Wenn jemand einen Feldarbeiter mietet, soll er ihm 8 Gur 
Getreide jährlich geben. 

Wenn jemand einen Ochsenknecht mietet, soll er ihm 6 Gur 
Getreide jährlich geben. 

Wenn jemand ein Wasserrad 4 ) vom Felde stiehlt, soll er 
5 Sekel Gold dem Besitzer geben. 

Wenn er einen Schöpfeimer 4 ) oder einen Pflug stiehlt, 
soll er 3 Sekel Gold geben. 

Wenn jemand einen Hirten, um Rinder oder Kleinvieh zu 
weiden, mietet, soll er ihm 8 Gur Getreide jährlich geben. 

Wenn jemand ein Rind oder Schaf.(Hier ist der 

Text auf der Stele zerstört. K.) 

Wenn er das Rind oder ein Schaf, die ihm gegeben worden 
sind, zu Grunde richtet, soll er Rind für Rind, Schaf für Schaf 
dem Eigentümer ersetzen. 

Wenn ein Hirt, dem Rinder oder Kleinvieh zum Weiden 
übergeben worden sind, der seinen Lohn, wie festgesetzt, er¬ 
halten hat und befriedigt worden ist, das Rindvieh oder Klein¬ 
vieh vermindert, den Zuwachs (den durch Geburten) kleiner 
macht, so soll er nach dem Wortlaute seiner Abmachungen Zu¬ 
wachs und Ertrag liefern. 

Wenn ein Hirt, dem Rinder oder Kleinvieh zum Weiden 
übergeben worden sind, Betrügereien macht, den natürlichen Zu¬ 
wachs fälscht (i. e. falsche Angaben macht) oder für Geld ver¬ 
kauft, so soll man ihn überführen, und zehnfach soll er Rinder 
und Kleinvieh ihrem Eigentümer ersetzen. 

Wenn im Stalle (Hürde) ein Schlag von Gott (Unfall) sich 
ereignet, oder ein Löwe es (nämlich das Vieh) tötet, so soll 
der Hirte vor Gott sich reinigen (i. e. seine Unschuld beweisen) 
und den Unfall im Stalle dessen Eigentümer tragen. 

Wenn der Hirt etwas versieht, im Stalle (Hürde) ein 
Schaden entsteht, so soll der Hirt den Fehler des Schadens, 
den er im Stalle verursacht hat, an Rindern oder Kleinvieh 
hersteilen (also ersetzen) und dem Eigentümer geben. 

Wenn jemand einen Ochsen zum Dreschen mietet, so beträgt 
der Lohn 20 Ka 3 ) Getreide. 

Wenn er einen Esel zum Dreschen mietet, ist der Lohn 
20 Ka Getreide. 

Wenn er ein junges Tier zum Dreschen mietet, ist der 
Lohn 10 Ka Getreide. 

Wenn jemand Ochsen, Karren und den Treiber mietet, 
soll er für den Tag 180 Ka Getreide geben. 

Wenn jemand eine Karre allein mietet, soll er für den Tag 
40 Ka Getreide geben. 

Wenn jemand einen Lohnarbeiter mietet, so soll er ihm 
von Neujahr 5 ) bis znm fünften Monat 6 Groschen 0 ) Geld für 
den Tag geben, vom sechsten Monat; bis zum Ende des Jahres 
soll er ihm 5 Groschen für den Tag geben. 

4 ) Die alten Babylonier hatten eine vorzüglich eingerichtete 
Kanalisation und damit verbundene Bewässerung ihrer Äcker. Der 
grösste Kanal war der mit der Stadt Nippur verbundene Kanal 
Kabar. (In der Bibel, Hesekiel, Kap. 1, Vers 3 Chebar genannt.) 
Die Wasserräder in ihnen wurden durch Tiere getrieben; der Eimer 
an einem Schwengel, um Wasser aus dem Kanäle auf das höher 
gelegene Feld zu schöpfen, wurde durch Männer bedient. K. 

5 ) Die ersten fünf Monate (April bis August) sind die mit den 
langen Tagen und mit der Erntearbeit. Chr. Win ekler, Die Ge¬ 
setze Hammurabis. 

6 ) Die Bezeichnung „Groschen“ ist vom Übersetzer zur Be¬ 
zeichnung des sonst noch nicht weiter bekannten Unterteils des 
Sekels gewählt. 


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182 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 11. 


Der Rest des Gesetzes handelt vom Handwerkerlohn, der 
Schiffsmiete und dem Sklavenkauf. 

Aus diesen Angaben ist zu ersehen, dass das babylonische 
Reich zur Zeit seines Königs Hammurabi ein durchaus ge¬ 
ordneter Rechtsstaat gewesen ist Das Gesetz Hammurabis ist 
das bis jetzt als ältestes bekannte Gesetz der Welt. Es würde 
zu weit geführt haben, wenn ich das ganze Gesetz, das ein 
hochinteressanter Fund, vielleicht die wichtigste, aus mehr¬ 
tausendjährigen Trümmerhaufen ansgegrabene Urkunde ist, hier 
zum Abdruck gebracht haben würde; nur das, was uns Tierärzte 
in erster Linie interessiert, habe ich hier bekannt geben wollen. 

Wer sich näher mit der Materie beschäftigen will, dem 
empfehle ich die in der Hin rieh sehen Buchhandlung in Leipzig 
(60 Pfg.) erschienenen Broschüre „Dr. Hugo Winckler, Die 
Gesetze Hammurabis“ zum Lesen, der ich die obige wörtliche 
Übersetzung entnommen habe bezw. habe entnehmen müssen; 
und gleich mir dürfte keiner von uns Tierärzten soweit keil¬ 
schriftkundig sein, dass er derartige Werke im Urtext lesen 
kann, da wir in heutiger Zeit nicht mehr gewöhnt sind, dass 
„im Schwarzen Walfisch zu Askalon, da bringt der Kellner 
Schar in Keilschrift auf sechs Ziegelstein’ dem Gast die 
Rechnung dar“. 

Gleichwie unsere heutigen Gesetzgeber den von ihnen 
sanktionierten Gesetzen ihre Titel etc. voranstellen, so finden 
wir auch auf der Stele Hammurabis die Titel, die sich dieser 
König beigelegt hatte, seinem Gesetz voranstehen, welche aber 
an Zahl die der heutigen Herrscher ganz bedeutend Übertreffen, 
denn sie nehmen in deutscher Übersetzung in kleiner Druck¬ 
schrift nicht weniger als 56 Zeilen ein. 

Und ebenso wie den von unseren Behörden erlassenen gesetz¬ 
lichen Bestimmungen Strafandrohungen beigegeben werden, so 
hat Hammurabi seinem Gesetze am Schlüsse einige Segens¬ 
wünsche für die Befolger des Gesetzes, besonders aber eine 
überaus grosse Anzahl von Gottesstrafen angefügt, welche die¬ 
jenigen treffen mögen bezw. sollen, die nicht diese Gebote halten. 

Von historischem Interesse ist es, dass die hier besprochenen 
gesetzlichen Bestimmungen, soweit ich sie in wörtlicher Über¬ 
setzung gebracht habe (mit Ausnahme der über Ärzte und Tier¬ 
ärzte), und von welchen wir nun als ihren Urheber den König 
Hammurabi von Babylon kennen gelernt haben, der alt- 
testamentliche Gesetzgeber Moses, der 900 Jahre später als 
Hammurabi gelebt hat, in das von ihm erlassene Gesetz für 
das Volk Israel aufgenommen hat (cfr. 2. Mos. Kap. 21 und 22). 

Der Berliner Assyriologe Friedrich Delitzsch hat bekannt¬ 
lich in seinem am 13. Jannar in der Singakademie zu Berlin in 
Gegenwart Sr. Majestät gehaltenen, wunderbar schönen Vortrage, 
der unter dem Titel „Babel und Bibel“ bei Hinrichs in Leipzig 
im Druck erschienen ist, ferner nachgewiesen, dass die in den 
letztverflossenen Jahren von der unter dem huldvollen Protektorat 
unseres erhabenen Kaisers stehenden „Deutschen Orient-Gesell¬ 
schaft“ vorgenommenen bezw. geleiteten Ausgrabungen aus 
babylonischen, mehrtausendjährigen Trümmerhaufen die Tatsache 
ergeben haben, dass sehr viele Erzählungen der alttestament- 
lichen Schriftsteller sich schon lange vorher in alten babyloni¬ 
schen Keilinschriften in reinerer Form ursprünglich vorfanden. 
Eine will ich nur erwähnen: die Sintfluterzählung; diese ist au der 
11. Tafel des Gilgamesch-Epos (aus der Bibliothek Sardanapals 
zu Ninive) bereits 2000 Jahre v. Chr. allergenauest beschrieben. 


Berichtigung. 

In der letzten Nummer der Berliner Tierärztlichen Wochen¬ 
schrift stellt der Distriktstierarzt Probst in Heidenheim (Mittel¬ 
franken) auf Seite 154 in dem „29 Fälle von Überwurf“ über- 
schriebenen Artikel die nachstehende Behauptung auf: 

„Fröhner gibt in seinem Handbuch der tierärztlichen 
Chirurgie und Geburtshilfe an, dass bei der Behandlung 
per rectum in der Weise vorzugehen sei, dass man die Hand 
den Strang entlang bis an den eingeklemmten Darm führe, 
versuche, die Geschwulst in die Höhe zu heben und dadurch 
den Darm aus der Bruchöffnung zu befreien. Sei dieses 
geschehen, so werde der Strang durch Druck nach vorn 
und aufwärts oder durch Ziehen nach rückwärts und unten 
von seiner Anheftungsstelle losgerissen. Da dieses Ver¬ 
fahren häufig erfolglos bleibe, dürfte der Operation durch 
die Flanke der Vorzug zu geben sein“ 

Dieser von Probst zitierte und angegriffene (übrigens 
durch zahlreiche Erfahrungen der Praxis bestätigte) Satz stammt 
nicht von mir, sondern ist dem, von Professor W. Gutmann 
in Dorpat, dem besten Kenner der Hernien, bearbeiteten Abschnitt 
„Chirurgische Krankheiten des Magens und Darmes“ im Handbuch 
der tierärztlichen Chirurgie und Geburtshilfe von Bayer und mir 
(HI. Band, 2. Teil, Seite 119) entnommen. 

Herrn Probst ist also zu empfehlen, vor allem richtiges 
Zitieren zu lernen, ehe er sich kritisch versuchen will. 

Berlin, den 6. März 1903. Prof. Dr. Fröhner. 

Referate. 

Künstliche Befruchtung von Stuten. 

Vortrag, gehalten auf dem Nordischen Tierärztlichen Kongress zu 

Kopenhagen. 

Von Prof. Sand. 

(Maanedsskr. for Dyrlaeger, 14. Band, 9. Heft, 1902.) 

Sand hat in den letzten drei Jahren — angeregt durch 
die Veröffentlichungen amerikanischer Zeitschriften — in Ge¬ 
meinschaft mit Stribolt künstliche Befruchtungsversuche bei 
Stuten angestellt. 

Zur Gewinnung des Semen virile benutzte S. — nachdem 
er alle bisher üblichen Methoden als unzweckmässig erkannt 
hatte — ausschliesslich Präservativs, welche aus der Harnblase 
von Ochsen oder Schweinen hergestellt waren. Die Harnblase 
des Schweines eignet sich am besten zur Anfertigung der 
Präservativs. Die Blase des Rindes hat häufig nicht die passende 
Grösse; ausserdem ist die Urachnsnarbe nicht selten so hart und 
dick, dass sie sich vor dem Gebrauch nicht vollständig ge¬ 
schmeidig machen lässt u^d demgemäss beim Gebrauche während 
des Koitus leicht zu Verletzungen des männlichen Gliedes und 
der Scheidenwandungen führen kann. Am zweckmässigsten sind 
in der Regel die Blasen, welche, durch Luft künstlich aufgetrieben, 
einen Durchmesser von 16—18 cm besitzen. In den freien 
Rand des Präservativs werden 2—3 dünne, elastische Ringe 
eingelassen; die Erfahrung bat nämlich gelehrt, dass mehrere 
dünne, elastische Ringe das Präservativ besser befestigen lassen 
und den Hengst beim Koitus weniger hindern als ein einzelner 
dickerer Ring. Die Präparation der Präservativs selbst ist sehr 
einfach. Die Blasen werden anfgepustet und mit absolutem 
Alkohol behandelt; hierdurch werden die Blasenwandungen ge¬ 
härtet und sterilisiert. Alsdann lässt man die Blasen trocknen 
und unterzieht sie hierauf, um die Wandungen geschmeidig zu 


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12 März 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 183 


machen, einer Behandlung mit einem Gemisch von Alkohol und 
Äther, dem etwas Vaselin zugesetzt ist. Nach Beendigung 
dieser Behandlung kann man die Blasen beliebig lange aufbewahren. 

Unmittelbar vor der Benutzung muss man das Präservativ 
in Wasser aufweichen. Da das Wasser nicht in das vaselin- 
dnrchtränkte Gewebe eindringen kann, muss man die Blase zu¬ 
nächst 1 / 2 Stunde lang in Alkohol entfetten. Dann bringt man 
dieselbe in eine dünne, wässerige Auflösung von Natrium bicar- 
bonicum (5 pro mille) und erhält hierdurch ein vollkommen 
gebrauchsfertiges Präservativ. 

Die Stuten, welche künstlich befruchtet werden sollen, 
müssen sich, wenn möglich, schon einige Tage brünstig ge¬ 
zeigt haben. 

Vor Ausführung der künstlichen Befruchtnug werden die 
äusseren Geschlechtsteile der Stute mit Seifenwasser gereinigt 
und mit einer 5proz. Lösung von Natrium bicarbonicnm ge¬ 
waschen. Bei einer zweiten Stute, welche sich infolge ihres 
ruhigen Temperaments für den ordnungsmässigen Koitus und 
somit zur Gewinnung des Semen virile am besten qualifiziert, 
wird der Schweif in der gewöhnlichen Weise zur Seite gebunden. 

Hierauf wendet man dem Deckhengst seine Aufmerksam¬ 
keit zu. 

Bei denjenigen Hengsten, welche öfters decken, ist in der 
Regel der Penis so beschaffen, dass eine Waschung desselben 
überflüssig ist. Bei den seltener zum Decken gelangenden 
Hengsten aber ist die dem Penis anhaftende, oft bedeutende 
Menge von Smegma praeputii zu entfernen, da sich dieselbe 
sonst dem Samen beimischt und letzteren infiziert. Vor dem 
natürlichen Deckakt ist eine derartige Reinigung unnötig, weil 
das am Penis befindliche Smegma an der Scheidenwandung 
haften bleibt, während das Semen virile mehr oder minder weit 
in den Cervical-Kanal hineingespritzt wird. 

Ist der Hengst ruhig und gutmütig, dann lässt sich das 
Präservativkäppchen in der Weise anbringen, dass man das 
Geschlechtsglied des Hengstes einfach mit der Hand ergreift 
und das Käppchen über den Kopf des Penis streift, sobald die I 
Erektion soweit vorgeschritten ist, dass der Hengst sich zum 
Koitus anschickt. Bei Tieren mit schwierigerem Temperament 
wartet man mit dem Anlegen des Präservativs bis zu dem 
Moment, in welchem der Hengst aufgesetzt hat und darauf 
wartet, das Geschlechtsglied eingeführt zu bekommen. In diesem 
Augenblick lässt sich das Präservativ viel leichter anlegen als 
man glauben sollte. Das Einzige, was zuweilen bei hitzigen 
Hengsten Unannehmlichkeiten bereitet, ist der Umstand, dass 
sich beim Anlegen des Präservativs unter demselben Luft an¬ 
sammelt, welche sich beim Koitus unter dem Präservativ hin- 
und herbewegt und Hengst und Stute unter Umständen so un¬ 
angenehm beeinflusst, dass der Deckakt vorzeitig beendet wird. 
Wird das Präservativ richtig angelegt, dann ist derartiges 
jedoch nicht zu befürchten; der Deckakt geht wie unter ge¬ 
wöhnlichen Verhältnissen tadellos vor eich. 

Hat der Hengst den Koitus beendet und beginnt das Glied 
sich zu verkleinern, dann hängt das Präservativkäppchen, schwer 
von dem entleerten Samen, schlaff vom Penis herab. Bei den 
Bewegungen des Hengstes baumelt es hin und her, so dass 
empfindliche Tiere zuweilen etwas unruhig werden. Sind die 
an dem Präservativ befindlichen elastischen Ringe etwas weit, 
dann kann es bei unruhigen Pferden Vorkommen, dass das 
Präservativ abgleitet und zur Erde fällt. Bei solchem Zwischen- | 


fall geht natürlich der grösste Teil des Samens verloren, doch 
bleibt meistens noch soviel zurück, dass es für die Befruchtung 
einer oder mehrerer Stuten ausreicht. Gewöhnlich hängt das 
Präservativ gut fest und lässt sich mit einem raschen Zug vom 
Penis entfernen. 

Die Menge Samen, welche ein Hengst liefert, ist sehr ver¬ 
schieden und im wesentlichen davon abhängig, wie oft ein 
Hengst deckt. Sand und Stribolt fanden bei ihren Versuchen 
Schwankungen zwischen 50 und 150 Gramm. 

Um nun die schon vorher in der oben angegebenen Weise 
vorbehandelte Stute künstlich zu befruchten, saugt man den 
Samen einfach vom Präservativ mit einer hierzu eingerichteten 
Ballonspritze auf, deren Spitze alsdann durch den Cervical- 
Kanal in die Gebärmutter eingeführt wird, woselbst der Same 
durch einen auf den Ballon ausgeübten kräftigen Druck entleert 
wird. Sand und Stribolt haben Spritzen der verschiedensten 
Konstruktion benutzt. Am besten bewährte sich ein ziemlich 
dickwandiger Kautschnkballon von ca. 30 ccm Inhalt, welcher 
an dem einen Ende einer ca. 9 cm langen und 3 mm weiten 
Glasröhre befestigt ist. Das andere Ende der Glasröhre ist 
durch einen ca. 4 cm langen Kautschukscblauch mit einer aus 
Ebonit gefertigten Spritze verbunden, deren freies Ende oliven¬ 
förmig abgerundet und seitlich durchlöchert ist, und deren Länge 
diejenige der Glasröhre nicht ganz erreicht. Eine Spritze, wie 
die eben beschriebene, wird allen Ansprüchen gerecht; sie lässt 
sich durch Kochen sterilisieren und leicht in die Scheide 
führen; sie ist ohne Schwierigkeit auch durch den Gebärmutter¬ 
hals zu bringen, verbreitet den Samen gut in der Gebär¬ 
mutter und ist — last not least — sehr billig. 

Soll das Semen virile auf mehrere Stuten verteilt werden, 
dann muss es aus dem Präservativ in einen Behälter gebracht 
werden, in welchem es sich warm erhält, und in welchem es 
vor Verunreinigungen bewahrt bleibt. Ein gewöhnliches, mit 
Deckel versehenes, in ein Wasserbad von 40° Celsius gebrachtes 
Becherglas ist der geeignetste Behälter. Die Überführung 
des Samens in das Becherglas geschieht am besten mit einer 
sterilen, 100—150 ccm fassenden Pipette. 

Was nun die Resultate von Sand und Stribolts inter¬ 
essanten Versuchen betrifft, so ist darüber folgendes zu berichten: 

Für die eigentlichen Versuche wurden nach Abschluss der 
Vorversuche der berühmte jütländische Hengst „Aldrup Munke- 
dal“ und 12 Stuten benutzt. 

„Aldrup Munkedal“ eignete sich besonders gut für eine Probe 
auf die Brauchbarkeit der Methode. Er gehört zu den ge¬ 
suchtesten Deckhengsten in ganz Jütland, denn er deckt jähr¬ 
lich über 200 Stuten, ja, in einem Jahre wurde er sogar 
277 mal zur Begattung zugelassen. 

Sämtlichen 12 Stuten wurden 25 Gramm Samenflüssigkeit 
in die Gebärmutter eingespritzt, zuweilen nur einmal, in den 
meisten Fällen zweimal mit 5 tägigem Zwischenraum. Von den 
12 Stuten müssen leider vier bei der Beurteilung der Versuchs¬ 
resultate von vornherein ausscheiden. Eine starb, ohne nach¬ 
träglich obduziert zu werden, und drei Stuten wurden so kurz 
nach der künstlichen Samenübertragung in natürlicher Weise 
befruchtet, dass es nicht möglich ist, zu sagen, ob die Trächtig¬ 
keit dieser Tiere auf die künstliche oder auf die natürliche 
Befruchtung zurückzuführen ist. Die Versuchsreihe umfasst 
demnach, genau genommen, nur 8 Stuten. Von diesen wurden 
4 trächtig, darunter eine, welche mehrfach ohne Erfolg belegt 


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184 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 11. 


war. Diese Stute hatte übrigens nur einmal ca. 20 Gramm 
Samen eingespritzt erhalten. 

Die Trächtigkeitsdauer variierte bei den fraglichen 4 Stuten 
zwischen 326 und 333 Tagen; die Fohlen waren kräftig und 
wohlentwickelt. 

Wenngleich bei der künstlichen Befruchtung innerhalb der 
kleinen Versuchsreihe der durchschnittliche jütländische Frucht- 
barkeitsprozentsatz von ca. 60—70 Prozent nicht erreicht wurde, 
so möchte Sand doch, dass die künstlichen Befruchtungsversuche 
weiter fortgesetzt werden, speziell in den Gegenden, in welchen 
die Pferdezucht von grosser wirtschaftlicher Bedeutung ist. 

S. empfiehlt auf Grund seiner bisherigen Erfahrungen die 
künstliche Sameuübertragung 

1. als ein Mittel zu einer möglichst ökonomischen Ver¬ 
wendung des Samens wertvoller Deckhengste; 

2. als ein Mittel zur Erhöhung des Fruchtbarkeits-Prozent¬ 
satzes in allen den Fällen, in welchen die künstliche Erweiterung 
des Gebärmuttermundes und das Alkalisieren der Scheide ver¬ 
gebens versucht sind, weil die Unfruchtbarkeit zurückzuführen ist: 

a) auf Klappenbildung infolge von Hypertrophie der Falten 
am Orificium externum, oder 

b) auf Auspressen des Semen virile infolge krampfartiger 
Kontraktionen des Uterus und der Vagina, oder 

c) auf krankhafte Angst der Stuten vor der Begattung. 

Endlich weist Sand hin auf den Vorteil, den die mit 

Präservativ ausgeführte Begattung dann hat, wenn es gilt, den 
Samen eines Hengstes daraufhin zu begutachten, ob derselbe 
befruchtungstüchtig ist oder nicht. Dr. Stödter. 

Wochenübersicht über die medizinische Literatur. 

Von Dr. Jess-Charlottenburg, 

Krelatleramt 

Zieglers Beiträge xur patholgoischen Anatomie XXXII. Bd. Heft 3. 

Weitere Beiträge zur Kenntnis des Baues und der Funktion, 
der Wanderzellen, Phagocyten und Eiterzeliea von Klemensiewicz 
Wird auf das Original verwiesen. 

Münchener medixinischc Wochenschrift, No. 8 1903. 

Zur mikroskopischen Technik; von Tsuneji Sato- Japan. 
T. empfiehlt beim Mikroskopieren bei künstlichem Licht farbige Glas¬ 
platten zwischen Spiegel und Kondensor einzuschieben, man 
wählt gewöhnlich die Komplementärfarbe und erzielt ausser¬ 
ordentlich scharfe mikroskopische Bilder. Bei Saffraninpräparaten 
empfiehlt es sich, grüne Glasplatten einzulegen, man sieht dann 
die gefärbten Teile nahezu schwarz, bei Methylenblau nimmt 
man Rot oder Orange. An Stelle der farbigen Glasplatten 
genügt auch farbiges Gelatinepapier. Farbloses Gelatinepapier 
kann man als Ersatz für Deckgläschen sehr gut verwenden. — 

Taenia cucumerina bei einem Kinde; von Dr. As am. Bei einer 
19 Monate alten Tochter eines Ökonomen wurde der Abgang 
von kürbiskernartigen Gliedern bemerkt. — Es ist anzunehmen, 
dass das Cysticercoid, welches in dem Hundefloh (Pulex serra- 
ticeps) lebt, mit diesem in die Milchschüssel der kleinen Kinder 
gelangt und so aufgenommen wird. T. c. ist durchaus kein 
harmloser Darmparasit. — Verfasser gibt eine grössere Anzahl 
von Fällen aus Deutschland, Dänemark, der Schweiz etc. an, 
in denen Taenia cucumerina oder Taenia elliptica (Katze) bei 
Kindern und auch bei Erwachsenen gefunden sind. 

Deutsche medixinische Wochenschrift No. 8. 1903. 

Über Schmier8elfenvorätzung; von Dr. Most. Die gewöhnliche 
Schmierseife gilt meistens als ein ziemlich harmloses Haus¬ 


mittel; dass sie dies keineswegs ist, zeigt der von Most mit¬ 
geteilte Fall, in dem es nach Schmierseifeneinreibung bei einer 
Frau zum brandigen Absterben der Haut an beiden Ellenbogen¬ 
gelenken gekommen war. — 

Deutsche medixinischc Wochenschrift No. S, 1903. 

Experimentelles über subkonjunktivale Injektionen von Wessely. 
Die subconjunktivale Injectionen stellen ein lokales Reizmittel 
dar, durch welches die Schutzkörper des Serums (s. z. B. bei 
Angentuberkulose) in grösserer Menge dem Auge zugeführt 
werden können. — , 

Sind Borsäure und Borax wirkungs- und gefahrlos für den 
Organismus von Dr. Rost. R. betont zunächst, dass nicht ein 
einziger der von Liebreich gegen R’.s Versuche erhobenen 
Einwände als stichhaltig sich erwiesen hat und kommt 
zu folgenden Schlusssätzen: 

1. Die Borverbindungen rufen beim Tier unter gewissen 
Umständen Erbrechen hervor; 2. Diarrhöe gehört zum typischen 
Wirkungsbilde der Borverbindungen beim Tiere, sodass auch 
beim Menschen mit der Möglichkeit der Erzeugung von diarrhöe- 
ischen Zuständen zu rechnen ist; 3. den Borverbindungen kommt 
eine die Ausnutzung der Nahrung herabsetzende Wirkung im 
Tier- und Menschenversuch zu; 4. die sowohl beim Tier als 
beim Menschen beobachtete Abnahme des Körpergewichts ist 
die Folge der Aufnahme von Borsäure und Borax; 5. die Aus¬ 
scheidung der Borverbindungen aus dem Körper des Menschen 
vollzieht sich so langsam, dass mit der Anhäufung derselben im 
Körper zu rechnen ist. 

Deutsche medixinischc Wochenschrift No. 9. 

Weiterer Beitrag zur Ursache und spezifischen Heilung 
des Heilfiebers von Prof. Dunbar-Hamburg. Alljährlich tritt in 
unserem Klima Ende Mai das sogenannte Heufieber auf. Es 
besteht in einem, mit Kitzeln, Jucken, Brennen etc. einher¬ 
gehenden Bindehautkatarrh, sowie einem Katarrh der Nasen 
und Rachenschleimhant. Als Ursache nahm man Staub, Sommer¬ 
hitze und auch Microorganismen an. Verfasser wies nach, dass 
die Pollenkörner von Roggen, Gerste, Weizen, Reis, Mais bei 
solchen Personen, welche an Heufieber leiden, selbst in kleinsten 
Mengen unter die Haut gebracht, einen typischen Heufieber¬ 
anfall auslösen, während bei Personen, welche für Heufieber 
nicht empfänglich sind, das Pollentoxin keinerlei Beschwerden 
macht. Durch Vorbehandlung grösserer Tiere mit Pollentoxin 
gelang es von diesen Tieren ein Heilserum zu gewinnen, welches 
sich bei den Versuchen bewährt hat. 

Zur Physiologie der Ernährung des Foetus von J. Veit. Das 
gelöste Eiweiss strömt in dem Serum des mütterlichen Blutes 
langsam nach dem kindlichen Blute, nur diejenigen Stoffe, welche 
aus dem mütterlichen Serum durch .das kindliche Serum präzipitiert 
worden, gelangen nicht in den fötalen Kreislauf und umgekehrt. 
Bezüglich der Wechselbeziehungen zwischen den Erythrocyten 
und dem Chorionepithel und über die Lehre von der Zotten¬ 
deportation sei auf das Original verwiesen. 

Tagesgeschichte. 

Bemerkungen zu der Verhandlung des Abgeordneten¬ 
hauses vom 30. Januar. 

(Vergl. B. T. W. No. 6 pg. 85 ff.) 

Von Professor Dr. Schm alt z. 

(Schluss). 

Über die künftige Stellung der Kreistierärzte gab die 
Landtagsverhandlung den freudig zu begrüssenden (übrigens 


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12. März 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 185 


nicht mehr überraschenden) Aufschlags, dass wir eine Reform 
aus einem Gusse mittelst eines Kreisarzt-Gesetzes mit an¬ 
schliessendem Gebührengesetz erwarten dürfen. Diese Gesetze 
werden in gewisser Weise dem Kreistierarzt-Gesetz und dem 
(in No. 8 pg. 132 ff der B. T. W. veröffentlichten) Gebühren¬ 
gesetz für Medizinalbeamte ähnlich werden. Der Inhalt der 
letzteren lässt also schon Schlüsse auf die unserigen zu. Ich 
möchte daher unter Heranziehung der ärztlicheu Gesetze die 
Frage, wie sich die Stellung der Kreistierärzte gestalten sollte 
und wie sie sich voraussichtlich gestalten wird, demnächst in 
einem besonderen Artikel behandeln. 

Im Anschluss an das Landtagsprotokoll möchte ich nur 
einige Bemerkungen an die erneute Besprechung der angeblichen 
Abhängigkeit der Kreistierärzte knüpfen. Abg. Dr. Müller- 
Sagan sprach den Wunsch aus, dass die Kreistierärzte 
von der Privatpraxis unabhängig gemacht würden. 
Das wäre, wenn es möglich ist, das allerbeste. Dann wären 
erstens die Unzuträglichkeiten der Konkurrenz mit den Privat¬ 
tierärzten beseitigt. Dann würde vor allem der Kreistierarzt 
nicht genötigt sein, seine Pflicht oft auf Kosten seines Erweibes 
zu erfüllen. Denn dass der Kreistierarzt sich durch Pflicht¬ 
erfüllung vielfach Feinde*) macht, ist gewiss. Ob diesem Nach¬ 
teil nicht auch Vorteile gegenüberstehen, ist eine andere Frage. 
Ich möchte, wie schon oben gesagt, auf alle diese Punkte an 
anderer Stelle eingehen. 

Zur Beleuchtung der Schwierigkeiten, die dem Kreistierarzt 
erwachsen, hat in der Landtagsverhandlung Abg. Dr. Müller 
Schriften herangezogen, die in sich ganz verschieden sind, die 
aber bei der Verhandlung anscheinend vielfach verwechselt 
worden sind und von denen schliesslich auch die tierärztlichen 
Leser unrichtige Vorstellungen gewinnen können, zumal mit der 
Landtagsverhandlung noch eine frühere Reichtagsverhandlnng 
(vgl. B. T. W. 1902, pg. G71) kollidiert. Gerade hierüber möchte 
ich daher den Lesern der B. T. W. einen klaren Überblick geben. 

Abg. Dr. Müller erwähnt zunächst das Ergebnis der im 
Aufträge der Zentralvertretung veranstalteten Enquete. Ich 
bemerke, dass zwar die Enquete (auf Antrag des damaligen 
Kreistierarzt Bermbach) von der Zentralvertretung veranlasst 
worden ist, nicht aber deren Veröffentlichung. Diese ist eine 
Privatarbeit des Herrn Fröhner - Fulda, der freiwillig auf 
Wunsch (an Bermbachs Stelle) die Bearbeitung des Materials 
übernommen hatte und dem daher auch die Veröffentlichung 
seiner Arbeit privatim überlassen wurde. Im übrigen ist aber 
diese Veröffentlichung einwandfrei. Es wird dort eben nur 
konstatiert, dass die Kreistierärzte sich Feinde machen — eine 
Ansicht, die vielleicht nicht in dem dort geschilderten Umfange 
zutrifft, die man aber jedenfalls aussprechen kann, ohne sich 
etwas zu vergeben. 

Noch mehr in den Vordergrund der Landtagsverhandlung trat 
eine Publikation im Sprottauer Wochenblatt. Es wurde ein langes 
und breites darüber verhandelt, ob dies ein amtlicher Bericht ge¬ 
wesen sei; beim Lesen des Protokolls bedauert man wieder einmal, 
dass sich kein Tierarzt unter den Abgeordneten befand, der mit 
einem Worte die ganze unnötige Debatte hätte beenden können. 
Jedenfalls wurde während derselben der Name des Urhebers 
jenes Artikels, Kreistierarzt No wag, schliesslich in einer für 

*) Der Bauer, der Händler und Fleischer ist übrigens dabei 
durchaus kein besserer Mensch als der mit Vorliebe in den Vorder¬ 
grund geschobene „Grossgrundbesitzer“. 


diesen peinlichen Weise genannt, indem der Abg. Winkler 
ihm Mangel an Disziplin vorwarf. 

Ich glaube, dass wir den Kreistierarzt No wag ganz ent¬ 
schieden gegen diesen und jeden Vorwurf in Schutz nehmen 
müssen. Der Abg. Winkler würde auch das nicht gesagt 
haben, wenn er gewusst hätte, worum es sich tatsächlich 
handelte. Der Kreistierarzt No wag ist hier ganz unschuldig 
zum Streitobjekt geworden. Er hat einen Vortrag im land- und 
forstwirtschaftlichen Verein über die Veterinärverhältnisse im 
Kreise Sprottau gehalten. Dieser Vortrag ist im Sprottauer 
Wochenblatt veröffentlicht, sicherlich nicht unter Nowags 
Redaktion, denn sonst würde der Artikel nicht überschrieben 
worden sein: „Veterinärbericht“ (wodurch Dr. Müller zu seiner 
irrtümlichen Bezeichnung veranlasst wurde). Da Sprottau zum 
Wahlkreis des Herrn Dr. Müller gehört, so hat er natürlich 
von diesem Artikel Kenntnis genommen. Wenn man sich nun 
diesen Vortrag ansieht, so steht darin absolut nichts, was sich 
nicht „mit der Disziplin“ vertrüge. N. konstatiert, dass der 
Kreistierarzt sich viele Feinde machen müsse und hat damit 
umsomehr recht, als er es mit drastischen Beispielen belegt. 
Er weist dann darauf hin, dass angesichts dieser Schwierigkeiten 
die Kreistierärzte zu schlecht gestellt seien, womit er ebenfalls 
anerkanntermassen recht hat. Dabei hat er nun gesagt, der 
Kreistierarzt brauche sein Gehalt „für Tinte und Papier“; diese 
Äusserung wurde ihm anscheinend im Landtag besonders ver¬ 
dacht. Wenn man aber bedenkt, dass es sich um einen Vortrag 
handelt, so kann man das doch nur als eine ganz unauffällige 
rhetorische Übertreibung ansehen. Es versteht sich von selbst, 
dass niemand pro anno ein Hektoliter Tinte und 500 Kilogramm 
Papier verschreibt. Wenn man aber den Satz so auffasst, wie 
er gemeint ist, nämlich: Mit dem heutigen Gehalt des Kreis¬ 
tierarztes ist knapp das riesig angewachsene Schreibwerk (d. h. 
nicht bloss die nötigen Materialien, sondern auch der Aufwand 
an Zeit und geistiger Tätigkeit) bezahlt, so wird man darin 
kaum mehr eine wesentliche Übertreibung erblicken können*). 

Dieser m. A. n. ganz einwandfreie Vortrag des Kreistier¬ 
arztes No wag hat natürlich gar nichts zu tun mit dem un- 
qualifizierbaren Schreiben eines Unbekannten, welches diesmal 
nur nebenbei erwähnt wurde, in der Reichstagsverhandlung 
vom Oktober vorigen Jahres aber besonderes Aufsehen erregt hatte, 
und das ich mir erlaubt habe in der B. T. W. (1902, pg. 671) 
entsprechend zu kritisieren. 

' Wenn man, wie No wag tut, sagt „ich tue meine Schuldigkeit 
und mache mir Feinde“ so ist dies eine ehrenhafte Wahrheit. 
Dagegen sagte jener Unbekannte gerade das Gegenteil: „Wenn 
die Kreistierärzte ihre Schuldigkeit täten, so müssten sie ver¬ 
hungern. Also tun sie sie nicht, sondern lassen alle fünf 
gerade sein“. Das war eine Unwahrheit und eine Verunglimpfung 
der eigenen Kollegen. 

Ich glaube gern, dass der Briefschreiber das auch nur 
als Übertreibung und hypothetisch gemeint hat, aber das ändert 
nichts an dem miserablen Eindruck, den diese Sache machen 

*) Da der Kollege No wag öffentlich in einer für ihn unan¬ 
genehmen Art erwähnt worden ist, so wird es erlaubt sein, dies 
durch Veröffentlichung einer Anerkennung auszugleichen. Gerade 
seine dienstliche und private gleich vortreffliche Tätigkeit hat den 
im Kreise angesessenen Abg. v. Neumann-Grossenborau zu der 
freundlichen Gesinnung gebracht, welche er im Vorjahre in seiner 
so überaus eindrucksvollen Rede kundgab. Herr v. N. hat mir das 
selbst gesagt. 


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186 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 11. 


musste and tatsächlich gemacht hat. Haben doch Regierungs¬ 
präsidenten sofort nach Bekanntwerden der Reiclistagsver- 
handlong ihre Departementstierärzte gefragt, ob Besorgnisse hin¬ 
sichtlich der Zuverlässigkeit der Kreistierärzte begründet seien. 
Der Eindrnck wurde noch verstärkt durch den Anlass der Ver¬ 
öffentlichung jenes Briefes. Bebel hatte nämlich behanptet, die 
Tierärzte verdienten kein Vertrauen, weil sie tun müssten, was die 
Agrarier wollten. Der preussische Minister für Landwirtschaft 
wies das entschieden zurück. Da sprang — das lässt sich 
nun nicht wegdeuten — der Abgeordnete Dr. Müller zu¬ 
nächst dem Abgeordneten Bebel bei mit eben jenem Briefe. 
Dass Dr. Müller nicht die Tierärzte als vertrauensunwürdig 
hinstellen wollte, versteht sich von selbst und das bewies auch 
seine ganze weitere Rede, indem er, wie auch jetzt wieder 
im Landtage, nur die Notwendigkeit der Besserstellung beweisen 
wollte. Aber unbeschadet der grossen Verehrung, die ich gerade 
für den Abg. Dr. Müller hege, muss ich doch sagen, dass 
unserem Interesse nicht gedient war mit der Erwähnung 
dieses Briefes und dem Zusammengehen mit Bebel gegen unseren 
Minister, der doch soeben unleugbar gutes von den Tierärzten 
gesprochen hatte. 

Welchen Eindruck die Affaire auf Exzellenz v. Podbielski 
gemacht hatte, liess derselbe klar erkennen, als längere Zeit 
nachher drei Mitglieder des Berliner Lehrerkollegiums in einer 
besonderen Angelegenheit von ihm empfangen wurden. Er ver¬ 
sicherte, dass er den Tierärzten sein volles Wohlwollen und 
Vertrauen entgegenbringe. Das habe er gezeigt bei dem Abi¬ 
turientenexamen und auch neulich im Reichstage, wo er die 
Zuverlässigkeit der Tierärzte entschieden hervorgehoben habe. 
Dabei habe es ihn allerdings peinlich berührt, dass ihm eine 
Art von Selbstbezichtigung aus den tierärztlichen Kreisen hätte 
entgegengehalten werden können. Wir möchten mit dafür 
sorgen, dass solche Vorkommnisse, die das Ansehen der Tier¬ 
ärzte beeinträchtigen könnten, unterblieben. 

Ich glaube keine Indiskretion zu begehen, wenn ich dies 
hier mitteile. Ich glaube damit vielmehr der Anregung des Herrn 
Ministers zu entsprechen. Im Sinne dieser Anregung war dem¬ 
nach auch der Artikel, den ich zur Kritik jenes Vorkommnisses 
(übrigens mehrere Wochen vor dem erwähnten Gespräch) im 
Oktober 1902 geschrieben hatte. Ich verfolgte damit für jeder¬ 
mann klar erkenntlich den Zweck, erstens aus tierärztlichem 
Kreise heraus gegen diesen mindestens taktlosen und un¬ 
berechtigten Brief zu protestieren und zugleich festzustellen, 
dass die Kreistierärzte ungeachtet drohender Feindschaften ihre 
Schuldigkeit tun und nicht „fünf grade gehen lassen“. Ich 
hätte erwartet, wenigstens dabei von allen Seiten Zustimmung 
zu erfahren. 

Mit aufrichtigem Erstaunen hat es mich daher erfüllt, aus 
dem Protokoll des V. b. T. zu ersehen, dass auch dieser Artikel 
zum Gegenstand eines Angriffes gegen mich gemacht werden 
sollte. Der Antrag dazu ging von Herrn Kreistierarzt Elschner 
aus, wurde aber abgelehnt.*) 

*) Aus dem (B. T. W. No. 6) veröffentlichten Protokoll ersehe 
ich mit Befriedigung, dass die Majorität des V. b. T. für Mitwirkung 
an gegen mich geplanten Angriffen einzelner nicht zu haben ist. 
Dies bestimmt mich, auf die feindliche Gesinnung einzelner, die 
übrigens auch aus der Allfassung des Protokolls spricht, nicht ein¬ 
zugehen. Ich habe jedoch schon erklärt, dass ich nicht ruhig Zusehen 
werde, wenn mein Verhältnis zu dem V. b. T. als Ganzem unrichtig 
dargestellt wird. Ich lego daher entschieden Verwahrung ein gegen 
die Behauptung (vgl. No. 6, pg. 95 rechts, vorletzt Abs.), dass die 


Uber die doch auch bei Übelwollen nicht abzuleugnende 
Tatsache, dass der Artikel für die Ehrenhaftigkeit der 
preussischen Kreistierärzte in ihrer Gesamtheit geschrieben 
ist, geht Herr Elschner ohne weiteres hinweg; er erblickt 
darin nur den Angriff auf „einen Kreistierarzt“ (nämlich auf 
den Briefschreiber). Es ist übrigens auch darüber geredet 
worden, dass ich den Abgeordneten Dr. Müller angegriffen hätte. 

Wenn der Herr Kollege Elschner den Antrag gestellt 
hätte, zu erklären, dass die KreiBtierärzte sich zwar Feinde 
machen, aber trotzdem weder ihre Pflicht vernachlässigen noch 
verhungern, und dass sie sich derartige Behauptungen verbitten, 
so würde ich das verstanden haben. Den von ihm aber einge¬ 
nommenen Standpunkt verstehe ich nicht. Ich will deshalb daran 
auch keine Kritik üben, sondern nur die Hoffnung aussprechen, 
dass Herr Kreistierarzt Elschner, wenn er sich z. B. die 
oben erwähnte Äusserung unseres Herrn Ministers überlegt, 
doch schliesslich mir noch im stillen recht gibt. 

Die unbedingte Lauterkeit der Absichten des Herrn 
Dr. Müller uns gegenüber habe ich in jenem Artikel (zum 
Überfluss) ausdrücklich hervorgehoben. Das aber muss auch 
einem Abgeordneten gegenüber zu sagen erlaubt sein, wenn er 
sich einmal in einem Mittel vergreift, wie dies mit der Bekannt¬ 
gabe jenes Briefes m. A. n. geschehen ist. 

Wir müssen jedem Abgeordneten dankbar sein, der uns 
unterstützt. Ich habe mit Abgeordneten aller Parteien exklusive 
Sozialdemokraten verkehrt. Ich gebe Herrn Kollegen Elschner 
vollkommen recht, dass wir nicht unsere Angelegenheiten mit 
Politik verquicken sollen. Aber die Voraussetzung ist dabei, 
dass auch von Abgeordneten nicht unsere Angelegenheiten zu ihrer 
Politik verwertet werden. Dies war aber im Oktober vorigen 
Jahres im Reichstage geschehen und deshalb war auch ich 
genötigt, auf den politischen Hintergrund der ganzen Sache 
einzugehen. 

Im übrigen wird diese Besprechung unzweifelhaft die 
Wirkung habeD, zur Vorsicht zu mahnen. Nicht, dass man 
den Abgeordneten nicht mit Vertrauen und Offenheit etwaige 
Anliegen Vorbringen sollte. Aber man muss dabei auf 
das Sorgfältigste die Worte wählen. Denn man muss doch be¬ 
denken, dass den Herren der Gegenstand fremd ist und dass 
daher durch Redensarten „die gar nicht so gemeint sind“ leicht 
völlig schiefe Auffassungen entstehen können. Grade weil uns 
die Hülfe wohlwollender Abgeordneter so wertvoll ist, muss man 
ihr eine exakte, streng sachliche Grundlage verschaffen. 

„B. T. W. vielfache Angriffe gegen den V. b. T.“ gerichtet habe. 
Dieser Behauptung steht die Tatsache direkt entgegen, dass ich dem 
Venin vielmehr mehrfach Anerkennung gezollt habe. Eine persön 
liehe Kontroverse mit dem Vorditzenden (etwas anderes lag bis zu 
dem im B. T. W. pg. 95 erwähnten Beschluss nicht vor) ist eben¬ 
sowenig ein Angriff auf den V. b. T., wie ein Angriff gegen mich 
ein solcher auf den Veterinärrat wäre, weil ich dessen Schriftführer 
bin. Wenn vollends in dem Protokoll sieh die Bemerkung findet, 
ich hätte den Herrn Kieckhäfer auf das Heftigste angegriffen, so 
heisst das denn doch die Dinge auf den Kopf stellen; es war doch 
wohl gerade umgekehrt. Herrn Kurschat dürfte es schwer fallen, 
mir zu sagen, wo ich „bei jeder Gelegenheit in verletzender Form 
gegen den Verein und einzelne Mitglieder desselben Stellung 
nehme“. Wenn man Frieden will, sollte man auch solche Be¬ 
merkungen nicht veröffentlichen. 

Was die Zusendung des Protokolls anbelangt, so bemerke ich 
folgendes: Für mich ist lediglich das Interesse meiner Leser mass¬ 
gebend. Wird mir das Protokoll zugesandt, so nehme ich es gern 
auf. Wird es mir nicht gesandt, sondern lediglich anderswo ver¬ 
öffentlicht, so referiere ich trotzdem das, was ich für die Leser 
interessant finde. Sachlich ist cs also kaum ein Unterschied, ob 
mir ein Protokoll gesandt wird oder nicht. Nur als Ausdruck der 
Gesinnung ist die Zusendung wertvoll. S. 


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12. März 1903. 


Yerband der Privattierärzte in Prenssen. 

Ein eigentliches Protokoll über die Versammlung der 
Delegierten des Verbandes der Privattierärzte am 30. Januar er. 
ist nicht veröffentlicht worden. Dagegen wünscht der Verband, 
dass die von seinem Vorsitzenden Dr. Jelkmann gegebene 
Darlegung der Ziele des Verbandes in die Öffentlichkeit gelange 
und ebenso die Beschlüsse betreffs Abgrenzung veterinärpolizei¬ 
licher Funktionen der beamteten Tierärzte und betreffs Ge¬ 
staltung der Fleischbeschau. *) Die letzteren Beschlüsse sind 
in einer kurzen Denkschrift zusammengefasst worden, welche 
an die Regierungspräsidenten, Landratsämter usw. versandt 
worden und auch den Verbandsmitgliedern zur Verteilung ab¬ 
gegeben worden ist. 

Beschlüsse betreffend Abgrenzung der veterinärpolizeilichen Funktionen 
der beamteten Tierärzte. 

1. Den Privattierärzten sollen nicht durch veterinär¬ 
polizeiliche Bestimmungen solche Funktionen genommen werden, 
zu welchen sie auf Grund ihrer Approbation berechtigt sind, wie 
z. B. Viehuntersuchungen in Molkereien, Meiereien und Gutsställen, 
aus denen Milch zum menschlichen Genuss abgegeben wird. 

2. Die etwa anzuordnenden regelmässigen Untersuchungen 
in Händlerställen, Molkereien, Pferdekoppeln und Weiden sollen 
solange auch von Privattierärzten mit voller Geltung ans¬ 
geführt werden können, als die Kosten dieser Untersuchungen 
den Interessenten zur Last fallen. 

3. Im Interesse schneller Unterdrückung der Maul- und 
Klauenseuche sowie der Schweineseuche empfiehlt sich eine ge¬ 
setzliche Bestimmung, wonach die Polizeibehörde die vor¬ 
geschriebenen Massregeln schon dann sofort vorläufig an¬ 
zuordnen hat, wenn ein Privattierarzt eine der genannten 
Seuchen feststellt und anzeigt, unbeschadet der sofortigen Re¬ 
quisition des beamteten Tierarztes und der endgültigen Fest¬ 
stellung der Seuche durch diesen. 

4. Falls die Rindertuberkulose der gesetzlichen Bekämpfung 
unterworfen werden soll, wird es erforderlich sein, dazu die 
Privattierärzte selbständig und mit gleichen Rechten und 
Pflichten wie die beamteten Tierärzte heranzuziehen, sowohl im 
Interesse der Seuchentilgung selbst, als auch in billiger Rück¬ 
sicht auf die Interessen der Privattierärzte, deren Tätigkeit 
durch die Auferlegung der Anzeigepflicht and die allenthalben 
notwendig werdende Zuziehung des beamteten Tierarztes andern¬ 
falls schwer geschädigt werden würde. 

5. Bei dem Rotlauf der Schweine und den Geflügelseuchen 
sollten auch Privattierärzte in der Umgebung ihres Wohnortes 
mit den erforderlichen amtlichen Massnahmen beauftragt werden, 
falls die örtlichen Verhältnisse dies angezeigt erscheinen lassen. 

6. Die zur Feststellung oder Tilgung von Tierseuchen 
vorgeschriebenen oder erlaubten Impfungen sind den Privat¬ 
tierärzten ebenso wie den beamteten Tierärzten zu gestatten. 

7. Den Assistenten der beamteten Tierärzte sollen alle 
amtlichen Handlungen, soweit solche nicht den Privattierärzten 
allgemein gestattet sind, verboten werden. 

Denkschrift betr. Einführung der obligatorischen Fleischbeschau. 

Zur Abgrenzung der Beschaubezirke — § 3 der Ausführungs¬ 
bestimmungen zum Reichs-Fleischbeschangesetz vom 30. Mai 1902 
— ist es als notwendig zu erachten, dass die erwähnten Bezirke 

*) Eine Besprechung dieser Beschlüsse werde ich mir in einer 
der nächsten Nummern erlauben. S. 


187 


unter den im Kreise ansässigen Thierärzten, wenn solche die 
Beschau ausüben wollen und in genügender Anzahl und Quali¬ 
fikation vorhanden sind, möglichtst gleichmässig verteilt werden; 
dabei muss es gestattet sein, dass Tierärzte, welche in Neben¬ 
kreisen ansässig sind und die Praxis in benachbarten Orten 
ausüben, zugelassen werden. Eine Bevorzugung von Kreis¬ 
tierärzten gegenüber Privattierärzten ist um so weniger statthaft, 
als es sich bei der Ausübung der Fleischbeschau keineswegs 
um solche Funktionen handelt, welche bis dahin vorzugsweise 
von beamteten Tierärzten ausgeführt wurden, auch die An¬ 
stellung als beamteter Tierarzt eine besondere Qualifikation auf 
dem in Frage stehenden Gebiete nicht gewährleistet. 

Die Einteilung der Beschaubezirke ist überall da den 
Kreistierärzten nicht zu überlassen, wo diese selbst als Fleisch¬ 
beschauer tätig zu sein wünschen. 

Zur Sicherung einer gleichmässigen und korrekten Beschau 
sind an Orten, an denen wissenschaftliche Beschauer in genügender 
Zahl und Qualifikation zur Verfügung stehen, nur solche anzu¬ 
stellen, nicht aber Laien-Fleischbeschauer zu bevorzugen. 

Die Billigkeit darf in solchen Fällen einen Ausschlag nicht 
geben. Es deckt sich dieses Bestreben mit den Intentionen des 
Gesetzes, dessen Entwurf besagt, dass tunlichst Tierärzte mit 
der Beschau betraut werden sollten. 

Mit besonderer Sorgfalt sind die Untersuchungen von Not- 
Schlachtungen zu regeln, d. h. die Abschlachtung kranker Tiere. 
Während das Gesetz eine zweimalige Untersuchung der Schlacht¬ 
tiere vor und nach dem Schlachten im allgemeinen anordnet, 
wird bei Notschlachtungen das Unterlassen der ersten Unter¬ 
suchung als statthaft bezeichnet. 

Wenn unter normalen Verhältnissen eine Untersuchung vor 
dem Schlachten für die spätere Beurteilung des Fleisches als 
geboten erscheint, so muss bei kranken Tieren dies in weit 
höherem Grade erwünscht sein, nicht selten sogar wird die 
Untersuchung zu Lebzeiten ausschlaggebend für die Bestimmung 
über die Tauglichkeit des Fleisches sein. In den meisten Fällen 
werden kranke Tiere tierärztlich behandelt und auf Anraten des 
Tierarztes, weil unheilbar oder weil die Kosten der Behandlung 
den Nutzeffekt nicht aufwiegen, abgeschlachtet. Ist der be¬ 
handelnde Tierarzt zugleich angestellter Fleischbeschauer, so 
ist er in der Lage, nach der Abschlachtung ein richtiges Urteil 
zu fällen. Wie anders aber, wenn ein Sachverständiger an das 
ausgeschlachtete Tier zur Begutachtung des Fleisches herantritt, 
der das Tier bei Lebzeiten nicht gesehen, der über die Krank¬ 
heitssymptome nicht orientiert ist, der den Verlauf der Krankheit 
nicht kennt, der von verabreichten Arzneien nichts weiss, ob 
Gifte oder sonst schädliche Substanzen verabreicht sind? Sollte 
n diesem Falle ein Beschauer in der Lage sein, ein zutreffendes 
Urteil zu fällen? Wir sind überzeugt, dass in solcher Sachlage 
manches geschlachtete Stück Vieh dem Verkehr übergeben wird, 
welches besser vernichtet würde, manches auch vernichtet wird, 
das unbeschadet als Nahrungsmittel zum menschlichen Genuss 
freigegeben werden könnte. 

Unter diesen Umständen ist es dringend notwendig, zu er¬ 
streben, dass die Fleischbeschau der Notschlachtnngen dem 
behandelnden Tierärzte überlassen werde, gleichgültig, ob derselbe 
für den in Frage stehenden Bezirk oder überhaupt nicht als 
Fleischbeschauer angestellt ist. 

Damit andererseits der angestellte Beschauer in vorschrifts- 
mässiger Weise die verschiedenen Bücher zu führen in der Lage 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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188 

ist, ist es notwendig, dass ihm von solchen Besichtigungen und 
dem Ausgang derselben unverzüglich Mitteilung gemacht werde. 

Wollte man dazu übergehen, den behandelnden Tierärzten 
die Fleischbeschau der Notschlachtnngen ohne triftigen Grund 
zu nehmen, so würde man den unangenehmsten Zwischenfällen 
Tür und Tor öffnen, man würde alle möglichen Reibereien 
zwischen dem angestellten Fleischbeschaner und dem behandelnden 
Tierarzt heraufbeschwören, selbst Prozessen zur Forderung eines 
Schadens für vermeintlich zu Unrecht vernichtetes Fleisch 
würde dadurch Vorschub geleistet werden. 

Muss weiterhin nicht das Ansehen eines Tierarztes ganz 
erheblich geschädigt, und dasselbe in den Augen der Laien 
herabgesetzt werden, wenn der Tierarzt, der seit Jahren die 
Praxis auf einem Gute oder in einer Gemeinde inne hat, von 
dessen Urteil und Tätigkeit sehr häufig das Wohl und Wehe 
eines grossen Teiles der Landbevölkerung abhängt, dessen 
Stimme entscheidend ist für die An- und Abschaffung kostspieliger 
und wertvoller Gebrauchs- und Zuchttiere, plötzlich nicht mehr 
als kompetent erachtet wird, zu entscheiden, ob das Fleisch 
eines geschlachteten Tieres zum menschlichen Genuss zuzulassen 
ist oder nicht? 

Auch vom rein wissenschaftlichen Standpunkt aus ist es 
dringend erforderlich, dass dem behandelnden Tierarzte die 
Untersuchung des geschlachteten Tieres überlassen und ihm 
Gelegenheit geboten werde, seine Diagnose an dem ausge¬ 
schlachteten Tiere zu kontrollieren. 

Diese Rücksicht auf die tierärztliche Wissenschaft allein 
müsste ausschlaggebend sein, die Erfüllung unserer Forderung 
mit allen Kräften zu verwirklichen zu suchen. 

Zur Vermeidung unangenehmer Belästigungen der Beschauer 
und zur Sicherung gegen unlautere Chikanierung seitens der 
Schlächter ist die Festsetzung von Schlachttagen, eventuell 
auch von Schlachtstunden dringend notwendig. 

Es ist in der Praxis undurchführbar, dass die Fleischer 
zu jeder beliebigen Zeit die Beschauer requirieren können. 

In grösseren Beschaubezirken wird es nicht möglich sein, 
dass der Beschauer an einem und demselben Tage bei sämtlichen 
Fleischern die Schlachtung kontrolliert. Allen Requisitionen 
wird pünktlich entsprochen werden können, sobald diese unsere 
Forderung verwirklicht wird, und wird damit etwaigen Klagen 
über Unregelmässigkeiten sowohl seitens der Beschauer wie 
auch seitens der Schlächter von vornherein Hand und Fuss 
genommen werden. 

Für eine erfolgreiche und erspriessliche Tätigkeit in einem 
Amte ist eine gewisse Arbeitsfreudigkeit und Befriedigung die 
Hauptgrundlage. Es ist deshalb erforderlich, dass die Ver¬ 
gütung, welche den Beschauern zu leisten ist, eine angemessene 
ist, angemessen der wissenschaftlichen Tätigkeit, sowie auch der 
anfgewandten Zeit und Mühe. Die Verschiedenheit der lokalen 
Verhältnisse lässt es nicht zu, einen Einheitspreis für die in 
Frage stehenden Untersuchungen festzulegen. Als gerecht¬ 
fertigt muss es aber gelten zu fordern: a) Für Untersuchung 
eines Stückes Grossvieh 5 bis 6 Mk. b) Für Untersuchung eines 
Schweines 2 bis 4 Mk. c) Für Untersuchung eines Stückes 
Kleinvieh (Kalb, Schaf) 1,50 bis 3 Mk. Hierzu würden noch 
zukommen nach dem Gesetz vom 9. März 1872 (Eisenbahn per 
km Mk. 0,10; Zu- und Abgang Mk. 2,—; Landweg per km 
Mk. 0,40. Bei Reisen unter 8 km, aber mehr als 2 km sind 
die Kosten für 8 km zu gewähren.) 


No. 11. 


Es muss als selbstverständlich erachtet werden, dass die 
Fleischer die Kosten der Untersuchung durch Erhöhung des 
Fleisches auszugleichen bestrebt sein werden. Diese Erhöhung 
wird sicherlich zum mindesten 5 Pfg. pro Pfund betragen, 
während unter Zugrundelegung der oben aufgestellten Gebühren 
sich in Wirklichkeit die Unkosten für Untersuchung auf höchstens 
2 Pfg. pro Pfund stellen werden. Es bleibt noch zu berück¬ 
sichtigen, dass der Beschauer nicht selten stundenlang warten 
muss, bis er das bei Lebzeiten untersuchte Tier fertig ausge¬ 
schlachtet untersuchen kann. 

Das Reichs-Fleischbeschaugesetz ist aus allgemein sanitären 
Rücksichten erlassen worden, nicht aber zur finanziellen Besserung 
einzelner Kommunen. Es ist daher als unstatthaft zu bezeichnen, 
wenn Kommunen ohne Schlachthaus dazu übergehen, die Fleisch¬ 
beschau als Einnahmequelle zu benutzen, indem sie die Gebühren 
einziehen und nur einen Teil derselben den Beschauern überweisen. 

Die Gebühren und zwar die vollen Gebühren kommen den 
Beschauern zu, da sie allein die Arbeit zu leisten und die Ver¬ 
antwortung zu tragen haben. 

Punkt 3 der Tagesordnung. 

Der Zweck und die ferneren Ziele des Verbandes. 

Referent Dr. Jelkmann. 

Meine Herren! Wie Sie wolil alle gelesen, sind bei der 
letzten Plenarsitzung des Vereins beamteter Tierärzte die 
Wogen der Erregung sehr hoch gegangen. Dieses trat ganz 
besonders bei der Verhandlung von Punkt 6 der Tagesordnung in 
den Vordergrund, der von der Mitwirkung der Privattierärzte 
bei der Seuchentilgung handelt. 

Ich hoffe, dass nach Veröffentlichung unserer heutigen Be¬ 
schlüsse sich die erregten Gemüter wieder beruhigen werden, 
und dass der allgemeine Weltfrieden durch diesen Vorgang 
weiter keine Störungen erleidet. 

Auch heute muss ich als Vorsitzender nochmals entschieden 
gegen die Behauptung Verwahrung einlegen, dass der Verband 
der P.-T. in Preussen zum Zwecke gegnerischer Agitationen 
unter den Berufsgenossen ins Leben gerufen worden sei. Ich 
habe bereits bei der Veterinärrats-Sitzung darauf hingewiesen, 
dass es dem Verbände der P.-T. fernliegt und stets ferngelegen 
hat, Unfrieden und Zwietracht zu säen. Da aber in der Plenar¬ 
sitzung der beamteten Tierärzte wiederum Bemerkungen nach 
dieser Richtung gefallen sind, so erkläre ich an dieser Stelle 
nochmals klar und offen, dass weder die Gründer des Verbandes, 
noch auch dessen Vorstand jemals daran gedacht haben, den 
beamteten Tierärzten ihre auf dem Gebiete der Veterinär- und 
Sanitätspolizei zustehenden Rechte streitig zu machen. Dahin¬ 
gegen setzt der Verband der P.-T. voraus, dass die beamteten 
Tierärzte auch alle den Privattierärzten zustehenden Rechte 
jederzeit voll und ganz respektieren. 

Leider scheint aber das letztere nicht immer der Fall zu 
sein. Wenn ich auch persönlich durchaus keine Klage zu führen 
habe, so sind mir doch als Verbands-Vorsitzendem vielfache Be¬ 
schwerden darüber zugestellt worden, dass -— neben vereinzelten 
Überhebungen — in den Kreisen der beamteten Tierärzte 
recht häufig das Bestreben herrscht, möglichst alle tierärztlichen 
Funktionen unter der Flagge der Amtlichkeit zu monopolisieren 
und gleichsam den Vorgesetzten und Kontrolleur des Privat¬ 
tierarztes zu spielen. Solche Übergriffe, anders kann man 
sie wohl kaum nennen, diskreditieren nicht nur die einzelne 
Person, sondern den ganzen Stand. 


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12. Märe 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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Alle Angehörigen des tierärztlichen Standes, welche 
Stellnng sie auch einnehmen, und welchem Verbände sie auch 
angehören, dürfen sich die gegenseitige Achtung nie versagen, 
und haben stets zu berücksichtigen, dass jeder Verband ohne 
Ausnahme bei Vertretung seiner Spezialinteressen gewisse 
Schranken hat, wenn die verbrieften Rechte anderer darunter 
leiden. Nur auf diese Weise ist es möglich, friedlich und kollegial 
nebeneinander zu wirken und zu wohnen. 

Aber, meine Herren, wir müssen andererseits auch gerecht 
sein und berücksichtigen, dass das heutige dienstliche Einkommen 
der K.-T. zum Teil ein so minimales ist, dass diese Kollegen 
gezwungen sind, sich Nebeneinnahmen zu verschaffen. Wir er¬ 
kennen die Bestrebungen d. V. d. b. T., ihre zur Zeit oft 
schwierige Lage sowohl in sozialer wie auch in pekuniärer Hin¬ 
sicht zu verbessern, als durchaus nötig und berechtigt an, und 
gestehen offen zu, dass die Besserstellung der Kreistierärzte 
auch eine Lebensfrage für die P.-T. insofern ist, als ihre fernere 
Existenzfähigkeit speziell auf dem Lande davon abhängig er¬ 
scheint Wir erachten es als eine dringende Pflicht des Staates, 
den beamteten Tierärzten sobald wie möglich eine gesicherte 
und unabhängige Position zu schaffen. Die jetzigen Bestrebungen 
der einzelnen Regierungen: den beamteten Tierärzten durch 
Überweisung von sogenannten nebenamtlichen Funktionen — 
die weder mit der Veterinär- noch Sanitätspolizei in irgend 
einer Verbindung stehen — Einnahmen zu verschaffen, sind für 
die Dauer gänzlich unhaltbar. 

Wohin soll denn das führen, wenn der Privat-Tierarzt, 
trotz seiner Kenntnisse und langjährigen Erfahrungen, nicht ein¬ 
mal mehr berechtigt ist, einen Dockschein auszustellen? Viel¬ 
fach werden die P.-T. an die Spitze von Zuchtgenossenschaften 
gestellt, opfern unentgeltlich Zeit und Mühe und werden trotz¬ 
dem von den Vorgesetzten Behörden nicht einmal für befähigt 
gehalten, bei der Auswahl von Zuchttieren ein richtiges Urteil 
abzugeben. 

Wo bleiben da die Lust und die Liebe zum Beruf, wo das 
Interesse der Privattierärzte für die Hebung der Viehzucht? 

Durch solche Massnahmen werden Ansehen und Vertrauen 
der P.-T. bei der ländlichen Bevölkerung total untergraben und 
ihre Existenz vernichtet. 

Mit welchem Recht verlangt der Verein der beamteten 
Tierärzte, dass alle zum schlachten bestimmten Pferde nur 
von ihnen untersucht werden sollen? Die Begründung dafür, 
dass die jüngeren Tierärzte nicht imstande wären, eine sichere 
Rotzdiagnose zu stellen, ist ebenso unhaltbar als die Behauptung, 
dass man sich durch eine solche Untersuchung der Schlacht¬ 
pferde einen besseren Einblick über das Pferdematerial des be¬ 
treffenden Bezirkes verschaffen gönnte. 

M. H.! Gehen diese Bestrebungen so weiter, sucht man 
immer mehr den P.-T. die ihnen zustehenden Rechte zu ver¬ 
kümmern, dann wird die Zeit nicht mehr fernliegen, wo die 
Existenz der P.-T. auf dem-Lande vollständig unmöglich er¬ 
scheint. Dass solche Bestrebungen das Pfuschertum wieder gross- 
ziehen und mit der Zeit auch die Hörsäle unserer Hochschulen 
leeren, liegt klar auf der Hand. • 

Die zunächst zu erstrebenden Ziele unseres Verbandes sind 
folgende: 

Erstens haben wir dafür zu sorgen, dass die uns als appro¬ 
bierten Medizinal-Personen zustehenden Rechte voll und ganz 
erhalten und von keiner Seite geschmälert werden. 


Zu diesem Zweck muss sofort eine energische Bekämpfung 
des Kurpfuschertums und des Geheimmittel-Schwindels ins Werk 
gesetzt werden. Ferner ist eine baldige Umänderung und Ver¬ 
besserung der von 1815 stammenden tierärztlichen Taxe an- 
zustreben. 

Ausserdem hat der Verband die Aufgabe, dahin zu wirken, 
dass gewisse Missstände und Härten bei der Einziehung von 
Kollegen zu militärischen Dienstleistungen beseitigt werden. 

Diese Missstände sind speziell darin begründet, dass die 
Tierärzte häufig, ohne vorherige Mitteilungen, telegraphisch 
zu Reserve-Übungen einberufen werden und auf diese Weise 
ihren Wirkungskreis ohne jegliche Vertretung auf 6—8 Wochen 
verlassen müssen. Abgesehen von den grossen pekuniären Ver¬ 
lusten, die den betreffenden Kollegen erwachsen, erregen auch 
solche Zustände Schaden und Misstrauen bei der Bevölkerung. 
Zwecks Beseitigung dieser Missstände ist eine Petition an das 
Königl. Kriegsministerium zu richten, worin dieses ersucht wird, 
den einzelnen Gen.-Kommandos die Weisung zu erteilen, dass 
die Rossärzte d. R. u. L. in gleicher Weise wie die Offiziere 
mindestens sechs Wochen vorher von einer etwaigen Dienstleistung 
in Kenntnis gesetzt werden. Eine weitere, sehr wichtige Auf¬ 
gabe für uns Tierärzte ist die, mit der Zeit dahin zu streben, 
dass das praktische Feld der Veterinärmedizin noch erweitert 
und auf Gebiete ausgedehnt wird, die unserer Wissenschaft bis 
dato noch fast gänzlich verschlossen waren. 

In erster Beziehung ist hier die Leitung unseres Gestüt- 
wesens ins Auge zu fassen, das nach unseren heutigen Erfahrungen 
nur auf Grundlage genauer anatomischer, physiologischer und 
hippologischer Kenntnisse rationell betrieben werden kann. Aus 
diesem Grunde müssen wir Tierärzte darnach streben, dass den 
jungen Tierärzten Gelegenheit gegeben wird, sich in der 
Gestütkunde praktisch auszubilden. Die grossen Erfolge, die 
gewisse Zweige der Tierzucht unter tierärztlicher Leitung 
und Beaufsichtigung erzielt haben, liefern uns wohl den besten 
Beweis dafür, dass das heutige System der Gestüts-Verwaltung 
ein nicht mehr haltbares ist, und dass es an derZeit ist, mitdenanti- 
diluvianischen, aber leider noch vielfach massgebenden Jockey- und 
Trainer-Ansichten aufznräumen. Das mehrwöchentliche Hospitieren 
der angehenden Gestütsleiter an einer tierärztlichen Hochschule — 
wie es bis dato der Fall war — ist für den rationellen Pferdezucht¬ 
betrieb bei weitem nicht mehr ausreichend. Hierzu gehören 
gründliche Kenntnisse der vergleichenden Anatomie, Physiologie, 
Zoologie etc. Deshalb ist von seiten der Tierärzte an das 
hohe Staats-Ministerium wie an die Vertreter des Landtages das 
Gesuch zu richten, den jungen Tierärzten Mittel und Wege 
aufznschliessen, sich in den verschiedenen Staats-Gestüten in 
der Pferdezucht praktisch ausbilden zu können, um auf diese 
Weise die Befähigung und das Recht zu erlangen, als ver¬ 
antwortliches Mitglied in der höheren Gestüts-Verwaltung Ver¬ 
wendung zu finden. 

Sie sehen, meine Herren, dass uns eine grosse Anzahl 
wichtiger Aufgaben vorliegt, zu deren Lösung wir die Hilfe 
und den Beistand aller Tierärzte unbedingt nötig haben. 
Gehen wir mit vereinten Kräften an diese heran, dann wird 
auch der erwünschte Erfolg nicht ausbleiben. 

Tierärzte als Abgeordnetei 

Der tierärztliche Stand ist im Reichstag nur durch einen 
einzigen süddeutschen Abgeordneten (Prof. Hoffmann-Stutt- 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 11. 


gart), im preussischen Landtage gar nicht vertreten. Er ist 
durch diesen Mangel gegenüber den meisten anderen Ständen, 
namentlich auch gegenüber den Ärzten, in einem sehr beachtens¬ 
werten Nachteil. Das ist um so auffälliger, als es Tierärzten 
durchaus nicht an Gelegenheit fehlt, Einfluss, Sympathie und 
Vertrauen in Wählerkreisen zu erlangen. Er ist ihre Abwesen¬ 
heit „im hohen Hause“ also nur so zu erklären, dass es sie 
nicht gelüstet, zu kandidieren. Sollten wir aber im tierärzt¬ 
lichen Stande nicht doch eine ganze Anzahl Mitglieder haben, 
die im Besitze der nötigen Eigenschaften und zugleich von der 
Ausübung ihres Berufes soweit unabhängig wären, dass sie ein 
Mandat annehmen könnten? Dann sollten diese sich auch darum 
bewerben. Der nächste Reichstag wird das neue Viehseuchen¬ 
gesetz beraten, wird bei den Handelsverträgen über die Vieh¬ 
einfuhr beschlossen. Da täten tierärztliche Sachverständige 
als Abgeordnete in den Kommissionen recht not und würden 
ihren Parteien grossen Nutzen bringen. Andrerseits ist dabei 
auch das Interesse des tierärztlichen Standes erheblich beteiligt. 
Dazu kommt die Reorganisation des Militärveterinärwesens im 
Reichstag und das Kreistierarztgesetz, die Grundlage für eine 
lange Zukunft, im preussischen Landtag. Die Wahlen stehen 
vor der Tür. Wenn jemals, so wäre es jetzt Zeit, dass Tier¬ 
ärzte ihren Ehrgeiz auf die Erlangung eines Mandates lenkten. 

Überreichung des Veterinärrats - Berichtes an S. Kgl. Hoheit den Prinzen 
Ludwig von Bayern. 

Für Seine Königliche Hoheit den Prinzen Ludwig war ein 
Exemplar des Berichtes über die Tagung des deutschen Vete¬ 
rinärrates zu München in besonderer Ausstattung (Leder, Seide 
und Goldschnitt) hergestellt worden, welches Geheimrat Esser 
dem Herrn Hofmarschall mit der Bitte um Überreichung zuge¬ 
sandt hatte. Darauf ist Geheimrat Esser folgendes Schreiben 
des Herrn Grafen von Holnstein zugegangen: 

Seine Königliche Hoheit Prinz Ludwig von Bayern 
haben das Exemplar des Berichtes über die IX. Plenar¬ 
versammlung des Deutschen Veterinärrates huldvollst entgegen¬ 
genommen, werden dasselbe mit besonderem Vergnügen höchst- 
ihrer Privatbibliothek einverleiben lassen und haben mich zu 
beauftragen geruht, Ihnen für die durch die Vorlage desselben 
erwiesene Aufmerksamkeit höchstibren freundlichen Dank zum 
Ausdruck zu bringen. 

Milzbrandfeststellung. 

Ich habe bereits in No. 8 und wiederholt in No. 10 darauf 
hingewiesen, dass die Frage der Milzbrandnachprüfang „soviel 
ich wisse“ entschieden sei. Dem Leser sagte dies wohl, trotz 
des gemachten Vorbehaltes, genug. Ich bin berechtigt, dies 
jetzt als authentische Tatsache mitzu teilen. In wenigen Wochen 
werden ausführliche aufklärende Mitteilungen darüber erscheinen 
können, die nun wohl am besten abgewartet werden. 

Die Perleberger Vieh-Versioherungs-Gesellschaft und ihr Verhältnis zu 
den Tierärzten. 

Von Kreistierarzt Löwel-Langensalza. 

Die Perleberger Vieh-Versicherungs-Gesellschaft zu Perleberg 
versendet neue Statuten und Versicherungs-Bedingungen, welche 
am 13. Januar d. Js. vom Kaiserlichen Aufsichtsamt genehmigt 
worden sind. Diese Bestimmungen sind für die Tierärzte insofern 
ganz besonders wichtig, als dieselben dadurch schwer geschädigt, 
bezw. bei den Versicherten der Perleberger vollständig kalt gestellt 
werden. Zum Beweise dessen stelle ich hier die diesbezüglichen 
Bestimmungen der Perleberger denjenigen, welche der Deutsche 


Landwirtschaftsrat mit den Vieh-Versicherungs-Gesellscbaften im 
Jahre 1895 vereinbart hat, und welche auch vom Preussischen Land- 
wirtschnftsministerium als Muster-Bedingungen zur allgemeinen Ein¬ 
führung empfohlen worden sind, gegenüber: In den mit dein 
Deutschen Landwirtschaftsrat vereinbarten Bedingungen heisst es 
im § 7: „Die Begutachtung des zur Versicherung beantragten Vieh¬ 
bestandes geschieht durch einen approbierten Tierarzt. In Er¬ 
mangelung eines solchen am Orte oder im Umkreis von 15 km kann 
sie mit Genehmigung der Direktion auch durch einen Sachver¬ 
ständigen erfolgen“. In den neuen Bedingungen der Perleberger 
heisst es dagegen im § 7: „Die Begutachtung des zur Versicherung 
beantragten Viehbestandes kann dnreh einen approbierten Tier¬ 
arzt oder durch einen Sachkundigen erfolgen.“ Es ist also 
dem Versicherten frei gestellt, ob er einen Tierarzt zuziehen 
will oder nicht, und selbstverständlich verzichtet er der Kosten¬ 
ersparnis halber darauf, ferner auch wohl deshalb, weil der Tierarzt 
diesen oder jenen Fehler bei den Tieren entdecken könnte, der ihm 
unangenehm werden könnte, während der Nichttierarzt solchen über¬ 
sieht. Ferner sagen die mit dem Deutschen Landwirtschaftsrat ver¬ 
einbarten Bedingungen, dass, wenn ein Tier erkrankt, nach Wahr¬ 
nehmung dieser Erkrankung der Versicherte verpflichtet ist, sobald 
als möglich, einen approbierten Tierarzt zur Behandlung an¬ 
zunehmen, sowie binnen 8 Tagen einen Krankheitsbericbt des be¬ 
treffenden Tierarztes einzureichen. Bei Unglücksfällen und 
schnell verlaufenden Krankheiten des Rindviehs etc. ist sofort das 
Urteil eines Tierarztes liuzuholen darüber, ob ein rasch ein¬ 
tretender Tod zu erwarten und ob durch längeres Stehen sich der 
Schlachtwert des Tieres vermindert. Im letzteren Falle hat der 
Versicherte für rechtzeitiges Abschlachten und bestmöglichste Ver¬ 
wertung Sorge zu tragen. Die Genehmigung zur Tötung erkrankter 
Pferde ist von der Direktion zu erteilen, wenn nach tierärztlichem 
Gutachten eine Wiederherstellung des Tieres nicht zu erwarten, 
und dasselbe lebend zu jedem Gebrauche unfähig geworden ist. 
Bei schweren äusserlichen Verletzungen kann die Tötung erfolgen, 
wenn die Notwendigkeit von einem Tierarzt oder in dessen Er¬ 
mangelung von 2 Sachkundigen schriftlich begutachtet wird. Die 
Sachkundigen sind immer erst dann zulässig, wenn ein Tierarzt im 
Ort oder im Umkreise von 15 km nicht vorhanden ist. Nach dem 
Tode eines Tieres ist innerhalb 4 Tagen ein Krankheits- und 
Sektionsbericht von einem approbierten Tierarzt der Direktion 
einzureichen. Nach diesen Bestimmungen ist also stets und ständig 
ein approbierter Tierarzt zuzuziehen. In den neuen Bestimmungen 
der Perleberger heisst es dagegen im § 16: „Wenn ein Tier erkrankt, 
so ist nach Wahrnehmung der Erkrankung das Gesellschaftsmirglied 
verpflichtet, sobald als möglich, spätestens jedoch innerhalb 3 Tagen 
seinem Gruppenvorsteher und dem Verbandsleiter hiervon Mitteilung 
zu machen, von benachbarten Mitgliedern Rat einzuholen 
und mit der gehörigen Sorgfalt zu verfahren.“ Ebenso ist 
das Mitglied verpflichtet, den von der Generaldirektion, dem 
VerbandBleiter oder dem Gruppenvorsteher vorge- 
schriebenen Anordnungen pünktlichst nachzukommen. 

Nebenbei ist allerdings auch bemerkt, das Mitglied sei ver¬ 
pflichtet, nichts unversucht zu lassen, ein erkranktes Tier wieder- 
herzustellen und daher auch bei schweren Erkrankungen einen 
Tierarzt zuzuziehen. Es ist also in sein freies Ermessen gestellt, 
ob er die Krankheit für eine leichte oder schwere halten will, und 
ersteres wird wohl meistens angenommen werden, um sich der 
Kontrolle des Tierarztes zu entziehen und auch die Gebühren, für 
den letzteren zu sparen. R< i schnell verlaufenden Krankheiten hat 
der Versicherte nicht einen Tierarzt zuzuziehen, Bondern im 
Einverständnis mit dem Gruppenvorstand oder 2 benachbarten 
Gruppenmitgliedern oder 2 sonstigen Zeugen die Tötung vorzu¬ 
nehmen. Die Tötung erkrankter Pferde, Maultiere und Esel darf 
stets nur mit Genehmigung der Direktion erfolgen und ist diese 
nötigenfalls telegraphisch unter, Bez ichnung der Krankheit durch 
den Giuppenvorstand oder das Mitglied einzuholen. Im Falle des 
Verendens oder der Notwendigkeit zur Tötung von Tieren ist statt 
des tierärztlichen Sektionsberichtes eine Bescheinigung des 
Grnppcnvorstandes oder ein ausführlicher Bericht über Ursache und 
Verlauf der Krankheit unverzüglich der General-Direktion einzu¬ 
reichen. Nur dann, wenn die Ursache des Verendens oder des 


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12. März 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 191 


notwendig gewordenen Tötens nicht mit Sicherheit festzustellen 
ist, muss ein Sektionsbericht oder die Bescheinigung der Ab¬ 
deckerei über die vermutliche Todesursache der General-Direktion 
alsbald eingereicbt werden. Man sieht aus diesen Bestimmungen, 
dass die Perleberger bestrebt ist, die Tierärzte mög¬ 
lichst auszuschalten. Wenn also alle Viehbesitzer bei der Perle¬ 
berger versicherten, dann würden nach den Bestimmungen dieser 
Gesellschaft die Tierärzte alsbald gar nicht mehr notwendig sein. 
Die Gruppen- und Verbandsversicherung wird von der Perleberger 
bereits seit 2 Jahren betrieben. Die Versicherten sind aber ausser¬ 
ordentlich unzufrieden, was die vielen Protestversammlungen, 
welche im Bezirk Potsdam und besonders zahlreich in den thürin¬ 
gischen Staaten stattgefunden haben, beweisen. Auch in den bisher 
gültigen Versicherungsbedingungen der Perlebergcr heisst es im 
§ 7: Die Begutachtung des zur Versicherung beantragten Vieh¬ 
bestandes kann durch einen approbierten Tierarzt oder durch 
einen Sachverständigen erfolgen Infolgedessen erfolgte die 
Aufnahme stets durch die Agenten, die als Sachkundige gelten. 
Da aber die Provision der Agenten von der zu entrichtenden Prämie 
abhängt, so lag es im Interesse derselben, die Einschätzung mög¬ 
lichst hoch, und wie ich gesehen, meist über den Wert vorzu¬ 
nehmen. Diese Sachkundigen, die absolut keine Ahnung von dem 
Alter eines Tieres hatten, schätzten das Alter uacli dem äusseren 
Ansehen, und ebenso gaben sie ihre Wertschätzung ab. Im Schaden¬ 
falle verlangte die Versicherung ausser der Schätzung durch sach¬ 
kundige Mitglieder, ein tierärztliches Attest und eine tierärztliche 
Wertschätzung des betr. Tieres und bemass auf Grund dieser Wert¬ 
schätzung die Entschädigung ohne Rücksicht auf die erste Ein¬ 
schätzung; dass die erste Einschätzung, welche immer durch „Sach¬ 
kundige“ aufgenommen und fast immer zu hoch war, mit der späteren, 
durch einen Tierarzt aufgenommenen Abschätzung in Missverhältnis 
kommen musste, ist ohne Frage. Ich habe deshalb, sofern bei der 
ersten Einschätzung ein Tierarzt nicht zu Rate gezogeu war, die 
nachträgliche Wertschätzung stets abgelehnt Was die Aufnahme 
der Tiere ohne tierärztliche Mitwirkung zeitigte, hat eine Ver¬ 
sammlung der Mitglieder der Perleberger in Gotha bewiesen. Der 
anwesende Verbandsdirektor für Sachsen erkannte selbst an, dass 
seitens der Agenten ganz gewissenlos verfahren sei; es wurden ohne 
Skrupel Tiere, die bald eingingen, zu hoben Preisen in die Ver¬ 
sicherung aufgenommen; andererseits wurden Besitzer als Mitglieder 
aufgenommen, deren pekuniäre Verhältnisse möglichst schlecht 
waren, so dass eine grosse Anzahl von Mitgliedern, die der Ver¬ 
sicherung noch schulden, zu streichen waren, weil Geld oder 
Geldeswert von ihnen überhaupt nicht mehr beigetrieben werden 
konnte. Diese Ausfälle mussten natürlich die anderen Versicherten 
mittragen, daher die immens hohen Beitragslasten der Versicherten. 
Ist es doch sogar vorgekommen, daBS ein Tier, welches der 
Gruppenvorstand überhaupt nicht aufnehmen wollte, seitens des 
Agenten gegen den Willen des Gruppenvorstandes aufgenommen 
wurde, und, soviel mir bekannt, bald entschädigt werden musste. 
Die Bestimmungen der Gruppen- und Verbandsversicherung haben, 
wie die Proteste ergeben, und wie ich mich in meinem Kunden¬ 
kreis überzeugt habe, nur auf dem Papier gestanden. 

Bevorzugung von Laienflei8chbe8chauern. 

Aus den verschiedensten Gegenden wird von einer Bevor¬ 
zugung des , Laien-Elements bei der Anstellung als Fleisch¬ 
beschauer berichtet. 

Nach den Motiven des Gesetzes sollen tunlichst Tierärzte 
die Fleischbeschau ausüben. Wo solche sich also melden, 
sollten sie auch berücksichtigt werden. Als ein Unfug muss es 
geradezu erscheinen, wenn selbst am Wohnorte des Tierarztes, 
gegen den nichts vorliegt, trotz dessen Bewerbung ein Laien¬ 
fleischbeschauer angestellt wird. Hier scheinen z. B. persönliche 
Beweggründe eigentümlichster Art mitzuspielen. 

Der Ausschuss der Zentralvertretung der tierärztlichen 
Vereine Preussens wird Schritte tun, um die Aufmerksamkeit 
des Ministeriums auf diesen Punkt zu lenken. 


In vielen Bezirken werden die Anstellungsvorschläge von 
der Regierung, also vom Departementstierarzte, geprüft und 
krasse Verstösse dadurch verhindert. Das scheint aber nicht 
überall der Fall zu sein. 

Es handelt sich darum, schleunigst Material zu sammeln. 
Ich ersuche diejenigen Kollegen, denen an ihrem Wohnort die 
Fleischschau zu gunsten eines Laienfleischbeschauers vorent¬ 
halten wird, mir dies mit genauen sachlichen Angaben, aber 
möglichst kurz und bald mitzuteilen. Schmaltz. 

Buchführung auf Schlachhöfen. 

Die Führung des nach den Ansführungsbestimmungen zum 
Reichs - Fleischschau - Gesetz vorgeschriebenen Schlachtbuches 
auch in Schlachthöfen begegnet wegen ihrer Umständlichkeit 
berechtigtem Widerstreben. Der Verein der Schlachthoftierärzte 
im R.-B. Arnsberg hatte deshalb eine Anfrage an die Kgl. 
Regierung gerichtet, ob das Schlachtbuch auch auf Schlachthöfen 
geführt werden müsse. Darauf ist dem Vorsitzenden, Direktor 
Kredewahn, folgende Antwort des Herrn Regierungspräsidenten 
zugegangen: 

Auf die gefällige Zuschrift vom 1. d. M. erwidere ich Ihnen, 
dass sich die Führung des Schlacbtbuchcs, wie sie in den Aus- 
führungsbestimmnngen des Reichs-Fleischschau-Gesetzes vor¬ 
geschrieben ist, nicht nur auf die ländlichen Bezirke, sondern 
auch auf die Betriebe der Schlachthöfe zu erstrecken hat. Zur 
Vereinfachung dieser etwas umständlichen Buchführung empfiehlt 
es sich, das seit dem 1. Januar d. J. nach der gedachten Vor¬ 
schrift am Schlachthofe zu Köln a. R. mit dem besten Erfolge 
geübte Verfahren auch in den diesseitigen Schlachthöfen ein¬ 
zuführen. (B. T. W. Nr. 6, Jahrg. 1903). 

Die betreffenden Formulare können von der Firma F. W. 
Becker hierselbst bezogen werden. 

Die Schlachtviehversicherung und die säohslsoben Tierärzte. 

Dass der Artikel des Herrn Kollegen Opel Verhältnisse, 
welche tief in das tierärztliche Leben einschneiden, treffend 
beleuchtet haben muss, ergibt sich aus dem „Bravo“, welches 
eine Anzahl sächsischer Tierärzte in Annoncenform (auf der 
ersten Seite des Inseratenumschlages) ihrem Landsmann widmen. 
Die Kundgebung ist bemerkenswert. 

Allgemeine Ausstellung für hyglenisohe Milohversorgung, Hamburg 1903. 

Das grosse Interesse, das diesem Unternehmen in allen 
Kreisen entgegen gebracht wird, hat nunmehr auch Widerhall 
an Allerhöchster Stelle. gefunden, insofern als Ihre Majestät 
die Kaiserin einen Ehrenpreis in Form einer grossen silbernen 
Porträtmedaille gestiftet hat. Im Sinne der hohen Stiftern 
soll dieser Ehrenpreis, wie wir hören, für eine Leistung ver¬ 
liehen werden, die auf dem Gebiete der Tuberkulosetilgung 
zum Ausdruck kommt. Die Meinung, dass die geplante Aus¬ 
stellung die überall hervortretenden, auf die Sanierung unserer 
Milchviehbestände und die Ausrottung der tuberkulösen Kühe 
gerichteten Bestrebungen wesentlich fördern wird, gewinnt über¬ 
haupt in weiten Kreisen immer mehr an Boden. Die Ausstellung 
wird in dieser Richtung gewissermassen als eine Etappe auf 
dem Wege zum Ziel angesehen werden können. 

Dr. Stödter. 

Rotz In AfHka. 

Unter den Pferdebeständen der Kapkolonie hat die Rotz¬ 
krankheit eine grosse Ausdehnung erlangt. Das kaiserliche 


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192 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 11. 


Goavernement in Windhoek hat daher ein Einfuhrverbot für 
Einhufer erlassen. Auch ist eine Beobachtung der vorher in das 
deutsch-stidwestafrikanische Schutzgebiet aus der Kapkolonie 
eingeführten Einhufer angeordnet worden. 

Uebrigens soll auch die Reise des Geheimrat Koch nach 
Afrika wesentlich dem Studium der Bekämpfung des Rotzes 
gewidmet sein. 

Handels-Kontrolibiicher. 

Der Regierungspräsident in Marienwerder hat unter dem 
26. November 1902 eine Polizeiverordnung erlassen, welche den 
Pferdehändlern die Führung eines Kontrollbuches vorschreibt. 
Diese Kontrollbücher sind von der Polizeibehörde des Wohnorts 
auszustellen, sie müssen stets mitgeführt werden und sind auf 
Verlangen den Gendarmen, Polizeibeamten und beamteten Tier¬ 
ärzten vorzulegen. 

Durch landespolizeiliche Anordnung vom 27. Dezember 1902 
hat der Regierungspräsident in Oppeln die Führung von Kontroll- 
registern für Schweine für 200 Orte, welche in einer bis 8 km 
breiten Zone längs der östlichen Grenze in den Kreisen Pless, 
Kattowitz Land, Beuthen Stadt und Land, Tarnowitz, Lublinitz, 
Rosenberg und Kreuzburg gelegen sind, angeordnet. Die Register¬ 
führung erfolgt in ähnlicher Weise, wie bei der Rindviehkontrolle. 

Neue Zeitschrift. 

Unter dem Titel „Fortschritte der Veterinärhygiene“ 
erscheint vom 1. April ab eine neue Monatsschrift unter 
Redaktion des Kreistierarztes Dr. Prof6 in Köln und unter Mit¬ 
wirkung von 22 Mitarbeitern, darunter zahlreichen Ausländern 
und einigen Medizinern. 


BUcheranzeigen*) und Kritiken. 

Fischöder, Leitfaden der praktischen Fleischbeschau. Mit vielen 
Abbildungen. Fünfte, neubearbeitete Auflage. Berlin 1903. Verlag 
von Richard Schoetz. Preis 5 Mk. 

Der Fi sch öde räche Leitfaden, welcher in seiner fünften, 
gänzlich neubearbeiteten Auflage vorliegt, gehört zu den Werken 
der Fleischbeschau, welche sich eingebürgert haben, und die sich 
aus ihrer Position nicht so leicht verdrängen lassen. Auch neben 
dem Ostertagschen Leitfaden dürfte der Fischödersche seinen 
Platz behaupten. Der Verfasser hat es verstanden, die gesetzlichen 
Bestimmungen in seinen Text so hinein zu arbeiten, dass die mit 
Elementarschulbildung ausgestatteten Fleischbeschauschüler un¬ 
schwer sich werden in den Stoff hineinfinden können. Ausser¬ 
dem sind die gesetzlichen Bestimmungen im Zusammenhang wieder¬ 
gegeben und werden die ira Texte eingefUgten Hinweise ein Auf¬ 
finden schnell ermöglichen. Die Wiedergabe der gesetzlichen Be¬ 
stimmungen und daran anschliessenden gemeinfasslichen Er¬ 
läuterungen sind bo recht geeignet, die Bestimmungen des Gesetzes 
dem Fleischbeschauer ins Blut Uberzuführen. Hat der Fleisch- 
beschauer den Fischöderschen Leitfaden durchgearbeitet, so ist er 
wohl sicher imstande, den Anforderungen der Prüfungsvorschriften 
gerecht zu werden. Kühn au. 

Kompendium der Bakteriologie und Blutserumtherapie für Tierärzte 
und Studierende von Dr. Paul Jess in Berlin. Zweite Auflage mit 
28 Abbildungen. Berlin, Verlag von Richard Schoetz, 1903. 
Preis 4 Mark. 

Vor knapp zwei Jahren erschien dieses Kompendium über 
Bakteriologie, welches ich damals einer eingehenden Besprechung 
unterzog; die dabei bemerkten Ausstellungen hat Verf. nunmehr 

*) Von den eingesandten Büchern werden hierunter Titel usw. 
mitgeteilt Eine Verpflichtung zu eingehender Besprechung wird 
jedoch nicht übernommen; dieselbe bleibt Vorbehalten. 

Die Redaktion. 

Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): I'rof. Dr. Schmält* in Berlin. 


sorgfältig berücksichtigt. Die wiederum in Taschenformat heraus¬ 
gegebene Neuauflage wurde von 83 auf 119 Seiten erweitert und 
umfasst ausserdem ein gutgesichtetes Literaturverzeichnis nebst 
einem ausführlichen Sachregister sowie 20 Mikrophotogramme von 
den wichtigsten Bakterien und 8 Textabildungen. Der umfang¬ 
reiche Stoff ist mit grossem Fleisse und viel Verständnis durch¬ 
gearbeitet, wobei nichts Wesentliches unerwähnt blieb; in klarer 
Diktion und leichtem, fliessendem Stil werden die allgemeine Bak¬ 
teriologie und Kulturmethoden, die spezielle tierärztliche Bakterio¬ 
logie, die Impfmethoden, die Immunitätslehre, die Serumdiagnose, 
die Blutserumtherapie und deren Anwendung in der Veterinär¬ 
medizin und Menschenheilkunde dem Leser vorgeführt, sodass das 
Studium des Werkchens keine ermüdende Arbeit, sondern ein 
fruchtbringender Genuss wird. 

Zur raschen Orientierung kann daher, wenn man von einigen 
Ungenauigkeiten absieht, das Kompendium allen Facbgenossen 
wärmstens empfohlen werden. Die revidierte Neubearbeitung wird 
dem Werkchen sicherlich weitere Freunde erwerben, zumal da 
Druck und buchhändlerische Ausstattung desselben als vorzüglich 
nnd geschmackvoll gerühmt werden müssen. Schlegel. 


Personalien. 

Ernennungen: Schlachthofinspektor Kredewahn-Bochum ist 
zum Schlachthofdirektor ernannt worden. Kreistierarzt Graul ist 
von Oppeln nach Ratibor versetzt Tierarzt N. Duetsch als 
bezirkstierärztlicher Verweser in Viechtach (Bayern) aufgestellt. 

Wohnsitzveränderungen, Niederlassungen: Möller, bisher Projektor 
in Hannover, als Kreistierarzt nach Neumark in Westpr., 
N. Friedemann nach Kastellaun, Holzapfel als Assistent des 
Departementstierarztes Wallmann nach Erfurt. 

Examina: Approbiert wurden in Berlin die Herren Billerbeck, 
Boje, Edzards, König, Neugebauer, Sajons, Sassenhagen, 
Wickel, Windhausen; in Hannover die Herren E. Greife, 
Ernst Meyer (Greifswald), J. Ibel, Martini, Ernst Müller (Bei¬ 
gem), K. Erhardt, A. Grote. 

Promoviert in Giessen zum Dr. med. vet. Tierarzt Max Müller- 
Strassburg; in Bern zum Dr. phil. Tierarzt Kirsten aus Elbing. 

In der Armee: Befördert zum Rossarzt: Weller, Unterross¬ 
arzt vom 28. Art-R.; zu Unterrossärzten: die Militärrossarzteleven 
Witte im 6. Kür.-R., Süssenbach im 18. Drag.-R., v. Dziengel 
im 1. Garde-Drag.-R. — Versetzungen: Die Oberrossärzte Hirse¬ 
mann vom 14. Ulan.-R. und Herrmann vom 34. Art.-R., sowie die 
Unterrossärzte Borowski vom 9. Ulan.-R. und Kvaenner vom 
2. Art.-R. gegenseitig; ferner die Rossärzte Schmidt vom 32. Art.-R. 
zum 19. Trainbat. und Uh lieh vom 28. Art-R. zum 32. Art-R. — 
Im Beurlaubtenstande: Zu Veterinären d. Res. die Unter¬ 
veterinäre Fr. Lohe und W. Eilhauer (Bez C. Günzenhausen), 
L. Diez (Würzburg), J. Hatzold (Bamberg). 


Vakanzen. 

Neu hinzugetreten: 

Kreistierarztstellen: R. B. Kassel: Hemfeld, Bew. bis 1. April. 

— R. B. Oppeln: Landkreis Oppeln, Bew. bis 10. April. 

Schlachthofsteilen: Bremen. Dritter Tierarzt 2400 M., steigend 
alle 3 Jahre um 240 bis 3600 M.; gegen 5% Abzug freie Wohnung, 
Feuerung, Licht. Bew. bis 15. März an den ersten Tierarzt Sonne¬ 
wald. — Dortmund: Erster Assistenztierarzt znm 1. 4., 2500 M. 
Bew. bis 25. März b Magistrat. — Elbing: Hiilfstierarzt 1800 M.; 
keine Privatpraxis. Bew. bis 15. März b. Magistrat — Glückstadt: 
Inspektor: 2000 M , freie Wohnung etc. Bew. bis 15. März b.Magistrat. 

Ambulatorische Fleischschau und Privatpraxis: Heringen a. d. 
Helme, Niederlassung gewünscht: Voraussichtlich Fleischschau 
1200 M., 300 M. von der Stadt- und Privatpraxis. Ausk. Magistrat. 

— Horst a. d. Emscher, Fleischschau 3000 M. Gehalt, Privat¬ 
praxis. Bew. bei dem Amtmann. — Voerde: Fleischbeschauer 
zum 1. April 2100 M. Bew. bis 22. März. 

Besetzt: Kastellaun. 

Druck von W. Büxenstein, Berlin. 


— Verlag und Kigentum von Richard 8clioetx in Berlin. — 


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Dl« .Berliner Tlarlntileha Woeheneehrift* «racheInt 
wSehentlich lm Verleg« Ton Richard 8choet* In 
Berlin, LaUenitr.36. Dareh ]«da« deuUebe Postamt wird 
di««elbe «um Preis« Ton M. 5,— riertelj Ihr lieh (M. 4,88 für 
die Wochentchrlfl, IS Pf. ihr Bestellgeld) frei Ins Haas 
geliefert. (Deutsche Post-Zeitungs-Preisliste No. 110*, 
OeiterrelcbUehe No. 610, Ungarische No. SO.) 


Berliner 


Örlglnslbeitrig« werden mlliOHk. Ar den Bogen honoriert 
Alle Manaikripte, Mitteilungen and redaktionellen An¬ 
fragen beliebe man sa «enden an Prof. Dr. Schmält«, 
Berlin, tlerirstllche Hochschule, NW, Lulsenstraaae 66. 
Korrektoren, Resenstons-Kxemplare and Annonecn da¬ 
gegen an dl« Varlagsbuchbandlang. 


Tierärztliche Wochenschrift 


Bedaktion: 

Professor Dr. Schm&ltz-Berlin 

Verantwortlicher Redakteur. 

De Brnln KObnaa Dr. Lothee Prof. Dr. Peter Peter« Preoeee Dr. Schlegel Dr. Vogel ZDndei 

Professor Seblaehtbofdiraktor Dapartementstlerarst Kreistiers rat Departemenutlerarat Vetcrinftrassessor Professor Landes-lnsp. f. Tiersaeht Kreiatlerarmt 

Utrecht Göln. Göln. AngermUnde. Bromberg. Danzig. Freiburg i. Br. München. Mülhausen i. E. 

Francke Dr. Jeee Nevemann 

K reis tiers rat Kreistiersrat Krelstlersrat 

Mülheim a. Rh. Chariottenbnrg. Bremervörde. 


Jahrgang 1903. 


Jfä 12. Ausgegeben am 19. März. 


Inhalt: Zehl: Die Leibchenschurzhose. — Baer: Eine neue Schutzimpfung gegen Rauschbrand. — Angersteln: Gepreßte 
„Patent-Rinnen - Hufeisen“ der Firma Landeker u. Albert, Nürnberg. D. R. P. 108141. — Garth: Universal¬ 
fleischbeschaustempel für Tierärzte. — KQhnau: Fleischbeschaustempel „Muto“ mit auswechselbarem Griff. 
— Zwicker: Einige Bemerkungen Uber Fohlenlähme. — Kothe: Tannoforin bei der Behandlung von Strahl¬ 
krebs. — Referate: Embryonale Blutbildung — Tagesgesohlohte: Zum künftigen KreistierarztgeBetz. — Verschiedenes. — 
BUcheranzeigen und Kritiken. — Personalien. — Vakanzen. 


Die Leibchenschurzhoee. 

Von 

Dr. A. Zehl -Trebbin. 

Tierarzt. 

Eb ist zu verwundern, daß die Frage, wie kleidet eich der 
tierärztliche Geburtshelfer zu seiner schweren Berufsarbeit am 



zweckmäßigsten, bis vor kurzer Zeit noch unbeantwortet ge¬ 
blieben ist. Gerade die Geburtshilfe stellt schon solche Ansprüche 
an die physischen Kräfte des Tierarztes, daß er fordern kann, 
durch eine geeignete Kleidung vor Beschmutzung, Dnrchnäßt- 


werden und den dadurch entstehenden Erkältungskrankheiten 
geschützt zn sein. 

Bisher behalf sich nun ein jeder, so gut er konnte, zumal 
die Lehrbücher nnr darauf hinweisen, daß der Geburtshelfer 
möglichst schlechte Kleidung zn seinem Bernfe wählen solle, 
um sich vor pekuniärem Schaden zu bewahren. Ich für meinen 



Teil probierte es zuerst damit, daß ich eine alte, starke Hose 
über das gewöhnlich getragene Beinkleid zog. Selbstredend 
konnte ich hierdurch wohl eine Beschmntznng des letzteren 
verhüten, aber keineswegs das Durchdringen der Nässe. Es 


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194 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 12. 


gehörte dann nicht zu den Annehmlichkeiten dieses Daseins, in 
dem durchnäßten Beinkleide die Rückfahrt auf dem Wagen bei 
kalter Witterung machen zu müssen. Infolgedessen zog ich 
es bald vor, mich ganz vor der Geburtshilfe umzukleiden, damit 
mir nachher trockene Sachen zur Verfügung standen. Ip dieser 
oder ähnlicher Weise werden sich wohl alle Kollegen in der 
Praxis zu behelfen gesucht haben. 

Der geschilderten, primitiven Art, sich zur Geburtshilfe zu 
kleiden, machte Herr Kollege Heiß endlich den Garaus, indem 
er vor einiger Zeit die sogenannte Schurzhose aus Ölzeug her¬ 
stellte und durch die Firma Hauptner, Berlin, den Kollegen 
zugänglich machte. Sicher ist diese Neuerung, die wirklich 
mal einem langgefühlten Bedürfniß abhalf, überall mit großer 
Freude damals begrüßt worden. 

Es war nun ein vollständiges Umkleiden nicht mehr nötig^ 
sondern man behielt seine Alltagshose unter dem Ölzeug an, 
das im allgemeinen gegen Beschmutzung und Nässe schützte. 
Im besonderen aber stellten sich bei öfterer Benutzung der 
Schurzhose doch einige Mängel heraus, die ich jetzt kurz an¬ 
geben wilL 

So lange der Geburtshelfer stehend oder in knieender 
Stellung operieren konnte, genügte die Heißsche Hose voll¬ 
ständig. Mußte aber der Tierarzt sich lang hinlegen, um Hilfe 
zu leisten, wie es wohl meistens bei den Schwergeburten der 
Fall sein dürfte, zu denen ein Sachverständiger hinzugeholt 
wird, so reichte die Schurzhose nicht mehr aus. Bekanntlich 
ist man daun oft gezwungen, in der Seiten- ja in halber 
Rückenlage zu operieren, um den Arm in ganzer Länge zur 
Verfügung zu haben und alle Chancen ausnutzen zu können. 

Beide Seiten und den Rücken des Operateurs läßt die 
Heißsche Hose vollkommen unbedeckt und unbeschützt. Weiter 
war es sehr unangenehm, dass die Achselbänder, die allein die 
Hose zu halten hatten, beim eifrigen Arbeiten von der Schulter 
glitten, so daß die Enden der weiten Hosenbeine über die 
Stiefel fielen. Dadurch wurden die Innenteile der Beinlinge 
schmutzig und befleckten später, wenn sie wiederum in ihren 
normalen Sitz gezogen wurden, die Tuchbeinkleider. Selbst¬ 
verständlich riß auch bei dem öfteren Hin- und Herziehen das 
Ölzeug leicht ein. Die erwähnten Fehler beziehungsweise 
Mängel habe ich auf folgende Weise abzustellen versucht: 

Zuerst vervollständigte ich den Brustschurz der Hose, unter 
Wegfall der hinderlichen Achselbänder, zu einem hinten 
zuzuknöpfenden, sogenannten Leibchen mit weiten Hals- und 
Armlöchern, die den Bewegungen des Halses und der Arme 
freien Spielraum lassen. Die Hosenbeine, welche hinten im 
oberen Drittel offen waren und das Gesäß ganz freiließen, 
wurden durch eine Hosenklappe ergänzt, und zwar ist diese 
durch Gummiösen, die durch ihre Elastizität das Bücken etc. 
gut gestatten, an das Leibchen zu knöpfen. Damit an der 
Knöpfstelle bei Bewegungen des Geburtshelfers keine Lücke 
entsteht, deckte der obere Teil der Hosenklappe reichlich den 
unteren des Leibchens. In derselben Weise sind die Hosen¬ 
schlitze auf der rechten und linken Seite geschlossen. 

Endlich habe ich in das untere Ende der Hosenbeine eine 
Gummischnur ziehen lassen, welche die Hose fest um den 
Knöchel schließt und so ein Hinübergleiten der Hose über den 
Stiefel verhindert. 

Zum besseren Verständnis der vorstehenden Beschreibung 
füge ich zwei Abbildungen, die den mit der Leibchenschurzhose, 


wie ich diese Geburtshelferhose genannt habe, bekleideten 
Operateur in Vorder- und Rückansicht darstellen. 

Ich habe diese Leibchenschurzhose vielfach ausgeprobt und 
praktisch befunden. Dieselbe schützt übrigens auch den Rücken 
gegen Zugluft, der der Tierarzt in kleinen Stallungen häufig 
ausgesetzt ist, während er bei der anstrengenden Arbeit am 
ganzen Leibe transpiriert. 

Ich übergebe nun die verbesserte Schurzhose den Herren 
Kollegen mit dem Wunsche, daß sie ihnen allen ebenso gute 
Dienste leisten möge wie mir, und ihnen so die Verrichtung 
der körperlich schwersten, tierärztlichen Aufgabe erleichtern 
helfe. 

Die Firma Hauptner, Berlin, hat die Anfertigung der 
Leibchenschurzhose übernommen. Dieselbe ist zum Preise von 
15 M. von genannter Fabrik zu beziehen. 

Eine neue Schutzimpfung gegen Rauschbrand. 

Von 

Dr. Baer-Stuttgart 

Vorstand des Laboratorium Pasteur. 

Ein sehr einfaches und praktisches Verfahren der Rausch¬ 
brandschutzimpfang hat M. Thomas-Verdun gefunden. Er 
bedient sich hierzu des sogenannten „Blacklegine“, das ist ein 
mit Rauschbrandlymphe imprägnierter nachher getrockneter 
Faden, der mittels einer besonders konstruierten Nadel (siehe 
Abbildung) in das Unterhautgewebe des Schwan¬ 
zes eingeführt wird, wo er unbeschränkte Zeit 
liegen bleibt. 

Abgesehen von der denkbar größten Ein¬ 
fachheit hat das neue Verfahren vor den andern 
gebräuchlichen Impfmethoden den großen Vor¬ 
zug, daß: 

1. bloß eine einmalige Impfung erforderlich 
ist, die sich auch bei geringer Übung in kaum 
einer Minute ausführen läßt; 

2. man den Impfstoff stets gebrauchsfertig 
zu Händen hat, also eine besondere Zubereitung 
vor der Impfung nicht erforderlich ist und er 
sich außerdem unbegrenzt lange hält, so daß 
man ihn immer vorrätig halten kann; 

3. teure und schwer zu reinigende Impf¬ 
spritzen und Kanülen nicht nötig sind, und 

4. die Immunität von viel längerer Dauer ist. 

Über die Wirkung des „Blacklegine“ sagt 

Thomas: 

„Der in das Unterhautgewebe eingefiihrte Faden wird zum 
Mittelpunkt (centre) einer Kultur, deren Weiterentwicklung 
erst aufhört, wenn der Faden wieder ansgestoßen wird (per- 
manence de fil). Durch den Faden von der Einwirkung der 
Leukocythen geschützt, entwickelt sich das Virus immer weiter 
und es findet (durch örtliche Gewebsalteration) eine ständige 
Steigerung der Virulenz statt. Nach 350 Tagen tötet das der 
Impfstelle entnommene Virus ein ausgewachsenes Meerschweinchen. 
Dies ist durch zahlreiche Versuche sowohl als durch die 
praktischen Erfahrungen erwiesen und es haben folgende Sätze 
ihre volle Berechtigung: 

1. Die Immunität nimmt im Laufe der Zeit nicht nur nicht 
ab, sondern im Gegenteil’fortschreitend zu. 



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19. März 1908. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


195 


2. Ein Tier, in dessen Körper sich ein Virus entwickelt, 
dessen pathogene Kraft anhaltend zunimmt und das diesen 
großen Virusmengen unbeschadet seiner Gesundheit Widerstand 
leistet, muß sich in noch viel höherem Grade widerstandsfähig 
zeigen gegen eine Spontaninfektion, wobei doch bloß unendlich 
kleine Mengen des Virus in den Körper eindringen.“ 

Der Impfstoff wirkt nach etwa einer W T oche. Fäden und 
Impfnadel können vom Laboratorium Pasteur in Stuttgart 
bezogen werden. 

Gepresste „Patent - Rinnen - Hufeisen“ der Firma 
Landeker u. Albert, Nürnberg. D. R. P. 108141. 

Von 

C. Angerstein-Grevesmühlen i. Meckl., 

prakt Tierarzt 

Durch ein Inserat aufmerksam gemacht, ersuchte ich die 
Firma Landeker u. Albert-Ntimberg, Fabrik technischer Artikel, 
Preß-, Stanz- und Zieh - Fabrikate, mir zu Versuchszwecken 
zwei Garnituren ihrer gepreßten Patent-Rinnen-Hufeisen zu 
überlassen. 

Die Firma stellte mir nicht nur bereitwilligst diese zwei 
Garnituren, sondern auch noch mehrere Modelle zur Verfügung. 

Die Modelle zeigen, daß diese Eisen sich vom Schmied 
ebenso wie gewöhnliche, massive Hufeisen in allen Variationen 
bearbeiten lassen. Das Patentrinneneisen läßt sich wie ein 
massives Eisen aufstollen, wenn keine Schranbstollen verwendet 
werden sollen, anderenfalls werden sie auf Wunsch mit Loch 
für Schraubstollengewinde von der Fabrik geliefert. Es lassen 
sich an jeder Stelle Seitenaufzüge anbringen; es können Streich-, 
Einhau- und Puffereisen daraus hergestellt werden. Besonders 
in die Augen fällt die Ebenheit und die gerade Richtung des 
Tragrandes, sowie die vorzügliche Abdrehung; Löcher und Loch¬ 
stellung sind nach den Angaben der Deutschen Militär-Veterinär¬ 
ordnung gehalten. Das Eisen kann bei normalen Hufen sofort 
aufgeschlagen werden, anderenfalles läßt es sich, wie schon 
oben bemerkt, nach jeder Form des Hufes richten. 

Zur Verstärkung des Zehenteils wird das Eisen auf Wunsch 
mit einem versenkt liegenden Griff geliefert. Die Eisen können 
mit oder ohne Taneinlage getragen werden, sind somit für alle 
Arten Straßen brauchbar. Trotzdem sie leichter sind als 
massive Hufeisen derselben Grösse, sind sie infolge des ver¬ 
wendeten Materials, Stahl oder Feinkorneisen, sehr dauerhaft 
und widerstandsfähig. 

Die mir zur Verfügung gestellten zwei Garnituren ließ 
ich meinen Pferden zur praktischen Erprobung aufschlagen. Es 
waren dies Eisen Modell B mit Taueinlage, die Hintereisen mit 
durch versenktliegendem Griff verstärktem Zehenteil. Jedoch 
wurden alle 8 Eisen ohne Taueinlage und ohne diesen Griff in 
Benutzung genommen, um ein richtiges Urteil über ihre Halt¬ 
barkeit zu erhalten. 

Je nach der Größe der Eisen, Vordereisen No. 2 und 3, 
Hintereisen No. 3 und 4, variierte das Gewicht derselben zwischen 
385—540 g, die Höhe derselben zwischen 13 und 15 mm. Beide 
Pferde, leichte Jucker, werden nur zu Praxistouren vor leichtem 
zweispännigen Wagen benutzt. Die Gangart ist stets Trab. 
Auf 1 km Chaussee zählte ich im Durchschnitt etwa 800 Trab¬ 
schritte. Die Beschaffenheit der Wege ist sehr verschieden; 
wenig Steindamm, meist aus unbehauenen, selten aus behauenen 


Kopfsteinen bestehend; Chaussee und Landwege, tlieils von 
sandiger, teils von lehmiger Beschaffenheit. 

Ich ließ alle 8 Eisen als Streicheisen herrichten, die 
Hintereisen des einen Pferdes wurden als Einhaueisen an der 
Zehe schräg von vorn oben nach hinten und unten zusammen- 
gedrtickt und mit je 2 Seitenanfzügen versehen, während die 
Enden der Schenkel der Vordereisen von hinten oben nach vorn 
unten abgeschrägt und abgerundet wurden. 

Die Bearbeitung erforderte wenig Hitze und wenig Zeit. 
Zum Aufschlagen der Eisen ist ein Pinnhammer mit auf dem 
Querschnitt rundem Vorderteil nötig, um genügend tief in die 
Rinnen hineingelangen zu können. Der von der Fabrik zu be¬ 
ziehende Hammer enthält auch eine sehr praktische Vorrichtung 
zum Ausziehen der Nägel. 

Die einzelnen Eisen haben nun folgende Wegestrecken 
durchlaufen: 

Pferd I. 


Gewicht Steindamra Land- 


d. 

Eisens: u. 

Chaussee 

weg 




gr 

km 

km 

Sa. kra 


v. 1. 

430 

700 

450 

1150 Eisen verbraucht 

v. r. 

385 

670 

415 

1085 „ 

noch gebrauchsfähig 

h. r. 

485 

400 

270 

670 „ 

1 verbraucht 

h. 1. 

495 

515 

305 

820 „ 

1 




Pferd II. 


v. 1. 

435 | 



yy 

noch gebrauchsfähig 

v. r. 

h. r. 

460 | 

540 i 

620 

410 

1030 „ 

yy yy 

| 

h. 1. 

505 | 



yy 

J verbraucht 


Hierbei ist zu bemerken, daß das rechte Vordereisen von 
Pferd I beim Abreißen noch in einem derartigen Zustand war, 
dass es mindestens noch 100 km ausgehalten hätte, ebenso 
hätten beide Vordereisen von Pferd n noch mindestens 250 km 
überwunden. Witterungsverhältnisse zwangen mich, den Ver¬ 
such abznbrechen; Eintritt von Frostwetter ließ das Auf¬ 
schlagen von Schraubstolleneisen wünschenswerth erscheinen. 

Ich bin in der Lage, diesen Zahlen andere gegenüber¬ 
zustellen: massive Hufeisen mit Stahl griff haben bei 7 Beschlag¬ 
perioden nachweislich im Durchschnitt 740 km ausgehalten und 
waren dann vollständig verbraucht. Werden die Patent¬ 
rinneneisen mit versenktliegendem Griff versehen, so traue ich 
ihnen eine Gebrauchsfähigkeit über die doppelte Wegestrecke 
auf Grund obiger Resultate zu. Ferner dürfte eine noch längere 
Haltbarkeit dieser Eisen durch Einnageln der Taueinlage zu 
erzielen sein. 

Während der Gebrauchszeit saßen die Eisen gut und haben 
sich nicht gelockert. Erst als die Eisen bis zur massiven 
Tragefläche abgenutzt waren und nun die Nägelköpfe ebenfalls 
angegriffen wurden, vernotwendigte es sich, die Eisen von 
Neuem befestigen zu lassen. Im Vergleich zum massiven Huf¬ 
eisen tritt diese Notwendigkeit aber erst zu einem Zeitpunkte 
ein, wo das Letztere schon ziemlich verbraucht ist. 

Die Taueinlage ist, abgesehen vom Gebrauch auf glattem 
Pflaster, für Pferde mit blödem Gang sehr zu empfehlen, denn 
wenn auch die in das leere Rinnenhufeisen sich beim Gebrauch 
hineingetretenen und haftenbleibenden Bodenteile, Erde, Dungetc., 
schon bedeutend gegen Prellungen schützen, so wird dieser 
Schutz durch die elastische Taueinlage jedenfalls noch bedeutend 
erhöht. Ich habe inzwischen Gelegenheit gehabt, ein auf beiden 
Vorderhufen flachhufiges Pferd mit dem Patentrinneneisen mit 
Taueinlage beschlagen zu lassen und kann bekunden, daß das 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 12. 


196 


Tier seitdem tadellos geht. Niemals habe ich ein Einkeilen 
von Steinen in die Rinne des leeren Eisens beobachtet, obgleich 
ich bei jeder sich bietenden Gelegenheit frisch aufgeschiittete 
Chansseestellen raitnahm 

Auf Grund meiner Beobachtungen kann ich die gepreßten 
Patentrinnenhufeisen als einen leichten, dabei dauerhaften und 
widerstandsfähigen eleganten Beschlag empfehlen. 

Universalfleischbeschaustempel für Tierärzte. 

Von 

Dr. Garth-Darmstadt. 

Die versprochene, nähere Mitteilung über den Universal¬ 
fleischbeschaustempel hat sich unlieb verzögert. Die Firma 
H. Hauptner, Berlin hat nunmehr die Anfertigung und den 
Vertrieb übernommen. Es kostet der gebrauchsfertige Stempel 


verursacht. Mit einem Griff werden Kreis und Viereck zurück¬ 
geschoben, die vorstehende Bezirksplatte abgehoben, das Dreieck 
und die Bezirksplatte wieder aufgesetzt und der Stempel ist ge¬ 
brauchsfertig für untaugliches Fleisch. In gleicher Weise wird bei 
der Stempelung von Pferde- und Hundefleisch verfahren, nur wird 
hier das Dreieck durch ein Rechteck ersetzt, in welches die 
Type Pferd oder Hund eingelegt wird. Wenn die Herren 
Kollegen den Stempel benutzen wollen, so bitte ich, zunächst 
die von Hauptner beigegebene Gebrauchsanweisung zu lesen. 
Ohne Kenntnis derselben wird es, trotz einfachster Handhabung 
des Apparates, nicht sofort gelingen, die gewünschte Kom¬ 
bination herzustellen. Es ist dies kein Nachteil und dürfte viel¬ 
mehr als ein Schutz gegen unbefugte Verwendung anzusehen 
sein. Ich bemerke noch, dass die Type „Hund“ nur auf beson¬ 
deres Verlangen mitgegeben wird, dass die sog. Bezirksplatte 



durch eine solche mit dem Namen des Tierarztes 
ersetzt werden kann und schliesslich, dass auch 
die Type „Vorläufig beanstandet“ auf Ansuchen ge¬ 
liefert wird. 

Es kann wohl empfohlen werden, den Stempel 
vernickeln zu lassen; abgesehen von der erhöhten 
Eleganz, bietet der Überzug auch Schutz vor Oxy¬ 
dation und Verunreinigung. Die beigegebene Ab¬ 
bildung zeigt den Stempel von der Seite und von der 
Stempelfläche in der Normalstellung gesehen, sowie 
das Dreieck und das Viereck mit den Typen Hund 
und Pferd. 


einschließlich Gravierung in einfachem Blechetui 25 Mark. Ich 
habe bereits früher mitgeteilt, dass dieser eine Stempel die 
Vornahme aller gesetzlich vorgeschriebenen Stempelungen 
ermöglicht. Es erübrigte heute nur zu erklären, in welcher 
Weise dies geschieht. 

Man denke sich drei ineinandergeschobene und verschiebbar 
gehaltene Metallröhrchen. Jedes derselben trägt an einer Stirn¬ 
seite eine Metallform; das innere, längste eine Platte, auf 
welche Namen oder Zeichen des Schaubezirks eingraviert werden 
— nebenbei bemerkt die einzig nötige Gravierung. — 

Die mittlere Röhre besitzt ein Endstück in Form einer 
nach unten offenen Dose. 

Würde man die Bezirksplatte mit dem mittleren Endstücke 
zum Abdruck bringen, so hätten wir den Stempel für „tauglich“ 
vor uns. 

Die äussere Röhre trägt nun ein Viereck; kommt dieses 
gleichzeitig mit zum Abdruck, so haben wir die Stempelform 
für im Nahrungs- und Genusswert herabgesetztes Fleisch. 

Zieht man jetzt die mittlere Röhre zurück, so verschwindet 
im Abdruck der Ring und wir erhalten das Zeichen für bedingt 
taugliches Fleisch — von einem Viereck umgebenes Zeichen 
des Schaubezirks. — Die Röhrchen sind natürlich beweglich 
verbunden und zwar derart, daß sie die ihnen gegebene 
Stellung auch beibehalten und eine einwandfreie Stempelung 
ermöglichen. 

Die Umstellung nimmt nicht mehr Zeit in Anspruch, als 
man unter anderen Umständen bedarf, um den richtigen Stempel 
au8zusuchen. Mit einem bezw. zwei Griffen lassen sich die 
erwähnten drei Stempelformen herstellen. 

Bei der Konstruktion hat die Unterbringung der Formen 
für untaugliches nur Pferde- bezw. Hundefleisch die meiste Mühe 


Fleischbeschaustempel „Muto“ 

mit auswechselbarem Griff. 

Von KQhnau. 

Das Reichsfleischbeschaugesetz bestimmt, dass das unter¬ 
suchte Fleisch zu kennzeichnen ist. Die Kennzeichnung ist im 
§ 43 der Bundesratsbestimmungen genau vorgeschrieben. Um 
die zutreffende Kennzeichnung anzubringen, werden sechs 
Stempelformen benötigt. 



1. Schaustempel für taugliches Fleisch, 

2. Schaustempel für taugliches Fleisch, welches im Nahrungs- 
Genußwert erheblich herabgesetzt ist, 


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19. März 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


197 


3. Schaustempel für bedingt tangliches Fleisch, 

4. Schaustempel für untaugliches Fleisch, 

5. Zusatzstempel für Pferdefleisch und 

6. Zusatzstempel für Hundefleisch. 

Für die gewöhnliche Fleischbeschau sind vier Stempel 
erforderlich. Werden diese Stempel in gewöhnlicher Weise 
hergestellt, so wird das Mitführen derselben für den Fleisch¬ 
beschauer sehr lästig sein. 

Um nun die vorschriftsmässigen Stempeln handlicher 
Form stets zur Stelle zu haben, hat Hauptner auf meinen Rat 
die Stempel so konstruiert, dass der Griff für alle sechs Stempel 
nur in einem Exemplare mitgenommen zu werden braucht. Der 
Griff wird durch einfachen Druck mit dem Stempel fest ver¬ 
bunden und kann die Stempelung ausserordentlich bequem aus¬ 
geführt werden. Ist die Kennzeichnung des Fleisches mit einem 
anderen Stempel erforderlich, so wird der Griff durch Druck 
auf den in der Abbildung sichtbaren Knopf vom Stempel gelöst 
und der andere Stempel eingeschaltet. 

Die Stempel ruhen mit der Stempelfläche direkt auf dem 
Farbekissen in passenden Vertiefungen und sind sofort zum 
stempeln bereit. 

Im Kölner Schlachthof ist längere Zeit mit diesen Stempeln 
gearbeitet worden und haben sich dieselben tadellos bewährt. 

Zur Aufbewahrung der Stempel ist nur ein flacher Kasten 
erforderlich, der bequem in die Rocktasche gesteckt werden 
kann und wenig aufträgt. Besonders wird dies bei Ausübung 
der ambulanten Fleischbeschau wohltätig empfunden werden. 

Der Stempel „Muto“ ist durch D. R. Gebrauchsmuster der 
Firma Hauptner-Berlin geschützt. Der Preis beträgt für 1 Griff 
mit 4 vorschriftsmäßigen Fleischfarbestempeln (in Blechkasten) 
25 M., mit 6 Stempeln 32 M. 


Einige Bemerkungen über Fohlenlähme. 

Von 

Zwicker-Prachatitz, 

Tierarzt. 

Unter dem Namen „Fohlenlähme“ erscheinen alle jene 
Fohlenkrankheiten inbegriffen, bei denen auffallende Funktions¬ 
störungen der Extremitäten ein wesentliches Symptom bilden. 
Es ist selbstverständlich, daß eine ganze Reihe von Krank¬ 
heiten von dem Symptome der Lähme begleitet sein kann, und 
dieser Umstand ist vorzüglich daran Schuld, daß Fohlenlähme 
seit jeher eine so vielfache und verschiedenartige Beurteilung 
erfahren hat. Es geht daher nicht mehr an, für die Fohlen¬ 
lähme, die also nur ein Kollektivausdruck für verschiedene Krank¬ 
heiten ist, eine einzige Ursachezu suchen, sondern es ist viel¬ 
mehr notwendig, die einzelnen ursächlichen Momente der unter 
dem Namen Fohlenlähme vereinigten Krankheiten näher zu be¬ 
stimmen, um ihre Bekämpfung wenigstens einigermaaßen zu er¬ 
möglichen. Wenn man zunächst absieht von allen jenen Fällen, 
wo entweder durch allgemeine Schwäche oder wegen mechanischer 
Ursachen oder auch durch Schwäche infolge verschiedener 
innerer Krankheiten bei den Fohlen die Funktion der Extremitäten 
ganz aufgehoben oder gestört ist, so verbleiben zwei Haupt¬ 
krankheiten, welche das Wesen der Fohlenlähme ausmachen. Die 
eine Form wird nach der Geburt erworben und ist jene bekannte 
infektiöse Nabelvenenentzündung mit nachfolgender pyämischer 
Entzündung der Gelenke und eiterigen Metastasen in den Körper¬ 
organen und überhaupt allen Merkmalen der Pyämie. Die zweite 


Form, die eigentliche Fohlenlähme, welche sich durch eine sehr 
schmerzhafte Entzündung der Gelenke, Sehnen und Sehnen¬ 
scheiden mit wanderndem Charakter und daran anschließender 
Entzündung der serösen Häute der inneren Organe, als Lunge, 
Brustfell usw. charakterisiert, ist angeboren, und die Ursachen 
derselben liegen bereits im Mutterleibe. Es ist nicht möglich, 
für diese beiden Krankheitsformen eine gemeinsame Ursache zu 
finden und noch weniger möglich, dieselben zu identifizieren, da 
zwischen beiden wesentliche Unterschiede bestehen. Die an¬ 
geborene Fohlenlähme tritt unter Verhältnissen auf, wo meist 
eine Infektion des Nabels ausgeschlossen werden kann. Ihre Er¬ 
scheinungen zeigen sich häufig so bald nach der Geburt, daß 
der Praktiker als bestimmt annehmen muß, daß die Krankheit 
schon bei der Geburt vorhanden ist. Die Infektionstheorie läßt 
sich bei dieser Krankheit kaum, wenigstens nicht leicht in An¬ 
wendung bringen und man muß sich, wenn es auch scheinbar 
einen Rückschritt bedeutet, jener älteren Anschauung hinneigen, 
nach welcher die eigentliche Fohlenlähme ein konstitutionelles 
Allgemeinleiden darstellt, bei welchem eine krankhafte Be¬ 
schaffenheit der Körpersäfte und insbesondere des Blutes der 
jungen Tiere ein Hauptsymptom bildet. Die übrigen Krankheits¬ 
erscheinungen, insbesondere die Erkrankung der Gelenke, Sehnen 
usw. sind Folgezustände dieser ersten Ursache. Man muß 
annehmen, daß diese Fohlenlähme ein dem Pferdegeschlechte 
eigentümliches Leiden darstellt, dessen Ursache mit den Er¬ 
nährungsverhältnissen, ferner mit der Haltung der Pferde und 
den physiologischen Verhältnissen, insbesondere der langen 
Trächtigkeitsdauer, in innigem Zusammenhänge steht. Alle 
jene Ursachen, mögen es nun äußere sein (als unzweck¬ 
mäßige Fütterung, schlechte Stallluft, Überanstrengung, 
Mangel an Bewegung) oder auch innere, als Krankheiten 
verschiedener Art, durch welche die normale Ernährung 
des Embryos gestört wird, sind als prädisponierend für das 
spätere Auftreten der Fohlenlähme zu betrachten. Daß auch 
die Individualität der Muttertiere hierbei eine ziemlich bedeutende 
Rolle spielt, geht daraus hervor, daß manche Stute überhaupt 
nur kranke, mit Lähme behaftete Fohlen zur Welt bringt. 
Außerdem kommen gewiß auch pathologische Zustände der 
Geburtsorgane der Mutterstuten in Betracht. Wenn man das 
bisher Erwähnte kurz zusammenfaßt, so ist die Fohlenlähme 
die Folge einer krankhaften Ernährung des Embryos, welche 
durch verschiedene äußere und innere Ursachen, die während 
der langen Trächtigkeitsdauer einwirken, hervorgerufen wird. 
Selbstverständlich wird eine radikale Bekämpfung dieser gefähr¬ 
lichen Krankheit erst dann möglich werden, wenn alle oder 
wenigstens ein großer Teil dieser schädlichen Einflüsse 
bekannt sein werden, wodurch gleichzeitig die Möglichkeit 
geboten sein wird, dieselben direkt hintanhalten zu können. 
Ist die Krankheit einmal vorhanden, so ist für ihre Beurteilung 
und eventuelle Behandlung der Grad derselben maßgebend. 
Bei hochgradig erkrankten Fohlen, bei denen mehrere Gelenke, 
insbesondere mehrere Extremitäten ergriffen sind, ist die Be¬ 
handlung in der Regel aussichtslos und nicht empfehlenswert. 
Bei geringerem Grade ist die sofortige Vornahme eines Ader¬ 
lasses angezeigt und zwar wird je nach der Stärke des Fohlens 
0,3 Liter bis 0,5 Liter Blut entzogen. Nach einigen Tagen ist 
der Aderlaß zu wiederholen. Die erkrankten Gelenke werden 
mit einer Mischung von konzentrierter Schwefelsäure und rekti¬ 
fiziertem Spiritus (1:6) zweimal täglich mit einem Lappen 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 12. 


eingerieben (Träger). Andere eventuell auftretende Symptome 
müssen mit den entsprechenden Mitteln bekämpft werden. Bei 
dieser Art der Behandlung wurden in vielen Fällen, allerdings 
leichterer Natur, Heilungen erzielt. Nicht unerwähnt möchte 
ich lassen, daß ich auch die Vornahme eines mäßigen Ader¬ 
lasses bei der Mutterstute 8—10 Wochen vor dem Abfohlen 
und die Verabreichung von Abführmitteln (Bittersalz) an dieselbe 
als unschädliches Präservativ gegen die Lähme der Fohlen für 
empfehlenswert halte. 

Tannoform bei der Behandlung von Strahlkrebs. 

Von 

Carl Kothe-Zehdenick (Mark), 

Tierarzt 

Die B. T. W. hat schon verschiedentlich über Tannoform 
und seine Vorzüge berichtet. Ich habe dasselbe bei den ver¬ 
schiedensten Fällen angewendet und kann mich ebenfalls nur 
lobend und empfehlenswert über dasselbe aussprechen. Be¬ 
sonders aber habe ich einen vorzüglichen Erfolg bei der Be¬ 
handlung von Strahlkrebs zu verzeichnen gehabt und ich möchte 
denselben den praktizierenden Kollegen nicht vorenthalten. 

Im Frühjahr dieses Jahres bekam ich ein Pferd, das am rechten 
Vorderhnf mit Strahlkrebs behaftet war, zur Behandlung. Das¬ 
selbe war dieses Leidens wegen von der Berliner Omnibus¬ 
gesellschaft verkauft worden. Die Erkrankung betraf die 
mediale Fläche des rechten Vorderhufes nebst Sohle, jedoch 
ohne Strahl. Ich habe zunächst die von Martens empfohlene 
Behandlung mit 5 pCt. Lösung von Kalium bichromicum ver¬ 
sucht, aber keinen Erfolg bemerkt. Dann nahm ich eine Be¬ 
handlung nach Ober-Rossarzt a. D. Zapel vor, die darin besteht, 
daß zunächst alle erkrankten Teile und das lose und tote Horn 
mit den dazu passenden Instrumenten entfernt werden, um dann 
die ganze Fläche mit Acid. nitric. fum. stark zu ätzen. Auf 
die Ätzung wird Plumb. nitric. gestreut und Druckverband an¬ 
gelegt. Den Druckverband stellte ich mir so her, indem ich 
um den vorher angelegten Verband 2 ca. 2 m lange Riemen, 
die zum Nähen von Maschinentreibriemen benutzt werden, fest 
und unter starkem Anziehen herumlegte. Bei dem Entfernen 
der Wucherungen mit dem Messer bezw. scharfen Löffel ent¬ 
stehen starke Blutungen, die ich dadurch stillte, daß ich Jute¬ 
tampons in heißes Lysolwasser tauchte und auf die Wundfläche 
legte. Einige Bindentouren hielten die Tampons fest. Nach 
einer halben Stunde stand die Blutung vollständig bei vorsichtig 
abgenommenem Verband. Dieser Druckverband wurde nach 
4 Tagen wieder abgenommen und die Ätzschorfe entfernt. 
Diese Prozedur ist sehr schmerzhaft und das Tier weigerte 
sich sehr, still zu halten. Die so entstandene Wundfläche wurde 
mit Sublimatwasser 1 °/oo gereinigt, abgetrocknet und mit Tanno¬ 
form dick bestreut. Ein Druckverband beschriebener Art ver¬ 
schloß die Wundfläche wieder auf 8 Tage. Ich war bei 
Abnahme dieses Verbandes erstaunt über die entstandene Ver¬ 
hornung. Innerhalb 4 Wochen war fast der ganze erkrankte 
Teil mit dünner Hornschicht bedeckt, die von Woche zu Woche 
an Stärke zunahm. Nach ungefähr einem Vierteljahr war das 
Tier wieder voll arbeitsfähig. 

Ich glaube, daß wir in dem Tannoform bei der Behandlung 
dieses langwierigen Leidens ein gutes Mittel in die Hand be¬ 
kommen haben, das jeder Praktiker nicht versäumen sollte, an¬ 
zuwenden. 


Referate. 

Embryonale Blntbildnng. 

Beitrag zur Lehre von der Blutentwioklung des embryonalen 
Rindes und Schafes von Dr. Jost, städt. Tierarzt, Berlin. 
In.-Dies. Basel 1903: Das Resultat seiner hochinteressanten 
und mit emsigem Fleiß verfaßten Arbeit stellt J. wie folgt zu¬ 
sammen. 1. Die Blutkörperchen im Herzblut der jüngsten mir 
zu Gebote stehenden 0,4 cm langen Rinder- und Schafembryonen 
sind sämtlich hämoglobin- und kernhaltig. 2. Auch im gleich¬ 
altrigen Leberblut finden sich bei beiden Untersuchungstieren 
hauptsächlich dieselben Zellformen. 3. Die ersten Leukocyten 
treten im Herzblut später auf, als die kernhaltigen Roten und 
zwar etwa bei einer Embryogröße von 3 cm. 4. Von Blut¬ 
bildungsorganen existiert bis zu einer Embryogröße von ca. 6 cm 
weder Milz noch Knochenmark, sondern nur die Leber. 5. Bei 
einer Embryogrösse von 10—20 cm tritt das Knochenmark — 
neben der weniger wichtigen Milz — als hauptsächlichstes 
Blutbilduugsorgau auf. 6. Nach Eintritt des Knochenmarkes in 
die Reihe der Blutbildungsorgane geht die Bedeutung der Leber 
als solches zurück. Die Milz enthält hauptsächlich den 
Leukocyten ähnliche Zellen. Allein im Knochenmark finden sich 
diejenigen kernhaltigen Roten, aus denen durch Kernverlust die 
normalen kernlosen Roten entstehen. 7. Die embryonale Blut¬ 
entwickelung des Rindes und Schafes ist zum grossen Teil bei 
beiden Tieren eine ähnliche, doch läuft die Entwickelung beim 
Schaf entsprechend der früheren Reifung desselben im allgemeinen 
schneller ab, als beim Rinde, was besonders in den ersten Wochen 
zu erkennen ist. (Archiv f. mikr. Anat. Bd. 61). Jeß. 

Tagesgeschichte. 

t 

Am 10. März d. J. verschied im Krankenhause zu Wiesbaden 
der Königliche Kreistierarzt Erich Bollfraß von hier. 

Nach seiner im Jahre 1889 erfolgten Approbation trat 
Bollfraß in die Dienste der Stadt Hamburg. Im Jahre 1895 
siedelte er von da nach Köln über und übernahm die Ver¬ 
waltung der damals neuerrichteten zweiten Kreistierarztstelle 
für den Stadtkreis Köln. Schon kurze Zeit nach dem Eintritt 
in den preußischen Staatsdienst machten sich bei ihm Er¬ 
scheinungen der tuberkulösen Erkrankung bemerkbar, die ihm 
nunmehr ein so frühes Grab bereitet hat Sein Krankheits- 
zustand ließ bald bei Bollfraß die rechte Freude am Leben 
nicht mehr aufkommen; sie war aber bis in die letzte Zeit nicht 
im stände, ihn an der treuen und gewissenhaften Erfüllung 
seiner Amtspflichten zu hindern. 

In dem Verstorbenen haben die Kölner Tierärzte einen 
stets hilfsbereiten Kollegen, der Verein rheinpreußischer Tier¬ 
ärzte ein eifriges Mitglied und der tierärztliche Stand einen 
ehrenhaften Vertreter verloren. 

Er ruhe in Frieden! Lothes. 

An den Redakteur der Deutschen Tierärztlichen Wochenschrift, 
Herrn Professor Dr. Malkmus, Hannover. 

Sie schreiben am Eingang eines Artikels über die Milzbrand¬ 
diagnose folgendes: 

In No. 8 der B. T. W. hat Prof. Schmaltz die Nachprüfung der 
Milzbranddiagnosen einer eingehenden Besprechung unterzogen, die 
unter den beamteten Tierärzten einen lebhaften Widerspruch hervor¬ 
gerufen hat. Wie ich aus der Erwiderung des Kreistierarztes Krüger 


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19. März 1903. 


in der folgeudeu Nummer, sowie aus den mir zugegangenen Zuschriften 
ersehe, ist Schmaltz vielfach missverstanden worden, wozu er aber 
selbst einen gewissen Anlass gegeben hat. Schmaltz sagte in seinem 
ersten Artikel: „Meiner Ansicht nach handelt es sich nicht mehr darum, 
eine Massregel herbeizuführen oder zu verhindern, sondern es ist bereits 
mit einer Tatsache zu rechnen.“ Unter der „Annahme“ der Richtig¬ 
keit dieser Ansicht schrieb er den Artikel. Mau hat nicht mit Unrecht 
daraus entnommen, Schmaltz rede de lege ferenda, in Wahrheit aber 
sprach er de lege lata. Als Schmaltz seinen ersten Artikel schrieb, 
wusste er bereits, dass die Frage der Nachprüfung prinzipiell ent¬ 
schieden sei, wenigstens hat er von dieser Annahme aus den ersten 
Artikel geschrieben. Hütte Schmaltz nicht von einer „Ansicht“ und 
von einer „Annahme“ gesprochen, so wäre ihm manches harte Wort 
erspart geblieben. 

Der Schmaltzsche Artikel ist inspiriert, lediglich zu dem 
Zwecke geschrieben, einer kommenden Verfügung eine wohlwollende 
Aufnahme vorzubereiten. Schmaltz hat sich lediglich dazu herge¬ 
geben, die Nachprüfung zu verteidigen, er konnte das um so leichter, 
als er — wie er in seinem zweiten Artikel selbst zugibt — für die 
Beurteilung der technischen Seite der Frage nicht kompetent ist, 
also gerade in dem wichtigsten Punkte. Das allein genügt, um 
die Schmaltz sehen Ausführungen zu entschuldigen. Die Verteidigung 
ist so geschickt geschrieben, wie das bei einer so schwer zu ver¬ 
teidigenden Sache nur denkbar ist. Hätte aber Schmaltz jemals in 
der kreistierärztlichen Praxis gestanden, dann würde er sich kaum zu 
dieser Verteidigung bereitgefunden haben. 

Schmaltz sagt nunmehr, „die Frage ist prinzipiell entschieden, 
die Opposition hat also keinen Zweck mehr. Wenn unter diesen Um¬ 
ständen herbe Worte fallen, so können dieselben nur noch die gewiss 
von niemand beabsichtigte und allen unerwünschte Wirkung haben, im 
Ministerium zu verstimmen, um es rund herauszusagen. Das wäre, 
zumal mit Rücksicht auf die derzeitigen Bestrebungen und Hoffnungen, 
sehr zu beklagen, und deshalb habe ich versucht, die Gründe darzu¬ 
legen, die meiner Ansicht nach die Massregel rechtfertigen, um eine 
derselben geneigtere Auffassung anzubahnen.“ Da entpuppt sich 
Schmaltz als Regierungsvertreter! und welche Metamorphose ist zu¬ 
gleich mit Schmaltz eingetreten! Ein Schmaltz empfiehlt mit 
einer gegenteiligen Meinungsäusserung zurückzuhalten, weil mau Schaden 
daraus befürchten müsse. Solche Grundsätze sind von den Tierärzten 
bisher niemals vertreten worden, auch nicht von Schmaltz. Warum 
jetzt auf einmal? 

Durch die weiteren sachlichen Ausführungen Ihres Artikels 
zeigen Sie selbst, daß die besprochene Frage, auch unter einer 
selbstverständlich berechtigten sachlichen Bezugnahme auf meinen 
Artikel, sich vortrefflich sachlich diskutieren läßt, ohne an 
meiner Person Kritik zu üben. 

Wenn Sie gleichwohl Betrachtungen über meine Person in 
den Vordergrund stellen, so zeigt mir das, daß es Ihnen nicht 
allein um die Sache zu tun ist, sondern um einen Angriff auf 
mich, der dadurch nicht verhüllt oder abgeschwächt wird, daß 
Sie mich zu „entschuldigen“ unternehmen. Sie haben mich in 
letzter Zeit wiederholt angegriffen und haben mir so unverhohlen 
Ihre Feindschaft öffentlich gezeigt, daß ich, wenn Sie noch 
weitere Fortsetzung belieben, dazu nicht länger schweigen kann. 

Gestatten Sie mir zunächst, auf den Inhalt des obigen 
Zitates einzugehen. 

Ich muß vorweg bemerken, daß ich es für keine Schande 
halte, auch eine Regierungsmaßregel zu „vertreten“. Ich habe 
das auch des öfteren getan. Wenn Sie das auffällig finden, so 
hätte man es mit demselben Recht auffällig finden können, daß 
„ein Malkmus“ öffentlich den Lobredner seines nächsten Vor¬ 
gesetzten macht, und daß ein Hochschul-Professor die Kon¬ 
servierung des Direktorates empfiehlt, wie Sie das getan haben. 
Auch das war von den Tierärzten bisher noch niemals vertreten 
worden. Hat Ihnen jemand darüber Vorhaltung gemacht? Nein; 
sogar eine sachliche Kritik dieser gewiß viele überraschenden 
Stellungnahme ist unterlassen worden. 

Wenn ich also auch gegen den „Regierungsvertreter“ nichts 
habe, so muß ich doch aber die Behauptung zurückweisen, daß 
der von Ihnen kritisierte Artikel aus No. 8 der B. T. W. 
„inspiriert“ gewesen sei, und daß ich mich zur Verteidigung 
„hergegeben habe“, d. h. also darum ersucht worden sei. Ich wider- 


199 

spreche nicht deshalb, weil ich den Verdacht einer „Inspiration“ 
nicht leiden möchte, sondern weil ich durch Stillschweigen den 
Verdacht erwecken würde, als ob ich mit Beziehungen 
renommieren wollte, derer ich durchaus nicht teilhaftig bin. 
Vermutlich ist es der betreffenden Behörde ungeheuer gleich¬ 
gültig gewesen, ob ihre Maßregel vertreten wurde oder nicht. 
Jedenfalls habe ich den Artikel in No. 8 ohne irgend jemandes 
Kenntnis geschrieben, weshalb auch meine „Annahme“ gar nicht 
in allen Einzelheiten zutreffen dürfte. Es war mir überhaupt 
weniger um die „Vertretung der Regierungsmaßregel“ zu tun 
(obwohl ich diese nach den mir bekannten Umständen für un- 
abweislich halten muß), als vielmehr darum, die Kreistierärzte 
über die wirkliche Sachlage zu orientieren und zugleich die 
Opposition, die ja technisch manches für sich haben kann, zu 
begütigen, weil sie nach meiner Kenntnis nicht nützen, nur 
schaden konnte. 

Sie finden den Grundsatz, eine Opposition zu vermeiden, 
weil sie nicht nützen, nur schaden kann, neu. Meiner Ansicht 
nach ist er uralt und selbstverständlich. Wenn man sich bloß 
selber persönlich schadet, so ist das kein Grund, zu Bchweigen. 
Ich habe mir schon genug geschadet, namentlich durch Opposi¬ 
tion gegen tierärztliche Größen und deren Anhang, welche 
Opposition erfahrungsgemäß viel gefährlicher ist, als eine solche 
gegen die Regierung; denn letztere denkt objektiver. Im vor¬ 
liegenden Falle aber glaubte ich an die Möglichkeit einer 
Schädigung der Sache. Der Grundsatz, eine Opposition, die 
nicht nützen, aber sachlich schaden kann, fallen zu lassen, hat 
glücklicherweise im tierärztlichen Stande schon immer Anklang 
gefunden. Ich wenigstens habe ihm ohne jede Metamorphose 
stets Geltung zu verschaffen gesucht. Deshalb ist mir auch 
schon früher ganz dasselbe passiert, was mir heut von Ihnen 
geschieht: als „Regierungsmann“ angegriffen zu werden. 
So z. B. als kurz nach der Hochschulreform (1890) in un¬ 
geeignetem Moment und unter Angriffen auf das preußische 
Ministerium für das Abiturientenexamen agitiert werden sollte, 
habe ich auch widersprochen und wurde als „Offiziöser“ 
namentlich vom Vater Fricker befehdet. Es ist alles schon 
dagewesen. 

Indessen Ihre Angriffe, Herr Professor Malkmus, wachsen 
auf einem anderen Grund, wie die des alten Fricker. Als die 
Leitung der Deutschen Tierärztlichen Wochenschrift nach Han¬ 
nover verlegt wurde und in Ihre Hände kam, habe ich mir so¬ 
fort gesagt, daß die Konkurrenz der Blätter nicht zu persön¬ 
lichem Zwist führen dürfe, wenn nicht die unerquicklichsten 
Zustände entstehen sollten. Die Verhältnisse gestatten jetzt 
Ruhe an den Hochschulen, welche letztere lange entbehrt haben. 
Öffentliche Zänkereien zwischen den Professoren der beiden 
preußischen Hochschulen oder gar zwischen diesen selbst haben 
einen besonderen Beigeschmack. Vollends bei einem öffentlichen 
Zank zwischen uns, den Redakteuren zweier Konkurrenzzeitungen, 
würde ich das Gefühl nicht los, als stritten wir im Zirkus ledig¬ 
lich zum Gaudium des Publikums. 

Ich habe Sie daher schon vor Jahren gebeten, wir wollten 
öffentliche Reibereien vermeiden, da die Erde Raum für unserer 
beider Redaktionstalente habe. Ich habe das meinerseits bis 
aufs äußerste gehalten, trotzdem es mir in dem Falle des 
Münchener Sitzungsberichtes, für den Sie ja die Verantwortung 
übernommen haben, sehr schwer geworden ist, Ihnen nicht zu 
antworten. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 12. 


Ich bitte Sie daher nochmals, die Gründe zu würdigen, 
welche uns beiden gegenseitige Zurückhaltung auferlegen sollten, 
und fordere Sie auf, meine Person künftig aus Ihrem Spiel zu 
lassen, wie ich desgleichen tun werde. Können Sie Ihre Feind¬ 
schaft gegen mich nicht bezähmen, so gibt es andere Mittel, sie 
aaszutragen; wir brauchen nicht zu den Federn zu greifen, 
um in einem Zeitungskrieg dem Publikum ein Schauspiel zu 
geben, welches in seinem Verlauf nur unerfreulich oder komisch 
wirken kann. Schmaltz. 

Zorn künftigen Kreistierarztgesetz. 

Von Professor Dr. Schmaltz. 

Jeder, der die Entwicklung des tierärztlichen Standes in 
den letzten 20 Jahren überblickt, namentlich wenn er diese 
20 Jahre selbst mitgemacht hat oder gar noch die Erinnerung 
an frühere Zeit bewahrt, wird ein Gefühl der Befriedigung 
empfinden. Mag auch dem einzelnen noch Unbill und Wider¬ 
wärtigkeit genug widerfahren, mag auch für diese und jene 
Stellung noch viel zu wünschen übrig bleiben (wünschen soll 
man bis zum Grabe, sagte sehr richtig neulich Exz. v. Pod- 
bielski), — das Ganze hat sich doch geradezu ausserordentlich 
und auch gesund, d. h. gleichmäßig in allen Teilen, entwickelt. 

Das Abiturientenexamen ist der Abschluß des Strebens 
jener 20 Jahre und zugleich die Grundlage für die moderne 
Entwicklung des ganzen Standes; alle Teile haben davon gleichen 
Vorteil. Die Reform der alten Tierarzneischnlen, mit deren 
Herbeiführung der tierärztliche Stand sich die Sporen im Kampfe 
um die Standesentwicklung verdiente, ist im Prinzip festgelegt, 
wenn auch noch nicht vollkommen durchgeführt. Die Emanzi¬ 
pation der Departementstierärzte hat diesen sachlich im all¬ 
gemeinen die gebührende Stellung verschafft, hat sie auch 
finanziell immerhin gesichert, wenn auch in der Rang- und Titel¬ 
frage die notwendige Regelung erst bevorsteht. Die Sanitäts¬ 
tierärzte sind immer mehr in jene unabhängige feste Stellung 
hineingelangt, welche sie mit Recht von Anfang an erstrebt 
haben; das Kommunalgesetz hat im allgemeinen (vergl. Enquete 
B. T. W. 1901, pg. 297) eine erhebliche Besserung herbeigeführt. 
Die Reorganisation der Stellung der Kreistierärzte und der Militär¬ 
veterinäre steht unmittelbar bevor. 

Wenn die beiden letzteren Reformen in befriedigender Weise, 
wie wir hoffen, vollendet sein werden, dann sind alle Teile des 
tierärztlichen Standes, soweit sie sich in amtlichen Stellungen 
befinden, gleichmäßig und erheblich vorgeschritten. Diese 
beiden Reformen sind von gleicher Wichtigkeit, nicht bloß für 
die unmittelbar Beteiligten, sondern für den ganzen Stand. Denn 
in einem Militärstaat, wie Deutschland mit Stolz sich nennen 
kann, fällt die Stellung eines Standes in der Armee entscheidend 
ins Gewicht. Andrerseits beruht das Ansehen, das sich das 
Veterinärwesen errungen hat, unzweifelhaft auf der Entwicklung 
der Veterinärpolizei, und es ist daher die Stellung der Departe¬ 
ments- und Kreistierärzte von ausschlaggebender Bedeutung. 
Von letzteren möchte ich heute sprechen. 

Daß eine Reform der kreistierärztlichen Stellung be¬ 
schlossene Sache sei, war längst bekannt. Die Wünsche der 
Kreistierärzte sind daher schon früher formuliert worden. Die 
Zentralvertretung hat dieselben nach den Beschlüssen der letzten 
Plenarversammlung auf Grund des Bermbachschen Referates 
(vgl. B. T. W. 1901, pg. 100) dem Ministerium unterbreitet. Der 
V. b. T. hat in seiner vorletzten Plenarversammlung (B. T. W. 


1902, pg. 47), wenn ich nicht irre, dieselben Wünsche mit 
wenigen Abänderungen formuliert. 

Seither sind alle Verhältnisse in Fluß gekommen (in einen 
reißenden Fluß, könnte man fast sagen). Vieles steht bevor, 
vor allem die Ausdehnung der Veterinärpolizei; vieles ist neu 
erreicht, vor allem das Abiturientenexamen. Freilich bezüglich 
des letzteren muß ein Vorbehalt anerkannt werden. Wir haben 
ausdrücklich immer hervorgehoben, daß wir damit keine peku¬ 
niären Zwecke verfolgen. Ich glaube auch, dass das Finanz¬ 
ministerium seine schließliche Zustimmung davon abhängig ge¬ 
macht hat, daß für die nächste Zeit aus dem Abiturientenexamen 
keine finanziellen Konsequenzen abgeleitet werden. Mithin 
können wir uns bei Wünschen, welche Geld kosten, loyalerweise 
auf das Abiturientenexamen nicht berufen. Aber es gibt doch 
auch andere Wünsche, für welche die inzwischen zur voll¬ 
endeten Tatsache gewordene Einführung des Abiturientenexamens 
ausschlaggebend ist. 

Die beabsichtigte Reform hat ferner inzwischen soweit Gestalt 
gewonnen, daß ihre Grundlage auch für den Uneingeweihten 
erkennbar wird. Während man früher an eine stückweise und 
allmähliche Durchführung (Stellung, Gehalt, Funktionen, Rang, 
Gebühren, Pension, jedes für sich) glaubte, ist es jetzt wohl 
ziemlich sicher, daß alle Teile der Reorganisation zusammen 
erledigt werden auf der Grundlage eines Kreistierarzt-Gesetzes *) 
mit angehängtem Gebührengesetz. Daß ein Gesetz in Aussicht 
steht, hat ja Exzellenz v. Podbielski im Landtag am 30. Januar 
gesagt (vgl. B. T. W. No. 6, pag. 85, rechts, oben), ohne sich 
allerdings über dessen Umfang auszusprechen. 

Inzwischen sind nun auch die Gesetze, welche die Medizinal¬ 
reform begründen, vollständig bekannt geworden; zuletzt der 
Entwurf des Gebührengesetzes (vgl. B. T. W. No. 8, pg. 132 ff.). 
Zweifellos gestatten diese Gesetze schon Schlüsse auf den Inhalt 
unserer künftigen Gesetze, die in den Hauptprinzipien von jenen 
nicht abweichen werden. Die Medizinalgesetze geben uns daher 
schon eine Richtung für unsere Aussichten, die wir früher nicht 
hatten und von der aus wir unsere Wünsche nochmals sichten 
müssen. In dem, was ich angeführt habe, liegt zugleich die 
Begründung dafür, daß unsere Wünsche sehr wohl von früher 
geäußerten ab weichen können, weil die Situation jetzt eine 
andere, klarere, geworden ist. Eine Besprechung darüber ist 
jedenfalls zeitgemäß, da die Vorarbeiten zu einem Gesetz, das 
den nächsten Landtag beschäftigen soll, notwendigerweise im 
Sommersemester erledigt werden, soweit sie nicht etwa schon 
erledigt sind. Ich beabsichtige meinerseits natürlich nicht, hier 
das Thema einer solchen Besprechung zu erschöpfen. 

Zunächst kann man es nur rückhaltlos mit Freuden be¬ 
grüßen, wenn ein Kreistierarzt - Gesetz mit anschließenden 
Ergänzungsbestimmungen kommt, wodurch nicht bloß Pension 
und Reliktenversorgung, sondern die ganze Dienststellung des 
Kreistierarztes, sein Einkommen und sein Rang geregelt werden. 
Es wird dies einen großen Vorzug vor allmählicher stückweiser 
Einführung von Verbesserungen haben und einen ganz anderen 
Eindruck nach innen und nach außen machen. 

[In bezug auf dieses Gesetz habe ich eine sehr zutreffende 
Äußerung gehört, die einen interessanten Gegensatz zwischen 
Ärzten und Tierärzten beleuchtet. Die Ärzte, so wurde gesagt, 

*) In No. 11 ist eine sinnverwirrende Wortverstellung vor¬ 
gekommen, die ich hiermit berichtige. Auf pag. 185, linke Spalte, 
muss es in der zweiten Zeile „Kreistierarztgesetz“ und in der vierten 
Zeile statt dessen „Kreisarztgesetz“ heissen. 


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19. März 1908. 


haben erst die Form bekommen und nun gibt man dieser den 
Inhalt. Die Tierärzte haben schon 20 Jahre lang die Funktionen 
faktisch ausgeübt, ihre Stellung ist auf dem Boden der Tat¬ 
sachen von selbst allmählich emporgewachsen und die gesetz¬ 
liche Umrahmung ist hier nur die Konsequenz.] 

Die gesetzlichen Grundlagen für die Stellung 
der Kreisärzte sind folgende: Das Gesetz betr. die Dienst¬ 
stellung des Kreisarztes und die Bildung von Gesundheits¬ 
kommissionen vom 16. September 1899, welches (durch kgl. Ver¬ 
ordnung vom 4. März 1901) mit dem 1. April 1901 in Kraft getreten 
ist. Zu diesem Gesetz ist eine Dienstanweisung vom 23. März 1901 
ergangen, deren Kenntnisnahme auch den Kreistierärzten sehr 
zu empfehlen ist. Dazu kommt die Regulierung der Gehalts¬ 
sätze, diese einfach durch den Etat, und die der Rangverhältnisse 
durch Kabinetsordre vom 18. Juni 1901; endlich zum Schluß 
der oben erwähnte Gebührengesetzentwurf. Aus dem Inhalt 
diser Bestimmungen will ich nur das hervorheben, was auf den 
Inhalt unserer künftigen Reorganisation vielleicht Schlüsse 
zuläßt. 

Nach dem Gesetz ist die Besoldung des Kreis¬ 
arztes pensionsfähig. 

Wo besondere Verhältnisse es erfordern, können voll¬ 
besoldete Kreisärzte angestellt werden. Dieselben beziehen 
ein festes Diensteinkommen, Gehalt und Wohnnngsgeldzusclmß, 
unter Ausschluß von Gebühren und unter Verbot der Privat¬ 
praxis. Das Gehalt beträgt 3600—5700 M.; das Wohnungs¬ 
geld ist durch die (V.) Rangklasse bestimmt. 

Soweit Verrichtungen gebührenpflichtig sind, fließen die 
aufkommenden Gebühren in die Staatskasse. Nach dem Ge- 
bühren-Gesetz-Entwurf (vgl. B. T. W. pg. 133, links bei § 6) 
verbleibt jedoch den vollbesoldeten Kreisärzten ein Betrag, 
welcher dem bei Gebührenliquidation außer Ansatz gebliebenen 
Tagegeldersatze gleichkommt. Zu diesen Gebühren gehören 
jedoch (s. B. T. W. pg. 133, rechts unten) nur die Gebühren 
„für amtliche Verrichtungen im engeren Sinne“, nicht auch die 
Gebühren, welche den Kreisärzten zustehen, wenn sie als ge¬ 
richtliche Sachverständige zugezogen werden. 

Übernahme von Nebenämtern mit fortlaufender Vergütung 
oder einzelner Nebenarbeiten ist nur mit Genehmigung des Ministers 
bezw. Regierungspräsidenten zulässig. 

f Der nicht vollbesoldete Kreisarzt (d. h. weitaus die 
Mehrzahl) erhält eine pensionsfähige Besoldung, welche auf 
1800—4200, im Durchschnitt 2700 M. bemessen ist. Sie war 
ursprünglich erheblich niedriger, ist aber dank der Initiative 
des Landtages 1901 wesentlich erhöht worden. Dem nicht 
vollbesoldeten Kreisärzte ist (nach § 27 d. Dienst-Anweis.) Aus¬ 
übung der ärztlichen Praxis gestattet (doch kann der Regie¬ 
rungspräsident aus dienstlichen Gründen eine Einschränkung 
der Privatpraxis fordern). Er kann Nebenämter und Neben¬ 
arbeiten übernehmen, soweit sich die damit verbundene Tätig¬ 
keit als eine Ausübung der ärztlichen Praxis darstellt. Für 
anders geartete Beschäftigungen sowie für Übernahme einer 
Kassenarztstelle ist auch hier die Genehmigung erforderlich. 

Das Kreisarztgesetz regelt ferner die Anstellungsbedin¬ 
gungen und bestimmt die Dienststellung des Kreisarztes. 
Danach ist derselbe der staatliche Gesundheitsbeamte des Kreises, 
als solcher unmittelbarer Staatsbeamter, dem Regierungs¬ 
präsidenten unmittelbar unterstellt und der technische 
Berater des Landrates bezw. der Polizeibehörde in Stadtkreisen. 


201 

Der Kreisarzt erhält dienstliche Aufträge vom Regierungs¬ 
präsidenten, soweit nicht seine unmittelbare Zuziehung (durch 
Landrat, Gerichte, Ortspolizeibehörden) ausdrücklich zugelassen 
ist. Der Kreisarzt hat z. B. als technischer Berater des Land¬ 
rates jedem Ersuchen desselben in Angelegenheiten des Ge¬ 
sundheitswesens nachzukommen. Andrerseits hat ihn der Land¬ 
rat etc. vor Erlaß einschlägiger Verordnungen zu hören. Beur¬ 
laubung erfolgt bis zu sechs Wochen durch den Regierungs¬ 
präsidenten. Die Amtsführung wird vom Regierungs-Med.-Rat 
beaufsichtigt und mindestens alle drei Jahre revidiert. 

Der Kreisarzt gehört zur V. Rangklasse und wird vom 
Minister angestellt (Dienst-Anw. § 4). Nach zwölfjähriger 
Amtsdauer kann ihm der Charakter als Medizinalrat mit dem 
Rang der Räte IV. Klasse und nach weiteren zehn Jahren der 
Charakter als Geheimer Medizinalrat verliehen werden, doch 
dürfen insgesamt nicht mehr als die Hälfte aller Kreisärzte 
diesen Charakter besitzen (Kab.-Ordre vom 18. Juni 1901). 

Die Pensionierung erfolgt nach den allgemeinen Be¬ 
stimmungen. Bei Berechnung des pensionsfähigen Dienst¬ 
einkommens werden (§ 28 der Dienstanweisung) den nicht 
vollbesoldeten Kreisärzten diejenigen Gebühren, welche von 
den vollbesoldeten Kreisärzten zur Staatskasse abzuführen sind 
(für amtliche Verrichtungen im engeren Sinne), nach dem durch¬ 
schnittlichen Betrage der letzten drei Jahre insoweit in An¬ 
rechnung gebracht, als das danach pensionsfähige Ein¬ 
kommen nicht dasjenige eines vollbesoldeten Kreisarztes in 
gleichem Dienstalter übersteigt. Hinsichtlich der Witwen- und 
Waisen-Gelder gelten die allgemeinen Bestimmungen. 

Den Kreisärzten können kreisärztlich geprüfte Ärzte 
als Assistenten widerruflich beigegeben werden. Dieselben 
erledigen die ihnen übertragenen Dienstgeschäfte nach An¬ 
weisung des Kreisarztes, doch kann ihnen vom Regierungs¬ 
präsidenten ein bestimmter Geschäftsteil zu eigner Erledigung 
übertragen werden. Sie sind in erster Linie mit der Stell¬ 
vertretung des Kreisarztes zu betrauen (Dienst-Anw. § 33). 
Als beamtete Ärzte im Sinne des Seuchengesetzes sind sie 
nur insoweit anzusehen, als sie mit der Stellvertretung be¬ 
auftragt sind. 

Mit den technischen Beamten des Kreises (darunter 
dem Kreistierarzt) hat sich der Kreisarzt bei Fragen, die deren 
Wirkungskreis mitberühren, ins Benehmen zu setzen. (Dienst- 
Auw. § 18). Mit den nicht beamteten Ärzten seines Be¬ 
zirkes soll der Kreisarzt möglichst nahe wissenschaftliche und 
persönliche Beziehungen unterhalten. Das ärztliche Vereins¬ 
wesen soll der' Kreisarzt nach Möglichkeit fördern und, soweit 
dies mit seiner amtlichen Stellung vereinbar ist, sich auch 
persönlich an demselben beteiligen. Bei der Vornahme von 
Untersuchungen zur Ermittlung von gemeingefährlichen etc. 
Krankheiten soll der Kreisarzt den behandelnden Arzt tunlichst 
zuziehen (Dienst-Anw. §. 23). 

Nebenbezüge: Alle Kreisärzte erhalten außer Gehalt 

a) eine nicht pensionsfähige Entschädigung für Amts¬ 
unkosten (Bureaubedürfnisse, Räume, Apparate etc.), die jedoch 
bei den nicht vollbesoldeten Kreisärzten niedriger bemessen ist, 
weil diese eines Teiles des Aufwandes für die Ausübung der 
privaten Tätigkeit bedürfen. 

b) Tagegelder und Reisekosten wie die übrigen Staats¬ 
beamten nach dem Gesetz vom 24. März 1873 (s. z. B. Deutscher 
Veterinärkalender 1903, pg. 103). 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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202 

c) Gebühren für solche amtlichen Verrichtungen, deren Kosten 
nicht der Staatskasse zur Last fallen, die durch ein Privat¬ 
interesse veranlaßt sind oder durch ortspolizeiliche Interessen, 
deren Befriedigung den Gemeinden gesetzlich obliegt, ferner für 
die gesamte Tätigkeit als Sachverständiger vor Gericht. 

Diese Gebühren sollen nach dem (B. T. W. No. 8, pg. 132 ff. 
veröffentlichten) Gebühren-Gesetzentwurf nebst angehängtem 
Tarif geregelt werden. Bemerkenswert aus diesem Entwurf und 
seiner Begründung ist insbesondere folgendes: 

Der Tarif für Gebühren wird vom Minister festgesetzt (§ 7); 
die Tagegelder und Reisekosten in gerichtlichen Angelegenheiten 
werden durch Kgl. Verordnung bestimmt (§ 4). Innerhalb 2 km 
besteht Anspruch auf die verauslagten Fuhrkosten. Tage¬ 
gelder werden auch bei mehreren Geschäften an einem Tage 
nur einmal gezahlt. Gebühren schließen die Tagegelder 
an demselben Tage aus, sobald sie deren Höhe mindestens er¬ 
reichen. Die Summe der an einem Tage zu vereinnahmenden 
Gebühren ist nicht beschränkt. Wo im Tarif Mindest- und 
Höchstsätze vorgesehen sind, entscheidet im Zweifelsfall der 
Regierungspräsident. Nicht beamtete Ärzte haben mangels 
anderweitiger Verabredung dieselben Ansprüche wie die be¬ 
amteten. 

In der Begründung wird hervorgehoben, dass auch 
in Zukunft die nicht vollbesoldeten beamteten Ärzte 
auf Gebühren angewiesen bleiben, da das Kreisarztgesetz 
nicht beabsichtige, der Dienststellung des Kreisarztes einen von 
der des Kreisphysikus abweichenden Rechtscharakter zu geben. 

Da die Gebühren gegenüber den Tagegeldern in den Vorder¬ 
grund treten „so bietet es keine Schwierigkeit, bei der 
Festsetzung des pensionsfähigen Diensteinkommens... 
auch die Gebühren zu berücksichtigen.“ Es empfiehlt sich 
nicht, die Gebühren im Gesetz festzulegen; der Tarif wird daher 
vom Minister festgesetzt, um leichter Veränderungen vornehmen zu 
können. Die Höhe der Gebühren ist aus B. T. W. No. 8, pg. 135 
zu ersehen. 


Für die Kreistierärzte liegen die Verhältnisse, welche 
sich aus der Verbindung amtlicher Tätigkeit und Privatpraxis 
ergeben, noch viel schwieriger, als bei den Ärzten. Veterinär¬ 
polizei und Privatpraxis werden immer Gegensätze bleiben. 

Die Beurteilung der Tätigkeit der Kreistierärzte und damit 
auch eine gleichmäßige Regelung ihrer Verhältnisse wird zu¬ 
nächst sehr erschwert durch die außerordentliche zeitliche und 
örtliche Verschiedenheit ihres Geschäftsumfanges, die viel 
größer ist, als bei den Ärzten, wobei nicht bloß der Seuchenstand, 
sondern namentlich die Lebhaftigkeit des Viehverkehrs in Betracht 
kommt. Während in manchen Kreisen fortwährend und zu Zeiten 
größerer Seuchenausbreitung daher oft übermäßig zu tun ist, 
gibt es viele Kreise, wo unter gewöhnlichen Verhältnissen der 
Kreistierarzt nur wenige Requisitionen im Monat zu erledigen hat. 

Der Kreistierarzt eines solchen Kreises ist auf Privatpraxis 
angewiesen. Er hat dieselbe vielleicht mit Mühe und Sorgfalt 
hocbgebracht, da beginnt die Maul- und Klauenseuche zu 
grassieren und nun wird, wenn die Verseuchung lange dauert, 
wie dies in den letzten Jahren der Fall gewesen ist, die Privat¬ 
praxis plötzlich ernstlich gefährdet, oft verloren. Denn erstens 
hat der Kreistierarzt jetzt oft gar keine Zeit übrig, zweitens 
holt man ihn nicht, weil man fürchtet, er bringe die Seuche auf 
den Hof, und drittens macht er sich Feinde bei der Durch- 


No. 12. 

führung der Seuchenmaßregeln. Ist dann wieder stille Zeit, 
dann sitzt der Kreistierarzt da, hat dienstlich nichts zu tun, 
einen Teil der Privatpraxis verloren — und empfindet das 
natürlich bitter. Gerade gegenwärtig dürfte es vielfach so sein. 

Von den Feindschaften, die der Kreistierarzt sich in Er¬ 
füllung seiner Pflicht zuziehen muß, ist gerade neuerdings viel 
gesprochen worden. Zu solchen gibt es natürlich auch abgesehen 
von der Zeit starker Verseuchung oft genug Gelegenheit. Der 
eine nimmt es übel, wenn der Kreistierarzt Milzbrandverdacht fest¬ 
stellt, der sich nicht bestätigt. Der andere ist empört, wenn der 
Kreistierarzt keinen Milzbrand feststellt und die Entschädigung 
wegiällt So erzählt z. B. Noack in seinem in No. 11 er¬ 
wähnten Vortrag, daß ein Bolcher „Empörter“ ihm nachgesagt 
hatte, er fände Milzbrand nur auf Gütern. Aus einem Kreise 
wurde der Ernennung des Kreistierarztes zum Mitglied der Kör- 
kommission in wohlwollender Absicht mit der Begründung 
widersprochen, das gehe schon deswegen nicht an, weil der 
Kreistierarzt sich zu viele Feinde machen würde, da jeder 
Bauer, bei dem er der Ankörung widerspräche, ihm die Praxis 
kündigen würde. Gerade aus letzterem Beispiel sieht man aber, 
daß auch der Privattierarzt solchen Feindschaften ausgesetzt 
ist. Auch die gewissenhafte Tätigkeit als gerichtlicher Sach¬ 
verständiger kann dem beamteten wie dem Privattierarzt Feinde 
schaffen. Schließlich, wer macht sich nicht Feinde, der seine 
Pflicht tut und seine Überzeugung vertritt. 

Andrerseits muß man anerkennen, daß den Feindschaften auch 
Vorteile gegenüberstehen. In Zeiten wo keine Seuchen herrschen, 
ziehen viele Besitzer den Kreistierarzt gerade deshalb vor, 
weil sie kalkulieren: wenn etwas passiert, kann mir der Kreis¬ 
tierarzt nützen oder schaden. Viele zeigen, wie ein erfahrener 
Departementstierarzt in München sagte, Seuchenverdacht an, 
um umsonst den Tierarzt auf den Hof zu bekommen u. s. w. 

Ich glaube, daß bei der Beeinflussung der Privatpraxis 
durch die dienstliche Stellung in ruhigen Zeiten die Vorteile 
überwiegen, in Seuchenzeiten die Nachteile. 

Deshalb ist es auch nicht richtig, wenn manchmal Land¬ 
wirte sagen, der Kreistierarzt sei an der Seuchenerhaltung 
interessiert Das trifft auch dann nicht zu, wenn man vom 
Ehrenpunkt ganz absieht und lediglich den Vorteil betrachtet. 
Was hat denn der Kreistierarzt davon, wenn die Maul- und 
Klauenseuche grassiert, er sich halbtot arbeitet und dann die 
Mehreinnahmen, wenn die Seuche schließlich doch erlischt, mit 
langdauerndem Verlust in der Privatpraxis büßt. Die Ein¬ 
nahme aus letzterer ist stabil, während Seuchen stets ungleich¬ 
mäßig sind. Der Kreistierarzt steht sich unzweifelhaft am 
besten, wenn er bei verbessertem Gehalt gleichmäßige, wenn 
auch mäßige, amtliche Gebühreneinnahmen aus gewissen prophy¬ 
laktischen Maßregeln hat und im übrigen der Privatpraxis 
obliegen kann, ohne darin durch Verseuchung der Viehstände 
gestört und benachteiligt zu werden. 

Gewiß erscheint es als das einfachste, wenn alle Kreis¬ 
tierärzte vollbeeoldet werden könnten, unter Verlust amtlicher 
Nebengebühren, wie die vollbesoldeten Kreisärzte, und unter 
Verbot der Privatpraxis. Aber dem stehen nicht bloß finanzielle, 
sondern auch andere Schwierigkeiten entgegen, welche das so 
gut wie unmöglich machen. Diese sind ja früher auch unter uns 
oft genug hervorgehoben worden und schließlich sind auch die 
Kreistierärzte überwiegend zu der Ansicht gelangt, daß die 
Privatpraxis beizubehalten sei. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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19. März 1908. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 203 


Ein Blick auf die Medizinalreform zeigt schon, daß diese 
Ansicht auch von den Behörden geteilt wird. Die Regelung, 
welche für die beamteten Ärzte für zweckmäßig erachtet worden 
ist, wird zweifellos auch für die beamteten Tierärzte gewählt 
werden. Es werden an besonderen Plätzen, wie schon jetzt, 
vollbesoldete Kreistierärzte angestellt werden. Die große Mehr¬ 
zahl wird nicht vollbesoldet sein, mit Anspruch auf Gebühren 
und Beibehaltung der Privatpraxis. Die nicht vollbesoldeten 
Kreistierärzte werden sich vielfach pekuniär besser stehen als die 
vollbesoldeten. Sie bleiben freilich an der Privatpraxis interessiert 
und insofern davon innerlich abhängig. Aber die Verbesserung 
der amtlichen Bezüge muss diese Abhängigkeit soweit ver¬ 
mindern, daß sie nicht drückend bleibt. 

Bei der Reform des Diensteinkommens ist das Wesentliche 
die Pensionsfähigkeit und damit die Reliktenversorgung. Soll 
dieselbe wirksam sein, so muß freilich das pensionsfähige Dienst¬ 
einkommen eine einigermaßen genügende Höhe haben. Das 
Gehalt der Kreistierärzte wird natürlich hinter dem der Ärzte 
nicht unerheblich Zurückbleiben. Aber auch das letztere wäre 
nicht genügend für auskömmliche Pensionierung. Daher werden 
den Kreisärzten die Gebühren auf das pensiousfähige Dienst¬ 
einkommen angerechnet, und zwar voll, nicht bloß zu einem Teil. 

Es ist eine Hauptsache, daß auch den Kreistier¬ 
ärzten die Gebühren auf das pensionsfähige Dienst¬ 
einkommen angerechnet worden, wie den Ärzten. Dieser 
Punkt hat eine größere Bedeutung, als ein Mehr oder Weniger 
von einigen hundert Mark beim festen Gehalt. Über die Ab¬ 
messung des letzteren läßt sich nichts sagen. Die Zentral¬ 
vertretung und der V. b. T. haben ja Wünsche geäußert. Das 
Gehalt mit Rücksicht auf das Abiturientenexamen zu bemessen, 
würde der Finanzminister entschieden ablehnen. 

Bemerkenswert ist, daß der Landtag alsbald eine Er¬ 
höhung der Gehälter der Kreisärzte über die ursprünglichen 
Vorschläge hinaus vorgenommen hat. Vielleicht ist er den 
Kreistierärzten ebenso geneigt. Hierbei können private Be¬ 
sprechungen mit Abgeordneten nur dienlich sein. 

Da die Kreisärzte einen Dienstaufwand erhalten, so wird 
auch den Kreistierärzten ein solcher zugebilligt werden müssen. 

Die Tagegelder und Reisekosten für veterinärpolizeiliche 
Geschäfte werden den Ärzten, also sicher auch den Tierärzten 
nach den allgemeinen Bestimmungen für Staatsbeamte gezahlt. 
Sie sind daher abhängig von der Rangklasse. Sie werden also 
für Kreistierärzte in jedem Falle eine namhafte Erhöhung 
gegenüber dem bisherigen Satz, eventuell eine Verdoppelung 
erfahren. Die Tagegelder und Reisekosten für gerichtliche An¬ 
gelegenheiten werden durch kgl. Verordnung besonders fest¬ 
gesetzt, also anders bemessen, aber natürlich proportional erhöht 
werden. 

Im übrigen regeln die Gebühren-Bestimmungen für Ärzte 
mehrere Fragen, die auch im tierärztlichen Gebührenwesen eine 
große Rolle gespielt haben und natürlich für uns definitiv in 
demselben Sinne werden entschieden werden. Tagegeld wird 
ohne Rücksicht auf die Zahl der Dienstgeschäfte nur einmal 
pro Tag gezahlt. Gebühren schließen Tagegelder aus. Ge¬ 
bühren können jedoch an einem Tag mehrfach (ohne Angabe 
einer Tageshöchstsumme) liquidiert werden. Am Wohnort 
werden nur verauslagte Fahrkosten erstattet. 

Sehr wünschenswert wäre es, wenn in dem späteren Gebühren¬ 
gesetz für Kreistierärzte der Begriff der Rundreise anders fest¬ 


gelegt werden würde, oder wenn bestimmt würde, daß auch bei 
Rundreise, wenn der Gesamthinweg und desgl. Rückweg unter 
8 km bleiben, eine Abrundung auf 8 km eintritt. Der jetzige, 
je durch allgemeine Bestimmungen erzwungene Gebrauch macht 
viel Verdruß, weil selbstverständlich niemandem einlenchten kann, 
daß unter Umständen für den Besuch von zwei Dörfern hinter¬ 
einander geringere Wegegebühren gezahlt werden, wie für den 
Besuch in einem Dorf, bei dem die Abrundung auf 8 km Weg¬ 
strecke erfolgt. 

Die Dienststellung des Kreisarztes als unmittelbarer Unter¬ 
gebener des Regierungspräsidenten ist nichts Neues; der Kreis¬ 
tierarzt hat dieselbe Stellung schon jetzt. Nur die Beurlaubung 
war, wenn ich nicht irre, für den Kreistierarzt bislang nicht klar- 
gestellt. Nichtunwichtig ist dieRegelung derStellung der Kreisarzt¬ 
assistenten. Eine solche ist auch für Kreistierarztassistenten 
erwünscht. Auch diese werden, wenn sie im Besitz der Quali¬ 
fikation sind, mit der Stellvertretung des Kreistierarztes beauf¬ 
tragt werden können und insoweit als beamtete Tierärzte 
anzusehen sein.*) Interessant und auch für Kreistierärzte be¬ 
herzigenswert ist der oben (pg. 201) angeführte, auf das Vereins¬ 
wesen etc. bezügliche § 23 der Dienstanweisung. 

Die Rangverhältnisse der Kreisärzte sind nicht durch 
das Gesetz selbst, sondern durch Kabinettsordre geregelt worden. 
Es ist zu erwarten, daß dies auch für die Kreistierärzte gleich 
im Anschluß an das Kreistierarzt-Gesetz geschieht. Geregelt 
muß die Rangstufe ja alsbald werden, weil von ihr Tagegelder 
und Reisekosten etc. abhängen. Für die Lösung der Rangfrage 
ist jener Zusammenhang freilich kein Vorteil, weil sie dadurch 
zur Kostenfrage wird, was die Art ihrer Lösung nur beengen 
kann. Vielleicht aber finden sich hier Auskunftsmittel. Jeden¬ 
falls besteht der besonders dringende Wunsch, daß 
Rang und Titel von vornherein möglichst günstig ge¬ 
regelt werden mögen. 

Die Entwickelung dieser Seite des Veterinärwesens kann 
erst an einem Ziele Halt machen: das ist die Ernennung der 
Departementstierärzte zu Regierungs-Veterinärräten mit allen 
ihren Konsequenzen und die Einreihung der Kreistierärzte in 
die V. Klasse mit der späteren Verleihung des Charakters als 
Veterinärrat, der ja zunächst keine Rangerhöhung einzuschließen 
brauchte.**) Sollte es denn so unmöglich sein, gleich bis an 
dieses Ziel vorzugehen? 

Die Zentralvertretung hat anno 1900 Wünsche aufgestellt, 
die nicht so weit gingen. Aber wenn jetzt dieser Wunsch aus¬ 
gesprochen wird, so ist doch eben inzwischen die Situation eine 
andere geworden. 

Das Abiturientenexamen hat hinsichtlich dieser Äusser- 
lichkeiten die Anschauungen verändert; dabei sollte es gewisser¬ 
maßen schon im voraus in Betracht kommen, um so mehr, als 
die jetzige Regelung vermutlich Jahrzehnte Geltung behält. 

Dazu kommt ferner der Hinblick auf die bevorstehende 
Militär-Veterinärreform. 

Es ist sehr zu wünschen, daß das Fortschreiten ein gleich¬ 
mäßiges für die beiden großen Hauptklassen der tierärztlichen 

*) Ein Beschluss des Verbandes der Privattierärzte (vgl. B.T. W. 
No. 11, pg. 187) kann sich wohl anf diesen Fall nicht beziehen, 
sondern nur auf Privatassistenten. Jedenfalls ist aber eine Klar¬ 
stellung im Sinne der Bestimmungen für Ärzte erwünscht. 

**) Auch verdienten, nicht im Staatsdienst befindlichen Veterinären 
müsste dieser Titel übrigens als Auszeichnung verliehen werden. 


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204 


Staatsdiener ist. Nun kann ein Vergleich zwischen Militär und 
Zivil aber nur darauf hinanslanfen, den Departementstierarzt 
und den Korpsrossarzt, den Oberroßarzt und den Kreistierarzt 
gleichzustellen. Wenn dagegen eingewandt würde, daß man 
jünger Kreistierarzt werden kann als Oberroßarzt, so kommt 
es dabei meines Erachtens weniger an auf das Lebensalter, in 
dem die Charge erreicht wird, als vielmehr auf den Wir¬ 
kungskreis. 

Im künftigen Veterinär-Offizierkorps gelangt der Oberroßarzt 
sicher in die Hauptmannscharge, der Korpsroßarzt doch wohl 
in die des Majors.*) Die Hauptmannscharge entspricht der V., 
die Majorscharge der IV. Beamtenklasse. Soll die Gleich¬ 
mäßigkeit gewahrt werden, so müßte also der Kreistierarzt 
in die V., der Departementstierarzt in die IV. Klasse gelangen. 

Es kommt ferner in Betracht die Erweiterung des Wirkungs¬ 
kreises des Kreistierarztes, welche inzwischen eingetreten ist 
bezw. in nächster Zeit durch das neue Viehseuchengesetz ein- 
treten muß. 

Von ausschlaggebender Bedeutung ist m. A. n. endlich die 
Wirkung auf den zu erwartenden Ersatz. Die Abiturienten, welche 
Tiermedizin studieren wollen, werden in erster Linie darauf 
sehen, wie sich die Inhaber der tierärztlichen Staatsstellen — 
Zivil und Militär — stehen. Rückt der Kreistierarzt vom Kreis¬ 
arzt im Range offensichtlich ab, so wird dies natürlich zu 
Ungunsten des tierärztlichen Studiums in die Wagschale fallen. 
Rückt dagegen der Kreistierarzt schon heute in die Klasse, welche 
die anderen wissenschaftlich gebildeten Beamten umfaßt, so wird 
von vornherein der Zuzug quantitativ und qualitativ sehr 
günstig beeinflußt werden, und es werden viele mit Lust und 
Liebe Tiermedizin studieren. 

Hoffentlich ist das Hindernis finanzieller Konsequenzen 
zu umgehen. Wenn dies nicht möglich sein sollte, wird hoffent¬ 
lich ein Weg gefunden, der wenigstens möglichst nahe an jenes 
Ziel heranführt. 

In letzter Stunde! 

Zur Zeit liegt dem preußischen Landtag der Entwurf eines 
Gesetzes betreffend die Gebühren der Medizinalbeamten zur 
Beratung vor; der Entwurf befindet sich im Stadium der 
Kommissionsberatung und wird voraussichtlich noch in diesem 
Monat im Plenum verhandelt und, falls er angenommen wird, 
auch Gesetz vom 1. April d. Js. ab. Dem Gesetzentwurf ist 
ein Tarifentwurf beigegeben, welcher in seinem zweiten Teil 
unter den den Kreisärzten zustehenden Gebühren für amtliche 
Verrichtungen unter Nummer 13 vorsieht für die Ausstellung 
eines Befähigungszeugnisses als Trichinenschauer 6.— M. und 
unter Nummer 14 für jede Nachprüfung 3.— M. Nach 
dem prenssischen MiniBterialerlaß vom 1. August 1902 
war bestimmt zu erwarten, daß vom 1. April 1903 ab 
nicht allein bei Auslands-, sondern auch bei Inlandsfleisch¬ 
beschau die Prüfung und Nachprüfung der Trichinenschauer 
von den Kreistierärzten vorgenommen werde und daß in 
sinngemässer Anwendung des § 7 der Anlage b der Ausführungs¬ 
bestimmungen D dem zuständigen Tierarzt — Ergänzungs¬ 
fleischbeschauer — die betreffenden Präparate und Proben zur 
Prüfung zu übergeben sind, falls der Trichinenschauer in den 

*) Wenn die Chargen noch höhere werden, wie befürwortet 
wird, so soll uns das sehr freuen; indessen wollen wir uns bei 
dieser Betrachtung an das Sicherste halten. 


No. 12. 


untersuchten Fleiscbproben Trichinen oder ähnliche Gebilde 
entdeckt. Die preußischen Ausführungsbestimmungen, welche 
die gewünschte Klärung in diese Sache bringen sollen, stehen 
leider noch aus und sind auch vor Ende März nicht zu erwarten. 
Warum diese so lange auf sich harren lassen, nachdem gerade 
in Preußen zuerst mit gründlicher Energie die Einrichtung der 
Fleischbeschau in die Hand genommen wurde, weiß man nicht. 
Die Vermutung läßt sich nicht von der Hand weisen, daß die 
Ausführung des Ministerialerlasses vom 1. August 1902 den 
Widerstand der Medizinmänner des Kultusministeriums hervor¬ 
gerufen hat. Wie bekannt, entscheidet zur Zeit über das 
Vorkommen von Trichinen nicht der Kreistierarzt, sondern der 
Kreisarzt. 

Nun ist das Reichsfleischschaugesetz nach jahrelangen 
Kämpfen erstanden, nach welchem als Beschauer Tierärzte oder 
andere Personen, die genügende Kenntnisse nachgewiesen haben, 
zu bestellen sind. Von Ärzten ist nur die Rede in § 11 der 
Prüfungsvorschriften für Trichinenschauer zur Untersuchung 
des ausländischen Fleisches, welches lautet, daß approbierte 
Ärzte und Tierärzte zur Ausübung der Trichinenschau ohne 
besondere Prüfung zugelassen sind, die Trichinenschauer selbst 
werden geprüft von einer tierärztlichen Amtsstelle und nach¬ 
geprüft von einem beamteten Tierarzt. Werden nun bei der 
Inlandstrichinenschau, die nicht Reichs- sondern Landessache 
ist, nicht dieselben Bestimmungen festgesetzt wie bei der Aus- 
landBtrichinenschau, so kommt es vor, daß in derselben Stadt 
bei einem als trichinös befundenen ausländischen Schwein der 
zuständige Tierarzt die Entscheidung trifft, dagegen bei einem 
trichinösen, aber im Inland groß gewordenen Schweine der 
Kreisarzt sein Urteil abgibt. Dieser Dualismus kann nicht 
befriedigen. Aber auch für die Laienfleischbeschauer wäre 
ein solches Verhältnis nicht wünschenswert; sie hätten mit 
nicht weniger als drei Personen amtlich zu tun. In erster 
Linie mit ihrem als Ergänzungsfleischbeschauer angestellten 
Tierarzt, zweitens mit dem die Aufsicht über die gesamte 
Fleischbeschau ausübenden Kreistierarzt und sind sie außerdem 
noch Trichinenschauer, so kommt noch der Kreisarzt hinzu. 
Für die Tierärzte wäre ein solcher Zustand nach dem Inkraft¬ 
treten des Fleischbeschaugesetzes geradezu beschämend. Sie 
entscheiden über Tausende von Nationalvermögen, sie haben 
die kompliziertesten Untersuchungen vorzunehmen, sie arbeiten 
mit Bakterienmikroskopen, die tausendfache Vergrößerungen be¬ 
sitzen; aber die Feststellung, ob ein Schwein trichinös ist, was 
schon bei dreißig- bis vierzigfacher Vergrößerung geschehen 
kann, soll ihnen gerade bei Inlands-Schweinen nicht an vertraut 
werden? In den Augen des den wahren Sachverhalt nicht ver¬ 
stehenden Publikums wird dadurch die Meinung hervorgerufen, 
„daß die Feststellung von Trichinen einen ganz besonders 
wichtigen Akt darstelle, welcher nicht von den zuständigen 
Tierärzten, sondern vom Kreisarzt ausgeführt werden müsse, da 
man hierzu ein Mikroskop benötige.“ Auch aus diesem Grunde 
wäre die endgültige Schlichtung dieser Streitfrage, die so alt 
ist als die Trichinenschau selbst, dringend erwünscht. Hoffen 
wir, noch in diesem Monat mit einer unseren Wünschen ent¬ 
sprechenden einheitlichen Trichinenschau für ganz Preussen 
erfreut zu werden, und sprechen wir die Erwartung aus, daß 
das Abgeordnetenhaus die eingangs erwähnten Gebührensätze 
aus dem Entwurf streicht. Es soll uns ein schöner Ostergruß 
sein! Veterinarius. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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19. März 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


205 


Von ausländischen Hochschulen. 

Von Roßarzt Klinner-Lissa. 

Bei dem Besuche der Tierärztlichen Hochschule zu Wien 
sah ich zum ersten Male die Wundnaht mit Metallklammern 
praktisch angewandt und anwenden. Bei einer Brustwunde und 
einer Wunde über den Ellenbogenhöcker hinweg saßen seit 
mehreren Tagen ohne Anwendung der Entspannungsnaht die 
Klammern noch sehr fest Die Eiterung war minimal. Bei 
solch klaffenden Wunden bedarf man zur Anlegung der Naht 
allerdings noch eines Assistenten. Zur Zeit wurden Versuche 
ausgefnhrt, tetanuskranke Pferde durch subkutane Injektionen 
von fein zerriebenem Schafhirn zu heilen. 

Auf der Hochschule zu Budapest demonstrierte Herr Pro¬ 
fessor y. Raatz ein zweijähriges lebendes Rind, merkwürdig 
durch die extrathorakale Lage des Herzens. Letzteres lag fast 
am Grunde der Wamme, nur von der äußeren Haut bedeckt. 
Die Bewegungen des Herzmuskels waren deutlich sichtbar und 
die Herztöne meterweit hörbar. Bei oberflächlicher Betrachtung 
glaubte man ein kohlkopfgrosses ödem in der Unterhaut der 
Wamme vor sich zu haben. Auffallend war noch, daß das Tier, 
trotzdem es gut fraß, stets magerer wurde und nicht größer 
war als ein l / 2 jähriges Kalb. Interessant war es noch, 
die nur noch selten vorkommende, gefährliche Beschälseuche 
an drei aus Galizien angekauften Stuten aus eigener An¬ 
schauung kennen zu lernen. — Unser Weg führte uns weiter 
über Triest, um das einst so berühmte Schimmelgestüt Lipiza 
zu besichtigen. Ein beschwerlicher, stundenlanger Weg über 
den Karst führt zu dem im Buchenhain gelegenen Gestüt Von 
den sechs Hengsten soll noch einer, ein Prachttier, von echt 
arabisch-spanischer Herkunft sein. Mutterstuten und Fohlen, 
meist Fliegenschimmel, waren nichts weniger als schön zu nennen. 
Hätte man nicht beim Abstieg die reizende Aussicht nach Triest 
und das blaue Adriatische Meer, das Gestüt selbst lohnt nicht 
der Mühe des Aufstieges. — Der weitere Besuch galt der Hoch¬ 
schule zu Bologna. Dieselbe ist mit der Universität verbunden 
und kostete es lange Zeit dieselbe zu finden, weil der Eingang 
eher einer Hintergasse ähnlich sieht, als dem einer Hochschule. 
Sehenswert und jedem durch Bologna durchreisenden Kollegen 
ist sehr zu empfehlen der Besuch des veterinär-anatomischen 
Museums, wohl eines der besten. Sämtliche Präparate in natür¬ 
lichem Zustande künstlich präpariert und zumeist noch in situ 
z. B. Brustkorb, Bauchhöhle etc. Als Spezialität zeigte der 
Professor der Anatomie Venen- und Arterienpräparate in situ in 
aufgeblasenem Zustand künstlich präpariert, also nicht mit Gips 
injiziert. Auf die Frage, wie er dies machte, hatte er nur die 
Antwort: mon secret. Weiß z. Z. nicht, ob diese Methode auch 
bei uns schon bekannt geworden ist. Die Kliniken sind unbe¬ 
deutend. Drei Anatomiepferde erregten besonders Aufmerksamkeit. 
An jedem derselben waren bereits ca. zehn Operationen gemacht 
worden von Studenten und waren sozusagen an allen Ecken und 
Kanten genäht und mit Pflastern beklebt. Ein jammervoller An¬ 
blick. Noch harrten die Tiere weiterer Operationen, um dann 
erst getötet zu werden. Zur Zeit waren mehrere österreichische 
Tierärzte anwesend, um den Doktortitel zu erwerben. — Auf 
der Mailänder Hochschule war nichts Interessantes zu sehen. 
Auf der Rückreise wurde noch das Tierhospital in Graz (Steier¬ 
mark) besncht. Dasselbe ist nach dem Muster unserer Hoch- 
schulkliniken eingerichtet und lohnt der Besuch derselben eine 
Unterbrechung der Fahrt. 


Danksagung. 

Der Ärztliche Bezirks verein zu Nürnberg hat (am 27. Februar) 
beschlossen, dem Reichstagsabgeordneten für Hall, Professor 
Hoffmann-Stuttgart, Dank für tatkräftiges Eintreten für die 
Interessen des ärztlichen Standes in einer Zuschrift auszudrücken. 

Noch ein vergessenes Stipendium? 

Ein Kollege teilt mir mit, daß er und ein Kommilitone 
1875 auf Anregung des Veterinärphysikus Wedekind aus 
Schleswig-Holstein ein Stipendium von 200—300 M. bekommen 
haben. Möglicherweise handelt es sich um einProvinzialstipendium, 
das ebenfalls in Vergessenheit geraten könnte, wie das Marburger. 
Vielleicht kann der Herr Departementstierarzt von Schleswig 
nachforschen, oder es können andere Schleswig - Holsteiner 
Kollegen Auskunft geben. 

Bezüglich des Marburger Stipendiums hatte Herr Kreis¬ 
tierarzt Melde die Güte, folgendes festzustellen: Das Stipendium 
ist 1857 von der kurhessischen Regierung gestiftet worden, um 
Landeskindern das Studium der Tierheilkunde mangels einer 
kurhessischen Tierarzneischule zu erleichtern. Es betrug 
300 Taler jährlich und wurde von der Universität Marburg 
vergeben. Zuletzt wurde es 1896 verteilt. Dann wurde es 
vom Staate eingezogen, existiert also nicht mehr. An Mediziner 
ist es nie verliehen worden. 

Führung der Tagebüoher. 

Auf die vielen Anfragen, welche wegen der Tagebuch- 
führung an mich gerichtet worden sind, möchte ich an dieser 
Stelle mitteilen, daß das Verfahren, welches am Kölner Schlacht¬ 
hof jetzt im dritten Monat in Wirksamkeit ist, sich bewährt hat. 
Im Monat Januar d. J. sind 327 Bullen, 1628 Ochsen, 626 Kühe, 
293 Jungrinder, 4011 Kälber, 9034 Schweine, 12 Ziegen, 
2983 Schafe und 162 Pferde zur Schlachtvieh- und Fleischbeschau 
angemeldet worden. Von diesen sind 189 Bullen, 1628 Ochsen, 
623 Kühe, 268 Jungrinder, 3920 Kälber, 8961 Schweine, 
2951 Schafe, 11 Ziegen und 161 Pferde vor und nach der 
Schlachtung untersucht worden, während 138 Bullen, 3 Kühe, 
25 Jungrinder, 91 Kälber, 74 Schweine, 32 Schafe, 1 Ziege 
und 1 Pferd, die von auswärts eingeführt worden sind, nur 
nach der Schlachtung untersucht worden sind. Tauglich be¬ 
funden wurden von den 2874 untersuchten Rindern 2243 Stück. 
34 Stück waren tauglich, aber im Nahrungs- und Genußwert 
erheblich herabgesetzt, 16 Stück waren bedingt tauglich und 
17 untauglich. 2 Stück waren teilweise bedingt tauglich und 
734 teilweise untauglich. Von den Kälbern waren 3920 taug¬ 
lich, 22 minderwertig und 5 untauglich und 63 teilweise un¬ 
tauglich. Von den Schweinen waren 8745 tauglich, 26 minder¬ 
wertig, 1 untauglich und 222 teilweise untauglich. Von den 
Schafen waren 2228,5 tauglich, 6,5 minderwertig und 679 teil¬ 
weise untauglich. Die Ziegen wurden sämtlich tauglich be¬ 
funden. Von den Pferden waren 153 tauglich, 3 untauglich 
und 6 teilweise untauglich. 

Von den bedingt tauglichen Rindern sind 6 gedämpft und 
10 gekühlt worden. 

Die Führung der Tagebücher bot keine Schwierigkeiten, 
nachdem die Erläuterungen beachtet wurden. Auch im Februar 
sind irgendwelche Unzuträglichkeiten nicht aufgetreten, so daß 
man richtig aussprechen kann: Auch an Schlachthöfen ist die 
Führung der Tagebücher mit besonderen Schwierigkeiten nicht 
verknüpft. Allerdings ist dabei Voraussetzung, daß auf eine 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


206 

möglichste Vereinfachnng der Eintragungen hingearbeitet wird. 
Das ist in Köln mit bestem Erfolg versucht worden, und kann 
ich nur den Kollegen empfehlen, das Kölner Verfahren auch an 
ihren Schlachthöfen einzuführen. Ebenso kann jeder Fleisch¬ 
beschauer seine Buchführung hiernach einrichten. 

Um die benötigten Formulare einheitlich, handgerecht und 
möglichst billig herzustellen, habe ich den Herausgeber des 
„Deutschen Schlachtviehverkehrs“ veranlaßt, den Vertrieb der 
Tagebücher, Hauptbücher, Tagesübersichten und Krankheits¬ 
übersichten zu übernehmen. Die Adresse desselben ist: Dr. 
Lorenz, Berlin S. 42, Alexandrinenstraße 95/96. 

Kühn an. 


Fleischbeschau-Stempel. 

In No. 10, pg. 173 der B. T. W. hat Kreistierarzt Sahner 
über eine Ergänzung an Fleischbeschau-Stempeln berichtet, wo¬ 
bei die Fleischqualität nicht nur durch die vorgeschriebene 
Sterapelform, sondern auch noch wörtlich (tauglich etc.) be¬ 
zeichnet wird. Zweckmäßig ist dies jedenfalls. S. warf aber 
die Frage auf, ob es auch vorschriftsmäßig söi. Eine Äußerung 
hierüber von kompetenter Seite wäre erwünscht. 

Bakteriologischer Kursus in Halle. 

Sehr geehrter Herr Kollege! 

Auf Ansuchen hat sich die Landwirtschaftskammer für die 
Provinz Sachsen bereit erklärt, dass Herr Kollege Raebiger, 
Leiter des bakteriologischen Instituts derselben einen bakterio¬ 
logischen Kursus für Tierärzte abhält, in dem die Diagnostik der 
für die Praxis in Betracht kommenden Seuchen, Serum- und Lymph- 
gewinnung, Färbemethoden, Kultur- und Tierversuche demonstriert 
werden sollen. 

Der Kursus wird an 8 Nachmittagen, am 16. März, Nachm. 
3'/ 3 Uhr beginnend, mit noch zu vereinbarenden Zwischenpausen 
stattfinden. Die angegebene Stunde ist in Rücksicht auf die Bahn¬ 
anschlüsse gewählt. 

Herr Professor Dr. Disselhorst hat sich freundlichst erboten, 
einen Saal der Veterinär - Klinik in der Wilhelmstraße dazu zur 
Verfügung zu stellen. 

Die elektrische Bahn fährt direkt vom Bahnhofe nach der 
Wilhelmstraße. 

Daran anschließend sollen Demonstrationen aus dem Gebiete 
der Fleischbeschau stattfinden, die zu übernehmen Herr Direktor 
Reimers freundlichst zugesagt hat. 

Anmeldungen zu diesem Kursus werden bis spätestens 1. März er. 
an den Unterzeichneten erbeten. 

Mit kollegialischem Gruße 

Fleischer, Oberroßarzt a. D., 
Halle a. S., Wilhelmstraße 19. 

Viehuntersuchung. 

Zur Abwehr der Maul- und Klauenseuche ist im Reg.-Bez. 
Bromberg bestimmt, daß der Untersuchung bei der Einfuhr das 
Vieh ans folgenden Reichsteilen unterworfen ist: 1) aus den 
preußischen Regierungsbezirken Königsberg, Stettin, Posen, Oppeln, 
Magdeburg, Koblenz, Düsseldorf, Trier; 2) aus den bayerischen Re¬ 
gierungsbezirken Oberbayern, Oberfranken, Schwaben; 3; aus den 
württembergischen Kreisen Neckarkreis, Jagstkreis; 4) aus den 
badischen Landeskommissariaten Karlsruhe, Mannheim; 5) aus dem 
Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin; 6) aus den Reichslanden 
Oberelsaß, Lothringen. 


Zur Aufklärung I 

Von Dr. Gröning. 

Auf die Frage des Herrn Dr. Jeß in der B. T. W. No. 1903: 
,.Wer ist der Urheber der neuen Methode des Nachweises von 
Pferdefleisch (in Würsten) durch die spezifische Serumreaktion?“ 
wird Jeder, der sich eingehend mit der Frage und der Untersuchung 
dieser epochemachenden Reaktion durch ein spezifisches Serum be- 


No. 12. 

schäftigt hat und ganz unabhängig von allen Machenschaften und 
persönlichen Interessen urteilt, die Antwort geben: Stabsarzt 
Dr. Uhlenhut ist der Urheber dieser Methode! 

Dass dagegen Dr. Jeß keinen Anspruch auf Priorität machen 
kann, werde ich kurz an der Hand einiger Literaturangaben beweisen. 

Schon im Jahre 1000 veröffentlichte Uhlenhut in der D. M. W. 
No. 46 einen Artikel, in dem er genau die Methode zur bio¬ 
logischen Differenzierung der verschiedenen Eiweisskörper angibt 
und die Möglichkeit ausspricht, mit Hilfe dieser neuen Methode 
die verschiedenen Blutarten differenzieren zu können. 

Ai.f das Wort folgte bald die Tat, denn bereits am 7. Febr. 
1101 konnte man in der D. M. W. seine über die Unterscheidung 
der verschiedenen Blutarten grundlegenden Arbeiten lesen. 

Bier gibt U. ausführlich an, wie die Übertragung des Blutes 
auf Kaninchen vorgenommen werden kann, um ein spezifisches 
Reagens auf Blut des Menschen und der verschiedenen Tiere zu 
erhalten, in welcher Weise eine Testflüssigkeit zur Feststellung der 
Identität der Tierart hergestellt werden muss, und wie die Reaktion 
ausgeführt wird und vor sich geht. 

Mit welcher Sicherheit U. schon damals seine Methode zu 
handhaben verstand, beweisen seine vielseitigen und stichhaltigen 
Versuche mit dem Blute des Menschen und von 18 verschiedenen 
Tieren. 

Ferner erschien im Jahre 1901 in der D. M. W. No. 30 von 
Uhlenhuth ein Artikel, in welchem er abermals in eklatantester 
Weise zeigt, dass man durch sein Verfahren nicht nur Menschen¬ 
blut, sondern auch Pferdeblut, Rinderblut, Hammelblut, Schweine¬ 
blut usw. mit einem dementsprechenden Reagens, das er wieder¬ 
um in der altbekannten Weise gewinnt, in frischen und alten Blut¬ 
proben Identifizieren kann. 

Bekommt man nun nach diesem Uhlenhutschen Verfahren 
in einer Blutlösung aus frischem Fleische, in dem sich bekanntlich 
ständig geringe Blutreste vorfinden, eine positive Reaktion auf 
Pferdeblut, Sehweineblut, Hundeblut usw., so ist es wohl nicht 
schwierig zu sagen, welche Fleischart man vor sich hat. 

In vorliegender Arbeit geht Uhlenhut auf diesen Punkt 
noch nicht näher ein, beweist uns aber durch einen für die Fleisch¬ 
beschau so bedeutungsvollen Versuch, dass er auch in Fleischsaft- 
lösnng aus alten Organen, die 1 und Jahr ausgetrocknet waren, 
noch die spezifische Blutreaktion erhält. 

Demnach konnte Uhlenhut schon vor der Naturforscher- 
Versammlung in Hamburg das Blut der verschiedenen Tiere, wo 
und wann er es fand, im frischen und ausgetrockneten Zustande 
durch seine Methode unterscheiden und selbst Organe oder Fleisch 
durch seine spezifische Serumreaktion identifizieren. 

Bis dato hat Herr Dr. Jeß nichts geredet und nichts ver¬ 
öffentlicht. 

Erst nach diesen Uhlenhutschen Veröffentlichungen tritt 
Herr Dr. Jeß auf den Plan und hält auf der Versammlung der 
Naturforscher und Ärzte in Hamburg einen Vortrag: „Mitteilung 
über Immunisierungsversuche“. Zum Schlüsse seines Vortrages 
(ührt Jeß an, dass Uhlenhut durch ein spezifisches Serum 
Menschenblut nachweisen kann und dass er (Jeß) Kaninchen 
Pferdeblut injiziert und mit dem gewonnenen Serum in Pferdeblut¬ 
lösung eine Trübung erzielt habe. Jeß macht dann darauf auf¬ 
merksam, dass wir hierin eine ganz ausgezeichnete Methode zur 
Erkennung von Pferdeblut und Pferdefleisch haben. 

Um nicht von „seiner Schöpfung abzulenken“ und um sich mit 
einem Prioritätsnimbus zu umgeben, verschweigt Jeß aber ge¬ 
flissentlich, dass Uhlenhut die Versuche mit Pferdeblut schon 
längst gemacht hat. Ebenso denkt Jeß wohl absichtlich nicht 
daran, die Uhlenhutschen positiven Fleischversuche mit aus¬ 
getrockneten Organen anzugeben. 

Nicht unerwähnt will ich lassen, dass auf diesem Gebiete so¬ 
wohl von Uhlenhut, als auch von anderen Autoren noch ver¬ 
schiedene Arbeiten erschienen sind, auf die ich in dieser Aufklärung 
nicht näher eingegangen bin, weil es sich hier nur um den Beweis 
handelt, dass Uhlenhut der Urheber einer Methode ist, die Jeß 
nur nachgeredet hat. 

Durch die Kürze meiner in der Zeitschrift für Fleisch- und 
Milchhygiene 1902, Heft 1, veröffentlichten Arbeit war es bedingt, 


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19. März 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 207 


die Literatur, welche außerdem die von mir angeführten Herien 
Dr. Mießner und Herbst in ihren ausführlichen Arbeiten eingehend 
besprochen haben, nicht näher anzugeben. Klar und deutlich gebe 
ich im 3. Abs. meines Artikels zu erkennen, daß ich auf der Basis 
der bisherigen Ergebnisse gearbeitet habe und somit gar keine 
Veranlassung nehmen kann, wegen einer etwaigen Prioritätsaueig¬ 
nung die ersten Ai beiten störend zu empfinden. 

Ich habe durch meine Versuche und Resultate nur einen 
weiteren Baustein auf das Ulilenhutsche Fundament gelegt. 

Gern bescheide ich mich, wenn Herr Dr. Jeß auf diesem Ge¬ 
biete etwas Neues und Besseres bringt. Bisher ist es aber nicht 
geschehen und selbst die uns nächstens „beglückende, angedeutete 
Instruktion“ enthält Mängel, die ein geübter Forscher längst über¬ 
wunden hat. 

Hiermit glaube ich im Interesse der guten Sache eine kurze 
Aufklärung gegeben zu haben. Mit besonderer Freude hätte auch 
ich es empfunden, wenn wir einem Tierarzte die Siegespalme als 
Zeichen der Anerkennung für die Erfindung dieser für die Fleisch¬ 
beschau so wichtigen und epochemachenden Methode hätten über¬ 
reichen können. Erwiesenermaßen gebührt aber Stabsarzt Dr. Uhlen¬ 
hut das Verdienst und ich hielt es deshalb für meine Pflicht, für 
Recht und Wahrheit einzutreten. 

Schlussbemerkung zu den vorstehenden Angaben. 

Den vorstehenden Ausführungen muß zunächst entgegen¬ 
gehalten werden, wenn Uhlenhut der Urheber der neuen 
Methode zur Erkennung von Verfälschungen der gekenn¬ 
zeichneten Art wäre, so wäre es an Uhlenhut gewesen meinen 
Ausführungen entgegenzutreten. Uhlenhut schuldet aber in 
der medizinischen Presse noch Wassermann und Schütze 
die Antwort auf einen in No. 27 der Deutschen medizinischen 
Wochenschrift am 3. Juli 1902 erschienenen Artikel, welcher 
lautet: Über die Entwickelung der biologischen Methode 
zur Unterscheidung von menschlichem und tierischem 
Eiweiß mittels Praecipitine. Prof. Wassermann und 
Dr. Schütze sagen dort: „Wir halten es daher bei einer Methode, 
über welche bereits eine so umfangreiche Literatur entstanden 
ist, für nötig, den Entstehungsgang derselben nunmehr hier 
festzulegen, da dies in den meisten der bisherigen Arbeiten 
über diesen Gegenstand entweder überhaupt nicht oder in 
unzutreffender Weise geschehen ist. — 1. Die Tatsache, 
daß das Serum von immunisierten Tieren in den Lösungen der 
zur Immunisierung verwendeten Stoffe Niederschläge gibt, 
wurde für Bakterienprodukte von Kraus (Wien. klin. Wochen¬ 
schrift 1897) entdeckt. Die Verf. fahren fort: 2. die Tatsache, 
daß das Serum von vorbehandelten Tieren auch in den zur 
Vorbehandlung verwendeten Eiweißlösungen einer fremden Tier¬ 
art Niederschläge gibt, wurde von Tchistowitch (Annales 
de lTnstitut Pasteur 1899) und Bordet (ebenda 1899 No. 3, 
S. 240) entdeckt. 3. Die Frage, ob diese letzteren Niederschläge 
(Praecipitine Coaguline) spezifisch sind, wurde von Bordet, 
Nolf (Annales de lTnstitut Pasteur 1900), Ehrlich nnd 
Morgenroth (Croonian Lecture 1900), Fish (Studies on Lacto- 
8erum and on Other-Cell-Sera. Courier of Medical St. Louis 1900) 
und A. Wassermann und Schütze (Deutsche mediz. Wochen¬ 
schrift 1900, No. 3) gefunden. 4. Die Anwendung der Prae- 
zipitine als Methode um mittels derselben verschiedene Eiwei߬ 
körper und insbesondere das Eiweiß verschiedener Tierarten 
und der Menschen differentialdiagnostisch zu unterscheiden, 
wurde anf Grund von Experimenten zuerst von A. Wassermann 
(Verhandl. d. Kongreß, f. i. Med. April 1900, S. 501) an¬ 
gegeben usw. Da in den meisten Publikationen über diesen 
Gegenstand die Namen der oben genannten Autoren, durch 
deren Arbeiten dieses Gebiet erschlossen wurde, seitens der 
späteren Nacharbeiter entweder garnicht oder nur teilweise er¬ 
wähnt wurden, glauben wir diesen Literaturhinweis geben zu 
müssen“ usw. 

Aus diesen Ausführungen sieht jeder, daß Uhlenhut 
als Urheber der biologischen Methode zur Unter¬ 
scheidung von menschlichen und tierischen Eiweiß 
mittels Praezipitinen garnicht in Betracht kommt. 
Uhlenhut hat diese Richtigstellung auch mit keinem 
Wort angegriffen. 

In No. 46 der D. m. W. 1900 hat Uhlenhut mit Hühner¬ 
blut und lediglich mit Blut geaibeitet, in No. 46 1901 hat 
Uhlenhut selbst angegeben, daß es sich um Koaguline im i 


Sinne Ehrliche handele. Er spricht nirgends von dem Nachweis 
von Pferdefleisch, nur Blut hat er zu seinen Versuchen 
benutzt. 

Daß der Nachweis von Blut verschiedener Tierarten nicht 
neu war, geht daraus hervor, daß bereits Belfanti und 
Carbone 1898 (Giornale della R. Acad d. Med. d. Torino 1898) 
fanden, daß das Serum von Pferden, welchen man rote Blut¬ 
körperchen von Kaninchen injiziert hatte, die Kaninchen durch 
Schädigung ihrer Blutkörperchen zu töten vermochte. — Bordet 
(Annales d. VInstitut. Pasteur 1898) wies die Spezifität 
dieses Vorgangs nach: Also nicht 1900, sondern bereits 1898 
konnte man auf haemolytischen Wege das Blut der ver¬ 
schiedenen Tierarten nachweisen; 1899 gelang es Antikörper zu 
finden gegen Gewebszellen. So gegen Spermatozoen, von 
Metschnikoff (Ann. d. lTnstitut. Pasteur 1899), gegen Flim¬ 
merepithel von Düngern (Münch, med. Wochenschrift, 1899 
No. 38). Diese Körper nennt man Cytotoxine, nach Metschni¬ 
koff; die dritte Gruppe sind die Praezipitine, deren Ent¬ 
stehungsgeschichte von Wassermann und Schütze klar gelegt 
ist. Der zitierte Ulilenhutsche Artikel in No. 30 d. D. M. W. 
heißt: Weitere Mitteilungen über die praktische Anwendung 
meiner forensischen Methode zum Nachweis von Menschen- und 
Tierblut. In diesem Artikel steht nichts von dem Nachweis 
von Pferdefleisch. Der Schreiber der vorstehenden Aufklärung 
kennt nicht den Unterschied zwischen Haemolysin, Cytotoxin und 
Praezipitin. Ich habe Pferdeeiweiß und nicht Pferdeblut in 
den Würsten nachgewiesen. Deshalb ist die Bemerkung „Be¬ 
kommt man nun nach diesem Uhlenhutschen Verfahren in 
einer Blutlösung aus frischem Fleisch, in dem sich bekanntlich 
ständig geringe Blutreste vorfinden, eine positive Reaktion auf 
Pferdeblut, Schweineblut, Hunfleblut usw., so ist es wohl nicht 
schwierig zu sagen, welche Fleischart man vor sich hat“ un¬ 
zutreffend. Ich weise nach meinen Publikationen 'das Eiweiß 
in den in der Pferdewurst enthaltenen Fleischstücken durch 
spezifische Praezipitine nach. Das ist doch wohl ein wesentlicher 
Unterschied. 

Im September 1901 hielt ich meinen Vortrag auf Grund 
von Versuchen, welche ich vom Mai bis September 1901 
gemacht hatte. Am 7. November, also ca. 6 Wochen später, 
erschien von Uhlenhut ein Artikel: Die Unterscheidung des 
Fleisches verschiedener Tiere mit Hilfe spezifischer Sera und 
die praktische Anwendung der Methode in der Fleischbeschau. 
Hier schreibt selbst Uhlenhut: „Wie ich in der soeben 
erschienenen No. 42 der Berliner Tierärztl. Wochen¬ 
schrift lese, hat Kreistierarzt Jeß in einem auf der 
diesjährigen Naturforscher-Versammlung in Hamburg 
gehaltenen Vortrage „Mitteilungen über Immuni¬ 
sier ungs versuche“ bereits auf den Wert meiner Methode 
zur Erkennung von Pferdeblut und Pferdefleisch auf¬ 
merksam gemacht. Also Uhlenhut sagt selbst: daß ioh vor Ihm 
auf die Methode aufmerksam gemacht habe. (Daß die Bemerkung 
von „seiner Methode“ irrtümlich ist, habe ich eingangs wohl hin¬ 
reichend klar bewiesen). Ich war der erste, welcher die von 
Bordet, Wassermann, Tchistoritch, Schütze aufge- 
fnndenen Präzipitine zum Nachweis von Pferdefleisch, roh und in 
Würsten, in der Fleischbeschau einfiihrte. Diese Tatsache ist von 
Schütze, von von Düngern und anderen hervorragenden 
Forschern anerkannt. Ich hätte mir die ganze Mühe sparen 
können, wenn der Artikelschreiber Bich wirklich in die Literatur 
vertieft hätte und sich nicht nur mit der Deutchen medizinischen 
Wochenschrift begnügt hätte. Für mich ist dies das Schlu߬ 
wort. Ich habe an der Hand der nackten Tatsachen bewiesen, daß 
meine Behauptung in No. 5 d. J. auf jeder Zeit erweisbaren Tat- 
nmständen, der Wahrheit gemäß, beruht. Ich habe diese 
Zeilen für die Leser der B. T. W. geschrieben, weil ich mich für 
verpflichtet halte, diese Untersnchungsmetbpde als Eigentum der 
Tierärzte und nicht als ein Geschenk der Ärzte leider allerdings 
gegen einen Tierarzt zu verteidigen. 

Herrn Uhlenhut verfolgt in dieser Hinsicht ein eigentüm¬ 
liches Mißgeschick. Am 2. 12. 1902 hielt er im Medizinisch. 
Verein in Greifswald eine Demonstration ab über ein von ihm 
gefundenes Eidotterantiserum und über die bei dieser 
Gelegenheit empfohlene Anwendung dieses Serums in der 
Nahrungsmittelchemie. In der No. 9 der Deutschen medizinischen 
Wochenschrift vom 26. Februar 1903. Seite 163 schreibt Dr. 
Ottolengki, dass er Uhlenhuts Entdeckung vollauf bestätigt, 
aber bereits am 12. Juli 1902 das von ihm bereitete Eidotter¬ 
antiserum in der R. Akademie des Fisiocritici, sogar bereits in 


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908 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 12. 


der Anwendung in der Nahrungmittelchemie zum Nachweis von 
Eidotter in Eierteigwaren demonstriert und veröffentlicht hat. 
Da Herrn Dr. Uhlenhut diese Veröffentlichung entgangen zu 
sein scheint, macht Dr. 0. die Herren Kollegen auf dieselbe jetzt 
aufmerksam. Je ß. 

Bücheranzeigen*) und Kritiken. 

Johne, Taschenkalender für Fleischbeschauer. III. Jahrgang 1903. 
Unter Mitwirkung von Prof. Dr. Schlegel und Kreistierarzt 
Dr. Fröhner herausgegeben. Berlin 1903. Verlag von Paul 
Parey. Preis 2 Mk. 

Der dritte Jahrgang des John eschen Kalenders enthält im 
ersten Abschnitt die für den Fleischbeschauer wissenswerten Be¬ 
stimmungen des Nahrungsmittelgesetzes, des Reichsfleischbeschau¬ 
gesetzes, der Bundesratsvorschriften für die Beschau des inländischen 
und ausländischen Fleisches, die sächsischen Verordnungen über 
die Fleischbeschau und Schlachtviehversicherung und die in Be¬ 
tracht kommenden Vorschriften des ViehseuchengeBetzes. In den 
folgenden Abschnitten sind die Verpflichtungen und Befugnisse 
des Laienfleischbeschauers und die bei Ausübung der Fleischbe¬ 
schau in Betracht kommenden Krankheiten und Mängel in alpha¬ 
betischer Reihenfolge abgehandelt. Abbildungen veranschaulichen 
die Lage der Lymphdrtisen und die Klassifizierung des Fleisches 
der Schlachttiere. Schlachtgewichtstabellen, Altersbestimmungen, 
Übersichten über die normale Körperwärme, die Desinfektions¬ 
mittel, Masse, Gewichte und Münzen vervollständigen den text¬ 
lichen Inhalt. Am Schluß das Tagebuch nach sächsischem Muster. 

Die Aufzählung des Inhalts läßt erkennen, dass Johne be¬ 
strebt gewesen ist, den Kalender den jetzigen Bestimmungen ent¬ 
sprechend umzugestalten. Der Fleischbeschauer hat in dem 
John eschen Kalender ein stets bereites Hilfsmittel, welches ihm 
bei Ausübung der Fleischbeschau ohne Schwierigkeit den richtigen 
Weg finden lassen wird. Kühnau. 

Neue Eingänge. 

Bermbaoh: Veröffentlichungen aus den Jahres-Veterinär-Be- 
richten der beamteten Tierärzte Preußens für das Jahr 1901. 
Zweiter Jahrgang. II. Teil. 

Bayer und Fröhner: Handbuch der tierärztlichen Chirurgie. 
III. Band. Kopf, Hals, Brust, Bauch; Vierte Lieferung: Krank¬ 
heiten des Halses von Professor Hirsel. Wien und Leipzig bei 
W. Braumüller 1903 Siebenzig Seiten. Preis 2 Mk. 

Dr. Alfred Fischer, Professor der Botanik in Basel: Vorlesungen 
über Bakterien. Zweite vermehrte Auflage mit 69 Abbildungen; 
370 Seiten Groß-Oktav. Jena bei Gustav Fischer 1903. 

Professor Dr. Arnold, Hannover: Abriß der allgemeinen oder 
physikalischen Chemie. Als Einführung in die Anschauungen der 
modernen Chemie bearbeitet. 120 Seiten Klein-Oktav Preis 2 Mk. 
Hamburg und Leipzig bei Leopold Voß 1903. 

Schmutterer, Bezirkstierarzt in Ebersberg, Mitglied des deutschen 
Veterinärrates: Taschenbuch für Fleischbeschauer. München 1903. 
Carl Gerbers Verlag. Klein-Oktav mit angebängtem Tagebuch in 
drei verschiedenen Stärken für 500, 1000 oder 2000 Einträge. Preis 
1,50, 2 und 2,50 M. — Anmeldeverzeichnis zur Schlachtvieh- und 
Fleischbeschau, als Hilfsformular zu dem Taschenbuch. 

Koschei und Dr. Marechner: Leitfaden für Laienfleischbeschauer, 
nebst Anhang Trichinenschau. Zweite Auflage 258 Seiten Klein- 
Oktav mit 10 Abbildungen Breslau 1903 bei Maruscbke und 
Bevendt. Preis 3 M. Verwaltungsbericht über den Betrieb 
des städtischen Vieh- und Schlachthofes in Würzburg im Jahre 1901. 
W T ürzburg bei Sttirlz 1902. 

Dr. F. Fischöder, Kreistierarzt: Die Paramphistomidcn der 
Säugetiere. Aus dem zoologischen Museum in Königsberg. (Ab¬ 
druck aus den zoologischen Jahrbüchern. Band 17, Heft 4, Jena 
bei G. Fischer) 180 Seiten mit 12 Tafeln. Inaugural-Disertation. 

*) Von den eingesandten Büchern werden hierunter Titel usw. 
mitgeteilt. Eine Verpflichtung zu eingehender Besprechung wird 
jedoch nicht übernommen; dieselbe bleibt Vorbehalten. 

Die Redaktion. 


Dr. Hermann Marcus, Adjunkt-Direktor des Schlachthofes in 
Utrecht. Beitrag zur pathologischen Anatomie der Leber und der 
Niere bei den Haustieren. Inang.-Diss. (Bern, vet. med. Fac. 1902.) 

Dr. Armin Feser, Assistent an der tierärztlichen Hochschule in 
München: Beobachtungen über die vermeintliche Kainit-Vergiftung 
bei Rehen und experimentelle Untersuchungen (Fütterungsversuche) 
über den Einfluß des Kainits auf den tierischen Organismus. 
Inang.-Diss. (Bern, vet. med. Fac.) München, Franzsche Hof¬ 
buchdruckerei 1903. 

Dr. Johannes Jost, städt. Tierarzt in Berlin: Beitrag zur Lehre 
von der Blutentwickelung des embryonalen Rindes und Schafes. 
Inang.-Diss. (Basel, phil. Fac. Aus dem Archiv f. mikroskop. 
Anat. Bd. 61, 1903.) 

Sisto: Pest und Septikaemie der Schweine in der Basilikata. Die 
ersten Versuche mit dem Schreiberschen Septicidin. Aus d. Riforma 
veterinaria, Neapel 1902. Auszug, deutsch. 

Dr. Grimme, Kreistierarzt zu Melsungen: Über die Blütezeit 
deutscher Laubmoose und die Entwickelungsdauer ihrer Sporogone. 
Mit 1 Tafel. (Aus „Hedwigia“ Bd. 42, 1903.) 

Kräl’s bakteriologisches Laboratorium (Prag I, kleiner Ring 11): 
Der gegenwärtige Bestand der Krälschen Sammlung von Mikro¬ 
organismen, Oktober 1902. Zentralstelle für käuflichen Bezug 
frischer Reinkulturen etc. 

Personalien. 

Berichtigung: Kreistierarzt Graul ist nicht nach Ratibor, sondern 
als Kreis- und Grenztierarzt nach Lublinitz versetzt. Kreistierarzt 
Lütkemüller ist von Lublinitz nach Ratibor versetzt 

Tierarzt Tritscheler (nicht Fritscheier, vgl. No. 10) hatsich 
in Asbach niedergelassen. 

Auszeichnungen, Ernennungen: Dem Obermedizinalrat Professor 
Dr. Johne ist das Ehrenkreuz des mecklbg.-schwerinschen Greifen¬ 
ordens und dem Kgl. bayr. Hofstabsveterinär Wille zu München 
ist der Michaelsorden IV. Kl. verliehen worden. 

Scldacbthoftierarzt Mod de in Freiburg i. Sa. zum Schlachthof¬ 
inspektor in Gollnow; Schlachthoftierarzt Mord zum Schlachthof¬ 
inspektor in Rastenburg ernannt. 

Wohnsitzveränderungen, Niederlassungen: Tierarzt Schönwciler 
von Dresden als Schlachthofassistenztierarzt in Stuttgart. 

Examina: Approbiert wurden in Giessen die Herren: H. Bohtz, 
E. Flieger, F. Freytag, M. Gebauer, H. Gerhardt, E. Heil¬ 
born, A. Kempa, H. Klein, Dr. med. Küster, E. Kuthe, 
G. Scheers, P. Scherk, H. Skobel, B. Stolpe, J. Traut¬ 
mann, L. Wiedemann, G. Ziessler, E. Zimmer. 

Das Examen als beamteter Tierarzt bestanden in Dresden die 
Tierärzte H. Gebauer und Höckendorf. 

ln der Armee: Roßarzt d. L. Fieweger (Bernburg) der Abschied 
bewilligt. 

Todesfälle : Kreistierarzt BollfrasinKöln, Tierarzt Blumhagen 
in Friedland i. M. Tierarzt J. M. Schneck in Kempten (Bayern). 


Vakanzen. 

Neu hinzugetretene (siehe übrigens No. 10 ff.). 

Kreistierarztstellen : R.-B. Posen: Krotoschin zum 1. Juni. Bew. 
' bis 15. April. 

Schlachthofsteilen: Dessau: Assistenztierarzt zum 1. April. 
1800 M., freie Wohnung etc. Bew. bei Direktor Oll mann. — 
Cottbus: Assistenztierarzt. Bew. schleunigst beim Magistrat — 
Liegnitz: II. Tierarzt z. 1. April oder Mai. 1800 M , freie Wohnung 
etc. Bew. bis 24. März b. Magistrat. — Magdeburg: Tierarzt z. 
1. April 175 M. monatlich. Bew. mit Gesundheitszeugnis bis 20. März 
b. Magistrat. 

Stellen für ambulatorische Fleischschau und Privatpraxis: Königs¬ 
steele: Fleischschau z. 1. April. Privatpraxis gestattet Meid, bis 
18. er. b. Amtmann. — Tarnowo: Tierarzt mit ca. 750 M. Fixum. 
Bew. beim Landratsamt Posen-West. — Zaschan: Niederlassung 
z. 1. April erwünscht; aus Fleischschau 400 M. Privatpraxis in 
Aussicht 


Verantwortlich für den Inhalt (cxkl. Inseratenteil): Prof. Dr. 8elimalt* in Berlin. — Verlag und Eigentum von Richard 8choetz in Berlin. — Druck von W. BOxenstein, Berlin. 


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Dl« tJUrÜHt TlerftntHohe Wochenschrift* enohelnt 
wöchentlich Im Verlage von Richard Schoeti ln 
Berlin, Lttlaenatr.98. Durch Jedee denteohe Po'tarnt wird 
dieselbe mm Preise ron M. 5,— vierteljährlich (M. 4,88 für 
dl« Wochenschrift, U Pf. Ar Bestellgeld) frei ins Hans 
geliefert (Deutsche Post - Zeitung* • Preisliste No. 110S, 
Oosterreichlsche No. 610, Ungarische No. 90.) 


Berliner 


Orlglnalbeltrtge werden mit 60 Hk. Ar den Bogen honoriert 
Alle Manuskripte, Mitteilungen und redaktionellen An¬ 
fragen beliebe man su senden an Prof. Dr. 8ohmalta, 
Berlin, Uerftntllohe Hochsehule, NW, Luisenstresse 68. 
Korrektoren, Resenslons-Exemplare und .Annoncen da¬ 
gegen an die Verlagsbuchhandlung. 


Tierärztliche Wochenschrift 


Redaktion: 

Professor Dr. Schmaltz -Berlin 

Verantwortlicher Redakteur. 

Oe Brutal KBhnau Dr. Lothe« Prof. Dr. Peter Peter« Preosse Dr. Sobleg«! Dr. Vogel ZBedel 

Professor 8eblaehthofdircktor Departementstlcrarst Krcistierarxt Departementstlerarat VeterinIrassessor Professor Landos-Insp. f. Tierxuoht Kreistlerarst 

Utrecht Cöln. Cöln. Angermünde. Bromberg. Danzig. Freibarg L Br. München. Malhansen LE. 

Franck« Dr. Je«« Neverman« 

Kreistierarat Krcistierarxt Kr als tlerarst 

Mülheim a. Rh. Charlottenbnrg. Bremervörde. 


Jahrgang 1903. 


M 13 . 


Ausgegeben am 26. März. 


I nh al t: Löffler: Berichte über die Untersuchungen über Maul- und Klauenseuche, erstattet an den Herrn Kultus¬ 
minister. — Referate: Mauderer: Vergleichende Untersuchungen darüber, welche der bekannten Methoden zur Unter¬ 
scheidung roher von gekochter Milch am geeignetsten ist. (Preisgekrönte Arbeit). — Liönaux und Höbrant: Unter¬ 
suchungen über die intra-mammäre Kultur der Vaccine beim Rinde. — Tennert: Über Trichorexis nodosa mit spezieller 
Berücksichtigung der Ätiologie und Therapie. — Jeß: Wochenübersicht über die medizinische Literatur. — Tagesgeschichte: 
Schmaltz: Aussichten und Bestrebungen der Privattierärzte. — Verschiedenes. — Personalien. — Vakanzen. 


Berichte Uber die Untersuchungen Uber Maul- und 
Klauenseuche, erstattet an den Herrn Kultusminister. 

Von 

Professor Dr. Löffler, 

Geheimer MedlxlnelreL 

Greifswald, 6. Februar 1902. 

I. Die Untersuchungen im Etatsjahre 1901. 

Euerer Exzellenz beehre ich mich über den Fortgang der 
Forschungen über die Manl- and Klauenseuche Im Etatsjahre 1901 
gehorsamst zn berichten. 

In meinem gehorsamsten Berichte vom 12. Juli v. Js. habe 
ich dargelegt, daß ein neues Verfahren zur Erzielung eines 
längere Zeit dauernden aktiven Schatzes bei Rindern der Prüfung 
unterliege. Dieses Verfahren bestand in einer Anwendung alter, 
durch Lagern im Eisschrank unwirksam gewordener Lymphe in 
Verbindung mit frischer, künstlich abgeschwächter Lymphe. 
Das Verfahren ist an einer größeren Zahl von Tieren in den 
Versuchsstalinngen geprüft worden. Das Ergebnis dieser eine 
lange Beobachtungszeit beanspruchenden Versuche ist kurz fol¬ 
gendes: Vermischt war alte Lymphe in der Dosis von 2 / 10 ccm 
mit Vio, 2 /io oder auch 3 / 10 ccm frischer Lymphe, welche auf 
60° C während fünf Minuten erwärmt worden ist, und wird 
dieses Gemenge Rindern in die Blutbahn eingespritzt, so er¬ 
kranken die Tiere nach der Einspritzung nicht. Durch diese 
sehr zahlreichen, nach Dutzenden zählenden Versuche ist somit 
festgestellt, daß eine fünf Minuten währende Erwärmung auf. 
60 0 C die Lymphe ihrer Anstecknngsfähigkeit beraubt Freilich 
muß die Erwärmung so vorgenommen werden, daß auch sicher 
alle Teile der Lymphe während der angegebenen Zeit anf die 
Temperatur von 60 0 C gebracht werden. Dieses Ziel wurde 
erreicht durch Erwärmen der Lymphe in Metallröhren von etwa 
2 cm Durchmesser, welche in einem Wasserbade vollständig 
untergetaucht waren. Die Röhren wurden etwa bis zur Hälfte 
gefüllt und während des Erwärmens mit einem Glasstabe hin- 
und hergerollt, so daß die Flüssigkeit sich schnell und sicher 
an den metallenen, gut leitenden Wandungen des Rohres auf 
die Temperatur des sorgsam regulierten Wasserbades erwärmte. 


Die mit dieser Mischung vorbehandelten Tiere wurden nach 
l l /2 bis 3 Wochen in dem Seuchenstall eingestellt. Es zeigte 
sich, daß manche Tiere bereits nach IV 2 Wochen, die Mehrzahl 
nach 3 Wochen der natürlichen Infektion aasgesetzt werden 
konnten, ohne za erkranken. Manche der geimpften Tiere er¬ 
krankten, nachdem sie 10—14 Tage mit frisch kranken Tieren 
znsammengestanden hatten, dann aber nur leicht mit vereinzelten 
Zangen- and Maalblasen. Die Menge des anfgenommenen In¬ 
fektionsstoffes spielt bei der Infektion immer eine gewisse Rolle, 
wie sich auch bei künstlichen Infektionen gezeigt hat. Je 
größer die aufgenommene bezw. eingespritzte Dosis Lymphe 
ist, am so leichter wird eine schwache Immnnität von den Er¬ 
regern überwanden. Gegenüber der natürlichen Infektion, welche 
in der Regel mit außerordentlich geringen Lymphmengen er¬ 
folgt, scheint der mit dem Verfahren erzielte Immunitfttsgrad 
zu genügen. 

In einem praktischen Versuche, welcher in Gmbenhagen 
angestellt werden konnte, ist eine größere Zahl geimpfter Tiere 
von der Seuche verschont geblieben, obwohl dieselben sich in 
demselben Stallraum, einer großen Scheune, befanden, in welchem 
erkrankte bayrische Ochsen standen. Die Verhältnisse waren 
hier insofern sehr günstige, als die Tiere gruppenweise in ver¬ 
schiedenen Buchten isoliert waren. Es sind von sechs bayrischen 
Ochsen, unter welchen sich bei der Impfung ein kranker and 
ein krankheitsverdächtiger befand, drei gesnnd geblieben, von 
zehn halbjährigen Kälbern nenn, ferner eine tragende Starke, 
fünf halbjährige Starken, zwei Milchkühe und drei dreiviertel¬ 
jährige Ballen. Von sechs dreivierteljährigen Starken, von denen 
eine bei der Impfung bereits krank befanden war und stark 
schänmte, sind vier erkrankt. Dies Ergebnis ist als ein nicht 
unbefriedigendes zn bezeichnen. Zwei Momente sind es jedoch, 
welche gewisse Zweifel darüber erweckt haben, ob das Verfahren 
für die Praxis brauchbar sich erweisen würde, einmal der durch 
die Versuche ermittelte Umstand, daß erst eine gewisse Zeit 
nach der Schutzimpfung verstrichen sein muss, bis die Immunität 
eintritt, sowie zweitens die Tatsache, daß ein recht erhebliches 

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210 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. IS. 


Quantum der noch recht teuren Lymphe ( 2 / 10 ccm alte Lymphe 
und mindestens 10 ccm frische Lymphe) für jedes Tier er¬ 
forderlich ist. 

Zudem scheint auch die erzielte relativ schwache Immunität 
nicht von so langer Dauer zu sein, daß man mit einiger Sicher¬ 
heit darauf rechnen könnte, durch die Impfung eine in einem 
Bezirke ausgebrochene Seuche unterdrücken zu können. 

Die Würdigung dieser Momente hat dazu geführt, von 
weiteren eingehenden Versuchen mit diesem Verfahren vorläufig 
Abstand zu nehmen und die Versuche mit der einen sofortigen 
Schutz gewährenden Serumschutzimpfung wieder aufzunehmen. 

Die Serumschntzimpfung hat, wie seiner Zeit berichtet, bei 
Schweinen und Schafen durchaus befriedigende Ergebnisse ge¬ 
liefert in der Praxis. Bei Rindern waren mit dem Serum ja 
ohne Zweifel auch Erfolge zu erzielen gewesen. Die Höhe der 
angewendeten Dosen einerseits und die kurze Dauer des Schutzes 
andererseits standen jedoch, wie eine Reihe von Versuchen an 
größeren Tierbeständen in der Praxis ergeben hatte, einer 
praktischen Verwendung des Serums entgegen. Einige früher 
bereits, Ende 1898, angestellte Versuche hatten nun ergeben, 
daß Rinder, nachdem sie mit y lw ccm ganz frischer wirksamer 
Lymphe intravenös infiziert waren, durch Einspritzung von be¬ 
stimmten Dosen Serums zur Zeit des Temperaturanstieges vor der 
Erkrankung bewahrt werden können. Ich lasse diesen die Wirk¬ 
samkeit des Serums unbedingt beweisenden Versuch hier folgen: 
Vier Rinder erhielten je 1 / lw ccm frisch gewonnener virulenter 
Lymphe intravenös eingespritzt. Die Tiere wurden alsdann 
stündlich gemessen. Sobald die Temperatur stetig in die Höhe 
ging, und 40 °C erreicht hatte, was 22—30 Stunden nach der 
Infektion der Fall war, erhielten das erste Tier 20, das zweite 
50, das dritte 100 und das vierte 200 ccm Serum, welches von 
einem mit steigenden Dosen Lymphe vorbehandelten Ochsen 
stammte, intravenös eingespritzt. Die Temperatur stieg bei 
allen Tieren noch einige Stunden an und erreichte fast 41 0 C, 
fiel dann aber innerhalb 12 Stunden bei sämtlichen Tieren zur 
Norm ab. Das erste Tier, mit 20 ccm Serum, bekam nur eine 
Maulblase, das zweite mit 50 ccm Serum eine Maul- und eine 
Riauenblase. Bei beiden Tieren verlief die Erkrankung auch 
sehr leicht. Die beiden anderen mit 100 und 200 ccm Serum 
blieben vollkommen gesund und vollkommen frei von jeder ört¬ 
lichen Affektion bei mehrwöchentlicher Beobachtung. 

Es war also in diesem Versuche gelungen, mit 100 ccm 
Serum die bereits im Anzuge befindliche Erkrankung hintanzu¬ 
halten, d. h. die bereits kranken Tiere zu heilen. Aber auch 
die kleinen Dosen von 20 und 50 ccm Serum hatten einen un¬ 
bestreitbar günstigen Einfluß gehabt. Eine heilende Dosis von 
100 ccm erschien damals im Hinblick auf die Schwierigkeit und 
Kostspieligkeit der Serumgewinnung als eine für die praktischen 
Verhältnisse sehr hohe. Da von den verschiedenen Heilserum¬ 
arten zur Erzielung eines präventiven Schutzes erheblich kleinere 
Mengen notwendig sind als zur Heilung einer bereits bestehenden 
Infektion, so wurden damals eine Anzahl Schutzimpfungsversuche 
in der Praxis angestellt mit kleineren Mengen, 10—20 ccm des 
gleichen Serums. Diese Versuche haben in einigen Fällen recht 
gute, in anderen aber nicht vollbefriedigende Ergebnisse ge¬ 
liefert. Inzwischen war nun versucht worden, durch Behandlung 
von Pferden, welche sich ja erfahrungsgemäß für die Serum¬ 
gewinnung besonders gut und viel besser wie die Rinder eignen, 
mit steigenden Lymphemengen ein brauchbares Serum zu ge¬ 


winnen. Da nun, wie aus der Prüfung des Serums an Ferkeln 
zu schließen war, von Pferden bessere Sera noch schneller und 
leichter erhältlich waren als von Rindern, so wurde von der 
Gewinnung des Serums von Rindern Abstand genommen und 
nunmehr ausschließlich mit Pferdeserum gearbeitet. 

Als sich nun aber schließlich herausstellte, daß bei Rindern 
durch Pferdeserum eine gleich gute Schutzwirkung wie bei 
Schweinen und Schafen nicht erzielt werden konnte, wurde der 
Versuch gemacht, durch Kombinierung des hochwirksamen Pferde¬ 
serums mit Serum von durchseuchten Rindern, welchen je nach 
den früheren Untersuchungen eine Einwirkung auf die Erreger 
beizumessen ist und welches überall leicht beschafft werden 
kann, bessere, namentlich länger dauernde Schutzwirkungen 
herbei Zufuhren. Diese Versuche gaben zum Teil recht gute 
Resultate. Immerhin aber zeigte es sich, daß die Dosis des wirk¬ 
samen Pferdeserums, trotz des Zusatzes des Serums von durch¬ 
seuchten Rindern, in einem andauernd mit frischkranken Tieren 
besetzten Stalle nicht erheblich niedriger als 100 ccm genommen 
werden durfte, wenn die Wirkung eine gute sein sollte. Die 
Dauer des Schutzes war aber ohne Zweifel infolge der Beigabe 
des Rinderserums zum Pferdeserum erhöht. Diese Beobachtungen 
im Verein mit der früher beobachteten unzweifelhaften Heil¬ 
wirkung des hochwirksamen Rinderserums führten dazu, die 
Immunisierung von Rindern behufs Gewinnung eines wirksamen 
Serums von neuem aufzunehmen. 

Es wurden mehrere Rinder mit steigenden Lymphmengen 
immunisiert. Die Gewinnung der Lymphe geht jetzt ohne 
Schwierigkeiten vonstatten. Nachdem in dem Ferkel das ge¬ 
eignete Tier zur Fortzüchtung und Erhaltung der Virulenz der 
Lymphe gefunden war, ist der Lymphestamm seit nunmehr fast 
zwei Jahren ununterbrochen von Ferkel zu Ferkel fortgezüchtet 
worden. Die Virulenz hat sich gut erhalten. Ferkel von 5 bis 
6 Wochen sterben nach Dosen von Yao bis V 10 ccm dieser 
Lymphe stets an denselben charakteristischen Erscheinungen 
(gelbe Herde im Herzmuskel), wofern sie einer gut empfind¬ 
lichen Rasse angehören. Es war bisher niemals nötig, 
Lymphe aus frischen Seucheausbrüchen von auswärts her in 
den Betrieb neu einzuführen. Mit diesem, im Ferkel fort¬ 
gezüchteten Lymphestamm wurde die Immunisierung der Rinder 
bewirkt. Das von den Rindern gewonnene Serum wurde nun 
an Rindern geprüft. Es zeigte sich, daß die sicher schützende 
Dosis zwischen 75 und 100 ccm liegt. 

Für die Beurteilung der Schutzwirkung ist es wichtig zu 
wissen, einer wie starken Infektionsgefahr die geringsten Tiere 
andauernd ausgesetzt waren. Es waren stets frisch kranke 
Tiere in dem Seuchestall vorhanden; die geimpften Tiere standen 
neben denselben und ihnen gegenüber und fraßen und tranken 
aus einer und derselben Krippe. Sämtliche Tiere, kranke und 
geimpfte durcheinander, wurden täglich im Maul genau unter¬ 
sucht, indem das Maul geöffnet und die Zunge hervorgezogen 
wurde. Die Infizierung war mithin tagtäglich eine außer¬ 
ordentlich intensive. 

Trotz dieser wiederholten Infektionen haben alle Rinder, 
welche 100 ccm Serum eingespritzt erhalten hatten, drei Wochen 
widerstanden. Einzelne sind in der vierten Woche unter 
leichtem, kurzdauerndem Fieber mit einer Zungen- oder Maul¬ 
blase erkrankt. Die Erkrankung war so leicht, daß die Tiere 
durch dieselbe in keiner Weise geschädigt wurden, während 
die Kontrolltiere alle schwer erkrankt waren. Die Mehrzahl 


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26. März 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


211 


ist aber auch noch nach 4—5 wöchentlichem Anfenthalt im Seuchen- 
stall gesund geblieben. Ähnlich haben auch noch Dosen bis zu 
60 ccm herab gewirkt, bei 60 ccm wurde die Wirkung unsicher; 
manche Tiere erkrankten nach 10—20 tägigem Aufenthalt im 
Seuchenst&ll nnr leicht, manche blieben auch dauernd gesund. Sogar 
von den mit 20 ccm Sernm behandelten Tieren ist noch ein 
erheblicher Prozentsatz, die Hälfte, von acht Tieren vier, 
gesund geblieben. Bei einer Anzahl der immnnen Tiere wurden 
wieder die eigentümlichen Epithel Veränderungen am Manie be¬ 
obachtet, welche früher bereits geschildert sind. Dieselben 
kommen ausschließlich vor bei Tieren, welche sich eines gewissen 
Grades von Immunität gegenüber der Seuche erfreuen, nnd sind 
als abortive Krankheitserscheinungen aufzufassen. Wenn man ein 
Analogon hierzu suchen wollte, so könnte man diese Epithel¬ 
veränderungen etwa vergleichen mit den leichten Varioliden, 
welche bei mit Kuhpocken schutzgeimpften Individuen bisweilen 
auftreten, wenn dieselben einer heftigen natürlichen Infektion 
mit Pockenvirus ausgesetzt gewesen sind. Infektiös sind 
übrigens, wie es scheint, diese Epithelveränderungen nicht. Einige 
Impfversuche mit dem abgeschabten Material, um die Krankheit 
künstlich zu übertragen, sind erfolglos geblieben. 

Wenn nun auch nach den in den Versuchsstallungen ge¬ 
machten Beobachtungen ein Zweifel über die Schutzkraft des 
hochwertigen Rinderserums bei Rindern nicht mehr bestehen 
konnte, so mußte doch erst die Erfahrung in der Praxis den 
Beweis dafür liefern, daß durch eine solche Serum-Schutz- 
impfung die Seuche mit Erfolg bekämpft werden kann. Im 
großen und ganzen sind die Tierbesitzer erst dann geneigt eine 
Schutzimpfung ihrer Bestände vorzunehmen, wenn eine Er¬ 
krankung auf ihrem Gehöfte bezw. auf einem benachbarten 
Gehöfte vorgekommen ist Durch ein anderes Verfahren, als 
durch die Serum-Schutzimpfting ist man nicht im stände, und 
wird man voranssichtlch niemals im stände sein, eine bereits 
zum Ausbruch gekommene Seuche zn coupieren. Wenn es ge¬ 
lingt, auf einem Gehöft, auf welchem die Seuche aufgetreten ist, 
die noch nicht infizierten Rinder vor der Erkrankung zu 
schützen, und zwar so zu schützen, daß sie anch nach dem 
Abheilen der zuerst erkrankten nicht nachträglich noch erkranken, 
so dürfte das erreicht sein, was überhaupt von einer Schutz¬ 
impfung erwartet und verlangt werden kann. 

Es bot sich nun die Gelegenheit, in einer Anzahl von hinter¬ 
einander folgenden Säucheausbrüchen das nene Serum in der 
Praxis zn erproben. 

Bei dem Müller P. in G. wurde am 7. November die Seuche 
festgestellt. Eine Starke war am 5. November erkrankt; am 
7. November schäumte sie heftig. Es wurden bei ihr Zungen- 
und Maulblasen gefunden. In demselben Stalle standen 6 Kühe; 
außerdem waren 5 Schweine auf dem Gehöft vorhanden. Die 
Rinder erhielten am 7. November je 100 ccm, die Schweine 
20 ccm Serum. Die Starke wurde nach einigen Tagen ge¬ 
schlachtet; die Rinder und Schweine sind nicht erkrankt. 

Bei dem Ackerbürger G. in G. wurde am 11. November die 
Seuche unter den Kühen festgestellt. In dem Kuhstall wurden 
alle Kühe* 11 an der Zahl, bereits krank gefunden. In einem 
zweiten Stalle standen 8 Rinder, 1 Bulle und 7 Kühe, von welchen 
drei, No. 2, 3 und 4, ganz frisch erkrankt, die anderen ver¬ 
dächtig waren, und in einem dritten Stalle unter demselben 
Dache mit dem zweiten Rinderstalle 3 Stück Jungvieh, welche 
noch gesund waren. 


Es erhielten in dem zweiten Stalle der Bulle nnd 3 Kühe 
je 100 ccm Serum, eine Kuh 50 ccm Serum, von den 3 Stück 
Jungvieh zwei 100 ccm Serum und eine 50 ccm Serum. Von 
den schutzgeimpften Tieren erkrankte der Bulle ganz leicht im 
Maul und an einer Klaue, die Kühe, mit 100 ccm Serum geimpft, 
blieben gesund. Die Knh mit 50 ccm Serum erkrankte mäßig 
im Maul und an allen Klauen. Sie heilte viel schneller ab als 
die nicht behandelten Tiere und blieb dauernd bei gutem 
Ernährungszustand. Die 3 Stück Jungvieh, welche von dem¬ 
selben Manne gewartet und gefüttert wurden wie die kranken 
Tiere, blieben alle drei gesund. 

Bei dem Ackerbürger W. in G. wurde am 5. Dezember die 
Seuche festgestellt Es waren drei Ställe vorhanden: Ein Kuh¬ 
stall mit 15 Kühen, von diesem darch die Tenne getrennt ein 
zweiter Kuhstall B mit 8 Kühen, und auf dem Hof, in einem 
anderen Gebäude, ein dritter Stall mit 11 jungen Rindern. Von 
den 15 Kühen im Kuhstall waren 12 bereits krank, meist recht 
schwer. Die noch nicht sichtbar erkrankten Tiere in diesem 
Stalle 1, 2 und 5 erhielten je 100 ccm Serum. Im Stalle B 
war ein Tier krank. Die 7 übrigen Kühe erhielten ebenfalls 
100 ccm Serum. Im Hofstalle waren alle Tiere noch gesund. 
Es erhielten 5 hochtragende Starken 100 ccm Serum, 5 etwa 
einjährige Kälber 50 ccm Serum und ein zweijähriger Bulle 
80 ccm Sernm. Von den 3 geimpften Kühen im Kuhstall 
bekam eine Kuh leichte Blasen im Maul und an einer Klaue, 
die zweite eine Blase auf der Zunge, die dritte blieb gesund. 
Die erkrankten Tiere fraßen nur einen halben Tag nicht gut, 
sonst war ihnen äußerlich eine Erkrankung nicht anzusehen. 
Die Tiere sind vor der Impfung sicher alle drei schon infiziert 
gewesen. Die günstige Wirkung des Serums ist mithin als 
Heilwirkung anzusehen. Der Unterschied in dem Befinden dieser 
Tiere von dem der nicht Geimpften war ein ganz eklatanter. 
Die sämtlichen Tiere im Stalle B und im Fofstall sind gesund 
geblieben, wiewohl sie mehrfach im Maule untersucht worden 
sind, unmittelbar nachdem die kranken Tiere untersucht waren, 
ohne daß eine Desinfektion der Hände der Untersuchenden statt¬ 
gefunden hätte. 

Am 31. Dezember wurde bei dem Ackerbürger C. in G. 
die Seuche festgestellt. Die Kühe im Kuhstalle waren zum 
größten Teile krank. Eine Sernmschutzimpfung wurde in 
diesem Falle nicht vorgenommen, vielmehr das Baccellische 
Heilverfahren geprüft 

In einem anderen Stalle standen 13 Stück Jungvieh, von 
denen 3 vor Jahresfrist als junge Starken im hygienischen 
Institut immunisiert waren. Mehrere derselben fieberten bereits 
hoch. Sie waren vermutlich schon infiziert. Von diesen 10 
Starken erhielten 

4 (2, 3, 4, 5) 50 ccm frisch gewonnenes defibriniertes Blut 
(kein Serum), 

2 (6, 7) 75 ccm frisoh gewonnenes defibriniertes Blut, 

4 (9, 10, 11, 13) 100 ccm frisch gewonnenes defibriniertes Blut, 
2, 3 und 4 erkrankten nach 12 Tagen mit je einer leichten 

Zungenblase, 

5 blieb gesund, 

6 und 7 blieben gesund, 

9 bekam nach 12 Tagen eine kleine Maulblase, 

11 nach 5 Tagen eine kleine Zungen-, und nach 10 Tagen eine 
kleine Maulblase, 

10 und 13 blieben gesund. 


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212 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 13. 


Von den 10 Tieren sind daher 5 ganz gesund geblieben 
und 5 ganz leicht erkrankt. Der Besitzer hatte an den 
Tieren nichts Krankhaftes bemerkt. Erst durch genaue 
Untersuchung des Maules und der hervorgezogenen Zunge 
waren die leichten Maul- und Zungenblasen aufgefunden 
worden. 

Betont möge noch sein, daß in diesen Fällen defibriniertes 
Blut und nicht Serum eingespritzt ist, weil für die Ge¬ 
winnung des Serums keine Zeit mehr blieb. Die Blutkörperchen 
nehmen im defibrinierten Blate ein ziemlich großes Volumen 
ein, daher ist die Menge wirksamen Serums, welches die 
Tiere erhalten haben, erheblich geringer als die eingespritzte 
Blutmenge. 

Auf dem Gute R. bei A. bei Herrn v. B. wurde am 
11. Januar die Seuche festgestellt. 1899 war die Seuche dort 
gewesen, 1900 waren gegen 30 Kälber erkrankt, daher waren 
jetzt alle Kühe ca. 200 immun. Nicht immun waren 3 frisch 
eingeführte Bullen und etwa 60 Starken und Kälber, welche in 
mehreren Stallungen verteilt standen. Die Seuche war ausge¬ 
brochen in einem Stall, in welchem die Leute-Kühe standen. 
Neben diesem Stall standen 32 Starken, welche früher bereits 
durchseucht waren bis auf 6. Diese wurden nicht geimpft, weil 
nicht mehr zu ermitteln war, welches die 6 nicht Durchseuchten 
waren. Diese 6 hat jedoch die Seuche herausgefunden. Sie 
sind in der Zeit vom 13.—16. Januar erkrankt. Die 3 Bullen 
erhielten 100 ccm Serum, die 60 Starken und Kälber 20—50 ccm 
Serum. Von diesen Tieren ist kein einziges erkrankt. Da die 
Gefahr bestand, daß die Seuche auf die großen Schaf- und 
Schweinebestände übertragen werden könnte, so wurden die 
zahlreichen Schafe und Schweine, 305 tragende Mutterschafe 
und 5 Böcke, 34 Sauen und Pölke, 1 Eber und 22 Sauen mit 
68 Ferkeln verschiedenen Alters, sämtlich mit Dosen von 10 
bis 20 ccm Serum, und zwar Pferdeserum geimpft. Die kleinen 
Ferkel erhielten 2—3 ccm Serum. Auch diese Bestände sind 
vollständig verschont geblieben. 

Nach den vorstehend berichteten, in erfreulicherweise 
übereinstimmenden Ergebnissen, welche bei den Versuchen so¬ 
wohl in den Versuchsställen wie unter praktischen Verhältnissen 
gewonnen sind, kann es keinem Zweifel mehr unterliegen, daß 
wir in dem neuen Serum ein wirksames, praktisch brauchbares 
Mittel zur Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche unter den 
Rindern besitzen. Notwendig wird es nunmehr sein, die Wirkung 
des Serums noch näher zu studieren, besonders dasselbe in 
Seuchegängen zu erproben, in welchen die erkrankten Tiere 
der Senche zahlreich erliegen, d. h. bei der sogenannten bös¬ 
artigen Form der Maul- und Klauenseuche, wie sie in Süd¬ 
deutschland öfters herrscht. 

Für diese wichtigen Versuche bedarf es natürlich großer 
Serummengen. Es müßte deshalb eine größere Zahl von Serum 
liefernden Tieren eingestellt und hoch immunisiert werden. Da 
ferner die Gewinnung der nötigen Lymphe noch mit größeren 
Kosten verbunden ist und da für die Prüfung der Sera zahl¬ 
reiche Rinder nötig sein werden, so dürfte es notwendig sein, 
für das neue Etatsjahr eine höhere als die in Aussicht genommene 
Summe von 30 000 M., vielleicht 45—50 000 M., in den Etat 
einzustellen. 

gez. Professor Dr. Loeffler 
Geheimer Medizinalrat. ' - 


II. 

Die Untersuchungen im Etatsjahr 1902. 

Greifswald 18. Januar 1903. 

Eurer Exzellenz beehre ich mich über den Fortgang der 
Untersuchungen über die Maul- und Klauenseuche im Etatsjahr 
1902 gehorsamst zu berichten. 

In meinem gehorsamsten Bericht vom 6. Februar v. Je. 
hatte ich dargelegt, daß es gelungen war, von Rindern, welche 
mit steigenden Dosen wirksamer Lymphe vorbehandelt worden 
waren, ein Serum zu gewinnen, welches in der Dosis von 
100 ccm Rinder gegen die natürliche Infektion zu schützen 
vermochte. Die Versuche in den Versuchsställen wie auch in 
der Praxis hatten übereinstimmende, befriedigende Resultate 
ergeben. 

Bei einigen Schutzimpfungsversuchen, welche mit neu her¬ 
gestelltem Serum weiterhin in den Versuchsställen vorgenommen 
wurden, ergab sich nun, daß Tiere, welche unmittelbar nach der 
Einspritzung von 100 ccm Schutzserum zwischen ganz frisch 
und schwer erkrankte Rinder eingestellt waren, trotz der Ein¬ 
spritzung des Schutzserums erkrankten. Dieses Ergebnis hätte 
den Schluß gestatten können, daß die frisch vorbehandelten 
Rinder ein weniger gutes Serum geliefert hatten wie die früher 
vorbehandelten. In einem dieser Versuche waren jedoch auch 
einzelne Tiere, welche das als gut erprobte, ältere Serum in 
gleicher Dosis erhalten hatten, ebenfalls erkrankt. Hier lag die 
Möglichkeit vor, daß das Serum infolge der längeren Auf¬ 
bewahrung an Wirksamkeit Einbuße erlitten haben konnte, wie 
dies bei andern Serie ja bisweilen beobachtet worden ist Es 
gab jedoch noch eine andere Erklärungsmöglichkeit für das Er¬ 
kranken der Tiere. Da nicht alle Tiere erkrankt waren, so 
konnte die Menge des von den einzelnen Tieren bei der natür¬ 
lichen Infektion aufgenommenen Virus bei dem Zustandekommen 
der Erkrankung eine gewisse Rolle gespielt haben. Daß die Menge 
des aufgenommenen Virus für die Schnelligkeit und Intensität der 
Infektion von Bedeutung ist, ist ja früher schon festgestellt 
Gelegentlich war auch die Beobachtung gemacht worden, daß 
Rinder, welche grössere Dosen Lymphe, 1, 2, ja 4 ccm vertragen 
hatten, nach Einspritzung ganz akut gesteigerter hoher Dosen 
von 10, 12 ccm erkrankt waren, daß mithin eine schon sein- 
kräftige Immunität durch eine große Menge Virus überwunden 
werden kann. Es kam deshalb darauf an, durch Versuche an 
Rindern genau zu ermitteln den Grad von Immunität, welcher 
den Rindern durch die Einspritzung von 100 ccm Serum 
verliehen wird, d. h. festzustellen, welcher Dosis wirksamer 
Lymphe Rinder nach Einspritzung von 100 ccm Serum zn 
widerstehen vermögen. Bis dahin war der Wirkungswert des 
Serums an Ferkeln bestimmt worden; da sich aber die Rinder 
und die Ferkel nicht gleich verhalten gegenüber der Infektion, so 
erschien es notwendig, den Wert des Serums direkt an Rindern 
zu ermitteln. Diese Ermittelung konnte in der Weise vor¬ 
genommen werden, daß entweder eine bestimmte, abgemessene 
Menge Serum mit steigenden Dosen Lymphe vermischt, oder 
aber eine bestimmte Lymphemenge mit verschiedenen Mengen 
Serum vermischt, einer Reihe von Tieren eingespritzt wurde. 
Von diesen beiden Modis gestattete ohne Zweifel der erstere 
ein besseres Urteil über das Serum wie ddr zweite, weil ja bei 
dem letzteren die Menge der mit dem Serum auszutitrierenden 
Lymphe sehr verschieden groß gewählt werden kann, und weil 
die mit einer kleineren Lymphemenge, z. B. Vioo oder Vs o ccm 


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26 März 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


213 


gewonnenen Ergebnisse nicht ohne weiteres anf Mnltipla dieser 
Menge, V 10 , 2 /io ccm etc * übertragen werden können. Aber 
auch der erste Modus entspricht nicht der Anwendungsweise 
des Serams in der Praxis, denn es ist ein großer Unterschied, 
ob das Seram, direkt mit der Lymphe vermischt, in das Blut 
gelangt, oder ob das Seram zunächst in der ganzen Blutmasse 
verteilt und dann die Lymphe in diese eingebracht wird. Ein 
besseres Urteil über die praktische Verwendbarkeit eines Serams 
mußte sich daher dann gewinnen lassen, wenn einer Reihe von 
gleichartigen Tieren eine bestimmte Menge Serum und 24 Stunden 
später verschiedene Mengen wirksamer Lymphe den einzelnen 
Tieren eingespritzt wurden. Als Prüfungsdosis des Serums 
wurde die Menge von 100 ccm gewählt, welche im allgemeinen 
sich als schützend gegen die natürliche Infektion erwiesen batte. 
Die Prüfung geschah nun in der Weise, daß eine Anzahl von 
Tieren, annähernd gleichen Gewichtes, je 100 ccm Seram intra¬ 
venös eingespritzt erhielten, und daß 24 Stunden später den 
verschiedenen Tieren steigende Mengen wirksamer Lymphe, Vioo» 
Vs o, V20» V10» 2 /io» 3 /io ccm injiziert wurden. Diese Versuche 
ergaben, daß die besten Sera im Stande waren 2 /io ccm Lymphe 
unschädlich zu machen. Wenn man bedenkt, daß V20000» J a 
selbst V40000 ccm einer gut virulenten Lymphe für die Infektion 
eines gesunden Tieres genügt, so erhellt, daß der durch das Serum 
gewährte Schutz ein recht erheblicher ist, daß wenigstens die 
4000fache Menge der krankmachenden Dosis durch 100 ccm 
Seram paralysiert wird. 

Die natürliche Infektion wird bei frischen Sencheausbrüchen 
gewöhnlich durch eine sehr geringe Menge von Lymphe bewirkt, 
welche, an irgend welchen Gegenständen oder Individuen haftend, 
auf ein gesundes Tier übertragen wird. Zum Schutze gegen 
diese geringen Mengen des Infektionsstoffes sind daher 100 ccm 
Serum mehr wie ausreichend. 

Ganz anders aber gestalten sich die Verhältnisse, wenn ein 
gesundes Tier neben einem frisch erkrankten Tiere, oder an 
derselben Sauf- und Futterrinne mit diesem steht. Die Menge 
der von einem frischkranken Tiere produzierten Lymphe kann 
außerordentlich verschieden sein. Bisweilen sind die Blasen 
klein, dann ist die beim Platzen derselben nach außen gelangende 
Lymphemenge eine geringe. Häufig aber sind die Blasen groß; 
besonders auf der Zunge sind Blasen von Walnußgröße und 
darüber gar nicht selten. In diesem Falle betördert das kranke 
Tier viele Kubikzentimeter Lymphe mit dem reichlichenMaulschleime 
nach außen, welche auf das Futter oder in die Waßerrinne 
gelangen und nun von den daneben stehenden Tieren auf¬ 
genommen werden. In solchen Fällen kann daher die die In¬ 
fektion bewirkende Lymphemenge ev. sogar mehrere Kubik¬ 
zentimeter betragen. Dann wird der Schutz, welcher von 100 ccm 
eines 2 / 10 ccm Lymphe neutralisierenden, Serums gewährt wird, 
nicht ausreichen, um das Tier vor der Erkrankung zu bewahren. 

Es finden somit die trotz Einspritzung von 100 ccm eines 
guten Serums beobachteten Erkrankungen von Tieren, welche 
neben frischkranken Tieren gestanden hatten, durch die großen 
Mengen der von diesen anfgenommenen Lymphe eine durchaus 
befriedigende Erklärung. 

Eine Reihe weiterer Versuche ergab nun, daß bereits 
20 ccm eines Serums von dem eben genannten Wirkungswerte 
* imstande sind, ein Tier gegen die 24 Stunden später erfolgende 
intravenöse Einspritzung von V20 ccm Lymphe zu schützen. 
Hiernach müssen bereits 20 ccm pro Tier genügen, um die durch 


kleine Mengen Lymphe erfolgende natürliche Infektion, oder 
mit anderen Worten, die Einschleppung der Seuche in einen 
damit schutzgeimpften, gesunden Bestand zu verhindern. Es 
mußte dann auch mögleich sein, gesunde Tiere in einem kranke 
Tiere beherbergenden Stalle durch diese relativ kleine Serum¬ 
dosis zu schützen, wofern nur dafür Sorge getragen wurde, daß 
grobe Infektion durch direkt begeifertes Futter oder direkt in¬ 
fiziertes W'asser verhütet wurde. 

Ein solcher Versuch ließ sich mit Leichtigkeit in dem 
Seuchenstalle des Gehöftes ausführen. Der Seuchenstall enthält 
zwei Futtergänge. An dem einen, einem einfachen Gange, steht 
eine Reihe von Tieren mit den Köpfen nach einer Wand zu; 
an dem zweiten, einem Doppelgange, stehen sich zwei Reihen 
von Tieren mit den Köpfen gegenüber. Es wurde nun eine 
Anzahl von Rindern an den Einzelgang gestellt, und eine Anzahl 
an den Doppelgang. Die Tiere am Einzelgang erhielten je 
20 ccm Serum, ebenso ein Teil der Tiere am Doppelgang. Ein 
anderer Teil dieser Tiere wurde mit Dosen von Y100—Vso ccm 
Lymphe infiziert, um sie schnell krank zu machen; ein Tier 
blieb unbehandelt, erhielt also weder Serum noch Lymphe. Der 
Versuch verlief nun folgendermaßen: Die mit Lymphe infizierten 
Rinder erkrankten nach 2—4 Tagen schwer. Nach 4 Tagen 
erkrankte das nicht behandelte Tier, nach 14 Tagen die mit 
20 ccm Seram behandelten Tiere am Doppelgange; die am Einzel¬ 
gange stehenden blieben gesund. Da die sichere Schutzwirkung 
kleiner Serummengen meist nur 14 Tage bis 3 Wochen, bis¬ 
weilen auch nur 14 Tage dauert, so erhielten die Tiere am 
Einzelgange alle 10 Tage 20 ccm Serum eingespritzt. Der 
Versuch wurde 6 l /a Wochen fortgesetzt. Die Tiere erkrankten 
nicht, wiewohl von Woche zu Woche Tiere in dem Stalle frisch 
infiziert wurden, und wiewohl sie von denselben Dien era gefüttert 
und gepflegt wurden wie die kranken. Daß im übrigen die 
Ansteckungsgefahr eine überaus große für diese Tiere war, 
beweist der Umstand, daß 2 Tiere, welche zur selben Zeit in 
einem auf der anderen Seite des Hofes gelegenen in der Scheune 
hergestellten Stalle unbehandelt eingestellt wurden, nach 8 bezw. 
9 Tagen typisch erkrankten, ohne daß sie direkt infiziert 
worden wären. 

Es ist somit möglich, durch wiederholte Einspritzungen 
kleiner Dosen wirksamen Serams Tiere sogar in einem ver¬ 
seuchten Stalle vord er Infektion zu bewahren, wofern sie nicht 
der direkten Infektion durch die von frischkranken Tieren mit 
dem Maulschleime nach außen beförderte Lymphe ausgesetzt 
werden. Freilich muß die Einspritzung des Serums erfolgen, 
bevor die Infektion erfolgt ist. Denn um bei bereits infizierten 
Tieren den Ausbruch der Krankheit zu verhindern, bedarf es 
ungleich viel größerer Dosen eines solchen Serams — 100 
— 200 ccm — und auch dann gelingt die Verhütung des 
Krankeit8ausbrache8 nicht immer, nämlich dann nicht, wenn die 
schützende Injektion erst kurze Zeit vor dem zu erwartenden 
Ausbruche der Krankheitserscheinungen erfolgt. Der Verlauf 
scheint indessen, nach den angestellten Versuchen, in diesen 
Fällen ein sehr milder zu sein. 

Weitere Veruche darüber, ob es möglich sein wird, mit 
noch kleineren Serumdosen, 10 ccm und 5 ccm, Rinder gegen 
die durch kleine Lymphemengen bedingte natürliche Infektion 
zu schützen, sind noch im Gange. 

Die guten, ganz unzweideutigen Ergebnisse der bisher an¬ 
gestellten Versuche berechtigen dazu, die Anwendung des Serums 


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214 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 13. 


zu Schutzimpfungen unter bestimmten Verhältnissen der Praxis 
dringend zu empfehlen. 

Alle Rinder, welche auf Märkte gebracht werden, von welchen 
aus, wie die Erfahrung gelehrt hat, überaus häufig Infektionen 
ausgehen, müßten einer prophylaktischen Serum-Schutzimpfung 
unterzogen werden. Sie würden dann vor der Infektion sicher 
geschützt sein, später nicht erkranken und somit nicht zur 
Weiterverbreitung der Seuche Anlaß geben können. Ebenso 
würde es sich empfehlen, die Einfuhr von Rindern von außerhalb 
von einer vorherigen Serum-Schutzimpfung abhängig zu machen, 
um die von solchen Tieren drohende Einschleppungsgefahr auf 
ein äußerst geringes Maß zu reduzieren. 

Empfehlen würde es sich auch, den Besitzern, welche 
fremdes Vieh aus seucheverdächtigen Gegenden in ihre Bestände 
einführen, anzuraten, dieses Vieh sowie die mit dem eingeführten 
Vieh in demselben Stalle Btehenden oder mit demselben irgend¬ 
wie in Berührung kommenden Rinder einer prophylaktischen 
Serumschutzimpfung zu unterziehen. 

Bedingung für derartige Maßnahmen wäre natürlich die 
Möglichkeit des Bezuges eines solchen Serums zu annehmbaren 
Preisen. In einem ad hoc eingerichteten Institut würde die 
Herstellung der erforderlichen Serummengen sich ohne Schwierig¬ 
keiten bewirken lassen. 

Die Fortzüchtung der Lymphe in Ferkeln geht seit Jahren 
ohne Unterbrechung von statten. Es hat sich ergeben, daß die 
Rasse der Tiere dabei von großer Bedeutung ist. Am besten 
eignen sich Tiere des großen, weißen englischen Schlages, be¬ 
sonders der Yorkshire-Rasse. Ungeeignet, weil zum Teil sehr 
wenig empfänglich, ist das gewöhnliche Landschwein. Zur 
Weiterzüchtung des Virus wird jetzt alle 5—6 Tage einem 
Ferkel von 15—20 Kilo Gewicht y^-, ccm Lymphe eingespritzt. 
Das Tier erkrankt dann regelmäßig nach 2—3 Tagen. Sofort 
nach der Abnahme der Lymphe werden ihm 10 ccm Schutzsernra, 
von Pferden gewonnen, eingespritzt, dann erholen sich die Tiere 
schnell, und die Verluste sind sehr gering. 

Ebenso bietet die Gewinnung der zur Behandlung der 
Pferde und Rinder notwendigen Lymphemengen keine Schwierig¬ 
keiten. 

Die Zeit, welche nötig ist, um ein ganz frisches, noch nicht 
erkrankt gewesenes Rind soweit zu bringen, daß es ein gut 
wirksames Serum liefert, beträgt 2y 2 —3 Monate. Das Serum 
ist praktisch brauchbar, wenn 100 ccm desselben gegen 1 / 10 ccm 
frischer, virulenter Lymphe, 24 Stunden später intravenös ein¬ 
gespritzt, schützen. Zur Prüfang genügen 2 Rinder von 
200—250 Kilo Gewicht. Sie erhalten je 100 ccm Serum und 
am folgenden Tage je y 10 ccm Lymphe. Schützt das Serum 
nicht, so erkranken die Tiere nach 3—6 Tagen bereits. Sind 
die Tiere während einer vierzehntägigen Beobachtung gesund 
geblieben, so kann das Serum verwendet werden. Die Prüfung 
kann, wie die Erfahrung gelehrt hat, unbedenklich, d. h. ohne 
daß eine Störung des Versuches durch die natürliche Infektion 
zu befürchten wäre, auf dem Versuchsgehöfte selbst, aber 
natürlich in einem von dem Seuchenstalle getrennten Stalle vor¬ 
genommen werden. 

Eine Bestimmung des Wirkungswertes des Serums nach 
oben hin, d. h. gegenüber größeren Dosen Lymphe wie y 10 ccm 
halte ich nicht Für notwendig. Wichtig ist praktisch nur, daß 
der Wirkungswert 100 ccm = y 10 Lymphe gewährleistet wird. 


Die Versuche darüber, welche Rinderrassen sich am besten 
zur Gewinnung des Serums eignen, haben bisher das Ergebnis 
gehabt, daß ein grau-blauer ostfriesischer Ochse, ein rot-weißer 
englischer Longhorn-Ochse und ein gelber bayrischer Ochse 
gutes, mehrere schwarz-weiße Holländer ein weniger gutes 
Serum geliefert haben. Rinder anderer Rassen sind noch 
weiterhin bezüglich ihrer Brauchbarkeit zur Serumgewinnung 
zu prüfen. 

Die Haltbarkeit des mit Karbol versetzten Serums ist eine 
recht gute. Ein 8 Monate aufbewahrtes Serum hatte seine volle 
Wirksamkeit behalten. Ein anderes Serum hat nach 4 Monaten 
keine Abnahme seiner Wirkung erkennen lassen. 

Mit der bereits früher berichteten Gewinnung eines für die 
Schutzimpfung von Schweinen und Schafen vortrefflich geeigneten 
Serams von Pferden, und mit der jetzt gelungenen Herstellung 
eines für die Schutzimpfung von Rindern praktisch verwendbaren 
Serams hat die von Eurer Exzellenz Ende Februar 1897 mit der 
Erforschung der Maul- und Klauenseuche betraute Kommission 
die ihr gestellte Aufgabe im Wesentlichen gelöst. 

Die in den Jahren 1897 und 1898 im Institut für Infektions¬ 
krankheiten zu Berlin und vom Herbst 1898 bis heute im hygieni¬ 
schen Institut zu Greifswald unter Mitwirkung des Herrn Professor 
Frosch und, nach dessen Ausscheiden, des Stabsarztes Uhlenhut 
von mir durchgeführten Forschungen haben eine ganze Reihe 
wichtiger Ergebnisse gezeitigt. 

In erster Linie ist ermittelt worden, daß alle die Angaben 
zahlreicher Forscher in den verschiedensten Ländern über das Auf¬ 
finden bestimmter Mikroorganismen als Erreger der Krankheit irr¬ 
tümlich gewesen sind. Es ist vielmehr die ganz neue Tatsache fest- 
gestellt worden, daß der in der Blasenlymphe vorhandene Erreger 
der Maul- und Klauenseuche so klein ist, daß er durch Filter 
hindurch geht, welche alle, auch die kleinsten, bis dahin be¬ 
kannten Lebewesen sicher zurückhalten, und daß er wahrschein¬ 
lich so klein ist, daß er den stärksten bisher anwendbaren Ver¬ 
größerungen nicht mehr erkennbar ist. 

Durch die Filtration der Lymphe war es ermöglicht, das 
zur Infektion zu verwendende Material in absolut reinem Zu¬ 
stande zu gewinnen, ein Umstand, welcher erst gestattete, alle 
accidentellen Störungen bei den Arbeiten durch fremde Keime 
auszuschließen, und die Versuche wissenschaftlich sicher und 
zuverlässig zu gestalten. 

Es ist ferner ermittelt, daß die Infektion sicher gelingt 
durch Einführung der Lymphe in die Blutbahn, in die Muskeln 
und in die Bauchhöhle sowie auch durch Einführung des Viras 
in den Verdauungstraktus, während die kutane und subkutane 
Impfung sich als ganz unzuverlässig erwiesen haben. 

Es ist weiter dargetan, daß das Virus durch Eintrocknen 
schnell zu Grunde geht, daß es sich aber, bei niedriger Temperatur 
feucht aufbewahrt, monatelang lebend erhalten kann. Durch ein¬ 
gehende Versuche ist festgestellt, daß eine 5 Minuten währende 
Einwirkung einer Temperatur von 60° C. die Erreger in Flüssig¬ 
keiten abtötet, und, was namentlich für die Molkerei-Betriebe 
von Wichtigkeit ist, eine Erwärmung bis auf 85 0 C. die An¬ 
steckungsfähigkeit einer mit Lymphe infizierten Milch aufhebt. 

Während eine Kultivierung der Erreger trotz aller darauf 
gerichteten Bestrebungen nicht zu erzielen war, gelang es, die¬ 
selbe im Körper eineB leicht und zu jeder Zeit zu beschaffenden 
Versuchstieres, im Körper dee Ferkels, durchzufdhren. Während 
anfangs die Lymphe stets nach einiger Zeit verloren ging, so 


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26. März 1908. 


daß immer frische Lymphe aus frischen Seucheausbrüchen be¬ 
schafft werden mußte, war es durch die Fortzüchtung im Ferkel 
ermöglicht, denselben Lymphestamm dauernd und zwar hoch wirk¬ 
sam zu erhalten. 

Im Ferkel wurde auch ein Maßstab gefunden für die Messung 
der Virulenz der Lymphe, insofern, als eine gut wirksame Lymphe 
jungen, etwa fünf Wochen alten Ferkeln eingespritzt, diese 
unter ganz charakteristischen Erscheinungen — gelben Herden 
im Herzmuskel — tötet Es wurde auch ermittelt, daß die 
Lymphe sich quantitativ dosieren läßt 

Es ist weiter experimentell sicher gestellt, daß ca. drei 
Wochen nach dem Überstehen der Infektion Immunität der 
durchseuchten Tiere sich entwickelt, daß das Blnt solcher Tiere 
Stoffe enthält, Welche, mit gewissen Mengen wirksamer Lymphe 
gemischt, deren Wirkung auf heben, und daß durch solche 
Immunblut -Lymphmischungen Tiere immun gemacht werden 
können. 

Weitere eingehendere Untersuchungen über die Erzielung 
einer künstlichen Immunität haben dann zu dem Ergebnis ge¬ 
führt, daß es möglich ist, Tiere mit alter, durch langes Lagern 
im Eisschrank, und auch mit frischer, durch Erwärmen auf be¬ 
stimmte Temperaturgrade ihrer Ansteckungsfähigkeit entkleideter 
Lymphe aktiv immun zu machen. Diese Immunisierungsmethoden 
sind teilweise mit gutem Erfolge auch in der Praxis versucht 
worden, jedoch sind auch Mißerfolge mit denselben zu verzeichnen 
gewesen. 

Sehr viel besser geeignet für die Praxis, weil vollkommen 
ungefährlich, hat sich erwiesen die passive Immunisierung mittels 
gut wirksamer Sera. Durch Vorbehandlung von Pferden mit 
steigenden Mengen von Lymphe ist es gelungen, ein Serum zu 
gewinnen, welches Schweinen und Schafen vortrefflichen Schutz 
gewährt, nicht aber Binder in gleicher Weise schützt. 

Erst durch energische Behandlung von Rindern mit großen 
Lymphemengen hat sich ein Serum herstellen lassen, welches nun 
auch Rinder ebenso gat schützt wie das Pferdeserum die Schweine 
und Schafe. Durch die genaue Bestimmung des Wirkungswertes 
der Sera, des Pferdesemms an Ferkeln, des Rinderserams an 
Rindern, sind die Grenzen der Wirksamkeit derselben genau 
präzisiert worden, und damit deren praktische Anwendung auf 
eine sichere wissenschaftliche Basis gestellt. 

Eine Fortführung der Untersuchungen erachte ich, wenn auch 
die Forschungen bis zu einem gewissen Abschlüsse gediehen 
sind, gleichwohl im hohen Maße für wünschenswert, in erster 
Linie, weil eine Anzahl von Detail-Fragen der Seramgewinnung 
ein näheres experimentelles StHdium erheischen, ferner weil eine 
weitere Verfolgung der früher erzielten bemerkenswerten Er¬ 
gebnisse mit der sogenannten aktiven Immunisierung unter 
Berücksichtigung der den Wert der erzielten Immunität genau 
zu präzisieren gestattenden Erfahrungen nicht aussichtslos 
erscheint und endlich, weil die bisher noch erfolglos gebliebenen 
Versuche einer künstlichen Kultivierung des Erregers der 
Krankheit im wissenschaftlichen Interesse nicht aufgegeben 
werden dürften. Ich verfehle jedoch nicht, auf Grand meiner, 
über die Kostspieligkeit der Versuche gewonnenen Erfahrungen 
zu betonen, daß der von Eurer Exzellenz für das Etatsjahr 1903 
zur Fortführung der Versuche vorgesehene Betrag von 30 000 M. 
nicht ausreichen dürfte, um die beregten Fragen an einem 
genügend großen Tiermateriale in befriedigender Weise zu 
studieren, weil die weiteren Versuche vorzugsweise an Rindern 


215 


angestellt werden müssen und weil die Beschaffung der für die 
Behandlung der Pferde und Rinder zum Zwecke der Seram¬ 
gewinnung notwendigen Lymphe eine große Zahl von Tieren 
erfordern wird. Sofern daher Eure Exzellenz eine energische 
Fortführung der Untersuchungen erforderlich erachten, bitte ich 
gehorsamst, einen meinem Vorschläge in meinem gehorsamsten 
Berichte vom 12. Juli v. Js. etwa entsprechenden Betrag von 
50 000 M. für das Etatsjahr 1903 geneigtest bereitstellen zu 
wollen. gez. Professor Dr. Loeffler. 

Geheimer Medizinalrat. 


Referate. 

Vergleichende Untersuchungen darüber, welche der 
bekannten Methoden zur Unterscheidung roher von 
gekochter Milch am geeignetsten ist. (Preisgekrönte 

Arbeit.) 

Von Tierarzt Mauder er-Hochstadt. 

(D. th. W. 1902, No. 39.) 

Es unterliegt heute keinem Zweifel mehr, daß die Abgabe 
von roher Magermilch etc. aus Sammelmolkereien für die Vieh¬ 
bestände der Mitglieder der Molkerei eine nicht geringe Gefahr 
darstellt. Die Forderung ist daher durchaus berechtigt, daß 
die Molkereiprodukte nur nach einer Erhitzung auf 85 Grad C. 
abgegeben werden dürfen. Die Forderung der erwähnten Er¬ 
hitzung stützt sich auf die Tatsache, daß die meisten Bakterien 
bereits bei einer Erwärmung auf 85 Grad absterben bezw. 
deren Toxine unwirksam werden, so daß eine Krankheits¬ 
verschleppung nach deren Abkochung so gut wie ausgeschlossen 
erscheinen dürfte. 

Zur Kontrolle über die exakte Durchführung einer solchen 
Vorschrift bedarf es jedoch eines Prüfangsmittels, das rasch und 
sicher erkennen läßt, ob die fragliche Milch der nötigen Er¬ 
hitzung ausgesetzt war. 

Auch müssen diese Mittel so einfach sein, daß sie jedem 
Landwirt gestatten, zu kontrollieren, ob die aus der Zentrale 
zurückerhaltene Milch der gesetzlichen Vorschrift genügt. 

Auch für die im Seuchengesetz vorgeschriebene Erhitzung 
der Milch bei gewissen Seuchen dürfte das Bekanntwerden eines 
geeigneten Prüfungsmittels eine strengere Kontrolle ermöglichen. 

Erst neuerdings ist es verschiedenen Gelehrten gelungen, 
Unterscheidungsmittel zu finden. Verfasser gibt in der vor¬ 
liegenden Arbeit eine vollständige Übersicht über die bisher 
bekannt gewordenen Unteracheidungsmittel, sowohl über die 
brauchbaren wie unbrauchbaren. 

Die Erscheinungen, welche die gekochte Milch von der un¬ 
gekochten äußerlich unterscheiden, sind so geringfügiger Natur, 
daß sie zur Unterscheidung beider nicht verwandt werden können. 

Physikalisch besteht nur in dem Aufschäumen der gekochten 
und nicht gekochten Milch ein geringer Unterschied. Der Koch¬ 
geschmack ist nur „für exzentrisch entwickelte Papillen“ noch 
wahrnehmbar. 

Daß das Kasein der gekochten Milch durch Lab nicht oder 
doch viel weniger zum Gerinnen gebracht wird, ist ebenso wenig 
brauchbar für die Prüfung, wie die etwaige Veränderung der 
Acidität der Milch durch das Kochen. 

Ferner bat man einerseits die Gerinnung des Laktalbumins, 
andererseits den Nachweis organischen Phosphors als Unter¬ 
scheidungsmerkmal zu verwerten gesucht. Die für die entere 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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216 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 18. 


Untersuchung von Rubner erfundene Methode des Aussalzens 
der Milch mit Kochsalz ist zwar durchaus zuverlässig, wird 
aber ihrer Umständlichkeit halber doch nur im Laboratorium 
des Chemikers eine praktische Bedeutung erlangen können. Das 
Bernsteinsche Verfahren des Essigzusatzes ist nicht so zu¬ 
verlässig und ebenfalls umständlich. Endlich hat De Jager 
noch ein Verfahren zur Albuminbestimmung erfunden, bei dem 
nach Entfernen des Kasein (nach Hoppe-Seyler) das Filtrat 
mit Magnesiumsulfat gesättigt wird. Verfasser hält dieses Ver¬ 
fahren für die Praxis für ganz unbrauchbar; außerdem wird es 
durch die Resultate des Rubner sehen Verfahrens bei weitem 
übertroffen. 

Die Methoden, welche sich auf den Nachweis des organischen 
Phosphors in der gekochten Milch stützen, kommen wegen des 
großen benötigten Milchquantums und ihrer Umständlichkeit 
nicht in Betracht. 

Nach Schreiner soll die erhitzte Milch beim Erwärmen 
keinen H 2 S abgeben, wohl aber die frische Milch. Diese Art 
der Prüfung hat keine praktische Bedeutung. 

Es bleiben als wirklich brauchbar nur die chemischen Mittel 
zur Unterscheidung übrig, von denen zwei Methoden in Betracht 
kommen. 

1. Die S torchsche Reaktion. Ein Tropfen einer H 2 0 2 -Lö8ung 
und 2 Tropfen einer wässerigen 2-proz. Lösung von Paraphenylen¬ 
diamin werden einer kleinen Menge Milch zugesetzt. War die 
Milch vorher nicht über 80 Grad erhitzt, so tritt hierdurch eine 
Blaufärbung ein. Die Methode ist mehrfach modifiziert worden j 
es muß in dieser Beziehung auf die Originalarbeit verwiesen 
werden. 

2. Die Methode von C. Arnold. OBtertag' nennt diese 
Methode des Zusatzes von Gnajaktinktur das beste Mittel zur 
Erkennung gekochter Milch. Die Guajaktinktur ist eine rote 
Flüssigkeit, die die Fähigkeit besitzt, rohe Milch blau zu färben. 
Gekochte Milch läßt nach dem Zusatze nur eine schmutzig 
gelbe Farbe erscheinen. 

Verfasser hat beide Methoden einer eingehenden Prüfung 
unterzogen, sowie auch die verschiedenen Abänderungen derselben, 
und kommt zu folgendem Resultat: 

Die Arnoldsche Guajak-Reaktion ist die für die Praxis 
geeignetste, und zwar aus folgenden Gründen: 

1. Die Methode hat bei keiner der von mir untersuchten 
Proben im Stiche gelassen. 

2. Sie ist in der Ausführung die einfachste der bis jetzt 
bekannten Reaktionen, indem zu ihr nur ein Reagens 
benötigt wird. 

3. Das dazu verwandte Reagens geht auch nach Jahren 
keinerlei Zersetzungen ein. 

4. Der Eintritt der Reaktion ist durch Zusatz von Agentien 
irgend welcher Art nicht zu verhindern. 

5. Die Reaktion kann von jedem Laien mit Leichtigkeit 
ausgeführt werden, da sie einen beträchtlichen Zusatz an 
Reagenslösung erfordert. 

6. Säuerung der Milch hindert den Eintritt der Reaktion nicht. 

7. Die Methode gibt eine so charakteristische Blaufärbung, 
wie sie von keiner anderen Reaktion erreicht wird. 

8. Die Guajaktinktur läßt Mischungen von roher und 
gekochter Milch bis zu einem gewissen Grade mit genügender 
Sicherheit erkennen. 


Zum Schlüsse sei erwähnt, daß die Wirkung der Guajak¬ 
tinktur wahrscheinlich auf die Oxydation der Gu^jakonsäure 
durch freiwerdenden Sauerstoff zurückzuführen ist. 

Nevermann. 

Untersuchungen Ober die intra-mamniäre Kultur der 
Vaccine beim Rinde. 

Von Prof. Liönaux und Prof. Höbrant-Briissel. 

(Annalei de m6d. vtt, Juli 1902.) 

Die intra-mammäre Kultur der Vaccine kann nach diesen 
Versuchen eine reichliche und billige Produktion von Impfstoff 
liefern, der zudem viel reiner ist als das bisher verwendete 
Produkt, zumal wenn in die Milchgänge eine Kultur mit konstanter 
Virulenz injiziert wird, die vom Kaninchen genommen wird. 

Auf die Injektion wird das Euter warm, gespannt und 
schmerzhaft; die Drüsen schwellen leicht an; die Milch wird 
bröckelig; die Sekretion derselben verringert sich. Fieber zeigt 
sich nach zwei Tagen, dauert aber nur 24 Stunden an. Die 
Virulenz der Milch ist sehr groß und wächst vom dritten bis 
siebenten Tag; sie dauert länger als 14 Tage. Zündel. 

Über Trichorexis nodosa mit spezieller 
Berücksichtigung der Ätiologie und Therapie. 

Von Oberroßarzt Tennert. 

(Zeitschrift für Veterinärkunde 1902, H. 8/9.) 

Über Trichorexis nodosa ist in der Fachliteratur sehr 
wenig zu finden. Die Erscheinungen sind folgende: Eine Hand 
breit vom Schweifansatz anfangend und sich eine Hand lang nach 
unten erstreckend, sieht man in unregelmäßigen Abständen 
knotige Anschwellungen des Haarschaftes von grauweißem Aus¬ 
sehen in der Form von kleinen Pünktchen. Au diesen Stellen 
knickt dann das Haar, wenn man es biegt, schart ein und bricht 
auch leicht ab. Bei hochgradigem Vorhandensein des Leidens 
sieht der Schweif aus, als säßen lauter feine Epithelschüppchen 
darauf. Das abgebrochene Haar scheint mit einem kleinen 
Knopfe versehen zu sein, als wäre es versengt. 

Verf. hat diese Krankheit noch in jedem Regiment, wo er 
Dienst getan hat, beobachtet und ist daher der Ansicht, daß 
das Leiden eine viel größere Verbreitung hat, als man allgemein 
annimmt. 

Mikroskopisch sieht man bei den geringsten Graden nur eine 
spindelförmige Verdickung des Haarschaftes; dabei ist der Mark¬ 
kanal schon durch Ansammlung einer größeren Menge Luft ver¬ 
breitert. Allmählich zerfasert die Rinde immer mehr in der 
Längsrichtung, und schließlich sieht es aus, als wären die Borsten 
zweier Pinsel gegeneinander gedrückt. Tennert hat das 
Leiden mit den verschiedensten Mitteln zu bekämpfen versucht. 
Die Versuche ergaben, daß kein Mittel etwas vor dem andern 
voraus hatte und einen nennenswerten Einfluß auf die Krank¬ 
heit auszuüben vermochte, auch nicht das viel gerühmte Pyro- 
gallol. 

Verfasser hat sich danach um Material in den Werken der 
Human-Medizin umgesehen. Es folgt eine eingehende Aufzählung 
der dort über die Krankheit ermittelten Angaben. Es mag hier 
nur erwähnt werden, daß 1894 Hodara und 1897 Spiegler 
bei der Nachprüfung der genannten Ho daraschen Arbeit be¬ 
stimmte Mikroorganismen feststellen konnten. Dieselben wurden 
auch gezüchtet, und mit Hilfe der Kulturen gelang es auch, an 
gesunden Haaren die gleiche Affektion zu erzeugen. Es ist so 
der Beweis geliefert, daß die gefundenen Stäbchen wirklich die 
Erreger der Krankheit sind. Nevermann. 


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26. März 1903. 


Woehenfibersleht Aber die medizinische Literatur. 

Von Dr. Jess-Charlottenburg, 

Krelatlerarst. 

Deutsche medizinische Wochenschrift No. 9. 

Über Eidotterantiserum von Dr. Ottolenghi in Si6na. 
Uhlenhnt hat am 6. Dezember 1902 im Medizinischen Verein 
zn Greifswald einen Vortrag über das von ihm angeblich ge¬ 
fundene Eidotterantiserum veröffentlicht Dr. Ottolenghi 
weist nach, dass er bereits am 12. Juli 1902 in der Academia 
dei Fisiocritici nicht nur das Eidotterantiserum demonstrierte, 
sondern auch die Anwendung in der Nahrungsmittelchemie zum 
Nachweis von Eidotterwaren vorführen konnte. Ottolenghi 
hat seine Ausführungen in der Atti della R. Academia dei 
Fisiocritici di Si£na, Serie IV, Vol. XIV veröffentlicht. 

Zentralblatt für Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrank¬ 
heiten. I. Abt. Originale. Bd. XXXIII. No. 4, 1903. 

Über ein für Hausratten pathogenes Bakterium von Dr. 
Toyama zu Tokio. Wird auf das Original verwiesen. 

Dieselbe Zeitschrift 1903, No. 5. 

Untersuchung über natürliche und künstliche Mllzbrand- 
immunitfit von Dr. Bail. Ein an sich gegen Milzbrand völlig 
unwirksames Hundeserum erhält durch Zusatz geringer Mengen 
von Kaninchensernm stark milzbrandabtötende Eigenschaften. — 
Es ist anzunehmen, daß im Kaninchenserum zwei Komplemente 
vorhanden sind, von denen das eine bei 56° zu Grunde geht, 
während das zweite 7—8° mehr verträgt. 

A. study of immnnization-haemolysins, agglutin ins, precipltins 
and coagulins in cold-blooded animals by. Hideyo Noguchl Hae- 
molysine, Agglutinine, Antiagglutinine, Milchcoaguline können 
bei kaltblütigen Tieren künstlich erzeugt werden, Agglutinine 
und Haemolysine der roten Blutkörperchen erhält man selbst 
bei solchen kaltblütigen Tieren, welche keine Erythrozyten 
besitzen. 

Beitrag zur Kenntnis der Symptome und Prophylaxe der 
experimentellen Lyssa von D. Konrädi. K. kopierte die natür¬ 
lichen Verhältnisse der Infektion im Experiment, indem er 
Kaninchen von kleinen Hautwunden aus infizierte. Von 
13 infizierten Kaninchen waren 10 lokal behandelt und blieben 
gesund, während 3 nicht behandelte eingingen. 

Therapeutische Monatshefte, XVII. Jhrg., Heft 2 , Februar 1903. 

Über die diuretische Wirkung des Theodns von Dr. Meinertz. 
Theocin wurde in den Teeblättern gewonnen und ist von Emil 
Fischer künstlich hergestellt — Die Versuche ergeben, daß 
dem Theocin eine bemerkenswerte diuretische Wirkung inne¬ 
wohnt. 

Bericht über weitere Erfolge des Cancroin bei Krebs des 
Gesichts, der Speiseröhre, des Magens, des Mastdarmes, der 
Gebärmutter, der Brustdrüse und der Netzhaut. Von Prof. 
Adamkiewicz. Unvollendet. 

Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten, 42. Bd., Heft 3 
(6. März 1903). 

Strassenvinis und Virus fixe von Dr. Schtider. Kraus, 
Keller und Clairmont haben die Ursache der Verschiedenheit 
des Straßenvirus von dem Passagevirus in der verschiedenen 
Vermehrungsfähigkeit im Zentralnervensystem gefunden. Sch. 
kommt zn dem Resultat, daß den verschiedenen Straßenvirus- 
Stämmen eine verschiedene Gifterzengungsfähigkeit zukommt und 
deshalb in manchen Fällen die Inkubationszeit des Straßenvims 


217 


derjenigen des Virus fixe sehr nahe kommt, in anderen Fällen 
dagegen erheblich abweicht. 

Ein Beitrag zur Pathologie des Milzbrandes beim Menschen von 
Dr. Ri sei. 

Verf. erledigt den Inhalationsmilzbrand und den Milzbrand 
der Nase und des Gehirns; bezüglich der Einzelheiten muß auf 
das Original verwiesen werden. 

Hefeextrakte von Zellner. Die mit riesiger Reklame in 
den Handel gebrachten Ersatzmittel für Fleischextrakt, Ovos, 
Wuk und Slris, werden aus Bierhefe hergestellt, indem die Hefe¬ 
zellen zum Platzen gebracht werden und der Inhalt eingedickt 
wird. — Es ist abzuwarten, ob diese Mittel ein Ersatz des 
Fleischextrakts werden. Kraft geben sie natürlich nicht, sie 
enthalten in großer Menge Nucleine, welche eine Vorstufe der 
Harnsäure darstellen; es ist zu bedenken, daß bei Menschen, 
welche zur harnsauren Diathese neigen, die vermehrte Nuclein- 
zufuhr schädlich sein kann. 

Immunisierungsversuche gegen Influenza von Dr. Cantani jr. 
Zu einem kurzen Extrakt nicht geeignet. 

Münchener medizinische Wochenschrift 1903, No. 9. 

Über Salmiakgei8tverglftung von Dr. Reckzeh. R. teilt einen 
Fall mit, in dem eine Frau durch Verwechselung der Flaschen 
Salmiakgeist trank. Es traten Verätzung der Mundschleimhaut, 
Erbrechen, jedoch Heilung ein. Fälle von Salmiakgeistvergiftung 
sind nur spärlich in der Literatur angegeben. 

Zentralblatt für Chirurgie 1903, No. 6. 

Zur Frage der Sauerstoff - Chloroformnarkose von Dr. C. 
Lauenstein-Hamburg. Lauenstein hat die S.-Chloroform- 
narkose angewendet und keinerlei üble Zwischenfälle konstatiert; 
er ist jedoch von dem Verfahren deshalb zurückgetreten, weil 
festgesteUt war, daß das Chloroform durch den Sauerstoff Zer¬ 
setzungen erleidet, welche für den Patienten schädlich sein 
können. 

Berliner klinische Wochenschrift 1903, No. 8. 

Beitrag zu dem Studium der Rinder- und menschliehen Tuber¬ 
kulose von Cipollina. C. fütterte einen Affen mit Milch, welche 
Rindertuberkelbazillen enthielt; der Affe erkrankte an allge¬ 
meiner Tuberkulose ohne Darmaffektion. Einer Kuh wurden 
menschliche Tub.-Bazillen einverleibt, ohne daß eine Erkrankung 
eintrat. 

Deutsche Medizinal-Zeitung 1903, No. 15. 

Zur Kenntnis der sogenannten Fleischvergiftungen von 
C. Ladendorf. In.-Diss. Rostock 1902. L. gibt Einzelheiten 
über eine Massenerkrankung von ca. 60 Personen an, welche 
auftrat nach dem Genuß von Fleisch zweier wegen Gebirpareoo 
notgeschlachteter Kühe. Der Verlauf der Krankheit war stets 
ein günstiger. Bisher war kein Fall von Gesundheitsschädigung 
beim Menschen nach dem Genuß solchen Fleisches bekannt. Es 
wurden aus dem Fleisch koliähnliche Bakterien isoliert. — (Ob 
die Diagnose intra vitam gestimmt hat? D. Ref.) 

Phosphor-Vergiftung. 

Von W. Graham-Gillam, M. R. C. V. 8., Minehaed. 

Journal of Comp. Patb. and Therap. VoL XV. Teil 3. 

Nach den Angaben eines Geflügelzüchters waren eine An¬ 
zahl Hühner unter nachstehenden Erscheinungen verendet: 
Störung der Fresslust, in einigen Fällen Abmagerung, Ab¬ 
sonderung einer schleimigen Masse aus den Augen, schwankender 
Gang oder Schwerfälligkeit in der Bewegung. Das Ende trat 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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218 


schlagartig ein, indem die Hühner tot von ihrer Sitzstange 
fielen oder im Laufen begriffen, plötzlich starben. 

Die am meisten ausgeprägten Veränderungen der Kadaver 
bestanden in fettiger Degeneration des Herzens und der Leber. 
Die Eingeweide zeigten durchweg eine tiefe ziegelrote Färbung. 
Ein Huhn, das nur eine kurze Zeit krank gewesen war und 
ungefähr zwei Stunden nach dem Tode geöffnet wurde, wies 
die angegebenen Merkmale nicht auf, dagegen entstiegen dem 
aufgeschnittenen Kropf Dämpfe von Phosphor, die im Dunkeln 
deutlich leuchteten. 

Die Hühner hatten Teilchen einer Phosphorpaste gefressen, 
welche zum Vergiften von Ratten in einem Raume ausgelegt und 
nach Reinigung des letzteren mit dem Kehricht auf dem Hofe 
ausgeschüttet worden war. 

Tagesgeschichte. 

Aussichten und Bestrebungen der Privattierärzte 

von Professor Dr. Scbmaltz. 

Der Zusammenschluß der Privattierärzte zur Vertretung ihrer 
Sonder-IntereBsen hat ein gewisses Aufsehen erregt und auch 
Widerspruch gefunden; 1. die Gründung des Verbandes der 
Privattierärzte an sich, 2. das Verlangen nach Beteiligung an 
amtlichen Geschäften und 3. endlich speziell meine Mitwirkung an 
diesen Vorgängen haben, wie ich wohl weiß, nnter den Kreistier¬ 
ärzten teilweise Verstimmung erregt. Das Wesentliche ist der 
2. Punkt und es ist vor allem notwendig, daß die Vorstellungen 
darüber auf beiden Seiten sich klären. Zu dieser Klärung an¬ 
zuregen und beizutragen, ist auch der hauptsächliche Zweck 
dieses Artikels; indessen will ich einige beiläufige Bemerkungen 
auch über die beiden anderen Punkte machen und diese vor¬ 
weg nehmen. 

Ich möchte von einer Betrachtung der allgemeinen Lage 
im tierärztlichen Stande ausgehen. Tatsache ist, daß dieser 
Stand den größten Erfolg seit Jahrzehnten, wenn nicht überhaupt, 
mit dem Abiturientenexamen erreicht hat. Tatsache ist ebenso, 
daß im tierärztlichen Stande jetzt soviel Uneinigkeit herrscht, 
wie seit Jahrzenten nicht. Der Vereinsorganisation droht 
Splitterung; zwischen den Berufsspezialitäten treten Sonder¬ 
interessen in den Vordergrund. Man könnte das verwunderlich 
finden; man hat vielleicht angenommen, daß jetzt die Tierärzte 
ein Herz und eine Seele sein und in ihrer Freude über das 
große Glück gern die trennenden Kleinigkeiten übersehen würden. 
Indessen, wenn man überlegt und vergleicht, so kann man sich 
nicht wundern, daß es anders gekommen ist. Denn gerade so, 
wie es kam, so ist es — echt deutsch. Die Deutschen haben 
noch immer zusammengehalten in der Not und im Kampf um 
ein großes, namentlich um ein ideales Ziel; im Glück und nach dem 
Erfolg fahren sie auseinander und alsbald gegeneinander. Da dies 
sich historisch als germanische Eigenart erwiesen hat, so braucht 
man sich darüber nicht zu wundern. Überdies muß man gerechter¬ 
weise anerkennen, daß hier auch eine besondere Verkettung 
der Umstände mitgewirkt hat, indem mit dem Abiturientenexamen 
andere Vorgänge zufällig zusammentrafen. Man braucht daher 
die derzeitigen Gegensätze, soweit sie sachlich sind, nicht 
tragisch zu nehmen. Sie werden sich schon wieder 
ausgleichen, sobald die gegenwärtig allenthalben bevor¬ 
stehenden Veränderungen zum Abschluß gekommen und damit 
wieder stabile Verhältnisse eingetreten sind. Man sollte 
aber diesen künftigen Ausgleich nicht erschweren durch 


No. 13. 


Verbitterung und persönliche Verschärfung des nun ein¬ 
mal unvermeidlichen Widerstreits der Interessen. Lassen wir 
die Personen aus dem Spiel und beschäftigen wir uns mit den 
Tatsachen; verzichten wir auf das Spüren nach angeblichen 
Absichten und halten wir uns an die wirklichen Handlungen. 
Richten wir den Blick auf das Allgemeine, suchen wir die Grund¬ 
züge der gegenwärtigen Lage, das Wesentliche der auftauchenden 
Bestrebungen und die wirkliche allgemeine Meinung zu erkennen 
und erschweren wir uns nicht Urteil und Überblick durch Neben¬ 
sächliches, namentlich nicht durch die berüchtigten einzelnen 
Fälle und Erfahrungen. Aus den Taten eines einzelnen Privat¬ 
tierarztes kann man gar nichts schließen auf die Stellung seiner 
1000 Kollegen. Und was ein einzelner Kreistierarzt sagt, das 
bedeutet gar nichts für die Gesinnung der übrigen 500 preu¬ 
ßischen Kreistierärzte. Mit solchen Einzelheiten wird in der 
Diskussion nichts bewiesen und nichts genutzt, wohl aber ver¬ 
letzt man mit dem Versuch, sie zu allgemeinen Schlußfolgerungen 
auszubeuten, die Gesamtheit der Gegner ohne Not und Recht. 
Also fort mit den sogenannten „bezeichnenden Fällen“ aus der 
öffentlichen Besprechung, soweit es sich irgend tun läßt. 

Noch eine Bitte möchte ich zur allgemeinen Erwägung 
stellen. Ich habe oft das Gefühl, als ob viele ihre Zeitungen 
gar nicht lesen, als ob sie deren Artikel nur vom Hörensagen 
kennten. Nur so ist es erklärlich, daß sich Auffassungen ver¬ 
breiten, die aber auch nicht die geringste Fühlung mit Tat¬ 
sachen mehr haben. Ich wende mich an die objektiv und ruhig 
denkende Mehrzahl der Kreis- und Privattierärzte und bitte sie, 
vor allem gerade die Äußerungen, welche ihnen nicht gefallen, 
recht genau zu lesen und dann erBt ein wenig darüber nachzu- 
denken, ehe man sich der Erregung zur Beute gibt. Oft ge¬ 
winnt dann, glaube ich, das Gelesene ein anderes Gesicht. 

Was die Gründung des Verbandes der Privattierärzte an¬ 
langt, so ist dieser die Gründung des Vereins der beamteten 
Tierärzte und der preußischen Schlachthoftierärzte voran¬ 
gegangen. Mithin ist es unmöglich, gerade den Privattier¬ 
ärzten aus ihrem Sonderverband einen Vorwurf zu machen. 
Jeder Vernünftige muß zugeben, daß sie dasselbe Recht haben, 
wie die anderen. Und daß sie auch mindestens ebensoviel An¬ 
laß als die anderen hatten, das hat sich ja schon gezeigt. 
Niemand wird heute mehr behaupten wollen, daß die Interessen 
der Privattierärzte z. B. von denen der Kreistierärzte nicht 
abwichen und keiner besonderen Vertretung bedürften. Es ist 
endlich auch nicht richtig, daß die Verbandsgründung speziell 
eine Antwort auf die Gründung des V. b. T. gewesen wäre, denn 
die Anregung dazu ist erst erfolgt, als auch der Verein der Schlachthof¬ 
tierärzte ins Leben gerufen war (vgl. B. T. W. 1902, pg. 214). 

Man kann ja über diese Spezialistenvereine verschieden 
denken. Ich selbst habe der ersten Gründung gegenüber ja 
Bedenken geäußert. Indessen da nun einmal diese Bewegung 
in Preußen sich Bahn gebrochen hatte, dann war es besser, 
daß sie auch zu folgerichtiger und vollständiger Durchführung 
gelangt ist, indem alle drei spezialistischen Hauptgruppen Ver¬ 
bände gebildet haben. Dadurch ist wenigstens ein System in 
diese neue Organisation gebracht, mit dem man sich abfinden 
kann und in dem keiner zu kurz kommt. Wenn neben der 
preußischen Zentralvertretung nun einmal besondere Repräsen¬ 
tationen der Kreis- und Schlachthoftierärzte stehen, so durften 
auch die Privattierärzte nicht fehlen — Bchon der bloßen 
Repräsentation wegen. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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26 März 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 219 


Vielleicht entwickeln diese drei Spezialistenvereine sogar 
eine ganz andere Wirkung, als man (auch ich) glaubte. Die 
Auseinandersetzungder Interessen, das sieht man jetzt klar, mußte 
dochkommen, weil sie durch die Entwickelung des Veterinär¬ 
wesens bedingt ist. Sie wird jetzt zwischen und in den 
Spezialistenvereinen stattfinden. Dadurch wird es aber möglich, 
die trennenden Fragen aus der Tagesordnung der Provinzial¬ 
vereine etc. und der Zentralvertretung auszuscheiden. Die 
Spezialistenvereine können so das Abzugsventil für die nun 
einmal vorhandenen Interessengegensätze werden, welche sonBt 
in den gemischten Vereinen aufeinanderplatzen mußten, weil 
eine Möglichkeit zum Aussprechen eben da sein muß. Vielleicht 
wären bei Behandlung dieser Fragen in den Provinzialvereinen 
schließlich konvergierende Linien gefunden worden, aber nicht 
ohne Kämpfe. Die Spezialistenvereine nehmen vielleicht den 
gemischten Vereinen jene Kämpfe ab und wirken so in dieser 
Krisis eher erhaltend als zerstörend auf die Provinzial- etc. Ver¬ 
eine, die ich nach wie vor für die wertvollste Grundlage 
unserer Standesorganisation halte. 

Nun sagen die ruhig denkenden Kreistierärzte sich wohl 
alle so: Gewiß können die Privattierärzte einen Verband 
gründen, gewiß haben sie auch genug eigene Interessen zu ver¬ 
treten, und wenn dies z. T. gegen unsere eigenen Interessen 
geht, so werden wir uns eben wehren, ohne daß wir uns 
gegenseitig aufzuregen brauchen. Aber wie kamen Sie gerade 
dazu, Herr Professor Schmaltz, die Privattierärzte auf diese 
Idee zu bringen, der Sie doch nicht dazu gehören? Diese Frage 
stellte z. B. einer meiner treuesten Freunde unter den Kreis¬ 
tierärzten und verblüffte mich damit mindestens ebenso, als 
wenn er mich gefragt hätte: „warum leben Sie eigentlich“. 
Ja, mein Gott, warum sollte ich mich denn darum gerade 
nicht kümmern, wo ich mich doch seit fünfzehn Jahren so 
ziemlich um alles mitgekümmert habe, was bei uns geschehen 
ist? Habe ich nicht hundertmal auch kreistierärztliche oder 
militärische Angelegenheiten behandelt, ohne Kreis- oder Militär¬ 
tierarzt zu sein. Noch niemals habe ich abgelehnt, wenn je¬ 
mand mich zum Helfen bei einer Standesangelegenheit auf¬ 
forderte, falls es nicht gegen meine eigene Anschauung war. 
Außerdem bin ich seit 10 Jahren im Ausschuß des Veterinär¬ 
rates und der Zentralvertretung. Mir liegt nichts so am 
Herzen, als die Standesorganisation und das Vereinsleben. Es 
wäre doch geradezu unerklärlich gewesen, wenn ich mich einer 
so wichtigen Sache nicht angenommen hätte, als ich nach 
Gründung des V. b. T. und des V. pr. Schl, die Privattierärzte 
Zurückbleiben sah. Daß übrigens, wenn die Privattierärzte sich 
überhaupt zur Wahrnehmung ihrer Sonderinteressen zusammen¬ 
schließen wollten, dazu die höchste Zeit war, das zeigt die 
Entwickelung der Dinge. Endlich ist die Idee weder neu noch 
von mir. Die Privattierärzte waren schon lange verstimmt 
darüber, daß sie in den Provinzialvereinen zurückständen und im 
Veterinärrat und der Zentralvertretung eigentlich gar keine Dele- 
girten aus ihren Reihen hätten. Schon 1893 bei der Versammlung 
des V.-R. in Berlin sprach sich Dr. Brücher mir gegenüber darüber 
bitter aus. Freilich waren daran die Privattierärzte größtenteils 
selber schuld, durch ungenügende Beteiligung am Vereinsleben; 
es ist ganz gut, wenn sie sich dazu jetzt mehr angeregt fühlen. 
In der Rheinprovinz war die Gründung eines besonderen Vereins 
der Privattierärzte schon beschlossen. Ich darf sagen, daß ich 
durch den Aufruf zur Grüadung eines preußischen Verbind es 


dem Entstehen kleiner selbständiger Vereine, deren Mitglieder 
vielfach aus den Provinzialvereinen ausgeschieden wären, vor¬ 
gebeugt habe. Der Verband fördert nicht die Absonderung, 
sondern den Anschluß seiner Mitglieder an die Provinzialvereine; 
er verlangt denselben von allen seinen leitenden Mitgliedern 
(siehe Statut B.T.W. 1902, pg. 471). Der Verband hat sich auch 
dem Veterinärrat an geschlossen. Diese Achtung und Hoch¬ 
haltung der historisch erwachsenen Organisation des tierärzt¬ 
lichen Standes ist das Ziel meines Einflusses bei der Verbands- 
Gründung gewesen; ich freue mich, das erreicht zu haben und 
halte es für ein Verdienst. Daß ich nicht beabsichtigte, den 
Verband zu dirigieren, wie vielleicht manche glaubten, habe 
ich bewiesen. Ich muß ob dann aber auch zurückweisen, wenn 
mir die Verantwortung für jeden einzelnen Beschluß, womöglich 
für jede Redewendung zugeschoben wird, wie dies anscheinend 
vereinzelt geschieht. Die Privattierärzte würden eine solche 
Bevormundung weder nötig haben, noch sich gefallen lassen. 
Andrerseits kann ich mich auf keine Partei einschwören und 
muß mir das Recht der freien Meinungsäußerung auch gegen¬ 
über dem Verband der Privattierärzte wahren. 

Das Ziel ist gesunde Weiterentwickelung des tierärzt¬ 
lichen Standes, der ein Ganzes bleiben muß und auch trotz Spe¬ 
zialisierung und Gegensätzen bleiben wird. Seine Entwickelung 
kann aber nur gesund sein, wenn sie gleichmäßig ist, wenn kein 
Organ des Organismus zurückbleibt. Der Zug der Zeit be¬ 
günstigt offensichtlich die Entwickelung des öffentlichen Veteri¬ 
närwesens; da muß sich unsere Fürsorge ganz von selbst der 
privaten Ausübung der Tiermedizin zuwenden. Alle amtlichen 
Funktionen werden ausgedehnt. Die Organisation aller amtlichen 
Stellen ist erheblich vorgeschritten, oder wesentliche Verbesse¬ 
rungen stehen bevor und sind im Prinzip gesichert. Aber 50% 
aller Tierärzte (ich glaube diese Schätzung wird zutreffen) be¬ 
finden sich nicht in amtlichen Stellen. 

Diese dürfen doch nicht zurückkommen, müssen vielmehr 
am Fortschritt teilnehmen. Es ist dies nicht allein eine Sache 
der Privattierärzte, sondern eine eminente Standesfrage. An 
ihrer Erwägung und Lösung sollten alle Teile des tierärztlichen 
Standes mitwirken. Denken wir daran, wie die mißlichen Ver¬ 
hältnisse in der ärztlichen Praxis den ganzen Stand geschädigt 
haben. Es ist von niemanden zu verlangen, daß er seine In¬ 
teressen ohne weiteres anderen unterordnet. Wo Interessen 
sich widerstreiten, wie dies unzweifelhaft zwischen beamteten 
und nicht beamteten Tierärzten der Fall ist, da müssen An¬ 
spruch und Abwehr sich gegenübertreten, und es wird auch zu¬ 
nächst in beiden zu weit gegangen werden. Aber man sollte 
das sich nicht gegenseitig verargen; man muß sich gegenseitig 
die Berechtigung des Egoismus zugestehen und andererseits im 
Interesse des Ganzen den Versuch machen, sich auf einer 
mittleren Linie zu vereinigen. Denn schließlich ist es doch 
nur der Grundsatz „leben und leben lassen“, der das mensch¬ 
liche Zusammenleben erträglich macht. 

Ganz objektiv und unparteiisch wird niemand trotz redlichen 
Bestrebens denken und niemand kann beanspruchen, die Dinge un¬ 
bedingt richtig zu beurteilen. Aber ich glaube, nicht fehlzugehen 
mit der Behauptung, daß die Aussichten des Privattierarztes sich 
nicht in dem Maße verbessert haben, als diejenigen der Kreis-, 
Sanitäts- und Militärärzte, daß sie sich vielmehr anscheinend 
verschlechtern. Freilich an den Wirkungen des Abi- 
turientenexamens haben auch die Privattierärzte gleichen 


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220 


Anteil. Die Steigerung der Viehwerte und die wissenschaftliche 
Vertiefung der tierärztlichen Kunst führen sicher dazu, daß sie 
viel mehr als früher zugezogen werden. Wo ein kunstfertiger 
Tierarzt sitzt, verschwinden allmählich auch die Pfuscher. 

Aber andererseits liegt in der Entwickelung des öffent¬ 
lichen Veterinärwesens für den Privattierarzt eine Gefahr. 
Das an sich ja gewiß sehr nützliche Bestreben, immer größere 
Gebiete der staatlichen oder kommnnalen Direktive zu unter¬ 
stellen, demnach die amtlichen Funktionen immer mehr auszu¬ 
dehnen, maß doch zu einer mittelbaren und unmittelbaren Znrück- 
drängnng und Einschränkung der freien privaten Tätigkeit 
führen. Die freie ärztliche Praxis wird durch die Krankenkassen 
untergraben; der Kampf um die freie Arztwahl tobt hier seit 
Jahren. Sollten bei uns in der Wirkung ähnliche Gefahren 
nicht auch vorhanden sein? 

In den großen Städten stößt der Privattierarzt überall auf 
amtlich subventionierte Konkurrenten; großenteils sind das Tier¬ 
ärzte, welche eigentlich nicht praktizieren sollen, aber tatsächlich 
wegen ungenügenden Einkommens praktizieren müssen und da¬ 
bei infolge ihrer festen Bezüge immerhin im Vorteil sind. 

Die Landfleischschau wird in Preußen, das zeigt sich immer 
mehr, den Privattierärzten im allgemeinen wenig Vorteil bringen. 
Aus allen Landesteilen kommen Klagen, daß selbst die Tier¬ 
ärzte, welche sich um die Fleischschau in ihrem Wohnort 
bewerben, zu gunsten von Laien zurückgestellt werden. In 
manchen Kreisen geschieht das systematisch. Ja es ist sogar 
Tierärzten, die bisher die Fleischschau ausübten, anläßlich der 
staatlichen Regelung dieselbe vom Landrat abgenommen worden. 
Allerdings ist zu hoffen, daß sich diese Verhältnisse bessern 
werden und daß die zu erwartenden Verordnungen andrerseits 
auch wesentliche Wünsche erfüllen werden. 

Was die Tierärzte von der Schlachtviehversicberung zu 
erwarten haben, hat neulich Opel (B. T.W. No. 10) anschaulich 
geschildert. Selbst wenn in dieselbe die Notschlachtungen nicht 
einbezogen werden, wird sich das Versicherungswesen in irgend 
einer Form schließlich auch auf diese ausdehnen mit den von 
Opel beklagten Folgen. 

Das neue Seuchengesetz endlich bringt unzweifelhaft eine 
erhebliche Ausdehnung des amtlichen Wirkungskreises auf Ge¬ 
biete, welche früher der privaten Tiermedizin überlassen waren. 
In München fiel das Wort (von einem Departementstierarzt), daß 
ja bald die ganze Tierheilkunde verstaatlicht sein werde. 

Andererseits sind alle diese Maßregeln für das allgemeine 
Wohl nötig und auch für das Veterinärwesen als Ganzes vor¬ 
teilhaft. Je mehr das öffentliche Veterinärwesen ausgebaut 
wird, nm so größer wird das Ansehnen der Tiermedizin; das 
muß man unbedingt anerkennen. Es wird niemandem einfallen, 
der Fleischschau, der Viehversicherung, der Erweiterung des 
Seuchengesetzes zu widerstreben, weil dadurch private tier¬ 
ärztliche Interessen möglicherweise geschädigt werden. Aber 
da andererseits private Interessen auch ihre Berechtigung haben, 
so bleibt doch nnr der Versuch übrig, sie auf andere Weise zu 
entschädigen. 

Die Zukunft liegt nicht auf kurativem Gebiet, sagt 
Opel sehr richtig. Da aber den Privattierärzten doch auch 
eine Zukunft offen bleiben muß, so sind sie geradezu gezwungen, 
einen Fuß auf das nichtkurative Gebiet zu setzen. 

Inwieweit es ihnen gelingen wird, im öffentlichen Veterinär¬ 
wesen Fuß zu fassen, das kann sich nicht von heute auf morgen 


No. 18. 


zeigen. Inwieweit es aber möglich wäre, ihrem Bestreben 
nachzugeben, ohne öffentliche oder andere Interessen zu schädigen, 
das muß ohne Rücksicht auf das schließliche 'Resultat diskutiert 
werden. Daß die Diskussion mit den bisherigen Äußerungen 
abgetan wäre, wird man nicht sagen können. Man kann nur 
wünschen, daß sie sich ausgiebig, aber sachlich fortsetzt. 

Das muß zunächst betont werden, daß der Staat auch 
gegen die Privattierärzte Pflichten hat, und daß 
diesen bei der Abfassung von Gesetzen Rechnung getragen 
werden muß. 

Wenn die Privattierärzte entbehrlich wären, so wäre das 
etwas anderes. Was nicht nötig ist, braucht nicht konserviert 
zu werden. Aber die Privattierärzte sind nicht entbehrlich; 
sie sind notwendig für die Landwirtschaft. Das Sinken ihrer 
Existenzbedingungen und ihres Ansehens kann nurdemPfaschertum 
zu gute kommen. Der Staat selbst aber bedarf ihrer Mit¬ 
wirkung zur Durchführung seiner Maßregeln, gerade auch auf 
veterinärpolizeilichem Gebiet. Er legt ihnen die Verpflichtung 
auf, ihre Sachkenntnis im Staatsdienst auszunutzen mit der 
Anzeigepflicht. 

Die Anzeigepflicht ist keine allgemeine Bürgerpflicht, son¬ 
dern eine Berufspflicht, für den Tierarzt eine Belastung, durch 
die er sich Feinde macht und seine Praxis schädigt, ebenso 
wie es der beamtete Tierarzt in der Erfüllung seines Dienstes 
tut. .Gibt der Staat dem Privattierarzt dafür irgendwelches 
Äquivalent? Ich wüßte nicht, welches. Er schützt ihm nicht 
sein Gewerbe, während er auf der anderen Seite sogar den 
freien Erwerb durch eine veraltete Taxe beschränkt. Er ver¬ 
leiht ihm auch keine berufsmäßige Auszeichnung durch einen 
Titel (wenigstens bisher noch nicht). 

Nun ist ja gegen die Anzeigepflicht im bisherigen Umfange 
niemals etwas eingewendet worden. Aber durch das neue 
Seuchengesetz soll dieselbe in einer Weise ausgedehnt werden, 
die sehr bedenklich ist. Wenn namentlich der Tierarzt Tuber¬ 
kulose anzeigen soll, so wird schließlich der Landmann in ihm 
nur noch den Seuchenspion sehen und ihn nicht mehr in seinen 
Stall lassen. Mag man auch beweisen, daß die Tuberkulose¬ 
tilgung doch dem Besitzer Vorteil bringt; dem Bauer ist die 
Anzeige verhaßt. Daß auch andere die Bedenken über die An¬ 
zeigepflicht bei Tuberkulose teilen, ergibt sich z. B. aus einem 
Vortrage des Geheimrat Dammann im hannoverschen tierärztr 
liehen Verein, welcher der Anzeigepflicht des Tierarztes bei 
Tuberkulose nicht oder doch nur mit Vorbehalt zustimmt. 
Andererseits aber ist der Kampf gegen die Tuberkulose 
ohne die Anzeigepflicht, wie mit Recht betont wird, aussichtslos. 
Aus diesem Dilemma gibt es nur einen, aber auch gangbaren, 
Weg, daß man dem Tierarzt zwar die Pflicht auf lädt, aber die 
Last der Pflicht durch Rechte aufwiegt. 

Damit kommen wir zu der sogenannten „Beteiligung der 
Privattierärzte an amtlichen Geschäften“. Auf diesem 
Gebiet liegt die Kollision der Interessen; hier beklagen sich 
beide Parteien über Eingriffe in ihre Rechte. Der Wunsch 
dazu mag auf beiden Seiten vorhanden sein; die Mittel zur 
Ausführung dürften nicht auf beiden Seiten gleich sein. Im 
V. b. T. sagte Herr Fröhner mit anerkennenswerter Offenheit: 
Wir wollen unseren Geschäftskreis immer mehr ausdehnen (B.T.W. 
No. 6, pg. 93). Ja freilich, das kann den Kreistierftrzten niemand 
verdenken. Aber die Privattierärzte wollen sich die immer weitere 
Ausdehnung des kreistierärztlichen Geschäftskreises auf ihre 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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26. März 1903. ' BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 221 


Kosten eben nicht gefallen lassen; das kann man ihnen anch 
nicht verdenken. 

Vor allen Dingen mnß ein scharfer Unterschied gemacht 
werden zwischen der Veterinärpolizei, dem eigentlichen Dienst¬ 
gebiet des Kreistierarztes, das anch in der Hauptsache seine 
Domäne bleiben muß, — und allen übrigen Geschäften, welche auf 
Verordnungen und öffentlichen Einrichtungen beruhen, ohne mit 
Veterinärpolizei etwas zu tun zu haben. 

Das letztere Gebiet ist es, auf welchem die Privattierärzte 
sich vielfach und immer mehr zurückgedrängt fühlen und hier wird 
der Unbeteiligte ihnen zustimmen müssen. Dr. Jelkmann hat 
recht, wenn er sagt: es besteht das Bestreben, möglichst viele 
Geschäfte unter amtlicher Flagge zu vereinigen. Dieses Be¬ 
streben ist auch ganz erklärlich, vom Standpunkt der Kreis- 
bebörde aus gerechtfertigt. Der Landrat arbeitet natürlich am 
liebsten bloß mit seinem Kreistierarzt, wendet ihm möglichst 
viel zu. Soll man etwa wünschen, daß es anders wäre? Gewiß 
nicht, denn das ist ja das Zeichen des guten Einvernehmens 
zwischen Landrat und Kreistierarzt. Daß der Kreistierarzt seinen 
Vorteil benutzt, versteht sich von selbst; das tut jeder. Des¬ 
halb muß aber eben eine höhere Instanz, also die Regierung, der 
Departementstierarzt, nötigenfalls das Ministerium dafür sorgen, 
daß Licht und Schatten gerecht verteilt werden. Es muß eben 
von den Behörden im Auge behalten werden, daß Kreis¬ 
tierarzt und Privattierärzte im Privaterwerb Kon¬ 
kurrenten sind. Was soll man dazu sagen, wenn ein Landrat 
im Amtsblatt an erster Stelle bekannt macht, daß der Kreis¬ 
tierarzt da und da Sprechstunden abhält, und die Gemeinde¬ 
vorsteher auffordert, für Bekanntmachung dieser Einrichtung zu 
sorgen, obwohl im Gebiet zwei Privattierärzte wohnen (wie neu¬ 
lich geschehen). Das ist eine rechtlich vielleicht einwandfreie 
aber dennoch unzulässige amtliche Beeinflussung der Privat¬ 
praxis, wie sie im ärztlichen Beruf unmöglich wäre. Ich habe 
dieses sicher vereinzelte Beispiel nur angeführt, um zu zeigen, 
wohin das an sich sehr erfreuliche Bestreben der Kreisbehörde, 
die Stellung des Kreistierarztes auszudehnen und zu fördern, 
schließlich führen kann. 

Doch es handelt sich hier nicht um die Privatpraxis, sondern 
um jene Geschäfte, welche mit der Veterinärpolizei direkt nichts 
zu tun haben, sondern bei denen es sich nur um irgendeine 
Feststellung mit öffentlicher Glaubwürdigkeit handelt. 
Körungen, Hufbeschlagsprüfungen, sanitäre Beaufsichtigung von 
Molkereien, Kontrolle der Ziehhunde (auf Zngfähigkeit) etc etc., 
das sind nur einige Beispiele solcher Geschäfte. Die Fähig¬ 
keit, diese mit öffentlicher Glaubwürdigkeit zu be¬ 
sorgen, muß den Privattierärzten verbleiben; haben 
doch sogar Laien die Fleischbeschau. Es darf daher den 
Privattierärzten die Beteiligung an solchen Geschäften nicht 
unmöglich gemacht werden; diese dürfen nicht allgemein ex officio 
in der Hand des Kreistierarztes vereinigt werden. Von den Zentral¬ 
stellen aus geschieht das auch nicht; aber die unteren Behörden 
neigen dazu. Daraus ergeben sich dann bisweilen auch solche 
Verschiedenheiten, wie bei der bekannten Hundesperre in Berlin, 
wo Ausfuhratteste für Hunde in einem Kreise nur vom Kreis¬ 
tierarzt, in einem anderen von jedem Schutzmann ausgestellt 
werden konnten. Der Privattierarzt fiel eharakteristischerweise 
in beiden Kreisen aus. Auch sonst zeigt sich eine gewisse 
Neigung, Geschäfte, die der Kreistierarzt allein nicht besorgen 
kann, noch lieber dem Laienverstand anzuvertranen, als 


dem nichtbeamteten Tierarzt. Dagegen muß doch im 
Standesinteresse entschieden protestiert werden. Natürlich werden 
häufig örtliche Verhältnisse zu berücksichtigen sein. In einemStadt- 
kreise z. B. wird es sehr zweckmäßig sein können, die Kontrolle 
aller kleinen Molkereien in der Hand des KreistierarzteB zu ver¬ 
einigen. In Bausch und Bogen lassen sich diese Verhältnisse 
ja überhaupt nicht beurteilen. Aber sie können auch nicht dem 
Ermessen der Kreisbehörde überlassen bleiben. Die Bezirks¬ 
regierung, d. h. der Departementstierarzt, muss auch die In¬ 
teressen der Privattierärzte berücksichtigen. In vielen Bezirken 
und übrigens auch in vielen Kreisen geschieht dies auch, aber 
nicht überall. 

Hierher gehört auch eine Angelegenheit, die noch in der 
Zukunft liegt — das praktische Jahr. Es wird die Zeit kommen, 
wo der junge Tierarzt, ehe er die Approbation erhält, eine 
Bescheinigung wird beibringen müssen, daß er ein Jahr in der 
Praxis assistiert hat. Wer soll zur Ausstellung dieses Zeug¬ 
nisses berechtigt sein? Da sieht man schon wieder die Neigung 
auftreten, dies dem beamteten Tierarzt vorzubehalten. Das 
wäre aber gänzlich ungerechtfertigt, und ungerecht gegen die 
Privattierärzte, die dadurch im Gegensatz zu den beamteten 
. Tierärzten der Assistenten beraubt werden. Der junge Tier¬ 
arzt soll nicht Amtsgeschäfte, sondern Heilkunst lernen. Es 
handelt sich um einen Befähigungsnachweis in einem Gewerbe, 
um ein Lehrzeugnis, wie es jeder einwandfreie Meister auch 
mit rechtlichen Folgen ausstellen kann. Selbst im ärztlichen 
Gewerbe, wo es sich eventuell um Menschenleben handelt, hat 
man diesen Nachweis nicht dem beamteten Arzt übertragen, 
sondern dem Krankenhausdirigenten. Es ist überhaupt nützlich, 
sich zum Vergleich das Verhältnis zwischen beamteten und 
nicht beamteten Ärzten genauer anzusehen. 

Jedenfalls tun die Privattierärzte recht daran, wenn sie 
gerade jetzt, wo eine totale Umwälzung des Veterinärwesens 
bevorsteht, sich bemühen, die Aufmerksamkeit der Staatsregie¬ 
rung auch auf ihre moralischen Rechte zu lenken. Daß sie 
aber erst jetzt Empfindung für diese Rechte bekommen hätten, 
das darf man nicht glauben. Ich erinnere mich noch sehr wohl, 
wie in einer hannoverschen Versammlung, der ich als eben 
approbierter Tierarzt beiwohnte (1884), Dr. Brücher mit dem 
ganzen ihm damals noch innewohnenden Feuer sich bitter 
darüber beschwerte, daß der Privattierarzt nicht einmal mehr 
bescheinigen dürfe, ob ein Hund ziehen könne, daß die in 
Hannover vorgeschriebene Prüfung der Zughunde vielmehr dem 
Kreistierarzt Vorbehalten sei; gerade diese an sich geringfügige 
Sache hat sich meinem Gedächtnis eingeprägt. 

Von jenen Geschäften scharf zu unterscheiden ist nun aber 
die ei gentlicheVeterinärpolizei. Daß dieKreistierärzte über 
diese mit Eifersucht wachen, ist natürlich; daß der Versuch der 
Privattierärzte, hieran einen Anteil zu erlangen, auf Widerstand 
stößt, kann nicht überraschen. Es ist zwar durchaus unbe¬ 
rechtigt, über diesen Versuch „Entrüstung“ zu proklamieren, 
denn entrüsten kann man sich nur über Dinge, die den guten 
Sitten zuwiderlaufen; aber verschiedener Meinung sein kann 
man hier jedenfalls. Nicht bloß die Mehrzahl der Kreistierärzte, 
sondern wohl auch der Departementstierärzte, vermutlich auch 
die Staatsregierung, werden jenem Versuch abhold sein. 

Ich bin in München für eine Beteiligung der Privattierärzte 
eingetreten. Ich kam darauf beim Rotlauf, weil ich die Rotlauf¬ 
impfung den Tierärzten Vorbehalten wissen wollte und dadurch 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


auf die Mitwirkung der Privattierärzte gelenkt wurde. Die Ver¬ 
mutung deB Herrn Kollegen Hesse, ich habe damit nur dem 
Verband der Privattierärzte einen Stoff geben wollen, trifft nicht 
zu. Der Verband hat erstens keinen Mangel an Stoff, und er 
hatte sich ferner gerade dieses Stoffes schon selber bemächtigt. 
Es war nur unter den Delegierten des Veterinärrat es kein einziger 
Privattierarzt, der das hätte Vorbringen können. 

Nun sagt man, das sei ein Eingriff in die Rechte der Kreis¬ 
tierärzte. Ist diese Auffassung denn wirklich zutreffend? Die 
Reehte der Kreistierärzte beruhen anf dem Gesetz von 1880. 
Ich bin der Meinung, dass alles, was ihnen nach diesem Gesetz 
zusteht, ihre unangetastete Domäne bleiben muss. 

Nnn soll aber doch ein neues Gesetz gemacht werden. 
Dieses Gesetz soll sich auf Seuchen ausdehnen, welche im alten 
Gesetz nicht enthalten sind: Schweineseuchen, Geflügelseuchen 
und vor allem Tuberkulose. Das bedeutet eine außerordentliche 
Verschiebung des Wirkungskreises. Die Bekämpfung dieser 
Seuchen ist doch etwas Neues.*) Sie gehörte bisher entweder 
niemandem oder sie war vielmehr Privatsache. Da kann 
man doch mit demselben Recht sagen: den Privattier¬ 
ärzten soll etwas genommen werden. Am richtigsten faßt 
man es vielleicht so auf: Es bandelt sich um etwas neues und 
davon wollen die Privattierärzte einen Anteil. Ich meine, dieses 
Verlangen ist nicht unberechtigt. Denn unzweifelhaft wird doch der 
Wirkungskreis des Privattierarztes durch Ausdehnung des Seuchen¬ 
gesetzes unmittelbar eingeschränkt. Auch mittelbar wird ihm 
die Konkurrenz in der Privatpraxis erschwert, je häufiger der 
Kreistierarzt in den Stall des Besitzers kommt. Der Bauer 
braucht künftig bloß Tuberkulose anznzeigen, wenn er einen 
Tierarzt billig auf dem Hofe haben will, dem er dann natürlich 
auch gleich andere Patienten vorstellen kann. Diese Ansicht 
ist nicht von mir. Ein alter Praktiker bat sie in München aus¬ 
gesprochen, indem er die veterinärpolizeiliche Bekämpfung der 
Influenza gerade mit dem Motiv zurückwies, man könne doch 
nicht die ganze Tierheilkunde verstaatlichen. 

Ein Mitwirken von nichtbeamteten Medizinern bei Seuchen, 
die gesetzlich bekämpft werden, prinzipiell für unmöglich zu 
erklären, geht nicht wohl an. Der Einwand mangelnder Dis¬ 
ziplinargewalt trifft nicht zu; die ist durch Strafvorschriften ohne 
weiteres gegeben. Wenn man sich bei der Sanitätspolizei, 
z. B. in der Fleischschau, sogar privater Laien bedient, dann 
kann man sich auch veterinärpolizeilich privater Ärzte bedienen. 

Das beste Beispiel aber bietet das Menschenseuchen- 
Gesetz. Durch das preußische Ausführungs-Gesetz zum Reichs¬ 
gesetz wird die Anzeigepflicht auf eine ganze Reibe häufiger 
Krankheiten ausgedehnt, für welche Bekämpfungsmaßregeln vor¬ 
gesehen werden (vgl. B. T. W. No. 8). Die Anzeigepflicht ist 
u. a. den Ärzten auferlegt. Die Anzeige hat bei gewissen 
Krankheiten die Zuziehung des beamteten Arztes zur Folge; 
nämlich bei Kindbettfieber, Rückfallfieber, Typhus, Rotz, Genick¬ 
starre, übertragbarer Ruhr, Milzbrand, Tollwut, Fleisch-, Fisch- 
und Wurstvergiftung und Trichinose. Nach § 6 des Ans¬ 
führungsgesetzes finden nämlich auf die Ermittelung dieser 
Krankheiten die Vorschriften der §§ 6—10 des Reichsgesetzes 
Anwendung; nach letzterer ist die Ermittelung durch den be¬ 
amteten Arzt vorzunehmen. 

*) Scbweineseuchen und Geflügelcholera waren zwar schon 
Gegenstand von Verfügungen, aber ihre Bekämpfung soll doch erst 
jetzt definitiv geregelt werden. 


No. 13. 


Bei den übrigen Krankheiten, Diphtherie, Tuberkulose, 
Scharlach, also bei den allgemein verbreiteten Krankheiten, 
ist die Ermittelung durch den beamteten Arzt nicht eiforderlich. 
Es genügt die Feststellung des behandelnden Arztes. 
Wird der erste Fall einer dieser Krankheiten nicht von einem 
Arzte angezeigt (d. h. ist kein behandelnder Arzt vorhanden), 
so hat die Ortspolizeibehörde eine ärztliche (nicht amtsärztliche 
Feststellung zu veranlassen. Hier sind also die Rücksichten auf 
den praktischen Arzt gewahrt; hier ist dem Privatmediziner 
die Fähigkeit und das Recht eine gesetzlich zu be¬ 
kämpfende Seuche mit amtlicher Gültigkeit festzu¬ 
stellen, zuerkannt. Die beamteten Ärzte beklagen das nicht 
als einen Eingriff in ihre Rechte. Die Heranziehung dieser 
Analogie für unsere Verhältnisse ist unabweisbar. 

Im Prinzip ist also gegen die Mitwirkung von 
Privatmedizinern nichts stichhaltiges einzuwenden. 
Bei den Ärzten ist das Zusammenarbeiten von Be¬ 
amteten und Nichtbeamteten durchgeführt, der dem 
Kreistierarzt durch das Gesetz von 1880 überwiesene 
und von ihm zum Vorteil des ganzen Veterinärwesens 
kultivierte Wirkungskreis muß unangetastet bleiben. 
Auf dem Gebiet jedoch, welches der Veterinärpolizei 
erst durch neues Gesetz übertragen werden soll, ist 
eine Mitwirkung der Privattierärzte in geeigneten 
Grenzen zu befürworten. 

Sehen wir uns nun einmal die von dem Verband der Privat¬ 
tierärzte bezüglich der Veterinärpolizei gefaßten Beschlüsse 
darauf hin an, wie weit sie sich mit obigen Sätzen vertragen 
(vgl. B. T. W., No. 11, pg. 187). 

Der Beschluß No. 3 scheint mißverstanden worden zu 
sein, als ob die Privattierärzte an Stelle des beamteten 
Tierarztes Maul- und Klauenseuche und Schweineseuche fest¬ 
stellen wollten. Das wollen sie durchaus nicht, wie der letzte 
Satz des Beschlusses ausdrücklich besagt, welcher lautet: un¬ 
beschadet der Requisition des beamteten Tierarztes 
und der endgültigen Feststellung der Seuche durch 
diesen. Sie haben nur empfohlen, daß die pflichtmäßige tier¬ 
ärztliche Anzeige der Seuche schon die vorläufige Anordnung 
von Maßregeln durch die Polizeibehörde begründen soll. Ob 
das „im Interesse der Seuchentilgung“ nützlich wäre oder nicht, 
kann hier außer Betracht bleiben. Jedenfalls richtet sich der 
Beschluß in keiner Weise gegen die Funktion des Kreistier¬ 
arztes und liegt auch durchaus nicht im Interesse des Privat¬ 
tierarztes, eher im Gegenteil, da diese Folgen der Anzeige vom 
Tierbesitzer nur unliebsam empfunden und dem Tierarzt ver¬ 
übelt werden können. 

Der Beschluß No. 7 kann sich meiner Ansicht nach nur 
auf Privatassistenten beziehen und ist insoweit gerechtfertigt. 
Wenn aber dem Kreistierarzt vom Regierungspräsidenten ein 
Assistent genehmigt ist, der im Besitz der Qualifikation zum 
beamteten Tierarzt ist, so müssen diesem auch Amtsgeschäfte 
übertragen werden können, denn sonst würde der Assistent dem 
Kreistierarzt doch gar nichts nützen. Dieser Punkt wird jeden¬ 
falls entsprechend den Bestimmungen über Kreisarztassistenten 
(B. T. W. No. 12, S. 201) geregelt werden. 

Der Beschluß No. 1 erscheint mir zu allgemein und nieht 
klar; ich möchte daher meinerseits nichts dazu sagen, um nicht 
mißverstandene Auffassungen zu verbreiten. 


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26. März 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


223 


Mit dem im Beschluß 2 aufgestellten Grundsatz kann ich 
mich nicht einverstanden erklären. Diejenigen Maßregeln, 
welche} zn r Vorbeugung der Verbreitung der Viehseuchen 
getroffen worden (auf die sich der Beschluß doch wohl bezieht), 
sind mit das Wichtigste in der Veterinärpolizei und müssen im 
allgemeinen dem Kreistierarzt Vorbehalten bleiben. 

Wenn etwas wichtig ist, so ist es doch z. B. die einheit¬ 
liche Kontrolle des gewerbsmäßigen Viehhandels im Kreise. 
Diese kann nur der Kreistierarzt ausüben, da er ja sonst jede 
Übersicht verlieren würde. Ob die Kosten dieser Kontrolle vom 
Staate getragen werden oder vom Unternehmer, kommt dabei 
m. A. n. garnicht in Betracht. Gerade die von Unternehmern zu 
zahlenden Gebühren bilden ja eine Haupteinnahme des Kreis- 
tierarztes, die auch bei seiner Pensionierung eine Rolle spielt 
und die man ihm nicht verkürzen kann. Dieser Beschluß be¬ 
zweckt in der Tat in seiner Allgemeinheit einen Eingriff in 
alterworbene Rechte des Kreistierarztes, ganz abgesehen davon, 
daß er mit dem sachlichen Interesse der Veterinärpolizei nicht 
zu vereinen ist. Daß Viehmärkte von rein lokaler Bedeutung 
von Privattierärzten kontrolliert werden können, ist ja schon 
jetzt zugelassen. Eine vervollkommnete Marktkontrolle wird ja 
sowieso auch Mitwirkung nicht beamteter Tierärzte neben dem 
die Aufsicht führenden Kreistierarzt nötig machen. Auch Bind 
nach dem Entwurf des Seuchengesetzes § 8b, 1 Untersuchungen 
von Vieh in Eisenbahn- und Schiffsverkehr amtstierärztlich oder 
tierärztlich auszuführen. 

Der Beschluß 5 betrifft den von mir in München besprochenen 
Punkt. Er bezieht sich ausdrücklich nur auf den Rotlauf, 
nicht auf die Schweineseuche. Er bezweckt keine allgemeine 
Maßregel, sondern nur Berücksichtigung besonderer Um¬ 
stände. Wenn der Kreisarzt wenig zu tun hat oder wenn 
der Kreis arrondiert ist, so soll er den Rotlauf feststellen. 
Aber wenn viel zu tun ist oder wenn es sich um entlegene 
Zipfel des Kreises handelt, so kann doch der Obduktionsbefund 
eines nahe wohnenden Privattierarztes ebenso genügen, zumal die 
veterinärpolizeilichen Maßregeln gegen den Rotlauf überhaupt 
doch wenig Wert haben und die Impfung die Hauptsache ist. 
Für den Ausbruch der Geflügelcholera in Privatställen gelten 
ähnliche Gesichtspunkte. Es fragt sich doch, ob bei der min¬ 
deren Bedeutung der Objekte nnd der Maßregeln eine weite 
Dienstreise, namentlich wenn sie nur verzögert ausgeführt 
werden kann, sich dem Zwecke nach lohnt. 

Übrigens aber ist dieser Punkt eigentlich bedeutungslos 
geworden durch § 15 des Entwurfes des Seuchengesetzes 
(B. T. W., No. 7, S. 119), wonach überhaupt nur erste Fälle amts¬ 
tierärztlich festgestellt werden müssen, in allen folgenden Fällen am 
Seuchenort aber auf tierärztliche Feststellung überhaupt 
verzichtet wird. PreuBse sagt (B.T.W. No.10, S. 164, rechts): 
„So unliebsam diese Bestimmung iBt, so läßt sie sich nicht 
umgehen, da bei großer Ausbreitung der vorgenannten Seuchen 
die amtstierärztliche Feststellung jedes einzelnen Seuchen¬ 
falles gerad ezn unmöglich ist“. Ja, das ist es ja grade, was 
ich auch gemeint habe. Ich habe nichts weiter im Auge gehabt, 
als daß bei großer Ausbreitung der betr. Seuchen die Arbeit 
vom Kreistierarzt nicht zu bewältigen ist und daß daher 
Privattierärzte „mehr als bisher“ zugezogen werden sollten. 
Nichts anderes hat der Veterinärrat beschlossen. Dadurch hätte 
sich jene unliebsame Bestimmung allerdings vermeiden lassen. 
Der Effekt ist also schließlich, daß gar keine Tierärzte zu¬ 


gezogen werden. Die Kreistierärzte würden also von der aus- 
hilfsweisen Mitwirkung von Privattierärzten keinen Nachteil 
gehabt haben. 

Übrigens legen die Privattierärzte, wie ich gemerkt habe, 
auf Rotlauf und Geflügelseuchen selbst nur geringen Wert. An 
der Feststellung der paar „ersten Fälle“ haben sie vollends 
kein großes Interesse. Dagegen wollen sie (Beschluß No. 6) 
die Impfungen ausführen dürfen, auch die polizeilich angeordneten. 
Diesem Wunsch tritt die Bestimmung des § 23 des Gesetz¬ 
entwurfes (B. T. W. No. 7, S. 119) entgegen, welcher die 
polizeilich angeordnete Impfung dem beamteten Tierarzt vor¬ 
behält. Die Rotlaufimpfung ist aber längst Gemeingut aller 
Tierärzte geworden. M. A. u. könnte die polizeilich an¬ 
geordnete Impfung auch einem Privattierarzt überlassen 
werden, ebenso wie die Überwachung des polizeilich angeordneten 
Räudebades Indessen hat auch dieser Punkt nur eine unter¬ 
geordnete Bedeutung, wenn dafür die freiwilligen Impfungen 
den Laien entzogen und den Tierärzten Vorbehalten werden. 

Was bleibt also von der ganzen „Mitwirkung der Privat¬ 
tierärzte auf veterinärpolizeilichem Gebiet“, die soviel Auf¬ 
regung erzeugt hat, übrig? Eigentlich nur die Bekämpfung 
der Tuberkulose, auf welche sich der Beschluß No. 4 be¬ 
zieht. Dieser fordert in ganz klarer und entschiedener Weise 
die uneingeschränkte Gleichstellung des beamteten und nicht 
beamteten Tierarztes. Er verlangt mit anderen Worten, daß 
die Durchführung der Tuberkulosemaßregeln nicht Sache des 
beamteten, sondern des behandelnden Arztes sei. 

Diese Forderung wird m. A. u. mit vollem Recht auf¬ 
gestellt, sie ist geradezu ein Akt der Notwehr. Sonst kann 
der Privattierarzt in der Rinderpraxis überhaupt nicht mehr 
konkurrieren. In erster Linie handelt es sich um einen Aus¬ 
gleich für die doch einmal unentbehrliche Anzeigepflicht. Es 
ist ja auch sehr zweifelhaft, ob der Kreistierarzt überhaupt 
allein fertig werden könnte. 

Von einem Eingriff in das Recht des Kreistierarztes kann 
jedenfalls keine Rede sein, weil die Tuberkulosebekämpfung 
etwas ganz neues ist. Es ist zugleich eine so schwierige Ma¬ 
terie, daß es müßig wäre, schon darüber zu reden, wie hierbei 
die Tätigkeit der Tierärzte zu regeln wäre. Dazu müssen eben 
erst die Grundzüge der ganzen Bekämpfung, die Art der Be¬ 
seitigung der Tiere, die Entschädigung etc. bekannt sein. Bei 
der Feststellung dieser Maßregeln muß aber ein Weg gefunden 
werden, der den berechtigten Interessen der Privattierärzte 
entspricht. 

Mit denjenigen Einschränkungen, die ich in obigen Aus¬ 
führungen gemacht habe, könnten meines Erachtens auch die 
Kreistierärzte den Bestrebungen der Privattierärzte zustimmen. 
Glauben sie jedoch dies nicht zu können, so sollten sie es doch 
nicht als einen feindlichen Akt auffassen, wenn die Interessen 
der Privattierärzte geltend gemacht werden, da diese durch 
die gesamte moderne Veterinärgesetzgebung tief berührt werden 
und wie zu fürchten steht, nicht im günstigen Sinne. 

Die Privattierärzte müssen daher jetzt ihre Wünsche frei¬ 
mütig geltend machen, damit die Staatsregierung bei den kom¬ 
menden Gesetzen darauf tunlichst Rücksicht nehme. Sie muß 
das tun, weil sie der Landwirtschaft die notwendigen Praktiker 
erhalten muß. Sie muß auch durch Abmessung der Gerechtsame 
zeigen, daß sie die Gesamtheit der Privattierärzte des öffent- 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


liehen Vertrauens würdigt. Je strenger dabei Verfehlungen 
im einzelnen geahndet werden, um so besser. Die Stellung 
der Privattierärzte darf nicht zurückgehen, sondern muß, wie 
diejenige der Beamten, gehoben werden. Die gleichmäßige Ein¬ 
führung desAbiturientenexamens schließt bereits eine Anerkennung 
dieser Notwendigkeit ein. 

Entgegnung. 

Herr Professor Dr. Malkmus verlangt die Aufnahme einer 
Berichtigung auf Grund des Preßgesetzes. Die Bedingungen 
für dieses Verlangen sind nicht erfüllt. Ich erkenne aber auch 
ohnedies an, daß Herr Malkmus ein berechtigtes Interesse 
daran hat, eine ihm zugeschriebene Ansicht öffentlich richtig 
zu stellen. Diesen Satz seines Sehreibens veröffentliche ich da¬ 
her wörtlich. Er lautet: 

„In dem an mich gerichteten Schreiben in No. 12 der 
B. T. W. haben Sie behauptet, daß ich die Konservierung des 
Direktorats an unserer Hochschule empfehle. Diese Angabe ist 
ünwahr. Niemals habe ich eine derartige Äußerung in Wort 
oder in Schrift gemacht. In dem von Ihnen berührten Artikel 
auf Seite 118 der Deutschen Tierärztlichen Wochenschrift des 
vorigen Jahrgangs habe ich vielmehr gesagt, daß dem Herrn 
Geheimen Regierungsrat Prof. Dr. Dammann das große Werk 
der Neuerbauung der Hochschule in Hannover nur gelingen 
konnte; weil er nicht nur Professor, sondern Direktor der Hoch¬ 
schule war. ... So war es für die Hochschule zur Neuerstehung 
ein Glück, daß bei der Erhebung zur Hochschule das Direktorat 
nicht beseitigt wurde.“ 

Dazu bemerke ich folgendes: Der Artikel des Herrn Prof. 
Malkmus erschien in seinen gesamten Ausführungen (z. B. in 
der ganz allgemeinen Bemerkung „viele Köche verderben den 
Brei“) als ein Angriff auf die Rektoratsverfassung und eine 
Preisung der Vorzüge des Direktorates. Er berechtigte daher zu 
der Auffassung, daß der Autor der Beibehaltung des Direktorates 
das Wort rede. Wenn Herr Malkmus aber seine Ausführungen 
jetzt dahin präzisiert, daß er (wie ich ihn verstehe), nur mit 
Rücksicht auf den außergewöhnlichen Fall des Neubaues der 
ganzen Hochschule und keineswegs im allgemeinen dem Direktorat 
den Vorzug geben wollte, so halte ich mich für verpflichtet, 
ihm das zu glauben und diese seine Auffassung auch den 
Lesern der B. T. W. bekannt zu machen. Ich freue. mich, 
daß Professor Malkmus die Konservierung des Direktorates 
nicht empfiehlt. 

Im übrigen habe ich aber mit der qu. Bemerkung nicht ihm 
Worte in den Mund gelegt, sondern die Tendenz eines von ihm 
geschriebenen Artikels charakterisiert. Ein solches Urteil kann 
unrichtig sein, aber nicht unwahr. Wenn man dieses Wort 
gebrauchen will, dann enthielt der gegen mich geschriebene 
Artikel des Herrn Malkmus (No. 12, pg. 199) eine Anzahl 
Unwahrheiten, denn es ist „unwahr“, daß mein Artikel „inspiriert“ 
war, daß ich mich „dazu hergegeben“ habe, daß ich eine „Meta¬ 
morphose durchgemacht“ und „solche Grundsätze niemals ver¬ 
treten“ habe. Schmaltz. 

Zur Berichtigung 

des Herrn Professor Dr. Fröhner in No. 11 der B. T. W. 
erkläre ich: 


No. 13. 


Das bemängelte, die Sache nicht betreffende Versehen wird 
durch den vielfach verbreiteten Gebrauch erklärlich, das zitierte 
Handbuch kurzweg als Fröhnersches zu bezeichnen. 

Im übrigen glaube ich, durch meinen Irrtum dem Herrn 
Professor Dr. Fröhner keinen Grund zu der persönlichen 
Schärfe seiner Berichtigung gegeben zu haben. 

Herdenheim, 18. März 1903. Probst, Distriktstierarzt. 

Zur Fleischschau. 

Für die Bevorzugung der Laienfleischbeschauer 
sind in kurzer Zeit sehr viele Beläge eingegangen, namentlich 
aus Hannover und Schleswig (aus der Provinz Brandenburg 
keiner). In manchen Kreisen hat der Landrat sämtliche Tier¬ 
ärzte abgelehnt; ja, es ist sogar Tierärzten, die in ihrem Wohn¬ 
ort die Fleischschau ausübten, diese jetzt zu Gunsten eines Laien 
abgenommen worden. Die Schwierigkeiten der Einführung der 
Fleischschau sind so groß, daß durch allgemeine Verfügungen in 
die örtlichen Verhältnisse zunächst nicht eingegriffen werden kann. 
Dem Regierungspräsidenten ist ein Einspruchsrecht nnd eine 
Kontrolle der Anstellung Vorbehalten. Es empfiehlt sich daher, 
wenn Bescheide des Landrates ausbleiben oder ungünstig Bind, 
Eingabe an den Regierungspräsidenten. Andere Mittel stehen 
vorläufig nicht zu Gebote. 

Wörtliche Zusätze in Fleischbesehan-Stempeln, 
wie sie Herr Kollege Sahner in B. T. W. No. 12 besprochen 
hat, sind nicht zulässig, wie Herr Professor Ostertag uns 
mitgeteilt hat. 

Die in No. 12, pg. 191 erwähnten Formulare zur Buch¬ 
führung in Schlachthöfen sind von F. W. Becker in Arnsberg 
zu beziehen. 


Personalien. 

Ernennungen: Tierarzt Adolf Maier in Neckarbischofsheim 
zum Bezirkstierarzt in Konstanz. Sanitätstierarzt J. Brandmann 
in Haltern zum Amtstierarzt für das Amt Mengede in Westfalen.. 
Sanitätstierarzt Oskar Semmner und Volontärtierarzt F. Stein¬ 
berg in Halle a. S. zu Btädt. Tierärzten in Bitterfeld bezw. Merse¬ 
burg. Stadttierarzt Schnug in Leutkirch zum Assistenten am 
anatom. Institut der tierärztlichen Hochschule in Stuttgart. Tier¬ 
arzt M. Junack in Parchim zum wissenschaftlichen Hilfsarbeiter 
am hygien. Institut der tierärztlichen Hochschule Berlin. 

Pensioniert: Die Bezirkstierärzte A. Einwächter in Kon¬ 
stanz, H. Lösch in Überlingen, G. von Ow in Stockach, A. Strit- 
matter in Pfullendorf. 

Wohnsltzverfinderungen, Niederlassungen: Die Tierärzte W. Krieter 
von Dorsten nach Sterkrade im Rheinland, F. List von Kalvörde 
nach Klötze in der Altmark. Niedergelassen: Die Tierärzte F. 
Freitag in Bobersberg bei Krossen a. d. Oder nnd A. Kupke in 
Beelitz in der Mark. 

Examina: Das Kreistierarztexamen bestanden in Berlin die Herren: 
B. Freigang aus Patschkau, Dr. A. Fromme aus Berlin, K. 
Irrgang aus Plauen im Vogtland, Dr. Kantorowicz aus Mühlberg 
a. d. Elbe, Koeppen aus Werneuchen, E. Leipziger aus Themar, 
J. Prayon aus Düsseldorf, K. Reineck aus Berlin, E. Scharr 
aus Berlin, Dr. Rud. Schmidt aus Elbing, Alois Schneider aus 
Tiegenbof in Westpreußen, Dr. Zalewsky aus Berlin. 

Approbiert wurden in München die Herren: H. Geßler aus 
Schwabbruck, A. Haag aus Haag, V. Vogel aus Fischach. 

Promotionen: Von der vet-med. Fakultät Bern wurden promo¬ 
viert die Herren Tierärzte Carl Beck aus Ipsheim und G. Schenkel 
aus Neunburg. 


Vakanzen. 

Neu hinzugetreten (siehe übrigens No. 10ff): Berkum: Tier¬ 
arzt vom 1. Juni bis 1. Oktober ab. Meldungen mit beglaubigten 
Zeugnisabschriften bis spätestens 12. April an den Gemeindevor» 
stand. — Kletzko (Kreis Gnesen): Deutscher Tierarzt vom 
1. April ab. Einkommen circa 2700 M. event. auch 750 M. Staats¬ 
zuschuß. Gesuche an den Magistrat 


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Die (Berliner TlerftraUlehe Woohenechrlft* erscheint 
wöchentlich im Verlege von Richard 8choetz ln 
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Cöln. 

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Preusse 

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Dr. Schi eg el 

Dr. Vogel 

Zünde! 



Veterinärassessor 

Professor 

Professor 

I.andes-Insp. f. Tierzucht Krelstierarzt 



Dansig. 

Dresden. 

Freiburg i. Br. 

München. 

Mülhausen i. E. 



Jahrgang 1903. Jfä 14 . Ausgegeben am 2. April. 


I nhalt: Sohlegei: Plattenepithelkrebs (Kankroid) der Harnblase des Pferdes. — Referate: Lesbre: Ungünstiger Aasgang 
einer diagnostischen Kokaininjektion. — Petersen: Über den Gebrauch von Bierhefe in der Tierheilkunde. — Texasfieber 
oder Rotwasser in Rhodesia. — Bartels: Cysticercus fasciolaris. — Pecus: Behandlung der Warzen. — Kofi er: Zur Ätiologie 
der Bauchhernien. — Jeß: Wochenübersicht über die medizinische Literatur. — Tagesgeschichte: Reorganisation des Militär¬ 
veterinärwesens. — Verschiedenes. — Staatsveterinärwesen. — Fleischbeschau und Viehhandel. — Bücheranzeigen und 
Kritiken. — Personalien. — Vakanzen. 


Plattenepithelkrebs (Kankroid) der Harnblase 
des Pferdes. 

Von 

Prof. Dr. M. Schlegel. 

(Aua dem tierhygieniscben Institut der Universität Freiburg 1. Br.) 

Die hohe Bedeutung, welche die Geschwulstlehre in der 
Menschenmedizin schon sehr lange besitzt, tritt auch für die 


der Veterinärmedizin die Lehre von den Geschwülsten jenes 
bedeutsame Interesse niemals gewinnen, wie beispielsweise die 
gefürchtete Krebskrankheit beim Menschen, so sind doch 
Diagnose, Prognose und Behandlung von Neubildungen für den 
praktizierenden Tierarzt gerade wichtig genug, um einige 
Streiflichter in dieses Gebiet zu werfen. 


d. 



Tiermedizin mehr nnd mehr in Erscheinung; auf beiden Gebieten Das Vorkommen von Krebs bei Pferden ist nach den 

wird in neuerer Zeit das Studium über die Ätiologie der Ge- j Sticker sehen Zusammenstellungen *) anf 332 Primärkarzinorae 
schwülste mit Recht vergleichend betrieben. Mag nnn auch in festgestellt, darunter 14 Harnblasenkrebse, d. s. 4,22 %. Diese 


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226 


Blasenkrebsfälle wurden von Bang 2 ), Pflng 8 ), Manri 4 ), Stolz 5 ), 
Siedamgrotzky 6 ), Johne 7 ), Hink 8 ), Friedberger 9 )» 
Kemp 10 ) und Kick 11 ) publiziert. 

Die von Siedamgrotzky und Kick beobachteten drei 
Fälle, namentlich deren Metastasenbildungen besitzen mit dem 
nachstehend beschriebenen Fall große Analogie, während letzerer 
hinsichtlich der primären Lokalisation, der malignen Generali- 
sation und der deletären Degenerationen eine merkwürdige 
Sonderstellung einnimmt. Diese Karzinomatose besitzt um so 
wertvolleres, allgemeines Interesse, als dieselbe klinisch, patho- 
logisch-anatomiseh sowie histologisch geschildert wird. 

I. Klinisches. 

Das Pferd — mittelschwere Schimmelstute, ca. 15 Jahre 
alt — zeigte die ersten, für den Besitzer bemerkbaren Krank¬ 
heitserscheinungen anfangs Februar 1902, indem es im Er¬ 
nährungszustände ein wenig abnahn, und anfangs April 1902 
beobachtete der Besitzer, daß der Harn des Pferdes zuweilen 
rötlich gefärbt war, jedoch regelmäßig abgesetzt wurde. Mitte 
Mai 1902 wurde dem Besitzer das Leiden des Pferdes auffälliger; 
die Futteraufiiahme war jetzt verringert, der Ham häufiger 
und stärker gerötet, und Ende Mai 1902 gingen kleinere, zahl¬ 
reiche Blutgerinnsel und auch seltener Harngries mit dem Ham 
ab, weshalb um tierärztliche Hilfe nachgesucht wurde. Hier¬ 
durch sind Mitte Juni 1902 Mattigkeit und Abgeschlagenheit des 
sonst fieberlosen und noch gut genährten Pferdes sowie perio¬ 
disches Blut- und Griesharnen infolge einer gänseeigroßen, 
per rectum fühlbaren Neubildung in der Harnblase festgestellt 
worden. Die Ausspülungen der Harnblase des Pferdes mit des¬ 
infizierenden und adstringierenden Mitteln hatten aber einen 
ungünstigen Erfolg, da die Blutungen und der Harndrang häu¬ 
figer und stärker wurden; oft stellte sieh an einem Tage zwei- 
bis dreimalige Hämaturie mit Abgang fingergroßer Blut¬ 
gerinnsel ein; lebensgefährliche Blasenblutungen traten hingegen 
nie auf, und der Puls des Pferdes war stets regelmäßig. Ende 
Juli 1902 war das Pferd matt, abgemagert, anämisch, fraß nicht 
mehr, setzte unter Harndrang häufig kleine Harnmengen ab, 
welchen zeitweise flüssiges und geronnenes Blut sowie Harn¬ 
gries beigemischt waren. Der Gang des Pferdes war stets frei, 
und Kolikerscheinungen wurden nie beobachtet. Die Haupt- 
erscheinungen der Krankheit dieses Pferdes bestanden somit 
neben der per rectum nachweisbaren Blasengeschwulst, welche 
auch durch die stark erweiterte, für zwei Finger passierbare 
Harnröhre hindurch deutlich zu fühlen war, in periodischer 
Hämaturie, in häufigem Harnabsatz, in allmählicher Abmagerung 
bei wechselndem Appetit. Das Pferd hat fünf gesunde Fohlen 
(das letzte im Jahre 1901) geboren; jede Geburt verlief normal. 
Wegen Unheilbarkeit einer bösartigen Neubildung in der Harn¬ 
blase, sowie wegen drohender Erschöpfung und des voraussichtlich 
in einigen Wochen eintretenden letalen Ausganges wurde das 
Pferd dem Schlachtmesser überwiesen. 

IL Pathologisch-anatomischer Befund. *) 

Die Harnblase stellt einen verunstalteten, mannskopf¬ 
großen, länglich-ovalen Tumor dar und hat ein Gewicht von 
4 kg. In der verdickten Serosa der stark höckerigen Ober¬ 
fläche dieser mächtigen Geschwulst, sowie auf den Seitenbändern 
der Harnblase finden sich allein 200 gezählte, wickenkorn- bis 

*) Die liebenswürdige Überlassung des Materiales verdanke ich 
Herrn Schlachthofverwalter, Tierarzt Metz in Freiburg. 


No. 14. 

bohnen- bis taubeneigroße, gerötete, höckerige, derbe Knötchen 
und Knoten, sowie zahlreiche, ungezählte submiliare Knötchen; 
alle dieselben sind teils gestielt, teils aufsitzend, teils in und 
unter der Serosa, welche außerdem mit vielen zottigen und 
netzförmigen Vegetationen besetzt ist. — Die Wandungen der 
Harnblase sind in der caudalen Hälfte derselben bald bis zu 
2 cm fibrös oder infolge Hypertrophie der Muskulatur verdickt 
bezw. karzinomatös (besonders in der Submucosa) verändert, 
bald sind dieselben infolge Druckatrophie auf 3—4 mm dünn 
geworden; die Schleimhaut der Blase und Harnröhre ist 
fast durchweg diphtheritisch-krebsig bezw. geschwürig zerstört; 
nur die um das Blasendreieck gelegene Dorsalwand, etwa ein 
Viertel der ganzen Blasenschleimhaut, erscheint normal; die den 
geschwürig-krebsigen Zerfall von der gesunden Schleimhaut ab¬ 
grenzenden Ränder sind stark wallartig bezw. lippenähnlich 
aufgeworfen und derb, kallös. Im Cavum der verunstalteten 
Harnblase liegt ein doppeltfaustgroßer, ovaler, aufgequollener 
Tumor, welcher dasselbe fast ganz ausffillt. Dieser Tumor ist 
sehr weich und zerreißlich, an der Oberfläche teils glatt, teils 
feinzottig und aufgefasert, teils von einem handdicken, schalen¬ 
förmigen, höckerigen, erdig aussehenden Blasenkonkrement um¬ 
geben und besteht im übrigen aus einer blutig-grauroten, mark¬ 
weichen Masse, welche mit einem zweifingerdicken Stiel mitten 
in der Harnblase durch die rechte, untere, laterale Blasenwand 
hindurch gewuchert ist; auf der korrespondierenden Außenseite 
der Blase finden sich handflächengroße und handdicke, schwartige 
Auflagerungen eines speckigen Narbengewebes; dicht neben dem 
Geschwulststiel führt durch die krebsig durchwucherte Blasen¬ 
wand und durch dieses Narbengewebe hindurch eine fingerdicke 
Krebsfistel, welche mit einer käsigmilchigen Masse erfüllt ist, 
und von hier aus wurden von Zeit zu Zeit krebsige Zerfalls¬ 
massen in die Bauchhöhle entleert. Die mit dunkelgau-rötlicher 
Farbentönung versehene, weiche Schnittfläche dieses Tumors 
weist im Zentrum einen haselnußgroßen, aus fettig degenerierten 
Epithelzellen bestehenden Zerfallherd auf, um welchen herum 
ein zwiebelschalenartig konzentrisch geschichtetes, überaus ge- 
fäß- und blutreiches Gewebspolster nebst vielen abgelaufenen 
Blutungen erkennbar sind. Unter fließendem Wasser zeigen die 
zahlreichen, an der Peripherie der Schnittfläche postierten feinen, 
dünnen Zöttchen deutliches Flottieren. — Die orale Hälfte der 
Harnblase ist in ein 10 cm langes und 15 cm breites, gehirn¬ 
markähnlich bis breiig erweichtes, an der Oberfläche durch viele 
Zottenbildungen tief zerklüftetes, graurötliches Krebspolster um¬ 
gewandelt; die Blasenwand ist durch diese flächenartig ausge¬ 
dehnte, krebsige Infiltration vollkommen zerstört, in eine 
bröckelige, blätterige, schmierige, blutig-graurote Zerfallsmasse 
verwandelt, welche aussen von der schwartigen Serosa dick¬ 
schalig umschlossen ist. Zufolge des erheblichen Gewichtes 
des in der rechten lateralen Seitenwand der Harnblase postierten 
Tumors fand eine Viertel-Senkung bezw. -Drehung derselben nach 
der ventralen bezw. linken Seite hin um die Längsachse statt; 
außerdem trat infolge der erweichenden enormen Krebsinflltration 
und der dadurch bedingten Schwere des Blasengipfels eine Ver¬ 
lagerung desselben nach der ventralen Fläche ein. — Lumen 
der Harnröhre für zwei Finger passierbar, die Schleimhaut der¬ 
selben durch krebsigblätterige und geschwürige Wucherungen 
zerstört; die Harnleiter, namentlich der linksseitige, sind 
mannsfingerdick, verhärtet, das Lumen derselben stark erweitert 
und stellenweise mit einer schmutzig-graugelben, mörtelartigen, 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 



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2. April 1908. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


227 


znsammengeballten Masse ange füllt; die Schleimhaut im linken 
Ureter stellenweise wulstig und faltig gewuchert; die Höhe 
dieser Falten ist an einzelnen Stellen geschwürig entartet. 
Die Nierenbecken sind ebenfalls ektasiert, enthalten schleimigen, 
mit zahlreichen, Sandkorn grossen Konkrementen untermischten 
Harn; Stauungshyperämie der Nieren; Fett der linken Niere 
sulzig-wässerig eingeschmolzen. 

Serosa des Uterus und Mastdarmes von zahlreichen, ge¬ 
röteten, filamentösen Granulationswucherungen bedeckt, deren 
Enden meist mit einem kleinsten, blutig-roten Knötchen, dem 
jüngsten Stadium der Geschwulst, besetzt sind; außerdem viele 
erbsengroße, an der Oberfläche grobgranulierte, gestielte, derbe, 
schwer schneidbare Knoten von rötlichem Anflug. 

Die Kreuzbeinlymphdrüsen, die medialen und lateralen 
Darmbeindrüsen, sowie die Lnmbaldrüsen sind in eine enorm große, 
zusammenhängende Krebsgeschwulst umgewandelt; sie bilden an 
der oberen Beckenwand zusammenhängende, über 30 cm lange 
und 20 cm dicke, höckerig-knollige, in der Tiefe stark fluk¬ 
tuierende, grauweiße, mächtige Geschwulstmaasen, welche höchst 
brüchig und fetzig zerreißlich sind; das Innere derselben ist 
infolge hochgradiger fettiger Degeneration zu einer milchähnlichen 
Zerfallsmasse verflüssigt, welche in großen Mengen hervorspritzt; 
die inneren Wandungen dieser Geschwulstcysten sind zerfetzt, 
zerklüftet und zerfressen; dieselben füllen nebst der Harnblasen¬ 
geschwulst, mit welcher sie auf beiden Seiten durch viele 
Pseudoligamente verwachsen sind, die ganze Beckenhöhle aus 
und lassen unmittelbar unter der Wirbelsäule nur einen faust¬ 
großen Raum für den Durchtritt des Rectum und Uterus. Dorsal- 
wärts umgreifen diese Lymphdrüsengeschwülste die hintere 
Hohlvene, die Schenkelvenen, Bauchvenen, die Bauchaorta, die 
Schenkelarterien, die Baucharterien und Beckenarterien von 
unten her und umwachsen diese Gefäße ringsum; die Wände 
aller dieser Gefäße sind nicht nur von außen her arrodiert, 
sondern die Krebswucherung ist durch die ventrale Wand der 
bezeichneten Venen an mehreren Stellen hindurchgebrochen; 
namentlich sind, was selten zur Beobachtung gelangt, auch die 
Wände der genannten Arterien stellenweise auf eine Länge von 
7 cm bis auf die Intima karzinomatös infiltriert, und die ventrale 
Wand der hinteren Hohlvene sowie die Becken- und Schenkel¬ 
venen sind auf eine Länge von 15 cm von vielen linsen- bis 
erbsen- bis pfennig- bis markstückgroßen Krebsherden durch¬ 
wuchert ; auf der korrespondierenden Stelle der Gefäßlumina 
Anden sich umfängliche, bis 2 cm dicke und 10 cm lange, 
bröckelig-blätterige, graubraunrote, thrombenartige Auflagerungen, 
welche die Gefäßhöhlungen bis über die Hälfte verlegen. — 
Die Leistendrüsen sind infolge markiger Schwellung faustgroß. 

Auf dem ganzen parietalen Blatt des Peritoneums, sowie auf 
der Serosa des ganzen Darmkanals und Gekröses finden sich 
hunderte teils gestielter, teils aufsitzender, teils in nabelartigen 
Vertiefungen des retroperitonealen Fettpolsters eingebetteter, hanf- 
korn- bis haselnuß- bis hühnereigroßer, rundlicher oder knopf¬ 
förmiger, derber, schwer schneidbarer Knötchen und Knoten 
von fleischroter, höckeriger Oberfläche und mit zahlreichen, 
punktförmigen und kleinfleckigen, intensiven Rötungen. Die 
Schnittflächen der kleineren Knötchen sind homogen, weiß und 
am Rande von rötlichem Farbenton; die nähere Besichtigung 
der Flächen zeigt ein feinfaseriges Gerüst bezw. einen radiären 
Bau, von welchen sich milchweiße, trübe Flüssigkeit abstreichen 
-äßt. Die größeren Knoten sind im Zentrum durch fettige 


Degeneration stark erweicht; der flüssig-breiige Inhalt fließt 
oder spritzt beim Einschneiden aus den buchtigen Hohlräumen 
hervor. Die walnuß- bis hühnereigroßen, fluktuierenden 
Knoten zeigen eine weiß bis rosenrot marmorierte Schnittfläche, 
in welche oft große, graue, durchscheinende, hyaline Herde 
(kolloide Degeneration) eingesprengt sind; auch feine, intensiv 
gerötete Kapillaren durchziehen oft in fleckweise gelegenen 
Wundernetzen die Schnittfläche. Auf der Blinddarmspitze finden 
sich drei plattgedrückte, auf Stielen sitzende, pfennig- bis mark¬ 
stückgroße, fleischfarbene Knoten. Zwischen größeren Tumoren 
verstreut finden sich auf der Serosa zahllose villöse oder lang¬ 
fadenartige bis schwammig - büschelförmige Wucherungen und 
submiliare, blutigrote, weiche Knötchen, welche häufig auf dem 
Ende der zottigen Vegetationen sitzen (jüngste Stadien der 
Neubildung). 

Diese Filamente nebst netzartigen Granulationen mit sub¬ 
miliaren Knötchen, die hanfkorn- bis erbsen- bis walnußgroßen, 
hochgeröteten, an der Oberfläche grobkörnigen Knoten sind auch 
im ganzen, stark geröteten Netz in hunderten von extremsten 
Exemplaren vertreten, meist pendulierend mit längeren 
Stielen versehen und häufig zu knolligen oder traubenförmigen 
Konglomeraten zusammengelagert, so daß man sich des Ein¬ 
druckes nicht erwehren kann, daß zwischen diesen unzähligen, 
oft dicht nebeneinander sitzenden Krebsknötchen und Knoten und 
zwischen akuter Perlsucht des Rindes weitgehende Analogien 
bestehen. Die Serosa der Bauchhöhle enthält im ganzen viele 
Tausende solcher metastatischer Neoplasmen, welche aber zum 
Unterschied von tuberkulösen Prozessen keine Tendenz zur 
Verkäsung bezw. Verkalkung zeigen; ferner sind die regionären 
Lymphdrüsen nicht in der für Tuberkulose charakteristischen 
Weise verändert. 

Die Mesenterialdrüsen sind durch entzündliche Schwellung 
zu doppeltfingergroßen, braunroten Knoten vergrößert; die Mark¬ 
schicht derselben mit hämorrhagischen Herden infiltriert. 

Die Leber ist durch Schwellung vergrößert; die Zwerchfell¬ 
fläche der Leber zeigt auf der Serosa dicht nebeneinander liegende, 
filamentöse und netzförmige Granulationen und auf dem rechten 
und linken Leberlappen je einen fünfinarkstückgroßen, flach- 
knopfförmigen, in einer nabelartigen Einsenkung liegenden, breit¬ 
basigen, roten Krebsknoten. Außerdem Anden sich zahlreiche, 
erbsen- bis haselnußgroße, meist gestielte Knoten mit intensiv¬ 
rötlicher Farbentönung; dieselben sind in unregelmäßigen Ab¬ 
ständen entlang der Ränder der Leberlappen postiert; durch die 
daselbst schleierartig gewucherte Serosa sind die einzelnen 
Leberlappen miteinander verklebt, die portalen Lymphdrüsen 
durch markige Schwellung vergrößert 

Die Milz ist ganz erheblich verkleinert, nur 457 g schwer, 
33 cm lang, 13 cm breit und 2,2 cm dick, während das mittlere 
Gewicht einer gesunden Pferdemilz D /2 bis 3 Pfund beträgt 
und sich die Länge auf 40 bis 50 cm, die Breite auf 20 bis 
25 cm beläuft. 

Die Lunge enthält, über den rechten Hinterlappen verstreut, 
eine Anzahl subpleural gelegener, erbsen- bis bohnengroßer, 
praller, grauweißer, scharf begrenzter Knoten. 

Das linke Ovarium ist hühnereigroß, seröser Überzug des¬ 
selben nicht verändert; mitten im Zentrum der Schnittfläche 
findet sich ein embolischer, markstückgroßer, grauweißer, 
weicher, schon makroskopisch deutlich alveolären Bau zeigender 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 14. 



228 

Krebsherd, welcher von einer dicken fibrÖBen Kapsel ein¬ 
geschlossen ist. 

Das Herzfleisch ist auffallend mürbe, grangelb und sieht wie 
gekocht ans. 

In der Bauchhöhle finden sich beiläufig IV 2 Liter nnd in 
der Brusthöhle V 2 Liter klares Stauungstranssudat. 

III. Histologisches. 

Aus geeigneten Stellen der primären und metastatischen 
Tumoren wurden Stücke entnommen, in Schnitte zerlegt und 
mit Hämatoxylin-Pikrinsäure bezw. Eosin gefärbt, wodurch an¬ 
schauliche Bilder über den Bau der Geschwülste, namentlich 
der Zellkerne nnd des Parenchyms erzielt wurden; andere 
Schnitte wurden nach Grams nnd nach Weigerts Methode 
gefärbt. 

Die Oberfläche des Blasentumors bildet ein schalenförmiges 
Konkrement, welches aber gleichzeitig eine in die Tumorober¬ 
fläche infiltrierte Kalkinkrustation vorstellt. Nach der chemischen 
und mikroskopischen Untersuchung besteht dieselbe aus kohlen- 
sanrem Kalk nnd kohlensaurer Magnesia, aus wenig Harnsäure 
und Oxalsäure, sowie aus vielen organischen Substanzen, be¬ 
sonders aus zerfallenen Epithelien und degenerierten Gewebs- 
fetzen, durch welche das Konkrement mit dem Tumor locker 
verbunden ist. 

Diese Geschwulst ist an der Oberfläche scheinbar glatt; 
nnter Wasser gebracht zeigt dieselbe aber kleinzottige bis 
büschelähnliche, flottierende Exkreszenzen, welche vielfach durch 
geschwtirigen Zerfall losgestoßen nnd mit dem Harn entleert 
wurden. Es treten daher die zottigen Wucherungen an der 
Tnmoroberfläche wenig in Erscheinung, und der Tumor erweist 
sich bei näherer Prüfung zwiebelschalenartig geschichtet; der¬ 
selbe stellt also kein eigentliches Papillom vor, zumal das harte 
Oberflächenkonkrement infolge der Kontraktionen der Blasen¬ 
wände von allen Seiten her die papillomatösen Wucherungen 
der Tumoroberfläche zusammenpreßte, wie zwei einen Schneeball 
runddrückende Hände, so daß die Geschwulst mehr als ein 
Medullarkrebs imponiert, dessen ganze Oberfläche exulzeriert 
ist und keine Schleimhaut mehr enthält. Abgesehen von diesem 
mechanischen Zusammenstauchen und Verballen der papillären 
Anhänge sin«} die der Oberfläche derselben aufgelagerten Krebs¬ 
zellen durch fettige und hyaline Degeneration stark zerfallen, 
so daß deren Kernfärbung undeutlich oder ganz verwischt er¬ 
scheint, während die infiltrierten Harnsedimente diffuse Färbung 
annehmen; zuweilen sind noch die in der Medianlinie der Zöttcben 
verlaufenden, gefäßführenden, feinen Bindegewebsfibrillen zu 
erkennen. An der Oberfläche und in den tiefen Schichten des 
Tumors haben sich ferner nach Gram färbbare Staphylokokken 
und Streptokokken in großer Anzahl angesiedelt, welche die 
Gewebsertötung noch beschleunigten. Diese Zerfallsschicht auf 
der Oberfläche der Geschwulst reicht 1—2 cm tief. 

An etwas tiefer gelegenen Stellen des Tumors finden sich 
gut erhaltene, feine, schlanke papilläre Exkreszenzen, welche in 
ihrer Mitte in zartem, fibrillärem Grundgewebe eingesprengte, 
glatte Muskelfaserzüge mit langstäbchenförmigen Kernen ent¬ 
halten; auf diesem dünnen, stielartigen Stroma sitzen ringsum 
in mächtigen Schichten die platten, großen Krebszellen. Andere, 
meist etwas größere Zöttchen führen in ihrer Medianlinie jeweils 
ein relativ großes, stark injiziertes, in spärlichem, weichem 
Bindegewebe gelegenes, dünnwandiges Blutgefäß, welchem die 
ganz den Blasenepithelien gleichenden Krebszellen direkt auf¬ 


gelagert erscheinen; dieselben zeigen auch weites zapfenförmiges 
Tiefenwachstum zwischen den Spalten der Papillen. Diese 
dünnwandigen Blutgefäße in den zarten Zotten gaben begreif¬ 
licherweise zu häufigen Blutungen Anlaß, welche die Anämie 
des Pferdes mit veranlaßten. Diese zarten, schmalen Binde- 
gewebszüge der radiär angeordneten Zöttchen setzen sich zu 
einem äußerst mannigfaltig verzweigten, zentralen Stützgerüst 
zusammen, welches ans weichem Bindegewebe nebst vielen, von 
der Blasenwandmusknlatur abstammenden, glatten Muskelfasern 
und aus massenhaften ektasierten Blutgefäßen besteht, deren 
dünne, fragile Wände am Aufbau des Tumors hervorragend be¬ 
teiligt sind; weiter zentralwärts wird das Bindegewebsgerüst 
schichtenweise lediglich von prall injizierten, dicht nebeneinander 
verlaufenden Blutgefäßen gebildet, welche lakunäre Ektasien 
und Zerreißungen mit Blataustritten zeigen. Diese an den 
Stromagetäßen vorhandene, blntschwammähnliche Erweiterung 
und Wucherung führte zur Bildung einer förmlichen kavernösen 
nnd telangiektatischen, breiten Geschwnlstschicht; ans dem 
Blutreichtum haben sich nach Weigerts Fibrinfärbemethode 
leicht darstellbare, meist lamellär geschichtete oder netzartige 
Fibrinmassen ansgeschieden; die in den dazwischen liegenden 
Spalten befindlichen Krebszellenzapfen zeigen vielfach Stadien 
der Zellteilung, häufig aber fettige bezw. hyaline Degeneration; 
andere Zellen nehmen rote Blutzellen in ihren Protoplasmaleib 
auf. Im Zentrum des Tumors sintert das bindegewebige Stroma 
durch schleimige Degeneration nnd hämorrhagischen Zerfall zu¬ 
sammen, und die Krebszellen sind fettig und hyalin degeneriert. 
Hierbei kommen oft den Zelleinschlüssen gleiche Figuren, sowie 
Figuren von Zellinvaginationen vor, welche aber durch vor¬ 
stehende Prozesse bedingt sind und mit Blastomyceten oder 
Protozoen nichts gemein haben. Auch die Basis des Tumors 
samt der Blasenwand sind teils mehr difftis, teils nesterweise 
krebsig infiltriert. 

Die durch ein mächtiges, krebsig infiltriertes Gewebspolster 
ersetzte Wand des Blasengipfels bezw. der ganzen oralen Harn¬ 
blasenhälfte enthält auf der dem Blasenlumen zugekehrten Fläche 
vollständig abgestorbene Gewebsmassen, welche zahlreiche Ein¬ 
lagerungen von krystallini8chen Harnsedimenten zeigen, und 
auch bis unter die dickschalige Umgrenzung der Blasenserosa 
ist das durch ausgedehnte krebsige Flächeninfiltration ent¬ 
standene Karzinompolster durchweg der fettigen Metamorphose 
verfallen. 

Als Veränderung der Ureteren wurde histologisch festge¬ 
stellt, daß der Oberfläche der stark faltigen, papillär gewucherten 
Mucosa stellenweise massenhafte Karzinomzellen aufgelagert 
sind, welche in die oberflächlichen Schichten der Schleimhaut 
Vordringen. Die Wandungen der Ureteren hypertrophisch, 
Lumen infolge der Harnstauungen stark ektasiert, die ober¬ 
flächlich gelegenen Krebszellen erscheinen teilweise epidermis- 
artig seitlich zusammengedrückt und in Verhornung begriffen. 

Die großen metastatischen Tumoren der cystoiden Becken- 
lymphdrtisen verdanken die verflüssigte Einschmelzung ihres 
Krebsgewebes der fettigen und kolloiden Entartung. Die er¬ 
haltenen Karzinomzellen gleichen auch hier in charakteristischer 
Weise dem Harnblasenepithel. 

Die mannigfaltigen knolligen Metastasen des Peritoneums 
zeigen genau dieselben Carcinomzellen wie der primäre Tumor: 
grosse, platte Hornblasenepithelien mit deutlicher Membran, 
charakteristisch - homogenem Glanze des Protoplasmaleibes und 


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2. April 1908. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


großen, bläschenförmigen Kernen; oft sind sie keulenförmig mit 
nach unten ausgezogener Spitze, und eine Zellmembran ist der 
anderen dicht angereiht; nur spärliche fibrilläre Bindege webszöge 
teilen dieselben in nesterweise Haufen ab, wodurch der deutlich 
hervortretende alveoläre Bau zustande kommt. Die grösseren 
Tumoren zeigen denselben Aufbau, aber noch kleinere und 
größere multiple hämorrhagische Herde; ferner partienweise 
hochgradige, fettige und kolloide Degeneration der Krebszellen; 
es entstehen zuerst in den vergrößerten Zellen glänzend 
homogene Tröpfchen, bis die ganze Krebszelle ein homogenes 
Kolloidkörperchen bildet. Die hyalinen Massen erfüllen die 
Gewebsspalten; hierbei gehen zuerst die Protoplasmaleiber und 
die Membranen unter und die Zellkerne zerfallen körnig; diese 
Körner allein nehmen noch Kernfärbung an; infolge der regres¬ 
siven Metamorphose hat sich eine diffusfärbende, homogen- 
hyaline bis leicht körnige Kolloidsubstanz gebildet, welche sich 
in bis haselnuß- bis walnußgroßen Cystenräumen ansammelte, 
deren Inhalt bald fester, bald weicher, bald farblose, bald eine 
blut- und fettgemischte Kolloidmasse ist. 

Metastasen der Lunge? sind embolischer Natur, ihr Aufbau 
ist exquisit alveolär; die Karzinomzellen sehen genau wie große 
Pflasterepithelien mit großen, bläschenförmigen Kernen aus; die 
Lungenalveolen sind mit diesen Krebszellennestern erfüllt, 
welche durch die noch deutlich erkennbaren Alveolarsepten in 
Felder abgeteilt erscheinen; die in denselben enthaltenen elasti¬ 
schen Fasern widerstehen auch im Zentrum der Geschwulst- 
herde sehr lange und sind als stark glänzende Faserzöge 
zwischen den Zellhaufen erkennbar. 

Die Metastase im Ovarium: ist ebenfalls embolischer 
Herkunft,' da dieselbe mitten im Eierstock liegt und sich rings um 
den Herd eine dicke, cirrhotische Bindegewebskapsel befindet. 
Der Krebsherd des Ovariums selbst geht namentlich im Zentrum, 
wo sich eine Blutung findet, durch hämorrhagischen Zerfall und 
Kolloidmetamorphose zu Grunde; dabei findet sich, ähnlich wie in 
den größeren Peritonealtumoren, auch hier starker Zerfall des 
Zellprotoplasmas an den mit merkwürdiger Typie auch hier 
wiederkehrenden, pflasterepithelgleichen Karzinomzellen, ebenso 
der Zellmembranen; auch ist ein großer Teil der Krebszellen¬ 
kerne körnig und schollig zerfallen; die Krebszellen sind auch 
hier alveolär zusammengelagert, dazwischen findet - sich ein 
zartes Stroma mit feinen Bindegewebszögen, welche sich in 
immer kleiner werdende Fibrillen auflösen; nirgends aber setzen 
sich dieselben zwischen den einzelnen Zellen fort. 

IV. Pathogenese. 

Demnach litt die 15jährige Schimmelstute an generalisierter 
hochgradiger Karzinomatose; dieselbe besteht in primärem 
Blasenepithelkrebs, sekundärem Lymphdrösenkrebs der Kreuz¬ 
bein-, Darmbein- und Lumbaldrösen nebst krebsiger Entartung 
der regionären Venenstämme, in metastatischer Karzinomatose 
des gesamten Bauchfelles in verschiedensten Stadien, sowie in 
Krebsmetastasen der Lunge und des Ovariums. Infolge Ver¬ 
legung der Harnröhrenöffnung durch den Blasentumor traten 
Harnstauungen sowie Erweiterung der Ureteren und Verstopfung 
-derselben mit Krebszellenballen nebst Konkrementbildungen ein. 
Der aüB einem papillären Epitheliom hervorgegangene primäre 
Tumor, welcher neben dem ln die Blasenwand ein gewucherten 
Stiel die Blasenperforation als seltenes Ereignis des Harn- 
blasenkrebsea zuwege brachte, entleerte in periodischen Zeit¬ 
räume* lebendige Krebszellen mit nachfolgender Flächendis- 


229 

semination in den Bauchraum, weshalb sich vorwiegend auf 
dem Boden der Bauchhöhle, auf der Zwerchfellfläche der Leber, 
im Netzbeutel und der Darmserosa verschiedenalterige Stadien 
massenhafter, knolliger Sekundärgeschwülste bildeten, welche 
nach Anzahl und Aussehen (abgesehen von der hier fehlenden 
Verkalkung) durchaus der akuten Perlsucht des Rindes ver¬ 
gleichbar sind. Auf lymphogenem Wege wurden außerdem die 
Krebskeime in die Beckenlymphdrüsen verschleppt, woselbst 
doppeltfaustgroße, durch Fettdegeneration verflüssigte, fetzig 
einreißende Tumoren entstanden, welche die in denselben ver¬ 
laufenden großen Bauch- und Beckengefäße teils arrodierten, 
teils perforierten. Nach Einbruch in den Blutkreislauf wurden 
vermehrungsfähige Krebszellen hämatogen verbreitet und in den 
Endarterien der Lungen sowie inmitten des linken Ovariums ab¬ 
filtriert, von wo aus sich neue Krebsmetastasen entwickelten. 

Das rasche, vorwiegend infiltrative Tiefenwachstum in die 
Spalträume und Blutgefäße der Blasenwand, der schnelle Zerfall 
des Primärtumors und des Flächenkrebses der Harnblase, sowie 
die intensive Malignität der unzähligen Krebsmetastasen führten 
zu starkem Rückgang in der Ernährung, zu Krebskachexie und 
Anämie des Pferdes, zu deren Zustandekommen die ausgebreitete 
Oberflächen-Exulzeration des Blasenkarzinoms bezw. die periodische 
Hämaturie wesentlich beitrug. Dessenungeachtet machte diese 
Karzinomatose am lebenden Pferd relativ wenig Erscheinungen. 
Auffällig sind ferner die Atrophie der Milz und die parenchy¬ 
matöse Degeneration des Herzens. 

Die Wiederkehr der klassischen Harnblasenepithelien in 
den weit entlegenen Metastasen der Bauch- und Brusthöhle 
sowie das maligne zapfenartige, deletere Tiefenwachstum der 
nesterweise oder alveolär angeordneten Pflasterepithelien in der 
Harnblase beweisen neben der Bildung der durch Flächendissemi¬ 
nation im Bauchraume sowie hämatogen in Lunge und Eierstock 
entstandenen Metastasen allein schon, daß es sich im vorliegen' 
den Falle um ein primäres Kankroid der Harnblase handelt; 
denn eine solche alveoläre Anordnung der Plattenepbithelien im 
spärlichen, bindegewebigen Stroma ist lediglich für Karzinome 
charakteristisch, und der wenig hervortretende, papilläre Aufbau 
des primären Tumors hängt, wie die durch den Blasentumor 
und die Blasenwand geführten Schnitte lehren, mit dem zapfen- 
und strangförmigen Tiefenwachstum der Epithelzellen zwischen 
den Bindegewebs- und glatten Muskelfaserzügen des Tumors und 
der Blasenwand, sowie mit der formativen Einwirkung der 
Karzinomzellen auf die letzteren zusammen, worauf auch die 
aus der Blasenmuskulatur stammenden, glatten Muskelfasern 
im Stroma des primären Tumors hinweisen. Demnach beginnt 
das Kankroid der Harnblase mit Epithelwucherung und stellen¬ 
weiser Verdickung der Epitheldecke, in welche das gefäßreiche 
Stroma nachrückt und zu dentritisch verzweigten Zügen aus¬ 
wuchert; auf letzeren sitzen dann die enorm gewucherten Epithel¬ 
schichten. Hierauf stellt sich bösartige Wucherung der 
Epithelien in die Tiefe des Gewebes, infiltratives Wachstum 
ein, wobei die Plattenepithelien zwischen den Papillen entlang 
den Lymphspalten und Lymphgefäßen in die Blasenwand hinein¬ 
wuchern und sich immer mehr verbreiten. 

V. Ätiologisches. 

Wie aus den histologischen Untersuchungen erhellt, achtete 
ich insbesondere auf die Krebsätiologie, die vielumstrittenen 
Krebsparasiten; in vielen Karzinomen kommen bekanntlich 
eigenartige, meist intranucleäre Gebilde, oder extranucleäre 


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280 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 14. 


Zelleinschltisse, oder extracelluläre Körperchen in Krebszellen 
vor, deren morphologisches Anssehen mit verschiedenen Ent¬ 
wicklungsstadien der Sporozoen Ähnlichkeit hat; doch wider¬ 
sprechen sich die von vielen Antoren hierüber gemachten An¬ 
gaben. Die Gegner der parasitären Natur dieser Körperchen 
— und zu diesen zählt jetzt die überwiegende Mehrzahl der 
Autoren —führen dieselben auf Kerametamorphosen der Zellen, wie 
vakuoläre und hydropische Kerndegeneration, Caryolyse, Caryo- 
rhexis, Verquellung und Verklumpung des Chromatins (Hyper- 
chromatose), oder aber auf hyaline, kolloide, schleimige und 
amyloide Degenerationen zurück. 

Die für Parasiten angesprochenen Körperchen fanden sich 
auch zahlreich und typisch in diesem primären Tumor der 
Harnblase, welcher in schleimiger, hyaliner Degeneration und 
hämorrhagischem Zerfall begriffen war; ingleichen traten in 
allen sekundären Tumoren Zelleinschlüsse, Zellteilungsfiguren, 
Invaginationsformen von Karzinomzellen, Zellhaufen mit mehr¬ 
fachen kernhaltigen Einschlüssen, übergroße Plattenepithelien 
und riesenhafte Zellen, Krebszellen mit eingewanderten Leukocyten 
und aufgenommenen Erythrocyten überall dort in typischen 
Figuren auf, wo starke regressive Metamorphosen oder hämor¬ 
rhagischer Zerfall abliefen, während diese Krebskörperchen in 
den jüngeren kompakten Tumoren fehlten. Diese Krebskörperchen 
hatten starkes Lichtbrechungsvermögen, aber auch die zerfallenden 
Erythrocyten; zudem waren jene Krebskörperchenfiguren vor¬ 
wiegend in nächster Umgebung der degenerierten und hämor¬ 
rhagischen Stellen nachzuweisen, so daß die roten Blutkörperchen 
an der Entstehung der Zelleinschlüsse beteiligt erschienen, wo¬ 
für auch die Aufnahme der Erythrocyten in die Karzinomzellen 
sprach. Während die Blutkörperchen im Protoplasma der 
Karzinomzellen der Degeneration, namentlich Hyalinose unter¬ 
lagen, entstanden daselbst Artefacte, welche den Sporozoen, 
oder Blastomyceten ähnlich sind. Demnach stellen auch die im 
vorliegenden Krebsfall des Pferdes beobachteten, äußerst variabeln 
Zelleinschlüsse Degenerationserscheinungen vor, welche koin- 
zidierend mit den degenerierten Partien der Tumoren auftraten 
und in den unveränderten Tumoren fehlten. Es wäre daher 
mehr Wert auf die Erforschung der intensiven Malignität der 
Karzinomzellen zu legen, da dieselben hochorganisierte, ohne 
Infektion sich vermehrende und lebende Individuen vorstellen, 
welche in ihrem Wirte gleichsam parasitieren, ohne de facto 
Parasit zu sein. 

Hierfür sprechen auch die lichtbringenden Experimente 
Jensens in Kopenhagen, welcher die Krebszellen von krebs- 
kranken Mäusen durch acht Generationen hindurch auf gesunde 
Mäuse verpflanzen konnte; dieser Forscher zeigte, daß die 
Karzinomzellen selbst für parasitär gewordene, mit immenser 
Vermehrungsfähigkeit ausgestattete Zellen des Organismus an¬ 
zusehen sind. Jensen entdeckte außerdem, daß die mit Krebs¬ 
zellen der Mäuse geimpften Kaninchen nicht krebskrank wurden, 
jedoch in der Folgezeit ein zur Heilung krebskranker Mäuse 
verwendbares Serum gewähren. 

Literatur. 

>) A. Sticker, Cher den Krebs der Tiere, Deutsche tierärztliche 
Wochenschrift 1901, S. 421 ff. 

®) Bang, Ein Fall von Harnblasenkarzinom beim Pferde, Hand¬ 
buch der Chirurgie von Stockfleth. 

3 ) Pflug, Die Krankheiten des uropoetischen Systems unserer 
Haustiere, Wien 1876. 

*)Ma uri, Cancer de la vessie, Revue v6tr. 1881, S. 60. 


5 ) Stolz, Krebs der Harnblase, Archiv für wissensch. und prakt 
Tierheilkunde 1886, S. 2ö8. 

R ) Siedamgrotzky, Kankroid der Harnblase eines Pferdes, 
Sächsischer Veter.-Bericht 1877, 8. 42. 

*) Johne, Zottenkrebs der Harnblase beim Pferde, Ibid. 1887, 
S. 85. 

8 ) A. Hink, Blasenkrebs beim Pferde, Tierärztliche Mitteilungen 
XXIV, 1889, No. VI. 

®) Friedberger, Karzinom der Harnblase, Adams Wochenschrift 

1889, S. 265. 

I0 ) Kemp, Carcinoma of the bladder, Am. veter. rev., Vol. VI., 
S. 541. 

n ) C. Kick, Über das Harnblasenkarzinom der Pferde, Inang.- 
Diss., Giessen 1897. 

Referate. 

Ungünstiger Ansgang einer diagnostischen Kokain- 
injektion. 

Von Militärveterinär Lesbre (14. Train-Esk., Lyon). 

(Journal de Lyon. Juli 1908). 

Zur Sicherung der Diagnose wurde einem zwölfjährigen, 
vermutlich infolge Podotrochlitis lahmen Pferde auf beiden Seiten 
des rechten Vorderfußes oberhalb der Fessel je eine subkutane 
Injektion von 0,15 g Kokain in 5 g destilliertem Wasser appliziert. 
Die Injektion war unter den erwünschten aseptischen Kautelen vor¬ 
genommen and ein trockener Watteverband angelegt worden. Nach 
einigen Minuten wurde das Pferd im Trabe bewegt; die Lahmheit ist 
vermindert, das Tier scheint aber aufgeregt. Etwa zwei Stunden 
später bemerkt die Stallwache, daß das Pferd einen starken 
Schweißausbrnch zeigt, daß aber das Morgenfutter in Ordnung 
aufgenommen worden war. Das Pferd wird alsbald eingedeckt 
und in den Krankenstall gebracht, beim Verlassen des Stalles 
uriniert es in so ergiebiger Weise, daß es den M^pnzchaften auf¬ 
fällt. Die Untersuchung im Krankenstall ergab, daß der allgemeine 
Habitus gut ist, das Tier zeigt Appetit; der Puls ist voll aber 
normal; an den Injektionsstellen ist eine leichte schmerzhafte 
Anschwellung bemerkbar. Verabreicht worden: 10 g Natr. 
bicarbonic, 40 g Liqn. Ammon. aceUc, 50 g Tinct Gentianae in 
Kaffeeinfus. Das Abendfutter wurde gut äufgenommen. 

Am folgenden Tage war das Schienbein ödematös an¬ 
geschwollen und dehnte sich die Schwellung am dritten Tage 
auf den Vorarm aus, das Pferd stützte sich nicht mehr anf den 
Fuß. Der Allgemeinznstand ist aber noch gut, die Atemzüge 
sind aber frequenter, der Herzschlag stärker, der Puls be¬ 
schleunigter. Behandelt wurde das Tier mit warmen Irrigationen. 
Am vierten Tage nahm das ödem noch zu, rötliche Serosität 
transsudiert in der Digitaigegend; infolge einer Art Rheumatismus 
des linken Fußes stützt sich das Tier fast ausschließlich auf den 
injizierten Fuß. Das Allgemeinbefinden verschlechtert sich, der 
Appetit wird geringer, die Atmung ist beschleunigt und geschieht 
mit erweiterten Nüstern, der Herzschlag ist stark pochend. 
Gegen Abend tritt profuser Schweißausbruch auf und versucht 
das Tier häufig aber ohne Erfolg zu urinieren. Der Durst ist 
groß. Temperatur 38,3. Das Tier mußte in den Aufhänge¬ 
apparat genommen werden, weil sich Pseudo-Rheumatismen auch 
an den Unterbeinen zeigten. Die Behandlung bestand in Ver¬ 
abreichung von 0,5 Natr. arsenici, 2,0 Cothein, 60,0 Natr. 
salicylic, 10,0 Kal. corad.; Einreibungen mit Methyl, salicylic; 
außerdem wurde als Tränke ein Abguß von Gerste, Flachs und 
Rad. Liquirit mit Kal. nitric und Natr. sulfuric verabreicht und 
znr Scbmerzlindernng eine Morphinminjektion vorgenommen. 


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2. April 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


281 


Am fünften Tage ist der Zustand noch schlechter; das Tier 
ist schweißgebadet, die durch das Stehen verursachten Schmerzen 
sind so groß, daß es sich trotz des Aufhängeapparates fort¬ 
während beugt; die Schwellung des mit Kokain behandelten 
Beines hat namentlich unten abgenommen; der Hornsaum ist 
stellenweise abgelöst; die Temperatur steigt von 38,6 auf 39,4; 
der Puls wurde klein und hart, die Konjunktiva wird rötlich¬ 
violett; der Durst ist immer hochgradig; die Versuche zu 
urinieren sind immer schmerzhaft aber ergebnislos. 

Am sechsten Tage sind die Schmerzen geringer, die Tem¬ 
peratur ist etwas gefallen; der Puls bleibt aber hart und klein 
die Konjunktiva wird immer dunkler, die Störungen in der 
Herzaktion und in der Respiration bestehen fort; die pseudo¬ 
rheumatischen Erscheinungen sind plötzlich verschwunden, die 
Nachhand scheint aber gelähmt zu sein. Kot- und Harnabsatz 
finden nicht statt. Der Tod trat in der Nacht ein. 

Die Sektion ergab Entfärbung und Brüchigkeit der Mus¬ 
kulatur, die mit Kokain behandelte Extremität ist der Sitz einer 
generalisierten Enmefaktion; die subcutanen Gewebe sind infiltriert 
und namentlich in den unteren Teilen stark congestioniert; 
Eiterung ist nirgends zu finden. Der Hornsaum ist rundherum 
abgelößt, der Hornschuh läßt sich vollkommen und ohne be¬ 
sondere Mühe abtrennen, die Huflederhaut ist sehr stark con¬ 
gestioniert und infiltriert. Die Untersuchung der Gefäße ergibt 
das Vorhandensein eines bis zum Knie hinauf reichenden Thrombus 
in der lateralen Schienbeinvene; derselbe ist teilweise organisiert, 
schwarz, resistent und adhäriert leicht an die Gefäßwand; die 
Intima der Vene ist stark injiziert. Die Nerven sind ebenfalls 
rechtlich kongestioniert. Außer den Erscheinungen der Podo- 
trochlitis 1 ist keine andere Läsion an der Extremität zu 
konstatieren. 

Die Lungen sind bypostatisch, stellenweise kongestioniert; 
das Perikard zeigt zahlreiche Ekchymosen, es enthält etwa ein 
Liter dunkle Serosität; das Herz ist hypertrophisch, es wiegt 
5600 Gramm, die rechte Kammer scheint doppelt so groß als 
normal; die Tricuspidalis ist verdickt und ekchymosiert; sie ist 
jedensfalls insuffisent gewesen. Das Endokard ist durch Imbi¬ 
bition gerötet. 

Auf dem ganzen Verlauf der Kranzvenen, die mit gestocktem 
schwarzem Blute gefüllt sind, zeigt das Myocard eine Unzahl 
hämorrhagische Punkte; an den anderen Stellen ist das Myocard 
entfärbt und brüchig. In der Bauchhöhle sind einige Liter 
seröse Flüssigkeit; das Peritoneum ist frei von Entzündungs¬ 
erscheinungen ; auf dem Dickdarm bemerkt man einige ekchymo- 
tische Flecken; im Darm sind wenig trockene, mit Schleim um¬ 
schlossene Materien enthalten; die Leber ist gelb und sehr brüchig. 

Das Nierenfett ist ödematös und stellenweise blutig inflltrirt; 
die Nieren sind normal groß, gleichmäßig verfärbt; die Nieren- 
kapsel ist ganz abgelöst; in der Rindenschicht sind die arteriolae 
rectae deutlich ersichtbar, die Malpighischen Glomeruli sind 
offenbar congestioniert. Die Markschicht ist ungleichmäßig 
hyperaemisch. Die Nierenbecken sind mit stark klebenden 
klaren Schleimpfröpfen gefüllt. Die Harnblase ist absolut leer. 

E. kann keine Erklärung für den Unfall finden; möglicher¬ 
weise ist der Organismus durch die z. Z. der Injektion sehr 
niedere Temperatur besonders empfindlich gemacht worden, 
vielleicht beruhte diese Empfindlichkeit auf älteren Nieren¬ 
läsionen verbunden mit der Herzhypertrophie? Zündel. 


Über den Gebranch von Bierhefe in der Tierheilkunde. 

Von A. Petersen. 

Publikation dar r La syma“, A.-G. Montreux. 

Die Hefe, seit alters in der Volksmedizin empirisch ver¬ 
wendet, wird seit neuerer Zeit wegen ihrer bactericiden Enzym¬ 
wirkung auch von der wissenschaftlichen Medizin als Arznei¬ 
mittel angewendet (vgl. B.T.W. 1903 S. 68,129, 217). Petersen 
hat dieselbe in seiner militärtierärztlichen Praxis namentlich 
bei der Behandlung der Druse versucht. Natürliche trockene 
Branntweinhefe, trockene und nasse Bierhefe wendete er mit 
wechselndem Erfolg an. Dagegen erzielte er stets günstige 
Resultate beim Gebrauch eines künstlichen Dauerhefepräparates 
„Furonculine“, das die Aktiengesellschaft „La zyma“ in Montreux 
in den Handel bringt und das er als ein trockenes Pulver mit 
sämtlichen Eigenschaften lebender Hefe, ausgenommen ihre 
Vermehrungsfähigkeit, bezeichnet. 

Die Medikation erfolgte so, daß den Patienten 50—100,0 
pro die mit dem Kurzfutter gereicht oder bei fehlendem Appetit 
mit Syrup als Elektuarium auf die Zunge gestrichen wurden. 
Die Wirkung äußerte sich alsbald in einem Sinken der Fieber¬ 
temperatur, Zurückgehen der Drüsenschwellungen, Aufhören der 
katarrhalischen Erscheinungen, Wiederkehren des Appetits. In 
keinem von 40 in ihrem Verlauf beobachteten Drusefällen kam 
es zu umfangreicheren Eiterungen, nur in zweien zur Abszedierung 
der Kehlgangslymphdrüsen. Auf Grund dieser praktischen Er¬ 
gebnisse ist Petersen geneigt, die Furonculine geradezu als 
Specificum gegen Druse anzusprechen. 

Äußerlich benutzte er das Mittel außerdem in Lösung zur 
Behandlung von Phlegmone, chronischen eiternden Wunden, 
Urticaria, Dyspepsie des Rindes, Obstipation des Schweines, 
Diarrhoe der Ferkel, eiterig-jauchiger Metritis und Vaginitis 
der Kuh, sowie dem „Ausschlag der Ferkel“ (sogen. Ruß?). 
Verfasser, der seine günstigen Erfahrungen auch in einem 
„Rapport an das Kriegsministerium des deutschen Reiches“ nieder¬ 
gelegt hat, rühmt dem Mittel nach: 1. desinfizierende, 2. die Darm¬ 
peristaltik anregende, 3. desodosierende Wirkung. O.Albrecht. 

Texasfieber oder Rotwasser In Rhodesia. 

(Journal of Conyi. Path. and Therap. Vol. XV, TI. 4). 

Charles E. Gray M. R. C. V. S. und William Robertson 
M. R. C. V. S. haben Ende verflossenen Jahres über das Auf¬ 
treten und den Verlauf des Texasfiebers in Rhodesia einen aus¬ 
führlichen Bericht geliefert, aus dem zu entnehmen ist, daß 
dasselbe durch Viehtransporte aus verseuchten südafrikanischen 
Distrikten eingeschleppt wurde. Ein Rindertransport, der im 
Jahre 1901 aus Neu-Süd-Wales importiert wurde, spielt in den 
Mitteilungen eine besondere Rolle. Bei seiner Beförderung nach 
dem Innern des Landes mußte derselbe 2 oder 3 Wochen in 
Beira verbleiben, wo die Rinder auf den benachbarten Weide¬ 
flächen gehütet wurden. Hierbei wurde die Herde von dem 
Texasfieber befallen. Die Mortalität unter diesen Rindern war 
so erheblich, daß nur 3 Stück vom ganzen Transport verschont 
blieben. Zuerst zeigten die empfänglichsten Rinder dieser 
australischen Herde die gleichen Symptome und pathologisch¬ 
anatomischen Veränderungen, welche Smith und Kilborne u. a. 
beschrieben haben. Die Tiere dagegen, welche einen gewissen 
Grad von Immunität besaßen und zuletzt fielen, zeigten so er¬ 
hebliche Abweichungen von dem normalen Typus deB Krankheits- 
bildes, daß die Seuche für eine neue Krankheit gehalten wurde, 
welche die australische Herde eingeschleppt haben sollte. 


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232 

Zagleich mit diesem Aasbrach von Texasfieber ereigneten 
sich sporadische Fälle in dem 180 engl. Meilen entfernten 
Salisbury, weiter in Town Commonage, im Makabusi Valley and 
in Charter unter Zuchtvieh aas Balawayo. Diese and noch 
einige andere Ansbrtiche bereiteten eine allgemeine Verseuchung 
des Landes in der darauffolgenden nassen Jahreszeit 1901/02 
vor. Mit dem Beginn derselben im November 1901 erschienen 
abnorme Mengen von Zecken (Rhipicephalus decoloratus), welche 
Spezies in Südafrika als die Verbreiterin der Krankheit gilt 
nnd bald nachher traten viele typische Fälle von Rotwasser auf. 
Zunächst wurde das frisch ans der Kapkolonie eingeftthrte Vieh 
ergriffen, später ging die Krankheit auch auf die einheimischen 
Rinder über und machte sich den Besitzern weit und breit 
fühlbar. 

Die Berichterstatter beschreiben gründlich die beobachteten 
klinischen und pathologischen Befunde und sind der Ansicht, 
daß die Schwere der Erkrankungen und die epidemische Aus¬ 
breitung der Seuche 1. auf die Infektion durch die enorme Zahl 
von pathogenen Zecken, 2. auf die Passage der Krankheits¬ 
erreger durch eine große Anzahl hoch empfänglicher Tiere und 
3. auf die klimatischen Einflüsse des Landes zurtickzufdbren sei. 

Den Schluß des Berichtes macht nachstehende Zusammen¬ 
fassung: Die Texasfieber-Epizootie in Rhodesia unterscheidet 
sich von derselben Krankheit im Kapland und von der Be¬ 
schreibung durch die Autoren anderer Länder in verschiedenen 
Beziehungen. 1. Durch die Schwere der Infektion und die hohe 
Sterblichkeitsziffer. 2. Saugkälber, welche auf infiziertem Feldt 
aufgezogen werden, nehmen den Krankheitskeim auf und gehen 
ein. 3. Das einmalige Überstehen der Krankheit und zuweilen 
eine zweite oder dritte Erkrankung vermögen Immunität von 
wesentlicher Dauer nicht zu erzeugen. 4. Die Schwere der 
pathologisch anatomischen Veränderungen. 5. Das Vorhandensein 
von Lnngenläsionen in 30 Proz. und von Nieren- und Lungen¬ 
veränderungen in der größeren Zahl der Fälle. 6. Die Un¬ 
sicherheit gesunde Heerden mit den in der Kapkolonie und 
Amerika angewendeten Impfmethoden immun zu machen. 

Die Autoren nehmen auf Grund ihrer Untersuchungen im 
Vergleich mit den Erfahrungen anderer Forscher an, daß die 
Seuche in Rhodesia in der Form auftritt, welche sie stets zeigt, 
wenn sie in ein noch nicht heimgesuchtes Land einfällt, nur 
daß sich später die Virulenz des Ansteckungsstoffes ab¬ 
schwächen wird. 

In Anbetracht der Nachricht, daß Koch zur Untersuchung 
dieser Rinderseuche von den Engländern nach Rhodesia geschickt 
worden ist, dürften die neuen Ermittelungen der beiden Verf. 
einiges Interesse beanspruchen. Peter. 

Cysticercus fasciolaris. 

Anatomie, Beiträge zur Entwicklung und Umwandlung in Taenia 

crassicollis. 

Von Kreistierarzt Dr. Ernst Bartels. 

(Zoolog. Jahrbücher, 16. Band, Heft 8. 1902). 

Verf. hat es sich in vorstehender Arbeit zur Aufgabe ge¬ 
macht, 1. eine Anatomie des Cysticercus fasciolaris zu schreiben, 
ohne auf genaue histologische Verhältnisse einzugehen, 2. nach 
Möglichkeit die Entwicklung desselben zu erforschen und 3. vor 
allen Dingen die Umwandlung des Cysticercus fasciolaris in die 
Taenia crassicollis zu untersuchen. In dieser Beziehung war 
Verf. eine ganz besondere Aufgabe gestellt, da sich hier zwei 
Ansichten, die beide auf Grund von Experimenten gewonnen 


No. 14. 


sind, direkt gegenüberstehen. In seinem Werk über Blasen¬ 
bandwürmer sagt Leuckart (1856), daß „es von Taenia 
crassicollis, deren Cestodenleib schon während des Blasenwurm- 
lebeni gegliedert ist, streng genommen, 'keinen eigentlichen 
Scolexzustand, in dem das Tier im Wesentlichen nur von dem 
Bandwurmkopf repräsentiert wird, gibt.“ Diese Behauptung 
|8t später von Leuckart in seinen Werken mehrfach wider¬ 
rufen, nachdem er aus wiederholten Versuchen, deren Beschreibung 
allerdings unterblieben ist, eine andere Ansicht gewonnen hatte. 
So sagt er (1878) in seiner Arbeit über Archigetes sieboldi: 
„Durch die von mir angestellten Fütterungsversuche ist übrigens 
der Beweis geliefert, daß diese Glieder (von Cysticercus 
fasciolaris) nach der Einwanderung in den Darm der Katze zu 
Grunde gehen und durch eine dem persistierenden Kopf sich 
neu anbildende Kette ersetzt werden.“ Zwei spätere Angaben 
desselben Inhalts finden sich in seinem Parasitenwerk, 2. Aufl. 
1879—86. 

Mit der Leuckartschen Angabe direkt im Widerspruch 
stehen die Resultate zweier anderer Forscher, Valenciennes 
(1885) und Küchenmeisters (1852). Diese beiden Autoren be¬ 
haupten, nur die Blase gehe verloren, der gegliederte Körper 
der Finne bilde sich direkt in den Bandwurm um, indem Sexnal- 
organe darin auftreten. 

Welche Angaben verdienen Glauben? Wird bei der Um¬ 
wandlung von Cysticercus fasciolaj-is der bandwurmgleiche Leib 
abgestossen oder nicht? 

Um diese Frage zu entscheiden, hat Verf. an Katzen Finnen 
verfüttert, die Katzen in/gewissen Zwischenräumen getötet und 
festgestellt, wie weit die Entwicklung der Bandwürmer fort¬ 
geschritten war, speziell wie es sich mit den im Finnenleben 
bereits vorhandenen Gliedern verhielt. 

Auf Grund seiner Fütterungsversuche hat Verf. im Gegen¬ 
satz zu Leackart die Überzeugung gewonnen, daß es keinen 
Zustand in der Entwicklung der Taenia crassicollis aus dem 
Cysticercus fasciolaris gibt, in welchem der ganze Wurm nur 
durch den Scolex repräsentiert wird. Vielmehr wird der bereits 
im Finnenzustand bis auf das Fehlen der Geschlechtsorgane 
äußerlich und innerlich bandwurragleiche Körper der Finne im 
Darm der Katze zum Bandwarmkörper; nur die Endblase, das 
einzige Finnenähnliche des Cysticercus fasciolaris geht zu Grunde. 

Außer diesen Feststellungen enthält die inhaltsreiche, mit 
großem Fleiße geschriebene Arbeit hinsichtlich des Cysticercus 
fasciolaris noch zahlreiche anatomische Angaben, bezüglich 
welcher auf das Original verwiesen werden muß. Das Ver¬ 
ständnis der sehr lesenswerten Arbeit wird durch ‘die bei¬ 
gegebenen sorgfältig ansgeführten Abbildungen wesentlich er¬ 
leichtert. Dr. Stödter. 

Behandlung der Warzen. 

Von Militärveterinär Pecus-St. Cyr. 

(Journal de Lyon, Jnlt 1902.) 

P. empfiehlt folgende Salbe zur Entfernung der Warzen 
Rp. Acid. arsenicos. 

Cantharid. pulv. aa 1,0 

Terebinth. spin. 2,0 

01. commun. 

Cerae albae aa 5,0 

M. F. ungt. 

Die Oberfläche der Warze wird mit dem Brenneisen ge¬ 
trocknet, sodann die auf dem Feuer erweichte Salbe mit einem 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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2. April 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


288 


Spatel aufgetragen. Durch ein in der Nähe gehaltenes Brenn¬ 
eisen wird die Salbe zum Schmelzen gebracht. Nach einigen 
Tagen wird die Prozedur erneuert. 

P. gibt an, daß die Anwendung dieser Salbe radikalen 
Erfolg erwarten läßt, daß sie ungefährlich ist und auch an 
empfindlichen Stellen, wie die Umgebung des Auges, verwendet 
werden kann. Zundel. 

Zur Ätiologie der Banchhernien. 

Von Obertierarzt Ko fl er-Innsbruck. 

(Tierirstl. ZentralbUtt No. 86, 1909). 

Ko fl er hat beobachtet, daß bei einem an chronischer 
Mastitis leidenden Pferde eine Bauchhernie sich bildete, und 
zwar wie er annimmt, durch die Zugwirkung des infolge des 
entzündlichen Zustandes stark vergrößerten Euters, das 7042 g 
schwer war und fast einem Kuheuter glich. 

Die Hernie war kindskopfgroß und hatte ihre Lage etwa 
in Höhe des linken Kniegelenks an der seitlichen Bauch- 
wandung. 

Sie war zustande gekommen durch Zerreißung des Muse, 
obliq. ext. abdom., wobei auch das Peritoneum mitgerissen 
wurde, sodaß ein Bruchsack fehlte und die Eingeweide un¬ 
mittelbar unter die allgemeine Haut zu liegen kamen. 

Francke. 

Wochenübersicht über die medizinische Literatur. 

Von Dr. Jess-Charlottenburg, 

Kreist! ernst. 

Berichtigung: Der in No. 10 der B. T. W. am Anfang der 
„med. Wochenübersicht“ angeführte Artikel über den Bazillus 
des seuchenhaften Verworfene von Prof. Preiß ist veröffentlicht 
im Zentralblatt für Bakteriologie Bd. 33, No. 3, pg. 190 (nicht 
in den „Fortschritten d. Med., wie dort durch einen Irrtum des 
Setzers vermerkt ist). 

Deutsche medizinische Wochenschrift No. 10, 1903. 

Über eine Methode zur Untersuchung des lebenden Knochen¬ 
marks von Tieren und über das Bewegungsvermögen der 
Myelocyten von Dr. Alfred Wolff. Verfasser hat bei Kanin¬ 
chen die Tibia oder auch den Femur angebohrt und mit steriler 
Platinöse Material durch das Bohrloch entnommen. Es zeigte 
sich, daß die amphophilen Myelocyten des Knochenmarks Bewe¬ 
gungen zeigen, ähnlich den Bewegungen der Lymphocyten, nur 
etwas lebhafter. 

Untersuchung über den menschilohen Schwelss von L. Brieger 
und G. Dieselhorst wird auf das Original verwiesen. 

Deutsche medizinische Wochenschrift No. 11, 1903. 

Beitrag zur Frage der Identität der Rinder- und Mensohen- 
Tuberkulwe von Dr. Tr oje in Braunschweig. 

Ein 19-jähriger Schlächtergeselle hat bei einer tuberkulösen 
Kuh im Braunschweiger Schlachthof die Pleura ausgezogen. Er 
infizierte sich durch eine Rißwunde und von dieser Wunde aus 
ging die Infektion weiter und ergriff die regionären Lymph- 
drtisen. Die linke Achselhöhle und die linke Infraklavikular- 
grube mußten ausgeräumt werden. 

Über die Spezifität der Eiweiss präzipltierenden Sera und deren 
Wertbemessung für die Praxis von Professor Wassermann 
und Dr. Schütze. Verfasser nennen einfach „normales 
präzipitierendes Serum“ oder „ein Normal-Präzipitierungs- 


serum“, welches in der Menge von 1 ccm zu 5 ccm 0,85 proz. 
Kochsalzlösung, in welcher das in 0,1 ccm angetrockneten 
Blutes vorhandene Eiweiß enthalten ist, zugesetzt, nach 
einer Stunde im Brutschrank bei 37 0 eine deutliche flok- 
kige Trübung ergibt, die sich dann später als Niederschlag 
absetzt. Die Verfasser fahren dann fort: Ruft bereits 0,1 ccm 
die gleiche Wirkung hervor, so nennen wir ein solches Serum 
ein zehnfaches Normal-Präzipitierungs-Serum. Die in 1 ccm 
eines Normal-Präzipitierungs-Serums enthaltene Menge von prä- 
zipitierender Substanz nennen wir Präzipitierungs-Einheit. 
Zur Erlangung einer deutlichen Reaktion genügt eine halbe Prä¬ 
zipitierungs-Einheit. Mehr wie 1—2 Präzipitierungs-Einheiten 
8oll man für die Praxis nicht verwenden. 

Über Antistaphylokokken-Serum von Dr. Pros eher wird auf das 
Original verwiesen. 

Naftaian wird nach Angabe von Auerbach in den Monats¬ 
heften f. pr. Dermat., Band 35,8 zur Behandlung akuter Ekzeme 
nach folgender Formel praktisch verwendet: 

Naftaian.20,0 

Zinc. oxydat., Amyl. trit. ana . 10,0 
Menthol.0,5 bis 1,0 

Münchener medizinische Wochenschrift No. 10, 1903. 

Vergleichende Versuche über die Desinfektionskraft älterer 
und neuerer Quecksilber- und Phenolpräparate von Dr. Fritz Hamm er. 
H. untersuchte speziell Sublimat, Sublamin, Karbol, Lysol, Ba- 
zillol in ihrer Wirksamkeit auf Milzbrandsporen und auf Sta¬ 
phylokokken und zwar in einer l%o bis 5% Verdünnung.* 
Das Sublimat steht allen übrigen Mitteln unerreicht 
voran. Auch die Eiweißverbindung, das Sublamin, erreicht es 
durchaus nicht. Dann konnte man beobachten, daß die 5 proz. 
Karbollösung, der 3 Proz. Kresollösung gleichkommt Die 
Phenole schädigten die Milzbrandsporen so gut wie gar nicht, 
waren jedoch gegen die Staphylokokken bedeutend wirksamer. 
Die Wirksamkeit des Lysols entspricht der um die Hälfte ge¬ 
ringeren reinen Karbollösung. Bezüglich Bazillol sagt H.: 
Bazillol ist ebenfalls eine Kresol-Seifenlösung, 52 Proz. Kresol 
enthaltend, bei der jedoch das Kresol durch eine irgendwie 
ungünstige Kombination seine Wirksamkeit einzubüßen 
scheint. (? D. Ref.). Das Lysoform ergab bei beiden Bakterien¬ 
arten gleich schlechte Resultate. Verfasser schließt damit, daß 
man nicht bei allen Bakterienarten mit denselben Mitteln des¬ 
infizieren soll, daß man auch hierin individualisieren müsse. 

Ein schwerer Fall von Tetanus traumaticus von Dr. Herrmann 
in Nauen. Ein Knabe hatte sich ein Stück Holz in den Fuß 
gestoßen. 5—6 Tage danach traten die ersten Erscheinungen 
des Tetanus auf. Nach gründlicher Entfernung der Holzteile 
und ergiebiger Spaltung der Wunde und nachdem v. Behringsches 
Tetanusantitoxin injiziert war, trat Besserung ein. Bis zur 
völligen Erschlaffung der Muskeln dauerte es ca. 4 Wochen. 

Ueber ein seuchenhaftes Sterben der Meisen, verursacht durch 
einen pestähnlichen Bazillus von Gehrke. Wie H. im Greifs- 
walder medizinischen Verein am 10. Januar 1903 mitteilt, sah 
er unter den Kohlenmeisen (Parus major) ein seuchenhaftes 
Sterben. In dem Herzblut fanden sich kleine Bazillen, welche 
den Pest-Bazillen ähnlich waren. Die Bakterien waren pathogen 
für Ratten, Mäuse, Kaninchen, Tauben. 


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234 

Tagesgeschichte. 

Reorganisation des Militärveterinärweseiis. 

Von Veterinär Valentin Göbel-Mlinchen. 

Nachdem in der letzten Zeit die bevorstehende Reorgani¬ 
sation des deutschen Militärwesens eingehend zur Sprache ge¬ 
bracht wurde (siehe B. T. W. No. 7 und 9) und zwar stets in dem 
Sinne der Errichtung eines Veterinäroffizierskorps, halte ich 
es für berechtigt und sogar für ein Gebot der Pflicht, mit 
meiner Ansicht, von der ich überzeugt bin, daß sie gerade von 
den Militärkollegen vielfach, wenn nicht allgemein geteilt wird, 
hervorzutreten. 

Das Verlangen nach einer zeitgemäßen Verbesserung der 
Lage der Militärveterinäre ist keineswegs neu; es reicht bis 
auf über 30 Jahre zurück, es sind daran nicht nur die Kollegen 
vom Militär, sondern auch die Kollegen vom Zivil interessiert 
und es hat bislang außer der Forderung der Hochschulreform 
der tierärztlichen Bildungsanstalten und der Universitätsreife 
keine tierärztliche Standesfrage gegeben, die von gleich all¬ 
gemeiner Bedeutung gewesen wäre. Der deutsche Veterinärrat, 
dessen große Verdienste um die Entwickelung des Gesamt¬ 
veterinärwesens nicht hoch genug geschätzt werden können, 
hat sich 2 mal mit diesem Gegenstände befaßt: auf seiner 
V. Plenarversammlung am 30. und 31. März 1885 zu Leipzig 
und auf seiner VIU. Plenarversammlung am 9. und 10. Oktober 
1897 zu Kassel, und hat jedesmal seine Resolutionen in einer 
ausführlichen Denkschrift dem Kanzler des Deutschen Reichs 
und dem preußischen Kriegsminister unterbreitet. 

Hinsichtlich des Ranges der deutschen Militärveterinäre 
wünschte die Plenarversammlung zu Kassel 1897 die Einreihung 
derselben unter die „höheren Beamten“, wobei man von der 
Voraussetzung ausging, daß speziel die Bayern 

den Korpsstabsveterinären der Rang in Klasse IV, 

„ Stabsveterinären „ „ „ „ IVa, 

„ Veterinären „ „ „ „ V 

mit den daraus sich ergebenden Konsequenzen anzn- 
weisen sei. In der Denkschrift hierzu (siehe B. T. W. vom 
Jahrgang 1899) wurde nebenbei angegeben, wie sich etwa die Ver¬ 
hältnisse gestalten könnten, wenn auf Schaffung eines Veterinär¬ 
offizierkorps das Gewicht gelegt werden sollte und da wurde dann 
provisorisch der Koi psstabsveterinär mit dem Major, der Stabs¬ 
veterinär mit dem Hanptmann, der Veterinär mit dem Leutnant 
in Vergleich gebracht aus dem Grunde, weil dieser Vergleich 
etwa dem Zustande entsprochen hätte, wie er für Bayern laut 
Krieg8ministerialerlaß vom 14. Februar 1872 (also schon vor 
30 Jahren) tatsächlich bestanden hat. Im Grunde genommen 
dachte dabei kein Mensch an die Herbeiführung eines Veterinär¬ 
offizierskorps, sondern es sollte durch diese Bemerkung nur die 
Berechtigung für die Einreihung des Veterinärpersonals in die 
oben erwähnten Klassen der „höheren Beamten“ weiters dar¬ 
getan werden. Die Bestrebungen der bayrischen Veterinäre 
sind seit fast einem Jahrzehnt auf die Erreichung dieses Zieles 
(höhere Beamte) gerichtet und werden auch in der Folgezeit in 
diesem Sinne fortgesetzt. 

Die eingangs bezeichneten Artikel behandeln aber die 
Reform des deutschen MilitärveterinärwesenB von dem Gesichts¬ 
punkte eines künftigen Offizierkorps aus, und zwar deshalb, 
weil hiefür in Preußen Aussicht bestehen soll. Wenngleich die 
Interessenten in Bayern auf diese Kunde hin die alten Bahnen 


No. 14. 


nicht verlassen werden, sondern an dem einmal beschrittenen 
und nach reiflichen Erwägungen einmütig als richtig erkannten 
Wege bis ans Ende festhalten, ist es trotzdem notwendig, zu 
diesen Erörterungen Stellung zu nehmen. Dabei soll die Frage 
über Erreichbarkeit, Zweckmäßigkeit, Vor- und Nachteile des 
„höheren Beamten“ und des „Offiziers“ außer Acht bleiben; 
ich versuche vielmehr, mich ganz auf den Standpunkt zu stellen: 
„die Schaffung eines deutschen Veterinäroffiziers¬ 
korps ist das Ideal“. Diesen Satz begründet Herr Pro¬ 
fessor Dr. Schmaltz mit dem Beifügen: „Nirgends wird den 
Unbeteiligten der Vergleich zwischen Menschen- und Tiermedizin 
so aufgedrängt, wie in der Armee, wo Sanitätsoffiziere und 
Veterinäre neben einanderstehen. Nichts kann daher erwünschter 
sein, als daß der derzeitige himmelweite Unterschied dem Wesen 
nach beseitigt wird; den Graden nach werden Unterschiede 
natürlich bestehen bleiben nnd sind auch berechtigt. Eine Vor¬ 
aussetzung muß natürlich an die Beurteilung der Reorganisation 
geknüpft werden, — daß das Veterinäroffizierskorps dem Wesen 
nach dem Sanitätsoffizierskorps ähnlich organisiert wird, damit 
nicht eine ähnliche Stellung wie die des Feuerwerksoffiziers 
herauskommt“. 

An dieser Ausführung läßt sich nicht rütteln! Wenn die 
Vertreter der Menschenmedizin beim Militär ein Offizierkorps 
bilden, dann gehören folgerichtig die Vertreter der Tiermedizin 
auch zu einem Offizierkorps zusammengefaßt; daß so etwas 
nicht nur berechtigt, sondern auch möglich ist, ist bereits vor 
Jahrzehnten bewiesen worden durch den bayerischen Kriegs- 
ministerialerlaß vom 14. Februar 1872; vom gleichen Datum 
stammt bekanntlich auch die Errichtung des bayerischen Sani¬ 
tätsoffizierskorps. Der Fortschritt und die Bedeutung der Tier¬ 
medizin von heutzutage (ich meine nicht die Maturität, sondern 
die Leistungen) setzen ein Veterinäroffizierkorps voraus, welches 
„dem Sanitätsoffizierskorps ähnlich“ organisiert ist. Ich stimme 
jedoch mit dem Verfasser des Artikels „Wenn schon — denn 
schon“, R. U. in P., in No. 9 der B. T. W. vollkommen über¬ 
ein, daß ein Veterinäroffizierskorps, in welchem der Stabsveterinär 
mit dem Hauptmann und der Korpsstabsveterinär mit dem M^jor 
abschließt, um nichts besser ist, als die Karriere eines Feuer¬ 
werksoffiziers. Die Befürchtung, ein derartiges Offizierskorps 
zu erhalten, ist wohl nicht der letzte Grund, warum man gerade 
in einem südlichen Bundeskontingente sich für den Veterinär¬ 
offizier nicht begeistern kann. Auf der einen Seite will Herr 
Professor Dr. Schmaltz den Feuerwerksoffizier vermieden 
wissen, auf der anderen Seite betont er in seinem sonst vor¬ 
trefflichen Artikel „Zum künftigen Kreistierarztgesetz“ (B. T. 
W. No. 12, S. 204), daß ein Vergleich zwischen Militär und 
Zivil nur darauf hinanslaufen kann, den Departementstierarzt 
und den Korpsstabsveterinär, den Stabsveterinär und den Kreis¬ 
tierarzt (nach norddeutschen Begriffen) gleichzustellen; die 
Hauptmannscharge entspreche der V. *), die Majorscharge der 
IV. Klasse der „höheren Beamten“; der Kreistierarzt müßte in 
die V., der Departementstierarzt in die IV. Klasse der „höheren 
Beamten“ gelangen. Bei diesem Vergleiche hatte Herr Professor 
Dr. Schmaltz den Zweck im Auge, zunächst den künftigen 
Rang der Departements- nnd Kreistierärzte zu verteidigen; er 
ist dabei in ein ähnliches Dilemma geraten, wie der Verfasser 

*) Wenn die Majorscharge der IV. Klasse entspricht, so kann 
die Hauptmannscharge nur der Klasse IV a der „höheren Beamten“ 
in Bayern entsprechen. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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2. April 1903. 

der Denkschrift des deutschen Veterinärrates betreff Militär¬ 
veterinäre vom Jahre 1899 mit seinem Hinweise auf die früheren 
Offizierschargen der bayerischen Militärveterinäre. Mit dem 
Vergleiche des Militärveterinärs zu dem beamteten Ziviltier¬ 
arzte können wir nur auf den „höheren Beamten“ kommen; 
und hier läßt sich die beiderseitige Stellung allerdings haar¬ 
scharf egalisieren; es ergeben sich die Ränge der Klasse IV, 
IV a* )und V der „Höheren Beamten“ und die daraus resultierende 
Gleichheit mit den korrespondierenden Medizinalbeamten. 

Sobald wir aber an die Gründung eines „Veterinäroffizier¬ 
korps“ herantraten, heißt es, konsequent militärisch denken 
und das Sanitätsoffizierkorps als Vorbild nehmen; eine 
Vermischung von Zivil- und Militärrang ist darnach prinzipiell 
ausgeschlossen; wenn schon — denn schon! 

Zur Klärung der Sache erlaube ich mir, nachstehend ein 
Veterinäroffizierskorps aufzustellen, zunächst im Lichte der 
Gleichheit, dann in dem der Ähnlichkeit mit dem Sanitäts¬ 
offizierkorps: 

I. Veterinäroffizierkorps, gleich dem Sanitätsoffizierkorps- 
(in gleicher Rangstellung). 
Generalstabsveterinär der Armee (Kriegsministerinm) 
Generalveterinäre (Armee-Korps) 

Generaloberveterinäre (Divisionen) 

Oberstabsveterinäre (Kavallerie- und Artillerieregimenter, Lehr¬ 
schmieden, Reitinstitut) 

Stabsveterinäre (jedes Kavallerieregiment einer neben dem Ober- 
stabsveterinär, jedes Trainbataillon, jedes Remonte-Depot) 
Oberveterinäre | (jedes Regiment einen Oberveterinär oder 

Veterinäre I Veterinär). 

H. Veterinäroffizierkorps, ähnlich dem Sanitätsoffizierkorps. 
Generalveterinäre (Generalarzt; Kriegsministerium) 
Generaloberveterinäre (Generaloberarzt; Armee-Korps) 
Oberstabsveterinäre (Oberstabsarzt; Kavallerieregimenter, Lehr- 
schmieden, Reitinstitut) 

Stabsveterinäre (Stabsarzt; jedes Kavallerieregiment einen neben 
dem Oberstabsveterinär, jedes Artillerieregiment, jedes Train¬ 
bataillon, jedes Remonte-Depot) 

Oberveterinäre (Oberarzt) I (jedes Regiment einen Ober- 

Veterinäre (Assistenzarzt) I veterinär oder Veterinär). 

Ein solches, dem Sanitätsoffizierskorps ähnliches Veterinär¬ 
offizierskorps liegt durchaus im Bereiche der Möglichkeit und 
findet sein Beispiel in der durch Gesetz vom 25. März 1902 
angenommenen Veterinärorganisation Frankreichs und in der 
Organisation anderer Länder. Wenn ferner in Betracht ge¬ 
zogen wird, daß in Bayern laut Kriegsministerialerlaß vom 
14. Februar 1872 

der Oberstabsveterinärarzt und Referent im Kriegsministerinm 
den Rang eines Oberstleutnants oder Majors, 
der Stabsveterinärarzt den Rang eines Hauptmanns, 
der Veterinär I. Klasse den Rang eines Premierleutnants, 
der Veterinär II. Klasse den Rang eines Sekondleutnants 
inne hatte, daß die Veterinärärzte direkte Vorgesetzte der 
Schmiede und der im Krankenstall nsw. kommandierten 
Mannschaften und Unteroffiziere waren und die Stabsveterinär¬ 
ärzte der Kavallerie eine Pferderation erhielten, so wird jeder 
Unbefangene gerne zugeben, daß diese Verhältnisse für die Zeit 
vor 30 Jahren mustergültig waren. Man schaffte eben 


*) Anm. d. Redaktion: In Preußen gibt es keine Klasse IVa. 


235 


damals in Bayern gleichzeitig mit dem Sanitäts¬ 
offizierskorps ein diesem ähnliches Veterinäroffizier¬ 
korps. Hätten seit 1872 die Rangverhältnisse der 
bayerischen Militärveterinäre — statt nach der 
schlimmen Seite hin beeinflußt zu werden — gleichen 
Schritt gehalten mit den Fortschritten, Errungen¬ 
schaften und der ganzen rapiden Entwicklung der 
veterinärmedizinischen Wissenschaft, so vermag wohl 
niemand in Abrede zu stellen, daß das bayerische 
Veterinäroffizierkorps heute nach 30 Jahren genau 
so dastände, wie es unter No. H entworfen ist. 

Zur Begründung dieses Entwurfs No. 2 hebe ich hervor, 
daß die Forderung eines technischen Referenten im Kriegs¬ 
ministerium (Generalveterinär) eine allgemeine ist; der 
deutsche Veterinärrat hat im Jahre 1897 zu Kassel dieselbe 
einstimmig in seine Resolution aufgenommen und in der dazu 
gehörigen Denkschrift vom Jahre 1899 eingehend motiviert; im 
bayerischen Kriegsministerium war ein technischer Referent seit 
1805 in provisorischer, seit 1822 in definitiver Weise vorhanden 
und bekleidete zuletzt den Rang eines Oberstleutnants; diese 
Stelle wurde im Jahre 1882 aus organisatorischen Maßnahmen 
eingezogen. Die Stellungen der Korps Stabsveterinäre 
(Generaloberveterinäre) konnten im bayerischen Kriegs¬ 
ministerialerlaß vom 14. Febrnar 1872 keine Berücksichtigung 
finden, weil dieselben erst später (24. September 1873) etatiert 
wurden. Bezüglich der Veterinäre bei den Divisionen, die 
im Entwürfe U nicht vorgesehen sind, möchte ich anführen, 
daß die Divisionen den einzigen Verband darstellen, in welchem 
alles, nur nicht der .Veterinär vertreten ist; nachdem seit Ab¬ 
schluß der letzten Artillerievermehrung je eine Kavalleriebrigade 
und Feldartilleriebrigade mit dem nicht unbedeutenden Pferde¬ 
materiale zum Divisionsverbande gehören, dürfte ein veterinär- 
technischer Beirat für den Divisionskommandeur nicht ohne Be¬ 
lang sein; das Bedürfnis hierzu mag wohl erst recht im mobilen 
Verhältnisse hervortreten; in militärischen Dingen ist aber be¬ 
kanntlich auch im Frieden alles auf den Krieg zugeschnitten. 
Die Oberstabsveterinäre bei den Kavallerieregimentern, 
Lehrschmieden und dem Reitinstitut haben ihre Berechtigung 
schon um deswillen, weil hier der Schwerpunkt des veterinär¬ 
ärztlichen Dienstbetriebes liegt, wie aus der großen Anzahl der 
Pferde und aus den an die Pferde gestellten vermehrten An¬ 
forderungen hervorgeht; die Bedeutung der Lehrschmieden ist 
an sich militärischerseits nie unterschätzt worden; für das Reit¬ 
institut trifft das von den Kavallerieregimentern Gesagte um so 
mehr zu, als hier das äußerst wertvolle Pferdematerial der 
Offiziere und der häufige Wechsel ihres Pferdebestandes noch 
besonders in Betracht kommt. 

Die Forderung des Stabsveterinärs bei jedem Kavallerie¬ 
regiment neben dem Oberstabsveterinär entspringt denselben 
Motiven wie die des Oberstabsveterinärs für die Kavallerie¬ 
regimenter. Bei den Artillerierigimentern besteht der Stabs¬ 
veterinär heute schon. Die Trainbataillone weisen teils einen 
recht hohen Pferdebestand auf, teils sind die auf den Veterinär- 
dienstbetrieb bezüglichen Geschäfte sehr mannigfaltiger Natur, 
so daß die Ausübung des Veterinärdienstes in die Hände eines 
Stabsveterinärs zu legen wäre. Die Aufgaben der Remonte- 
depotveterinäre sind so vielseitig und für die Truppe so wichtig, 
daß hier lauter Stabsveterinäre benötigt sind; im Etat für das 
kgl. preußische Reichsmilitärkontingent auf das Rechnungsjahr 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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236 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 14. 


1902 sind auch 27 Oberroßärzte gefordert und durch den Reichs¬ 
tag genehmigt worden. Die Dienstgradbezeichnung Ober¬ 
veterinäre und Veterinäre dürfte als selbstverständlich hin¬ 
genommen werden; bei jedem Regiment wäre ein Oberveterinär 
oder Veterinär einznteilen; eine ähnliche Unterscheidung bestand 
seit 1872 in Bayern mit dem Veterinärarzt I. und II. Klasse 
(gleichwie Assistenzarzt I. und II. Klasse), welche unvermuteter¬ 
weise seit 20. März 1898 leider in Wegfall kam und glattweg 
in „Veterinär“ umgewandelt wurde. 

Diese Dienstgradeinteilung nach Entwurf No. II nimmt nicht 
nur Bedacht auf das allgemeine Ansehen des Veterinärwesens 
in der Armee und auf die Vorgesetztenstellung, sondern sie bietet 
auch dem Lebensalter nach für den Veterinäroffizier ein ähn¬ 
liches Vorrücken wie beim Sanitätsoffizier. Daß nach dieser 
Richtung hin Abhilfe dringend not tut, verkennt gewiß niemand; 
würden den Veterinäroffizieren lediglich die Dienstgrade eines 
Majors, Hauptmanns, Oberleutnants und Leutnants offen stehen, 
so würde in der Folge z. B. in Bayern der Oberveterinär mit 
40 oder 42 Lebensjahren zum Stabsveterinär (Hauptmann) und 
dieser wieder mit etwa 57 Lebensjahren zum Korpsstabsveterinär 
(Major) gelangen; es wird kaum zngemutet werden wollen, daß 
sich ein akademisch Gebildeter bis zum 40. Lebensjahre mit 
Rang und Gehalt eines Oberleutnants begnügt. 

Der Veterinärdienst erfordert in allen Chargen einen ganzen 
Mann und Btellt in jeder Hinsicht dieselben hohen Ansprüche 
wie jeder andere wissenschaftliche Beruf; es darf behauptet 
werden, daß er sich unter besonderen Schwierigkeiten und 
Gefahren abwickelt, was durch die Gefahrenklasseneinteilung 
der Veterinäre gegenüber den Ärzten bei deij Unfallversicherungen 
bestätigt wird. Wie sich der Dienst vorzugsweise in Bayern 
ansgestaltet hat, wird die Tätigkeit des Veterinärs zu jeder 
Zeit beansprucht und keinerlei Rücksicht genommen auf etwaige 
Zivilpraxis; daß letztere denn auch infolge der hohen Ent¬ 
wickelung des bayerischen Militärveterinärwesens ganz oder 
nahezu ganz zu Verlust gegangen ist, ergibt sich als natürliche 
Folge; den nachweislichen Nutzen aus dieser Institution zieht 
dafür die Militärverwaltung. Solange statistische Veterinär- 
Sanitätsberichte existieren (seit 1888), zeigt der Vergleich 
zwischen Preußen und Bayern, daß die alljährlichen Heilerfolge 
in Bayern ungleich günstiger sind; Dr. Goldbeck deutet in 
seiner „Gesundheitspflege der Militärpferde“ Berlin 1902, pag. 49 
und 50 dieses erfreuliche Ergebnis so, daß es durch das Vor¬ 
handensein der „Krankenställe“ hervorgerufen werde und meint 
in diesem Sinne, „daß diese Zahlen mehr als ganze Bücher 
sprechen“. Das ist richtig, diese Zahlen reden eine laute und 
deutliche Sprache und liefern unumstößliche Beweise. Wollen 
wir sie in Geld umsetzen, so sagen sie uns, daß Preußen jähr¬ 
lich 353 375 M. gegenüber Bayern verliert, wenn der Verlust 
eines Pferdes durchschnittlich zu 1000 M. angeschlagen wird; 
Bayern hat dafür einen jährlichen Gewinn von 48 625 M. Und 
diesen Gewinn verdankt Bayern der „Arbeit“ seiner Veterinäre! 
Was Herr Professor Dr. Schmaltz in No. 12 der B. T. W., 
pag. 201 Absatz 1 betreffs der preußischen Kreistierärzte wieder¬ 
gibt, läßt sich folgendermaßen auf die bayerischen Militär¬ 
veterinäre übertragen: „Die bayerischen Militärveterinäre haben 
schon über 60 Jahre lang die Funktionen faktisch ausgeübt, 
ihre Stellung ist auf dem Boden der Tatsachen von selbst all¬ 
mählich emporgewachsen und die gesetzliche Umrahmung ist 
hier nur die Konsequenz“. 


Mit jener jährlich zu Verlust gehenden Summe läßt sich 
die Reorganisation des deutschen Militärveterinärwesens durch 
Schaffung eines dem Sanitätsoffizierskorps ähnlichen Veterinär¬ 
offizierskorps nach Entwurf No. H in allen Teilen durchführen 
und die Zeit wird lehren, daß die Veterinäroffiziere dem Staate 
durch die infolge der vermehrten dienstlichen Inanspruchnahme 
erzielten Leistungen diese Summe zurückerstatten; die gleiche 
Erfahrung ist bekanntlich in Frankreich gemacht worden. Deutsch¬ 
land, das in all' seinen sonstigen Heereseinrichtungen an der 
Spitze marschiert, könnte alsdann auch auf sein Militärveterinär¬ 
wesen mit Stolz blicken. 

Daß zur Vervollständigung der Organisation auch die Um¬ 
wandlung der Militärroßarztschule in eine „Veterinärakademie“ 
und die Regelung des Eintritts in die Armee gehört, bedarf 
keiner weiteren Erwähnung; die mehrfach zitierte Denkschrift 
des Veterinärrates vom Jahre 1899 gibt hierüber die gewünschten 
Aufschlüsse; beides müßte den menschenärztlichen Verhältnissen 
angepaßt werden. *) 

Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Art der künftigen 
Organisation des Militärveterinärwesens im Deutschen Reiche 
bestimmend sein wird für den Zugang in die Armee und daß 
die heutigen Abiturienten die Wahl ihres Berufes in erster Linie 
von den sich bietenden Aussichten abhängig machen. 

Was mich veranlaßt hat, zu dem auf der Bildfläche er¬ 
schienenen „Veterinäroffizier“ das Wort zu ergreifen, ist die 
Besorgnis, es möchte dem bayerischen Militärveterinärwesen ein 
erneuter herber Schlag versetzt werden gerade wieder in dem 
Moment, in welchem es unter dem besonderen Wohlwollen der 
höchsten Stelle zu frischer Blüte sich entfaltet; andererseits 
wollte ich mein Scheiflein gerne dazu beitragen, daß endlich 
einmal das deutsche Militärveterinärwesen auf die seiner Be¬ 
deutung gebührende Höhe gebracht werde und nicht mehr zurück¬ 
stehe gegenüber anderen Ländern. — 

Beförderung zum Oberressarzt des Beurlaubtenstandes. 

Soeben ist ein neues Deckblatt für die Militärveterinär¬ 
ordnung herausgekommen, wonach jeder Roßarzt des Benrlaubten- 
stande8, der die kreistierärztliche Prüfung abgelegt hat, 
zum Oberroßarzt des Beurlaubtenstandes befördert werden 
kann. 

Mit dieser dankenswerten Bestimmung ist ein langjähriger 
tierärztlicher Wunsch erfüllt worden. Da die aktiven Ober¬ 
roßärzte außer dem Approbationsexamen ein besonderes Ober¬ 
roßarztexamen machen müssen, so ist es angemessen, auch von 
dem Oberroßarzt des Beurlaubtenstandes zu verlangen, daß er 
ein zweites Examen gemacht habe. Natürlich war es aber 
einem Ziviltierarzt so gut wie unmöglich, gerade das nur im 
Anschluß an einen vorherigen sechsmonatlichen Kursus mögliche 
Oberroßarztexamen zu machen. Es ist daher eine glückliche 
und übrigens sachlich wohlbegründete Lösung, daß künftig 
das kreistierärztliche Examen in dieser Beziehung als Äqui¬ 
valent des Oberroßarztexamens gilt Es ist auch logisch und 
korrekt, daß die Beförderung zum Oberroßarzt lediglich von 
der Erledigung des Examens, nicht von der stattgehabten 
Ernennung zum Kreistierarzt abhängig gemacht worden ist 
und somit jedem Tierarzt offen bleibt 

Diese Verbesserung wird auch dem Heere zum Nutzen ge¬ 
reichen, indem künftig viele Tierärzte aller Stellungen über ihre 

*) Für Bayern nicht einschlägig. 


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2. April 1903. 

gesetzliche Dienstpflicht hinaus gern im militärischen Dienst¬ 
verhältnis bleiben werden. 

Der Militärveterinärverwaltnng werden für diese Maßregel 
alle Tierärzte sehr dankbar sein. 

Zur Einführung der Fleischbeschau. 

Im preußischen Herrenhause wurden die bei Einführung 
der Fleischbeschau zu überwindenden Schwierigkeiten besprochen. 
Der Herr Minister für Landwirtschaft wies darauf hin, daß es 
sich um eine ganz neue Institution handele. Dabei könne nicht 
von vornherein alles richtig und gleichmäßig sich gestalten. 
Man könne vor allem nicht alles nach einem Schema behandeln; 
es müßten erst Erfahrungen gesammelt und bis dahin die ge¬ 
troffenen Einrichtungen als Provisorium behandelt werden. 
Daher müsse zunächst auch nach dem Prinzip der Dezentrali¬ 
sation verfahren und im einzelnen den Regierungs¬ 
präsidenten freie Hand gelassen werden. 

Diese Anschauungen geben auch einen Fingerzeig für die 
Behandlung der mannigfaltigen tierärztlichen Klagen. Ein Ein¬ 
greifen der Zentral-Instanz ist zur Zeit nicht zu erwarten, 
worauf schon in voriger Nummer hingewiesen wurde. Die ent¬ 
scheidende Instanz ist der Regierungspräsident. Aber es besteht 
die Hoffnung, daß die jetzt geschaffenen Verhältnisse nach 
einiger Zeit einer gründlichen Sichtung werden unterzogen 
werden und daß dann auch viele berechtigte tierärztliche Be¬ 
schwerden abgestellt werden. 

Das erste, was nach erfolgter Einführung der Fleischbeschau 
und Anstellung der Beschauer zweckmäßigerweise wird ge¬ 
schehen müssen, ist Sammlung von Erfahrungen und von Material. 
Nur eine umfassende Enquete etwa nach Verlauf eines Jahres 
känn einen Überblick gewähren über die für uns wichtigsten 
Fragen, namentlich über die Verdrängung wissenschaftlicher 
Fleischbeschauer durch Laien, Wirkung auf tierärztliche Praxis, 
Erträgnisse der Fleischbeschau und andererseits über deren 
etwaige technische Mängel. 

Die Zentralvertretung wird diese Untersuchung gewiß aus¬ 
führen. 

Schweizer Dr. med. vet 

Dem Augsburger städt. Amtstierarzt Stroh ist von dem 
bayerischen Staatsministerum die Genehmigung zur Führung 
des in Bern erworbenen Doktor medizinae veterinariae erteilt 
worden, was die städtischen Kollegien in einer Sitzung „unter 
dem Ausdruck der Anerkennung“ zur Kenntnis nahmen. 

Naturforscher-Versammlung. 

Die 75. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte 
findet yom 20. bis 26. September in Kassel statt. Die Ver¬ 
sammlung umfaßt die naturwissenschaftliche Hauptgruppe mit 13 
und die medizinische Hauptgruppe mit 17 Abteilungen. Geschäfts¬ 
führer sind Prof. Dr. Hornstein und Direktor des Landkranken- 
hauses Dr. Rosenblath. Weitere Mitteilungen werden folgen. 

Zum Verhalten der Viehversioheruagsgeselisohaften zu den Tierärzten. 

Herr Kreistierarzt Löwel hatte in No. 11, Jahrg. 1901, 
pg. 190 der B. T. W. darauf hingewiesen, daß die neuen Statuten 
der Perleberger Viehversicherungs-Gesellschaft (vom 
13.1. 03) von den früheren (nach den Grundsätzen des Deutschen 
Landwirtschaftsrateg aufgestellten) Statuten zum Schaden der 
Tierärzte erheblich abweichen. 

Daraufhin ist die B. T. W. von der Perleberger Gesellschaft 
unter Bezugnahme auf die Devise „audiatur et altera pars“ 


237 


ersucht worden, nachstehender Erklärung, welche die Form 
eines Briefes an Herrn Kreistierarzt Löwel hat, aufzunehmen: 

Perleberg, den 17. März 1903. 

Der Ansicht, daß die Perleberger Gesellschaft mit ihren neuen 
Versicherungs-Bedingungen beabsichtige, die Herren Tierärzte zu 
schädigen, oder gar sie kalt zu stellen, müssen wir auf das Ent¬ 
schiedenste entgegentreten, da wir nach wie vor gerade auf die 
Mitarbeit der Herren Tierärzte den größten Wert legen, weil ohne . 
diese keine Viehversicherung zu gedeihen vermag. 

Zur Beweisführung mögen folgende Ausführungen dienen: 

Als seinerzeit die Viehversicherungs-Gesellschaften mit dem 
deutschen Landwirtschaftsrat die sogenannten Normal-Versicherungs- 
Bedingungen vereinbarten, da war der Hauptzweck der Arbeit, zu¬ 
nächst für die Viehversicherung im allgemeinen eine gesunde Basis 
zu finden. 

Diese Bedingungen haben sich indessen nicht so bewährt, wie 
man anzunehmen berechtigt war. Es stellte sich vielmehr heraus, 
daß dieselben nicht nur in dem durch den Artikel berührten Para¬ 
graphen (bei der Aufnahme und bei der Entschädigung), sondern 
auch an einigen anderen Stellen noch Härten aufwiesen, sodaß man 
seitens der interessierten Viehbesitzer oft Abstand nahm, sich die 
Wohltat der Versicherung zu nutze zu machen. Es war schwer, 
und wir können wohl mit Recht sagen, oft unmöglich, die interes¬ 
sierten Kreise davon zu überzeugen, daß ihre Bedenken unbegründet 
seien. Man blieb der Versicherung fern und der Wunsch nach ein«r 
Versicherung auf Grund der Gruppen- und'Verbandsversicherungs- 
Bestimmungen wurde immer häufiger und besonders auch von 
seiten landwirtschaftlicher Korporationen geäußert. 

Auch viele Ihrer Herren Kollegen traten an uns heran mit dem 
Wunsch, durch Beseitigung dieser Härten die Einführung der Ver¬ 
sicherung im allseitigeu Interesse zu erleichtern. Daß die in den 
alten Allgemeinen Versicherungs - Bedingungen enthalteneu Be¬ 
stimmungen zum Teil unerfüllbar waren, hat auch die damalige 
Aufsichtsbehörde anerkannt, indem sie im Paragraphen 31 den 
Versicherten auch dftnn eine Entschädigung zusprechen, wenn die¬ 
selben gegen die JJqdingungen verstoßen, dabei aber im guten 
Glauben gehandelt zu haben vorgeben; dadurch wurden die vorher 
gegebenen harten Bestimmungen wieder aufgehoben. Da nun eine 
Umarbeitung vorliegender Bedingungen deren Schwächen und 
Widersprüche zu beseitigen hat, weil sonst keine Verbesserung 
eintritt, so haben wir bei Festlegung unserer neuen Bedingungen 
nur das Mögliche aufgenommen, einander gegenüberstehende Be¬ 
stimmungen aber fortgelassen. 

Was nun durch allgemein gehaltene Versicherungs-Bedingungen 
nicht bestimmt werden kann, bestimmen wir durch Anweisungen 
und Instruktionen. 

Lag in der Einzelviehversicherung der Hauptwert nur in der 
Befolgung der gegebenen Vorsphriften, so liegt in den Bestimmungen 
der Gruppen- und Verbandsversicherung der Hauptwert in der 
gegenseitigen Mitarbeit. 

In klarer bestimmter Form wird in unseren Anweisungen für 
unsere Verbandsleiter und Gruppenvorsteher den letzteren zur 
Pflicht gemacht, in allen Fällen, wo durch tierärztliche Hilfe die 
Rettung eines erkrankten Tieres noch möglich ist, die Mitglieder 
ihrer Gruppe anzuhalten, tierärztliche Hilfe sofort in Anspruch zu 
nehmen und die tierärztlichen Anordnungen gewissenhaft zu befolgen. 

Durch diese Mitarbeit der Gruppenvorsteher ist es mithin 
nicht mehr in das freie Ermessen des einzelnen Ver¬ 
sicherten gestellt, ob er die Krankheit für eine leichte oder 
schwere halten will, resp. ob er einen Tierarzt hinzuziehen muß 
oder nicht. 

Was die Beteiligung der Herren Tierärzte bei der Aufnahme 
des Versicherungsbestandes betrifft, so ergab die Praxis, daß die 
Forderung der Heranziehung eines Tierarztes in jedem einzelnen 
Falle der Ausbreitung der Viehlebensversicherung hemmend im 
Wege stand, weil die Begutachtung kleinerer Viehbestände in den 
vom Wohnsitz des Tierarztes weit entfernten Ortschaften mit zu 
hohen Kosten verknüpft ist. 

Wenn Sie, geehrter Herr Kreistierarzt, nach diesen Ansführungen 
die neuen Versicherungs - Bedingungen einer nochmaligen Prüfung 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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238 

unterwerfen werden, muß Ihr Vorwurf: „daß durch die neuen Be¬ 
stimmungen die Tierärzte schwer geschädigt, oder bei den Ver¬ 
sicherten der Perleberger vollständig kaltgestellt werden“, von 
selbst fallen. Sofern in Absatz II des § 16 der neuen Versiche¬ 
rungs-Bedingungen Fälle aufgefUhrt werden, bei denen die Mit¬ 
wirkung der Herren Tierärzte nicht möglich oder erforderlich ist, 
so geschieht dieses lediglich zur Erhaltung von Nationalvermögen 
im Interesse jedes einzelnen Mitgliedes, der Groppe, des Verbandes 
und der ganzen Gesellschaft. Es ist deshalb keineswegs gerecht¬ 
fertigt, aus der Fassung des § 16 Abs. n die Schlußfolgerung zu 
ziehen, daß die Perleberger bestrebt ist, die Tierärzte 
möglichst auszuscheiden. Denn es ist ausdrücklich hervor¬ 
gehoben, daß nor bei Unglücksfällen und plötzlich auftretenden 
Krankheiten, die ein schnelles Verenden erwarten lassen, der 
Gruppenvorstand oder in Ermangelung eines solchen Laiensach¬ 
verständige hinzugezogen werden sollen. Daß eine andere Auf¬ 
fassung nicht möglich ist, geht aus dem Wortlaut des § 17 hervor, 
der unseren versicherten Mitgliedern die Einreichung eines Sektions- 
berichtes auch in den vorerwähnten Fällen zur Pflicht macht, wenn 
die Ursache des Verendens oder notwendig gewordenen Tötens 
nicht mit Sicherheit festzustellen ist. 

Ferner geht aus unseren Versicherungsanträgen und Schaden¬ 
akten, welche ständig durch einen tierärztlichen Beirat geprüft 
werden, und deren Einsicht auch Ihnen jederzeit frei Bteht, zur 
Genüge hervor, daß wir auf die Mitarbeit der Herren Tierärzte 
den größten Wert legen. 

Was die Vorkommnisse in Thüringen und auch in einem Teil 
der Provinz Brandenburg anbetrifft, so geben wir freimütig zu, 
daß früher seitens nicht befähigter Agenten in einigen Fällen ge¬ 
sündigt worden ist. Wir müssen aber bemerken, daß eB wohl 
nicht auffallend sein dürfte, wenn bei der großen Anzahl von Orts¬ 
gruppen sich einige wenige nicht zufrieden erklären, weil sie 
falsche Information erhalten und sich selbst nicht von der Richtig¬ 
keit überzeugt haben. Hierbei möchten wir aber betonen, daß es 
uns gerade durch die Gruppen- und VerbandB-Versicherungs- 
Bestimmungen möglich ist, gewissenlose Agenten auszumerzen und 
betrügerischen Absichten von seiten einzelner Versicherungsnehmer 
nach Möglichkeit vorzubeugen, denn die Anweisungen für die 
Gruppen und Verbandsleiter enthalten die bestimmte Forderung, 
größere Bestände und zweifelhafte Bestände nicht aufzunehmen, 
ohne einen Tierarzt znzuziehen. 

Durch die Einführung der Gruppen- und Verbandsversicherung, 
welche den Herren Tierärzten die Beteiligung in hervorragendem 
Maße sichert, hoffen wir auch den Wahlspruch unseres Vorsitzen¬ 
den im Aufsichtsrate, Herrn Baron Gans Edler Herr zu Putlitz auf 
Gr.-Pankow: „Das Endziel unserer Arbeit ist, nicht Schaden zu 
ersetzen, sondern Schaden zu verhüten,“ der Verwirklichung näher 
zu bringen. 

Auf die weiteren Beschuldigungen bezüglich immens hoher 
Prämien und Einrichtung der Gruppen müssen wir es uns ver¬ 
sagen, näher einzugehen, stellen es indessen Ihnen nochmals an¬ 
heim, auch bezüglich dieser Punkte hier an Ort und Stelle die 
wünschenswerte Aufklärung sich zu verschaffen. 

Sie werden dann nach dem Sinne des alten Sprichwortes: 
„Audiatur et altera pars“ einen anderen Standpunkt jedenfalls 
einnehmen. 

Hochachtungsvoll 

ergebenst 

Perleberger Viehversicherungs-Gesellschaft 
auf Gegenseitigkeit zu Perleberg. 

Krause, 

Generaldirektor. 

Wir geben dieser Zuschrift billigerweise Raum, finden aber 
nicht, daß dadurch an der Kritik des Herrn Kreistierarzt Löwel 
etwas richtig gestellt oder geändert wird. Herr Löwel hat 
lediglich die Abweichungen der neuen Statuten von den alten 
tatsächlich festgestellt und darauf hingewiesen, daß die neuen 
Bestimmungen geeignet sind, die tierärztliche Tätigkeit zu beein¬ 
trächtigen. 


fco. 14. 


Jene tatsächliche Feststellung wird von der Perleberger 
V. V. G. nicht bestritten und in der Schlußfolgerung müssen 
wir Herrn Löwel durchaus recht geben. 

Etwas anderes ist natürlich die Frage, ob die Gesellschaft 
damit einen Schlag gegen die Tierärzte bezweckt oder nur 
Schwierigkeiten mit den Versicherungsnehmern nachge¬ 
geben hat. Die P. V. V. G. hat stets auf gutes Einvernehmen mit 
den Tierärzten gehalten, was namentlich seitens der Schlachthaus¬ 
tierärzte vielfach anerkannt worden ist. Sie ist auch nach zu ver¬ 
ständigen Grundsätzen geleitet, um die Notwendigkeit tierärztlicher 
Mitwirkung zu verkennen. Wir glauben gern der Erklärung, daß 
die Gesellschaft eine V erdrängung der Tierärzte nicht beabsichtigt 
und nur Schwierigkeiten bei den Versicherten hat aus dem 
Wege gehen wollen. Wenn sie der unangenehmen Nebenwirkung 
durch entsprechende Instruktion ihrer Agenten und Gruppen¬ 
vorsteher Vorbeugen will, so ist das anerkennenswert. Allein 
erfahrungsgemäß kümmert sich dieses Personal häufig sehr 
wenig um derartige Direktiven. Man wird also erst abwarten 
müssen, ob es gelingt, auf diesem Wege die mit der Statuten¬ 
änderung zweifellos ermöglichte Zurückdrängung der Tierärzte 
zu verhindern. Die Kollegen werden gut tun, sich in Jahres¬ 
frist über ihre Erfahrungen zu äußern. 

Bei dieser Gelegenheit komme ich noch einmal zurück auf 
eine Erklärung der Vaterländischen Viehversicherungs- 
Gesellschaft zu Dresden in No. 52 des Jahrgangs 1902 
der B. T. W. Gegen diese hatte Herr Kreistierarzt Raebiger 
den Vorwurf erhoben, daß sie im Kreise Montabaur mit einem 
Agenten, der zugleich Pfuscher sei, arbeite. 

Die Gesellschaft hat sich dagegen mit obiger Erklärung ge¬ 
wendet, in der auch sie hervorhebt, daß sie dem Kurpfuschertum 
keinen Vorschub leiste. Im allgemeinen muß man in der Tat 
auch dieser Gesellschaft zugestehen, daß sie mit Tierärzten im 
Einvernehmen zu bleiben sucht. Klagen über Begünstigung von 
Pfuschern durch diese Gesellschaft sind bisher nicht laut ge¬ 
worden. Im vorliegenden Falle aber ist die Erklärung der 
Gesellschaft nicht geeignet, den Angriff des Herrn Raebiger zu 
widerlegen. Daß der betreffende Agent m. o. w. den Tierärzten 
ins Handwerk pfuscht, gibt die Erklärung selbst indirekt zu 
mit dem Satze, der Amtsvorgänger des Herrn Raebiger und 
andere Tierärzte hätten den betr. Mann „als tüchtigen Praktiker 
stillschweigend anerkannt“. Die Richtigkeit dieses Satzes, so 
weit er sich auf Tierärzte bezieht, wird übrigens entschieden 
bestritten. Herr Raebiger, der auf eine öffentliche Erwiderung 
seinerseits verzichtet hat, verwahrt sich außerdem dagegen, 
daß er der Gesellschaft zugemutet habe, die Versicherten 
speziell auf seine Hilfe zu verweisen; die Verhältnisse im Kreise 
Montabaur gestatten unschwer die Zuziehung von tierärztlicher 
Hilfe. 

Hiernach hätte die Gesellschaft jedenfalls besser getan, 
dem betreffenden Agenten die Wahl zwischen Aufgabe seiner 
Pfuschertätigkeit oder Aufgabe seiner Agentur zu stellen. 

Im übrigen sind derartige einzelne Vorkommnisse freilich 
lange nicht so schlimm, als das Verfahren des tierärztlichen 
Direktors des Zentralviehversicherungsvereins zu Berlin, 
der sogar in die Therapie seiner Kollegen eingreift. Infolge 
dieser in der B. T. W. 1902, pg. 383 und 434 erörterten Handlungs¬ 
weise des genannten Direktors ist Professor Dr. Möller, der dem 
Aufsichtsrat dieses Versicherungsvereins angehörte, aus dem¬ 
selben ausgeschieden. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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2. April 1908. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


289 


Staatsveterinärwesen. 

Impfling gegen Schweineseuche. 

Im vorigen Jahrgang der B. T. W. S. 605 hatte ich den 
Erlaß des Herrn Landwirtschafteministers mitgeteilt, welcher die 
Anwendung des Wassermann-Ostertagschen Schweineseuche- 
semms empfiehlt nnd zugleich Anordnngen trifft bezüglich der 
genaueren Prüfung der einzelnen Schweineseuchenfalle und 
der Auswahl des zugehörigen Serums. Es wurde hervorgehoben, 
daß nur das auf den betreffenden Bakterienstamm passende 
Serum Aussicht auf Erfolg verspricht, auch wurde gesagt, daß 
die Prüfungen der einzelnen Seuchenfälle nur auf tierärztliches 
Ersuchen erfolgen. In meinem Artikel hatte ich aber auch 
darauf hingewiesen, daß man bedauerlicherweise das polyvalente 
Serum der Vereinigung deutscher Schweinezüchter zur freien 
Verfügung überlassen hätte und daß diese es verkaufen könne, 
an wen sie wolle. Wie recht ich mit meiner Behauptung hatte, 
daß die Freigabe eines so wichtigen Mittels, wie es das poly¬ 
valente Serum ist, bekannt werden müsse, zeigt folgender Fall: 
Anfang November v. J. kaufte ein Molkereibesitzer im Kreise E. 
81 Magerschweine. Kurz nach der Einstellung mußten 2 Schweine 
notgeschlachtet werden, da sie schlecht fraßen, nicht Zunahmen 
nnd husteten. Um sich vor einem etwaigen Ansbruch der 
Schweineseuche zu schützen, verschaffte sich der Besitzer 
polyvalentes Serum und impfte höchst eigenhändig seinen 
Schweinebestand, obgleich ihm von tierärztlicher Seite von einer 
planlosen Anwendung dieses Impfstoffes abgeraten worden war. 
Die Vereinigung deutscher Schweinezüchter schickte dem Be¬ 
sitzer auf dessen Ersuchen das zum Impfen erforderliche Quantum 
polyvalenten Serums sofort und mit demselben die nötigen vonihm 
gar nicht bestellten Spritzen per Nachnahme. Der Besitzer, 
hatte nicht geschrieben, daß er weder Seuche unter seinen 
Schweinen ^ätte, noch befürchtete. Die Absenderin hat auch 
gar nicht danach gefragt, ob etwa Seuche vorläge, und wer 
die Impfting vornehmen würde, auch sind in betreff Vorprüfung 
nicht die geringsten Anstalten getroffen worden. Am 3. und 
4. Tage nach der Impfung begann plötzlich ein großes Schweine¬ 
sterben. In wenigen Tagen waren 18 Schweine verendet. Der 
schleunigst requirierte Kreistierarzt stellte unzweifelhaft Schweine¬ 
seuche fest und zwar in akuter Form. Die Seuche hatte einen 
so bösartigen Verlauf genommen, daß der ganze Restbestand 
schleunigst dem Schlachthause zngeführt werden musste. Nach der 
Schlachtung erwiesen sich sämtliche Schweine bereits infiziert. Hier 
hat also die plan- und ziellose Impfung großen Schaden verursacht. 

Warum fragt man sich nun, wird der hier in Rede stehende 
Impfstoff auf der einen Seite mit so großer Vorsicht angekündigt; 
es wird hervorgehoben, daß er nur bei bestehender Schweine- 
seuche angewendet werden soll, nachdem das zu dem betreffenden 
Bakterienstamm zugehörige Serum durch Vorversuche ermittelt 
worden ist, bei Schweinepest ist er nutzlos; auf der anderen 
Seite wird er aber vollständig vogelfrei gegeben, sodaß jeder¬ 
mann sich den Impfstoff beschaffen kann, wenn er ihn nur be¬ 
zahlt, ganz gleichgültig ob die Anwendung desselben im einzelnen 
Falle angebracht ist oder nicht. Ich muß nochmals wieder¬ 
holen, daß eine derartige Freigabe eines Impfstoffes, welcher 
so Gutes verspricht, im Interesse des guten Rufes desselben nur 
bekannt werden muß. Pr. 

Gelegentlich der 31. Plenarversammlung des Deutschen 
Landwirtschaftsrats in Berlin ist auch über das Thema Vieh¬ 


seuchenübereinkommen zwischen Österreich-Ungarn und dem 
Deutschen Reich gesprochen worden. Referenten hierfür waren: 
Reichsrat Freiherr von Soden-Fraunhofen, Kammerherr Frei¬ 
herr von Erffa-Wernburg und Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Dam- 
mann-Hannover. Es war nachstehender Antrag eingebracht 
worden: 

1. Bei dem etwaigen Abschluß eines neuen Handelsvertrages • 
mit Österreich-Ungarn ist mit Rücksicht auf eine erfolgreiche 
Bekämpfung der Viehseuchen eine Erneuerung deB Viehseuchen¬ 
übereinkommens mit Österreich-Ungarn im landwirtschaftlichen 
und allgemein volkswirtschaftlichen Interesse nicht zu empfehlen. 
Der Verkehr mit Österreich-Ungarn ist vielmehr uneingeschränkt 
den Bestimmungen des Viehsenchengesetzes zu unterstellen. 

2. Sollte jedoch wider Erwarten eine Erneuerung des Vieh¬ 
seuchenübereinkommens nicht zu umgehen sein, so dürfen die 
Bestimmungen im Artikel 6 des bisherigen Übereinkommens und 
im Schlußprotokoll sub 4 die Vereinbarungen betr. die Über¬ 
führung in Schlachthäuser nicht wieder aufgenommen werden. 

Von der Plenarversammlung wurde Abs. 1 des Antrages 
angenommen, Abs. 2 abgelehnt. 

Maßgebend für obigen Beschluß waren die Bestimmungen 
in den Artikeln 5 und 6 des gegenwärtigen Viehseuchenüberein¬ 
kommens bezw. No. 4 des Schlußprotokolls, welche mildere 
Maßregeln zulassen, als wie sie § 7 des Reichviehseuchen¬ 
gesetzes vorschreibt. Die Referenten waren in der Ablehnung 
eines erneuten Viehseuchenübereinkommens einig, desgl. die 
Plenarversammlung. Den dem obigen Beschluß zu Grunde 
liegenden Erwägungen wird man sich auch vom veterinär¬ 
technischen Standpunkte aus nicht verschließen können. 

Die Rotzkrankheit Im Jahre 1901 

nach dem Jahresbericht des Kaiserl. Gesundheitsamtes. 

Die Rotzkrankheit, welche im Jahre 1899 zugenommen 
hatte, ist im Berichtsjahre etwas zurückgegangen. Es sind 
insgesamt 699 Pferde erkrankt (1900: 748), mithin 6,55 % 
weniger. Die Erkrankungen verteilen sich auf 186 Gemeinden 
und Gutsbezirke und 235 Gehöfte. 26 Pferde sind gefallen, 
810 auf polizeiliche Anordnung getötet, auf Veranlassung der 
Besitzer 128. Von den getöteten Pferden sind 298 rotzfrei be¬ 
fanden worden. Außerdem sind in seuchefreien Beständen 85 
seuche- und der Ansteckung verdächtige Pferde getötet und 
seuchefrei befunden worden. Der Gesamtverlust an Pferden 
betrug demnach 1901 1049 Stück, 6,2 % weniger wie im Vor¬ 
jahre. Der Pferdebestand in den nenbetroffenen Gehöften betrug 
2344, 30% hiervon waren mit Rotzkrankheit behaftet Die 
meisten Seuchenausbrüche, 70 Gehöfte, fielen in das 3. Viertel¬ 
jahr, die wenigsten, 42, in das 2. Vierteljahr. In 49 der durch 
Rotz betroffenen Kreise kam nur je ein Erkrankungsfall vor, 
dies sind 38,5 % aller betroffenen Kreise, in drei Kreisen kamen 
je über 30 Erkrankungen zur amtlichen Kenntnis. Diese 
drei Kreise gehörten zur Stadt Berlin, preußischen Provinz 
Schlesien und Hessen-Nassau. Von je 100 Kreisen sind 12,1 
durch Rotz betroffen worden. In 49,1 % aller betroffenen Ge¬ 
höfte kam nur je ein Erkrankungsfall vor. Auf 10000 Pferde des 
Gesamtbestandes kamen im Kreise 1,67 Erkrankungsfalle 
(1,78 im Jahre 1900). Innerhalb der verseuchten Staaten be¬ 
wegen sich diese Zahlen zwischen 16,57 (Elsaß-Lothringen) und 
0,24 (Oldenburg), innerhalb der Kreise zwischen 167,96 (Katto- 
witz) und 0,60 (Metz). Von je 10000 Pferden sind 2,30 fce- 


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240 

fallen oder getötet (2,49 im Jahre 1900). Anf je ein rotz¬ 
krankes Pferd kommen 1,50 Verloste an Pferden. Am stärksten 
sind die Verluste in der Provinz Hessen-Nassau fünf Pferde 
auf je ein rotzkrankes, ferner Sachsen vier Pferde, Westpreußen 
3,25, Hannover 2,33. 

Was nun die am stärksten betroffenen Reichsteile anbetrifft, 
so zeigten die stärkste räumliche Verbreitung die Reg.- etc. Bez. 
Oppeln (28 Gemeinden und 30 Gehöfte), Freiburg (22 und 30), 
Mecklenburg-Schwerin (16 und 18), Gumbinnen (11 und 12), 
ferner die Kreise Wismar (6 und 6), Breisach (6 und 6), 
Rostock (5 und 7), Kattowitz (5 und 6), Emmendingen (5 und 6). 
Hohe Erkennungsziffern wurden gemeldet aus den Reg.- etc. Bez. 
Oppeln (125), Köln (60), Freiburg (57), Gumbinnen (48), 
Bromberg (46) und Potsdam (44). 

Innerhalb eines Gehöftes sind hohe Erkrankungsziffern ge¬ 
meldet aus den Kreisen Tilsit Land, Niederbarnim, Leobschötz, 
Trier Land, Oletzko, Regenwalde, Schrimm, Grottkau, Kempen 
i. Rh., Büren (100%), Znin (90,5%), Saarbrücken (83%) und 
Trennstein (81,8%). 

Aus der dem Jahresbericht beigegebenen Karte ist er¬ 
sichtlich, daß die Rotzkrankheit hauptsächlich in den östlich der 
Elbe gelegenen Reichsteilen verbreitet ist, besonders in Posen 
und Schlesien, ferner am Niederrhein und in dem südlichen 
Baden, in Mitteldeutschland weniger. 

Was nnn die Anlässe zu den Seuchenausbrtichen anbetrifft, 
so ist die Seuche aus Rußland eingeschleppt worden in die 
Kreise Schrimm, Goldberg-Haynau, Gelsenkirchen, in die Vete¬ 
rinärbezirke Wismar und Schwerin und in das Großherzogtum 
Oldenburg, aus Dänemark in den Kreis Büren, und Luxemburg 
nach Köln Stadt (Pferdebahn), aus der Schweiz bezw. Amerika 
nach Freiburg (Baden). 

Im Inlande wurde die Seuche verschleppt je einmal ans 
Lothringen nach Kreis Saarbrücken und aus Schwarzburg- 
Sondershausen nach Kreis Wolfenbüttel. In 25 Fällen waren 
die Pferde bereits beim Ankauf krank bezw. infiziert. Durch 
Einstellen in einen verseuchten Stall hat einmal in Mecklenburg- 
Schwerin eine Verbreitung stattgeftmden, ferner durch Verkauf 
russischer Händlerpferde, durch Mitnahme, kranker Pferde bei 
einer Grandbesitzveränderung und durch Verheimlichung der 
Seuche. Die 6 monatige Beobachtungszeit gewährt in einigen 
Fällen keine absolute Sicherheit. 

Bei der tierärztlichen Beaufsichtigung von Märkten wurden 
3 Rotzfälle ermittelt, in Roßschlächtereien und Schlachthäusern 
8 Fälle, auf offener Straße 1 Fall, in Abdeckereien 4 Fälle, 
bei der Überweisung des Grenzverkehrs wurden 19 russische 
Pferde im Kreise Wreschen rotzkrank bezw. verdächtig be¬ 
funden. 7 Rotzfälle wurden bei polizeilich angeordneten Unter¬ 
suchungen aller gefährdeten Tiere am Seuchenorte ermittelt. 

Über Mallei'nimpfungen wird berichtet aus Städten ohne 
nähere Angaben über den Erfolg aus Mecklenburg-Schwerin 
und vor allen Dingen ans Elsaß-Lothringen. Hier wird über 
gute Erfolge der Impfung berichtet. 

In einem im Reg.-Bez. Köln festgestellten Rotzfall betrug 
die Frist zwischen der Ansteckung und der offensichtlichen Er¬ 
krankung 18 Tage. 

Übertragungen der Seuche auf Menschen wurden nicht ge¬ 
meldet. 

Aus Anlaß der Bekämpfung der Rotzkrankheit wurden an 
Entschädigungen gezahlt: 446 613 M. gegen 366 375 M. im 


No. 14. 


Vorjahre. Die durchschnittliche Entschädigung betrug für ein 
Pferd zum vollen Werte 494,34 M., zu % Wert 408,38 M. In 
31 Fällen wurde die Entschädigung versagt. 

Naohweisung Ober den Stand der Thierseuchen in Deutschland am 
15. März 1903. 


Schweineseuche (Schweinepest). 


Regierungs¬ 
bezirk etc. 

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Preussen: 




Sigmaringen . . . 

_ 

_ 

Königsberg.... 

14 

49 

11,9 

Waldeck. 

1 

1 

Gumbinnen .... 

6 

32 

8,2 

Bayern: 



Danzig. 

7 

11 

8,7 

Oberbayern .... 

4 

4 

Marienwerder . . 

13 

59 

26 

Niederbayern. . . 

— 

— 

Berlin. 

1 

1 

— 

Pfalz. 

— 

— 

Potsdam. 

16 

44 

17 

Oberpfalz. 

— 

— 

Frankfurt. 

15 

31 

11,1 

Oberfranken . . . 

— 

— 

Stettin. 

12 

43 

22,9 

Mittelfranken. . . 

1 

1 

Köslin. 

7 

23 

11,9 

Unterfranken . . . 

— 

— 

Stralsund. 

3 

6 

4,9 

Schwaben. 

— 

— 

Posen. 

20 

53 

16 

Württemberg . 

2 

2 

Bromberg. 

13 

85 

38 

Sachsen. 

8 

11 

Breslau. 

22 

116 

80,5 

Baden . 

1 

1 

Liegnitz. 

20 

92 

32,7 

Hessen. 

5 

14 

Oppeln. 

9 

23 

8,2 

Meckl.-Scbwerin 

5 

13 

Magdeburg .... 

9 

19 

13 

Meckl.-Strelitz . 

— 

— 

Merseburg .... 

11 

30 

12,9 

Oldenburg . . . 

— 

— 

Erfurt. 

2 

3 

5 

Sachs.-Weimar. 

2 

4 

Schleswig. 

6 

13 

6 

Sachs.-Meiningen 

1 

2 

Hannover. 

4 

9 

14,3 

S ach s.-Alten bürg 

2 

2 

Hildesheim .... 

2 

8 

11 

Sach8.-Kob.-Got. 

2 

4 

Lüneburg . 

6 

6 

4 

Anhalt. 

— 

— 

Stade. 

6 

15 

20 

Braunschweig 

2 

4 

Osnabrück .... 

1 

3 

5 

Schwarz b.-Sond. 

1 

1 

Aurich. 

2 

3 

8 

Schwarzb.-Rud. 

1 

2 

Münster. 

1 

1 

3,7 

Reuss ä. L. ... 

— 

— 

Minden. 

7 

11 

21,5 

Reuss j. L. ... 

1 

1 

Arnsberg. 

6 

7 

8,5 

Schaum b.-Lippe 

— 

— 

Kassel . 

8 

3 

L7 

Lippe-Detmold . 

8 

3 

Wiesbaden .... 

3 

3 

3,2 

Hamburg .... 

— 

— 

Koblenz. 

2 

2 

1,9 

Lübeck . 

1 

1 

Düsseldorf .... 

6 

18 

41,8 

Bremen. 

2 

2 

Köln. 

3 

5 

16 

ElsasB . 

— 

— 

Trier. 

1 

1 

0,8 

Lothringen . . 

— 

— 

Aachen. 

— 

—- 

— 





Rotz. 


Preußen: In den Regierungsbezirken Köslin, Breslau, Hannover, 
Düsseldorf je 1 (1), sowie im Stadtkreis Berlin (1); im Reg.-Bez. 
Minden 1 (3); im Reg.-Bez. Oppeln 4 (4). — Bayern 2 (2); Sachsen 1 (1); 
Waldeck 1 (1). — Zusammen 16 Gemeinden (Dezember 24). 

Maul- und Klauenseuche. 

Preußen: In den Regierungsbezirken Stettin, Bromberg, Oppeln 
je 1 (1); Reg-Bez. Posen 1 (3). — Bayern: Oberbayern 9 (28), 
Pfalz 1 (2), Oberfranken 2 (4), Schwaben 3 (4). — Württemberg: 
Neckarkreis 8 (12), Schwarzwaldkreis 2 (2), Jagstkreis 2 (2), Donau¬ 
kreis 1 (1). — Baden 4 (5). — Lothringen 2 (3). 

Die Lungenseuche ist im Reichsgebiet erloschen. 

Bestrafungen wegen VeterinärpolizelkontraventlMen. 

Nach der Kriminalstatistik für die Jahre 1896, 1897, 1898, 
1899 und 1900 sind in dieser Zeit wegen wissentlicher Verletzung von 
Absperrungsmaßregeln bei Viehseuchen, insbesondere von Einfuhr¬ 
verboten zur Abwehr der Rinderpest, sowie der Vorschriften über 
die Beseitigung des Ansteckungsstoffes bei Viehbeftfrderungen auf 
Eisenbahnen 1192,1761, 1658,1792, 1496 Personen verurteilt worden, 


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2. April 1903. 

darunter 7384 Christen und 515 Juden. Die meisten dieser Be¬ 
strafungen erfolgten in den an der Ostgrenze gelegenen preußischen 
Regierungsbezirken Oppeln, Gumbinnen, Posen, Königsberg, 
Marienwerder, Bromberg und Breslau. Allen voran steht Oppeln, 
auf diesen Beziik fallen allein 12,5% aller Verurteilungen in 
Deutschland. 

Von den bayerischen Regierungsbezirken entfallen die meisten 
Bestrafungen auf Unterfranken, Oberfranken, Oberpfalz, Schwaben 
und Oberbayern, in Württemberg auf den Donaukreis, in Hessen 
auf die Provinz Starken bürg. 

Rinderpest. 

Unter Aufhebung der entsprechenden früheren landespolizei¬ 
lichen Anordnungen hat der Reg.-Präsident in Oppeln unter dem 
20. November 1902 eine anderweitige landespolizeiliche Anordnung 
betr. Maßregeln zur Verhütung der Einschleppung der Rinderpest 
erlassen. Aus derselben ist folgendes hervorzuheben: 

Die Ein- und Durchfuhr von lebendem Rindvieh, lebenden 
Schafen und Ziegen aus Rußland ist verboten. 

Das Weiden von Rindern oder die Benutzung derselben für 
Arbeiten auf jenseitigen, dicht an der Grenze liegenden Grund¬ 
stücken ist nur mit landrätlicher Genehmigung gestattet.. Bei 
zuiälligtm Überlaufen von Rindern über die Grenze dürfen die 
Landräte deren Zurückziehung unter besonderen Vorsichtsmaßregeln 
gestatten. 

Ferner ist die Ein- und Durchfuhr aller von obengenannten 
Tieren herrührenden Teile verboten, ausgenommen Butter, Milch 
und Käse. 

Gestattet sind vorbehaltlich die durch das Fleischbeschaugesetz 
auferlegten Beschränkungen: Häute, dünne feine Knochen, Wolle, 
Haare, Klauen in trockenem Zustande, geschmolzener Talg, 
Knochenmehl. 

Blntkuchen, feinpulvcrisiert, durchgepökeltes Fleisch, Lungen 
bedürfen zur Einfuhr einer Genehmigung. Die vorgenannten Gegen¬ 
stände dürfen nur über bestimmte Zollstrecken eingeführt werden, 
welche namhaft gemacht Bind. 

Verbotswidrig ein'gefilhrte Tiere und tierische Stoffe sind 
zu töten bezw. zu vernichteu oder unschädlich zu machen. 

Die Verladung von Rindern darf nur an bestimmten Bahn¬ 
stationen erfolgen und an den hierfür festgesetzten Tagen. Hierzu 
muß ein Erlaubnisschein des Landrats beigebraebt werden, 
welcher nur auf Grund eines von dem Vorstande vorzulegenden 
Ursprungszeugnisses ausgestellt werden darf. Ferner bedarf es eines 
amtstierärztlichen Gesundheitsscheines, sowie eioer Bescheinigung 
des Stationsvorstandes über den Verladungsort. Für die links 
der Oder gelegenen Teile des Reg.-Bezirks findet die Vorschrift 
der Beibringung eines Gesundheitsscheines keine Anwendung. 
Kälber unter 4 Monaten können ohne Beschränkung Verladen 
werden. Für das auf Märkten zu Verkaufszwecken aufgetriebene 
Vieh sind besondere Bestimmungen gegeben. Das zu verladende 
Vieh erhält Hornbrandzeichen. 

Des weiteren enthält die Anordnung Vorschriften über die 
Führung von Rindviehkontrolen und Uber Ursprungszeugnisse 
Für Rinder bei Beförderung auf Landwegen innerhalb der Gebiets¬ 
teile, fn denen Viehregister geführt werden müssen; diese sind 
gegen früher nicht wesentlich geändert. 

Zur Nachtzeit darf Rindvieh auf Landwegen über die Feld¬ 
markgrenze hinaus nicht transportiert werden. 

Der Schluß der Anordnung enthält Viehbestimmungen, ferner 
Formulare für die verschiedenen Zeugnisse, die Strafregister etc. 

Die Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche in den Vereinigten Staaten 
von Nordamerika. 

Als gegen den Schluß des vergangenen Jahres die Maul- und 
Klauenseuche in den Vereinigten Staaten von Nordamerika fest¬ 
gestellt wurde, ging,man ohne Verzug an die Tilgung derselben 
heran. Dr. Salmon begab sich mit einem Stab von Tierärzten in 
das verseuchte Gebiet, welches in umfangreicher Weise gegen das 
übrige Staatsgebiet abgesperrt worden war. Die Viehbestände in 
dem verseuchten Gebiet würden säihtlich untersucht und jeder 
Seucheherd aufgedeckt und quarantänieft-. Das Repräsentantenhaus 


241 

und der Senat hatten sofort einen Kredit von 4 000000 Mark be¬ 
willigt. Die verseuchten Viehbestände wurden ansgeschlachtct und 
die Besitzer entschädigt. Der Erfolg zeigte sich bereits Mitte 
Januar d. J. Rhode Island war bereits vollkommen frei von der 
Seuche und bis zum Schlüsse des Monats glaubte man auch in den 
übrigen Staaten mit der Tilgung fertig zu sein. Nach den letzten 
Berichten sind im Staate Massachusetts 194 Bestände mit 3554 
Tieren der Sperre unterworfen worden. Von diesen sind 47 Be¬ 
stände mit 730 Tieren aus der Sperre entlassen worden. 91 Bestände 
mit 1848 Tieren sind ausgeschlachtet worden. Der Wert der ge¬ 
schlachteten Tiere betrug 356 288 Mark. Entschädigt wurden 
70 Prozent desselben mit 255 212 Mark. 56 Herden mit 976 Tieren 
befanden sich noch unter Sperre. Ebenfalls unter Sperre befanden 
eich 815 Schweine. 122 Schafe, 4 Ziegen und 1 Pferd. Im ganzen 
somit 4496 Tiere. 

In den Neu-England Staaten war man in der Mitte des Monats 
Januar ebenfalls mit der Tilgung der Seuche fertig. Hier sind 
1300 Tiere geschlachtet worden. An Entschädigung haben die 
Viehbesitzer durchschnittlich 132 Mark pro Stück bekommen. 

Die Geschichte dieses Seuchenausbruchs zeigt also wiederum, 
daß das Keulungsverfahren, zur rechten Zeit angewandt, immer 
noch das beste Tilguugsmittel ist Alle noch so sorgfältig er¬ 
wogenen Vorbeugungsmaßregeln, von denen der neue Viehseuchen¬ 
gesetzentwurf wieder eine ganze Reihe vorsieht und die den Vieh¬ 
verkehr so sehr behindern, werden ihren Zweck verfehlen, wenn 
man es versäumt, der ausgebrochenen Seuche energisch entgegen 
zu treten. K. 

Verluste duroh Rotz ln England. 

ln der kürzlich abgehaltenen Sitzung der „National Veterinary 
Association“ in England wurden über die Verluste, welche die 
Rotzkrankheit in England hervorgerufen hat, folgende Zahlen ge¬ 
geben. Seit 1881 hat der Gesamtverlust an Pferden 35 651 Stück 
betragen. Beim Durchschnittswert von 400 M. für jedes Stück 
beziffert sich der Verlust auf 14 260 400 M. Bei Anwendung ge¬ 
eigneter Maßnahmen hätte der . größte Teil dieser Summe gerettet 
werden können. London ist das Zentrum der Rotzkrankheit. Im 
letzten Jahr sind 93,5 Proz. aller Rotztälle in London aufgetreten. 
Die Erklärung hierfür ist das nahe Zusammensein der Pferde und 
die fortwährende Ansteckung durch infizierte Bestähde. Die be¬ 
stehenden Vorschriften seien nicht genügend. London gäbe allein 
im Jahr 120000 M. aus zur Durchführung dieser nutzlosen Vor¬ 
schriften. In Vorschlag gebracht wurde die Malleinimpfung bei 
verdächtigen Tieren auf Kosten der Behörden und die Abschlach 
tung aller rotzverdächtigen Pferde. K. 

Fleischbeschau und Viehhandei. 

Die preußischen Ansf&hrnngsbestimmnngen za dem 
Gesetz vom 28. Jnni 1902, betreffend Ansffihrung des 
Schlachtvieh- und Fleischbeschangesetzes. 

Die Ausfuhrungsbestimmungen, welche soeben heransgegeben 
und den einzelnen zuständigen Behörden zur Nachachtung zu¬ 
gegangen sind, enthalten folgende für die Ausführung der 
Schlachtvieh- und Fleischbeschau, sowie Trichinenschau wesent¬ 
lichen VoUzugsvorschriften, die von Ostertag in der bereits am 
25. März d. J. herausgegebenen Aprilnummer seiner Zeitschrift 
eingehend besprochen werden. 

Hinsichtlich der Schlachtvieh- und Fleischbeschau 
ist vorgeschrieben, daß die Bildung der Beschaubezirke 
und die Bestellung der Beschauer in Städten mit mehr als 
10 000 Einwohnern, sowie in selbständigen Städten der Provinz 
Hannover durch die Ortspolizeibehörden, im übrigen aber durch 
die Landräte erfolgt. In Schlachthausgemeinden können die 
Beschauer von der Gemeinde angestellt werden. Die Landes- 
bebörde (Regierungspräsident) ist befugt, die Bestellung der 
Beschauer von ihrer Genehmigung abhängig zu machen oder 
sich ein Einspruchsrecht vorzubehalten. Die Bildung der 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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342 


Beschaubezirke und die Bestellung: der Beschauer erfolgen unter 
Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs. Beschauer, die als Tier¬ 
ärzte approbiert sind, können auch gegen Kündigung oder 
für längere Dauer bestellt werden (§ 6). Sehr wichtig ist, 
daß nach § 7 Tierärzten, welche zur privaten oder 
veterinärpolizeilichen Behandlung von Schlachttieren 
zugezogen werden, erlaubt werden kann, bei diesen 
Tieren die Schlachtvieh- und Fleischbeschau vor¬ 
zunehmen. 

Die Prüfungskommissionen sollen der Regel nach aus dem 
Departementstierarzt, einem bei einer öffentlichen Fleischbeschau 
amtlich tätigen Tierarzt und einem Kreistierarzt bestehen. Die 
Prüflingen sind nicht öffentlich; es kann aber den Leitern des 
Unterrichts und Personen, welche sich als Beschauer ausbilden 
lassen, die Anwesenheit gestattet werden. Die Prüfungs¬ 
kommissionen werden von der Landespolizeibehörde gebildet. 
Die Nachprüfungen haben durch die zuständigen Kreistierärzte 
zu geschehen. Die Prüfungsgebühren betragen für die Prüfung 
10 Mark, für die Nachprüfung 6 Mark. Letztere Gebühr kann 
bei gleichzeitiger Prüfung einer größeren Zahl von Prüflingen 
auf 3 Mark herabgesetzt werden. 

Die Anmeldung zur Schlachtvieh- und Fleisch¬ 
beschau bei kranken Tieren kann direkt an den Tierarzt er¬ 
folgen, wenn der Anmeldepflichtige erkennt, daß das Tier mit 
einer Krankheit behaftet ist, deren Beurteilung dem tierärzt¬ 
lichen Beschauer Vorbehalten ist. Die Anmeldung zur Fleisch¬ 
beschau kann mit der Anmeldung zur Schlachtviehbeschau ver¬ 
bunden werden. Die Untersuchungen sollen spätestens 
6 Stunden nach der Anmeldung vorgenommen werden, die 
Nachtstunden (7 Uhr abends bis 7 Uhr morgens vom 1. April 
bis 30. September und bis morgens 8 Uhr vom 1. Oktober bis 
31. März) nicht mitgerechnet. Die Untersuchungen müssen bei 
TagesDcht oder ausreichender künstlicher Beleuchtung vor¬ 
genommen werden. Die Beschauzeit kann auf bestimmte Tage 
und Stunden beschränkt werden. Auf die Zuziehung des zu¬ 
ständigen Beschauers hat die Polizeibehörde zu achten. Für 
Schlachthöfe kann die Loslösnng der Haut vom Tier¬ 
körper und die Trennung von Kopf und Unterfüßen bei 
Kälbern gestattet werden. Rinderlebern sind regel¬ 
mäßig auf Leberegel zu untersuchen. Als minderwertiges 
Fleisch ist bis auf weiteres nur solches anzusehen, das mit den 
in § 40 der Ausführungsbestimmnngen bezeichneten Mängeln 
behaftet ist. Minderwertiges Fleisch ist an Orten mit mehr als 
5000 Einwohnern stets, im übrigen unter Berücksichtigung der 
Absatzfähigkeit des Fleisches, unter den im § 11 Abs. 2 und 3 
des Reichsgesetzes angegebenen Beschränkungen zu verkaufen. 

Die vorläufige Beschlagnahme erfolgt durch Aufkleben 
entsprechend bezeichneter Zettel auf das Fleisch. 

Durch die Vorschriften über die Trichinenschau werden 
die Ausbildung, Prüfung, Nachprüfung und Kontrolle der Trichinen¬ 
schauer nach zeitgemäßen Grundsätzen einheitlich geregelt und 
wie die übrigen Teile der Fleischbeschau den Tierärzten über¬ 
tragen. Im übrigen dürfen sämtliche am 1. April als Trichinen- 
schauer tätigen Personen weiter tätig sein; sofern sie sich bis 
zum 1. Oktober 1903 bei der A^stellungsbehörde ihres Bezirks 
melden. Für die Ausführung der Trichinenschau und die Mit¬ 
wirkung der Trichinenschauer bei der Finnenschau finden die 
Bundesrats-Bestimmungen Db. (für ausländisches Fleisch) sinn¬ 
gemäße Anwendung. 
r 


Na 14. 

Die Gebühren werden in Schlachthausgemeinden wie bis¬ 
her nach Maßgabe der besonderen gesetzlichen Bestimmungen, 
im übrigen von den Landespolizeibebörden festgesetzt. Die 
Gebührenfrage ist nicht einheitlich geregelt. Es sind feste Ge¬ 
hälter und Einzeigebühreu mit und ohne Wegegebühren zuge¬ 
lassen. Für Gemeinden, welche die Beschauer entlohnen, sollen 
die Gebühren keine Einnahmequelle werden. Im allgemeinen 
sollen einheitliche, wie nach Tiergattungen abgestufte Gebühren 
erhoben werden, gleichgültig ob Nebenkosten entstehen oder 
nicht. Zur Deckung der Kosten der Ergänzungsschau ist aus 
dem einbehaltenen Teil der Gebühren ein Fonds zu sammeln. 
Die Einziehung der Gebühren kann durch die Gemeinde geschehen 
oder den Beschauern überlassen werden. 

Als Tarifmuster für einen ländlichen Beschaubezirk von 
größerer Ausdehnung und mit nicht erheblicher Zahl von Unter- 
stützungsfällen soll gelten: 

I. Die Tierbesitzer haben an Gebühren zu entrichten: 

1. für die Untersuchung von Einhufern die den tierärztlichen 
Beschauern tatsächlich zu zahlenden Vergütungen (vgl. unter III). 

2. im übrigen für die Schlachtvieh- und Fleischbeschau zu¬ 
sammen: 

a) für ein Stück Rindvieh (ausschließlich 

Kälber). 3,00 M. 

b) für ein Schwein einschließlich Trichinen¬ 
schau . 1,60 M. 

c) für ein Schwein ausschließlich Trichinen¬ 
schau . 1,00 M. 

d) für ein Kalb. 0,70—0,90 M. 

e) für ein sonstiges Stück Kleinvieh (Schaf, 

Ziegen, s.w.) ... . . . . . . . 0,60—0,70 Jf.. 

Diese Sätze sind in voller Höhe auch zu zahlen, wenn eine 
Schlachtviehbeschau ohne nachfolgende Fleischbeschau oder wenn 
bei Notschlachtungen oder Hausschlachtungen lediglich eine Fleisch¬ 
beschau stattfindet. 


3. für die Trichinenschau allein 


a) für einen ganzen Tierkörper . . . 

. 

0,75 M. 

b) für einen Schinken 

oder ein anderes 


Fleischstück . . . 



0,50 M. 

c) für ein Stück Speck 

. 

. 

0,35 M. 

H. Von den unter 12 

festgesetzten Gebühren 

sind zu 

rechnen auf: 

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a) beim Rind. 

b) beim Schwein einschließ- 

200 M. 

0,50 M. 

0,50 M. 

lieh Trichinenschau . . 

1,30 „ 

0,20 „ 

0,10 „ 

’ c) beim Schwein ausschließ- 




lieh Trichinenschau . . 

0,70 „ 

0,20 „ 

0,10 „ 

d) beim Kalb . 

0,40—0,60 „ 

0,20 „ 

0,10 „ 

e) bei sonstigem Kleinvieh 

0,40 — 0,60 „ 

0,10 „ 

0,10 „ 


Die zuletzt aufgeführten Beträge sind daher von den Be¬ 
schauern an die Polizeikasse abzuführen. Sie können auf etwa 
das Doppelte erhöht werden, wenn der Beschauer lediglich die 
Schlachtviehbeschau vornimmt. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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2. April 1908. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


Die Trichinenschaagebühren werden den Trichinenschanern 
voll überlassen. Die Kosten für die etwa erforderliche tierärzt¬ 
liche Nachrevision beim Befand von Trichinen können ans dem 
Fonds bestritten werden. 

Wege Vergütung für den aus dem Nachbarbezirk heran¬ 
gezogenen Stellvertreter 10 Pf. pro km des Hin- und Rückweges. 

III. Für die den Tierärzten ausschließlich vorbehaltene 
Beschau sind an Vergütungen zu zahlen: 

a) für ein Pferd, einen Esel oder ein Maultier 3,00—4,00 M. 


b) für ein Rind (ausschließlich Kälber) . . 3,00 „ 

c) für ein Schwein (auch bei der Trichinen¬ 
schau) . 2,00 „ 

d) für ein Kalb. 1,50—2,00 „ 

e) für ein sonstiges Stück Kleinvieh . . . 1,00—1,50 „ 


Außer den Vergütungen erhalten die Tierärzte bei Ent¬ 
fernungen über 2 km Wege Vergütungen von 40 Pf. pro km 
Landweg und 7 Pf. pro km Eisenbahn. Haben die Tierärzte 
gleichzeitig andere Berufsgeschäfte zu erledigen, so stehen ihnen 
ntuT die Schaugebühren zu. 

Zuständigkeit der !BehÖrden. Die den Ortspolizei¬ 
behörden zustehenden Befugnisse bei der Beanstandung von 
Fleisch können auch anderen Personen übertragen werden. 
Beschwerden über die Entscheidungen der Beschauer gehen 
der Regel nach an die aueh die Beschwerde entscheidende 
Behörde, können aber an Schlachthöfen und Schauämtern dem 
dienstaufsichtführenden Beschauer zur Nachprüfung und Ent¬ 
scheidung übertragen werden. Die Beschwerden sind binnen 
einer eintägigen Frist nach Eröffnung der Entscheidung anzu- 
melden. Über Gutachten nichttierärztlieher Beschauer ent¬ 
scheidet der zuständige tierärztliche Beschauer, über Gutachten 
nichtbeamteter tierärztlicher Beschauer der zuständige Kreis¬ 
oder Departementstierarzt, über Gutachten beamteter tierärzt¬ 
licher Beschauer der zuständige Departementstierarzt. Die 
durch eine unbegründete Beschwerde entstehenden Kosten hat 
der Beschwerdeführer zu tragen. Die Kontrolle der nichttier¬ 
ärztlichen Beschauer hat durch den Kreistierarzt oder den als 
Ergänzungsbeschauer bestellten Tierarzt zu geschehen, während 
die technische Aufsicht über die tierärztlichen Beschauer regel¬ 
mäßig den Departementstierärzten aufliegt, sie kann aber auch 
den Kreistierärzten übertragen werden, sofern dieselben nicht 
selbst als Beschauer bestellt sind. K. 

Zur Aiisfüllrang des Relcbsflelsobbesohaufesetzes. 

Bekanntmachung betr. die Kennzeichnung des 
untersuchten ausländischen Fleisches. 10. Februar 1903. 
(Centralblatt f. d. D. R. S. 46.) 

In dem Bundesratserlaß ist bestimmt, dass die Stempel für 
das in das Zollinland eingehende Fleisch genau den in den Aus- 
führungBbestimmmungen des Buttdesrats zum Reichsfleisch¬ 
beschaugesetz angegebenen Formen und Grössenverhältnissen 
entsprechen müssen. Brennstempel können größer sein. Die 
Inschriften sind in lateinischen Schriftzeichen anzufertigen und 
in solcher Grösse herzustellen, dass sie gut leserlich sind. 
Ränder und Zeichen müssen scharf ausgeprägt sein. Die In¬ 
schriften sind auf geraden Linien anzubringen. Jeder Stempel 
muß auf der obersten Zeile das Wort „Ausland“ enthalten, 
dann folgt auf der untersten Zeile der Name der Zollstelle. Bei 
Pferdefleisch wird das Wort „Pferd“ eingeschoben. Bei dem 
gemaßregelten Fleisch werden je nachdem die Worte „Zurtick- 
gewiesen“, „Zu beseitigen“ oder „Z“ eingeschoben. Sonstige 


243 


Zeichen dürfen nicht angebracht werden, ausgenommen ist die 
Anbringung von lateinischen oder arabischen Ziffern ald Unter¬ 
scheidungsmerkmal im inneren dienstlichen Verkehr. Im Fall, 
daß für mehrere Zollstellen eine gemeinsame Beschaustelle 
errichtet ist, bleibt die Bestimmung des Stempelzeichens vor- 
vorbehalten. 

Als Grundsätze für die Form und die Inschriften 
der bei inländischem Fleisch zur Anwendung 
kommenden Fleischbeschaustempel hat der Reichskanzler 
am 10. Februar d. J. folgendes den Bundesregierungen 
mitgeteilt. Die in den Bundesratsbestimmungen angegebenen 
Maße sind nur Mindestmaße. Doch sollen die Stempel nicht 
übermässig gross gemacht werden, damit das gekennzeichnete 
Fleisch nicht zu sehr mit Stempelabdrücken bedeckt wird. 
Die Inschriften sind in lateinischen Schriftzeichen herzustellen 
und in solcher Größe anzufertigen, dass sie gut leserlich sind. 
Schriftzeichen und Ränder müssen scharf ausgeprägt sein. 
Jeder Stempel hat den Namen des Schaubezirks zu enthalten. 
Zusätze von Unterscheidungsbezeichnungen sind zulässig, z. B. 
Schlachthof. Solche, welche sich auf allen Stempeln wiederholen 
würden, sind zu vermeiden, z. B. Schaubezirk, Fleischbeschau. 
Abkürzungen sind gestattet, soweit sie die Deutung nicht beein¬ 
trächtigen. Bei Stempeln für Pferde- und Hundefleisch sind 
die Wörter „Pferd“, „Hund“ auf einer besonderen Zeile voran¬ 
zustellen. Die Inschriften sind auf geraden Linien anzubringen, 
bei runden Stempeln kann auch die Bogenform gewählt werden. 
In Fällen des § 43 Absatz 2 Satz 2 der B.-B. muss der Stempel 
auch noch die Bezeichnung Tierarzt, den Namen und Wohnsitz 
des Tierarztes enthalten. Abkürzungen für Tierarzt T. A., 
für Kreistierarzt K. T. A., für Departementstierarzt D. T. A. 
u. s. w. Die Anbringung sonstiger Zeichen ist zu vermeiden. 
Zur Unterscheidung von Schaubezirken und Fleischbeschauern 
können arabische oder lateinische Ziffern angebracht werden. 
Vorhandene Stempel, die die vorgeschriebene Form und Mindest¬ 
größe haben, dürfen aufgebraucht werden, wenn sie im wesent¬ 
lichen die Inschriften, wenn auch in abweichender Reihenfolge, 
enthalten. Kühn au. 

Die Wlrkusg des Relohtfleischbesohaugesetzes auf die Fleischbeschau 

In Baden. 

(Rundachaa 1905 So 6.) 

Schlachthofdirektor Bayersdorfer-Karlsruhe bespricht die ba¬ 
dische Vollzugsverordnung zum Reiehsfleiscbbeschaugesetz vom 
17. Januar d.J. und machtauf die wesentlichen Punkte derselben auf¬ 
merksam. Die Anmeldung zurSchlacbtviehbescbau muß in Baden min¬ 
destens zwei Stunden vorher erfolgen, nur in Scblachtböfen sind Aus¬ 
nahmen zulässig. Die Hausschlachtungen bleiben in Baden vom Beschau¬ 
zwang befreit Von großer Wichtigkeit für die Tierärzte ist die Bestim¬ 
mung, daß, soweit solche in einem Schaubezirk ansässig und zur Über¬ 
nahme der Beschau bereit sind, ihnen die ganze Beschau übertragen 
werden muß. Von der Befugnis des §24 des R.-FI.-G. Absatz 1 Ziff 2 ist 
ausgiebiger Gebrauch gemacht worden, die Zuständigkeit der Fleisch¬ 
beschauer, welche nicht tierärztlich vorgebildet sind, ist erheblich 
eingeschränkt worden. So ist der nicht tierärztliche Beschauer 
nicht berechtigt die Lebendbeschau auszuüben bei drohender Er¬ 
stickung oder bei Aufblähen nach der Aufnahme von Grünfutter. 
Die Fleischbeschau darf er nicht ausüben bei tuberkulösen Tieren, 
wenn mehr als ein Organ erkrankt ist, ferner nicht bei Nesselfieber, 
leichten Formen von Rotlauf, Maul- und Klauenseuche, Bläschen- 
ausschlag an den Geschlechtsteilen. Auch wenn das Fleisch ge- 
oußuntauglich ist i*t er niobt zuständig (§ 30 B. B. Abs. 2), so bei 
Gelbsucht mit Abmagerung, oder wenn nach 24 Stunden alle Körper¬ 
teile noch gelb gefärbt sind, bei hochgradiger allgemeiner Wasser¬ 
sucht, bei hochgradigem Harn- und Geschlechtsgeruch n.s.w., bei voll- 


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244 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 14. 


ständiger Abmagerung infolge einer Krankheit. Auch in den Fällen, 
wo bei Tod infolge Unglücksfällen die Tiere nicht unmittelbar nach 
dem Tode ausgeweidet Bind oder die Tiere eines natürlichen Todes 
gestorben, im Verenden getötet, totgeboren oder ungeboren sind, 
hat der nicht tierärztliche Beschauer die Beschau abzulehnen. Die 
Ausbildung der Beschauer nach den Bundesratsbestimmungen bessert 
die jetzigen Zuslände in Baden. 

Die Entlohnung der Beschauer hat aus der Gemeindekasse zu 
erfolgen. Die Festsetzung von Bauschsummen unterliegt der Ge¬ 
nehmigung des Bezirksamts. Für die tierärztlichen Beschauer sind 
die Gebühren doppelt so hoch, wie für die nicht tierärztlichen 
Beschauer. 

Für die Beurteilung des Fleisches ist die Unterscheidung in 
bankwürdiges und nicht bankwürdiges beibehalten. Unter letztere 
Kategoi ie fällt das Fleisch aller Tiere, welche wegen einer Krank¬ 
heit notgeschlachtet sind, ferner die eigentlichen Notschlachtungen 
infolge von Geburtsleiden und Aufblasens nach Grünfütterung; 
sämtliches taugliche, aber im Nahrungs- und Genußwert erheblich 
herabgesetzte Fleisch, mit Ausnahme der einfinnigen Rinder und 
endlich das bedingt taugliche Fleisch. Die einfinnigen Rinder sind 
sonach in Baden bankwiirdig. 

Alles nicht bankwürdige Fleisch darf nur auf der Freibank 
oder Zentrale verkauft werden, während früher die Ortspolizei¬ 
behörden hierüber bestimmen konnten. Die Anzeigen Uber bean¬ 
standetes Fleisch können in Schlachthöfen für alle an einem Tage 
geschehenen Fälle zugleich erstattet werden. 

Von besonderer Wichtigkeit Für die Städte mit Schlachthöfen 
st die Bestimmung, daß die Ortspolizeibehörden die Nachschau 
in vollem Umfange für alles zum Verkauf eingeführte 
Fleisch anordnen können. Außerdem kann die Revision der 
Fleischerläden und Verkaufsstätten für Fleisch angeordnet werden. 

An größeren Schlachthöfen kann der tierärztliche Leiter an 
Stelle des Bezirkstierarztes mit der Abgabe der Obergutachten be¬ 
traut werden. Die größeren Schlachthöfe, sowie die Bezirkstier- 
Urzte, welche die Fleischbeschau selbst ausüben, sind direkt dem 
Ministerium des Innern unterstellt. 

Diese beiden Bestimmungen sind für die größeren Schlacht- 
l.öfe von ganz besonderer Bedeutung und muß eine derartige Rege¬ 
lung als durchaus in sich begründet erachtet werden. Hoffen wir, 
daß auch in Preußen eine dahingehende Regelung beliebt wird. 
Nur in diesem Falle werden die Aufsichtsverhältnisse der größeren 
Schlachthöfe in befriedigender Weise geregelt sein. Kiihnau. 

Untersuchung des ausländischen Fleisches in Bayern. 

Der Erlaß vom 22. Februar 1903 bestimmt, daß an den Grenz¬ 
eingangsstellen die Untersuchung des in das Zollinland eingehenden 
Fleisches den Kontrolltierärzten obliegt. Für die Untersuchung des 
ausländischen Fleisches, welches im Inlande am Bestimmungsorte 
untersucht werden soll, haben die Gemeinden Sorge zu tragen. 
Bei der chemischen Untersuchung der Fleisch- und Fettsendungen 
haben die öffentlichen Untersuchungsanstaltep für Nahrungs- und 
Genußmittel mitzuwirken. Im Inlande hat die Untersuchung von 
frischem Fleisch, soweit angängig in den gemeindlichen Schlacht¬ 
häusern zu erfolgen, ebenso die zollamtliche Abfertigung. Dagegen 
hat die Untersuchung des zubereiteten Fleisches und der Fette in 
den zollamtlichen Abfertigungsstellen zu geschehen. Die Unter¬ 
suchung des mit der Post eingehenden Fleisches erfolgt in den 
postdienstlichen Räumen. Im kleinen Grenzverkehr, sowie im 
Meß- und Marktverkehr des Grenzbezirks wurde auf Grund des 
§ 14 Abs. 2 des R.-Fl. G. die Einfuhr von Fleisch aller Art, mit 
Ausnahme von Fleisch in luftdicht verschlossenen Büchsen oder 
ähnlichen Gefäßen, zugelassen und gestattet, daß von einer amt¬ 
lichen Untersuchung des im bezeichneten Verkehre eingehenden 
Fleisches Abstand genommen werde. 

Schlaohthauszwang nur für räumlich verbundene Gemeinden. 

(Kammergerichtsentscheidung). 

Das Schlachthaus in Castrop war auch für die Gemeinden 
Habinghorst, Ranxel, Sodingen u. s. w. bestimmt und war für 
diese Gemeinden der Schlachthauszwang eingeführt. Mehrere 


Meister erhoben hiergegen Beschwerde und machten geltend, 
daß ihnen durch die aufgelegte Verpflichtung zur Benutzung des 
y 2 bis iy 2 Stunden von ihren Geschäftsräumen entfernt gele¬ 
genen Schlachthauses Castrop große Ausgaben entständen und 
damit erheblicher Schaden zngefügt würde. Es kam deswegen 
zum Prozeß, in welchem das Kammergericht nun entschieden 
hat, daß der Verband auf keiner gesetzlichen Grundlage beruhe, 
weil die Gemeinden Habinghorst, Ranxel, Sodingen u. s. w. mit 
Castrop nicht räumlich verbunden seien. Auch nach dem ab¬ 
geänderten Schlachthausgesetz haben die Gemeinden nicht die 
Befugnis, einen derartigen Zwang ihren eingesessenen Metzger¬ 
meistern aufzuerlegen, weil, wie gesagt, die in Frage kommenden 
Gemeinden mit Castrop als räumlich verbunden nicht bezeichnet 
werden können. 

Zur Auslegung des Schlachthausgesetzes. 

(Oberverwaltungsgerichtsentscheidung.) 

Über die Befugnisse, welche den Gemeinden nach dem Schlacht¬ 
hausgesetz zustehen, sind in dem Urteil des Oberverwaltungs¬ 
gerichts, welches soeben in dem Kölner KUhlbausproseß ergangen 
ist, wichtige Aufschlüsse enthalten. In der Begründung des Urteils 
wird ausgeführt, daß nach dem Gebfihrentarif für den städtischen 
Schlacht- und Viehhof in Köln auf dem Schlacht hofe für das Schlachten 
von Ochsen und Stieren eine Gebühr von 5 Mk. zur Erhebung kommt. 
Eine solche Gebühr hat der Metzger Esser am 31. Oktober 1898 für 
das Schlachten eines Ochsen entrichtet. Er erachtet sich dadurch 
für überbürdet und fordert nach vergeblichem Einspruch einen 
Betrag von 81 Pfg. zurück, ln dieser Höhe berechnet er den An¬ 
teil, der von der Gebühr auf die Kosten der Schlachthofs-Kühl¬ 
anlage fällt, die nach seiner Ansicht keinen Bestandteil des Schlacht- 
hofes bildet. Nachdem der Bezirksausschuß Sachverständige ver¬ 
nommen hatte, gab er der Klage statt und nahm an, daß die 
Kühlanlage nur insoweit ein notwendiger Bestandteil des 1 Schlacht¬ 
hofes sei, als die Vorkühlräume mangels der sonst vorhandenen 
Abhängeräume dem örtlichen Bedürfnis in Köln zu Zwecken der 
eigentlichen Schlachtung entsprächen, daß daher die Gebühr, die 
nicht nur diesen Raum, sondern das Anlagekapital der ganzen 
Kühlanlage zur Berechnung mit heranziehe, auf einer ungesetzlichen 
Grundlage beruhe und daher ungesetzlich sei, 'demnach jedenfalls 
in der Höhe von 81 Pfg. zurückgefordert werden dürfe. Diese 
Enischeidung foebt der Oberbürgermeister durch Revision an. Nach¬ 
dem daB Oberverwaltungsgericht vor einem Monat die Entscheidung 
ausgesetzt hatte, ist nunmehr das Urteil zu Gunsten der Stadt 
Köln ergangen. Die Klage Essers wurde u. a. aus folgenden 
Gründen abgewiesen: Nach dem Schlachthausgesetz vom 18. März 
1868 genügt ein Gemeindebescliluß für die Festsetzung des Ge¬ 
bührentarifs, und zwar sowohl für die Benutzung des Schlacht¬ 
hauses als für die Untersuchung der Tiere im Schlachthause. Un¬ 
richtig ist die Ansicht, daß nur das Schlachten und die im § 2 
deB Ortsstatuts bezeichneten Verrichtungen in das Schlachthaus 
gehörten, und daß nur sie von einer Gebühr getroffen werden 
dürften. Aus § 1 des Schlachthausgesetzes ergibt sich, daß ein 
Schlachthaus etwas anderes und mehr ist, als die bloße Schlacht- 
etätto. Das Ergänzungsgesetz vom 9. März 1881 bestätigt diese 
Auffassung in § 2. Die Schlachtstätten können auch nicht so knapp 
bemessen werden, daß sie gerade im Moment ihrer Errichtung aus¬ 
reichen. Sie müssen die wachsende Bevölkerung und den wachsen¬ 
den Konsum ins Auge fassen. Das Schlachten umfaßt nach dem 
Töten auch noch das Ausweiden und Beseitigen der Eingeweide. 
Es ist keine Grenze gezogen, wo die Produktion der Schlachtware 
endet, und wo die Vorbereitung der Ware Für den Handel beginnt. 
In dieser Hinsicht haben die Gemeindebehörden nach Lage der 
Verhältnisse zu befinden. Eine Verirrung der Gemeindebehörde im 
vorliegenden Falle kann nicht angenommen werden. Die Stadt Köln 
hat nun ein Kühlhaus für erforderlich erachtet; andere Städte haben 
kein Kühlhaus. Etliche Städte benutzen es vollständig, andere 
nur zum Theil. Die Gutachter sind der Meinung, daß ein Vor- 
kühlraum in Köln nicht zu entbehren sei. Den städtischen Behörden 


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2. April 1908. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


945 


muß in solchen Fällen ein gewisser Spielraum gewährt werden. 
Die Metzger müssen es dulden, daß etwa bei der Errichtung der 
Anlage ein oder der andere Fehler begangen worden sein und auch 
in der Gebühr sich geltend machen sollte. Es widerstrebt auch der 
Einrichtung des städtischen Etatswesens, wenn der Abgabepflichtige 
das Recht beansprucht, die einzelnen Posten von Ausgaben zu 
kritisieren. Die Kühlanlage ist mithin überhaupt nicht auszuschalten. 
Die Vorentscheidung unterliegt wegen Verletzung des Schlachthaus¬ 
gesetzes der Aufhebung. Bei freier Beurteilung ist entscheidend, 
daß die Gemeinde nicht auf Veranstaltungen beschränkt ist, die 
für das bloße Schlachten der Tiere bestimmt sind, daß vielmehr 
die öffentliche Gemeinde-Anstalt auch sonstige für angemessen er¬ 
achtete Verrichtungen umfassen und das Anlagekapital für solche 
voll in Anrechnung gebracht werden darf. Die Gemeinde ist nicht 
behindert, von denjenigen, welche diese besonderen Veranstaltungen 
benutzen wollen, besondere Vergütungen zu fordern; das Gesetz 
vom 18. März 1868 und das Kommunalabgabengesetz verhindern 
nur, daß die Gebühren für die verschiedenartigen Benutzungen der 
gesamten SchlachthofBanlage höher steigen dürfen, als erforder¬ 
lich ist, um die Kosten der Unterhaltung und des Betriebes, sowie 
ferner den Betrag von 8 Proz. des Anlagekapitals und etwaiger Ent¬ 
schädigungssummen zn decken. Diese Grenze ist hier innegehalten. 
Die Ausgaben bleiben sogar um ein Bedeutendes hinter dem gesetz¬ 
lichen Maximum zurück. 

Zur Trichinenschau. 

Die mit der Anfertigung der Mikroskope zur Untersuchung 
von Schweinefleisch auf Trichinen beschäftigten Firmen haben 
sich in neuerer Zeit befleißigt, ein massiges, stabiles Mikroskop 
mit einem breiten geräumigen Tische zweckmäßig herzustellen. 
Gegen diese Form und Massigkeit der Mikroskope läßt sich im 
Allgemeinen beim „Hausgebrauch“ nichts einwenden. Es wird 
aber der Umfang des Behälters derartiger Mikroskope ein solch 
ungebührlich großer, daß der Transport solcher Kasten beim 
„Feldgebrauch“ manchem pilgernden Fleischbeschauer schwerer 
fällt wie ein Marsch mit einem gepackten Tornister. Der große 
Umfang des Behälters ist lediglich durch den großen festen 
Tisch und den Fuß bedingt und man fragt sich unwillkürlich, 
warum die Fabriken noch nicht auf eine kleinere Zusammen¬ 
stellung der Mikroskope gekommen sind. Unwillkürlich fiel mir da¬ 
her neulich der Satz ein: „Was kein Verstand der Verständigen 
sieht, sieht oft in Einfalt ein kindlich Gemüt“. Es hatte nämlich 
der Maschinenwärter eines Schlachthauses den ganz schmalen 
und unzweckmäßigen Tisch an einem ältern Trichinen-Mikroskope 
dadurch in einen geräumigen und zweckmäßigen nmgewandelt, 
daß er eine eiserne — der Billigkeit halber — mit Einschnitten 
versehene Platte an den kleinen Tisch des Mikroskops gefertigt 
hatte, welche beim Gebrauch einfach an den Tisch geschoben 
wurde und diesen nach drei Seiten hin vergrößerte. Das 
Kompressorium ruhte auf dieser „Ergänznngsplatte“ sicher 
(sicherer wie die Ergänzungsschau!!!) und zuverlässig. Nach 
dem Gebrauche wurde die Platte abgeschoben und längsseitig 
neben dem Tubus im Kasten verstaut. — Würde der Fuß eines 
solchen Mikroskopes noch seitlich zusammenklappbar oder noch 
besser in der Längsrichtung zu- oder aufklappbar gemacht 
werden, vielleicht auch noch ebenso der Spiegel, so würde nur 
ein kleiner schmaler Kasten das Mikroskop beherbergen, welcher 
unter Umständen in einer Kleidertasche unterzubringen wäre. 
Freilich würde dann vielleicht der Nimbus geschmälert werden, 
den heute ein neuer Fleichbeschauer durch den großen funkel¬ 
nagelneuen Kasten sich aneignet. 

Den zahlreichen Firmen möge dieser Wink nicht entgehen. 

Ps. 


MllohuntersuobuagsstatioB auf dem Sohlaohthof. 

Auf dem städtischen Schlachthofe zu Brandenburg a. d. H. 
ist in Verbindung mit dem bakteriologischen Laboratorium eine 
Milchunter8Uchnngs8tation eingerichtet, dem Schlachthofdirektor 
ist die Aufsicht über die gesamte Milchversorgung und die 
Revision der Milchkühe übertragen. Zur Durchführung der 
zahlreichen Untersuchungen und wegen der bedeutenden, durch 
die Einführung des Reichsfleischbeschaugesetzes entstehenden 
Mehrarbeiten auf dem Schlachthofe bewilligten die städtischen 
Behörden die Anstellung eines II. Tierarztes mit 2000 M. Jahres¬ 
einkommen neben freier Wohnung und Feuerung. Es^ dürfte 
sich empfehlen, in den Mittelstädten, wo sonst zwei Tierärzte 
am Schlachthof nicht genügend zu tun haben würden, das 
Brandenburger Beispiel nachzuahmen. Die Instrumente zur 
Milchkontrolle sind von der Firma Kaniss, Inhaber W. Funke, 
Berlin, Chausseestraße 2d geliefert und kosten rund, trotz aus¬ 
gezeichneter Ausführung 300 M. 

Allgemeine Ausstellung für Hygienische Milchversorgung zu Hamburg. 

2.-10. Mai 1903. 

Nachdem nunmehr der Anmeldetermin abgelaufen ist und die 
vorliegenden zahlreichen Anmeldungen soweit gesichtet worden 
sind, daß ein allgemeiner überblick möglich ist, können wir mit- 
teilen, daß nicht nur die geräumige Halle des Ausstellungsgebäudes 
mit ihren Nebenräumen mit Ausstellungsgütern aller Art gefüllt, 
sondern daß auch der große zum Ausstellungsgebäude gehörige 
Garten in recht umfangreicher WeiBe zur Schaustellung heran¬ 
gezogen werden wird. Im Garten wird namentlich neben dem 
allen neuzeitlichen hygienischen Anforderungen entsprechenden 
Musterstall, der die an der Milchkuhkonkurrenz teilnehmenden 
Kühe aufzunehmen bestimmt ist, eine vollständige Milchkonden¬ 
sationsfabrik im Betriebe vorgeführt werden. 

Einer besonders reichhaltigen Beschickung erfreut sich die 
Geräteabteilung, in der sich dem Auge des Besuchers alles dar¬ 
bieten wird, was unsere so sehr entwickelte Technik in den Dienst 
der Milchwirtschaft gestellt hat. Ältere Geräte, namentlich die 
Urform der Milchschleuder, die bekanntlich zu der förmlichen Um¬ 
wälzung der Milchwirtschaft geführt hat, werden in der historischen 
Abteilung, die auch sonst manches Interessante bieten wird, ge¬ 
zeigt werden. 

Nicht minder umfangreich hat die* Beschickung der Abteilung 
„Milchpräparate“ sich gestaltet, auch hier wird der Beschauer 
manches finden, was ihm bisher nioht bekannt war. Besonderes 
Interesse wird die in dieser Gruppe zur Durchführung kommende 
Sonderausstellung derjenigen Milchprodukte in Anspruch nehmen, 
die die Prüfungsreise mit Dampfern der Hamburg-Amerika-Linie 
nach den Tropen mitgemacht haben. 

Die übrigen Abteilungen weisen ebenfalls eine gute Be¬ 
schickung auf, bervorzubeben ist noch, daß sowohl unsere tier¬ 
ärztliche Abteilung als auch die Abteilung für Milchgesetzgebung 
beachtenswerte Leistungen zur Schau zu stellen versprechen, u. a. 
führt letztere Abteilung ein vollständiges Laboratorium für Milch¬ 
untersuchungen im Betriebe vor. 

Soviel steht jedenfalls schon heute fest, daß das mit unend¬ 
licher Mühe aufgebaute Werk, in dessen Dienst sich nahezu 100 
Angehörige aller Stände gestellt haben, dazu beitragen wird, die 
unendlich wichtige Frage der Versorgung der Städte mit einwands¬ 
freier Milch einer glücklichen Lösung näher zu bringen. Mit vollster 
Zuversicht kann der Durchführung des Werkes entgegengesehen 
werden, und insoweit wird es für die viele Mühe und Arbeit an 
einem Äquivalent in Gestalt der Hebung derjVolkswohlfahrt nicht 
fehlen. 

In der richtigen Erkenntnis der Notwendigkeit, die praktisch 
verwertbaren Ergebnisse der Milcbhygiene zum Gemeingut des 
I Volkes zu machen, geben die einzelnen Ausschüsse eine Reihe 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 14. 


246 


praktischer und populär - wissenschaftlicher Schriften 
heraus, welche allgemeine Beachtung beanspruchen dürfen, nämlich j 
1. das Milchkochbuch nebst Anleitung zur Behandlung der Milch , 
im Haushalt, 2. die Geschichte der Milchversorgung Hamburgs von | 
Dr. Voigt, 3. die Milchgesetzgebung von Dr. Rein sch und endlich 
4. die allgemeine Milchkunde des wissenschaftlichen Aus¬ 
schusses, welch letztere in sich streng aneinander gliedernden 
Einzelaufsätzen von 19 Fachleuten auf dem Gebiete der Milch¬ 
wirtschaft und der Milchhygiene in großen Zügen knapp und doch 
möglichst vollständig, gemeinverständlich und doch streng wissen- i 
schaftlich alles Wissenswerte über Milch und Milchhygiene 
darbieten und so ein getreues Bild des gegenwärtigen Standes der 
Milchwirtschaft in der angegebenen Richtung zeichnen will. Nicht 
allein dem Fachmann will es Belehrung und Anregung geben, 
sondern auch den Kreisen der Milchproduzenten, der Milchindustrie 
und des Milchhandels, wie überhaupt allen an der Milchwirtschaft 
technisch oder wissenschaftlich interessierten Kreisen. 

Fleischvergiftung in Speyer? 

Im August v. J. wurde in den Tagesblättern über einen sen¬ 
sationellen Fleischvergifiungsfall, welcher sich in Speyer zuge¬ 
tragen haben sollte, berichtet. Nachdem nunmehr die Erhebungen 
und gerichtlichen Verhandlungen abgeschlossen sind, ergibt sich 
folgender von Herrn Stadttierarzt J. Rohr in Speyer mitgeteilte j 
Tatbestand: 

Ein Viehmakler (früher Metzgermeister) aus Speyer hatte aus¬ 
wärts um 20 Mk. eine Kuh erstanden, die in tierärztlicher Be- J 
handlung war wegen Euterentzündung. Das Tier war in einer ■ 
Weise heruntergekommen, daß der behandelnde Tierarzt dem 
Besitzer geraten hatte, dasselbe wegzuschaffen zur Leimfabrikation | 
und Verwertung der Haut, da seiner Meinung nach Tuberkulose 
Vorgelegen habe. Der Makler schlachtete bei Verwandten desselben 
Ortes nächtlicherweile dieses Tier und zog einen Metzger aus 1 
Speyer als Teilhaber hinzu. Das Fleisch wurde nun in das Ge¬ 
schäftslokal dieses zweiten Metzgers eingeschmuggelt und sollte 
hier verwertet werden. Ein Hinterviertel wurde an eine dritte 
Firma weiterverkauft um 45 Pfg. das halbe Kilo. Dieses Viertel 
wurde von mir im Aufbewahrungslokal dieser dritten Firma be¬ 
schlagnahmt. Es fehlte der Stempel, an Stelle desselben waren i 
blaue Anilinflecke vorhanden. (In der Pfalz findet eine unver- i 
mutete, außerordentliche Fleischbeschau in den Läden und Auf- : 
bewahrungsräumlichkeiten der Metzger statt.) 

Als diese Beschlagnahme rasch ruchbar geworden war, wurden j 
die Eingeweide und die drei anderen Viertel Schleunigst wieder an 1 
den Schlachtort in der auswärtigen Gemeinde zurückgebracht und 
dort eingesalzen. Später wurde auch dieses Fleisch aufgefunden ' 
und ebenfalls von der Polizeibehörde beschlagnahmt. Es hatte 
sich um eine hochgradige parenchymatöse Euterentzündung mit 
Ausgang in Kachexie gehandelt. Das in meinen Händen sich be¬ 
findende Fleischviertel ging sehr rasch in Fäulnis über. 

Tatsächlich war also von dieser Schlachtung kein einziges 
Gramm Fleisch in den Konsum gelangt. j 

(In norddeutschen Fachorganen konnte man von schauder¬ 
haften Zuständen in der Fleischbeschau in Speyer und der Pfalz 
überhaupt lesen!) 

Angeklagt wegen Betruges und Vergehens gegen das Nahrungs¬ 
mittelgesetz, wurden beide Angeklagte von der Strafkammer des 


Kgl. Landgerichts Frankenthal zu einer Gefängnisstrafe von je 
6 Monaten verurteilt. 


Berlin: Auszug aus dem Fleischsohaubericht für Monat Februar 1903. 

A. Schlachthof. 



Rinder 

Kälber | 

Schafe 

Schweine 

Geschlachtet und untersucht 

12 510 

11974 

33 320 ' 

65 535 

Ganz beanstandet .... 

278 

58 

3 

313 

Überhaupt mit Tuberkulose 
behaftet. 

3 307 ' 

66 1 

3 

3148 

Davon gänzlich verworfen . 

69 

1 1 


42 

„ wurden der Polizeibe¬ 
hörde zur Sterilisation 
überwiesen . 

121 

12 

1 

204 

Davon teilweise verworfen . 

8 


— 

— 

Also vollständig freigegeben 

3109 

53 1 

— 

2 902 

Mit Trichinen behaftet. . . 

— 

— 1 

— 

3 

Mit Finnen behaftet . . . 

70 


— 

15 

Stark finnig, technisch ver¬ 
wertet . 

1 


_ 

4 

Finnig und wässerig, tech¬ 
nisch verwertet .... 



- 


Schwach finnig, wurden der i 
Polizeibehörde zurKochnng 
überwiesen. 

69 

| 


11 

Außerdem wegen Behaftung 
mit Kalkkonkrementen, 
multiplen Blutungen u. s. w. 
wurden der Polizeibehörde 
zur Kochung überwiesen . 




8 


An einzelnen Organen und Teilen wurden beanstandet: von 
Rindern 6139 Stück, von Kälbern 361 Stück, von Schafen 3131 Stück, 
von Schweinen 14 696 Stück. 


B. Untersuchungsstationen. 



Rinder¬ 

viertel 

Kälber 

Schafe 

Schweine 

Untersucht. 

23 496 

12 220 

1798 

12 620 

Beanstandet. 

40 

24 

5 

9 

Wegen Tuberkulose wurden 





beanstandet. 

14 

— 

— 

4 

Davon wurden der Polizei¬ 
behörde zur Sterilisation 





überwiesen. 

12 

— 

— 

3 

Mithin gänzlich verworfen . 

2 

— 

— 

1 

Mit Trichinen behaftet. . . 

— 

— 

— 

— 

Mit Finnen behaftet.... 

4 

— ■ 

— 

— 

Davon schwach finnig, der 
Polizeibehörde zur Kochung 





überwiesen. 

4 

— 

— 

— 


Unter dem eingeführten Fleisch waren 1964 dänische Rinder¬ 
viertel, 84 dänische Kälber, 25 österreichische Schafe und 144 
Wildschweine. 


Berlin, den 4. März 1903. 

Der Direktor der städtischen Fleischbeschau. 
Reißmann. 


Biicheranzeigen*) und Kritiken. 

Veröffentlichungen aus den Jahres-Veterin&rberichten der beamteten Tier¬ 
ärzte Preussens für das Jahr 1901. 

2. Jahrgang. 2. Teil. 

Zusammengestellt von Departementstierarzt Bermbach-Berlin. 
Nunmehr ist auch der 2. Teil der Veröffentlichungen aus 
den amtlichen Veterinärberichten für das Jahr 1901 erschienen. 

*) Von den eingesandten Büchern werden hierunter Titel usw. mit¬ 
geteilt. Eine Verpflichtung zu eingehender Besprechung wird jedoch 
nicht übernommen; dieselbe bleibt Vorbehalten. Die Redaktion. 


Der reiche Inhalt dieses Buches enthält Mitteilungen über Seuchen 
und seuchenartige Krankheiten außer den anzeigepflichtigen, 
welche bereits im 1. Teil beschrieben worden sind, ferner Ver¬ 
giftungen, allgemeine Ernährungsstörungen, sporadische Krank- 
! heiten, öffentliche Gesundheitspflege, insbesondere Fleischbeschau, 
Milchhygiene und Abdeckereiwesen, schließlich über Viehmärkte 
und Hufbeschlag. 

Am Schluß ist noch eine Zusammenstellung der im Jahre 1901 
' in Preußen erlassenen Verordnungen über Veterinärwesen wieder- 


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2. April 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 247 


gegeben worden, ferner noch die Ergebnisse der Viehzählung 
am 1. Dezember 1900. Auf das sehr reichhaltige Material 
genauer einzugehen, verbietet uns hier der Raum. Ich will nur 
erwähnen, daß besonders über Tuberkulosetilgung und Impfung 
eingehendere Mitteilungen gemacht worden sind. Insbesondere 
findet man hier zum ersten Mal die Ergebnisse der in 16 Regierungs¬ 
bezirken und 18 verschiedenen, meist größeren Wirtschaften, 
ausgeführten staatlichen Tilgungsversuche nach dem Bangschen 
Verfahren veröffentlicht, welche allerdings jetzt mehrere Jahre 
zurückliegen. Die volle Zahl der erlangten Impfungen (7) 
konnte nur in 5 Wirtschaften erreicht werden. Die Tilgungs- 
versuche haben den erwarteten Erfolg nicht gehabt, nur in 2 Be¬ 
ständen konnte ein voller Erfolg erzielt werden. In allen übrigen 
Fällen gelang es nicht, der Seuche Herr zu werden; in einem 
Bestände hatten selbst noch nach der 7. Impfung 1,98 % der ge¬ 
impften Tiere reagiert. Die Schuld an dem Mißerfolg wird teil¬ 
weise dem Umstand zugeschoben, daß die bezügl. der Deutung 
derTemperaturdifferenzenaufgestellten Grundsätze zur Ermittelung 
aller kranken und verdächtigen Tiere nicht für ausreichend an¬ 
gesehen werden konnten. Die technische Deputation für das 
Veterinärwesen hat unter dem 12. Oktober 1900 anderweitige 
Grundsätze über die Bestimmung der Reaktion bei der Tuberkulin¬ 
probe aufgestellt. Das Gutachten wird mitgeteilt. Auf das¬ 
selbe ist im Jahrgang 1900 der B. T. W. S. 561 hingewiesen 
worden. 

Bei dem Kapitel „Fleischbeschau“ ist ein Gutachten der tech¬ 
nischen Deputation für das Veterinärwesen betreffend Anlage 
und Betrieb von Vieh- und Schlachthöfen mitgeteilt, dessen Be¬ 
sprechung ich mir für späterhin Vorbehalte. Pr. 

Das Veterinftrwe8en im Grossherzogtum Baden. 

I. Band, unter Benutzung amtlicher Quellen, herausgegeben 
von Regierungs-Rat Hafner-Karlsruhe. Karlsruhe, J. Lang, 
Verlagsbuchhandlung. 

Dieses sehr umfangreiche Werk ist an Stelle der im Jahre 
1896 erschienenen „seuchenpolizeilichen Vorschriften im Gro߬ 
herzogtum Baden“ getreten. Es enthält alle auf das badische 
Veterinärwesen bezüglichenVorschriften, insbesondere Organisation 
des Veterinärwesens,Veterinärpolizei, Abdeckereiwesen, Nahrungs¬ 
mittelpolizei (Fleisch- und Milchhygiene) und im Anhang noch 
Verordnungen bezw. Gesetze über Einrichtung von Schlächtereien 
und Fleischsteuer. Wie umfangreich der hier zusammengetragene 
Stoff ist, beweist allein der Umstand, daß das Werk 746 Seiten 
Text hat; dabei ist dies nur der 1. Teil, der 2. Teil, der noch 
nicht erschienen ist, dürfte alles, was auf dem Gebiete der Tier¬ 
zucht und Tierhaltung von staatlicher Seite geschehen ist, ent¬ 
halten. Das im übrigen sehr gut ausgestattete Buch beweist 
auf wie hoher Entwicklungsstufe sich das Veterinärwesen im 
Großherzogtum Baden befindet. Dieses Buch dürfte nicht nur 
für die badischen Verwaltungsbeamten, sondern auch für jeden 
badischen Tierarzt unentbehrlich sein. Pr. 

Abriss der allgemeinen oder physikalischen Chemie von Professor 
Dr. Karl Arnold. Verlag von Leopold Voß. Hamburg. Preis 
geb. 2 M. 

Als eine Einführung in die Anschauungen der modernen Chemie 
hat Arnold auf an ihn gerichtete Anregung hin den vorliegenden 
Abriß als erweiterten Abdruck der allgemeinen Chemie der Neu¬ 
auflage des Repetitoriums veröffentlicht. Der Stoff ist wie in dem 


Arnoldschen Repetitorium in der hinlänglich bekannten über¬ 
sichtlichen Weise geordnet. In dem ersten Kapitel der Stoechio- 
metrie ist die Theorie der Atome, die Bestimmung des Molekular¬ 
gewichts, die Symbole, Formeln, Gleichungen, die Theorie derWertig- 
keit der Elemente, die Bestimmungen der Konstitution, die Eigen¬ 
schaften der Molekularaggregate etc. erledigt, während in dem 
zweiten Kapitel die Verwandschaftslehre, die chemische Statik, die 
chemische Kinetik, dann unter der Elektrochemie die Umwandlung 
der elektrischen Energie in chemische Energie etc. behandelt wird. 
Schon ans dieser Übersicht dürfte klar sein, welch großes Kapitel 
in dem nur 7 Druckbogen starken Buch bewältigt wurde. In 
der leicht verständlichen und übersichtlichen und dabei doch 
gründlichen Art der Darstellung dürfte sich das Buch erstens 
zur Vorbereitung des Studiums der grösseren Werke über all¬ 
gemeine Chemie besonders eignen, dann aber auch außer für 
die Studierenden der Tierheilkunde, welche den Stoff für die natur¬ 
wissenschaftliche Prüfung beherrschen müssen, für solche prak¬ 
tischen Tierärzte sehr zu empfehlen sein, welche sich zum münd¬ 
lichen Doktor-Examen vorbereiten; denn diese finden alles Wissens¬ 
werte in einem kleinen Raum zusammengedrängt, und über¬ 
sichtlich dargestellt. 

Jeß. 

Neue Eingänge. 

Paul Martin: Lehrbuch der Anatomie der Haustiere mit be¬ 
sonderer Berücksichtigung des Pferdes. Lieferung 9. Stuttgart. 
Schickhardt & Ebner. 

P. Chenot: Etüde clinique. Exploration du membre boiteaux. 
Semiologie, diagnostic, prognostic, traitement et prophylaxie de 
quelques affections peu connues de l’appareil locomoteur. Lyon. 

C. Fischer und F. Koske: Untersuchungen über die sogenannte 
„rohe Karbolsäure“ mit besonderer Berücksichtigung ihrer Ver¬ 
wendung zur Desinfektion von Eisenbahnviehtransportwagen. S.-A. 
aus den „Arbeiten aus dem kaiserlichen Gesundheitsamte“. B. XIX. 
Heft 3. Berlin-Springer. 1903. 

R. Edelmann: Die Fleischbeschau-Gesetzgebung des deutschen 
Reiches und des Königreichs Sachsen. Zum Gebrauche für Ver¬ 
waltungsbeamte, Richter, tierärztliche und nichttierärztliche Fleisch¬ 
beschauer. (Band 152 der juristischen Handbibliothek von Ha߬ 
bauer uud Schescher.) Leipzig. Roßberg 1903. 

H. Eberhard: Zweck und Wesen der Fleischbeschau. (Band 
XXVIII. Heft 3 der Zeitfragen des christlichen Volkslebens.) Stutt¬ 
gart. Belser 1903. 

Reissmüller und Sandig: Taschcn-Tagebuch für deutsche Fleisch¬ 
beschauer. Chemnitz. 

F. Meyer: Fleischbeschau- und Trichinenschau-Kalender für das 
Jahr 1903. Köln a. Rh. 

E. W. Weissflog: Faserverlauf der Muskulatur des Magens von 
Pferd, Schwein, Hund und Katze. Erlanger Inaugural-Dissertation. 
Berlin 1902. 

E. Mercks Jahresberichte. XVI. Jahrgang. 1902. Darm¬ 
stadt 1903. 

M. Rabe: Betäubungsapparate für Kleinvieh. Ergebnisse des 
Bolzaschen Preisausschreibens zur Prüfung und Prämiierung von 
Betäubungsapparaten für Kleinvieh. 2. A. Leipzig 1903. 


Personalien. 

Ernennungen: Zu Bezirkstierärzten wurden ernannt: in Kahla 
(S.-Alt) Schlachthoftierarzt Dr. A. Köhler in Bremen; in Brückenau 
(Unterfranken) DistriktstierarztW. Miller in Dietmannsried. — Komm. 
Kreistierarzt Kober definitiv zum Kreistierarzt für Erkelenz. — Zu 
Vorstehern der Auslandsfleischbeschauämter wurden ernannt: in 


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248 

Bocholt Tierarzt Franz Hoffmann, bisher wissenschaf 1 1. Hilfsarbeiter 
am hygienischen Institut der Berliner Tierärztlichen Hochschule; in 
Stettin Dr. Noack, mit Tierarzt Schüller als Assistent; in 
Borken Tierarzt Simon — letztere sämtlich bisher Volontäre 
am genannten Institut; in Danzig Fortenbacher, dieser zu¬ 
gleich zum Kreistierarzt, mit Dr. Steinbrück als Assistent; in 
Bremen Tierarzt El Bässer, bisher Hilfsarbeiter beim Med. Koll. in 
Stuttgart. — Zu Polizeitierärzten in Hamburg die Tierärzte: 
Reich aus Hannover und Rieh. Winterfeld. — Zu Schlachthof¬ 
tierärzten die Tierärzte: Brunbauer aus München in Freiburg i. B.; 
Harting aus Hannover in Essen; Modde aus Freiberg i. S. in 
Gollnow i. P.; Kurt Schmidt in Breslau; B. Schönweiler aus 
Dresden in Stuttgart; Stempel in Stettin; Utendörfer aus 
Breslau in Hanau. Zum Schlachthofvorsteher in Plettenberg 
(Stadt und Amt) Tierarzt Siebke aus Düsseldorf. Zum ersten 
Tierarzt am Schlacbthof in Barmen der bisherige zweite Dr. 
Legemann. Zum amtlichen Fleischbeschauer in Ronsdorf i. Rh. ; 
Tierarzt Dippel aus Obergleis. Zu städtischen Tierärzten die 
Herren: Nabel ans Barmen in Wermelskirchen; Fr. Stephan aus 
Halle a. S. in Merseburg. 

An Hochschulen: Dr. Trolldenier bisher erster Assistent am 
patholog. Institut der Münchener Tierärztl. Hochschule zum Repetitor 
am gleichen Institut in Berlin; an dem Institut zu München der 
bisherige zweite Assistent Luginger zum ersten und Tierarzt 
Blume zum zweiten Assistenten. — Zum Assistenten am hygien. 
Institut der Universität Straßburg Tierarzt Marx er. 

In der Armee: Tetzner, bisher Oberroßarzt und Inspizient bei 
der Militärroßarztschule in Berlin zum Korpsroßarzt des XV. Armee¬ 
korps in Straßburg i. E. — Hahn, Oberroßarzt im 5. bad. Feld- 
Art.-Regt No 76 auf seinen Antrag mit Pension in den Ruhestand 
versetzt. — Ewald, Roßarzt der Landwehr 2. Aufgebots (Köln) 
der Abschied bewilligt. 

Wohnsitzveränderungen, Niederlassungen : Die Tierärzte Goedicke 
von Nordhausen nach Ellrich a. H.; Willy Lehmann von Koblenz 
nach Nordhansen; Piepenbrink von Schildau nach Ihlienworth; 
B. Jacobi in Tostedt niedergelassen. 


Vakanzen. 

Krelstierarztstellea: a) Neu ausgeschriebene Stellen: 
R.-B. Oppeln: Landkreis Oppeln. Bew. bis 10. April. — R.-B. 
Posen: Krotoschin zum 1. Juni. Bew. bis 15. April. 

b) Nach Ablauf der Meldefrist noch unbesetzte Stellen: 
R.-B. Arnsberg: Altena mit dem Wohnsitz in Lüdenscheid. — 
R.-B. Kassel: Hersfeld. — R.-B. Königsberg: Neidenburg. 

Badische Bezirksticrarztstellen: (; berlingen,Stockach, 
Pfullendorf. Bewerb, an das großherzogliche Ministerium des 
Innern. 

Schiachthof-Stellen: Nach Ablauf der Meldefrist noch un¬ 
besetzte Stellen: Barmen: Sanitätstierarzt, 2400 M. Gehalt, 
steigend bis 4500 M. — Beuthen: Assistenztierarzt 2100—3000 M. 
— Bremen: Dritter Tierarzt, 2400 M., alle drei Jahre um 240 M. 
steigend bis 3600 M ; gegen 5 Proz. Abzug freie Wohnung. — 
Dessau: Assistenztierarzt, 1800 M., freie Wohnung. — Dortmund: 
Assistenztierarzt, erster und zweiter, 2500 bezw. 2000 M. Gehalt — 
Elbing: Hilfstierarzt, 1800 M, keine Privatpraxis. — Eschwege: 
Schlachthofvorsteher, 2100M. Gehalt, steigend b.3300 M. Wohnung etc. 
Anstellung auf dreimonatliche Kündigung. — Gardelegen: Stelle 
des Schlachthofinspektors. Pensionsberechtigtes Gehalt 1800 M., 
freie Wohnung und Feuerung. Privatpraxis gestattet. — Glück- 
stadt: Inspektor, 2000 M., freie Wohnung etc. — Görlitz: 
Assistent Gehalt 1800 M., steigend von 3 zu 8 Jahren um 300 M. 
bis 8600 M. Dienstwohnung, Pensionsberechtigung. — Hammer¬ 
stein: Schlachthausinspektor. Derselbe hat die Fleischbeschau und 
Trichinenschau allein auszuführen. (1800 M. Privatpraxis gestattet 
6 Monate Probezeit, darauf vierteljährliche Kündigung.) — Langen¬ 
salza: Direktor 2000 bis 2700 M., freie Wohnung etc., Pensions¬ 
berechtigung. 1 Probejahr. 1000 M. Kaution. — Liegnitz: 


No. 14. 


Zweiter Tierarzt, 1800 M., freie Wohnung. — Limburg a. L.: 
Vorsteher 1800bis 2400 M. Sechs Monate Probezeit. — Magdeburg: 
Tierarzt 175 M. monatlich. — Mühlheim a. Rh.: Zweiter Tierarzt 
1800 M. — Neuenburg: Inspektor, 1600 M., freie Wohnung. 
Halbjährliche Probezeit — Schwiebus: Schlachthofverwalter, 
2400 M. und freie Wohnung. 

Staatliche Fleischsohaustellen : Danzig: Tierarzt für das am 
' 1. April zu eröffnende Untersuchungsamt für ausländisches Fleisoh. 
2000 M. Remuneration. Bew. an den Regierungspräs. — Osna¬ 
brück: Tierarzt für die Zolleinlaßstelle. Gehalt 3600 M. Bew. an 
den Regierungspräs. — Frankfurt a. M.: Dieselbe Stellung. 3600 M. 
i Meid, bis 18. März bei dem Regierungspräs. in Wiesbaden. — Köln: 

1 Dieselbe Stellung. 4000 M. Bew. bis 10. 3. beim Regierungs- 
! Präsidenten. 

Stellen für ambalsterische Fleischsohau oed Privatpraxis: Alpen 
(Niederrbein): Privatpraxis (Ausk. Bürgermeister). — Clausthal- 
Zellerfeld: Fleischschau; 3000 M. Fixum von der Fleischer- 
innung. — Elze (Hannover): Fleischschau, Ergebnis 1400—1500 M., 
300 M. Jahresbeihilfe in den ersten drei Jahren, Privatpraxis 
(Bürgermeister). — Fiddichow a. Oder: Privatpraxis (Bürger¬ 
meister). — Märkisch-Friedland: Fleiscbscliau 1800 M. (Magistrat). 

— Guttstadt: 750 M. für Beaufsichtigung des Schlachthauses, 
Privatpraxis (Magistrat). — Heringen a. Helme: Niederlassung 
gewünscht Voraussichtlich Fleischbeschau 1200 M., 300 M. von der 
Stadt und Privatpraxis. Ausk. v. Magistrat. — Horst a. d. Emscher: 
Fleischbeschau 3000 M. Privatpraxis. Bewerb, a. d. Amtmann. — 
Kemberg: Privatpraxis. — Kobylin (Posen): Deutscher Tierarzt, 
750 M. Staatszuschuß (Meid, beim Landratsamt Krotoschin). — 

j Königssteele: Fleischbeschau und Privatpraxis. Meldungen bis 
i 18. April a. d. Amtmann. — Krakow i. M.: Privatpraxis, voraussicht- 
lieh Fleischschau (Magistrat). — Krojanke: Städt. Fleischschau 
j 1200 M. Fixum (Magistrat). — Laage i. M.: Privatpraxis (Magistr.) — 
| Langendreer: Fleischschau, 1800 M. Fixum; Schlachthausbau in 
Aussicht (Amtmann Schüler). — Lindow: Fleischschau, Privatpouis. 

— Lübtheen: Fleischschau, Privatpraxis (Gemeindevorstand). — 
Lügumkloster: Fleischschau ca. 1000 M., Privatpraxis(Bürgermstr.). 

— Marklissa: Fleischschau 1600—2000 M., Privatpraxis (Polizei¬ 
verwaltung). — Mehl sack i. Ostpr.: Privatpraxis. — Neumünster: 
Zwei Tierärzte für Fleischschau, Gehalt 8000—4000 M. Persönl. 
Vorstellung. Bew. bis 15. Jan. beim Magistrat — Niemegk 
(R-B. Potsdam): Privatpraxis. — Oberpeil: Privatpraxis. 500 M. 

| Gemeindefixum. Fleischschau voraussichtlich 700—800 M. Ein- 
! nahmen (Bürgermeister). — Plettenberg (Westfalen): Fleisch- 
j schau ca. 1200 M., Privatpraxis (Amtmann). — Rackwitz (Posen): 
Fleischschau ca. 1500 M., Privatpraxis (Magistrat). — Rendsburg: 
Zwei Tierärzte für Fleischschau. Gehalt je 3000 M. Bew. bis 
10. März (Magistrat). — Schköhlen (Thüringen): PrivatpraxiB 
(landwirtschaftl. Verein daselbst). — Seeburg i. Ostpr.: Privat- 
praxis, Schlachthausaufsicht (Magistrat). — Tarnowo: Tierarzt 
mit ca. 750 M. Fixum. Bewerb, an. d. Landratsamt Posen-West. — 
Teuchem (Prov. Sachsen): Fleischschau ca. 1500 M., Privatpraxis 
(Magistrat). — Treffurt (im Werratal): Fleischschau (Magistrat). — 
Vacha a. W.: 1200 M. Fixa aus Fleischschau und Zuschüssen, 
Privatpraxis (Bürgermeister). — Visselhövede: Privatpraxis, 
event Fleischschauübertragung (Magistrat). — Voerde: Fleisch¬ 
beschau 2100 M. — Wangerin: Sanitätstierarzt, Privatpraxis ge¬ 
stattet (Magistrat). — Wetter (Ruhr): Fleischschau zum 1. Juni 
oder früher (Bew. bis 20. März beim Amtmann). — Worringen 
oder Dormagen: Privatpraxis, event. Fleischschauübertragung 
(Bürgermeisteramt). — Zaschau: Niederlassung erwünscht. Fleisch¬ 
beschau 400 M. Privatpraxis. 

Tierarztstellen: a) Neu ausgeschriebene Stellen: Borkum 
vom 1. Juni bis 1. Oktober ab. Zeugnisabschriften an Geineinde- 
vorstand bis 12. April. — Neckarbischofsheim: 1500 M. Fixum. 
Meldung ans Bürgermeisteramt. 

b) nach Ablauf der Meldefrist: Kletzko (Kreis Gnesen): 
deutscher Tierarzt Einkommen circa 2700 M. event. 750 M. 
■ Staatszuschuß; Gesuche an d. Magistrat. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


Verantwortlich fhr den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schinaltz in Berlin. — Verlag uml Eigentum von Richard Schoeta in Berlin. — Druck von W. Bilxemtein, Berlin. 


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Dl« a Berliner Tier&rstUche Wochenschrift“ eracheint 
wöchentlich im Verlage ron Richard 8choeta in 
Berlln,Lalsenstr.S& Durch jede« deutsche Poatamt wird 
dleeelbe mm Prelae ron M. 5,— vierteljährlich (M. 4,88 für 
die Wochenachrift, IS Pf. für Bestellgeld) frei Ina Hana 
geliefert. (Deutsche Poat-Zeitimga-Preisliste No. 1101, 
Ooiterrelcbiaohe No. 510, Ungarische No. 90.) 


Berliner 


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Alle Mannakrlpte, Mitteilungen und redaktionellen An¬ 
fragen beliebe man au «enden an Prot Dr. Schmält«, 
Berlin, tlertntllche Hochschule, NW, Luisenstrasse 50. 
Korrekturen, Remenslons-Bzemplare und Annoncen da¬ 
gegen an die Verlagsbuchhandlung. 


Tierärztliche Wochenschrift 


Redaktion: 

Professor Br. Schmaltz-Berlin 

Verantwortlicher Redakteur. 


De Brüllt 

Professor 

Utrecht 

Dr. len 

Kreis tlerarat 

Charlottenbnrg. 

KQhnan 

Sohlschthnfdirektor 

Cöln. 

Dr. Lothes 

Depmrteraenutiermrmt 

CÖln. 

Nevermann 

KraUtlernrzt 

Bremervörde. 

Prof. Dr. Peter Petero 

Krelstlermrst DepmrtemenUtlermrmt 

Angermünde. Bromberg. 


Preuste 

Veterintrmssessor 

Danzig. 

Dr. Boeder 

Profenor 

Dresden. 

Dr. Schlegel 

Professor 

Freiburg i. Br. 

Dr. Vogel Zündel 

Lmndes-Insp. f. Tierxueht Krelstlermrst 

MUnchen. Mülhansen i. E. 

Jahrgang 1903. 


M 15 . 


Ausgegeben am 9. April. 


Inhalt: Granu: Zar Tetanus-Behandlung mit Natrium jodicum. — Referate: Jeß: Wochenübersicht über die medizinische 
Literatur. — Tageegeaohlohte: Schmaltz: Die Verbreitung der Tier-Kurpfuscherei im Apothekerstande. — Verschiedenes. — 
Bücheranzeigen und Kritiken. — Personalien. — Vakanzen. 


Zur Tetanus-Behandlung mit Natrium jodicum. 

Von 

E. Grams-Rixdorf-Berlin. 

Tierarzt 

In der Novembersitzung im Jahre 1895 hielt im Verein prak¬ 
tischer Tierärzte zu Berlin — letzterer hat seit ca. 2 Jahren den 
Namen: „Tierärztliche Gesellschaft zu Berlin“ angenommen — der 
leider zu früh verstorbene Professor W. Eber-Berlin einen Vortrag 
über Jod, seine chemischen Verbindungsformen und Uber seine 
innere Anwendungsweise. Insbesondere wurden besprochen und 
durch Experimente erläutert die chemischen Vorgänge im Körper 
bei Anwendung des metallischen Jods in der Form der Jodtinktur, 
der LngoIschen Lösung, des Jodkaliums und des jodsauren 
Natriums. 

Nach seinen Untersuchungen und Beobachtungen an ver¬ 
schiedenen Geweben frischgeschlachteter Tiere konnte er eine den¬ 
selben mehr oder weniger innewohnende reduzierende Kraft fest¬ 
stellen. Zur näheren Erläuterung sei in Parenthese hinzugefligt, 
daß man unter Reduktion einen chemischen Vorgang versteht, bei 
welchem den Oxyden, Sulfiden, Chloriden, Bromiden, Jodiden nnd 
Cyaniden der elektronegative Bestandteil entweder gänzlich oder 
nur znm Teil entzogen wird. 

Ganz hervorragend nnd momentan reduzierten nach Ebers 
Versuchen: Die graue Substanz des Gehirns, die Leber, die Nieren¬ 
rinde und die Muskeln, weniger schnell: Lunge, Bindegewebe, 
weiße Substanz des Gehirns, Schleimhäute und seröse Häute. 

Waren solche hervorragend reduzierenden Eigenschaften schon 
an Geweben festzustellen, die im Absterben begriffen waren, so 
war man zn dem Schlüsse berechtigt, daß im lebenden Organismus 
eine noch weit intensivere Betätigung dieser Kraft möglich ist. Es 
wohnt also, in knrzen Worten gesagt, dem lebenden Organismus in 
seinen Geweben nnd Gewebssäften die Fähigkeit inne, je nach den 
gegebenen besonderen Verhältnissen giftzerstörende oder giftbildende 
Eigenschaften zn entfalten, die dem in den einzelnen Organen und 
Geweben sich vollziehenden Stoffwechsel entspringen. Im An¬ 
schlüsse an die Arbeiten von Binz, Eber und anderen über die 
chemischen Vorgänge im Körper bei Anwendung des Jods und 


seiner Verbindungen lassen sich dieselben in Kürze dahin zu¬ 
sammenfassen, daß sich vermöge der Beeinflussung durch den 
lebenden Organismus selbst die organischen Jodpräparate in Jodide 
nnd Jodate umwandeln, die ihrerseits wieder an den Orten leb¬ 
hafter Kohlensäurebildung unter dem Einflnsse der lebenden Zelle 
freies Jod abzngeben vermögen. So kann man sich die Ver¬ 
kleinerung von Tumoren durch Jodkalium erklären, sowie die Be¬ 
einflussung belebter Krankheitsgifte oder ihrer gelösten giftigen Stoff¬ 
wechselprodukte durch Ln go Ische Lösung; denn auch das dem 
Tierkörper in Form von Lugolscher Lösung einverleibte freie Jod. 
Dnrch vorsichtige planmäßige Anwendung dieser Mittel dürfte man 
vielen Infektionsherden im lebenden Körper beikommen, ohne den 
Organismus selbst zn schädigen. So wurde durch Eber empfohlen, 
das jodsanre Natrium versuchsweise bei Tetanus, Gelenk-Rhenma¬ 
tismus, Aktinomykose, akuter Euterentzündung, Rotlauf der Schweine 
Morbus maculosus, desgleichen bei der BOgenannten Borna sehen 
Pferdekrankheit anzuwenden. Eber besprach hieran anknüpfend 
zwei Beispiele der günstigen Wirkung des jodsaueren Natriums, 
darunter einen günstigen Verlauf von Tetanus traumaticus nach 
3 Wochen nnd einen zweiten Fall von Tetanns unbekannter Ein¬ 
trittspforte. 

Auf diese Anregnng hin habe ich in den verflossenen 7 Jahren 
bei Tetanns nnd Enterentzündungen Natrium jodicum angewendet 
und zum Teil gute Erfolge zu verzeichnen. Es sei noch bemerkt, 
daß hier in Rixdorf und Umgegend viele Pferde an Starrkrampf er¬ 
kranken und daß von allen Pferden, die in Berlin wegen dieser 
Krankheit notgeschlachtet werden, der größte Prozentsatz aus 
Rixdorf stammt. Ich habe fernerhin die Erfahrung gemacht, daß 
die Teile der Stadt, die hoch gelegen sind und an das Tempelhofer 
Feld grenzen, höchst selten ein starrkrampfkrankes Pferd auf¬ 
zuweisen haben, während die niedrig gelegenen Teile, den Köll- 
nischen Wiesen angrenzend, oft genug derartige Fälle zur Be¬ 
handlung stellen. In manchen Jahren kamen in einem Stalle 
mehrere Tetanusfälle vor, um dann wieder ganz und gar aus¬ 
zusetzen. 

In den vergangenen 7 Jahren habe ich ca. 85 derartige Krank¬ 
heitsfälle in meiner Praxis zu Gesicht bekommen, allein nur die 


Dnrch ein redaktionelles Versehen ist bei dem Artikel des Herrn Professor Dr. Schlegel in No. 14 die zur Abbildung 

gehörige Erklärung nicht mit veröffentlicht worden. Dieselbe wird daher hierunter nachträglich gegeben und die Leser werden 

gebeten, dieselbe mit der Abbildung pg 225 zn vergleichen: 

Halbierschnilt der Harnblase: 
a) Blasengipfel, b) Unke und c) rechte Seitemcand, d) Urethra ; 

1. Krebsknoten in der Serosa, 2. Pseudoligamente, 3. normale Blasen Schleimhaut, 4. Atrophie und 5. Hypertrophie der Blasenwand,' 6. krebsig'erweichte 
Submucoea, 7. doppeltfaustgrosser primärer Krebstumor, 8. schalenartiges Konkrement desselben, 9 zerklüftetes, total zerfallenes Krebspolster’der 
oralen Blasenhälfle, 10. Senkung derselben nach der ventralen Fläche, 11. w allartig aufgeworfener Krebsrand, 12. villös-bläUerige Krebs Wucherungen 


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260 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 16. 


wenigsten sind sachgemäß behandelt worden, da eine Heilung in¬ 
folge des perakuten Verlaufes gänzlich ausgeschlossen erschien, wes¬ 
halb meinerseits die sofortige Schlachtung meistenteils vorgeschlagen 
und auch ausgef&hrt worden ist. In anderen Fällen konnten sich 
die Besitzer des geringen Wertes wegen zu einer langweiligen 
Behandlung nicht entschließen, weshalb sie ebenfalls die Tiere 
schlachten ließen. 

Bevor ich jedoch die interessanteren Fälle bespreche, will ich 
noch kurz vorausschicken, daß das Natrium jodicum oder Natrium- 
jodat oder jodsaures Natrium, von der chemischen Zusammensetzung 
NaJO*, ein weißes krystallinisches Pulver ist, welches im Wasser 
im Verhältnis 1:15, nicht jedoch im Weingeist löslich ist und 
neutral reagiert. Es hat den dem Jod anhaftenden eigenartigen 
scharfen Geruch. Wegen seiner schwerlöslichen Eigenschaft in 
kaltem Wasser empfiehlt es sich daher, das Natr. jodicum immer 
an Ort und Stelle in heißem soeben abgekocbtem Wasser aufzulösen. 
Da ich das N. j. (außer per os in Mischung mit Natr. bicarbonicum 
in Kleientrank) mit Vorliebe intratracheal anwende, so lasse ich mir 
in der Regel 2 Tassenköpfe geben, und zwar einen gefüllt mit ab¬ 
gekocbtem heißem Wasser; den anderen wärme ich an, ebenso die 
Pravazsche Spritze, indem ich mehrere Male kochendes Wasser 
in dieselbe hineinziehe. Dann schütte ich die zu lösende Menge 
Natr. jod. in die leere angewärmte Tasse und nehme, um das Maß 
des zu verwendenden heißen Wassers genau bestimmen zu können, 
8 bis 4 Pravazsche Spritzen 4 10 g, um nach Erkaltung bis anf 
Blutwärme die Lösung zu injizieren. 5 g Natr. jodic. geben mit 
30 g kochendem Wasser eine leicht getrübte Lösung, die man je¬ 
doch intratracheal ruhig einspritzen kann. Das Einfiießen der 
Lösung muß recht langsam mit nach unten gerichteter Spitze ge¬ 
schehen, um jeden Hustenreiz zu verhindern. Gleichzeitig empfiehlt 
es sich, den Kopf des Tieres durch einen Gehilfen nach der In¬ 
jektion mindestens noch 10 Minuten hoch halten zu lassen, da die 
Pferde darnach regelmäßig mehr oder weniger stark husten und 
sich unruhig und ängstlich zeigen. 

Die von mir behandelten und genau verzeichneten Fälle will 
ich nunmehr besprechen: 

Fall I. Schimmel, Wallach, ca. 18 Jahre alt, hatte sich am 
12. November 1895 einen Schloßnagel in den Strahl des rechten 
Hinterfußes eingetreten. Die unbedeutende Stichwunde wurde mit 
Sublimatlösung ausgeBpritzt und antiseptisch verbunden und heilte 
nach einigen Tagen per primam intentionem. 

Am 5. Dezember 1895 zeigte das Pferd deutliche Symptome 
von Starrkrampf. Die Maulspalte war nur bis auf zwei Zentimeter 
breit zu öffnen (Trismus der Kaumuskulatur). Die allgemeine Haltung 
war steif. Der Hals, Rücken und die hinteren Extremitäten wurden 
namentlich bei der Bewegung steif gehalten; häufiges Blinzeln mit 
den Augen. Puls war ziemlich kräftig, innere Mastdarmtemperatur 
37,8°. Patient erhält am ersten Tage 5 g Natr. jodic. in Lösung 
intratracheal und warme Klistiere. 

Am 2. Tage war die Hals-, Rücken, Krappen- und 
Schweifmuskulatur bretthart, die Maulspalte gänzlich geschlossen, 
Atmung sehr angestrengt. Augen werden in den Augenhöhlen 
stark zurückgezogen. Es werden abermals 5 g Natr. jodic. intra¬ 
tracheal eingespritzt, wonach sich Husten und Schweißausbruch 
an den Flanken- und Brustseiten einstellt Am Nachmittage l / 9 5 Uhr 
(alBO nach ca. 7 Stunden) schien der allgemeine Zustand etwas 
günstiger. Die HalBmuskulatur war ziemlich weich, mit Ausnahme 
des Kopf-Hals-Armmuskels, der zeitweilig heftig vibriert. Es 
werden abends 3 / 4 8 Uhr nochmals 5 g Natr. jodic. intratracheal in¬ 
jiziert. 

Am 3. Tage 38,1° C. Das Pferd lag, zeigte heftige, an¬ 
gestrengte Atmung. Die ganze Körpermuskulatur war bretthart 
mittags Vjl Uhr war das Tier ganz mit Schweiß bedeckt und 
dampfte. Kopf und Hals waren nach vorn, Hinterbeine nach hinten 
gestreckt; der Rücken war konvex gekrümmt. Da das Pferd sich 
trotz mehrmaliger Hilfeleistungen nicht mehr erheben konnte, ließ 
ich es töten. 

Fall II. Braune Stute, 5 Jahre alt, Belgier. Besagtes Pferd 
soll am 8. Februar 1896 lahm gewesen sein. Die Ursache der Lahm¬ 
heit ist jedoch unbekannt. Am Kopfe waren unterhalb der äußeren 
Kaumuskel quer über die Backen ca. 4—5 frische Narben, an¬ 


scheinend von Peitschenhieben herstammend. Am 9. und 10. Februar 
fielen dem Besitzer und den Kutschern nur die komische Stellung 
der Hinterbeine auf. Die Phalangen waren nach einwärts und die 
Sprunggelenke nach außen gestellt (säbelbeinige Stellung). Weil 
das Pferd noch gut fraß und um diese Zeit rossig war, schrieb der 
Besitzer diese perverse Stellung der hinteren Extremitäten dem 
letzteren Momente zu und ließ es noch am 10. Februar zur Arbeit 
anspannen. Am 11. und 12. Februar blieb es im Stalle stehn. 

Am 13. Februar i /,5 Uhr fand ich offenbare Erscheinungen von 
Tetanus. Die ganze Körpermuskulatur fest und hart, der Schweif 
wurde weit weggestreckt, die Schneidezähne waren so fest aneinander 
geschlossen, daß ein Öffnen der Maulspalte nicht einmal auf l / t cm 
möglich war. Es wurden 5 g Natr. jodic. intratracheal injiziert. 
Bereits nach 7—8 Minuten trat Schweißausbruch ein. 

Abends 7*8 Uhr fand ich das Pferd bereits liegend im Stalle, 
kolossale Atemfrequenz, Unruheerscheinungen, Muskulatur brett- 
hart; die hinteren Extremitäten waren stark gestreckt (steif). Da 
das Pferd trotz mehrmaliger Unterstützung nicht mehr aufstehen 
konnte, riet ich dem Besitzer, das Pferd töten zu lassen, was auch 
geschehen ist. 

Fall III. Rappe, Wallach, Belgier, 12 Jahre alt, ein schweres, 
sogenanntes „eisernes“ Pferd der Rixdorfer Straßen-Reinigungs- 
Anstalt. Dasselbe hat sich am 10. Februar 1896 einen abgebrochenen 
Drahtnagel in den Strahl des linken Vorderbeines eingetreten. Es 
wurde nur ein Tropfen Eiter von grauer Farbe bemerkt. Die 
Wunde heilte gut nach Lysol-Bädern und antiseptischen Verbänden. 

Als das Pferd am 24. Februar 1897 früh zum Dienst angespannt 
werden sollte, zeigte es deutliche Symptome von Starrkrampf. 
Während der Schweif sonst normal herunterbing, wurde er jetzt 
nach seitwärts und nach oben gestreckt, beim Herunterdrücken 
setzte er der Hand einen ziemlich kräftigen Widerstand entgegen, 
die allgemeine Körperhaltung war steif, das Pferd blinzelte häufig 
mit den Augen, die Maulspalte konnte noch 4 Finger breit geöffnet 
werden. 38,0° C. Es werden sofort 5 g Natr. jodic. intratracheal 
injiziert, wonach das Pferd ziemlich stark hustet — Abends 
$8 Uhr erscheint der Blick etwas besser und freier, das Blinzeln 
hat etwas nachgelassen. 

Am 2. Tage 38,8° C. Es werden wiederum 5 g Natr. jodic. 
intratracheal injiziert Das Pferd ist darnach sehr unruhig und 
hustet den ganzen Vormittag; der^Husten ist jedoch kräftig. 

Am 3. Tage 37,9° C. Die Behandlung ist dieselbe wie am 
Tage zuvor. Nach dieser Einspritzung ist das Pferd jedoch nicht 
so aufgeregt, hustet auch nicht so stark darnach; Hals ist ziemlich 
geschmeidig; Appetit gut. 


. . _ Behandlung wird ausgesetzt, da das 

Am 4. Tage 89,4 C. f pferd 10 Pfd Heu> 12 P f d . Hafer 

m a ® e ’ ' ) und 3 Eimer Kleie zu sich nimmt 

Am 6. Tage 38,2° C. Beim Fressen hört man einen schmatzen¬ 

den Ton. Der Schweif wird wieder ziemlich stark nach hinten und 
oben gestreckt. 

Am 7. Tage 38,0° C. Der äußeren Haltung nach macht das 
Pferd einen ganz günstigen Eindruck. 

Am 8. Tage 37,8 0 C. Die Körpermuskulatur fühlt sich ziemlich 
weich an, die Maulspalte ist noch bis auf 4 Finger breit geöffnet. 
Wenn auch das Fressen dem Patienten etwas schwer fällt, so wird 
das vorgelegte Futter doch verzehrt. 

Am 9. Tage 37,8° C. Der Blick ist trüber, als an den Tagen 
zuvor, auch hat sich das Blinzeln wieder eingestellt, die Rücken- 
und Kruppenmuskulatur fühlt sich fest und hart an. Es werden 
nach einer Unterbrechung von 5 Tagen wieder 5 g Natr. jodic. 
intratracheal injiziert. Nach ca. 8—10 Minuten beginnt das Pferd 
zu schwitzen, was ca. Stunde anhält. 

Am 10. Tage 87,7 0 C. Das Pferd hat des morgens unter den 
Decken geschwitzt; das Blinzeln mit den Augen hat wieder nach¬ 
gelassen. 

Am 11. Tage 88,0 0 C. Die Haare sind unter den Decken vom 
Schweiß gekreiselt, die Haut ist feucht. Es werden, nachdem der 
Mastdarm per explorationem gereinigt sind, 8 g Natr. jodic. in 
\ Liter warmen Wassers als Klystier verabreicht. Nach 10 Minuten 
treten wieder leichte Unruheerscheinungen und leichter Schwei߬ 
ausbruch ein. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


251 


9. April 1908. 


Am 12. Tage 37,7 0 C. Die Kaubewegangen erscheinen nament¬ 
lich am Anfänge des Fressens schwerfällig, mit Schmatzen und 
Speicheln verbanden; allgemeiner Habitus etwas steifer. 

Am 13. Tage 38,0° C. Das Pferd macht einen ganz munteren 
Eindruck. Es werden wieder 10 g Natr. jodic. in Lösung als 
Klystier verabreicht. 

Am 14. Tage 38,0° C. Das Pferd hat sich bereits seit einigen 
Tagen gelegt; das vorgelcgte Futter wird nach wie vor mit gutem 
Appetit verspeist. 

Am 15. Tage 37,9° C. Das Blinzeln erscheint wieder mehr, 
Schweif etwas steifer weggestreckt als wie an den Tagen zuvor; 
auch ist die allgemeine Körperhaltung wieder Bteifer. Es werden 
deshalb 4 g Natr. jodic. intratracheal und 4 g per Klysma ver¬ 
abreicht. Das Pferd hustet und schwitzt darnach nur wenig. Am 
Nachmittage ist das Wohlbefinden des Tieres wieder besser; die 
Bewegungen sind geschmeidiger. Es sucht sich aus der Streu den 
letzten Halm Heu. 

Am 16. Tage 37,8° C. Das Blinzeln mit den Augen hat wieder 
nachgelassen. 

Am 17. Tage 87,8 0 C. 

Am 18. Tage 37,9 0 C. Es werden 6 g Natr. jodic. als Klystier 
in Liter Wasser verabreicht. 

Am 19. Tage 37,8° C. Patient ist morgens und nachmittags 
an den Flanken und beiden Brustseiten feucht 

Am 20. Tago 37,8° C. \ Der Schweif ist geschmeidiger und 

Am 21 Tage 37,9 0 C. > läßt sich leichter ohne großen Wider- 

Am 22. Tage 37,7° C. > stand hernnterdrückeo. 

Am 23. Tage 37,9 0 C. Es werden nochmals 6 g Natr. jodic. 
als Klystier verabreicht 

Am 24. Tage 37,8 0 C. J Das Schmatzen und das Blinzeln hat 

Am 25. Tage 37,7 0 C. 1 ganz aufgehört 

Am 30. Tage wird das Pferd zum ersten Male bewegt; es geht 
natürlich noch etwas steif, zeigt sich aber munter und versucht zu 
springen. 

Am 38. Tage nach der Erkrankung wird es zum ersten Male 
vor den Wagen angespannt und wird dann täglich im Dienst benutzt 

In Snmma sind dem Pferde 24 g Natr. jodic. intra¬ 
tracheal und 32 g als Klystier verabreicht worden. 

Fall IV. Brauner Wallach, 15 Jahre alt, geht seit mehreren 
Jahren im Müllfuhrwerk. Derselbe hat sich Ende Dezember 1896 
einen Nagel in den Strahl des linken Vorderbeines eingetreten. 
Die unbedeutende Stichwunde ist ohne Eiterung geheilt Drei 
Wochen nach erfolgtem Nageltritt fiel dem Besitzer die eigenartige 
Haltung des Schweifes auf, weshalb er mich konsultierte. 

Am 15. Januar 1897 untersuchte ich das Pferd zum ersten Male. 
Die Nüstern sind viereckig gestellt, die Maulspalte kann nur 3 cm 
breit geöffnet werden, die Hals-, Rücken- und Kruppenmnskulatur 
fühlt sich verhältnismäßig fest an; der Schweif wird meistens nach 
der rechten Seite getragen. Bei der Bewegung ist der Gang steif. 
Diagnose: Tetanus. Innere Temperatur 38,0° C. Es werden abends 
7,9 Uhr 6 g Natr. jodic. intratracheal eingespritzt. Das Pferd zeigt 
sich hierbei so aufgeregt, daß die Applikation nur unter Anlegen 
der Bremse bei hoebgehobenem Vorderbeine geschehen kann. Es 
erfolgt darnach kräftiger Husten. — Das Putzen des Tieres wird 
untersagt. Ferner werden ihm zwei Decken aufgelegt, die permanent 
liegen bleiben; auch wird für Verabreichung von gutem Futter 
und für beste Pflege Sorge getragen. 

Am 16. Januar 1897 (am 3. Tage seit Bestehen des Starrkrampfes) 
38,5° C. Der Blick ist trübe, die Körpermuskolatur sehr fest und 
hart; die Erscheinungen deB Tetanus sind so offenkundig, daß sie 
selbst für einen Laien offensichtig sind. Es wird abermals versucht, 
eine intratracheale Einspritzung zu machen. Es gelingt nur mit 
vieler Mühe, dem Pferde die Injektionskanüle in die Trachea hinein¬ 
zustoßen und 10 g Lösung (d. i. also 1 g Natr. jodicum) einzu¬ 
spritzen. Bei einem weiteren Versuche, die übrigen 40 g Lösung 
zu applizieren, ist das Pferd so erregt, daß eine Annäherung nicht 
möglich ist. Ich versuchte nunmehr von der Krippe aus die 
Pravazsche Spritze an die Kanüle anzusetzen, allein es steigerte 
sich die Erregung des Tieres derart, daß eB durch krampfhaftes 
Heben des Kopfes mir die Krippe unter den Füßen wegriß. Es 
gelang mir, noch schnell die Raufe zu erfassen um mich daran fest¬ 


zuhalten. Jede weitere Annäherung an das Tier war gänzlich un¬ 
möglich; es ließ sich nicht einmal die Applikation eines Klysmas 
gefallen. 

Am 4. Tage 37,8° C. Der Rest der Lösung vom Tage zuvor 
(4 g Natr. jodic.) und 10 g Natr. jodic. werden gelöst als Klystier 
verabreicht. 

Am 5. Tage 37,7° C. Appetit ist gut. Ein weiterer Versuch, 
eine intratracheale Injektion zu machen, ist erfolglos und beinahe 
lebensgefährlich. Es werden deshalb 5 g Natr. jodic. gelöst mit 
Nat. bicarbonic. und mit Kleie per os und 10 g als Klystier ver¬ 
abreicht. 

Am 6. Tage 37,7° C. Die allgemeine Körperhaltung ist nicht 
mehr so steif, wie am Tage zuvor; das Schmatzen hat fast ganz 
nachgelassen; die Bewegungen beim Herumtreten sind flinker, der 
Blick ziemlich frei. Während Patient in den ersten Tagen nicht 
gelegen hat, tut er dieses des Nachts und zeitweilig auch bei Tage. 
Trotz dos besseren Befindens werden 5 gr Natr. jodic. gelöst mit 
einem Eßlöffel Natr. bicarbon. per os gegeben. 

Am 7. Tage 37,7° C. Das Pferd ist bereits seit einigen Tagen 
des Morgens unter den Decken in der Flankengegend und an beiden 
Brustseiten immer feucht. Das Allgemeinbefinden ist schlechter als 
am Tage zuvor. Die Oberlippe ist fester, daher auch die Futler- 
aufnahme schwieriger. Das Futter wird weniger mit den Lippen 
gefaßt, sondern mehr durch Stoßen zwischen die Schneidezähne in 
die Maulhöhle hineingeschoben. Der Unterkiefer ist beweglich 
Appetit gut. Eb werden 10 g Natr. jodic. als Klystier verabreicht, 
wovon jedoch ein Teil nach etwa 10 Minuten wieder gewaltsam 
ausgestoßen werden, trotzdem der Mastdarm zuvor manuell vom 
Kot gereinigt war. 

Am 8. Tage 37,8° C. Es werden 5 g Natr. jodic. mit einem 
Eßlöffel Natr. bicarbon. mit Kleie verabreicht. 

Am 9. Tago 37,9° C. Patient erhält 10 g Natr. jodic. in einem 
Tassenkopf mit lauwarmem WaBser gelöst als Klystier. 

Am 10. Tage 37,7° C. Behandlung wie am 8. Tage. 

Am 11. Tage 37,7° C. Behandlung wie am 9. Tage. 

Am 12. Tage 37,2° C. Da das Tier nicht so sorgfältig zngedeckt 
war, wie sonst, fühlte sich die Kruppen- und Schenkelmuskulatur 
sehr kalt an. Hals-, Rücken- und Kruppenmuskeln wieder ziemlich 
hart, auch macht sich das Schmatzen deutlicher bemerkbar. Es 
werden deshalb morgens und abendB je 5 g Natr. jodic. mit Natr. 
bicarbonic. per os mit Kleietrank gegeben. 

Am 13. Tage 37,7° C. Die Nüstern sind nicht mehr so eckig 
gestellt und sind etwas eingefallen. Die Muskulatur fühlt sich 
weicher an, die allgemeine Haltung des Tieres macht einen 
günstigeren Eindruck. 

Am 14. Tage ist die Temperatur auf 38,9° C. gestiegen. Das 
Pferd fühlt sich überall gleichmäßig warm an, frißt gut und liegt 
auch öfter bei Tage. 

Am 15. Tage 37,9° C. Die Muskulatur ist wieder etwas härter 
und fester, als Tags zuvor. Es werden deshalb morgens und abends 
je 5 g Natr. jodic. mit Natr. bicarbonic. mit Kleietrank gegeben. 

Am 16. Tage 37,5° C. Das Pferd macht in seiner Haltung und 
Bewegung einen günstigen Eindruck und frißt sogar die Streu 
unter den Füßen weg. 

Am 17. Tage 37,5° C. 

Am 18. Tage 38,1° C. lEs werden je 5 g Natr. jodic. mit Natr. 

Am 19. Tage 37,4° C. j bicarbonicum mit Kleie verabreicht. 

Am 20. Tage 37,7° C. 

Am 23. Tage 37,6° C. Das Schmatzen hat gänzlich aufgehört, 
auch kneift das Tier den Schweif an, sobald man es berührt. 

Am 28. Tage wird das Pferd wieder beschlagen und am 29. Tage 
zum ersten Male wieder zur leichten Arbeit angespannt. 

In Summa sind dem Pferde 6 g Natrium jodicum 
intratracheal, 54 g Natr. jodic. als Klystier und 50 g per os 
mit Kleie gegeben worden. 

Dauer der Krankheit ca. 30 Tage. 

Fall V. Braune Stute, 14 Jahre alt, leichtes Arbeitspferd. Am 
3. September 1897 wurde ich mit dem Bemerken konsultiert, daß das 
Pferd sich unruhig zeige und wahrscheinlich ,,Kolik“ habe. Als 
Vorbericht konnte ich feststellen, daß es sich vor ca. 3 Wochen, also 
Mitte August, 1897 einen Holzsplitter in der Gegend des linken 


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252 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 15. 


Ellenbogengelenkes eingerissen habe. Die Wunde hätte nach Ent¬ 
fernung des Fremdkörpers geeitert, sei aber sonst gut geheilt. 

Die ersten Krankheitserscheinungen sind am 30. August gemerkt 
worden, indem der eigentümliche steife Gang aufgefa’len sei. 

Vom Besitzer sei dieses aber für eine Erkältung („Verschlag“) 
gehalten worden. Das Pferd ist trotzdem noch 4 Tage, also bis 
zum 3. September 1K97 abends angespannt worden. 

Am 3. September 1897, also am 5. Tage seit Bestehen der 
Krankheit, untersuchte ich das Pferd zum ersten Male. Es zeigte 
sich etwas aufgeregt und unruhig. Im übrigen waren die Symptome 
des Tetanus bo augenscheinliche, daß man diese Diagnose bereits 
beim Betreten des Stalles par distance stellen konnte. Das Pferd 
zeigte sich in seiner Haltung ganz steif, der Schweif wurde weit 
fortgestreckt, die Nüstern waren viereckig gestellt, die Augen 
wurden häufig in den Augenhöhlen verdreht, wobei sich der Blinz- 
knorpel über die Corula zog (Blinzeln der Augen), der Hals wurdo 
ganz steif gehalten, der Kopf nach vorn gestreckt. Die Schneide¬ 
zähne können nur zwei Finger breit von einander geöffnet werden; 
bei der Palpation zeigen sich die Hals-, Rücken- und Kruppen¬ 
muskulatur hart und fest. Der Appetit war bis dahin noch 
ganz gut. 

Es werden sofort 5 g Natr.jodic. intratracheal injiziert, wonach 
das Pferd stark huBtet. 

Am 6. Tage 38,5° C. Früh 7 Uhr erhält das Pferd 5 g Natr. 
jodic. per os mit Kleie. Vormittags j£10 Uhr werden 5 g Natr. 
jodic. intratracheal eingespritzt, worauf wieder Husten und nach 
5 Minuten Schweißausbruch eintritt. Auch diesem Patienten werden 
2 wollene Decken aufgelegt, die nicht gewechselt werden. Die 
Beunruhigung durch Putzen ist ebenfalls untersagt. Abends 7 Uhr 
werden abermals 5 g Natr. jodic. mit Kleie verabreicht. 

Am 7. Tage 38,7° C. Morgens und abends werden je 5 g Natr. 
jodic. mit Kleie gegeben. 

Am 8. Tage 39,1° C. Die Haltung des Schweifes und des 
Körpers noch ziemlich steif, deshalb werden wieder 5 g Natr. jodic. 
intratracheal appliziert, wonach nicht allzu starker Husten eintritt. 

Auch am 9. Tage (38,3° C.) werden 5 g Natr. jodic. in die 
Trachea eingespritzt und 5 g per os mit Kleie gegeben. 

Am 10. Tage (38,3° C ) erscheinen die Bewegungen beim Herum¬ 
treten geschmeidiger, der Blick ist klein und munterer. Die Hals¬ 
muskeln fühlen sich ziemlich weich an, dagegen sind die Kruppen- 
muskeln noch hart. Der Schweif wird nicht mehr so stark fort¬ 
gestreckt. Das Pferd sieht sich um, spitzt die Ohren und zeigt 
Aufmerksamkeit für die Umgebung. 

Am 11. Tage 37,6° C. 

Ara 12. Tage 37,6° C. Es werden 3 g Natr. jodic. intratracheal 
und 8 g per os verabreicht. 

Am 13. Tage 38,0° C. Das Blinzeln mit den Angen hat fast 
ganz nachgelassen, die Nüstern beginnen bereits einzufallen, die 
Maulspalte wird etwas weiter geöffnet. Das Futter wird auch hier 
bei diesem Pferde weniger mit den Lippen aufgenommen, als durch 
die Schneidezähne in die Maulhöhle geschoben. Es werden 3 g 
Natr. jodic. per os mit Kleie gegeben. 

Am 14. Tage 37,9° C. 

Am 15. Tage 37,8° 0. Das Pferd erhielt 5 g Natr. jodic. mit 
dem Trank. 

Ara 18. Tage 37,8° C. Das Tier wird zum ersten Male am 
Halfter aus dem Stalle genommen und bewegt. Es spitzt die Ohren 
und atmet ersichtlich die frische Luft mit Gier ein. An der steifen 
Haltung der hinteren Extremitäten und des Rückens, sowie an der 
Nüsternstellung kann man immer noch Symptome des Starrkrampfes 
erkennen. Patient erhält 5 g Natr. jodic. mit Kleie. 

Am 20. Tage 37,7° C. Es werden zum letzten Male 5 g Natr. 
jodic. mit Kleietrank verabreicht. 

Am 22. Tage 37,6° C. Das Blinzeln hat gänzlich aufgehört, 
die Nüstern sind normal gestellt 

Am 29. Tage 37,5° C. Das Pferd wird zum ersten Male im 
leichten Wagen angespannt. Die Symptome von Tetanus sind 
gänzlich geschwunden. 

In Summa erhielt das Pferd 23 g Natr. jodic. intra¬ 
tracheal und 51 g per os mit dem Kleietrank. Dauer der 
Krankheit ca. 30 Tage. 


Fall VI. Der Nachbar des unter Nro. V beschriebenen Falles 
hatte um dieselbe Zeit ein ebenfalls* unter den Symptomen des 
Starrkrampfs erkranktes Schwein. Die in einem Stalle befindlichen 
fünf Ferkel im Alter von ca. vier Monaten waren bis dabin voll¬ 
ständig gesund. Am 3. Dezember 1897 wurde ich mit dem Bemerken zu¬ 
gezogen, daß eins von diesen Tieren vollständig steif und liegend 
im Stalle vorgefunden sei. Alle Versuche, dasselbe aufzurichten 
seien vergebens gewesen; es wäre nicht im stände, sich allein oder 
mit Hilfe anderer auf den Beinen zu halten. 

Ich fand es liegend im Stalle, vollständig steif mit gerade weg- 
gestreckten Extremitäten. Die Augen waren in den Augenhöhlen 
derartig zurückgezogen, daß fast nur noch die Sclera zu sehen 
war. Der Nacken war zurück- und eingezogen, die Nase so krampfhaft 
hochgezogen, daß die Gesichtslinie mit der Rückenfläche eine 
Linie bildete. Das Maul war ganz fest geschlossen und selbst mit 
einem Stocke nicht zu öffnen. Die gesamte Körpermuskulatur 
fühlte sich bretthart an. Schreien konnte das Ferkel nicht, es 
grunzte nur ein wenig. Dagegen zeigte es sich äußerst schreckhaft, 
namentlich bei jeder Berührung. 

Wiewohl der vorliegende Symptomenkomplex schon von vorn¬ 
herein auf die Diagnose Starrkrampf schließen ließ, war es doch 
ein Gebot der Vorsicht auf alle anderen in Betracht kommenden 
Krankheiten hin zu prüfen und durch Elimination das Nicht¬ 
passende auszuscheiden. Da die Schleimhäute normal gefärbt 
waren, so konnten, zumal die Herztätigkeit, sowie die Beschaffenheit 
des Pulses nichts Abnormes zeigten, anämische oder hyperämisebe 
Zustände von vornherein ausgeschlossen werden. Salz- oder lake¬ 
haltige Futterstoffe waren nicht verfüttert worden. Irgend welche 
Verletzungen oder Erschütterungen durch äußere Einflüsse konnten 
nicht nachgewiesen werden, da die Schweine nicht aus dem Stalle 
gekommen waren. Die Krampferscheinungen waren permanente 
und keine intermittierenden oder epileptiformen. Auch mußte man 
an eine Verletzung oder Quetschung des Rückenmarkes oder gar 
an eine eventuelle Zerstörung desselben durch tuberkulöse Ent¬ 
artung eines Rückenwirbels denken. Selbstverständlich war die 
Sicherstellung der letzten Diagnose intra vitam nicht möglich. So 
stellte ich dann die Diagnose Starrkrampf und traf daraufhin auch 
meine Anordnungen. Um mich jedoch auch durch die Be¬ 
schaffenheit deB Blutes von der Richtigkeit meiner Diagnose zu 
vergewissern, schnitt ich ein kleinfingerlanges Stück vom Schwanz 
ab und machte auch einen Einschnitt ins linke Ohr. Ich erhielt 
nur ein Paar Tropfen schwarzrotes, lackfarbenes Blut, ähnlich dem 
von an Tetanus erkrankten Tieren. Da eine sachgemäße und 
tägliche Beobachtung des Patienten wegen der Entfernung und der 
großen Kosten im Verhältnis zum geringen Objekt nicht angezeigt 
war, so riet ich dem Besitzer, zunächst das Ferkel von den anderen 
Tieren zu isolieren, es ordentlich mit wollenen Tüchern einzu¬ 
wickeln und mit dicken Schichten Dung zu bedecken. Jede un¬ 
nütze Berührung oder Belästigung wurde untersagt, um das Tier 
nicht unnütz zu erschrecken. Selbstverständlich mußte es öftere 
Male auf die andere Seite gelegt werden. Der Besitzer machte sich 
die Mühe, dem Ferkel mehrere Male täglich mit einem Trichter 
Milch einzugießen, um es vor dem Verhungern zu schützen. Der Zustand 
blieb 14 Tage der gleiche. Dann ließ ich dem Besitzer 5 g Natr. 
jodicum da mit der Aufgabe, dem Schweine täglich zweimal je 
eine kleine Messerspitze voll gelöst mit Natr. bicarb. einzugeben. 

Acht Tage später bekam ich das Tier wieder zu Gesicht und 
konnte feststellen, daß die Maulspalte sich bereits 3—4 Finger breit 
öffnen ließ. Die Muskulatur fühlte sich weicher an, auch erschien 
der Rücken schon mehr gekrümmt. Die Augen waren in den Höhlen 
nicht mehr so weit zurückgezogen, auch hatte die Schreckhaftigkeit 
nachgelassen. Kot wurde regelmäßig abgesetzt. Das Schwein hatte 
bereits soviel Kraft, um sich allein von einer Seite auf die andere 
zu legen, wiewohl es auf den Beinen noch nicht stehen konnte. 
Es wurde nunmehr täglich zweimal mit Kampferspiritus eingerieben 
und kräftig mit Milch und Eiern ernährt. Seitdem bekam ich diesen 
Patienten nicht wieder zu Gesicht; allein nach vielen Monaten 
teilte mir der Besitzer persönlich mit, daß es nachher auf den 
Vorderbeinen gut und sicher, dagegen auf den Hinterbeinen nur 
schlecht habe stehen können. Er habe cs noch, so lange es irgend 
anging, gefüttert und dann geschlachtet. Irgend welche abnormen 


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9. April 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 253 


Veränderungen oder krankhaften Erscheinungen seien nach dem 
Schlachten nicht wahrgenommen worden. Wenn nun auch dieser 
Patient als geheilt zu betrachten war, so will ich zugestehen, daß 
die Besserung des Befindens nicht allein auf Kosten des Natr. 
jodicum zu setzen ist. Immerhin muß cs auffallen, daß von dem 
Zeitpunkt an, wo dasselbe verabreicht wurde, eine allgemeine 
Besserung im Befinden eintrat. Es wäre ja möglich, daß letzteres 
vielleicht auch ohne Natr. jodic. geschehen wäre. Es lag mir viel 
daran, auch diesen Fall mitgeteilt zu haben, da er doch immerhin 
interessant genug erscheint. 

Fall VII: Rapphengst, 8 Jahre alt, Rutse, schnelles Wagen¬ 
pferd. Infolge Unachtsamkeit des Kutschers waren die Zügel nur an 
einer Seite des Gebisses eingeschnallt. Das Pferd war deshalb 
nicht zu halten und ging am 8. November 1897 mit dem leichten 
Wagen durch. Es stürzte und zog sich außer leichten Haut¬ 
abschürfungen an beiden linken Extremitäten auch eine ca. 10 Ctm. 
tiefe, nach oben gehende Stichwunde am linken Ellenbogenhöcker 
zu. Diese Wunde heilte nach 14 Tagen unter Eiterung, aber sonst 
normalem Verlaufe zu, sodaß das Pferd am 24. November, da es 
nicht mehr lahm ging, zweispännig wieder gefahren wurde. Es kam 
jedoch „stocklahm“ von der kleinen Tour zurück. Ich konnte am 
gleichen Tage eine Geschwulst am linken Ellenbogenhöcker fest- 
steilen, die sich vermehrt warm anfühlte und sehr schmerzhaft war. 
Zum Traben war das Tier nicht zu bewegen. Die untergeschobene 
Stellung der Hinterbeine, der gespannte und schmerzhafte Gang 
wurde auf Kosten der Periostitis und Artritis geschrieben. Es wurden 
lauwarme adstringierende Umschläge (mit Burowscher Lösung) an¬ 
geordnet. 

Am 27. November 1897 schickte Besitzer zu mir mit dem Be¬ 
merken, daß das Pferd seit dem Tage zuvor so steif und breit¬ 
beinig dastehe. Es waren nunmehr offenkundige Symptone des 
Starrkrampfes vorhanden. Der Kopf und Hals wurden ziemlich 
weit fortgestreckt, desgl. der Schweif, der häufig vibrierte. Die 
ganze Körpormuskulatur war bretthart. Das Blinzeln mit den 
Augen geschah ziemlich häufig, auch zeigte sich das Tier sehr 
schreckhaft und aufgeregt. Die Schneidezähnc konnten nur 2—3 cm 
breit von einander geöffnet werden. Im Stande konnte das Pferd 
schwer herumtreten. Die Stellung der hinteren Extremitäten war 
stark o-beinig. Innere Mastdarmtemperatur 38,1 0 C. 

Es wurden sofort 5 g Natr. jodic. intratracheal injiciert, wonach 
starker Hustenreiz eintrat. Zugleich erhielt Patient 6 g Natr. jodic. 
per os mit Kleie, was gut genommen wird. Am 28. November 
1897 (3 Tage) 88,6° C. Es werden abermals 5 g Natr. jodic. intra¬ 
tracheal und 8 g per ob gegeben. 

Am 4. Tage 38,3 0 C. Morgens werden 5 g Natr. jodic. intra¬ 
tracheal und 5 g mit Kleie gegeben. Trotzdem Patient ständig 
mit 2 wollenen Decken bedeckt ist, ist bis jetzt noch kein Schwei߬ 
ausbruch eingetreten. Es werden abends )]8 Uhr nochmals 4 g 
Natr. jodic. intratracheal und 6 g per os gegeben. Nach dieser 
Einspritzung schwitzt das Pferd an beiden Flanken und Brustseiten. 
Es hat sich seit Beginn der Krankheit noch nicht gelegt; Appetit 
ist gut. 

Am 5. Tage 38,3. Die Maulspalte ist nur bis auf 2 cm weit 
zu öffnen. Die Haltung des Körpers ist immer noch steif, die 
Muskeln sind hart. Es werden 5 g Natr. jodic. intratracheal in¬ 
jiziert, wonach wieder leichter Schweißausbruch eintrat. 

Am 6. Tage 38,3. Appetit gut. Außer Hafer, Häcksel, Heu 
und Kleie werden noch Mohrrüben gegeben, die gerne und mit 
großem Appetit genommen werden. 

Am 7. Tage 38,3. Es werden 5 g Natr. jodic. per os gegeben. 

Am 8. Tage 38,2. Es werden 5 g Natr. jodic. intratracheal 
und 5 g per os gegeben, wonach das Pferd wieder schwitzt. 

Am 9. Tage 38,3. Das Pferd hat noch nicht gelegen. 

[ Morgens und abends werden je 5 g Natr. 
jodic. per os mit dem Trinkwasser ver- 
abreicht. 

Das Pferd ist morgens unter den Decken 
Am 12. Tage 38,3. stets naß. Das Schmatzen, das seit Anfang 
Am 13. Tage 38,2. an vorhanden war, hat noch nicht auf¬ 
gehört. 


Am 14. Tage 38,0. Die Muskulatur ist bretthart, Atmung sehr 
angestrengt, als ob das Pferd stark bewegt worden wäre. Die 
Augen sind in den Augenhöhlen zurückgezogen. Deshalb werden 
morgens wieder 5 g Natr. jodic. intratracheal injiziert. Mittags 
fühlen sich die Hals-, Rücken- und Kruppenmuskeln weicher an; 
die Atmung ist ruhiger. 

Ara 15. Tage 38,4. Die Atmung ist des Morgens wieder so 
angestrengt, als ob das Pferd in scharfem Trabe bewegt wäre. 
Es werden wieder 5 g Natr. jodic. intratracheal eingespritzt, 
wonach der Zustand gleich wieder besser wird, die Atmung ruhiger; 
die Muskeln fühlen sich verhältnismäßig weich an. Die Maulspalte 
ist immer noch 2 cm breit geöffnet. 

Am 16, Tage 38,0. Unter der Brust, dem Bauch, am Schlauch 
und am Hodensack haben sich üdematöse Schwellungen eingestellt. 
Morgens und abends werden je 5 g Natr. jodic. per os mit dem 
Trinkwasser gegeben. 

Am 17. Tage 38,1. Die allgemeine Körperhaltung ist wieder 
sehr steif, Muskulatur hart. Es werden deshalb 5 g Natr. jodic. 
intratracheal eingespritzt, wonach geringe Schweißsekretion eintritt. 

Am 18. Tage 38,2. Befund und Behandlung ebenso, wie am 
Tage zuvor. Abends erhält Patient noch 5 g Natr. jodic. mit Kleie. 

Am 19. Tage 38 3. Muskulatur weicher, Allgemeinbefinden 
etwas günstiger. Es werden 6 g Natr. jodic. per os mit dem Trink¬ 
wasser gegeben. 

Am 20. Tage 38,4. Haltung wieder steifer. Es werden 5 g 
Natr. jodic. intratracheal und morgens und abends je 5 g per os 
gegeben. Die ödematösen Schwellungen haben zugenommen. Die 
Schreckhaftigkeit bat etwas nachgelassen. Appetit ist nach wie 
vor gut. 

Am 21. Tage 38,3. \ An jedem Tage werden morgens 5 g Natr. 

Am 22. Tage 38,3. jodic. intratracheal und morgens und 

Am 23. Tage 38,2. > abends je 5 g per os mit Kleie gegeben. 

Am 24. Tage 38,1. Die Maulspalte ist bereis weiter geöffnet, 
sodaß man 4 Finger zwischen die Schneidezähne legen kann; auch 
erscheint das Pferd in den Bewegungen gelenkiger und tritt leicht 
nach allen Seiten herum. 

Am 25. Tage 37,9. Das Schwitzen über Nacht hat ganz auf¬ 
gehört, desgl. die Schreckhaftigkeit. Das Pferd erhält 1 g Natr. 
jodic. in 10 g Wasser (also eine Pravazscbe Spritze voll) intra¬ 
tracheal. Durch den starken und kräftigen Husten wird der ein¬ 
gestochene Troikar rechtwinkelig gebogen. Beim Geradrichten 
bricht derselbe. Infolgedessen werden die übrigen 4 g per os mit 
Kleie gegeben. Das Tier wird zum ersten Male wieder geputzt und 
gereinigt. Der äußere Rand der ursprünglichen Verletzung am 
linken Ellenbogenhöcker ist nach Entfernung der festen Borken 
noch feucht, schmierig und ein wenig übelriechend. Diese kleine 
Wundfläche wird täglich zweimal mit einer 7 proz. Chlorzinklösung 
gebeizt. 

Am 26. Tage 38,9. Das Schmatzen hat ganz nachgelassen. 
Appetit gut. Es fällt auf, daß trotzdem die allgemeine Haltung 
des Körpers immer noch steif ist. Das Pferd wird versuchsweise 
aus dem Stalle genommen, geht aber sehr bodenscheu, säbelbeinig 
und steif. Die Nüstern sind immer noch weit aufgerissen. Es 
werden abends 20 g der Lugolschen Lösung (2:10:200) pro 
Klysma verabreicht. Die Klystiere werden täglich dreimal ge¬ 
geben, bis die 200 g verbraucht sind. 

Am 27. Tage 37,8. Es werden außer den Klystieren noch 10 g 
Lugol scher Lösung intratracheal eingespritzt. 

Am 28. Tage 37,6. Das Maul kann bereits ganz weit geöffnet 
werden. Die ödematösen Schwellungen haben etwas nachgelassen. 
Das Pferd wird ca. 20 Minuten geführt. Das Pferd geht immer 
noch ängstlich, unsicher und bodenscheu. Es kann nur angenommen 
werden, daß infolge des langen Stehens während der sechswöchent¬ 
lichen KrankheitBdauer teilweise Quetschungen in den Gelenkwurzeln 
stattgefunden haben und die Sehnen, Bänder und Gelenkapparate 
die nötige Gelenkigkeit und Geschmeidigkeit zum Teil eingebüßt 
haben. Das Pferd wird weiter gepflegt, massiert und bewegt. 

Am 33. Tago ist von den ödematösen Schwellungen nichts 
mehr zu sehen. Das Tier zeigt sich beim Führen schon mutig und 
hat Lust zum Springen. Patient ist geheilt und geht heute noch 
in gleich scharfem Trabe als zuvor. 


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254 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 15. 


Am 34. Tage wird es un'.er meiner Aufsicht beschlagen und 
angespannt. In Summa hat das Pferd 70 g Natr. jodic. und 
10 g Lugolscher Lösung intratracheal, ferner 119 g Natr. 
jodic per os mit dem Trank und 190g Lugolscher Lösung 
als Klystier erhalten. Besagtes Pferd geht heute noch in gleich 
scharfer und geschmeidiger Art wie vor der Krankheit. 

Fall VIII. Lehmfuchs, Wallach, Schußstern, über 15 Jahre 
alt, abgetriebenes, mageres Arbeitspferd. Eigentümer hat das Pferd 
erst 14 Tage in seinem Besitze. Es war gleich vom ersten Tage 
ab ein „schlechter Fretser“, aber ein gutes Arbeitspferd. Dasselbe 
hatte sich am 15. Dezember 1897 einen Nagel in den Strahl des 
rechten Hinterbeines eingetreten. Die Wunde itt unter Eiterung 
in 8 Tagen gänzlich geheilt. Die ersten Krankheitserscheinungen 
des Starrkrampfes sind am 24. Dezember 1897 nachmittags wahr- 
genommon worden. 

Ara 1. Tage 3^,1 0 C. Kopf-, Hals-, Rücken-, Kruppenmuskulalur 
Fühlen sich bretthart an; Maulspalte kann nur 2 cm weit geöffnet 
werdtn; Augen in den Augenhöhlen stets zurückgezogen; die 
Atmung ist ziem ich angestrengt; Appetit fast ganz darniederliegend. 
Diagnose: Tetanus traumaticus. 

Es werden sofort 5 g Natr. jodic. intratracheal injiziert, wonach 
6ich das Tier sehr aufgelegt zeigt und viel husten muß. DerHusten 
wird nicht in kurzen, kräftigen Stößen ausgelöst, Bondern er äußert 
sich als ein brausendes Schnaufen. Nach 10 Minuten beginnt das 
Pferd zu schwitzen; die Nüstern sind viereckig gestellt 

Am 2. Tage 38,6 0 C. Der allgemeine Zustand ist sehr schlecht. 
Die Nüstern sind so weit aufgerissen, daß die stark geröteten 
Schleimhäute deutlich sichtbar Bind; der Husten hat sich nicht 
verändert. Die langen schnaufenden Töne rühren meiner Ansicht 
nach daher, weil die tetanischen Veränderungen der Kehl- und 
Schlundkopfmuskeln ein Schließen des Kehlkopfspaltes nicht er¬ 
möglichen. Die Mau!spalte ist fest geschlossen, Futter kann nicht 
anfgenommen werden. Die Körpermuskulatur ist fest und hart, 
der Schweif weit fortgestreckt; die Augen sind gläsern, Blick 
stier, der Kopf wird meistens in eine Ecke der Krippe gehalten. 
Die Atmung ist so angestri ngt, als ob das Tier stark bewegt 
worden wäre. Unter diesen Umständen wird auf eine intratracheale 
Injektion und auf jede andere Behandlungsweise Verzicht ge¬ 
leistet. 

Am 3 Tage 38,7. Das Pferd läßt sich kaum berühren, da es 
sich dalei sehr erregt. Bei jeder Respiration hört man im Kehl¬ 
kopf gurgelnde, brodelnde Töne. 

Am 4. Tage morgens 4 Uhr ist das Pferd verendet. 

Fall IX. Rotschimmel Belgier, 9 Jahre alt, war abends beim 
Abfüttern noch gesund, steht aber früh morgens ganz steif da mit 
den typischen Erscheinungen des Starrkrampfes. — Trotzdem wegen 
des akuten Krankheitsbeginnes und des voraussichtlich baldigen 
Vtrendens von einer Behandlung abgeraten wird, liegt dem Be¬ 
sitzer viel daran, das Pferd erhalten zu sehen. Es wird eine intra¬ 
venöse Injektion von Tetanus-Antitoxin appliziert, da Besitzer 
besser situiert ist und die hohen Kosten (35 M) für eine einmalige 
Einspritzung nicht scheut. Eine sichtliche Besserung war nicht 
wahlzunehmen; im Gegenteil, am 3. Tage abends 7 Uhr war das 
Tier verendet. 

Fall X. Braune Stute, edles Reitpferd, 9—10 Jahre alt, zeigte 
morgens noch keine verdächtigen Anzeichen einer Er. rankung. 
Als Besitzer vormittags !d0 Uhr in den Stall kam, um es zum 
Reiten zu satteln, war es ziemlich erregt und mit Schweiß bedeckt 
Bei meiner Untersuchung gegen )>J2 Uhr vormittags fand ich voll¬ 
ständigen Frismus der Kaumuskulatur, der Bulbus schien in den 
Augenhöhlen stark zurückgezogen, die ganze Haltung des Körpers 
„steif wie ein Sägebock“. Der Schweißausbruch war so stark, 
daß an manchen Stellen das Wasser heruntertropfte. Wegen der 
staiken Transpiration und der starken Erregung konnte eine 
Schlachtung, desgl. eine Behandlung nicht empfohlen werden. Ich 
riet, den Stall dunkel zu machen, alles auszuräumen und niemand 
hineinzulassen. Meinem Versprechen, des Abends noch einmal nach 
dem Patienten hinzuschauen, brauchte ich nicht nachzukommen, 
da Besitzer bereits \\ Uhr zu mir schickte mit dem Bemerken, daß 
das Pferd bereits verendet sei. 


Fall XI und XII. Bei eintm Landwirt waren in einem halben 
Jahre zwei Pferde (Dänen) an typischem Starrkrampf erkrankt. 
Da auch diese Fälle in akuter Form verliefen, «iet ich, um einen 
noch möglichst vorteilhaften Gewinn zu erzielen, die Pferde schlachten 
zu lassen. Da jedoch dieselben bei einer Vieh Versicherungs- 
Gesellschaft versichert waren und nach Ansicht des Verirauenstier- 
arztes dieser Gesellschaft eine Heilung nicht ausgesi blossen war, 
so mußten beide Tiere zu meinem größten Bedauern so lange 
stehen, bis sie verendeten, was auch bei beiden am 5. Tage geschah. 

Eine sachgemäße Behandlung war auch in diesen beiden Fällen 
nicht eingeleitet worden, weil ich wegen des akuten Verlaufes der 
Krankheit, zumal da eine jede Futteraufnabme infolge Lähmung der 
Schlund- und Kehlkopfmuskulatur ausgeschlossen war, von einer 
Behandlung abriet. Der Besitzer hielt cs daher für überflüssig, noch 
unnütz Geld für Medikamente auszugeben. 

Von den vielen anderen Fällen, sei es mir gestattet nur noch 
folgenden zu erwähnen: 

Fall XIII. Ein 3 / 4 jähriges Fohlen hatte im Übermut ausgeschlagen 
und war mit dem linken Hinterfuß Uber ein Brett geraten und ver¬ 
letzte sich die Beugefläche des Fessels. Die Wunde bestand nur 
aus einer Verletzung der äußeren Haut in einer Länge von ca 6 cm. 
Der Besitzer reinigte die Wunde täglich mehrere Male mit lau¬ 
warmem Seifenwasser. Nach 3 Wochen fand er das Fohlen eines 
Morgens liegend im StaU mit geradegestreckten Beinen und un¬ 
fähig, sich zu erheben. Meine Hilfe wurde sofort in Anspruch ge¬ 
nommen, bot jedoch keine Aussicht auf Erfolg, da auch in 
diesem Falle der Starrkrampf in seiner Form perakut auftrat. Das 
Tier schwitzte an den Flanken und an der Brust; die starke und 
pumpendo Atmung verriet einen ziemlich erregten Zustand des 
Patienten. Die Nüstern waren viereckig gestellt, die Augen in den 
Augenhöhlen zurückgezogen, die Nickhaut bedeckte V« des Auges. 
Die Maulspalte war ziemlich fest gesch'ossen, sodaß nur kleine 
Stückchen Mohrrüben und flüssiges Futter verzehrt werden konnte. 
Wiewohl ich den Besitzer von vornherein auf die Erfolglosigkeit der 
Behandlung aufmerksam machte, bat er doch, alles Mögliche zu 
tun, um das Tier wieder gesund zu machen. 

Ich machte sofort an dem hochgehobenen Tiere eine intra¬ 
tracheale Injektion von Natr. jodic. 3:15 (aqu. fervid, und ließ dem 
Besitzer 4 Plv. zurück von je 4 g Natr. jodic. mit 10 g Natr. 
bicarbonic. 

Sodann wurden wollene Decken aufgelegt und der Kopf des 
Tieres hochgehalten. Dieselbe Behandlung ei folgte auch am nächsten 
Tage. Patient legte sich öfter am Tage hin und mußte dann immer 
wieder auf die Beine gestellt werden. Die Wirkung der Jodbe¬ 
handlung war die, daß daB Pferd unter den Decken sich am ganzen 
Köiper naß anfüblte. Infolge dessen wurde am 3. Tage kein Jod 
in Form von Natr. jodic. verabreicht. Das ganze klinische Bild 
war ein deraitiges, daß dem Besitzer am 3. Tage durchaus keine 
Hoffnung auf Erhaltung des Patienten gemacht werden konnte. 

Am 4. Tage früh 8 Uhr erschien der Eigentümer dieses Pferdes 
mit der Nachricht, daß dasselbe in der Nacht gestorben sei. 

Epikrisls. 

Wenn nun auch die beschriebenen 13 Fälle von Tetanus einen 
sicheren Schluß über die Brauchbarkeit des Mittels noch nicht er¬ 
kennen lassen, so geht doch folgendes aus meinen Beobachtungen 
hervor: 

1. Meiner Ansicht und Erfahrung gemäß erkenne ich nur 
traumatischen Starrkrampf an. Geht man der Ursache der Erkran¬ 
kung gründlich nach durch Ausfragen des Besitzers, der Dienst¬ 
leute etc., so wird man fast immer eine Verletzung und sei es auch 
nur die geringste, nachweisen können. In den wenigen Fällen, wo 
dieses nicht gelingt, nehme ich doch stets eine traumatische Ur¬ 
sache an, denn ein einziger Peitschenhieb genügt, um eine Erosion 
mit geringgradiger Verwundung und Blutung zu erzeugen, die je¬ 
doch bei der großen und behaarten Körperoberfläche kaum nach- 
zuweiBen sein dürfte. Einem rheumatischen Tetanus rede ich also 
niemals das Wort 

2. Wenn ich auch in den Beschreibungen der Krankheitsfälle 
nie erwähnt habe, daß ich da, wo noch Wunden voihanden waren, 
auch diese habe sachgemäß behandeln lassen, so will ich noch an 


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9. April 1903. 

dieser Stelle besonders hervorheben, daß es sich empfiehlt, etwa 
noch vorhandene kleine eiternde Wunden durch Chlorzink oder 
Höllenstein stark zu beizen, um eventuell r.och vorhandene Infek¬ 
tionsherde auch hier zu zerstören. 

3. Die ersten Krankheitserscbeinungen des Starikraropfes treten 
in den meisten Fällen nach 14 Tagen, in weniger Fällen früher und 
noch seltener später als na^h 14 Tagen auf. Ein perakuter Fall, 
wie er in No. X geschildert ist, wo also ein letaler Ausgang nur 
wenige Stunden nach der Erkrankung der Krankheit erfolgt ist, ist 
nur einmal von mir beobachtet worden und dürfte zu den größten 
Seltenheiten gehören. 

4. Nur die subakut verlaufenden Fälle bieten Aussicht auf 
einen günstigen Verlauf und Heilung, während die akuten und per¬ 
akuten Fälle von Starrkrampf stets zum Tode führen. A1b sub¬ 
akut verlaufende Fälle bezeiclne ich diejenigen, bei welchen der 
kontinuierliche Muskelkrampf nur allmählich einsetzt und namentlich 
die Kinnbacken-, Kehl und Schlundkopfmuskulatur erst zuletzt oder 
in geiingem Grade ergreift, sodaß eine Futteraufnahme unausgesetzt 
möglich ist. 

5. Die durchschnittliche Krankheitsdauer bei subakut ver¬ 
laufendem Starrkrampf beträgt ca. 30 Tage. 

6. Die diätische Pflege ist nicht außer acht zu lassen. Es darf 
nicht versäumt werden, durch Anbieten verschiedener Futterstoffe 
immer wieder die Freßlust anzuregen. 

Außer Hafer, Häcksel, Heu werden Mohrrüben, Kleietrank, Brot, 
Haferschleim und Milch geboten. Kochsalz erhalten die Patienten 
auf Krippe und Zunge gestreut. Desgleichen kann ihnen soviel 
Futter vorgeschilttet werden, als sie haben mögen und verzehren 
können. 

7. Die Anbringung eines HäDgeapparates halte ich nicht für 
nötig, da eiuige Pferde sich gar nicht legten, andere sich augen¬ 
scheinlich mit großem Wohlbehagen der Kühe bingaben. Es ist 
daher auch für gute Streu stets Sorge zu tragen. 

8. Die Wartung und Pflege bat sich nur auf Verabreichung des 
Futters zu erstrecken. Jede Abreibung, Einreibung oder Massage 
muß strengstens vermieden werden, daher ist die in den Lehr¬ 
büchern empfohlene Applikation von äußeren Mitteln überflüssig. 
Das Putzen hat gänzlich zu unterbleiben, sogar das Wechseln der 
durchfeuchteten mit Schweiß vollgesogenen wollenen Decken. 
Die intratrachealen Injektionen müssen unterbleiben, wenn die Auf¬ 
regung zu groß ist. Das Anbremsen zwecks Vornahme der In¬ 
jektion bei unruhigen oder erregten Tieren ist zu verurteilen. Jedes 
herbe Anschreien, jede hastige Bewegung in der Nähe des Patienten 
und jedes Erschrecken wirkt ungünstig auf den allgemeinen Zu¬ 
stand. 

9. Jedes Isolieren eines starrkrampfkranken Pferdes halte ich 
nicht immer für nötig, da in denjenigen Fällen, in welchen Futter 
noch aufgenommen werden konnte, der Appetit des Kranken beim 
Einschütten des Futters für andere Pferde noch mehr gesteigert 
wurde. Dagegen ist ein Isolieren der akut erkrankten Tiere ge¬ 
boten. 

10. Das Natr. jodicum läßt sich intratracheal, per os, per rectum 
und subkutan anwenden. Eine intravenöse Anwendungsform ist 
von mir noch nicht versucht worden. Es muß ferner bemerkt 
werden, daß die subkutane Applikation bei Pferden lokale Ent¬ 
zündungen hervorruft. Die intratracheale Injektion wird meisten¬ 
teils gut vertragen, wenn auch mitunter heftiger Husten und Un¬ 
ruheerscheinungen danach eintreten. 

11. Über die Menge des zu verabfolgenden Natr. jodicum läßt 
sich nichts bestimmtes angeben, da es sich je nach dem Grad der 
Krankheit, der Körperkonstitntion und der individuellen Wirkung 
des jodsauren Natriums richtet. Letztere ist dann als vorhanden 
anzunebmen, wenn unter den Decken permanente Schweißsekretion 
festzustellen ist. Die Verabreichung des Natr. jodicum per os darf 
nur mit Zusatz von Natr. bicarbonicnm gegeben werden, da Natr. 
jodic. zur Abschaltung freien Chlors aus der Salzsäure des Magen¬ 
saftes die Veranlassung geben kann. Die eintretende Schwei߬ 
absonderung dürfte eine Folge der gesteigerten Muskelaktion, der 
frequenten Atmung und der physischen Erregung infolge der 
intratrachealen Injektion sein. 


255 

12. Nach meinen Beobachtungen war nach der Applikation des 
Natr. jodic. stets eine Besserung im Allgemeinbefinden festzustellen. 
Es empfiehlt sich daher, namentlich in den subakut verlaufenden 
Fällen dieses Mittel weiterhin zh versuchen. 

Zum Schluß sei mir noch gestattet, die Herren Kollegen darauf 
hinzuweisen, daß ich mit subkutaner Injektion von Natr. jodic. 
bei Kühen, die an akuten Euterentzündungen litten, gute Erfolge 
zu verzeichnen habe. In ca. 6—8 Fällen habe ich, 2—3 g Natr. 
jodic. in 10 g aqu. ferr. gelöst Kühen injiziert, niemals lokale Ent¬ 
zündungserscheinungen feststellen und nach 2—3ma!iger Anwendung 
Besserung und Heilung verzeichnen können. Es wird empfohlen, 
die subkutane Anwendung auf frischer Tat, also gleich nach der 
Erkrankung und dann 2 resp. 3 Tage hintereinander vorzunehmen. 
In Gegenden, wo viel Viehzucht getrieben wird, dürften die Kollegen 
oft und reichlich Gelegenheit haben, obiges Mittel zu versuchen. 
Freuen würde ich mich, wenn ich günstige und lobende An¬ 
erkennung erfahren würde. 

Referate. 

Wochenfibersicht Aber die medizinische Literatur. 

Von Dr. Jess-Charlottenburg, 

KreUtlerarxt 

Münchener medizinische Wochenschrift No. 11. 

Vom Ärztlichen Intelligenzblatt zur Münchener medizinischen Wochen¬ 
schrift. Anläßlich der am 7. März 1903 gehaltenen Jubiläums¬ 
feier zum 50jährigen Bestehen der Münchener medizinischen 
Wochenschrift hat Medizinalrat Merkel in Nürnberg über obigen 
Gegenstand eine Festrede gehalten, ans der hervorgeht, wie 
die Münchener medizinische Wochenschrift aus kleinen Anfängen 
zuerst mit 500 Abonnenten von Oettinger, Martin & Kayser 
begründet, es bis auf 9000 Abonnenten gebracht hat und 
zweifellos das größte und verbreitetste medizinische Fachblatt 
deutscher Sprache geworden ist. 

Im Anschluß hieran wird eine bibliographisch - literarische 
Skizze von Karl Sudhoff, das medizinische Zeitschriftenwesen in 
Deutschland bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, veröffentlicht. 

Die Bekämpfung der Tuberkulose von Medizinalrat Professor 
von Behring, v. B. hielt am 12. in der Gesellschaft für 
innere Medizin in Wien einen Vortrag über die Bekämpfung 
der Tuberkulose und berichtete über seine langjährigen Ver¬ 
suche behufs Immunisierung der Rinder gegen Tuberkulose. 
Er injiziert Kälbern eine Emmulsion lebender Tuberkelbazillen 
in die Halsvene nnd er fand, daß Milchkälber im Alter von 
4 Wochen bis zu 3 Monaten auf diese Schutzimpfung überhaupt 
nicht reagieren. Es ist nun nicht möglich, Kinder in derselben 
Weise vorbereitend zu impfen, v. B. beabsichtigt jedoch, den 
Säuglingen die Antikörper dadurch zu verabfolgen, daß er ihnen 
Milch von gegen Tuberkulose immun gemachten Kühen reicht. 
Jedoch will v. Bering diese Idee zunächst noch an Kälbern 
weiter prüfen. 

Über die Bariowsche Krankheit von Medizinalrat Heubner. 
Am 11. März hielt H. in der Berliner medizinischen Gesellschaft 
einen Vortrag über die im Jahre 1884 von dem amerikanischen 
Arzte Barlow zuerst beschriebene Säuglings - Krankheit. 
Die Erscheinungen dieser Krankheit sind Schmerzhaftigkeit bei 
der Berührung, namentlich der unteren Extremitäten, vielfach 
auch am Thorax und am unteren Ende des Oberschenkels. Die 
Kinder sind außerordentlich schreckhaft, im Munde finden sich 
Anschwellungen, die Augen sind vorgetrieben, auf der Haut 
bemerkt man bläuliche Flecke; es kommt zu Nasen-, Darm- und 
Nierenblutungen. Die Bariowsche Krankheit besteht in so¬ 
genannten subperiostealen Blutungen und Veränderungen im 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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256 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


Knochen, nnd zwar in einem Schwand der Knochenbälkchen 
in den Markränmen. Die vorhandenen Knochenbälkchen sind 
nicht verkalkt, das Mark ist zellarm, der Knochen ist sehr 
brüchig:. An vielen Stellen des Magens nnd unter dem Periost 
sind Blutungen. Über die Ursache der Barlowschen Krankheit 
weiß man nichts. Die Engländer und Nordamerikaner nennen diese 
Kranheit Skorbut. Aber einmal ist die Barlowsche Krankheit nur 
auf Säuglinge beschränkt und zweitens kommt es nicht zu solchen 
Nekrosen am Zahnfleisch und am Kiefer. Die Barlowsche 
Krankheit muß mit der Ernährungsweise in ursächlichem Zu¬ 
sammenhang stehen. H. hat nie ein Kind, welches in genügender 
Weise an der Brust ernährt war, an Barlowscher Krankheit 
erkranken sehen. In Berlin ist die Krankheit in sehr starker 
Zunahme begriffen, während sie in Wien und München zu den 
Seltenheiten gehört. Man trifft sie nur in den wohlhabenden 
Familien und es ist leicht möglich, daß die Einförmigkeit der 
Nahrung, welche hier geübt wird, einen Einfluß hat; denn 
eine abwechslungsreiche Ernährungsweise, Verabreichung von 
Obst, Gemüse, Fleischsaft, führen schon in 8 bis 14 Tagen er¬ 
hebliche Besserung herbei. 

Deutsche medixinische Wochenschrift No. 12. 

Zur Geschichte der Ruhrforschung und über Variabilität der 
Bakterien von Professor Kruse. Es handelt sich um Prioritäts¬ 
fragen zwischen Kruse, Chantemesse, Celly und Shiga. 

Über die Priorität der Entdeckung des Ruhrbazilius von Chante¬ 
ln esse. Gleichfalls eine Prioritätsstreitigkeit. 

Über Infusorien im Magen und im Darmkanal des Menschen und 
ihre klinische Bedeutung von Dr. Cohnheim, Berlin. 

Verfasser hat in seinem Ambulatorium für Magen- und Darm¬ 
krankheiten eine Reihe von Erkrankungen des Schlundes und 
des Magens beobachten können, als deren Ursache er folgende 
3 Spezies von Geisselinfusorien sah: 

1. Trichomonas hominis im Munde, Ö.*ophagus, Magen, Daim. 

2. Megastoma entericum im Magen und Daim. 

3. Plagiomonas hominis im Darm. 

Behandlung des Puerperalfiebers mit Antistreptokokkenserum von 
Dr. Steinhauer. 

Verfasser teilt Fälle mit, in denen das Antistreptokokken¬ 
serum bei Puerperalerkrankung von hervorragendem Natzen war. 
Berliner klinische Wochenschrift No. 10. 

Immunität und Narkose. Durch das Chloroform wird die 
Widerstandsfähigkeit der Lunge so geschädigt, daß die 
Bakterien in ihr einen günstigen Nährboden finden, wodurch 
sich die im Anschluß an Operationen auftretenden Pneumonien 
erklären lassen. 


Tagesgeschichte. 

Redaktionelles. 

Mit dem Beginn des laufenden Quartals ist Herr Professor 
Dr. Röder, Direktor der Klinik für große Haustiere in Dresden, 
in die Redaktion der B. T. W. eingetreten. Herr Kreistierarzt 
Francke - Mülheim ist mit Rücksicht auf die Vergrößerung 
seiner dienstlichen Tätigkeit auf seinen Wunsch aus der Redaktion 
ausgeschieden. 

Die Verbreitung der Tier-Kurpfuscherei im 
Apothekerstande 

von Professor Dr. Schmaltz. 

Daß Apotheker Tierkurpfuscherei betreiben, hat schon 
lange in tierärztlichen Kreisen Anstoß erregt. So zahlreich 


No. 15. 


aber auch die krassen Beispiele dafür waren, so haben wir uns 
doch immer bemüht, dieselben als Unwürdigkeiten Einzelner zu 
betrachten, wie sie ja gelegentlich in jedem Stande voikommen. 
Wir haben uns, eingedenk der vielen freundschaftlichen Be¬ 
ziehungen zwischen Apothekern und Tierärzten, davor gescheut, 
darin eine dem ganzen Stande zur Last zu legende Gewohnheit 
zu erblicken. 

Ein Vorkommnis aus jüngster Zeit nötigt jedoch den Tier¬ 
ärzten eine andere Auffassung anf. Es entsteht nicht bloß der 
Anschein, sondern die Gewißheit, daß sich eine Usance ans- 
zubilden droht, die schon ohne Scheu als eine berechtigte Eigen¬ 
tümlichkeit aufzutreten unternimmt und uns zur Gegenwehr 
zwingt. 

Die angesehene Verlagsbuchhandlung von Julius Springer 
in Berlin, in deren Verlag eine der gelesensten Apotheker¬ 
zeitungen erscheint, hält es für zweckentsprechend und richtig, 
der pharmazeutischen Presse folgende Ankündigung beizulegen, 
welche uns von mehreren Seiten zugesandt worden ist: 

An die Herren Apotheker I 

Wie die praktische Erfahrung fast täglich lehrt, gehen viele 
zum Teile recht wertvolle Tiere zu Grunde, weil deren Besitzer 
oder Wärter krankhafte Erscheinungen an denselben entweder 
nicht zu rechter Zeit zu erkennen vermögen, oder weil ärztliche 
Hilfe und Arznei nicht schnell genug herbei zu schaffen sind. 
Dieser Erfahrung verdankt seine Entstehung das soeben im Unter¬ 
zeichneten Verlage erschienene, aus im Nachstehenden ausführlich 
dargelegten Gründen gerade für die Herren Apotheker besonders 
wertvolle Bach: 

Der Tierarzt im Hause — Ein Ratgeber für jedermann von Dr. 
A. Schmidt, Polizeitierarzt. 

„Der Tierarzt im Hause“ gibt in leicht verständlicher Weise 
Aufklärung über nicht normale Zustände des Viehs und weist 
gleichzeitig den Weg, der, solange ein Tierarzt nicht zur Stelle 
ist, eingeschlagen werden kann, um das Tier wieder gesund zu 
machen. Den Laien führt in solchen Fällen sein Weg in 
der Regel zunächst in die Apotheke, wo er Aufklärung 
und guten Rat, und wenn es angängig ist, auch zugleich 
die nötigen Arzneimittel zu erlangen hofft Er erwartet 
von dem Apotheker ein ziemlich weitgehendes Verständnis für die 
häufigeren Tierkrankheiten und setzt als sicher voraus, dass 
derselbe zum mindesten im stände sei, gegen eine bestimmt diag¬ 
nostizierte Krankheit die richtigen Arzneimittel in Vorschlag zu 
bringen. 

Natürlich können die diesbezüglichen Kenntnisse des Apothekers 
sich erst nach längerer Praxis in ländlichen Gegenden in wünschens¬ 
wertem Masse abrunden. Es wird dem erst kurze Zeit mit Tier¬ 
besitzern geschäftlich verkehrenden Apotheker deshalb nicht selten 
das Bedürfnis nahetreten, sich aus einem praktisch, kurz und doch 
innerhalb gewisser Grenzen erschöpfend verfassten Buche über 
ticrarzneiliche Fragen Antwort zu holen. Ein solches Buch ist 
das vorliegende Werk. 

„Der Tierarzt im Hause“, von einem erfahrenen, in amtlicher 
Stelle sich befindenden Tierarzt für die Bedürfnisse gebildeter 
Laien verfasst, verfolgt keineswegs das Prinzip arzneiloser Kranken- 
behandlung. Er gibt vielmehr, wo es ratsam erscheint, dem Leser 
diejenigen Mittel an die Hand, deren derselbe sich auch ohne 
Hinzuziehung eines Tierarztes jederzeit bedienen kann, um 
dem erkrankten Vieh zu helfen, und weist dabei ausdrücklich da¬ 
rauf hin, dass die betreffenden Mittel zu angemessenem Preis aus 
den Apotheken bezogen weiden können. 

In dem Werk werden sämtliche Erkranknngsarten aller Arten 
von Haustieren in leicht verständlicher Weise nach ihren äusseren 
Anzeichen beschrieben, auf ihre Ursachen hingewiesen und 
schliesslich Anleitung zur Behandlung jeder besonderen Krankheit 
gegeben. 


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Google 


9. April 1903. 


Der Apotheker, welcher das Buch benutzt, wird demnach 
seiner Kundschaft neben der etwa notwendigen Arznei auch wert¬ 
volle Auskünfte und Ratschläge erteilen können, ein Umstand, der 
für den Verkehr mit ländlichem Publikum bekanntlich oft schwer 
ins Gewicht fällt. 

Die Unterzeichnete Verlagsbuchhandlung kann daher allen 
Apothekern die Anschaffung des Buches, dessen Preis nur 
2 M. 40 Pf. beträgt, angelegentlichst empfehlen. Bestellungen 
nehmen alle Buchhandlungen entgegen. 

Berlin N 24, Februar 1903. Verlagsbuchhandlung 

Monbijouplatz 3. von Julius Springer. 

Im Anschluß an diese Ankündigung soll hier eine kleine 
Sammlung anderen Materials gleich mit veröffentlicht werden. 

Der Apotheker als „Tierarzt im Hause“ ist keine 
neue Erscheinung. Vor mir liegt eine so betitelte 62 Seiten 
starke Broschüre in einer Anzahl von Exemplaren. Das mit 
albernen Vignetten „verzierte“ Machwerk enthält neben der 
Erwähnung von Krankheiten die Empfehlung von 80 „Medi¬ 
kamenten“, unter welchen sich z. B. folgende finden: Universal- 
reinigungs- und Verdaunngssalz, Universal-Schweinspulver, Hitz- 
und Entzündnngspulver, Geschwulst-Salbe, Harnregulierungs- 
pnlver, echtes Welzenpulver (verhindert allein das Milchfieber), 
Universal-Milch- und Nutzenpulver, Rotlauf- und Milzbrand¬ 
pulver, -01, -Tinktur und -Tropfen, Pulver gegen Maul- und 
Klauenseuche, englisches Pferdepulver (verhütet die meisten 
Pferdekrankheiten; bei Rotz muß man doppelte Dosis geben!!), 
Mastpulver, Brust- und Beruhigungspulver, neunerlei (!) Gliederöl, 
Umschlag-Essenz gegen Überbein, Strahlkrebs-Pnlver, Universal- 
Heilsalbe etc. etc. 

Dieser „Inhalt“ ist mit einem Umschlag versehen, welcher 
überall gleich in Farbe, Text und Titelbild ist, jedoch auf jedem 
Exemplar die Firma einer anderen Apotheke auf¬ 
gedruckt enthält — ein Beweis, daß dieses Schmierbtichlein 
irgendwo im Großen hergestellt und an die Apotheker, auf Be¬ 
stellung mit Firma, verkauft wird, — ein Beweis also, daß es 
sich hier nicht um den Geschäftsgebranch eines einzelnen, sondern 
um eine verbreitete Erscheinung handelt. 

Die mir vorliegenden Exemplare tragen die Firmen der 
Löwenapotheke zu Freistadt, N.-S., der kgl. konz. Apotheke 
zu Ratiborhammer, der Hartmannschen A. zu Bruel i. M., 
der Mohren-A. zu Langensalza, der kgl. priv. Adler-A. 
Dr. Evert zu Wittstock, der priv. alten Meyerschen Stadt- 
A. zu Guben, der kgl. priv. A. J. Levy zu Insterburg, der 
kgl. priv. A. E. Kühne zu Schönberg O.-L., der A. v. Hin¬ 
über zu Hittfeld, der A. E. Kayser in Bad Kosen und der 
Hirschapotheke zu Nottuln (hier ist der Umschlag grün statt 
gelb und ohne „Stillleben“, trägt ancli noch den Vermerk 
„Nachdruck verboten“). Auf jedem Exemplar steht übrigens 
aufgedruckt „für die Kundschaft meiner Apotheke umsonst“. 
Manche empfehlen den Gratisbezug noch durch besondere 
Annoncen, z. B. die Hirsch-A. zu Lembeck i. W. 

Ein ähnliches Heftchen von 13 Seiten liegt mir in 
4 Exemplaren vor, ebenfalls mit gleichem Inhalt und dem Auf¬ 
druck verschiedener Apotheken-Firmen, nämlich der Stedinger-A. 
in Berne (Oldenburg), der A. Maaß in Priebus, d. Rats-A. 
in Eisleben u. d. kgl. priv. Löwenapotheke des Dr. Schwarz¬ 
haupt in Mölln i. L. Letzterer Herr empfiehlt die Broschüre als 
Gratisbeigabe zu seinen Tierheilmitteln noch auf einem schönen 
bunten Plakat, welches in der Schenkstube eines Kruges auf¬ 
gehängt war. In diesem Machwerk werden die Krankheiten 


257 


mit Symptomen angegeben und die Titel der aus der Apotheke 
zu holenden Arzneien genannt. 

In einzelnen Exemplaren liegen ähnliche Erzeugnisse vor 
von Apoth. Sonnenborn in Berne (Oldenburg), Adamczyk, kgl. 
priv. A. zu Groß-Strehlitz, O.-S., Dr. Busch in Bleckede. 
Bei einigen besteht der „Tierarzt im Hause“ bloß aus einem 
Verzeichnis ihrer Viehmittel ohne Krankheitsbeiwerk, z. B. bei 

G. Oppermann Nachfl., Apotheke und Versandgeschäft er¬ 
probter Tierheilmittel in Röbel i. Mecklbg. Unter diesen 
„erprobten“ Mitteln ist eines schlichtweg gegen Augenkrank¬ 
heiten, ein Spezifikum gegen Spat, Einreibung gegen Hornspalt, 
Latwerge (1) gegen Kreuz- und Lenden-Lähmung etc. 

In größeren Plakaten oder Annoncen-Beilagen wenden 
sich an das geehrte Publikum: die Ratsapotheke A. Mergell 
in Harburg a. E. (Kolikbalsam Flasche 3 M., Rotlaufpulver, 
Staupepulver; neben Wanzentod etc.), priv. A. K. Erdmann zu 
Felsberg (Strahlkrebs, sehr gutes Mittel dagegen; Kälberdurch¬ 
fall, sicherwirkend; Brunstpulver; Nachgeburtsabtreibung, wenn 
früh genug, Wirkung garantiert; Schutz- und Heilmittel gegen 
Rotlauf, sicheres Vorbeugemittel; Krampfpulver gegen Fallsucht 
(böses Spiel, schwere Not!!) d. Schweine; dieser Herr zeigt 
aber wenigstens an, daß er zu Auskünften bereit sei; wenn ein 
Tierarzt nicht erreichbar; die Sternapotheke zu Kempten 
(Milchfieberpulver, Hitzpulver, Entzündungs- und Geschwulst- 
salbe, Universal-Schweinspulver, neunerlei Gliederöl); die kgl. priv. 
LÖwen-A. Berlin (Vielipulver gegen Versiegen d. Milch, blaue, 
dünne und bittere M., Rotlaufpulver, Rotlaufschutz, Mittel gegen 
Verkalben, Blutharnen etc.) und die Rats A. zu Ulzen (siehe 
unten). 

In Zeitungsannoncen wird folgendes geleistet: Dampfige 
Pferde heilen radikal durch Astbmapulver A. Bründl-Ipsheim, 

H. Severit, kgl. priv. A. zu Möckern, woselbst auch 
Freß-, Milch- und Nutzenpulver, sowie Rotlaufschutz zu haben 
ist. „Zum alten Preis“ von 1 M. gibt die Apotheke zu 
Löwenberg Schweizer Schnell-Mastpulver für Schweine. 
Die Adler-A. zu Salzwedel-Nenstadt empfiehlt ihre alt¬ 
bewährten Tierarzeneimittel, darunter Rotlaufmittel, Hirsch¬ 
brunst, Stopfmittel für Ferkel etc. etc. Gefühlvolle, fast 
poetische Namen wenigstens haben Apotheker Schusters 
(Leipzig) Hausmittel fürs Vieh, welche in der Sonnen-A. zu 
Münster (Generaldepot), der Hirsch-A. zu Paderborn und 
der Löwen-A. zu Delbrück zu haben sind. „Stetszufrieden- 
Seuchenschutz“ heißt das eine, „Sahnequelle“ das andere, „Wohl¬ 
befinden-Kühnemut“ das dritte, letzteres ein Pulver für Pferde, 
unerreicht in der Wirkung, Munterkeit und Kraft der Pferde zu 
fördern, deren Krankheiten schnell zu heilen und solche dauernd 
fern zu halten (keine Geheimmittel! Zusammensetzung ange¬ 
geben!). Die Adler-A. zu Viersen, Apotheker Dr. Börner in 
Altenweddingen, Hofapotheker Dr. Hilgers-Düsseldorf ver¬ 
senden Kolikmittel, die Adler-A. zu Trier Mast- und Freß- 
pulver für Schweine, die Gestütsapotheke des Kgl. Haupt¬ 
gestüts Trakehnen Trakehner Kolikmixtur, dto. Blister und 
Fluid. Einen umfangreichen Versand von allem Möglichen hat 
auch die Apotheke zu Schneverdingen und die Ratsapotheke 
zu Ülzen (u. a. Freß-, Blut-Reinigungspulver für Schweine). 
Die Einhorn-Apotheke zu Ülzen empfiehlt kurzweg „Seuche¬ 
pillen“, die Apotheke in Meine beschränkt sich wenigstens 
auf die Maul- und Klauenseuche, gegen die das bewährte 
Schutz- und Heilmittel mit 2,50 M. pro Flasche abgegeben 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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258 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 15. 


wird. Salatin, das einzig wirkende Rotlaafmittel fabriziert 
Apotheker Mendelssohn in Meinersen; Polamo nnd Polamin 
gegen Steifigkeit, Lahragehen und Verkrümmungen bei Schweinen 
erzeugt die Apotheke zu Wustrow. Die Apotheke zu Clenze 
empfiehlt u. a. Beruhigungspulver für Schweine, wonach die¬ 
selben ruhig ferkeln und Milchfieber nicht eintritt. Ähnliche 
Pulver für Pferde bezw, Schweine annonciren die Apotheken zu 
Gartow und Plattling (Niederbayern). Man kann sich denken, 
was für ein Stoffgemisch alle diese schier wunderbaren „Pulver“ 
enthalten mögen. 

Daß Apotheker auch öfters gefährliche Mittel ohne Rezept 
verabfolgen, wie Quecksilber - Präparate, selbst Eserin mit 
Spritze etc., darüber liegen eine Anzahl Mitteilungen vor. 

Schon diese Beispiele zeigen, daß der Vertrieb von Tier¬ 
heilmitteln durch Apotheken nicht eine vereinzelte Erscheinung, 
sondern weit verbreitet ist und daß es sich um einen ganz 
ungehörigen Gebrauch handelt. 

Niemand wird etwas dagegen einwenden, wenn die Apotheke 
ohne Rezept auf Wunsch unschuldige Mittel verabfolgt. Wer 
hätte sich nicht schon in der Apotheke Mittel gegen Husten, 
Heiserkeit, Zahnschmerzen, einAntipyriupulver etc. gekauft. Wir 
würden es als eine unbillige Belästigung empfinden, müßte man 
deshalb jedesmal einen Arzt fragen. Also kann die Apotheke 
natürlich dem Landmann auch Hustenmittel für Pferde und 
Ähnliches verkaufen. 

Etwas anderes ist es, wenn der Apotheker Mittel gegen 
ernste Krankheiten, die eine Diagnose erfordern, eigenmächtig 
abgibt oder starkwirkende und gefährliche Stoffe, wodurch 
Unheil, sei es auch nur bei Tieren, angerichtet werden kann. 
Davon wird der Apotheker in der Menschenheilkunde sich 
wohl hüten. 

Noch schlimmer ist es, namentlich für das Ansehen des 
Apothekerstandes, wenn Mittel öffentlich angepriesen werden, 
welche die ihnen angedichtete Wirkung nicht entfalten können, 
und deren Ankündigung daher eine jeder Wissenschaft spottende 
unanständige Reklame darstellt, wenn sie nicht gar betrügerischen 
Charakter trägt. 

Die Krone wird aber dem ganzen aufgesetzt durch die 
Veibreitnng der „Tierarzneibüchlein“ durch Apotheker. Diese 
beschränken sich nicht darauf, ihren Kunden auf deren Wunsch 
Arzneien zu verabfolgen, sondern sie suchen Kunden zu diesem 
Zwecke anzulocken, suchen das Publikum zum Pfaschen zu 
erziehen. Niemals würde ein Apotheker sich dies der Menschen¬ 
heilkunde gegenüber erlauben. Wenn im Gegensatz dazu die 
Tiermedizin für vogelfrei angesehen wird, so können wir das 
nicht dulden. 

Der Einwand einer „berechtigten Gegenwehr“ ist ganz hin¬ 
fällig. Die Tierärzte haben ein Dispensierrecht; Mißbräuche 
desselben mögen entschieden ausgemerzt werden. Aber das 
Recht bleibt bestehen und diesem steht ein Recht der Apotheker, 
Tierkrankheiten zu behandeln, nicht gegenüber. 

Freilich ist die Kurpfuscherei an sich gesetzlich nicht ver¬ 
boten. Aber für die Apotheker gelten nicht bloß das Straf¬ 
gesetz, sondern darüber hinaus die Gebote der Wissenschaft 
nnd Standespflichten. Die Apotheker legen mit Recht Wert 
darauf, zu den wissenschaftlich gebildeten Medizinalpersonen zu 
zählen. Sie besitzen staatliche Privilegien und eine offizielle 
Standesorganisation. Innerhalb des Kreises der wissenschaftlichen 


Medizinalpersonen gilt es als Verletzung der Standespflichten, 
Pfuscherei in irgend einer Form zu betreiben. Es entspricht 
daher auch nicht der Würde des Apothekerstandes, wenn Mit¬ 
glieder desselben in Tierbehandlung pfuschen. 

Die Verlagsbuchhandlung von Julius Springer ist aber 
anderer Meinung, wie ihre obige Ankündigung beweist, die sie 
andernfalls dem Apothekerslande nicht bieten würde. Sie hält 
augenscheinlich die Tiermedizin für keine Medizin, nnd glaubt, 
daß die Apotheker jener gegenüber alles könnten. Nach ihrer 
Meinung muß der Apotheker sich tierärztlich bilden, denn die 
Kunden verlangen es ja. Daß der Apotheker die Pflicht haben 
könnte, solches Verlangen ab zu weisen, das scheint gar nicht 
in Betracht zu kommen. 

Diese Meinung einer Verlagsbuchhandlung, selbst einer so 
in die Medizin eingeführten, wie die Springer sehe es ist, wäre 
ja schließlich nicht von Belang. Aber die Verlagsbuchhandlung 
meint augenscheinlich noch etwas anderes. Nach der ganzen 
Art ihrer Ankündigung und deren Versendung meint sie näm¬ 
lich ein glänzendes Geschäft zu machen. Sie glaubt also, daß 
viele Apotheker derselben Meinung sein und das Buch zudem 
empfohlenen Zwecke kaufen werden. Bei ihrer nahen Fühlung 
mit dem Apothekerberuf wird sie guten Grund zu dieser An¬ 
nahme haben. 

Und diese Tatsache ist es, welche endlich die Tierärzte 
zwingt, ans ihrer Reserve herauszutreten. Hier heißt es 
„qui tacet, consentire videtur“. Es handelt sich nicht mehr um 
einzelne Auswüchse, es handelt sich am einen sich verall¬ 
gemeinernden Brauch, zn dem offen ein Recht, ich meine ein 
Recht auch innerhalb der für Medizinalpersonen gültigen Standes¬ 
gebote, in Anspruch genommen wird. Dem Auswachsen dieses 
„Gewohnheitsrechtes“ können wir denn doch nicht rnhig 
zusehen und es ist Zeit, die Aufmerksamkeit der Behörden auf 
diese Erscheinung zu lenken. 

Der erste Geheime Veterinärrat 

Als vor noch nicht langer Zeit zum ersten Mal der Vor¬ 
schlag laut wurde, man solle doch Tierärzten den Titel 
Veterinärrat verleihen, da wurde das für ganz untunlich erklärt, 
u. a. wnrde auch als Gegengrund angeführt, daß ja eine Korporation 
sich Veterinärrat nenne. ZuerBt hat sich Baden über diese ge¬ 
künstelten Bedenken hinweggesetzt, indem dort ein verdienter 
Bezirkstierarzt (Braun-Baden) zum Veterinärrat ernannt wurde, 
was sich inzwischen mehrfach wiederholt hat. Dann folgte 
Mecklenburg-Schwerin, wo der Landestierarzt Peters Veterinär¬ 
rat wurde. 

Die Konsequenz ist natürlich auch die Beförderung zum 
Geheimen Veterinärrat und dieser Titel ist jetzt frisch vor¬ 
weggenommen worden von Oldenburg. Wie die Deutsch. Th. 
Woch. meldet, ist dem ehemaligen Landestierarzt von Oldenburg, 
Dr. Greve sen. bei seiner Verabschiedung diese Würde ver¬ 
liehen worden. Diesen ersten deutschen Geheimen Veterinärrat 
begrüßen wir mit besonderer Freude und gratulieren ihm und 
den Tierärzten. S. 

Jubiläum. 

VeterinäraRsessor Heyne-Posen konnte am Anfang dieses 
Monats auf eine 25jährige Tätigkeit als Veterinärbeamter zu¬ 
rückblicken, die er zugleich ununterbrochen im Regierungs¬ 
bezirk Posen ausgeübt hat, wo er zuerst Kreistierarzt in 
Obornik war. Obwohl der Tag des Jubiläums nicht früh be- 


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9. April 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


259 


kannt geworden war, erhielt der verehrte Kollege, der auch als 
Vorsitzender des Posener Provinzial-Vereins, als Kassenwart des 
Veterinärrates, der Zentralvertretung und des Unterstützungs¬ 
vereins eine opferwillige und ersprießliche Tätigkeit entfaltet, 
doch von vielen Seiten Glückwünsche und Freundschafts¬ 
bezeugungen. Die beamteten Tierärzte des Bezirks gratulierten 
fast alle persönlich und überreichten eine prächtige Dedikation. 
Ihnen schlossen sich Vertreter des Provinzialvereins und des 
tierärztlichen Klubs von Posen an. Auch Geheimrat Esser 
hatte dem verdienten Mitarbeiter aus der Ferne herzliche Glück¬ 
wünsche gesandt. 

Genugtuung für den Professor Preasse. 

Im vorigen Jahre war in der B. T. W. (1902, S. 446) eine 
Bede des Abgeordneten Köhl er-Langsdorf in der hessischen 
Kammer kritisiert worden, in welcher erstens der damalige 
Professor Dr. Preuße in Gießen, zweitens die Preußen im 
allgemeinen grob angegriffen waren. Obwohl nur der letztere 
Punkt den Anlaß zur Besprechung gegeben hatte, erscheint 
es dooh angemessen, mitzuteilen, daß der genannte Abgeordnete 
jetzt dem Professor Preuße eine Genugtuung gegeben hat. 
In der Sitzung vom 27. Februar er. hat er nach dem Stenogramm¬ 
gesagt: „Ich-habe damals den Professor Preuße ange¬ 

griffen; heute muß ich sagen, daß ich damals unrecht gehabt habe“. 

Im übrigen sprach der Abgeordnete für die Umwandlung 
der bisherigen außerordentlichen Professur für innere Tier¬ 
medizin in eine ordentliche, weil dieses Fach der Chirurgie, für 
welche ein Ordinariat besteht, gleich gestellt werden müsse. 
Diese Anregung ist dankenswert und ihre Befolgung liegt durch¬ 
aus im Interesse der Gießener veterinärmedizinischen Fakultät 

Dr. sied. vet. in Österreich-Ungarn. 

In Österreich-Ungarn ist laut Mitteilung von Tageszeitungen 
eine von den tierärztlichen Hochschulen in Wien, Pest und 
Lemberg aus erfolgte Bewegung im Gange zur Erlangung des 
Promotionsrechtes für diese Hochschulen. Bisher promovierten 
zahlreiche österreichische und ungarische Tierärzte in der 
Schweiz und in Italien, deren veterinärmedizinische Doktor¬ 
diplome in der Gesamtmonarchie anerkannt werden. 

Zur Fleischbeschau. 

Der 1. April dürfte die tatsächliche Einführung der Fleisch- 
schau resp. die Bestellung des Beschaupersonals noch nicht 
überall gebracht haben und es wird wohl noch einige Zeit 
dauern, ehe überall feste Ordnung in diese so neuen Ver¬ 
hältnisse hineinkommt. 

Sicher ist, daß in vielen Kreisen die Tierärzte grundsätzlich 
ans der Fleischbeschau herausgedrängt werden. Da die tier¬ 
ärztliche Beschau nicht teurer ist, so kann der Grund für die 
prinzipielle Bevorzugung von Laien nur in der Annahme liegen, 
daß es sich mit diesen „leichter“ werde wirtschaften lassen. 

Ein Kollege empfiehlt als Gegenmittel, welches natürlich 
festes kollegiales Zusammenhalten voraussetzt, daß in solchen 
Kreisen die Tierärzte sämtlich die Übernahme der Ergänzungs- 
fleischbeschau ablehnen sollten, die gesetzlich Tierärzten 
übertragen werden müsse. Daß damit event. eine Verlegenheit 
geschaffen und eine Pression ausgeübt werden könnte, ist sicher. 
Indessen kann diese Waffe auch zu einer zweischneidigen werden; 
wie — braucht man nicht weiter auszumalen. 

Übrigens hat geschlossenes und richtiges Vorgehen der 
Tierärzte doch teilweise Früchte getragen. So hat z. B. der 


Regierungspräsident von Hannover die Eingabe der Tierärzte 
eines Kreises, welche vom Landrat sämtlich nicht berücksichtigt 
worden waren, dahin beantwortet, daß er den Herrn Landrat 
ersucht habe, für diejenigen Beschaubezirke, in denen geeignete 
und bereite Tierärzte wohnen, diese in erster Linie zu ordent¬ 
lichen Fleischbeschanem zu bestellen. 


Strenge gegen ausländisches Flelsohl 

Der 1. April ist da und damit der Zeitpunkt des Inkrafttretens 
des Fleischschaugesetzes. Sowohl inländisches wie ausländisches 
Fleisch unterliegt der amtlichen Untersuchung. Bezüglich des letz¬ 
teren möchte ich einige Ausführungen machen. Viele Orte des rhei¬ 
nisch-westfälischen Industriebezirks werden überschwemmt mit 
minder gutem holländischen Fleisch. Damit wird geschleudert und 
den anderen Metzgern Konkurrenz gemacht Solches Fleisch muß 
in Holland wohl billig sein, selbst wollen es die Holländer nicht 
essen und nach England können sie es nicht los werden, mit 
Vorliebe wird es nach Deutschland abgeschoben. Viele Metzger 
kaufen es gern, sie würden sich genieren, solche Tiere lebend 
durch die Stadt zu treiben, doch im Wagen wohl verpackt 
kommt das Fleisch dem Publikum und der Konkurrenz nicht zu 
Gesicht. Den Tierärzten wie den Polizeibehörden ist eB von 
nun an nicht mehr möglich, solchen Metzgern dieses Geschäft 
zu erschweren. Ehrenpflicht aller Tierärzte jedoch, die mit der 
Untersuchung des ausländischen Fleisches betraut sind, ist es, 
dafür Sorge zu tragen, daß nur vollwertige, erstklassige Ware 
nach Deutschland kommt. So wie die Metzger und holländischen 
Händler von Anfang an gewöhnt werden, so wird es für die 
Zukunft sein. Holland hat gute Tiere genug'; mögen die Metzger, 
wenn sie absolut wollen, solche importieren und uns mit abge¬ 
magertem, minder gutem Material verschonen. Ebenfalls ist es 
nicht nötig, daß ganz junge Kälber über die Grenze kommen. 
Ohne Schwierigkeit können die holländischen Landwirte die 
Kälber 10 bis 14 Tage tränken; wenn Sie wissen, daß sie es 
müssen, werden sie sich schon fügen. In Wirklichkeit sind die 
betreffenden Metzger selbst auf derartige scharfe Vorschriften 
gefaßt, sie hoffen jedoch, daß mit der Zeit die Grenztierärzte 
weniger scharf verfahren werden, daß sie selbst unter Vorgeben, 
keine bessere Qualität bekommen zu können, ihr altes Hand¬ 
werk wieder aufnehmen können, daß ferner später der Tierarzt 
im Eisenbahnwaggon ihr Fleisch untersuchen würde, wodurch 
sie natürlich manches verdecken könnten.“ -s. 


III. Quittung Über die zum preusslsohen Stipendienfonds leingegangenen 

Beiträge 

bis znm 31. März er. 


Transport vom 1. März 

Arndt, Dr., Departementstierarzt, Oppeln. 

Warringsholz, Dr., Tierarzt, Borg i. Dithmarschen . . 

Lück, Kreistierarzt, Hamm i. W. 

Riickner. Kreistierarzt, Brieg (Bez. Breslau). 

Kogge, Tierarzt, Potsdam. 

Matzki, Kreistierarzt, Kempen (Posen). 

8tolle, Tierarzt, Eldagsen. 

Mette, Kreistierarzt, Saarbrücken. 

Rassow, Tierarzt, Teterow. 

Büttner, Tierarzt, Peterwitz b. Saaran. 

Wulff, Schlachthofdirektor, Cottbus. 

Horn, Schlachthofdirektor, Wittenberge (Bez. Potsdam) . 

Storbeck, Oberroßarzt a. D., Berlin. 

Graul, Kreistierarzt, Ratibor. 

Pfeiffer, Gestütsinspektor, Repitz bei Torgau . . . . 

Duvinage, Marstall-Oberroßarzt, Berlin. 

von Müller, Oberroßarzt a. D., Stendal. 

Tierärztlicher Verein für die Provinz Brandenburg . . . 

Wessendorf, Kreistierarzt, Elberfeld. 

Nntt, Kreistierarzt, Brakei. 


2922,35 M. 
60,— „ 
10> »i 
20,06 „ 
20,06 „ 
20,06 „ 
10,06 „ 
6 , »> 
50,— „ 
10,06 „ 
ö, „ 
100,10 „ 
10 ,- „ 
10 - „ 
26,06 „ 
16 ~ „ 
20,05 „ 

io - „ 

300,- „ 
20 - „ 
16 - „ 


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260 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 15. 


Fürstenau, Kreistierarzt, Ahaus. 10,—M. 

Schmidt, Dr., Departementstierarzt, Aachen. 40,— „ 

Dalchow, Kreistierarzt, Rathenow. 20,— „ 

Wancke, Kreistierarzt, Haynan (Schl.). 10,— „ 

Prüftings-Kommission für Fleischbeschaner zu Breslau 

(Koschel 20, Marschner 15, Sporleder 15 M.) . 60,— „ 


Summa 3777,80 M. 

BUcheranzeigen*) und Kritiken. 

Zur Ätiologie deo oog. Geburtsrauschbrsndes von Bezirkstierarzt 
Dr. Siegfried Carl. Inaugural-Dissertation. Bern 1903. 

C. faßt seine umfangreichen Untersuchungen wie folgt zu¬ 
sammen: Der sog. Geburtsrauschbrand hat mit dem echten 
Rauschbrand nichts gemein, sondern er stellt eine in den 
meisten Fällen unter rauschbrandähnlichen Erscheinungen ver¬ 
laufende Erkrankung [der Muskulatur und des Unterhaut-Binde¬ 
gewebes beim Rindvieh dar, womit hochgradige Störungen des 
Allgemeinbefindens .der Tiere verbunden sind. Hervorgerufen 
werden diese Krankheitssymptome durch den Bazillus des 
malignen Ödems. Die Infektion erfolgt durch das Eindringen 
der Sporen dieses Mikroben in die Geburtswege, wird be¬ 
günstigt durch abnorme Geburtsfälle" (Retentio secundinarum, 
Uterus-Vorfall, äußere Einwirkungen etc.) und wird ermöglicht 
durch die sich häufig daran anschließende, auf Bakterienwirkung 
beruhende Entzündung des Uterus. Jeß. 

Vorlesungen Ober Bakterien von Professor Dr. Alfred Fischer. 
Zweite vermehrte Auflage mit' 69 Abbildungen. Verlag von 
Gustav Fischer. Jena 1903. Preis 8 Mark. Das Fischersche 
Buch beschäftigt sich eingehend mit der Morphologie und mit 
der Lebensweise der Bakterien. Speziell sind abgehandelt die 
Einwirkungen der Physikalien und Chemikalien auf die Bakterien, 
der Kreislauf des Stickstoffs, der Kohlensäare; dann sind die 
Bakterien behandelt als Krankheitserreger, und in einem An¬ 
hang ist über die Schutzimpfung und die Serumtherapie ge¬ 
sprochen. Zu einem gründlichen Verständnis der Bakteriologie 
gehört natürlich auch eine eingehende Kenntnis der Gestalt und 
der Lebensvorgänge in den Bakterien, und man kann sagen, 
daß gerade diese Kapitel in keinem Werke besser dargestellt 
sind als in den Fischerschen Vorlesungen. Das Buch kann 
deshalb allen denen auf das Angelegentlichste empfohlen werden, 
welche sich eingehend auf das Studium der Bakteriologie vor¬ 
bereiten wollen, und für denjenigen, welcher selbständig auf 
dem Gebiete der Bakteriologie zu arbeiten beabsichtigt, ist eine 
feste Grundlage eine unerläßliche Forderung. Für alle diese 
aber wird das Fischersche Buch ein ausgezeichneter Leit¬ 
faden sein. Jeß. 

Neue Eingänge. 

Neuhaus, Carl, Tierarzt: Die postembryonale Entwicklung der 
rhabditis nigrovenosa (ans dem zoologischen Institut der Universität 
Rostock). Abdruck aus der Jenaischen Zeitschrift für Naturwissen¬ 
schaft. Band 87. Verlag von Gustav Fischer-Jena. 

Delbrüok, Professor Dr., Geheimer Regierungsrat: Die Bedeutung 
der Enzyme im Hafenleben. Aus der „Wochenschrift für Brauerei“ 
für Berlin bei Gebr. Unger. 

Personalien. 

Auszeichnungen, Ernennungen: Dem Landestierarzt a. D. von 
Oldenburg Dr. Greve wurde der Titel eines Geheimen Veterinär¬ 
rates, dem Kreistierarzt J. Lieber zu Mühlhausen i. Tb. und dem 
Oberroßarzt Virchow in Potsdam der rote Adlerorden 4. Klasse 

♦) Von den eingesandten Büchern werden hierunter Titel usw. mit¬ 
geteilt. Eine Verpflichtung zu eingehender Besprechung wird iedoch 
nicht übernommen; dieselbe bleibt Vorbehalten. Die Redaktion. 


verliehen. — Amtstierarzt Dr. Grewe jr. wurde zum Landesober¬ 
tierarzt für das Großherzogtum Oldenburg ernannt; die Kreistier¬ 
ärzte Haas und Tirolf in Metz zu Kreistierärzten für Metz-Ost 
bezw. Metz-West; die Tierärzte Plattvoet und Ziegfeld zu Amts¬ 
tierärzten in Haan bezw. RUstningen (Oldenburg); Uhl and in 
Brackenbeim zum Distriktstierarzt in Schwaigern (Württb.); 8chlacbt- 
hausassistenztierarzt Grosch in Liegnitz zum Scblachtbaustierarzt 
in Königsberg; die Tierärzte Mattauschek u. Stolz zu Assistenten 
am Scblachtbof zu Dortmund; Tierarzt Silberschmidt zum städt. 
Tierarzt in Gevelsberg (Westf.); Dr. Joe st-Stettin zum Vorsteher des 
bakteriologischen Instituts der Landwirtschaftakammer für Schleswig- 
Holstein zu Kiel. Am anatom. Institut der Berliner tierärztl. Hoch¬ 
schule Bind der bisherige Prosektor Dr. Fromme ausgeschieden, der 
bisherige Assistent Friedrichs zum Prosektor und der Tierarzt 
Edzards aus Berlin zum Assistenten ernannt worden. 

Wolmsitzverlndeningen, Niederlassungen: Verzogen sind Polizei¬ 
tierarzt Schache von Düsseldorf nach Altenessen; die Tierärzte 
Biermann von Guttentag nach Berlin; Plesser von Altenrüthen 
nach Guttentag; Heidrich von Plauen i. VogtL nach Dresden; 
Schmidt von Auerbach i. Vogtl. nach Gotha; Heydt von Klausthal 
nach Kettwig i. Rh.; Thieme von Kaysersberg nach Markircb; 
Staudenmaier von Oberpleis nach Hennef; Dr. Nörner von Leipzig 
nach Memmingen; Dr. M. Müller von Straßburg nach Thamm i. Eis. 
als Assistent zum KreiBtierarzt Bubendorf; H. Pütz und Oehler 
als Assistenztierärzte nach Kleve bezw. Wetzlar; Schlachthofinspektor 
Fricke von Goldberg nach Filebne; Dr. Breidert, bisher Assistent 
am hygien. Institut der tierärztl. Hochschule in Berlin, an das 
Rotlauf-Impf-Institut nach Prenzlau. 

Examina: In Berlin wurden approbiert die Herren Hellwig, 
Jansen, Weidlich, Hennig, Kunze, Lehmann, Wölffer, 
Gauda, Goronczy, Kobel, Teicke, Vedder. 

In der Armee: Die Oberroßärzte Ebertz vom Reg. der Gardes 
du Corps zum 5. bad. Feld-Art.-Regt. No. 76 und Wilden vom 
schlesw.-holst. Hus.-Regt. No. 16, bisher kommandiert als Inspizient 
bei der Militär-Roßarztschule, als etatsmäßiger Inspizient dorthin 
versetzt. — Roßarzt Helm im ostpreus. Drag.-Regt. No. 10 zum 
Oberroßarzt im pomm. Drag.-Regt No. 11 befördert; zu Roßärzten 
die Unterroßärzte Weller im 2. Feld-Art-Regt. No. 28 und Krüger 
vom 1. Garde-Ulanen-Regt. im ostpr. Drag.-Regt. No. 10. — Ver¬ 
setzt die Roßärzte Moll vom loth. Train-Bat No. 16 zum schlesw.- 
holst. Ulanen-Regt. No. 15, P 6 e vom 1. Garde-Drag.-Regt. zum loth. 
Train-Bat No. 16; Tix vom Kür.-Regt. No. 6 zum 1. kurhess. Feld- 
Art.-Regt. No. 11, Dr. Albrecht vom 2. rhein. Hus.-Regt. No. 9 
zum schlesw.-holst Ulanen-Regt. No. 15, Sosna vom 3. schles. 
Drag.-Regt. No. 15 zum 2. rhein. Hus.-Regt No. 9, Schmidt vom 
3. sächB. Feld-Art.-Regt No. 82 zum Trainbat. No. 19, Uhlich vom 

2. sächs. Feld-Art.-Regt. No. 28 zum 8. Feld-Art-Regt. No. 32, Oehl- 
horn und Fritsch, bisher bei der ostasiat. Besatzungsbrigade zum 

1. Garde-Drag.-Regt. bezw. 2. Garde-Ulanen-Regt; die Unterroßärzte 
Schmidt vom 1. obereis. Feld-Art-Regt No. 15 zum 2. schles. 
Husaren-Regt. No. 6, Volland vom 3. bad. Drag.-Regt. No. 22 zum 

3. schles. No. 16. — Zu einjähr.-freiwill. Unterroßärzten im 8. Garde- 
Feld-Art.-Regt. befördert die Einjährigen Loewe und Schulz, im 

2. Kurhess. Goldmann und Teschauer. 

Vakanzen. 

Neu hinzutreten (siehe übrig. No. 14): Düren: Schlachthof¬ 
tierarzt, auch zur Untersuchung eingeführten ausländischen Fleisches, 
sofort Meldung mit Lebenslauf und Zeugnissen bis 10. April an 
Schlacbthofdirektor Haffner. — Eschwege: Schlachthausvorsteher 
für 1. Juli. Gehalt 2100 M., jährlich um 150 M. steigend bis 3300 M. 
Meldung bis 1. Mai an den Magistrat — Gelsenkirchen: Tierarzt 
für Fleischbeschau. Gehalt 3000 M. Keine Privatpraxis. Meldung 
mit Lebenslauf, Zeugnissen, Angabe über Zeit des möglichen Ein¬ 
tritts an den 1. Bürgermeister. — Rummelsburg: Tierarzt für 
Fleischbeschau. Offerten mit Gehaltsansprüchen, Lebenslauf Zeug¬ 
nissen sofort an den Amtsvorsteher. — Russ.: Tierarzt mit 600 M. 
Zuschuß vom Kreis Heydekrug. Auf Wunsch Übertragung der Fleisch¬ 
beschau, alljährlich Schlachtung von gegen 2000 Schweinen und 
200 Rindern. Auskunft erteilt Amt Russ. O.-Pr. 


Verantwortlich für den Inhalt (oxkl. Inieratenteil): Prof. Dr. Schmält* In Berlin. — Verlag and Eigentum von Richard Schoetz in Berlin. — Druck von W. BOxensteln, Berlin. 


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Dl* „Berliner TlerinUleb* Wo*b*naebrlft s erscheint 
wöchentlich lm Verlag* ton Richard Schoeta ln 
Berlin, Luisenstr.50. Durchjede* deutsche Postamt wird 
dieselbe »um Preise ron M. 5,— vierteljährlich (M. 4,88 für 
di* Wochenschrift, 19 Pf. für Bestellgeld) frei ins Hans 
geliefert (Deutsche Post-Zeltungs-Preisliste No. 1109, 
Oesterrelchtsche No. 010, Ungarische No. 90.) 


Berliner 


Orlgtnalbeltrtge werden mit 60 Hk. für den Bogen honoriert. 
Alle Manuskripte, Mitteilungen und redaktionellen An* 
fragen beliebe man su senden an Prot Dr. Sehmalta, 
Berlin, tierftntlloh* Hochschule, NW, Luisenstrasse 56. 
Korrektoren, Resscsions-Kxemplare und Annoncen da¬ 
gegen an dl* Verlagsbuchhandlung. 


Tierärztliche Wochenschrift 


Redaktion: 

Professor Dr. Schmaltz- Berlin 

Verantwortlicher Redakteur. 


De Bruta 

Dr. Jess 

KOhnau 

Dr. Lothes 

Nevermann 

Prof. Dr. Peter 

Peters 

Profotjor 

Krela tierent 

Bohlachthofdirektor 

Departements erant 

Krelitlerarzt 

, KreUtierarxt 

DepartemedUtierarxt 

Utrecht 

Oharlottenbnrg. 

Cöln. 

Cöln. 

Bremervörde. 

Angermünde. 

Bromberg. 


Prsntss 

Dr. Boeder 

Dr. Schlegel 

Dr. Vooel 

Zündel 



Veterinäre—eieor 

Profeitor 

Profenor 

Landei-Inip. f. TIereneht KreUtierarxt 



Danzig. 

Dresden. 

Freiburg i. Br. 

München. 

Mülbansen i. E. 



Jahrgang 1903. Jfä 16 . Ausgegeben am 16. April. 


Inhalt: Krueger: Die Wild- und Rinderseuche. — Kothe: Digitalisvergiftung bei Enten und Hühnern. — Petereen: In- 
versio recti bei einem l'/jjäbrigem Füllen. — Detre-Deutsoh : Über den Rotlaufschutzimpfstoff des Bndapester 
Institutes Jenner-Pasteur. — Referate: Preisz: Der Bazillus des senchenhaften Verwerfens. — Jeö: Wochenübersicht 
Uber die medizinische Literatur. — Tagesgesohiohte: Die Dankesbezeugnngen des Deutschen Veterinärrates für die Einführung 
des Abiturientenexamens. — Besprechung über Fleischpreise und Einfuhrbeschränkung im preußischen Herrenhause. — 
Verschiedenes. — Personalien. — Vakanzen. 


Die Wild- und Rinderseuche. 

Von 

Krueger-Schroda, 

KreUtierarxt 

Die Ätiologie der Wild- und Rinderseuche ist ziemlich 
ebenso gründlich erforscht wie die des Milzbrandes. Auch die 
klinischen Erscheinnngen und pathologisch anatomischen Befände 
sind von Kitt, Friedberger-Fröhner, Dieckerhoff und 
anderen so gut beschrieben, daß der orientierte Sachver¬ 
ständige in den meisten Fällen auf Grund seines theoretischen 
Wissens eine richtige Diagnose stellen wird, wenn er auch 
selbst znvor die Krankheit zu beobachten nicht Gelegenheit hatte. 

Indeß kommen doch auch Fälle von Wild- und Rinderseuche 
vor, wo das gewöhnliche Bild modifiziert ist, und wo man, von 
der bakteriologischen Feststellung abgesehen, schwanken könnte, 
ob tatsächlich Wild- und I&nderseuche vorliegt, wenn nicht in 
demselben Beistände weitere einwandsfreie Fälle vorgekommen 
wären. 

Diese Zweifel werden nach der klinischen Seite hin in der 
Hauptsache dadurch hervorgerufen, daß in der Literatur die An¬ 
sicht vertreten ist, als ob die Seuche nur mehr in akuter oder 
perakuter Form auftrete (Kitt, bakteriologische Übungen — 
Dieckerhoff, Pathologie und Therapie) und daß die Prognose 
beim Rind eine sehr ungünstige sei, sodaß die Rinder nur aus¬ 
nahmsweise mit dem Leben davonkommen. 

Dieses trifft, meinen Beobachtungen nach, nicht immer zu. 
Ich kenne eine größere Zahl einwandsfreier Fälle, bei denen die 
Wild- und Rindersenche in langsam verlaufender Form auf- 
getreten, and wo die Mehrzahl der Tiere genesen ist. 

Von vornherein möchte ich hervorheben, daß die Diagnose 
von mir gestellt wurde, nicht allein auf Grund des klinischen 
bezw. pathologisch-anatomischen Befundes, sondern durch Nach¬ 
weis der Bakterien und, abgesehen von einem Fall, dnreh Impfung 
von Kaninchen, Übertragen von Blut der eingeg&ngenen Kanin¬ 
chen auf Kartoffeln, Untersuchung der Kulturen und Verfütterung 
der Kartoffeln an Kaninchen. 


Ich habe Gelegenheit gehabt, die Wild- und Rinderseuche 
in 18 Gemeinden, 19 Gehöften bei 101 Rindern, 3 Pferden und 
14 Schweinen, insgesamt 118 Tieren zu beobachten. Davon sind 
gefallen 40 Rinder, 3 Pferde und 14 Schweine, insgesamt 57 Tiere. 

Es litten an der 

pektoralen Form . 71 (28) R. 2 (2) Pf. 

i exanthematischen „ . 2 (1) R. 

pekt.-exanth. ■- „ - . 14 (14) Schw. 

„ intest. >, . 22 (6) R. 

exanth.- „ „ . 6 (6) R. 1 (1) Pf. 

Die eingeklammerten Zahlen bezeichnen die Todesfälle. 
Nach obiger Statistik ist die von Schneidemühl (animalische 
Nahrungsmittel) gegebene Mitteilung keine zutreffende, daß die 
exanth ematische Form die beim Rind am häufigsten vorkommende 
wäre. Es kann auch nicht Rudowski — Zeitschrift für Tier¬ 
medizin V. Band S. 144 — zugestimmt werden, wenn er erklärt, 
daß Fälle von rein pektoraler Form von Wild- and Rindersenche 
nur selten Vorkommen, and daß die exanthematische Form doch 
weit häufiger vorkommt. Für manche Zeiten und Orte mag es 
zutreffen, als allgemeiner Grundsatz kann der Satz nicht be¬ 
stehen bleiben. 

Ich will nnn nicht ausführlich die einzelnen Krankheitsfälle 
beschreiben, da, wie ich schon oben hervorgehoben, die Seuche 
von Kitt, Hahn, Bonnet, Putsche, L. Franck, Fried- 
berger-Fröbner, Dieckerhoff, Rudowski etc. gut be¬ 
schrieben ist; ich will mich vielmehr darauf beschränken, auf 
einige Besonderheiten, die in den Beschreibungen fehlen oder 
ihnen entgegengesetzt sind, aufmerksam zu machen. 

‘ Von klinischen Erscheinungen ist hervorzuheben, daß in 
einem Falle die pektorale Form der Krankheit mit Nasenbluten 
einsetzte, das sich mehrfach wiederholte. 

Entgegen den Angaben von Dieckerhoff fand ich bei der 
pulmonalen Form das Flotzmaul nicht kalt und trocken, sondern 
warm und feucht. 

Die entzündlichen Ödeme der exanthematischen Form treten 
nicht nur an den Weichteilen des Kopfes und des Halses bis 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 16. 


zum Triel auf, sondern auch an anderen Stellen des Körpers, 
z. B. der Kruppe. 

Bei der exanthematischen und bei der pektoralen Form wird 
die Krankheit nicht regelmäßig von einer diffusen hämorrha¬ 
gischen Gastro-Entaitis begleitet. In einer großen Zahl von 
Fällen habe ich normale Darmgeräusche, normalen Kotabsatz, 
Ruminieren, Appetit, wenn auch verminderten, beobachten können. 

Der Husten ist kurz und matt. Im Kehlkopf bezw. der 
Luftröhre kann die Schwellung der Schleimhaut so stark werden, 
daß schlotternde Wülste entstehen, welche das Lumen stark 
verengern. Bei dem ersten Fall in einem Gehöft nahm ich an, 
daß ein Fremdkörper in der Luftröhre sich eingekeilt habe und 
daß die Halsschwellung von einer Schlundverletzung herrühre, 
hervorgerufen durch Eingehen mit der Schlundsonde seitens 
eines Laien. Die Temperatur konnte von mir nicht aufgenommen 
werden, da ich nur zufällig den Patienten sah und kein Thermo¬ 
meter bei mir hatte. 

Was die Fieberkurve bei der pneumonischen Form anbetrifft, 
so bleibt sie sich fast gleich, auch wenn in der Atmung bereits 
eine gewisse Beruhigung eingetreten ist. 

Ein l>/ 2 jähriger Bulle zeigte am 

4. Krankheitstage 28 A, 76 P, 39,9 0 T, 

10. „ 54 A, 80 P, 39,9 o T, 

12. „ 20 A, 76 P, 39,7 ° T. 

Ein 4jähriger Ochse zeigte am 

4. Krankheitstage 32 A, 76 P, 39,9 0 T, 

10. „ 30 A, 70 P, 39,6 ° T, 

12. „ 20 A, 80 P, 39,7 o T. 

Ein iy 2 jähriger Bulle zeigte am 

4. Krankheitstage 50 A, 90 P, 40,6 0 T. 

10. „ 48 A, 80 P, 40,3 o T. 

12. . „ 45 A, 81 P, 40,3 o T. 

Die Temperaturerhöhung findet sich bereits beim Auftreten 
der ersten Krankheitserscheinungen. Eine 5jährige Stute, die 
mittags noch ganz munter gewesen und ihr Futter mit bestem 
Appetit verzehrt hatte, bekam nach 4 Stunden plötzlich eine 
sehr schmerzhafte, heiße, harte, 2 handtellergroße, eine hand¬ 
breit-hohe Anschwellung und zeigte damals eine T. von 39,6 °. 

Der klinische Verlauf war bald ein perakuter, so daß die 
Tiere innerhalb weniger Stunden starben, bald währte die Krank¬ 
heit 2—3 Tage, in einer großen Anzahl von Fällen erstreckte 
sie sich auf 14 Tage und länger. Ein zweijähriges, an der 
exanthematischen Form erkranktes Rind war 16 Tage krank, ehe 
es starb, eine dreijährige, an der exantematischen Form er¬ 
krankte Kuh war am 14. Tage nach meiner ersten Untersuchung 
noch nicht ganz gesund, sondern zeigte noch Fieber. 40 am 
Schlüsse eines Seuchenganges an der pektoralen Form erkrankte 
Rinder waren 14 Tage krank. 

Es stimmt also die Angabe verschiedener Autoren über die 
Krankheitsdaner nicht überein mit obigen Beobachtungen, ins¬ 
besondere, was die Länge der Krankheit bei der exanthema¬ 
tischen Form betrifft. Bei dieser Form boII der Tod nach 
Schneidemühl meistens nach 12—48 Stunden, nach Fröhner in 
maximo nach 3—4 Tagen eintreten. Putsche konstatierte bei 
der Lungenform als längste Krankheitsdaner nur 8 Tage. 

Die Angabe von Dieckerhoflf, daß die Rinder nur ausnahms¬ 
weise und wenn die Erscheinungen keinen hohen Grad erlangen, 
mit dem Leben davon kommen, trifft nicht zu. Ich habe schwere 
Patienten genesen gesehen. 


Auch endet die Krankheit nicht stets tödlich, wenn eine 
umfangreiche Geschwulst am Kopfe entstanden. 

Die Diagnose wird nicht, wie Rudowski meint, dadurch er¬ 
leichtert, daß gewöhnlich mehrere Fälle von Rinderseuche in 
derselben Gemeinde auftreten. In 18 Gemeinden sah ich die 
Rinderseuche nur in 19 Gehöften auftreten. In den ergriffenen 
Gehöften braucht nur ein Tier zu erkranken. 

Bei einer Kuh sah ich nach der Rinderseuche eine sehr 
schmerzhafte Sehnenscheidengalle der Strecker an dem Karpal- 
gelenk und der seitlichen Zehenstrecker am Sprunggelenk auf¬ 
treten, bei einer Färse eine Sehnenscheidengalle der Strecker 
am Karpalgelenk. Bei einem Jungbullen eines durch Wildseuche 
verseucht gewesenen Gehöftes beobachtete ich eine nicht 
schmerzhafte Tendovaginitis der Strecker am Karpalgelenk; 
indeß ließ sich nicht feststellen, ob der Bulle selbst an der 
Wildseuche erkrankt gewesen. 

Bei einer Färse, die an der pektoralen Form schwer ge¬ 
litten, machte sich bei der Genesung ein Ekzem auf der Kruppe 
bemerkbar. 

Ich lasse dahingestellt, ob Gallen und Ekzem mit der 
Rinderseuche etwas zu tun hatten, ich möchte nur die Er¬ 
scheinungen registrieren. 

Klinische Erscheinungen bei Schweinen zu beobachten, hatte 
ich keine Gelegenheit. Den Laien fiel immer die Btarke An¬ 
schwellung am Halse auf; in einem Fall auch die starke violett¬ 
rote Schwellung der Zunge. 

Der pathologisch-anatomische Befund bei Schweinen, die 
immer der perakuten Form erlagen, spricht sich zunächst in 
einer starken ödematösen Schwellung der Haut im Kehlgang 
und am Halse aus; das Unterhautbindegewebe ist sehr stark 
serös sulzig infiltriert mit kleinen und großen Blntherden. Die 
im Bereich dieser Schwellungen liegenden Lymphdrüsen sind 
stark vergrößert und meist hämorrhagisch infiltriert; der Rüssel 
ist blaurötlich, die Maulschleimhaut blau verfärbt; die Schleim¬ 
haut des Kehlkopfes ist stark geschwollen, die Trachea streifig 
gerötet; das Brustfell ist scharlachrot gefärbt; im Herzbeutel 
befindet sich gerötetes Serum; die Interstitien der erkrankten 
Lungenpartien sind bei allen Schweinen durch johannisbeergelee- 
bis burgunderfarbige Exsudate geschwollen. 

Was den pathologisch-anatomischen Befund bei Rindern 
betrifft, so stimme ich Rudowski zu, wenn er sagt, daß die 
Unterscheidung zwischen Lungenseuche und der pektoralen Form 
der Rinderseuche unter allen Umständen unschwer durchzufnhren 
ist, auch abgesehen vom klinischen Verlauf. 

Es ist immer im Auge zu behalten, daß bei der Rinder¬ 
seuche ein großer Teil der Lunge in ganz kurzer Zeit erkrankt 
und daß daher auch die Vorgefundenen Veränderungen von 
gleichem Alter und von ziemlich gleichem Aussehen sein werden 
im Gegensatz zu den ungleichmäßigen Lungenveränderungen 
bei der Lungenseuche. 

Indes darf nicht übersehen werden, daß bei den langsam 
verlaufenden Fällen, wo es nicht bei den Stadien des Engouements 
und der roten Hepatisation verbleibt, sondern wo auch die 
Stadien der gelben Hepatisation und der Lösung eintreten, diese 
beiden letzteren Stadien an den verschiedenen Stellen nicht 
genau zu gleicher Zeit einsetzen werden, sodaß auch geringe 
Farbenunterschiede sich bemerkbar machen müssen, die sich 
aber über größere Abschnitte erstrecken. 


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16. April 1908. 

Die Interstitien im Langengewebe sind nicht immer 
(Dieckerhoff, Rudowski) von salzig infiltriertem, bernstein¬ 
gelbem Aassehen, sondern man findet bei älteren Prozessen gran- 
weiße, trockene, wenn auch nicht derbe, breite Streifen, inner¬ 
halb deren die Läppchen nicht, wie Rudowski mitteilt, stark 
durchfeuchtet sind — das trifft allerdings für die akuten Formen 
zu —, sondern sie sind oft mehr trocken, sodaß es bei Schnitten 
Mühe macht, auf die PlatinÖBe Flüssigkeit zu bekommen; in 
derartigen AnsBtrichpräparaten findet man übrigens die Bakterien 
spärlicher vor als im Blute. 

Bei Brustfelltuberkulose findet man starke Hämorrhagien 
um die Perlknoten (locus minoris resistentiae), was ein ganz 
eigenartiges Bild gewährt. Bei den pulmonalen Formen fehlen 
oft die angeblichen Hämorrhagien in allen möglichen Organen; 
ieh habe Fälle gesehen, wo Hämorrhagien außer in den Organen 
der Brusthöhle und in dem Bindegewebe um die Luftröhre 
gänzlich fehlten. 

Über die Beschaffenheit der Lungen nach 12 tägiger Krank¬ 
heitsdauer wird nachfolgender Sektionsbefund über einen getöteten 
1 y 2 jährigen Bullen wohl Aufschluß geben: ... In der Brust¬ 
höhle ist die Lunge fast in ihrer ganzen Ausdehnung mit Brust- 
und Zwerchfell durch fibrinöse Massen verlötet; rechte Lunge 
normal, linke Lunge teilweise von Fibrinmassen bedeckt; diese 
Lunge düsterrot, wenig durchsaftet, luftleer, nicht kollabiert, 
schwer, von derber, kautschukähnlicher Konsistenz; auf der Ober¬ 
fläche heben sich die einzelnen Lobuli buckelartig empor und 
man sieht schon von außen, daß die Lobnli durch breite gelb¬ 
graue bis grauweiße Streifen von einander getrennt sind, die 
tiefer liegen, als die Oberfläche der Lobuli selbst; auf dem 
Durchschnitt sehen die einzelnen Lobuli und alle mit einander 
vollkommen braun- bis dunkelrot, leberartig aus; sie sind trocken, 
gekörnt, im Stadium der roten Hepatisation; das interstitielle 
Bindegewebe ist fibrinös infiltriert, von gelbgrauer bis grauer 
Farbe, trocken, ganz bedeutend verbreitert, durchschnittlich 3 mm, 
an den breitesten Stellen 5 mm, nirgends wohl unter 2 mm dick. 
Die Gefäße sind mit Thromben gefüllt. Die Schleimhaut der 
größeren Bronchien ist fleckig gerötet. Die übrigen Organe 
sind sämtlich normal. 

Die sonst in der Literatur mitgeteilten Erscheinungen 
konnte ich bei den verschiedenen Krankheitsfällen beobachten; 
insbesondere fand ich die von Dieckerhoff beschriebenen all¬ 
gemeinen Erscheinungen fast sämtlich vor: Das Fieber, die 
allgemeine Ermüdung, den ängstlichen Blick, das Zurticktreten 
und Verdrehen des Augapfels, die Horripilationen, das Muskel¬ 
hüpfen, die Inappetenz und Sistierung der Rumination, die Puls¬ 
frequenz, die Entleerung von Tränen aus den Augen und von 
zäher Flüssigkeit aus der Nase, das Geifern aus dem Maul, die 
venöse oder cyanotische Färbung der Kopfschleimhäute, die 
Schlingbeschwerden, die Verminderung der Peristaltik im Darm¬ 
kanal, die Verstopfung oder Entleerung breiiger Massen, das 
Versiegen der Milch, das anhaltende Stöhnen und Ächzen, die 
starke Dyspnoe, die steife Haltung des Rumpfes, die Aufwärts¬ 
krümmung des Rückens, die bei Lungenentzündungen Vorkommen, 
die charakteristischen Auskultations- und Perkussionsgeräusche, 
die starke Atemfrequenz, den unfühlbaren Puls, das Unvermögen 
zum Stehen, die große Unruhe, die Konvulsionen, die Erstickungs- 
fälle. Natürlich treten die Krankheitserscheinungen nicht sämtlich 
bei jedem Tier auf, sondern je nach der Form und dem Grade 
der Krankheit fehlte die eine oder die andere. Auch den sonstigen 


268 


pathologisch-anatomischen Befund konnte ich bestätigen. Die 
Cyanose und hämorrhagische Infiltration der Kopfschleimhäute, 
die kroupöse Pneumonie, die Perikarditis, die Mediastinitis, die 
Pleuritis, die Entzündung der Submukosa der Rachenhöhle, die 
gewöhnlich normale Milz. 

Bei meinen Beobachtungen sind besonders bemerkenswert 
der zuweilen langsame Verlauf der Wild- und Rinderseuche und 
die Gleichartigkeit z. B. des mitgeteilten Sektionsbefundes, mit 
dem, den Friedberger-Fröhner in dem Lehrbuch der speziellen 
Pathologie und Therapie I. Aufl. H. Bd. S. 245 gegeben haben, 
und den sie als eine kroupöse, nicht ansteckende Lungen¬ 
entzündung diagnostizierten. 

Ich bin der Ansicht, daß jener Fall der Wild- und Rinder¬ 
seuche zuzurechnen ist, und daß nach meinen Beobachtungen 
die kroupöse Lungenentzündung des Rindes durch den 
Erreger der Wild- und Rinderseuche hervorgernfen wird. 

Das Bild der Wildsenche bei Schweinen erinnert 
an die Beschreibungen von Milzbrand bei Schweinen. 

Was die veterinärpolizeiliche Behandlung der Wild- und 
Rinderseuche betrifft, so ist es meines Erachtens nach nicht 
richtig, daß sie gegenwärtig ebenso wie Milzbrand behandelt 
wird, und daß auch das neue Reichsviehseuchengesetz ebenso 
verfahren will. Praktischer wäre, die Wild- und Rinderseuche 
schon äußerlich als eine besondere Seuche kenntlich zu machen. 
Ich möchte vorschlagen im § 10 als anzeigepflichtig anfzuführen: 
Rauschbrand unter 9, Rotlauf unter 10, Schweineseuche unter 11, 
Geflügelcholera unter 12, Wildseuche unter 13. 

In der Anlage A zur Bundesrats-Instruktion ist auch für 
die Desinfektion bei Wildseuche eine besondere Anweisung zu 
geben. Fröhner empfiehlt in seiner allgemeinen Therapie die 
Desinfektion ähnlich wie bei Lungenseuche auszuführen; ich 
halte diese Desinfektion für ausreichend. 

Bei dieser Gelegenheit sei es mir gestattet nachzutragen, 
daß in großen Beständen gewöhnlich nicht hier und da ein 
Tier erkrankt, sondern es erkranken entweder gleichzeitig oder 
nacheinander mehrere Tiere, die neben einander stehen oder 
nicht weit von einander. Bei der Desinfektion wäre darauf 
Rücksicht zu nehmen. 

Die Kadaver sollen jetzt und auch in Zukunft mit Haut 
und Haaren vernichtet werden; auch der § 33 der Ausführungs¬ 
bestimmungen zum Reichsfleischbeschaugesetz erklärt das 
Fleisch als untauglich zum Genüsse für Menschen. 

Ich kann nicht anerkennen, daß das gerechtfertigt ist. 

Eine Infektion des Menschen beim Schlachten der Tiere 
ist nicht zu fürchten, weil der Mensch nach den bisherigen 
Beobachtungen für den Krankheitserreger unempfindlich ist. 

Ebensowenig sind Nachteile nach dem Genuß des Fleisches 
wegen Rinderseuche geschlachteter Tiere jemals beobachtet 
worden. (Bollinger, Franck). 

Wenn man sagen wollte, daß es als Fleisch von Tieren 
mit einer fieberhaften Infektionskrankheit vom Genuß auszu¬ 
schließen ist, so müßte dasselbe gelten für das Fleisch von 
Tieren mit Maul- und Klauenseuche oder mit Schweineseuche 
oder mit Lungenseuche. 

Allerdings kann den Beobachtungen nach die Krankheit 
durch den Verkauf des rohen Fleisches verschleppt werden, wie 
das auch beim Rotlauf zutrifft. Deshalb kann ja wohl keine 
Rede sein von einem Verkauf des rohen Fleisches unter Dekla¬ 
ration auf der Freibank, sondern nur von einer Freigabe des 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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264 


Fleisches an den Besitzer zum Genoß innerhalb des Seuchen- 
gehöfts oder an den Verkanf des gründlich abgekochten oder 
im Dampfdesinfektor sterilisierten Fleisches auf der Freibank. 
Es gänzlich vom Genoß aoszoschließen ond anschädlich za be¬ 
seitigen, besteht kein Anlaß. Aach für die Haat trifft das za, 
die nach Desinfektion wohl heransgegeben werden könnte. 

Die Vorschrift des § 31 des neuen ReichsviehBeuchen- 
gesetzes, daß Tiere, welche der Wild- and Rinderseuche ver¬ 
dächtig sind, nicht geschlachtet werden dürfen, führt bestimmt 
za Härten. 

Den Raaschbrand kann man nicht als Gegenbeweismittel 
anführen. Der Rauschbrandbazillas ist sehr virulent; getrocknetes 
Fleisch behält sehr lange seine Ansteckungsfähigkeit, die selbst 
durch strömenden Wasserdampf nicht getötet, sondern nur ab¬ 
geschwächt wird; das Vergraben der Kadaver vernichtet die 
Virulenz selbst nicht nach 6 Monaten und frisches Fleisch, 
V 2 Stande im Dampfkochtopf gekocht, wird nicht sterilisiert, 
sondern nur mitigiert. Außerdem soll der Rauschbrandbazillas 
identisch sein mit dem Bazillus des emphysematischen oder 
mephitischen Brandes. 

Die Wildsenchebakterien dagegen passieren wohl nnge- 
geschwächt den Magen, aber sie werden nach Hu epp e durch 
einmaliges Aufkochen getötet 

Wenn aber schon die wildseucheerkrankten Tiere ebenso 
behandelt werden sollen, wie die milzbrandkranken, dann wäre 
es auch billig, daß dieses auch mit Rücksicht auf die Ent¬ 
schädigung geschieht, was gegenwärtig in Preußen nicht der 
Fall ist (cfr. Die Regulative von Ostpreußen, Brandenburg 
etc.) Um die Entschädigung zu ermöglichen, wäre für Preußen 
das Gesetz vom 22. Juni 1892 abzuändern. Der Artikel I müßte 
lauten: Die Provinzialverbände . . . können beschließen, t für 
an Milzbrand oder Rauschbrand oder W T ild- und Rinderseuche 
gefallenen Pferde und Riedviehstücke oder für getötete Tiere 
dieser Gattungen, welche sich bei der tierärztlichen Ob¬ 
duktion als mit Milzbrand oder Rauschbrand oder Wild- und 
Rinderseuche behaftet erweisen, .... eine Entschädigung zu 
gewähren. 


Digitalisvergiftung bei Enten und Hühnern 

yon 

Kart Kothe-Zehdenick (Mark), 

Tiemrxt 

Über Digitalisvergiftung habe ich in der mir zur Verfügung 
stehenden Litteratur sehr wenig gefunden. Fröhners Toxi¬ 
kologie I. Auflage und Dammans Gesundheitspflege H. Auflage 
können nur über einige Fälle berichten, und diese betreffen nur 
große Haustiere, Pferde. Daß der Genuß von Blättern des 
„roten Fingerhut“ aber gelegentlich mal auch bei dem Geflügel 
Verluste hervorrufen kann, dafür bringe ich folgenden Fall zur 
Kenntnis. „Ein hiesiger Besitzer überbrachte mir die Über¬ 
bleibsel einer Pflanze mit der Bitte, feststellen zu wollen, ob 
dieselbe wohl eine Giftpflanze sei. Zugleich berichtete er mir, 
daß ihm innerhalb zweier Tage 8 Enten plötzlich verendet 
seien. Er vermute, daß es sich um eine Vergiftung durch diese 
Pflanze handele, da sich die Tiere, während der letzten Tage 
im Garten aufgehalten hätten und er gesehen habe, daß sie diese 
Pflanze angefressen haben. Er vermute daher, daß es sich um 
eine Giftpflanze handele. Aus den Pflanzenresten und den im 
Garten gefundenen Blättern konnte ich unschwer und unzweifel- | 


No. 16. 


haft feststellen, daß es sich hier um Reste und Blätter von 
Digitalis purpurea, roter Fingerhut, handele. Der rote Finger- 
hnt wird hier zu Lande und vielleicht auch in manchen anderen 
Gegenden Deutschlands als Zierpflanze in den Gärten viel ge¬ 
pflegt und ich habe schon oft Gelegenheit genommen, Besitzer 
auf die Gefährlichkeit dieser im blühenden Zustande allerdings 
sehr schönen Pflanze hinznweisen, hatte aber noch nie Gelegen¬ 
heit wirklich eine Digitalisvergiftung beobachten zu können. 

Der Besitzer berichtete mir weiter, daß er den Tieren 
kaum etwas krankhaftes angemerkt hätte. Elin erst gering 
gradiger Durchfall, der zuletzt stärker wurde, sei ihm auf¬ 
gefallen. Der Gang der Tiere sei schwankend gewesen. Kurze 
Zeit nach Auftreten dieser taumelnden Bewegungen seien die 
Tiere eins nach dem anderen unter Zuckungen verendet. Ein 
soeben gestorbenes Tier habe er mir aufgehoben zur Fest¬ 
stellung der Todesursache. Ich habe außer dieser Ente noch 
3 andere, die ich mir habe wieder aasgraben lassen, obduziert 
und bei allen vieren als Haupterscheinung — eine Magendarm¬ 
entzündung — eine besonders auffallende diastolische Herz¬ 
lähmung, das Herz strotzt förmlich von Blut, — tiefschwarzes 
suffokatorisches Blut, — Lungenhyperämie gefunden. In dem 
Kropf konnte ich Teile des markanten Blattstengels des Finger¬ 
hutblattes, sowie Blattreste feststellen. Sonst war der Darm 
lqer. Dieser Fall ist noch in anderer Beziehung interessant, 
da nämlich Digitalisvergiftung gelegentlich mal mit Hühner- 
bezw. Geflügelcholera verwechselt werden kann oder worden ist. 

Ich hatte nämlich diesen Sommer schon einmal Gelegenheit 
bei den Hühnern desselben Besitzers die Cholera festzustellen. 
Die Entstehung der Seuche schien mir um so rätselhafter, als 
ich absolut keine Art und Weise der Übertragung feststellen 
konnte. Jedoch schien meine Diagnose zu stimmen, da dieselbe 
auch von amtlicher Seite bestätigt wurde. Damals schon er¬ 
zählte mir der Besitzer, daß er, seitdem er seine Hühner 
nicht mehr in den Garten ließe, keinen Krankheitsfall oder 
Todesfall mehr erlebt habe. Heute ist mir die damalige 
Geflügelcholera durch die letzten Fälle erklärt Die diastolische 
Herzlähmung, so wie eine Darmentzündung fand ich bei dem 
damals von mir obduzierten Huhne auch vor, jedoch damals 
auffallenderweise ohne Blutungen am Epikard, nach denen ich 
als ein sich stetig wiederflndendes Zeichen von an Geflügel¬ 
cholera eingegangenen Tieren vergeblich suchte. 

Die damals eingegangenen Hühner haben ebenso wie die 
Enten von den Blättern der Fingerhutpflanze gefressen und 
sind an Digitalis Vergiftung eingegangen, aber nicht an Geflügel¬ 
cholera. 

Vielleicht weckt dieser Artikel bei den Praktikern einige 
Aufmerksamkeit, sodaß wir in der nächsten Zeit noch einige 
Fälle erfahren können und das sehr schwach besetzte Kapitel 
über Digitalisvergiftung etwas bereichern. 

Es erübrigt noch die diagnostischen makroskopischen Merk¬ 
male von Geflügelcholera und Digitalisvergiftung neben einander 
zu stellen. 

Charakteristisch sind ja bei Geflügelcholera zuerst die 
Massenerkrankungen und das plötzliche Verenden der Tiere, bei 
der Obduktion findet man aber Exsudation im Herzbeutel, 
Blutungen am Epikard, blutige Darmentzündung, serös-kroupöse 
Pneunomie vor, während ich bei der Digitalisvergiftung 
ebenfalls zuerst Massenerkrankungen und plötzlichen Tod, bei 
der Obduktion aber diastolische Herzlähmung (starkgeftilltes 


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265 


16. April 1903. 


Herz), keine Blutungen am Epikard, einfache Magendarm- 
entzlindung, suflfokatoriBcheB Blut, Lnngenhyperämie, ferner als 
stetigen Befund Reste der Fingerhutblätter im Kropf fest¬ 
stellen konnte. 

Daß aber immerhin bei solcher Massenvergiftung Geflügel¬ 
choleraverdacht auftauchen kann, lehrt dieser Fall. 

Inversio recti bei einem I % jährigen Füllen. 

Von 

Petersen-Altrahlstedt, 

Tierarzt. 

Am 2. November 1902 wurde ich zum Hofbesitzer K. in M. 
mit dem Vorbericht gerufen, daß ein Füllen eine große Geschwulst 
am After habe. Patient sei trotz des schlechten Wetters noch 
Tag und Nacht auf der Weide gegangen; infolgedessen konnte 
Besitzer nicht angeben, wie lange die Krankheit schon bestanden 
habe, da selten nach dem Füllen gesehen worden sei. 

Daß es sich hier um einen Vorfall des Mastdarms handelte, 
darüber bestand kein Zweifel. 

Zum Zwecke der Reposition ließ ich das Füllen hinten 
spannen, die Nasenbremse anlegen und injizierte 0,5 Morphin 
hydrochlor. Sodann desinfizierte ich den ca. 20 cm langen und 
2 faustdicken, vorgefallenen Mastdarm gut und machte denselben 
mit Leinöl schlüpfrig. 

Anfangs war das Pferd beim Reponieren sehr unruhig, jedoch 
wurde es infolge der Morphiuminjektion bald ruhiger. 

Nun wurde vorsichtig der Mastdarm, mit den dem After 
zunächst liegenden Teilen anfangend, zurückgebracht und seine 
normale Lage wieder hergestellt. Um einen neuen Vorfall zu 
verhindern, wurde mittels weißen Schürzenbandes eine Kreuz¬ 
naht mit der Gerl ach sehen Nadel durch den Analwulst gelegt 
und dem Füllen, um ein starkes Drängen beim Kotabsatz zu 
verhindern, ein bolus von Natr. sulfur. 150,0 u. Pulv. Rad. 
Althaeae g. s. verabreicht. Außerdem wurde, da nichts anderes 
zur Hand war, 3 mal täglich per rectum Infus. Flor. Chamomillae 
gemacht und als Futter nur Kleietrank gegeben. 

Nach 8 Tagen wurde die Naht entfernt und das Füllen war 
wieder gesund; ein neuer Vorfall ist bis heute nicht wieder 
eingetreten. 

Die Krankheitsursache konnte ich, abgesehen von einer 
leichten Erkältung, nicht ermitteln, da weder Kolik noch Darm¬ 
entzündung vorlag. Vor und nach dem Vorfall war die Fntter- 
aufnahme und Kot- und Harnabsatz gut. 

Über den Rotlaufschutzimpfstofr des Budapester 
Institutes Jenner-Pasteur. 

Erwiderung auf Herrn Dr. Schreibers Vortrag: 

Neues aus dem Gebiete der Bekämpfung der Schweine¬ 
seuchen. 

Von 

Dr. Ladislaus Detre-Deutsoh-Budapest 

Techn- Leiter de« Institute«. 

Die vorliegenden Zeilen dienen dazu, um einem Irrtum ent¬ 
gegenzutreten, in den Herr Schreiber verfallen ist, als er bei der 
Beurteilung unserer Schutzimpfungsmethode von der Meinung aus- 
ging, daß wir Serum und Kultur vermischt als Serovaccin zum 
Versand bringen. Dies entspricht aber den Tatsachen nicht. Unsere 
Gebrauchsanweisung, welche wir jeder Sendung beigeben, und 
natürlich auch sehr gerne Herrn Dr. Schreiber zur Verfügung ge¬ 
stellt hätten, sagt hierüber Wort für Wort folgendes: 


„Dauerschutzimpfung. Die Schweine werden zweimal 
innerhalb 12 Tagen eingeimpft. 

1. Bei der Serumimpfungsmethode — Serovaccination — 
die erste Impfung. 

Wir versenden die zum Gemenge nötigen Mittel, wie auch die 
zur zweiten Impfung nötigen Kulturen zu gleicher Zeit. Das Ge¬ 
menge besteht aus Serum- uud reinen Bakterien-Kulturen. Jede 
Flüssigkeit für Bich wird in separaten Gefäßen ausgefolgt. Die 
Vermengung erfolgt durch den Tierarzt an Ort und 
Stelle, extempore, in seiner Spritze. Der Tierarzt nimmt 
seine auf je ‘/ 2 ccm eingeteilte und 10 ccm enthaltende 
Spritze und saugt 1 ccm von der Reinkultur auf aus jener 
Phiole, welche mit roter Etikette versehen ist. Sodann saugt er 
das Serum auf (aus der mit gelber Etikette versehenen Flasche) 
solange bis die Spritze ganz voll ist, resp. bis 10 ccm Gemenge 
sich in der Spritze befinden. Man schüttet jetzt die Flüssigkeit 
gut unter einander und spritzt sodann den Inhalt von 10 ccm 
in zwei Schweine. Es entfällt daher auf jedes Schwein 5 ccm 
Gemenge. Wenn größere Schweine, solche über 50 Klgr., 
geimpft werden, saugt man in die Spritze von den reinen Kulturen 
(rote Etikette) nur >/ f ccm auf und sodann wird die Spritze mit 
Serum voll gesaugt (gelbe Etikette;. Den ganzen Inhalt erhält ein 
Schwein eingespritzt. 

Die zweite Impfung bei der Serumimpfungs-Methode. 

12 Tage nach der ersten Impfung bekommen die Schweine die 
zweite Impfung, jedoch jetzt ausschließlich nur mit reinen Kulturen 
ohne Serum. Der Tierarzt saugt die 10 ccm große Spritze voll auf 
und injiziert mit diesem Inhalte 20 Stück Schweine, nachdem ein 
jedes Schwein, sei es leichter oder schwerer als 50 Kilogr., nur 
Va ccm von den Rotlaufbazillenkulturen (rote Etikette) erhält. 
Die Impfung erfolgt auf der entgegengesetzten Hinterschenkelstelle 
als bei der ersten Impfung.“ 

Hieraus ist es wohl zu ersehen, daß es uns nie eingefallen ist, 
ein Gemenge von Serum und Kultur zu versenden: vielmehr folgen 
wir vollständig den Leclaincheschen Vorschriften, mit denen 
dieser Autor in Frankreich überaus günstige Resultate erzielt hat. 

' Leclainche impfte im Impfjahre 1901 21889 Schweine nach 
seiner Methode, und berichtet über einen Vollerfolg (S. Nocards 
Mitteilung an die Academie de Mödecine. Ref. Rev. vötör. 1902. S. 116). 
Wie uns von Leclainche persönlich mitgeteilt worden, ist durch 
die Serovaccination ein einziger Impfrotlauffall in Frankreich 
verursacht worden; der erzielte Schutz erstreckte sich dagegen 
auf ein volles Jahr. 

Wir hatten deshalb das Recht, von unserer Serovaccination 
uns ähnliche Resultate zu versprechen, vorausgesetzt natürlich, 
daß das Serum und die Kultur den Leclaincheschen Postulaten 
entsprachen. 

Unser Rotlaufseruro ist aus Pferden gewonnen, die mittels 
intravenöser Injektionen von höchst taubenvirulenten Kulturen hoch 
immunisiert wurden. Das für die Serovaccination, wie auch für die 
Notimpfung („rapide Immunisation“) von uns versendete Serum 
besitzt den Titre von wenigstens 0,2 gegen 0,5, ist demnach ca. 
2 ' 1-2 fach normal nach meiner Berechnung (s. meine hierüber im 
Zentralbl. f. Bakt. demnächst erscheinende Arbeit); 0,2 ccm sind 
nämlich im Stande, die für die Kontrolltauben von 300 g Gewicht in 
36 Stunden sicher tödtliche Virnsmenge von 0,5 ccm einer 2 tägigen 
Bouillonkultur vollständig unschädlich zu machen — indem die 
intramuskuläre Injektion des knapp vorher angefertigten Gemisches 
von der Taube ohne Schaden vertragen wird. Beiläufig bemerke 
ich, daß für die Heilimpfungen viel stärkere Serumnummern zur 
Ausgabe gelangen. 

i Für Dauerimpfungen wird dem Serum die für zwei Impfungen 
nötige Kulturmenge beigefügt, und empfehlen wir, daß dort, wo 
der Impfschutz auf ein volles Jahr verlangt wird, nie weniger als 
zwei Impfungen gemacht werden; bei der ersten Impfung wird 
Serum und Kultur gemischt eingespritzt, bei der zweiten die Kultur 
allein. Natürlich kann die zweite Impfung wegbleiben, wo bloß 
ein Schutz von 6 Monaten gefordert wird. 

Die von uns dem Serum beigefUgte I. Kultur ist höchst tauben¬ 
virulent, die II. Kultur dagegen eine durch Kaninchenpassagen 


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No. 16. 


266 


oder durch Aßration etwas geschwächte; die Dosis beträgt stets 

ccm für ein Schwein. 

In Anbetracht jener Erfahrungen, durch welche eine beträcht¬ 
liche Empfindlichkeit der feineren Schweinerassen gegen die 
Pasteursche Vaccinationsmethode, und andererseits eine Resistenz 
des heimischen, ungarischen Landschlages unter vier Monaten der¬ 
selben Impfung gegenüber nachgewiesen wurde, führten wir 
übrigens die Serovaccination bloß für feinere Rassen und Bauern¬ 
schweine über vier Monate durch, im übrigen wurde aber die Schutz¬ 
impfung nach Pasteurscher Methode angewendet. 

Was nun die Resultate der von uns bisher durchgefilhrten 
Serovaccination betrifft, sind wir in der Lage, hierüber wie folgt 
berichten zu können: 

Summe der vom 1. Oktober 1901 bis 1. Dezember 1902 mittels 
Serovaccination geimpften Tiere: 9250. Von diesen haben wir 
bis heute keinen einzigen Impfrotlauffall zu verzeichnen, wie 
uns auch im Laufe des Jahres über keinen Fall von Rot¬ 
lauf bei den geimpften Tieren berichtet wurde. 

Wie zu ersehen, ist dieses Resultat als günstig zu bezeichnen. 
Da also einerseits die lmpfakzidentien gänzlich vermieden werden, 
was sowohl von der Wertigkeit des angewendeten Serums, als auch 
von der etwas mitigierten Virulenz der II. Kultur abhängig 
erscheint, andererseits aber die Schutzdauer nichts zu wünschen übrig 
ließ, haben wir an der von uns bisher angewendeten Methode auch 
für das kommende Impfjahr nichts zu verändern. 

Referate. 

Der Bazilins des senchenhaften Yerwerfens. 

Von Professor Dr. Hugo Preisz-Budapest. 

(Zcntralblatt fUr Bakteriologie und Parasitenkunde, Band 33, No. 33.) 

Bang hat mit Stribolt 1897 seine Untersuchungen über 
diesen Bazillus veröffentlicht. Es gelang ihm durch Injektion 
von Reinkulturen bei verschiedenen Haustieren die Krankheit 
zu erzeugen. Es ist somit die Ätiologie dieser Kraukheit als 
geklärt zu betrachten. P. hatte nun Gelegenheit, selbst einen 
Seuchengang zu beobachten. In Zwischenräumen von zwei bis 
drei Wochen trat je ein Abortus ein im vierten bis achten 
Monat der Trächtigkeit. Von dem Uterussekret wurde eine 
Platinöse auf drei schiefe Agarröhren verteilt, dann wurde in 
das Reagenzglas reiner Sauerstoff so lange hineingeleitet, bis 
die Luft verdrängt war, und nun das Glas mit Siegellack luft¬ 
dicht verschlossen. Erst am dritten Tage erschienen in einem 
Röhrchen zahlreiche kleine Kolonien mit durchsichtigen zarten 
Rändern. Diese Kolonien bestehen aus feinen Stäbchen. Sie 
wurden nun weitergezüchtet auf Traubenznckeragar. Der 
Einwand Bangs, daß Nocar den Bazillus deshalb nicht auf¬ 
gefunden hat, weil er keinen mit Blutmischung bereiteten Nähr¬ 
boden benutzte, kann nach den Untersuchungen P.s nicht gültig 
sein, da es P. gelang, auf gewöhnlichem Agar und auf Zucker¬ 
agar die Bakterien zu züchten. Der von B. empfohlene 
Striboltsche Nährboden besteht aus zwei Teilen Agargelatine 
und einem Teil Blutserum, bietet gegenüber dem Zuckeragar 
keine Vorteile. 

P. hat dann weiter versucht, den Bazillus auch anaerob 
zu kultivieren, es gelang ihm dies. Auch gedieh der Bazillus 
in Röhrchen, wo die Luft durch Acetylen vertreten war. Der 
Bazillus gedieh ferner auch auf erstarrtem Blutserum vom Kalb, 
ferner in Peptonbouillon. In sterilisierter Kuhmilch beginnt er 
nach 3 bis 4 Tagen Gerinnung der Milch und dann Trennung 
von Kasein und Molke hervorzurufen. Sowohl die typischen 
Anaeroben als auch die Abortusbazillen gedeihen nicht bei der 
Berührung mit atmosphärischer Luft. Der Abortusbazillus unter- | 


scheidet sich von den Anaeroben dadurch, daß er bei fast 
reinem Sauerstoff zu wachsen vermag, was die Anaeroben nicht 
können. 

Zur mikroskopischen Untersuchung eignen sich am besten 
die weißen Flöckchen, die im Sekret enthalten sind. Man färbt 
mit Karbolfuchsin und wäscht mit Wasser ab. Man sieht dann feine 
Stäbchen, kaum dicker als Schweinerotlaufbazillen, vielfach hängen 
2 bis 4 Bazillen an ihrem Ende zusammen und bilden kurze 
Ketten. Der Bazillus färbt sich nicht nach Gram und Gram- 
Weigert. Man bezeichnet ihn als Corynebakterium abortus endemici. 
Er bildet keine Sporen und ist deshalb nur von geringer 
Widerstandsfähigkeit. Durch die geringe Widerstandsfähig¬ 
keit erklärt sich auch, daß durch Spülung mit schwachen Anti- 
septizis die Krankheit leicht geheilt werden kann. Professor 
Dr. Marek hat Reinkulturen per vaginam und in die Blutbahn 
appliziert. Es trat jedoch kein Abortus ein. Jeß. 

Wochen Abersicht Aber die medizinische Literatur. 

Von Dr. Jess-Charlottenburg, 

Krell tierant. 

Therapeutische Monatshefte. 

Ein neuer Beweis für die Unschädlichkeit der Borsäure von Oskar 
Liebreich, von Noorden hat in der Therapie der Gegen¬ 
wart Februar 1903 einen Fall mitgeteilt, in dem eine Kranken¬ 
pflegerin 9 bis 10 gr Borsäure in 200 gr Wasser gelöst zu 
sich nahm. Durch diese Borsäuremenge trat weiter nichts ein 
als heftige Magenschmerzen, Durchfall und Magenkatarrh, der 
natürlich ihre Kräfte reduzierte. L. meint, es dürfte wenige 
Substanzen geben, welche in solchen Mengen verschluckt, so 
geringe Belästigungen hervorrufen. 

Über isaroi, ein Ersatzmittel für Ichthyol von Dr. Goliner. 
Aus dem Rohichthyol ist ein neues Präparat hergestellt, das 
Ichthyodin, später Isaroi genannt. Es ist das eine braun¬ 
rote, dickflüssige, dem Ichthyol ähnlich riechende Masse. Ver¬ 
fasser hat das Isaroi bei Ekzemen etc. verwendet, anscheinend 
mit gutem Erfolg. 

Intravenöse Injektion von Formaiin bei Septikämie. In einem Falle 
von puerperaler Septikämie wurde von Barrows eine intra¬ 
venöse Injektion von 500 ccm einer Formalinlösung 1 : 5000 
gemacht, wie im Medical Record 4 mitgeteilt wird. Im Blute 
wurden Streptokokken nachgewiesen. Es wurden darauf noch¬ 
mals 750 injiziert, worauf das Fieber nachließ und die Patientin 
gesund wurde. 


Tagesgeschichte. 

Die Dankesbezengnngen des Deutschen Yeterinärrates 

für die Einführung des Abiturientenexamens. 

Der Deutsche Veterinärrat hat dem vornehmsten Förderer 
der tierärztlichen Vorbildung, Seiner Königlichen Hoheit dem 
Prinzen Ludwig von Bayern in München, eine persönliche Hul¬ 
digung dargebracht. 

Er hat zugleich bei seiner Tagung in München beschlossen, 
den Dank der Tierärzte in Adressen auszudrücken demjenigen 
Männern, welche in hoher amtlicher Stellung die Vorbildungs¬ 
frage entschieden haben, und denjenigen Parlamentariern, welche 
mit besonderem weitreichenden Erfolg für die günstige Ent¬ 
scheidung eingetreten sind. 

Gemäß seiner Eigenschaft als Vertretung aller deutschen 
Tierärzte hatte der Veterinärrat dabei diejenige Wirksamkeit 


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16. April 1903. 

zu berücksichtigen, welche ausschlaggebende und allgemeine 
Bedeutung gehabt hatte. Den Kollegen innerhalb der einzelnen 
Bundesstaaten blieb es überlassen, außerdem noch diejenigen 
Männer besonders zn ehren, die sich innerhalb ihres Landes 
nicht minder schätzenswerte Verdienste um die tierärztliche 
Vorbildung erworben haben. 

Die Entscheidung wurde nicht bloß von den Reichsbehörden 
und dem Reichstag herbeigeführt, sondern sie wurde hauptsächlich 
ausgefochten in den beiden größten Bundesstaaten Bayern 
und Preußen. Bayern hat den Antrag im Bundesrat gestellt, in 
Preußen war die schwerste Arbeit zu leisten. In beiden Ländern 
haben nicht bloß die beteiligten Ministerien, sondern auch die 
Parlamente entscheidend eingegriffen. 

Von diesem Gesichtspunkt aus hat der Veterinärrat be¬ 
schlossen, seine Dankeskundgebung zu richten an Repräsentanten 
der Reichsbehörde, des preußischen und bayrischen Staats¬ 
ministeriums, sowie an Vertreter des Reichstages, des preußischen 
Landtages und der bayrischen Kammer. 

Im Reich lag das Urteil tatsächlich bei dem Präsidenten 
des Kaiserlichen Gesundheitsamtes. Der preußische Kriegs- 
minister hatte nicht bloß für Preußen, sondern auch für die 
übrigen Kontingente excl. Bayern die Entscheidung in der Hand. 
Die Hauptarbeit, als welche man dio Überwindung der größten 
Widerstände wohl bezeichnen darf, hat das preußische Ministerium 
für Landwirtschaft geleistet, weshalb hier nicht allein dem 
Ressortchef, sondern auch demjenigen, auf dessen Schultern jene 
Arbeit ruhte, ein Dank der Gesamtheit gebührte. Die Stellung 
Bayerns ist tatsächlich bestimmt worden durch den Prinzen 
Ludwig. Wenn jedoch neben diesem mit Recht ein Repräsentant 
des bayerischen Staatsministeriums vom Veterinärrat ge¬ 
ehrt werden sollte, so konnte diese Ehrung selbstverständlich 
nur an ein aktives Mitglied dieses Ministeriums gerichtet werden, 
und dies konnte nur der Chef des Veterinärwesens Exz. 
Frhr. v. Feilitzsch sein. Die Anerkennung der Verdienste des 
vorher ausgeschiedenen Kultusministers v. Landmann erlitt 
dadurch keinen Abbruch; ihr feierlichen Ausdruck zu geben, 
mußte den bayerischen Kollegen Vorbehalten bleiben, die denn 
auch dieser Ehrenpflicht glänzend genügt haben (siehe unten). 

Im Reichstage haben sich Dr. Müller-Sagan durch seine 
Initiative, Hoffmann durch seine Tätigkeit in Kommissionen 
und Bassermann durch eine besonders eindrucksvolle Rede am 
entscheidenden Tage die größten Verdienste erworben. Als Re¬ 
präsentant der bayerischen Kammer wurde deren Präsident 
Dr. v. Orterer geehrt, der sich (neben anderen bayerischen 
Abgeordneten) auch persönlich als unser eifriger Fürsprecher 
erwiesen hat. Im preußischen Landtage sind in kritischer Zeit 
zwei Abgeordnete, beide gleichzeitig Mitglieder des Reichstages, 
gleich wirksam für das Abitnrientenexamen eingetreten; ihnen 
gebührte beiden der gleiche Preis. Indem der Veterinärrat die 
Verdienste dieser Parlamentarier besonders hervorhob, schmälerte 
er dadurch nicht das Recht anf Dankbarkeit der Tierärzte, 
welches sich noch viele andere Abgeordnete and im öffentlichen 
Leben stehende Männer durch Förderung unserer Sache er¬ 
worben haben. 

Nachdem die vom Veterinärrat beschlossenen Adressen nun¬ 
mehr alle in die Hände ihrer Empfänger gelangt sind, stellt 
der Präsident des Veterinärrates die Bekanntgabe des Wort¬ 
lautes in der tierärztlichen Presse anheim. Die Adressen werden 
daher hierunter veröffentlicht: 


267 


Dem Präsidenten des Kaiserlichen Gesundheitsamtes Dr. Köhler. 

Hochverehrter Herr Präsident! 

Das deutsche Veterinärwesen hat im verflossenen Jahre 
eine Förderung ohnegleichen erfahren dadurch, daß die tier¬ 
ärztliche Bildung auf jene Stufe der Vollkommenheit gebracht 
worden ist, welche sie gleichwertig der medizinischen an die 
Seite stellt. 

Diese Hebung der Ausbildung wird durch ihre unmittel¬ 
baren wie ihre indirekten Folgen eine Belebung der tierärzt¬ 
lichen Tätigkeit und eine Vermehrung der Zahl der geschulten 
Arbeiter im Dienste der Forschung herbeiführen, welche in Zu¬ 
kunft namentlich auch der Erkenntnis und Bekämpfung der 
Tierseuchen und damit dem Staatsveterinärwesen zu gute 
kommen wird. 

Die deutschen Tierärzte haben diesen Fortschritt als ihr 
vornehmstes Ziel seit langem unter Mühen angestrebt. Sie 
danken den endlichen Erfolg dem glücklichen Umstande, daß 
ihrem Bestreben Fürsprecher und Förderer an leitenden Stellen 
erstanden, welche klaren Blickes die Entwicklungsfähigkeit des 
Veterinärwesens erkannten. 

Euer Hochwohlgeboren haben in erster Linie an dieser 
Förderung wirkungsvollsten Anteil genommen. Die deutschen 
Tierärzte empfinden dies mit tiefer Dankbarkeit und in ihrem 
Namen bittet der deutsche Veterinärrat die feierliche Bekun¬ 
dung unseres ehererbietigsten Dankes gütig anzunehmen. 

Dem Kyl. bayerischen Staatsminister Frhr. v. Feilitzsch. 

Hochgebietender Herr Minister. 

Die deutschen Tierärzte sind in diesem Jahre an ein hei߬ 
ersehntes und langerstrebtes Ziel gelangt. Die Einführung des 
obligatorischen Abiturientenexamens als Vorbedingung für das 
Studium der Tiermedizin ist ein Fortschritt ohnegleichen, der 
für das Veterinärwesen von den segensreichsten Folgen sein wird. 

Wie schon mit vielen mustergültigen Einrichtungen, so ist 
auch in diesem Fortschritt die bayerische Veterinärverwaltung 
führend vorangegangen. 

Mit tiefem Dank erkennen die deutschen Tierärzte, daß die 
königlich bayerische Staatsregierung, daß Euere Exzellenz die 
Initiative ergriffen und entscheidend dafür gewirkt haben, die 
tierärztliche Ausbildung zur Vollkommenheit zu erheben. 

Der deutsche Veterinärrat, die berufene Vertretung aller 
deutschen Tierärzte, ist deshalb in der Hauptstadt des König¬ 
reichs Bayern zusammengetreten, um die Bedeutung dieses 
Ereignisses feierlich darzutun, und bittet Eure Exzellenz die 
Bekundung ehrfurchtsvollen und innigen Dankes der deutschen 
Tierärzte gütigst anzunehmen. 

Dem Krieg »minister v. Qossler. 

Hochgebietender Herr KriegBminister! 

Die deutschen Tierärzte haben seit langer Zeit danach 
gestrebt, daß die tierärztliche Vorbildung auf dieselbe Stufe 
der Vollkommenheit wie die medizinische gehoben werde durch 
ausnahmslose Vorschrift der Universitätsreife für den Eintritt 
in die tierärztliche Laufbahn. Dieses Ziel ist im vergangenen 
Jahre erreicht worden und damit ist im Veterinärwesen aller 
Staaten das deutsche an die Spitze getreten. 

Euere Exzellenz haben an dieser außerordentlichen För¬ 
derung des gesamten deutschen Veterinärwesens den wesent¬ 
lichsten Anteil, indem Euere Exzellenz für die Militärveterinäre 
dieselbe Vorbildung in Anspruch genommen haben, wie sie für 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


268 


die Ziviltierärzte befürwortet wurde. Denn die Universitäts- 
reife kann das Veterinärwesen nur dann fördern, wenn alle 
Tierärzte ohne Ansnahme sie besitzen, während ihre Einführung 
erfahrungsgemäß wirkungslos und wertlos bleibt, wenn daneben 
auch Mindergebildete zur tierärztlichen Laufbahn zugelassen 
werden. 

Der weitblickende und hochherzige Entschluß, auch in der 
Armee die Tiermedizin zu einer der Medizin ebenbürtigen 
Wissenschaft zu gestalten, wird für den tierärztlichen Dienst 
in der Armee von fruchtbringender Wirkung sein durch Hebung 
der Leistungen und der gesamten Eigenschaften der Militär¬ 
tierärzte. In Zukunft wird gerade die dementsprechend orga¬ 
nisierte militärische Laufbahn die tüchtigsten Tierärzte an- 
ziehen und erziehen. 

Euerer Exzellenz sind daher die Militär-Tierärzte, aber 
ebenso alle übrigen Tierärzte zum tiefsten Danke verpflichtet. 
Im Namen derselben bittet der deutsche Veterinärrat, die be¬ 
rufene Vertretung aller deutschen Ziviltierärzte, Euere Exzellenz 
wollen die Bekundung des ehrfurchtsvollen Dankes aller deut¬ 
schen Tierärzte gütigst annehmen. 

Dem Kgl. preußischen Minister für Landwirtschaft v. Podbiclski. 

Hochgebietender Herr Staatsminister! 

Das Veterinärwesen hat seit zwei Jahrzehnten einen Umfang 
und eine Bedeutung für die Landwirtschaft gewonnen, wie sie 
vordem nicht geahnt werden konnte. Aber mit dem Anwachsen 
der Aufgaben hatten die Mittel der Ausbildung nicht Schritt 
gehalten. Es drohte ein Mißverhältnis zwischen Anforderungen 
und Leistungsfähigkeit einzutreten. Euere Exzellenz haben 
diesem Übelstand ein Ende gemacht. Euere Exzellenz haben 
dadurch der tierärztlichen Wissenschaft und dem Veterinär¬ 
wesen eine Förderung ohnegleichen zu teil werden lassen. 
Die Bedingung der Universitätsreife für das Studium der Tier¬ 
medizin wird die Erziehung der Tierärzte und ihre Leistungen 
umgestalten und segensreiche Früchte, auch für die Land¬ 
wirtschaft, tragen. Sie bedeutet für die Tierärzte den Anbruch 
einer neuen Zeit und dieser ist an Euerer Exzellenz Namen ge- 
geknüpft. 

Die preußischen nicht nur, sondern die deutschen Tierärzte 
sind von aufrichtiger Dankbarkeit für Euere Exzellenz bewegt. 
Im Namen derselben bittet der Deutsche Veterinärrat Euere 
Exzellenz wollen die Bekundung des ehrfurchtsvollen Dankes 
der deutschen Tierärzte gütig annehmen. 

Dem Dezernenten für Veterinär wesen im preuß. Ministerium für Land¬ 
wirtschaft, Geheimen Oberregierungsrat Küster. 

Hochverehrter Herr Geheimer Oberregierungsrat! 

Die Steigerung der tierärztlichen Vorbildung auf Univer- 
sitätsreife ist ein Fortschritt ohnegleichen. Es bedeutet für 
Tiermedizin und Veterinärwesen den Anbruch einer neuen Zeit. 

Euer Hochwohlgeboren haben an dieser ersehnten Um¬ 
wandlung entscheidend mitgewirkt. Die Bewältigung der 
größten entgegenstehenden Schwierigkeiten ist Ihr Verdienst. 
Schon lange haben die Tierärzte nicht bloß in Preußen, Bondern 
in ganz Deutschland erkannt, wie Sie die Hebung des ge¬ 
samten Veterinärwesens ins Auge gefaßt haben und wie 
unter ihrer unermüdlichen Tätigkeit Verbesserung an Ver¬ 
besserung sich reiht. Die deutschen Tierärzte sind daher einig 
in aufrichtiger Verehrung für Sie und in ihrem Namen bittet 
der Deutsche Veterinärrat, Euer Hoch wohlgeboren seinen ehr¬ 
erbietigen und innigen Dank bekunden zu dürfen. 


No. 16. 

Dem Reichstagsabgeordneten Dr. Müller (SaganJ. 

Hochgeehrter Herr Doktor! 

Die Einführung der Universitätsreife als Vorbedingung für 
das Studium der Tiermedizin wird von den segensreichsten Folgen 
für den tierärztlichen Stand und die Weiterentwickelung der 
Tiermedizin sein. Die großen Widerstände gegen diesen Fort¬ 
schritt wären nicht zu überwinden gewesen, wenn nicht die 
gesetzgebenden Körperschaften mit dem Gewicht ihres Votums 
das tierärztliche Streben unterstützt hätten. Diese Unterstützung 
verdanken die Tierärzte in erster Linie Ihnen, hochverehrter 
Herr Abgeordneter. Sie haben Bich seit Jahren als ein Freund 
des aus veralteten Verhältnissen sich herausarbeitenden tier¬ 
ärztlichen Standes erwiesen. Aus reinem Interesse für eine 
Wissenschaft und ihre Jünger haben Sie sich entschlossen, 
dieser Wissenschaft die für ihr Gedeihen unentbehrlichen Hülfs- 
mittel verschaffen zu helfen. Vor der Einsicht und überzeugenden 
Wärme Ihres Eintretens konnten die Gründe der Gegner nicht 
bestehen. Die deutschen Tierärzte werden nie vergessen, wieviel 
sie Ihnen verdanken, und als ihre Vertretung hat der deutsche 
Veterinärrat auf seiner Plenarversammlung zu München ein¬ 
stimmig beschlossen, Ihnen diesen Dank hierdurch feierlich 
kund zu tun. 

Dem Deichstagsabgeordneten Bassermann aus Mannheim. 

Hochgeehrter Herr Abgeordneter! 

Die deutschen Tierärzte haben seit Jahrzehnten danach 
gestrebt, die Vorbildung für das tierärztliche Studium zur Voll¬ 
kommenheit zu bringen und haben schließlich den Hohen Reichs¬ 
tag gebeten, zu Gunsten dieses Strebens einzutreten. Daß der 
Reichstag dieser Bitte nachgekommen ist, hat unzweifelhaft in 
erster Linie mit dazu beigetragen, den Tierärzten die Erreichung 
dieses ihres vornehmsten Zieles zu ermöglichen. Auf den 
günstigen Beschluß des Reichstages aber haben Sie entscheidend 
hingewirkt durch die eindrucksvolle, treffende und überzeugende 
Rede, mit welcher Sie die Güte hatten, für die Forderung des 
Abiturientenexamens für die Tierärzte einzutreten. 

Die deutschen Tierärzte sind Ihnen dafür zu tiefstem Danke 
verpflichtet, und als ihre Vertretung hat der Deutsche Veterinär¬ 
rat auf seiner Plenarversammlung zu München beschlossen, Euer 
Hochwohlgeboren den Dank der deutschen Tierärzte feierlich 
zu bekunden. 

Dem Reichstagsabgeordneten Hoffmann (Hall), Professor an der tier¬ 
ärztlichen Hochschule zu Stuttgart. 

Hochgeehrter Herr Professor! Lieber Kollege! 

Sie haben in Ihrer Eigenschaft als Mitglied des Reichs¬ 
tages uneigennützig, eifrig und warm dafür gewirkt, daß unsere 
von Ihnen geteilten Bestrebungen, den zukünftigen Tierärzten 
eine volle Ausbildung zu verschaffen, bei den Mitgliedern des 
Hohen Hauses Wurzel gefaßt haben. Sie haben dadurch zu 
dem günstigen Beschluß des Reichstages und so zu der glück¬ 
lichen Erreichung unseres Zieles wesentlich beigetragen. 

Der Deutsche Veterinärrat hat in seiner Plenarversammlung 
zu München beschlossen, Ihnen für dieses erfolgreiche Wirken 
im Dienste der tierärztlichen Sache den Dank der deutschen 
Tierärzte in feierlicher Weise zu bekunden. 

Dem Präsidenten der bayer. Kammer der Abgeordneten , Gymnasial¬ 
rektor Dr. v. Orter er. 

Hochzuverehrender Herr Kammerpräsident! 

Der Deutsche Veterinärrat, die Vertretung der deutschen 
Tierärzte, hat in München die Einführung der Universitätsreife 


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16. April 1903. 

als Vorbedingung für das tierärztliche Studium gefeiert. Alle 
Anwesenden haben tief bedauert, daß ihnon nicht die Freude 
zu teil wurde, Euer Hochwohlgeboren persönlich begeisterte 
Dankesbezeugung dafür darbringen zu können, daß Sie mit 
warmem Herzen und entscheidender Wirkung für die Erfüllung 
des sehnlichen Wunsches der deutschen Tierärzte eingetreten 
sind. Der Deutsche Veterinärrat hat einstimmig beschlossen, 
Euer Hochwohlgeboren den innigen Dank der deutschen Tier¬ 
ärzte hierdurch feierlich zu bekunden. 

Dem Geheimen Sanitätsrat Dr. Endemann, Mitglied des ltcichstages 
und des preuß. Abgeordnetenhauses. 

Hochgeehrter Herr Geheimrat! 

Die deutschen Tierärzte stehen tief bewegt an dem seit 
Jahrzehnten erstrebten Ziel. Die für die Tiermedizin verlangte 
Ansbildung ist endlich zur Vollkommenheit gebracht. Sie, hoch¬ 
verehrter Herr Geheimrat, können als Mediziner und langjähriger 
Freund von Tierärzten beurteilen, was dies für uns bedeutet. 

Mit freudigster Dankbarkeit erkennen die deutschen Tier¬ 
ärzte an, daß Sie als Arzt ein warmes Herz für sie gehabt 
haben und schon seit Jahren für unser Streben eingetreten sind. 
Ihnen ist es beschieden gewesen, die letzte und schwerste Ent¬ 
scheidung durch Ihr Eintreten im preußischen Landtage mit 
herbeizuführen. 

Die deutschen Tierärzte sind eins in dem Gefühl der größten 
Verehrung und Dankbarkeit für Sie, und als ihre Vertretung 
hat der deutsche Veterinärrat auf seiner Plenarversammlung 
za München einstimmig beschlossen, Ihnen den unauslöschlichen 
Dank der deutschen Tierärzte hiermit feierlich zu bekunden. 

Dem Freiherrn r. Wangenheim, Mitglied des Reichstages und des 
preuß. Abgeordnetenhauses. 

Hochgeehrter Herr Baron! 

Jahrzehntelang hatten die deutschen Tierärzte danach ge¬ 
strebt, die Universitätsreife als Vorbedingung für das tier¬ 
ärztliche Studium herbeizuführen, um die Gesamtleistungen des 
tierärztlichen Standes zu verbessern und die Stellung desselben 
von den mannigfachen drückenden Resten einer geringeren Ver¬ 
gangenheit zu befreien. Als die Entscheidung über anseren 
sehnlichen Wunsch auf des Messers Schneide stand, sind Sie, 
hochverehrter Herr Baron, als einer der vornehmsten Vertreter 
der Landwirtschaft, mit dem Gewicht Ihrer Stellung und Er¬ 
fahrung und mit der Wärme Ihrer Überzeugung im preußischen 
Landtage für uns eingetreten. Wir wissen, daß dieses Eintreten 
in erster Linie diejenigen Hindernisse in Preußen hat beseitigen 
helfen, welche am schwersten zu überwinden waren. Die deut¬ 
schen Tierärzte erkennen dies mit innigem Danke an. Als ihre 
Vertretung hat der deutsche Veterinärrat auf seiner Plenar¬ 
versammlung zu München einstimmig beschlossen, Ihnen diesen 
Dank feierlich kund zu tun. Wir geben zugleich der Über¬ 
zeugung Ausdruck, daß die deutschen Tierärzte in Zukunft stets 
ihren besten Ehrgeiz darin setzen werden, dem Wohle der 
deutschen Landwirtschaft zu dienen. 


Den Herrn Ministern und dem Herrn Geheimrat Küster 
sind die Adressen, wie bereits bekannt, vom Präsidenten des 
Veterinärrates persönlich überreicht worden. Herr Präsident 
Dr. Köhler war durch Erkrankung verhindert, den Geheimrat 
Dr. Esser zu empfangen, und hat an diesen ein Dankschreiben 
gerichtet, dessen Worte unter den Tierärzten lebhafte Freude 
hervorrufen werden. Dasselbe lautet: 


Meine sehr verehrten Herren vom Deutschen Veterinärrat! 

Sie haben die große Güte gehabt, meine bescheidenen Ver¬ 
dienste um die Einführung des Abiturientenexamens als Vor¬ 
bedingung für den Eintritt in den tierärztlichen Beruf durch 
eine, in ein herrliches, künstlerisches Gewand gekleidete Adresse 
anzuerkennen und haben mir diese Adresse, während ich krank 
darnieder lag, durch Ihren Herrn Vorsitzenden und Ihren Herrn 
Schriftführer überreichen lassen wollen. Empfangen Sie meinen 
tiefgefühlten Dank für Ihre Anerkennung, die mich außerordent¬ 
lich wohltuend berührt hat und mir den Beweis liefert, daß der 
von mir so hoch verehrte, tierärztliche Stand die sachliche Be¬ 
deutung der neuen Errungenschaft voll würdigt. 

In den langen Jahren, während welcher ich Gelegenheit 
hatte, in Veterinärangelegenheiten tätig zu sein, und mit Ver¬ 
tretern dieses Faches in Berührnng zu kommen, hat sich in mir 
immer mehr die Überzeugung befestigt, daß die wissenschaftliche 
Vertiefung in die hochwichtigen Aufgaben dieses Berufs sehr 
weitgehende Anforderungen an die Angehörigen desselben stellt, 
daß diese sich aber auch der Bedeutung ihrer Aufgaben voll 
bewußt sind. Möge das ernste Streben, welches schon bisher 
den Vertretern und den Jüngern der Veterinärmedizin in 
Deutschland eigen war, neue Nahrung erhalten und neue Erfolge 
zeitigen durch den Fortschritt, welchen uns der 1. April d. J. bringt. 

In aufrichtiger Hochschätzung habe ich die Ehre zu 
zeichnen als 

Ihr dankbar ergebenster 
Köhler, 

Wirklicher Geheimer Oberregierungsrat. 

Ehrenbezeugungen der Tierärzte Bayerns. 

Die bayerischen Kollegen haben mit Recht das Bedürfnis 
empfunden, anläßlich der Einführung der Universitätsreife für 
das tierärztliche Studium, den Dank der bayerischen Tierärzte 
denjenigen Männern zu bekunden, welche sich in Bayern um die 
Durchführung jenes Fortschrittes und um das Veterinärwesen 
überhaupt besondere Verdienste erworben haben. 

Es wurden Adressen gewidmet und überreicht S. Exzellenz 
dem Staatsminister Frhrn. v. Feilitzsch, S. Exzellenz 
dem StaatsminiBter a. D. Staatsrat Dr. v. Landmann, dem 
Reichsrat Dr. v. Buhl, dem Kammerpräsidenten Dr. v. Orter er, 
dem Abg. Dr. Casselmann, dem Abg. Dr. Schädler, dem 
Referenten im Kultusministerium Oberregierungsrat v. Pracher, 
dem Referenten im Ministerium des Innern Oberregierungsrat 
Göring, dem Direktor der tierärztlichen Hochschule Professor 
Albrecht. 

Ferner wurden Dankschreiben übersandt dem Reichstags¬ 
abgeordneten für Kaiserslautern, Dr. Rösicke, dem Reichstags¬ 
abgeordneten Geistlichen Rat Dr. Weißenhagen, den 
Landtagsabgeordneten Burger, Dr. Hammerschmidt, Dr. 
Hauber und Karl Müller, und eine Dankes-Deputation wurde 
entsandt zu Geheimrat Dr. v. Voit, ordentl. Professor an der 
Universität, und Dr. S. Günther, ordentl. Professor an der 
technischen Hochschule zu München. 

Der Raum verbietet es leider, den Wortlaut der Adressen, 
welcher in No. 13 der Wochenschrift für Tierheilkunde und 
Viehzucht veröffentlicht wird, abzudrucken. Aber rühmend soll 
hervorgehoben werden, daß die Adressen nicht bloß inhaltlich 
vortrefflich sind, sondern auch eine prächtige künstlerische Aus¬ 
stattung erfahren haben. Die Wochenschrift bringt in einer 
besonderen Kunstbeilage die Abbildungen der Adressen; die- 


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No. 16. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


selben sind alle verschieden, alle reich und reizvoll ausgeführt. 
Man darf die bayerischen Kollegen zu dieser glänzenden Kund¬ 
gebung aufrichtig beglückwünschen. S. 

Besprechung über Fleischpreise und Einfuhr¬ 
beschränkung im preußischen Herrenhause. 

Im preußischen Herrenhause kam es am 31. März er. an¬ 
läßlich einer Petition über Beseitigung der Fleischteuerung zu 
einer Besprechung der sog. Fleischnot des Vorjahres, welche 
dem Herrn Minister für Landwirtschaft Gelegenheit zu einer 
ausführlichen Darlegung gab. Dieselbe ist von allgemeinem 
Interesse, da sie lehrreiche Angaben über das Verhältnis von 
Vieh- und Fleischpreisen, von Groß- und Kleinhandel und über 
das ganze Wesen der Fleischhandelsbewegung enthält. Aber 
auch Oberbürgermeister Bender vertrat den Ausführungen des 
Herrn Ministers gegenüber natürlich den großstädtischen Stand¬ 
punkt, jedoch maßvoll und sachlich, weshalb auch seine Rede 
für die Beleuchtung des Gegenstandes von verschiedenen Seiten 
bemerkenswert ist. 

Es sollen daher hier die Rede des Herrn Ministers und 
seine Antwort an Herrn Bender wörtlich, die Rede des letzteren 
unter Weglassung der Nebensächlichkeiten, übrigens aber eben¬ 
falls nach dem Wortlaut des Stenogramms, mitgeteilt werden. 

Minister für Landwirtschaft v. Podbielski: 

Meine Herren, ich habe gestern nicht Gelegenheit gehabt, 
mich in der Kommission über die zur Verhandlung stehenden 
Fragen zu äußern; ich erachte es jedoch für notwendig, mich 
über diesen wichtigen Gegenstand hier in der Kürze auszu¬ 
sprechen, und die Verhältnisse, soweit ich hierzu augenblicklich 
in der Lage bin, dem Hohen Hause klarzulegen. 

Zunächst ist zuzngeben, daß im vorigen Herbst eine Fleiscb- 
teuerung, die in erster Linie das Schweinefleisch ergriffen hatte, 
zu konstatieren gewesen, und man ist in vielen Kreisen geneigt, 
ans dieser Teuerung des Schweinefleisches auf eine Fleischnot 
zu schließen. Die Herren wissen, daß verschiedentlichst, nament¬ 
lich aus landwirtschaftlichen Kreisen, dieser Auffassung wider¬ 
sprochen worden ist. Man glaubte, daß die preußische und 
deutsche Landwirtschaft wohl in der Lage wäre den Fleisch¬ 
bedarf für das Inland sicherstellen zu können. Die Herren 
werden sich auch erinnern, daß ich gelegentlich der Ausstellung 
in Düsseldorf mir erlaubte darauf hinzuweisen, daß in nicht 
allzu ferner Zeit schon auf eine Preisminderung für das 
Schweinefleisch mit Sicherheit zu rechnen wäre. Man hat mich 
damals verschiedentlich als einen falschen Propheten hingestellt. 
Aber ich glaube, die Tatsachen haben mir recht gegeben. Der 
Unterschied zwischen den höchsten Preisen des Jahres 1902 
(August) und den jetzigen Preisen beträgt zum Beispiel hier 
in Berlin für Schweine (Schlachtgewicht) pro Kilo 31 Pfennig. 
Das ist doch der beste Beweis dafür, daß inzwischen im In¬ 
lande tatsächlich soviel Schweine produziert worden sind, daß 
wir völlig den inländischen Markt versorgen können. Die Preis¬ 
bewegung ist im Jahre 1902 ja eine sehr eigentümliche gewesen. 
Ich werde in nicht zu ferner Zeit, wie ich hoffe, die von dem 
Herrn Berichterstatter erwähnten Erhebungen über den Um¬ 
fang, die Ursachen und die Wirkungen der im Jahre 1902 ein¬ 
getretenen Steigerung der Fleischpreise soweit abgeschlossen 
haben, um dem Lande das ganze Material zur vorurteilsfreien 
Prüfung unterbreiten zu können. Ich kann aber heute schon 
sagen, daß die Erhebungen wunderbare Bilder ergeben haben. 


Ich habe die Preisbewegungen aus einer ganzen Reihe von 
Städten, einerseits von 23 der größten Städte der Monarchie 
für das ganze Jahr 1902, andererseits von 308 Städten für die 
ersten neun Monate 1902 zusammenstellen lassen, aus welchen 
sich ergibt, daß häufig der Preis für das Fleisch im Kleinhandel 
noch stieg, während die Schweine- und Rindviehpreise auf den 
Viehmärkten schon fielen, ohne daß ein zwingender Grund für 
diesen Vorgang einzusehen wäre. 

Ich erinnere nur daran — es ist ja auch in der Tages¬ 
presse schon erörtert worden —, daß, während zum Bei¬ 
spiel hier in Berlin der Preis von 66 Mark — soviel 
kostete der Zentner Schweinefleisch auf dem Berliner 
Markte zur Zeit des höchsten Preisstandes im Gro߬ 
handel — bis auf 48 Mark nach der letzten Notierung 
gefallen war, die statistischen Zusammenstellungen 
nackweisen, daß der durchschnittliche Detailpreis 
seit September 1902 noch nicht um einen Pfennig ge¬ 
wichen ist. Ich gebe vollständig zu, daß nach meinen Er¬ 
hebungen in den Fleischläden im Norden von Berlin die Preise 
gefallen sind. Aber die großen Fleischhandlungen Berlins haben 
noch nicht in irgend einer Weise auf diesen erheblichen Preis¬ 
fall geantwortet. Einen Teil der Erhebungen, welche über die 
Ursachen der Preissteigerung des vergangenen Jahres angestellt 
worden sind, bildet die Viehzählung, welche für Preußen am 
1. Dezember 1902 vorgenommen worden ist. Wir sind noch 
in der Überarbeitung des Materials; aber das eine kann ich 
schon heute konstatieren, und ich glaube hierbei nicht fehl zu 
gehen, ich kann heute, wo das Material noch nicht veröffent¬ 
licht und druckfertig ist, noch nicht mit absoluter Sicherheit 
Angaben machen — daß wir in Preußen gegen 1900 an Schweinen 
eine Zunahme von 16 Prozent zu verzeichnen haben. Diese 
Zunahme des Schweinebestandes ist doch, meine Herren, der 
beste Beweis für die hohe Leistungsfähigkeit unserer Landwirt¬ 
schaft. Das Erfreuliche an dieser Erscheinung ist dies, meine 
Herren — das möchte ich immer wieder hervorheben —, daß 
gerade an der Mast des Schweines nicht etwa nur der Gro߬ 
betrieb, sondern gerade der kleinere Mann beteiligt ist. Aus 
den kleinsten Kreisen der landwirtschaftlichen Bevölkerung 
heraus kommen die Massen der Schweine. Darum stellt die 
Schweinezucht auch ein so intensives Interesse der gesamten 
Landwirtschaft dar. Hier handelt es sich nicht etwa um die 
größeren Besitzer, sondern die Schweinezucht und -haltung ist 
derjenige Teil unserer landwirtschaftlichen Produktion, welcher 
hauptsächlich in den Händen des kleinen Mannes ist. Es ist ja 
zweifellos, daß die schweren Jahre 1900 und 1901, welche wir 
im Osten, in den Provinzen Posen und Westpreußen und in den 
angrenzenden Distrikten von Ostpreußen, Pommern und Bran¬ 
denburg fraglos gehabt haben, nicht ohne eine Einwirkung auf 
bie Viehbestände bleiben konnten. Wenn die Herren sich ver¬ 
gegenwärtigen, daß die Provinz Posen im Durchschnitt der 
Jahre 1897—1899 durchschnittlich jährlich 85 000 Stück Rindvieh 
nach auswärts verkauft hat, in den beiden Notjahren 1900 und 
1901 aber, die dort viele Besitzer an den Rand des Ruins ge¬ 
bracht haben, jährlich mehr als 140 000 Stück, so iBt das ein 
Beweis, daß naturgemäß in diesem Jahre nicht allein die Not 
die Leute zum Verkaufe zwang, weil ihnen das Futter fehlte, 
sondern daß die Notwendigkeit, sich Geld zu beschaffen, hierbei 
mitwirkte. Die Rindviehbestände in diesen Provinzen sind 
deshalb wesentlich reduziert worden. Ich glaube, diejenigen 


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271 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


16. April 1903. 


Herren, die ihren Wohnsitz in diesen Provinzen haben, werden 
dies bestätigen können. Jedenfalls sind diese Zahlen sehr ein¬ 
schlagende; sie zeigen, welche schwere Krise gerade diese 
Provinzen zu überwinden gehabt haben, und dadurch ist es auch 
erklärlich, daß, wie ich glaube, die Viehzählung etwas weniger 
Rindvieh ergeben wird, als wir nach der Zählung des Jahres 
1900 gehabt haben. Wie gesagt, das Material nach dieser 
Richtung hin ist noch nicht abgeschlossen; ich glaubte aber 
dem Hohen Hause diese Zahlen nicht vorenthalten zu sollen. 

Bei den über die Preisbewegung angestellten Erhebungen 
handelte es sich um drei Punkte: es waren festzustellen die 
Preise, die an den Fleischer für Fleisch im Kleinhandel ge¬ 
zahlt werden, dann die Preise, die an den Großhändler für Vieh 
im Großhandel, an den großen Vielihöfen und Märkten, gezahlt 
werden, und dann die Preise, die der Produzent für seine Ware 
erhält. Sie wissen, meine Herren, daß ira vorigen Jahre sich 
gerade nach dieser Richtung hin zwei Ansichten auf das heftigste 
bekämpften. Auf der einen Seite sagte man, die Landwirte 
steigern die Preise über Gebühr; auf der anderen Seite be¬ 
hauptete man, die Fleischer und Viehhändler seien allein an 
der Preistenemng schuld, sie hätten die Preise wesentlich ge¬ 
steigert. Diese ganzen Erhebungen, die ich eingeleitet habe, 
werden, glaube ich, das Material dazu bieten, zu zeigen, daß 
wir bei den Produzenten, abgesehen von einer vorübergehenden 
höheren Steigerung der Schweinepreise, immerhin nicht mit sehr 
erheblichen Preissteigerungen zn rechnen gehabt haben und daß 
zweifellos ein wesentlicher Teil der Preiserhöhung doch den 
Viehhändlern und Fleischern zufällt. Ich habe, wie gesagt, — 
und ich habe hier schon eine Reihe von Tabellen vor mir 
liegen, das Ganze ist noch nicht abgeschlossen — das gesamte 
Material nach den festgelegten Preisen graphisch zusammen- 
stellen lassen, und diese Zusammenstellung wird meiner Ansicht 
die Grundlage für eine vorurteilsfreie Prüfung der Angelegenheit 
geben können. Ich möchte mich aber darauf berufen und es 
mit Genehmigung des Herrn Präsidenten kurz vorlesen, was 
übereinstimmend von den Regierungspräsidenten und den Land¬ 
wirtschaftskammern betreffs der Volksernährung, die angeblich 
in ihrer Existenz bedroht war, geantwortet worden ist: 

Ein Rückgang des Konsums hat auf dem flachen Lande und 
in den kleinen in der Hauptsache von der Landwirtschaft leben¬ 
den Landstädten in den Jahren 1901 und 1902 überhaupt nicht 
stattgefunden. Infolge der in den letzen Jahren erfolgten Er¬ 
höhungen der Löhne ist die gesamte Lebenshaltung der arbeiten¬ 
den Volksklassen insbesondere in Bezug auf den Fleischkonsum 
erheblich gestiegen. Die landwirtschaftliche Arbeiterschaft und 
das Gesinde, welches vom Arbeitgeber gespeist wird, stellt 
immer größere Anforderungen an die Fleischnahrnng, welche 
erfüllt werden müssen. Soweit selbständige landwirtschaftliche 
Arbeiter, Tagelöhner, die auf dem Lande lebenden Handwerker 
in Frage kommen, pflegen diese ihre Fleischnahrung in der 
Hauptsache aus den selbstgemästeten Schweinen zu nehmen. 
Da gerade bei diesen Leuten die Schweinehaltung erheblich zu¬ 
genommen hat, ist das ihnen zur Verfügung stehende Fleisch¬ 
quantum erheblich gestiegen. 

In denjenigen Orten, in denen noch eine in dem Gewerbe, 
der Industrie und dem Handel beschäftigte Bevölkerung wohnt, 
ist ein Rückgang im Fleischverbrauch und vor allem in dem 
Hauptverzehrmittel dieser Bevölkerungsklasse, dem Schweine¬ 
fleisch, eingetreten, jedoch ist dieser Rückgang nur zum kleinen 


Teile der eingetretenen Preissteigerung, zum größeren dem 
augenblicklichen Darniederliegen des gewerblichen Lebens, durch 
welches die Kaufkraft herabgesetzt ist, zuzuschreiben. 

Einen fiir die Volksgesundheit der Volkswohlfahrt bedroh¬ 
lichen Charakter hat die eingetretene Verminderung des Fleisch¬ 
verbrauchs nicht gehabt. 

So lauten die mir zugegangenen Berichte. Nachdem die 
Krisis, die zweifellos zu einer gewissen Preissteigerung geführt 
hatte, überwunden war, sind die Preise für Rindvieh und Schweine 
wieder in die altgewohnten Bahnen zurückgekehrt. Und ich 
kann nur sagen, daß nach meiner Auffassung der Schweinepreis 
für den Landwirt bereits auf dem Punkte angekommen ist, wo 
für viele Betriebe in Frage kommt, ob überhaupt noch die Mast 
des Schweines irgendwie rentabel ist. 

Es ist ein Preis, wie er sich jetzt nach Berliner Notierung 
für den Produzenten ungefähr auf 34 Mark pro Zentner lebend 
Gewicht stellt, doch nur dann noch rentabel, wenn keinerlei 
Verluste durch Eingehen, durch Seuchen eintreten. Haben aber 
Verluste stattgefanden, so ist schon der Preis von 34 Mark zu 
niedrig und nicht geeignet, Verluste auszugleichen und zu 
kompensieren. Das wären die Momente, die ich dem Hohen 
Hause zu unterbreiten hätte. Aber ich kann diese Darlegung 
nicht schließen, ohne auf einen Punkt zurückzukommen, der 
bei anderer Gelegenheit in der Budgetkommission schon erörtert 
worden ist, nämlich die Schließung unserer Grenzen. Sie werden 
sich erinnern, daß die Öffnung der Grenzen eines der wesent¬ 
lichsten Postniate der Händler und Konsumenten war. Man 
glaubte, daß durch diese ein wesentlicher Vorteil und Nutzen 
eintreten würde in Bezug auf die Preisbildung. Auch nach 
dieser Richtung habe ich Erhebungen stattfinden lassen und 
sie haben gezeigt, daß z. B. im Auslande zum Teil höhere Preise 
gezahlt worden sind als im Inlande, und daß — es handelt sich 
ja nur um Pfennige —, so wunderbar es klingen mag, die 
Ausfuhr nach Wien sich vielleicht lohnen würde. Man wird 
zugeben müssen, daß unsere gesamte Bevölkerung am besten 
daran wäre, wenn der Inlandsmarkt völlig unabhängig vom 
Auslande den Bedarf des Landes bereitstellen und ohne hohe 
Preislage die Ernährung der Bevölkerung mit Fleisch sichern 
würde. Ich möchte sie daran erinnern, daß an der Preis¬ 
steigerung des vergangenen Jahres fast alle Staaten, England, 
Belgien, Holland, Österreich-Ungarn u. s. w. ebenso wie die 
Vereinigten Staaten von Nordamerika, beteiligt waren und das¬ 
jenige Land, das sich ganz auf die eigene Produktion gestellt 
hat, nämlich Frankreich, von der Preiserhöhung am wenigsten 
beeinflußt worden ist. Die Herren, die für die Öffnung der 
Grenzen sind, werden mir zugeben müssen, daß mit der Öffnung 
unvermeidlich große Preisschwankungen verbunden sind, die 
namentlich der kleinere Landwirt zu ertragen gar nicht in der 
Lage ist. 

Aber noch wesentlicher ist der andere Punkt, meine Herren, 
das ist die große Gefahr für unsere Viehbestände durch Ein¬ 
schleppung von Seuchen, und,"meine Herren, wenn darauf hin¬ 
gewiesen wird, daß man hinreichende Sicherungen ja eingerichtet 
hätte bei der Einführung der Schweine nach Oberschlesien, ja, 
meine Herren, so kann man eine solche strenge Quarantäne 
für einen kleinen Bezirk wohl ohne Gefahr durchführen, obwohl 
in letzter Zeit auch dort uns der Beweis erbracht ist, daß die 
Aufrechterhaltung sehr schwierig ist, indem wir von Rußland 
her eine Einschleppung durch einen Fleicher, der den russischen 


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No. 16. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


272 

Markt besucht hatte, erfahren haben. Aber, meine Herren, mit 
einer Öffnung der gesamten Grenzen würden wir unmöglich in 
der Lage sein, die strengen Kautelen durchzuführen, die meiner 
Ansicht nach notwendig sind, den heimischen Viehstand zu 
schützen. Gerade die Seuchen haben der preußischen Land¬ 
wirtschaft in vergangenen Jahrzehnten die schwersten Wunden 
geschlagen, es sind dort Millionen über Millionen verloren ge¬ 
gangen. Dank der Maßregeln, die getroffen worden sind, dank 
namentlich der Unterstützung, die die landwirtschaftliche Ver¬ 
waltung in den Kreisen der Landwirtschaft Belber gefunden hat, 
haben wir die Seuchen — und ich nenne in erster Linie hier 
die Maul- und Klauenseuche — mit Erfolg bekämpft und, wie 
ich neulich schon in der Kommission sagen konnte, daß Preußen 
westlich von der Oder überhaupt frei von der Maul- und Klauen¬ 
seuche ist, so kann ich heute weiter sagen, wir haben augen¬ 
blicklich nur einen einzigen Kreis, und zwar in der Provinz 
Posen, der durch die Einfuhr süddeutschen Viehs verseucht ist; 
abgesehen von diesem Fall würden wir tatsächlich in Preußen 
den glücklichen Zustand erreicht haben, daß die Seuchen über¬ 
haupt bei uns erloschen wären. Die Erreichung dieses Zustandes 
würde aber eine Unmöglichkeit sein, sobald die Grenzen ge- j 
öffnet wären, wo die Kontrolle doch nicht in dem Maße durch¬ 
geführt werden kann, wie es nötig ist. Ich bin zum Beispiel 
fest überzeugt, daß man in Süddeutschland alle Maßregeln ge¬ 
troffen hat, die Einschleppung der Seuchen zu verhindern, aber 
trotzdem sind die Transporte bei ihrem Eintreffen schon behaftet 
gefunden worden; und ist erst einmal das Kontagium da, dann 
ist es sehr schwer, trotz aller Stationierung von Gendarmen, 
trotz Einsperrung von Hunden und Geflügel und wie alle die 
schrecklichen Maßregeln sonst lauten mögen, die Einschleppung 
zu verhindern, dann ist das Unglück geschehen, und ich glaube, 
wer es wohl mit unserer preußischen Landwirtschaft meint, der 
sollte nicht dafür eintreten, die Grenzen zu öffnen, sondern da¬ 
für, daß die preußische Landwirtschaft gegen die Gefahr der 
Seucheneinschleppung von außen geschützt bleibt und so in den 
Stand gesetzt wird, das Fleisch selbst zu liefern, welches für 
das Land notwendig ist. Ich denke, dann sollte man den 
preußischen Landwirtschaftsminister verantwortlich machen, 
wenn er nicht die Anregungen gibt, die nach dieser Richtung 
notwendig sind, um die Fleischversorgung der Bevölkerung 
sicher zu stellen, und ich glaube, man braucht auch in städti¬ 
schen Kreisen nicht etwa die Sorge zu haben, daß die deutsche 
Landwirtschaft Trusts bildet, die nach irgend einer Richtung 
eine Preissteigerung dieses für unsere Volksernährung wichtig¬ 
sten Nahrungsmittels herbeiführen wollen. ; 

Ich komme nun weiter auf die Lungenseuche. Der Vertreter 
der Stadt Berlin ist ja auch hier, er wird mir, glaube ich, be¬ 
zeugen können, daß wir das Unglück gehabt haben, in neuerer 
Zeit in Berlin durch den Ankauf von süddeutschem Vieh plötz¬ 
lich auf einem Rieselgute der Stadt Berlin den Ausbruch ; der 
Lnngenseuche konstatieren zu müssen. Aber ich glaube mich 
der Zustimmung des ganzen Hauses versichert halten zu dürfen, 
wenn sofort gegen die Seuche mit aller Energie vorgegangen 
worden ist. Mit dem Ausbruch der Lungenseuche erschien 
sofort der Fleischer, der das Vieh getötet hat; ich habe die 
erforderlichen Zuschüsse geleistet, und so ist der Seuchqfall 
sofort erledigt worden. Bei uns in Preußen war es der letzte 
Fall von Lungenseuche gewesen; seit derZeit haben wir nichts 
mehr von der Krankheit gehört. Ich glaube, wir können nur 


mit der rücksichtslosesten Energie die ersten Ausbrüche be¬ 
kämpfen, dann ist es möglich, eine weitere Verbreitung der 
Seuchen zu verhüten. 

Ähnlich liegt es mit dem Rotz. Ich habe schon Gelegen¬ 
heit gehabt, in der Kommission mich dankend gegenüber der 
Provinzialverwaltung der Rheinprovinz auszusprechen, die mich 
bei der Bekämpfung des schweren Rotzansbruchs in der Stadt 
Köln unterstützt hat, und ich glaube, der Herr Vertreter der 
Stadt Köln wird es bestätigen, daß die vielen Schwierigkeiten, 
die sonst entstanden wären, gerade durch dieses Vorgehen be¬ 
seitigt sind, und ich hoffe auch, daß es speziell in Oberschlesien, 
wo wir noch ein paar Fälle von Rotz haben, gelingen wird, 
diese schwere Krankheit zu beseitigen. 

Es ist aber interessant zu beobachten, meine Herren, wie 
diese Seuche eigentlich zu uns in erhöhtem Maße gekommen 
ist und zwar dadurch, daß während des Transvaalkrieges große 
Pferdekäufe stattfanden; an Stelle der verkauften Pferde trat 
das Pferd aus dem Osten (Rußland); es trat eine Bewegung 
in den Pferdebeständen ein und mit der Bewegung aus dem 
Osten kam auch die Seuche überall zum Ausbruch. Also es ist 
dies immerhin ein Zeichen dafür, wie gerade ein gewisser Schutz 
der Grenze, die Schließung der Grenze, dazu beiträgt, uns 
vor schweren Verlusten zu schützen. In dem Falle von Lungen¬ 
seuche, Rotz u. s. w. werden auch die Staatskasse und die 
Kommunalverwaltungen in den Kreis der Leidenden gezogen. 
Also sie haben ein wesentliches Interesse daran, daß wir nur 
gesundes Vieh erhalten. 

Ich glaube dem Hohen Hause mit diesen meinen Aus¬ 
führungen dargelegt zu haben, wie die Verhältnisse liegen, wie 
also jetzt die Preise bei den Produzenten für Vieh erheblich 
gesunken sind, daß in einer Reihe von Städten bereits im Klein¬ 
handel auch die Preise gesunken sind; ich kann nur hoffen und 
wünschen, daß von allen maßgebenden Stadtverwaltungen Einfluß 
geübt wird, daß diese Preise, welche vielfach noch nicht in dem 
richtigen Verhältnis zu dem Einkaufspreis stehen, eine Wand¬ 
lung erfahren. Ich kann nur weiter darauf hinweisen, daß das 
bezügliche Material, wie ich hoffe, in nicht zu langer Zeit der 
gesamten preußischen Bevölkerung zur Verfügung gestellt 
werden kann. Und ich kann nur dem Wunsche Ausdruck geben, 
daß es uns gelinge, im Interesse unserer Landwirtschaft die 
Seuchen fern zu halten, glaube aber einB der wesentlichsten 
Mittel darin zu erblicken, daß wir strenge an der Schließung 
unserer Grenzen gegen solche Krankheiten oder verdächtiges 
Vieh festhalten. (Lebhaftes Bravo.) 

Dr. Bender: Meine Herren, es gibt wohl keine einzige große 
Stadt in Preußen, die sich in den letzten Jahren nicht eingehend 
mit der Fleischfiage hat beschäftigen müssen. Wir in Breslau haben 
noch besonderen Anlaß gehabt, es zu tun, weil wir eine von den 
wenigen Städten sind, die noch Schlachtsteuer erheben, die also 
selbst das Fleisch verteuern. Ich bin der Ansicht, daß das 
Fleisch nur durch den Betrag der Steuer verteuert wird; trotzdem 
bin ich für die Beibehaltung der Schlachtsteuer eingetreten aus 
Nützlichkeitsgründen. Ich führe dies an, um zu beweisen, daß die 
städtischen Verwaltungen diesen Dingen nicht so theoretisch gegen¬ 
überstehen, wie das auf mancher Seite geglaubt wird .... 

Als eine Schärfung der Gegensätze fasse ich eB auf, daß uns 
unterstellt wird, wir seien für Öffnung der gesamten Grenzen. Ich 
glanbe, in keiner Stadt, soweit ich gehört habe, ist diese Ansicht 
vertreten; es mag das ja irgendwo geschehen sein, bei uns jeden¬ 
falls nicht; wir wollen durchaus nicht die Öffnung aller Grenzen. 
Wir haben immer gesagt, daß uns in erster Linie der Schutz der 
heimischen Landwirtschaft steht, und dieser Schutz geht unseren 


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16. April 1908. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


278 


Wünschen bezüglich der Zufuhr von Fleisch aus dem Auslande 
voraus .... 

Ich will summarisch meine Ansicht dahin äußern, daß die 
Futternot unseres Landes im Jahre 1901 als Hauptursache der letzten 
Fleischnot hier viel zu wenig geltend gemacht worden ist. Sie ist 
nach unserer Auffassung und nach der Auffassung unserer Sach¬ 
verständigen wesentlich schuld daran gewesen, daß im vorigen 
Jahre eine sprunghafte Verteuerung des Fleisches eintrat, nicht 
bloß des Schweinefleisches, das zuerst davon betroffen wurde, weil 
die Schweine wohl zuerst verkauft worden waren, sondern auch 
des Rindviehs, und diese Futternot von 1901 wirkt wenigstens beim 
Rindfleisch heute noch nach. 

Meine Herren, der zweite Grund der hohen Fleischpreise ist 
aber doch die Absperrung der Grenzen. Ich bin erstaunt gewesen, 
den Herrn Minister die Ansicht vertreten zu hören, daß die Öffnung 
der Grenzen eine Schwankung der Preise fördere. Nach meiner 
Ansicht ist genau das Gegenteil der Fall. Wenn ein Mangel an 
Futter in einem Jahr eintritt, ein großer Mangel, dann ist es selbst¬ 
verständlich und durch keine Maßregel der Königlichen Staats¬ 
regierung abzuwehren, daß die Viehbestände Uber das Maß hinaus 
verkleinert werden, und die Konsequenz ist dann ganz unvermeidlich, 
daß in dem nächsten und übernächsten Jahr eine Fleischteuerung 
oder Fleischnot eintreten wird, wie man das nun nennen möge. 
Das wird um so schärfer sich geltend machen, je strenger wir die 
Grenze abgesperrt haben, so daß von außen, wo vielleicht besseres 
Futter gewachsen war, Fleisch nicht eingeführt werden darf. 

Die Ansicht, daß die Getreidepreise in ihren Schwankungen 
außerordentlich ausgeglichen worden sind durch den Welthandel, 
wird doch jetzt allgemein geteilt, und ich kann die Anschauung 
nicht als richtig anerkennen, daß auf dem Gebiet des Fleischhandels 
das Gegenteil stattfinden sollte, daß hier die Schwankungen der 
Inlandspreise durch Abschneidung der Zufuhr aus dem Auslande 
vermindert werden sollten. Ich glaube, das Umgekehrte ist der Fall. 

Die Steigerung der Fleischpreise ist im vorigen Jahr ganz 
besonders hart empfunden worden — das erwähnte auch der Herr 
Minister — weil sie zusammentraf mit dem Rückgang der Ge¬ 
schäfte und der Arbeiterlöhne. Eine Steigerung der Schweinefleisch- 
preise fällt mit ihrer ganzen Schwere auf den Arbeiter in den 
Städten, und diese Steigerung ist im vorigen Jahre doch ganz er¬ 
heblich gewesen, in Breslau bis zu 27 Prozent; aber ich kann mich 
in der Ziffer irren. . . . ;(es) ist' festgestellt worden, daß schon, 

bevor die sprunghafte Teuerung des Jahres 1902 eintrat, ein er¬ 
hebliches Anziehen der Preise in den vorhergehenden Jahren statt¬ 
gefunden hatte. Im letzten halben Jahre ist nun'allerdings auch 
nach unserer Erfahrung wieder eine erhebliche Verbilligung des 
Fleisches — namentlich des Schweinefleisches — eingetreten; un¬ 
sere Sachverständigen waren schon im vorigen Herbst der Ansicht, 
daß die Fleischpreise unbedingt zurückgehen würden, sobald die 
Zuzucht an Schweinen infolge der guten Futterernte von 1902 sich 
geltend machen würde. 

Die Klagen Uber Fleischnot, die im vorigen Jahre an uns heran¬ 
gekommen sind, sind keine gemachten; die Ansicht müssen Sie auf¬ 
geben. Die Klagen kommen aus den allerberechtigsten Interessen 

heraus.dabei bildet der Fleischkonsum in der Stadt einen 

größeren Quotienten der Arbeiterernährung, und muß ihn bilden, als 
auf dem Lande, weil der städtischen Arbeiterbevölkerung die Milch 
nicht in dem Maße zur Verfügung steht wie der Landbevölkerung. 

Es ist auch durchaus irrig, anzunehmen, daß etwa der Zwischen¬ 
handel an der Steigerung der Fleischpreise schuld sei. Wir haben 
gerade für diese Frage in Breslau genaue Ziffern für eine lange 
Reihe von Jahren feststellen können, weil wir alles in unserer Hand 
haben: den Viehmarkt, das Schlachthaus, die Schlachtsteuer. Da 
haben wir denn festgestellt, daß die Groß- und Kleinhandelspreise 
allerdings nicht immer gleichzeitig steigen und sinken, sondern daß 
eines immer dem andern nachhinkt. Bei sinkenden Preisen werden 
die Kleinpreise sicher langsamer zurückgehen als die Preise im 
Großhandel. Die Großhandelspreise steigen und fallen um Pfennige 
und schwanken oft; die Kleinpreise der Fleischer folgen immer in 
etwas höheren Absätzen, wenn das Schwanken nach der einen Seite 
eine dauernde, erhebliche Veränderung der Großhandelspreise herbei¬ 
geführt hat; das geht immer mit einer Distanz von ein bis zwei 


Monaten, vielleicht auch mehr; sonst aber findet ein ganz ständiges 
Verhältnis zwischen Steigen und Sinken der Großfleisch- und Klein- 
fleischpreise statt. Wer das bestreitet, dem stelle ich unser statisti¬ 
sches Material zur Verfügung; da wird der sich überzeugen, daß 
wenigstens in Breslau die Theorie von der dauernden Preissteigerung 
durch den Zwischenhandel durch die Praxis nicht bestätigt wird. 

Ich glaube ferner auch, daß die Wirkung der auswärtigen 
Futtermittelpreise auf die vorjährigen Fleischpreise vom Herrn 
Referenten überschätzt wird. Die auswärtigen Futtermittelpreise 
sind es nicht, die entscheidend waren, sondern die inländischen 
Futterpreise des Jahres 1901. 

Nun hat der Herr Minister für Landwirtschaft gesagt: es ist 
schon so weit gekommen, daß nachgerade Fleisch vom Inland in 
das Ausland abgeführt wird. Das ist richtig; man kann allerdings 
heute zeitweilig anf den Gedanken kommen, Schweine nach Öster¬ 
reich auszuführen. Aber Österreich hört nachgerade überhaupt auf. 
ein Fleisch ausfUhrendes Land zu sein; es ist im Begriff, den Weg 
zu gehen, den wir schon gegangen sind, nämlich aus einem Lande 
mit landwirtschaftlicher Überproduktion zu einem Lande von 
industrieller Produktion zu werden. Das kommt dann in dieser 
Tatsache zum Ausdruck, daß dort die Schweinefleischpreise sehr 
gestiegen sind. Ganz anders aber ist es mit der russischen Grenze. 

Meine Herren, so sehr wir auch den Schutz der Landwirtschaft. 

anerkennen, so können Sie sich nicht wundern, daß es die Kritik der 
Fleisch entbehrenden Klasse hervorruft, wenn wir sehen, daß an 
einer Stelle 1000 Schweine eingeführt werden, aber 2000 nicht ein¬ 
geführt werden dürfen, obwohl in diesen modern eingerichteten 
Schlachthäusern an der Grenze, in Kattowitz, Beuthen u. s. w., die 
Einschleppung der Seuche doch eigentlich vollständig ausgeschlossen 
ist und jedenfalls ausgeschlossen werden kann. 

Es ist ärgerlich,.daß man einen Grund vorschützt und 

sagt: es liegt eine Gefahr für die Landwirtschaft vor. Das erkennen 
wir nicht an. Wenn 6000 Schweine in Kattowitz ohne Gefahr für 
die Landwirtschaft eingeführt und geschlachtet werden, so können 
auch 10000 eingeführt und geschlachtet werden. Wenn daher Kritik 
an jeder Begründung geübt wird, so dürfen Sie sich nicht wundern; 
es wäre vielmehr wunderbar, wenn Kritik nicht geübt würde. 

Ich schließe mit der Versicherung, daß mir nichts ferner liegt 
als eine Gegnerschaft gegenüber der einheimischen Landwirtschaft. 
Aber wir meinen doch, daß die Maßregeln, die zum Schutze der 
Landwirtschaft getroffen werden, vor der Kritik in jeder Beziehung 
bestehen sollen, um so mehr in einer Zeit, wo bei uns in den großen 
Städten Leute hungern. Meine Herren, das muß ich bestimmt aus¬ 
sprechen. Ob es gut ist, daß die Leute nach den großen Städten 
strömen, ist eine andere Frage; das lasse ich dahingestellt sein. 
Das gefüllt uns auch nicht. Die Herren, die in Schlesien wohnen, 
werden mir bestätigen können, daß ich das niemals auch nur im 
geringsten als ein Glück betrachtet' habe. Es ist aber eine Tatsache, 
und als solche muß man es hinnehmen. 

Minister für Landwirtschaft v. Podbleiski. 

Ich möchte mir erlauben, den Herrn Oberbürgermeister 
Bender zunächst einmal auf die Zusammenstellungen über die 
Stadt Breslau hinzuweisen, die hier vor mir liegen, nnd die auch 
ein eigentümliches Licht auf das werfen, was er eben ausführte: 
daß Leute in der Stadt Breslau hungern. Die Erhebungen zeigen 
vom September 1902 bis zum Februar 1903, daß die Schweine¬ 
fleischpreise in der Stadt Breslau im Kleinhandel immer anf der 
gleichen Höhe von 150 Pfennig für das Kilo geblieben sind; 
dagegen sind die Schweinepreise in Breslau für Lebendgewicht 
von 107,35 und 107,40 (September und Oktober 1902) auf 97 
(Februar 1903) gesunken. Sie stehen sogar jetzt nicht mehr 
auf 97, sondern sind noch weiter gefallen. Unter diesen Um¬ 
ständen werden mir die Herren zugeben, daß dieses Beharren 
der Kleinhandelpreise auf dem erreichten hohen Stande bei 
einem solchen Preisfall des Viehs Wunder nehmen muß, und 
deshalb erlaubte ich mir, die Herren Vertreter der großen Städte 
darauf hinzuweisen, ob nicht die Kommunen selbst Gelegenheit 


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274 


nehmen könnten, Einfluß auf diese Preisbildung zu üben. Ich 
verkenne es gewiß nicht: es ist sehr schwer, meine Herren, 
aber immerhin wird es vielleicht an der Hand der Zahlen doch 
möglich sein, daß die öffentliche Kritik damit eingreift und die 
Zustände herbeiführt, die wünschenswert erscheinen. Wie gesagt, 
ich bitte den Herrn Oberbürgermeister von Breslau, geneigtest 
diese Zahlen zu vergleichen und festzustellen, aus welchen Gründen 
tatsächlich die Preise im Kleinhandel keinen Schwankungen 
unterworfen sind. 

Aber ich möchte doch nicht unterlassen, einer Frage näher 
zu treten, nämlich der Frage der Abhängigkeit unseres Marktes 
vom Auslande. In dem Momente, wo in Amerika die Schweine¬ 
zucht im großen aufgenommen wurde, war es tatsächlich für 
die greußische Landwirtschaft nicht mehr möglich, die alten 
großen Speckschweine wie früher zu produzieren. Der Preis 
für Schmalz und Speck sank in einerWeise, daß unsere heimischen 
Fleischer die eigene Produktion von Speck und Schmalz auf¬ 
gegeben haben und das billigere amerikanische Schmalz und 
den amerikanischen Speck kauften. Gerade hier zeigt sich der 
Einfluß des Auslandes auf unsere ganze Preisstellung. Die 
schlechte Maisernte — und hier spielt gerade das Futter wieder 
die Rolle, die der Herr Oberbürgermeister in Abrede stellt — 
zwang die amerikanischen Landwirte einerseits, die Produktion 
einzuschränken und andererseits das überschießende Material 
in erster Linie bei Beginn der Periode abzustoßen, und, wie 
die Herren ans Zeitungsberichten ersehen werden, ist heute noch 
eine große Not an Schlachtschweinen auf den großen Schlacht¬ 
höfen in Chicago, die sich nach einem Nachlassen im September 
seit Dezember 1902 wieder verschärft hat. 

Die Zusammenstellungen hierüber finden Sie verschiedent¬ 
lich in unserer öffentlichen Presse, und wenn der Herr Ober¬ 
bürgermeister einmal die Freundlichkeit hat, mit diesen Zahlen 
die Einfuhr von Schmalz zu vergleichen, so werden Sie finden, 
wir haben aus den Vereinigten Staaten noch im Jahre 1900 
etwa über eine Million Doppelzentner eingeführt, während im 
Jahre 1902 die Einfuhr von dort gesunken ist auf 789 000 
Doppelzentner. Die Folge war, daß die Preise für amerikanisches 
Schweineschmalz (Bremen, unverzollt, für den Doppelzentner), 
welche 1900 73,18 Mark betragen haben, im Jahre 1901 auf 
88,45 Mark und im Jahre 1902 auf 106,09 Mark stiegen. 

Es sind das Momente, die zeigen, wie gerade das Futter 
in diesem Falle der Mais, und in weiterer Konsequenz die 
Produktion an Schweinen nicht bloß auf den amerikanischen, 
sondern auch auf den englischen und auch auf unseren Markt, 
der auf die Einfuhr von Speck und Schmalz angewiesen ist, 
eingewirkt haben. 

Weiter möchte ich mir erlauben, darauf hinzuweisen, daß 
ich von meinem Standpunkt, das heißt vom Standpunkte 
der landwirtschaftlichen Verwaltung, es für wünschenswert er¬ 
achten würde, wenn wir in unseren oberschlesischen Bezirken 
selbst diese Schweine zu produzieren vermöchten. Aber gerade 
worauf ich mir erlaubte eingangs hinzuweisen, gerade in Ober¬ 
schlesien wird das schwere Speckschwein, welches heute für 
die deutsche Landwirtschaft zu produzieren eine Unmöglichkeit 
geworden ist, von der dortigen Arbeiterbevölkerung, von den 
Bergleuten, gewünscht, und ich habe selbst bei zwei Gelegen¬ 
heiten die Tiere mir eingehend angesehen und bin zu der Über¬ 
zeugung gekommen, daß derartige Schweine bei uns bei den 
jetzigen Preisständen unmöglich produziert werden können, und 


No. 16. 


ich habe auch gelegentlich einer Konferenz mit Fleischern im 
vorigen Herbst hingewiesen auf die Ubelstände, die sich in der 
ganzen Marktlage herausgestellt haben. In früheren Zeiten 
konnten wir, wie es im Berliner Marktberichte steht, noch immer 
einen Preis auswerfen für BOgenannte Kocher. Wenn die Herren 
aber die Marktnotizen von heute ansehen, finden Sie im ganzen 
Jahr überhaupt keine solchen Schweine notiert. Das kommt 
daher, weil die Differenz im Preise, die sich daraus ergab, daß 
man solche schweren Schweine teurer bezahlte, wegen der 
amerikanischen Konkurrenz in Speck und Schmalz in Fortfall 
gekommen ist. 

Man findet seine Rechnung bei der Mast nicht mehr, infolge¬ 
dessen sind diese Schweine mehr und mehr von unserem Markt 
verschwunden. Diese Schweine sind gerade für Oberschlesien 
notwendig; daher findet augenblicklich die Einfuhr solch schwerer 
Schweine aus Rußland statt, von der ich auch nur sagen kann, 
sie ist nicht einmal im vorigen Jahre ganz erfüllt worden, also 
auch ein Zeichen, daß selbst im großen Rußland das Herbei- 
schaflfen solcher Schweine mit Schwierigkeiten verbunden sein 
muß. Denn im vorigen Jahre — das wissen wir alle — haben 
die Fleischer dort ein recht gutes Geschäft gemacht, sie haben 
aber die Ware nicht mehr in dem erforderlichen Maße zu be¬ 
schaffen gewußt. 

Weiter möchte ich mir erlauben, darauf hinzuweisen: gerade 
in neuerer Zeit hat sich gezeigt, daß wir von diesem Konzen¬ 
trationsmarkt in Sosnowice eine Einschleppung von Maul- und 
Klauenseuche bekommen haben. Mir ist der Name der Besitzung 
augenblicklich nicht zur Hand, aber gerade von einem größeren 
Gut in der Gegend ist die Maul- und Klauenseuche herüber ge¬ 
kommen, indem ein Schlächter sie von dort über die Grenze 
verschleppt hat. Ich bin der Meinung, es wären für uns im 
vorigen Jahre sehr schwere Verhältnisse entstanden, wenn wir 
nicht eine wirklich blühende Viehzucht im Lande gehabt hätten. 
Wenn wir einen durch Seuche dezimierten Viehbestand gehabt 
hätten, würde die ganze Preisbewegung, die nicht allein in 
Deutschland, sondern in allen Staaten hervorgetreten ist, noch 
sehr viel elementarer aufgetreten sein, wie es geschehen ist, 
und ich meine, es ist gerade mit die vornehmste Aufgabe des 
Landwirtschaftsministers, dafür Sorge zu treffen, daß die Alimen¬ 
tation des ganzen Landes sichergestellt ist. Ich hoffe aber auch 
dabei immer auf die Unterstützung aller der großen Städte, die 
Landwirtschaft auf ihren Rieselfeldern betreiben, daß sie in 
ihrem eigensten Interesse auch das Ihre tun. In einem Falle 
ist eine Kommune nicht einmal eingetreten beim Auftreten der 
LungenBeuche, ich mußte das aus öffentlichen Mitteln bezahlen, 
in anderen Fällen werde ich vielleicht den kommunalen Verband 
in Anspruch nehmen. Jedenfalls liegt es im vitalen Interesse 
unseres Landes, daß wir gesundes kräftiges Vieh haben; dafür 
zu sorgen ist Aufgabe der heimischen Landwirtschaft, und ich 
bin auch ehrlich davon überzeugt, daß wir diese Frage so lösen 
können, daß unsere städtische Bevölkerung nach jeder Richtung 
damit zufrieden sein kann. Der heutige Preissturz, den ich 
angeführt habe für Schweine, ist so bedeutend, daß es für viele 
Produzenten in Frage kommen kann, ob sie sich noch mit der 
Mast von Schweinen abgeben können. Bei Rind- und Schaf¬ 
fleisch hat sich die Preisbewegung des Jahres 1902 in ganz 
engen Grenzen gehalten, wie beim Schweinefleisch; die Erhöhung 
betrug durchschnittlich 1—3 Pfennig pro Kilo gegenüber 1900 
und 1901, hat also überhaupt nicht in dem Maße eine Rolle 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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16. April 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 275 


gespielt. Wenn der Bericht, der in Arbeit ist, fertig sein wird, 
so wird er Zeugnis davon ablegen, daß ich weit entfernt bin, 
Gegensätze konstruieren zu wollen, daß ich gerade als Vertreter 
der Landwirtschaft bestrebt gewesen bin, alle Verhältnisse frei 
und unabhängig zur Erörterung zu bringen, damit man sieht, 
daß nicht allein die Landwirtschaft der Prügelknabe ist, sondern 
daß eine Menge von Verhältnissen zusammengewirkt haben, die 
eine nicht angenehme Krisis in unserem Volksleben herbeigeführt 
haben, und daß meine Voraussagen doch gerade heute zutreffen. 
Die Preise für Rindvieh und.Schafe sind auf den frühereu Stand 
zurückgegangen, und die Schweinepreise sind auf einen Punkt 
gekommen, wo sie leider, wie ich wieder sagen muß, nicht mehr 
produktiv erscheinen. 

50jfihrige8 Jubiläum der Zentrai-Lehrschmiede in Hannover. 

Im Jahre 1853 wurde unter dem Direktor Friedrich Günther 
die schon seit dem Jahre 1778 zur Tierarzneischule gehörige 
Beschlagschmiede zu einer Lehranstalt für gelernte Hufschmiede 
erweitert und hat als solche nunmehr 50 Jahre ununterbrochen 
bestanden. Es fiel ihr die doppelte Aufgabe zu, neben der 
Unterrichtung der Studierenden der Tierheilkunde auch eine 
Anzahl Schmiedegesellen in dreimonatigen Kursen durch Vor¬ 
träge und praktische Übungen im rationellen Hufbeschlag zu 
unterweisen. Gleichzeitig wurde die Lehrschmiede zu einer 
Zentralstelle für die Prüfung sämtlicher Hufschmiede des König¬ 
reiches Hannover ernannt, bei welcher nicht nur diejenigen 
Schmiede zu prüfen waren, welche die Lehrschmiede besucht 
hatten, sondern auch alle übrigen, die entweder ganz freiwillig 
oder auf Veranlassung der Gemeinden, in deren Bezirk sie sich 
als selbständige Hufschmiede niederlassen wollten, ihre Prüfung 
beantragten. In den ersten elf Jahren hielt mit wenigen Aus¬ 
nahmen der spätere Direktor der Tierarzneischule, der damalige 
Inspektor Karl Günther die theoretischen Vorträge, während 
der schon seit dem Jahre 1844 an der Anstalt tätige und bewährte 
Beschlagmeister Franz Knochenhauer die praktischen Arbeiten 
in der Schmiede leitete. Der erste eigentliche Speziallehrer tür 
Hufbeschlag war der Tierarzt Neuschild, welcher von 1864 bis 
1866 der Lehrschmiede Vorstand, dann aber seine Stelle mit der 
Beschlaglehrerstelle in Dresden vertauschte. Ihm folgte der Stabs¬ 
roßarzt Großwendt bis 1872, dann der Regimentspferdearzt 
a. D.'Dr. Brticher bis 1879, vom April desselben Jahres ab 
deT jetzige Leiter der Anstalt, Tierarzt Geiß. 

Dem Unterrichte in der Lehrschmiede wurde der englische 
Hufbeschlag zu Grunde gelegt, welcher schon im Jahre 1814 
von dem damaligen Lehrer, späteren Direktor Hausmann, der 
drei Jahre in England geweilt hatte, eingeffihrt worden war. 
Im Laufe der Zeit hat die englische Methode des Hufbeschlages 
allerdings einige Änderungen erfahren, die für die hiesigen 
Verhältnisse geboten erschienen. Wenn auch in den ersten 
Jahren die Frequenz der Lehrschmiede nicht immer auf der 
gewünschten Höhe stand, so wurde im Laufe der Zeit die Be¬ 
deutung eines umfassenden Unterrichtes für die Hufschmiede 
doch immer mehr anerkannt, und die Zahl der Schüler stieg 
zuweilen bis 80 in einem Jahre. Im ersten halben Jahrhundert 
hat die Anstalt 2018 Schmiede ausgebildet und damit eine 
namhafte Wirksamkeit erwiesen, die in erster Reihe der land¬ 
wirtschaftlichen Pferdehaltung zu Gute gekommen ist. Die 
Tätigkeit der Lehrschmiede erstreckte sich — abgesehen von 
dem Unterricht für die Studierenden der Tierheilkunde — zu¬ 


nächst nur auf die Ausbildung hannoverscher Schmiede, wurde 
aber bald auf einen immer größeren Umkreis ausgedehnt. Nicht 
nur aus sämtlichen preußischen Provinzen, sondern auch aus 
allen Bundesstaaten, sogar aus dem Auslande haben Hufschmiede 
in Hannover ihre Ausbildung genossen. 

Zu ihrem Jubiläum erhielt die Lehrschmiede eine große 
Anzahl von Glückwünschen für ihre Zukunft. Dem Direktor 
der Anstalt verlieh die Königliche Landwirtschaftsgesellschaft 
die silberne Medaille. 

Allgemeine Ausstellung für Hygienische Miichversorgung in Hamburg. 

Vom 2. bis 10. Mai 1903. 

Tages-Programm. 

Sonnabond, den 2. Mai. Vormittags 11 Uhr: Feierliche 
Eröffnung der Ausstellung im Ausstellungsgebände „Velodrom“, 
Rothenbaumchausse. — Konzert bis 2 Uhr und 6 bis 9 Uhr. — 
Abends: Empfang der Ehrengäste, Preisrichter, Komitee-Mitglieder 
und anderer Herren im Rathause auf besondere Einladung durch 
E. H. Senat. 

Sonntag, den 3. Mai. Konzert von 1 bis 3*/ a Uhr und 
6 bis 9 Uhr. — Exkursionen. 

Montag, den 4. Mai. Vormittags 11 Uhr: Vortrag*) des 
Herrn Geh. Medizinalrats Professor Dr. Rubner-Berlin „über den 
Wert der Milch als Nahrungsmittel und über die Gewinnung ge¬ 
sunder Milch“. — Nachmittags 2 Uhr: Erste Versammlung 
der Tierärzte. Tagesordnung: 1. Über die Regelung des Milch¬ 
verkehrs vom hygienischen Standpunkt. Herr Professor Dr.Ostertag- 
Berlin. 2. Der moderne Molkereibetrieb in veterinärpolizeilicher und 
sanitärer Hinsicht. Herr Nevermann, Kreistierarzt in Bremer¬ 
vörde. — Konzert von 1 bis 3'/ a Uhr und von 6 bis 9 Uhr. — 
6 Uhr: Festessen im Zoologischen Garten. Karten zu 4,50 M. zum 
Festessen, an dem auch Damen teilnehmen können, berechtigen 
zugleich zum Eintritt in den Zoologischen Garten und in das 
Aquarium. Diese Karten sind im voraus tunlichst frühzeitig in der 
Ausstellung zu lösen. — Abends: Gartenkonzert und Festbeleuchtung 
im Zoologischen Garten. 

Dienstag, den 5. Mai. Vormittags 10 Uhr: Generalversamm¬ 
lung des Deutschen Milchwirtschaftlichen Vereins. Tagesordnung: 
1. Welches sind die Aufgaben des Landwirts zur Beschaffung und 
Verwertung einer bekömmlichen Kuhmilch. Herr Oekonomierat 
Vibrans-Wendhausen. 2. Die auf der Ausstellung zum Austrag 
kommende Stallkonkurrenz. Ref.: die Herren Hofpächter Meinert- 
Hammerhof und Physikus Dr. Pfeiffer-Hamburg. — Konzert von 
1 bis 3‘/a Uhr und von 6 bis 9 Uhr. — Nachmittags 4 Uhr: Ver¬ 
sammlung der Abteilung E für Milchgesetzgebung. Vorsitzender: 
Herr Polizeidirektor Dr. Roscher. Vorlage und öffentliche Be¬ 
sprechung einer Musterpolizeiverordnung, betr. den Verkehr mit 
Milch. Referent: Herr Dr. Reinsch-Altona. — Abends 8 Uhr: 
Versammlung des Ärztlichen Vereins im Patriotischen Hause. 

Mittwoch, den 6. Mai. Vormittags 11 Uhr: Vortrag des 
Herrn Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Heubner-Berlin „Tiermilch als 
Säuglingsnahrung“. — Konzert von 1 bis »*/a Uhr und 6 bis 9 Uhr. — 
4 Uhr nachmittags Fahrt nach Blankenese. — Im Fährhause in 
Blankenese hält der Wirt Mittagessen zum Preise von 2 M. ohne 
Weinzwang zur Verfügung, zu dem Karten im voraus in der Aus¬ 
stellung zu lösen sind. 8 Uhr abends Rückfahrt von Blankenese. 
Rückfahrkarten für diese Fahrt zum Preise von 50 Pf. die Person 
sind von Montag ab im voraus in der Ausstellung zu lösen. 

Donnerstag, den 7. Mai. Vormittags 11 Uhr: Vortrag des 
Herrn Oekonomierat Dr. Müller-Darmstadt „Die wirtschaftliche 
Bedeutung der Allgemeinen Ausstellung für Hygienische Milch¬ 
versorgung“. 

Nachmittags 2 Uhr: Zweite Versammlung der Tierärzte. 1. Über 
Tuberkulosetilgung, von Herrn Tierarzt Dr. Müller, Königs¬ 
berg i. Pr., 2. Krankheiten des Euters (mit Demonstrationen), von 
Herrn Polizeitierarzt Glage, 3. Grundsätze für die Gewinnung von 
Kinder- und Kurmilch. Herr Kreistierarzt Dr. Jess-Charlottenburg. 

Konzert von 1 bis 3 l / a Uhr und 6 bis 9 Uhr. — Abends: Fest- 
vorstcllung im Hamburger Stadttheater. 

Freitag, den 8. Mai. Konzert von 1 bis 3*/ a Uhr und 6 bis 
9 Uhr. — Fahrt nach Helgoland. Abfahrt 8 Uhr morgens von den 
St. Paul-Landungsbrücken. Rückfahrt ab Helgoland am folgenden 
Tag (Sonnabend) etwa 11 Uhr vormittags. Rückfahrkarten für 
Helgoland zu 12 M. die Person, für Cuxhaven zu 6 M. sind in 
der Ausstellung im voraus zu lösen, aber auch noch bei der Ab¬ 
fahrt des Schiffes an der Kasse auf den Landungsbrücken zu haben. 

Sonnabend, den 9. und Sonntag, den 10. Mai. Konzert 
von 1 bis 3'/ a Uhr und 6 bis 9 Uhr. Schluß der Ausstellung. 

Ein Wohnungsbureau ist errichtet. Anträge auf Wohnungs¬ 
vermittelung werden nach Hamburg 6, Lagerstr. 2, erbeten. Woh- 

*) NB. Alle Versammlungen, sofern nicht ein anderes Lokal be¬ 
sonders genannt ist, finden statt im Saale des „Velodroms“; zur Teil¬ 
nahme berechtigt die für die Ausstellung gelösto Dauer- oder Tageskarte. 


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276 


nungen in Privathäusern für 2—4 M. pro Bett incl. Morgenkaffee 
sind verfügbar. Der Bestellung sind je 60 Pf. beizufllgen. 

Zwanglose gesellige Vereinigung aller Interessenten an 
der Ausstellung jeden Abend von 8 Uhr ab in der Alsterlust bei 
der Lombardsbrücke. Außerdem Freitag, den 8. Mai, von 7 Uhr 
ab: Zwanglose Vereinigung im Uhlenhorster Fährhause. Dampfer¬ 
fahrt nach der Uhlenhorst ab Jungfernstieg und Lombards¬ 
brücke 10 Pf. 

Sehenswürdigkeiten: Das Innere des Rathauses, Sonntags, 
Dienstags, Donnerstags und Sonnabends von 11-3 Uhr. Eintritt 
50 Pf., Sonntags 25 Pf. — Die Große Kunstausstellung in der 
Kunsthalle, täglich bis Donnerstag, den 7. Mai (Schluß). — Der 
Zoologische Garten, täglich 7 Ubr früh bis Eintritt der Dunkelheit. 
Eintritt: Täglich 1 M, Aquarium 40 Pf. Montag, den 4. Mai: 30 Pf. 
Festabend. Schluß 10), Uhr. 

Rundfahrten d. Hammonia-Rundfahrt-Gesellschaft (Bangert). 
Täglich: Abfahrt morgens 8'; Uhr und 9% Uhr von Höfers Hotel, 
sowie 9 Uhr und 10 Uhr vom Cafe Ott, Jungfernstieg. Hafenfahrt 
9 % Uhr (Dauer bis lljj Uhr) und 12 Uhr (Dauer bis 2 Uhr) vom 
Baumwall. Karten für die Stadtrundfahrt zum ermäßigten Preise 
von M. 1.50, für die Hafenrundfahrt zu M. 0.50 sind im voraus 
nur in der Ausstellung zu haben. Mit der Hafenrundfahrt ist die 
Besichtigung eines großen transatlantischen Dampfers verbunden. 
Person M. 0.50. 

Im Ernst Drucker - Theater wird in der Ausstellungswoche 
mehrere Male die Volksposse „Das Milchmädchen“ aufgeführt 
werden. Karten zu ermäßigten Preisen sind in der Ausstellung zu 
haben. 

Unentgeltlich zu besichtigen: Das Naturhistorische Museum 
und Museum für Völkerkunde, Steintorwall, täglich, außer Montags, 
von 11 bis 4 Uhr. — Das Botanische Museum am Lübecker Tor 
täglich, außer Montags, von 9 bis 2 Uhr. — Der Botanische Garten, 
Dammtor, ist täglich den ganzen Tag geöffnet — Das Museum für 
Kunst und Gewerbe, Steintorplatz, täglich, außer Montags, von 10 
bis 5 Ubr. — Die Sammlung Hamburgischer Altertümer, Johanneum, 
Eingang Fischmarkt, täglich, außer Dienstags, von 10 bis 4 Uhr. 
— Das Altonaer Museum, Altona, Kaiserstraße, täglich, außer 
Montags, von 10 bis 4 Uhr. — Schlachthof- und Viebmarktanlagen, 
Hamburg, Kampstr. 46. Täglich zu besichtigen. Meldung beim 
Pförtner. 

BundesratsbeschluM betr. Behandlung schwaoh trichinöser und 
echweineeeuchekranker Schweine. 

Der Bundesrat hat auf Grund des § 22 des'^Gesetzes, betreffend 
die Schlachtvieh- und Fleischbeschau, vom 3. Juni 1900 über die 
Behandlung des Fleisches von schwach trichinösen und nur leicht 
an Schweineseuche erkrankten Schweinen am 26. März 1903 be¬ 
schlossen, was folgt: 

I. Schweine, bei deren Beschau durch die mikroskopische 
Untersuchung von mindestens je 6 aus den Zwerchfellpfeilern, dem 
Rippenteile des Zwerchfells, den Kehlkopfmuskeln und den Zungen- 
muskeln zu untersuchenden Präparaten in nicht mehr als acht 
Präparaten Trichinen festgestellt werden, gelten als schwach 
trichinös. 

Die ganzen Tierkörper von solchen Schweinen sind als bedingt 
tauglich anzusehen. 

Die Brauchbarmachung solchen Fleisches zum Genuß für 
Menschen hat durch Kochen oder Dämpfen zu geschehen. Bei Fett 
ist auch Ausschmelzen gestattet. Bei der Anwendung dieser Ver¬ 
fahren sind die Vorschriften im § 39 der Ausführungsbestimmungen A 
zum Schlachtvieh- und Fleischbeschaugesetze mit der Maßgabe zu 
beachten, daß beim Kochen das Fleisch in Stücken von nicht über 
10 cm Dicke mindestens 2*/, Stunden im kochenden Wasser gehalten 
werden muß. 

In das Zollinland eingeführte geschlachtete Schweine, bei denen 
in nicht mehr als acht von den vorschriftsmäßig zu untersuchenden 
Präparaten Trichinen gefunden worden sind, dürfen auf Antrag des 
Verfügungsberechtigten zur Wiederausfuhr zugelassen werden, wenn 
das Fleisch vorher der für schwach trichinöses Fleisch bei 
Schlachtungen im Inlande vorgeschriebenen Behandlung unterworfen 
worden ist. Eine besondere Kennzeichnung des Fleisches darf in 
solchem Falle unterbleiben. 

II. Von Schweinen, bei deren Beschau sich ergibt, daß es sich 
nur um eine schleichend, ohne Störung des Allgemeinbefindens 
verlaufende und mit erheblicher Abmagerung nicht verbundene Er¬ 
krankung an Schweineseuche oder nur um Überbleibsel dieser 
Seuche (Verwachsungen, Vernarbungen, eingekapselte, verkäste 


No. 16. 


Herde u. dgl.) handelt, sind die ganzen Tierkörper mit Ausnahme 
der als untauglich zu erachtenden veränderten Teile als tauglich 
zum Genüsse für Menschen anzusehen. 

Bei denjenigen in das Zollinland eingeführten geschlachteten 
Schweinen, deren Untersuchung ergibt, daß es sich bei ihnen um 
Schweineseuche ohne Allgemeinerkrankung handelt, sind nur die 
veränderten Teile in unschädlicher Weise zu beseitigen. Im übrigen 
sind die betreffenden Tierkörper sowie alle sonstigen, mit ihnen 
zur nämlichen Sendung gehörigen Tierkörper, von denen anznnehmen 
ist, daß auf sie eine Übertragung des Krankheitsstoffes stattgefunden 
hat, von der Einfuhr zurückzuweisen. 

Diesen Beschlüssen gemäß ist der Wortlaut der AusfÜhrungs- 
bestimmungen zum Gesetz entsprechend abgeändert worden. 

Seuohemtaad in Deutschland 31. März. 

(Vergl. No. 14 pg. 240.) 

Der Rotz herrschte in 12 Kreisen und 14 Gemeinden, darunter 
10 preußischen. Die Maul- und Klauenseuche herrschte in den 
preußischen Regierungsbezirken Stettin, Posen, Bromberg und 
Oppeln (zusammen in 7 Gemeinden), in Oberbayem, Pfalz, Ober- 
franken und Schwaben (in 13 Gemeinden), im württembergischen 
Schwarzwald-, Neckar-, Jagst- und Donaukreis (zusammen in 15 Ge¬ 
meinden), ferner in einer badischen und in 4 lothringischen Ge¬ 
meinden. Die Seuche ist mithin im Süden immer noch stärker 
verbreitet, jedoch auch hier gegen den 15. März erheblich zurück¬ 
gegangen; in Preußen ist der Stand unverändert gering. Die 
Lungenseuche ist nicht aufgetreten. — Schweineseuche und 
Schweinepest sind im ganzen unverändert, d. h. in Preußen sehr ver¬ 
breitet. In den 5 östlichen Provinzen waren 780, in den 6 west¬ 
lichen 179, zusammen in Preußen 959 Gemeinden betroffen, in 
allen übrigen Bundesstaaten zusammen 70 Gemeinden. 

Personalien. 

Berichtigung: Dr. Steinbrück ist zum Assistenten am hygie¬ 
nischen Institut der tierärztlichen Hochschule zu Berlin ernannt 
(nicht zum Assistenten in Danzig vgl. No. 14). — In der Liste der¬ 
jenigen Herren, die das Kreistierarztexamen in Berlin bestanden 
(vgl. No. 13), fehlte Roßarzt Völker aus Ludwigsburg. 

Ernennungen: Dr. H. Foth zum definitiven Departementstierarzt 
in Schleswig; Dr. Prof6 zum zweiten Kreistierarzt in Köln a. Rh.; 
Seiberth in Neunkirchen zum Amtatierarzt in Langendreer (West¬ 
falen); Schlachthoftierarzt Piper in Cottbus zum Schlachthofdirektor 
in Mühlhausen in Thür.; Dr. R. Riedlinger zum Schlachthoftierarzt 
in Mülheim a. Rh.; Leeb aus Mainkofel zum Hülfstierarzt am Schlacht¬ 
hof in Elbing; Loy aus München zum Distriktstierarzt in Erolzheim; 
Widtmer aus Lambrecht (Rheinpfalz) und P. Wilde aus Nowag zu 
Assistenten der Kreistierärzte in Gummersbach bezw. Euskirchen 
(beide im Rheinland). 

WohB8ltzveriudeningea, Niederlassungen: Bezirkstierarzt Do ber¬ 
neck er von Kahla nach Schmölln; die Tierärzte: Thienel von 
Rostock nach Troisdorf (R.-B. Köln); Gallenkamp von Bonn nach 
Königswinter (Siegkreis); Winkler von Bobersberg nach Dömitz; 
Knese von Hamburg nach Schiffbeck. — Niedergelassen haben sich: 
Tierarzt Pilgram in Wesseling (Landkreis Bonn); Christ. Bongartz 
in Godesberg; Sommers in Worringen (Landkreis Köln); W.Liebert 
in Goldberg (Mecklenburg); Bruno Lohr in Freiberg in Sachsen. 

In der Armee: Versetzt wurden Oberroßarzt Böhland vom 
schlesw.-holst. Ul.-R. No. 15 zum bad. Ul.-R. No. 7; Roßarzt Karpe 
vom meckl. Feld-Art.-R. No. 60 zum schlesw.-holst Hus.-R. No. 16. — 
Zu einj.-fireiwill. Unterroßärzten im 1. Garde-Feld-Art.-R. wurden 
befördert die Einjährigen: Broll, Dobbertin, Dunkel, Schmook. 

Im Beurlaubtenstande: die Unterroßärzte der Landw. 1. Aufg. 
Schneider in Hameln und Herbig in Hannover zu Roßärzteu 
befördert; die Roßärzte der Landw. 2. Aufg. Deschner in Heil¬ 
bronn und Beetz in Gmünd verabschiedet 


Vakanzen. 

Siehe No. 14 und 15. — Besetzt sind die Stellen in Elbing, 
Dortmund, Lüdenscheid, Neidenburg. 


Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmält* in Berlin. — Verlag and Eigentum von Richard Schoets ln Berlin. — Druck von W. BUxenstein, Berlin. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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Dl« »Berlin«r Tiertratllohe Wochenschrift* erscheint 
wöchentlich Im Verlag« Ton Blehard Sehoeti In 
Berlin, Lnissnstr.88. Durch Jedes deutsche Portamt wird 
dieselbe mm Praia« von M. 5,— vierteljährlich (M. 4,88 fhr 
dl« Wochenschrift, 19 Pf. fhr Bestellgeld) frei int Hans 
geliefert. (Deutsche Post - Zeitung« - Preisliste No. 110S, 

Oesterralohlsche No. 510, Ungarische No. 90.) 

Tierärztliche Wochenschrift 


Berliner 


Orlglnalbeltrige werden mit IO Hk. (Br den Bogen honoriert. 
Alle Mannskripte, Mitteilungen und redaktionellen An¬ 
fragen beliebe man tu senden an Prof. Dr. Schmsdta, 
Berlin, tierintllabe Hochschule, NW, Luisenstrasse 68. 
Korrektoren, Remenslona-Exemplare und Annoncen da¬ 
gegen an die Verlagsbuchhandlung. 


Redaktion: 

Professor Dr. Schmaltz-Berlin 

Verantwortlicher Redakteur. 


De Brate 

Dr. Je*« 

Kühnai 

Dr. Lothes 

Nevermann 

Prof. Dr. Peter 

Peter* 

Profeeeor 

Kreistierarzt 

Schlaehthofdlrektor 

Departements!! erarst 

KreUtlerarzt 

Kreistierarzt 

Departementstiararat 

Utrecht 

Gharlottenburg. 

Cöln. 

Cöln. 

Bremervörde. 

Angermünde. 

Bromberg. 


Preueee 

Dr. Boeder 

Dr. Schlegel 

Dr. Vogel 

Zündet 



VeterlnArassessor 

Profee <or 

Profes or 

Lendes-Insp. f. Tiersucht Kreistierarzt 



Danzig. 

Dresden. 

Freiburg i. Br. 

M ü n c li e n. 

Mülhansen i. EL 



Jahrgang 1903. ' Jfä 17 . Ausgegeben am 23. April. 


Inhalt: Evere: Pneumo-Pleuritis vitulorum infektiosa. — Müller: In welcher Lage impft man Schweine am leichtesten? 

— Thlro: Über die Gesetzesforderung der Feststellung der Tuberkulose an jedem lebenden Tiere. — 
Referate: Mac Callum: Akute epizootische Leukoeucephalilis bei Pferden. — Minardi: Modifikation der Viborgschen Methode 
znr Behandlung des nicht reponierbarenProlapsus recti beim Sohwein. — Kleine Mitteilungen. — Jeß: Wochenübersicht über 
die medizinische Literatur. — Tagesgeschiohte: Zur Kurpfuscherei seitens der Apotheker. — Verschiedenes. — Fleischbeschau. — 
BUcheranzeigen und Kritiken. — Personalien. — Vakanzen. 


Pneumo-Pleuritis vitulorum infektiosa. 

Beitrag znr Kenntnis der septischen K&lberpnenmonie. 

Von 

Evers-Waren, 

Beilrkitlersrzt. 

Seitdem Ich vor drei Jahren die Behandlung der Kälberrohr 
durch endo venöse Injektion von Kollargol einführte, wurde mir 
von einer großen Anzahl Besitzer berichtet, daß die Ein¬ 
spritzungen wohl das Auftreten der gefürchteten Kälberruhr 
verhinderten, dafür aber am 9. bis 12. Tage die Erscheinungen 
der Lungenentzündung auftraten, an welcher Krankheit die 
Tiere nach 2—14 Tagen sicher starben. Anfangs war ich im 
Zweifel, ob nicht die endo venöse Injektion die Ursache der 
Lungenerkrankong sein könnte. Auf Grund einer großen Menge 
Sektionen an Kälberlungen aus Mecklenburg, Pommern, Ost¬ 
preußen wurde ich in dem Glauben bestäikt, daß die Ursache 
nicht in der endovenösen Injektion, sondern in einem spezifischen 
Mikroorganismus zu suchen sei. Die erste Veranlassung, daß 
die Ursache eine spezifische sei, gaben mir zwei Güter in der 
Nähe der Stadt Waren, wo keine endovenöse Behandlung ge¬ 
macht wurde nnd dennoch die jungen Kälber am 9. bis 
14. Lebenstage nnter den Erscheinungen der Lungenentzündung 
erkrankten nnd starben. Geradezu senchenhaft trat im Ja¬ 
nuar 1901 die Krankheit in D. unter den Zuchtkälbern auf, 
wo von 34 Tieren innerhalb 6 Wochen 21 im Alter von 
20 Tagen bis 4 Monaten an Lungenentzündung erkrankten nnd 
sämtlich starben. 

Die Krankheitserscheinnngen sind folgende: Die jungen 
Tiere sind plötzlich weniger munter, schläfrig nnd husten 
häufig. Die Zahl der Atemzüge ist besonders im Liegen er¬ 
heblich vermehrt, es erfolgen 40—70 Atemzüge per Minute. 
Herzschlag pochend bis 100. Temperatur 40,5 bis 41,6 0 C. 
Wenn der Appetit auch nicht so rege ist wie im normalen Zu¬ 
stande, so trinken die Tiere wenn anch langsam, so doch stets 
ihr Milchquantum aus. Sobald die Erkrankung der Lange voll¬ 
ständig ansgebildet ist, stellen die Tiere die Vorderbeine ziem¬ 
lich breit auseinander, strecken Kopf nnd Hals lang and legen 


die Ohren lang nach hinten. Der Blick wird trübe, die Atmung 
erfolgt mit Anstrengung und ist schmerzhaft. Die Nasen- 
öffnnngen werden erweitert. Kotabsatz ist anfangs normal, 
später gering. Wenige Stunden vor dem Tode werden fast 
beständig übelriechende, flüssige Exkremente bei offenem After 
willenlos abgesetzt. 

Werden die Kälber im Alter von 8—14 Tagen von der 
Krankheit ergriffen, dann tritt der Tod meist innerhalb 2 bis 
4 Tagen ein. Tritt die Krankheit im späteren Alter anf, dann 
ist die Krankheitsdauer 14 Tage bis 3 Wochen. Eine voll¬ 
ständige Genesung habe ich niemals gesehen. Wohl habe ich 
in 2 Fällen eine scheinbare Heilung nach 14 tägiger Krankheit 
bei 13—14 Wochen alten Tieren beobachtet. Die Sektion dieser 
beiden Kälber, die im Alter von */ 2 Jahr geschlachtet wurden, 
weil dieselben znr Zucht nicht geeignet erschienen, ergab 
gänseeigroße abgekapselte Käseherde in der Lunge, mit fester 
Verwachsung der Pleura. 

Der Sektionsbefund ist verschieden, je nachdem die Krank¬ 
heit einen schnellen oder langsamen Verlauf nimmt. Wenn man 
es der Lange nicht ansehen könnte, daß der Prozeß sich in 
einem Kalbskörper abgespielt hat, dann müßte man glanben, es 
mit Schweineseuche za tan zn haben. 

Bei den Tieren mit akntem Krankheitsverlauf d. h. haupt¬ 
sächlich bei Tieren im Alter von 8—14 Tagen sind fast aus¬ 
schließlich die Langen erkrankt. Eine oder beide Lungenspitzen 
sind nicht lufthaltig, sehen dunkelrot ans, weisen zahlreiche 
stecknadelkopfgroße Blntnngen anf und haben eine feste Kon¬ 
sistenz. Mitunter sind die Lungenspitzen gesund und zeigen 
die mittleren nnd hinteren Abschnitte ein festes, nicht luft¬ 
haltiges dunkelrotes bis braunrotes Anssehen. Die Bronchien 
sind mit Schaum gefüllt Aus den Bronchien der kranken Ab¬ 
schnitte lassen sich kleine gelbe Pfröpfe aasdrücken. In den 
Pleurasäcken befindet sich oft eine große Menge einer wasser¬ 
klaren Flüssigkeit. Die bronchialen Lymphdrüsen sind stark 
durchfeuchtet und geschwollen, häufig zeigen dieselben auf dem 
Durchschnitt braunrote Flecke. Bei den Tieren mit chronischem 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 17. 


Krankheitsverlauf, d. h. hauptsächlich bei Tieren im Alter von 
6—14 Wochen, sind die Erscheinungen der Sektion ungleich 
schwerer. Bei diesen Lungen sieht man die ganze Skala, von 
Beginn der partiellen eiterig-käsigen Lungenentzündung bis 
zum fast totalen nekrotischen Untergang der Lungen, unter 
fester Verwachsung der Lunge mit der Pleura costalis. Nur 
mit Mühe gelingt es, kleine noch relativ gesunde Lungenpartien 
bei der Sektion zu ermitteln. Die bronchialen und media- 
stinalen Lymphdrüsen sind oft über hühnereigroß und verkäst. 

Wie ich oben schon anfdhrte, ergibt die Sektion genau das 
Bild der Schweineseuche in allen ihren Stadien. Und in der 
Tat ist die Ursache dieser in Mecklenburg sehr häufig vor¬ 
kommenden infektiösen Lungenentzündung der Kälber dieselbe, 
wie die der Schweineseuche und es ist nicht unwahrscheinlich, 
daß sie überall dort vorkommt, wo die chronische Schweine¬ 
seuche im Schweinebestande herrscht. 

Den Beweis dafür, daß die Ursache der Lungenentzündung 
der Kälber identisch ist mit der Ursache der Schweineseuche, 
glaube ich durch Folgendes erbracht zu haben. 

Als im Jahre 1901 in D. der größere Teil des Bestandes 
an infektiöser Lungenentzündung gestorben war, und ich auf 
Grund der Sektion die Ähnlichkeit mit der Schweineseuche er¬ 
kannte, bat im Februar Herr Domänenrat V. in CI. um Hilfe, 
weil seine Kälber auch an dieser Krankheit litten. Von neun 
Kälbern war ein Tier geschlachtet und ein Kalb im Alter von 
14 Tagen nach dreitägiger Krankheit gestorben. Die Sektion 
dieses Tieres bestätigte die Diagnose. Von den überlebenden 
Kälbern waren fünf gesund, zwei seit einem Tage offensichtlich 
erkrankt. Meine Behandlung ging nun von der Voraussetzung 
aus: Ist der Krankheitserreger derselbe wie bei Schweineseuche, 
dann muß Schweineseuchenserum wenigstens immunisieren, im 
Anfangsstadium vielleicht auch heilen. Und in der Tat die 
Serumbehandlung, ich benutzte in allen Fällen das im bakterio¬ 
logischen Institut der Serum-Gesellschaft zu LandBberg a. W. 
hergestellte Septizidin, hatte den Erfolg, daß schon am 
nächsten Tage die beiden kranken Tiere bedeutend munterer 
waren und im Laufe von acht Tagen vollständig als geheilt 
angesehen werden konnten. 

Die fünf immunisierten Kälber erkrankten überhaupt nicht. 
Im Jahre 1901 war ich, trotz vieler Mühe nicht in der Lage, 
weitere Impfbeobachtungen zu machen. 

Im Januar 1902 trat die Krankheit in Gr. Sch. auf. Von 
28 Kälbern erkrankten nacheinander 11. Acht Tiere starben 
oder wurden geschlachtet. Am 16. Januar erhielten die ge¬ 
sunden Tiere 10 ccm, die kranken 20—30 ccm Serum (Septi¬ 
zidin). Die gesunden Tiere sind bis heute gesund geblieben. 
Von den drei kranken Tieren wurde ein Kalb, weil es wochen¬ 
lang kümmerte, geschlachtet; die beiden anderen sind genesen. 

Im Dezember 1902 starb auf demselben Gute, im Bestände 
von 50 Absatzkälbern, ein Kalb an Lungenentzündung. Ein 
Tier wurde geschlachtet, vier waren krank. Am 23. Dezember 
wurde die Impfung ausgeführt. Erfolg: ein krankes Kalb wurde, 
weil es kümmerte, am 9. Januar 1903 geschlachtet und zeigte 
gänseeigroße abgekapselte nekrotische Herde in den linken 
Lungen. Alle übrigen Tiere blieben gesund. 

Durch diese Erfolge ermutigt, sandte ich im Dezember 1902 
eine frisch erkrankte Lunge an das bakteriologische Institut 
nach Landsberg a. W. Das Resultat der Untersuchung war 
Folgendes: In der Lunge sind bipolar sich färbende Bakterien 


nachweisbar, ähnlich den Bakterien der Schweineseuche, Rinder¬ 
seuche etc. Die Virulenz der gefundenen Bakterien ist eine 
verhältnismäßig große, indem Mäuse mit 0,01 ccm Kultur be¬ 
reits innerhalb 24 Stunden starben; ebenso starben Kaninchen 
und Meerschweinchen. Das Wachstum auf den gewöhnlichen 
Nährböden, Agar, Gelatine, Bouillon, ist das gleiche wie das 
der Bakterien der Schweineseuche, also der Bakterien der 
Septikaemia haemorrhagica. Jedoch ein Unterschied machte 
sich insofern geltend, als bei intraperitonealer Verimpfung 
gleicher Mengen an Meerschweinchen und Kaninchen sich gegen¬ 
über den Schweineseuchenbakterien mehr fibrinöses Exsudat 
bildete, namentlich war die Leber mit ca. 2 mm dickem fibri¬ 
nösem Belag überzogen. Die aus den Lungen gewonnene Kultur 
wurde nun auch bezüglich Immunität geprüft. Meerschweinchen, 
die gegen Schweineseuche immunisiert waren, starben nicht 
nach Einverleibung mehrfacher tötlicher Dosen von Kulturen 
der sept. Pleuropneumonie der Kälber, und umgekehrt schützte 
auch Schweineseuchenserum, speziell das Septizidin, Mäuse gegen¬ 
über einer nachträglichen Infektion mit Kulturen der infektio- 
nösen Kälberpneumonie, sodaß dadurch auch wissenschaftlich 
die Identität beider Erreger nachgewiesen ist. 

Die Therapie nun, welche ich seit Dezember 1902 mit 
bestem Erfolge ausführe, besteht möglichst in der Immunisierung 
der Kälber am ersten Lebenstage mit Serum, dem Kultur (aus 
den kranken Kalbslungen gewonnen) zugesetzt ist (Septidizin-B.), 
10 ccm pro Tier. Sind die Tiere krank, so erhalten dieselben 
20—30 ccm Septizidin. Es liegt auf der Hand, daß die Heil¬ 
wirkung nicht den vollständig sicheren Erfolg haben kann wie 
die Schutzimpfung, denn das Serum kann eine zerstörte Lunge 
nicht wieder ersetzen. 

Bei der enormen Verbreitung der chronischen Schweineseuche 
dürfte vorstehender Beitrag eine nicht zu unterschätzende Be¬ 
deutung haben, zumal es sich um eine Krankheit handelt, die 
im Laufe der Zeit sehr leicht dieselben Dimensionen im Jung¬ 
viehstalle erreichen kann, wie die chronische Schweineseuche 
heute im Schweinestalle unheimliche Opfer fordert. 


In welcher Lage impft man Schweine am 
leichtesten? 

Von 

Kunibert Müller-Guben, 

SchUchthoftiorarzt 

Von den Methoden, die ich bisher kennen lernte und auch 
zum Teil praktisch ausftihrte, um Schweine in eine solche Lage 
zu bringen, daß man dieselben mit Leichtigkeit impfen kann, 
haben meines Erachtens alle ihre Nachteile. 

Da gibt es zunächst eine sogenannte Fangvorrichtung, die 
vor längerer Zeit in der B. T. W. (1901, pag. 466) beschrieben 
und abgebildet wurde. Die Anschaffung derselben halte ich 
einmal für eine unnötige Ausgabe, dann aber ist es doch 
mindestens umständlich — für einen radelnden Tierarzt doch 
wohl ausgeschlossen — dieselbe im Gebrauchsfalle mitzunehmen. 

Eine zweite Methode besteht darin, die Tiere einfach durch 
eine genügende Anzahl Hilfskräfte halten zu lassen, was meiner 
Erfahrung nach bei schwereren Tieren eine ganz bedeutende 
Kraftanstrengung nötig macht. 

Eine dritte Art, die ich selbst bisher ausführte, da mir 
eine einfachere nicht bekannt war, besteht in dem gewaltsamen 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


279 


23. April 1903. 

Hinlegen der zu impfenden Schweine auf eine Seite. Auch 
hiezu braucht man mehrere Gehilfen; außerdem maß man noch 
dazu jeden Augenblick gewärtig sein, bei dem Hinlegen dem 
Tiere Knochenbräche beizubringen; als weiterer Mangel kommt 
noch hinzu, daß man die Tiere umlegen mnß, um das Impfen 
auch auf der anderen Seite vornehmen zu können. 

Eine Art aber, die ich vor kurzem erst als Vertreter kennen 
lernte und vielfach praktisch zur Anwendung brachte, ist sehr 
einfach und nicht allgemein bekannt, was ich durch Erkundi¬ 
gungen bei einer größeren Anzahl von Kollegen feststellte. 
Außerdem fand ich beim Studium der Literatur wohl eine ganze 
Anzahl von Methoden, deren Ausführung aber umständlich und 
zum Teil durch Instrumente etc. kostspielig wurde. Da die 
folgende aber nirgends aufgezeichnet war, glaube ich, daß sie 
geeignet sein dürfte, näher ausgeführt zu werden. 

Vorausschicken möchte ich, daß selbst bei den stärksten 
Schweinen nur zwei Personen und als „Instrument“ nur ein je 
nach der Schwere des Tieres berechneter dünner oder dicker 
Strick notwendig sind. 

Der eine Gehilfe sucht die einfache Schlinge an dem einen 
Ende des Strickes so in das Manl zu bringen, daß dieselbe in 
dem Maulwinkel zu liegen kommt und auf dem Oberkiefer an¬ 
gezogen werden kann. Das andere Ende des Strickes schlingt 
derselbe zweimal um einen Ring, festen Eisenstab, eine Kramme 
oder dergleichen, die sich ja überall vorfinden, wobei er den 
so gefesselten Kopf möglichst fest anzieht. Zum Halten ist 
dann absolut keine Anstrengung nötig. Gleichzeitig drückt der 
zweite Gehilfe von hinten her das betreffende Schwein gegen 
diese Schlinge und verharrt nun in dieser Stellung, was wiederum 
keine große Anstrengung verursacht, bis das Impfen beendet 
ist. Der erste Versuch die Schlinge in den Maul Winkel zu 
legen, gelingt bisweilen nicht sofort, aber schon beim zweiten 
Tiere haben die Gehilfen die Übung. Sollte es einmal Vor¬ 
kommen, was aber sehr selten der Fall ist, daß das Maul zu 
fest geschlossen gehalten wird, um die Schlinge hineinznbringen, 
so steckt man einfach einen Stock in das Maul und es gelingt 
dann sofort. Mindestens überflüssig und noch dazu kostspielig 
ist die in der B. T. W. (1900, pag. 388) beschriebene und ab¬ 
gebildete Zange, die für diese so seltenen Fälle konstruiert 
ist. In der Praxis soll man doch bekanntlich das Instrumen¬ 
tarium auf ein Minimum beschränken. 

Über die Gesetzesforderung der Feststellung der 
Tuberkulose an jedem lebenden Tiere. 

Von 

Thiro jun.-Klein-Lafferde (Kreis Peine), 

prakt Tierarzt 

Die Kaiserliche Verordnung vom 27. März 1899 betreffend 
die Hauptmängel und Gewährsfristen beim Viehhandel hat dem 
Rechtsverkehr vor und nach Kauf und Verkauf von Tieren neue 
Bahnen vorgezeichnet. Es wird darin sub H der Rindvieh¬ 
handel als ein den Verkäufer dem Käufer gegenüber stets nur 
dann 14 Tage lang rechtsverbindlich machender genannt, wenn 
die Gattung Hansrind 

I. — wenn zum Weiterfüttern verkauft — behaftet 
ist mit „tuberkulöser Erkrankung, sofern infolge dieser 
Erkrankung eine allgemeine Beeinträchtigung des Nährzustandes 
des Tieres herbeigeführt ist“; 


H. — wenn zur baldigen Schlachtung bestimmt und das 
Fleisch Menschen als Nahrung dienen soll — mit „tuberkulöser 
Erkrankung, sofern infolge dieser Erkrankung mehr als die 
Hälfte des Schlachtgewichts nicht oder nur unter Beschränkungen 
als Nahrungsmittel für Menschen geeignet ist“. 

Es räumt somit die Verordnung durch das Sondergesetz 
über diese eine der zahlreichen Rinderkrankheiten der Tuber¬ 
kulose eine grössere Wichtigkeit ein und subsummiert durch 
Wortlaut und Sinn die Diagnose auf Tuberkulose nicht nur dem 
Möglichen, sondern verlangt sogar die Verwirklichung 
dieser Möglichkeit. Damit gewinnt sofort besonders für uns 
Tierärzte diese Erkrankung eine hochernste Bedeutung, die 
augenblicklich sich turmhoch emporreckt über die Wichtigkeit 
der anderen Krankheiten, wenn unsere Gedanken auch nur ein 
wenig bei der Frage nach der Möglichkeit der Diagnose 
an jedem lebenden Tiere verweilen. 

Die Zeichen mehren sich, daß der Landwirt die Gesetzes¬ 
bestimmung über die Tuberkulose zu verwerten sucht; mehr 
als früher tritt an den praktischen Tierarzt die Aufgabe heran 
zu erkunden und geforderten Falles zu beweisen, ob ein lebendes 
Rind mit Tuberkulose behaftet ist oder war. Das geschlachtete 
Tier erleichtert uns unser Urteil mit vorzüglichem Entgegen¬ 
kommen, das lebende Rind aber spannt bei Untersuchung und 
Urteil unsern Geist in stramme Zucht. Mit einem bloßen 
„Verdacht auf Tuberkulose“ ist dem Tierbesitzer rein gar nicht 
gedient; er verlangt eine positive Erklärung und schätzt dieses 
Verlangen nicht unbescheiden. Ganz anders der Tierarzt! 

Die Wissenschaft nennt ihm zur Diagnose auf Tuberkulose 
5 Wege, von denen man nicht wählt, sondern die nach einander 
beschritten zum Ziele führen sollen: 1. Klinische Untersuchung. 
2. Impfung. 3. Bakteriologische Untersuchung (Sputum, Vaginal¬ 
schleim etc.). 4. Untersuchung der Milch. 5. Über-Impfung 
der Milch auf Meerschweinchen. Der Wert jeder dieser Wege 
hat im Laufe der Zeit seine Schätzung gefunden: 

I. Klinische Untersuchung: 

1. Friedberger und Fröhner, Spec. Pathol. und Th.; 
B. II, pag. 476: wörtlich: „Dieselbe ist gegenüber der Impf- 
resp. der bakteriologischen Diagnose eine sehr unsichere, weil 
die Tuberkulose durchaus keine charakteristischen Krank¬ 
heitssymptome aufweist Namentlich im Anfänge der Erkrankung 
fehlt jeder diagnostisi he Anhaltspunkt. Aber auch in vorge¬ 
rückteren Stadien läßt sich die Diagnose rein klinisch nur 
selten mit voller Sicheiheit stellen. Diese Tatsache, welche von 
einigen mit Unrecht geleugnet wird, hat einerseits für die gericht¬ 
liche Tierheilkunde eine große praktische Bedeutung, indem in der 
forensischen Praxis eine sichere Konstatierung der Tuberkulose ge¬ 
wöhnlich die Vornahme der Schlachtung erfordert“ 

2. Dieckerhoff, Gerichtliche Tierarzneikunde, pag. 
550—551: „Für sich allein kann eine der vorbezeichneten Er¬ 
scheinungen (gemeint sind die Symptome der Tuberkulose. D. Verf.) 
den dringenden Verdacht der tuberkulösen Erkrankung des 
Tieres nicht begründen. Sind aber mehrere Symptome nachzu¬ 
weisen und kennzeichnet sich die Krankheit nach ihrem allgemeinen 
Charakter als unheilbar, so ist mit großer Wahrscheinlichkeit(l) 
auf die tuberkulöse Grundlage (also nur Grundlage! D. Verf.) 
derselben zu schließen.“ 

Beide Antoren bestreiten also die Möglichkeit der 
sicheren Diagnose auf Grund der klin. Untersuchung, wider¬ 
rufen diese Ansicht nirgends und verweisen uns ad H: Zur 
diagnostischen Impfung mit Tuberkulinum Kochii. 
Dazu sagt: 

1. Fröhner, ebenda, pag. 481: „Das Tuberkulin hat sich 
in der Menscbenheilkunde weder als Heilmittel noch als Diagnostikum 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 17. 


bewährt, dagegen haben die zahlreichen von tierärztlicher Seite . . . 
vorgenommenen Impfungen . . . ergeben, daß das Tuberkulin fiir 
die Rindertuberkulose ein immerhin sehr schätzbares, wenn auch 
nicht ganz sicheres Diagnostikum darstellt.“ 

2. Dieckerhoff, ebenda, pag. 581, oben: „Mit diagnostischem 
Vorteil wird das verdächtige Tier auf die Tuberkulin-Reaktion 
geprüft“ und pag. 513 unten: „Die typische Reaktion der inneren 
Körpertemperatur bei Tieren auf Tuberkulin macht das Vorhan¬ 
densein der Tuberkulose sehr wahrscheinlich.“ 

3. Fröhner, ebenda, pag. 482, unten: „Es reagieren haupt¬ 
sächlich (also andere außer den nun genannten sind auch nicht 
ausgeschlossen! D. Verf.) die nachstehenden Krankheiten zu¬ 
weilen in derselben Weise auf Tuberkulin wie die Tuberkulose: 
Aktinomykose, Botryomykosc, Lungenabszesse, Leberabszesse, Ab¬ 
szesse im Anschluß an die traumatische Perikarditis, Euterent¬ 
zündungen, verkäste Echinokokken, Distomatose, Lungenwurtn- 
kraukheit, Lungenemphysem, chronische Diarrhöe.“ . . . „Als spe¬ 
zifisches Diagnostikum . . . kann es daher nicht bezeichnet 
werden.“ 

Ad III: Bakteriol. Untersuchung (Sputum etc.). 
Dazu schreibt: 

1. Fröhner, ebe nda, pag. 478, oben: „Der bakteriologische 
Nachweis des Tuberkelbazillus bat für die Diagnose der Rinder¬ 
tuberkulose nicht die hohe Bedeutung wie für die der menschlichen 
Tuberkulose, weil er sich praktisch nur in einer Minderzahl 
der Fälle durchführen läßt. Der Grund hierfür ist vor allem 
in dem Umstande zu suchen, daß beim Rinde nicht wie beim 
Menschen konstant ein tuberkulöser Lungenauswurf mit Tuberkel¬ 
bazillen vorhanden ist...“ und pag. 478, unten: „Nach Bollinger 
erwies sich die Milch perlsüchtiger Kühe unter 20 Fällen zwar 11 mal 
infektiös, der Naohweis der Tuberkelbazillen mit dem Mikroskope 
gelang aber nur einmal!“ 

2. Dieckerhoff, ebenda, pag. 541, unten: „Auf die bak¬ 
teriologischen Eigenschaften des Bazillus kann ich hier nicht ein- 
gchen; hervorheben möchte ich nur, daß die Biologie desselben 
noch nicht vollständig erforscht ist.“ 

Selbst wenn aber die Biologie des Bazillus bekannt wäre, 
so würde der bakteriologische Nachweis einiger Bazillen den 
gesetzlichen Anforderungen ganz and gar nicht genügen, denn 
diese Bazillen müssen nachweislich Grund zur Abmagerung 
sein! 

ad IV: Untersuchung der Milch: Dazu vergl. 

Fröhner, ebenda, pag. 478, Mitte: „Häufiger scheint (scheint!) 
jedoch die Milch bei Tuberkulose keine Tuberkeln, sondern Sporen 
zu enthalten, welche der mikroskopischen Untersuchung entgehen, 
indem sie keine Farbe annehmen. Aus diesem Grunde ist auch 
bei der Milch der bakteriologische Nachweis ein unsicherer.“ 

Damit und durch Bollingers Untersuchungen (s. oben) 
ist auch der Milch ihr Urteil gesprochen und es bleibt ad V 
nur noch die von Fröhner, ebenda, pag. 479, erwähnte 
Überimpfung von Milch auf Meerschweinchen übrig: 

„Die Probeimpfnng auf Meerschweinchen muß darnach neben 
dem mikroskopischen Nachweis des Bazillus zur Zeit als eines 
der besten diagnostischen Hilfsmittel!!) zur Erkennung der 
Tuberkulose am lebenden Tiere angesehen werden.“ 

Wenn nun aber nach Hirschberger (Fröhner, ebenda, 
pag. 479) in 33 Proz. und nach Ernst (ebenda, 479) in 
37,5 Proz. — noch kleinere Ziffern erhielt Bang (ebenda, 
479) — die Überimpfangen mit Erfolgen gekrönt waren, so ist 
das in beiden Fällen noch nicht die Hälfte!! Wie also, 
wenn sich unser Tier nicht unter diesen Prozenten mitbe¬ 
findet? Wie ferner, wenn die Miliartuberkulose, die sich an¬ 
geblich in 10—12 Tagen (Fröhner, 479) mit allem „charak¬ 
teristischem, anatomischem und mikroskopischem Befunde ent¬ 
wickeln“ soll, sich einmal nicht innerhalb dieser Zeit 


vorfindet oder an 1 bis 5 Meerschweinchen ganz ausbleibt, 
man also noch andere Tiere impfen müßte, wäre da nicht die 
Gewährsfrist von 14 Tagen schon überschritten? Wenn 
dann also dieser letzte Weg noch trügt und andere Wege ein¬ 
mal nicht nach diesem Rom führen, so werden wir unsere Reise 
aufgeben müssen; traurig kehren wir zurück zum harrenden 
Besitzer, um mit unsicheren Zügen ein hageres „Verdacht auf 
Tuberkulose“ zu vermerken! Ein solcher selbst von sachver¬ 
ständigster Seite ausgesprochener Verdacht kann aber nie 
dem Rechtsanspruch eine triftige Basis substituieren, wie 
Dieckerhoff, ebenda, pag. 543 unten, sagt: 

„Die erfolgreiche Durchführung eines Gewährsanspruchs wegen 
Tuberkulose hat den einwandfreien Nachweis der spezi¬ 
fischen Erkrankung des Tieres zur Voranssetzung. Bleibt 
die Diagnose zweifelhaft, so fehlt dem Klageanspruch das 
Fundament.“ 

und pag. 543 weiter: „Da sich nun bei den Rindern, welche 
mit Tuberkeln behaftet sind, während des Lebens (!! D. Verf.) ein 
sicheres Merkmal derselben, abgesehen von Ausnahmefällen, 
nicht ausmitteln läßt, so ist die einwandfreie Diagnose 
in der Regel von der Erhebung des Obduktionsbefundes 
abhängig!“ 

und pag. 544, oben: „Endgültig wird die Frage des 
Vorhandenseins der Tuberkulose indes nur durch das 
Obduktions-Ergebnis entschieden.“ 

So ist von sachverständigster Seite direkt die Unmöglich¬ 
keit, an jedem lebenden Tiere die Tuberkulose fest¬ 
stellen, ausgesprochen und die vordem unlösbare Aufgabe 
in die leichter und sicher zu lösende umgewandelt, in die 
Tnberkulose-Konstatierung am toten Tiere. 

Ebenso sagt Fröhner, ebenda, pag. 476: 

„ .. indem in der forensischen Praxis eine sichere Konstatierung 
der Tuberkulose gewöhnlich die Vornahme der Schlachtung er¬ 
fordert.“ 

Beide Ansichten werden nicht entkräftet, sondern „unter¬ 
stützt durch das Referat des Herrn Dr. 0. Müller: „Über Tuber¬ 
kulose der Rinder“, gehalten auf der IX. Plenar-Versammlung 
des Deutschen Veterinärrates in München am 20.—22. Oktober v. J. 
In diesen Ausführungen heißt es — wörtlich nach mir Vor¬ 
liegendem! —: 

„Dank dieser Einrichtung wird bei den genannten Formen 
(Euter-, Gebärmutter- und Darmtuberkulose. D.Verf.) der Tuberkulose 
die Diagnose mit solcher Sicherheit gestellt, daß Fehlresultate aus¬ 
geschlossen sind “ „In bezug auf die Ermittelung der Lungen¬ 
tuberkulose sind die Methoden auch so vervollkommnet worden, 
daß bjer Fehlresultate nur in verschwindend geringer Anzahl Vor¬ 
kommen.“ .... 510 Tiere sind auf Grund mehr oder minder 

starken Verdachts auf Lungentuberkulose isoliert worden. Wenn 
wir selbst annahmen, daß die letzteren, unter denen sich 
aber später bei der Untersuchung viele als unverdächtig 
erwiesen, alle tuberkulös waren, so ist doch immerhin noch bei 
50—60 Prozent der klinisch-kranken Tiere die Diagnose 
mit Sicherheit gestellt worden, . .. “. 

Diese „50—60 Prozente“, richtiger Diagnosen, lassen dann 
doch wohl zu optimistischerweise den Herrn Referenten 
schließen: 

„Bedenken, daß es nicht gelänge, die Seuchenverbreiter mit 
genügender Sicherheit zu ermitteln, können demnach wohl nicht 
erhoben werden.“ (?) 

Aber auch in anderem Falle würden die Ausführungen 
Herrn Dr. 0. Müllers — wenigstens hinsichtlich der von mir 
beregten Fragen — wenig ins Gewicht fallen, da der Praktiker 
sein Urteil in ureigenstem Interesse auf ihm bekannten An¬ 
sichten seiner Lehrer aufbauen wird, welches in forensischen 


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23. April 1903. 

Fällen auch gegenüber der Ansicht des Herrn Dr. Müller 
maßgebend bleiben wird. Für mich schwindet daher nach 
dieser von unsern ersten Autoren bestätigten Erkenntnis, daß 
es unmöglich ist, nach dem jetzigen Stande der Wissenschaft 
an jedem lebenden Tiere eine sichere Diagnose auf Tuber¬ 
kulose zu stellen, die Notwendigkeit, in den Rahmen meiner 
Betrachtungen Erwägungen über die Berechtigung des in der 
kaiserlichen Verordnung gemachten Appendix, „sofern infolge 
dieser Erkrankung eine allgemeine Beeinträchtigung des Nähr¬ 
zustandes herbeigeführt ist“, einzuflechten, da ja eben diese ein¬ 
schränkende Anfügung nun etwas unmöglich Nachweisbares 
zur Voraussetzung hat. Es erübrigt sich auch, viele eigene, 
unliebsame Erfahrungen, die mir Veranlassung zu diesen 
meinen klarstellenden Ausführungen gaben, angesichts dieser 
höheren Urteile anznfügen, es mögen nur einige, besonders 
häufig mir zur Beurteilung vorgestellte Fälle Erwähnung finden, 
durch welche die oben angeratene Aufgabenwandelung etwas 
beleuchtet wird. 

1. A. verkauft an B.; um nicht 14 Tage nach dem Kauf 
wegen Tuberkulose am lebenden oder toten Tiere regreßpflichtig 
gemacht werden zu können, wendet er sich mit dem Ersuchen 
um Untersuchung und diesbezügliche Begutachtung seines Tieres 
an den Tierarzt. 

2. B. hat von A. gekauft; B. wünscht vom Tierarzt Aus¬ 
kunft, ob der Neuling in seinem Stalle nicht ein „Franzose“, 
d. h. tuberkulös ist. 

3. A. will für seinen Hausgebrauch ein Rind schlachten; 
er konsultiert den Tierarzt über den Gesundheitszustand dieses 
Tieres in tuberkulöser Hinsicht, „da er sonst nichts davon essen 
wolle oder möge“. 

4. Eine Mutter kann aus irgendwelchen Gründen nicht selbst 
nähren; der Hausarzt wünscht durch den Tierarzt eine Unter¬ 
suchung und Begutachtung aller Milchkühe des Besitzers, be¬ 
sonders hinsichtlich der Tuberkulose, ehe er eine bestimmte 
Kuh als Milchlieferantin, als Amme, bestimmt. 

Es leuchtet ein, daß in all diesen Fällen, die teils ln foren¬ 
sischer, teils in gesundheitlicher, teils in privatrechtlicher Hin¬ 
sicht überaus wichtig sind, für den Tierbesitzer unverkennbar 
zu Recht bestehende Bedenken bestehen, die solch’ 
modifizierte Diagnostik kurzer Hand von der Hand weisen. 
Sich bei einer solchen Versuchstötung herausstellendes Frei¬ 
sein von Tuberkulose (oder eine so minimal-pathologische, tuber¬ 
kulöse Erkrankung des Fleisches, die das Fleisch noch sehr 
wohl als Nahrungsmittel für Menschen geeignet erscheinen läßt) 
schafft wohl dem Besitzer die vorher vermißte Gewißheit, 
raubt ihm aber auch den Nutzen, den er vom lebenden 
Tiere durch Milchlieferung, Benutzung als Zug- und Zuchttier 
hätte voraussichtlich noch jahrelang erzielen können. Wer 
schafft eine neue Kuh zu neuem Verkauf, wer ersetzt dem 
Käufer seinen Neuerwerb, wer bezahlt ein neues Rind für die 
HauBSchlachtung, wer schafft dem hungernden Säugling seine 
Nahrung, wenn alle seine Wiederkauer-Ammen erst getötet 
werden sollen? 

Wenn ferner bei andern als „gesetzliche Gewährsfehler“ 
genannten Krankheiten nur in Ausnahmefällen Gegen- und Ober¬ 
gutachten gefordert werden, so hat bei der Tuberkulose das 
Irrlichtelieren diese Arten des Urteils direkt provoziert und 
eine Erscheinung im Rindviehhandelsleben gezeitigt, die wichtig 
und betrübend ihre Bannkreise immer weiter ziehen wird. Schon 


281 


jetzt antwortet z. B. ein Verkäufer dem Käufer auf ein hin¬ 
sichtlich vermuteter oder vorhandener Tuberkulose ihm über¬ 
reichtes tierärztliches Gutachten einfach: „Lassen Sie, Käufer, 
nur das Tier schlachten; wenn dann wirklich Tuber¬ 
kulose vorhanden ist, bekenne ich mich schadenersatz¬ 
pflichtig.“ Diese so zuversichtlich ausgesprochene Einwilligung, 
ja oft biderbe Aufforderung erkläre ich mir daraus, daß bei 
gerade dieser am lebenden Tiere diagnostizierten Tuberkel¬ 
krankheit überaus viele Irrtümer den Sachverständigen unterge¬ 
laufen sind. Solche Fälle werden aber selten, vielleicht eben 
nur bei jenen 50—60 Proz., eine so siegessichere Beantwortung 
finden von seiten des zuerst begutachtenden Tierarztes, 
daß der Käufer sich zur Schlachtung entschließt. Das durch 
solche Versuchstötung übernommene Risiko und seine nach¬ 
wehenden Folgen erleiden aber, meiner Ansicht nach, auch dann 
keine Einschränkung, wenn es sich (s. Fröhner u. Dieck er¬ 
hoff) um „forensische Fälle“ (d. h. wohl Streitfälle mit ober¬ 
und höchstinstantiellen Entscheidungen 1) handelt, denn auch 
dort bleibt ja der einzige Beweisweg diese riskierende 
Probierschlachtung! Wenn sich auch meine Erwägungen 
von dem Gedanken, ob in den Fällen, in denen der Tierarzt ein 
definitives Urteil zu Lebzeiten abgab, das sich bei der Schlachtung 
als falsch erwies, der so geschädigte Tierbesitzer gesetzlich den 
Tierarzt ersatzpflichtig machen könnte, schnell abgewandt haben 
— es lag ja keine Absicht vor! — so wird der Tierarzt sich 
doch von dem Unwillen des Betreffenden noch lange erzählen 
lassen müssen. 

Aber diese Beweiserhebung über die anerkannte Unmög¬ 
lichkeit der Feststellung der Tuberkulose an jedem lebenden 
Tier und die infolgedessen unberechtigte Gesetzes¬ 
forderung werfen ihre Schatten nicht nur in den Gerichtssaal, 
sondern auch bedenklichsterweise in anderer Hinsicht in die 
Werktagsarbeit des praktischen Tierarztes. Das Streben nach 
Ermöglichung einer sicheren Diagnose hat ein trauriges Umher¬ 
tappen gezeitigt. Wie oft wird zur mit Tuberkulin gefüllten 
Pravaz8pritze gegriffen, mit welcher laut gepriesenen Zuversicht 
werden Temperaturen gemessen 1 Immer seltener werden die 
Reichstreuen, die freimütig das Tuberkulin in die gebührenden 
hohen Schranken zurückweisen 1 Das Tuberkulin ist ein alter, 
schön aufgeputzter, prahlerisch angebotener aber bedenklich 
wackelnder Wagen, in dem man nur bei Sonnenschein sein Ziel 
erreicht! Die Menschenärzte — sie impfen nicht zu dia¬ 
gnostischen Zwecken! — wollen nicht in ihm fahren, für uns 
Tierärzte — ist er aber auch nicht gut genug! — Mit meinen 
beweisenden Ausführungen verliert aber auch das Empfehlungs¬ 
schreiben Fröhners, ebenda, pag. 483: „Dagegen kann 
das Tuberkulin bei der Auswahl von Zuchttieren sowie bei der 
prophylaktischen Bekämpfung der Tuberkulose in größeren (!) 
Viehbeständen als Diagnosticum mit Vorteil Verwendung finden“, 
seine Berechtigung. Es handelt sich in solchen Fällen doch 
nicht um die Ermittelung der Tuberkulose bei den Tieren, als 
„Gros“ aufgefaßt; vom Augenblick der Impfang an zerfällt 
dieses „Gros“ in seine Einzelbestandteile und jeder 
einzelne Tierkörper wird ein Problem, das diskutiert 
werden muß. Nicht den Zuckergehalt aller auf einem Wagen 
geladenen Rüben wollen wir in solchen Fällen erfahren, sondern 
den jeder einzelnen Rübe — und dieser Nachweis ist; 
wie bewiesen, unmöglich! Ich erachte es an der Zeit, 
daß jeder Tierarzt Front macht gegen die Möglichkeit 


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282 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 17. 


der Gefährdung des Ansehens tierärztlichen Wissens 
nnd der daraus resultierenden, dann doch nur einem 
unüberlegten Gesetze zu dankenden Mißgunst. 


Referate. 

Akute epizootische Lenkoencephalitis bei Pferden. 

Von Mac Callum, M. D. u. Buckley V. S. 

Aua dem patholog. Laboratorium der Jobna Hopkins Universität. 

(Americain Veterinary Review 1908. Vol. XXVI, No. 1.) 

Im Maryland (Amerika) wird neuerdings unter den Pferden 
eine Epizootie beobachtet, welche große Verluste verursacht. 
Die Krankheit läuft in der genannten Gegend unter der Be¬ 
zeichnung „Cerebrospinal-Meningitis“ und hat ziemlich charakte¬ 
ristische Symptome. Prodromalerscheinungen sind nicht immer 
vorhanden, obwohl das Allgemeinbefinden vor dem Ausbruch der 
Krankheit in vielen Fällen gestört erscheint. Dieselbe zeigt 
im allgemeinen die Erscheinungen einer Gehirnstörung. Stumpf¬ 
heit, partielle oder komplette Paralyse des Pharynx, Zucken in 
der Schulter- und Schenkelmuskulatur, kühle Extremitäten und 
ein allgemeiner Zustand von Schwäche mit der Neigung nach 
einer Seite zu gehen oder mit schwankendem Gang, werden im 
Anfangsstadium beobachtet. Puls gewöhnlich normal; Temperatur 
bewegt sich zwischen 35,5 bis 39,4 0 C., eine weitere Steigung 
derselben kündigt a. R. n. eine Komplikation an. Die Pferde 
verfallen dann allmählich in einen komatösen Zustand, in welchem 
sie auf äussere Reize wenig oder nicht reagieren, sinken bald 
zu Boden und können nicht mehr aufstehen. In andern Fällen 
bekunden sie hochgradige Erregung und laufen blindlings gegen 
Hindernisse, worauf später ebenfalls Erschöpfung und Coma 
eintreten. Die Krankheit dauert wenige Stunden bis zu 8 Tagen 
im Mittel etwa 72 Stunden. Pferde, welche wieder gesund 
werden, sollen eine dauernde Beschränkung ihrer Verstandes- 
tätigkeit erleiden, also' mit dem Dummkoller behaftet werden. 

Nach diesen Erscheinungen konzentrierten sich die patho¬ 
logisch-anatomischen Untersuchungen auf die Hirne der einge¬ 
gangenen Pferde. Die Oberfläche eines frischen Hirns zeigte 
bei oberflächlicher Besichtigung keine Veränderungen, doch hatten 
die Windungen nicht überall die normale Höhe. In der Frontal¬ 
region der Großhirnrinde war jederseits eine leichte Einsenkung 
zu erkennen, welche eine fluktuirende Beschaffenheit aufwies. 
Beim Einschneiden an dieser Stelle floß eine eiweißähnliche Masse 
vermischt mit grauweißen fleckigen Gewebsmassen aus dem Er¬ 
weichungsherd ab nnd die verhältnismäßig dünne Decke, be¬ 
stehend aus den Meningen und der grauen Rinde, kollabierte 
über der entstandenen Kavität. Dieselbe befand sich im Bereiche 
der weißen Substanz und hatte eine Größe von 1X2 cm, der 
symmetrisch gelegene Herd der rechten Hemisphäre hatte 5 cm 
im Durchmesser. Die Wände der Höhlen unterschieden sich 
von der benachbarten normalen weißen Substanz durch ihre 
weiche Beschaffenheit und Unebenheit, durch abwechselnd grau 
und gelblich getrübte und durchsichtige Stellen und durch das 
Vorhandensein zahlreicher Hämorrhagien, was den ganzen Flächen 
ein buntscheckiges Aussehen gab. Die Wände der Gehirn¬ 
ventrikel und die Blutgefäße waren unverändert. 

Das im frischen Zustande mikroskopisch untersuchte er¬ 
weichte Material bestand aus nekrotischen Zellen und Zell¬ 
fragmenten verschiedener Formen, aus langen Fäden, die für 
Axency linder mit anhaftenden Myelintröpfchen angesprochen 


wurden und aus wenigen Kernen. Bakterien wurden weder 
durch Färbung noch durch Kultur und Impfung nachgewiesen. 

3. Io Formalin gehärtete Hirne wiesen eine ganz ähnliche 
Beschaffenheit auf wie das beschriebene frische Hirn. Schnitte 
durch die Hemisphären zeigten unregelmäßige Herde in der 
weißen Substanz sowohl der Occipital- als auch der Frontallappen 
und auch einmal im Schläfenlappen, in denen die Hirnsubstanz 
erweicht und teilweise durch eine transluzente agarähnliche 
Masse ersetzt war. In gleicher Weise waren die Hämorrhagien 
in den Höhlenwänden und in dem anliegenden Gewebe nach¬ 
zuweisen, die graue Substanz der Hirnrinde war in keinem 
Falle mit erkrankt. 

Die mikroskopische Untersuchung der Läsionen, deren 
Ergebnis ausführlich dargestellt wird, ergibt, daß der Krankheits¬ 
prozeß vorwiegend destruktiver Natur ist. Die anatomischen 
Elemente der Hirnsubstanz sind am Sitze der Erkrankung zer¬ 
fallen und größtenteils durch die mehrfach erwähnte kolloid¬ 
ähnliche Masse ersetzt. In der Nachbarschaft zeigen die Blut¬ 
gefäße eine starke Entzündung mit Einwanderung von Leuko- 
cyten in die Gefäßwände und in das anliegende Gewebe, weiter 
mit Austritt roter Blutzellen in die perivaskulären Lymph- 
scheiden und die angrenzende Hirnsnbstanz. Diese Extravasation 
gibt dem Entzündungsprozeß den hämorrhagischen Charakter. 

Bei einem Neuausbruch der Seuche in Süd-Maryland sind 
wieder eine große Zahl von Pferden als Opfer gefallen. Bei 
drei Autopsien, welche die Verfasser zur Kontrolle ihrer ersten 
Befunde Vornahmen, wurden makroskopisch keine wesentlichen 
Veränderungen der Hirnsubstanz nachgewiesen, dagegen zeigten 
die Gefäße an vielen Stellen derselben eine entzündliche Affektion 
und um ihre Wände und stellenweise in der weiteren Nachbar¬ 
schaft war eine Infiltration des Gewebes mit mononucleären, 
polymorphonucleären und eosinophilen Leukocyten nachzuweisen. 
Die bakteriologische Untersuchung hat aber auch in diesem 
Falle kein Resultat ergeben. Peter. 

Modifikation der Viborgschen Methode zur 
Behandlung des nicht reponierbaren Prolapsus recti 
beim Schwein. 

Von Dr. A. Minardi. 

(La Clin, vit 1908, No. 48.) 

Viborg empfahl im Jahre 1804 bei diesem Übel ein Rohr 
aus Holunder oder von anderem Holz in das Rectum einzuführen, 
den prolabierten Teil in der Nähe des Afters auf der Röhre fest¬ 
zuschnüren und dann das Weitere sich selbst zu überlassen, bis 
der Tubus, Ligatur und der mortifizierte Mastdarmteil von selbst 
abfielen. 

Die Anwendung dieser Methode hat aber ihre Nachteile. 
Das Lumen der Röhre ist nicht genügend weit, daß die Fäces 

a b 



hindurchpassieren können; auch ist die Einführung und Be¬ 
festigung des Tubus sehr schwierig. Minardi bediente sich des¬ 
halb einer mit Gummi überzogenen Metallröhre von 2,5 cm Durch¬ 
messer (vergl. Figur). Etwa 5 cm von dem Ende A, welches 
ins Rektum eingeführt wird, sind zwei einander symmetrisch 


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23. April 1908. 

gegenüberliegende Löcher aa mit abgerundeten Rändern an¬ 
gebracht. Am entgegengesetzten Ende B befinden sich zwei 
Einschnitte bb, welche dem Operateur die Lage der vom Rectum 
bedeckten Löcher anzeigen. 

Der Tubus wird nunmehr vorsichtig in den prolabierten 
Mastdarm eingeführt und soweit vorgeschoben, daß die Löcher 
in die Nähe des Afters zu liegen kommen. Alsdann wird durch 
die prolabierte Masse und die beiden Löcher mit einer genügend 
langen Nadel ein starker Faden gelegt und dieser in Form einer 
Schleife durch die Röhre mittelst Zange nach außen gezogen. 
Die Schleife wird in der Mitte getrennt und die entsprechenden 
Enden der so entstandenen beiden Fäden miteinander vereinigt, 
indem man sie durch die ihrem Loch korrespondierenden Ein¬ 
schnitte führt. 

Auf den in dieser Art befestigten Tubus wird zuletzt ganz 
nahe am After und vor der Stelle, wo die Nadel eingeführt wurde, 
eine elastische Ligatur über den ausgestülpten Mastdarmabschnitt 
gelegt. Derselbe mortifiziert und fällt nach einiger Zeit mit 
dem Apparat von selbst ab. Peter. 

Kleine Mitteilangen. 

Au« der Wochenschrift fUr Tierheilkd. u. Viehzucht 

Tors Io Uteri. 

Von Bezirkstierarzt Molter-Schwaben. 

Bei einer Kuh mit Uterasverdrehung sind durch einen 
Pfuscher die beiden Vorderbeine bis zur fiälfte der Schienbeine 
durch die Einschnürungsstelle hindurchgezogen. Durch Wälzen 
gelang es dem dann zugezogenen Tierarzte nicht die Drehung 
zu beheben. Dem Besitzer wurde danach die Schlachtung oder 
Operation vorgeschlagen. Der Besitzer entschied sich für die 
Operation. Darauf wurde der Flankenschnitt gemacht und mit 
dem rechten Arme in die Bauchhöhle eingegangen. Es lag 
eine Dreiviertel-Drehung vor. Der Uterus wurde durch lang¬ 
sames Drücken in seine normale Lage gebracht. Nach Vernähen 
der Wunde wurde die Extraktion des Kalbes ausgeführt, die 
leicht gelang. Kuh und Kalb blieben gesund. 

Behandlung der In der Schlund- und Kehlkopfgegend vorkommenden 
Aktinomykome. 

Von Bezirkstierarzt Kolb-Günzenhausen. 

Mit einem dünnen, weissglühenden Eisen wird in der Mitte 
der Geschwulst bis zur Wurzel eingedrungen, hierauf mit 
einem an der Spitze hakenförmig gebogenen Glüheisen die 
Geschwulst unter fortwährendem Drehen mehrmals ausgeätzt. 
Der verkalkte Inhalt der Geschwulst wird mit dem scharfen 
Löffel auBgeschabt. In die ausgebrannte Höhle wird eine Paste 
aus Caprum sulf. und Fett gestrichen. Nevermann. 

Wochenübersicht über die medizinische Literatur. 

Von Dr. Jeoo-Charlottenburg, 

Krelatienrat. 

Therapetdische Monatshefte. 

Über die dluretische Wirkung der Borsäure von Oskar Liebreich 
L. greift die von Merkel hervorgehobene Urinsteigerung nach 
Borsäure-Veiabreichung an, indem er darauf hinweist, daß die 
gleichzeitige Verabreichung großer Wassermengen nicht berück¬ 
sichtigt sei. 

Deutsche med. Wochenschrift. 1903. No. 13. 

Ein Fall von allgemeiner Mllllartuberkulose nach Abort; von 
Dr. Westenhoeffer. Wird auf das Original verwiesen. 

Aderlaß bei Urämie von Dr. Jaerisch. J. teilt eine Krank¬ 
heitsgeschichte mit, aus der hervorgeht, daß in einem Fall von 


283 


akuter Nephritis mit schweren urämischen Erscheinungen ein 
Aderlass geradezu lebensrettend wirkte. 

Caudae humanae von Hennig. H. sprach in der med. Ges. 
in Leipzig über diesen Gegenstand. Als Beispiel der Hyperthelie 
gibt es nur ein Beispiel der Vererbung und maximalen Aus¬ 
bildung, das Vorhandensein von 8 Brüsten beim Weibe (in 
Krakau beobachtet); auch die Zwillingsschwangerschaft betrachtet 

H. als eine Art Atavismus. Der uterus bicornis entspricht den 
mehrträchtigen Tieren. Bei den menschlichen Schwänzen unter¬ 
scheidet man je nachdem, ob Wirbel in ihm enthalten sind: 
„Weich- und Hartschwänze“. Harrison glaubt, daß beim 
Menschen ursprünglich 7 Caudalwirbel angelegt waren, während 
Fol eine Wirbelsäule von 38 Wirbeln beschreibt. 

Zur Toxikologie de« Filegenschwamms. Harmsen hielt am 8. 1. 
1903 in der medizinischen Gesellschaft in Göttingen über diesen 
Gegenstand einen Vortrag. Die Fliegenpilzvergiftung ist nicht 
völlig der Muscarinvergiftnng identisch. Die Versuche des 
Verf. ergaben, daß im Fliegenpilz außer dem Muscarin noch 
ein anderes sehr wirksames Gift vorhanden ist, welches nicht 
durch Atropin zu beseitigen ist und welches offenbar weit ge¬ 
fährlicher als Muscarin ist, da alle Tiere an demselben eingingen. 
Dieselbe Zeitschrift No. 14, 03. 

Phlorrhizindiabetes und ohemisohe Eigenart von Geh. Med. - Rat 
Prof. Dr. Kraus. Wird auf das Original verwiesen. 

Beiträge zur Morphologie der pathogenen Bakterien; von Dr. Saul. 
Verf. hat durch mit Formalin gehärtete Bakterienkulturen 
Schnitte angelegt und sieht nun in den Schnittbildern aus Cholera¬ 
bazillen bestehende Pflanzen mit Stamm, Laub und Ästen. Die 
Studie ist mit einer Anzahl Bildern ausgestattet, welche Ref. 
eingehend studiert hat, aber seine Phantasie vermochte der¬ 
jenigen des Herrn S. nicht zu folgen. 

Bericht über das Vorkommen des Aussatzes Lepra, der 
Schlafkrankheit, der Beri-Beri etc. in Kamerun, erstattet an die 
Kolonialabteilung des auswärtigen Amth zu Berlin; von Dr. 
Ziemann, Regierungsarzt in Duala. Wird auf das Original 
verwiesen. 

Münchener medixinische Wochenschrift No. 12103. 

Kann in dem Zusatz von sohwefllgsauren Natrium zu gehacktem 
Rindfleisch eine Fälschung erblickt werden? von Dr. KrauB und 
Dr. H. Schmidt. Verfasser stellen folgende Leitsätze auf: 

I. Der Zusatz von schwefligsaurem Natrium zu frischem Hack¬ 
fleisch täuscht den Käufer, weil der der Ware verliehene Schein 
nicht der wirklichen Beschaffenheit (dem Wesen) entspricht und 
dem Käufer die Möglichkeit genommen wird, sich durch seine 
Sinne über das Alter des Fleisches zu unterrichten. — 2. Der 
Zusatz von schwefligsaurem Natrium verleiht altem und ver¬ 
dorbenem Hackfleisch den Anschein der besseren Beschaffenheit 
und gestattet, verdorbenes Fleisch mit frischem Fleisch zu 
mischen, ohne daß der Käufer in der Lage ist, eine solche 
Handlungsweise zu erkennen. — 3. Der Zusatz von schweflig¬ 
saurem Natrium zu Hackfleisch ist daher in allen Fällen als 
eine Fälschung im Sinne des Nahrungsmittelgesetzes anzusehen. 
Fortschritte der Medizin No. 5, 1903. 

Der Bronze-Diabetes, von Kuck ein. Ein umfassendes 
Sammelreferat über die mit hypertrophischer, pigmentärer 
Lebercirrhose und einer diffusen bronzeartigen Hautverfärbung 
einhergehenden Erkrankung, bezw. der Einzelheiten wird auf 
das Original verwiesen. 


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284 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


Na 17. 


Tagesgeschichte. 

Zur Kurpfuscherei seitens der Apotheker. 

Von Kreistierarzt Damman-Gr. Strehlitz. 

Hinsichtlich der Kurpfuscherei der Apotheker (vgl. auch 
den Artikel von Prof. Dr. Schmaltz in No. 15 dieser Zeit¬ 
schrift) dürfte eine Entacheidong des Landgerichts zu Oppeln 
vom 2. März d. J. einiges Interesse haben. Ein Apotheker, 
der durch unerlaubte Reklame einen Privattierarzt des Nach- 
barkreises schwer schädigte, war von mir wegen Übertretung 
der Oberpräsidial-Verordnung vom 21. Oktober 1896 und der 
Verordnung des Regierungspräsidenten zu Oppeln vom 8. Sep¬ 
tember 1902 betr. öffentliche Ankündigung von Geheimmitteln 
u. s. w. und wegen Übertretung des § 4 des Gesetzes betr. die 
Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom 27. Mai 1896 
zur Anzeige gebracht Er gab an seine Kundschaft eine Bro¬ 
schüre umsonst ab mit der Aufschrift auf dem Umschläge: 
„Praktisch! Billig! Zuverlässig! Winke und Ratschläge für 
sparsame Ökonomen! Der Tierarzt im Hause! Mit Be¬ 
schreibung von über 70 der gebräuchlichsten Tierheilmittel. 
Preis 50Pf. Für meine Kundschaft umsonst Apotheke und Drogen¬ 
handlung von X. X. ... in X.“. ln der Einleitung des 

Büchleins hieß es unter anderem: „Der Verfasser hat auf Grund 
langjähriger Erfahrungen in diesem Spezialgebiete der Arznei¬ 
kunde eine Kollektion von Tierarzneimitteln zusammengestellt, 
welche vermöge ihrer sachverständigen, rationellen Zusammen¬ 
setzung von stets zuverlässiger Wirkung sind.“ In der Bro¬ 
schüre wurden dann zahlreiche Mittel, zum Teil mit den 
wunderlichsten Namen, gegen alle möglichen Krankheiten, ins¬ 
besondere auch solche Mittel angepriesen, die Rotz, Maul- und 
Klauenseuche, Milzbrand und Rotlauf heilen und verhüten sollten. 

In der Verhandlung gab der Beschuldigte an, er habe das 
Buch nicht selbst verfaßt, es vielmehr durch den Reisenden der 
Straubingerschen Verlagsanstalt Bavaria auf Empfehlung 
eines anderen Apothekers bezogen, da es dazu diene, denVerkehr 
des Landpublikums in der Apotheke anzuregen und von überaus 
zahlreichen Apotheken im ganzen Reiche ebenfalls vertrieben 
werde. Die in dem Buche angepriesenen und von ihm abge¬ 
gebenen Mittel seien solche der allgemeinen pharmazeutischen 
Manuale, es seien Mittel aus Tabelle A und B der Kaiserlichen 
Verordnung vom 27. Januar 1890 und er sei ohne weiteres 
berechtigt, solche Mittel abzugeben und auch anzupreisen. Die 
Sachverständigen (Herr Departementstierarzt Dr. Arndt und 
ich) gaben übereinstimmend ihr Gutachten dahin ab, daß es 
Vorbeugungs- und Heilmittel gegen Milzbrand, Rotz u. s. w. 
nicht gebe. Ferner begutachteten wir, unter Bezugnahme auf 
eine Reihe von Kammergerichtsentscheidungen: 

1. Es handelt sich in vorliegendem Falle um Geheimmittel, 
da die Natur bezw. Zusammensetzung der angepriesenen 
Mittel nicht in allgemein verständlicher Weise bei der 
Ankündigung bezw. bis zur Ankündigung öffentlich 
bekanntgegeben ist (vgl. Urteil des Kgl. Kammer¬ 
gerichts zu Berlin vom 12. März 1900). 

2. Das bloße unentgeltliche Abgeben der Broschüre an 
die Kundschaft ist eine öffentliche Ankündigung. Der 
Angeklagte hat den Willen gehabt, daß die Broschüre 
unter den Abnehmern seiner Apotheke, also unter einer 
unbestimmten Menschenmenge, verbreitet würde. Das ge¬ 
nügt zu dem Begriff „öffentliche Ankündigung“ (Urteil des 
Kgl. Kammergerichts zu Berlin vom 6. September 1900). 


3. Der Einwand des Angeklagten, es habe sich um Mitte 
der Tabelle A und B der Kaiserlichen Verordnung vom 
27. Januar 1890 gehandelt und er sei nicht nur zur 
Abgabe dieser Mittel, sondern auch zu deren Ankündi¬ 
gung als Heilmittel berechtigt, wurde von uns mit 
einem Urteil des Kgl. Kammergerichts zu Berlin vom 
14. Juni 1900 widerlegt. Es heißt darin : 

„Die Kaiserliche Verordnung vom 27. Januar 1890 
behält allerdings den Apotheken das Feilhalten und den 
Verkauf der in den Verzeichnissen A und B auf¬ 
geführten Waren vor, verstattet ihnen damit aber nicht 
ohne weiteres alle Handlungen, welche zur Vorbereitung 
oder Herbeiführung derartiger Verkäufe dienen können, 
insbesondere nicht das öffentliche Anbieten, Ankündigen 

und Anpreisen der Mittel als Heilmittel. —. 

.... Soweit dieselbe das Feilhalten und den Verkauf 
von Arzneimitteln gestattet, gewährt sie damit ein 
Recht nur zur Vornahme deijenigen Handlungen, welche 
für das Feilhalten und den Verkauf erforderlich sind; 
dazu gehört aber nicht das öffentliche Ankündigen, 
Anbieten und Anpreisen der Mittel als Heilmittel, 
während eine bloße Anzeige des Händlers, daß er eine 
derartige Ware feilhalte, ohne Bezeichnung der Krank¬ 
heit, gegen welche das Mittel angewendet werden soll, 
eine Ankündigung als Heilmittel nicht enthalten und 
somit nicht unter die Verordnung fallen würde.“ 

Das Urteil lautete auf 30 Mark Geldstrafe (der Staats¬ 
anwalt hatte 100 Mark beantragt), da Übertretungen der Polizei¬ 
verordnungen vom 21. Oktober 1896 und 8. September 1902 
nach dem Gutachten der Sachverständigen ohne weiteres als 
vorliegend erachtet wurden. Eine Bestrafung wegen unlauteren 
Wettbewerbs erfolgte indessen nicht In der Begründung 
wurde ausgeführt, es liege objektiv zweifellos auch unlauterer 
Wettbewerb vor, in vorliegendem Falle aber nicht subjektiv. 
Es sei nicht hinreichend festgestellt, daß der Angeklagte die 
Anpreisung der Mittel in der Absicht getan habe, ein besonders 
günstiges Angebot hervorzurufen; es wurde vielmehr den An¬ 
gaben des Beschuldigten, der die betr. Apotheke erst vor kurzem 
unter besonders ungünstigen Verhältnissen übernommen zu 
haben angab, darin Glauben geschenkt, daß er durch Verteilung 
der Broschüre nur den Verkehr des Landpubliknms in seiner 
Apotheke habe anregen und die etwas zurückgekommene 
Apotheke heben wollen. Wenn auch die Strafe sehr gering 
ausgefallen ist und in vorliegendem Falle eine Bestrafüng wegen 
unlauteren Wettbewerbs nicht erfolgte, so geht aus der 
Verhandlung doch hervor, daß dies im allgemeinen zu er¬ 
reichen ist. 

Aus dem Artikel des Herrn Prof. Schmaltz in No. 15 
dieser Zeitschrift und aus vorstehender Verhandlung ist ferner 
ersichtlich, daß die Broschüre „Der Tierarzt im Hanse“ und 
ähnliche Büchlein von unzähligen Apotheken verbreitet werden. 
Es erscheint daher dringend geboten, von tierärztlicher Seite 
endlich einmal mit System gegen die Kurpfuscherei und die 
öffentliche Ankündigung von Geheimmitteln vorzugehen. Das 
gemeinsame tierärztliche Interesse erfordert dies geradezu und 
ein energisches Vorgehen gegen das Kurpfuschertum — ins¬ 
besondere der Apotheker — erscheint mir vor der Hand viel 
wichtiger, als daß im eigenen Lager einzelne Gruppen, ins¬ 
besondere Kreis- und private Tierärzte, darum kämpfen, welche 


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23. April 1903. 


tierärztlichen Verrichtungen der einen und welche der anderen 
Grnppe zukommen. 

Von dem Vorschläge des Herrn Prof. Schmaltz, die Auf¬ 
merksamkeit der Behörden auf die Erscheinung der allgemein 
verbreiteten Kurpfuscherei der Apotheker und anderer Personen 
zn richten, kann ich mir nicht allzuviel Erfolg versprechen. 
Ebenso sind vereinzelte Tierärzte, die etwa eine gerichtliche 
Bestrafung von Kurpfuschern wegen öffentlicher Ankündigung 
von Geheimmitteln oder unlauteren Wettbewerbs herbeiführen, 
nicht imstande, eine durchgreifende Besserung der Verhältnisse 
zu erzielen. Es ist vielmehr ein systematisches Vorgehen er¬ 
forderlich. Die Ärzte haben in dem Verein zur Wahrung wirt¬ 
schaftlicher Interessen der Ärzte bereits ein Institut, das Ein¬ 
griffen in ihre Rechte entgegentritt. Warum sollte ähnliches 
bei uns nicht möglich sein? Aus praktischen Gründen erscheint 
es mir jedoch nicht opportun, die Bekämpfung des Kurpfuschertums 
von einer Zentrale aus zu bewirken, es ist vielmehr angebracht, 
daß dies aus den tierärztlichen Provinzial - Vereinen 
heraus geschieht. Man wähle beispielsweise innerhalb eines 
jeden Provinzialvereins eine Kommission zur Bekämpfung der 
Kurpfuscherei, bestehend aus drei oder mehr Mitgliedern. Dieser 
Kommission werden die in der betr. Provinz bekannt werdenden 
strafbaren Übergriffe der Kurpfuscher unter Beifügung des 
Materials mitgeteilt, von ihr wird das Material geprüft und 
gegebenenfalls die gerichtliche Verfolgung veranlaßt. Wenn 
die Sache in richtiger Weise eingeleitet wird, wird es auf 
Grand der gesetzlichen Bestimmungen der Regel nach gelingen, 
die Bestrafung herbeizuführen. Die Kenntnis der eingangs 
erwähnten Kammergerichtsentscheidungen erscheint mir dabei 
von hohem Wert. 

Kurpfuscherei in Apotheken. 

In einem Berliner Briefe läßt sich die Münchener medi¬ 
zinische Wochenschrift vom 17. März 1903 über diesen Gegen¬ 
stand schreiben, daß durch den Prozeß Nardenkötter eine bisher 
weniger beachtete Art der Kurpfuscherei, nämlich die in 
Apotheken geübte, ans Tageslicht geführt sei. In diesem Prozeß 
trat klar zu Tage, daß die Kurpfuscherrezepte unbedenklich in 
Apotheken angefertigt wurden, und zwar hielten sich die Apo¬ 
theker deshalb für berechtigt, weil die Verordnungen keine 
starkwirkenden (?) Mittel enthielten. Wenn dies auch formell 
richtig ist, so bleibt es doch eine Unterstützung der Kurpfuscherei. 
Der Prozeß Nardenkötter hat nun aber gerade gezeigt, daß 
Gifte, und zwar Arsenik und Quecksilber, in großen Mengen 
abgegeben wurden. Man kann ferner tagtäglich in den Zeitungen 
die verschiedensten Heilmittel, als bei allen möglichen Gebrechen 
von hervorragender Wirkung, annonciert lesen und zum Schluß 
den Satz bemerken: „Erhältlich in allen Apotheken.“ Es 
ist ja ein weit verbreiteter Brauch resp. Mißbrauch, daß Leute 
in die Apotheken kommen und etwas gegen Husten haben wollen 
und fragen: „Mein Kind hat solche Halsschmerzen, was kann 
ich ihm wohl da geben“, und dergl. mehr. 

Wenn auch in einzelnen Fällen der Apotheker den Fragenden 
zum Arzt schickt, in häufigeren Fällen jedoch wird er ihm 
-irgend welche Hustenpillen oder ähnliches geben. Daß damit 
eine ganz verderbliche Kurpfuscherei getrieben wird, ist klar, denn 
ebenso wie der Schäfer, wenn er einer krebskranken Frau eine 
Einreibung gibt, sie dadurch von der lebensrettenden Operation 
zurückhält, so wird duroh die Hustenpillen des Apothekers der 
richtige Zeitpunkt der Serum-Injektion bei einem diphtherie- 


285 

kranken Kinde versäumt. Daß hierin eine gründliche Remedur 
sehr am Platze ist, ist wohl ohne Zweifel. Jeß. 

Wie man Homöopath werden kann. 

Von Tierarzt Oskar Albrecbt. 

In der letzten Session des Bayerischen Landtags hat be¬ 
kanntlich ein Abgeordneter den Antrag auf Errichtung einer 
homöopathischen Professur in der medizinischen Fakultät Mün¬ 
chen gestellt, der, vom damaligen Kultusminister befürwortet, 
in beiden Kammern angenommen wurde. Natürlich nahm die 
Fakultät und Ärzteschaft in der Fach- und Tagespresse zu dieser 
Entscheidung Stellung. Ein Arzt hat dabei in einem Artikel 
in einer Münchener Zeitung den Satz ausgesprochen: es falle 
einem schwer, bei einem homöopathischen Arzt, der den regel¬ 
rechten medizinischen Stndiengang durchgemacht habe, an die 
bona fides seines Heilvei fahrens zu glauben (vergl. übr. Pagel, 
Gesch. d. Medizin I, S. 334!). — Die Frage ist eine allgemein 
medizinische und prinzipielle, die wissenschaftlich zwar längst ent¬ 
schieden (vergl. Geschichte der Therapie von Ellenbg.-Schütz), 
immerhin nun wieder neu aufgeworfen worden ist. Es soll außer¬ 
dem auch einzelne homöopathische Tierärzte geben und zwar, wie 
mir versichert wird, nicht nur in Großstädten, sondern selbst 
unter den Bauern im bayerischen Gebirge. Aus diesen Gründen 
glaube ich von einigen Fällen aus meiner eigenen Praxis be¬ 
richten zu sollen, in denen an mich das Ansinnen gestellt wurde, 
mich zu homöopathischer Arzneiverordnung verstehen zu wollen. 

Ich hatte mich in der wegen ihres enormen Hundereichtums 
als das deutsche Konstantinopel benannten Stadt München als 
Spezialist für Hundekrankheiten niedergelassen. Täglich und 
wochenlang empfing ich die Vertreter der verschiedensten Lebens-, 
Pensions-, Feuer-, Haftpflicht-, Unfall-, Einbruch-Versicherungen, 
Lieferanten von Instrumenten, Büchern, Wäsche u. s. w. Ich hatte 
kaum die ersten Patienten verzeichnet, da erschien bei mir auch 
ein Vertreter der Großmacht Presse. Es war ein als Mensch 
gewiß einwandfreier, als Journalist zweifellos einflußreicher 
Mann. Er hatte, wie er mir erzählte, in deutschen Landen 
Medizin studiert, wandte sich aber, von der „Schulmedizin“ un¬ 
befriedigt, schließlich nach Salamanca, wo er die Homöopathie 
kennen lernte — hier scheint also ein Lehrstuhl zu bestehen — 
und an sich und anderen wahre Wunderkuren mit Tinctura, 
Bardanae, Arnicae, Aconiti u. a. gesehen und erlebt habe. Seit¬ 
dem sei er ein überzeugter, zwar nicht praktischer Vertreter, 
aber journalistischer Verfechter des nach seiner Ansicht allein 
richtigen homöopathischen Heilverfahrens. Er wunderte sich, 
daß mich die in meinem Besitz befindlichen Werke von Sperling, 
Grauvogl u. a. nicht überzeugt hätten, erbot sich, mich mit 
weiterer Literatur bekannt zu machen, und verwies mich end¬ 
lich auch darauf, daß ein offizieller Veterinär-Homöopath an 
meinem Wohnsitz fehle, daß ein solcher natürlich hier konkur¬ 
renzlos arbeite, das ganze Publikum, das sich selbst homöo¬ 
pathisch behandeln lasse, für seine Klientel gewänne, und daß 
er selbst für mein Bekanntwerden und Reüssieren gern und 
ohne eine Gegenleistung zu erwarten, tätig sein werde. 

Einige Zeit später machte ich die Bekanntschaft eines in 
der sogenannten Gesellschaft wohlangesehenen Mannes, der als 
Hundekenner, Preisrichter bei Hundeausstellungen bekannt und 
von den Sportsmännern allgemein geschätzt ist. Er betreibt 
selbst aus Liebhaberei auf seiner von der Stadt etwas abgelegenen 
Besitzung eine förmliche Hundezucht. Er glaubt sich befähigt, 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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286 

mit Hilfe der über Hundekrankheiten geschriebenen Werke, die 
er in seltener Vollständigkeit besitzt, alle in seinem Zwinger 
vorkommenden Erkrankungen selbst zn kurieren, während dies 
die früher konsultierten Tierärzte nicht, gekonnt hätten. Mit 
dem allopathischen Verfahren hatte er allerdings Mißerfolge 
gehabt, desto bessere Erfolge aber mit dem homöopathischen, 
namentlich mit der Tinctura arnicae. Er behandelt Hahne- 
manns Vorschrift entsprechend rein symptomatisch, Erbrechen 
z. B. mit Strychnos nux vomica. Vor zwei Jahren gingen ihm 
allerdings trotzdem an der Stuttgarter Hundeseuche seine sämt¬ 
lichen Welpen zu Grunde, doch hatten daran lediglich die Tier¬ 
ärzte schuld (!), wegen deren Unkenntnis die Seuche so große 
Ausdehnung erfuhr und die Krankheitsursache unaufgeklärt blieb. 
Von der Wahrheit der homöopathischen Lehre habe ihn vollends 
der Fall eines Bekannten überzeugt. Dieser litt an Darmkrebs, 
der zur Perforation des Darmes und der Blase und zur Defäkation 
durch den Penis geführt habe. Von zwei renommierten Professoren 
der Universität Kiel aufgegeben, sei er durch eine homöopathische 
Mixtur geheilt worden. Zwar starb der Patient im Jahr darauf, 
aber an zufällig acquirierter Influenza. Die Sektion hätte völlige 
Ausheilung des Darmes und der Blase gezeigt. — Mich selbst 
begrüßte der Hundezüchter enthusiastisch als einen Mann, der 
sich endlich des wichtigsten tiermedizinischen Zweiges annehme. 
Sein Einfluß in der Gesellschaft, unter den Hundeliebhabern und 
Sportsmännern stand mir in Aussicht, falls ich mich zu einer 
homöopathischen Behandlungsweise, „wie ich sie auch als tier¬ 
ärztlicher Sachkenner im einzelnen durchführte“, verstehen wollte. 

Einer Dame möchte ich schließlich noch Erwähnung tun, 
die mir eines Tages mit Droschke und Dienerin ihren kleinen 
Pinscher in die Sprechstunde brachte. Sie fühlte sich selbst 
erst seit sie in homöopathischer Behandlung stand leidlicher 
Gesundheit und wünschte auch ihren treuen Freund derselben 
teilhaftig zu sehen. „Falls ich die Streukügelchen in Anwendung 
brächte“, wollte sie mich allen ihren Bekannten und Freunden 
dankbarst rühmen. — In weiblicher Inkonsequenz verstand sie 
sich aber auch zu allopathischer Behandlung und, obschon ich 
ihr und ihren Angehörigen die Aussichtslosigkeit des Zustandes — 
es handelte sich um eine schwere Enteritis — schonend vorstellte, 
wurde ich noch mehrmals bei Tag und bei Nacht gerufen und 
um ausgiebigste Anwendung des allopathischen Arzneischatzes 
gebeten. Gleichwohl ging das Tierchen, wie ich es voraus¬ 
gesagt, zu Grunde, wird aber jetzt gewiß als Opfer der Allo¬ 
pathie beklagt, wie die mir zwar sogleich abverlangte, aber noch 
nicht erledigte Honorarforderung anzuzeigen scheint. 

Ich bin durch diese Erfahrungen allerdings kein Vertreter 
der Homöopathie geworden, weder ein überzeugter, noch ein 
überredeter. Ich habe dabei vielmehr das homöopathisch inter¬ 
essierte Publikum von seiner schwachen Seite kennen gelernt, 
wie es nämlich sich selbst mißtraut und in der Werbung von 
Genossen Trost sucht. Aber ich gedenke nun zuweilen eines 
alten Arztes häufig und mit anderen Gefühlen als früher. Er 
hatte den regelrechten medizinischen Studiengang durchgemacht, 
die Examina abgelegt, verheiratete sich mit einer vermögens¬ 
losen Dame, erfreute sich einer großen Familie, deren Glieder 
alle Schulen, auch die weibliche kaufmännische Bildungsschule 
bevölkerten. Er hat geraume Zeit die „Schulmedizin“ vertreten. 
Später ist er Homöopath geworden. Ich habe diese Wandlung 
früher nicht verstehen können; jetzt glaube ich es zu verstehen, 
daß und wie man Homöopath werden kann. 


No. 17. 


50 jähriges Jubiläum. 

Am 9. d. Mts. feierte der Kreistierarzt Dralle in Einbeck 
sein öOjähriges Jubiläum als Tierarzt. Aus dieser Veranlassung 
wurde dem Jubilar der rote Adlerorden 4. Kl. verliehen. Zu 
Ehren desselben war ein großes Festessen veranstaltet worden, 
an welchem über hundert Herren aus Einbeck und Umgegend 
und eine stattliche Anzahl Tierärzte von nah und fern teilnahmen. 
Der Jubilar wurde außerordentlich reich beschenkt. Die Tier¬ 
besitzer seines Wirkungskreises hatten ein sehr wertvolles 
Silbergeschenk und einen prachtvollen Sessel gewidmet, die 
beamteten Tierärzte des Reg.-Bez. Hildesheim überreichten ein 
Album mit ihren Bildern, die Stadt Einbeck, die Gendarmerie¬ 
schule, die Schmiede-Innung, die Gemeinde Odagsen, in welcher 
der Jubilar früher gewohnt, und eine Anzahl Verehrer desselben 
hatten sinnige Geschenke gespendet. 

Der Königliche Landrat Opitz und Geheimrat Esser 
holten den Jubilar zum Festessen ab. Letzterer hielt die Fest¬ 
rede, worin er zunächst der großen Verdienste des Jubilars 
gedachte; sein fachwissenscbaftliches Können habe ihm überall 
Anerkennung und Vertrauen, seine Uneigennützigkeit Dankbarkeit 
und Liebe verschafft. Redner entwarf dann einen kurzen Rück¬ 
blick über die Entwicklung der Tierheilkunde in den letzten 
50 Jahren und schloß mit der Hoffnung, daß der körperlich und 
geistig frische Jubilar noch lange die Vorteile genießen möchte, 
die voraussichtlich das nächste Jahr den beamteten Tierärzten 
bringen würde. 

Die anwesenden Tierärzte fühlten sich durch die dem Jubilar 
erwiesenen Ehrenbezeugungen in ihrem Standesbewußtsein sehr 
gehoben und mit geehrt; überglücklich war besonders der Sohn 
des Jubilars, Kreistierarzt Dralle in Vohwinkel. 

Möge dem Jubilar nach mühsamer Tagesarbeit ein langer, 
sonniger Lebensabend beschieden sein! r. 

Nachruf. 

Am ersten Osterfeiertage, beim Klange der Osterglocken, 
haben wir unseren lieben Kollegen, den Königl. Kreistierarzt 
Müggenburg in Grimmen zu Grabe geleitet Im blühendsten 
Mannesalter wurde er nach kurzer Krankheit aus einer reichen, 
der Fürsorge um seine Familie gewidmeten Tätigkeit viel zu 
früh uüd unerwartet herausgerissen und mit seinen ihm im Tode 
vorangegangenen beiden Knaben, an denen er mit großer Liebe 
gehangen, für immer vereint. Zwei unmündige Kinder tranern 
mit ihrer Mutter um den treusorgenden Vater, den liebevollen 
Gatten, ihren Ernährer. Trotzdem der Verblichene nur vier Jahre 
lang die Kreistierarztstelle in Grimmen verwaltet, hat er es 
dennoch verstanden, durch seine lautere Gesinnung, sein offenes 
und liebenswürdiges Wesen, seine praktische Tüchtigkeit, sich 
die allgemeine Achtung und Anerkennung zu erwerben. Seinem 
Beruf widmete er sich mit großer Hingebung und zeigte für 
alle tierärztlichen Bestrebungen das lebhafteste Interesse. Wir 
Tierärzte im Regierungsbezirk Stralsund werden sein Andenken 
dauernd in Ehren halten! Möge ihm die Erde leicht sein! 

Baranski, Departementstierarzt. 

Veterinärräte. 

Die Bemerkungen über Verleihung des Titels „Veterinärrat“ 
in No. 15, pag. 258 enthalten einen Irrtum. Ebenso wie der erste 
Geheime Veterinärrat ist auch der erste Veterinärrat an der 
deutschen Nordküste daheim. In der Tat ist dieser Titel zum 
erstenmal nicht in Baden, sondern in Mecklenburg - Schwerin, 
dem Landestierarzt Peters, verliehen worden. Dann erst fblgtq 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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23. April 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 287 


in Baden die erste Ernennung; nnd zwar von Berner-Pforzheim. 
Später wurde der Titel mehrfach, z. B. an Braun- nnd Fuchs- 
Mannheim, verliehen. S. 

Verzeichnisse der Vorlesungen an den preueslschen tierärztlichen Hoch¬ 
schulen Im Sommersemester 1903. 

Berlin. 

Dr. Schütz, Geheimer Regiernngsrat, Professor: Allgemeine 
Pathologie. Pathologisch-anatomische Demonstrationen. Patho¬ 
logisch-histologische Übungen, in Gemeinschaft mit dem Repetitor 
Dr. Bauer. 

Dr. Dieckerhoff, Geheimer Regierangsrat, Professor: 
Gerichtliche Tierarzneikunde. Klinik für größere Haustiere, 
Abteilung für innere Krankheiten und Gewährmängel. 

Dr. Munk, Geheimer Regierangsrat, Professor: Physiologie I. 
Dr. Pinn er, Geheimer Regierangsrat, Professor: An¬ 
organische Chemie. Organische Chemie. Chemische Übungen, 
in Gemeinschaft mit dem Repetitor Dr. Franz. 

Eggeling, Professor: Seuchenlehre und Veterinärpolizei. 
Propädeutik der ambulatorischen Klinik. Ambnlatorische Klinik. 

Dr. Fröhner, Professor: Allgemeine Chirurgie nnd Akiurgie. 
Klinik für größere Haustiere, Abteilung für äußere Krankheiten. 

Dr. Schmaltz, Professor: Histologie. Histologische Übungen. 
Embryologie. Geschichte der Tierheilkunde. 

Dr. Ostertag, Professor: Diätetik. Tierische Parasiten. 
Sanitätspolizeiliche Milchkunde. Bakteriologie der Tierseuchen. 

Dr. Eberlein, Professor: Exterieur und Gestütkunde. 
Poliklinik für größere Haustiere. Übungen am Hnfe, in Gemein¬ 
schaft mit dem Assistenten Rahnenführer. 

Regenbogen, Professor: Pharmakologie nnd Toxikologie I. 
Rezeptierkunde. Allgemeine Therapie. Klinik und Poliklinik 
für kleinere Haustiere. 

Dr. Wittmack, Geheimer Regierungsrat, Professor: Bo¬ 
tanik. Botanische Exkursionen. 

Dr. Börnstein, Professor: Physik. 

Dr. Werner, Geheimer Regierangsrat, Professor: Rindvieh¬ 
zucht, Schweinezucht. 

Dr. Plate, Professor: Zoologie. 

Prosektor Friedrichs: Histologische Übungen, in Gemein¬ 
schaft mit Professor Dr. Schmaltz. 

Lange, Repetitor: Assistenz in der medizinischen Klinik. 
Dr. Trolldenier, Repetitor: Pathologisch-histologische 
Übungen, in Gemeinschaft mit Geh. Regierangsrat Prof. Dr. Schütz. 

Dr. Zaiewsky, Repetitor: Assistenz in der chirurgischen 
Klinik. 

Dr. Franz, Repetitor am chemischen Laboratorium: Che¬ 
mische Übungen, in Gemeinschaft mit dem Geheimen Regierangs¬ 
rat Professor Dr. Pinn er. 

Dr. du Bois-Reymond, Assistent des physiologischen 
Instituts: Repetitionen über Physiologie. 

Rahnenführer, Assistenz in der Poliklinik. Übungen am 
Hufe, in Gemeinschaft mit Professor Dr. Eberlein. 

Dr. Eschbanm, Apotheker: Pharmazeutische Übungen. 
Hannover. 

Direktor, Geheimer Regierangsrat, Medizinalrat, Professor 
Dr. Dam mann: Seuchenlehre und Veterinärpolizei, 4stündig. 
Bakteriologie, lstündig. Bakteriologische Übungen, ßstündig. 

Professor Dr. Kaiser: Geburtshilfe mit Übungen am 
Phantom, 4stündig. Ambulatorische Klinik. Übungen in der 
Beurteilung der Tiere, lstündig. 


Professor Tereg: Physiologie I, 4stündig. Physiologische 
Chemie, lstündig. Geschichte der Tierheilkunde, lstündig. 

Professor Dr. Arnold: Organische Chemie, 5stündig. 
Übungen im chemischen Laboratorium, in Gemeinschaft mit 
Repetitor Dr. Mentzel, täglich 11—2. 

Professor Boether: Allgemeine Anatomie, Osteologie und 
Syndesmologie, 2sttindig. Embryologie, lstündig. Histologie, 
3stündig. Histologische Übungen, in Gemeinschaft mit Prosektor 
N. N., täglich 11—2. 

Professor Dr. Malkmus: Gerichtliche Tierheilkunde, 
48tündig. Übungen im Anfertigen von schriftlichen Gutachten 
und Berichten, lstündig. Untersuchungsmethoden, lstündig. 
Propädeutische Klinik. Klinik für größere Haustiere, Ab¬ 
teilung für innere Krankheiten und Gewährmängel, täglichlO—12. 

Professor Fr ick: Allgemeine Chirargio, 3stündig. Operations¬ 
lehre, 28tündig. Ophthalmoskopische Übungen, lstündig. Pro¬ 
pädeutische Klinik. Klinik für größere Haustiere, Abteilung 
für äußere Krankheiten, täglich 10—12. Übungen am Hufe, 
in Gemeinschaft mit Repetitor Schulze, 2stündig. Diagnostik 
der äußeren Krankheiten, lstündig. 

Professor Dr. Rievel: Allgemeine Pathologie und all¬ 
gemeine pathologische Anatomie, ßstündig. Fleischbeschau mit 
Demonstrationen, 3stündig. Pathologisch-anatomische und patho¬ 
logisch-histologische Übnngen, ßstündig. Obduktionen und patho¬ 
logisch-anatomische Demonstrationen. 

Professor Dr. Künnemann: Allgemeine Therapie, 2stündig. 
Rezeptierkunde, lstündig. Toxikologie, 2ständig. Klinik für 
kleinere Haustiere, täglich 10—12. 

Schlachthofdirektor Rekate: Fleischbeschaukurse auf dem 
Lindener Schlachthofe, jeder Kursus mit 14 tägiger Dauer. 

Dr. Behrens: Botanik, 5stündig. Botanische Exkursionen, 
Sonnabend. Pharmazeutische Übungen, täglich. 

Prosektor N. N.: Histologische Übungen. 

Repetitor Dr. Zürn: Übungen in der Perkussion und Aus¬ 
kultation, 2 ständig. 

Repetitor Schulze: Beurteilung des Beschlages, lstündig. 
Übungen am Hufe. 

Repetitor Dr. Mentzel: Qualitative chemische Analyse, 
lstündig. Übungen im chemischen Laboratorium. 

Repetitor Dr. Seiler: Pathologisch-anatomische Diagnostik, 
1 stündig. 

Fleischbeschau. 

Boizen 80 hnssapparat. 

Dem Schlachthof-Direktor H. Schräder und dem Zivil- 
Ingenieur Franz Berger in Brandenburg a. H. ist das Reichs- 
Patent No. 140 345, gültig vom ß. März 1902, erteilt mit fol¬ 
gendem „Patent-Anspruch“: „Bolzenschnßvorrichtung, da¬ 
durch gekennzeichnet, daß ein Schußbolzen, welcher in einem 
Lauf mittels eines Kolbens gasdicht geführt ist, durch den Druck 
der durch ein Umführangsrohr vor den Kolben geleiteten Pulver¬ 
gase selbsttätig nach Vollendung der von ihm ausgeübten Schlag¬ 
wirkung zurückgetrieben wird.“ 

Die Erfinder haben noch ein Zusatz-Patent angemeldet, 
nach welchem die Umfdhrang der Gase durch den Bolzen hin¬ 
durch geschieht. Dadurch kommen an dem Schraderschen Appa¬ 
rat das kupferne Umlaufrohr und die beiden Überwurfmuttern 
in Fortfall. Nach Reinigung des alten Apparates wurden diese 


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288 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 17. 


Fl&nscbenmnttern mitunter nicht genug gasdicht angezogen, und 
konnte es Vorkommen, daß dann der Bolzen nicht nach dem 
Schuß zurtickging. Die neue Konstruktion mit Umlauf der 
Druckgase durch den Bolzen verhindert dies. 

Milchuntersuchungsstation auf dem Sohlaohthof. 

In dem Artikel No. 14, pag. 245 ist die Firma, welche die 
Instrumente znr Milchkontrolle geliefert hat, unrichtig angegeben, 
was hier auf Wonach berichtigt wird. Die Firma heißt A. W. 
Kaniß, Wurzen in Sachsen, Zweigniederlassung in Berlin. 

Fragen. 

1. Darf ein Tierarzt an einer von ihm behandelten, notge¬ 
schlachteten Kuh die Fleischbeschau ausüben und das Fleisch 
absterapeln, ohne daß er der zuständige Ortsfleischbeschaner ist? 

Antwort: Nach den (noch nicht publizierten) Vorschriften 
für die Inlandsfleischbeschau soll den Tierärzten, wie Ostertag 
in der „Zeitschrift für Fleisch- und Milchhygiene“ mitgeteilt 
hat, dieses Recht übertragen werden. Der Tierarzt muß aber beim 
Regierungspräsidenten den besonderen Antrag stellen, daß ihm 
im Bereich seiner Privatpraxis die Ermächtigung erteilt werde, die 
Fleischbeschau an den von ihm behandelten Tieren vorzunehmen. 

2. Darf ein Tierarzt bei Fleischern die Trichinen- und 
Fleischbeschau ausübeD, wenn sie ihm von diesen Personen über¬ 
tragen wird, ohne daß er als Fleischbeschauer bestellt ist? 

Antwort: Nein, d. h. die Fleischer bleiben jedenfalls ver¬ 
pflichtet, außerdem den bestellten Fleischbeschauer zuzuziahen. 

3. Soll ein Tierarzt, dem die Fleischbeschau trotz seiner 
Bewerbung nicht übertragen worden ist, das Ansinnen des Land¬ 
rates, die Stellvertretung des Laienfleischbeschauers zu über¬ 
nehmen, akzeptieren ? 

Antwort: Unter keinen Umständen. Ich halte das für eine 
unerhörte Zumutung. Schmaltz. 

Bücheranzeigen*) und Kritiken. 

Malkmus, Grundriss der Klinischen Diagnostik. Zweite, verbesserte 
Auflage. Hannover 1902. 

Seit dem Erscheinen der ersten Auflage im Jahre 1898 sind in der 
Diagnostik der inneren Krankheiten mannigfache Fortschritte zu 
verzeichnen, welchen der Verf. in der erneuten Bearbeitung seines 
Buches die entsprechende Berücksichtigung zuteil werden läßt. 
Trotz der Vervollständigung ist dem Werkchen der kompendiöse 
Charakter erhalten worden. Es umfaßt jetzt 229 Seiten in 6roß- 
oktav und zeigt eine hübsche Ausstattung. 

Der Inhalt zerfällt im wesentlichen in einen allgemeinen und 
einen speziellen Teil. Im ersteren werden Signalement, Habitus, 
Haut, Bindehaut des Auges und Körpertemperatur, im letzteren 
Zirkulations-, Respirations-, Digestions-, Harn- und Geschlechts- 
Apparat und Nervensystem beschrieben. In den Text sind zur Er¬ 
läuterung viele gute Abbildungen anfgenommen, welche u. a. 
charakteristische krankhafte Veränderungen im Habitus der Tiere, 
typische Temperatur- und Pulskurven, das Perkussions- und Aus¬ 
kultationsfeld der Brust- und Bauchhöhle bei verschiedenen Tieren, 
ferner mikroskopische Befunde pathogener Ausflüsse, Mikro¬ 
parasiten u. s. w. veranschaulichen. Hinter jedem der vorstehend 
aufgezählten Kapitel sind aphoristische Angaben über die haupt¬ 
sächlichsten Krankheiten gemacht, die von den betreffenden Organ¬ 
systemen ausgehen. Der dritte Teil des Buches handelt von speziellen 
Untersuchungen, in welchem Abschnitt einige auf klinischem Ge¬ 
biet liegende Gewährmängel der Pferde, ferner die diagnostischen 
Impfungen, die Untersuchungen der Lymphdrüsen und des Blutes 
zusammengestellt sind. 

- i 

*) Von den eingesandten Büchern werden hierunter Titel usw. mit¬ 
geteilt Eine Verpflichtung zu eingehender Besprechung wird iedoch 
nicht übernommen; dieselbe bleibt Vorbehalten. Die Redaktion. 


Das Werkchen empfiehlt sich durbh seine kurzgefaßte und 
übersichtlich gegliederte Darstellung, wdehe es wohl geeignet 
macht, den Studierenden bei der Diagnostik der inneren Krank¬ 
heiten ein guter Führer zu sein. Peter. 

Neu elngegangen: Splndier, Amtmann, Hilfsarbeiter im württbg. 
Ministerium des Innern. Das Schlachtvieh- und Fleischbeschau- 
Gesetz. Stuttgart 1903 bei W. Kohlhammer. 300 Seiten kl. Oct. 
Preis 2,20 M. 

Personalien. 

Auszeichnungen, Ernennungen: Dem Schlachtbofdirektor Magin 
in München wurde der Michaelsorden IV. Klasse verliehen, 
den Kreistierärzten a. D. Herrn. Schmitt in Hersfeld und 
Ludwig Drake in Einbeck der Rote Adlerorden IV. Klasse. — 
Zu Kreistierärzten wurden ernannt: definitiv Brunnenberg in 
Znin, Seemann in Zell a. d. Mosel; kommissarisch Ober¬ 
roßarzt a D. Conze in Mühlhausen in Thür.; Dr. Heffter in 
Lüdenscheid (Kreis Altena); Möller, bisher Prosektor an der Tier- 
ärztl. Hochschule Hannover, in Neumark (Kreis Löbau in Westpr.). — 
Zum kreistierärztl. Assistenten: Kuß aus Norderbrarup in Scherrebek 
(Kreis Hardersleben). — Zu Polizeitierärzten in Hamburg: Lösewitz 
aus Witten a. d. Ruhr; Lucks aus Hamburg; Dr. Harm aus Magde¬ 
burg; Führer aus Westerkappeln; Hölscher aus Adeleben; 
Oestern aus Hildesbeim; Timmroth aus Dessau; Gcßler aus 
Schwabbruck. — Zu amtlichen Fleischbeschauern die Tierärzte: 
Gallus in Dortmund; Dr. Rösch in Eßlingen. — Die Tierärzte 
Mauderer zum Schlachthofassistenten in Breslau und Hans Weid¬ 
lich zum Assistenten der Rotlauf-Impfanstalt in Prenzlau. — Tier¬ 
arzt Heinrioh Llndner aus Nürnberg zum Assistenten an d^c 
geburtshilflichen Abteilung der Münchener Tierärztl. Hochschule. 

Pensioniert wurde: Kreistierarzt Lieber in Mühlhausen in Thür. 

Wohnsltzverfinderuagen, Niederlassungen: Verzogen sind Kreistier- 
arzt Hesse von Neumark nach Neidenburg; die Tierärzte Lamp- 
recht von Lochtum nach Vienenburg (mit Übernahme der Fleisch¬ 
beschau); Dr. Lohoff von Krossen nach Styrum; R. Pasch von 
Tempelhof nach Kraschwitz in Posen; A. Röhrborn von Tenn¬ 
stedt nach Erfurt. — Niedergelassen haben sich die Tierärzte Max 
Ludwig in Greiz (mit Übernahme der Auslands-Fleischbeschau im 
Nebenamt); Dr. Krembzow in Neustadt a. d. Pinne. 

Promotionen: Tierarzt Lohoff zum Dr. med. vet in Bern. 

In der Armee: Zu Oberroßärzten wurden befördert die Remonte- 
depot-Roßärzte Krüger in Brakupöneh; Rauer in Jurgaitschen; 

! Veit in Kattenau. — Gegenseitig versetzt wurden die Oberroßärzte 
Hirsemann vom 2. hannöv. Ul.-Rgt. No. 14 und Herrmann vom 
2. lothr. Feld-Art.-Rgt No. 34. — Zu Unterroßärzten wuiden be¬ 
fördert die Einj.-Freiw. Herzberg im Garde-Kür.-Rgt.; Liedke 
im 2. Garde-Drag.-Rgt.; Retzgen im Garde-Train-Bat; Hahn im 
2. Garde-Ul.-Rgt.; Betteracy und Schnöring im 2. weslf. Feld- 
Art.-Rgt. — Der Abschied wurde bewilligt dem Oberroßarzt Loef 
vom 1. pomm. Feld-Art.-Rgt. No. 2 und im Beurlaubtenstande den 
Roßärzten Nöll d. Landw. 2. Aufgeb. in Limburg und Witt, Ro߬ 
arzt der Reserve in Kiel. 

Todesfälle: Kreistierarzt Fritz Müggenburg in Grimmen. 


Vakanzen. 

Neu hinzugetreten (s. übrig. No. 14ff.): Barmen: Hilfstierarzt 
am Schlachthof sofort. Gehalt 2100 M. Meldung beim Oberbürger¬ 
meister. — Kirchheim: Tierarzt als Fleischbescbauer; bedeutende 
Privatpraxis. Meldung umgehend an den Magistrat. — Ko bürg: 
2. Schlachthoftierarztstelle möglichst bald. Meldung mit Gehalts- 
ansprüchen binnen 14 Tagen an den Magistrat — Köln: Schlacht¬ 
hoftierarzt baldigst. Anfangsgehalt 2500 M., alle 3 Jahre steigend 
bis 4300 M. und für Bewerber mit Befähigungsnachweis als be¬ 
amteter Tierarzt 3000 — 4800 M. Keine Privatpraxis. Meldung an 
die Direktion. — Erledigt ist die Stelle in Alpen. 


VerantwortUch fUr den Inhalt (exkl. In»eratentell): Prof. Dr. Schmält* ln Berljn- — Verlag und Eigentum von Richard 8choetz in Berlin. — Druck von W. BtUenetein, Berlin. 


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Dl« »Berliner Tierärztlich« Woeheneohrlfl* erscheint 
wöchentlich im Verlag« tob Richard Sehoets ta 
Berlin, Loleenetr.86. Durch Jede« deoteehe Poetamt wird 
dieselbe rum Preise tob M. 5,— rlerteljlhrllch (M. 4,88 Ar 
die Wochenschrift, 18 Pf. Ar Bestellgeld) flrel ins Hans 
geliefert (Deutsche Post • Zeltungs - Preisliste Ho. 1108, 

OeeterrelchUohe No. 610, Ungarische Ho. 90.) 

Tierärztliche Wochenschrift 


Berliner 


Origiualbeltrige werden mit 60 Xk. Ar den Bogen honoriert. 
Alle Manuskripte, Mitteilungen and redaktionellen An« 
fragen beliebe man an «enden an Prot Dr. Sehmalta, 
Berlin, tiarintUehe Hochschule, KW, Luisenstraase 6g. 
Korrekturen, Wesensions-Exemplare und Annonce« da« 
gegen an die Verlagsbuchhandlung. 


Redaktion: 

Professor Dr. Schmaltz- Berlin 

Verantwortlicher Redakteur. 


De Brate 

Dr. Jess 

KDhnau 

Dr. Lothes 

Nevermann 

Prof. Dr. Peter 

Peters 

Professor 

Kreist! ererst 

Schlechthofdirektor 

Depertem enutl ererst 

KreUtlerent 

Kreietiererzt 

Depertementstlererst 

Utrecht 

Gharlottenburg. 

Cöln. 

Cöln. 

Bremervörde. 

Angermünde. 

Bromberg. 


Preusse 

Dr. Roeder 

Dr. Schlegel 

Dr. Vogel 

ZUndel 



V eterintreeeoeeor 

Professor 

Profenor 

Lendee-Inep. f. Tieraucht KreJstiererzt 



Danxig. 

Dresden. 

Freibnrg i. Br. 

München. 

MUlhansen !. E. 



Jahrgang 1903. JH& 18 . Ausgegeben am 30. April. 

I n h a 1 1: Richter: Über Hydrargyrmn oxycyanatum. — Eggebrecht: Die Entwickelung des Fleischbeschauwesens in 
Tsingtau, Schutzgebiet Kiautscbou. — Referate: Hoffmann: Zur Therapie der Hufrehe. — Tiede: Wann lassen sich 
die Erreger des Rotlaufes und der GeflUgelcbolera nach einer Hautimpfung in den inneren Organen von Mäusen nachweiseD? 
— Traeger: Eserinwirkung heim Hund. — Wyman: Tibio-Peroneal-Neurectomy. — Jeß: Wochenübersicht über die medi¬ 
zinische Literatur. — Tagesgeschichte: Reorganisation des Militärveterinärwesens II. — Verschiedenes. — Bücheranzeigen. 
— Personalien. — Vakanzen. 


Über Hydrargyrum oxycyanatum. 

Von 

Dr. Richter. 

Aus der Klinik für große Haustiere der tierärztlichen Hochschule 
zu Dresden (Prof. Dr. Röder). 

Das Sublimat wird trotz »einer Nachteile seit langem als 
kräftiges Desinfektionsmittel in der Hnman- und Veterinär¬ 
medizin hochgeschätzt, nnd auch die neueren antiseptisch 
wirkenden Präparate, wie die Credlischen Silberverbindungen 
(Argentum colloidale, Actol, Itrol) haben nicht vermocht, das 
Sublimat aus seiner führenden Stellung zu verdrängen. Um so 
größeres Interesse muß demnach eine Qaecksilberverbindnng 
anf sich lenken, welcher von verschiedenen Seiten neben anderen 
günstigen Eigenschaften eine weit höhere bakterizide Kraft zu- 
gesprochen worden ist, als sie das Sublimat besitzt. Es handelt 
sich um Hydrargyrum oxycyanatum. Über dasselbe ist z. B. 
in Mercks Index von 1901 zu lesen, daß es lOmal stärker anti¬ 
septisch wirkend sei als Sublimat; jedoch widersprechen sich 
die Autoren teilweise in ihren Angaben über die Desinfektions¬ 
kraft des Qnecksilberoxycyanids. Von ärztlicher Seite wird das 
Hydrarg. oxycyan. seit etwa einem Jahrzehnt vielfach gebraucht, 
nnd zwar findet es vorwiegend bei Gonorrhoe und Syphilis so¬ 
wie in der Augenheilkunde Verwendung und gilt hier als 
Specificum bei Blennorrhoea neonatorum. Da seitens veterinär¬ 
medizinischer Kreise dem Qnecksilberoxycyanid bis jetzt so gut 
wie keine Aufmerksamkeit geschenkt worden ist, so dürfte eine 
kurze Abhandlung über dasselbe begründet sein. 

Das Hydrargyrum oxycyanatum crystallisatum (Mercuri- 
oxycyanid), HgCy 2 HgO, stellt ein weißes krystallinisches 
Pulver dar, welches sich in kaltem Wasser schlecht, in warmem 
gut löst. Es wird dargestellt, indem man eine kalt gesättigte 
Lösung von Quecksilbercyanid mit überschüssigem Qneck- 
silberoxyd kocht, sofort filtriert nnd krystallisieren läßt; ebenso 
erhält man es durch Sättigen von Blausäure mit HgO, Ans¬ 
waschen mit kochendem Wasser und Umkrystallisieren. 

Nun zeigen die in den Handel gebrachten Qnecksilber- 
oxycyanidsorten kein einheitliches Verhalten, weil ihr Hg-Gehalt 


schwankt, worauf Büchner, v. Pieverling u. a. hingewiesen 
haben, und zwar bewegt sich der Gehalt an Hg in den verschiedenen 
Quecksilberoxycyaniden nach Büchners Untersuchungen zwischen 
82,3 Prozent und 88,8 Prozent, doch trifft man auch Produkte an, 
die selbst nur 79,36 Prozent Hg enthalten, was dem Hg-Gehalt 
des Qnecksilbercyanids entspricht. Nach v. Pieverling hat jenes 
Hydr. oxycyan. den höchsten antiseptischen Wert, welches auf 
2 Moleküle Quecksilberoxyd 3 Moleküle Cyanid gebunden ent¬ 
hält (2 HgO. 3 HgCy 2 ) und cvanidfrei ist; der Quecksilber¬ 
gehalt dieses Hydrargyrum oxycyanatum „Grouvelles“ beträgt 
84,17 Prozent. Nun kommen häufig Gemische der einzelnen 
Quecksilberoxycyanide mit einander vor, die außerdem noch 
durch Quecksilbercyanid und -oxydul verunreinigt sein können 
^v. Pieverling). Da nun nach Behrings Untersuchungen der 
antiseptische Wert einer Queksilberverbindung, sie heiße wie 
sie wolle, im wesentlichen vom Gehalt an löslichem Hg abhängig 
ist, so läßt sich aus dem eben Ausgeführten wenigstens zum 
Teil erklären, warum die Versuche mit Hydr. oxycyan. in einem 
Falle gute, im anderen weniger befriedigende Resultate hatten. 

Zu den Versuchen, deren Ergebnisse hier veröffentlicht 
werden sollen, wurden zwei verschiedene Oxycyanidpräparate 
(sowohl in Pulver- als auch in Pastillenform) verwendet, 
nämlich das Hydr. oxycyan. Grouvelles mit einem Hg- 
Gehalt von 84,17 Prozent und dasjenige aus der Che¬ 
mischen Industrie - Aktiengesellschaft zu St. Margrethen im 
Kauton St. Gallen mit einem Hg.-Gehalt von 81—82 Proz. Der 
besseren Übersicht halber wurden die Benennungen Hydr. oxycyan. 
„germanienm“ bezw. „helveticum“ and Past. Hydr. oxycyan. 
„germanici“ bezw. „helvetici“ eingeführt. Die deutschen Pastillen 
stellen hellblaue Zylinder dar, welche auf 4 Teile Hydr. oxycyan. 
5Teile neutralen Alkalitartarats enthalten.*) Die schweizerischen 
Pastillen sind Scheiben von violetter Farbe und zeigen anf 

*) Die Past. Hydr. oxvevanat. facile solubiles sind aus der 
Maximilians-Apotheke in München, Glückstrnße 1, oder aus der 
Apotheke der tierärztl.Hochschule zu Dresden, Circnstr. 40, zu beziehen. 
Es kostete 1 Glas 4 100 Stück 4 1 g pr. dos. für Ärzte 4,65 Mark. 


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290 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 18. 


einer Fläche erhaben das Giftzeichen; ihre Zusammensetzung 
ist folgende: 

Hydr. oxycyanat. 1,0. 

Natr. chlorat. 0,75. 

Natr. bicarbonic. 0,14. 

Acid. tartaric. 0,11. 

Wie die Sublimatpastillen nach Angerer, so werden auch die 
Oxycyanidpastillen in der Dosierung von 0,5 und 1,0 g des wirk¬ 
samen Mittels abgegeben. 

Die deutschen Pastillen werden nicht mit Unrecht als „facile 
solubiles“ bezeichnet, denn sie lösten sich in Wasser von 
40° C. bei kräftigem Schütteln durchschnittlich in ! / 2 Minute. 
Die Schweizer Pastillen bedurften dazu 2 ! / 2 und die Sublimat¬ 
pastillen etwa 1 Minute. 

Ans der einschlägigen Literatur ist zu entnehmen, daß 
dem Quecksilberoxycyanid gegenüber dem Sublimat folgende 
günstige Eigenschaften beigemessen werden: Hydr. oxy¬ 
cyanat. soll stärker antiseptisch wirken, die In¬ 
strumente in geringerem Maße angreifen, weniger 
ätzen und weniger giftig sein als wie Hydr. bichlorat. 

Inwieweit diese Behauptungen berechtigt sind, soll in 
Nachfolgendem gezeigt werden. — Um Klarheit über die 
Desinfektionskraft von Hydr. oxycyan. zu erlangen, wmrde von 
einer Reinkultur von Staphylococcus pyogenes albus, aus dem Eiter 
einer Widerristfistel auf Agar-Agar gezüchtet, Nährbouillon 
geimpft. Zu je 5 ccm dieser mehrere Tage im Brutofen bei 
37°C. belassenen Bouillonkultur wurden je 5 ccm derDesinfektions- 
flüssigkeiten (4 Oxycyanid- und 2 Sublimatlösungen) in einem 
Solutionsverhältnis von 1: 500 zugesetzt, sodaß die zu prüfenden 
Mittel in einer Verdünnung von 1 :1000 auf die Staphylo¬ 
kokken einwirkten. Nach verschieden langen Zeiten erfolgte 
hierauf mittels ausgeglühter Platinöse die Übertragung der 
Staphylokokken ans den Bouillonkulturen in Agar-Agargläser 
(es wurden davon über 400 gebraucht), welche 96 Stunden im 
Thermostaten verblieben. Die Versuche wurden wiederholt 
ausgeführt und aus den zur Abtötung erforderlichen Zeiten, 
die ja meistens etwas schwanken, das Mittel gezogen; aus der 
nachfolgenden Tabelle, in welcher -{- Wachstum, — Ent¬ 
wickelungshemmung bezw. Abtötung der Kokken bedeutet, 
ist Näheres über das Ergebnis der bakteriologischen Unter¬ 
suchungen zu ersehen. 


Ein- 

Hydr. oxycyan. 

Hydr. oxycyan. 

Hydr. bichlorat 

wirkungs- 

germ. 

1:1000 

helvet. 

1:1000 

1:1000 

dauer 

Pulver 

1 Pastille 

Pulver 

Pastille 

Pulver 1 

Pastille 

1 Stunde 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

2 Stunden 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

3 „ 

+ 

+ 

+ 

4- 

+ 

f 

» l * „ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

+ 

4 „ 

+ 

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+ 

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+ 

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7*4 „ 

— 

— 

— 

+ 

— 

— 

8 „ 

— 

— 

— 

— 

— 

— 


Aus diesen bakteriologischen Versuchen geht hervor, daß 
die Quecksilberoxycyanidpräparate hinter Sublimat 
an bakterizider Kraft zurtickstehen. Weiterhin hat sich 
daraus ergeben, daß die Oxycyanide sich in ihrer keimtötenden 
Wirkung fast vollkommen gleichen, und daß nur zwischen dem 


Pulver und den Pastillen des Hydr. oxycyanat. helvet. ein geringer 
Unterschied besteht, während Sublimat durch Verarbeitung zu 
Pastillen, wie bekannt, eine Herabsetzung seines Desinfektions- 
wertes erleidet, wofür durch den vorstehenden Versuch erneut 
der Beweis erbracht worden ist. Der Befund der gleichen 
Wirksamkeit der beiden Oxycyanide steht im Gegensatz zu der 
oben angeführten Angabe, ein Hg-Gehalt von 84,17 Proz. sei 
für die Desinfektionskraft des Hydr. oxycyanat. der beste. Es 
scheint das mehr als theoretische Betrachtung aufzufassen zu sein. 

Befremdend könnte die aus der Tabelle zu entnehmende 
Tatsache sein, daß Sublimat erst nach 3V* bezw. 5 Stunden 
Staphylokokken abtötet, da doch allgemein hierfür eine nur 
nach Minuten zählende Dauer angegeben zu werden pflegt. 
Diese kurze Abtötungszeit bezieht sich, wie die meisten An¬ 
gaben über den Desinfektionswert eines Präparates, auf eiwei߬ 
freie, wässerige Lösungen. Obige Versuche boten jedoch für 
die Einwirkung der Desinfizientien insofern abgeänderte Be¬ 
dingungen, als sie an Nährbouillonkulturen vorgenommen wurden, 
um die Verhältnisse den im Tierkörper gegebenen zu nähern. 
Vergleichsweise wurden aber vom Verfasser auch Versuche mit 
Aufschwemmungen von Staphylococcus pyogenes albus in 
destilliertem Wasser unter Einwirkenlassen der Oxycyanide und 
des Sublimats (1:1000) angestellt, wobei die Technik ganz 
dieselbe wie bei den Bouillonkulturversuchen war. Die Oxy¬ 
cyanide riefen durchschnittlich nach 2y 2 Stunden Abtötung 
hervor, Sublimat nach etwa 15 Minuten. 

Zur Klarlegung der Frage, ob Instrumente von Oxycyanid- 
lösungen nachteilig beeinflußt werden, wurden trischgeschliffene 
Skalpells mit Metallheften in Solutionen 1: 1000 der Pastillen 
von den beiden Oxycyaniden und dem Sublimat an Schnuren 
befestigt in geschlossenen Gefäßen aufgehangen. Hierbei zeigte 
sich, daß durch Sublimateinwirkung schon nach 45 Mi¬ 
nuten Heft und Klinge stark beschlagen waren, nach 
ca. 2 Stunden die Lösung sich zu trüben begann, nach etwa 
3 Stunden die Schärfe der Klinge abnahm und nach 
12 Stunden das Messer stumpf war. Die Einwirkung der 
Schweizer Pastille rief nach 27? Stunde Spuren eines Be¬ 
schlages an Heft und Klinge hervor, nach 24 Stunden stellen¬ 
weise graugrünlichen Belag der Klinge und leichte Verminderung 
der Schärfe, gleichmäßig hellgrauen Beschlag des Heftes und 
beginnende Trübung der Lösung. Unter dem Einfluß der 
deutschen Pastille begann nach IV* Stunde das Heft leicht 
fleckig zu werden, doch war selbst nach 48 Stunden die 
Klinge völlig frei von Beschlag, die Schärfe unver¬ 
mindert und die Lösung klar, und erst nach 72 Stunden 
zeigte die Klinge mattgrauen Belag und ein Nachlassen der 
Schärfe. Da die Oxycyanidlösungen außerdem den Vorzug voll¬ 
ständiger klarer Löslichkeit und Geruchlosigkeit besitzen, selbst 
bei längerem Gebrauche nur ganz geringfügige Corrosion der 
Hände hervorrufen und das Gefühl nicht herabsetzen, so dürfte 
sich namentlich das deutsche Quecksilberoxycyanid zur Des¬ 
infektion der Instrumente auch bei ausgedehnteren Operationen 
eignen. 

Um die eiweißkoagulierende und damit zugleich ätzende 
Wirkung der Oxycyanide im Verhältnis zu Sublimat festzustellen, 
wurden je 5 ccm einer 1 prozentigen Lösung von Hühnereiweiß in 
destilliertem Wasser je 5 ccm einer Solution 1 : 1000 von Hydr. 
oxycyan. germ. und helv. sowie Hydr. bichlorat. und zwar der 
Pulver wie der Pastillen zugesetzt. Während sich unter Ein- 


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30. April 1908. 


Wirkung der beiden Sublimatlösungen sofort einheitliche Trübungen 
zeigten, blieben die Oxycyanide fast ohne jeden Einfloß; denn es 
konnten nur bei genauester Prüfung kleinste Flöckchen in ge¬ 
ringer Anzahl bemerkt werden. Die dnrch Sublimatpulver hervor¬ 
gerufene Trübung wurde rasch sehr stark milchig, und das ge¬ 
fällte Eiweiß nahm nach einer halben Stunde etwa die untere 
Hälfte der Mischung ein. Und auch die Soblimatpastillenlösung 
ergab deutliche Trübung, die bis zum vierten Tage auf die 
ganze Flüssigkeitssäule ausgedehnt blieb, von welchem Tage 
an sich das Eiweiß langsam zu setzen begann. Die Eiwei߬ 
lösungen , denen die vier Solutionen von Hydr. oxycyan. 
hinzugebracht worden waren, waren noch nach 8 Tagen un¬ 
verändert klar. Sublimat fällt also Eiweiß sofort, 
Quecksilberoxycyanid hat hingegen so gut wie keinen 
Einfluß. Und es sind somit die Oxycyanide im Gegensatz 
zu dem die Gewebe stark schädigenden Sublimat nur in sehr 
geringem Maße als Zellgifte anzusprechen, welcher Schluß seine 
Bestätigung in folgenden Versuchen fand. Hunde mit gesunden 
Lidbindehäuten bekamen in das linke Auge Sublimatlösung 

1: 500, in das rechte Auge deutsche Oxycyanidlösung 1: 500 
eingeträufelt. Das Oxycyanid wurde tagelang gut vertragen; 
es machte sich nur eine leichte Rötung der Bindehaut neben 
geringem Tränenfluß bemerkbar. Dagegen trat bei Anwendung 
von Sublimat bereits am zweiten Tage starke Conjunctivitis 

auf, indem außer erheblichem Tränen weiße Verfärbung der 
Schleimhaut zu sehen war. Sublimat 1:1000 rief Conjunctivitis 
und am 5. Tage Weißfärbung hervor; Oxycyanid 1 :100 verur¬ 
sachte nur leichte Conjunctivitis. 

Die Behauptung, Hydr. oxycyan. sei weniger giftig wie 
Sublimat, fand ihre Widerlegung durch Versuche an Mäusen 
und Hunden. Verwendet wurden Lösnngen von den Pulvern 

der Oxycyanide und des Sublimates in destilliertem Wasser. 

Bei drei Tanzmäusen, welche 0,0005 gr der genannten Mittel 
durch subkutane Injektion einverleibt bekommen hatten, führte 
das Schweizer Oxycyanid nach 5 Stunden, das deutsche nach 
29 und Sublimat nach etwa 30 Stunden zum Tode. Von drei 
weißen Mäusen, die 0,001 gr erhalten hatten, starb die eine 
durch Schweizer Oxycyanid nach 12 Minuten, die zweite durch 
deutsches Oxycyanid nach 24 Stunden, die dritte überlebte die 
durch Sublimat hervorgerufenen Vergiftungserscheinungen, 
zeigte nach 24 Stunden wieder munteres Wesen und baldige 
Genesung. Drei weitere weiße Mäuse Btarben nach subkutaner 
Iqjektion von 0,01 gr Hydr. oxycyan. helv. nach 2 Minuten, 
Hydr. oxycyan. germ. nach 1 Stunde und Hydr. bichlorat. nach 
ungefähr 20 Stunden. Es hatte also die Injektion der Oxy¬ 
cyanide jedesmal letalen Ausgang zur Folge und zwar rascher 
als bei Sublimat, welches in einem Falle nur vorübergehende 
Vergiftungserscheinungen veranlaßte. — Weiterhin wurden 
Beobachtungen an drei ungefähr 6 Monate alten Hunden von 
1372* 17 und 1772 kg Körpergewicht angestellt. Die Tiere bekamen 
Dosen von 0,00025 ; 0,0005 ; 0,001 und 0,002 gr der Oxycyanide 
und des Sublimates pro kg Körpergewicht subkutan injiziert 
ohne jede nachweisbare Wirkung. Hierauf erfolgten Injektionen 
von 8 mg pro kg; Hydr. oxycyan. germ. verursachte 
sofort auftretendes, etwa 10 Minuten anhaltendes 
Schwanken und unsicheren Gang. Nach ungefähr 8 Stunden 
stellte sich bei allen Tieren stilles Wesen ein, sie verweigerten 
die Nahrungsaufnahme und verhielten sich auch am folgenden 
Tage völlig teilnahmslos. Am 3. Tage begannen die Tiere 


291 


wieder lebhafter zu werden und nahmen etwas Nahrung auf; 
am 4. Tage konnten Vergiftungserscheinungen überhaupt nicht 
mehr bemerkt werden. Die Krankheitssymptome waren mit 
Ausnahme des erwähnten Schwankens infolge Verabreichung 
des deutschen Oxycyanids bei den drei Hunden überein¬ 
stimmende; sie glichen sich auch in der Zeit ihres Auftretens 
und Verschwindens. 

Auf Grund dieser Versuche kann man keinesfalls die An¬ 
sicht unterstützen, daß die Oxycyanide weniger giftig seien als 
Sublimat, man gelangt vielmehr zu der Ueberzeugung, daß 
Hydr. oxycyanat. und bichlorat. etwa gleich 
starke Gifte sind. — Es dürfte daher geraten sein, bei 
Rindern mit der Anwendung des Oxycyanids vorsichtig zu 
sein, solange nicht einwandsfreie Untersuchungen vorliegen, 
welche die Oxycyanidbehandlung in der Rinderpraxis gefahrlos 
erscheinen lassen. 

Hydr. oxycyanat. wurde nun während des ganzen Winterhalb¬ 
jahres 1902/3 in ausgedehntem Maße in der Wundbehandlung 
angewendet, wobei der Bequemlichkeit halber in der Hauptsache 
die Oxycyanidpastillen in Lösungen 1: 1000 und 1: 500 gebraucht 
wurden. Unter dem Einflüsse von Hydr. oxycyan. zeigten 
alle Verletzungen, wie Kronentritte, Riß-, Stich- und Schlag¬ 
wunden, selbst größte Lappenwunden, sowie Operationswunden, 
guten Heiltrieb bei auffallend geringer Eiterung, 
die in vielen Fällen überhaupt ausblieb. — Ein Unterschied in 
der Wirkung des deutschen und des Schweizer Präparates konnte 
nicht bemerkt werden. — Wenn irgend angängig, wurden Watte¬ 
tampons mit Oxycyanidlösung getränkt in die Wundtaschen 
und -gänge gelegt und täglich mehrmals erneuert; in ent¬ 
sprechender Weise worden mit Vorteil Oxycyanidverbände bei 
Nageltritten u.s.w. gebraucht. Quecksilberoxycyanid kann 
eben unbeschadet durch Tage und Wochen hindurch zu der¬ 
artiger Dauerdesinfektion benützt werden, weil es ja keine 
ätzende Wirkung ausübt und somit auch die Granulation nicht 
stört. Bei der Anwendung von Sublimat hingegen kommt infolge 
der Verätzung des Gewebes in Betracht, daß sich auf 
der Wunde bekanntermaßen eine Quecksilberalbuminatschicht 
bildet Wenn nun auch Quecksilberalbuminat immer noch keim¬ 
tötende Eigenschaften besitzt, so verhindert doch die Koagu¬ 
lationsschicht, daß das weiter die Wunde bespülende Sublimat 
volle bakterizide Kraft ausüben kann. Bei der Sublimatbe¬ 
handlung geht also ein großer Teil an Desinfektionsenergie 
verloren, was stets als Nachteil empfanden werden wird; bei 
Verwendung von Oxycyanid wird man dagegen mit Bestimmtheit 
auf eine vollkommene Entfaltung der keimtötenden Kraft aller 
die Wundfläche berührenden Moleküle rechnen können. Es sind 
das Vorzüge des Oxycyanids dem Sublimat gegenüber, auf 
welche zweifellos die günstige Beeinflussung der Wunden durch 
Hydr. oxycyanat. zurückznführen ist. 

In der Klinik der tierärztlichen Hochschule zu Dresden 
wird Quecksilberoxycyanid in vielen Fällen allen übrigen Des- 
infizientien vorgezogen, sodaß Sublimat und vor allem die Teer¬ 
präparate Gefahr laufen, in Zukunft erst an zweiter und dritter 
Stelle Verwendung zu finden. Jedenfalls hat sich Hydr. oxy¬ 
cyanat. als ein Mittel erwiesen, von dem man wohl annehmen 
kann, daß es sich dank seiner großen Vorzüge auch anderweit 
Sympathien erwerben wird, und man kann, ohne damit eine 
wissenschaftliche Lüge zu begehen, Hydrargyrum oxycyanatum 
als ein vorzügliches Desinfektionsmittel empfehlen. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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292 


Am Schlüsse sei Herrn Prof. Dr. Röder für den jederzeit 
bereitwilligst gewährten Rat nnd das dieser Arbeit stets ge¬ 
widmete Interesse, sowie Herrn Obermedizinalrat Prof. Dr. Johne 
für die liebenswürdige Überlassung der Nährböden verbind¬ 
lichster Dank gesagt. 

Literatur. 

Pharmaz. Centralhalle Bd. 34, S. 680; Bd. 3G, S. 616. 

O. Baer, Therapeutische Monatshefte, Juli 1891. 

Büchner, Pharmaz. Ztg. 1893, 1361. 

Chibret, Etüde comparative des pouvoirs antiseptiques du cyanure de 
mercure, d’oxycyanure de mercure et du sublime. Compt. rend. T. 
CVII, No. 2 p. 119. 

Schlösser, Über Quecksilberoxycyanid. Ber. über die XXIII. Vers, der 
ophth. Ges. Heidelberg. 8. 94 (1893). 

O. v. Sicherer, Über den antiseptischen Wert des Quecksilber- 
oxycyanids. Münchn. Mediz. Wochenschrift, 17. Juli 1900. 
Mercks Index, II. Auflage, 1902. 

Müller, Tierärztliche Rezeptier- u. Dispensierkunde, 1901. 


Die Entwickelung des Fleischbeschauwesens in 
Tsingtau, Schutzgebiet Kiautschou. 

Von 

Eggebrecht, 

Rofiarzt 

Für die Entwickelung der Fleischbeschau im Schutzgebiet 
Kiautschou waren durch die in No. 22 der Berliner Tierärzt¬ 
lichen Wochenschrift, Jahrgang 1899, von meinem April 1900 
ausgeschiedenen Amtsvorgänger, Roßarzt Rassau, mitgeteilten 
Bestimmungen die Wege angedeutet. 

Zunächst wurde die Fleischbeschau ambulatorisch gehand- 
habt. Bald ließ aber die Erweiterung des Schlachtbetriebes 
infolge Zunahme der Bevölkerung sowie die Unlauterkeit 
nnd Unsauberkeit der chinesischen Schlachter, die Unzulänglich¬ 
keit dieser Praxis erkennen. 

Es ergab sich die Notwendigkeit, im Interesse einer aus¬ 
reichenden öffentlichen Gesundheitspflege eine größere Schlacht¬ 
halle zu errichten. 

Am 1. August 1901 war diese fertiggestellt, die Benutzung 
wurde sämtlichen im Stadtgebiet Tsingtau wohnenden euro¬ 
päischen und chinesischen Schlachtern durch eine Verordnung 
des kaiserlichen Gouverneurs vom 25. Juli 1901 zur Pflicht ge¬ 
macht. Gleichzeitig wurde eine neue Schlachtgebühren-Ordnung 
erlassen, nach der für ein Stück Großvieh fortan 2,00 Doll, 
{bisher 1,00 Doll.), für Kleinvieh 0,75 Doll, (bisher 0,50 Doll.) 
und für Schweine 1,50 Doll, (bisher 0,75 Doll.) zu zahlen sind. 
Die Preisermäßigung für jedes weitere an demselben Tage ge¬ 
schlachtete Stück Vieh derselben Gattung kam in Wegfall. 

Wenn nun damit für die öffentliche Fleischbeschau ein 
nicht unwesentlicher Schritt vorwärts getan war, so ließ sich 
doch voraussehen, daß mit der Benutzung einer einfachen 
Schlachthalle, der alle technischen Hilfsmittel, sowie Wasser¬ 
leitung und Kanalisation zum Fortschaffen der Spülwässer 
fehlte, Mißstände und Schwierigkeiten entstehen würden, die 
den Gleichmut eines Hygienikers auf eine recht harte Probe 
stellen mußten. Immerhin gelang es durch strenge Schulung 
der Arbeiter, durch genaue buchmäßige Ueberwachung der 
Schlachtungen, strenge polizeiliche Kontrolle des zum Verkauf 
gelangenden Fleisches und energische Bestrafung von Über¬ 
tretungen der Fleischbeschau-Ordnung den hygienischen An¬ 
forderungen wenigstens vorübergehend gerecht zu werden. 

Der Schlachtzwang in der Schlachthalle in Verbindung mit 
der äußerst durchgreifenden polizeilichen Kontrolle zeitigte eine 
umfangreiche Frequenz, sodaß weiteres Personal zur Be¬ 
aufsichtigung des Schlachtbetriebes und zur Fleischbeschau 


No. re. 


herangezogen werden mußte. Am 1. April 1902 wurde ein zur 
Reserve entlassener Seesoldat, von Beruf Schlachter, als Hallen¬ 
meister, und einige Wochen später eine vorher in achtwöchigem 
Kursus ausgebildete Zivilperson als Trichinenschauer angestellt. 
Letzterem werden für jede mikroskopische Untersuchung auf 
Trichinen 0,50 Doll, gezahlt; die Einnahme des Mannes hieraus 
stellt sich auf monatlich 150—180 Doll. = 300—360 M. 

Der erwähnte Erweiterungsbau der Schlachthalle wurde 
zur Schlachtung von Schweinen und Kleinvieh und in einer 
Sonderabteilung als Kuddelhalle eingerichtet, soweit es der 
augenblickliche Bedarf erforderte nnd die vorhandenen Mittel 
zuließen. Gleichzeitig mit dem Erweiterungsbau wurde in 
einem nebenstehenden Häuschen ein Bureau und ein Laboratorium 
eingerichtet, in dem das Instrumentarium für chemische und 
mikroskopische Untersuchungen eine wenn anch bescheidene 
Stätte fand. 

Interessant für die Beurteilung der Arbeit eines Jahres 
sind folgende Zahlen, die sich auf die Zeit vom 1. August 1901 
bis zum 31. Juli 1902 beziehen. Es wurden in diesem Zeit¬ 
abschnitt 9180 Schlachtungen vorgenommen; davon entfielen 
2363 auf Großvieh, 3189 auf Kleinvieh, 3628 auf Schweine. 
Hiervon wurden als gänzlich ungeeignet für die menschliche 
Nahrung verworfen 37 Stück Großvieh, 28 Stück Kleinvieh und 
17 Schweine. Diese Zahlen entsprechen ungefähr dem Betriebe 
eines Schlachthofes einer Stadt von etwa 16 000—18000 Ein¬ 
wohnern. 

Besondere Schwierigkeiten machte die Vernichtung bezw. 
unschädliche Beseitigung der beanstandeten Schlachttiere, die, 
mit Petroleum übergossen, von chinesischen Mannschaften der 
Polizei eingegraben, des Nachts jedoch wieder von den inter¬ 
essierten Schlachtern ausgegraben wurden, um zerstückelt den 
chinesischen Speisewirtschaften zugeführt zu werden. Ferner 
fehlten geeignete Apparate zur Sterilisation finnigen Fleisches 
und mußte die Nacht für diesen Zweck herangezogen werden, 
da am Tage der verfügbare Wasserkessel zur Herstellung des 
Brühwassers für Schweine gebraucht wurde. 

Es bedarf keines besonderen Beweises dafür, daß diese 
provisorischen Einrichtungen sowohl inbezug auf die Räumlich¬ 
keiten als auch bezüglich der möglichen Leistungen, durch Er¬ 
weiterung und Ergänzung der Anlagen und Apparate sobald 
als möglich auf einen allen Anforderungen genügenden Stand 
gebracht werden müssen. Es ist deshalb der Ausbau eines 
Schlachthofes vorgesehen mit Schlachthallen für Großvieh, für 
Kleinvieh und für Schweine. In Verbindung mit der Schlacht¬ 
halle für Groß- nnd Kleinvieh und in gleicher Weise mit der 
Halle für Schweine steht getrennt je eine Kuddelei. Außerdem 
wird eine Kühlanlage, welche während der heißen Jahreszeit 
unentbehrlich für die Anlage ist und deren Mangel sich bisher 
äußerst nachteilig für die Fleischkonservierung gezeigt hat, 
eingebaut. Daneben sind das Amtszimmer des Schlachthofleiters, 
das Laboratorium, Trichinenschauzimmer und Wohnungen für 
das Schlachthofpersonal in den Plan der projektierten Anlage 
aufgenommen worden. 

Es ist zu hoffen, daß diese für die Hygiene des Schutz¬ 
gebiets dringend notwendige Anstalt, die etatsmäßige Bewilligung 
der Baukosten vorausgesetzt,, schon im Sommer 1904 voll im 
Betriebe und rückwirkend ein weiteres Mittel zur Wirtschaft* 
liehen Entwickelung der Kolonie sein wird. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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30. April 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


293 


Ref er at e. 

Zur Therapie der Hufrhehe. 

Von Prof. L. Hoffmann Stuttgart. 

(öaterTeiobUcbe Monatochrift t Tierheilkunde, 28. J»hrg-, No. 1.) 

Nach der Ansicht des Verfassen erkrankt bei der Hofrehe 
die Zehenhnfiederhant nicht prim&r, sondern sekondär. Sowohl 
die prädisponierenden, wie die direkt die Hufrehe veranlassenden 
Einflüsse wirken in enter Linie auf den gesamten Uuskelapparat, 
hervorragend auf die sämtlichen Streckmuskeln und speziell auf 
den langen Zehenstrecker (M. ext. digit. comm.) ein. Das krank¬ 
hafte Venagen dieser Teile muß vor allem an der Prädilektions¬ 
stelle, der fächerförmigen Ausbreitung und Anheftung genannter 
Sehnen am Kronfortsatze des Hufbeins zum Ausdruck kommen. 
Demnach ist die Erklärung des Prozeßbeginnes an der Huf¬ 
lederhaut ebenso mechanisch zu geben, wie die der weiteren 
Folgezustände, die zur Bildung des Rehhnfes führen. Die 
Schmerzhaftigkeit der Sehne des Zehenstreckers, speziell der 
Anheftungsstelle desselben an der Hufbeinkante und der vorderen 
Fläche des Hufbeines, veranlaßt das Pferd, sich auf die hinteren 
Partien des Hufes zu stellen. Hierdurch entsteht eine Quetschung 
der Huflederhaut, aus der sich dann die weiteren bekannten 
Erscheinungen ableiten lassen. 

Die hier entwickelte Ansicht wird unterstützt durch die 
Beobachtung, daß in besonders heftigen Fällen die fächerförmige 
Ausbreitung der Strecksehne auf dem Hufbein sogar nekrotisch 
abstirbt, daß die Symptome der Rehe, sowohl der akuten wie 
der chronischen, durch Anerkennung des Sehnen- und Muskel¬ 
leidens viel bestimmter erklärbar werden, und endlich vor allem 
dadurch, daß durch eine dieser Theorie angepaßte Therapie 
im akuten Stadium günstigere Resultate erzielt werden, als wenn 
nur das Huf leiden behandelt wird, wie ja auch empirisch schon 
allgemein wirkende Mittel in Anwendung gebracht sind. 

Bei der Therapie ist in frischen Fällen daB Hauptgewicht 
auf die Behandlung des Allgemeinleidens und der Muskel¬ 
erkrankung zu legen. Hoffmann bringt folgendes Verfahren 
in Vorschlag: Großer Aderlaß, 4—6 Liter. Reichliche, wieder¬ 
holte Gaben von Antifebrin abwechselnd mit Salizylsäure. Rasch 
wiederholte Darmausleerungen durch Eserin und Arekolin; 
Schweißkur durch Pilokarpin und Dampfbäder. Diät. Warme 
Einhüllungen. Behandlung der gesamten Extremität mit Ichthyol¬ 
liniment, Lugolscher Salbe oder Lösung. Einwickeln des 
ganzen Beines mit in Spiritus getauchten Leinwandbinden und 
darüber gelegten Wollbinden. Warme Einhüllung der Hufe, 
eventuell mit Hilfe von Breiumschlägen. Sehr zweckmäßig 
sind auch Wickelungen der Hufe derart, daß die schmerzhaft 
gewordenen Teile eine mechanische Unterstützung erhalten. 

In älteren Fällen bleiben dieselben therapeutischen Grund¬ 
sätze geltend wie seither. 

Eine Zeitlang hat Verfasser die bei längerer Dauer des 
Prozesses auftretende Atrophie der Hufsohle durch Anwendung 
von Reizmitteln, z. B. Nadelbrennen an derselben, zu bekämpfen 
versucht, ohne jedoch ein derartiges Verfahren empfehlen 
zu können. Mit Erfolg hat er dagegen an Stelle 
der zur Milderung der Spannung der Hnfkapsel bisher ans¬ 
geführten Abraspelung der Zehenwand, mit Hilfe einer elektrisch 
betriebenen- Säge eine Anzahl von, je nach der Hufform oben 
näher liegender, unten weiter von einander entfernter, senk¬ 
recht durch die Hornhaut in Richtung der Hornfasern geführter 
Zehenwanddurchschnitte angelegt, die biB auf die Fleischwand 


reichen. Die Operation ist unter aseptischen Kautelen und zweck¬ 
mäßig in Narkose vorzunehmen. Sämtliche mit Vorteil seither 
angewandten Mittel, ganz besonders auch sorgsamer Hufbeschlag, 
bleiben in Gültigkeit. Francke. 

Wann lassen sich die Erreger des Rotlaufes und der 
Geflögelcholera nach einer Hantimpfnng in den inneren 
Organen von Mäusen nachweisen? 

Von Tierarzt Dr. Th. Tiede. 

(ZelUchr. f. Tlermed. 7. Band, 1 Heft.) 

Nach den Ergebnissen der im hygienischen Institut der 
Universität Gießen angestellten Versuche ließen sich die Er¬ 
reger des Rotlaufs nach einer Hautimpfung bei Mäusen 
nachweisen: 

1. nach 15 Stunden spärlich in Milz und Leber; 

2. nach 24 Stunden spärlich in Leber und Lunge, 
mäßig zahlreich in Milz; 

3. nach 48 Stunden in großen Mengen in allen Organen. 

(Vor der zweiten Stunde p. i. wurde nicht untersucht.) 

Die Erreger der Geflügelcholera ließen sich nach der 

Hautimpfung bei Mäusen nachweisen: 

1. schon nach J / 4 Stunde — wenn auch nur sehr spärlich — 
in Milz, Leber, Lunge und Herz; 

2. nach s / 4 Stunden in ziemlicher Menge in allen Organen; 

3. nach 1—3 Stunden wieder spärlicher und weniger 
regelmäßig; 

4. nach 4 Stunden annähernd wieder in gleicher Menge 
wie nach 3 / 4 Stunden; 

5. nach 4 und mehr Stunden bis zum Tode in immer 
steigender Menge in allen inneren Organen. 

(Vor Ablauf der ersten Viertelstunde p. i. wurde nicht 
untersucht.) Francke. 

Eserinwirknng beim Hand. 

Von Roßarzt Traeger. 

(ZelUchr. f. Veterinirk. 1903, 8. 109.) 

Einem zweijährigen Terrier, der stark abgemagert war, 
seit über 8 Tagen keine Fäces ausgeschieden und alle ver¬ 
abreichten Abführmittel erbrochen hatte, injizierte Traeger 
eine wässerige Lösung von 0,001 Eserin, sulfur. subcutan. Nach 
etwa 20 Minuten wurden reichliche Kotmassen entleert. Eine 
Störung des Allgemeinbefindens wurde nicht beobachtet. Das 
Hauptleiden, klinisch in völliger Appetitlosigkeit und sehr 
häufigem Erbrechen, anatomisch, wie die 8 Tage später, nach 
dem Verenden des Tieres, vorgenommene Sektion zeigte, in einer 
gewächsähnlichen Verdickung der Muscularis von etwa Hand¬ 
ballengröße nebst starker Entzündnng der regionären Magen¬ 
schleimhaut bestehend, wurde nicht gebessert. Der Fall zeigt, 
sagt Verfasser, daß Eserin beim Hunde gefahrlos und erfolg¬ 
reich angewandt werden kann. Die von Fröhner angegebene 
Minimaldo8is für Hunde von 0,0005 erscheint ihm ausreichend, 
da die Eserinwirkung bei seinem Patienten sehr stürmisch war. 

Albrecht. 

Tibio-Peroneal-Neurectomy. 

Von W. E. A. Wyman, V. S., M. D. V. 

In einer kleinen Broschüre von 30 Seiten Umfang gibt der 
Verfasser eine Beschreibung der von Professor Bossi ausgedachten 
Doppelneurektomie deB Tibialis und Peroneus gegen Spat und 
führt im Zusammenhang damit 91 nach dieser Methode eigen¬ 
händig operierte Fälle an. 


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294 


Aqs dieser Statistik ist hervorzuheben, daß sich die zur 
Aufsuchung des Tibialis angelegte Wunde 65mal, des Peroneus 
40 per primam schloß. In 8 Fällen bildeten sich Muskelhernien. 
Dreimal folgte Exungulation, zweimal Knochenfraktur, einmal 
tödliche septische Infektion. Vollständig geheilt wurden 55 Pferde, 
während bei 18 Stück leichte Lahmheit zurückblieb. Eine 
Anzahl Fälle wurden der Beobachtung des Verfassers entzogen. 

Peter. 

Wochenfibersicht über die medizinische Literatur. 

Von Dr. Jess-Charlottenburg, 

KreUtlerarxt 

Deutsche medizinische Wochenschrift Nr. 15. 

Die toxische Myolyse des Herzens bei Diphtheritis. Vorläufige Mit¬ 
teilung von Professor Hans Eppinger. Wird auf das Original 
verwiesen. 

Über die Wirkung intravenöser Kollargolinjektionen hei septischen Er¬ 
krankungen, von Dr. Hermann Schmidt. Verfasser gibt zunächst 
einen geschichtlichen Überblick über die Anwendung des Kollar- 
gols in 15 prozentiger Salbe und geht dann über auf die intra¬ 
venöse Jnjektion, welche zuerst von Geh. Rat Dieckerhoff an 
der tierärztlichen Hochschule zu Berlin und auch von Professor 
Röder an der tierärztlichen Hochschule in Dresden bei septischen 
Erkrankungen der Haustiere angewendet wurde und dann von 
Credö beim Menschen eingeführt ist, nachdem sich dieselbe als 
völlig ungefährlich bei Tieren herausgestellt hatte. Das 
Kollargol besitzt den Bakterien gegenüber eine außerordentlich 
große hemmende Kraft, aber keine besonders abtötende Wirkung. 
Lösungen von 1: 50 töten virulente Staphylokokken erst nach 
etwa 10 Stunden, während eine Lösung von 1:5000 schon nach 
einigen Minuten das Wachstum hemmt. Verfasser hebt dann 
noch hervor, daß Pyämie mit multiplen metastatischen Abszessen 
in den inneren Organen selbst auch durch intravenöse Injektion 
des Kollargols nicht günstig beeinflußt werden kann. 

Tödliche Anämie durch Botriocephalus latus von Zinn, Berlin. 
Zinn teilt einen in der inneren Abteilung des Krankenhauses 
Bethanien in Berlin beobachteten Fall von schwerer Anämie 
mit, welche bedingt war durch das Vorhandensein von 6 Botrio- 
cephalen. Die Kranke hatte in früherer Zeit, ehe sie nach 
Berlin kam, in Ostpreußen gelebt, in der Gegend zwischen 
Memel und Tilsit. Sie hatte besonders viel Süßwasserfische 
genossen und unter diesen wieder besonders Hechte. 

Eine empfindliche, einfache und rasch ausführbare Zucker¬ 
probe mit oxalsaurem Phenylhydrazin von Professor Riegler. Ver¬ 
fasser gibt eine Zuckerprobe an, welche den Vorteil hat, 
daß sie sich schnell ausführen läßt, ohne umständliche Apparate, 
daß sie auch vorgenommen werden kann bei dem Vorhandensein 
von Eiweiß. Die Reaktion wird folgendermaßen ausgeführt. 
Man gießt in ein Glasgefäß 1 ccm Harn und 10 ccm Wasser, 
fügt eine Messerspitze oxalsaures Phenylhydrazin hinzu, kocht 
unter öfterem Umschütteln bis zur Lösung und stellt das 
Reagensglas beiseite. In ein zweites Reagensglas gibt man 
einen Würfel von 1 g Kaliumhydroxyd und 10 ccm Wasser, 
wartet bis zur Auflösung unter gelindem Erwärmen und gießt 
diese Lösung zu der ersteren zu. Ist Zucker vorhanden, so 
tritt nach einigem Schütteln eine schöne rotviolette Farbe auf. — 

Vorläufiger Bericht über das Vorkommen der Tse-tse-Krankhelt 
im Küstengebiet Kameruns von Regierungsarzt Dr. Ziemann 
in Duala. Z. berichtet an die Kolonialabteilung des auswärtigen 


No. 18. 


Amtes in Berlin über die von ihm bei Eseln, Maultieren und 
Pferden im Küstengebiete Kameruns gefundene Tse-tse-Krank- 
heit, eine der Malaria des Menschen, dem Texasfieber der 
Rinder bezw. der Kreuzrhehe der Pferde ähnliche Krankheit. 
Die ganze Küste, so resümirt Z. ist von der Tse-tse-Krank- 
heit heimgesucht und kommt unter Schafen, Ziegen, Eseln, 
Maultieren, Pferden, Hunden in Kamerun als eine Art Tier-Malaria 
vor. In erster Linie sind es nach Ansicht des Verfassers die 
erwähnten Krankheiten, welche die auffällige Tierarmnt West¬ 
afrikas bedingen. 

Münchener medizinische Wochenschrift No. 13. 

Hans Büchners Anteil an der Entwickelung der Bakteriologie 
von Gruber. Gedächtnisrede gehalten im ärztlichen Vereine 
in München anläßlich der Wiederkehr des Todestages von Hans 
Büchner. Gruber hebt die Verdienste Büchners eingehend 
hervor. Bezüglich der Einzelheiten muß jedoch auf das Original 
verwiesen werden. 

No. 14. Münchner med. Wochenschrift 

Zur Kenntnis der Arteigenheit der verschiedenen Eiweisskörper der 
Milch von Schloßmann und Moro. Es gelang den Verfassern 
nachzuweisen, daß in der Milch nicht nur ein Eiweißkörper, das 
Kasein, vorhanden ist, sondern daß auch noch ein anderer Eiwei߬ 
körper neben dem Kasein vorhanden ist. Sowohl mit Kalialann 
als auch mit Diäthylschwefelsäure gelingt eine Trennung des 
Kaseins vom Albumin in der Milch, und zwar gelang es, das 
Kasein von dem gelösten Albumin zu scheiden, indem die Milch 
unter Druck und nach völliger Entfettung durch Pukallfilter 
filtrirt wurde. Das neu aufgefundene Laktalbumin ist ein phosphor- 
freier Eiweißkörper. Verfasser gehen zum Schluß noch auf 
die Wassermannschen Ausführungen über, welche dartnn, wie 
schwierig es ist für den mit Tiermilch ernährten Säugling, diese 
Eiweißkörper zu assimiliren, während ihm mit der Muttermilch 
das für ihn passende Laktalbumin znfließt, muß er das ihm mit 
der Kuhmilch zugefübrte artfremde Eiweiß in arteigenes Um¬ 
setzen. Durch die Zuführung des artfremden Kuhlaktalbumins 
ist gewissermaßen eine Vergiftung eingetreten und der Organis¬ 
mus muß dieses Gift in eine ungiftige Modifikation umarbeiten. 
Die Leistung des Säuglingskörpers ist bei der Kuhmilchernährung 
eine ungleich größere und schwierigere als bei einem Brustkinde. 

Zur Kasuistik und Therapie des äusseren Milzbrandes des Menschen, 
von Dr. Federschmidt. Verfasser hat eine Zusammenstellung 
von 10 Krankengeschichten von Pustula maligna vorgenommen und 
kommt schließlich zu dem Resultat, daß die Exzision der Pustel als 
die geeignetste Therapie zu bezeichnen ist. Er injizirt nach 
der Exzision in die Ränder der Wunde Sublimatwasser. 

Weitere Untersuchungen über Streptokokken, von Aronson. 
Verfasser war zunächst der Ansicht, daß zwischen den Strepto¬ 
kokken verschiedener Krankheitsformen (Erysipel, Scharlach, 
Gelenkrheumatismus, Sepsis) sich keine spezifischen Unter¬ 
schiede finden ließen. Dann trat Fritz Meyer mit seinen 
Versuchen zu Tage, in denen er ein Serum verwendet, welches 
von solchen Pferden stammt, die mit Streptokokken immunisiert 
waren, welche direkt vom Menschen stammten, welche an Gelenk¬ 
rheumatismus gelitten haben. Dadurch sollte also die Möglich¬ 
keit gegeben sein, wie sich durch die Agglutinationsversuche 
herausstellte, verschiedene Streptokokken zu trennen. Verfasser 
hat diese Versuche nachgeprüft und gefunden, daß das Serum 
eines Pferdes in hervorragender Weise nur denselben Stamm 
agglutiniert, mit dem es vorbehandelt ist, andere wenig oder 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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30. April 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


295 


gar nicht, selbst dann nicht, wenn sie von derselben mensch¬ 
lichen Krankheit stammen. So agglntinierte z. B., wie 
Aronson an fuhrt, das Serum eines mit 7 verschiedenen 
Scharlachkulturen immunisierten Pferdes diese 7 Stämme, jedoch 
einen 8. and 9. nicht. Es handelt sich also um eine Individual¬ 
reaktion. Es ist unmöglich, die Spezifität des Scharlachstrepto¬ 
kokkus zn beweisen. Es gibt deshalb anch kein spezifisches 
Scharlachserum. 

Baginsky teilt in derDisknsBion mit, daß er in 56 Scharlach¬ 
fällen bei der SerumiDjektion keine Nachkrankheiten beobachtet 
hat, sodaß also selbst schwere Fälle nach dem Serumgebranch 
ohne Komplikationen verlaufen. 

Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamt Band 19, Heft 3 
No. 1903. 

Untersuchungen Ober die sogenannte „rohe Karbolsäure“ mit besonderer 
Berücksichtigung Ihrer Verwendung zur Desinfektion von Elsenbahnvieh¬ 
transportwagen von Dr. Karl Fischer und F. Koske, Hilfsarbeiter 
im Kaiserlichen Gesundheitsamt. 

Die Verfasser resümieren das Gesamtergebnis ihrer Arbeiten 
in folgender Weise: Die im Handel befindlichen verschiedenen 
Handelsmarken von Rohkresol-Cresolum crudum des Arznei¬ 
buches sind von wechselnder chemischer Zusammensetzung; die 
Desinfektionswirkung der einzelnen Rohkresole und der aus 
ihnen bereiteten Präparate, z. B. Kresolseifenlösung, ist infolge¬ 
dessen nicht gleichmäßig. 

Für die Herstellung von Kresolmischungen und Kresol- 
lösnngen zu Desinfektionszwecken dürfen nur solche Präparate 
Verwendung finden, welche den Anforderungen des Arzneibuches 
für das Deutsche Reich betreffend Cresolum crudum entsprechen. 

Zur Ausführung von groben Desinfektionen und als Ersatz 
der zur Desinfektion von Eisenbahn-Viehtransportwagen vor¬ 
geschriebenen 5proz. Lösung von Acidum carbolicum depuratum 
empfiehlt sich am meisten die 3proz. wässerige Lösung einer 
aus 1 Volumen Rohkresol und 1 / 2 Volumen roher Schwefelsäure 
bereiteten Mischung, da dieselbe in den in Betracht kommenden 
Konzentrationen leicht in Wasser löslich ist, ferner eine höhere 
desinfizierende Wirkung ausübt und dabei bedeutend niedriger 
im Preise steht, wie die vergleichsweise geprüften Präparate. 
Wiener klinische Wochenschrift No. 12, 1903. 

Über die Artgielchhelt der vom Menschen und der vom Rinde 
stammenden Tuberkeibazillen und über Tuberkuloseimmunisierung von 
Rindern: von E. von Behring. Eine Verschiedenheit der 
Tuberkelbazillen besteht nach v. B. nicht, alle gehören phylo¬ 
genetisch zu einander und sind in einander überführbar. Die 
Rinder-Tuberkulose ist nicht nur nicht für den Menschen un¬ 
schädlich, sondern schädlicher als Menschentuberkulose. 

The British medical journal, 21. 3. 03. 

Note on the defection of raw milkand formaldehyde; von 
Saul. Setzt man zu roher Milch Orthomethylaminopheolsulphat 
und Wasserstoffsuperoxyd, so entsteht eine rote Farbe, nimmt man 
dagegen gekochte Milch, so tritt diese Farbenreaktion nicht ein. 
Diese Methode ermöglicht also eine leichte Trennung von roher und 
gekochter Milch. 


Tagesgeschichte. 

Reorganisation des Militärveterinärwesens II. 

Von Veterinär Valentin Göbei-München. 

Nach meinen in dieser Wochenschrift No. 14 niedergelegten 
Ausführungen sind Gerüchte über die Art der Neuorganisation 


des Militärveterinärwesens, wie eine solche im preußischen 
Kriegsministerium geplant zu sein scheint, in Umlauf gesetzt 
worden. Zur Wahrung unserer Standesinteressen ist es darnach 
angezeigt, die Angelegenheit einer wiederholten Erörterung zu 
unterziehen, wobei ich wohl annehmen darf, daß nachstehendes 
die Zustimmung der Militärkollegen findet. 

Aus der ganzen Art und Weise, wie Preußen ein Veterinär¬ 
offizierkorps zu schaffen gedenkt, geht deutlich hervor, daß 
dasselbe über den Rahmen des Feuerwerksoffiziers nicht hinaus¬ 
kommt; seine Entwicklung wird analog jener des im vorigen 
Jahre neu erstandenen Festungsbauoffiziers*) (siehe die Denk¬ 
schrift betreffend Umgestaltung des Festungsbaupersonals im 
Etat für das kgl. preußische Reichsmilitärkontingent auf das 
Rechnungsjahr 1902 und die darauf bezüglichen Verhandlungen 
des Reichstages); in der Übergangszeit bleiben Veterinär¬ 
beamte neben Veterinäroffizieren bestehen, und erstere behalten 
den ihnen bisher zugewiesenen Rang der Subalternbeamten, 
letztere (die Veterinäroffiziere) aber das bisherige Gehalt. 
Das erkennt doch jedermann auf den ersten Blick, daß sich 
hierin auch nicht die leiseste Spur einer Ähnlichkeit des 
küoftigen preußischen Veterinäroffiziers mit dem Sanitäts¬ 
offizier findet. Es liegt vielmehr die Analogie mit dem 
Zeug-, Feuerwerks- und Festungsbauoffizier klar auf der 
Hand, und zwar nicht nur hinsichtlich des Ranges, sondern 
auch hinsichtlich deB Gehaltes und damit überhaupt in 
bezug auf seine ganze Wertigkeit. Eine solche Art 
der Einschätzung deckt sich jedoch nicht mit der Wissen¬ 
schaftlichkeit und Bedeutung unseres Berufes und entspricht in 
keiner Weise unseren berechtigten Ansprüchen, welche wir zur 
Wahrung unserer Standesehre zu erheben verpflichtet sind. 
Soll die Würde unseres Standes gewahrt bleiben, oder mit 
anderen Worten: soll der deutsche Militärveterinär in der seiner 
Wissenschaftlichkeit, seiner Bedeutung und seinem inneren Werte 
gebührenden Weise als Offizier in der Armee rangiert werden, 
so wiederhole ich, daß alsdann das Veterinäroffizier- 
korps, ähnlich dem Sanitätsoffizierkorps, zu schaffen 
ist, wie es im Entwurf No. II der No. 14 dieser Wochenschrift 
pag. 235 dargetan ist. In diesem Falle sind Rang, Einkommen 
und Dienstgradabzeichen ganz gleich zu bemessen mit dem 
jeweiligen Dienstgrade des in Klammer eingeschalteten Sanitäts¬ 
offiziers. 

Ich gestehe aber ganz offen: Wir speziell in Bayern streben 
gar nicht nach dem Veterinäroffizier; unser einmütiges Vor¬ 
gehen ist und bleibt vielmehr bestimmt darauf gerichtet, daß das 
Veterinärpersonal samt und sonders in die entsprechenden Klassen 
der „höheren Beamten“ eingereiht werde. Dieser gereifte Ent¬ 
schluß entspringt jedoch durchaus nicht der Befürchtung, daß an den 
künftigen Veterinäroffizier bezüglich Lebenshaltung und gesell¬ 
schaftlicher und anderer Pflichten etwa gesteigerte Ansprüche 
gestellt würden; wir wüßten nicht, inwiefern sich das Auftreten 
der „höheren Beamten“ von dem der Sanitätsoffiziere unter¬ 
scheiden sollte; die Lebensführung der Veterinäre bewegt sich 
ohnedies schon in denselben Grenzen, welche auch für An¬ 
gehörige anderer wissenschaftlicher Berufe gezogen sind. Hierin 
dürfte demnach eine Änderung kaum eintreten, ob nun der 

*) Wenn diese Sätze den Inhalt der vorher erwähnten, uns 
übrigens unbekannten „Gerüchte“ angeben, so dürften diese Ge¬ 
rüchte in allen wesentlichen Punkten aus der Luft gegriffen sein. 
Wir kommen darauf zurück. Die Redaktion. 


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296 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 18. 


* 


Bezeichnung 
des Dienstgrades 

Rangklasse 
der„höheren 
Beamten“ 

Gehalt nach 
Dienstaltersstufen 
von 3 zu 3 Jahren 

Servis 

Wobnungsgeld- 

ZUBchuß 

Dienstgradabzeichen 

Bemerkungen 

Generalstabs- 

veterinär 

III 

6600 M. 

A4 

II2 

Achselstücke mit ■ Ge¬ 
flecht, mit einer Rosette. 

Epauletten mit Frangen, mit 
einer Rosette. 

KorpBtabsveterinär 

IV 

5400, 6000 M. 

A 5 

1112 

Achselstücke mit Ge¬ 
flecht, jedoch ohne Ro¬ 
sette. 

Epauletten mit Frangen, jedoch 
ohne Rosette. 

Stabsveterinär 

IV a 

3000, 3600, 
4200, 4800 M. 

A 5 

1112 

Achselstücke ans 4 sil¬ 
bernen Plattschnüren 
mit dunkelblauer Seide 
durchwirkt, mit zwei 
Rosetten. 

Entsprechende Epauletten mit 
zwei Rosetten. 

Oberveterinär 

V 

2100, 2400, 

2700 M. 

A 5 

III 2 

Achselstücke wie die 
Stabsveterinäre, jedoch 
mit nur einer Rosette. 

Epauletten wie die Stabsveteri¬ 
näre, jedoch mit nur einer Ro¬ 
sette. Hierher gehört diedienst- 
ältere Hälfte der jetzigen 
„Veterinäre“; die in der früheren 
Gehaltsklasse zugebrachte 
Dienstzeit wird angerechnet. 

Veterinär 

V 

1500, 1800, 

2100 M. 

A 6 

V 

Achselstücke wie die 
Stabsveterinäre, jedoch 
ohne Rosette. 

Epauletten wie die Stabsvete¬ 
rinäre, jedoch ohne Rosette. 
Hierher gehört die dienst- 
jüngere Hälfte der jetzigen 
„Veterinäre“. 


Veterinär dem höheren Beamten oder dem Sanitätsoffizier 
gleichgestellt wird. Der Schwerpunkt der gewünschten Ranges- 
erhöhung liegt in der staatlichen Sanktionierung jenes RangeB, 
der uns von billig und vorurteilsfrei denkenden Männern bereits 
tatsächlich eingeräumt wird, und der uns auf Grund unseres 
Studienganges zukommt. Der bisher ..geduldete Zustand“ 
soll endlich durch den Macbtspruch der höchsten staatlichen 
Behörde in einen „Rechtszustand“ tibergeführt werden, und 
zwar mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen für Dienst¬ 
bekleidung, Dienstgradabzeichen (Achselstücke, Epauletten), 
Gehaltssätze, Servis, Wohnungsgeldzuschuß, Tagegelder, Reise¬ 
gebühren und Umzagskosten. 

Hinsichtlich des dem Range anzupassenden Einkommens 
ist es notwendig, daß der Veterinär als voll beschäftigt ein¬ 
geschätzt wird, da er einerseits — bayerische Dienstverhältnisse 
wenigstens ins Auge gefaßt — gleich dem Militärärzte nicht in 
der Lage ist, sich eine nennenswerte Einnahme aus der Zivil¬ 
praxis zu verschaffen, und nachdem andererseits seine dienstliche 
Tätigkeit sicherlich nicht weniger beansprucht wird als die des 
Militärarztes. 

Es möge gestattet sein, in nachfolgendem eine Zusammen¬ 
fassung der billigen und in bescheidenen Grenzen sich haltenden 
Wünsche des Veterinärpersonals hinsichtlich Dienstgradbezeich¬ 
nung, Rang, Gehalt, Servis, Wohnungsgeldzuschuß und Dienst¬ 
gradabzeichen vom Gesichtspunkte des angestrebten 
„höheren Beamten“ aus zu geben (Entwurf No. III). 

Hierzu ist zu bemerken, daß die Aufstellung des „General¬ 
stabsveterinär“ als technischen Referenten im Kriegs- 
ministerium sich im Einklang befindet mit dem diesbezüglichen 
einstimmigen Beschlüsse des deutschen Veterinärrates im Jahre 
1897 zu Kassel; in der dazu gehörigen Denkschrift vom Juli 
1899 findet sich die eingehende Begründung dieser in Bayern 
8 Dezennien lang bestandenen Stelle; der technische Referent 
für Veterinärangelegenheiten im Kriegsministerium geht ferner 
aus der Analogie der technischen Referenten für pharmazeutische, 


Ingenieur-, Bau-, Verwaltungs- etc. Angelegenheiten hervor, wie 
solche in den Kriegsministerien vorhanden sind. Bei dem Kapitel 
„Stabsveterinäre“ ist anzufügen, daß die Schaffung von Stabs¬ 
veterinärstellen bei jedem Remontedepot und Trainbataillon (in 
Bayern auch bei der Eqnitationsanstalt, also hier im ganzen 
6 Stellen) aus den in No. 14 dieser Zeitschrift angeführten Gründen 
wünschenswert und im dienstlichen Interesse gelegen ist. In 
Anbetracht des vorgerückten Alters der Stabsveterinäre und des 
Umstandes, daß die Veterinärlaufbahn mit diesem Dienstgrade 
für gewöhnlich abschließt, dürfte billig zuerkannt werden, daß 
deren Gehaltssätze das bescheidene Maß nicht überschreiten. 
Die Gehaltssätze für „Oberveterinäre“ und „Veterinäre“ 
nebst Servis A 5 und Wohnungsgeldzuschuß III 2 für Ober¬ 
veterinäre und dem bisherigen Servis A 6 und Wohnungsgeld¬ 
zuschuß V für Veterinäre dürften im alleinigen Hinblick auf die 
Bezahlung der anderen Militärbeamten einem Einwande nicht 
begegnen. 

Wenn ich in No. 14 der B. T. W. hervorhob, daß das 
bayerische Veterinärofflziercorps heute nach 30 Jahren genau so 
dastände, wie esimEntwurfNo.il (Veterinärofflziercorps, ähnlich 
dem Sanitätsoffiziercorps, s. No. 14, pg. 235) aufgestellt ist, falls 
seit 1872 die Rangverhältnisse der bayerischen Militärveterinäre 
(statt nach der schlimmen Seite* hin beeinflußt zu werden) gleichen 
Schritt gehalten hätten mit den Fortschritten, Errungenschaften 
und der ganzen rapiden Entwickelung der veterinär-medizinischen 
Wissenschaft, so sage ich nicht zu viel, indem ich behaupte, daß 
der obenstehende Entwurf No. III den heutigen tatsächlichen 
Stand der Dinge darstellen würde für den Fall, daß Bayern in den 
letzten 30 Jahren fortgefahren wäre, sein Mil.-Vet.-Wesen im 
Zusammenhalt mit dem Aufstiege der Veterinärwissenschaft und 
ohne nachteilige Beeinflussung eines hierin weit zurückstehenden 
Bundesstaates nach der Richtung der Beamtenreorganisation 
auszubauen. 

Wie sehr Preußen in seinem Mil.-Vet.-Wesen Bayern 
1 gegenüber zurückstand und noch zurücksteht, dafür liefert neben 


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30. April 1908. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


allem anderen die Titnlatnr den schlagendsten Beweis. Man 
werfe einen Blick zurück and prüfe an der Hand einer hundert¬ 
jährigen Vergangenheit, und man wird durchwegs finden, 
daß das preußische Mil. - Vet.-Wesen denselben Werdegang 
durchschreitet, wie ihn Bayern schon längst hinter sich hat und 
wird auf die auffallende Tatsache stoßen, daß die Titulatur 
den untrüglichen Maßstab abgibt für die allgemeine 
Achtung, welcher sich unser Stand beim Militär jeweils er¬ 
freute. Vom Kurschmied (bis 1810) und Pferdearzt (bis 1829) 
haben wir uns in Bayern zum Veterinärarzt bezw. Veterinär 
emporgeschwungen, während in Preußen der Kurschmied erst 
bis zum Roßarzt gediehen ist, und in demselben Grade wie 
wir im Titel vorrückten, rückten wir bezeichnenderweise ab 
von dem Handwerk, aus welchem sich zur Zeit der Gründung 
der Tierarzneischulen die Beflissenen der Tierheilkunde rekru¬ 
tierten. Das ist der Schlüssel zu der Frage, warum der 
bayerische Veterinär in der Bezeichnung „Roßarzt“ eine schwere 
persönliche Beleidigung erblickt. Er ist stolz auf seinen 
Titel „Veterinär“ und ist sich bewußt, daß dieser liebgewonnene 
Titel, welcher ihn seit 75 Jahren erinnert an den steten Fort¬ 
schritt seiner Wissenschaft, im engsten Zusammenhänge steht 
mit seinem Ansehen in der Armee und mit der Ehre seines Standes. 
Die Beseitigung dieses Titels, des letzten Zeichens der schönen 
Vergangenheit des bayerischen Mil.-Vet.-Wesens, würde uns tief 
verletzen und einen erneuten schweren Eingriff in die Ehre 
unseres Standes bedeuten. Aber nicht nur im Süden ist der 
Titel „Veterinär“ geschätzt, er ist auch begehrt vom Norden, 
von den Standesangehörigen in ganz Deutschland; dies hat sich 
deutlich gezeigt in dem einstimmigen Beschluß des deutschen 
Veterinärrates zu Kassel 1897 und erneut auf dem Veterinärrat 
zu München 1902, wo den Worten des Herrn Referenten Pro¬ 
fessor Dr. Schmaltz, als er der Versammlung kundtat, daß 
auch in Preußen der Name „Roßarzt“ schwinden werde, wie 
aus einer Kehle stürmisches „Bravo“! entgegenschallte. Die 
Versammlung äußerte ihren lebhaften Beifall in dem guten 
Glauben, daß der Name „Roßarzt“ selbstverständlich durch die 
Bezeichnung „Veterinär“ substituiert werde. Die Ausdehnung 
der Bezeichnung „Veterinär“ auf die gesamte deutsche Armee 
scheint mir in der mehrfach zitierten Denkschrift über das 
Mil.-Vet-Wesen, erstattet vom deutschen Veterinärrat im Juli 
1899, hinreichend begründet 

Unter dem mächtigen Schutze und dem gnädigen Wohl¬ 
wollen unserer Vorgesetzten höchsten Stelle, welche in jüngster 
Zeit auch den Beweis erfolgreich angetreten hat, daß es mög¬ 
lich ist, das Veterinärpersonal in die „höheren Beamten“ ein¬ 
zureihen, blicken wir in Bayern der Zukunft für unseren 
Stand getrost entgegen und hoffen zuversichtlich, daß unsere 
höchste Stelle sowohl die hier zum Ausdruck gebrachten be¬ 
rechtigten Wünsche der böchstgeneigten Erwägung und Berück¬ 
sichtigung unterziehen als auch niemals zugeben wird, daß man 
uns den Titel „Veterinär“ je nimmt. In Bezug auf Preußen 
dürfen wir uns aber mit Fug und Recht der Erwartung hin¬ 
geben, daß es bei der künftigen Neuorganisation die günstige 
Gelegenheit nieht vorübergehen läßt, um ein altes, schweres 
Unrecht wieder gut zu machen, welches in den Herzen der 
Angehörigen eines ganzen Standes bis auf den heutigen Tag 
große Verbitterung hinterlassen hat. Herr Prof. Dr. Schmaltz 
sagte in seinem diesbezüglichen Referat auf dem deutschen 
Veterinärrat zu München 1902: „Wenn die preußische Militär- 


297 


Verwaltung einmal einen Weg betritt, dann geht sie auf dem¬ 
selben auch rasch und entschieden und so weit als möglich vor.* 
Wohlan, fassen wir Vertrauen! Hoffen wir, daß die preußische 
Militärverwaltung unter Uberschlagung eines mehr als halb¬ 
hundertjährigen Zeitraumes sich in der Gestaltung ihres Militär¬ 
veterinärwesens auf denselben hohen Standpunkt stellt wie 
Bayern! Und mit zwingender Notwendigkeit muß sich als 
logische Folge ergeben: Die Reorganisation des deutschen MilitSr- 
veterlnirwesens auf Grund des Entwurfes No. II. oder No. III.! 

So werden auch wir in Bayern eine einheitliche Regelung 
des Militärveterinärwesens für die ganze deutsche Armee mit 
Freuden begrüßen — eine Regelung, welche der deutschen 
Heeresverwaltung zu großem Nutzen gereichen wird! 

Verein zur Unterstützung der Hinterbliebenen verstorbener Veterinäre der 
Deutschen Armee. 

General-Versammlung. 

Am 19. Februar 1903 wurde zu Berlin in den Johannis-Sälen, 
Johannisstraße 20, die Generalversammlung des Vereins zur Unter¬ 
stützung der Hinterbliebenen verstorbener Veterinäreder Deutschen 
Armee abgehalten. Auf der Tagesordnung standen folgende Punkte: 
1. Rechenschaftsbericht. 2. Verschiedenes. 

Anwesend waren 51 Mitglieder. 

Den Vorsitz führte Herr Korpsroßarzt Schwarznecker. 
Mit Worten der Begrüßung an die versammelten Mitglieder er- 
öffnete derselbe die Sitzung um 8 l / 4 Uhr abends. Obgleich erst 
im Juni v. Js. eine Generalversammlung stattgefunden hatte, 
wurde dieselbe jetzt wieder anberaumt, um den Mitgliedern, 
welche sich z. Zt. zum Oberroßarztkursus hier befinden, Gelegen¬ 
heit zu geben, von dem Wirken des Vereins näher Kenntnis zu 
nehmen und etwaige Wünsche zum Ausdruck bringen zu können. 
Nachdem Herr Schwarznecker die im vorigen Jahre not¬ 
wendig gewordene Umänderung der Statuten nochmals kurz 
erläutert hatte, erteilte derselbe dem Kassierer Oberroßarzt 
Ludwig das Wort, welcher zum ersten Punkt der Tagesordnung 
im wesentlichen folgendes ausführte: 

Bei der letzten Generalversammlung am 19. Juni 1902 
betrug die Zahl der Mitglieder 749. Durch den Tod sind aus- 
geschieden 9 Mitglieder, und zwar die Herren: K. R. Strauch- 
Breslau am 8. August 1902 im Alter von 61 Jahren, R. a. D. 
Engel-Friedrichshagen am 18. August 1902 im Alter von 
53 Jahren, 0. R. Schilowsky-Breslau am 20. August 1902 
im Alter von 54 Jahren, R. a. D. Dreyer-Frankfurt a. 0. am 
5. September 1902 im Alter von 67 Jahren, 0. R. a. D. Borchardt- 
Saarlouis am 6. September 1902 im Alter von 44 Jahren, 
0. R. a. D. Gärtner-Wandsbek am 1. Oktober 1902 im Alter 
von 53 Jahren, O.R.a.D. Fuchs-Bernkastel am 2. Dezember 1902 
im Alter von 41 Jahren, R. a. D. Bormann-Kraschwitz am 
7. Dezember 1902 im Alter von 59 Jahren, K. R. ’Rust- 
Straßburg am 23. Dezember 1902 im Alter von 63 Jahren. 

Das Durchschnittsalter der seit der letzten Generalversamm¬ 
lung Verstorbenen ist demnach 55 (im vorigen Jahre 52) Jahre. 

An die zum Empfang der Unterstützungssumme legitimierten 
Personen sind gemäß § 9 der Statuten in jedem einzelnen 
Falle sofort 1200 M., im Ganzen 10 800 M. ausgezahlt worden. 

Im verflossenen Berichtsjahr ist nur einmal, und zwar im 
Monat Oktober 1902 der Beitrag von den Mitgliedern ein¬ 
gezogen worden. 

Es gingen vom 20. Juni 1902 bis 17. Februar 1903 im 
ganzen ein: 


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298 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 18. 


einschließlich des Bestandes vom 19. Juni 1902 18 177,68 Mk. 
Die Ausgaben betragen einschließlich Ankauf von 


Wertpapieren. . . 17 792,93 „ 

Es bleiben mithin in bar. 384,75 Mk. 

Hierzu tritt der Wert an Pfandbriefen . 4 200.— „ 


Mithin Bestand in bar und Wertpapieren 4 584,75 Mk. 

Von diesem Betrag wurden noch 3 Sterbefälle reguliert 
werden können. Der Rest wird ebenso wie Beitrittsgelder, 
Zinsen und Geschenke — dem Beschluß der Generalversammlung 
vom 19. Juni 1902 entsprechend — in einen Reservefonds abge- 
ftthrt, dessen Höhe sich zur Zeit auf 846,53 Mk. beläuft. 

Seit dem Bestehen des Vereins sind im ganzen 178 Mit¬ 
glieder gestorben, davon 12 im Jahre 1902; freiwillig ausge¬ 
schieden bezw. wegen säumiger Zahlung gemäß § 11 der Statuten 
gestrichen sind im letzten Jahre 2 Mitglieder. Es sind demnach 
11 Mitglieder aus dem Verein geschieden. 

Neu aufgenommen sind folgende Kollegen: 

Neumann, Engel, Hoffmann, Unterspann, Perkuhn, 
Hennig, Laabs, Lührs, Kraenner, Zeumer, Roth, Dorst, 
Schütt, Semmler, Seidler, Hagemeier, Moldenhauer, 
Schmidt, Bochynski, Knochendöppel, Preising, Hein, 
Jantze, Wiechert, Schlaffke, Kettel, Krauß, Pohl 
und Süßenbach. Die Mitgliederzahl ist somit um 18 gestiegen 
und beträgt zur Zeit 767. Wenngleich das Wachsen des Vereins 
als ein langsames zu bezeichnen ist, so ist die Zunahme der 
Mitglieder eine stetige. 

Nachdem auf Anregung des Herrn Schwarznecker sich die 
Versammlung zum ehrenden Andenken an die Verstorbenen von 
ihren Sitzen erhoben hatte, gibt die Verwaltungskommission 
bekannt, daß bei der Revision der Bücher und der Kasse sich 
Ausstellungen irgend welcher Art nicht ergeben haben. 

Dem Kassierer wird hierauf Entlastung ei teilt. 

Punkt 2 der Tagesordnung: 

Der Kassierer beantragt, daß die bisher an jedes einzelne 
Mitglied durch Karte gesandte Mitteilung der stattfindenden 
Generalversammlung in Zukunft durch Ausschreiben bekannt gegeben 
werden soll und begründet diesen Vorschlag damit, daß erfahrungs¬ 
gemäß immer nur ein eng begrenzter Teil der Mitglieder an 
der Generalversammlung teilzunehmen im stände sei und daß 
durch den angeregten Modus eine nicht unwesentliche Geld¬ 
ersparnis und eine Verringerung der Arbeit des Kassierers 
herbeigeführt werden dürfte. Aus denselben Gründen wird ferner 
beantragt, daß der Rechenschaftsbericht in Form eines kurzen 
Auszuges durch Zeitschriften zur Verbreitung gebracht und daß 
von der bisherigen Art der Zusendung nur Gebrauch gemacht 
werden soll, wenn Gegenstände von besonderer Wichtigkeit zur 
Verhandlung und Beschlußfassung gekommen seien. Die Ver¬ 
sammlung ist mit diesen Vorschlägen einverstanden mit der 
Einschränkung, daß dieselben versuchsweise zur Einführung ge¬ 
langen. Als zu wählende Zeitschriften wurden die Berliner 
Tierärztliche Wochenschrift, die Deutsche Tierärztliche Wochen¬ 
schrift und die Zeitschrift für Veterinärkunde bestimmt. 

Die Bitte der Witwe eines verstorbenen Kollegen um 
weitere Unterstützung wurde — als den Statuten zuwider¬ 
laufend — abgelehnt. 

Nachdem Herr Korpsroßarzt Schwarznecker dem Kassierer 
den Dank für seine an Mühen und auch an Verdroß reiche aber 
doch unverdrossene Amtsführung ausgesprochen hatte, wird die 
Versammlung 10 Uhr abends geschlossen. Ludewig. 


Alle den Verein betreffenden Korrespondenzen sind an den 
Kassierer Oberroßarzt Ludewig, Berlin NW. 6, Karlstrasse 23a 
zu richten. 

Die Verwaltungskommission 
Born, Schwarznecker, Wittig. 

Einladung zu der allgemeinen Vereineversammlung des Vereins preussiseber 
Schlachthoftlerirzte 

zu Hannover am 20. und 21. Juni. 

Programm: 

Sonnabend, den 20. Jnni. 

1. Nachmittags 3 Uhr: Besichtigung der Ausstellung der deutschen 
Landwirtschaftsgesellscbaft unter Führung des Herrn Geheimen 
Oberregierungsrats Ly dt in. 

Treffpunkt: Weinkosthalle der Ausstellung. 

2. Abends 8 Uhr: Begrüßung im Hotel „Zu den vier Jahreszeiten“, 
Hannover, Ägidientor 2. 

Sonntag, den 21. Juni. 

1) Morgens 9 1 /, Uhr: Allgemeine Vereinsversammlung im Hörsaal 
des Hygienischen Instituts der Königlichen Tierärztlichen Hoch¬ 
schule zu Hannover, Misburgerdam 16. 

T ages-Ordnung: 

1. Geschäftliches. Rechnungslegung. 

2. Die hygienischen Erfordernisse der Schlacht- und Viehhöfe. 
Ref. Herr Geheimer Regierungs- und Medizinalrat Professor 
Dr. Dam mann, Hannover und Herr Direktor Dr. Schwarz, 
Stolp. 

3. Einwirkung des Reichsfleischbeschaugesetzes und des Kom- 
munalbeamtengesetzes auf die Anstellungsverhältnisse der 
Scblacbthoftierärzte. 

Ref. Herr Direktor Colberg, Magdeburg und Herr Direktor 
Schräder, Brandenburg. 

4. Die Ausübung der Milchkontrolle in Schlachthofgemeinden. 
Ref. nerr Professor Dr. Ostertag, Berlin und Herr 
Direktor Bockeimann, Aachen. 

5. Die Wahrnehmung gesundheitspolizeilicher Funktionen 
durch Gemcindeiierärzte. 

Ref. Herr städt. Tierarzt Dr. Bündle, Karlsborst-Berlin. 

6. Welche Vergütung sollen die Schlachtboflierärzte für die 
Ausbildung der Fleisclibeschauer beanspruchen? 

Ref Herr Direktor Stier, Wesel und Herr Direktor 
Hentschel, Öls (Schlesien). 

7. Ort und Zeit der nächsten Vereinsversammlung. 
Nachmittags 3 Uhr: Gemeinschaftliches Essen im Hotel „Zn 

den vier Jahreszeiten“. Preis des trockenen Gedeckes 3 Mark. 

Anmeldungen zu dem Essen sind bis zum 15. Juni ds. Js. an Herrn 
Direktor Koch, Hannover, Kokenstr. 7 1 zu richten. Die Anmeldung 
ist unbedingt notwendig, um den Herren Kollegen die Teilnahme am 
Essen zu sichern. 

Da der Fremdenzufluß zur Zeit der Versammlung in Hannover ein 
sehr starker sein wird, empfehlen wir beizeiten für die Beschaffung 
von Unterkunft Sorge zu tragen. Herr Kollege Koch, Direktor der 
städtischen Fleischbeschau in Hannover, ist bereit, Bestellungen auf 
Wohnung zu vermitteln. 

Gäste sind bei allen Veranstaltungen willkommen. 

Der Vorstand des Vereins preußischer Schlachthoftierärzte. 
Goltz, Kühnan, 

Verwaltungsdirektor Direktor 

des des 

städtischen Vieh- u. Schlachthofe städtischen 8chlacht- u. Viehhofe 
in Berlin O 67, in Köln-Schlachthof, 

Vorsitzender. Schriftführer. 

Frühjahrs-Generalversammlung de« Vereins Rhelnpreoesiseher Tierärzte 

am Sonnabend, den 2. Mai 1903, vormittags 11 Uhr 
in Köln, Hotel „Ewige Lampe“ (Komödienstraße). 
Tagesordnung: 

1. Vereinsangelegenheiten. (Wahl von Ehrenmitgliedern und Auf¬ 
nahme neuer Mitglieder.) 

2. Rechnungsablage des Kassierers. 

3. Bericht Uber die Plenarversammlung deB deutschen Veterinär¬ 
rates in München. 

4. Die Tätigkeit der Tierärzte in der allgemeinen Schlachtvieh- und 
Fleischbeschau. 


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30. April 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 299 


Im Anschluß an die Versammlung findet ein gemeinschaftliches 
Mittagessen statt. 

Die Herren Militärtierärzte und die in den Bezirk zugezogenen 
Ziviltierärzte werden hiermit zur Teilnahme an der Versammlung 
freundlichst eingeladen. 

Köln, den 20. April 1903. 

Der Vorstand 

I. A.: Dr. Lothes. 

Tierärztlicher Verein für die Provinz Brandenburg. 

Der Verein hält seine Frühjahrs Versammlung am 17. Mai, 
beginnend vorm. 11 Uhr, im Hörsaal des anatomischen Institutes 
der tierärztlichen Hochschule zu Berlin. Professor Dr. Eberlein 
wird einen Vortrag mit Demonstrationen halten über die Be¬ 
deutung der diagnostischen Kokaininjektionen für die Feststellung 
von Lahmheiten. Die Tagesordnung wird den Mitgliedern brief¬ 
lich übermittelt. 

Etat des Kaiserlichen Gesundheitsamtes 1903. 

Der Etat für das Kaiserliche Gesundheitsamt enthält u. a. auch 
die Mittel für eine neue Mitgliedsstelle in der Veterinärabteilung. 
Eine solche hat sich als notwendig herausgestellt durch die Ein¬ 
beziehung derVeterinärstatistik, durch die Maßregeln gegen Schweine¬ 
seuche und Geflügelkrankheiten, sowie durch das Inkrafttreten des 
Reichsfleischbeschaugesetzes. 

Es sind ferner 150 000 M. zur Förderung der Erforschung und 
Bekämpfung der Tuberkulose eingesetzt worden. Hierbei handelt 
es sich in erster Linie darum, ein endgültiges und sicheres Urteil 
über die Identität der menschlichen und tierischen Tuberkulose zu 
gewinnen. Zur Begründung dieser Etatsforderung ist dem Etat 
eine Denkscbrilt beigefügt, der wir folgendes entnehmen: 

Auf dem Gebiet der experimentellen Tuberkuloseforschung 
stehen augenblichlich zwei Fragen im Vordergründe des Interesses, 
die Beziehungen zwischen der menschlichen und der tierischen 
Tuberkulose, und ferner die Immunisierung von Rindern gegen 
Tuberkulose nach den Angaben von Behring. Die Bearbeitung 
der ersten Frage ist bereits im Frühjahr 1902 in Angriff genommen 
worden. Zur Zeit befinden sich etwa 50 Rinder im Versuch, welche 
in den Stallungen des Seuchengehöftes dos Gesundheitsamtes in 
Dahlem untergebracht sind. Jedes Tier muß Fünf Monate lang 
beobachtet werden, bevor es getötet und der Befund aufgenommen 
werden kann, daher muß immer eine erhebliche Zahl von Versuchs¬ 
tieren vorhanden sein. Die Versuche sind sehr schwierig und zeit¬ 
raubend, so nimmt z. B. die genaue Feststellung der Eigenschaft 
einer Tuberkelbazillenkultur, von dem Augenblicke der Gewinnung 
des Untersuchungsmaterials an gerechnet, etwa zehn bis zwölf Mo¬ 
nate in Anspruch. Daher werden die Versuche sich auch weit in 
das Jahr 1903 hinein erstrecken müssen. Erst wenn hierüber ge¬ 
nügende Klarheit gewonnen sein wird, soll die Frage der Schutz¬ 
impfung in Anspruch genommen werden. Für die Tuberkulosever¬ 
suche ist ein Betrag von 65 000 Mark erforderlich. Die übrigen 
85000 Mark werden für die Bekämpfung der menschlichen Tuber¬ 
kulose durch Heilstättenbehandlung erfordert. 

Schließlich sind noch 75000 M. für die Verlegung der bakterio¬ 
logischen Laboratorien des Gesundheitsamtes in den Etat einge¬ 
setzt worden. Auch dieser Etattitel ist durch eine Denkschrift ein¬ 
gehend begründet worden. Aus derselben ist als interessant zu 
entnehmen, daß die Veterinär-Abteilung des Reichs-Gesundheits¬ 
amtes sich fernerhin noch beschäftigt mit der Erforschung der 
Maul- und Klauenseuche, mit Untersuchungen über die Abtötung 
der Tuberkelbazillen in der Milch perlsüchtiger Kühe und über die 
Hämoglobinurie der Rinder, über die Dasselbeulenkrankheit der 
Rinder, über die Frage des Überganges von Bestandteilen des 
äesamüles in die Kuhmilch bei Verfütterung von Sesamkuchen u. a. 
Auch soll durch die Verlegung und Erweiterung der bakterio¬ 
logischen Laboratorien der neu hinzugetretenen Protozoenforschung 
eine ständige Arbeitsstätte verschafft werden, welcher boreits 
wiederholt durch Bereitstellung einmaliger Mittel im Reichshaus- 
halta-Etat die Wege geebnet wurden. 


Sind Notschlachtungen untersuchungspflichtig? 

Ein Bürgermeister hat einem Einwohner ein Strafmandat 
geschickt, weil er ein Stück Vieh, welches notgeschlachtet war 
und dessen Fleisch im eigenen Haushalt Verwendung finden 
sollte, nicht vom Fleischbeschauer hatte untersuchen lassen. 

Der Bürgermeister ist im Irrtum, und der Einwohner darf 
es ruhig auf richterliche Entscheidung ankommen lassen. Die 
gesetzlichen Bestimmungen sind ganz klare. Untersuchungs¬ 
pflichtig sind nur gewerbsmäßige Schlachtungen. Im übrigen 
gelten für Notschlachtungen keine anderen Bestimmungen als 
für gewöhnliche Schlachtungen. Wird ein notzuschlachtendes 
Tier an einen Fleischer verkauft, der das Fleisch gewerbsmäßig 
verwerten will, so muß es untersucht werden. Läßt der Vieh¬ 
besitzer ein Stück notschlachten, um das Fleisch im eigenen 
Haushalt zu verwenden, so ist die Notschlachtung wie jede 
andere Hausschlachtung von der Untersuchungspflicht befreit. 
Der Besitzer ist allerdings nach § 2 des R. Fl. G. dann, wie 
in jedem Falle, veranlaßt, auf Merkmale einer die Genuß- 
tanglichkeit ausschließenden Erkrankung zu achten, doch ist 
dies ausschließlich seiner Verantwortung überlassen, und er 
braucht dazu keinen Fleischbeschauer zuzuziehen. Vergleiche 
Deutsch. Veterinärkalender 1903, pag. 134 (Fußnote). 

Erwiderung auf den offenen Brief der Perleberger Vieh-Vereicherungs- 
Gesellschaft vom 17. März 1903. 

Wenn die Perleberger selbst die Überzeugung bat, daß ohne 
die Mitwirkung der Tierärzte eine gedeihliche Entwicklung der 
Vieh-Versicherung nicht möglich ist, dann ist es geradezu un¬ 
verständlich, daß dieselbe solche Versicherungs-Bedingungen hat, 
durch welche die Tierärzte vollständig ausgeschaltet werden, denn 
aus ihrem Schreiben geht gerade hervor, daß eine von den Härten 
die Zuziehung der Tierärzte ist. (Die übrigen Härten, die die 
Perlebergor gemildert hätte, hätte ich auch gern erfahren.) Daß 
dadurch die Solidität der Gesellschaft Schaden leidet, sei es, daß 
sie selbst oder der Versicherte geschädigt wird, darauf will ich 
später noch zurückkommen. 

Die Perleberger sagt nun weiter: „Was durch allgemein gehaltene 
Versicherungs-Bedingungen nicht bestimmt werden kann, bestimmen 
wir durch Anweisungen und Instruktionen.“ Darauf muß denn doch 
erwidert werden, daß für den Versicherten nur allein die Ver¬ 
sicherungs-Bedingungen maßgebend sind und auch die 
Grundlage des Vertrages bilden. Denn die Versicherung ist ein 
Vertrag zwischen zwei Parteien auf Grundlage der Versicherungs- 
Bedingungen, an denen doch nachträglich einseitige Abänderungen 
zum Schaden der anderen Partei nicht stattfinden dürfen. Wenn 
die Versicherten nun auch noch anderen willkürlichen Anweisungen 
und Instruktionen unterworfen sein sollen, dann ist die Sicherheit 
der Versicherten erst recht in Frage gestellt, und wenn sie, wie 
die Perleberger ausführt, doch noch auf Anordnung des Verbands¬ 
leiters oder Gruppenvorstehers einen Tierarzt zuziehen sollen, dann 
ist es unbegreiflich, weshalb man diese Anordnung nicht klipp und 
klar in den Versicherungs-Bedingungen getroffen hat Dann sieht 
es geradezu so aus, als wenn die Versicherungslustigen mit der 
Aussicht, daß sie einen Tierarzt nicht zuziehen brauchten, also 
Kosten sparten, zur Versicherungsnahrae geködert werden sollen. 
Weshalb wird denn dieser Umweg gewählt? Viel wichtiger ist es 
doch, daß der Versicherte verpflichtet ist, sofort einen Tierarzt zu 
Rate zu ziehen und dann erst dem Gruppen- bezw. Verbandsleiter 
Mitteilung zu machen als umgekehrt. Ob eine Rettung des Tieres 
möglich ist, werden sowohl Verbandsleiter als auch Gruppen¬ 
vorsteher in den allerwenigsten Fällen beurteilen können, sie 
werden sich der Mühe, die kranken Tiere zu besichtigen, auch 
nicht unterziehen, besonders, wenn sie nicht am Orte sind. Hier 
kann ich auch aus Erfahrung sprechen, da in hiesiger Umgegend 
12—15 Mitglieder der Perleberger wohnen, deren Verbandsleiter in 
Leipzig seinen Sitz hat; einen Gruppenvorsteher haben sie aber 
nicht, da sie einer Gruppe nicht zugeteilt sind. Der § 16, der von 


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:J00 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 18. 

den Obliegenheiten bei Krankheiten handelt, sagt im ersten Absatz Warum werden aber bei der Viehlebens-Versicherung vom 

ausdrücklich: „Wenn ein Tier erkrankt, so ist nach Wahrnehmung Versicherten nicht von vornherein so hohe Prämien abgefordert, 

der Erkrankung das Gesellschaftsmitglied verpflichtet, sobald als welche den wirklichen Verlusten entsprechen? 

möglich, spätestens jedoch innerhalb drei Tagen seinem Gruppen- , Da ich nicht die Absicht habe, mich mit der Perleberger in 
Vorsteher und dem Verbandsleiter hiervon Mitteilung zu machen, einen Federkrieg einzulasseo, so bemerke ich, daß für mich hier¬ 
von benachbarten Mitgliedern — die ebenso wenig vei stehen — mit die Sache erledigt ist. Dankbar würde ich anerkennen, wenn 

Rat einzuholen und mit der gehörigen Sorgfalt zu verfahren .... meine Anregungen in wohlwollende Erwägung gezogen würden, 

und hat daher auch bei schweren Erkrankungen zur Behandlung Ernst Loewel, Langensalza, Kreistierarzt, 

einen Tierarzt anzunehmen . . . .“ Bis also der Versicherte An- | — — 

Weisung erhält, bezw. bis er endlich bemerkt oder richtiger bemerken . Biicheran zeigen. 

will, daß sein Tier schwer erkrankt ist, kann er mit der Zuziehung Neue Eingänge (Besprechung Vorbehalten.) 

eines Tierarztes warten und dann wird die endlich geforderte tierärzt- Johne: Der Laienfleisohbeschauer. Leitfaden für den Unterricht 

liehe Hilfe zum Schaden der Versicherung vielfach zu spät kommen. der nicht tierärztlich approbierten Fleischbeschauer. Dritte umge- 

In meinem Artikel in No. 11 der B. T. W. habe ich nur arbeitete Auflage mit *247 Abbildungen 500 Seiten Kleinoktav, 

pro domo gesprochen, nunmehr will ich vom Standpunkt des Ver- Berlin bei Paul P a r e y , Preis 6,50 M. 

sicherten sprechen: Als Versicherungsnehmer brauche ich satzungs- Long-Preusse, praktische Anleitung zur Trichinenschau. Vierte 

gemäß bei der Aufnahme einen Tierarzt zur Untersuchung und ] Auflage, bearbeitet von Departementstierarzt Preusse, Oktav 
Abschätzung nicht zuzichen. Letztere erfolgt vielmehr durch einen 65 Seiten mit vielen Abbildungen. Berlin bei Richard'Scheetz, 2,50 M. 
nicht sachverständigen Agenten, dem es vorerst nur daran liegt, Kirsten, Friedrich: Vergleichende anatomische Untersuchungen 

die Versicherungssumme möglichst hoch zu treiben, damit er aus über die Ohrmuskulatur verschiedener Säugetiere. Mit 3 Tafeln, 
der dementsprechend höheren Prämie auch eine höhere Provision Thienel, Max: Vergleichende Untersuchungen über den mikro¬ 
bezieht. Natürlich werden dann die Tiere jünger und höher be- skopischen Bau der Blutgefäße der Schultergliedmaße. Mit 2 Tafeln, 

wertet eingeschätzt als wie es der Wirklichkeit entspricht. So ist Beide Arbeiten aus dem anatomischen Institut der tierärztlichen 

es hier geschehen. Bald darauf geht, wie es hier passiert ist, ein 1 Hochschule zu Dresden, Inauguraldissertationen (Bern). Druck von 
viel zu hoch versichertes Tier ein, die Gesellschaft läßt dasselbe Hermann Beyer & Söhne in Langensalza. 

vielleicht vorher abschätzen und sofern sich ein Tierarzt dazu her- - 

gibt, auch durch einen solchen, dabei fällt die Taxe, die nunmehr Personalien. 

dem wirklichen Wert des Tieres entspricht, bedeutend geringer aus, Ernennungen: Die Polizeitierärzte Ebeling, Reimer, Hafer- 

wie die bei der Aufnahme. Wer erleidet nun den Schaden? Ein- | körn, Struve und Loges wurden zu beamteten Fleischbeschauern 
mal der Versicherungsnehmer, denn er hat seine Prämie für die in Altona ernannt; Polizeitierarzt Knese zu Hamburg zum Vorsteher 

höhere Abschätzungssumme bezahlt, erhält aber von der geringeren der Station für Auslandsfleischbeschau im dortigen Zollhafen. — 

die Entschädigung. Dann aber ancb die Gesellschaft selbst, weil In Cüin wurden ernannt die Tierärzte Knese aus Schiffbeck zum 

das Tier überhaupt nicht aufnahmefähig war. Wird die zweite Ab- 1 Vorsteher des Hafenschauamtes, Guthke aus Kletzko zum Polizei¬ 
schätzung von einem sogenannten Sachkundigen, die gute Freunde, tierärzt, Giesen in Deutz zum Schlachthof-Hilfstierarzt. — Die 

getreue Nachbarn und dergl. sind, vorgenommen, dann fällt sie auch Tierärzte Dr. Goldstein und lleilemann sind zu etatsmäßigen 

der ersten entsprechend aus und dann wird die Gesellschaft doppelt städtischen, Born und Bäumler zu Hilfs-Tierärzten am Schlacht¬ 
geschädigt und durch diese wieder die Mitglieder, die doch durch hof in Berlin, der bisherige städtische Tierarzt Burau in Berlin 

enorme Ergänzungsprämien und Nachschüsse die Summen auf- zum Vorsteher des Auslandsfleischbeschauamtes in Königsberg 

bringen müssen. Die scheinbare Härte der Zuziehung eines ernannt worden. Schlachthoftierarzt Schmidtke in Münsterberg zum 

Tierarztes bei der Aufnahme wird also durch die neuen Bedingungen Vorsteher der Fleischbeschaustelle in Breslau; Dinter in Breslau 
der Perleberger erst recht zur Härte gemacht und der Vorteil liegt zum Schlachthoftierarzt in Münsterberg: Dr. Kurt Roth in Breslau 

nie auf Seiten der Versicherten, sondern stets auf Seiten der zum Assistenten am Veterinärinstitut der Universität daselbst; 

Gesellschaft. , Tierarzt Rtihnlekorf zum kreistierärztl. Assistenten in Simmern. 

Nun eine andere Härte, die die Perleberger wohl gemildert Wobnsitzverfinderungen, Niederlassungen: Verzogen sind Tierarzt 

haben will, das ist die Prämienzahlung. Daß es einem Versicher- F. Dornheim von Pausa nach Erlangen und die Tierärzte Lohbeck 

ungBlustigen wohl sehr hart dünkt, für seine Tiere 4—6 Proz. und Dr. Keil von Köln nach Meiderich (Ruhr) bezw. Obermosel bei 

Prämie zu zahlen und dadurch viele von der Versicherung Frankfurt a. M. Tierarzt Boye aus Querfurt trat als Volontär in 

abgebalten werden, ist natürlich. Die Perleberger bietet nun das bakteriolog. Institut der Landwirtschafiskammer in Halle a. S. 

die Versicherung zu einer ganz niedrigen Vorprämie an, xßr- ein. — Niedergelassen hat sich Paul Walther, sächs. Bezirks¬ 

schweigt aber, daß sie im Laufe des Jahres noch eine zweite Vor- ■ tierärzt a. D. in Jena. 

prämie, eine sogenannte Ergänzungsprämie, welche bedeutend Examina: In Berlin wurden approbiert die Herren Jüptner, 

höher ist als die erste, erhebt und von beiden wird dann der Nach- i Busse, Aschoff, Behrens, Sommerfeld, Bischofswerder, 
schuß eingefordert. Die eigentliche Höhe der Prämie wird wohl- Gasse und Malicke. — Promoviert wurde Tierarzt Reil-Köln 

weislich verschwiegen, weil die Versicherungslustigen dadurch erst ; von der vet.-med. Fac. zu Bern. 

recht .abgeschreckt würden. Zum Studium der Versicherungs- In der Armee: Roßarzt Bretschneider im Hus.-Regt. No. 18 

bedinguhgen, welche nebenbei bemerkt, kein Wort über die Er- zum Oberroßarzt befördert. — Dem Roßarzt Wolf in Freiberg und 

gänzungsprämie und Nachschuß erwähnen, wird dem Versicherungs- dem Veterinär Steiger in Augsburg der Abschied bewilligt. 

nehiner gar keine Zeit gelassen, wenn nur erst unterschrieben ist. - 

Die Ausfüllung des Antrages einschl. der Versicherungsdauer be- Vakanzen. 

sorgt der Agent nachher. So wird denn der Versicherte wenn Neu hinzugetreten sind (vgl. übr. No. 14 ff.): Bonn-Poppels¬ 
möglich auf drei bis fünf Jahre festgenagelt und sieht dann erst dorf: Tierarzt für das tierphysiolog. Institut der landwirtschaftl. 

später, wenn dem Hund der Schwanz stückweise abgehackt wird, Akademie. 1200 M. Gehalt. Meldung an Professor Dr. Hagemann, 

seinen Schaden ein. Ich bemerke hierbei gleich, daß ich nur von — Braun schweig: 3. Tierarzt für das städt Schlachthaus zum 

der Viehlebens-Versicherung spreche, nicht von der Schlachtvieh- 1. Juni. Jahresgehalt 2700 M. Bewerbung bis 10. Mai a. d. Schlacht- 

Versicherung, denn darüber ist nur eine Stimme; dieselbe ist, weil hausdeputation. — Heydekrug (Ostpreußen): Tierarzt für den 

ohne Nachzahlung und koulanteste Regulierung einfach ideal. Daß Niederungsteil des Kreises. Jährl. Zuschuß 600 M. Bewerbung a. 

aber die Verluste bei der Schlachtvieh-Versicherung von den Mit- d. Kreisausschuß. — Wurzen: 2. Tierarzt 2400 M. Gehalt mit 

gliedern der Viehlebens-Versicherung mitgetragen werden müssen, Pensionsberechtigung. Bewerb, mit Angabe der Zeit des möglichen 

davon schweigt natürlich des Sängers Höflichkeit. Eintritts ä. d. Stadtrat. 

Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schnialtz in Berlin. — Verlag und Eigentum von Iiichard Schoetz iu Berlin. — Druck von \V. Biixensteiu, Borliu. 


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Dl« .Berlin« Tierärztliche Wochenschrift 1 e rieheint 
wöchentlich lm Verlage von Richard Schoet* ln 
Berlin, Lalaenatr.36. Durch jede« deutsche Postamt wird 
dieselbe rum Preise von M. 5,— vierteljährlich (M. 4,88 für 
die Wochenschrift, lt Pf. fflr Bestellgeld) frei ins Haus 
geliefert. (Deutsche Post-Zeitungs- Preisliste Mo. 1X08, 
Oesterreichliche Mo. 610, Ungarische Mo. 90.) 


Berliner 


Orlginalbeitrlge werden mitöOMk. för den Bogen honoriert. 
Alle Manuskripte, Mitteilungen und redaktionellen An¬ 
fragen beliebe man su senden an Prof. Dr. SohmaltE, 
Berlin, tierärztliche Hochrchule, NW, Lulsen«trasse 66. 
Korrektoren, Resenslons-Bxemplare und Annoncen da¬ 
gegen an die Verlagsbuchhandlung. 


Tierärztliche Wochenschrift 


Redaktion: 

Professor Dr. Schmaltz-Berlin 

Verantwortlicher Redakteur. 


De Bruln 

Dr. Je8« 

KOhnau 

Dr. Lothes 

Nevermann 

Prof. Dr. Peter 

Peters 

Profeuor 

Krelillerarxt 

Schlachthofdirektor 

Departement^! erant 

Kreiotlerarzt 

Krelatlerarzt 

Departementatlerarzt 

Utrecht 

Charlotten bürg. 

Cöln. 

Cöln. 

Bremervörde. 

Angermünde. 

Bromberg. 


Preusse 

Dr. Boeder 

Dr. Schlegel 

Dr. Vogel 

Zündet 



Veterinäraiieisor 

Profeiior 

Professor 

' Landei-Inap. f. Tiersaoht Krelatierarst 



Danzig. 

Dresden. 

Freiburg i. Br. 

München. 

Mülhausen 1. E. 



Jahrgang 1903. Jfä, 19. Ausgegeben am 7. Mai. 

Inhalt: Zimmer: Die Flessascbe Zange zum Einlegen von Bullenringen. — Schmidt: Aus der Praxis V.— Teetz: Aus der 
Praxis. Beitrag zur Rotlaufimpfung 1902. — Referate: Caillibaud: Zur Behandlung des Überkötens. — Höljer: Die 
Vasogenpräparate in der tierärztlichen Praxis. — Mettam: Bericht Uber die weiße Ruhr und die Lungenentzündung bei 
Kälbern. — Künnemann: Ein Beitrag zur Kenntnis der Eitererreger des Rindes. — Birkner: Die Länge der Hundefährte. 
— Jeß: Wochenübersicht über die medizinische Literatur. — Tagesgesohlchte: Gebühren der Tierärzte für Besorgung tier¬ 
ärztlicher Geschäfte bei den Gerichten. — Reformen im Veterinärwesen des Königreiches Sachsen. — Verschiedenes. — 
Staatsveterinärwesen. — Fieisohschau und Viehverkehr. — Bücheranzeigen und Kritiken. — Personalien. — Vakanzen. 


Die Flessasche Zange zum Einlegen von Bullenringen. 

Von 

Zimmer-Münchberg, 

Bezirkstierarzt. 

Von sämtlichen bisher erfundenen Instrumenten zum Zwecke 
der Einführung von Bullenringen dürfte die von dem Schlaclihof- 
inspektor und städtischen Bezirkstierarzt Flessa in Hof er¬ 
fundene und vorstehend abgebildete Zange besondere Beachtung 
verdienen. 

Figur a stellt dieselbe geöffnet und mit dem in die aus¬ 
gehöhlten Backen eingelegten, dort festgeklemmten, durch einen 
Stahldorn fixierten und gleichfalls geöffneten Nasenring vor. Mit 
Leichtigkeit läßt sich die Zange nebst Ring in die Nasenöffnung 
des Bullen einführen und genügt ein kräftiger Druck auf die 
beiden Zangenschenkel, um den Ring durch die Nasen¬ 
scheidewand zu führen und denselben gleichzeitig zu 
schließen. Nunmehr wird in die rechte Ringhälfte, wie Figur b 
oben zeigt, ein kleiner Schraubenstift eingeschraubt, der vor¬ 
stehende Teil desselben abgebrochen, die wieder geöffnete Zange 
mit leichtem Zuge zurückgezogen und der Ring liegt tadellos. 
Die ganze Prozedur nimmt höchstens 15—20 Sekunden 
in Anspruch. 

Die Vorteile der Flessaschen Zange bestehen zunächst 
darin, daß eine die Aufnahme des Ringes vorbereitende Operation 
vollständig überflüssig ist, daß der Operateur durch das Fest¬ 
halten des Ringes mittelst der Zange unmittelbar nach seiner 
Einführung den Bullen vollkommen in seiner Gewalt hat, wes¬ 
halb Verletzungen des Operateurs ganz ausgeschlossen sind, daß 
die häufig so zeitraubende und die Tiere aufregende Fixierung 
des Kopfes vollständig unnötig erscheint, daß weiterhin durch 
die konische Spitze des Ringes ein Snbstanzverlust der Nasen¬ 
scheidewand vermieden wird und die Operation möglichst rasch 
und schmerzlos zur Ausführung gelangt. 

Von besonderem Wert dürfte außerdem noch der Umstand 
sein, daß der Erfinder die Schließung des Ringes mittelst eines 
Schraubenstiftes statt eines Federhakens bewerkstelligt hat und 
daß der Ring selbst ziemlich kräftig und solid ausgefülirt ist. 


Mit diesem Instrument wurden vom Berichterstatter bereits 
14 Bullenringe eingelegt und funktionierte dasselbe stets tadellos. 
Dasselbe wird von der Firma Hanptner-Berlin in vorzüglicher 



Ausführung hergestellt und ist inzwischen durch Reichspatent, 
der Ring durch D. R. G.-M., geschützt. Der Preis eines Ringes 
ist 1,10 M., der der Flessazange 12,00 M. 


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302 


Aus der Praxis V. 

Von 

Dr. Rud. Schmidt-Elbing. 

(Nachdruck verboten.) 

Gegen neue Medikamente besteht nnter den Praktikern 
dasselbe Vorurteil wie gegen neue Applikationsmethoden, und 
so berechtigt dasselbe im allgemeinen anch sein mag, erschwert 
es im einzelnen doch oft die Verbreitung des Bewährtbefandenen 
zam Schaden der Praxis. Es ist überraschend zu beobachten, 
in welchem Umfange man sich z. B. noch der intravenösen 
Injektion gegenüber ablehnend verhält. Dennoch läßt sich fest¬ 
stellen, daß der frische Geist unserer Wissenschaft auch auf 
den Praktiker belebend gewirkt hat. Wir überlassen uns immer 
weniger dem Kielwasser der Humanmedizin. Es ereignet sich, 
daß ein neues Arzneimittel durch den Tierarzt in einer Apotheke 
eingeführt und damit erst dem Menschenarzte zugänglich wird, 
obwohl es für diesen ungleich wertvoller ist. Oft ist ein ge¬ 
wisser Druck anf den Apotheker notwendig, wenn eB sich um 
Beschaffung eines neuen Mittels handelt. Man lasse sich dadurch 
aber nicht abhalten, das Bessere dem Guten vorzuziehen. Will 
ein Apotheker nicht der Gehilfe des Arztes sein, nun so beziehe 
man einmal solch Mittel billiger direkt. Für ihren pekuniären 
Vorteil sind auch Verfertiger von Rotlauftropfen und Milzbrand- 
pnlver sehr zugänglich. Zum Glück findet man jedoch seitens 
der Apotheken meist bereitwilliges Entgegenkommen, und so 
sei es mir gestattet, meine Erfahrungen mit einigen Medikamenten 
empfelilenderweise kurz mitzntheilen. 

Die Vasogen-Präparate (Pearson-Hamburg) sind zwar bereits 
seit einer Reihe von Jahren dem Arzneischatz einverleibt worden, 
genießen aber vielfach noch nicht die ihnen gebührende 
Würdigung. Insbesondere im Westen der Monarchie scheinen 
sie noch mehr oder minder unbekannt zu sein, sodaß ein erneuter 
Hinweis selbst an dieser so vielseitig in Anspruch genommenen 
Stelle den idealen Aufgaben unserer Presse entsprechen dürfte. 
Zudem sind nach den Veröffentlichungen des letzten Jahres zu 
urteilen, die Akten über die Vasogene noch nicht geschlossen. 

Das Va8ogen-Vaselinum oxygenatum ist ein ungiftiges Öl, 
welches einerseits eine ausgezeichnete Emulsionsfäbigkeit mit 
Wasser, andererseits die Eigenschaft besitzt, viele unserer 
wichtigsten Medikamente zu lösen. Sind letztere auch in Wasser 
unlöslich, wie z. B. das Jodoform, so emulgieren sie nach Lösung 
in Vasogen dennoch mit Wasser wie mit den Sekreten des Tier¬ 
körpers, wodurch eine bisher unerreichte Schnelligkeit der 
Resorption und Tiefenwirkung ermöglicht wird (von Lohr, 
Bayer, Edlefsen). Auffallend ist bei den Präparaten ihre 
Reizlosigkeit (Jod, Kreosot), was wohl der schnellen Resorption 
durch Haut und Schleimhaut zugeschrieben werden muß. Daß 
in der Tat gerade in dieser Hinsicht das Vasogen allen anderen 
Präparaten weit überlegen ist, beweisen eingehende Versuche 
von Lion (Archiv f. Dermat. 1900) mit Jodkali-Vasogensalbe, 
wobei bereits 1—2 Stunden nach der Einreibung der Haut Jod 
im Harn nachgewiesen werden konnte. Zu denselben Resultaten 
gelangten Senator (Berl. klin. Wochenschr. 1898, 21) bei 
Einreibung von Jod vasogen, D ahmen (Deutsche med. Wochen¬ 
schrift 1894, 15) von Jodoform- und von Kreosotvasogen. Die 
Präparate sind bis auf die Quecksilber-Vasogene flüssig und 
eignen sich zu änßerlichem wie innerlichem Gebrauche. Ich habe 
dieselben seit etwa 2 ! /2 Jahren in ausgedehntem Maße verwandt 
und bin ihnen ein warmer Anhänger geworden, denn durch 


No. 19. 


die Zusammenwirkung mit Vasogen erhöht sich die 
spezifische Wirkung der Arzneimittel. 

Das Kreolin-Vasogen, 15proz., benutze ich zur Durchtränkung 
frischer Tiefenwunden vor Anlegung eines Okklusiwerbandes, 
wodurch Heilung per primam erzielt werden kann, selbst bei 
Verletzung von Sehnenscheiden. Auch bei bereits infizierten 
Wunden bin ich mit Pinselangen von Kreolin-Vasogen meiBt 
schneller zum Ziele gelangt als mit anderen Mitteln, so bei um¬ 
fangreichen Verletzungen der Vorderfnßwurzel. Nur bei einer pene¬ 
trierenden Sprunggelenkswunde gelang die Verhütung der Eiterung 
nicht, sodaß Patient an Pyämie einging. Bei purulenten und putriden 
Oberflächenprozessen, Mauke, Strahlfäule, Geschwüren etc. be¬ 
diente ich mich mit gutem Erfolge des 2proz. Pyoktanin- 
vasogen. Auch hier gewann ich den Eindruck, als sei die 
baktericide Kraft des Methylvioletts erhöht. Von Teervasogen, 
25 proz., habe ich lediglich bei Hufleiden, wie eitriger Stein¬ 
galle, Nageltritt u. s. w. eine anderen Mitteln überlegene Wirkung 
zu verzeichnen, obwohl es in der dermatologischen Menschen¬ 
praxis viel gelobt wird. Dagegen bin ich mit der Wirkung des 
20proz. Kreosot-Vasogen bei Stralilkrebs zufrieden, wenn 
ich mich auch nicht entschließen konnte, es innerlich oder als 
Antiparasitienm anzuwenden, da es mir nicht wahrscheinlich ist, 
daß es unsere bewährten Mittel zu Übertreffen vermag. Ein 
behandelnswerter Fall von Lungentuberkulose ist mir aber bisher 
bei unseren Haustieren nicht vorgekomraen. Nach Bayer (Jahres¬ 
bericht d. Chir. Inst. Brüssel, 1894) und Burghart (Berl. klin. 
Wochenschr. 1900, Juli) entwickelt das Kreosot in Form des 
Vasogen bei Lungen- und Darmtuberkulose eine besonders günstige 
Wirkung, ohne daß die Verabreichung per ob besondere Be¬ 
schwerden im Gefolge hat. Bei Quetschungen und chronischen 
Ekzemen hatte ich mit dem 10proz. Ichthyol-Vasogen Er¬ 
folg. Von anderer Seite wird es besonders bei Gelenkaffektionen 
gerühmt (Edlefsen, Therap. Mtsh., 1900, Jan.). Neuerdings 
empfiehlt es Goldmann (D. Frauenarzt, 1902, 7) zur Tamponade 
bei Endometritis. Das Campher-Chloroform-Vasogen ää 
wirkt ausgezeichnet schmerzstillend ohne wesentlich zu reizen, 
was ich bei plötzlicher periostaler Phlegmone des Oberkiefers 
an einem Familienangehörigen zu prüfen Gelegenheit nahm und 
persönlich bestätigen kann, da ich mir vorher probehalber das 
Mittel selbst auf den harten Gaumen eingerieben hatte. Es ist 
bei rheumatischen Affektionen indiziert und gibt mit gleichen 
Teilen Jodvasogen (6 pCt.) ein empfehlenswertes Restitutionsfluid. 

Zu den dankenswertesten Neuerungen gehört die Lösung 
von Jodoform nnd von Jod in Vasogen. Das Jodoform- 
vasogen, l'/a und 3proz., enthält das Jodoform wirklich 
gelöst und bringt es so schnell und völlig zur Resorption, 
daß schon 22 Stunden nach einer Hauteinreibung alles Jod 
durch den Harn ansgeschieden ist. Seine leichte Mischbarkeit 
mit den tierischen Sekreten, verbunden mit seiner energischen 
Desinfektionskraft und Tiefenwirkung, macht es für die Behandlung 
von Eiterfisteln allen bisherigen Medikationen überlegen. Bei 
Genickfisteln, Widerrist- und Sehnenscheidenfisteln, in der Tiefe 
gelegenen Abszessen und tiefen Fleischwunden mit Eiterver¬ 
senkung hat mir das Jodoformvasogen zu unerwarteten Erfolgen 
verholfen. Es dringt mit Leichtigkeit bis zu den verborgensten 
Krypten vor, auch wenn es nur durch Eingießen in den Fistel¬ 
kanal appliziert wird. Selbst in ganz verzweifelten Fällen 
leistet es Wunder. 

So war vor 2 Jahren ein Pferd einer hiesigen Molkerei vor 


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7. Mai 1908. 


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völliger Heilung einer beiderseitigen Widerristfistel nach außer¬ 
halb zur Arbeit gegeben. Nach etwa 3 Wochen wurde es mir 
in der traurigsten Verfassung wieder zugeftthrt. Es konnte den 
linken Vorderfuß kaum mehr vorwärts bewegen. Aus der alten 
Fistelöffnung floß spärliches, schleimiges Sekret von graugelber 
Farbe; die Wundränder sahen gelatinös, grau aus, ohne 
Granulation. Vor der Mitte des vorderen Randes des linken 
Schulterblattes befand sich eine über mannsfaustgroße, pralle 
Geschwulst, ein snbscapulärer Abszeß, welcher auf Druck 
reichlichen, schleimigen Eiter oben aus der alten Fistelöffnung 
entleerte. Dicht über dem Schultergelenk zeigte sich eine 
ähnliche, etwas kleinere Schwellung; soweit das Brustbein 
reichte, bestand subkutane und intermuskuläre Phlegmone der 
Unterbrust. Überdies wies Patient in der Höhe des zweiten 
Halswirbels eine von links nach rechts durchgehende, änßerst 
schmerzhafte Beule von Kindskopfgröße auf, welche fluktuierte. 
Appetit nicht vorhanden; eingenommenes Sensorium; Tem¬ 
peratur 39,8 Grad. Nach ausgiebigen Spaltungen zeigte sich 
ein Kanal vom Widerrist bis unter das Schultergelenk nach 
innen, in welchem eine (frischgeschälte, desinfizierte) Weiden¬ 
rute von ca, 80 cm Länge verschwinden konnte. Bereits 
nach 2 Wochen erkannte ich, daß selbst die gewissen¬ 
hafteste Behandlung mit Sublimat- und Creolin- 
Irrigationen, Lysol - Glycerin, Chlorzink, Jodoformstiften, 
unter meiner ständigen Aufsicht zu keiner Besserung 
führen würde. Fieber, Nasenausfluß, kleiner frequenter Puls 
bei völliger Apathie stellten sich ein, und Patient schwebte 
3 Tage lang in höchster Lebensgefahr. Ein neuer Abszeß war 
nicht zu finden, doch vermehrte sich der Eiterflnß. Am 2. Tage 
ging ich zu Einspritzungen von 3 proz. Jodoformvasogen über, 
und am 4. Tage bereits waren die beängstigenden Symptome 
völlig geschwunden, der Eiter geringer und von besserem Aus¬ 
sehen. Nun ging es glatt vorwärts; es genügte täglich zwei¬ 
mal zu irrigieren und danach Vasogen einzuträufeln. Die 
Wundränder zeigten binnen wenigen Tagen eine so kräftige 
Granulation, daß die Fistelöffnungen nur mit Mühe offen zu 
halten waren. Nach ca. 3y 2 Wochen wurde das Pferd bereits 
angespannt, um noch 2 weitere Wochen täglich einmal behandelt 
zu werden. In iy 2 Jahren ist seitdem nur einmal am Halse 
eine Nachbehandlung nötig geworden, und etwa zwei- bis 
dreimal sind am vorderen Schulterblattrande noch hasel- bis 
walnußgroße Abszesse anfgebrochen, welche durch Seifenwasser 
ohne Arbeitsstörung zur Abheilung gelangten. 

Am häufigsten verwende ichdasJodvasogen. Es enthält 
3, 6 oder 10 proz. freies Jod gelöst. Nachdem ich mich von 
seiner Reizlosigkeit auch bei häufigerer Anwendung an Stelle 
einer Scharfsalbe überzeugt habe, ziehe ich meist das 10 proz. 
bei größeren Tieren vor. Sogar unmittelbar auf den Gaumen 
appliziert, habe ich gelegentlich bei mir selbst eine schmerzhafte 
Alveolar-Periostitis reizlos zum Schwinden gebracht und das 
10 proz. Jodvasogen daraufhin an Stelle der stark reizenden und 
nicht wirksameren Tct. Jodi in die hiesige Zahnheilkunde 
eingeführt. Man folgte meiner Anregung am so lieber, als von 
anderer Seite bereits gleich günstige Versuche veröffentlicht 
seien, unsere Apotheken das Mittel aber bislang nicht geführt 
hätten (!). Die lösende und resorbierende Wirkung des Jods 
erscheint in Verbindung mit Vasogen verdoppelt. In Form ein- 
bis dreimaliger täglicher Einreibungen kann ich das Jodvasogen 
empfehlen bei subkutaner und subfascialer Phlegmone, rheuma¬ 


tischen und traumatischen Myositen, Tendinitis und Tendovaginitis 
acuta und chronica, Arthriten, Periostitis und Exostosen. Auch 
bei Lymphadenitis, Neubildungen, Hasen- und Piephacke, Rehbein, 
durchgehender Sprunggelenksgalle bewähren sich diese Ein¬ 
reibungen fast ausnahmslos, falls der Fall überhaupt kurabel 
ist. Häufig ermöglicht das Jodvasogen, eine Scharfsalbe zu 
umgehen, und ist dabei sicherer und ungefährlicher (auch 
weniger empirisch) in seiner Wirkung. Bei rechter Anwendung 
gehen die Haare an der Stelle nicht nur nicht aus, sondern 
zeigen zuweilen sogar üppigeren Wuchs als spezifische Jod¬ 
wirkung. Starkes Reiben ist übereifrigen Tierbesitzern zu 
widerraten, dagegen verbinde ich je nach Sachlage die Kur 
vorteilhaft mit leichter oder auch energischer Massage. 

Besonders günstige Resultate erzielte ich in zwei fast 
gleichzeitigen, bereits von anderen Seiten 5 bezw. 6 Wochen 
vergeblich behandelten Fällen beim Pferde. Die Tiere belasteten 
den linken bezw. den rechten Vorderfuß fast gar nicht freiwillig. 
Ausbildung eines Bockfoßes, Beugesehnen am Metacarpus ver¬ 
dickt, wenig schmerzhaft und z. T. mit einander verwachsen. 
Bei dem einen der Patienten bestand das Grundleiden in einer 
Entzündung der Hufbeinbeugesehne im oberen Drittel. Bei 
dem anderen war der ganze Fuß in toto auf den doppelten 
Umfang verdickt, woran Haut, Unterhaut, Sehnen und Sehnen¬ 
scheiden, Bänder und der Knochen selbst Anteil nahmen. Die 
Sehnen waren in ihrer ganzen Ausdehnung von der Vorderfu߬ 
wurzel bis zum Fessel verdickt, wenig resp. gar nicht gegen 
einander verschiebbar (verwachsen) und schmerzlos. Über dem 
Fesselgelenk befand sich lateral eine feigengroße, sehr schmerz¬ 
hafte, harte Knochenauftreibung. Ich verordnete V 2 stündige 
lauwarme Kreolin-Bäder, gefolgt von warmen Packungen, kombi¬ 
nierte letztere dann mit Jodvasogen-Massage, wechselte später 
mit Prießnitz-Umschlägen und 5—10 Minuten Bewegung unter 
Beibehaltung des Vasogens und konnte den einen Patienten 
bereits nach 5, den letzteren allerdings erst nach 8 Wochen 
wieder in Dienst stellen. Bis auf eine geringe Sehnenverdickung 
und etwas stärkeren Haarwuchs an der Stelle zengt nichts 
mehr von dem überstandenen Leiden. Eine genaue Schilderung 
des Kurganges ist für analoge Fälle wertlos, weil die Behand¬ 
lung sich lediglich symptomativ nach dem jeweiligen Stande 
des Leidens richten muß. Wichtig ist, den Patienten nicht aus 
den Augen zu lassen, sowie eine zweckmäßige und kunstgerecht 
ausgeführte Massage. Reizerscheinungen hatte die inten¬ 
sive Jodverwendnng nicht zur Folge. Auch eine hart¬ 
näckige, bisher jeder Behandlung spottende Schnabelflechte 
eines Kanarienvogels heilten 2 tägliche Pinselungen mit 
Jodvasogen, 6 Proz., prompt in 2 Wochen reizlos. Ein Rezidiv 
wich der gleichen Behandlung, und die Federn stellten sich 
üppiger als vordem ein. 

Innerlich verabreicht ziehe ich das 10 Proz. Jodvasogen 
dem Jodkali bei der Aktinomykose vor, weil die üblen 
Begleiterscheinungen fehlen. In 6 der behandelten Fälle schien 
es mir der bisherigen Behandlung gegenüber auch wirkungs¬ 
voller. Man führt dem Organismus ja durch das Jodvasogen 
freies Jod unmittelbar zu, während es aus dem Jodkali erst 
abgespalten werden muß. Ich lasse täglich einen Eßlöffel voll 
in Leinsamenschleim verabreichen. Die äußerlich erreichbaren 
Neubildungen werden täglich 1 mal mit dem Mittel eingerieben, 
aktinomykotische Hautwunden gepinselt. Weder die Milch¬ 
ergiebigkeit noch die Mastfähigkeit der Tiere erlitten dabei eine 


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304 


Einbuße. In einem Falle von exzessiver Holzzange einer 
Kuh, welche nur noch im stände war, flüssige Nahrung zu sich 
zu nehmen, erlangte ich probeweise allein durch tägliche 
Pinselungen mit lOproz. Jodvasogen ohne Skarifikation 
in 3 Wochen völlige Abschwellung. Schwellungen, welche die 
Pinselungen der Zunge mit der reizenden Jodtinktur lebens¬ 
gefährlich machen können, habe ich hierbei nie beobachtet. 
Übrigens kann ich mit Schmaltz (B. T. W. 1902, 27) das 
Jod gleichwohl nicht als ein Speziiiknm gegen den Erreger 
der Aktinomykose ansehen. Gerade je vollkommener die Heilung 
ist, um so weniger sind die Besitzer geneigt, dem gegebenen 
Rat entsprechend ihre Tiere zu mästen und zu schlachten. 
Wie vorausgesagt, sah ich diese fast alle nach ca. 12 Monaten 
mit den nämlichen Affektionen der Drüsen, der Haut oder der 
Zunge wieder. Letzthin wurde sogar ein Fall zum 3. Male 
erfolgreich von mir mit Jodvasogen behandelt. Bei Morbus 
maculosu8 habe ich Jodvasogen per os nicht versucht, da ich bei 
intravenösen Gaben von Arg. colloid., wenn sie nur häufig genug 
wiederholt wurden, befriedigende Ergebnisse zu verzeichnen 
hatte (cf. Straube, Ztschr. f. Vetk. 1902, 2). 

Doch auch von Angriffen sind die Vasogene nicht ver¬ 
schont geblieben. Dieselben stammen in erster Linie von 
Theoretikern her, welche das Vasogen zu einem „unpraktisch 
zusammengesetzten' 1 Gemisch von Paraffin mit Ölsäuren stempeln 
möchten, wozu sie eine ganze Menge natürlich weit wissen¬ 
schaftlicherer Rezepte angeben. Aus diesen Arbeiten selbst 
erhellt jedoch, daß alle die Nachahmungen das Vasogen 
nicht erreichen, und daß Mißgunst Anlaß zu den Angriffen 
gegeben hat. In der sehr eingehenden Arbeit von Welmans: 
„Über Vasogene und Vasolimente, kritische Studien“ (Pharm. 
Ztg. 1902, No. 39) heißt es, daß das Paraffin im Vasogen die 
Löslichkeit der Arzneimittel sehr erschwere, die Lösungsfäbigkeit 
deshalb gar nicht so vorzüglich sei, wie angegeben wurde, 
— „falls das Vasogen Paraffin enthält“! Ich habe in diesen 
Artikeln nur Empfehlungen erblicken können. 

Seitens der Praktiker werden die Nachrichten über Mi߬ 
erfolge immer seltener, die Erfolge aber auf immer weiteren 
Gebieten geerntet. Das mag daher kommen, weil man die 
Wirkungsgrenzen genauer kennen gelernt hat, denen ja jedes 
Mittel unterworfen ist. Jedenfalls kann ich auf Grund meiner 
Ausführungen die Vasogen-Präparate den Herren Kollegen an¬ 
gelegentlichst empfehlen, denn über den Wert eines Heilmittels 
entscheidet die Praxis und nicht die Theorie. Warnen möchte 
ich jedoch vor den vielfachen mehr oder minder wertlosen 
Nachahmungen, welche manche Apotheken nicht allein unbe- 
fugterweise in Verkehr bringen, sondern sogar verabfolgen, wenn 
das Rezept z. B. ausdrücklich lautet: 

Rp. Vasogen. jodat. 6% 

(Orig.-Packung Pearson-Hamburg) 100,0. 

S. Innerlich . . . 

Man bemerkt solche Unterschiebungen bald an ihrer 
Wirkung. Aber auch ohne Fälschung besteht in den Apotheken 
wenig Neigung zu Original-Packungen. Ich bin überzengt, 
daß die Ursache dazu in dem aufgedruckten Preise zu suchen 
ist. Für 100 gr Orig.-Pack, ist der Ladenpreis 2,50 Mk., der 
Bezugspreis für Apotheker und Tierärzte 1,50 Mk. Ich habe 
es aber u. a. erlebt, daß ein Apotheker weit mehr als das 
Doppelte des Selbskostenpreises verlangte, auf die Vorhaltung 
des Besitzers erklärte, billiger könne er nicht liefern, und 


No. 19. 


schließlich statt der verlangten Original-Packung ein Präparat 
dispensierte, welches nach Wirkung, Geruch und Geschmack 
eine Nachahmung war. Ob nicht auch manch angeblicher Mi߬ 
erfolg mit Vasogen-Präparaten auf das Konto solcher Doppel¬ 
gänger gehört? 

Wenn ich des weiteren nun noch einmal auf das BOUFORMIN 
zurückkomme (cf. B. T. W. 1901 No. 23), so hat das seinen 
mehrfachen Grund. Zunächst hat sich dies Wundstreupulver 
im Verlauf der verflossenen zwei Jahre stets bewährt, und 
mache ich reichlichen Gebrauch von demselben. Ohne die früher 
genügend gegebene Kasuistik durch neue Fälle vermehren zu 
wollen, halte ich es doch für notwendig, von neuem darauf zu 
verweisen, daß das Boliformin bei oberflächlichen Läsionen 
zu verwenden ist, bei Ekzemen und Exanthemen, vorzüglich in 
ihren nässenden Formen, bei Dermatitis gangraenosa, D. com¬ 
bustionis, den verschiedenen Maukeformen und bei granu¬ 
lierenden Oberflächenwunden. Dann tritt seine intensiv aus¬ 
trocknende und antiseptische Wirkung klar zu Tage. Ich Labe 
in meinen damaligen Ausführungen ausdrücklich erklärt: „In der 
Tiefe der Gewebe halte ich die Anwendung unlöslicher Pulver 
für kontraindiziert, solange ihre chemische Umwandlung zu 
resorbierbaren Körpern durch die lebende Zelle oder deren 
Produkte nicht nachgewiesen ist. Dahingehende Versuche habe 
ich deshalb in meiner Praxis nicht angestellt.“ Vor Drucklegung 
konnte ich in einer Fußnote noch hinzufügen, daß sich das 
Boliformin in der Tat als „nicht resorbierbar“ herausgestellt 
hätte. Nun ist mir bekannt geworden, daß das Boliformin 
mehrfach bei frischen, tiefgehenden Wunden, natürlich meist 
ohne befriedigenden Erfolg verwandt wurde und damit stellen¬ 
weise seine Wertschätzung von vornherein eingebüßt hat, so- 
daß es nicht wieder aufgenommen worden ist. 

Ferner habe ich mich überzeugen müssen, daß die Ver¬ 
bindung, längere Zeit ohne Verschluß aufbewahrt, nicht be¬ 
ständig bleibt, sondern daß langsam Methylaldehyd frei wird. 
Zwar wird dem Präparat vor dem Versand ein Ueberschuß 
desselben zugefdhrt, es verliert aber desungeachtet mit der Zeit 
an baktericidem Wert. Bei offener Aufbewahrung und seltenem 
Gebrauche hat das Boliformin deshalb hier und da nicht den 
Erwartungen entsprochen. Ich selbst habe es nur in dichten 
Blechbüchsen gehalten und abgegeben. Der Fabrikant war 
bisher nicht zu bewegen, seinerseits geeignete Streubüchsen 
einzuführen. 

Die Beachtung dieser beiden Punkte dürfte Mißerfolge 
verhüten. 


Aus der Praxis. 

Beitrag zur Rotlaufimpfung 1902. 

Von 

Teetx-Warin (Meck!.). 

Tierarzt. 

Rotlaufimpfangen nehme ich seit dem Jahre 1894 vor. Ich 
impfe zuerst nach Pasteur, dann mit Landsberger Serum, 
Susserin, bis ich besonders 1902 ausschließlich Prenzlauer Serum 
benutzte. Im Sommer 1902 impfte ich insgesamt 2200—2300 
Schweine jeden Alters. Es handelte sich in 2 /g der Ortschaften 
um Notimpfang, sonst um Schutzimpfung und in nicht vielen 
Fällen um Heilimpfiing. 


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7. Mai 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


305 


Der Rotlauf trat zuerst auf, resp. wurde ich zuerst requiriert 
nach der Frohnerei bei S., gut 1 km von der Stadt entfernt, 
wo binnen zwei Tagen angeblich sechs Schweine eingegangen waren. 
Der Frohner hatte schon eine Zeitlang vorher täglich regel¬ 
mäßig zahlreiche Schweinekadaver aus der Stadt und Umgegend 
zur Frohnerei geholt und etwa 15—20 Schritte von seinem 
Schweinehause entfernt verarbeitet. Der Hof ist zum Schweine¬ 
hause leicht abfallend, und es ist daher wohl verständlich und 
erklärlich, daß, abgesehen von der Tätigkeit der Ratten, bei 
Regenwetter und durch die Stiefel des Futterers Ansteckungs- 
Btoff in das Schweinehaus verschleppt wurde. Der Schweine¬ 
bestand dieser Frohnerei betrug fortwährend circa 100 Köpfe 
im Gewichte von 150—250 Pfund pro Tier. Das Sterben hörte 
nach der Impfung, die ich hier getrennt mit 4 Tagen Zwischen¬ 
zeit vornahm, sofort anf. Der Stall war sehr schmutzig, ohne 
jede Streu, sodaß bei 5 Tieren mehr oder weniger starke 
Schwellung der Ohren eintrat und eins nach 3 Wochen an den 
Folgen des Einstichs (Phlegmone mit Vereiterung der Hals- und 
Bugdrüsen) einging. 

In der Stadt S., wo es sich im wesentlichen um Not¬ 
impfung handelte, da vor der Impfung schon etwa die Hälfte 
sämtlicher Schweine über die ganze Stadt zerstreut eingegangen 
waren und Todesfälle täglich noch reichlich vorkamen, wurde 
mit der Impfung Mitte Juni begonnen. Es wurde trotzdem nur 
Simultanimpfung vorgenommen. 

Von den geimpften Tieren ist auch nicht ein einziges an 
Rotlauf eingegangen. Bei einem Schweine, dessen Buchtgenosse 
einige Minuten vor meinem Eintreffen eingegangen war, sollen 
sich trotz reichlicher Serumdosis Gelenkschwellungen eingestellt 
haben, sodaß es nach einigen Wochen zur Schlachtung verkauft 
wurde. Die Heilimpfung hatte bei einigen offensichtlich er¬ 
krankten Schweinen, die aber noch keine Hautrötung zeigten, 
glatten Erfolg. Ein etwa 320 Pfund schweres Schwein in 
einem sehr reinlichen Stalle eines Bahnwärters außerhalb der 
Stadt erhielt Serum nur für 220 Pfund Gewicht, da nach einer 
Impfung von etwa 200 an einem Tage mein Vorrat damit er¬ 
schöpft war, während sein reichlich so schwerer Buchtgenosse 
gerade noch die vorgeschriebene Dosis erhalten hatte. Der 
Letztere blieb gesund. Bei dem ersteren jedoch stellte sich 
am nächsten Tage vollständige Appetitlosigkeit, Verkriechen in 
der Streu und vollständige Teilnahmlosigkeit ein. Am zweiten 
Tage nach der Impfung fand ich an der Impfstelle hinter dem 
Ohr eine sehr heftige, runde, etwa 1 Fuß Durchmesser haltende 
Schwellung der Haut vor. Nach einigen Tagen bildete sich 
eine demarkierende Zone, wiederum einige Tage später konnte 
ein nekrotischer Hautlappen obiger Größe in toto von der Unter¬ 
haut abgezogen werden. Das Schwein wurde, was mir sehr an¬ 
genehm war, gesund. 

Ich gebe in der Regel reichliche Serumdosen, bis 40 Pfund 
Lebendgewicht mehr als vorgeschrieben; nur in diesem Falle 
wich ich notgedrungen davon ab, was sich sofort rächte. Ferkel, 
auch wenn sie nur 8 Pfund wogen, haben nie Serum unter 
30 Pfund erhalten; wogen sie 18—20 Pfund, so erhielten sie 
auf 60—75 berechnet. Diesen hohen Serumdosen schreibe ich 
es zu, daß mir auch nicht ein einziges Mal Mitteilung von 
Erkrankungen oder Verkümmern der Ferkel nach der Impfung 
gemacht wurde. Gerade bei diesen kommt es bei dem schlaffen 
Unterhautgewebe und der dünnen Haut, wenn man einigermaßen 
schnell arbeitet, sehr häufig vor, daß sich aus der Stichwunde 


Serum zurückentleert. Gerade bei Ferkeln tut man daher gut, 
durch Compression resp. Verschieben der Haut an der Stich¬ 
öffnung einen Verschluß herbeizufdhren. 

Das Gut Wa hatte 3 Abteilungen Schweine. 

I. Fettschweine und Säue mit Ferkeln im Schweinehause. 

II. Pölke auf dem Felde, die nachts in eine Bucht des 
Gutshofes getrieben wurden. 

in. Ferkel im alten Schafstall. In Summa 140 Tiere. 

Ich impfte Abteilung I und HI durch Injektion von Serum 
und Kultur hintereinander folgend. 

Als ich bei 5 Pölken der Abteilung ü ebenso verfahren 
hatte, fiel mir auf, daß diese Tiere nicht schrieen, was sie doch 
sonst zu tun pflegen, wenn sie an den Ohren gegriffen werden. 
Durch eindringliches Nachforschen bei der Hilfsmannschaft 
erfuhr ich nun, daß von diesen Pölken in den letzten Tagen 
8 krepiert seien. Daraufhin zog ich es vor, die Injektion von 
Serum und Kultur getrennt vorzunehmen. Drei dieser Pölke 
waren offensichtlich tüchtig krank; eins lag fortwährend in der 
Streu verkrochen und konnte nur mit vieler Mühe hochgetrieben 
werden. Diesen wurde Heildosis und dem ganzen Reste doppelte 
Sernmdosis gegeben. Sämtliche Tiere wurden gesund. 

Weil ich immer höhere Serumdosis gebe als vorgeschrieben, 
lasse ich mir für jede Impfung etwas mehr zahlen, als die 
Konkurrenz. Die Besitzer zahlen den Aufschlag gerne, weil sie 
Mißerfolge noch nicht gesehen haben, wie sie unten beschrieben 
in verschiedenen Gegenden Mecklenburgs vorgekommen sind. 

In dem betreffenden Orte war etwa 3 Wochen vorher die 
Rotlaufimpfung bei den Schweinen der kleinen Leute (Tage¬ 
löhner, Häusler u. s. w) und zwar angeblich mit Landsberger 
Serum vorgenommen worden, weil angeblich zwei Schweinchen 
an Rotlauf erkrankt, resp. eingegangen sein sollten. Es ist 
nicht ausgeschlossen, daß der Ansteckungsstoff beim Treiben 
durch das Dorf von den Pölken Abteilung H aufgenommen 
wurde; obgleich man auch (siehe unten) findet, daß ungeimpfte 
Tiere ruhig mit geimpften in demselben Stalle sein können, 
ohne krank zu werden. 

Hervorzuheben ist noch, daß von etwa 100 mit Landsberger 
Serum geimpften Schweinen eine ganze Anzahl erkrankt sein 
soll; wie mir von an der Impfung Beteiligten mitgeteilt wurde 
(Tagelöhner, die bei der Impfung auf dem Gute zur Hülfe 
gestellt wurden) von 100 etwa 80 allein in diesem Dorfe. Die 
Erkrankung war verschieden hochgradig und zeigte sich als 
Appetitlosigkeit auf 1 Tag bis zu Gelenkerkrankungen, 
Lähmungen und Todesfällen. Wie mir der betr. Kollege, der 
die Impfung gemacht hatte, erzählte, wurden aber nur drei 
Todesfälle entschädigt, von wem, wurde mir nicht gesagt. 

Vielleicht mögen die Schweine schon latent krank gewesen 
sein; vielleicht bestand auch chronische Schweineseuche; viel¬ 
leicht mag, was ich aber durchaus nicht behaupten will, auch 
das Serum etwas geringwertiger oder älter gewesen oder die 
Kulturen besonders stark gewesen sein; wer kann’s wissen, 
wenn man nicht die Ergebnisse der Impfung von andern 
Gegenden mit dem an demselben Tage abgegebenen Serum und 
Kulturen vor sich hat? Leicht können aber auch durch zu 
niedrige Schätzung des Gewichts und daraus folgender zu geringer 
Serumdosis derartige die Impfung im Publikum sehr schädigende 
Zufälle eintreten. Auch hier kommt es auf den praktischen 
Blick an. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


Auf den Gätern Wc., K., S., G. und anderen (Schutzimpfung) 
impfte ich Ende September außer den anderen Tieren nur 
Ferkel über 10 Tage und Säue, die nicht 10 Tage vor oder 
nach der Geburt sich befanden. Da mittlerweile recht kaltes 
Wetter im Oktober eintrat, unterließ ich die Impfung der 
Restanten überhaupt. 

Es ist mir nicht bekannt geworden, daß eine der nicht 
geimpften Säue oder Ferkel bis jetzt, Ende Februar 1903, an Rot¬ 
lauf erkrankt sei. 

In dem Dorfe P. impfte ich an dem einen Tage nur etwa 
die Hälfte der dort befindlichen Schweine, weil die Einwohner, 
denen die Impfung etwas Neues war, an einen Erfolg nicht 
recht glaubten; auch war ihnen Kenntnis gekommen, daß in 
dem großen Nachbardorfe Wi. und Wa. zahlreiche Erkrankungen 
nach der Impfung vorgekommen waren. 

Etwa 12 Tage später wurde ich dringend aufgefordert, 
schleunigst den ganzen Restbestand des Dorfes dnrchznimpfen, 
weil sich gezeigt hatte, daß von den hier mit Prenzlauer Serum 
geimpften Schweinen auch nicht ein einziges erkrankte, während 
von den nicht geimpften täglich ebenso viele eingingen als 
vorher. Rotlauf war in dem Orte amtlich festgestellt. 

Bei einem wohlhabenden Besitzer eines Ortes machte ich 
versuchsweise die Simultanimpfung bei einer Muttersau, die 
5 Tage vorher geferkelt hatte. Das Tier erkrankte unter 
heftigen Atembeschwerden am zweiten Tage; soll sich aber 
nach einigen Wochen wieder erholt haben. (Akute Schweine¬ 
seuche?) 

Ich unterschied bisher streng die durch den Rotlaufbazillus 
verursachten Krankheiten in Rotlauf und Nesselfieber und hielt 
bei dieser Unterscheidung die Rotlanfform, bei der ich rauten¬ 
förmige Erhabenheiten in der Haut fand (Urticaria) für nicht 
tödlich. Ich bin aber jetzt eines anderen belehrt worden. 

Bei dem Gastwirt S erkrankte eine Sau an den charak¬ 
teristischen erhabenen rautenförmigen Backsteinblattern und etwas 
Hautrötung am Bauch und Unterbrust. (Mischform!). Die Sau, 
die am Morgen dieses Tages geferkelt hatte und jetzt dreifache 
Serumdosis erhielt, starb nach 3 Tagen. Bei dem Maurer K. 
in B. wurde mir ein großes Schwein anscheinend mit Rotlauf 
gezeigt; das Tier taumelte schon; auch war der Körper zum 
größten Teil an Bauch, Brust und Kehle gerötet. Heilimpfung 
ohne Kultur hatte, wie zu erwarten, Erfolg nicht mehr. So¬ 
bald Hautrötung eingetreten ist, spare man das Serum lieber; 
es kommt doch nicht mehr zur Wirkung. 

Der Buchtgenosse dieses Schweines hatte zu derselben Zeit 
regelrechte Backsteinblattern. Wir haben hier also einen aus 
der Praxis ohne Mikroskop bestätigten Fall, daß ans einem 
Rotlauffall durch Ansteckung bei einem zweiten Tiere Urticaria 
entstehen kann, wenn wir nicht einen großen Zufall heran¬ 
ziehen wollen, was ja jetzt nach Festlegung desselben Erregers 
als Ursache nicht gerechtfertigt ist. 

Dies Schwein erhielt doppelte Serumdosis und wurde gesund. 
Zwei in demselben Stall befindliche Schweine wurden regel¬ 
mäßig geimpft und erkrankten nicht. 

Daß Nesselfieber, oder genauer gesagt eine Mischform 
zwischen Nesselfieber und Rotlauf, anstecken und tödlich sein 
kann, beweist folgender Fall: 

Ein Bote des Revierförsters Z. kommt mit dem Auftrag, 


No. 19. 

ein Abführpulver zu holen für ein Schwein, das seit 3 Tagen 
Feuer hätte und nun verstopft sei. Hier kennen die Leute fast 
nur zwei Krankheiten beim Schwein: Verstopfung und Feuer. 
Ich mache den Boten darauf aufmerksam, daß eine Untersuchung 
des Schweines sehr wichtig sei, da vielleicht Rotlauf vorliege, 
gebe ihm aber 2 g Kalomel mit, das mit Sirup auf die Zunge 
gestrichen werden soll. Am nächsten Tage kommt derselbe 
Bote, ich möchte sofort hinkomraen: das erste Schwein, eine 
grob tragende Sau, sei tot und ein großes Fettschwein krank 
geworden. 

Bei meinem Eintreffen finde ich am Kadaver die rauten¬ 
förmigen, aber nicht sehr zahlreichen erhabenen Backsteinblattern, 
untermischt mit runden blauroten Flecken und Hautrötung an 
der Kehle, Unterbrust und Bauch; also auch hier eine Misch¬ 
form zwischen einer Urticaria und Rotlauf. 

Bei dem neu erkrankten 250 Pfund schweren Buchtgenossen 
ist die ganze Haut mit Backsteinblattern übersät und zwar so 
dicht über den ganzen Körper, wie ich es nur sehr selten ge¬ 
sehen habe. Dies Schwein erhielt einfache Serumdosis; der 
Restbestand, Fettschweine und Pölke, wnrde sofort mit Serum 
und Kultur durchgeimpft und ist eine Erkrankung bei keinem 
weiteren Tiere eingetreten. 

Aus obigen herausgegriffenen Fällen sehen wir, daß wir 
beim akuten Rotlauf drei Formen unterscheiden müssen: 

1. Rotlauf (Körperrotlauf, Innenrotlauf mit Rötung der Haut). 

2. Nesselfieber (Urticaria mit rautenförmigen Erhabenheiten 
der Haut, Hautrotlauf). 

3. Mischform zwischen 1 und 2. 

Auch geht aus obigen Ausführungen hervor, daß Säue um 
den Zeitpunkt der Geburt herum gegen die Impfang resp. den 
Rotlauf in jeder Form außerordentlich empfindlich zu sein 
scheinen, sodaß man wohl überlegen muß, ob man um die Ge- 
bnrtsperiode herum Säue impfen soll oder nicht, wie ja auch 
bekannt. Eine Schutzimpfung wird meines Erachtens nach in 
diesen Fällen besser unterlassen, und zwar so lange, bis mindestens 
10 Tage nach der Gebart verstrichen sind; eine Notimpfang 
wird gemacht werden können unter Aufklärung des Besitzers 
über die ev. Gefahr und mit getrennter Injektion; eine Heil¬ 
impfang ist besser za unterlassen; denn 

a) eine Heilimpfung bei reinem Hautrotlanf (Urticaria) ist 
überflüssig, nach Analogie von nicht um die Geburtsperiode 
herum stehenden Schweinen; 

b) bei Innenrotlauf und daher auch bei gemischter Form 
(Haut- und Körperrotlauf) ist zwecklos, da um die Geburt herum 
befindliche Säue doch eingehen und die Heilimpfung daher nur 
in Mißkredit bringen. 

Eine Heilimpfung ist bei allen Schweinen (auch bei nicht 
trächtigen Säuen) unbedingt zu verwerfen, sobald schon Haut¬ 
rötung eingetreten ist; denn Schweine in diesem Rotlaufstadium 
gehen trotz 4facher nnd höherer Serumdosis doch ein, wie ich 
an einer größeren Versuchsreihe gesehen habe. 

Was die Prognosis bei den verschiedenen akuten Formen 
des Rotlaufs anbelangt, so ist ja bekannt, daß wir diese beim 
Körperrotlauf als ungünstig, beim Hautrotlauf (Urticaria) als 
gut stellen, bei der Mischform dagegen als zweifelhaft zu stellen 
gezwungen sind. 


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7. Mai 1903. 


307 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


Referate. 

Zur Behandlung des Überkötens. 

Von Caillibaud-S. Sulpicc. 

(Revue v6t Januar 1903). 

Eine 12jährige Stute ist vorn rechts so stark iiberkötig, daß 
sie dem Metzger ausgeliefert werden soll. Die Lahmheit besteht 
schon seit achtzehn Monaten: das Aufstützen selbst ist äußerst 
schmerzhaft, die Bengesehnen so stark verkürzt, daß ein Strecken 
absolut unmöglich ist; Ursache des Leidens ist Schale. C. kaufte 
das Pferd zu Versuchszwecken und nahm, um die ursprüngliche 
Ursache zu heben, zunächst die Neurektomie beider Plantarnerven, 
sodann den Sehnenschnitt der Huf- und Kronbeinbeugesehnen 
vor. Zur Richtigstellung des Fesselgelenks war eine vertikale 
Stange an das Eisen geschweißt worden und wurde um dieselbe 
mit stärkerem Zuge nach rückwärts ein Verband angelegt. Dieser 
Verband wurde täglich erneuert. Der Erfolg war jedoch gleich 
Null, die Köte blieb gerade, das Aufstützen eher noch schmerz¬ 
hafter. 

In der Idee, daß der Schmerz seinen Sitz in der Sehnen¬ 
region habe, wurde am 4. Tage die Neurektomie des Mediannerven 
vorgenommen und neuer Druck ausgetibt, um die Köte nach rück¬ 
wärts zu bringen. Diesmal war die Behandlung mit Erfolg 
begleitet und gelang es, die Fessel in die Verlängerung des 
Schienbeins zu bringen, das Tier stützte gut auf, die Lahmheit 
war unbedeutend. Acht Tage später konnte das Tier den Tag 
über auf der Weide bleiben und war das Überköten vom 
zwanzigsten Tage an vollständig beseitigt und keine Lahmheit 
im Schritt mehr zu bemerken. Vorsichtshalber blieb der Apparat 
noch vierzehn Tage liegen. 

45 Tage nach der am 13. November 1901 vorgenommenen 
Operation wurde das Pferd mit gewöhnlichen Eisen beschlagen 
und in leichten Dienst genommen, vierzehn Tage später wurde 
es zum Pflügen verwendet. Seitdem hat es nicht mehr gelahmt. 

Zündel. 

Die Vasogenpräparate in der tierärztlichen Praxis. 

Von Allan Höljer. 

(D. th. W. 1902. No. 18.) 

Verfasser hat mit einer Reihe von Vasogenpräparaten Ver¬ 
suche angestellt und teilt die dabei in der Praxis gemachten 
Erfahrungen an der Hand einer größeren Zahl von Fällen mit. 

Zur Verwendung gelangten: 1. Jodoform-Vasogen, 2. Jod- 
Vasogen, 3. Pyoctanin-Vasogen, 4. Kreolin-Vasogen, 5. Kampfer- 
Chloroform-Vasogen, 7. Ichthyol-Vasogen, 8. Quecksilber-Vasogen, 
9. Vasogenum-purum spissum. 

Es ist nicht möglich, hier im Referate auf die einzelnen 
Fälle einzugehen. Die Leser werden gebeten, zu diesem Zwecke 
die Originalarbeit zu lesen. Jedoch möge das Schlußurteil des 
auf eine reiche Erfahrung gestützten Verfassers hier Platz 
Anden. Höljer betont, daß er selten mit therapeutischen 
Präparaten Bekanntschaft gemacht habe, die in solchem Grade, 
wie die Vasogenpräparate wert sind, in der Veterinärpraxis 
die ausgedehnteste Anwendung zu finden. Ihre Fähigkeit, leicht 
und tief in die von der Krankheit angegriffenen Teile ein¬ 
zudringen, die Leichtigkeit, womit sie vom Organismus im all¬ 
gemeinen resorbiert werden, ihre aufweichende und heilende 
Wirknng auf die Haut, die sie nicht einmal dann reizen, wenn 
die Haut schon vorher angegriffen ist, oder wenn sie selbst 
hautreizende Mittel enthalten, sprechen ebenfalls sehr zu ihrem 


Vorteil, wie auch der Umstand, daß sie so bequem appliziert 
werden können. Dabei verringern sie den für manche unan¬ 
genehmen Geruch mancher Mittel (Kreolin, Jodoform) und eignen 
sich sowohl zu äußerem wie innerlichem Gebrauch. 

Nevermann. 

Bericht über die 

weiße Ruhr und die Lungenentzündung bei Kälbern. 

Von A. E. Mettam. 

(The Vetoriuaria» 1902. Vol. LXXV, No. 894—897 ) 

Verf. war mit dem Colonel Steel und Mr. Ryan an den 
Untersuchungen über die Kälberruhr beteiligt, die Nocard im 
Aufträge der Regierung in der Provinz Munster voi genommen hat. 

Während Nocard die bakteriologischen Arbeiten ausfuhrte 
und im Laboratorium verblieb, reiste M. in Begleitung von Steel 
oder allein auf dem Lande umher, um erkrankte Kälber zu 
untersuchen, Obduktionen zu machen und für das Laboratorium 
Material zusammenzutragen, 

M. stellte auf diesen Ausflügen fest, daß die Kälbersterblich¬ 
keit 20—90 Proz. betrug. Die Mehrzahl der Kälber geht in der 
ersten Lebenswoche, und zwar vom 2. bis 5. Tage nach der 
Geburt ein. Es kommen auch noch später Todesfälle vor, indes 
findet man selten Kälber mit der Krankheit behaftet, die älter 
als 14 Tage sind. Die Landwirte wissen, daß diejenigen Kälber, 
welche die weiße Ruhr überstanden haben, später an Lungen¬ 
entzündung zu Grunde gehen können. M. konnte in der 
Tat nachweisen, daß diese als eine Komplikation der Krankheit 
zu betrachten ist. Bei jedem Kalb, das im letzten Stadium der 
Ruhr starb oder getötet wurde, fanden sich Hämorrhagien, 
hämorrhagische, pneumonische Herde von der Größe eines Steck¬ 
nadelkopfes bis zu einer Walnuß und darüber, oder kollabierte 
Partien. Bei Kälbern, welche die ersten beiden Wochen über¬ 
leben, bilden die affizierten Stellen kleine, gelbliche Herde, die 
in der Erweichung begriffen sind. Dieselben fließen allmählich 
zu größeren erweichten Massen zusammen, so daß bei Kälbern, 
die ein bis zwei Monate gelebt haben, zahlreiche Kavernen vor¬ 
handen sein können, die mit mörtelartigem Eiter angefüllt sind. 
In der Umgebung dieser Herde entwickelt sich eine interstitielle 
Pneumonie, welche den Erweichungsprozeß zu lokalisieren bestrebt 
ist. Gelingt die Abkapselung, so können solche Kälber genesen. 

Die Erscheinungen der Kälberruhr in ihren verschiedenen 
Stadien hat M. genau beschrieben. Außer den zuerst und 
konstant vorhandenen diarrhoischen Entleerungen und Fieber¬ 
erscheinungen beobachtete er später noch Komplikationen mit 
Gelenkentzündungen, Gehirnsymptomen und Ulzeration oder 
Nekrose. Letztere erstreckten sich hauptsächlich auf die weichen 
Gewebe des Maules. 

Der pathologisch-anatomische Befund bietet das Bild einer 
Septikämie und akuten Infektion des Blutes dar. Die Läsionen 
sind bei allen Kälbern, die innerhalb 2—8 Tagen an der Ruhr 
sterben, gleicher Art: Verdickung des Nabels und der Nabel¬ 
schnur. Nabelgefäße mit Thromben angefüllt, die im Zerfall be¬ 
griffen sind. Petechien und Ekchymosen auf der Blasenschleim¬ 
haut, am Netz, Peritoneum, in der Schleimhaut des 4. Magens 
und des Dünndarmes; die mesenterialen Lymplidrüsen vergrößert, 
saftreich und zuweilen mit kleinen Hämorrhagien durchsetzt. 
Milz und Pankreas nicht wesentlich verändert, Leber und Nieren 
geschwollen. Schleimhaut der Harnblase verdickt und mit 
Petechien besetzt. Hämorrhagien im Endo- und Myokardium. 


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308 


In dem ersten Stadium der Krankheit sind die Lungen 
meist noch nicht ergriffen; später zeigen sie die bereits erwähnten 
Läsionen. 

Die in den späteren Krankheitsstadien vorkommenden Ver¬ 
änderungen (Kavernenbildung in den Lungen, Gelenkerkrankung, 
Nekrose der Manischleimhaut) sind sekundärer Natur, die sich 
in den durch die Krankheit geschwächten Geweben etablieren. 

Aus seinen Untersuchungen folgert der Verf., daß der 
Infektionsweg bei der Kälberruhr durch den Nabel geht. In 
einigen Fällen ist der Infektionsstoff so virulent, daß die Kälber 
innerhalb 24 bis 36 Stunden sterben, weshalb sich die Meinung 
gebildet hat, daß dieselben schon bei der Geburt infiziert seien. 
Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Einwanderung des Krank¬ 
heitskeimes schon bei der Passage durch die Geburtswege er¬ 
folgen kann, da hier immer Mikroorganismen eine Herberge 
finden. In der Mehrzahl der Fälle vergehen 2 bis 3 Tage, ehe 
sich die Krankheit bemerkbar macht. 

Nach der Entstehungsgeschichte der Kälberruhr läßt sich 
dieselbe nur durch gründliche Desinfektion des Nabels gleich 
von der Geburt an prophylaktisch bekämpfen. 

Ein Beitrag zur Kenntnis der Eitererreger des Rindes. 

Von Professor Dr. 0. Künnemann-Breslau. 

(Archiv für wissenschaftliche und praktische Tierheilkunde, 29. Band, I. und 2. Heft.) 

Bisher sind eingehende Untersuchungen über die Eiter¬ 
erreger beim Rinde nur von Luc et und de Jong gemacht. 
Dieselben haben ergeben, daß die im Eiter des Menschen ge¬ 
fundenen Eitererreger im Eiter des Rindes fast niemals vor¬ 
handen sind, sondern durchweg andere Bakterien, seltener in 
Reinkultur, als vielmehr häufiger mit anderen zusammen. 
K. erhielt bei einigen von ihm angestellten Untersuchungen 
von Rindereiter Befunde, welche sich mit denen Lucets nicht 
zu decken schienen. Er stellte daher eine Nachprüfung an, die 
folgende Ergebnisse hatte: 

Die in der Leber des Rindes nicht selten sich findenden 
multiplen, abgekapselten, häufig grünlich gefärbten 
Abszesse verdanken ihre Entstehung dem Nekrosebazillus, 
der sich immer, wenn auch nur in geringer Zahl, darin nach- 
weisen läßt. 

Die eitrige Pyelonephritis des Rindes ist charakterisiert 
durch eine in den eitrigen Produkten und im erkrankten Nieren¬ 
gewebe konstant sich in großer Zahl vorfindenden von Enderlen 
B. venalis bovis, von Höflich B. pyelonephritidis booum 
genannten, spezifischen Mikroorganismus. 

Im Abszeßeiter des Rindes finden sich in 90 Prozent 
der Fälle kurze, feine Stäbchen, die in ihrer Form und 
ihren Größenverhältnissen eine gewisse Ähnlichkeit 
mit den Rotlaufbazillen besitzen. Sie sind im Eiter leicht 
nachzuweisen, da sie sich mit den gewöhnlich gebräuchlichen 
Anilinfarbstoffen leicht färben. Nach Gram sind sie nicht färb¬ 
bar, wohl aber nach Weigert. Die Größenverhältnisse der 
Stäbchen wechseln. Häufig sind sie kaum länger als dick, sodaß 
sie für Kokken gehalten werden können. Die Dicke beträgt 
0,2 fi) die Länge schwankt von 0,3 bis 2 ft. 

Die Bakterien lassen sich gut kultivieren auf Serum und 
auf Agar, dem Serum zugesetzt wurde. Auf erstarrtem und 
flüssigem Serum gewachsen sind die Stäbchen viel kürzer, als 
auf Agar - Serum und erscheinen in der Regel, wie auch im 
Eiter, kokkenähnlich. In Serum-Bouillon wechseln die Längen- 


No. 19. 


Verhältnisse derart, daß mit dem Zusatz einer größeren Serum¬ 
menge die Stäbchen kürzer werden. 

Verfasser glaubt, daß es sich bei diesen aus dem Eiter 
isolirten Stäbchen um einen bisher noch nicht beschriebenen 
Bazillus handelt. Er nennt ihn Bazillus pyogenes. Mit dem 
von Luc et so genannten und im Eiter einigemale Vorgefundenen 
Bazillus ist er nicht identisch. In 35 Prozent der Fälle fand 
sich der Bazillus pyogenes bovis im Eiter allein, in 55 Prozent 
mit anderen Bakterien (Nekrose-Colonbazillen, Streptokokken 
Staphylokokken) vergesellschaftet vor. Auch bei anderen 
Eiterungsprozessen, wie bei eiteriger Gebärmutter-, Scheiden-, 
Euter-, Nabelentzündungen fand sich der Bazillus p. b. fast 
regelmäßig mit andern Bakterien zusammen vor. 

Reinkulturen, bei Rindern unter die Haut gespritzt, er¬ 
zeugten einen Abszeß, in die Vagina gebracht, eine eitrige 
Scheidenentzündung. 

Angestellte Versuche lassen es nicht unwahrscheinlich er¬ 
scheinen, daß für das Zustandekommen des unangenehmen 
üblen Geruchs, welchen der Rindereiter nicht selten hat 
der Nekrosebazillus eine Rolle spielt. Francke. 

Die Länge der Hundefährte. 

Von Dr. Birkner. 

Korr.-Blatt d. deut. anthr. Gesellschaft 1902 No. 11 n. 12. S 166—162. 

Die Länge der Hundefährte bestimmte Dr. F. Birkner, 
Assistent am anthropol. Institut München, indem er von den 
Pfoten lebender und toter Hunde Abdrücke in Ton herstellte. 
Er benutzte diese künstlichen Abdrücke, um sie mit zufälligen 
natürlichen Abdrücken von Hundefährten, wie sie sich auf uns 
erhaltenen römischen Ziegeln finden, zu vergleichen und so 
wieder einen Rückschluß auf die respektiven Hunderassen der 
Römer zu ziehen. 

Als Maß nahm er die Entfernung des höchsten Punktes 
des Sohlenballens von einem der mittleren Zehenballen. Zwischen 
den Maßen der linken und rechten, vorderen und hinteren Ex¬ 
tremitätenenden findet er geringe Differenzen nachweisbar. 
SonBt hält er sie für unabhängig von dem ausgeübten kräftigeren 
oder schwächeren Druck auf die Unterlage bezw. von der 
Schwere des Tierkörpers und bis zu einem gewissen Grad auch 
von dem gespreizten oder nicht gespreizten Zustand der Zehe. 
Dagegen ermittelte er Relationen zwischen der Länge der 
Hundefährte und der Größe der Hunde, was er durch zwei 
Tabellen veranschaulicht. 

a) Schulterhöhe nach Beckmann: 

I. bis 450 mm: Spitz, Pinscher, Terrier, Dachshund (kleine 

jagende Hunde); 

II. 460—600 mm: Größere jagendeHunde(Laufhunde, Bracken), 

Leit- und Schweißhunde, kleine Schäfer¬ 
hunde (Kollie); 

UI. 610—700 mm: Vorstehhunde, Hirschhunde, größere Schäfer¬ 
hunde ; 

IV. über 700 mm: Große Vorstehhunde, Doggen, Bernhardiner. 

b) Fährtenlänge nach Birkner: 

I. bis 35 mm: Spitz, Pinscher, Dachshunde; 

H. 36—40 mm: Kollie; 

IH. 41—45 mm: Vorstehhunde, Bernhardiner; 

IV. über 45 mm: Bernhardiner. 

Diese Feststellungen sind überaus verdienstlich, denn sie 
geben uns ein neues Hilfsmittel für Untersuchungen auf dem 
Gebiet der Haustiergeschichte an die Hand, mittels dessen 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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7. Mai 1903. 


Dr. Birkner selbst die Urheber einer Anzahl von ihm ge¬ 
messener Römerhandfährten systematisch za bestimmen sacht. 
Er rechnet von diesen 12 dem Spitzhandtypas (Gruppe I) zu, 
21 bez. 13 dem kleineren und größeren Jagdhandtypas (Gruppe 
II und IH) und 2 dem Bernhardinertypus (Gruppe IV). 

Gewiß könnten solche zufällige Fährtenabdrücke gelegentlich 
auch zur Identifizierung lebender Hunde und damit ihrer Be¬ 
sitzer dienen, also kriminalistisches und forensisch-veterinär¬ 
medizinisches Interesse erlangen. Es wäre deshalb schon aus 
diesen rein praktischen Gründen sehr wünschenswert, wenn die 
Birknerschen Ergebnisse vielleicht in einem Hundespital an 
einem größeren Material, als es dem Verfasser zur Verfügung 
stand, nachgeprüft und eventuell ergänzt würden. 

0. Albrecht. 

Wochenfibersicht Aber die medizinische Literatur. 

Von Dr. Jess-Charlottenburg, 

KreUtI errat 

Münchener medizinische Wochenschrift No. IG. 

Zur Kenntnis der anästhesierenden Wirkung des Yohimbins 
(Spiegel) von Professor Loewy und Dr. Müller. 

Das Yohimbin wird zur Anästhesie in der Augenheilkunde 
verwendet. Es ist im stände, sowohl die Erregbarkeit wie das 
Leitungsvermögen motorischer und sensibler Nervenfasern herab¬ 
zusetzen bezw. ganz aufzuheben, ferner bei Auftragung auf die 
sensiblen Nervenendigungen der Schleimhäute Anästhesie zu 
erzeugen. 

Serumtberaple gegen Beulenpest von Dr. Polverini, wird 
auf das Original verwiesen. 

Eine neue Klasse von Schlafmitteln von Fischer und von 
Mering. Die Harnstoffderivate, besonders der Diäthylmalonyl- 
harnstoff kommt unter dem Namen Verosal von E. Merck in 
den Handel. Die schlafmachende Wirkung tritt ungefähr in 
einer halben Stunde ein, ohne unangenehme Wirkung (wie 
Therap. d Gegenw. 1903, März mitgeteilt wird). 

Münchener medizinische Wochenschrift No. 16. 

Vergleichende Untersuchungen über mütterliches und kindliohes 
Blut und Fruchtwasser nebst Bemerkungen über die fötale Harn¬ 
sekretion von Dr. Zangemeister und Dr. Meissl. Der Fötus 
gibt nach den Untersuchungen wenigstens während der letzten 
vier Monate des intrauterinen Lebens regelmäßig Urin an das 
Fruchtwasser ab. 

Zur Sterilisation kleinerer Verbandstoffmengen von Holzapfel. 
Verfasser hat einen Apparat konstruiert, welcher in seinem 
Äußeren den Iuhalationsapparaten ähnelt, dessen dampfaus- 
führende8 Rohr mit einer Büchse verbunden ist, welche zur 
Aufnahme der Verbandstoffe dient. Der kleine Apparat erscheint 
für den Praktiker handlich. Er ist zu beziehen von der In¬ 
strumentenfabrik von Schädel in Leipzig. 

Formeln zur Herstellung von Mischungen verschiedener Konzentration 
von Oberstabsarzt Dr. Gossner. 

Verfasser hat sich die Mühe gemacht, eine Anzahl Formeln 
zusammenzustellen, welche für die Arbeit im Laboratorium 
von erheblichem Vorteil sein können, z. B. wie viel des in¬ 
differenten Bestandteils muß einer bestimmten Mischung (a) 
von bestimmtem Prozentgehalt (P) hlnzugesetzt werden, damit 
eine Lösung von gewünschtem Prozentgehalt (p) entsteht 

x = a wobei x die gesuchte Menge der Zusatzfltissigkeit 

P 

bedeutet und P größer als p sein muß, da es sich um Ver- 


309 

dünnung handelt. Beispiel: Mau hat 2 ccm einer 1,5 proz. 
Kochsalz-Typhusserumlösung und will eine 0,5 proz. Lösung 

herstellen, so ist die Formel x= 2 • — = ~ == 4 

Uj5 0)5 

Wir müssen also 4 ccm Kochsalzlösung hinzusetzen, um eine 
0,5 proz. Lösung zu fertigen. Bezüglich der übrigen praktischen 
Formeln wird auf das Original verwiesen. 

Archiv für Kinderheilkunde: 

Besitzt die unerhitzte Milch bakterizide Eigenschaft, von 
Klimmer. 

Es ist von verschiedenen Seiten behauptet, daß die un¬ 
gekochte Milch bakterientötende Eigenschaften habe. Die Unter¬ 
suchungen des Verfassers haben jedoch für diese Annahme keine 
Bestätigung gefunden. 

Herstellung von Slugllngsmilch als Ersatz von Muttermilch 
durch Ausscheidung von Kasein aus Milch mittels Kohlensäure, 
von Sz^kely. 

Verfasser leitet in erwärmte Milch Kohlensäure und bringt 
das Kasein zur Fällung und stellt dann ans dem Milchserum 
durch Zusatz von Rahm und Michzucker eine der Frauenmilch 
ähnliche Säuglingsmilch dar. 

Deutsche medizinische Wochenschrift No. IG. 

Vorläufiger Bericht das Texasfieber der Rinder in Kamerun 
(Westafrika) und Weiteres über die Tsetsekrankheit (der Rinder, 
Schafe, Ziegen, Esel, Pferde, Maultiere, Hunde) sowie über 
,Tier-Malaria“ (der Schafe, Ziegen, Pferde, Esel etc.), von Marine¬ 
stabsarzt Dr. Ziemann. 

Verfasser weist darauf hin, daß man auch in Kamerun 
daran denken muß, wie in Venezuela gegen das Texasfieber 
energisch vorzngehen. Man wird Bullen zur Zucht importieren 
müssen und sie bei Stallfütterung halten. Die neugeborenen 
Kälber sind nach der Mitteilung Ziemanns in den ersten zwei 
bis drei Tagen zu impfen in folgender Art: Man macht einen 
Einschnitt in das Ohr eines älteren mit Zecken bedeckten 
Rindes, läßt das herausströmende Blut in eine gereinigte, vorher 
ausgekochte Schale tropfen, in der sich lauwarme 6 prozentige 
Kochsalzlösung befindet. Mit einem ausgekochten Glasstabe 
rührt man dann das Gemisch um, wobei sich der Faserstoff des 
Blutes absetzt, dann wird mit einer Pravaz-Spritze die Flüssigkeit 
aufgesaugt und unter die Haut des Kalbes injiziert. Bei den 
Kälbern zeigen sich fünf bis sechs Tage nach der Impfung die 
typischen kleinen Parasiten im Blute. Die Tiere zeigen aber 
keine Krankheitserscheinungen, erwerben jedoch eine hochgradige 
Immunität gegen natürliche Infektion durch die Zecken. 

Deutsche medizinische Wochenschrift No. 17. 

Ein Fall von Nervenpfropfting des Nervus facialis auf den 
Nervus hypoglossus, von Körte und Bernhardt, wird auf das 
Original verwiesen. 

Zentralblatt für Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrankheiten, 
I. Abteilung Originale. 33. Band, No. 8. 

Untersuchungen über die Virulenz der aus verschiedenen 
tuberkulösen Herden des Menschen reingezüchteten Tuberkelbazillen. 
Von Dr. Krompecher und Dr. K. Zimmermann. 

Die Frage, ob die Tuberkulose der Knochen, der Gelenke, 
der Lymphknoten, der Haut im Gegensatz zu der Tuberkulose 
der Lunge deshalb einen langsameren Verlauf zeigt, weil die 
Virulenz der Bazillen abgenommen hat oder ob der verzögerte 
Verlauf durch die geringere Zahl der Bakterien zu erklären ist, 
hat schon häufig interessiert. Die Verfasser haben diese Frage 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No 19. 


310 


eingehend geprüft nnd sind zn dem Resultat gekommen, daß die 
Tuberkelbazillen sowohl bei der chirurgischen Tuberkulose wie 
auch bei der Lungentuberkulose gleich virulent sind. Der ab¬ 
weichende Verlauf der Hauttuberkulose und der Lungentuberkulose 
kann nur auf einer abweichenden Disposition der einzelnen 
Gewebsarten bezw. der einzelnen Organe beruhen. 

Untersuchungen über natürliche und künstliche Milzbrandlmmunitftt 
von Bail. Die Verfasser suchten festzustellen, in welchen 
Organen außer dem Blute das Kaninchenkomplement zn finden 
sei und ob nicht die beiden verschiedenen Komplemente im 
Körper verschieden verteilt sind. Es ergab sich, daß die 
Leukozyten und auch die Milz durch Komplementabgabe Hunde¬ 
serum aktivieren konnten. Das hitzebeständige Komplement des 
Kaninchenserums entstammt der Milz und das thermostabile den 
polynukleären Leukozyten. 

Über die natürliche Milzbrandlmmunltät des Hundes und des Huhns 
von Petersson, wird auf das Original verwiesen. 

Ly80form, Bazillol und Subiamin in wässeriger Lösung als 
HSndedesinflzlentien nach Vorbehandlung der Hände mit Alkohol 
(Analogie mit der Fürbringschen Methodik) von Dr. Engels. 

Verfasser kommt auf Grund Beiner Untersuchungen zu dem 
Schluß, daß die alkoholische Lösung des Sublamins, des Bazillols 
und Lysoforms bedeutend größere Desinfektionswirkung für die 
Hände garantieren als die wässerige Lösung mit Einschiebung 
des Alkohols wie es Fürbringer vorschreibt. 

Therapeutische Monatsheft No. 4, April 1903. 

Zur endovenösen Applikation der Medikamente von Dr. Mendel. 

Verfasser gibt eine eingehende Darstellung der intravenösen 
Arsenbehandlung, der kombinierten Arsen-Tuberkulinbehandlung, 
der Sublaminbehandlung und zwar in endovenöser als auch in 
intramuskulärer Anwendung. Bezüglich der Einzelheiten wird 
auf das Original verwiesen. 

Wiener klinische Wochenschrift No. 13. 

Mosers Scharlach-Streptokokken&erum von Potpischill. Verfasser 
hat in einer Anzahl von Fällen das Mosersche Serum gegen 
Scharlach mit Erfolg angewendet. 

Revue franqaise de medecine ct de Chirurgie 1903 No. 7. 

Die Bothriomykosl 8 von Savariaud und Deguy. 

Die Verfasser kommen zu dem Resultat, daß die Bothrio- 
mykose eine Erkrankung ist, welche durch Staphylokokken ver¬ 
ursacht wird, welche die gestielten Hautgeschwülste hervorrufen. 
Sie bestreiten das Vorhandensein eines Bothriomyzes. — 


Tagesgeschichte. 

Gebühren der Tierärzte für Besorgung tierärztlicher 
Geschäfte hei den Gerichten. 

Von Professor Esser. 

In No. 44 des vorigen Jahrganges der B. T. W. hatte ich 
zwei Entscheidungen des Landgerichts Göttingen veröffentlicht, in 
welchen die Ansicht vertreten war, daß das Gesetz vom 9. März 
1872 sich nicht auf Ärzte, Tierärzte, Professoren der Medizin 
und Tierheilkunde, sondern nur auf Medizinalbeamte für Besor¬ 
gung amtlicher Geschäfte bei den Gerichten beziehe. Tat¬ 
sächlich wurde seit März 1901 mir zuerst, aber nachher auch 
den hiesigen Ärzten und Professoren der Medizin für Abwartung 
eines Termins nur 2 Mark zugebilligt, welcher Betrag von 
letzteren vielfach überhaupt nicht, von mir dagegen stets unter 
Protest erhoben wurde. Meine Beschwerden beantwortete das 


Amtsgericht dahin: „Ihren Anspruch, Ihnen 6 Mark für Wahr¬ 
nehmung des Termins zu bewilligen, konnte mit. Rücksicht auf 
die Vorschrift in der Gebührenordnung für Zeugen und Sach¬ 
verständige vom 30. Juni 1878 nicht Rechnung getragen werden, 
vielmehr müssen Sie mit Ihrem über 2 Mark hinansgehenden 
Anspruch abgewiesen werden.“ Wandte ich mich an das Land¬ 
gericht, so verwies dasselbe einfach auf seine Entscheidungen. 

Daß ich schließlich doch Recht behalten würde, hatte ich 
stets, trotzdem ich mit meinen Protesten vielfach geneckt wurde, 
behauptet und kam auch endlich in die Lage beweisen zu können, 
daß die Entscheidungen des Amts- und Landgerichts nicht 
richtig seien. Als ich im November v. J. in einer nicht über 
2 Stunden dauernden Strafsache als Sachverständiger vernommen 
und wieder auf die Gebührenordnung vom 30. Juni 1878 ver¬ 
wiesen wurde und deshalb nur eine Gebühr von 4 Mark erhielt, 
legte ich sofort Beschwerde mit dem Anträge ein, eine Ent¬ 
scheidung des Oberlandesgerichts in Celle herbeizuftihren. 

Den Beschluß des letzteren gebe ich nachstehend bekannt: 

Der Strafsenat des Königlichen Oberlandesgerichts in Celle hat 
auf die Beschwerde des Professors Dr. Esser in Göttingen darüber, 
daß ihm als Vergütung für Wahrnehmung des Termins vom 1. No¬ 
vember 1902 vor der Strafkammer des Königlichen Landgerichts 
in Göttingen, zu welchem er als Sachverständiger geladen ist, statt 
des von ihm liquidierten Betrages von 6 M. nur ein Betrag von 
4 M. bewilligt ist, in der Sitzung vom 6. Dezember 1902 be¬ 
schlossen: 

Die dem Beschwerdeführer für Wahrnehmung des Termins vom 
1. November 1902 als Sachverständiger zukommende Vergütung 
wird auf 6 M. festgesetzt 

Gründe: 

Der als Sachverständiger geladene und vernommene Beschwerde¬ 
führer ist Kreis- und Departements-Tierarzt, und als solcher Medi¬ 
zinalbeamter. „Für Abwartung eines Termins“ in gerichtlichen 
Angelegenheiten hat er nach § 3 des Gesetzes vom 9. März 1872, 
da der Ausnabmefall des § 1 des Gesetzes nicht vorliegt, als 
Medizinalbeamter eine Vergütung von 2 Rtlr. = 6 M. zu bean¬ 
spruchen. Die vornehmlich auf die Motive zu § 7 des Gesetzes ge¬ 
stützte, in einein Beschlüsse des 2. Zivilsenats des Oberlandcs- 
gerichts vom 1. Oktober 1894 vertretene Ansicht, daß das Gesetz 
überhaupt nur auf die amtlichen Geschälte der Medizinalbeamten 
sich beziehe, kann nicht für zutreffend erachtet werden, und ist 
vom Strafsenat bereits früher, zuletzt durch Beschluß vom 
12. Juli 1902 in der Strafsache gegen Helfers 3. W. 187/02 
reprobiert worden. Sie findet in dem Text des Gesetzes, auch in 
dem Wortlaut des hier im übrigen nicht in Betracht kommenden 
§ 7, keinen Anhalt. Insbesondere steht ihr die Fassung des § 3 
des Gesetzes entgegen, wonach die Medizinalbeamten „für alle 
von Gerichten oder anderen Behörden ihnen aufgetragenen Ge¬ 
schäfte“, — also nicht für solche Geschäfte, die an sich in den 
Kreis ihrer amtlichen Geschäfte fallen —, die dort festgesetzten 
Vergütungen verlangen können. Gegenüber dem klaren Wortlaut 
des Gesetzes kann auf die Motive zu § 7 des Gesetzentwurfs kein 
Gewicht gelegt werden, es muß vielmehr angenommen werden, 
daß, wenngleich der Entwurf des Gesetzes nur eine Regelung der 
Vergütungen für amtliche Geschäfte der Medizinalpersonen be¬ 
zweckt haben mag, die gesetzgebenden Faktoren zu einer all¬ 
gemeinen Regelung der Vergütungen für alle Geschäfte über¬ 
gegangen sind. 

gez: v. Reden. Bergmann. Volkers. 

Runde. Lemmer. 

Landgerlchtsentscheiduug betr. Reisebereohnung. 

Die 1. Zivilkammer des Landgerichts in Koblenz hat auf die 
Beschwerde gegen den Beschluß des Königlichen Amtsgerichts in 
Mayen vom 13. November 1902 in der Sitzung vom 1. Dezember 1002 
beschlossen: Die Beschwerde wird kostenfällig zurück¬ 
gewiesen. 


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7. Mai 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


311 


Gründe: 

Der Beschwerdeführer hat in vorbezeichneter Sache am 
24. Juni 1902 als Sachverständiger einen von 4 bis 5‘/ 4 Uhr nach¬ 
mittags dauernden Termin in Niedermendig, 8,9 km Eisenbahn 
entfernt, wahrgenommen, und hierfür 6 M. Tagegelder, 1,80 M. als 
Reisekostenentschädigung für 2 mal 9 km Eisenbahn und 4 M. für 
Ab- und Zugänge, demnach zusammen 11,80 M. angewiesen erhalten. 
Auf Erinnerung der Buchbalterei der Justizhaupt¬ 
kasse hat das Amtsgericht Mayen 1,30 M. an Reise¬ 
kosten abgesetzt, da Landweg und nicht Eisenbahn zu 
berechnen sei. 

Gegen diese Entscheidung hat der Sachverständige Erinnerung 
erhoben und folgendes ausgeführt 

Da ihm die Entschädigung für Eisenbahnfahrt nicht zugebilligt 
sei, so ändere er seine Liquidation. 

Für 25 Pf. fllr den Kilometer Landweg sei hier zu Lande 
(Rheinprovinz) ein Einspänner nicht zu haben. Er müsse daher die 
19,3 km Landweg zu Fuß zurücklegen. Hierzu gebrauche er 4 
Stunden. Seine Zeitversäumnis betrage demnach 5 Stunden, für 
welche er auf Grund des Gesetzes vom 9. März 1872 die Termins¬ 
gebühr mit 9 M. beanspruche, denen nqch Reisekostenentschädigung 
für 20 km zu 25 Pf. mit 5 M. hinzutreten. Da er nur 11,80 M. 
erhalten habe, so ständen ihm noch 2,20 M. zu, deren Anweisong 
er verlange. Das Amtsgericht hat durch den angefochtenen 
Beschluß die Erinnerung gebührenfrei zurückgewiesen. 

Es geht davon aus, daß das Gesetz vom 3. März 1873 nur die 
tatsächliche Dauer des Termins der Entschädigung zu gründe 
lege. Hiergegen richtet sich die nach § 17 der Gebührenordnung 

für Zeugen u. s. w. vom und § 4 des Gerichtskosten- 

1 1 . Mai lobJo 

gesetzes zulässige Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer 
beantragt, entweder die ursprüngliche auf 11,80 M. lautende An¬ 
weisung wiederherzustellen oder ihm gemäß seiner Erinnerung An¬ 
weisung zu erteilen. 

Die Beschwerde ist nicht begründet. 

Gemäß § 13 der bezogenen Gebührenordnung kommen, soweit 
für gewisse Arten von Sachverständigen besondere Taxvorscbriften 
bestehen, lediglich diese Vorschriften zur Anwendung. Solche 
Vorschriften enthalten Für Kreistierärzte das preuß. Ges. vom 
9. März 1872 und die dasselbe zum Teil abändernde Verordnung 
vom 17. September 1876. Diese bezogene Gebührenordnung 
machte den Gebührensatz für Zeugen und Sachverständige aus¬ 
schließlich von der stattgehabten Zeitversäumnis abhängig. 

Die für Kreistierärzte gegebenen Vorschriften sehen 
dagegen von der dem Sachverständigen tatsächlich 
durch die Wahrnehmung des Termins entstandenen Zeit¬ 
versäumnis ab und bemessen die ihm zu gewährende 
Entschädigung lediglich nach der eigentlichen Dauer 
des Termins. 

Die auf der Hinreise zum Termin und die Rückreise verwandte 
Zeit bleibt außer Betracht, ebenso wie auch die Verzögerung der 
Zeitversäumnij infolge von Unterbrechung des Termins, Verzögerung 
des Beginns desselben u. dgl. 

Hiernach kann im vorliegenden Falle nur die nach der An¬ 
weisung vom 4. August 1902 (Bl. 62 d. A.) auf 1 '/< Stunde fest¬ 
gesetzte Dauer des Termins die Höhe der Entschädigung bestimmen, 
die demnach gemäß § 3 des Ges. vom 9. März 1872 6 M. beträgt. 

Für die Reiseentschädigung kommt das für die 
Staatskasse mindestkostspielige Beförderungsmittel als 
Grundlage der Berechnung in Betracht (As. 4 des Ges. 
vom 21. Juni 1895). Es stehen dem Beschwerdeführer 
hierfür nach der zutreffenden Berechnung in dem an¬ 
gefochtenen Beschlüsse 4,50 M. zu. 

Ein weitergehender Anspruch des Beschwerdeführers ist nicht 
begründet, weshalb, wie geschehen zu beschließen war, und zwar 
hinsichtlich der Kosten nach § 17 der Geb. 0. § 4 G. K. G. in 
Verbindung mit § 97 Zivilprozeßordnung. 

Oberlandesgerichtsentscheidung betr. Zubilligung der dem Departements¬ 
tierarzt zustehenden Gebühren. 

Der I. Zivilsenat des Königlichen Oberlandosgerichts in Marien¬ 
werder hat auf die Beschwerde des DepartementstierarztcB Preuße 


in Danzig gegen den Beschluß des Königlichen Landgerichts, Zivil¬ 
kammer III, in Danzig vom 9. März 1903 in der Sitzung vom 
9. März 1903 beschlossen: Die Beschwerde wird zurüchgewiesen. 
Die Kosten der Beschwerdeinstanz werden dem Beschwerdeführer 
auferlegt. 

Gründe. 

Der Beschwerdeführer ist auf Gerichtsbeschluß als Sachver¬ 
ständiger vernommen worden und hat zur Vorbereitung seines Gut¬ 
achtens eine Reise nach Bohnsack gemacht. Dort führten ihm die 
Parteien je ein in ihrem Besitze befindliches Pferd vor und der 
Sachverständige sollte sich darüber erklären, auf welches dieser 
Pferde dio in dem Deckschein vom 16. August 1902 (BI. 13 d. A.) 
gegebene Beschreibung des Fohlens zutreffe. 

Der erste Richter hat die Tagegelder und Reisekosten des Sach¬ 
verständigen nach den Sätzen festgesetzt, die einem Kr ei stierarzt 
in gerichtlichen Angelegenheiten znstehen. Hiergegen richtet sich 
die Beschwerde des Sachverständigen, er beantragt, seine Gebühren 
nach den Sätzen zu berechnen, die einem Departementstierarzt 
in gerichlichen Angelegenheiten zustehen. 

Die Beschwerde ist zulässig, indessen unbegründet. Es kann 
zunächst keinem Bedenken unterliegen, daß der Sachverständige 
aus Veranlassung seines Amtes zugezogen worden ist und daß die 
Ausübung der Wissenschaft, deren Kenntnis Voraussetzung der 
Begutachtung war, zu den Pflichten des von ihm versehenen Amtes 
gehört. Der Sachverständige hat daher nach § 14 No. 2 der Gebühren¬ 
ordnung für Zeugen und Sachverständige Anspruch auf Tagegelder 
und Reisekosten. Er ist indessen nicht nur Departcmentstierarzt, 
sondern auch Kreistierarzt für den Stadtkreis Danzig und die beiden 
Landkreise Danzig, in deren einem, dem Kreise Niederung, Bohnsack 
liegt. Bei Tierärzten mit einer derartigen doppelten Amtsstellung 
unterscheidet das in Frage kommende Gesetz vom 9. März 1872, 
abgeändert durch die Verordnung vom 17. September 1876, streng 
die Fälle, in denen eine departementstierärztliche oder eine kreis¬ 
tierärztliche Tätigkeit vorliegt. Ist letzteres der Fall, so erhält auch 
der Departementstierarzt nur die Sätze eines Kreistierarztes. Vor¬ 
liegend wird es sich also um die Entscheidung der Frage handeln, 
ob der Sachverständige aus Veranlassung seines Amtes als Departe¬ 
ments- oder als Kreistierarzt zugezogen worden ist. Die ihm von 
den Parteien bei der Benennung als Sachverständiger und die ihm 
vom Gericht in seinem Beschlüsse beigelegte Titulatur ist nicht 
ausschlaggebend, denn Personen mit doppelter Amtsstellung wird 
regelmäßig im Verkehr der Titel des höheren Amtes beigelegt. 
Zutreffend hat aber der erste Richter die Frage aufgeworfen, welcher 
Tierarzt wohl als Sachverständiger gewählt worden wäre, wenn 
Departements- und Kreistierarzt nicht in einer Person vereinigt 
gewesen wären. Und mit Recht hat der erste Richter diese Frage 
dahin entschieden, daß alsdann der Kreistierarzt zugezogen worden 
wäre, da keine Veranlassung Vorgelegen hätte, von vornherein den 
Sachverständigen der höheren Instanz anzurafen. 

Wenn der Sachverständige jetzt meint, daß er nicht vom Gericht 
ausgewählt sei, daß sich vielmehr die Parteien auf seine Person 
und gerade auf den durch diese vertretenen Departementstierarzt 
geeinigt hätten, sodaß das Gericht ihn auch als solchen habe zu¬ 
ziehen müssen, § 404, Abs. 4 Z. P. 0., so ist dem entgegenzuhalten, 
daß einmal der Beweisbeschluß des Gerichts dies nicht erkennen 
läßt, daß aber auch ausweislich der schriftsätzlichen Anführungen 
der Parteien, auf welche sich der Sachverständige beruft, eine 
Einigung nicht vorlag. Der Kläger hatte sich auf das Gutachten 
des Herrn Preuße berufen. Der Beklagte überreichte ein Zeugnis 
des praktischen Tierarztes Opalka und erklärte in seinem Schrift¬ 
satz vom 9. Oktober 1902: „Es wird jedoch Gutachten des Departe¬ 
mentstierarztes anheimgestellt. Das Alter des Pferdes steht durch 
den Deckschein fest, Herr Preuße wird bestätigen, daß das Pferd, 
das im Besitze des Beklagten ist, im Jahre 1900 geboren sein 
muß ...... Es dürfte sich empfehlen, zunächst den beiderseits 

benannten Departementstierarzt zu hören.“ Es war also wohl Herr 
Preuße von beiden Parteien benannt worden, eine das Gericht 
bindende Einigung lag aber nicht vor, zum mindesten der Beklagte 
batte die endgültige Auswahl dem Gerichte überlassen. Bei dieser 
Sachlage kann es dabinstehen, ob die Parteien bei ihren Vorschlägen 
den Departements- oder den Kreistierarzt genannt haben, das 


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312 


Gericht hat den Sachverständigen nnd als solchen den K re i stierarzt 
ausgewählt. 

Die diesem zustehenden Tagegelder und Reisekosten sind in 
dem angefochtenen Beschlüsse richtig berechnet worden. Die 
Beschwerde war hiernach zurückzuweisen. 

Die Kostentscheidung folgt aus § 97 Z. P. 0. 

Entscheidung des Landgerichts zu Meiningen über die Besprechung der 
Termln8gebühr nach dem Reichsgesetz hetr. Gebühren für Zeugen und 
Sachverständige. 

Auf die Beschwerde des Tierarztes Peter Scheuer in Römhild 
gegen den Beschluß des Amtsgerichts daselbst vom 19. Januar 1903 
hat die erste Zivilkammer des Landgerichts Meiningen in der 
Sitzung vom 4. Februar 1903 beschlossen: 

Der angefocbtene Beschluß wird aufgehoben und die Ge¬ 
bühr des Beschwerdeführens auf 6 M. festgesetzt Die Ent¬ 
scheidung ist gebührenfrei. 

Gründe: 

Beschwerdeführer ist in dem genannten Rechtsstreit vom 
Amtsgericht Römhild als Sachverständiger vernommen worden. 
Seine Zeitversäumuis hat eine Stunde betragen. Die Gebühr ist 
vom Gerichtsschreiber mit 2 M. berechnet worden. Auf Bean¬ 
standung dieser Summe hin hat das Gericht die Gebühr auf den 
gleichen Betrag festgesetzt, und zwar aus folgenden Gründen: 

Den Tierärzten ständen im Herzogtum in den vor die ordentlichen 
Gerichte gehörigen Rechtssachen Sachverständigengebühren nur 
nach Maßgabe des § 3 und 4 G. 0. f. Z. und S. V. zu. 

§ 13 G. 0. f. Z. S. V. schreiben zwar die Anwendung von 
bestehenden Taxvorschriften vor. Eine solche Taxvorscbrift 
habe aber die Zentralbehörde des Herzogtums für Tier¬ 
ärzte nicht erlassen. Das Landesgesetz vom 10. Juli 1894 
bezieht sich nur auf Ärzte, die Tierärzte fielen nach der Aus¬ 
drucksweise des Gesetzes nicht unter diesen Begriff. 

Das Ausschreibon vom 14. März 1897 sei eine Ausführungsvor¬ 
schrift zu § 80 Gew. 0., nicht aber zu § 13 G. 0. f. Z. und S. V. 

Die Gebührentaxe sei nach I 1 des Ausschreibens nur für Fälle 
maßgebend, die der freien Vereinbarung der Beteiligten über¬ 
lassen, aber streitig geblieben seien. 

Solche Fälle seien nicht diejenigen, in welchen die Tierärzte 
vor die ordentlichen Gerichte berufen worden seien. Hier erfolge 
die Festsetzung der Gebühren unter Ausschluß der freien Verein¬ 
barung gemäß § 413 C. Pr. V. und § 16 G. 0. f. Z. und S. V. 
durch das Gericht 

Wenn unter No. 318 des fraglichen Ausschreibens von der er¬ 
forderlichen Anwesenheit bei einer Verhandlung die Rede sei, so 
könne die gerichtliche Verhandlung darunter nicht verstanden werden. 

Der Beschwerde ist stattzugeben. Berücksichtigt man, daß die 
wissenschaftlichen Anforderungen, welche gegenwärtig an die Tier¬ 
ärzte gestellt werden, verhältnismäßig hohe sind, daß ferner der 
Tierarzt nach No. 318 des Ausschreibens für die Anwesenheit einer 
privaten Verhandlung eine Gebühr von 6 M. beanspruchen kann 
und daß ihm dadurch, daß er als gerichtlicher Sachverständiger 
oft längere Zeit auf seine Vernehmung warten muß, häufig in 
seiner Praxis ein die Gebühr von 6 M. übersteigender Gewinn ent¬ 
geht, so erscheint es völlig gerechtfertigt, auch für Verhandlungen, 
in welchen der Tierzarzt als Sachverständiger vor Gericht gezogen 
ist, ihm die für außergerichtliche Behandlung festgesetzte Gebühr 
zuzubilligen. 

Gebührenfrei ist diese Entscheidung nach § 7 G. K. G. 

Reformen im Veterinärwesen des Königreiches Sachsen. 

Nach einer kürzlich veröffentlichten Verordnung des Kgl. 
Ministeriums des Innern vom 23. März d, J. ist die Kgl. Kom¬ 
mission für das Veterinärwesen nicht mehr Vorgesetzte Instanz 
der tierärztlichen Hochschule. Die Kommission besteht wie 
bisher aus einem juristischen Vorsitzenden, dem Landestierarzt 
und einigen Professoren der tierärztlichen Hochschule. Neu 
hinzugekommen sind noch der Landestierzuchtdirektor und zwei 
Landwirte. Der längst gehegte Wunsch der Bezirkstierärzte 
auch aus ihrer Reihe ein Mitglied in der Kommission zu sehen, 


No. 19. 


ist nicht in Erfüllung gegangen. Es ist jedoch dem Vorsitzenden 
der Kommission überlassen, wenn erforderlich, einen oder meh¬ 
rere Bezirkstierärzte mit beratender Stimme zu den Sitzungen 
zuzuziehen. Eine wesentliche Änderung in der Organisation 
liegt sonach nicht vor. Im übrigen enthält die Verordnung 
Anweisungen für den Landestierarzt. 

Viel wichtiger gestaltet sich die Reform für die Dresdener 
tierärztliche Hochschule, welche durch das mit dem 1. Mai d. J. 
in Kraft getretene Statut dem Ministerium des Innern direkt 
unterstellt worden ist. Bisher lag die Leitung der Hochschule 
in den Händen einer dreigliedrigen, aus den ältesten Professoren 
bestehenden Direktion. Ein Mitglied derselben war vom Mini¬ 
sterium bis auf Widerruf mit der Leitung der Hochschule be¬ 
auftragt. Die Direktion war der Kommission für das Veterinär¬ 
wesen unterstellt, diese aber bestand außer dem juristischen 
Vorsitzenden wieder aus den drei Direktorialmitgliedern. Der 
Vorsitzende der Kommission war Referent für die Angelegen¬ 
heiten der tierärztlichen Hochschule im Ministerium. Durch 
den betreffenden Ministerialdirektor wurden dann die Hochschul¬ 
angelegenheiten dem Minister unterbreitet. Dieser hindernde 
Instanzengang ist nun wesentlich vereinfacht worden. 

Die wesentlichsten Punkte des neuen Statuts sind folgende: 
Der Rektor wird vom König ernannt. Der Senat besteht außer 
dem Rektor, welcher den Vorsitz führt, aus drei ordentlichen 
Professoren, welche auf Vorschlag des Kollegiums der ordent¬ 
lichen Professoren vom Ministerium ernannt werden. Die Amts¬ 
periode des Rektors und des Senats ist dreijährig. Ordentliche 
Professoren sind die im Hauptamte an der Hochschule wir¬ 
kenden Dozenten, welchen der Professortitel verliehen worden 
ist. Sehr erfreulich ist auch die Bestimmung, daß Privatdozenten 
zur Lehrtätigkeit an der Hochschule zugelassen werden. Über 
die Zulassung hat die noch zu schaffende Habilitationsordnung 
Näheres zu bestimmen. 

Durch dieses neue Statut nähert sich die tierärztliche Hoch¬ 
schule in ihrer Verfassung um ein bedeutendes Stück der Ver¬ 
fassung der Dresdener technischen Hochschule, sowie der Berg¬ 
akademie zu Freiberg, welche durch das Wahlrektorat aller¬ 
dings eine vollwertige Hochschul-Verfassung besitzen. R. 

Preti88ischer Unterstützungsverein. 

Nach der von dem Vorsitzenden und dem Schatzmeister, De¬ 
partementstierärzten Preusse und Heyne, aufgestellten und 
vom Ausschuß geprüften Jahresabrechnung hat der Verein fol¬ 
genden Kassenstand. 

Die laufenden Einnahmen betrugen: 

Aus Beiträgen (351 Mitglieder) . . 1755,(X) M. 

Aus Zuwendungen aller Art .... 558,30 „ 

Aus Zinsen.- . . . 232,50 „ 

Überschuß bei einem Effektenumsatz . 2,45 „ 

Bank-Zinsen (für Barkonten) . . 84,31 „ 

2632,56 M. 

Davon wurden ausgegeben: 

1. Statutengemäße Überweisung zum Stamm¬ 
kapital: 10% der Beiträge = 175,50 M., alle 
Zuwendungen mit 558,30 M., die Effektenzinsen 
mit 232,50 M., Überschuß bei Effektenumsatz 
2,45 M. und die Barkontozinsen des Stamm¬ 
kapitals mit 29,36 M. zusammen 998,11 M. 

2. Statutengemäße Überweisung 
zum Reservefonds, 10% der 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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7. Mai 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 313 


Beiträge mit 175,50 M. and 
die Zinsen des Barkontos des 
Reservefonds mit 24,50 M., zu¬ 
sammen . 200,00 M. 

3. Unterstützungen. 1100,00 „ 

4. Porti und sonstige Unkosten . 35,26 „ 

2333,37 M. 

Mithin verbleibt ein Jahresüberschuß 

von. 299,19 M. 

Hierzu kommt ein Vortrag vom Vor¬ 
jahr mit. 266,67 „ 

so daß an laufenden Mitteln Bestand 

geblieben sind. 565,86 M. 


Das Stammkapital umfaßt nach Jahresabschluß an Effekten 
6000 M. 3»/, und 4 proz. mündelsichere Papiere, 1253,54 Bar¬ 
vortrag vom Vorjahre und den oben nachgewiesenen Zuwachs 
des Rechnungsjahres von 998,11 M., zusammen 2251,65 M. bar, 
welche nunmehr in Papieren angelegt werden sollen. Von den 
Effekten stammen 5000 M. aus einer Schenkung, sodaß rund 
3000 M. des Stammvermögens bereits aus Ersparnissen an¬ 
gesammelt sind. 

Der Reservefond betrug im Voijahr 970,50 M., der Zuwachs 
des Rechnungsjahres 200 M., mithin im ganzen 1170,50 M. 

Das Gesamtvermögen des Vereins beläuft sich also aul 
6000 M. nominell und 3422,15 M. bar. Die musterhafte, Sparsame 
Verwaltung verdient volle Anerkennung. 

IV. Quittung Ober die zum preussischen Stipendienfonds eingegangenen 

Beiträge 

bis zum 30. April er. 

Transport vom 31. März 3777,80 M. 


Esser, Geheimer Mediziualrat Professor Dr., Göttingen . 100,— 
Angstein, Dr., Departementstierarzt, Wiesbaden . . . 10,06 
Leistikow, Departementstierarzt, Magdeburg .... 20,— 

Bongartz, Kreistierarzt, Bonn.. . . 30,— 

Hepke, Dr., Tierarzt, Hundsfeld (Bez. Breslau) .... 10,— 

Menzel, 8chachthofdirektor, Aschersleben.10,— 

Preusse, Veterinärassessor, Departementstierarzt, Danzig 20,05 

Brietzmann, Departementstierarzt, Köslin.60,— 

Tappe, Kreistierarzt, Beuthen (Ob./Schl.). 50,— 


Summa 4077,90 M. 

Verein beamteter Tierärzte Preussens. 

Das Direktorium der deutschen Landwirtschafts Gesellschaft 
hat unterm 23. d. M. an den Vorsitzenden des V. C. T. folgendes 
Schreiben gerichtet: 

Berlin, den 23. April 1903. 

„Dem verehrlichen Vorstand erlauben wir uns mitzuteilen, 
daß unsere diesjährige Wanderausstellung und Wanderversamm- 
lung in den Tagen vom 18. bis 23. Juni in Hannover stattfindet. 
Gleichzeitig beehren wir uns, den verehrlichen Vorstand zu 
dieser Veranstaltung einzuladen mit der Bitte, uns mit einer 
Antwort versehen zu wollen. Besonders bitten wir, auch den 
Namen des Vertreters zu nennen, damit wir in der Lage sind, 
rechtzeitig Eintrittskarten und Kataloge demselben zukommen 
zu lassen. 

Die Eröffnung findet statt am Donnerstag den 18. Juni, 
mittags 12 Uhr auf der Tribüne am großen Ring und die 
Hauptversammlung am Sonnabend den 20. Juni, mittags 1 Uhr 
in der Tierärztlichen Hochschule zu Hannover, unweit des 
Ausstellungsplatzes. 

An den Verein beamteter Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft 
Tierärzte Preußens z. H. des Das Direktorium. 

Vorsitzenden Herrn Kreis- 

tierarzt Thnnecke, zu von Arnim, Vorsitzender, 

palbe a.;S. 


Ich habe die Einladung mit dem Ausdrucke meines lebhaften 
Dankes angenommen und dem Direktorium die Namen der Ver¬ 
treter des Vereins angegeben und halte es für eine Pflicht 
aller Vereinsmitglieder nach Möglichkeit die Ausstellung zu be¬ 
suchen, um das ehrenvolle Entgegenkommen dieser vornehmsten 
landwirtschaftlichen Korporation dadurch anzuerkennen. Das 
Programm für den V. b. T. Pr. ist wie folgt aufgestellt: 

Freitag, den 19. Juni, nachmittags 5 Uhr, im Hörsaal 
des hygienischen Instituts der tierärztlichen Hochschule: Vortrag 
des Herrn Geheimen Oberregierungsrats Dr. Lydtin-Baden, über 
Auswahl der männlichen Zuchtrinder. Abends 8 Uhr: Gemüt¬ 
liches Zusammensein aller Kollegen im „Hotel Hartmann 1 ', 
Ernst-Augustplatz. 

Sonnabend, den 20. Juni, vormittags 10 Uhr, De¬ 
monstration der Rinderabteilang in der Ausstellung durch Herrn 
Geheimen Regierungsrat Professor Dr. Werner-Berlin. Ver¬ 
sammlung bei Stand No. 1 der Rinderabteilung. Nachmittags 

2 Uhr im Hörsaale des hygienischen Instituts der tierärztlichen 
Hochschule: Vortrag des Herrn Geheimen Regierungs- und 
Medizinalrates Professor Dr. Dammann-Hannover über „Die 
Regelung des Abdeckereiwesens“. Abends 6 Uhr: Festessen 
im „Hotel zu den vier Jahreszeiten“ am Ägidienplatz. Ge¬ 
deck 3 M. 

Sonntag, den 21. Juni, vormittags 10 Uhr, Besichti¬ 
gung der tierärztlichen Hochschule in ihren einzelnen Ab¬ 
teilungen unter Führung der Herrn Institutsdirigenten. Nach¬ 
mittags 3 Uhr: Zusammensein im Zoologischen Garten. Alle 
Kollegen, die die Ausstellung in Hannover besuchen, werden 
hierdurch freundlichst eingeladen, an unseren Versammlungen 
teilzunehmen; namentlich richten wir auch diese Einladung 
an die Mitglieder des Vereins Badischer Tierärzte, die uns in 
Mannheim im vorigen Jahre so gastfreundschaftlich aufge¬ 
nommen haben. 

Zu allen geselligen Veranstaltungen, namentlich zum Fest¬ 
essen, sind die Damen der Festteilnehmer ganz besonders herz¬ 
lich eingeladen. Die Zahl der Gedecke zur Tafel bitte ich bis 
spätetens den 10. Juni bei dem Unterzeichneten anzumelden. 

Der Vorsitzende 

des Vereins beamteter Tierärzte Preußens 
Thunecke, Kreistierarzt. 

Einladung zur 53. Generalversammlung des tierärztlichen Zentraivereins 
der Provinz Sachsen, der anhaitischen und thDringischen Staaten 

am Sonntag, d. 17. Mai, vormittags 11 Uhr 
in Halle a. d. S., „Grand Hotel Bode.“ 
Tagesordnung: 

1. Geschäftliches. Kassenrevision. 2. Referat des Herrn 
Kollegen Thune cke-Calbe a. S.: „Über den Stipendienfond.“ 
3. Vortrag des Herrn Kollegen Dr. Burow-Halle a. S.: „Über 
die Sobernheimsche Behandlung des Milzbrandes.“ 4. Vortrag 
des Herrn Kollegen Raebiger-Halle a. S.: „Die bisherigen 
Ergebnisse unserer Versuche auf dem Gebiete der Seuchen¬ 
bekämpfung.“ 

Um 2 Uhr findet ein gemeinsames Mittagessen statt (Gedeck 

3 M.). Gäste sind willkommen. — Anmeldungen bis zum 14. Mai 
an den Schriftführer erbeten. 

Disselhorst, Vorsitzender. H. Raebiger, Schriftführer. 


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314 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 19 


Frühjahrs-Versammlung des Vereins sohlesischer Tierärzte 

in Breslau (Palast-Restaurant, Schweidnitzerstraße.) 
am 10. Mai d. J., vorm, präcise 11 Uhr. 

Tagesordnung: 

a) Vereinsangelegenheiten. 

b) Fleischbeschau. 

Um 1 Va Uhr Festdiner unter Teilnahme der Damen zur Feier 
des 50jährigen tierärztlichen Jubiläums des Ehrenmitgliedes Herrn 
Kreistierarzt Riedel. 

Mit Rücksicht auf die Festfeier ist von einer umfangreicheren 
Tagesordnung abgesehen worden. Die Herren Kollegen werden 
gebeten, im Überrock oder dunklem Gesellschaftsanzug zu erscheinen. 

Der Vorstand. 

Immatrikulation in Berlin. 

Die Zahl der mit Beginn des Sommersemesters immatri¬ 
kulierten Zivilstudierenden des ersten Semesters, die also Abi- 

Staatsveterinärwesen. 

red. von Preusse 

MinisterialverfBgimg betr. Behandlung der Schafräude. 

Allgemeine Verfügung No. 17 filr 1903. 

Ministerinm für Landwirtschaft, Berlin W. 9, den 29. März 1903. 

Domänen und Forsten. Leipzigerplatz 7. 

Schafräude. 

Im Jahre 1902 sind in Preußen in 20 Regierungsbezirken 
und 87 Kreisen insgesamt 36 198 Schafe in 659 Beständen dem 
Froehnerschen, in einigen Fällen auch einem anderen ähnlichen 
Badeverfahren unterworfen worden. Hiervon waren am Schlüsse 
des Jahres 31793 Schafe in 605 Beständen geheilt, bei 1508 Schafen 
in 29 Beständen war das Heilverfahren noch nicht beendet, 756 Schafe 
in 8 Beständen sind ohne Erfolg gebadet, 2064 Schafe in 17 Be¬ 
ständen vor Beendigung der Kur geschlachtet und 77 Schafe infolge 
des Badens eingegangen. Außerdem wurde noch in 232 Beständen, 
zum Teil mit Erfolg, die Schmierkur angewendet. 

Wenngleich sich das Froehnersche Badeverfahren nach obiger 
Zusammenstellung auch im verflossenen Jahre bewährt zu haben 
scheint, ist es bei dem bisherigen Tilgungsverfahren doch nicht ge¬ 
lungen, die wünschenswerte Einschränkung der Seucho herbeizu- 
fUhren. Denn trotzdem sich die Zahl der Schafe in Preußen seit 
dem Beginne der siebziger Jahre um mehr als die Hälfte verringert 
hat, ist ein wesentliches Zurückgehen der VerseuchungBziffem in 
den letzten Jahren nicht eingetreten. 

So wurden nach den Jahresberichten über die Verbreitung von 
Tierseuchen im Deutschen Reiche und nach hier gefertigten Zu¬ 
sammenstellungen von Räude neu betroffen: 

im Jahre: 1897: 260 Gemeinden und 1088 Gehöfte, 

1898: 821 „ „ 1480 

1899: 281 „ „ 1583 

1900: 281 „ „ 1138 

1901: 411 „ „ 1971 „ 

1902: 395 „ „ 1094 

Abgesehen hiervon sind in letzter Zoit auch mehrfach Verluste 
nach dem Baden vorgekommen,, die von den Berichterstattern zum 
Teil auf eine Giftwirkung des angewandten Krcolins zurückgeführt 
worden sind. Ich sehe mich daher veranlaßt, unter Aufhebung aller 
anders lautenden Bestimmungen nachfolgendes anzuordnen: 

Auf die Ermittelung möglichst aller räudigeu Herden ist nach 
wie vor besonderes Gewicht zu legen, und es sind daher auch 
fernerhin die durch Erlaß vom 18. Juni 1898 — IG. 3492 — an¬ 
geordneten unvermuteten Revisionen sämtlicher verdächtig erschei¬ 
nender Schafbestände durch die beamteten Tierärzte beizubehalten. 
Dort, wo sich Voruntersuchungen der Schafherden durch Vertrauens¬ 
männer oder Gendarmen bewährt haben, stehen deren vorläufiger 
Beibehaltung Bedenken nicht entgegen. Bezüglich der den Ver¬ 
trauensmännern für diese Tätigkeit zu gewährenden Entschädigung 
verbleibt es bei den Bestimmungen des Erlasses vom 28. Oktober 
1895 — I. 23 744. 


turienten sind, beträgt vierzehn. Diese Zahl bleibt hinter 
der entsprechenden Durchschnittszahl früherer Sommerseinester, 
die etwa 40 betrug, natürlich erheblich zurück, ist aber immer¬ 
hin für den Anfang ganz gut. Da die Immatrikulationen im 
vorigen Wintersemester ungewöhnlich zahlreich waren (83), 
so entsteht z. Z. überhaupt noch kein Ausfall. 

Milchausstellung zu Hamburg. 

Der von Ihrer Majestät der Kaiserin der Ausstellung über¬ 
wiesene Ehrenpreis ist dem Professor Dr. Ostertag für die 
von ihm ausgestellten Objekte und seine erfolgreichen For¬ 
schungen zuerkannt worden. Diese Auszeichnung gereicht auch 
der tierärztlichen Hochschule zu Berlin zu großer Ehre und 
kann von allen Kollegen als ein Ei folg der Veterinärmedizin 
freudig mitempfunden werden. 


Bei der Behandlung der räudigen Herden wird auch in Zukunft 
grundsätzlich an dem Badeverfahren festzuhalten sein; jedoch kann, 
abweichend von den bisherigen Vorschriften, die Auswahl der Arz¬ 
neimittel zur Herstellung der Bäder dem Ermessen des behandelnden 
Tierarztes in jedem Einzelfalle überlassen bleiben. In der Anlage 
füge ich eine von der technischen Deputation für das Veterinärwesen 
aufgestellte Übersicht wirksam befundener Räudebäder bei, deren 
Anwendung den Tierärzten bei der Behandlung der Räude beson¬ 
ders zu empfehlen ist, ohne daß hierdurch die Zahl der zulässigen 
Mittel für die Herstellung einer geeigneten Badeflüssigkeit be¬ 
schränkt werden soll. 

In solchen Fällen, in denen das Badeverfabren wegen zu geringer 
Größe der Bestände, ungünstiger Witterungsverhältnisse oder wegen 
anderer dringender Umstände nicht ausführbar erscheint, oder wenn 
bei geringgradiger Erkrankung nach dem Gutachten des beamteten 
Tierarztes auch von der Schmierkur Erfolg zu erwarten ist, bann 
ausnahmsweise von der Anordnung des Bade Verfahrens abgesehen 
und statt dessen die Schmierkur zugelassen werden. Falls jedoch 
hierdurch volle Heilung innerhalb drei Monaten nicht erzielt worden 
ist, wird nachträglich noch das Badeverfahren für diese Bestände 
anzuordnen sein. 

Wenngleich in den §§ 52 des Reichsvichseuchengesetzes und 
121 der Bundesratsinstruktion nur von der tierärztlichen Behandlung 
der räudekranken Schafe die Rede ist, wird, wenn überhaupt 
Erfolg bei der Seuchenbekämpfung erzielt werden soll, auf dio 
gleichzeitige Behandlung auch der räudeverdächtigen Schafe, 
also auf das Baden der ganzen Herden, in denen sich rändekranke 
Schafe befinden, nicht verzichtet werden können. Um einer der¬ 
artigen Anordnung den zu ihrer wirksamen Durchführung erforder¬ 
lichen Nachdruck zu verleihen, genehmige ich hiermit auf Grund 
des § 1 der Bundesratsinstruktion den Erlaß von landespolizeilichen 
Anordnungen des Inhaltes, daß für solche räudeverdächtige Schaf¬ 
herden, deren Besitzer sich nicht zur Anwendung des Badeverfahrens 
verstehen, sofort nach § 22 des Reicbsviehsenchengesetzes die Stall¬ 
sperre angeordnet werden kann. 

Bei der mangelhaften Beschaffenheit mancher Schafställe ist 
deren wirksame Desinfektion kaum zu ermöglichen, und es liegt 
der Verdacht nahe, daß zahlreiche Wiederausbrüche der Seuche in 
bereits geheilten Herden auf neue Infektionen von den Ställen aus 
zurückzuführen sind. Diese Vermutung findet eine Stütze in den 
Ergebnissen der im pharmakologischen Institut der hiesigen Tier¬ 
ärztlichen Hochschule ausgefübrten Versuche Uber die Lebensfähig¬ 
keit freier Räudemilben. (Siehe S. 102 und 103 des I. Teils der 
Veröffentlichungen aus den Jahresberichten der beamteten Tierärzte 
Preußens für das Jahr 1901.) 

Da die Milben hiernach in Ställen bis zu vier Wochen lebensfähig 
bleiben können, erscheint es zweckmäßig, tunlichst darauf hinzu- 
wirken, daß verseucht gewesene Stallungen und von räudekranken 
Schafen benutzte Weideflächen etc. vor Ablauf von 6 — 8 Wochen 
nach Beendigung der Kur nicht wieder benutzt werden. 


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7. Mai 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


315 


Ich vertraue, daß die Tierärzte ihrer durch die Vorschriften 
des gegenwärtigen Erlasses erhöhten Verantwortlichkeit sich bewußt, 
mit besonderer Sorgfalt auf die erfolgreiche Behandlung der Seuche 
bedacht sein werden und ersuche Sie, diesen Erlaß zur Kenntnis 
der beteiligten Kreise zu bringen. Außerdem wollen Sie die Schaf¬ 
besitzer wiederholt auf die Anzeigepflicht und die strafrechtlichen 
Folgen einer Verletzung dieser Pflicht hinweisen und durch gemein¬ 
faßliche Belehrungen in geeigneten Blättern über die Erscheinungen, 
die Nachteile und die Bekämpfung der Räude aufklären. 

v. Podbielski. 

Die Badekur bei der SchaMude. 

Zur Behandlung der Schafräude sind die nachfolgend bezeichneten 
Bäder als wirksam befunden worden. 

1. Arsenikbäder. 

Zu denselben wird eine l / r bis lproz. Lösung der arsenigen 
Säure verwendet 

Das Eberhardt sehe Bad besteht aus 2,5 Teilen Arsenik, 
20 Teilen Alaun und 300 Teilen Wasser. 

Das Matthieusche Bad enthält ein Teil Arsenik, 10 Teile 
Alaun und 100 Teile Wasser. 

In dem Fowlersehen Bade sind je 1 Teil Arsenik und Pott¬ 
asche in 100 Teilen Wasser gelöst. 

Das Viborgsche Bad enthält Arsenik und Pottasche zu je 
1 Teil, Essig und Wasser je 100 Teile. 

Die BadeflUssigkeit darf erst nach vollkommener Lösung der 
Bestandteile zur Anwendung kommen. 

Um eine umfangreichere Resorption von der Haut aus zu ver¬ 
hindern und damit die Gefahr einer Arsenikvergiftung zu verringern, 
bade man die Schafe erst 8 bis 14 Tage nach der Schur. 

Die Schafe werden zweimal in die BadeflUssigkeit eingetaucht 
und alsdann mit einer Bürste über den ganzen Körper tüchtig 
durebgebürstet. 

2. Tabakbäder. 

Die Bäder werden in der Weise bereitet, daß man 7‘/j kg zer¬ 
schnittenen Landtabak mit 50 Liter Wasser */« Stunde lang kocht 
Hierauf wird der Tabak durch Abseihen von der Flüssigkeit ge¬ 
trennt und der letzteren 1 kg verflüssigte Karbolsäure des Deutschen 
Arzneibuches nebst 1 kg Pottasche sowie soviel Wasser hinzuge¬ 
fügt, daß 250 Liter Badeflüssigkeit erhalten werden. Die Bade¬ 
temperatur soll 30° R. (38° C.), die Badedauer 2 Minuten betragen. 
Die Körperoberfläche der ans dem Bade herausgenommenen Schafe 
wird nunmehr 2 Minuten lang durch Bürsten, Kneten, Reiben und 
Walken bearbeitet Räudige Schafe werden hierauf noch einmal 
eingetaucht und durchgerieben. 

3. Kresolhaltige Bäder. 

a) Creolin Pearson; b) Liquor Cresoli saponatus, Lysol; 
c) Bacillol. 

Die BadeflUssigkeit soll 2 bis 2‘/ s proz. der genannten Kresol- 
präparate enthalten. 

Das zu verwendende Wasser sei möglichst kalkarm. Die Tem¬ 
peratur des Bades soll 28 bis 30° R. — 36—38° C. — betragen. 

Die Schafe verbleiben während 3 Minuten in der Badeflüssigkeit. 
Sie werden dann herausgenommen und 3 Minuten lang an der Körper¬ 
oberfläche, namentlich aber an den sichtbar erkrankten Hantstellen 
gebürstet, geknetet, gecratzt und bearbeitet. Die Krusten werden 
durch Kratzen und Bürsten möglichst entfernt. Zum Schlüsse 
werden die Schafe nochmals in die Badeflüssigkeit eingetaucht. 

Während des Badens ist darauf zu achten, daß ein Verschlucken 
der BadeflUssigkeit verhindert wird. 

Eine Woche nach dem ersten Bade findet ein zweites Bad in 
der gleichen Weise Anwendung. 

Der Heilerfolg bei der Badekur mit Kresolpräparaten wird er¬ 
höht, wenn die räudigen Schafe vor der Badekur mehrere Tage 
hintereinander an den sichtbaren, erkrankten Körperstellen einge¬ 
rieben werden. Zu diesen Einreibungen eignet sich ein Liniment, 
welches durch Mischen von 1 Teil Creolin oder Liquor Cresoli 
saponatus oder Bacillol, 1 Teil Spiritus und 8 Teilen Schmierseife 
hergestellt wird. 


Tierseuchen in Deutschland im Jahre 1901. 

(Jahresbericht über die Verbreitung von Tierseuchen im Deutschen 
Reiche. 16. Jahrgang.) 

Die Maul- und Klauenseuche Im Jahre 1901. 

Die Maul- und Klauenseuche ist auch im Jahre 1901 noch weiter 
zurückgegangen. Bei Beginn des Jahres herrschte sie in 348 Ge¬ 
meinden bezw. GutBbezirken und 670 Gehöften. Am Schlüsse blieben 
verseucht 150 Gemeinden etc. und 637 Gehöfte. Im Laufe des 
Jahres wurden von der Seuche betroffen 1746 Gemeinden etc. und 
6316 Gehöfte. Die Stückzahl der in den neubetroffenen Gehöften 
vorhandenen Rinder betrug 80 739, Schafe 74 952, Ziegen 1070 und 
Schweine 26378. Von je 10000 Rindern und Schweinen gehörten 
42,63 bezw. 15,07 neubetroffenen Gehöften an. Die Seuche war im 
1. Vierteljahr am stärksten, im 3. am schwächsten verbreitet. Im 
1. Vierteljahr wurden 822 Gemeinden und 1449 Gehöfte neubetroffen, 
im 2. Vierteljahr 288 Gemeinden etc. und 757 Gehöfte, im 3. 159 Ge¬ 
meinden und 850 Gehöfte, im 4. 489 Gemeinden und 8260 Gehöfte. 
Es waren im Berichtsjahre 5 Bundesstaaten, 7 Regierungs-etc. Bezirke, 
888 Kreise, 10 407 Gemeinden etc. und 40698 Gehöfte weniger ver¬ 
seucht als im Vorjahre. Es waren gänzlich frei von Maul- und 
Klauenseuche geblieben: Schwarzburg - Sondershansen, Waldeck, 
Schaumburg-Lippe, Lübeck, Bremen, Hamburg. Die größten Be¬ 
stände an erkrankten und verdächtigen Klauentieren ergaben sich 
in den Regierungsbezirken Potsdam, Magdeburg, Ober-Bayern, 
Stettin, Marienwerder, Mittelfranken und Frankfurt und in den 
Kreisen Schrobenhausen, Thorn, Angermünde, Graudenz, Grimmen, 
Regenwalde, Templin. Von den im Reiche vorhandenen 1049 Kreisen 
sind insgesamt 617 = 49 Proz. verseucht gewesen gegen 86 Proz. 
im Vorjahre. 

Die dem Bericht angefügte kartographische Darstellung zeigt, 
daß besonders der Westen, Süden und Süd westen des Reiches im 
Berichtsjahre betroffen waren. Im Norden, Osten und Nordosten, 
selbst in Mitteldeutschland waren größere Bezirke seuebenfrei ge¬ 
blieben. Die größte räumliche Verbreitung zeigte die Seuche in 
den Kreisen etc. Mannheim (72,73 Proz. der vorhandenen Gemeinde¬ 
einheiten), Kempen a.Rb. (55,56 Proz.), Erkelenz (52 Proz.), Leutkirch 
(48 Proz.), Gebweiler (46,82 Proz.), Kempten (46,40 Proz.), Tettnang 
(45,45 Proz.), Eupen (44,44 Proz), Wangen (41,67 Proz), Schroben¬ 
hausen (41,03 Proz.), Rappoldtsweiler (40,63Proz), Gladbach (40 Proz.). 

Was nun die Verbreitung der Maul- und Klauenseuche im Aus¬ 
lande anbetrifft, so waren besonders stark betroffen: Belgien, Bul¬ 
garien, Frankreich, hier hatte sie aber gegen den Schluß des 
Jahres hin erheblich abgenommen; Stettin, Luxemburg, Niederlande, 
Rumänien, hier sind 491 681 Erkrankungen gemeldet worden (gegen 
2828 im Vorjahre), Rußland und die Schweiz. 

In Österreich hatte die Seuche nur eine geringe Ausbreitung 
gehabt. Ungarn war während des ganzen Jahres fast seuchefrei, 
erst gegen Schluß des Jahres war die Seuche wieder in einigen 
Orten aufgetreten. In Dänemark war nur 1 Tierbestand betroffen. 

Von auswärtigen Staaten waren Frankreich und besonders 
Rußland von der Lungenseuche betroffen. Aus letzterem Lande 
sind 14 320 Erkrankungen gemeldet worden. 

Einschleppungen der Lungenseucbe aus dem Auslande sowie 
Verschleppungen aus einem Bundesstaat in den andern sind im 
Berichtsjahre nicht vorgekommen. In mehreren Fällen waren die 
Tiere bereits erkrankt bezw. infiziert, als sie in den Besitz der 
neuen Eigentümer gelangten. Im Kreise Eckertsberga ist die Seuche 
in 3j Fällen vermutlich durch die Herdbuchkommission einge- 
schleppt worden. Ermittelt wurde die Seuche in 2 Fällen bei der 
Marktbeaufsichtigung, bei 12 Tieren in Schlachthäusern, 2 mal bei 
der Fleischbeschau, in Hamburg bei aus Sperrgebieten stammenden 
Rindern und in 2 Beständen bei polizeilichen Untersuchungen aller 
durch die Seuche gefährdeten Tiere am Seuchenorte. 

Bei drei Seuchenausbrüchen im Kreise Eckertsberga wurden 
Inkubationszeiten von 42, 48 und 54 Tagen angegeben, im Kreise 
Weißenfels 1 mal gegen zehn Wochen. 

Lungenseucheimpfungen wurden ausgeführt in den Kreisen 
Halberstadt, Wanzleben und Wolmirstedt. Es wurden 6 verseuchte 
und 3 seuchefreie Bestände geimpft, ln zwei Beständen kam die 
Seuche erst nach der im Berichtsjahre erfolgten Impfung zum A us 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 19 


316 


bruch, in einem Bestände war fast die Hälfte der vorhandenen 
Rinder im Vorjahre geimpft worden. In diesen drei Beständen er¬ 
krankten beim Ansbruch der Seuche von 138 geimpften Tieren 8, 
und von 268 nicht geimpften Tieren 7. Nach den Impfungen im 
Berichtsjahre erkrankten noch 9 der früher geimpften und 14 der 
früher nicht geimpften Tiere. Insgesamt sind infolge der Impf¬ 
krankheit gefallen 10 Tiere, d. i. 1,7 Proz. der geimptten Rinder. 

An Entschädigungen wurden für 766 aus Anlaß der Bekämpfung 
der Lungenseuche getötete bezw. gefallene Rinder 124 566,15 M. 
gezahlt gegen 193 674,32 M. im Vorjahr. 

Anlässe zu den SeucbenausbrUchen. 

Aus dem Auslande ist die Maul- und Klauenseuche eingeschleppt 
zweimal nach Ostpreußen aus Rußland durch Personen und Gänse, 
einmal aus Böhmen nach der Ober-Pfalz vermutlich durch Personen 
und dreimal aus Luxemburg nach Elsaß Lothringen durch 
Schlachtvieh. 

Innerhalb des Reiches kamen durch Vieh- und Personenverkehr 
Seuchenverschleppungen vor: aus Preußen viermal nach Sachsen, 
zweimal nach Anhalt und einmal nach Elsaß-Lothringen; aus 
Bayern in vier preußische Kreise, nach Sachsen sechsmal, nach 
Württemberg dreimal, nach Baden einmal, nach Braunschweig 
und Anhalt je einmal, aus Württemberg einmal nach Sigmaringen 
und zweimal nach Baden; aus Baden einmal nach Württemberg; 
aus Hessen je zweimal nach Preußen und Baden. Außerdem 
fanden noch Verschleppungen statt je einmal aus Oldenburg, 
Sachsen-Meiningen, Anhalt und Elsaß-Lothringen nach Preußen. 

Innerhalb der einzelnen Bundesstaaten fanden namentlich durch 
den Besitzwechsel erkrankter und angesteckter Tiere sehr viele 
Verschleppungen statt. Als Anlässe zu den Seuchenausbrüchen 
werden noch erwähnt: Verkehr von Personen in verseuchten 
Ställen und in ungereinigten Kleidern, Übertretung von Sperrma߬ 
regeln, Nichtbeachtung vorgeschriebener Quarantäne, verbotwidrige 
Benutzung von Tränken und Weiden, Abgabe von Häuten ge¬ 
fallener Tiere, Milchlieferung aus Seuchegehöften, Abgabe roher 
Magermilch aus Sammelmolkereien und schließlich Unterlassung und 
Verzögerung der Anzeige. Durch Zwischenträger verschiedener 
Art wurde selbst bei vorschriftsmäßiger Ausführung der angeord¬ 
neten Sperrmaßregeln die Seuche in zahlreichen Fällen verschleppt, 
ebenso durch Tiere, welche die Krankheit überstanden hatten und 
durch für die Seuche unempfängliche Tiere. In einem Falle 
haben Rinder und Schweine, welche im hygienischen Institut 
in Greifswald zu Versuchszwecken gestanden hatten, die Seuche 
verschleppt. Außerdem haben zur Verbreitung der Seuche auch bei¬ 
getragen : Vieh verkehr und Viehhandel, Viehmärkte, Wirtshausverkehr, 
Weidetrieb, gemeinsame Tränken, Futtermittel, Dünger, Genossen¬ 
schaftsmolkereien, Käsekuchen, infizierte Gastställe, ungünstige 
Lage der Seuchengehöfte, ungeeignete Jaucheabflüsse, ferner Unter¬ 
lassung oder mangelhafte Ausführung der Desinfektion. Selbst 
durch Ställe, welche vorschriftsmäßig desinfiziert waren, sollen in 
zwei Gehöfte in Pommern Seucbenübertragungen vermittelt 
worden sein. 

Wiederholt wurden Seuchenausbrüche ermittelt bei der tier¬ 
ärztlichen Beaufsichtigung von Viehmärkten auf Viehhöfen und 
in Schlachthäusern, auch bei den Fleischbeschau, in Ab¬ 
deckereien, selbst auf offener Straße, ferner auf der Eisenbahn, 
bei Revision der Gast- und Händlerstallungen und bei polizeilich 
angeordneten Untersuchungen aller durch die Seuche gefährdeten 
Tiere am Seuchenorte. 

Die Angaben über Inkubationszeit schwanken zwischen drei 
und zwölf Tagen. Die Impfungen mittelst Maulspeichels kranker 
Tiere hatten zumeist einen raschen, gleichmäßigen und milden 
Verlauf zur Folge. Im Regierungsbezirk Stralsund wurde ein 
Bestand von 29 Rindern, unter denen erst 2 offensichlich erkrankt 
waren, mit Löfflerscher Lymphe geimpft. Die Seuche verlief hier¬ 
durch milder, einige Tiere erkrankten anscheinend gar nicht. 
Trotzdem ging der Milchertrag erheblich zurück. Im Oberamts¬ 
bezirk Heilbronn wurde ein Viehbestand nach Baccellis Methode 
behandelt Trotzdem sind 2 Tiere gefallen, 8 mußten wegen 
Gelenk- und Klauenleiden notgcschlachtet werden. Auch im 
Ober-Elsaß wurden mit Baccellischen Impfungen schlechte Er¬ 
fahrungen gemacht. 


In zahlreichen Fällen wurden Viehmarktverbote erlassen, welche 
sich im allgemeinen bewährt haben. In einzelnen waren dieselben 
mit wirtschaftlichen Nachteilen verbunden. In Mecklenburg-Schwerin 
soll die Beschränkung des Hausierhandels sich wirksamer erwiesen 
haben, wie die Viehmarktverbote. Vielfach ist auch über Über¬ 
tragungen der Maul- und Klauenseuche auf Menschen berichtet 
worden. 

Aus Württemberg, Baden und Elsaß-Lothringen liegen zahlen¬ 
mäßige Angaben Uber bösartigen Verlauf der Maul- und Klauen¬ 
seuche vor. 

In Württemberg fielen 312 Rinderund 108 Schweine; 42 Rinder 
und 11 Schweiue mußten notgeschlachtet werden. In Baden ver¬ 
endeten 131 Rinder, 35 Schweine und 14 Ziegen; 74 Rinder, 
10 Schweine wurden notgeschlachtet. In Elsaß Lothringen fielen 
852 Rinder, 161 Stück Kleinvieh und 85 Schweine der Seuche zum 
Opfer; 63 Rinder, 4 Stück Kleinvieh und 4 Schweine wurden not¬ 
geschlachtet. 

An Entschädigungen wurden bezahlt in Württemberg 36233 M., 
in Sachsen 2036 M. 

Die Lungenseuche im Jahre 1901. 

Im Berichtsjahre ist ein Rückgang der Zahl der Erkrankungen 
an Lungenseuche um 39,3 Proz. zu verzeichnen gewesen; es sind 
insgesamt 284 Stück Rindvieh erkrankt (1900 : 468). Diese Fälle 
verteilen sich nur auf die 3 Staaten Preußen, Sachsen-Weimar und 
Anhalt In Preußen waren 3 Provinzen, Sachsen, Hannover und 
Rheinland betroffen. Gefallen sind 3 Rinder, auf polizeiliche An¬ 
ordnung getötet 663, auf Veranlassung des Besitzers 217. Es wurden 
ferner in seuchefreien Gehöften 25 der Seuche und 57 der An¬ 
steckung verdächtige Tiere polizeilich getötet und bei der Sektion 
seuchefrei gefunden, desgleichen 1 bezw. 32 Stück auf Veranlassen 
der Besitzer. 

Der Gesamtverlust an Rindvieh aus Anlaß der Bekämpfung der 
Lungenseuche betrug 998 Stück, 23,1 pCt weniger, wie im Vorjahre. 
Der Gesamtbestand an Rindern in den neu betroffenen Gehöften 
betrug 1650. Es sind 29 Gemeinden bezw. Gutsbezirke und 58 Ge¬ 
höfte neu betroffen worden. Die meisten Seuche-Ausbrüche kamen 
auf das 2. Vierteljahr (22 Gehöfte), die wenigsten auf das 1. (6 Geh.). 

Die meisten Senchefälle kamen in den Regierungsbezirken 
Magdeburg und Merseburg zur Beobachtung (163 bezw. 118 Er¬ 
krankungen). Nur je 1 Erkrankungsfall ist aus Sachsen-Weimar, 
Anhalt und Regierungsbezirk Koblenz gemeldet. 

Von je 10000 Rindern des Gesamtbestandes sind im Reiche an 
Lungenseuche erkrankt 0,25, in Preußen 0,16. Unter 200 getöteten 
Rindern befanden sich 68,07 seuebefreie. 

Aus der dem Jahresbericht beigegebenen kartographischen 
Darstellung ist ersichtlich, daß die Provinz Sachsen der Haupt- 
Lungenseuchenherd in Deutschland ist, hier waren wieder die 
Kreise Wanzleben und Eckartsberga am stärksten betroffen. 

Die Pookenseuche der Schafe Im Jahre 1901. 

Im Berichtsjahre sind die Schafpocken in den Regierungs¬ 
bezirken Königsberg und Gumbinnen und zwar in zwei Kreisen, 
vier Gemeinden und vier Gehöften aufgetreten mit einem Gesamt- 
bestande von 1005 Schafen. 38 Schafe fielen der Seuche zum Opfer. 

Der erste Ausbruch der Pocken soll durch Streustroh veranlaßt 
worden sein, in dem russische Schmuggler öfters genächtigt hatten. 
Die Seuche wurde durch die Impfung zum Erlöschen gebracht. 

Im Auslande sind Schafpocken aufgetreten in Bulgarien in 
99 Ortschaften, in Frankreich, hier besonders im Süden, in Italien 
818 Erkrankungsfälle, Österreich-Ungarn, besonders in Bosnien, in 
der Herzegowina, Rumänien 70 231 Erkrankungsfälle, in Rußland 
121 393 Erkrankungsfälle, in Serbien 4551 Erkrankungsfälle. 

Viehuntersuchung. 

Die zur Abwehr der Maul- und Klauenseuche im Reg.-Bez. 
Bromberg getroffene Bestimmung, nach welcher die innerhalb 
desselben zur Entladung mit der Eisenbahn gelangenden Rinder 
einer Untersuchung unterworfen sind (vgl. B. T. W. No. 125, 
206), erstreckt sich nach Verfüg, vom 14. April auf: 1. die preuß. 


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7. Mai 1903. 


Reg.-Bez. Stettin, Posen, Oppeln, Magdeburg, Koblenz, Düssel¬ 
dorf, Trier (nicht mehr Königsberg); 2. die bayr. Beg.-Bez. 
Oberbayern, Oberfranken, Schwaben und neuerdings Pfalz; 
3. die württembergi8chen Kreise Neckarkreis, Jagstkreis u. u. 
Schwarzwaldkreis, Donaukreis; 4. die bad. Landeskommissariate 
Karlsruhe, Mannheim; 5. die Reichslande Elsaß-Lothringen; 
nicht mehr auf Mecklenburg-Schwerin. 

Nachweisuug Ober den Stand der Tierseuchen in Deutschland an 
15. April 1903. 

Die Zahlen bedeuten die vereeuchten Kreise (OberamUbox. etc.) und (eingeklammert) 

Gemeinden. 


Schweineseuche (Schweinepest). 


Regierungs¬ 
bezirke etc. 

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Auf je 1000 
Gemeinden 
waren verseucht 

Regierungs¬ 
bezirke etc. 

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seuchte 

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Preußen: 




Sigmaringen . . . 

_ 

_ 

Königsberg. . . . 

14 

42 

10,2 

Waldeck. 

2 

4 

Gumbinnen .... 

7 

33 

8,4 

Bayern: 



Danzig. 

8 

9 

7,9 

Oberbayern .... 

4 

8 

Marienwerder . . 

14 

75 

33 

Niederbayern. . . 

— 

— 

Berlin. 

1 

1 

— 

Pfalz. 

2 

2 

Potsdam. 

15 

63 

24 

Oberpfalz. 

— 

— 

Frankfurt. 

15 

51 

18 

Oberfranken . . . 

— 

— 

Stettin. 

11 

41 

21 

Mittelfranken. . . 

— 

— 

Köslin. 

10 

34 

17 

Unterfranken. . . 

— 

— 

Stralsund. 

3 

6 

6 

Schwaben. 

— 

— 

Posen. 

19 

62 

18 

Württemberg . 

1 

1 

Bromberg. 

12 

82 

36 

Sachsen. 

4 

4 

Breslau. 

21 

153 

40 

Baden. 

1 

1 

Liegnitz. 

19 

149 

52,9 

Hessen . 

2 

13 

Oppeln. 

10 

23 

8,2 

Meckl.-Schwerin 

5 

17 

Magdeburg .... 

9 

17 

11,8 

Meckl.-Strelitz . 

1 

1 

Merseburg .... 

11 

26 

11,2 

Oldenburg . . . 

— 

— 

Erfurt. 

2 

2 

3,4 

Sachs.-Weimar. 

2 

4 

Schleswig. 

11 

25 

11,7 

Sachs.-Meiningen 

1 

1 

Hannover. 

5 

9 

14,3 

Sach s.-Alten bürg 

1 

1 

Hildesheim .... 

1 

1 

1,3 

Sachs.-Kob.-Got. 

1 

1 

Lüneburg. 

5 

5 

8,3 

Anhalt. 

2 

2 

Stade . 

5 

9 

12,3 

Braunschweig 

2 

8 

Osnabrück .... 

1 

5 

8,9 

Schwarzb.-Sond. 

1 

1 

Aurich. 

1 

4 

11,4 

Schwarzb.-Rud. 

— 

— 

Münster. 

4 

8 

29 

Reuse ä. L. ... 

— 

— 

Minden. 

5 

13 

26 

Reuss j. L. ... 

— 

— 

Arnsberg . 

8 

18 

15 

Schaumb.-Lippe 

— 

— 

Kassel. 

5 

9 

6 

Lippe-Detmold . 

2 

5 

Wiesbaden .... 

4 

7 

7,4 

Hamburg .... 

1 

1 

Koblenz. 

1 

2 

1,9 

Lübeck . 

— 

— 

Düsseldorf .... 

9 

28 

65 

Bremen. 

— 

— 

Köln. 

8 

5 

16 

Eisass . 

1 

S 

Trier. 

2 

2 

1,7 

Lothringen . . 

— 

— 

Aachen. 

1 

2 

5 





Rotz. 

Preußen: ln den Regierungsbezirken Breslau und im Stadt¬ 
bezirk Berlin je 1 (1); im R.-B. Potsdam 2 (4); Minden 3 (3); Op¬ 
peln 4 (5). — Bayern: Niederbayern 6 (7); Schwaben 1 (1). — 
Sachsen 1 (1). — Mecklenburg-Strelitz 1 (1). — Waldeck 1 (1). — 
Zusammen 21 Gemeinden (März 16). 

Maul- und Klauenseuche. 

Preußen: In den Regierungsbezirken Bromberg und Magdeburg 
je 1(1); Posen 3 (6).— Bayern: Oberbayern 1 (3); Oberfranken 2 (2); 
Schwaben 1 (1). — Württemberg: Jagst- und Donaukreis je 1 (je 3); 


317 


Neckarkreis 4 (6). — Elsaß-Lothringen 6 (18). — Zusammen 21 Ge¬ 
meinden (März 38). 

Die Lungenseuche ist nirgends im Reichsgebiet aufgetreten. 


Tierseuchen In Deutschland Im III. Quartal 1902. 


Staaten 

bezw. 

Landesteile 

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Prov. Ostprenssen . . 

1 

37 

7 

7 

— 

— 

— 


— 

— 

„ Westpreussen 

1 

170 

8 

11 

— 

— 

3 

4 

— 

— 

„ Brandenburg . . 

ft 

231 

74 

81 

2 

31 

10 

34 


138 

„ Pommern . . . 

1 

13 

7 

10 

1 

5 

3 

70 


— 

„ Posen .... 

7 

2089 

46 

164 

1 

13 

1 4 

— 

— 

„ Schlesien . . 

1 

1 

92 

101 

9 

21 

16 

31 

— 

— 

„ Sachsen . . . 

5 

217 

48 

121 

— 

— 

13 

84 

4 

1442 

„ Schleswig . . . 

_ 

— 

17 

28 

4 

19 

8 

28 

— 

— 

„ Hannover . . . 

— 

— 

31 

36 

2 

3 

6 

31 

26 

6 916 

„ Westfalen . . . 


— 

44 

56 

1 

2 

4 

64 

1 

280 

„ Hessen .... 

— 

— 

49 

67 

1 

1 

26 

817 

3 

247 

„ Rheinprovinz. 

24 

1 074 

75 

93 

— 

— 

24 

170 

4 

750 

Hohenz.-Sigmaringen 


— 

2 

5 

— 

— 

1 

3| - 

— 

Preussen zusammen . 

46 4 432500 

780 

21 

951151340 

39 

9 773 

Bayern. 

5 

56 

49 

60 

4 

10 

52 

194 

5 

524 

Sachsen . 

1 

14 

89 

109 

— 

— 

2 

3 

i 

40 

Württemberg.... 

15 

655 

28 

30 

— 

— 

44 

139 

6 

1258 

Baden . 

3 

31 

14 

22 

— 

— 

20 

88 

— 

— 

Hessen. 

— 

— 

18 

18 

— 

— 

4 

18 

— 

— 

Mecklenburg-Schwerin 

— 

— 

— 

— 

1 

2 

1 

105 

— 

— 

Sachsen-Weimar . . 

— 

— 

11 

12 

— 

— 

4 

23 

3 

637 

Mecklenburg-Strelitz . 

- 

— 

- 

— 

— 

— 


— 

— 

— 

Oldenburg . 

- 

— 

2 

2 

— 

— 

3 

10 

— 

— 

Braunschweig . . . 

1 

372 

10 

11 

— 

— 

— 

— 

6 

743 

Sachsen-Meiningen. . 

— 

— 

2 

3 


— 

5 

10 

— 

— 

Sachsen-Altenburg 

— 

— 

4 

4 


— 

— 

— 

1 

49 

Sachsen-Koburg-Gotha 

— 

— 

1 

2 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

Anhalt. 

1 

58 

11 

14 

— 

— 

— 

_ 

— 

— 

Schwarzburg-Sondersh 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 


2 

384 

Schwarzburg-Rudolst. 

1 

8 

1 

1 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

Waldeck. 

— 

— 

1 

1 

— 

— 

5 

10 

— 

— 

Reuss ä. L. 

— 

— 

2 

2 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

Reuss j. L. 

— 

— 

5 

5 

— 

— 

1 

1 

— 

— 

Schaumburg-Lippe. . 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

Lippe-Detmold . . . 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

Lübeck . 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

Bremen. 

— 

— 

1 

1 

1 

1 

— 

— 

— 

— 

Hamburg. 

— 

— 

3 

3 

1 

1 

— 

— 

— 

_ 

Elsass-Lothringen . . 

5 

257 

12 

13 

— 

— 

4 

11 

1 

290 


Deutsches Reich . .| 78| 5 8837641093; 28109,2601952 64| 13 700 


*) Die gefährdeten, d. h. auf den neubetroffenen Gehöften be¬ 
findlichen Bestände betrafen von den einzelnen Tiergattungen für 
das Deutsche Reich berechnet: 2431 Rinder, 2 322 Schafe, 
94 Ziegen, 1036 Schweine. Davon kamen auf Preußen 
1 809 Rinder, 1 722 Schafe, 80 Ziegen und 821 Schweine. 

*) Unter den erkrankten Tieren befanden sich 43 Pferde, 
881 Rinder, 150 Schafe, 19 Schweine. Hiervon entfielen auf Preußen 
87 Pferde, 579 Rinder, 146 Schafe, 10 Schweine. 

*) Am Beginn des Quartals waren verseucht 24 Gemeinden 
(davon in Preußen 19, Bayern 4, Sachsen 1). Am Schluß des 
Quartals blieben verseucht 20 Gemeinden (davon in Preußen 16, 
Bayern 3, Hamburg 1). 

4 ) D. h. gefallene oder getötete Tiere. 

5 ) Unter den erkrankten Tieren befanden sich 40 Pferde und 
1 912 Rinder. 

6 ) D. h. bei Beginn des Quartals bereits verseuchte und im 
Laufe des Quartals neubetroffene Gemeinden. (Die Stückzahl der 
Herden ist nur aus den neubetroffenen Gemeinden angegeben.) Es 
blieben am Quartalsschluß von Gemeinden verseucht 173, wovon 
auf Preußen 142, Bayern 5, Württemberg und Braunschweig je 7, 
Baden 3, Sachsen-Weimar 4, Hessen und Elsaß-Lothringen je 2, 
Sachsen-Altenburg 1 entfielen. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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318 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


An Rauschbrand verendeten in den nachbenannten Staaten: 
Preußen 172 Rinder, wovon 62 Fälle im R.-B. Münster, 25 in 
Aachen, 16 in Schleswig, 14 in Düsseldorf, 12 in Kassel, 9 in Wies¬ 
baden, 7 in Arnsberg, 5 in Slade, je 4 in Danzig, Aurich, Sigmaringen, 
je 2 in Hannover und Minden, je 1 in Königsberg, Gumbinnen, 
Marienwerder, Oppeln und Erfurt; Bayern 1 Schaf und 145 Rinder; 
Sachsen 1 Rind;Württemberg 12 Rinder; Baden und Elsaß-Lothringen 
je 2; Hessen 11 Schafe und 10 Rinder; Sachsen-Meiningen 9,Rinder; 
Sachsen-Altenburg 1. Zusammen 12 Schafe und 354 Rinder. 

Von der Tollwut wurden im ganzen 161 Gemeinden betroffen: 
Preußen 150 (wovon in den R.-B. Gumbinnen 33, Oppeln 26, Lieg¬ 
nitz 19, Breslau 16, Königsberg 15, Posen 14, Bromberg 11, Marien¬ 
werder 8, Köslin 4, Danzig 2, Magdeburg und Münster je 1); Bayern 4, 
Sachsen 6; Sachsen Weimar 1. 

Von Lungenseuche wtuden betroffen der preuß. bezw. sächs. 
R.-B. Magdeburg und Leipzig in 1 Gemeinde, wozu vom Vorquartal 
noch kamen in Oppeln 1, in Magdeburg 5 Gemeinden (6 Gehöfte). Sie 
erlosch hier im Laufe des Quartals in 4 Gemeinden (5 Gehöften), sodaß 
am Schluß desselben noch bestanden je 1 Seuchenherd in Oppeln 
und Leipzig sowie 2 in Magdeburg. 

Die Pferderäude befiel 49 Pferde, von dei.en 33 auf 
Preußen, 11 auf Bayern, 3 auf Württemberg, je 1 auf Mecklenburg- 
Schwerin und Hamburg kamen. 

Die Rotlaufseuche der Schweine kam in folgender Ver¬ 
breitung vor: Es erkrankten irn Deutschen Reiche in 8171 neu 
betroffenen Gemeinden (18 511 Gehöften) 30 314 Stück, von denen 
24 843 fielen oder getötet wurden. Auf Preußen kamen davon in 
6876 Gemeinden (15 981 Gehöften) 26 044 Erkrankungsfalle, wobei, 
ähnlich wie im Vorquartale, die R.-B. Posen mit 742 und Königsberg 
mit 569 Gemeinden an der Spitze standen; ihnen folgten Gumbinnen 
und Oppeln mit 552 bezw. 481 Gemeinden, Breslau mit 373, Marien¬ 
werder mit 361, Frankfurt mit 344, Liegnitz mit 338, Bromberg 
mit 337, Merseburg mit 259, Kassel mit 213, Danzig mit 208, Magde¬ 
burg mit 201; Bayern in 162 Gemeinden (383 Gehöften) 832; Sachsen 
in 364 Gemeinden (611 Gehöften) 1057; Württemberg in 101 Gemeinden 
(145 Gehöften) 202; Baden in 107 Gemeinden (243 Gehöften) 367; 
Hessen in 115 Gemeinden (189 Gehöften) 287; Mecklenburg-Schwerin 
in 66 Gemeinden (196 Gehöften) 354; Sachsen-Weimar in 43Gemeinden 
(76 Gehöften) 86; Mecklenburg-Strelitz in 27 Gemeinden (50 Ge¬ 
höften) 80; Oldenburg in 19 Gemeinden (46 Gehöften) 77; Braun¬ 
schweig in 65 Gemeinden (164 Gehöften) 288; Sachsen-Meiningen 
in 31 Gemeinden (52 Gehöften) 69; Sachsen-Altenburg in 33 Ge¬ 
meinden (43 Gehöften) 95; Sachsen Koburg-Gotha, in 21 Gemeinden 
(38 Geholten) 77; Anhalt in 28 Gemeinden (68 Gehöften) 95; Schwarz- 
burg-Sondershausen in 10 Gemeinden (13 Gehöften) 25; Schwarzburg- 
Rudolstadt in 8 Gemeinden (10 Gehöften) 10; Waldeck in 12 Ge¬ 
meinden (20 Gehöften) 22; Schaumburg-Lippc in 27 Gemeinden 
(38 Gehöften) 46; Lippe-Detmold in 26 Gemeinden (66 Gehöften) 88; 
Hamburg in 12 Gemeinden (27 Gehöften) 43; Elsaß-Lothringen in 
10 Gemeinden (44 Gehöften) 60, während in den anderen Bundes¬ 
staaten (den beiden Reuß, Lübeck und Bremen) weniger als 5 Ge¬ 
meinden betroffen waren. 

An der Schweineseuche (-pest) erkrankten in Preußen in 
1096 neubetroffenen Gemeinden (1704 Gehöften) 9707 Stück, von 
denen 7143 fielen oder getötet wurden, und zwar zeigten die stärkste 
Verseuchung, wie im Vorquartale, die R.-B. Breslau mit 223, Liegnitz 
mit 165, Stralsund mit 126 Gemeinden, denen sich weiterhin die 
R.-B. Bromberg mit 75, Potsdam mit 64, Königsberg mit 61, Oppeln 
mit 54 und die übrigen Bezirke mit weniger als 50 neuverseuchten 
Gemeinden anreihen. In Sachsen ereigneten sich in 109 Gemeinden 
(120 Gehöften) 429 Erkrankungsfälle; in Mecklenburg-Schwerin in 
10 Gemeinden (11 Gehöften) 226; in Württemberg in 7 Gemeinden 
(12 Gehöften) 17; in Bayern in 5 Gemeinden (6 Gehöften) 24; in 
Braunschweig in 4 Gemeinden (5 Gehöften) 18; in Hessen, Sachsen- 
Koburg-Gotha, Anhalt in je 3 Gemeinden (7 bezw. 3 und 3 Gehöften) 
8 bezw. 24 und 13; in Sachsen-Weimar, Mecklenburg-Strelitz, Olden¬ 
burg, Hamburg in je 2 Gemeinden (2, 3, 2, 5 Gehöften) 21, 8, 16, 9, 
während in Baden, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg, Schwarz- 
burg-Sondershausen, Waldeck, Bremen, Elsaß-Lothringen nur je 
1 Gemeinde ergriffen wurde und die Staaten Schwarzburg-Rudolstadt, 


No. 19. 


Scbaumbnrg-Lippe, Lippe-Detmold, Lübeck und die beiden Reuß 
von der Seuche überhaupt verschont blieben. 

Von Geflügelcholera wurden nachstehende Verlustziffern 
festgestellt: Preußen 16134; Bayern 808; Sachsen 6082; Württemberg 
1858; Baden 777; Hessen 346; Mecklenburg-Schwerin 103; Sachsen- 
Weimar 184; Mecklenburg-Strelitz 82; Braunschweig 225; Sachsen- 
Meiningen 62; Sachsen-Koburg-Gotha 46; Anhalt 27; Schwarzburg- 
Rudolstadt 10; Reuß ä. L. 4; Hamburg 164; Elsaß-Lothringen 701. 
Die Staaten Oldenburg, Waldeck, Reuß j. L., Lippe-Detmold und 
Bremen blieben von der Seuche verschont. Aus Schwarzburg- 
Sondershausen, Schaumburg-Lippe und Lübeck liegen keine Angaben 
vor, da hier keine Anzeigepflicht besteht. 

Schafpocken und Rinderpest sind nicht aufgetreten. 

Tierseuchen Im Ausland 1902. 

Frankreich. III. Quartal. 

Von Lungenseuche wurden betroffen im Juli 2, August 2, 
September 1 Gemeinde, geschlachtet wurden 16 ansteckungsver¬ 
dächtige Rinder. Milzbrand trat auf in 57, 47, 20; Rotz in 49, 50, 
56 Ställen. Wegen Rotz getötet wurden 167, 53, 68 Pferde. Die 
Zahl der wutkranken Hunde belief sich auf 251, 186, 192. Maul¬ 
und Klauenseuche herrschte in 297, 318, 475 Gemeinden. Die 
Schafpocken brachen aus in 22, 36, 50; Schafräude in 21,2, 4 Her¬ 
den. Rausclibrand kam in 46, 58, 45 Ställen vor. Schweinerotlauf 
wurde in 16, 16, 24 Departements beobachtet, ansteckende Lungen- 
und Darmentzündung der Schweine aus 25, 9, 23 Beständen von 
14, 8, 8 Departements gemeldet. 

Dänemark. IV. Quartal. 

Zahl der verseuchten Tierbestände: Milzbrand im Oktober 16, 
November 20, Dezember 26; Rotz 2 im Oktober; Schweinerotlauf 
380, 284, 124; chronische Schweinediphtherie 14, 3, 8; Rückenmarks¬ 
typhus der Pferde 1, —, 2; bösartiges Katarrhalfieber —, 3, 4. 

Norwegen. IV. Quartal. 

Zahl der Krankheitsfälle: Milzbrand 32, 44,47; bösartiges Ka¬ 
tarrhalfieber 29, 18, 23; Schweinerotlauf 258, 191, 104; Rauschbrand 
2, 2, 2; Brasot 18, 10, 8; Schweinediphtherie 4, 3, 26. 

Österreich. IV. Quartal. 

Zahl der verseuchten Ortschaften: Milzbrand 31, 29, 15; Rausch¬ 
brand 4, 10, 2; Tollwut 47, 74, 64; Rotz 42, 58, 41; Maul- und 
Klauenseuche 39, 129, 113; Bläschenausschlag 35, 17, 45; Räude 
119, 62, 73; Schweinerotlauf 310, 193, 96; Schweineseuche und 
Schweinepest 537, 521, 474. 

Ungarn. IV. Quartal. 

Milzbrand 214, 125, 131; Wut 247, 250, 307; Rotz 271, 194, 196; 
Maul- und Klauenseuche 2054, 2364, 2202; Blattern 55, 63, 66; 
Bläschenausschlag 59, 42, 34; Räude 733, 552, 599; Schweinerotlauf 
829, 575, 367; Schweineseuche 3438, 2607, 2416. 

Schweiz. IV. Quartal. 

Milzbrand 17, 25, 18; Kauschbrand 57, 31, 13; Wut 3, 3, —; 
Rotz 6, 6, —; Maul- und Klauenseuche 75, 307, 251; SchafVäude 
1, 82, 5; Ziegenräude im November 33; Schweinerotlaufund Schweine¬ 
seuche 168, 190, 85. 

Großbritannien. IV. Quartal. 

An Milzbrand erkrankten bei 168 Ausbrüchen 224 Tiere, wovon 
148 auf England, 3 auf Wales, 73 auf Schottland kamen. Die Wut 
befiel 2 Tiere in der Grafschaft Wales, außerdem wurden 16 an¬ 
steckungsverdächtige Hunde getötet. An Rotz erkrankten in Eng¬ 
land 497, in Schottland 5 Pferde. Die Zahl der wegen Schweine¬ 
fieber geschlachteten, erkrankten und der ansteckungsverdächtigen 
Tiere betrug 2164, wovon 2095 auf England, 33 auf Wales, 36 auf 
Schottland kamen. Von Schafräude wurden 320 Ausbrüche gemeldet. 

Schweden. III. und IV. Quartal. 

Zahl der neu verseuchten Ställe: Milzbrand 24, 13, 14 bezw. 
9, 8, 19; Rauschbrand 6, 2, 11 bezw. 6, 2, 2. 

Belgien, ni. und IV. Quartal. 

Krankheifställe: Milzbrand 38, 47, 32 bezw. 33, 35, 44; Rausch¬ 
brand 42, 37, 23 bezw. 25, 32, 18? Wut 3, 1, 1 bezw. 1, 1, 2, außerdem 
wurden im Juli 12 wutverdächtige Hunde getötet; Rotz 2, 2, 3 
bezw. 7, 1, 1, außerdem wurden in Schlachthäusern 15 bezw. 24 


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7. Mai 1903. 

Pferde rotzkrank befunden, darunter je 9 aus England eiugeführte; 
Maul- und Klauenseuche herrschte in 11, 9, 2 bezw. 2, 2, 5 Gemeinden. 

Niederlande. III. und IV. Quartal. 

Krankheitsfälle: Milzbrand 20, 34, 30 bez. 15, 22, 59; Rotz 1 Fall 
im September; Wut je 1 Fall im Oktober und Dezember; Maul¬ 
und Klauenseuche 15, 5, 9 bez. 8 im Dezember; Räude der Einhufer 
und Schafe 269, 436, 216 bez. 236, 374, 177; Schweinerotlauf und 
Schweineseucbe 107, 175, 219 bez. 86, 49, 21; Klauenfäule der Schafe 
21, 44, 62 bez. 117, 74, 50. 

Italien. III. und IV. Quartal. 

Milzbrand wurde festgestellt bei 1606 bez. 1189; Rauschbrand 
bei 165 bez. 76 Tieren. An Tollwut erkrankten 68 bez. 58 Hunde 
und 13 bez. 18 andere Haustiere. Rotz wurde in 103 bez. 100; 
Maul- und Klauenseuche in 6214 bez 627; Schafpocken in 176 
bez. 158; Schafräude in 7454 bez. 5478 Fällen angezeigt. 

Schweineseuche. 

Im Regierungsbezirk Gumbinnen ist eine neue laudespolizeilicho 
Anordnung unter Aufhebung der Anordnung vom 14. Mai 1901 
(B. T. W. 1901 S. 535) erlassen worden, welche jedoch nur einige 
unerhebliche Änderungen bezw. Zusätze enthält, deren wichtigste 
die ist, daß das Fleisch von Schweinen mit chronischer Schweine¬ 
seuche im rohen Zustande freigegeben werden kann. Es entspricht 
dies einem Bundesratsbeschluß vom 26. März 1903, welcher u. a. 
auch bestimmt: 

Von Schweinen, bei deren Beschau sich ergibt, daß es sich 
nur um eine schleichend, ohne Störung des Allgemeinbefindens 
verlaufende und mit erheblicher Abmagerung nicht verbundene Er¬ 
krankung an Schweineseuche oder nur um Überbleibsel dieser 
Seuche (Verwachsungen, Vernarbungen, eingekapselte verkäste Herde 
u. dergl.) handelt, sind die ganzen Tierkörper mit Ausnahme der 
als untauglich zu erachtenden veränderten Teile als tauglich zum 
Genüsse für Menschen anzusehen. 


Fleischschau und Viehverkehr. 

red. von Kiihnau. 

Die Ausführung der Fleischbeschau in Preußen. 

Nachdem nunmehr die zur Ausführung des Reichsfleisch- 
beschaugesetzes erforderlichen landesgesetzlichen Bestimmungen 
erlassen sind, dürfte es angezeigt sein, die praktische Hand¬ 
habung des Gesetzes dnrchzusprechen. 

Der Beschau unterworfen sind Rindvieh, Schweine, Schafe, 
Ziegen, Pferde, Esel, Maultiere, Maulesel und Hunde, deren 
Fleisch zum Genüsse für Menschen verwendet und gewerbs¬ 
mäßig in den Verkehr gebracht werden boII. Schweine und 
Wildschweine unterliegen außerdem einer Untersuchung auf 
Trichinen. Auch wenn eine gewerbsmäßige Verwendung des 
Fleisches nicht statt hat, muß die Beschau ausgeführt werden 
bei Notschlachtungen und bei den zum Hausgebrauch ge¬ 
schlachteten Tieren, deren Fleisch zum menschlichen Genuß 
verwendet werden soll, sofern sie Merkmale einer die Genu߬ 
tauglichkeit des Fleisches ausschließenden Erkrankung zeigen. 
Das in Kasernen, Krankenhäusern, Erziehungsanstalten, Speise¬ 
anstalten, sowie im Haushalt der Schlächter, Fleischhändler, 
Gast-, Schank- und Speisewirte zur Verwendung kommende Fleisch 
ist der Beschau ebenfalls unterworfen. In gewissen Bezirken 
ist die Beschau durch Polizeiverordnung auch auf die zum 
Hausgebrauch geschlachteten Tiere ausgedehnt worden, welche 
Merkmale einer die Genußtauglicbkeit des Fleisches aus¬ 
schließenden Erkrankung nicht zeigen. Für Gegenden und 
Zeiten, in denen eine übertragbare Tierkrankheit herrscht, kann 
durch Polizeiverordnung die Untersuchung aller der Seuche 
ausgeaetzten Tiere angeordnet werden. 


319 

Jedes beschaupflichtige Tier muß angemeldet werden. Zur 
Anmeldung verpflichtet ist derjenige, welcher das Tier schlachten 
oder schlachten lassen will. Die Anmeldung hat unter Angabe 
des für die Schlachtung in Aussicht genommenen Zeitpunktes 
möglichst zeitig bei dem Beschauer des Bezirks in dem die 
Schlachtung stattflnden soll, zu geschehen. Dort wo nicht tier¬ 
ärztlich vorgebildete Beschauer bestellt sind, ist die Schlachtung 
von Pferden, Eseln u. s. w. an den zuständigen Tierarzt zu 
richten. Direkt an den zuständigen Tierarzt kann die Anmel¬ 
dung auch erfolgen, wenn der Anmeldepflichtige erkennt, daß 
das Tier mit einer Krankheit behaftet ist, deren Beurteilung 
dem Tierarzt Vorbehalten ist oder wenn der zuständige Tierarzt 
bereits aus einem andern Anlasse zugezogen worden ist. Die 
Anmeldung ist zu wiederholen, wenn das Tier nicht innerhalb 
zweier Tage geschlachtet worden ist oder bei der Bedingung 
der sofortigen Schlachtung, diese nicht alsbald vorgenommen 
worden ist. In Schlachthöfen, in denen die Vornahme der 
Schlachtvieh- und Fleischbeschau durch geeignete Maßnahmen 
gesichert ist, kann das vorgeschriebene Verfahren abweichend 
geregelt werden. Die Anordnungen sind in diesen Fällen öffentlich 
bekannt zu machen. 

Der Beschauer hat die Untersuchungen in der Regel 
nicht später als sechs Stunden nach der Anmeldung auBzufübren. 
Die Nachtzeiten im Sommer von abends 7 Uhr bis morgens 
7 Uhr, im Winter von abends 7 Uhr bis morgens 8 Uhr bleiben 
außer Anrechnung. Die Untersuchung ist bei ausreichender 
Beleuchtung vorzunehmen. Die Beschauzeit kann durch die 
Ortspolizeibehörde auf bestimmte Tagesstunden beschränkt werden. 
Ausnahmsweise können auch besondere Schlachttage festgesetzt 
werden; nur bei Notschlachtungen und in anderen dringenden 
Fällen hat der Beschauer dann außerhalb der Schlachttage die 
Beschau vorzunehmen. Ist der Beschauer verhindert, so hat er 
den Auftrag unverzüglich an den Stellvertreter abzugeben. 

Die Genehmigung zur Schlachtung hat durch Ausstellung 
eines Schlachterlaubnisscheins zu erfolgen. Eifolgt die 
Schlachtung unmittelbar nach der Genehmigung oder in öffent¬ 
lichen Schlachthäusern, so ist mündliche Genehmigung zulässig. 
Auf dem Schein sind auch etwa angeordnete Vorsichtsmaßregeln 
anzugeben. Ob nach Maßgabe des § 13 B. B. A. in öffentlichen 
Schlachthäusern eine ausdrückliche Mitteilung des Ergebnisses 
der Schlachtviehbeschau unterbleiben darf, bestimmt die Orts¬ 
polizeibehörde. Um Verbreitung des Ansteckungsstoffes zu ver¬ 
hüten, kann der Beschauer anordnen, daß seuchekranke Tiere 
in besonderen Schlachthäusern oder nur in Gegenwart des Be¬ 
schauers geschlachtet werden dürfen. 

Wird die Schlachterlaubniß versagt oder vorläufig verboten, 
so ist dies der Ortspolizeibehörde anzuzeigen. Die Ortspolizei¬ 
behörde hat darauf zu achten, daß in den Fällen des § 11 
Abs. 2 und 3 B B A der zuständige tierärztliche Beschauer 
zugezogen wird. 

Ausnahmen von der im § 17 Abs. 2 B B A vorgeschriebenen 
Zerlegung der Schlachttiere können für öffentliche Schlacht¬ 
höfe durch die Ortspolizeibehörde erlassen werden. Die Rinder¬ 
lebern sind in allen Fällen auf Leberegel zu untersuchen. 
Beschränkungen auf Verdachtsfälle können von der Landes¬ 
polizeibehörde angeordnet werden. Auf Antrag des Besitzers 
darf bei Schau- und Ausstellungsschweinen die Spaltung der 
Wirbelsäule unterbleiben, wenn das Nichtvorhandensein von 
Finnen hinreichend sichergestellt ist. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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320 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 19. 


Nach der Untersuchung ist das Fleisch vorschriftsmäßig 
zu kennzeichnen. Der Anzeige des Beschauers an die 
Polizeibehörde über beschlagnahmtes Fleisch sind der Bean- 
standungsgmnd sowie Vorschläge über die zweckmäßigste Art 
der weiteren Behandlung dieses Fleisches im Kähmen der gesetz¬ 
lichen und der Ausführungsbestiminungen zu machen. Die 
Polizeibehörde hat diese Vorschläge, sowie die Wünsche des 
Besitzers des Fleisches tunlichst zu berücksichtigen. 

In den Gemeindebeschlüssen über den Betrieb von Frei¬ 
bänken ist Bestimmung darüber zu treffen, ob minderwertiges 
oder bedingt taugliches Fleisch, das nicht im Freibankbezirk 
ausgeschlachtet oder untersucht ist, auf der Freibank feilgeboten 
oder verkauft werden darf. Die Landespolizeibehörden haben 
unter sorgfältiger Erwägung aller in Betracht kommenden Um¬ 
stände darüber Entscheidung zn treffen, ob kleinere Gemeinden 
größeren Gemeinden zum Zwecke der Freibankeinrichtung an- 
zugliedern sind. 

Zur vorläufigenKennzeichnungbeanstandeten Fleisches 
ist dünnes Papier mit der Aufschrift „Vorläufig beschlagnahmt“ 
und der Unterschrift des Beschauers zu verwenden. Ausnahmen 
für öffentliche Schlachthöfe (§ 42, Abs. 1 B B A) können von 
der Ortspolizeibehörde zugelassen werden. Die entgtiltige Kenn¬ 
zeichnung erfolgt durch den Sachverständigen, welcher die ent- 
gültige Entscheidung getroffen hat oder durch den ersten Be¬ 
schauer, wenn ein weiterer Sachverständiger nicht zngezogen 
worden ist. 

Die Anbringung weiterer Stempelabdrücke darf in der Regel 
nnr im Anschluß an die Beschau erfolgen. Nachträglich ist 
die weitere Stempelung nur statthaft, wenn die Herkunft des 
Fleisches von einem vorschriftsmäßig untersuchtem Tier außer 
Zweifel steht. 

Gebühren für die nachträgliche Stempelung betragen 5 Pfg. 
per Fleischstiick und 10 Pfg. per Kilometer Wegeentschädigung, 
mindestens 50 Pfg. 

Die unschädliche Beseitigung des untauglichen 
Fleisches kann ausnahmsweise auch durch Übergießen mit 
Petroleum oder Jauche und Vergraben erfolgen. Eine technische 
Verwertung ist nur zulässig, wenn dieselbe durch geeignete 
Kontrollmaßregeln sichergestellt ist. 

Die Führung des Tagebuches hat nach den Bestimmungen 
des Bundes rata zu erfolgen. In öffentlichen Schlachthäusern 
kann die Behörde, der die Bestellung der Beschauer obliegt, 
bestimmen, daß die Tagebücher gemeinsam geführt werden. Die 
gesunden Tiere, welche Anlaß zu Beanstandungen nicht 
geben, können summarisch eingetragen werden, sofern 
die Namen der Besitzer dieser Tiere anderweitig sichergestellt 
sind, nur Tiere, welche Anlaß zu Beanstandungen, wenn auch 
nur eines Organs, gegeben haben, sind gesondert einzutragen 
und die Erkennungsmerkmale anzugeben. Die Eintragungen 
hat der Beschauer mit seiner Namensunterschrift zu versehen, 
wodurch er die Richtigkeit der Eintragungen bescheinigt. 

Für die Ausführung der Trichinenschau bei in¬ 
ländischen Schlachttieren oder Wildschweinen gilt die vom Bundes¬ 
rat erlassene Anweisung für das in das Zollinland eingehende 
Fleisch (B. B. D. b.) 

Die Gebührenerhebung ist entweder den Beschauern 
Belbst überlassen oder erfolgt unter Vermittelung öffentlicher 
Kassen. 


Die Befugnisse der Polizeibehörde können auch 
anderen Beamten übertragen werden. In gewissen Bezirken 
sind die Schlachthofleiter damit betraut worden oder sogar der 
Beschauer selbst, sofern der Besitzer mit der Beanstandung ein¬ 
verstanden ist undes sich nur um einzelne Organe oder Teile handelt. 
Bei Beschwerden gegen einen approbierten Tierarzt ist der 
Kreistierarzt oder der Departementstierarzt zuständiger zweiter 
Sachverständiger, bei Beschwerden gegen den Kreistierarzt nur 
der Departementstierarzt. Die Kosten für das Beschwerdever¬ 
fahren regeln sich nach den für die Besorgung amtlicher Ge¬ 
schäfte maßgebenden Sätzen. Bei unbegründeter Beschwerde 
hat der Beschwerdeführer die Kosten zu tragen. Im übrigen 
gelten sie als Kosten der örtlichen Polizeiverwaltung. 

Die technische Aufsicht über die tierärztlichen Beschauer 
liegt dem Departementstierarzt ob. 

Die von den beamteten Tierärzten vorzunehmenden Re¬ 
visionen gelten als gesundheitspolizeiliche Verrichtungen im 
allgemeinen staatlichen Interesse. K. 

Zur Ausführung des Fleischheschaugesetzes. 

Von Dr. Lothes-Köln, 

DepartemenUtlerarzt. 

Es ist ein außerordentlich dankenswertes Vorgehen, daß 
Prof. Dr. Ostertag in der Zeitschrift für Fleisch- und Milch¬ 
hygiene Veranlassung nimmt, auf eine Reihe an ihn ergangener 
Anfragen über die Handhabung der Vorschriften des Reichs¬ 
fleischbeschaugesetzes öffentlich zu antworten. Ein derartiges 
Verfahren dürfte sich auch für die tierärztlichen Wochenschriften 
empfehlen. Da angesichts der umfangreichen Materie, die durch 
das vorbezeichnete Gesetz ihre Regelung erfahren hat, die bei 
der Handhabung der einzelnen Bestimmungen entstehenden 
Zweifel sehr zahlreiche und vielfach wiederkehrende sind, so 
wird durch Besprechung derselben in der Fachpresse den in 
der Fleischbeschau beschäftigten Tierärzten ein großer Dienst 
erwiesen. 

Von den Anfragen, die Ostertag in No. 8 der vorbezeich- 
neten Zeitschrift beantwortet, interessieren uns in erster Linie 
die auf die Behandlung des ausländischen Fleisches bezüglichen. 
Die wichtigste dieser Fragen ist zweifellos diejenige, welche 
sish auf die Einfuhr gekochten Fleisches bezieht. Dieselbe 
lautet: Darf gekochtes Fleisch (Lebern, Zungen) aus dem 
Auslande nur in Stücken von mindestens 4 kg Gewicht 
eingeführt werden? Ostertag bejaht diese Frage und be¬ 
gründet dies damit, daß der § 12 des R. F. G. die Gewichts¬ 
beschränkung für zubereitetes, aus dem Auslande eingeführtes 
Fleisch nur für Pökelfleisch vorgeschrieben sei. Nach seiner An¬ 
sicht kann daher bis zum 31. Dezember 1903 und, wenn 
bis zu diesem Zeitpunkte eine Neuregelung der Einfuhr¬ 
bestimmungen nicht stattfindet, gargekochtes Fleisch bis auf 
weiteres in Stücken von beliebigem Gewicht aus dem Auslande 
eingeführt werden. Ich halte diese Ansicht nicht für zutreffend 
und ergreife die erste Gelegenheit, um meinen gegenteiligen 
Standpunkt zu begründen. 

Zunächst spielt das Gewicht nach meinem Dafürhalten bei 
der Einfuhr gekochten Fleisches überhaupt keine Rolle. Es ist 
vielmehr nur die Frage zu entscheiden, ob überhaupt gekochtes 
Fleisch aus dem Auslande in das Reichsgebiet eingeführt werden 
darf. Diese Frage ist unbedingt zu verneinen. 

Bei den Verhandlungen über das Reichsfleischbeschaugesetz 
fehlte es nicht an Stimmen, die die Einfuhr zubereiteten Fleisches 


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7. Mai 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


aas dem Auslände ganz untersagt wissen wollten. Ein derartiges 
Verbot ließ sich vom Standpunkte der Hygiene rechtfertigen, 
da jede Zubereitung des Fleisches die Untersuchungsmöglichkeit 
mehr oder weniger einschränkt. Gegen dasselbe bestanden jedoch 
schwerwiegende Bedenken, die auf volkswirtschaftlichem Gebiete 
lagen. Im Interesse der Volksernährung wurden daher Speck 
und Schinken, sowie die für die in Deutschland besonders hoch 
entwickelte Wurstfabrikation nicht zu entbehrenden Därme und 
das in demselben Zweige der heimischen Fleischindustrie ver¬ 
wandte Pökelfleisch (Trockenpökel) unter gewissen Bedingungen 
zur Einfahr zugelassen. 

Von sterilisiertem Fleische wurde vordem nur das sogenannte 
Böchsenfleisch eingeführt. Da die Beschaffenheit des letztem 
eine ordnungsmäßige Untersuchung auf seine Unschädlichkeit 
für die menschliche Gesundheit ausschloß, so wurde die Einfuhr 
dieses Fleisches verboten. Die Tatsache, daß eine Einfahr von 
sonstigem gekochten Fleische nicht bestand, macht es erklärlich, 
daß derartig zubereitetes Fleisch in § 12 des R. F. G. nicht 
besonders erwähnt wird. Bei der Findigkeit der amerikanischen 
Fleischexporteure wäre es außerdem zwecklos gewesen, im 
Gesetz die einzelnen Fleischpräparate, die von der Einfahr 
ausgeschlossen werden sollen, einzeln aufzuzählen. Der Reichs¬ 
tag begnügte sich vielmehr damit, in dem zweiten Abschnitt 
des § 12 des R. F. G. diejenigen Bedingungen niederzulegen, 
die bezüglich des zubereiteten Fleisches bei der Einfuhr in das 
deutsche Reich zu erfüllen sind. Wie allen Gesetzen, die auf 
dem Wege des Kompromisses zu stände kommen, so haften 
auch dem R. F. G. eine Reihe von Mängeln an. Die Fassung 
des hier in Frage kommenden Paragraphen ist jedoch eine so 
präzise, daß man über den Zweck, den der Gesetzgeber mit 
den betreffenden Bestimmungen verfolgte, keinen Augenblick im 
Zweifel sein kann. Der zweite Abschnitt des § 12 schreibt vor, 
daß zubereitetes Fleisch nur eingeführt werden darf, wenn 

1. nach der Art sein er Gewinnung und Zubereitung 
Gefahren für die menschliche Gesundheit erfahrungs¬ 
gemäß ausgeschlossen sind oder 

2. die Unschädlichkeit für die menschliche Gesund¬ 
heit in zuverlässiger Weise bei der Einfuhr sich fest¬ 
stellen läßt. 

Für das gekochte Fleisch trifft m. E. keine dieser beiden 
Voraussetzungen zu. 

Die Art der Gewinnung und Zubereitung gekochten Fleisches 
schließt Gefahren für die menschliche Gesundheit nicht aus. 
Durch den Kochprozeß werden zwar die pathogenen Bakterien 
und unter Umständen auch deren Sporen abgetötet, seine Wirkung 
reicht jedoch nicht aus, um die dem Fleische anhaftenden 
chemischen Schädlichkeiten und insbesondere die giftigen Stoff¬ 
wechselprodukte der Bakterien sicher zu vernichten. Eine be¬ 
sondere Gefahr bieten hierbei namentlich die Stoffe, die sich 
bei septischen Erkrankungen unserer Haustiere, insbesondere der 
Rinder bilden und dem Fleische eine gesundheitsschädliche Be¬ 
schaffenheit verleihen. 

Aber auch durch eine strenge Untersuchung des gekochten 
Fleisches bei der Einfuhr läßt sich die Unschädlichkeit des¬ 
selben für die menschliche Gesundheit in zuverlässiger Weise 
nicht feststellen. Auch hierfür liefert das Fleisch von an 
septischen Prozessen erkrankten Tieren ein gates Beispiel. 
Jeder Tierarzt, der in der Praxis oft Gelegenheit gehabt hat, 
das Fleisch notgeschlachteter und von ihm lebend nicht unter¬ 


321 


suchter Rinder zu beurteilen, weiß wie schwer unter Umständen 
im einzelnen Falle die für die Entscheidung über die Genu߬ 
tauglichkeit des Fleisches so wichtige Frage, ob eine septische 
Erkrankung Vorgelegen hat oder nicht, zu beantworten ist. Dem¬ 
jenigen aber, der diesen Teil der tierärztlichen Praxis nicht 
kennt, empfehle ich ein eingehendes Studium des XIH. Kapitels 
in Ostertags Handbuch der Fleischbeschau, das die Not¬ 
schlachtungen und Fleischvergiftungen sehr erschöpfend be¬ 
handelt. Er gewinnt dadurch einen Einblick in die Schwierige 
keiten, die dem mit der Begutachtung des Fleisches not¬ 
geschlachteter Tiere betrauten Sachverständigen bei der Ent¬ 
scheidung der vorerwähnten Frage nicht selten in den Weg treten. 
Dabei stehen diesem Sachverständigen neben dem ansgeschlachteten 
Tiere die Organe und insbesondere die durch septische Prozesse 
in erster Linie veränderten großen Körperparenchyme für die 
Zwecke der Untersuchung zur Verfügung. Wenn schon unter 
diesen Verhältnissen ein zuverlässiges Urteil über die Unschäd¬ 
lichkeit des betreffenden Fleisches für die menschliche Gesundheit 
bisweilen schwer zu fällen ist, so ist die diesbezügliche Begut¬ 
achtung gekochter Fleischstücke geradezu unmöglich. Die Be¬ 
schaffenheit der Muskulatur ist durch den Kochprozeß ver¬ 
ändert, und die Fleischlymphdrüsen, die einen, wenn auch 
nicht zu hoch za bewertenden Anhaltspunkt für die Beurteilung 
des Fleisches bieten würden, können bei der keinen Grenzen 
unterworfenen Zerstückelung des Fleisches im Auslände leicht 
entfernt werden. Wollte man eine Untersuchung derartigen 
Fleisches von den Beschauamtstierärzten trotzdem verlangen, 
so würde man von ihnen etwas fordern, was sie nicht zu leisten 
vermögen. 

Nach vorstehendem dürfte es keinem Zweifel unterliegen, 
daß gekochtes Fleisch die Bedingungen, die nach § 12 des 
R. F. G. an in zubereitetem Zustande in das Deutsche Reich 
einzufdhrende8 Fleisch gestellt werden müssen, nicht erfüllt 
und daher von der Einfahr ausgeschlossen ist. 

Die Anfrage, ob gekochte Lebern und Zungen zur 
Einfahr zugelassen werden, ist auch an eins der hiesigen 
Beschauämter ergangen. Beide Organe wurden vor dem 
Inkrafttreten des Fleischbeschaugesetzes teils in frischem, 
teils in oberflächlich konserviertem Zustande durch die Wurst¬ 
fabrikanten in großen Mengen aus dem Auslande bezogen. 
Die seit dem 1. April er. erfolgte Zurückweisung derselben 
mußte naturgemäß diesen Fabrikanten einige Verlegenheit 
bereiten. Um aus dieser herauszukommen, versuchten sie die 
Lebern nnd Zungen in gekochtem Zustande über die Grenze 
zu bringen. Dies soll ihnen, dem Vernehmen nach, bei einigen 
Beschaustellen gelungen sein. 

Ich würde die eingangs erwähnte Frage nicht in dieser 
Breite erörtert haben, wenn dieselbe nicht für die Ausführung 
des Fleischbeschaugesetzes von grundsätzlicher Bedeutung wäre. 
Träfe Ostertags Ansicht über die Einfuhr gekochten 
Fleisches zu, so wäre dem Auslande bis zum 31. Dezember d. Js. 
Gelegenheit geboten, einen großen Teil des daselbst als genußun¬ 
tauglich beanstandeten Fleisches in gekochtem Zustande nach 
Deutschland abzuschieben. Wie dem Vernehmen nach früher 
Dänemark, so würde jetzt dem übrigen Auslande Gelegenheit 
geboten sein, das Fleisch der durch die Tuberkulosetilgung 
ausgemerzten Tiere dem deutschen Konsumenten zugänglich zu 
machen. Im hygienischen Interesse würde dies lebhaft zu be¬ 
dauern sein. 


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322 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 19. 


Im Auslande selbst dürfte eine derartige Handhabung des 
deutschen Fleischbeschaugesetzes kaum verstanden werden. 
Während man auf der einen Seite zur Ermöglichung einer genauen 
Begutachtung an das einzuführende frische Fleisch alle An¬ 
forderungen stellt, die man, ohne die Einfuhr ganz zu unter¬ 
binden, zu stellen berechtigt ist, soll auf der andern Seite ge¬ 
kochtes Fleisch, über dessen Genußtauglichkeit die Untersuchung 
keinen sicheren Aufschloß zu geben vermag, in Stücken von 
beliebiger Größe zur Einfuhr ins Reichsgebiet zugelassen werden. 

Am meisten würde die Zulassung gekochten Fleisches den 
holländischen Export-Sehlächtern zu statten kommen. Neben 
der teilweisen Verwertung der nach der Schlachtung be¬ 
anstandeten Tiere dürfte denselben hierdurch auch eine 
bessere Verwertung des auf Grund der Untersuchung von 
deutschen Beschanstellen zurückgewiesenen Fleisches ermöglicht 
werden. Bei den wenigen Wochen, die das R. F. G. in Kraft 
ist, wird es kaum allgemein bekannt sein, daß Holland das von 
deutschen Fleischbeschauämtern zurückgewiesene Fleisch nicht 
zur Wiedereinfuhr znläßt. Das zurückgewiesene holländische 
Fleisch mußte demgemäß bisher vernichtet werden. Holland 
wird sich für die Folge im Interesse seiner Fleischproduzenten 
und Exportschlächter eventuell zur Zulassung derartigen 
Fleisches verstehen, wenn der Eigentümer sich zur Wieder¬ 
ausfuhr desselben in gekochtem Zustande verpflichtet. Dabei 
würde derartiges Fleisch nach der Einfuhr in das Zollinland im 
freien Verkehr sein und daher um so leichter den Weg in die 
Wurstfabriken, Speisewirtschaften etc. finden können. 

Der Giessener Universal-Fleischbeschan- 
Taschenstempel. 

Dem hiesigen Kreisveterinäramt und der Schlachthof-Verwaltung 
ist von der Gießener Stempelfabrik, Geuter & Co., Bleichstr. 13, 
ein der Firma gesetzlich geschützter Universal Fle'schbeschau- 
Taschenstempel und Stempelfarbe zur Begutachtung vorgelegt worden 
und die damit im hiesigen Schlachthof angestellten Probe- und Dauer¬ 
versuche erzielten nach jeder Richtung hin ausgezeichnete Resultate. 

Die Stempelfarbe ist einwandsfrei, rasch trocknend u. s. f. 

Der Stempel vereinigt alle zur Kenntlichmachung des Fleisches 
durch das Reichsgesetz vorgeschriebenen Stempel fei de r (Abdrücke) 
in einem Stempel. Das Einstellen der einzelnen Felder erfolgt 
durch ei nfachenDrucksehr exakt und eine sinnreich angeordnete 
Anzeigervorrichtung schließt eine Verwechselung der 
einzelnen Felder vollkommen aus. Als besondere Vorzüge 
hebe hervor: Die stabile Konstruktion, das leichte Gewicht, 
die große Handlichkeit und den geringen Umfang, sodaß der 
Stempel sehr bequem in dcrTasche getragen werden kann. 
Das dem Stempel beigegebene Taschenetui verhindert vor allen 
Dingen absolut sicher eine Verunreinigung der Hände des 
Stemplers. 

Kreisveterinärätzte, Tierärzte, Laienfleischbeschauer haben im 
hiesigen Schlachthof Gelegenheit genommen sich von der Brauch¬ 
barkeit des Taschenstempels selbst zu überzeugen, und wir glauben 
allen Kollegen und Laienfleischbeschauern einen großen Gefallen 
zu erweisen, wenn wir sie hiermit auf diesen Stempel und Stempel¬ 
farbe aufmerksam machen. -e. 

Verluste bei überseeischen Viehtransporten. 

Im letzten Jahre betrugen die Verluste bei den Schlachtvieh¬ 
transporten von Amerika nach England von 124930. Rindern 
81 Stück (0,064 Proz.), von 138831 Schafen 1218 Stück (0,877 Proz.) 
Bei den Transporten, die von Häfen der V. St. ausgingen, wurden 
von 68323 Rindern 151 Stück (0,221 Proz.) und von 43827 Schafen 
591 (1,348 Proz.) verloren. Bei den Transporten, die von kana¬ 


dischen Häfen ausgingen, wurden von 22304 Rindern 88 Stück 
(0,394 Proz.) und von 10487 Schafen 366 Stück (3,489 Proz.) 
verloren. 

Geschäftsbericht der Bayerischen Landes-Pferde- 
versicherungsanstalt für das Yersicherungsjahr 1901/02. 

Die bayerische Landes-Pferdeversicherungsanstalt, über deren 
Organisation von mir an dieser Stelle bereits ausführlich be¬ 
richtet wurde, hat nunmehr das zweite Jahr hinter sich. Dem 
von der Königlichen Verwaltungskammer erstatteten Geschäfts¬ 
bericht, der die Zeit vom 1. November 1901 bis 1. November 1902 
umfaßt, entnehmen wir nachstehende interessante Zahlen; des 
Vergleiches wegen seien die Ziffern des ersten Versieherungs- 
jahres (1900/1901) in Klammern beigefdgt. 

Am Schluß des Geschäftsjahres, also Ende Oktober, waren 
vorhanden 363 (296) Vereine mit 18 773 (12 254) Mitgliedern 
und 47 693 (32 635) Pferden. Die letzteren repräsentierten einen 
Versicherungswert von 27 646 090 (18 602 370) M. Auf einen 
Verein treffen durchschnittlich 52 (41) Mitglieder mit 132 (110) 
versicherten Pferden. Der durchschnittliche Versicherungswert 
eines Pferdes betrug 580 (570) M. Es wurden 1777 (960) 
Schadenansprüche erhoben, von denen 1723 (926) begründet 
und 54 (29) unbegiündet waren. Von diesen 1723 (926) Schäden 
war in 1599 (812) Fällen gleich 92,81 Prozent (87,70 Prozent) 
eine tierärztliche Untersuchung oder Behandlung eingeleitet 
worden, während in 124(141) Fällen gleich 7,19 Prozent(12,30Pro¬ 
zent) eine solche infolge raschen Verendens nicht stattfand. 

Die Liste der Schadensursachen bietet ebenfalls des Inter¬ 
essanten genug. Dieselbe ergiebt folgendes: 

1. Krankheiteu des Ntrvensystems und der Sinnesorgane 

1901/1902 1900/1901 

295—17,12°/ 0 173=-18,68% 

2. Krankheiten des Gefäßsystems . . 95= 5,52 „ 48= 5,18 „ 

3. „ der Verdauungsorgane 595 =34,53,, 341=36,83,, 

4. „ der Atmungsorgane . 171= 9,92 „ 94=10,15,, 

5. „ der Harnorgane . . . 92= 5,84 „ 49= 6,29,, 

6. „ der Geschlechtsorgane 39= 2,26 „ 31= 3,35 „ 

7. Infektionskrankheiten. 48= 2.79 „ 29= 3,13 „ 

8. Parasiten (tierische).2= 0.12 „ 1= 0,11 „ 

9. Krankheiten der Haut und Muskeln 48= 2,79 ., 10= 1,08 „ 

10. „ der Knochen und Gelenke 78= 4,53 „ 26=2,81., 

11. „ des Hufes. 65= 3.77,, 29= 3,13,, 

12. Vergiftungen.3= 0,17 „ 3= 0,32 „ 

13. Störung der Ernährung. 90 = 5,22 „ 34= 3,67 „ 

14. Äußere Einwirkungen .... . 102= 5,92 „ 58 = 6,27 „ 

Iin ganzen 1723 926 

Eine genaue Detailierung der einzelnen Krankheiten wollen 
wir uns versagen- Nur soviel sei bemerkt, daß an der Spitze 
derselben im verflossenen Geschäftsjahr, wie voranszusehen ist, 
die Kolik mit 367 Fällen ( - 21,30 %) marschiert. Auffallend hoch 
ist die Entschädigungsziffer infolge Leberleiden: 142 (=8,24%). 
Wahrscheinlich handelt es sich hier zum größten Teil um die 
sogenannte Schweinsberger Krankheit. Die Anstaltsverwaltung 
führt diese Erkrankung meistens auf das von feuchten, niedrig 
gelegenen Wiesen herrührende Futter zurück und sucht auf 
Verbesserung hinzuwirken. Auch die 75 Fälle (=4,35%) von 
Dämpfigkeit lassen m. E. weitgehende Schlüsse zu. Doch 
davon später. 

Auch das verflossene Geschäftsjahr zeigt wieder die Zweck¬ 
mäßigkeit der Einrichtung von verschiedenen Gefahrenklassen. 
Es nahmen an den Schadenfällen teil: 


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7. Mai 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


333 


1901/1902 

Pferde ohne Beitragserhöhung . . 3,22% 

1900/1901 
2,63 % 

„ mit 

von */ 10 3,87 „ 

2.82 „ 

>1 I» )J 

* */io 4,49 „ 

3,50 „ 

V «> >» 

„ V.o 6,05 „ 

5,14 „ 

U >> 

•* p io 8>15 „ 

4,73 „ 


Von den zur Entschädigung gelangten 1723 (926) Pferden 
waren 972 (591) = 56,41 Proz. (63,82 Proz.) nmgestanden nnd 
751 (335) = 43,59 Proz. (36,18 Proz.) getötet. Der Erlös aus 
notgeschlachteten Pferden belief sich auf 21 225 M.76 Pf. (8810) M. 

Die Verbandsumlage, d. i. diejenige Summe, die von allen 
Vereinen gleichmäßig zu leisten ist, gleichviel also ob Schäden 
eingetreten sind oder nicht, betrug 0,98,5 Proz. (0,71 Proz.) der 
Gesamtsumme, die durchschnittliche Vereinsumlage dagegen 
1,02,5 Proz. (0,92 Proz.) Der Durchschnittsbeitrag stellte sich 
also auf 0,98,5 Proz. + 1,02,5 Proz. = 2,01 Proz. (1,63 Proz). 
Wenn auch dieser Durchschnittsbeitrag immerhin noch als ein 
mäßiger zu bezeichnen ist, so ist somit doch schon eine Er* 
höhung gegen das Vorjahr festzustellen. 


Wesentlich ungünstiger erscheint aber das Bild, wenn wir 
die Zahlen genauer verfolgen. Darnach ergibt sich, daß auf 
100 M. der beitragspflichtigen Summe zu decken haben: 


1901/02 1900/01 

42 Vereine 0,98,5% (also Vereine ohne 54 Vereine 0,71% 
Schäden) 

154 „ 0,98,6%—2,00% 117 „ 0,72-1,60% 

3 „ 2,0% (Durchschnittsbeitrag) 1 „ 1,63% 

70 „ 2,02%—2,50% 57 „ 1,64-2,0% 

94 „ 2,51%—2,90% 67 „ 2-3%. 

Wir ersehen also, daß sich die Zahl der Vereine, die bis 


zu 3 Proz. Entschädigung zahlen müssen, beträchtlich erhöht 
hat Außerdem wurde 84 Vereinen, deren Deckungsbeitrag 
über 2,60 Proz. betrug, ein besonderer Staatszuschuß gewährt. 

Der Reservefond, der sich bekanntlich aus den Zinsen des 
Stammkapitals von 500000 M. und den Beitragsgebühren der 
Mitglieder (=' 2 Pf. pro 5 M. Versichernngskapital) zusammen- 
setzt, erreichte im Geschäftsjahr mit dem Bestand des Vorjahres 
die Summe von 137,738 M. 01 Pf. (87 956 M. 22 Pf.). An 
Zinsen daraus wurden 921 M. 86 Pf. zur Deckung der Ent¬ 
schädigungen statutengemäß verwendet. 

Es ist selbstverständlich, daß mit der Ausdehnung der Ver¬ 
sicherung auch das Schadenrisiko wächst. Die Ergebnisse beider 
Jahre beweisen dies allein schon. Zu befürchten ist aber, daß 
trotz der namhaften Staatsunterstützung die Verhältnisse immer 
noch ungünstiger werden. Hierfür ist m. E. in erster Linie 
der Umstand verantwortlich zu machen, daß die Pferde ohne 
tierärztliche Untersuchung — ausgenommen bei Krankheitsfällen 
oder bei Verdacht von solchen — aufgenommen werden. Die 
betreffende Bestimmung lautet einfach, daß die Untersuchung und 
Wertermittelung der angemeldeten Pferde durch eine Schätzung 
erfolgt, welche nach Bestimmung des Vereinsausschusses von den 
Mitgliedern desselben vorgenommen wird. Die Angelegenheit 
ruht also in Laienhänden. Nur dadurch läßt sich auch die bereits 
erwähnte auffallend hohe Entschädigungsziffer infolge Dämpfig¬ 
keit erklären. 

Wenn man erwägt, daß gerade die Begutachtung eines 
Pferdes ein beträchtliches Maß technischer Kenntnisse voraus- 
setzt, so wird man ohne weiteres den ungünstigen Einfluß obiger 
Bestimmung erkennen. Ad. Maier. 


Bticheranzeigen*) und Kritiken. 

Les maladles irloroblennes des anlmaux. Von Nocard und 
Leclainche. 3. Auflage, Paris 1903. 

Die erste Auflage des vorliegenden Werkes erschien 1895, 
die zweite 1898. Während die erste 816 Seiten zählte, betrug 
der Umfang der zweiten Auflage bereits 956 Seiten. Die dritte 
Auflage zählt 1313 Seiten und ist in zwei Bände eingeteilt. 
Die stete Vermehrung zeigt, daß die Autoren bemüht waren, 
ihr Werk stets zu verbessern und in dasselbe alle Neuerungen 
und Entdeckungen aufzunehmen, an welchen die letzten Jahre 
so reich waren. Die vielen Arbeiten auf dem Gebiete der 
Bakteriologie und Experimentalmedizin begründen die stete Ver¬ 
mehrung des Werkes, von welchem jede neue Auflage eigentlich 
ein neueB Werk darstellt, in welchem von dem ursprünglichen 
Texte wenig geblieben ist. Die in den ersten Auflagen bereits 
aufgenommenen Krankheiten Bind dem jetzigen Stande der 
Wissenschaft entsprechend umgearbeitet worden, neu auf¬ 
genommen wurden die Pasteurellose des Pferdes, der Hunde¬ 
typhus, die Pasteureilosen des Kalbes, die Pferdepest, die 
Geflügelpest, die Pseudo-Tuberkulosen, die Aktinobazillose und 
die HämatozoenkraDkheiten: Piroplasmosen und Trypanosomen¬ 
krankheiten. 

Jede der aufgenommenen Krankheiten bildet gewissermaßen 
eine Monographie, in welcher zunächst ein historischer Über¬ 
blick über die Seuche gegeben wird, wie sie erkannt und 
differenziert wurde, welche Arbeiten sie veranlaßte etc.; sodann 

*) Von den eingesandten Büchern werden hierunter Titel usw. mit¬ 
geteilt Eine Verpflichtung zu eingehender Besprechung wird jedoch 
nicht übernommen; dieselbe bleibt Vorbehalten. Die Redaktion. 


folgt die naturhistorische Beschreibung des Seuchenerregers 
die Knlturmethoden, die Angabe der inflzierbaren resp. refrak¬ 
tären Spezies, eine Statistik über die Ausbreitung und die 
Angabe der betroffenen Länder; der klinischen Studie bei den 
einzelnen Tierspezies folgt die Diagnostik, die Ätiologie und, 
Pathogenie der Seuche, die Behandlung, wobei der eventuellen 
Schutzimpfung eine eingehende Besprechung zu teil wird. Im 
Anschluß an die Behandlung wird der seuchenpolizeiliche Apparat 
erwähnt, wobei allerdings die französische Legislation ausführ¬ 
licher behandelt wird als diejenige der anderen Länder. 

Die in der neuen Auflage behandelten Krankheiten sind: 

I. Hämorrhagische Septikämien. A. Pasteurellosen. 
Hühnercholera; Kaninchenseptikämie; Becks Brnstseuche; Septi- 
i kämie des Meerschweinchens; Wildseuche; Lombig; Pleuro- 
| pneumonie der Ziege; Rinderseuche; Septische Pleuropneumonie; 

I der Kälber; White scom 2 lung disease; Enteque; Barbone; 
Schweineseuche; Pferdeinfluenza; Hundestaupe; Stuttgarter 
Hundeseuche. 

B. Schweinepest. 

C. Nichtklassifizierte Septikämien: Infektiöse Hühner- 
enteriti8; Maggas Hühnerepizootie; Hühnerseptikämie; Infektiöse 
Leukämie der Hühner, Lucets epizootische Dysenterie der 
Hühner und Truthähne; MacFadyeans Truthahnseuche; Fiorentinis 
Fasanenseuche; Entencholera etc. etc. 

n. Koli-bazilläre Infektionen: Kälberruhr; Kälber- 
septikämie; Frettchenseuche; Septikämie der Hühner, Truthähne, 
Fasanen, Tauben, Papageien etc.; bösartige Kopfkrankheit. 
III. Gastroenteritis der Vögel. IV. Spirillose der Gänse. 
V. Geflügeldiphtherie. VI. Schweinerotlauf. VH. Milzbrand. 
VHI Malignes ödem. IX. Rauschbrand. Bradsot und Renntier¬ 
pest. X. Lnngenseuche. XI. Braunschweigsche Hühnerpest. 
XII. Pferdepest (Horse sickne). XIH. Rinderpest. XIV. Maul¬ 
und Klauenseuche. XV. Vaccine, Horse-pox und Cow. pox. 
XVI. Schafpocken. XVII. Tuberkulose. XVHI. Streptobazilläre 


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324 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 19. 


Pseudo-Tuberkulosen. XIX. Pseudo-Tuberkulose des Kalbes. 
XX. Acne contagiosa des Pferdes, ulceröse Lymphaugitis deB 
Pferdes, käsige Pneumonie des Schafes. XXI. Rotz. XXII. 
Epizootische Lymphangitis. XXIII. Druse. XXIV. Gelber Galt. 
XXV. Ansteckender Scheidenkatarrh des Rindes. XXVI. Brandige 
Euterentzündung des Schafes. XXVII. Botryomykose. XXVIII. 
Aktinomykose. XXIX. Wurm des Rindes. XXX. Bursattec- 
Leeches. XXXI. Aktinobazillose. XXXII. Nekrobazillosen. 
XXXm. Bazilläre Pyelo-Nephritis des Rindes. XXXIV. Seuchen¬ 
haftes Verwerfen. XXXV. Infektiöse Agalaktie. XXXVI. Zerebro- 
spinalmeningitis. XXXVII. Tollwut. XXXVIII. Tetanus. XXXIX. 
Piroplasmosen des Rindes, des Schafes, des Pferdes und des 
Hundes. XL. Trypanosomenkrankheiten (Surra, Nagana, Beschäl¬ 
seuche, Mal de caderas). 

Die klare Beschreibung, die geschickte Gruppierung, die 
ausführliche Literaturangabe, der schöne, auch für den der 
Sprache weniger mächtigen, leicht verständliche Stil machen 
das Werk zu einem wertvollen dem Seuchentierarzt unumgäng¬ 
lich nötigen Bestandteil der tierärztlichen Bibliotheken. Zu be¬ 
dauern ist lediglich, daß das Werk keine Abbildungen enthält. 

Zündel. 

Personalien. 

Auszeichnungen: Ernannt wurden Obermedizinalrat Prof. Dr. Johne 
zum Geheimen Medizinalrat und die Professoren DDr. Müller, 
Pusch und Edelmann zu Medizinalräten, sämtlich an der tier¬ 
ärztlichen Hochschule zu Dresden. — Dem Tierarzt und Gutsbesitzer 
Dr. Paul Willach in Louisenthal wurde das Ritterkreuz II. Klasse 
mit Eichenlaub des Ordens vom Zähringer Löwen verliehen. 

Ernennungen: Geheimer Medizinalrat Prof. Dr. Ellenberger 
wurde auf die Zeit vom 1. Mai 1903 bis 1. Mai 1906 zum Rektor 
der Dresdener tierärztlichen Hochschule ernannt. — Zu interi¬ 
mistischen Bezirkstierärzten: Dr. Herrn. Männer in Waldshut für 
Stockacb; Otto Bauer in Rheinbischofsheim für Pfullendorf; 
Dr. Hauger in Tiefenbronn für Neustadt. Tierarzt Reß in Gör- 
wibl zum interemistischen Verbandsinspektor beim Viehversicher¬ 
ungsverband und Spang in Hardheim zum Grenztierarzt in Walds¬ 
hut. Rud. Horst in Kiel wurde als Tierarzt für das Amt Lütgen¬ 
dortmund gewählt. 

Wohnungsveränderungen, Niederlassungen: Verzogen ist Bezirks- 
tierarzt Dr. Dörrwächter von Neustadt nach Überlingen; die 
Tierärzte Paul Reinmuth von Elzach nach Haslach, Sebastian 
Henninger von Haslach nach Dinglingen. — Niedergelassen hat 
sich Tierarzt Ernst Holzapfel aus Dillingen in Elzach. — Tier¬ 
arzt Wilhelm Kuthe aus Elbingerode ist als Volontär am Schlacht¬ 
hof in Berlin eingetreten. 

Examina: Die Prüfung für den badischen Staatsdienst bestanden 
die Tierärzte: Dr. Fürst in Freiburg, Spang in Hardheim, 
Graulitz in Furtwangen, Buß in Salem, Feldhofen in Ühlingen, 
Scherrer in Hornberg. — Approbiert wurde in Hannover Herrn. 
Conrad aus Malstatt. 

Promotion: Tierarzt Gustav Kuhn zum Dr. phil. in Rostock. 

Todesfälle: Tierarzt Theodor Dopheide in Colditz in Sachsen 
und Roßarzt a. D. K. H. Naumann in Dresden, 


Vakanzen. 

Kreistierarztsteiien (nach Ablauf der Meldefrist noch un¬ 
besetzt): R.-B. Kassel: Hersfeld. — R.-B. Oppeln: Landkreis 
Oppeln. — R.-B. Posen: Krotoschin. 

Sohlaohthofetellen a) neu ausgeschrieben: Barmen: Hilfstier¬ 
arzt sofort. 2100 M. Meldung beim Oberbürgermeister. — Braun¬ 
schweig: 3. Tierarzt zum 1. Juni. 2700 M. Meldung bis 10. Mai 
ä. d. Schlacbtbausdeputation. — Hildesheim: Hilfstierarzt baldigst. 
2100 M. Meldung mit Approb. Lebenslauf, sonstig. Zeugn. a. d. 
Magistrat. — Köln: Sanitätstierarzt baldigst Von 2600 M. alle 3 
Jahre steigend bis 4300 M; für qualifiz. Amtstierärzte 3000—4800 M. 
Keine Privatpraxis. Meldung a. d. Direktion. 


b) Nach Ablauf der Meldefrist noch unbesetzt: Barmen: 
Sanitätstierarzt. 2400—4500 M. — Beuthen: Assistent. 2100 bis 
3100 M. — Bremen: 3. Tierarzt. Von 2400 M., alle 3 Jahre um 
240 M. steigend bis 3600 M., gegen 5 Proz. Abzug freie Wohnung. 

— Dessau: Assistent 1800 M. Freie Wohnung. — Düren: Sanitäts¬ 
tierarzt, auch zur Untersuchung eingeführten ausländischen Fleisches. 

— Eschwege: Vorsteher 2100—3300 M. Freie Wohnung etc. 
Dreimonatl. Kündigung. — Gardelegen: Inspektor. Pensions- 
berecht. Gehalt 1800 M. Freie Wohnung und Feuerung. Privat¬ 
praxis. — Glückstadt: Inspektor. 2000 M. Freie Wohnung etc. 

— Görlitz: Assistent. 1800 M., steigend alle 3 Jahre um 300 M. 
bis 3600 M. Wohnung. Pension. — Hammerstein: Inspektor, 
verpflichtet Fleisch- und Trichinenschau allein auszuführen. 1800 M. 
Privatpraxis. Probehalbjahr, darauf vierteljäbrl. Kündigung. — 
Koburg: 2. Tierarzt. Meldung mit Gehaltsansprüchen. — Langen¬ 
salza: Direktor. 2000— 2700 M. Wohnung. Pensionsberechtigung. 
Probehalbjahr. 1000 M. Kaution.— Liegnitz: 2. Tierarzt. 1800 M. 
Wohnung. — Limburg a. L.: Vorsteher 1800—2400 M. Probehalb¬ 
jahr. — Magdeburg: Tierarzt, 175 M. monatlich. — Neuenburg: 
Inspektor 1600 M. Wohnung. Probehalbjahr. — Schwiebus: 
Verwalter. 2400 M. Wohnung. — Wangerin: Sanitätstierarzt. Privat¬ 
praxis (Magistrat). 

Staatliche Flei8chbeschaustellen(Bewerbg. a. d. betreff. Reg.-Präsid.): 
Danzig: Tierarzt ans Untersucbungsamt für ausländisches Fleisch. 
2000 M. — Frankfurt a. M.: Tierarzt für die Zolleinlaßstelle. 
3600 M. — Osnabrück: Dieselbe Stellung 3600 M. 

Stellen für ambulatorische Fleischbeschau undPrivatpraxis. Clausthal- 
Zellerfeld: Fleiscbb., 3000M. Fixum von d.Fleischerinnung. — Elze 
(Hannov.): Fleischb., Ertrag 1400—1500 M. 300 M. Jahresbeihilfe 
für d. erst. 3 Jahre. Privatpraxis (Bürgermeister). — Fiddichow 
a. Oder: Piivatpraxis. (Bürgcrm.) — Märkisch-Friedland: Fleischb. 
1800 M. (Magistrat.) — Gelsenkircben: Fleischb., 3000 M. Keine 
Privatpraxis. (Bürgerin.) — Guttstadt: Schlachtbotbeaufsichtigung, 
750 M. Privatpraxis. (Magist) — Heringen a. Helme: Nieder¬ 
lassung gewünscht. Voraussichtl. Fleischb. 1200 M. StädL Zuschuß 
300 M. Privatpraxis. (Magist.) — Heydekrug (Ostpr.): Privat- 
praxis im Niederungsteil des Kreises. Jährl. Zuschuß 600 M. (Kreis¬ 
ausschuß.) — Horst a. d. Emseber: Fleiscbb., 3000 M. Privatpraxis. 
(Amtmann.) — Kemberg: Privatpraxis. — Kirchheim: FleiBchb. 
Bedeutende Privatpraxis. (Magist.) — Kletzko (Kr. Gnesen): 
Deutscher Tierarzt. Privatpraxis mit circa 2700 M. Event. Staatszu¬ 
schuß 750 M. (Magist.) — Kobylin (Posen): Deutscher Tierarzt. 
Jährl. Staatszuschuß 750M. (Landrat in Krotoschin.) — Königsteele: 
Fleischb., Privatpraxis. (Amtmann.) — Krakow i. M.: Privatpraxis. 
Voraussichtl. Fleischb. (Magist,) — Krojanke: StädL Fleischb., 
1200 M. Fixum. (Magist.) — Laage i. M.: Privatpraxis. (Magist.) — 
Langendreer: Fleischb. 1800 M. Fixum. Schlachthausbau in Aus¬ 
sicht. (Amtmann Schüler.) — Lindow: Fleischb., Privatpraxis. — 
Lübtheen:Fleischb.,Privatpr. (Gemeindevorst.) — Lügumkloster: 
Fleischb., ca. 1000 M. Privatpraxis, (Bürgerm.) — Marklissa: 
Fleischb., 1600—2000 M. Privatpraxis. (Polizeiverwaltung.) — 
Mehlsack i. Ostpr.: Privatpraxis. — Neckarbischofsheim: 
1500 M. Fixum. (Bürgerm.) — Neumünster: Zwei Tierärzte für 
Fleischb., 3000—4000M. Persönl. Vorstellung. (Magist.) — Niemegk 
(Potsdam): Privatptaxis. — 0berpei 1: Privatpraxis, 500M. Gemeinde¬ 
fixum. Fleischb., ca. 700—fcOO M. (Bürgerin.) — Plettenberg 
(Westfal.): Fleischb., ca. 1200 M. Privatpraxis. (Magist.) — Rack¬ 
witz (Posen): Fleiscbb., ca. 1500 M. Privatpraxis. (Magist.) — 
Rendsburg: Zwei Tierärzte für Fleischb., 3000 M. (Magist.) — 
Scbköhlen i. Thür.: Privatpraxis. (Landwirtsch. Verein daselbst.) 

— Seeburg i. Ostpr.: Privatpraxis. Schlachthofaufsicht. (Magist.) 

— Tarnowo: Privatpraxis und ca. 750 M. Fixum. (Landratsamt 
Posen-West.) — Teucher» (Prov. Sachs.): Fleischb. ca. 1500 M. 
Privatpraxis. (Magist.)—Treffurt (im Werratal); Fleiscbb. (Magist) 

— Vacha a. W.: 1200 M. Fixa aus Fleischbeschau und Zuschüssen. 
Privatpraxis. (Bürgerm.) — Voerde: Fleischb., 2100 M. — Wetter 
(Ruhr): Fleischb. zum 1. Juni oder früher. (Amtmann.) — Worringen 
oder Dormagen: Privatpraxis. Event. Fleischb. (Bürgerm.) — 
Zaschau: Niederlassung erwünsobt. Fleischb., 400 M. 


Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmaltz in Berlin. — Verlag und Eigentum von Richard Schoetz in Berlin. — Druck von W. Büxenstein, Berlin. 


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Ol« .Berliner Tierlrattiehe Woehenschrift* erscheint 
wöchentlich im Verlsge von Riehard 8choets in 
Berlin, Lnisenstr. 36. Durch jede* deutsche Postamt wird 
dieselbe «um Preise von M. 5,— vierteljährlich (M. 4,88 für 
die Wochemchrlft, II Pf. für Bestellgeld) frei ln« Heu« 
geliefert. (Deutsche Post-Zeitung* .Preisliste No. 1101, 
0österreichische No. 510, Uogerlsche No. 90.) 


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Origlnelbeltrftge werden mltlOMk. für den Bogen honoriert. 
Alle Manuskripte, Mitteilungen und redaktionellen An¬ 
fragen beliebe man au senden an Prof. Dr. Schmält *, 
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Korrekturen, Rezensions-Exemplare und Annoncen da¬ 
gegen an die Verlagsbuchhandlung. 


Tierärztliche Wochenschrift 


Redaktion; 

Professor Dr. Sehmaltz -Berlin 

Verantwortlicher Redakteur. 


Oe Bruln 

Dr. Je8S 

KDhnau 

Dr. Lothes 

Nevermann 

Prof. Dr. Peter 

Peters 

Professor 

Kreistiersrzt 

Sohlachthofdirektor 

Departementstlerarst 

KreUtierarat 

Kreisiierarst 

DepsrtemenUtiersrzt 

Utrecht 

Charlottenburg. 

Cöln. 

Cöln. 

Bremervörde. 

Angermünde. 

Bromberg. 


Preusse 

Dr. Roeder 

Dr. Schlegel 

Dr. Vogel 

Zflndel 



Vc-terinär&ssetsor 

Prozessor 

Professor 

Lsndes-Insp. f. Tierxucbt Kreistiersrst 



Danzig. 

Dresden. 

Freiburg i. Br. 

München. 

Mülhausen i. £. 



Jahrgang 1903. J& 20 . Ausgegeben am 14. Mal. 


Inhalt: Eberhard: Über Tannalborin als Antidiarrhoicnm. — Werner: Behandlung der Rind er k ran kh eiten bei den Tamil. 

— Zur faktischen Berichtigung. — Referate: Fadyean: Eine eigentümliche Farbreaktion dfes Blutes von Tieren, die an 
Milzbrand verendet sind. — Feser: Beobachtungen über vermeintliche Kainitvergiftungen bei Rehen und experimentelle Unter¬ 
suchungen (Fütternngeversuche) über den Einfluß des Kainits auf den tierischen Organismus. — Nielsen: Schimmelvegetation 
in der Kieferhöhle eines Pferdes. — Jeß: Wochenübersicht über die medizinische Literatur. — Tagesgesohichte: Verschiedenes. 
— Öffentliches Veterinärwesen. — Bücheranzeigen und Kritiken. — Personalien. — Vakanzen. 


Über Tannalborin als Antidiarrhoicum. 

Von 

Eberhard-Unruhstadt, 
prokt. Tierarzt 

Die Anwendung der Gallusgerbsäure als Darmadstringens 
hei Diarrhöen ist schon seit langer Zeit üblich. Neuerdings ist 
man bemüht, die Wirkung des Tannins durch Kombination mit 
den verschiedensten Stoffen zu modifizieren resp. zu korrigieren. 

Bei Herstellung solcher Tannin-Derivate ging man von vier 
Gesichtspunkten aus: Einesteils bemühte man sich, die ad¬ 
stringierenden Eigenschaften der Gerbsäure zu ver¬ 
stärken, zn welchem Zwecke die Tonerde sich als geeignet 
erwies, wie z. B. beim Tannal, der gerb-weinsauren Tonerde 
(Aluminium tannico-tartaricum). Auch das weiter unten näher 
zu betrachtende Tannalborin ist eine Tonerdeverbindung. — 
Zweitens beabsichtigte man dnreh diese Kompositionen einen 
antiseptischen Effekt auszuüben, da ja die Gerbsäure in dieser 
Hinsicht nur von schwacher Wirkung ist Dieser Forderung 
entsprechen das vielbenntzte Tannoform, bekanntlich ein Produkt 
aus Formaldebyd und Gallnsgerbsäure, das Tannopin, ein 
Kondensationsprodnkt von Hexamethylentetramin (Urotropin) 
mit Tannin, das Tannokasein, dargestellt durch Einwirkung von 
Formaldehyd anf Kasein-Natrium nnd Tannin, das Captol, ein 
Kondensationsprodnkt von Chloral mit Tannin and schließlich 
das Tannalborin (cf. unten). — Drittens war darauf zn achten, 
daß die betreffenden Präparate nicht schon im Magen zur 
Resorption gelangten, sondern ihre Wirkung erst im Darm zur 
Geltung brächten. Infolgedessen mußte dafür gesorgt werden, 
daß sie von der Magensänre nicht zersetzt, dagegen aber 
im alkalischen Darmschleim leicht gelöst würden, um 
hier baldigst zur Resorption gebracht und nicht mit den 
Exkrementen aasgeschieden zn werden. Dieser Bedingung sind 
fast alle Tannin-Derivate mehr oder weniger vollkommen 
angepaßt Als typisch in dieser Beziehung ist wohl das 
Tannigen, der Essigsänreester der Gerbsäure, za nennen. — 
Endlich viertens ging man darauf aus, durch die neuen 
Kombinationen die Verdannngstätigkeit weniger störend 


zu beeinflussen, als dieses dnreh die Gerbsänre ge¬ 
schieht Demgemäß entstand z. B. Tannalbin, eine Eiweiß-, 
und Tanocol, eine Gelatineverbindung der Gerbsäure. 

Faßt man nun kurz zusammen, was von einem in jeder 
Beziehung vollkommenen Tannin-Derivat als Darmadstringens 
verlangt wird, so sind es folgende Eigenschaften: Das Präparat 
maß den Magen nngelöst nnd anzersetzt passieren, sich jedoch 
in der alkalisch reagierenden Flüssigkeit des Dünndarms zwecks 
Entfaltung seiner Wirkung, nämlich einer anhaltenden kräftig 
adstringierenden nnd antiseptischen, in seine Komponenten zer¬ 
legen, ohne jedoch irgend welche lästige Reizung des Ver- 
dannngstraktns hervorzurnfen. 

Nnn stellt in neuerer Zeit die Fabrik chem.-med. Prä¬ 
parate von Dr. M. Claasz in Rostock i. M. unter dem 
patentamtlich geschützten Namen „Tannalborin“ eine Kom¬ 
bination von Alnminiumsnbgallat (gallussaurem [gerb¬ 
saurem] Aluminium) mit polyborsanrem Natrium her, welche 
gegen Darmerkrankungen, Durchfälle, Ruhr etc. empfohlen wird. 

Das Tannalborin ist ein granbrannes Pnlver von etwas 
säuerlichem Geruch nnd Tannin ähnlichem Geschmack. In 
kaltem wie in heißem Wasser und in Alkohol ist es schwer 
löslich. Von Säuren, speziell Salzsäure, wird es nicht gelöst. 
In der schmntziggranen trüben wässerigen Lösnng erzeugt Salz¬ 
säure keinen Niederschlag. In Alkalien löst sich das Präparat 
verhältnismäßig leicht. Auch auf diese Lösnng hat Salzsänre 
keinen Einfluß. Wie schon erwähnt, ist die Gallusgerbsänre 
im Tannalborin an Aluminiumhydroxyd als Alumininmsubgallat 
gebunden. Nach Claasz ist die chemische Konstitution des¬ 
selben folgende: 

OH OH 




—CO—0—Al 





OH 

OH 


Das polyborsaure Natrium soll im Tannalborin zu 10% 
enthalten sein nnd zwar nicht in chemischer Bindnng, sondern 
nur mechanisch beigefügt. 


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326 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 20. 


Sehen wir uns nun das Tannalborin darauf hin an, wie 
es sich den oben aufgestellten vier Forderungen gegenüber ver¬ 
hält. Den Magen passiert es unzersetzt, denn es ist in Säuren 
unlöslich, kann also seine volle Wirkung im Dannkanal zur 
Geltung bringen. Hier wird es durch die Darmtätigkeit in 
seine Komponenten gespalten, und zwar erfolgt dieses (nach 
Claasz) nach folgender Gleichung: 

OH OH 

/\ 

OH i \ OH | OH 

L I 1 ! / 

OH 1 -CO-O — —CO— O-Al = 

-f- NA OH +NA OH 

OH 

OH ] 

2 

OH J, OCO Na -f Al (OII) 3 bez. AI (ONa) 3 -f 3 H a 0. 

löslich . löslich 

II. Al (ONa) 3 + 6 HCl — Al CI 3 + 3 Na CI + 3 H a 0. 
löslich. 

Die Tonerde wirkt auf der Darmschleimhaut gewisser¬ 
maßen häutchenbildend. Sie härtet den Darm sozusagen von 
innen her und verleiht ihm dadurch eine größere Widerstands¬ 
fähigkeit sowohl gegen flüssige Absonderungen als auch gegen 
das Eindringen von pathogenen Mikroorganismen in die tieferen 
Gewebspartien. Die adstringierende Wirkung übertrifft also 
die der Gerbsäure für sich allein. — Um die eventuelle Schäd¬ 
lichkeit des Tannalborin zu erproben, wurde es einem Hunde 
täglich längere Zeit gegeben, und zwar von 5 Gramm auf 
25 Gramm steigend, ohne daß dadurch ein nennenswerter Ein¬ 
fluß auf das Allgemeinbefinden hervorgerufen wurde. Ins¬ 
besondere waren irgend welche Reizungserscheinungen im Be¬ 
reiche des Magen-Darmtraktus nicht zu bemerken. — Was endlich 
die antiBeptische Wirkung des Tannalborin anbelangt, so ist 
dieselbe durch das polyborsaure Natrium gewährleistet. Die 
Borsäure, ein mildes Antisepticum von relativ geringer Giftigkeit, 
greift die Schleimhaut nicht an und entwickelt doch genügende 
Kraft zur Abtötung der in Frage kommenden Kleinlebewesen. 
Es lag nun nahe, anzunehmen, dass es vorteilhaft sein würde, 
die Borsäure mit dem Aluminiumsubgallat in chemische Bindung 
zu bringen, doch ist dieses nicht der Fall, denn die antiseptische 
Wirkung der Borsäure muß der Einwirkung der Gerbsäure und 
der Tonerde im Darm zum Teil vorangehen, zum Teil auf die¬ 
selbe folgen. Als am geeignetsten zu diesem Zwecke fand 
Claasz das Natriumpolyborat., das er dem Aluminiumsubgallat 
zu 10 Proz. mechanisch beifügte. Dasselbe löst sich leicht in 
Wasser (1 : 1) und ist geeignet, die pathogenen Mikroorganismen 
im Darm zu vernichten. Infolge dessen kann es auch prophy¬ 
laktisch gegen Rezidive bei Darmerkrankungen wirken. 

Nach Angabe des Herstellers ist folgendes bei der An¬ 
wendung seines Präparates zu beachten: Tannalborin soll mit 
etwas Wasser oder Milch (nicht mit saurer!) angerührt als 
Schüttelmixtur, aber niemals als Pulver eingegeben werden. 
Dasselbe, wie empfohlen, mit dem Trinkwasser zu geben, halte 
ich für unpraktisch, da es wegen seiner geringen Löslichkeit 
größtenteils auf dem Boden des Trinkgefäßes zurückbleibt. 
Hunden kann man das Pulver auf das Futter gestreut geben; 
dem Geflügel gibt man es mit Hülfe von Mehl und Wasser zu 
Pillen geformt ein. 


Die Dosierung ist nach Claasz folgende: Bei Durch¬ 
fällen der Fohlen 3 mal täglich 10,0; größeren Tieren 20,0 auf 
einmal. Bei Durchfall der Kälber, auch bei Kälberruhr 3—4 mal 
täglich 3,0—4,0 bis zur Besserung, jedoch nicht mehr nach ein¬ 
getretener Genesung weiter zu geben. Bei Kälberruhr als 
Prophylactium vom Tage der Geburt an täglich einmal eine 
kleine Prise. Hunde sollen 2—3 mal täglich je nach Größe 
1,0—3,0 erhalten. Hühnern gibt man bei Geflügelcholera täglich 
10—20 Pillen von Erbsengroße. 

Der Preis des Tannalborin ist ungefähr derselbe wie beim 
Tannoform und Tanoeol, nämlich 100,0 = 3 M.; 50,0 = 1,75 M.; 
25,0 = 1,00 M. 

Literatur über Tannalborin ist bisher noch nicht vor¬ 
handen. Doch liegen mir einige handschriftliche Äußerungen 
über das Präparat vor. Oberroßarzt Matthias vom Haupt¬ 
gestüt Trakehnen hat es mit Erfolg bei Diarrhöen der neu¬ 
geborenen und älteren Fohlen angewandt, und zwar in Ver¬ 
bindung mit Tinctura Opii. Die Dosierung betrug je nach Alter 
72—1 Eßlöffel voll Tannalborin mit 72—1 Eßlöffel voll Tinct. 
Opii in 150—200,0 frischer Muttermilch 1—2 mal pro die. 
Jedoch kann Tannalborin auch ohne Schaden in der doppelten 
Dosis gegeben werden. Ohne Opiumtinktur soll es nach 
Matthias nicht genügend stopfend wirken, aber immerhin 
Tannoform noch übertreffen. — Kreistierarzt Traeger-Belgard 
berichtet über prompte Wirkung des Tannalborin, genau nach 
Claasz’ Anweisung benutzt, in zwei Fällen von Kälberruhr in 
größeren Beständen. Auch ein Landwirt äußert sich in gleichem 
Sinne. 

Ich habe Tannalborin in folgenden Fällen angewandt: 

1. Bulle, ca. 172 Jahre alt, angeblich schon seit 8 Tagen 
an Durchfall erkrankt und mit den verschiedensten Hausmitteln 
vergeblich behandelt. Temperatur 39,7° C. Patient entleert in 
großem Bogen übelriechende, höchst dünnbreiige Kotmassen. 
Appetit aufgehoben; Wiederkauen vollständig sistiert; großer 
Durst. Es wurden am ersten Tage 40,0 Tannalborin als Schüttel- 
mixtnr mit Milch eingegeben und am nächsten Tage in gleicher 
Weise dreimal je 20,0 Tannalborin. Am dritten Tage konnte 
der Eigentümer bereits über Besserung des Zustandes berichten, 
welche nach nochmaligem Verbrauch von 45,0 Tannalborin in 
Genesung überging. Allerdings war eine längere sorgfältige 
Nachbehandlung des geschwächten Tieres nötig. 

2. Pferd, braune Stute, ca. 11 Jahre alt, frißt nach dem 
Vorbericht seit einigen Tagen schlecht; seit gestern besteht 
Durchfall. Temperatur 39,2° C. Laut polternde Darmgeräusche, 
heftige Peristaltik. Schweif und Schenkel von diarrhoischen 
Exkrementen besudelt. Therapie: Sofort (abends) eine Pille 
von Tannalborin 50,0 mit Rad. Althaeae et Aqu. fontan. q. s.; 
am nächsten Tage früh und abends nochmals je eine Pille. 
Am dritten Tage ist die Defäkation wieder normal. 

3. Fox-Terrier, s / 4 Jahr alt, an der katarrhalischen Form 
der Staupe erkrankt, zeigt anfangs nur unterdrückte Freßlust, 
während die Symptome an den Atmungsorganen und den Augen 
erfolgreich bekämpft wurden. Als wir den Hund schon ziemlich 
für genesen betrachteten, stellte sich ein heftiger Magendarm¬ 
katarrh mit starkem Durchfall ein. Die Dejekte waren schaumig 
und äußerst übelriechend. Hier bewies sich das Tannalborin 
lebensrettend. Es wurde zu 2 Gramm 3 mal täglich in einem 
Teelöffel voll Tinctura Opii simplex verabreicht, und zwar im 
ganzen 20,0 Tannalborin. 


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14. Mai 1908. 


4. Durchfälle bei Kälbern behandelte ich mehrfach konsul¬ 
tativ mit Tannalborin nach Vorschrift des Dr. Claasz nnd 
erfahr später jedesmal von einem befriedigenden Erfolge der 
Behandlung. 

Versuche bei Kälberruhr mit dem Mittel anzustellen, hatte 
ich keine Gelegenheit. 

Nach den an Zahl allerdings nur geringen Erfolgen, welche 
ich bei meinen Versuchen mit Tannalborin hatte, glaube ich 
dasselbe, besonders auch rücksichtlich seines ziemlich niedrigen 
Preises, als ganz brauchbares Antidiarrhoicum zu weiteren 
Versuchen empfehlen zu können. 

Behandlung der Rinderkrankheiten bei den Tamil. 

Von 

Werner-Salzwedel, 

Tierarzt. 

In dem „Journal of the anthropological Society of Bombay“ 
Vol. III. No. 1. 1893 findet sich ein Vortrag des Captain James 
Mills, Principal, Bombay Veterinary College, welcher die Be¬ 
handlung der Rinderkrankheiten bei den Tamil, einem zur 
Dravidarasse gehörenden und gebildeten, indischen Volksstamme 
schildert. Im folgenden sei mir gestattet, ein kurzes Referat 
hierüber zu geben. 

Der Originaltext, von einem gebildeten Tamil namens 
C. Viswanath Jyor, der in der Präsidentschaft Madras den Posten 
eines Aufsehers über Rinderkrankheiten versieht — Cattle Disease 
Inspector — aus der Tamilsprache ins Englische übersetzt, ist 
mit einem scharfen Instrument in die Blätter der Fächerpalme, 
Boraseus flabelliformis, eingeritzt. Als Autor desselben wird 
genannt ein Rishi, ein weiser Hindu. Das ganze Werk, sicher¬ 
lich aus alter Zeit stammend, läßt erkennen, daß schon frühzeitig 
in Indien die Tierheilkunde ausgeübt wurde, daß auch die 
Kenntnis von Arzneimitteln und deren Verwendung eine ziemlich 
bedeutende war, wenngleich auch vielfach Sympathie und Aber¬ 
glaube bei den Kuren eine große Rolle spielen. 

Aus den Vorschriften über die Behandlung der Krankheiten 
geht hervor, daß es vorwiegend Pflanzen waren, die zur Be¬ 
reitung der Arzneien dienten. Nicht weniger als 48 verschiedene 
Pflanzen werden angeführt, während nur 3 Medikamente an¬ 
organischer Natur sind. Aus dem Tierreich stammend wurden 
therapeutisch verwendet: das Gehirn, die Schädelknochen und 
Milch vom Menschen, ferner Urin, Buttermilch, Ziegenmilch, die 
Exkremente von Schafen und Rindern,' Wachtelfedem und der 
Blutegel. 

Diejenigen Pflanzen, die in den Rezepten am häufigsten 
genannt werden, sind: Allium sativum, Acorns Calamus, die 
Kokosnuß, Kokosmilch, Oryza sativa, Piper nigrum und Ptychotis 
ajewaro. Am meisten dienen zur Bereitung der Arzneien die 
Blätter oder der aus den Pflanzen durch Pressen gewonnene 
Saft, aber auch die Wurzeln, Blüten, Rinde und Früchte, sowie 
die ganzen Pflanzen finden Verwendung. 

Von den Arzpeiformen sind am häufigsten die Dekokte und 
Macerationen, ferner Aufgüsse. Mehrmals werden Pillen und 
Boli genannt, sowie Kataplasmen und Salben. 

Die Mengen der zu verwendenden Arzneimittel werden an¬ 
gegeben bei trockenen Substanzen nach dem Gewicht: 1 Pollern = 

9 Drachmen — 33,75 g, bei Flüssigkeiten nach Maßmeasures. 

Die Behandlung der Krankheiten ist meist eine innerliche 
auch bei solchen Leiden, bei denen der innere Organismus gar 


327 


nicht in Mitleidenschaft gezogen ist, wie bei rissigen Hufen. 
Doch kommen auch äußerliche Behandlungsweisen vor, von denen 
vor allen das Brenn verfahren anzuführen ist. 

In drei Fällen wird bei der Behandlung der Krankheit neben 
andern Mitteln auch ein solches verschrieben, welches durch die 
Nüstern einzugeben ist. Es ist stets von flüssiger oder breiiger 
Beschaffenheit mit Wasser oder Urin vermengt und muß in die 
Nüstern eingeträufelt werden, indem der in ein Tuch eingehüllte 
Brei in dieselben auszupressen ist. 

Die Reihenfolge der aufgeführten Krankheiten ist keine 
bestimmte; es folgen in bnnter Reihe innerliche und äußerliche 
Leiden aufeinander. Bei jeder Krankheit ist genau die Art 
und Weise der Behandlung angegeben, bei vielen mehrere 
Rezepte angeführt, bei den meisten sind auch die Symptome ge¬ 
schildert. 

Das Werk beginnt mit einer Lobpreisung Vischnus, des 
Erhalters und Beschützers. Darauf folgt ein Gebet folgenden 
Wortlauts: „Meine Leiden, meine sündvollen Handlungen, die 
Mühen, die ich als sterbliches Wesen zu erdulden haben werde, 
das Elend, welches nicht von mir abgewandt werden kann, 
alles dies wird verschwinden, wenn ich den Gott Ganapathi 
verehre, welcher im Turm des Tempels auf dem Berge 
Aroonachalam seinen Wohnsitz hat. (Ganapathi ist ein Sohn 
Qivas, des Zerstörers; von ihm ist es abhängig, ob Unter¬ 
nehmungen glücken werden oder nicht.) 

Zunächst werden vier meist tödlich verlaufende Krankheiten 
genannt. Ein für alle vier anzuwendendes Arzneimittel wird 
hergestellt durch Makeration der Pflanze Adootunda (Aristolachia 
indica). Diese vier Krankheiten sind: 

1. Mannadappan, eine bösartige Erkrankung des Kehlkopfes, 
wobei das Tier an Atemnot leidet und eigentümlich grunzende 
Laute von sich gibt. Bei der Behandlung wird hier außer 
der durch das Maul einzugebenden Arznei auch das oben er¬ 
wähnte Eingeben durch die Nüstern empfohlen. 

2. Pinnadappan, eine Krankheit, die ins Englische mit 
„splenic apoplexy“ übersetzt ist. Das Tier leidet an Atem- 
beschwerde, Verstopfung und scheidet nur unter Anstrengung 
Urin aus. Hiergegen werden zwei Rezepte empfohlen. Sollte 
ferner eins der Vorderbeine geschwollen sein, so ist das Brennen 
anzuwenden, außerdem eine noch besonders angeführte, inner¬ 
liche Arznei. 

3. Tharian, ein bösartiger Katarrh, ebenfalls von Atem¬ 
beschwerden begleitet. Außerdem ist Augen- und Nasenausfluß 
und die Ausscheidung breiigen Kotes zu beobachten. 

4. Kolli, eine Form des Milzbrandes, bei welcher die Maul¬ 
höhle erkrankt ist Hier wird zunächst auch das Brennverfahren 
angewendet, indem man mit einem brennenden Strohwisch dem 
Tier die Maulhöble ausbrennen soll. Als innerliches Mittel wird 
empfohlen ein Bolus von der Größe eines Holzapfels, der her¬ 
gestellt ist aus einem vom Kopfe befreiten und mit Hirse gut 
zerkochtem Blutegel. 

Dann werden noch folgende innere Krankheiten angeführt: 

Vackey, Rinderpest. Gegen diese werden mehrere Rezepte 
genannt, in welchen allen die Kokosmilch und Buttermilch ent¬ 
halten ist. Ist der Kot mit Blut vermischt, so ist noch ein 
besonderes Rezept beigefügt. 

Gunni növoo, Tympanitis. Für diese Krankheit, bei welcher 
das Rind einen aufgetriebenen Hinterleib zeigt, zuweilen auch 
mit gekrümmtem Rücken dasteht, keinen Kot abzusetzen vermag, 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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328 


wird außer einem innerlichen Mittel empfohlen, dem Tiere um 
den Nacken ein Band von Arbrus precatovius (Kranzerbse) zu 
binden, außerdem den Patienten vom Kopf bis zum Schwänze 
mit Asche zu bestreuen und zu befächeln. 

Vakuti novoo, Phrenitis. Als Symptome werden angegeben, 
daß das Tier sich rund herum drehe, und Krämpfe an allen 
Muskeln zeige. Außer der innerlichen Behandlung wird em¬ 
pfohlen, einen Extrakt herzustellen aus drei offizinellen Pflanzen, 
dieses mit einer Menge Sphaf- und Kuhmist bis zur Größe einer 
Kokosnuß zu vermengen, das Ganze gut zu kochen und dann 
den Körper des erkrankten Tieres drei Tage lang damit einzu¬ 
reiben. Außerdem wird eine Arznei für die Nüstern angeführt. 
— In ihren Symptomen ähnlich ist eine mit dem Namen Masal- 
kanda Vally bezeichnete Krankheit. 

Serombal, Erkältung und Husten. Auch hier wird das Ein¬ 
geben der Arznei durch die Nüstern vorgeschrieben. Das andere, 
in heißem Wasser einzugebende Medikament enthält außer 
pflanzlichen Bestandteilen roten Schwefel, ein mit Sal ammoniac 
bezeichnetes Salz und Wachtelfedern (Quails feathers). 

Pannikoravan, eine Krankheit, bei welcher das Tier infolge 
des geschwollenen Kehlganges grunzende Töne von sich gibt, 
viel speichelt, und Nasenausfluß beobachtet wird. 

Yeri poochi, eine Erkrankung des Blattmagens. Das er¬ 
schöpfte und mit gekrümmtem Rücken dastehende Tier verweigert 
jegliche Fettaufnahme. 

Kudalpaduran, Haematurie. Mit dem Kot und Urin wird 
viel Blut ausgeschieden. Bei der Behandlung wird u. a. Butter¬ 
milch angewendet. 

Mar novoo, Brustschmerz. Das erkrankte Tier erhält während 
der ersten 3—4 Tage innerlich einen Bolus von der Größe eines 
wilden Apfels, welcher außer einer bestimmten Menge Hirse 
auch innere Teile (Herz?) vom Schwein enthält. Nach dem 
Eingeben ist das Tier auf die Weide zu führen und eine Stunde 
darauf zu tränken. Vom vierten Tage an muß dann das Tier 
drei Tage hintereinander zu einem zwei Stunden währenden 
Aufenthalt im Wasser gezwungen werden. — Dann werden noch 
die Vayarookalichal, Diarrhoe, und Rattakadopoo, Dysentery 
genannten Krankheiten und ihre Behandlung angeführt, sowie 
eine Medizin für durch Vergiftung erkrankte Tiere. 

Von äußerlichen Leiden werden folgende genannt: 

Padoovan, eine mit Schwellung verbundene Entzündung. 
Sie wird behandelt innerlich mit einer zu Pulver zerstampften 
Pflanze (Tylophora asthmatica), von der man zwei Tage lang 
eine Menge ungefähr einer Kokosnuß entsprechend einzugeben 
hat. Auf die geschwollenen Teile ist ein heißer Breiumschlag 
zu legen, der aus den macerierten und mit etwas Kalmus ver¬ 
mengten Blättern verschiedener Pflanzen hergeBtellt ist. 

Vadam, Lähmung. Dieselbe wird behandelt durch Einreiben 
der gelähmten Teile mit einem Medikament, welches hergestellt 
ist aus dem mit einer Kokosnuß gut vermengten Safte fünf ver¬ 
schiedener Pflanzen. Die Mischung wird darauf gekocht und drei 
Tage lang morgens und abends angewendet. 

Punnoo, Geschwüre. Als innerliches Mittel ist eine kleine 
Menge einer gut verriebenen Wurzel angegeben, der etwas Ziegen¬ 
milch zugesetzt ist. Äußerlich ist ein aus den Blättern zweier 
Pflanzen bestehender Umschlag anznwenden, außerdem soll man 
an den Hals des Tieres ein „Kotton Kodi“ (Amulett?) befestigen. 

Rissige Hufe sind innerlich mit einem Pflanzensaft, dem Öl 
hinzugefügt ist, drei Tage lang zu behandeln. 


No. 20. 


Völlig in das Gebiet der Wunderkuren fallen die folgenden 
Heilverfahren: Sind die Füße der Rinder mit Ungeziefer be¬ 
haftet, so soll man die Pflanze Bryonia grandis derart auf eine 
andere legen, daß die Wurzeln nach oben gerichtet sind, oder 
man werfe die Pflanze Indigofera enneaphylla nach einem an 
die Sonne gerichteten Gebet auf eine andere in der erwähnten 
Weise. Die Pflanzen sind aber nur dann zu verwenden, wenn 
die Wurzeln vollständig erhalten bleiben. Für die Behandlung 
der von Fliegen gestochenen oder durch Stöße verletzten Augen 
werden drei Kuren genannt: Man soll die Augen mit dem 
milchigen Safte von Jatropha curcas answaschen. Ferner werden 
Augentropfen empfohlen, die durch Verreiben zweier Pflanzen, 
von denen die eine die Zwiebel ist, und Vermengen derselben 
mit Frauenmilch hergestellt sind. Endlich werden Tropfen ge¬ 
nannt, bestehend aus Frauenmilch und den fein zerriebenen 
Blättern des Lotus und aus zerstoßenem Pfeffer. Endlich werden 
noch Mittel erwähnt zur Entfernung der toten Frucht aus dem 
Mutterleibe, zur Kräftigung schwächlicher und Bändigung stör¬ 
rischer Tiere. Will man die Milchergiebigkeit der Rinder erhöhen, 
so wende man ein Mittel an, welches u. a. die gut pulverisierten 
Knochen des menschlichen Schädels enthält. — Um eine Kuh, 
welche ihr Kalb nicht saugen lassen will, dazu zu veranlassen, 
wird folgendes Sympathiemittel empfohlen: Ein Mann muß bei 
Tagesanbruch an den Ort gehen, wo der Wäscher seine Kleider 
wäscht. Hier muß er sich etwas von der unter dem Wasch¬ 
stein gelegenen Erde verschaffen und diese mit Milch vermischt 
auf den Körper der Kuh streichen. Nachher ist die Erde mit 
dem Kleidungsstück einer Frau, welche gerade menstruiert, wieder 
abzuwischen. Dies ist 3 Tage lang auszuführen. 

Das Werk schließt dann mit einem Gebete folgenden Wort¬ 
lautes: „Erfolg, Weisheit, Wohlstand und Glaube möge denen 
verliehen werden, welche den Gott Ganapathi anbeten.“ 


Zur faktischen Berichtigung. 

In No. 9 der B. T. W. vom 26. Februar d. Js. ist ein Artikel 
„Zur Nachprüfung der Milzbranddiagnose“ aus der Feder des 
Herrn Kreistierarzt Krüger aus Schroda erschienen. 

Der Aufsatz enthält eine Bemerkung, die nicht ganz den 
tatsächlichen Verhältnissen entspricht, und da es nur einen in 
meinem Wirkungskreis vorgekommenen Fall betreffen kann, 
nehme ich Veranlassung, die Sachlage hiermit richtig zu stellen. 

Kollege K. schreibt: „Es war mir kürzlich interessant, als 
der erste Assistent an einem ärztlichen hygienischen Institut, um 
den Tierärzten die Schwierigkeit der Milzbranddiagnose und 
die Notwendigkeit der Feststellung in diesem Institut nach¬ 
zuweisen, von einem Fall erzählte, wo ein Kreistierarzt auf 
Grund des klinischen Verlaufes und des pathologisch-anatomischen 
Befundes Milzbrand festgestellt hatte, wo die Untersuchung im 
Institut die spärliche Anwesenheit von Stäbchen ergab, die man 
zunächst gar nicht für Milzbrand ansprach, und daß erst die 
mannigfaltigsten Kulturzüchtungen und Tierimpfangen, an denen 
sich der Kreistierarzt persönlich beteiligte, zeigten, daß der 
letztere Recht hatte und in der Tat Milzbrand vorlag.“ 

Die Sache verhielt sich folgendermaßen: 

Am 25. Januar d. Js. hielten der Direktor des Hygienischen 
Instituts in Posen, Herr Medizinalrat Professor Dr. Wernicke, 
sowie der erBte Assistent des Instituts Herr Dr. Lange vor den 
zahlreich erschienenen, beamteten Tierärzten der Provinz Posen 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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14. Mai 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


329 


im Hörsaale des genannten Instituts Vorträge, und zwar ersterer 
über „Immunität bei Milzbrand“, letzterer über „die Schwierig¬ 
keiten der Milzbranddiagnose“. 

An die höchst interessanten und mit vielem Beifall auf¬ 
genommenen Vorträge schloß sich eine Diskussion insbesondere 
über das letztgenannte Thema, welche sich auch auf die Nach¬ 
prüfungen des Milzbrandes ansdehnte, und an welcher auch ich 
mich beteiligte und darauf hinwies, wie unendlich schwer die 
Milzbranddiagnose „mitunter“ wäre, und folgendes Beispiel 
anführte: 

Bei einer plötzlich gefallenen Kuh fand ich absolut keine 
pathologisch-anatomischen Erscheinungen; die Blutprobe ergab 
spärliche Stäbchen, die nicht darauf schließen ließen, daß Milz¬ 
brand vorhanden sei, weil keine Kapselfärbung eintrat u. s. w. 

Erst die durch drei Impftiere hindurcbgeschickten Kulturen 
ergaben veritablen Milzbrand. 

Diese Versuche und Prüfungen hatte ich selber im Hygie¬ 
nischen Institnt, woselbst ich seit vergangenem Sommer fast 
regelmäßig arbeite, und wo gerade den Tierärzten seitens des 
Herrn Professor Dr. Wernicke ein außerordentlich liebens¬ 
würdiges Entgegenkommen gezeigt wird, ausgeführt, und auf 
Grund solcher schwierigen, zeitraubenden Versuche trat ich 
energisch dafür ein, daß im Zweifelsfalle eine Nachprüfung 
der Diagnose im Königl. Hygienischen Institut, einer an dem 
Ausfall der Diagnose ganz unbeteiligten Anstalt, und 
ohne Desavouierung des kreistierärztlichen Ansehens 
solange Btattfinden möge, bis eventl. an diesem Institut eine 
tierhygienische Abteilung unter Leitung eines Tier¬ 
arztes oder unter Aufsicht des Departements-Tierarztes ein¬ 
gerichtet würde. 

Ich betonte speziell die Worte: Königlich Hygienisches 
Institut, da es sachliche und unparteiische Urteile abgibt; 
das ist gerade für die beamteten Tierärzte notwendig! Folgendes 
zum Beweis: Der Besitzer obenerwähnter Kuh schickte ohne mein 
Wissen Blutproben dieser Kuh an die agrikultur-chemische Unter¬ 
suchungsstation der Landwirtschaftskammer und an einen Militär¬ 
tierarzt in Posen zur Untersuchung. 

Von beiden Seiten erhielt der Besitzer den Bescheid, daß 
kein Milzbrand vorliege. 

Abgesehen von der wenig rühmlichen Handlungsweise des 
Besitzers mir gegenüber hatte derselbe dadurch noch gegen die 
Bestimmungen des R. V. G. vom 23. Juni 1880 gefehlt, indem 
er Kadaverteile eines seuchekranken TiereB in Verkehr brachte. 

Die Diagnosen aus der Landwirtschaftskammer sowohl als 
diejenige des Militärkollegen haben für mich den Wert einer 
Null gehabt; die Untersuchung mancher Fälle bietet derartig 
große Schwierigkeiten, daß zu ihrer Beurteilung ein hohes Maß 
von bakteriologischer Sachkenntnis gehört, für deren Besitz die 
zitierten Untersucher noch nicht den Beweis erbracht haben. 

Ich habe nur dem eigenen Befunde im Hygienischen Institut, 
welcher mit Interesse von Herrn Professor Wernicke und seinen 
Assistenten bestätigt wurde, entsprechend die erforderlichen 
Maßnahmen durch die Polizei anordnen lassen. 

Würde jetzt schon in der Provinz Posen für Milzbrand¬ 
verluste Entschädigung gezahlt werden, dann würde der Besitzer 
wohl ohne weiteres mit meiner Diagnose zufrieden gewesen sein, 
so aber ging ihm selbst die Verwertung der Haut verloren. 

Die Folge meines auf wissenschaftlicher Grundlage beruhenden, 
streng sachlichen Verhaltens ist, daß der betreffende Besitzer 


mir jetzt grollt. Dies ist wieder einmal ein Beweis dafür, daß 
die beamteten Tierärzte auf Privatpraxis nicht angewiesen sein 
dürfen, um nicht in Kollision zwischen amtlicher Pflicht und 
zwischen Rücksichtnahme auf die eigene Existenz zu kommen. 

'Kollege Krüger hat zu meinem Bedauern die Sache falsch 
verstanden und ist zu unrichtigen Schlüssen gekommen. 

Über die Schwierigkeiten der Milzbranddiagnose werde ich 
in kurzem eine Arbeit veröffentlichen, die ich im Königl. Hygie¬ 
nischen Institut zu Posen anzufertigen die beste Gelegenheit 
gefunden habe. Dr. Kamp mann. 


Referate. 

Eine eigentümliche Farbreaktion des Blutes von Tieren, 
die an Milzbrand verendet sind. 

Von J. M. Fadyean-London. 

(Journal of comp. Patb. and Tlierap. 1903 Vol. XVI. Te. 1.) 

Wie bekannt, besitzt die Bakteriologie noch kein zuver¬ 
lässiges Verfahren, um in jedem Falle entscheiden zu können, 
ob ein gefallenes Tier mit Milzbrand behaftet ist oder nicht. 
Jeder Beitrag, der diese bei uns brennende Tagesfrage ihrer 
Lösung näher bringt, ist daher sehr willkommen. Die von dem 
Verfasser beschriebene neue Methode beruht auf der Färbung 
von Deckglasausstrichen des Blutes, Exsudates oder Gewebs- 
saftes, in welchen die fraglichen Bazillen enthalten sind, mit 
wässeriger Methylenblaulösung. 

Bei der Blutuntersuchung wird ein Blutströpfchen mit einer 
Nadel auf dem Deckglas gleichmäßig und in der Art ausgebreitet, 
daß es eine Kreisfläche von 1 / 2 Zoll Durchmesser bedeckt. Diesen 
Ausstrich läßt man vor Staub geschützt trocknen, was bei ge¬ 
wöhnlicher Temperatur in 2 Minuten vor sich geht. Hierauf 
wird derselbe dreimal durch die Flamme des Bunsenbrenners 
odor einer Spirituslampe gezogen, bis die untere freie Fläche 
des Deckglases ein wenig heißer ist als auf der Handfläche 
ertragen werden kann. Nach dem Abkühlen folgt die Färbung 
mit 1 %iger wässerigen Methylenblaulösung, welche nur einige 
Sekunden dauert. Die Farblösung wird alsdann mit Wasser 
gründlich abgespült, und das Präparat erst zwischen Lösch¬ 
papierstreifen und nachher im heißen Luftstrom des Bunsen¬ 
brenners vollständig getrocknet und schließlich in Kanadabalsam 
eingeschlossen. 

Bei Betrachtung des Ausstriches in einer Ölimmersion von 
800 bis 1000 facher Vergrößerung bemerkt man neben blauen 
Milzbrandstäbchen und grünblauen Leukocytenkernen ein vio¬ 
lettes amorphes Material aus groben oder feinen Körnchen. 
Dieselben liegen hauptsächlich in der Nähe der Bazillen und 
kontrastieren in der Färbung scharf mit diesen und den ge¬ 
nannten Zellkernen, besonders deutlich bei Verwendung von 
Gaslicht. Wenn die Stäbchen häufen- oder gruppenweise ange¬ 
ordnet sind, so findet sich die violette Masse oft in größter Menge 
in ihrer Nachbarschaft und freiliegende Bazillen können mit 
einer dicken Hülle der gleichen Substanz umgeben sein. 

Die vorbeschriebene Eigentümlichkeit ist auch an Deckglas¬ 
präparaten aus Milzpulpa, aus dem Safte der örtlichen An¬ 
schwellungen und der Organe zu beobachten; am deutlichsten 
tritt diese Farbreaktion jedoch an Blutpräparaten hervor. Die¬ 
selbe ist konstant vorhanden beim Anthrax der grossen Haus¬ 
tiere, der Mäuse, Kaninchen und Meerschweinchen und kann so¬ 
wohl unmittelbar nach dem Tode als auch noch dann nachweisbar 


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330 


sein, wenn sich die Bazillen im Körper durch Fäulnis bereits 
aufgelöst haben. Kein anderes als Milzbrandblut gibt diese 
Reaktion. Der violette Ton in den gedachten Präparaten ist 
sogar meist mit dem nackten Aage zu erkennen, wenn dieselben 
gegen das Licht gehalten werden. 

Um die gewünschte Reaktion zu erhalten, muß die ange¬ 
gebene Technik der Untersuchung streng befolgt werden. Bei 
Verwendung anderer Fixationsmethoden als der Hitze bildet sich 
keine Spur der violetten Färbung. Fehlschläge machen sich 
auch geltend, wenn die Erwärmung etwa bis 150° C ausgedehnt 
wird; dagegen sind 100° C oder wenig mehr das Optimum. Auch 
bei zu dünnem Bestreichen des Deckglases kann die Reaktion 
ansfallen. 

Hieraus geht hervor, daß diese Methode allein für die Fest¬ 
stellung des Milzbrandes eine geringe Sicherheit bieten kann, 
daß sie aber in Verbindung mit andern Färbeverfahren wert¬ 
volle Anhaltspunkte für die Diagnose geben dürfte. 

Was die Natur des sich violettfärbenden Materials betrifft, 
so ist F. der Ansicht, daß es die Reste der aufgelösten Bazillen¬ 
kapseln sind. Wird nämlich ein in der angegebenen Weise 
kolorierter Ausstrich entfärbt und nach Olts Vorschrift wieder 
gefärbt, so zeigt es sich, daß die Stäbchen ihre Hüllen verloren 
haben. Bemerkenswert ist in dieser Hinsicht auch, daß mit 
Bazillen aus künstlichen Kulturen die violette Reaktion nicht 
zu erlangen ist. Peter. 

Beobachtungen Aber vermeintliche Kainitvergiftnngen 
bei Rehen nnd experimentelle Untersuchungen 
(Fütternngsversuche) über den Einfluß des Kaiuits auf 
den tierischen Organismus. 

Von A. Fes er. 

(I.-D. München 1903.) 

Von den der Landwirtschaft verfügbaren künstlichen Dünge¬ 
mitteln wird der Kainit mit besonderem Vorteil gebraucht, der 
wegen seiner Ammoniak bindenden Fähigkeit sowohl als Kon¬ 
servierungsmittel des natürlichen Düngers, als auch zufolge 
seiner Zusammensetzung als künstliches Düngemittel für sich 
allein verwendet werden kann. Diesen Vorteilen gegenüber 
sollte der Kainit andererseits nach mehrfachen Mitteilungen, die 
Feser zusammenstellt, für den tierischen Organismus gefähr¬ 
lich sein und heftige Entzündungen der Haut des Enters und 
der Extremitätenenden verursachen. 

Verfasser untersuchte seinerseits eine Anzahl Kadaver von 
Rehen, die in der Umgebung von München einer Massener¬ 
krankung erlagen, die man gleichfalls als eine Intoxikation mit 
Kainit angesprochen hatte, den die Tiere aus Salzhunger von 
den gedüngten Wiesen aufgenommen hätten. Die Obduktions¬ 
ergebnisse waren dagegen: Pneumonia bezw. Gastro-Enteritis 
verminosa nnd zwar verursacht durch Strongylus micrurus, 
St contortus, St. fllicollis, wobei die letztere Spezies, bisher nur 
bei Schafen gefunden, erstmals auch bei Rehen nachgewiesen 
wurde. Lediglich auf diese Masseninvasion von Strongyliden 
führt Verfasser die pathologischen Befunde zurück, während sich 
für die Annahme einer Kainitvergiftung keine Anhaltspunkte 
ergaben. 

Verfasser stellte außerdem besondere experimentelle Unter¬ 
suchungen an über die Einwirkung des Kainits auf den Tier¬ 
körper: Tauben nahmen von dem ihnen neben Weißbrot und 
Weizen vorgelegten Kainit Tagesgaben bis zu 10,0 und 15,0 auf 


No. 20. 


und innerhalb 122 bezw. 152 Tagen Gesamtmengen von 264,4 
bezw. 289,1 — ohne dabei irgend welche Gesundheitsstörungen 
erkennen zu lassen. Die einzige Anomalie war eine in den 
ersten Tagen auftretende, dann wieder verschwindende, geringe 
Erweichung der Exkremente. — Hühner, welche Tagesdosen 
bis zu 10,0 ohne Schaden aufnahmen, verendeten an zufällig 
acquirierter Hühnercholera. Andere Individuen nahmen in 
42 Tagen eine Gesamtmenge von 58,0 bezw. 95,0 auf, anfangs 
mit Behagen, später nur im Hungerznstand, zuletzt überhaupt 
nicht mehr. Eine Störung in ihrem Befinden war nicht nach¬ 
weisbar, nicht einmal ein Einfluß auf die Konsistenz ihrer 
Exkremente. 

Von Säugetieren wurden Schafe und Rinder in die Versuche 
einbezogen. Schafe nahmen insgesamt folgende Kainitmengen 
auf: 475,0 in 19, 78,0 in 38, 3752,5 in 40, 730,0 in 54, 1550,0 
in 81 Tagen, wobei teilweise eine gewaltsame Einverleibung 
mittelst der Schlundsonde vorgenommen wurde, da die Tiere 
die freiwillige Aufnahme des Salzes alsbald verweigerten. Keines 
der Schafe, unter denen drei trächtig waren, zeigte irgend welche 
Gesundheitsstörungen während der Versuche oder nach denselben. 
Soweit sie gewogen wurden zeigten sie nach Ablauf der Experimente 
eine Gewichtszunahme. — Mit gleichem Erfolge wurden Rindern 
Kainitmengen vou 2250,0 in 6 bezw. 3800,0 in 8 Tagen einverleibt 

Gesamtergebnis: „Kainit in Substanz wird von Tieren 
meist nur dann aufgenommen, wenn sie Salzhunger 
empfinden, wie bei langandane rnder Trockenfütterung 
und salzarmer Nahrung. — Bei gewöhnlicher, aus¬ 
reichender Fütterung nehmen Tiere den Kainit nur in 
ganz geringen Mengen zu sich, verschmähen sogar 
bisweilen im Hungerzustande Futter, dem in größerer 
Menge Kainit beigemischt ist. Jedenfalls scheinen 
Tiere freiwillig so große Mengen Kainit nicht aufzu- 
nehraen, daß sie dadurch Schaden leiden könnten.“ 
„Auch durch absichtlich beigebrachte größere Gaben 
sind akute Vergiftungen, eventuell solche mittödlichem 
Ausgange sehr unwahrscheinlich. — Dagegen lassen sich 
Entzündungen der Haut des Enters und der Fußenden nach 
Fe8er sehr wohl als Wirkungen des Kainits erklären, sofern 
ja die Tiere bei Anhäufnng des Dungsalzes in der Streu tage¬ 
lang gewissermaßen in konzentrierten Salzlösungen stünden und 
lägen. — Für die Feststellung der Diagnose auf Vergiftung mit 
einem Düngemittel sei endlich die genaue Feststellung des 
pathologisch-anatomischen BefundesVoraussetzung, wozu eventuell 
noch eine Untersuchung der beschuldigten Substanz auf giftige 
Bestandteile zu treten habe. — Der Verwendung des Kainits 
als Düngemittel aber stehen somit vom veterinärbygienischen 
Standpunkte aus keine Bedenken entgegen. 

0. Albrecht. 

Schimmelvegetation in der Kieferhöhle eines Pferdes. 

Von Korpstierarzt M. Nielsen. 

(Maaaediakrlft for Dyrlaeger, 14. Band, Heft 11 and 12.) 

Während die durch Schimmelbildung hervorgerufenen Lungen¬ 
erkrankungen — die sogenannten Pneumonomykosen — wohl¬ 
bekannt und sowohl bei den Vögeln als auch bei unseren Haus¬ 
säugetieren des öfteren beschrieben sind, liegen, soweit mir be¬ 
kannt, in der Veterinärliteratur Mitteilungen über Mykosen in 
den oberen Luftwegen unserer Haustiere nicht vor. 

Beim Menschen hat Schubert im Jahre 1885 im Deutschen 
Archiv für klinische Medizin einen Fall beschrieben, in welchem 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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14. Mai 1903. 


ein bestehender Nasenkatarrh durch sekundäre Infektion mit 
Aspergillus fumigatus verschlimmert wurde, welch letzterer 
auf der entzündeten, mit Schleim belegten Nasenschleimhaut 
einen günstigen Nährboden fand. — 

Mit Rücksicht auf die Seltenheit des Vorkommens dürfte 
demnach der nachstehend beschriebene Fall einer Schimmel¬ 
vegetation in der Kieferhöhle des Pferdes von allgemeinem 
Interesse sein. 

Im Sommer 1901 zeigte ein dem dänischen Gardehusaren- 
Regiment angehöriger, zehnjähriger Wallach einen erheblichen, 
sero - fibrinösen, gelblich - grünen, rechtsseitigen Nasenausfluß. 
Die rechtsseitige Nasenschleimhaut war etwas geschwollen und 
leicht injiziert; Geschwüre oder Narben waren nicht nachweisbar. 
Die gleichseitigen, submaxillaren Lymphdrüsen waren etwas ver¬ 
größert, aber unter der Haut leicht verschiebbar und nicht ver¬ 
härtet. Das Pferd hustete nicht und zeigte bei Druck auf die 
Kehlgangsgegend keine Schmerzen. Die Untersuchung der 
Zähne ergab nichts abnormes. Der Appetit des Tieres war 
gut. Zeichen eines Allgemeinleidens waren nicht vorhanden. 
Temperatur, Puls und Atmung waren normal. 

Die Diagnose lautete: Rechtsseitiger Nasenkatarrh. Die 
Behandlung beschränkte sich vorläufig auf Kreolin-Inhalationen. 
Vorsichtshalber wurde das Pferd aber im Isolierstall unter¬ 
gebracht. 

Da die Krankheit sich nach einer achttägigen Behandlung 
nicht besserte, wurde die Nasenhöhle nunmehr täglich zunächst 
mit schwacher Kochsalzlösung und darauf mit Kreolinwasser ge¬ 
reinigt. Aber auch durch diese Therapie war eine Besserung 
des Leidens nicht zu erzielen. 

Um über die Natur des Leidens Klarheit zu erlangen und 
um zu erfahren, ob der Rahmausfluß auf eine Rotz-Infektion 
zurückzuführen sei, wurde nunmehr eine Blutprobe entnommen 
und von Prof. Jensen in ihrer Wirkung auf Rotzkulturen 
untersucht. Die Agglutinationsprobe ergab ein positives Resultat, 
indem das Serum Rotzkulturen im Verhältnis 1:100 agglutinierte. 
Um die Serumreaktion zu kontrollieren, wurden Teile der sub¬ 
maxillaren Lymphdrüsen exstirpiert; auch wurde das Pferd der 
Malle'in-Impfung unterworfen. Die exstirpierten Lymphdrüsen- 
teile wurden 2 Meerschweinchen eingeimpft; dieselben gingen 
beide ca. 1 Monat nach der Impfang an Darmentzündung ein, 
ohne irgendwelche Symptome der Rotzkrankheit zu zeigen. 
Auf die Mallei'n-Impfung reagierte das Pferd nicht; es hatte vor 
der Mallei'n-Einspritzung 37,8 und nach der Einspritzung eine 
Höchsttemperatur von 38,0° Celsius. An der Impfstelle war 
eine lokale Reaktion nicht nachweisbar. 

Der Rotzverdacht, dem der Ausfall der Serum-Reaktion 
wesentlichen Vorschub geleistet hatte, erfuhr durch die Mallein¬ 
probe und durch die diagnostischen Impfungen eine so wesent¬ 
liche Abschwächung, daß von der Tötung des Pferdes Abstand 
genommen wurde. Dagegen entschloß man sich, da das Leiden 
keine Neigung zur Besserung zeigte, zur Trepanation. Die 
Stirnhöhle wurde rechtsseitig trepaniert. Hierbei stellte sich 
heraus, daß die obere, größere Abteilung der Oberkieferhöhle 
mit einer eigentümlichen, weißgrauen, smegma-artigen, schmie¬ 
rigen Masse gefüllt war. Die Masse bildete einen lockeren 
Belag auf der stark geröteten Schleimhaut. Nach Entfernung 
des Belages wurde die* Schleimhaut mit Adstringentien behandelt. 

Bei der mikroskopischen Untersuchung des Belages ergab 
sich, daß letzterer aus einem Mycelium bestand, welches nach 


331 

der Aussaat auf Gelatine ein üppiges Wachstum eines Schimmel¬ 
pilzes zeitigte, der von Dr. Kölpin Ravn als Mucor spinosus 
bestimmt wurde. 

Nachdem die erkrankte Schleimhaut einige Zeit mit 
Adstringentien behandelt und die Trepanationswunde geheilt 
war, konnte das Pferd als geheilt entlassen und dem Eskadrons¬ 
dienst wieder nutzbar gemacht werden. Dr. Stödter. 

Wochenübersicht über die medizinische Literatur. 

Von Dr. Jess-Charlottenburg, 

KreUtlermret. 

Deutsche medizinische Wochenschrift 1903, No. 18. 

Weitere Versuche zur Herstellung spezifischer Substanzen aus 
Bakterien, von Brieger und M. Mayer. Die Hauptergebnisse 
dieser Versuche sind: 1. Es gelang durch eine besondere 
Methode, aus Typhnsbazillen eine Substanz abzuspalten, welche 
dem Blutserum der Kaninchen sehr hohe agglutinierende Eigen¬ 
schaften verlieh. 2. Die Kurve des Agglutinationswertes steigt 
schnell zur höchsten Höhe und sinkt allmählich wieder ab. Diesen 
absteigenden Schenkel vermag man nicht, im Gegensatz zur 
Immunisierung mit Bakterienleibern, durch neue Injektionen mit 
der agglutininbildenden Substanz zu beeinflussen. 3. Durch die 
Substanz gelang es nicht, bakterizide und präzipitierende Eigen¬ 
schaften dem Serum zu verleihen. 4. Die gewonnene Substanz 
ist vollständig ungiftig. 

Über den Alkohol als Arzneimittel, von C. Buch. Wie B. in 
einem Vortrag in der Hufeland-Ges. 16. Oktober 1902 mitteilt, 
ist der Alkohol als Arzneimittel unentbehrlich. 

Über Versuche zur Sohutzlmpfung gegen die Ruhr, von Dr. S hi ga. 
S. wandte in Japan die Simultanimpfung an, indem er hoch¬ 
wertiges Immunserum plus vorsichtig abgetöteter, zerriebener 
Bakterienleiber injizierte. Die Mortalität wurde in manchen 
Gegenden von 30—40 Proz. auf 0 Proz. herabgedrückt. 
Münchener medizinische Wochenschrift 1903, No. 17. 

Über Hefenpräparate zu medizinischen Zwecken, von Blom- 
quist. B. hat ein Präparat Saccharomycetes sicc. pulv. 1:1 
hergestellt, dasselbe besteht aus toten Hefezellen. Verfasser 
ist bemüht, die Zymase rein herzustellen, um sie medizinisch 
zu verwerten. (Hygiea Jan. 1903.) 

Über Thymol als Bandwurmmittel, von Karl Hedmann. Wie 
H. in den Finska Läkaresällskapets Handlingar 1902 Dezember 
mitteilt, ist Thymol 1 g in Gelatinekapseln, 3—4 mal in 
2 Stunden, mit nachheriger Gabe von Rizinusöl ein weniger 
gefährliches, aber promptes Bandwurmmittel. 

Das Widerstandsvermiigen der Bakteriensporen gegenüber dem Licht, 
von Jansen. Die Sporen der Bakterien sind viel widerstands¬ 
fähiger gegen ultraviolette Strahlen als die vegetativen Formen, 
so bei Milzbrand 3—4, bei Bac. snbtilis 7 mal so widerstands¬ 
fähig, aber beeinflußt werden sie ebenso viel. (Meddelelser fra 
Finsens medicinische Lysinstitut.) 

Eine Methode zur Aufbewahrung anatomischer Präparate, von 
Claudius. (Hospitalstipende 1903, 2/3.) Die Präparate werden 
in konzentrierter Lösung von Ammonium sulfuricum gehärtet, 
dann wird Leuchtgas durch die Lösung hindurch geleitet. Dadurch 
erhalten die Präparate ihre natürliche Farbe; legt man sie in 
Wasser, so erhalten sie auch ihre ursprüngliche Konsistenz zurück. 

Über den Einfluß der Stärkefütterung auf die Zersetzungs¬ 
vorgänge des Tieres, von E. Voit. Wenn statt des Eiweiß 
Stärke verabreicht wurde, so sank der Stickstoffbestand des 
Tieres anfänglich, ging aber wieder in die Höhe als Zeichen, 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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332 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 20. 


daß man mit relativ kleinen Mengen Eiweiß einen hohen Eiwei߬ 
bestand herbeiführen oder erhalten kann, wenn nur die nötigen 
Mengen eiweißfreier Nahrung zngeführt wurden. — Es hat jeder 
Nährstoff seine bestimmte Bedeutung und jedem kommt eine 
spezifische Wirkung zu, nicht dem Eiweiß allein. — 

Tagesgescliiclite. 

Stipendienfonds. 

Nach einer Mitteilung der Sammelstelle beginnen die Beiträge 
zu dem Stipendienfonds spärlich zu w’erden. Es sei deshalb 
diese Sammlung nochmals den Kollegen ans Herz gelegt. Daß 
der Stipendienfonds, nnd wenn er noch so hoch würde, nicht 
die Wirkung haben kann noch soll, möglichst viele oder gar 
zu viele Studenten anzulocken, wird inzwischen wohl jeder ein¬ 
gesehen haben. Wohl aber mögen die Tierärzte den guten 
Willen zeigen, ihrerseits dem gänzlichen Mangel an Stipendien 
bei den tierärztlichen Hochschulen abzuhelfen, durch welchen 
sich letztere eigentlich fast beschämend von allen anderen 
Hochschulen unterscheiden. Soll der Fonds eine einigermaßen 
repräsentable Höhe erreichen, so müssen freilich sowohl möglichst 
viele Tierärzte für ihre Person sich beteiligen, als auch die Ver¬ 
eine Beiträge bewilligen. Da jetzt die Frühjahrsversammlungen 
dazu Gelegenheit geben, so sei diese Bitte nochmals ausgesprochen, 
mit dem Hinweis, daß zum Oktober die Sammlung doch wohl 
abgeschlossen und die Summe ihrer Bestimmung wird übergeben 
werden müssen. 

Immatrikulationen an den tierärztlichen Hochschulen. 

In Berlin ist die Gesamtzahl der Studenten 488, darunter 
113 Studierende der Militär-Roßarztschule. Die Zahl der das 
Studium beginnenden Abiturienten beträgt jetzt 16. In Dresden 
sind im ersten Semester 14, in Stuttgart 6 Studenten immatri¬ 
kuliert. Diese Zahlen entsprechen den für den Anfang zu hegenden 
Erwartungen durchaus und sind vollkommen befriedigend. In 
Hannover soll die Zahl sieben betragen; aus Gießen ist sie noch 
nicht bekannt. In München gibt es im Sommer kein erstes Semester. 

Naturwissenschaftliche Prüfung. 

Der preußische Herr Minister für Landwirtschaft hat ver¬ 
fügt, daß zur naturwissenschaftlichen Prüfung an einer 
preußischen tierärztlichen Hochschule nur solche Studenten zn- 
gelassen werden, welche an dieser Hochschule immatrikuliert 
sind. Damit ist es ausgeschlossen, daß Studenten, bloß um eine 
Prüfung abzulegen, eine Hochschule aufsuchen, an welcher sie 
nicht studieren, was neuerdings häufiger vorkam. 

Militärveterinärwesen. 

Da nach den Zeitungsmeldungen der Rücktritt des Kriegs¬ 
ministers Exzellenz v. Goßler feststeht, die Ernennung des 
Nachfolgers aber erst im Sommer zu erwarten ist, so kann 
wohl als sicher angenommen werden, daß die Art der Re¬ 
organisation des Militärveterinärkorps von den Entschließungen 
des künftigen Herrn Kriegsministers abhängen werde, also 
noch überhaupt nicht festgelegt ist und daß die Entscheidung hier¬ 
über so bald nicht zu erwarten ist. Wir hoffen aber, daß un¬ 
abhängig davon die Neuregelung des Eintrittes der künftigen 
Aspiranten in die Armee bald vollzogen werden wird, da diese 
Sache ganz dringend ist und außerdem ja nicht so viele Vor¬ 
bereitungen erfordert, wie die Schaffung eines Veterinäroffizier¬ 
korps. 


Bayerisches Militär-Veterinär-Korps. 

Nach dem Militärhandbuch des Königreiches Bayern besteht 
das Veterinärpersonal aus 4 Korps-Stabsveterinären, 26 Stabs¬ 
veterinären und 40 Veterinären. 

Vom französischen Veterinärrate. 

Die dem Deutschen Veterinärrate entsprechende „Federation 
des Societes et Syndicats vütürinaires de France“ (früher Grand- 
Conseil) tagte unter dem Vorsitz des Senators Darbot (Tierarzt 
in Langres) vom 12. bis 14. Mai in Paris. Vertreten waren 
43 Vereine durch 60 Delegierte. 

Die Beschlüsse der Feieration lauten: 

1. Das bereits vom Senat angenommene Gesetz über die 
Ausübung der Tierheilkunde ausschließlich durch approbierte 
Tierärzte möge tunlichst bald der Kammer der Abgeordneten 
vorgelegt werden. 

2. Die neuen Ausführungsbestimmungen zum Viehseuchen¬ 
gesetz mögen baldtunlichst zur Ausgabe gelangen; die im Gesetz 
vom 21. Juli 1881 vorgesehenen Strafen sind zu mildern. 

3. Das Schlachthausgesetz Lecomte & Chavoix (Fleisch¬ 
beschautaxen und Schlachtgebühren) möge von der Kammer der 
Abgeordneten in der vom Senat bereits angenommenen Form 
baldtunlichst angenommen werden. 

4. Der Minister für Landwirtschaft ist zu bitten, eine aus 
Professoren und Schlachthausinspektoren bestehende Kommission 
zu ernennen, welche die Grundsätze der Beschlagnahmen bei 
der Fleischbeschau festlegen soll. 

5. Bei Beschlagnahmen wegen Tuberkulose ist die Ent¬ 
schädigung nach dem Fleischwerte zu berechnen. Zn zahlen 
sind 50% dieses 'Wertes ohne Rücksicht auf die Ausdehnung 
der Läsionen. Die Entschädigung ist nur dann zu zahlen, 
wenn das Schlachthaus der ordentlichen Fleischbeschau unter¬ 
worfen ist, und nur wenn der Restbestand der Tuberkulinprobe 
unterworfen wurde und nach Abschlachtung der anderen kranken 
Tiere. Bei polizeilich angeordneter Tötnng ist im Falle der Nicht¬ 
bestätigung der Diagnose der volle Marktwert des Tieres zu 
zahlen. 

Die Entschädigung darf nicht an Metzger, Viehhändler und 
Zwischenhändler ausgezahlt werden, sondern nur dem wirklichen 
Besitzer resp. Produzenten. 

6. Der Veterinärseuchendienst ist in den Departements, in 
welchen er nicht besonderen Veterinärbeamten übertragen ist, 
so einzurichten, daß die vorhandenen Tierärzte denselben bei 
ihren Kunden ausüben können resp. in abgegrenzten Bezirken. 
Die veterinärpolizeilichen Funktionen sind nach einheitlichem 
Tarif zu honorieren. Die Führung von Gesundheitszeugnissen 
für Viehtransporte ist als permanente Maßregel einzuführen. 

Zur Schaffung der für die Entschädigungen benötigten 
Mittel ist die Gründung einer allgemeinen Seuchenkasse zu be¬ 
sorgen, in welche der Ertrag der vorerwähnten Gesundheits¬ 
zeugnisse zu fließen hat. 

7. Die Schlachthaustierärzte sollen feste Beamteneigenscbaft 
erhalten. 

8. Beteiligung der Tierärzte an der Hengstkörung., 

Einige Beschlüsse, u. a. über die militärische Stellung der 

Veterinäre des Beurlaubtenstandes, über den Anschluß der 
Veterinärschulen an die Universitäten, über die Abänderungen 
der Bestimmungen über die Aufnahme in die Veterinärschulen etc. 
wurden vertagt. ZündeL 


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14 Mai 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


333 


Von ausländischen Hochschalen. 

In No. 12 der B. T. W. veröffentlicht Herr Roßarzt Klinner 
das Ergebnis einer interessanten Studienfahrt nach Österreich 
und Italien; merkwürdiger Weise kommt bei diesem Referat 
die Schule zu Mailand recht schlecht weg. „Das Tierhospital 
in Graz lohnt eine Unterbrechung der Fahrt, während auf der 
Mailänder Hochschule nichs Interessantes zu sehen war.“ Ich 
möchte im Gegei.satz hierzu jedem Kollegen empfehlen, bei einer 
Italienfahrt auch diese Anstalt zu besuchen. 

Der die Anstalt besuchende Tierarzt wird dort auf An¬ 
ordnung des Herrn Direktor Professor Lanzillotti vom 
Portier beim Herrn Professor gemeldet und von diesem Herrn 
in überaus liebenswürdiger Weise empfangen. Die Bekanntschaft 
des berühmten Professors Lanzillotti machen zu dürfen, ist 
allein schon den Besuch wert und die, wie schon gesagt, so 
liebenswürdige Art und Weise des Herrn Professors Lanzillotti 
dürfte jeden Tierarzt beglücken. Einen Besuch sehr wert sind 
die Kliniken und vor allem der geradezu wunderbare Operations¬ 
saal, welcher nach dem Muster der Krankenhaus-Operationssäle 
eingerichtet ist. An der einen Wand sind Sterilisationskästen 
etc. angebracht, Fußboden und halbe Wand mit Plattenbelag 
versehen, das übrige in Öl weiß gestrichen. Die Zuschauer¬ 
bänke sind amphitheatralisch um den fahrbaren Operationstisch 
auf einer Drehscheibe angebracht, welche, mit Leichtigkeit von 
2 Mann bedient, sämtliche ca. 60 Zuhörer um den Operateur 
in ruhiger Weise dreht. Der Patient wird in einem Vorraum 
für die Operation vorbereitet, auf den Tisch gefesselt, narko¬ 
tisiert etc. und wird fertig für den Chirurgen in den Saal ge¬ 
fahren; fahrbare Instrumententische stehen gleichfalls zur Ver¬ 
fügung, kurz alles, was sich der Chirurg nur wünscht. Der 
ganze Saal in seinem weißen Farbenton macht auf den Ein¬ 
tretenden den besten Eindruck; hier sieht man, daß alles getan 
wurde bez. sanitärer und baulicher Einrichtungen, was zu tun 
war; jedem Human-Chirurgen würde er imponieren. Ich kann 
nochmals jedem Kollegen nur anraten, in Mailand neben dem 
Dom und dem Cimitero monumentale auch die Scuola superiore 
di med. vet. zu besuchen. (Auch der Schlachthof ist ganz 
sehenswert, wenn freilich auch einige Untersuchungsmethoden 
uns nicht gerade imponieren werden). 1 

Kurpfuscherei der Apotheker. 

Aus dem Artikel des Herrn Kreistierarzt Dammann in 
No. 17, pg. 284 der B. T. W. ergibt sich in Übereinstimmung 
mit meinen Mitteilungen in No. 15, daß die alte Broschüre 
„Der Tierarzt im Hause“, (nicht zu verwechseln mit dem gleich¬ 
betitelten von Springer in Berlin angezeigten neuen Buche), 
in der Tat unter den Apothekern ganz allgemein vertrieben 
wird. Es ist nun auch die Erzeugungsstätte bekannt, nämlich 
die Straubingersche Verlagsanstalt Bavaria, welche dieses 
famose Erzeugnis durch Reisende vertreibt. 

Herr Kreistierarzt Dammann verspricht sich von der 
Anrufung der Behörden keinen Erfolg, empfiehlt vielmehr, daß 
die tierärztlichen Provinzial- etc. Vereine, jeder in seinem 
Gebiet, die Sache in die Hand nehmen mögen. Ich meine, man 
soll das eine tun, und das andere nicht lassen. Ich glaube 
nicht, daß die beteiligten Ministerien Kenntnis von dem Umfang 
dieses Geschäftsbetriebes unter den Apothekern haben. Es ist 
um so mehr nützlich und notwendig, sie darüber zu orientieren, 
als dies auf die zu erwartende Neuregelung des tierärztlichen 
Dispensierrechtes von Einfluß sein kann. Daneben kann ich 


aber den Gedanken des Kollegen Dammann nur angelegent¬ 
lichst befürworten. Mögen die tierärztlichen Vereine ihre 
Frühjahrsversammlungen gleich benutzen, um nach dem sehr 
praktischen Vorschläge D am m a n ns je eine ständige Kommission 
einzusetzen, an welche alle einschlägigen Fälle aus dem Vereins¬ 
gebiet mitgeteilt werden, und welche nach Prüfung des Materials 
eventuell gerichtliche Verfolgung veranlaßt. Dies dürfte in der 
Tat ein Weg zu wirksamem Selbstschutz werden. 

Bei dieser Gelegenheit seien einige neue Fälle mitgeteilt: 
Die Apotheke in Gerstungen verkündet in Zeitungsannoncen, 
daß sie das Buch „Der Tierarzt im Hause“ gratis verabfolgt 
und empfiehlt gleichzeitig „Tympanit-Essenz“ und „Socotrin“, 
ein angeblich tierärztlich empfohlenes Mittel gegen Kolik. Von 
dem Apotheker Brtindl in Ipsheim (Mittelfranken), der in der 
Liste von No. 15 schon enthalten war, sind neue Beispiele mit¬ 
geteilt, auch eine Probe von ihm verschickten „Dampfpulvers“ 
eingesandt worden. Der Apotheker Weill, Charlottenburg, 
Bismarckstraße 81, versendet Reklamezettel für Rotlanfschutz 
und andere Mittel, in welchen überdies die Behandlungsmethode 
der Wissenschaft abfällig kritisiert wird, und mutet sogar Land- 
räten zu, seine Anpreisungen den Gemeindevorstehern bekannt 
zu machen. 

Auch in Österreich beginnen die Tierärzte, sich gegen die 
immer mehr sich ausdehnende Apothekerpfhscherei zu wehren 
und verlangen gesetzlichen Schutz dagegen. S. 

Zur Kurpfuscherei. 

Die Verlagsanstalt von August Scherl (Lokalanzeiger, 
die Woche, der Tag) hat an die Vereinigung der Deutschen 
medizinischen Presse (Geheimrat Eulenburg) die Bitte gerichtet, 
die Entscheidung zu übernehmen, ob Inserate, welche der Verlags¬ 
anstalt zur Veröffentlichung übergeben sind, als Kurpfuscher¬ 
inserate zurückzuweisen sind oder nicht. Es wurde ein¬ 
stimmig beschlossen, diesem nachahmungswerten Anerbieten zu 
entsprechen. Jeß. 

Ausstellung der deutschen Landwirtsohafts-Geeelleohaft 
zu Hannover 18.—23. Juni. 

Die Tierabteilung der Ausstellung wird eine besonders 
reichhaltige werden. Die Pferdeausstellung umfaßt 515 Stück, 
wovon in Konkurrenz 287 Warmblütige und 150 Kaltblütige; 
natürlich werden hier die hannoverschen, oldenburgischen und 
Bchle8wig-holsteinschen Zuchten besonders sich hervortun. Die 
mit 891 Haupt beschickte Rinderabteilung wird, ebenfalls dem 
Sitz der Ausstellung entsprechend, diesmal das Höhenrind und 
namentlich die Simmentaler ganz zurücktreten lassen und eine 
vorzügliche Übersicht über die anderwärts zu kurz gekommenen 
Tieflandschläge geben; es sind 851 Tieflandrinder, darunter 
480 schwarzbunte, angemeldet. Auch die Schafzucht wird trotz 
ihres besiegelten Niederganges mit 600 Stück präsentieren, 
welche etwa zu gleichen Teilen Woll- und Fleischschafe sind. 
Die Schweine-Ausstellung läßt mit 730 Tieren alle bisherigen 
Ausstellungen der deutschen Landwirtschaft« - Gesellschaft hinter 
sich zurück. Das veredelte Landschwein wird, wie schon seit 
einigen Jahren, über den englischen Typus dominieren, wobei 
östliche und westliche Zuchten gleich vertreten sein werden. 
Hannover stellt außerdem 177 Vertreter des sogen. Hoyaer 
Schweines, daneben auch noch 76 unveredelte Landschweine 
aus. Die Anmeldungen zur Geflügel-Ausstellung sind erst am 
10. Mai geschlossen. Am 20. und 21. Juni wird schließlich 
auch eine Ausstellung von Schäferhunden, verbunden mit einem 


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334 


Preishüten stattfinden, wozu Anmeldungen noch bis zum 20. Mai 
zugelassen werden (deutsche Landwirtsch.-Gesellsch. Berlin SW., 
Dessauerstraße 14). 

Auf die Tierärzte wird die diesjährige Ausstellung eine be¬ 
sondere Anziehungskraft auch deswegen ausüben, weil sie am 
Sitze einer tierärztlichen Hochschule stattfindet. Der Verein 
der beamteten Tierärzte, der bereits in Mannheim als Verein re¬ 
präsentiert hatte, hat eine offizielle Einladung der deutschen 
Landw.-Ges. erhalten. Der Verein der Schlachthoftierärzte hat 
seine Hauptversammlung in die Tage der Ausstellung gelegt. 
Gewiß werden auch zahreiche andere Tierärzte erscheinen und 
es ist diese sich steigernde Anteilnahme an der deutschen Elite- 
Tierschau vom tierärztlichen Standpunkt aus sehr zu begrüßen. 
Hoffentlich treten die Tierärzte dort möglichst geschlossen auf. 
Bei der Besichtigung der Tierschau ist eine Teilung in Gruppen 
aber in jedem Fall nötig. Diese Gruppen werden von hervor¬ 
ragenden Kennern geführt werden. Soviel schon bekannt ge¬ 
worden, haben die Geheimräte Lydtin und Werner beieits die 
Führung je einer Gruppe zugesagt. Hoffentlich läßt sich auch 
der Lehrer der Tierzucht an der tierärztlichen Hochschule zu 
Hannover, Professor Kaiser, bereit finden, seine in langer 
Praxis gesammelten reichen Erfahrungen auf dem Gebiet der 
Tierzucht bei dieser Gelegenheit ins rechte Licht und den 
Kollegen zur Verfügung zu stellen. Seine alten Schüler und 
alle, die ihm sonst zuhören können, werden ihm dafür sehr 
dankbar sein. 

50jfthrlge8 Jubiläum. 

Am 29. April feierte der Senior der schlesischen Tierärzte, 
Herr Kreistierarzt Riedel in Neisse, sein 50jähriges tierärzt¬ 
liches Jubiläum. Für die allgemeine Beliebtheit, welcher Bich 
der Jubilar in tierärztlichen Kreisen zu erfreuen hat, legte die 
in Neiße am Jubiläumstage selbst stattfindende Feier zunächst 
beredtes Zeugnis ab, trotzdem erst kurze Zeit, vier Jahre vorher, 
der Gefeierte sein 50jähriges Militär-Dienstjubiläum in gleich 
erhebender Weise unter allgemeiner Beteiligung festlich be¬ 
gangen hatte. Anläßlich desselben war ihm seinerzeit durch 
den Herrn Landrat der Kronenorden IV. Klasse überreicht worden. 

Während bei der diesjährigen Feier die Kapelle des Pionier- 
Bataillons No. 6 im Garten bei seinem Heim von 11 Uhr 
mittags ab konzertierte, versammelten sich die zahlreich er¬ 
schienenen Gratulanten. Im Aufträge des Herrn Regierungs¬ 
präsidenten überreichte Herr Departementstierarzt Dr. Arndt 
den Roten Adlerorden IV. Klasse, eine Deputation der beamteten 
Tierärzte Oberschlesiens ein in Silber getriebenes Kaffee- und 
Teeservice. Das Korps „Salingia“, dessen Mitbegründer der Jubilar 
gewesen war, hatte denselben mit einem mit dem Wappen des 
Korps geschmückten Humpen nebst Bechern überrascht, die 
Fleischbeschauer des Kreises mit einem silbernen Schreibzeug. 
Die Loge ließ durch Vertreter ein prächtiges Blumenarrangement 
überreichen, und zahlreiche andere Blumenspenden wie Glück¬ 
wunschtelegramme bewiesen die dem Jubilar entgegengebrachte 
Liebe und Verehrung. 

Eine größere, allgemeine Feier wurde am 10. Mai in der 
Sitzung des Vereins der schlesischen Tierärzte in Breslau be¬ 
gangen, welcher hiermit seinem Mitbegründer und Ehrenmitgliede 
den Tribut schuldiger Dankbarkeit in einem kleinen Teile ab¬ 
zutragen bemüht war. Wie alleB mit Herz und Hand dabei 
sein wollte, beweist die stattliche Anzahl der Teilnehmer und 
Teilnehmerinnen am Festessen, die Bich auf einige 90 Personen 


No. 20. 


belief. An demselben beleuchtete der Vorsitzende des Vereins 
Herr Departementstierarzt Dr. Arndt in zu Herzen gehenden, 
erhebenden Worten den Lebensgang und die Verdienste des 
Jubilars, der seinen Werdegang als Militärkurschmiedseleve be¬ 
gonnen habe, all die bitteren Erfahrungen in unserem Stande 
bis zur endlichen Erreichung der Maturitas von der Pike auf 
mit dnrchgekostet habe, und der einer der besten Streiter im 
Kampfe für dieses hohe Ziel gewesen sei. In dem Wunsche, 
daß es ihm beschieden 'sein möge, noch recht lange in alter 
Rüstigkeit und Jugendfrische die Früchte seines edlen Strebens 
zu genießen, gipfelte der jubelnd aufgenommene Toast auf den 
Jubilar, der in bewegten, herzlichen Worten erwiderte. 

In launiger Weise brachten auch die Damen der Kollegen 
Oberschlesiens dem Jubilar, der seit Jahrzehnten den Damen¬ 
toast in Erbpacht genommen hat, und der wohl als Damenredner 
fast unerreicht dastehen dürfte, ihre Verehrung zum Ausdruck. 
Frau Kollege Dammann-Groß-Strehlitz hatte ein herrliches, 
von köstlichen Einfällen sprudelndes Festpoöm verfaßt, wobei 
die einzelnen Vortragenden Damen sinnige Angebinde über¬ 
reichten, so den Orden pour le merite, ein Lilienbukett als 
Sinnbild der Zugehörigkeit zur Loge, eine Mappe in Farben der 
I „Salingia“, eine große Atrappe, darstellend ein Schwein, als 
Amulett für ertragsreiche amtliche Tätigkeit, ein Körbchen 
Pfannkuchen als Lieblingsleckerei und schließlich einen goldenen 
Lorbeerkranz als Siegespreis für sein wackeres Streiten. 

Nachdem die Vortragenden durch einen herzhaften Kuß 
bewiesen hatten, daß es ihnen mit ihren Ansichten und Wünschen 
auch ernst sei, wurde der Jubilar, welcher im Kreise der Damen 
auf der Bühne hatte Platz nehmen müssen, an seinen Ehrensitz 
an der Festtafel zurückgeleitet. 

In raschem Wechsel von Toasten und Liedern verflog die 
kurze Zeit. Es war ein selten schönes Fest. 

Möge unserem all verehrten Papa Riedel die unvergleich¬ 
lich geistige wie körperliche Frische, mit welcher er der Feier 
beiwohnte, noch recht lange für immer erhalten bleiben! Möchten 
dem tierärztlichen Stande noch viele solcher Vertreter erstehen 
wie unser Riedel! Bischoff. 

Milchausstellung zu Hamburg. 

Die Ausstellung ist mit Rücksicht auf die stetig wachsende 
Zahl der Besucher bis zum Mittwoch, den 13. er., verlängert 
worden. 

Gruppe der Schlachthoftierärzte des tierflrztl. Zentralvereins für die 
Provinz Sachsen etc. 

Die Herren Kollegen der Gruppe der Schlachthoftierärzte des 
Tierärztlichen Zentralvereins für die Provinz Sachsen u. s. w. bitte 
ich am 17. Mai d. Js., Punkt 10 Uhr vormittags und zwar vor 
der General-Versammlnng des Vereins zu einer kurzen Sitzung im 
„Grand Hotel Bode“ zu Halle a. S. sich zu versammeln. 

1. Besprechung über die Veränderungen, welche durch die 
Gesetzgebung über die Schlachtvieh- und Fleischbeschau bei 
Ausübung derselben und in bezug auf die Fühlung der 
Dienstgeschäfte bedingt sind. 

2. Gebühren für die Ausbildung der Laienfleischbeschauer. 

3. Unvorhergesehenes. 

Magdeburg, den 3. Mai 1903. 

Colberg, Obmann. 

Tierärztlicher Verein fiir den Regierungsbezirk Merseburg. 

Zweite Versammlung am Sonntag, den 24. Mai 1903, vorm. 11 Uhr 
zu Halle a. S. im Grand Hotel Bode. 

Tages-Ordnung: 

1. Das Fleiscbbeschaugesetz und seine Ausführung im Bezirk. 
Ref.: Der Vorsitzende. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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14. Mai 1903. 


2. Die Differential-Diagnose der Schweineseuche. Ref.: Herr 

Kreistierarzt Martens- Sangerbausen. 

Nach der Versammlung gemeinschaftliches Essen (Gedeck 3 M ), 
wozu Anmeldungen bis zum 20. Mai an Herrn Kreistierarzt Friedrich 
in Halle a. S., Ludwig Wuchererstraße 86, erbeten werden. Gä-te 
sind willkommen. 

Der Vorstand. I. A.: Dr. Fe lisch. 

63. Versammlung des Vereins Thüringer Tierärzte. 

Sonntag, den 17. Mai. Beginn präzis 10‘/a Uhr im Hotel 
„Europäischer Hof“. 

Tages-Ordnung: 

1. Geschäftliches (Eingänge etc.). 

2. Verlesung und ev. Genehmigung des Protokolls der 62. Ver¬ 
sammlung. 

3. Vorlage der neuen Satzungen. 

4. Vortrag des Herrn Kollegen Dr. Klee: „Neuere Erfahrungen 

auf dem Gebiete der Geflügelkrankheiten.“ 

5. Mitteilungen aus der Praxis etc. (Fleischbeschaufragen.) 

2 Uhr gemeinschaftliches Essen. Um Mitteilung über die ge¬ 
wünschte Anzahl von Kuverts wird gebeten. 

. Der Vorstand. I. A.: Wallmann. 

Eingehen der ältesten englischen Veterinär-Zeltschrift. 

Mit Beginn dieses Jahres hat die englische Fachzeitnng 
„The Veterinarian“, welche zuletzt unter der Leitung des 
Professors Mettam vom Royal Veterinary College in Irland 
stand, ihr selbstständiges Erscheinen nach Abschluß des 
75. Bandes eingestellt. Diese Zeitschrift ist mit „The Journal 
of Comparative Pathology and Therapeutics“, welches bekannt¬ 
lich Professor McFadyean und Ino A. W. Dollar herausgeben, 
verschmolzen worden. Als Ausdruck dieser Einverleibung ist 
unter dem Titel der letzteren in Parenthese zu lesen: „With 
which is incorporated „The Veterinarian“. 

Oeffentliches Yeterinärwesen. 

Viehzählung vem I. Dezember 1900. 

Die Ergebnisse der Viehzählung vom 1. Dezember 19Ö0 sind 
jetzt vom Statistischen Amt herausgegeben worden. Es sind 
gezählt worden in Deutschland: 4 195 361 Pferde, 649 Maultiere, 
7199Esel, 18939692 Rinder, 9692501 Schafe, 16807014Schweine, 
3 266 997 Ziegen, 6 239 126 Gänse, 2 467 043 Enten, 55 395 937 
Hühner, 351 165 Truthühner und 120071 Perlhühner, zusammen 
64 573 242 Stück Geflügel, endlich 2 605 350 Bienenstöcke. 

Die runde Zunahme beträgt gegenüber 1892: Pferde 259 000, 
Rinder 1 384 000, Schweine 6 633 000, d. h. in Prozenten 10 
bezw. 8 bezw. 38 Proz. Dagegen haben sich die Schafe seit 1892 
um 3 897 000 vermindert, d. h. um 29 Proz. Seit 1873 beträgt 
der Rückgang 15,3 Millionen, d. h. 62 Proz. Die Zahl der Bienen¬ 
stöcke hat sich seit 1892 um 600000 gehoben; 1873 hatte sie 
2,3 Millionen betragen, war bis 1883 auf 1,9 Millionen zurück¬ 
gegangen und bis 1892 auf 2 Millionen gestiegen. 

Tollwutforsohung. 

Dr. Adelchi Negri, Assistent an der Universität zu Pavia, 
will, wie er in einem in der dortigen medizinischen Gesellschaft 
gehaltenen Vortrag ausführte, den Erreger der Tollwut gefunden 
haben. Er sei ein Protozoon, das je nach der Art des Tieres, 
in dem es parasitiere, Form und Größe wechsle und im Körper 
des Hundes am größten werde. Negri will durch Übertragung 
des Mikroorganismus experimentell bei Katzen und Kaninchen 
Wut erzeugt haben. — Ob diese Mitteilung freilich mehr als 
eine Notiz zur Geschichte der Tollwutforschung werden wird, 
bleibt abzuwarten. 


335 


Naohwei8ung über den Stand der Tierseuchen in Deutschland am 
30. April 1903. 

Die Zahlen bedeuten die verseuchten Kreise (Ober&mtsbez. etc.) nnd (elngekUmmert) 

Gemeinden. 


Schweineseucbe (Schweinepest). 


Regierungs¬ 
bezirke etc. 

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o 

Auf je 1000 | 
Gemeinden 
waren verseucht! 

Regierungs¬ 
bezirke etc. 

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Preußen: 




Sigmaringen . . . 

1 

_ 

Königsberg. . . . 

14 

40 

9,7 

Waldeck. 

2 

5 

Gumbinnen .... 

8 

37 

9 

Bayern: 



Danzig. 

5 

13 

10,3 

Oberbayern .... 

4 

9 

Marienwerder . . 

13 

80 

35,3 

Niederbayern. . . 

— 

— 

Berlin. 

— 

— 

— 

Pfalz. 

2 

2 

Potsdam. 

14 

65 

25 

Oberpfalz. 

— 

— 

Frankfurt. 

16 

60 

22 

Oberfranken . . . 

— 

— 

Stettin. 

12 

50 

26 

Mittelfranken. . . 

— 

— 

Köslin. 

10 

27 

13,9 

Unterfranken . . . 

— 

— 

Stralsund. 

3 

6 

6 

Schwaben. 

— 

— 

Posen . 

21 

64 

19 

Württemberg . 

3 

3 

Bromberg. 

13 

90 

40 

Sachsen. 

5 

5 

Breslau. 

20 

164 

43 

Baden . 

1 

1 

Liegnitz. 

19 

154 

54 

Hessen . 

3 

5 

Oppeln. 

9 

17 

6 

M ec kl.-Schwerin 

5 

15 

Magdeburg .... 

9 

16 

11 

Meckl.-Strelitz . 

— 

— 

Merseburg .... 

10 

23 

9,9 

Oldenburg . . . 

2 

2 

Erfurt. 

2 

2 

3,1 

Sachs.-Weimar. 

3 

5 

Schleswig. . . . 

15 

36 

16 

Sachs.-Meiningen 

1 

1 

Hannover . 

5 

12 

19 

Sachs.-Altenburg 

— 

— 

Hildesheim .... 

4 

6 

8 

S a c h s.-Kob.-Got. 

2 

2 

Lüneburg . 

6 

8 

5,4 

Anhalt. 

2 

8 

Stade. 

6 

12 

16.5 

Braunschweig 

3 

9 

Osnabrück .... 

o 

9 

16 

Schwarzb.-Sond. 

— 

— 

Aurich. 

1 

7 

204 

Schwarzb.-Rud. 

— 

— 

Münster. 

5 

10 

37 

Reuß ä. L. 

— 

— 

Minden . 

3 

12 

23,5 

Reuß j. L. 

— 

— 

Arnsberg. 

7 

12 

14 

Schaumb.-Lippe 

— 

— 

Kassel ...... 

6 

12 

7 

Lippe-Detmold . 

2 

6 

Wiesbaden .... 

5 

8 

8,5 

Hamburg .... 

1 

1 

Koblenz. 

1 

1 

0,9 

Lübeck ..... 

— 

— 

Düsseldorf . . . . 

11 

38 

88 

Bremen. 

1 

1 

Köln. 

3 

4 

13,5 

Elsaß. 

— 

— 

Trier. 

4 

4 

3,5 

Lothringen . . 

— 

— 

Aachen. 

2 

2 

5 





Rotz. 

Preußen: In den Regierungsbezirken Breslau, Bromberg und 
im Stadtkreis Berlin je 1 (1); im R.-B. Potsdam 2 (3); Minden 8 (3) 
Oppeln 5 (6). — Bayern: Niederbayern 4 (4). — Württemberg, 
Mecklenburg-Strelitz und Waldeck je 1 (1). —Zusammen 21 Gemeinden 
(15. April 21). 

Maul- und Klauenseuche. 

Preußen: In den Regierungsbezirken Marienwerder, Posen, 
Magdeburg, Koblenz, Düsseldorf je 1 (1); — Bayern: Oberbayern 
und Oberfranken je 2 (2); Schwaben 2(3). — Württemberg: Neckar- 
und Jagstkreis je 1 (1); — Baden 1 (1); — Elsaß-Lothringen 2(3). 
— Zusammen 18 Gemeinden (16. April 21). 

Die Lungenseuche ist nirgends im Reichsgebiet aufgetreten. 

Frage betreffs Fleischbeschau. 

In vielen Gegenden Deutschlands werden die Hochzeiten 
auf dem Lande zu sehr ausgedehnten Festlichkeiten, oft von 
mit mehreren hundert Teilnehmern gestaltet. Der Fleischbedarf 
wird auf dem betreffenden Gehöft eingeschlachtet. Kann man 
bei solchen Massen Speisungen nun von Verbrauch im eignen 
Haushalt sprechen oder ist hier die Beschaupflicht zu begründen, 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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336 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. Ko. 20. 


z. B. etwa unter Heranziehung der Bestimmung für Gastwirte. 
Sachlich wäre die Untersuchung des Fleisches gerade bei solchen 
Gelegenheiten natürlich besonders gerechtfertigt. 


Berlin: Auszug aus dem Fleisoheohauberloht für Monat März 1903. 

A. Schlachthof. 



Rinder 

Kälber 

Schafe 

Schweine 

Geschlachtet und untersucht 

13 255 

13 644 | 

37 908 

72 878 

Ganz beanstandet .... 

335 

109 : 

9 i 

322 

Überhaupt mit Tuberkulose 
behaftet. 

3 818 

72 

8 

3 673 

Davon gänzlich verworfen . 

73 

2 

— 

41 

„ wurden der Polizeibe¬ 
hörde zur Sterilisation 
überwiesen. 

163 

3 


214 

Davon teilweise verworfen . 

34 

1 

— 

— 

Also vollständig freigegeben 

3 548 

66 

3 

3418 

Mit Trichinen behaftet. . . 

— 

— 

— 

7 

Mit Finnen behaftet . . . 

56 

— 

— 

23 

Stark finnig, technisch ver¬ 
wertet . 

4 

_ 

_ 

8 

Finnig und wässerig, tech¬ 
nisch verwertet .... 



. 

_ 

Schwach finnig, wurden der 
Polizeibehörde zur Kochung 
überwiesen. 

52 



15 

Außerdem wegen Behaftung 
mit Kalkkonkrementen, 
multiplen Blutungen u.s.w. 
wurden der Polizeibehörde 
zur Kochung überwiesen . 


1 


1 

9 


An einzelnen Organen nnd Teilen wurden beanstandet: bei 
Rindern 6718 Stück, bei Kälbern 380 Stück, bei Schafen 8104 Stück, 
bei Schweinen 13 880 Stück. 


B. Untersuchungsstationen. 



Rinder¬ 

viertel 

Kälber 

Schafe 

Schweine 

Untersucht. 

24 782 

16 848 

2 645 

14171 

Beanstandet. 

29 

65 

17 

8 

Wegen Tuberkulose wurden 





beanstandet. 

17 


— 

2 

Davon wurden der Polizei¬ 
behörde zur Sterilisation 





überwiesen. 

15 

— 

— 

1 

Mithin gänzlich verworfen . 

2 

— 

— 

1 

Mit Trichinen behaftet. . . 

— 

— 

— 

— 

Mit Finnen behaftet.... 

— 

— 

— 

1 

Davon schwach finnig, der 
Polizeibehörde zur Kochung 





überwiesen. 

— 

— 

— 

1 

Unter dem eingeführten Fleisch waren 217 
viertel, 90 dänische Kälber und 36 Wildschwein 
Berlin, den 4. April 1903. 

9 dänische Rinder- 
e. 


Der Direktor der städtischen Fleischbeschau. 
Reißmann. 


BUcheranzeigen*) und Kritiken. 

Neue Eingänge. (Besprechung Vorbehalten.) 

Fröhner: Lehrbuch der Arzneimittellehre. Siebente Auflage, Stutt¬ 
gart bei F. Enke 1903. Preis 12 M. 

Möller: Diagnostik der äußeren Krankheiten der Haustiere. Vierte 
Auflage. Derselbe Verlag 1903. Preis 6 M. 

*) Von den eingesandten Büchern werden hierunter Titel usw. mit¬ 
geteilt. Eine Verpflichtung zu eingehender Besprechung wird jedoch 
nicht übernommen; dieselbe bleibt Vorbehalten. Die Redaktion. I 


Stein, Assistent am tierpbysiologischen Institut zu Bonn-Poppels¬ 
dorf: Tierphysiologisches Praktikum. Übungen aus dem Gebiete 
der physiologischen Chemie und verwandten Zweigen, für Tierärzte 
und Landwirte. 

Lesbre, professeur ä l’6cole v6t6rinaire de Lyon: Elements 
d’histologie et de technique microscopique. Mit 467 Textabbildungen. 
Paris bei Asselin et Houzeau. 

H. Caulton Reeks: The common colics of the horse. London, 
Bal'iöre Thindall and cox 1903. 

Zehl-Trebbin: Die Carpalbeule des Rindes und ihre Behandlung. 
Inaug.-Diss. (Bern). 

Zangger, Prof, an der veterinärmed. Fakultät zu Zürich: Die 
Abhängigkeit unserer Vorstellung Uber die Morphologie der lebenden 
Substanz von den Untersuchungsmetboden. 

Eberhard vorm. Nippe, Berlin. Katalog chemischer Apparate 
und Utensilien 670 Seiten Großquart. 

Winterthur: 27. Jahresbericht der Schweizerischen Unfallver¬ 
sicherungs-Aktiengesellschaft zu Winterthur. 

Personalien. 

Auszeichnungen: Dem Kreistierarzt Heinrich Ried et zu Neisse 
wurde der Rote Adlerorden IV. Klasse uad dem Marstall-Oberroßarzt 
Dr. Töpper das Ritterkreuz I. Klasse des Ordens der italienischen 
Krone verliehen. 

Ernennungen: Distriktstierarzt Andreas Leipold in Heogersberg 
zum Bezirkstierarzt in Viechtach; Tierarzt Nikolaus Dietsch zum 
DistriktBtierarzt in Hengersberg; Dr. Zellhuber in München zum 
Assistenten des Bezirkstierarztes bei der Kgl. Polizeidirektion da¬ 
selbst; Leonhard Ri eh lein, Assistent an der chirurgischen Klinik 
der Münchener Tierärztlichen Hochschule zum Schlachthoftierarzt in 
Heilbronn; die Tierärzte P. Meyer in Elberfeld und Adolf Oe hl er 
in Wetzlar zu Sanitätstierärzten für das Amt Langerfeld bei Barmen- 
Rittershausen bezw. in Düren. 

Wohnsitzverändeningen, Niederlassungen: Verzogen sind die Tier¬ 
ärzte H. Conrad aus Elberfeld nach Barmen als Assistent des 
Tierarztes Dr. Meyer; Kurt R. Th. Schmidt von Gotha nach 
Breslau als Assistent an den Schlachthof; H. Schmidts von 
Dortmund nach Brackei, Kreis Dortmund, zur Übernahme der 
:<mbulätorischen Fleischbeschau und Hertha von Hainrode nach 
Eisleben. — Niedergelassen hat sich Tierarzt Anton von Velasco 
in Weitnau im bayerischen Allgäu. 

Promotion: Tierarzt Emil Reiser in Cannstatt zum Dr. phil. 
in Bern. 

ln der Armee: Befördert wurden: Roßarzt Rade mann im Rgt. der 
Gardes du Corps zum Oberroßarzt; die Unterroßärzte Dreyer vom 
mecklenb. Feldart.-Rgt. No. 60, Voll and vom 3. schles. Drag.-Rgt 
No 15 und Bauer vom 2. bad. Feldart-Rgt. No. 50, letzterer unter 
Versetzung zum 1. Kurhess. Hus.-Rgt. No. 13, zu Roßärzten. Ver¬ 
setzt wurden: Oberroßarzt Klingberg vom Ul.-Rgt No. 11 zum 
Feldart.-Rgt. No. 2; Roßarzt Dr. Hennig vom 1. Garde-Drag.-Rgt 
zum Feldart.-Rgt No. 50. — Der Abschied wurde bewilligt den 
Roßärzten der Landwehr 2. Aufgebots Brade in Perleberg, Eich¬ 
baum in Stolp und Strätz in Berlin. 

Vakanzen. 

Neu hinzugetreten sind (vgl. No. 19): Kreistierarztstelle R.-B. 
Stade: Jork. Bewerb, bis 25. Mai. — Aachen: Tierarzt für den 
städt. Schlachthof. 2500 M., alle 3 Jahre um 150 M. steigend bis 
3550 M. Bewerb, bis 1. Juni an Schlachthofdirektor Bockeimann. — 
Münster i. W.: 2. Tierarzt a. d städt. Schlachthof, 2268 M. inkl. 
Vergütung für Beaufsichtigung des Fleiscbmarktes. Freie Wohnung 
und Beheizung. Bewerb, mit etwaigen Zeugnissen bis 25. Mai a. d. 
Magistrat. — Neuruppin: Tierarzt als Vertreter des zu beurlaubenden 
Scblachtbofdirektors für 3. bis 24. Juni. Pro die 6 M. Baldige 
Meldungen an den Magistrat. — Pößneck: Tierarzt als Fleisch¬ 
beschauer. Einnahme ca. 3000 M. Privatpraxis. Bewerb, mit Zeugn. 
a. d. Magistrat. — Potsdam: Assistenztierarzt für den städt. 
Schlacbthof. 1600 M. Anfangsgchalt. Bew. bis 6. Juni a. d. Magistrat. 


Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmaltz ln Berlin. — Verla« und Eigentum von Richard SchoeU in Berlin. — Druck von W. Büxenstein, Berlin. 


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Dl« s B«rHn«r Tierärztliche Wochenschrift* erscheint 
wöchentlich lm Verlag« tod Richard 8choetx ln 
Berlin, Laisenstr.se. Durch Jedes deutsche Postamt wird 
dieselbe «um Preise ron H. 5,— rierteljährlich (M. 4,88 für 
dl« Wochenschrift, 18 Pf. für Bestellgeld) frei ins Haus 
geliefert (Deutsche Post-Zeitungs-Preisliste No. 1108, 
Oectamdehlsoh« No. 610, Ungarische No. 90.) 


Berliner 


OriglnalbeltrXge werden mit 60 Hk. fdr den Bogen honoriert 
Alle Mannskripte, Mlttellnngen and redaktionellen An¬ 
fragen beliebe man in senden an Prof. Dr. Schmält s, 
Berlin, Uerirstllche Hochschule, NW, Lulsen*trasse 66. 
Korrektoren, Rezensions-Exemplare und Annoncen da¬ 
gegen an die Verlagsbuchhandlung. 


Tierärztliche Wochenschrift 


Redaktion: 

Professor Dr. Sclimaltz -Berlin 

Verantwortlicher Redakteur. 


De Bruln 

Dr. Jess 

KUhnau 

Dr. Lothes 

Nevermann 

Prof. Dr. Peter 

Peters 

Professor 

Kreistierarzt 

Schlachthofdirektor 

Departememstierarst 

KreLtierarzt 

Kreistierarzt 

Depariemeutstierarzt 

Utrecht 

Charlottenburg. 

Cöln. 

Cöln. 

Bremervörde. 

AngermUnde. 

Bromberg. 


Freu886 

Dr. Roeder 

Dr. Schlegel 

Dr. Vogel 

Zundel 



Veterinirassesaor 

Professor 

Professor 

Landes-Insp. f. Tierzucht Kreistierarzt 



Danzig. 

Dresden. 

Freibarg i. Br. 

München. 

Mülhausen 1. E. 



Jahrgang 1903. 


JW. 2h Ausgegeben am 21. Mai. 


Inhalt: Eberhardt: Ein weiterer Beitrag zur Ichthargantherapie. — Referate: Senator: Über die Herzhypertrophie bei Nieren¬ 
krankheiten. — Bailey: Eine unblutige Thyreoidektomie unter Anwendung des Adrenolin. — Hnnting: Die Verbreitung 
des Rotzes in England. — Merkel: Borsäure als Konservierungsmittel. — Jeß: Wochenübersicht Uber die medizinische 
Literatur. — Tageegeschichte: Jahrbuch der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft — Zur Fleischbeschau. —Verschiedenes. — 
Personalien. — Vakanzen. 


(Aus der Klinik für große Haustiere der Königlichen Tierärztlichen 
Hochschule zu Dresden.) 

Ein weiterer Beitrag zur Ichthargantherapie. 

Von 

R. Eberhardt, 

Rofiarzt 

Z. ZL Assistent an der Klinik der Tierärztlichen Hochschule. 

Das Ichthyol und das Silber sind zwei Mittel, die viel im Ge¬ 
brauch sind. Ersteres zeichnet sich durch seine entzündungswidrigen 
und sekretionsbeschränkenden Eigenschaften aus, während letzteres 
stark bakterizid wirkt und durch seine große Affinität zum Körper¬ 
eiweiß, sowie durch seine gute Resorptionsfähigkeit bereits in dem 
Rufe steht, ein Universalheilmittel bei den verschiedensten Krank¬ 
heiten zu sein und noch zu werden. Ein naheliegender Gedanke 
war es nun, beide Mittel zn einem — dem Ichthargan — zu ver¬ 
einigen, dem gleich zu Anfang nachgerühmt wurde, keine Reizwirkung 
zu entfalten. Es konnte daher nicht wundernehmen, daß das 
Mittel sofort nach seiner Einführung vielfach in der humanen und 
in der Veterinär-Medizin zur Anwendung kam, hatte es doch infolge 
der schon bekannten Wirkungen seiner Komponenten ein günstiges 
Anspizinm. Und bis jetzt Bind denn auch die Erfolge bei der An¬ 
wendung des Mittels recht gute gewesen. 

Ich habe mir nun die Aufgabe gestellt, zu den bereits vor¬ 
handenen praktischen Versuchen noch neue anzureihen, einesteils 
um die erhaltenen Erfolge zu bestätigen, anderenteils um durch 
weitere frische Beiträge zu den schon gekannten zu erneuten Ver¬ 
suchen anznregen. Meinem verehrten Chef Herrn Prof. Dr. Röder 
aber, welcher mich znr vorliegenden Arbeit inspirierte, derselben 
auch stets ein reges Interesse entgegengebracht hat und mir viele 
wertvolle Ratschläge dabei erteilte, sage ich an dieser Stelle hier¬ 
mit meinen herzlichsten Dank. 

Nicht anerwähnt möchte ich lassen, daß die Ichtbyolgesellschaft 
Cordes, Hermanni n. Co., Hamborg, in zuvorkommender Weise 
das nötige Quantum Ichthargan unentgeltlich zu den Versuchen zur 
Verfügung gestellt hat. 

Da eB wünschenswert erschien, auch der eine oder der andere 
Herr Kollege vielleicht eine allgemeine Übersicht über alles bisher 
über Ichthargan Veröffentlichte vermissen möchte, so schicke ich, 
soweit mir die Literatur zugänglich war, die bisherigen Veröffent¬ 
lichungen sowohl in der humanen, als auch in der Veterinär-Medizin 
Uber die Eigenschaften, die Versuche und die praktische Anwendung 
des Ichthargans voraus. 

Das Ichthargan oder Argentum thiobydrocarbürosulfonicum 
solubile ist eine Verbindung des Silbers mit dem Ichthyol. Das 


Präparat enthält 30 % Silber, das an organische, aus der Ichthyol- 
snlfosäure gewonnene, schwefelhaltige Körper (15% Schwefel) ge¬ 
bunden ist. Es ist ein braunes, fast geruchloses, amorphes Pulver 
mit kleinen, sichtbaren silberglänzenden Punkten. Der Luft aus- 
gesetzt, zieht es leicht Feuchtigkeit an, weshalb es gut verschlossen 
und trocken aufzubewahren ist. Dasselbe löst sich leicht in Wasser, 
Glyzerin nnd verdünntem Spiritus; unlöslich ist es in Äther, Chloro¬ 
form und absolutem Alkohol. In WasBer, sowohl kaltem, als warmem, 
löst es sich klar mit brännlicher, schil ernder Farbe und unter 
Schaumbildnng. Die wässerige Lösung färbt sich, dem Lichte aus- 
gesetzt, allmählich dunkler; in braunen Gläsern auf bewahrt, ist sie 
beständig. Beim AuflöBen in Wasser tritt ein aromatischer, schwach 
an Zichorie erinnernder Geruch auf. Der Geschmack des Präparates 
ist stark zusammenziehend, scharf, beißend, dem der Gallustinte 
ähnlich. Reaktion in wässeriger Lösung schwach saner. Eine 
konzentrierte Lösung des Mittels wird von Kochsalz und Eiwei߬ 
lösungen gefällt, doch löst sich im letzteren Fall der Niederschlag 
in einem Überschuß von Eiweiß wieder auf. 

Aufrecht-Berlin war der erste, der mit dem Ichthargan Ver¬ 
suche anstellte. Er fand, daß das Ichthargan eine erhöhte bakterien¬ 
tötende Wirkung gegenüber dem Silbernitrat in seiner Wirkung auf 
Streptococcus pyogenes, Staphylococcus pyogenes anreus, Typbus- 
und Diphtheriebazillen und Gonokokken zeigte. Durch vergleichende 
bakteriologische Versuche zwischen Ichthargan nnd Kollargol, sowie 
zwischen Ichthargan nnd Protargol bewies er auch die Überlegenheit 
unseres Mittels in entwicklungshemmender Hinsicht gegenüber den 
beiden zuletzt erwähnten. Im ersteren Falle verwendete er zn seinen 
Versuchen den Streptococcus pyogenes, den Löfflerschen Diph- 
thcriebazillus und die Bakterien des Typhus abdominalis, im letzteren 
den Micrococcns gonorrhöae Neisser. Die sichere nnd schnelle 
Abtötung der Streptokoccen und Staphylococcen ist hierbei besonders 
hervorzuheben. 

Neben dieser erwähnten erhöhten bakteriziden Eigenschaft 
beobachtete er noch eine hervorragende Tiefenwirkung auf totes 
Gewebe, indem die in */a proz. Ichtharganlösung 16 Stunden lang 
eingelegten Leberstückchen in ihrer ganzen Masse dnrehtränkt 
waren, während dies bei solchen, die ebenso lange in einer gleichen 
Silbernitratlösung gelegen hatten, nicht der Fall war, sondern die¬ 
selben nur an ihrer Oberfläche mit schwarzem Schwefelsilber sich 
überzogen zeigten. Er schließt hieraus, daß es schließlich nicht 
von der Hand zu weisen wäre, daß das Ichthargan auch lebende 
Schleimhäute zu durchdringen vermöge. 

Die physiologische Wirkung des Ichthargans auf den tierischen 
Organismus erprobte er zunächst an Fröschen, Meerschweinchen nnd 


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338 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 21. 


einem Hände. Die letale Dosis des verabreichten Mittels liegt bei Meer¬ 
schweinchen und Kaninchen zwischen 0,1—0,15 pro Kilo Körper¬ 
gewicht, während dies bei Silbernitrat schon bei 0,015, bei Itrol, 
Aktol und Protargol bei 0,02—0,04 der Fall ißt. Ichthargan ist dem¬ 
nach weniger giftig als die genannten Silberpräparate. Zweimalige 
intravenöse Injektion von 2 ccm einer lOproz. Ichthargan-LöBung 
bewirkten bei dem Hunde starke Temperaturerhöhung, Apathie, 
starkes Sinken des Blutdruckes, blutige Diarrhöe und Tod, wonach 
die Sektion im Magen und Darm starke Hyerämie nachwies. Seine 
später wieder vorgenommenen intravenösen Injektionen mit aller¬ 
dings nur 1—2 proz. Lösungen bei Kaninchen hatten ein besseres 
Resultat. Die Verschiedenheit in der Wirkungsweise schiebt er 
auf das verschiedene Verhalten der einzelnen TiergattuDgen gegen 
intravenöse Einspritzungen. Nach den nunmehr gemachten Er¬ 
fahrungen nimmt er an, daß einmal oder in bestimmten Zwischen¬ 
räumen wiederholt intravenös applizierte Dosen von 0,01—0,02 g 
Ichthargan pro Kilo Körpergewicht einen schädigenden Einfluß auf 
den tierischen Organismus hervorzurufen nicht geeignet sind. In 
grösseren Dosen intravenös verabreicht, übt daß Ichthargan toxische 
Erscheinungen aus. 

Aufrecht stellte ferner die Wirkung einer 1 proz., 5 proz. und 
lOproz. Ichthargansalbe gleichzeitig mit einer 15proz. Kollargol- 
salbe auf mit Streptococcus pyogenes besäten Agarplatten, auf 
welche die Salben aufgestrichen wurden, fest. Die 5 proz. und 
lOproz. Ichthargansalbe wirkten hierbei besser als die 15proz. 
Kollargolsalbe, wobei die Tiefenwirkung und eine gewisse Fern¬ 
wirkung vom Rande der Salbenschicht aus besonders auffiel. 

In der humanen Medizin gebrauchte Eberson das Ichthargan 
als vorzüglich wirkendes Mittel äußerlich bei Ulcus cruris, subakuter 
Gonorrhöe, Pannus, Trachom und Conjunctivitis, innerlich bei 
Magenschraerzen (Erosio ventriculi). Leistikow, Rieterma, Fürst 
behandelten den akuten und chronischen Tripper, ersterer auch die 
Urethritis posterior und die Cystitis in der verschiedensten Appli¬ 
kationsweise mit demselben. 

Nach Unna bewährte sich das Ichthargan als keratoplastisches 
Mittel in Form eines 1—5 proz. Talkumpnders bei alten, kallösen, 
sich nicht überhäutenden Unterschenkelgeschwüren. 

Herz verwandte zur Behandlung von Prostatitis chronica 
blennorrholca bei frischen Fällen 0,1—0,25 proz. Ichtharganlösung. 
Erfolg gut. Lohnstein bestätigt die gute Wirkung. 

Tänzer erzielte gegen akute Blennorrhoe mit Ichthargan nicht 
nur als 1 °/ 00 Spülflüssigkeit, sondern auch innerlich 0,05 : 200 drei¬ 
stündlich 1 Eßlöffel voll, vorzügliche Erfolge. Unangenehme Neben¬ 
wirkungen boII das Mittel nicht gehabt haben. 

In der Veterinär-Medizin war Baß der erste, der seine Er¬ 
fahrungen über Ichthargan veröffentlichte. Genannter prüfte das 
Mittel bezüglich der Ausfüllung des Silbers im Verdauungstraktus, 
stellte fest, daß dies nicht stattfinden wird, und empfiehlt, den mit 
Ichthargan hergestellten Arzneien zum innerlichen Gebrauch stets 
Gummi arabicum zuzusetzen, da durch diesen Zusatz die Aus¬ 
scheidung des Silbers auch bei Einwirkung der Salzsäure und des 
Salzsäurepepsingemisches verzögert bezw. stark vermindert werde. 

Praktisch wendete er das Mittel äußerlich in der Wundbehand¬ 
lung in Pulver- und Salbenform (Ichthargan 10,0, Lanolin 50,0, 
Vaselin 40,0) mit gutem Erfolge an. Das Mittel beschränkte die 
Eiterung und regte die Granulation stark an. Schmierige Wunden 
reinigten sich bald und zeigten in kurzer Zeit frische Granulationen. 
Sechs Fälle von septischer Metritis bei Kühen brachte er durch drei 
Tage lang fortgesetzte Spülungen (3 Liter auf einmal), die auf 1 Liter 
1 Eßlöffel voll einer aus Ichthargan und Gummi arabicum aa 4,0 
und 100,0 Aq. bestehenden Lösung enthielten, zur Heilung. Er 
bemerkte hierbei Reizerscheinungen, die sich in allen Fällen durch 
starkes Drängen zu erkennen gaben. In Salbenform leistete es 
gute Dienste bei der Mastitis der Rinder und Ziegen, ferner bei 
Phlegmone des Pferdes, Herpes des Rindes, Panaritium des Hundes 
und bei der Diphtherie der Scheide beim Rinde. Bei letzterer 
Krankheit wurden noch Spülungen vorgenommen (zu 1 Liter 1 E߬ 
löffel voll von Ichthargan und Gummi arabicum aa 10,0, Aq. 80,0). 

Innerlich erzielte er, per os gegeben, in wässeriger Lösung 
gute Erfolge bei der Staupe der Hunde und bei zwei an der Stutt¬ 


garter Hundeseuche erkrankten Dachshunden, welch 1 letztere in 
9 Tagen geheilt waren. Er ordinierte: I., Gi. arab. a» 5,0, Aq. 100,0; 
dreimal täglich 1 Eß- resp. Teelöffel voll. Auch 2—3 tägige, mit 
Durchfall behaftete Kälber wurden durch tägliche Gaben von 2—3 E߬ 
löffeln genannter Lösung geheilt. Gegen die Pferdestaupe gebrauchte 
er in 3 Fällen das Mittel in Pillenform (I., Gi. arab. aa 15,0, Rad. 
Alth. 20,0 auf zweimal) und intratracheal nebeneinander. Zur intra¬ 
trachealen Injektion wurden je 40,0 einer aus I. 3,0, Gi. arab. 4,0 
und 100,0 Aq. destill. bestehenden, auf Bluttemperatur erwärmten 
Lösung verwendet. Heilung in acht Tagen. In einem weiteren 
Falle hatte das Mittel eine koupierende Wirkung, da das im An- 
fangBstadium der Krankheit befindliche Pferd nach einer einmaligen 
innerlichen Gabe von I. u. Gi. arab. aa 15,0, Pulv. rad. Alth. 20,0, 
am anderen Tage gesund war. Ein Fall von Morbus maculosuB wurde 
durch zweimalige intratracheale Injektion von 40,0 obiger Lösung 
geheilt. Ein Fall von Einschuß brauchte bei intratrachealer und 
äußerlicher Behandlung (Salbe) 3 Tage zur Heilung. Ein Fall von 
brandiger Lungenentzündung konnte durch dreitägige intratracheale 
Behandlung nicht beeinflußt werden. Das Pferd wurde getötet. 
1 Fall von Angina mit starken Schluck- and Atembeschwerden 
wurde durch einmalige intralaryngeale Injektion hergestellt. 

Intravenös wurden von ihm 3 Fälle von Blntfleckenkrankheit 
und 2 Fälle von Druse erfolgreich behandelt. Er spritzte 4 Tage 
lang je 50,0 einer 1 proz., sterilisierten und auf 38° C. erwärmten 
Ichtbarganlösuug ein. Einspritzung ohne Nachteil. 

Müller-Horneburg behandelte ein mit Lungenentzündung be¬ 
haftetes, brustseuchekrankes Fohlen intratracheal mit drei hinter¬ 
einander folgenden, je einen Tag Zwischenraum lassenden Ein¬ 
spritzungen von 20,0, 30,0 und 40,0 einer 3 proz., wässerigen Ich¬ 
tharganlösung. Nach der zweiten Injektion soll das Fohlen gehustet 
und gespeichelt haben. Heilung in 8 Tagen. 

Raebiger-Halle kurierte den ansteckenden Scheidenkatarrh 
der Rinder mit Irrigationen einer l"/oo Ichtharganlösung und 
später, der Billigkeit halber, mit Bazillolausspülungen und darauf 
folgender Tamponade der Scheide, wobei die Tampons in l%o Ich¬ 
tharganlösung getränkt waren, mit außerordentlich gutem Erfolge 
Heilung in 10, seltener 14 Tagen. Ruhs, Heine und Hensel be¬ 
stätigten die gute Wirkung. Ruhs heilte eine gleichzeitig au einer 
chronischen MetritiB erkrankte Kuh mit täglichen Ausspülungen 
3) Liter einer ^°/co Lösung) in 18 Tagen auch von diesem Leiden. 

Ellinger-Neustadt a. O. (schriftliche Mitteilung) erblickt in 
2VaProz.Ly8olau8spülungen in Verbindung mit l%olchthargantampon8 
die einzige Methode, den ansteckenden Scheidenkatarrh der Rinder 
mit absoluter Sicherheit zu bekämpfen. 

Bernhardt am Hauptgestüt in Württemberg hatte bei der Be¬ 
handlung von Wunden, bei Uteruserkrankungen, bei Durchfall der 
Fohlen und bei Fohlenlähme (mit intravenöser Applikation in 2 Fällen) 
eklatante Erfolge. 

Eigene Versuche. 

A. Äußere Krankheiten. 

Kasuistik. 

I. Aufnahme 6. November 1902. Rappstute, 6 Jahre alt. Anam¬ 
nese: Wird seit acht Tagen an einer Hautentzündung mit einer 
lOproz. Ichthyolsalbe erfolglos behandelt. 

Status praesens: Ernährungszustand gut. Am ganzen Ober¬ 
körper, besonders aber in der Nähe der Mähne, am Schwanz, auf 
Rücken, Kruppe und an den Seitenbrustwänden pfennigstück- bis 
handtellergroße, rundliche Stellen, die teilweise sich abschuppen, 
teilweise mit einem graubraunen Schorfe bedeckt und zum Teil 
auch feucht sind. 

Diagnose: Chronisches, ausgebreitetes Ekzem. 

Therapie: Einreiben folgender Salbe: Ichthargan 5,0, Glyzerin 3,0, 
Lanolin und Vaselin aa 23,5. M. ft. Ugt. Hiermit zunächst Behand¬ 
lung der kranken Stellen an der rechten Seite, während links zum 
Vergleich mit lOproz. Ichthyolsalbe weiter behandelt wird. Schon nach 
dreimaliger Einreibung wurden die Stellen rechts trockener und die 
Schorfbildung geringer. Links keine Veränderung. Nun auch hier 
Behandlung wie rechts. Tier in 10 Tagen geheilt. 

II. Aufnahme 17. Januar 1903. Braime Stute, 9—10 Jahre alt. 
Anamnese: Soll sich seit einiger Zeit fortwährend am Schwanz reiben. 


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21/Mai 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 339 


Status praesens: Umgebung der Vulva zeigt nässende oder mit 
Schorfen bedeekte Stellen. Unter den Schorfen feucht, hier und da 
Eiterbildung. 

Diagnose: Nässendes Ekzem. 

Therapie: Rp.! Ichthargan 8,0, Glyzerin 2,0, Vaselin und Lanolin 
ää 140, M. ft. Ugt Diese Salbe wird nach vorheriger Reinigung 
täglich einmal eingerieben. Den 24. Januar 1903 geheilt entlassen. 

III. Aufnahme 24. Dezember 1902. Bulle, schwarzbunt, 1 */ 2 Jahre 
alt Anamnese: Seit einiger Zeit treten verschiedene, runde, kahle 
Hautstellen auf. 

Status praesens: Am Kopf, auf dem Rücken, an den Seiten¬ 
brustwänden und am Schwanz runde, sich stark abschuppende und 
am Rande mit einer rötlichen Zone versehene, haarlose Hautstellen. 

Diagnose: Herpes tonsurans. 

Therapie: Täglich Anwendung einer lOproz. Ichthargan-Salbe. 
Am 8. Januar 1903 alle Stellen abgeheilt 

TV. Aufnahme 6. November 1902. Fuchsstute, 13—14 Jahre alt. 
Anamnese: Leidet seit 5 Monaten an einem . reichlichen, in ver¬ 
schiedenen Zeiträumen schubweise auftretenden Scheidenausfluß. 
Jede Behandlung, auch .die mit Bierhefe, bis jetzt erfolglos. 

Status praesens: Ernährungszustand gut. Temperatur normal. 
Schleimhaut der Scheide gerötet und geschwollen. Muttermund für 
zwei Finger passierbar. Aus der Scheide entleert sich in Zwischen¬ 
räumen von einem bis zu mehreren Tagen schwubweise eine grau¬ 
weiße, schleimig-eiterige, meist geruchlose Masse in großer Menge 
(bis zu 4 Litern). 

Diagnose: Endometritis chronica. 

Therapie: Anfangs zweimalige, später einmalige tägliche Aus¬ 
spülungen mit einer lauwarmen 1 %o Ichtharganlösung. Jedesmal 
2 Liter. Vorher Ausspülung mit mehreren Litern lauwarmen WasserB, 
das durch Belassen des Schlauches im Uterus und Senken des 
Irrigators nach dem Boden zu nach Art eines Saughebers wieder 
entfernt wird. Diese Methode hat den Vorteil, daß man den Schlauch 
bei der Reinigung und nachfolgenden Irrigation mit dem wirksamen 
Mit'el nur einmal in den Uterus einzuführen braucht. Am 13. De¬ 
zember geheilt. Dauer 38 Tage. 

V. Aufnahme 4. Dezember 1902. Rappwallach, 6 Jahre alt. 
Anamnese: Leidet ungefähr acht Tage an Druse. 

Status praesens: Zu beiden Seiten der Oberlippe hülinereigroße, 
schmerzhafte, vermehrt warme Anschwellungen. 

Diagnose: Entzündung der Lippendrüsen der Oberlippe infolge 
Druse. 

TherapievTägllch Einreiben einer öproz.Ichthargansalbe. 11. De¬ 
zember 1902 als geheilt aus der Behandlung entlassen. 

VI. Aufnahme 23. November 1902. Rappwallach, 8 Jahre alt 
Anamnese: Wdnde an der vorderen Fläche der rechten Vorderfu߬ 
wurzel. Seit 5 Tagen ohne Erfolg, mit Aqua phagedaenica (0,5 
Hyörargyr. biohlorat; 400,0 Aq. Calcar.) behandelt. 

Status praesenB: Den 28. November. Rundliche, bleistiftstarke 
Wundöffnung, durch welche man mittelst der Sonde in die Sehnen¬ 
scheide des Extensor digiti minimi kommt. Ausfluß von Sehnen- 
scheidenflüssigkeit.. , 

Diagnose: Stichwunde mit Eröffnung einer Sehnenscheide. 

Therapie: In die Wunde selbst Ichthargan in Substanz. Rings 
um die Wunde auf Handbreite Einreiben einer lOproz. Ichthargan- 
Salbe. Wunde den 6. Dezember geheilt 

Vn. Aufnahme 16. Januar 1903. Bräune Stute, 11 Jahre alt. 
Anamnese: Seit langer Zeit viele Warzen am ganzen Körper, be¬ 
sonders aber an der Unterbrust. Am 18. Januar operative Ent¬ 
fernung derselben mit nachfolgendem" Brennen. Reinigen und Auf¬ 
pudern eines aus Jodoform und Acid. tannic. 1:3 bestehenden 
Pulvers bis 27. Januar, zu welcher Zeit ich das Pferd ln Behand¬ 
lung nahm. 

Status praesens: An' der Unterbotst, an den Hautfalten, die von 
der Unterbaust an die Vorderbeine gehen und an der inneren oberen 
Fläche der Vorderbeine mehrere Wunden, darunter eine von Hand¬ 
größe, welche Litern, deren Oberflächen ein schmieriges,- höckeriges, 
warziges Aussehen und eine blaurote Färbung haben, deren Ränder 
wulstig Verdickt sind und sich hart anfühlen. 

Diagnose: Wunden mit schlechtem Heiltrieb. 


Therapie: Tägliches Reinigen mit Kreolinwasser und Aufpudern 
eines aus Ichthargan und Talkum zu gleichen Teilen bestehenden 
Pulvers. Diese Behandlung acht Tage. Dann dasselbe Pulver 
1:3 bis 11. Februar 1903. Wunden zeigen guten Heiltrieb, was 
früher nicht der Fall war. 

VIII. Aufnahme 17. Januar 1903. Braune Stute, 4'/ 9 Jahre alt. 
Anamnese: Zahnflstel seit '/ 4 Jahr am rechten Unterkiefer. Operation 
20. Januar von außen her und Entfernen nekrotischer Knochenteile. 
Behandlung mit Milchsäure bis 30. Januar. 

. Status praesens: Am rechten Unterkieferaste etwas seitlich nach 
außen in der Höhe des 1. und 2. Backenzahnes von einem festen 
Wall umgebener Fistelkanal. Die Sonde gelangt an die Grenze der 
Alveolen genannter Zähne und an die Zähne selbst. 

Diagnose: Zahnfistel. 

Therapie: Tägliches Reinigen mit 3 proz. Kreolinwasser und 
Einschieben von Ichtharganstäbchen (I. 3,0, Butyr. Cacao 30,0) in 
den Fistelkanal. Den 10. Februar wird die Behandlung abgebrochen; 
kein Erfolg. 

IX. Aufnahme 3. Februar 1903. Fuchswallach, 5 Jahre alL 
Anamnese: Vor 6 Wochen linker Vorderhuf an seiner äußeren Wand 
vom Wagenrad überfahren. Getrennte Wand wurde entfernt. Noch 
Lahmheit und schlecht heilende Stelle zurückgeblieben. 

Status praesens: Am linken Vorderhuf in der Mitte der Seiten¬ 
wand mehr nach dem unteren Hufrande zu weiche Stelle mit krater¬ 
förmiger ÖffnuDg. Sonde gelangt auf den Knochen und läßt einen 
beweglichen Sequester fühlen. 

Diagnose: Nekrose des Hufbeins (partiell). 

Therapie: Den 4. Februar operative Entfernung eines bohnen¬ 
großen, aus einem Knochenpartikel und Huflederhaut bestehenden 
Pfropfes. Aufpudern von Ichthargan in Substanz. Verband. Nach 
6 Tagen Verband mit I. und Talkum 1:3. Den 18. Februar als 
geheilt entlassen. 

X. Aufnahme 25. Januar 1903. Braune Stute, 9 Jahre alt. 
Anamnese: Leidet seit */, Jahr hinten rechts an Strahl- und Huf¬ 
krebs. Den 26. Januar Entfernung aller unterminierten Hornstellen. 
Behandlung mit Schlegschem Pulver bis 3. Februar. 

Status praesens: Die ganze Huf lederhaut der Sohlenfläche am 
rechten Hinterhuf, mit Ausnahme der Hälfte des inneren Sohlen- 
winkelB liegt frei; Aussehen graurot, porös, schwammig; beim 
Betasten weich, nachgiebig. Prozeß auf 1 cm an Zehen-, Seiten- 
und Trachtenwand in die Höhe gekrochen. 

Diagnose: Strahl- und Hufkrebs. 

Therapie: Den 3. Februar. Radikaloperation mit Entfernung 
aller Wucherungen bis auf die gesunden Teile der IIüflederhaut. 
Einreiben der Wundfläche mit purem Ichthargan. Verband. Erster 
Verband liegt 3 Tage. Darnach Behandlung mit I. und Talkum 1:3 
bis 12. Februar. Behandlung ohne Einfluß. Erneute Operation not¬ 
wendig, da Prozeß weiter gegangen. Andere Behandlung. 

XI. Aufnahme 23. Januar 1903. Rappstute, 12 Jahre alt. Anam¬ 
nese: * Leidet vorn links seit längerer Zeit an Iluf krebs. 

Status praesens: Strahl- und äußere Strahlfurcbe eine weiche, 
pelzige, an der Oberfläche mit pilzförmigen Wucherungen bedeckte 
Masse mit üblem Geruch. Unterminiert sind: Die Hälfte des inneren 
Sohlenwinkels und des Sohlenkörpers, äußerer Sohlenwinkel, ein 
Teil der Seiten- und Eckstrebenwand. 

' Diagnose: Strahl- und Huf krebs. 

Therapie: Den 26. Januar. Radikaloperation. Einreibon der Wund¬ 
fläche tnit reinem Ichthargan. Verband. Erster Verband liegt 3 Tage. 
Große Schmerzen. Dann täglicher Verband mit I. und Talkum 1:3 
bis 7. Februar. An diesem Tage erneute Operation, da viele neue 
Wucherungen. Fortbehandlung wie zuletzt bis 14. Februar., Be¬ 
handlung ohne Erfolg. Wieder neue Wucherungen, Wundfläche hat 
ein blaurotes' Aussehen und blutet sehr leicht. Ichthargantherapie 
wird" verlassen. 

XII. Aufnahme 4. Februar 1903. Brauner Wallach, 15 Jahre alt. 
Anamnese: In der mittleren Strahlfurche hinten beiderseits seit 
4 Wochen eigentümliche Gewächse. 

Statuß praesens: An beiden Hinterhufen in der mittleren Strahl¬ 
furche verschieden lange federbartähnliche, festweiche, grauweisse 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No; 21. 


Wucherungen. Unterminiert war rechts fast der ganze Strahl, links 
die Hälfte desselben. 

Diagnose: Strahlkrebs. 

Therapie: Radikaloperation den 5. Februar. Verband mit Ich- 
thargan in Substanz. Nach drei Tagen Abnahme desselben. Links 
trocken, rechts kein Einfluß. Verband mit Ichthargan und Talkum 
1 :3 bis 14. Februar. LinkB geheilt, rechts keine besondere Ver¬ 
änderung der Wundfläche. Verband noch durchfeuchtet. Andere 
Behandlung. 

XIII. Aufnahme 5. Februar 1903. Schimmelwallach, 37a J*hre 
alt. Anamnese: Leidet seit ca. 4 Monaten an Huf krebs hinten 
beiderseits. 

Status praesens: Hinten links innerer Sohlenwinkel bis zu Vs 
mit Wucherungen bedeckt, die Hälfte der Trachtenwand unter¬ 
miniert. Rechts ebenso und Eckstrebenwand. 

Diagnose: HufkrebB. 

Therapie: Radikaloperation den 6. Februar. Verband mit 
Ichthargan und Talkum 1:3 bei täglichem Wechsel bis 14. Februar 
ohne Erfolg. Ichtharganbehandlung wird abgebrochen. 

Aus den Versuchen geht hervor, daß das Ichthargan in Salben¬ 
form eine gute Wirkung bei ekzematösen Hauterkrankungen der 
Pferde und beim Herpes tonsurans des Rindes, bei welch’ 


Die Temperaturverhältnisse sind aus den beigefügten Temperatur¬ 
tabellen zu ersehen. In diesen bedeuten die mit einem + bezeichneten 
Zahlen, daß an diesen Tagen Injektionen vorgenommen worden 
sind. Bei den sieben behandelten Pferden wurden zusammen drei 
intratracheale und 28 intravenöse Injektionen ausgeführt Die 
Injektionsflüssigkeit wurde auf Bluttemperatur erwärmt und nach 
Desinfektion der Einstichstellen eingespritzt 

Kasuistik. 

I. Aufnahme 27. Januar 1903. Braune Stute, 9 Jahre alt Anam¬ 
nese: Soll plötzlich das Futter versagt und verschwollene Augen 
bekommen haben. 

Status praesens: Versagen des Futters, matt, Ödeme an Unter- 
brust und Beinen, Lidbindehäute gelblich verfärbt und wulstig ge¬ 
schwollen, starkes Tränen. Temperatur 39,9° C., Pulse 48, Atem¬ 
züge 33. In der Lunge verschärftes Vesikuläratmen. 

Diagnose: Influenza erysipelntosa. 

Therapie: Intravenöse Injektion von Ichthargan 0,5 und Aq. 
destill. 50,0. Per os: Rp.! Ichthargan, Gi. arab. äa 5,0, Pulv. Rad. 
Alth. et Aq. font. q. st ft. Pilula No. I. 

Den 28. Januar. Wiederholung der intravenösen Injektion. 
Dieselbe Pille. An den Einstichstellen Schwellung. 


letzterer Krankheit schon Baß eine vorteilhafte Wirkung sah, 
entfaltet hat. Bei Fall I zeigte sich das Ichthargan in seiner 
Wirkung dem Ichthyol gegenüber offenbar überlegen. 

Die bei der Stute vorhandene Endometritis chronica, die 
sehr lange bestand, sehr hartnäokig war und bisher jeder 
Behandlung getrotzt hatte, wurde durch allerdings längere 
Zeit (38 Tage) fortgesetzte tägliche Ausspülungen mit 1 °/oo 
Ichtharganlösung endlich geheilt. Es kann somit die von 
anderen Beobachtern berichtete gute Heilwirkung des Ichthar- 
gans bei der Behandlung von septischen und infektiösen 1 
Scheiden- und Uteruserkrankungen der Rinder und Pferde nur 
bestätigt werden. Das von Baß bei Rindern und von Bernhardt 
bei einer Stute bemerkte Drängen nach den Ausspülungen ist 
bei den vielen Ausspülungen der von mir behandelten Stute 
nicht bemerkt worden. 

Der geheilte Fall von Entzündung der Lippendrüsen in¬ 
folge D.use kann nicht als beweisend angesehen werden, da 
es sich nur um einen Fall handelt Andere standen mir nicht 
zur Verfügung. Weitere Versuche wären hier am Platze. 

In der Wundbehandlung zeigte das Mittel die auch schon 
von Baß und Bernhardt beobachtete gute Heilwirkung. 



Hauptsächlich wurden eiterige, schmierige und schlecht heilende 
Wunden umgestimmt, die Eiterung ließ nach und die Wunden, 
die sonst Neigung zu Schwielenbildung hatten, bildeten gesunde 
Granulationen und zeigten guten Heiltrieb. Auch die Sehnen¬ 
scheidewunde heilte bei der eingeschlagenen Ichtharganbehandlung 
tadellos. Die Nekrose am Hufbein heilte gut aus und die Über¬ 
hornung erfolgte normal. 

Die Zahnfistel konnte durch die eingeführten Ichtharganstäbchen 
nicht beeinflußt werden. 

Bei der Behandlung von Huf- und Strahlkrebs trat die erhoffte 
gute Wirkung nicht ein. Das Mittel entfaltete vielmehr in der be¬ 
nutzten Applikationsweise eine ziemliche Reizwirkung, wodurch 
eine solche Widerspenstigkeit bei den behandelten Tieren erzielt 
wurde, daß sie bei jedesmaligem Verbandwechsel niedergelegt 
werden mußten. Auch war hier keinerlei Einfluß auf das Fort- 
sohreiten des gesamten Entzündungsprozesses, die Wunden, die 
Hornbildung, die Zurückhaltung von Wucherungen und auf die 
Beschränkung der Sekretion zu bemerken. Die Neuwucherungen 
und die Sekretion waren während der Dauer der Behandlung be¬ 
sonders stark und die Wundflächen hatten zuletzt ein geradezu 
beängstigend schlechtes, blaurotes, blutiges, eiterig-schmieriges Aus¬ 
sehen. Die daraufhin eingeleitete Xeroformbehandlung zeitigte bald 
bessere Erfolge. 

B. Innere Krankheiten. 

Von inneren Krankheiten kamen 5 Fälle von Influenza peotoralis 
und 2 Fälle von Influenza erysipelatosa zur Behandlung. 


Temperaturtabelle xu I. 

Den 29. Januar. Ödematöse Schwellungen sind bedeutend 
zurückgegangen. Munterer. Appetit gut. 

Den 30. Januar. Alles normal. Den 3. Februar wird . Patient 
geheilt entlassen. 

II. Aufnahme 31. Januar 1903. Kohlfhchsstute, 10 Jahre alt. 
Anamnese: Frißt seit einigen Tagen sehr schlecht, sehr matt. 

Status praesens: Futteraufnahme schlecht, schwankt beim 
Gehen, gelbe Verfärbung der Kopfschleimhäute; kurzer, schmerz¬ 
hafter Husten. Links in der ganzen Lunge und rechts in den zwei 
oberen Dritteln verschärftes Vesikuläratmen; rechts im unteren 
Drittel bronchiales Atmen und Reibegeräusche, schräge Abdämpfung. 
T. 40,9 (abends 41,3), P. 62, A. 16. 

Diagnose: Influenza pectoralis. 

Therapie: Intravenöse Injektion von Ichthargan 0,5 und Aq. 
destill. 50,0. Dieselbe Dosis den 1., 2., 3., 4, 5. und 6. Februar. 

Den 1. Februar. Appetit gering. Rechts hat bronchiales 
Atmen nach oben zugenommen. 

Den 2. Februar. Rechts im mittleren Drittel bronchiales, nach 
oben verschärftes Vesikuläratmen. Schräge, im mittleren Drittel 
beginnende und nach unten zu gehende Dämpfüng. Links unten 
bronchiales Atmen, Abdämpfung und Reibegeräusche. Atmen sehr 
angestrengt. Rötlich seröser Nasenausfluß. 

Den 3.-5. Februar. Befund fast derselbe. Appetit etwas 
besser. Noch matt. Gelbrötlicher, dicker Nasenausfluß. 


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21. Mal 1908. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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Temperaturtabelle xu II. 


Den 6.-7. Februar. Langen- und Brustfellerscheinungen 
geben beiderseits zurück. Atmen freier. Husten. Appetit gut. 
Etwas Durchfall. 

Den 9. Februar. Rechts nimmt Dämpfung wieder zu. Ent- 
zUndungszustand links verschwunden. 

Den 10.—11. Februar. Befund derselbe. Senfteig. 

Den 12. Februar. Intratracheale Injektion von 35,0 einer aus 
Ichtbargan, Gummi arabicum 4,0 und Aq. destill. 100,0 bestehenden 
Lösung. Nach Injektion Husten und Speicheln. 

Den 13.—15. Februar. Langen- und Brnstfellerscheinungen 
rechts zum Teil noch vorhanden. Ödeme an den abhängigen Körper¬ 
teilen. 

Den 15.—21. Februar. Während dieser Zeit verschwinden die 
krankhaften Erscheinungen, der Appetit kehrt wieder, und das Tier 
kann etwas bewegt werden. 


An den Einstichstellen Schwellung. Ein schwieliger Knoten 
zurückgeblieben. 

III. Aufnahme 3. Februar 1903. Schimmelwallacb, 9 Jahr alt. 
Anamnese: Frißt seit 2. Februar schlecht. Im Pfordebestande des 
Besitzers in letzter Zeit ein Erkrankungs- und Todesfall an Lungen¬ 
entzündung. 

Status praesens: Versagen des Futters, Hängenlassen des Kopfes, 
gelbe Verfärbung der Kopfschleimhäute. Husten. In der Lunge 
beiderseits verschärftes Vesikulär-, rechts unten fast bronchiales 
Atmen. T. 40,0, P. 54, A. 22. 

Diagnose: Influenza pectoralis. 

Therapie: Intravenöse Injektion von 0,5 Ichthargan und 
50,0 Aq. destill. Dasselbe den 4., 5., 6., 7. und 8. Februar. Starke 
Schwellung an den Einstichstellen. 

Den 4.-5. Februar. Rechts im unteren 
Drittel schräge Dämpfung. Reibegeräusche' 
Appetit gut 

Den 6.-8. Februar. Allgemeinbefinden 
besser. Husten. Sonst Befund derselbe. 

Den 9.—11. Februar. Appetit schlecht. 
Rechts oben in der Lunge verschärftes 
Atmen, unten noch geringe Dämpfung. 

Den 12. Februar. Intratracheale Injektion 
von 35,0 wie bei II. Nach Injektion Husten. 

Den 13.—14. Februar. Zustand unver¬ 
ändert 

Den 15.—17. Februar. Während dieser 
Zeit tritt allmählich Nachlassen der Krankheits- 
ersebeinungen ein. Patient wird den 21. Fe¬ 
bruar geheilt entlassen. 

IV. Aufnahme 7. Januar 1903. Scbimmel- 
stute, 4 7a Jahr alt. Anamnese: Wird seit 
dem 7. Januar an einem Luftsackkatarrh 
behandelt, stand mit seuchekranken Pferden 
in einem Stalle und erkrankte am 4. Februar 
fieberhaft 

Status praesens: Matt, verringerter Ap¬ 
petit, geschwollene und und gelbverfärbte 


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342 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. .21. 


Lidbindehäute, Tränenfluß. Verschärftes Vesikuläratmen. T. 39,9, 
P. 56, A. 16. 

Diagnose: Influenza erysipelatosa. 

Therapie: Intravenöse Injektion von 0,5 Ichtbargan und 50,0 Aq. 
destill. Dieselbe Injektion den 5., 6., 7. und 8. Februar. An¬ 
schwellungen an den Einstichstellen. 

Den 5.-9. Februar: Zustand derselbe. 

Den 10. Februar: Appetit gut. Allgemeinbefinden normal. 
Patient ist gesund. 



Den 6. bis 11. Februar. Die Krankheitserscheinungen nehmen 
nach und nach ab, so daß der Zustand am 12. Febnlar wieder 
vollständig normal ist. 

VT. Aufnahme 6. Februar. Schimmelwaüacb, 7 Jahre alt. Anam¬ 
nese: Frißt plötzlich schlecht. Im Pferdebestande des Besitzers in 
letzter Zeit öfter fieberhafte Lungenerkrankungen. 

Status praesens: Mangelhafter Appetit, matt, verwaschene, 
gelbrote Färbung der Lidbindehäute. Verschärftes Vesikuläratmen 
in beiden Lungen. T. 40,8, P. 56, A. 16. 

Diagnose: Influenza pectoralis. 

Therapie: Intravenöse Injektion von 0,5 Ichtbargan nnd 
50,0 Aq. destill. Ebenso d. 7. Februar. 


6/II.+ 7/11.-}- 8/II.+ 9/II. 



Temperalurtabelle xu IV. 

V. Aufnahme 29. Januar 1903. Brauner Wallach, 8 Jabre alt. 
Anamnese: Wurde .an einem chronischen Magen- und Darmlcatarrh 
behandelt, stand mit seuchekranken Tieren zusammen und erkrankte 
am 5. Februar fieberhaft 

Status praesens: Matt, Appetit gut, gelbe Verfärbung der Kopf¬ 
schleimhäute. Verschärftes Vesikuläratmen in beiden Lungen, 
rechts unten Abdämpfung, Husten. T. 40,0, P. 36, A. 28. 

Diagnose: Influenza pectoralis. 

Therapie: Intravenöse Injektion von 0,5 Ichtbargan und 50,0 Aq. 
destill. Dieselbe Einspritzung d. 6., 7., 8. und 9. Februar. An den 
Einstichstellen Schwellung, ein schwieliger Knoten. 



lemperaturiabelle xu V. 


Den 7.-9. Februar. Krankheitserscheinungen sind verschwunden. 
Inzwischen leichter Kolikanfall. 

Den 10. Februar. Restitutio ad integrum. 

VII. Aufnahme 6. Februar 1903. Fuchswallach, 8 Jahre alt. 
Anamnese: Soll seit mehreren Tagen nicht gefressen haben uud 
sehr matt gewesen sein. 

Status praesens: Versagen des Futters, sehr matt, schmierige, 
rotgelbe Verfärbung der Lidbindehänte. Erschwertes Atmen. Beider¬ 
seits Reibegeräusche in den unteren Dritteln, im rechten mittleren 
Drittel bronchiales und im oberen verschärftes Bläschengeräusch, 
links von der Mitte des mittleren Drittels nach oben zu verschärftes 
Vesikuläratmen. Horizontale Dämpfungslinie in der Mitte des mitt¬ 
leren Drittels beiderseits. T. 40.1, P. 56, A. 46. 

Diagnose: Influenza pectoralis. 

Therapie: Intravenöse Injektion von 0,5 Ichthargan und 
50,0 Aq. destill. 

Den 7. Februar. Zweimalige intravenöse Injektion genann¬ 
ter Dosis. Hasten. Rechts noch bronchiales Atmen. Anschwel¬ 
lung an den Einstichstellen. 

Den 8—11. Februar. Wenig Veränderung Appetit schlecht. 
Wiederansteigen der Temperatur. 

Den 12. Februar, ln den oberen Lungenpartien verschärftes 
Vesikuläratmen, sonst Zustand derselbe. Matt. Intratracheale 
Injektion von 35,0 der bei II genannten Lösung. Nach Injek¬ 
tion Husten. 

Den 13—14. Februar. Wenig Veränderung. Ödeme an der 
Unterbrust. 

Den 15. Februar. Ödem und Atemnot nimmt zu. 

Den 16. Februar. Exitus letalta. 

Sektion: Seröse Pleuritis beiderseits. 

Nach den ausgeführten Versuchen sind die intravenösen 
Einspritzungen in allen Fällen gut vertragen worden. 
An den Einstichstellen bilden sich aber oft sehr starke, schmerz- 


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21. Mai 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


843 


hafte Anschwellungen, wenn aus irgend einem Grunde etwas von 
der Injektionsflüssigkeit in das Unterhautzellgewebe gelangt Ab¬ 
szesse sind bei den von mir ausgeführten Injektionen nicht be¬ 
obachtet worden, wohl aber in zwei Fällen eine knotige, schwielige 


Verdioknng an der betr. Einstichstelle. Die Schwellungen ver¬ 
schwanden allmählich wieder, die Verdickungen blieben aber be¬ 
stehen. 

Auf die intratrachealen Injektionen stellte sich unmittelbar 
nach denselben Husten und in einem Falle auch Speicheln ein. 

In allen zur Behandlung gelangten Fällen ist durch die intra¬ 
venösen Ichtharganinjektionen jedesmal die Temperatur 
herabgesetzt worden, wie aus den beigefUgten Temperatur¬ 
tabellen zu ersehen ist. Die Temperatur stieg allerdings in 3 Fällen, 
nachdem dieselbe 1—2 Tage normal geblieben war, wieder hoch an 
und konnte durch die vorgenommenen intratrachealen Ichthargan- 
einspritznngen nicht zum Wanken gebracht werden. Es handelte sich 
hierbei um repetierende Lungen- und Brustfellentzündungen, wobei die 
Lungenaffektionen jedoch die geringeren waren und in den oberen 
Dnngenpartien ihren Sitz hatten. Nach alledem hat es den Anschein, 
als wenn die Lungenerkrankungen im Anfang durch die Injektionen 
günstig beeinflußt worden wären; dieselben sind aber scheinbar 
nicht im Stande gewesen, die Krankheit vollständig zu heben, Krank- 
heitsremissionen zu beeinflussen oder abzuschwächen und die Brust¬ 
fellentzündungen zu beseitigen. Die drei erwähnten Fälle waren 
sehr schwer und kamen auch nicht sofort bei Beginn der Krank¬ 
heit in Behandlung. 

Diejenigen Krankheitsfälle (4), die sofort bei Krankheitsbeginn 
behandelt wurden, ließen kein erneutes Ansteigen der Temperatur 
bemerken. Dieselbe blieb dauernd normal. Das Mittel Bebeint 
hier eine koupierende Wirkung ausgeübt zu haben. In einem Falle 
wurde der vorhandene Luftsack-Katarrh durch die Ichthargan- 
bebandlung offenbar gut beeinflußt, der übelriechende NasenauBÜuß 
ließ nach und die Schwellung ging zurück. 

Neben der Ichtbarganbehandlung konnten expektorierende, 
appetitanregende, herzstärkende und ableitende Mittel nicht gut 
entbehrt werden. 

Der mit dem Tode abgegangene Fall VII war insofern inter¬ 
essant, weil die Sektion nur eine seröse Pleuritis feststellen konnte, 
welche doch erfahrungsgemäß bei der Brustseuche nie allein vorkommt. 
Der Fall muß aber als Brustseuche bezeichnet werden, da das 
andere Pferd, das mit dem gestorbenen in einem Stalle gestanden 
hatte, am 19. Februar mit den Erscheinungen der Brustseuche in 
das Spital eingestellt wurde. Das erstere wurde schon schwer 
krank am 6. Februar eingeliefert. 

Eine Kuh mit bösartiger Kopfkrankheit, die schon mit 
kolloidalem Silber behandelt worden war, erhielt an zwei auf¬ 
einander folgenden Tagen je 0,5 Ichtbargan und 50,0 Aq. destill. 
intravenös. Nach der zweiten Injektion war die Kuh etwas un¬ 
ruhig. Zwei Tage nach der letzten Injektion starb dieselbe. Die 
Icbtharganwirkung blieb hier zweifelhaft. 


Das Ichtbargan hat sich also, alles in allem genommen, gut 

bewährt bei der Behandlung ekzematöser Hauterkrankungen des 

Pferdes, bei Herpes tonsurans des Rindes, in der Wundbehandlung 

und bei chronischem Gebärmutterkatarrh des Pferdes. Im Stiche 
ließ es bei einer Zahnfistel und bei der 
Strahl- und Hufkrebsbehandlung. 

Die wegen Influenza erysipelatosa be¬ 
handelten zwei Fälle und vier von fünf 
Brustseuchcfällen gingen als geheilt ab. Von 
den Brustseuchepatienten starb einer, bei 
diesem und bei zwei anderen Fällen, bei 
welch’ letzteren noch im Rekonvaleszenz¬ 
stadium ein länger anhaltendes Tränen der 
Augen auftrat, zeigte die Krankheit einen 
schleppenden Verlauf. Es läge im Interesse 
der Sache, wenn bei den beiden oft ver¬ 
heerend auftretenden Pferdekrankheiten die 
Wirkung des Ichtbargans noch weiter er¬ 
probt würde, schon aus dem Grunde, daß 
vielleicht einmal die Möglichkeit geboten 
wird, gegen dieselben mit einem direkt in 
die Blutbahn einzuverleibenden Mittel eine 
sichere erfolgreiche Operationsbasis zu ihrer 
Bekämpfungzu finden. 

Literatur. 

1. Mercks Index. II. Aufl. Abgeschlossen Ende Juli 1902. Ioh- 
tharganum. 

2. Ichthargan. Pharmaceut. Centralballe. 1£00. S. 509. 

3. Dasselbe. Ebenda 1901. S. 314. 

4. Dasselbe. Ebenda 1901. S. 338. 

5. Aufrecht. Über Ichthargan. Deutsche Medizin. Wochenschrift 
1900. No. 81. Therapeut. Beilage "No. 4 S. 28. 

6. Derselbe. Vergleichende bakteriologische Versuche zwischen 
Ichthargan und Argentum nitricum. 

7. Derselbe. DieselbenVersuchezwischenlehtharganundCollargol 
(Argent. colloidale). 

8. Derselbe. Dieselben Versuche zwischen I. und Protargol. 

9. Derselbe. Bericht über intravenöse Injektionen mit Ichthar- 
gan-Lösungen. 

10. Derselbe. Vergleichende bakteriologische Versuche über die 
Wirksamkeit von I.-Salben und Unguentum Credö. 

11. Lohnstein. Über die Wirkung des I. bei Gonorrhoe und 
anderen Urogenital-Leiden. Allgem. Med. Zentralzeitung 1900. 
Nr. 80 und 81. 

12. Leistikow. Zur Behandlung des Tripperrheumatismus. Monats¬ 
hefte f. prakt. Dermatologie 1900. Bd. 31 No. 4. Ref. D. M. W. 
1902. S. 104. 

13. Derselbe. Ichthargan ein neues Mittel gegen Gonorrhoea 
acuta anterior. Ebenda 1900. Bd. 33 No. 7. Referat ebenda. 

14. Schourp. Über die Gonorrhoebehandlung mit Metakresol- 
anytol, Ammon, sulfoichthyolicum und Ichthargan. Dermatol. 
Zentralblatt 1900. Dezember. 

15. Fürst, M. Über Ichtbargan. D. M. W. 1901. No. 14 S. 221 
und 222. 

16. Duhot, R. Traitement de la Blennorrhagie aigue par les 
grandes lavages ä l'Ichthargan. Annal. de la Policlin. centr. 
de Bruxelles 1901. 

17. Rieterma. Mitteilung über Ichthargan. Monatsheft f. prakt 
Dermat. 1901. No. 1. 

18. Eberson. Über die therapeutische Verwendung des Ichtbargans. 
Therap. Monatshefte Jan. 1901. S. 31. 

19. Saalfeld. Zur Ichtharganbehandlung der Gonorrhoe. Therap. 
Monatshefte XVI. 3. S. 137. 

20. Gortaloff. Die Behandlung des entzündlichen Trachoms mit 
Ichtbargan. Allgem. Med. Zentralz. LXXL 5. 1902. 

21. Herz Ref.über Ichthargan. D. M. W. 1902. S. 104 aus Monats¬ 
hefte f. -prakt. Dermatol. Bd. 83. No. 7. 

22. Tänzer. Referat über I. D. M. W. 1902. No. 26. S. 476 aus 
Monatsh. f. pr. Dermat. Bd. 34. Heft 7. 

23. Unna. Referat über I. D. M. W. 1902. S. 791 aus Monatsh. 
f. pr. Dermat. Bd. 32 No. 1 und 2. 

24. Bass. Die Anwendung des Ichthargans und Ichthoforms in 
der Tierheilkunde. Deutsohe Tierärztl. Wochensrhr. 1901. No. 14. 

25. Derselbe. Das Ichthargan in intravenöser, innerlicher und 
äußerlicher Anwendung. D. T. W. 1902. No. 26. S. 255. 

26. Raebiger. Der ansteckende Seheidenkatarrh der Rinder. 
Berlin. Tierärztl. Wochenschr. 1902. No. 2. 

27. Müller. Ein kleiner Beitrag zur Wirkung der Silberver¬ 
bindungen. B. T. W. 1902. No. 18. 

28. Bernhard. Erfahrungen bei der Anwendung de« Ichthargans 
B. T. W. 1903. No. 6. 



Temperaturtabelle xu VII. 


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344 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 21. 


Referate. 

Über die Herzhypertrophie bei Nierenkrankheiten. 

Von Professor Senator. 

(Deutsche Medizinische Wochenschrift 190S No. 1). 

Richard Bright hat als erster auf das häufige Vorkommen 
von Herzhypertrophie bei Nierenerkrankungen hingewiesen. 
Zuerst jedoch fand seine Ansicht nicht die allgemeine Zu¬ 
stimmung. So hat z. B. der berühmte Frerichs sich dahin ge¬ 
äußert, daß die Herzhypertrophie den Nierenkrankheiten vor¬ 
angehe. Später hat dann .Traube betont, daß Herzkrankheiten 
die Ursache von Nierenkrankheiten sein können. Er fand in 
nicht weniger als 33% der Fälle eine Hypertrophie des linken 
Ventrikels, vorzugsweise bei Schrumpfniere. Neuerdings sind 
Untersuchungen angestellt, namentlich von Karl Hirsch in 
Leipzig, aus denen hervorgeht, daß in den meisten Fällen der 
linke Ventrikel hypertrophisch und in den Fällen, wo der rechte 
Ventrikel hypertrophisch war, es der linke auch war. Bei der 
Scbrumpfniere müssen also Bedingungen vorhanden sein, welche 
ausschließlich, für den linken Ventrikel gelten. Traube hat 
die Erklärung auf rein mechanischem Wege zu finden gesucht, 
indem er annahm, daß durch die Schrumpfungsvorgänge in den 
Nieren ein grosser Teil des Gefäßsystemes verödet. Dadurch 
steigt der Druck in der Aorta und das linke Herz mnß eine 
größere Arbeit leisten, sodaß es hypertrophiert. Ferner nahm 
er dann an, daß die Wasserausscheidung bei der Nephritis 
verhindert wird und dadurch die Blutmenge gesteigert würde. 
C. Ludwig hat nun nachgewiesen, daß diese Annahmen falsch 
sind. Man kann beide Nierenarterien unterbinden, ohne daß 
eine Drucksteigerung eintritt und ebensowenig tritt eine solche 
ein bei Zunahme des Wassergehalts des Blutes. Vor ungefähr 
25 Jahren hat Senator darauf hingewiesen, daß bei der Ver¬ 
schiedenheit der Nephritiden in anatomischer und klinischer 
Beziehung eine gleichmäßige Erklärung für die Herzhyper¬ 
trophie nicht gegeben werden kann. 

Bei der chronisch parenchymatösen oder subakuten Nephritis 
entsteht infolge der mangelhaften Nierentätigkeit eine fehler¬ 
hafte Blutbeschaffenheit, welche das Herz und das ganze Ge¬ 
fäßsystem beeinflußt. Bei der akuten Nephritis ist dieser 
Reiz naturgemäß am größten. Durch die mangelhafte Blut¬ 
beschaffenheit werden die Gefäße in ihrer Ernährung ungünstig 
beeinflußt: sie werden durchlässiger und es entsteht die Wasser¬ 
sucht. Es ist dies gewissermaßen eine Selbsthilfe des Körpers, 
welcher hierdurch sich von einem Teil der stickstoffhaltigen 
Extraktivstoffe befreit. Bei der chronischen Nephritis ist der 
Reiz nicht so stark, aber er wirkt dauernd nicht nur auf die 
Gefäßwandungen, sondern auch auf das Herz und es kommt 
dann zur Hypertrophie. Bei dem linken Ventrikel hypertrophiert 
die Muscularis infolge der Kontraktion und der fortwirkenden 
Reizung, schließlich kommt es dann zu einer entzündlichen Ver¬ 
dickung der Gefäßhäute, besonders in den Gefäßen des großen 
Kreislaufes. Durch die Wassersucht und durch den Druck, 
welchen die Organe auf die Gefäße ausüben, wird der Kreis¬ 
lauf mehr oder weniger beeinträchtigt, was wiederum besonders 
auf den linken Ventrikel wirkt. Bei der chronischen inter¬ 
stitiellen Nierenentzündung kommt es sehr allmählich zur An¬ 
häufung der schädlichen Stoffe im Blut, und der langsam fort¬ 
wirkende Reiz bewirkt eine Hypertrophie sämtlicher Herz- 
abschnitte und eine Verdickung der Arterien wände im großen 


Kreislauf, sodaß wiederum hier der linke Ventrikel besonders 
geschädigt ist. Jeß. 

Eine unblutige Thyreoidektomie unter Anwendung des 

Adrenolin. 

Von George H. Bailey-Portland Edine. 

(American Veterinär? Review Vol. XXVI. No. 8.) 

Die Schilddrüse eines wertvollen Pferdes hatte sich bis 
zu den Dimensionen einer Männerfaust vergrößert und ver¬ 
ursachte infolge ihres Druckes auf die Trachea Dyspnoe, so¬ 
bald das Pferd in Gebrauch genommen wurde. Die Drüse 
sollte deshalb exstirpiert werden. Die unmittelbaren Gefahren 
dieser Operation für das Leben des Tieres bestehen in einer 
Verletzung des Vagus und in der starken Blutung, die durch 
den Gefäßreichtum des Organs bedingt ist. Die letztere Ge¬ 
fahr wurde durch den Gebrauch von Adrenolinchlorid in der Ver¬ 
dünnung von 1 :1000 vollständig abgewendet. Das Mittel be¬ 
währte sich insbesondere zur Beschränkung der kapillaren 
Blutung, sodaß jeder Schritt der Operation deutlich kontrolliert 
werden konnte. Die anästhesierende Wirkung einer hypoder- 
matisch applizierten Kokainlösung wurde durch den Gebrauch des 
Adrenolinsprays auf die Operationswunde nicht aufgehoben. Die 
Wundränder wurden durch Catgutligaturen vernäht. Nach 
Entfernung des aseptischen Verbandes am zweiten Tage zeigte 
sich nicht die kleinste sekundäre Hämorrhagie, und die Heilung 
auf dem ersten Weg schien gesichert. 

Prof. A. Liautard M. D., V. M. beschreibt in derselben 
Ausgabe der genannten Zeitschrift S. 715 das Adrenolin als 
einen Vasokonstriktor von großer Kraft. Dasselbe habe einen 
merklichen Einfluß auf den Blutdruck und sogar auf die 
Körpertemperatur. Vom praktischen Gesichtspunkte könne das 
Mittel vielfach verwendet werden, hauptsächlich aber eignet es 
sich zunächst 1. in der Laryngologie und Ophthalmoskopie als 
Vasokonstriktor und Hämostatikum, und 2. in der Therapie im 
allgemeinen als ein Hämostatikum. 

Operationen an der Nase oder in den Nasenkavitäten des 
Menschen sind mit Hilfe des Adrenolins in leichter Weise voll¬ 
zogen worden, und in Form von Sprays oder Pulver hat es 
sich bei der Entzündung der bezeichneten Teile als vorteil¬ 
haft erwiesen. 30 Sekunden nach Einführung einer Adrenolin- 
lösung ins Auge entsteht vollständige Ischämie der Bindehaut, 
die iy 2 Stunde andauert. Eine Reizung der Kornea ist nicht 
zu beobachten, auch bleibt die Pupille unbeeinflußt. 

In Verbindung mit Kokain kann das Adrenolin die besten 
Dienste leisten bei der Behandlung von Entzündungsprozessen 
des Auges jeglicher Art und bei Augenoperationen. 

Der Preis des Mittels soll sehr hoch sein. Peter. 

Die Verbreitnng des Rotzes in England. 

Von W. Hunting. 

(Nach einem Ref. der Revne gfcnßrale de mfed. vftärinaire, 15. 1. 1903. 

England ist stets, namentlich in den größeren Städten von 
Rotz heimgesucht worden; die Armee ist erst 1891 von Rotz 
befreit worden, der aber im südafrikanischen Feldzug wieder 
auftrat. Genaue Statistiken gibt es erst seit 1881, wobei zu 
bemerken ist, daß, wenn auch alle Grafschaften sporadische 
Fälle aufweisen, die Seuche in großer Ausdehnung in ganz 
London und Umgegend vorkommt. Auf London kommen: 


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21. Mai 1908. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


345 


im Jahre 1892 2526 Fälle von 3001 in ganz England 


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1893 

1619 

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2133 

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1894 

903 

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1437 

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1895 

1042 

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1594 

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1896 

845 

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1294 

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1897 

966 

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1629 

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1898 

860 

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1385 

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11 

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1899 

896 

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1472 

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1900 

1387 

tt 

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1858 

tt 

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tt 

tt 

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1901 

.1828 

tt 

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1370 

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Rechnet man die benachbarten Grafschaften Middlessex, 
Essex, Kent, Snrrey, Hertford und Sussex zu, so umfaßt der 
Londoner Rotzherd an sich allein 86—95 Proz. der gesamten 
Zahl von Seuchenfällen. Auch in Schottland liefert die einzige 
Grafschaft Lanark in den letzten 10 Jahren 1265 Rotzfälle auf 
1394 im gesamten Königreich. 

Die in London entdeckten Rotzfälle verteilen sich 
zu 38,9 % auf Stallungen, die seit vier Jahren und mehr 
als verseucht gelten, 

28,5% auf Stallungen, die seit weniger als vier 
Jahren verseucht sind, 

32,6 % auf bisher seuchenfreie Stallungen. 

Auf 1000 Erkrankungen sind 
472 mit Hautläsionen (Wurm) verlaufen, 

355 hatten Nasenauswurf, 

279 hattenNasenauswurf,Drüsenanschwellung und Schanker, 
119 sind lediglich durch Malleinprobe entdeckt worden. 

Pulmonäre Läsionen kamen bei allen Pferden vor; bei 
462 bildeten sie die einzige interne Läsion, bei 378 war die 
NasenBcheidewand erkrankt, der Kehlkopf bei 179, die Trachea 
bei 201. Die Schleimhäute waren bei 46 Pferden, die sehr 
wenig Knötchen zeigten, intakt. 

Bezügl. der Malleinprobe gibt Hunting an, daß sie 98% 
der kranken Pferde alsbald kennzeichnet, und führt unter An¬ 
gabe der spezielleren Statistik und Krankheitsgeschichten aus, 
daß das Anfhören der Malleinreaktion als Beweis der voll¬ 
ständigen Heilung gelten kann. 

Der englischen sanitären Gesetzgebung wird bezügl. des 
Rotzes .vorgeworfen, daß sie sehr unvollständig sei. Sie datiert 
von 1892 und schreibt die Anzeige und die Untersuchung durch 
die Ortspolizeiorgane vor, verbietet die Verstellung der erkrankten 
Tiere und ordnet die Desinfektion an; die Ortsbehörde kann 
außerdem die Tötung der kranken Tiere mit Entschädigung an¬ 
ordnen, die Verstellung der erkrankten und verdächtigen Tiere, 
ebenso die Verwertung der Kadaver oder der beschmutzten 
Materien genehmigen. In Wirklichkeit sei aber die sanitäts¬ 
polizeiliche Behandlung des Rotzes den behandelnden Tier¬ 
ärzten und den Besitzern überlassen. Die Folge sei, daß 
z. Z. alle Jahre durchschnittlich 5 Menschen und 1700 Pferde 
in England an Rotz sterben. Das englische Ministerium ver¬ 
weigere aber jede Änderung der jetzigen Gesetzgebung, weil 
die Ausdehnung der Maßregeln auf die ansteckungsverdächtigen 
Tiere für die Besitzer zu große Verluste bringen würde. Zur 
Zeit kOnnen also ansteckungsverdächtige Pferde frei und sogar 
Öffentlich verkauft werden, ohne Rekursrecht, und ohne daß die 
Sanitätsorgane einschroften können. Es ist dies für die, englische 
Pferde importierenden Länder sehr nützlich zu wissen. 

Zündel. 


Borsäure als Konservierungsmittel. 

Von C. Merkel-Nürnberg. 

MQnehn. meil. Wochensch. 1903. No. 3. S. 100. 

Verf. nimmt zu der viel diskutierten Frage der Schädlich¬ 
keit oder Unschädlichkeit der Borsäure als Konservierungsmittel 
Stellung auf Grund seiner Erfahrung als Krankenhausarzt. Er 
ersetzte in seiner Tätigkeit den Tartarus boraxatus als 
Diuretikum wegen seiner Nebenwirkung auf den Darm durch 
reine Borsäure und kam dabei zu folgenden Resultaten: Die 
Borsäure müsse mindestens als höchst verdächtig bezeichnet 
werden. Es sei doch nicht gleichgültig, daß schon auf kleine 
Dosen Vermehrung der Urinabsondernng auf das Doppelte und 
Dreifache des Normalen einträte. Bei Freigebung der Borsäure 
als Zusatz zu Nahrungs- und Genußmitteln sei eine Schädigung 
des Konsumenten auch deshalb nicht ausgeschlossen, da die zu- 
gefdgte Menge im Einzelfall nicht feststellbar sei und die Kon¬ 
trolle für eine gleichmäßige Verteilung des Präparates fehle. 
— Schädigungen des Schleimhautepithels durch Borsäure seien 
im Reichsgesundheitsamt und im hygienischen Institut in Leipzig 
konstatiert worden. — Nach Einverleibung sei Borsäure noch 
17 Tage nach beendeter Zufuhr im Urin nachweisbar. — 
Übrigens könnten Fleischkonserven auch ohne Borsäure herge¬ 
stellt werden. Die dem Krankenhaus früher gelieferten Wurst¬ 
waren enthielten Borsäure. Seit sich die Direktion dies ver¬ 
bat, würden sie ohne Zusatz, zu gleichem Preis und gleichfalls 
tadellos geliefert. 0. A. 

Woehenfibersicht Aber die medizinische Literatur. 

Von Dr. Jess-Charlottenburg, 

KraUtierarzt. 

Münchener medizinische Wochenschrift No. 18. 1903. 

Über die Verbindungen und die Entstehung vw Immunkörpern, 
von Dr. Karl Landsteiner und Dr. Jagic. Das Ergebnis 
ihrer Versuche haben die Autoren folgendermaßen zusammen¬ 
gefaßt. Das Gleichgewicht zwischen Agglutininen und Zellen ist 
von der Temperatur und von der Konzentration der reagierenden 
Stoffe abhängig. Die Beobachtungen über die Bindungs¬ 
verhältnisse der Immunkörper führen zu der Annahme sehr 
naher Beziehungen zwischen diesen Reaktionen nnd den so¬ 
genannten Absorbtionserscheinungen, zu denen auch die Färbungen 
zu rechnen sind. Für das Verständnis der spezifischen Immuni¬ 
sierungsprozesse ist es nicht nötig, spezifisch bindende Stoffe 
in den normalen Körperzellen vorauszusetzen, ebensowenig 
wie für die künstliche Gewinnung von Lösungen, die in ge¬ 
wissem Grade spezifisch wirken. 

Anthrasol, ein gereinigter, farbloser Teer und seine thera¬ 
peutische Verwertung von Dr. Sack und Vieth. Anthrasol 
ist ein leichtflüssiger, hellgelber, ölartiger Körper mit dem 
spezifischen Teergeruch, es ist mit absolutem Alkohol, mit den 
fetten Ölen, mit Vasogen in jedem Verhältnis mischbar. Es 
findet Verwendung bei parasitären Hautleiden, wie Skabies etc. 
Deutsche medizinische Wochenschrift No. 19. 1903. 

Protozoin-Befunde (Apissoma) im Blute von Flecktyphuskranken, 
von Gotschlich. Wird auf das Original verwiesen. 

Über Darstellung des Milzbrandserums berichtete Ladislaus 
Detre-Deutsch im Ärzte-Verein zu Budapest. Verfasser 
immunisierte zuerst Pferde, später Esel und hat angeblich bei 
Versuchstieren nnd auch bei Rindern gute Erfolge erzielt. 
Centralblatt f. Bad. u. Parasitenk. XXXIII. Bd. Originale No. 7. ■ 

Eine lepraälinliohe Erkrankung der Haut und der Lymphdrüsen 
bei Wanderratten, von Dr. Stefansky. Bei Ratten wurde anläß-* 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WÖOHENSCH RIFT. 


No: 21. 


lieh eines PestauBbruchs bei 4—5% der untersuchten Tiere 
eine lepraähnliche Krankheit beobachtet. 

Über die Bereitung eines antibakterletlen Diphtherlesenims, von 
Dr. Ban di. Verf. hat ein Serum hergestellt, welches nicht nur 
gegen das Diphtherietoxin wirkt, sondern auch eine bakterien¬ 
tötende Kraft besitzt, und spricht den Wunsch aus, daß die 
Sera des Handels, namentlich bei prophylaktischer Verwendung, 
auch diese beiden Eigenschaften enthalten möchten. 

Über die Spezifizität der Serodiagnostik der Tuberkulose, von 
Eisenberg & Keller. Wird auf das Original verwiesen. 

Über den Desinfektionswert einiger Formaldehydpräparate, von 
Keisaku Kokubo aus Japan. Es wurden Septoforma und 
Formalinseife untersucht; diese Präparate zeigten sich in der 
Wirkung auf Milzbrandsporen der Karbolsäure überlegen, dagegen 
waren sie den Staphylo- und Streptokokken und Typhusbazillen 
gegenüber weniger wirksam als eine 3% Karbolsäure. 

Dieselbe Zeitschrift No. 8. 

Untersuchungen über die Virulenz der aus verschiedenen 
tuberkulösen Herden des Menschen reingezüchteten Tuberkelbazillen, 
von Krompecher & Zimmermann. Die Frage ob die Haut¬ 
tuberkulose, die Tuberkulose der Knochen, der Gelenke deshalb 
im Gegensatz zur Lungentuberkulose einen so langsamen Ver¬ 
lauf nimmt, weil die Virulenz der Bazillen abgenommen hat, 
oder ob die geringe Zahl der Keime die Ursache ist, beantworten 
die Verf. auf Grund ihrer Versuche dahin, daß nur eine ab¬ 
weichende Disposition der Gewebsarten hier als ursächliches 
Moment in Frage kommt. — Die Virulenz der aus verschiedenen 
Herden gezüchteten Tuberkelbazillen war nahezu gleich. 

Untersuchungen über natürliche und künstliche MHzbrand- 
immuattät, von BaiL 

Über die natürliche Milzbrandimmunität des Hundes und 
des Huhns von Pettersson. Wird bez. beider Arbeiten auf 
das Original verwiesen. 

Über die erfolgreiche Behandlung tödlicher Intra peritonealer 
Streptokokken-lnfektlonen beim Kaninchen durch präventive 
Pyocyanase-Immunproteidin-Injektionen von Emmerich und 
Trommsdorf. Von 13 mit Pyocyanase-Immunproteidin be¬ 
handelten, mit einer sicher tötlichen Dosis von Streptokokken 
intraperitoneal infizierten Kaninchen, wurden durch die Be¬ 
handlung 4 = 31 % geheilt, 6 = 46 % erfolgreich günstig 
beeinflußt, ohne gerettet werden zu können. 

Lysoform, Baollol und Sublamln in wässeriger Lösung als 
Händedesinflcientlen nach Vorbehandlung der Hände mit Alkohol 
(Analogie mit der Ftirbringerschen Methodik). Von Dr. Engels 
Lösungen des Sublamins, Bacillols, Lysoforms in 99% Alkohol 
wirken erheblich kräftiger desinfizierend, als die wässerigen 
Lösungen mit Einschiebungen des Alkohols nach Fürbringer. 

Tagesgeschichte. 

Jahrbuch der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft. 

Herausgegeben vom Direktorium. Band 17, 1902. . 

Referat von Bezirkstierarzt Ad. Mai er-Konstanz. 

Das pünktlich erschienene und den Mitgliedern längst zu¬ 
gestellte Jahrbuch der D. L. G. für 1902 reiht sich hinsichtlich 
der äußeren Ausstattung und der Fülle des Inhaltes seinen 
Vorgängern würdig an. Es führt uns dfe umfassende Tätigkeit 
der Gesellschaft im. verflossenen Geschäftsjahr, d. i. vom 1. Ok¬ 
tober 1901 bis dahin 1902, in gewohnter, übersichtlicher Weise 
vor Augen. 


Wie immer, bringt es einleitend dem Entwicklungsgang der 
D. L. G. innerhalb Jahresfrist. Darnach entnehmen wir, daß am 
1. Oktober 1902 13 85.7 Mitglieder (-f 255) und am Jahressphluß 
ein Vermögensbestand von 1 654 814,12 M. (-}- 243 042,49 M.) 
vorhanden waren. An diesem Zuwachs ist diesmal besonders 
Süddeutschland beteiligt, wo bekanntlich die vorjährige Wander¬ 
ausstellung stattfand. Im Berichtsjahre hat die Gesellschaft 
auch ein eigenes Heim in Berlin (Dessauerstraße) bezogen. 

In der Winterversammlung 1902, der sogenannten großen 
landwirtschaftlichen 'Woche, die wie immer im Februar in 
Berlin stattfand, wurde wiederum in den einzelnen Abteilungen 
— (Dünger-, Ackerbau-, Tierzuchtabteilung u. s. w.) fleißig ge¬ 
arbeitet. In der uns naturgemäß hier am meisten interessierenden 
Tierzuchtabteilung sprach u. a. Geheimer Rat Professor 
Dr. Dam mann-Hannover über das Thema: „Bieten die neuerlichen 
Kochschen Behauptungen Anlaß zu einer Änderung in dem 
Vorgehen gegen die Rindertuberkulose ? : ‘ Er beantwortet diese 
Frage am Schluß mit Recht dahin, daß trotz jener Behauptungen 
diese verderbliche Seuche nach wie vor mit allen Kräften zu 
beseitigen sei. Ferner wurde über die günstigen Erfolge des 
von der ostpreußischen Herdbuchgesellschaft eingeführten 
Tilgungsverfahrens der Tuberkulose nach Prof. Dr. Ostertag- 
Berlin berichtet und dieses Verfahren mit staatlicher Unter¬ 
stützung zur Nachahmung empfohlen. 

In derselben Sitzung referierte auch ökonomierat ötken- 
Oldenburg über die Ergebnisse seiner zweimonatlichen Reise, 
die er im Aufträge des Reichskanzlers und im Einverständnis 
mit dem preußischen Landwirtschaftsminister im Sommer 1901 
behufs Studiums der französischen Pferdezucht gemacht hatte. 
Seine Beobachtungen, über die er an das Auswärtige Amt be¬ 
richtete, und die wiederum als Sonderheft von der D. L. G. 
herausgegeben worden sind, lauten durchweg günstig. Er ist 
mit dem Eindruck von seiner Reise zurückgekehrt, „daß im 
ganzen die französische Pferdezucht auf recht hoher Stufe stehe 
und in günstiger Weiterentwicklung begriffen sei. Unser großes 
Nachbarvolk sei mit einem hohe Achtung verdienenden Fleiß 
und Geschick bei der Arbeit, zur Förderung seines Wohlstandes 
und seiner Wehrhaftigkeit die Landespferdezucht zu pflegen 
und zu hüten, und viele seiner Maßnahmen verdienten unser 
lebhaftes Interesse“. Geheimer Oberregierungsrat Dr. Lydtin, r 
ein genauer Kenner der französischen Pferdezucht, bestätigte 
die Ausführungen des Berichterstatters und teilte noch einige 
Details hierüber aus dem reichen Schatz' seiner Erfahrungen mit. 

Die Sonderausschüsse der Tierzuchtabteilang behandelten 
dieses Mal Fragen interner Natur, die sich auf Verwaltungs¬ 
angelegenheiten, Schauordnungsfeinzelheiten und Richtersystem 
beziehen. 

Interessant sind die Berichte des SondexatiEsehusses. für 
Absatz. In dieser Beziehung haben sich namentlich die >dea 
deutschen Gesandtschaften beigegebenen landwirtschaftlichen 
Sachverständigen (sogen, landwirtschaftliche Attaches) manche 
Verdienste erworben. So wird es voraussichtlich den Bemühungen 
des betreffenden Sachverständigen für die Vereinigten Stäaten 
gelingen, deutsches Zuchtmaterial für Nordamerika zollfrei eiü-‘ 
zuführen. Nach Rumänien dürfte sich wohl eine Einfahf von 
Zuchtpferden und Pferden überhaupt ermöglichen; anch deutsches 
Höhenvieh wird dort Eingang finden, da es sich bewährt hat. 
Hinsichtlich Ungarns liegen die Verhältnisse nicht so günstig. 
Die Einfahr deutscher Höhenschläge hat bedeutend abgenommen, 


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21. Mai 1908. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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da durch Verbesserung der einheimischen Schläge der Bedarf 
daselbst durch eigene Produktion nahezu gedeckt wird. Da¬ 
gegen ist die Nachfrage nach Schweinen, besonders der weißen 
englischen Rasse, aus Deutschland im Steigen begriffen. Für 
Bulgarien und Rumänien kommen hauptsächlich ostfriesische 
Milchschafe in Betracht, da in beiden Ländern die Schafmilch 
eine große Rolle spielt. 

Derselbe Sonderausschuß beantragte schließlich Mittel zur 
Herausgabe eines Zuchttierverzeichnisses für das Ausland und 
befürwortete das Studium der nordamerikanischen Pferdezucht 
durch einen eigenen Sachverständigen. Endlich soll die 1900 
bereits begonnene Statistik des deutschen Vieh-Ausfuhrhandels 
fortgesetzt werden. 

Wie immer, nimmt die Chronik der jeweils im Geschäfts¬ 
jahr stattgehabten Wanderausstellung der D. L. G. den größten 
Raum im Jahrbuch ein. Die voijährige Ausstellung fand be¬ 
kanntlich vom 7. bis 12. Juni in Mannheim statt. Da hierüber 
in dieser Zeitschrift s. Zt. berichtet wurde, so können wir uns 
kurz fassen. Es sei nur nebenbei erwähnt, daß die Ausstellung 
beschickt war mit: 369 Pferden, 694 Rindern, 210 Schafen, 
345 Schweinen, 199 Ziegen u. s. w. An Geldpreisen gelangten 
83 766 Mk. und 234 andere Preise (Gold- und Silberpreise, 
Medaillen) u. s. w. zur Verteilung. 

Neben den ausgestellten Tieren fand aber auch der tier¬ 
ärztliche Besucher in Mannheim eine Fülle interessanten, wissen¬ 
schaftlichen Materials vor, wie bei keiner bisherigen Ausstellung. 
So hatte das badische Ministerium des Innern durch das Sta¬ 
tistische Landesamt u. a. statistische Darstellungen über die 
Viehzählung des Reiches und Badens, kartographische Auf¬ 
zeichnungen über die badische Tierzucht, über die Lehrmittel 
der Landwirtschaftsschulen, des Tierhygienischen Instituts in 
Freiburg, der Hufbeschlagschulen u. s. w. zur Vorführung ge¬ 
bracht. Auch Elsaß-Lothringen glänzte durch ähnliche inter¬ 
essante Darbietungen. Leider wurde der Besuch der Ausstellung 
durch die ungünstige Witterung stark beeinträchtigt. 

Die diesjährige Wanderausstellung wird in Hannover, die 
für 1904 in Danzig und die für 1905 in München abgehalten 
werden. 

Auch über den Inhalt der im Berichtsjahre erschienenen 
„Arbeiten“, „Anleitungen“ und Mitteilungen u. b. w. erhalten wir, 
wie üblich durch das Jahrbuch auszugsweise Kenntnis. Diese 
Veröffentlichungen erstrecken sich selbstverständlich auf alle 
Gebiete der Landwirtschaft. Hinsichtlich der uns am meisten 
interessierenden Tierzucht entnehmen wir, daß als Heft 69 
herausgegeben wurde: Dettweiler, „Die deutsche Ziege.“ 
Dieses Werk gibt uns Aufschluß über den gegenwärtigen Stand 
der Ziegenzucht im Reich. Von Bureauvorsteher Knispel wurde 
„eine Anleitung zur Einrichtung und Verwaltung von Züchter¬ 
vereinigungen“ veröffentlicht. 

In den allwöchentlich erscheinenden „Mitteilungen“ kamen 
u. a. zum Wort: Landestierzuchtinspektor Dr. Vogel-München: 
Die Anwendung der Deriazschen Ohrmarke zur Kennzeichnung 
von Rindern, Schweinen und Ziegen. Dr. Clausen-Heide ver¬ 
breitete sich über den Wert der Körpermessungen an Rindern 
nach Lydtin, was eine interessante Polemik zwischen dem 
letzteren und dem Verfasser hervorrief. Geheimer Regierungs¬ 
rat Dr. Wern er-Berlin berichtete über seine Nachprüfung von 
Züchtervereinigungen im Jahre 1902. Der vom Departements¬ 
tierarzt Dr. Pauli-Stettin im Sonderausschuß zur Bekämpfung 


der Tierkrankheiten gehaltene Vortrag über die Bekämpfung 
der Geflügelseuche namentlich auf den Wanderausstellungen der 
D. L. G. ist ebenfalls erschienen u. s. w. 

Auch der Inhalt der Berichte der land- und forstwirtschaft¬ 
lichen Sachverständigen bei den Kaiserlichen Vertretungen im 
Ausland wird auszugsweise mitgeteilt. Diese Berichte erscheinen 
teils als Beilagen zu den obigen Mitteilungen, teils in Buchform. 

Den Schluß des Jahrbuches bildet nach alter Gepflogenheit 
das Namens Verzeichnis der Leitung der D. L. G. in dem laufenden 
Geschäftsjahr, dieses Mal also vom 1. Oktober 1902 bis 30. Sep¬ 
tember 1903. Mit Befriedigung können wir hierbei konstatieren, 
daß sich sowohl im Gesamtausschuß, als auch in den Sonder¬ 
ausschüssen eine namhafte Anzahl hervorragender Tierärzte 
befindet. 

Ich kann mein Referat nicht besser schließen, als daß ich 
dem Leser den Beitritt zur D. L. G. empfehle. Der jährliche 
Beitrag von 20 Mk. wird reichlich aufgewogen, sowohl durch 
die Fülle des Gebotenen, als auch durch Begünstigungen bei den 
Ausstellungen u. 8. w. 

Zur Fleischbeschau. 

Kochfleischeinfuhr. 

Herr Kollege Dr. Lothes ist der Ansicht, daß gekochtes 
Fleisch nicht aus dem Auslande ins Zollinland eingeführt 
werden darf. 

Obgleich nun jeder Tierarzt, der mit der Fleischbeschau 
zu tun hat, mit Herrn Dr. Lothes eine zuverlässige Unter¬ 
suchung von gekochtem Fleisch für ungemein schwierig halten 
wird, so hat bezüglich der Frage, ob solches Fleisch eingeführt 
werden darf, doch wohl Herr Prof. Ostertag recht. 

Der § 12 des R. F. G. sagt zwar, daß zubereitetes Fleisch 
nur eingeführt werden darf, wenn nach Art seiner Gewinnung 
und Zubereitung Gefahren für die menschliche Gesundheit er¬ 
fahrungsgemäß ausgeschlossen sind oder die Unschädlichkeit 
für die menschliche Gesundheit in zuverlässiger Weise bei der 
Einfuhr sich feststellen läßt, scheint aber diese Voraus¬ 
setzungen bei gekochtem Fleisch nicht ohne weiteres als nicht 
zutreffend bezeichnen zu wollen. Nämlich nicht nur, daß der 
§ 3 der Ausführungsbestimmungen zum R. F. G. in seiner 
Definition des Begriffes „zubereitet“ gekochtes Fleisch aus¬ 
drücklich als hierher gehörig nennt, geht auch aus den in den 
Ausführungsbestimmungen aufgestellten Grundsätzen für die 
gesundheitliche Untersuchung des in das Zollinland eingehenden 
Fleisches hervor, daß gekochtes Fleisch ans dem Ausland ein¬ 
geführt werden darf. 

Der § 14 der Ausführungsbestimmungen D sagt nämlich 
unter d, daß die Untersuchung feststellen soll, ob das Fleisch 
gut durchgekocht ist, welcher Passus doch, wenn das Reichs¬ 
gesetz ein absolutes Verbot der Einfuhr gekochten Fleisches 
beabsichtigt hätte, überflüssig und unverständlich wäre. 

W. Feuereißen, städt. Tierarzt in Dresden. 

Fleisohbeschaufragen. 

1. Ist das für Massenspeisungen bei ländlichen Hochzeiten 
bestimmte Fleisch dem Untersuchungszwange unterworfen? (An¬ 
frage in No. 20 d. Bl.) Antwort: Ja, denn unter Haushalt im 
Sinne des R.-Fl.-G. ist nur eine Wirtschaftsgemeinschaft zu 
verstehen. Zu einer solchen gehören aber nur der Haushaltungs¬ 
vorstand, die Angehörigen und das Hausgesinde. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 21. 


Tierarzt L. in G. (Schl.). Ist der Schlächter berechtigt, 
bei Behinderung des Beschauers sofort den Stellvertreter heran¬ 
zuziehen? — Antwort: Nein, denn § 25 der Preuß. Ausf. 
schreibt vor, daß der Beschauer, im Falle er verhindert ist, 
die Schlachtvieh- und Fleischbeschau auszuöben, sofern nicht 
nach § 5 B. B. A. zu verfahren ist, den ihm zugehenden Auftrag 
an seinen Stellvertreter weiter zu geben hat. Demnach hat 
der Beschauer zu entscheiden, ob er verhindert ist, und nicht 
der Schlächter. Für die Entscheidung ist § 23 d. P. A. ma߬ 
gebend, ob der Beschauer im stände ist, die Untersuchungen 
in der Regel nicht später als 6 Stunden nach der Anmeldung 
vorzunehmen. K. 

Entschädigung von Fleischverlusten. 

Bei Begründung eines Schlachtviehversicherungs-Kreisvereins 
trat ich dafür ein, daß für Fleisch, welches nach § 35, Ziff. 17 
bis 19 der A. B. des Bundesrates, d. h. wegen Verunreinigungen 
verworfen worden ist, keine Entschädigung gezahlt werden solle. 
Ich erregte damit den größten Widerspruch der Schlächter. 
Ich glaube aber, wir Tierärzte sollen darauf hinwirken, daß in 
diesen Fällen die Entschädigung versagt werde. N. 

Preussischer Ministerialerlass, betreffend Ausführungsbestimmungen Ober 
die Schlachtvieh- und Fleischbeschau. 

Der vom 20. März datierte, gemeinsame Erlaß der vier be¬ 
teiligten preußischen Ministerien ist alB Separatabdruck im Ver¬ 
lage von R. Schoetz in Berlin erschienen. 

Tierärztlicher Verein für die Provinz Brandenburg. 

Der Verein hielt seine 66. Versammlung am Sonntag 
den 17. er. im Hörsaal des anatomischen Instituts der Tier¬ 
ärztlichen Hochschule zu Berlin ab. 

Den Hauptgegenstand der Tagesordnung bildete ein um¬ 
fassender Vortrag des Professors Dr. Eberlein über die 
diagnostischen Kokain-Injektionen, der zu einer entschiedenen 
Empfehlung dieses wertvollen Hilfsmittels zur Feststellung von 
Lahmheiten gelangte. Im Anschluß daran demonstrierte der Vor¬ 
tragende an mehreren Pferden die Applikation und die Wirkung 
der Injektionen. 

Weitere Vorträge wurden wegen vorgerückter Zeit zurtick¬ 
gestellt. Zur Einführung der Fleischbeschau wurden verschiedene 
Fragen vorgebracht, aber beschlossen, die Diskussion abzubrechen 
und den Gegenstand auf die Tagesordnung der Herbstversammlung 
zu setzen, weil bis dahin die Verhältnisse sich mehr geklärt 
haben würden. 

Neu aufgenommen in denVerein wurden: Oberroßarzt a. D. 
Müller-Berlin, Tierarzt Kupffer-Fürstenberg, Tierarzt 
Schubert-Fehrbellin, Tierarzt Baumgarten - Luckenwalde, 
Tierarzt W. Schulz-Bärwalde, Tierarzt Lame he-Oranienburg. 

Ausstellung der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft In Hannover. 

Wie der Verein der beamteten Tierärzte, hat auch der 
Verband der Privattierärzte eine besondere Einladung zur Aus¬ 
stellung nach Hannover erhalten mit dem Ersuchen, die be¬ 
auftragten Repräsentanten namhaft zu machen. Ferner hat der 
Professor Dr. Kaiser dem Vorstand seine Führung durch die 
Tier-Ausstellung zugesagt. 

Milch-Ausstellung in Hamburg. 

Über die Ausstellung wird Dr. Stödter in der B. T. W. 
einen ausführlichen Bericht erstatten, dessen Veröffentlichung 
in der nächsten Nummer beginnen wird. 


Hier sei noch ein ausgezeichneter tierärztlicher Beitrag 
zu dieser Ausstellung rühmend besonders hervorgehoben. 
Allgemeines Aufsehen und Interesse hat die Ausstellung 
unseres Kollegen Professor Happ ich, Dirigenten des hygieni¬ 
schen Institutes des Veterinär-Institutes zu Dorpat-Juijew 
erregt. Dieselbe enthielt namentlich eine selten voll¬ 
ständige und technische vollendete Kulturensammlung der mit 
Milch und Milchprodukten in Beziehung stehenden Bakterien, 
aber — und das war der originelle Gedanke — nicht bloß 
jene Bakterien, deren Anblick den Genuß der Milchprodukte 
verleiden kann, sondern auch namentlich diejenigen, welche 
diese Produkte vorteilhaft beeinflussen und wohlschmeckend 
machen. Diese Ausstellung war daher nicht allein für den 
Hygieniker, sondern speziell für den Milchtechniker und das 
Publikum wertvoll, deren Interesse übrigens auch durch eine von 
Happ ich zusammengebrachte Sammlung alter, Östlicher Milch¬ 
geräte erregt wurde. Professor Happ ich erhielt eine große 
silberne Medaille des Senates und ein Diplom. 

Einladung zur dritten Wanderversammlung des Vereins schlesischer 
Sohlachthoftlerftrzte 

Sonntag, den 7. Juni 1903, zu Oels, Schlesien. 

Sammelort: Weinbandlnng von Otto Beyer, Ring. 

Tagesordnung: 

I. 10V a Uhr: Besichtigung des Schlachthofes. 

II. 11V 3 Uhr: Sitzung im Stadtverordnetensitzungssaal d. Rathauses. 

1. Vortrag des Herrn Dr. Faller, Schlachthoftierarzt in Breslau. 
(Thema Vorbehalten.) 

2. Fleischbeschau. — Freie Diskussion. 

3. Wahl der Delegierten zu der am 20. und 21. Juni d. J. 
in Hannover tagenden Versammlung des „Vereins preuß. 
Schlachthoftierärzte“. 

4. Bestimmung deB nächsten Versammlungsortes. 

UI. l’/a Uhr nachmittags: Gemeinschaftliches Essen im H6tel 

„Goldener Adler“. Gedeck 3 Mark. 

IV. Nach Aufheben der Tafel Wagenfahrt hach Schloß Sibyllen¬ 
ort. Besichtigung desselben. Darauf Abschiedsschoppen im 

Garten der Schloßbrauerei. (Wagen werden gestellt.) 

Zahlreiches Erscheinen erwünscht. Gäste willkommen. Um be¬ 
stimmte Teilnahme-Erklärungen wird bis zum 29. d. Mts. gebeten. 

I. A : HentBcbel-Oels. 


Personalien. 

Ernennungen: Professor Dr. Pusch in Dresden wurde zum Mit¬ 
glied der Kgl. sächsischen Kommission für das Veterinärwesen ernannt. 

Examina: Approbiert wurden in Berlin die Herren Hans Krüger, 
Paul Staamann, Richard Welzel, Alexias Zbiranski; desgl. in 
Gießen Arthur Czerwinski aus Langfuhr bei Danzig. 

In der Armee: Korpsroßarzt Neuse beim Generalkommando des 
XII. Armeekorps, Oberroßarzt Thomas im sächs. Karab.-Rgt. und 
Roßarzt Danielowski vom Feldart.-Rgt. No. 71 sowie Rossarzt d. L. 
Metz (Freiburg i. B.'l der Abschied bewilligt. — Die Einjährig-Frei¬ 
willigen Hans Kratzer, Adolf Wagner und Ernst Küster im Kgl. 
bayer. 1. schweren Reiter-RgL in München wurden zu Einj.-Freiw.- 
Unterveterinären ernannt 


Vakanzen. 

Neu hinzugetreten sind (vgl. No. 19): Bochum: 2. Schlachthof¬ 
tierarzt. 175 M. monatlich. Meldung bis 10. Juni a. d. Magistrat. — 
Halle a. S.: Assistent am Schlachthof. 1800 M. pro Jahr und 
möblierte Dienstwohnung. Meldg. a. d. Direktor Reimers. — 
Hu8um: 2. Tierarzt zum 1. Oktober. 2500 M. Privatpraxis. Meldg. 
bis 1. Juni a. d. Magistrat. — Mehna bei Dobitschen: Privatpraxis. 
Auskunft beim Gemeindevorsteher Schaefer. — Pritzwalde: 
Schlachthausinspektor. 2100—3000 M. und freie Wohnung. Meldg. 
a. d. Magistrat. — Besetzt: Düren, Marklissa. 


Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmaltz in Berlin. — Verlag und Eigentum von Richard Schoetz in Berlin. — Druck von W. BQxenstoin, Berlin. 


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Tierärztliche Wochenschrift 


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Verantwortlicher Redakteur. 


De Bruln 

Dr. Jess 

Kühnau 

Dr. Lothes 

Nevermann 

Prof. Dr. Peter 

Peters 

Profeuor 

KreUtlerarxt 

8eblMbthofdirektor 

DepartemenUUererst 

KreUlierarxt 

Krelatiorarst 

Depariementktierarzt 

Utrecht 

Charlottenburg. 

Cöln. 

Cöln. 

Bremervörde. 

AngermUnde. 

Bromberg. 


Freu886 

Dr. Boeder 

Dr. Schlegel 

Dr. Vogel 

Zünde! 



Veterinäraaieuor 

Profeuor 

Profeuor 

Landea-Inap. f. Tierxacbt Kreiatierarxt 



Danzig. 

Dresden. 

Freibnrg i. Br. 

München. 

MUlhansen i. E. 



Jahrgang 1903. 


Jfä 22. Ausgegeben am 28. Mai. 


I nb a 11: Albrecht: Claudii Hermen Mulomedicina C.hironis. — Bury: „In welcher Lage [impft man Schweine am 
leichtesten?“ I. — Goldberg: Desgl. II. — Raebiger: Bericht Uber die mit Prenzlauer Lorenz-Impfstoffen Im 
Jahre 1902/03 ausgefübrten Rotlauf-Impfungen in der Provinz Sachsen, dem Herzogtum Anhalt und den 
Thüringischen Staaten. — Schmidt: Ein Beitrag zur Identität des Rotlaufs und des Nesselfiebers (Urticaria) 
bei Schweinen. — Lelimann: Periodischer Ösophagismus. — Molthof: Automobilausstellung in Charlottenburg: 
Motorzweiräder. — Krüger: Zum Milzbrand-Nachweis. — Referate: Riddoch: Kontagiöse Mastitis bei Milchkühen. — 
ValI6e: Über die senilen Läsionen des Nervensystems. — Minder: Behandlung des Milzbrandes mit Acidnm carbolicum. —- 
Schimmelpfennig: Über Ascaris megalocephaia. — Mitteilungen aus der Praxis. — Toxikologische Notizen. — Jeß: Wochen¬ 
übersicht über die medizinische Literatur. — Tagesgeschichte: Verschiedenes. — Personalien. — Vakanzen. 


Claudii Hermeri Mulomedicina Chironis. 

Von 

Oskar Albrecht, 

Tierarzt 

Im Jahre 1885 entdeckte der Bibliothekar Wilhelm Meyer, 
jetzt Professor zu Göttingen, ln dem Codex latin. No. 243 der 
Münchener Staatsbibliothek (S. 104 rec.—159 ver.) eine mit 
anderen zusammengebundene lateinische Handschrift eines bisher 
völlig unbekannten tierärztlichen Werkes, das er in einer vor¬ 
läufigen Notiz als eine im 4. Jahrhundert nach Christo gefertigte 
Übersetzung eines griechischen Textes bezeichnet«. Professor 
Eugen Oder in Berlin, dem die veterinär-historische Disciplin 
ausser wertvollen in Wissowas Enzyklopädie gegebenen Anre¬ 
gungen schon eine Arbeit „de Hippiatricomm codice Cantabri- 
giensi“, verdankt und der gegenwärtig eine langentbehrte Neu- 
ansgabe der Hippiatriken vorbereitet, hat nun Ende des Jahres 
1901 die inzwischen fast wieder vergessene Handschrift unter 
Aufwendung des ganzen philologischen Apparates, versehen mit 
reichen Indizes und geschmückt mit einem Faksimile der Seite 
107 v., in handlicher Ansgabe dem philologischen nnd tierärzt¬ 
lichen Publiknm vorgelegt. 

Die Handschrift ist schon in einem Katalog vom Jahre 1582 
als Eigentum der herzoglich bayerischen Bibliothek verzeichnet. 
Ans einer znm Einband verwendeten etwa gleichzeitigen Urkunde, 
die einige Ortschaften ans jener Gegend nnd die Person eines 
Kaplans des Götz von Berlichingen erwähnt, stellte Bibliothekar 
Franz Boll, jetzt Professor in Würzburg, dem wir selbst eine 
mündliche Mitteilnng darüber verdanken, fest, daß sie ans dem 
würzbnrgischen Franken stammt. Vielleicht ist Bie in einem der 
dortigen Klöster niedergeschrieben worden. — Ihre Eingangs¬ 
worte fehlen. Sie ist aber sonst im Ganzen gnt nnd ziemlich 
lückenlos erhalten. Auch die Überschrift fehlt. Aus vier Stellen 
des Textes läßt sich aber als Titel rekonstruieren: Claudii 
Hermeri Mulomedicina Chironis. 

Über die Zeit der Abfassung ergeben sich Anhaltspunkte ans 
Vegetins nnd Pelagonius. Der erstere, dessen „artis veterlnariae 
sen mulomedicinae libri quattuor“ schon dem Titel nach an die 


mulomedicina Chironis erinnern, nennt einen Antor dieses Namens 
nnd die Übereinstimmung ganzer Partien namentlich seines I. nnd VI. 
Bnches mit demselben zeigt, daß er nnseren Chiron als diese 
Quelle verstanden hat. Da er über die unedle Sprache dieses 
Schriftstellers im Gegensatz zn der vornehmen des Pelagonius 
nnd Columella klagt, seine Quellen auch ausdrücklich als 
lateinische bezeichnet, so ergibt sich ferner, daß er ein 
lateinisches Werk gemeint hat, was auch die zahlreichen 
Graecismen, sowie fehlerhafte Übersetzungen ans dem 
Griechischen bestätigen, die er mit jenem gemein hat, daß 
also Vegetins die nns vorliegende lateinische Fassung der 
mulomedicina Chironis als Quelle benutzt hat. Sein Werk giebt 
damit einen terminns ante quem ab. Dieses selbst ist aber, 
nach den neuesten Untersuchungen von Schöner, ans historischen 
Gründen nngefähr auf das Jahr 387 anznsetzen. Andererseits 
hat Pelagonius, der nach Ihm um 350 schrieb, das Werk noch 
nicht gekannt Er bietet also einen terminns post quem nnd 
die mnlomedicina Chironis des Hermerns wäre sonach zwischen 
350 und 387 abgefaßt 

Das ihr zn gründe liegende Originalwerk war jedoch ein 
älteres griechisches, wie Titel nnd Inhalt der nns erhaltenen 
Version direkt nnd indirekt erkennen lassen, wozu noch die 
Nennung einer griechischen chironischen Schrift bei Snidas 
kommt. Andererseits zeigen eine Anzahl von Citaten des 
Vegetins, für die sich die entsprechenden Stellen in dem nns 
jetzt vorliegenden Werk nicht finden, daß anch dieses im Lanf 
der Zeit nach Form und Fassung verderbt and gekürzt worden 
ist. Indes ist es nicht ansgeschlossen, daß sich noch irgendwo 
eine andere, die Münchener ergänzende Handschrift fände, war 
doch nachweislich eine solche um 1700 im Besitz des Nürn¬ 
berger Arztes and Polyhistors Gottfried Thomasias, die seither 
verschollen ist. 


Hermerns, der sich im Text als Veterinär bezeichnet — 
die ältere Bezeichnung mulomedicns nnd die jüngere veterinarins 
Wurden also damals schon promisene gebraucht bis später die 
letztere allein üblich wurde — der Übersetzer nnd Bedaktor 


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350 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 22. 


der Werke des Chiron war nach Oder ein griechischer Frei¬ 
gelassener, der in die gens Claudia aufgenommeh wurde. — 
Unter Chiron versteht Oder einen wirklich diesen Namen tragenden 
alten Tierarzt, der dann seit Suidas mit dem mythischen 
Centauren gleiehen Namens zu einer Persönlichkeit vereinigt 
worden sei. Lommatzsch dagegen und ebenso Wölfflin betrachtet 
das Werk als ein altes Kompendium der Tiermedizin, das sich 
mit dem Namen des berühmten Centauren schmückte. 

Wie dem auch sei, jedenfalls repräsentiert die mulomedicina 
Chironis des Hermerus die älteste umfassendere Quelle gleich¬ 
zeitig für die römische wie die griechische Tiermedizin. Aus 
ihrer sprachlichen Wichtigkeit als Quelle für das Vulgärlatein 
haben die philologischen Fächer schon bisher den größten Nutzen 
gezogen und ihr Wortschatz ist bereits für den von der 
Münchener Akademie der Wissenschaften vorbereiteten neuen 
Thesaurus linguae Latinae „verzettelt“. Die Linguistik hat in 
ihm Wortformen wirklich aufgefunden, die sie als Stammwort 
für einzelne Vokabeln moderner Sprachen hypothetisch statuiert 
hatte, woraus, wie wir hervorheben möchten, nicht nur die 
Berechtigung solcher Aufstellungen seitens der sprach¬ 
vergleichenden Wissenschaft, sondern auch der hierauf sich 
stützenden linguistisch-lexikalischen Haustiergeschichtsforschnng 
bewiesen wird, der ja von manchen Seiten eine ernsthafte 
Bewertung nicht zugestanden werden will. 

Aufgabe der veterinärkistorischen Disciplin wird es nun 
sein, ihre Dankbarkeit für dies königliche Geschenk, das ihr 
die Philologie gemacht hat, dadurch zu betätigen, daß sie bei 
der Erklärung der Realien wacker mithilft und vor den mancherlei 
Schwierigkeiten, die das lateinisch-romanische Idiom nnd zahl¬ 
reiche grammatikalische Willkürlichkeiten allerdings bieten, 
nicht zurückschreckt. Wenn sie dabei auch zunächst in ihrem 
eigenen Interesse handelt, wird doch auch die Philologie dadurch 
Anregungen erhalten. So kann der tierärztliche Leser z. B. ohne 
weiteres feststellen, daß im IX. Kapitel des ersten Buches 
„de laccis in cambis“ von Sprunggelenksgallen die Rede ist. 
Damit ist die Übersetzung „Sprunggelenk“ für das von den 
Philologen nach seiner Bedeutung lang umstrittene Wort 
gamba = camba gesichert und damit die Übersetzung Kretsch¬ 
mers bestätigt, der sich seinerseits gegenüber den Versionen 
„Huf“ und „Fessel“ von Rönsch, Freund u. a. übrigens mit 
Recht auf eine Stelle des Vegetius berief, ans der hervorgeht, 
daß dieses Wort ein dem „Knie“ der Vorderextremität ent¬ 
sprechendes Gelenk sein muß. 

Literatur: 

Claudii Hermen Mulomedicina Chironis edidit Eugenius Oder. 
Lipaiae 1901. 

Meyer im Sitzungsberichte der philologisch-historischen Klasse 
der Münchener Akademie der Wissenschaften 1885. 

Wölfflin im Archiv für lateinische Lexikographie. Band X. u. XII. 3. 
Lommatzsch ebenda. Band XII. 

Schöner, Christoph: Studien zu Vegetius. Erlangen 1888. 
Kretschmer, P.: über spätlateiniscbes gamba im Philologus. 1901. 

„In welcher Lage impft manSchweine am leichtesten?“ 

L 

Von 

Bury-Berent, 

Krelatiorarzt 

Unter dieser Überschrift erschien in No. 17 der B. T. W. 
ein Artikel von Herrn Tierarzt Kunibert Müller aus Guben, 


in welchem er verschiedene, von andern Kollegen empfohlene 
Methoden zur. Bändigung von Schweinen zwecks Impfung einer 
Kritik unterzieht und dieselben als unpraktisch verwirft. Er 
empfiehlt deshalb eine Methode, die er kürzlich kennen gelernt 
hat, aber beim Studium der Literatur „nirgends aufgezeichnet“ 
fand, als die praktischste und bequemste, nämlich den Tieren 
eine Strangschlinge um den Oberkiefer zu legen und dieselbe 
zuzuziehen. 

Zunächst möchte ich den Herrn Kollegen Müller darauf 
aufmerksam machen, daß er uns mit der Beschreibung dieser 
ZwaDgsart nichts Neues erzählt, denn dieselbe ist bereits in der 
B. T. W. (1898, pag. 567) vom Kreistierarzt Dlugay-Filehne 
genau beschrieben und empfohlen worden. Auch ist dieser 
Methode in meinem Artikel in der B. T. W. (1900, pag. 388) 
Erwähnung getan, denn es heißt darin wörtlich: „Das Anlegen 
eines Stranges um den Oberkiefer hinter den Hauern hat sich 
bis dahin alB die beste Art der Bändigung bewährt. Aber auch 
dabei ist es oft recht schwierig, den sich meistenteils sträubenden 
Tieren die Schnauze vermittels des Stranges, an dem sich eine 
Schleife befindet, zu öffnen und durch Zuziehen der Schleife den 
Strang am Oberkiefer zu befestigen.“ 

Diese Methode ist also schon lange vorher bekannt gewesen, 
was ich hiermit nur nebenbei richtig stellen wollte. 

Mit meinen heutigen Zeilen möchte ich jedoch hauptsächlich 
nochmals auf die von mir damals (B. T. W. 1900, pag. 388) 
empfohlene und von Herrn Kollegen Müller als „mindestens 
überflüssig und noch dazu kostspielig“ bezeichnete Michaliksche 
Zange aufmerksam machen. 

Seit 1900 habe ich bei sämtlichen Schweineimpfüngen diese 
Zange gebraucht und kann deshalb über den Wert derselben ein 
auf praktischer Erfahrung beruhendes Urteil abgeben. Das, was 
ich in meinem früheren Artikel (B. T. W. 1900, pag. 388) ge¬ 
sagt habe, nämlich, daß die Zange vor dem Strang den Vorzug 
der leichteren Handhabung und schnelleren Anlegung hat, weil die 
Zangenarme, die in einem nach vorn und einem gebogenen 
Knopf endigen, sich von oben über den Oberkiefer hinter den 
Hauern anlegen lassen, ohne daß das Maul des Tieres geöffnet 
werden braucht, hat sich voll und ganz bestätigt. Mit Hilfe 
von 2 Mann und der Zange konnte ich in kaum 2 Stunden 
250 Schweine verschiedener Größe impfen. Was den Preis der 
Zange anlangt, so ist derselbe für ein so praktisches Instrument 
im Verhältnis zu der Menge von Impfungen, die zur Zeit ein 
jeder Tierarzt auszuführen hat, auch kein allzu hoher. 

Ich kann diese also nur nochmals den Herren Kollegen nnd 
ebenso dem Herrn Kollegen Müller zur praktischen Anwendung 
empfehlen, letzterem deshalb, weil ich nicht weiß, ob sich Herr 
Kollege Müller sein Urteil über die Zweckmäßigkeit der Zange 
bereits auf Grund praktischer Erfahrung gebildet hat. Aus 
seinen Ausführungen geht das nicht hervor. Ist solches jedoch 
der Fall, dann ist allerdings eine öffentliche Kritik über die 
Brauchbarkeit eines seinerzeit den Tierärzten empfohlenen In¬ 
strumentes am Platze gewesen. 

n. 

Von 

Dr. Goldberg-Demmin, 

Roßarzt. 

Kollege K. Müll er-Guben empfiehlt, daß man den Schweinen 
einen Strick um den Oberkiefer legen, diesen fixieren und das 
Schwein hinten von einem zweiten Mann vorschieben lassen solle. 


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28. Mai 1908. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 851 


Tatsächlich ist dieses Verfahren bei sehr großen und heftig 
widerstrebenden Schweinen (Ebern) das zweckmäßigste. In 
ähnlicher Weise kann man auch Pferden flüssige Arzneien ein¬ 
geben, da Zunge und Unterkiefer frei sind, verschlucken sich 
die Tiere nicht und stehen — wie gebremst — viel ruhiger 
als bei jedem anderen Verfahren. Aber es ist für Schweine 
immer umständlich. In den meisten Fällen genügt es hier, ein¬ 
fach das Schwein vorn hochzuheben — zu „setzen“ — Rücken 
des Schweines gegen die Brust des Aufhebers. In den aller¬ 
meisten Fällen genügt ein einziger, eingeübter und kräftiger 
Mann (z. B. der Kutscher des Tierarztes) um selbst schwere 
Schweine vollständig bequem zu halten. 


Bericht Uber die mit Prenzlauer Lorenz-Impfstoffen 
im Jahre 1902/03 ausgeführten Rotlauf-Impfungen 
in der Provinz Sachsen, dem Herzogtum Anhalt 
und den Thüringischen Staaten.*) 

Von 

Tierarzt H. Raeblger-Halle a. S. 

Leiter de« Bakteriologiichon Institut* der LaadwlrUcbaftakatmnor 
für die Provlns Sachten. 

Nach den ausgezeichneten Erfolgen, die im Jahre 1901/02 
(1. April 01 bis 31. März 02) mit den Rotlanfimpfungen erzielt 
worden sind, hat die hiesige Landwirtschaftskammer im Interesse 
der Rotlaufbekämpfung auf meinen Vorschlag hin beschlossen, 
die von der Rotlaufimpfanstalt zu Prenzlau bereits seit dem 
Jahre 1901 gewährleistete Entschädigung für Impfverluste 
ihrerseits auf alle Verluste an Rotlauf innerhalb der 
Schutzzeit von 5bezw. 12 Monaten zu erweitern, sofern 
die Impfangen durch approbierte Tierärzte vorgenommen werden. 
Gleichzeitig ist der Versand der Impfstoffe auf das Herzogtum 
Anhalt und die Thüringischen Staaten ausgedehnt worden. 

Vom 1. April 1902 bis 31. März 1903 wurden 168565 ccm 
Rotlauf-Impfkulturen (gegen 58 500 ccm im Vorjahre) hergestellt 
und 825087 ccm Lorenz-Serum (gegen ca. 350000 ccm im Vor¬ 
jahre) abgefüllt und versandt. 

Es sind demnach, da erfahrungsgemäß im Durchschnitt 
5 ccm Serum auf ein Schwein kommen, im Berichtsjahre etwa 
165000 Impfungen (gegen 70000 der vorjährigen Impfperiode) 
ausgeführt worden. 

Davon entfallen auf die Provinz Sachsen ca. 144860 
Impfungen (724306 ccm Serum, 147555 ccm Kulturen), auf das 
Herzogtum Anhalt ca. 5770 Impfungen (28855 ccm Serum, 
7845 ccm Kulturen) und auf die Thüringischen Staaten ca. 
14380 Impfungen (71926 ccm Serum, 13165 ccm Kulturen). 

Seit Einführung der erweiterten Entschädigungsleistung 
haben sich also die Rotlauf-Impfungen in der Provinz Sachsen 
mehr als verdoppelt und, soweit mir diesbezügl. Ermittelungen 
möglich waren, unter allen preußischen Provinzen die höchste 
Zahl erreicht. 

Von den 165000 Impflingen sind auf Grund der amtlich 
gestellten Diagnose und der bakteriologischen Untersuchung 
42 Stück Schweine = 0,025 Proz. an Rotlauf zu Grunde 
gegangen, nnd zwar an Impfrotlauf 14 Stück, an Rotlauf- 
Endocarditis 9 Stück und an natürlichem Rotlauf trotz der 
Schutzimpfung 19 Stück. Diese Verluste sind sowohl von der 

*) Vergl. den Bericht vom Jahre 1901/02 in No. 20,1902 dieser 
Wochenschrift. 


Rotlauf-Impfanstalt in Prenzlau, als auch von der Landwirt- 
sohaftskammer für die Provinz Sachsen ausnahmslos in voller 
Höhe des von dem betreffenden Impfarzt angegebenen Wertes 
des Impflings entschädigt worden. 

Bei diesen Entschädigungen hat nicht allein der Schlacht-, 
sondern auch der Zuchtwert Berücksichtigung gefunden. 

Außerdem sind aber noch zahlreiche freiwillige Unter¬ 
stützungen gewährt worden, besonders in solchen Fällen, in 
denen es sich darum handelte, das Vertrauen der Landbevölke¬ 
rung zu den Rotlaufimpfungen in Orten zu gewinnen, in denen 
zum erstenmale geimpft worden war. 

Eine weitere Förderung werden die Impfungen durch ein 
soeben erlassenes Rundschreiben der Kammer an die Vorstände 
deijenigen landw. Vereine, in deren Bezirken Eberstationen 
mit staatl. Unterstützung errichtet sind, erfahren. 

Darin wird auf Grund des § 8 der Statuten der Eber- 
verSicherung angeordnet, „daß jeder zur Zucht eingestellte 
Eber, sofern er bei unserer Eberversicherung zur Versicherung 
angemeldet werden soll, innerhalb dreier Tage nach der Ein¬ 
stellung auf die Dauer eines Jahres mit Lorenzschen Impfstoffen 
gegen Rotlauf schutzgeimpft werden muß. Die Impfung der 
bereits eingestellten, bisher ungeimpften Stationseber hat inner¬ 
halb 14 Tagen zu geschehen. Die Impfungen haben durch 
approbierte Tierärzte zu erfolgen.“ 

Für die kommende Impfsaison werden die Herren Kollegen 
gebeten, die Organe (Lungen, Herz, Milz, Nieren und Signierung 
des Impflings) von allen innerhalb 3 Wochen nach der letzten 
Impfhng unter rotlaufverdächtigen Erscheinungen verendeten 
Schweinen, für welche eine Entschädigung beansprucht wird, 
an die Rotlauf-Impfanstalt zu Prenzlau, in allen übrigen Fällen 
an obiges Institut oder nach Belieben an jedes andere, unter 
tierärztlicher Leitung stehende bakteriologische Institut ein- 
zusenden. 

Die Untersuchungen in Prenzlau gestalten sich folgender¬ 
maßen: 

Werden bei der zunächst vorgenommenen mikroskopischen 
Untersuchung keine Rotlanfbazillen nachgewiesen, so werden 
Teile der eingesandten Organe an das Hygienische Institut der 
Tierärztlichen Hochschule zu Berlin weitergegeben. Gleich¬ 
zeitig wird auch die Untersuchung in Prenzlau in Form von 
Kultur- und Tierversuchen fortgeftthrt. Auf Grund der Resultate 
dieser, in völliger Unabhängigkeit von einander stehenden 
Untersuchungen wird alsdann über die Anträge auf Entschädigung 
entschieden. 

Hierher eingesandte Organe werden ebenfalls in aus¬ 
führlichster Weise untersncht: Mikroskopische Untersuchung, 
Kultur- nnd Tierversuche. 

Die Diagnose fremder Institute wird ohne weiteres anerkannt, 
indem beim Nachweis von Rotlauf bazillen der Verlust im vollen 
Werte des Impflings ersetzt wird. 

Ein Beitrag zur Identität des Rotlaufs und des 
Nesselfiebers (Urticaria) bei Schweinen. 

• Von 

H. Schmldt-Königswartha i. Sa. 

prakt TIerarxt. 

Bereits Jensen und Lorenz haben auf bakteriologischem 
Wege den Beweis geliefert, daß die Erreger des Rotlaufs und 
des Nesselfiebers als identisch zu gelten haben. Diese jetzt 


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85» 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 22. 


wohl ziemlich allgemein anerkannte Tatsache möchte ich in 
Folgendem durch einen interessanten Fall ans der Praxis be¬ 
kräftigen. 

In dem Schweinebestande des Gntsbes. N. in C. war bei 
zwei Sauen im September vorigen Jahres der Rotlauf aus¬ 
gebrochen. Es sei mir hier erlaubt nur die Symptome des 
Tieres kurz zu rekapitulieren, welches im vorliegenden Falle in 
Betracht gezogen werden soll. — Es handelt sich um eine 
hochträchtige Sau, deren Körpertemperatur bei meinem erst¬ 
maligen Dortsein am 10. September 41,8° betrug; weiterhin 
äußerte das Tier eine große Schwäche, insbesondere der Nach¬ 
hand und war ohne weiteres zum Aufstehen nicht zu bewegen. 
Außer vollständigem Appetitmangel zeigte das Schwein am Bauch 
und Rücken rundliche, rote Flecke verschiedener Größe, die 
zum Teil konfluierten. 

Die Behandlung bestand in der Injektion von zusammen 
35 ccm Rotlaufserum, welches am 10., 12. und 13. September 
appliziert wurde. 

Am 14. September warf die Sau 8 Ferkel, die dem Besitzer 
als vollständig gesund erschienen. Zu meiner Überraschung 
konnte ich äm 15. feststellen, daß sämtliche 8 Ferkel, jedes 
etwa 2—3 scharf abgegrenzte, rechteckige, blauviolette, etwas 
erhabene Flecke (Begrenzung ca. 1 und 2 cm) akquiriert hatte. 
Es handelte sich offenbar um Nesselfieber. 

Die Rötung des Muttertieres war etwas zurückgegangen; 
es hatte sich dieselbe jetzt mehr auf den Nacken und Vorder¬ 
rücken konzentriert und stellte hier eine dunkelblaurote Fläche 
von etwa 20 cm im Durchmesser dar. Geringe Freßlust war 
wieder vorhanden. Von den Ferkeln erhielt jedes 1 ccm Lymphe 
injiziert; eins ging ein, die übrigen entwickelten sich gut. 

Die gleichmäßig und gleichzeitig aoftretende Erkrankung 
sämtlicher erat einen Tag alter Tiere kann ätiologisch nur 
dahin gedeutet werden, daß eine Infektion bereits intrauterin 
stattgefunden haben muß und daß durch die Serumbehandlung 
des Muttertieres eine Abschwächung der Virulenz der Rotlauf¬ 
bazillen eingetreten ist, welch’ letztere eben nur noch im stände 
waren — die mildere Form des Rotlaufs — das Nesselfieber 
hervorzurufen. 

Über eine eventuelle Infektiosität der Milch sind weitere 
Versuche unterblieben. Soviel muß aber angenommen werden, 
daß die Erkrankung der erst einen Tag alten Ferkel im 
ätiologischen Zusammenhänge- mit der (extrauterinen) Er¬ 
nährung nicht steht, da das Inkubationsstadium des Nesselfiebers 
immerhin mehr als einen Tag betragen dürfte. 

Periodischer Ösophagismus. 

Von 

Dr. Wllfred Lellmann, 

Profeeaor at N. V. Univeralty. 

Braune Traberstute, 7 Jahre alt, zirka 1,55 Meter hoch, 
hatte nach Aussage des Besitzers seit zirka einem halben Jahre 
sehr häufige Anfälle von Erbrechen gezeigt; auch sei das Tier 
stets mehr oder weniger aufgebläht gewesen und habe nach des 
Mannes Meinung an heftiger Kolik gelitten; dabei sei das Tier 
in ungeheure Angst geraten und habe schrille Töne ausgestoßen. — 
Diese Anfälle traten sehr unregelmäßig auf, bisweilen vier- bis 
fünfmal in der Woche; dann wieder blieben sie tagelang aus. 
Sie erschienen meistens von der Mittagsfütterung abhängig, 
zeigten sich indessen auch nachmittags zwischen 4 bis 5 Uhr. 


Meine Untersuchung ergab nicht« Wesentliches, nur daß 
die Stute in schlechtem Ernährungszustände war und offenbar 
an einem katarrhalischen Zustande des Darmes litt. 

Da ich leider niemals der Augenzeuge jener Anfälle war, 
mußte ich mich hauptsächlich auf die Beschreibung des früheren 
Besitzers, welcher nebenbeigesagt die Stute wegen des oben¬ 
erwähnten Zustandes verschenkt hatte, und ebenfalls auf die 
Aussagen des damaligen Verpflegers verlassen. Bemerken will 
ich hier, daß der Mann mir auf mein Befragen eine sehr gute 
Beschreibung dieser Anfälle zu geben imstande war; derselbe 
war ein intelligenter „horseman“. Wie schon oben bemerkt, 
traten die Anfälle zirka eine halbe Stunde nach der Fütterung 
auf. Das Tier hielt den Kopf gestreckt, zur Erde gebeugt und 
entleerte zeitweise große Mengen von Futtermaßen, bisweilen 
bis zu einem halben Eimer voll durch Maul und Nase, dabei 
stieß es schrille Töne aus, große Angst und Schmerzen ver¬ 
ratend. Tympanitis und Atemnot waren meistens Behr aus¬ 
gesprochen; heftiges Scharren mit den Vorderfdßen. Diese An¬ 
fälle dauerten gewöhnlich 1 bis 2 Stunden und verschwanden 
dann. 

Man wäre laut Bericht völlig berechtigt gewesen, sofort an 
eine Schlundstenose oder an ein Schlunddivertikel zu denken, 
aber da das Tier immer einen regen Appetit gezeigt hatte, 
schien mir dies nicht wahrscheinlich. Daher glaubte ich hier 
einen sogenannten Schlundkrampf annehmen zu müssen, da das 
Pferd schon monatelang an diesen Anfällen gelitten und stets 
guten Appetit gezeigt hatte. Ich beschloß deshalb, das Tier 
genau während meiner Anwesenheit zu beobachten. Diese Stute 
wurde nämlich auf einer Farm gehalten, welche ca. 50 km von 
der Stadt gelegen ist; daher der Grund meiner Abwesenheit 
während der oben beschriebenen Anfälle. Da an den Zähnen 
nichts abnormes nachzuweisen war, dachte ich an die Möglichkeit 
von Freikoppen. Leider sollten meine Bemühungen, auszufinden, 
ob das Pferd ein Köpper sei, nicht von positivem Erfolg ge¬ 
krönt sein. 

Ich mußte es deshalb, mich auf die Beschreibung anderer 
Personen verlassend, bei der Vermutung bewenden lassen, daß 
es sich wahrscheinlich um einen Köpper handelte. Die später 
mit Erfolg ausgeführte Operation sollte mich in der Richtigkeit 
meiner Annahme bestärken. 

Ich riet dem Besitzer zur Operation und stellte ihm dabei 
in Aussicht, daß dieselbe vielleicht erfolgreich sein würde, wenn 
nicht, würde ich nichts für meine Bemühungen berechnen. Mein 
Vorschlag wurde angenommen, und die Operation nach Dieckerhoff, 
Durchschneidung der vereinigten m. sterno-thyreoidei und sterno- 
hyoidei gemacht. Innerhalb der drei ersten Wochen nach der 
Operation traten noch zwei leichtere Anfälle auf; damit hörten 
dieselben vollständig auf. Es sind nun über zwei Jahre ver¬ 
flossen und die Stute hat seitdem nie wieder einen Anfall gehabt. 
Sechs Wochen nach der Operation hatte sich der Ernährungs¬ 
zustand so gebessert, daß man das Tier kaum wiedererkannte. 

Es scheint mir, daß es sich hier um einen durch Freikoppen 
erzeugten Schlundkrampf handelte. 

Die wahrscheinliche Richtigkeit meiner Diagnose stützte 
ich auf folgende Punkte: 

1. Die häufigen Anfälle nach der Futterzeit, bisweilen ab¬ 
wechselnd mit Anfällen unabhängig von der Futterzeit. 

2. Der bestehende gute Appetit und das Fehlen anderer 
Symptome. 


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28. Mai 1908. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


853 


3. Das häufige Auftreten von Tympanitis, die zur Annahme 
von Luftab8chlucken berechtigte. 

4. Der augenscheinliche Erfolg der Operation. 

Schließlich will ich nicht vergessen zu erwähnen, daß ich 

auf besonderes Befragen ausfindig machte, daß bei den zwei 
geringeren Anfällen nach der Operation eine Tympanitis sich 
nicht zeigte. Die Geschichte dieses Falles berechtigt wohl zu 
der Annahme, daß das reichliche Erbrechen durch einen Öso¬ 
phagismus hervorgerufen wurde, letzterer dagegen wiederum die 
Folge von Koppen gewesen sein dürfte. Es haben sich von 
verschiedenen Seiten Stimmen erhoben, welche die Durch- 
schneidung der m. thyrioidei m. sterno-thyreoidei und sterao- 
hyoidei für nicht zuverlässig hielten; ob dem so ist, kann ja 
schließlich nur durch eine große Anzahl von Fällen bestimmt 
werden. Ich möchte noch hinzufügen, daß ich die Gelegenheit 
hatte, die Operation bei drei Köppern auszuführen, die infolge 
Luftabschluckens häufig an Kolik erkrankten. In allen drei 
Fällen hat sich die Operation wirksam gezeigt. 


Automobilausstellung in Charlottenburg: 
Motorzweiräder. 

Von 

Molthof, Hohenschönhausen-Berlin, 

Tieramt. 

Ein Besuch der Automobilausstellung in Charlottenburg 
erweckt, was Motorzweiräder anbetrifft, den Anschein, als ob auf 
diesem Gebiet die Zeit des Versuches wohl nahezu vorbei wäre, 
weil bei den ausgestellten Motorzweirädern sich eine größere 
Gleichmäßigkeit in der Form und in der Bauart 
bemerkbar macht. 

Der Motor hat meistens 2 H P und hat bei Rädern mit Hinter¬ 
radantrieb überall gleichmäßig seinen Platz im Rahmen vor 
dem Tretkurbellager aufrechtstehend erhalten. 

Bei vielen Fabrikaten benutzt man sehr praktisch zur Her¬ 
stellung des Gasgemisches erwärmte Luft, indem man die 
Lufteintrittsöffnung des Luftansaugrohrs bis dicht an die Kühl¬ 
rippen des Motors führt; hierdurch streicht die in das Ansaugrohr 
tretende Luft an dem erwärmten Motor vorbei und erwärmt sich. 

Die größere Mehrzahl der Räder ist mit Spritzvergaser aus¬ 
gerüstet Derselbe funktionirt ja sehr gut, ist aber leider bei 
Frostwetter unbrauchbar, da er einfriert; ein großer Übel¬ 
stand für denjenigen, welcher auch bei Frostwetter auf das 
Motorrad angewiesen ist. Es wäre also zu überlegen, ob nicht 
vielleicht Oberflächenvergaser zu wählen wäre, der wie 
z. B. bei Progreß-Charlottenburg gewissermaßen eine Kombination 
von Oberflächen- und Spritzvergaser darstellt und garantiert 
frostfrei ist 

Wenn ich oben bemerkte, daß auf dem Gebiete der Motor¬ 
zweiräder die Zeit des Versuches nahezu vorbei sei, so scheint 
das auch für die Zündung zuzutreffen, indem jetzt die magnet¬ 
elektrische Zündung, welcher ich schon in meinem Artikel 
über Motorzweiräder in No. 38 der B. T. W. vorigen Jahrganges 
den Vorzug gegeben habe, mehr in den Vordergrund tritt. 
Denn eine größere Anzahl von bekannten Firmen, welche bis 
vor kurzer Zeit nur Indnktionszündung für ihre Räder bauten, 
wie Brennabor, Neckarsulm, Dürrkop, Expreß, Rinne-Hamburg 
etc., haben jetzt ihre Räder zum Teil nur mit magnetelektrischer 
Zündung, zum Teil je nach Wunsch mit magnetelektrischer oder 


Induktionszündung ausgestattet, nach meinem Dafürhalten eine 
Tatsache, welche zu Gunsten ersterer Zündart spricht. In einer 
der letzten Nummern der Rad-Welt wird bei einer Besprechung 
der Motorzweiräder über Zündung geschrieben: 

„Die neuen Konstruktionen der Motorzweiräder zeigen durch¬ 
weg das Streben nach Vereinfachung; doch möchten wir hervor¬ 
heben, daß beztigl. der Zündung, also der Erzeugung des zur 
Zündung der Benzingase erforderlichen Stromes diesem Streben 
nach Vereinfachung noch nicht in vollem Maße Rechnung ge¬ 
tragen wird. Dem Laien wird die Zündung mittelst Elementen 
resp. Batterien öfters Schwierigkeiten bieten, ganz abgesehen 
von dem teuren Betrieb gegenüber magnetelektrischer Zündung; 
und diese letztere Art der Zündung möchten wir als das 
Geeignetste resp. Wünschenswerte zwecks Erzeugung des 
elektrischen Stromes bezeichnen.“ 

Zu der Frage, ob Vorderrad- oder Hinterradantrieb, möchte 
ich noch bemerken, daß Vorderradantrieb zu empfehlen ist für 
Gegenden mit schlechten Wegen und geringen Steigungen, 
Hinterradantrieb für bergige Gegenden. Ein allzugroßer Unter¬ 
schied zwischen beiden existiert nicht mehr; denn mit der jetzt 
allgemein (wie oben beschrieben) eingeführten Plazierung des 
Motors ist auch der Schwerpunkt an die tiefste Stelle des Rades 
gelegt, was ein Gleiten und Rutschen des Hinterrades, wenn 
auch nicht in dem Maße wie bei Vorderradantrieb, möglichst 
verhindert. Mit Ausnahme weniger Firmen, wie Cudell, Adler etc., 
welche breite Riemen verwenden, haben alle Räder jetzt ge¬ 
drehte Riemenschnuren. Dieselben haben den Vorteil, daß sie 
sich mittelst einiger Drehungen sehr schnell nachspannen lassen. 

Die Preise der einzelnen Fabrikate schwanken zwischen 
600—800 Mark. 

Im übrigen wäre bei der Wahl eines Motorfahrzeuges, ob 
Wagen oder Zweirad, der Grundsatz zu berücksichtigen: Je 
einfacher, desto besser. 


Zum Milzbrand-Nachweis. 

Entgegnung auf eine „Faktische.“ 

Von 

Krüger-Schroda, 

Kreiltierarzt. 

In No. 20 dieser Wochenschrift ist eine „faktische Berich¬ 
tigung“ des Herrn Kreistierarztes Dr. Kamp mann aus Posen zu 
meinem Artikel „zur Nachprüfung der Milzbranddiagnose in 
No. 9 der B. T. W. erschienen und ist darin dem Bedauern 
Ausdruck gegeben, daß ich eine Bemerkung aus einem Vortrag 
des ersten Assistenten an einem ärztlichen hygienischen Institute 
falsch verstanden habe und zu unrichtigen Schlüssen gekommen sei. 

Von dem Sachverhalt, wie ihn Herr Dr. Kampmann gibt, 
nehme ich gerne Kenntnis. Wenn er von mir in No. 9 nicht 
richtig geschildert ist, so liegt das nicht an mir, sondern an 
den Ausführungen, die in jener Versammlung der Herr Assistent 
machte. — Der Wortlaut derselben läßt sich jetzt nach 5 Monaten 
wohl kaum feststellen; indes war Herr Dr. Kampmann so liebens¬ 
würdig, bereits in einer in den ersten Tagen des April statt¬ 
gefundenen Versammlung von Kreistierärzten, die auch bei jenem 
Vortrag zugegen gewesen sind, mir anzukündigen, daß er in 
bezug auf die fraglichen Ausführungen meines Artikels eine 
Berichtigung in der B. T. W. erscheinen lassen werde. Schon 
damals konnten nun die sämtlichen anwesenden Kreistierärzte 
— A ich glaube, es waren 10, — Herrn Dr. Kampmann und mir 


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354 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 22. 


bestätigen, daß meine bezüglichen Ausführungen genau das 
wiedergeben, was auch sie von dem Herrn Assistenten gehört 
hatten. 

Der Herr Assistent konnte auch sehr wohl das ausführen, 
was ich geschrieben. Denn das geht doch auch aus den Aus¬ 
führungen des Herrn Dr. Kamp mann hervor, daß er auf Grund 
des klinischen, apoplektiformen Verlaufs unmittelbar nach Be¬ 
endigung der Sektion dem Besitzer eröffnet haben muß (§12 
des Reichsviehseuchengesetzes und § 38 der Anweisung für das 
Obduktionsverfahren), daß Milzbrand oder Milzbrandverdacht 
vorlag, denn sonst hätte doch jener Herr keine Veranlassung 
nehmen können, Blutproben dieser Kuh an die agrikultur¬ 
chemische Untersuchungsstation der Landwirtschaftskammer und 
an einen Militärtierarzt in Posen zu senden. Er tat dieses doch 
nur, weil er die Diagnose des Kreistierarztes bezweifelte. 

Der von mir gezogene Schluß, daß erBt durch umständliche 
Impfversuche etc. die Diagnose des Kreistierarztes bestätigt 
wurde, trifft auch nach den Darlegungen des Herrn Dr. Kamp- 
mann zu. Die bakteriologische Untersuchung hat keinen Irrtum 
des Kreistierarztes erwiesen. Und darauf kommt es doch in 
praxi an. 

Andere Schlüsse habe ich nicht gezogen. 

In bezug auf die sonstigen Ausführungen meines Artikels 
in Nr. 9 ist die Episode aus dem hygienischen Institut ziemlich 
belanglos. Wenn es nach den Darlegungen des Herrn Dr. Kamp¬ 
mann ein Novum ist, daß bei den apoplektiform verlaufenden 
Fällen nicht nur die charakteristischen pathologisch-anatomischen 
Erscheinungen fehlen können (cfr. Friedberger-Fröhner 

I. Aufl. H. Bd. S. 577), sondern auch — in der Annahme, daß 
die Sektion zur Winterzeit bald nach dem Tode des Tieres 
vorgenommen — die Milzbrandbazillen, sodaß die Kuh nicht 
durch Sauerstoffentziehung seitens der spärlichen Bazillen oder 
durch mechanische Kapillarverstopfung oder durch Milzbrand¬ 
alkaloide, sondern an etwas anderem zu Grunde gegangen, so 
wird doch gerade durch die neueste Literatur bewiesen, daß 
die Diagnose des Kreistierarztes, die er auf Grund des klinischen 
Verlaufes, der Bodengeschichte, des pathologisch-anatomischen 
Befundes und der sofort vorgenommenen mikroskopischen Unter¬ 
suchung stellt, oft sicherer ist (cfr. Mehrdorf und Preuße 
aus Bermbechs Mitteilungen aus den Jahresveterinärberichten 

II. Jahrg.) als die bakteriologische Untersuchung in einem 
Institut, sei dieses von Ärzten, Tierärzten oder Agrikultur. 
Chemikern geleitet. Ja, Professor Dr. Malkmus spricht es in 
der vorletzten Nummer der Deutschen tierärztlichen Wochenschrift 
S. 178 gerade aus, daß die Untersuchungsergebnisse aus einem 
namhaft gemachten bakteriologischen Institut als außerordent¬ 
lich zweifelhaft zu bezeichnen sind, und daß wahrscheinlich 
vielen Landwirten dadurch Unrecht geschehen ist, daß die Ent¬ 
schädigung der vom Kreistierarzt als milzbrandkrank bezeichneten 
Tiere versagt wurde. 

So möchte ich insbesondere auf einen Versuch hinweisen, 
den der Kreistierarzt Dr. Fischoeder aus Königsberg im 
hygienischen Instiut der tierärztlichen Hochschule zu Berlin 
im Mai vorigen Jahres angestellt hat, über den er im I. Heft 
des Jahrganges I (1903) der Fortschritte der Veterinär-Hygiene 
S. 26 berichtete. 

Es wurde ein Schaf mit Milzbrand geimpft. Dieses Schaf 
verendete 52 Stunden nach der Impfung. Unmittelbar nach dem 
Tode wurde durch die mikroskopische Untersuchung des Blutes, 


durch Impfung und durch Plattenkulturverfahren festgestellt, 
daß im Blute des Schafes sich Milzbrandbazillen befanden. Die 
44 Stunden nach dem Tode des Schafes vorgenommene Sektion 
ergab das anatomische Bild des Milzbrandes. Da der Kadaver 
bis dahin in einem geheizten Zimmer bei 20 0 C aufbewahrt 
worden war, war die Fäulnis weit vorgeschritten. 

3 Tage nach dem Tode des Schafes, 14 Stunden nach der 
Sektion des Tieres und nach geschehener Verpackung waren im 
Herzblut, das auf Objektträger aufgetragen war, weder bei der 
mikroskopischen Untersuchung noch durch Impfung Milzbrand¬ 
bazillen nachzuweisen; war das Herzblut auf Objektträger ge¬ 
strichen, so konnten die Milzbrandbazillen auch nicht durch das 
Plattenverfahren nachgewiesen werden, wohl aber, wenn das 
Herzblut in Tuben aufbewahrt war. 

Im Halsvenenblut, das auf Objektträger gestrichen war, 
konnten die Milzbrandbazillen durch das Plattenverfahren noch 
am 4. Tage nach dem Tode, zwei Tage nach der Sektion des 
Schafes nachgewiesen werden, wogegen dieses nicht mehr gelang, 
wenn es in Tuben aufbewahrt war. 

Bei der Milz und bei der Lunge ergab das Plattenverfahren 
schon 44 Stunden nach dem Tode ein negatives Resultat. 

Schon aus diesem Versuch erhellt, auf wie schwachen Füßen 
bisher die bakteriologische Nachprüfung gestanden hat 
bezw. wie unzuverlässig sie war. 

Bei der Nachprüfung wurde bisher in erster Linie auf den 
Tierversuch Wert gelegt, der, wie zahlreiche neuere Beob¬ 
achtungen zeigen, bei faulendem Blute oft völlig versagt, während 
das Plattenkulturverfahren noch positive Resultate ergibt 
(cfr. Augstein aus Bermbechs Veröffentlichungen aus den 
Jahresveterinärberichten, 2. Jahrg.). 

Dieses letztere Verfahren, auf dessen Vorzug vor der 
Impfung Fränkel und Bongert hingewiesen haben, wird erst 
in neuester Zeit geübt, und man wird erst abwarten müssen, 
ob nicht auch dieses versagt. 

Ferner wurden und werden zur Nachprüfung Milzstückchen 
eingefordert, bei denen der Nachweis der Milzbrandbazillen 
selbst bei dem Plattenverfahren schon 44 Stunden nach dem 
Tode eines Schafes, noch weniger vielleicht eines Rindes, nicht 
mehr möglich war. 

Schließlich treffen die Blutproben mitunter erst 6—9 Tage 
nach dem Tode des Tieres im Laboratorium ein (cfr. Fischoeder 
in den Fortschritten der Veterinär-Hygiene S. 12—14). 

Diese und andere Bedenken gegen die bakteriologische 
Nachprüfung haben die Herren Minister des Innern und der Land¬ 
wirtschaft bestimmt, ihre Genehmigung zu Reglement« der 
Provinziallandtage von Westpreußen und Schleswig-Holstein 
zu versagen, welche die Gewährung einer Entschädigung davon 
abhängig machten, daß das Vorhandensein von Milzbrand durch 
bakteriologische Untersuchung festgestellt wird. Der Inhalt 
der Ministerialentscheidung, der von der deutschen tierärztlichen 
Wochenschrift bekannt gegeben ist, wird auch die Leser dieser 
Zeitung interessieren. Er führt folgendes aus: Der Milzbrand 
wird zwar durch die bakteriologische Untersuchung in den 
weitaus meisten Fällen festgestellt, unter Umständen versage 
jedoch diese Methode, da die Bazillen schon vor der Untersuchung 
in dem Kadaver zu gründe gegangen sein können. Die Versuche 
an der Berliner Tierärztlichen Hochschule haben ergeben, daß 
derartige Fälle der Nichtnachweisbarkeit der Bazillen in 
dem Milzbrandkadaver nicht so selten vorkämen, wie man 


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28. Mai 1908. 


früher anzunehmen geneigt gewesen sei. Würde also die Ge¬ 
währung der Entschädigung allein von dem Ergebnisse der 
bakteriologischen Untersuchung abhängig gemacht, so würden 
dadurch in manchen Fällen Viehbesitzer geschädigt werden 
können. Ferner aber würde darunter ohne Grund das An¬ 
sehen und die Berufsfreudigkeit der beamteten Tier¬ 
ärzteleiden, deren sie nicht nur im königlichen Dienste, 
sondern auch in der Privatpraxis, auf deren Ertrag 
sie zum Teil angewiesen seien, bedürfen. 

Nach Ansicht der technischen Deputation für das Veterinär- 
wesen lasse sich, wenn ein ausführlicher Bericht über die 
begleitenden Umstände und den Obduktionsbefund vorliegt, mit 
hinreichender Gewissheit beurteilen, ob Umstände vorliegen, die 
den Untergang der Bacillen zur Folge gehabt haben. Das Ver¬ 
fahren bei der Nachprüfung sei deshalb, um die Genehmigung 
der Minister finden zu können, so zu gestalten, daß demnächst 
das von dem obduzierenden Tierarzt eingesandte Material 
bakteriologisch untersucht wird. Sofern diese Untersuchung 
negativ ausfalle, dürfe indes die Entschädigung noch nicht 
abgelehnt werden; es müsse alsdann vielmehr der Obduktions¬ 
befund geprüft werden. Gäbe dieser inbetreff der Milz¬ 
branddiagnose zu keinen Bedenken Anlaß, so sei endlich zu 
prüfen, ob der Untergang der Bacillen oder deren Nicht¬ 
nachweisbarkeit aus den begleitenden Umständen er¬ 
klärlich sei. Trifft dies zu, so dürfe trotz des negativen 
Ausfalles der bakteriologischen Untersuchung die Entschädigung 
nicht versagt werden. 

Uber die Ausführung der bakteriologischen Untersuchung 
werden von der technischen Deputation für das Veterinärwesen 
Vorschriften ausgearbeitet werden, welche dem Provinzialaus¬ 
schuß zum Anhalt dienen sollen. . . .“ 

Aus diesem Erlaß werden die KreiBtierärzte mit Befriedigung 
ersehen, daß die Herren Minister unter den Gründen gegen die 
lediglich bakteriologische Nachprüfung auch den angeben, daß 
das Ansehen und die BerufBfreudigkeit der Kreistierärzte ohne 
Grund leiden würde. 

Wir dürfen auch hoffen, daß unser Interesse gewahrt wird, 
so daß wir nicht nur Probenehmer sein werden, sondern daß 
die Entscheidung, ob Milzbrand oder nicht, im Wesentlichen 
in unsere Hände gelegt sein wird. 

Indeß dürfen wir erwarten, daß die eventuelle Nachprüfung 
eine staatliche werde, ferner daß nicht etwa Kommunalverbände 
zu bestimmen haben, Was veterinärpolizeilich als Milzbrand zu 
behandeln ist. Für die im Interesse der Provinzialverbände zu 
leistende Arbeit wie Abschätzung etc. müssen wir entschädigt 
werden. 

Nach Bekanntgabe der von der technischen Deputation 
auszuarbeitenden Vorschriften will ich auf die Frage zurück¬ 
kommen und dabei auch die Entgegnung des Herrn Professors 
Dr. Schmaltz in No. 10 auf meine Ausführungen in No. 9 
beleuchten. Immerhin möchte ich schon heute darauf hinweisen, 
daß die Annahme von Herrn Professor Schmaltz in der No. 9, 
daß die Fähigkeit der Kreistierärzte den Milzbrand festzustellen 
nicht bezweifelt wird (S. 132), sondern daß der alleinige Grund 
für die Stellung der Provinzialverwaltungen*) der ist, daß sie 

*) Der Herr Autor übersieht, daß ich in dem Artikel pg. 132 
lediglich von den Ansichten und Absichten des Ministeriums ge¬ 
sprochen habe, nicht aber von den Provinzialverwaltungen, deren 
Ansichten uns kalt lassen können. Schmaltz. 


355 


annehmen, der Kreistierarzt nehme, so weit als möglich, das 
Interesse des Einzelnen wahr (S. 131), durch alleijüngste Ver¬ 
öffentlichungen drastisch beleuchtet wird. In der deutschen 
tierärztlichen Wochenschrift 1903 No. 15 S. 137 wird eine 
Stelle aus dem Verwaltungsbericht der Provinz X. für 1899 
(Landtagswerk für 1900 S. 46) wiedergegeben, an der es 
heißt: „Der mit der bakteriologischen Untersuchung betraute 
Sachverständige war seiner Aufgabe nicht gewachsen, so daß 
erst nach Anstellung eines anderen Sachverständigen die 
bakteriologische Prüfung zuverlässigere Ergebnisse aufwies.“ 

Der erste Sachverständige war nun nach der D. T. W. 
No. 19 S. 179 ein Departementstierarzt, der zweite ein jenem 
nachgeordneter Kreistierarzt. Also sogar Departementstier¬ 
ärzte werden für nicht ausreichend vorgebildet erachtet. 

Auf die Ausführungen des Herrn Dr. Kempmann, in bezug 
auf die Nachprüfungen im Kgl. hygienischen Institut in Posen, 
will ich nicht näher eingehen. Ich gebe gern zu, daß der 
zeitige Direktor desselben uns Tierärzten ein außerordentlich 
liebenswürdiges Entgegenkommen zeigt. Aber, abgesehen da¬ 
von, daß der Direktorposten in Zukunft von einem anders ge¬ 
sinnten Herrn eingenommen werden kann, daß die bakterio¬ 
logische Feststellung nicht allein entscheidend sein darf, son¬ 
dern, daß sie mindestens Rücksicht nehmen muß auf den Sek¬ 
tionsbefund, der nur von Tierärzten geprüft werden kann, gilt 
für das Institut das Wort, das Herr Professor Schmaltz auf 
S. 131 Sp. 2 Jahrg. 1903 der B. T. W. geschrieben hat. 

Eine tierhygienische Abteilung unter selbständiger Leitung 
eines Tierarztes ist für den ärztlichen Direktor ohne Bedeutung. 
Der Direktor will die bakteriologische Untersuchung in seinem 
Institut vorgenommen wissen, weil er Material zu Forschungen 
haben möchte. Ist er ohne Einfluß auf den Gang der For¬ 
schung, so bildet die Abteilung nur ein für ihn selbst wert¬ 
loses Appendix, das Raum wegnimmt. Im übrigen ist der Zweck 
der bakteriologischen Untersuchung von Milzbrandfällen mehr 
von praktischer als von wissenschaftlicher Bedeutung. 

Referate. 

Kontagiöse Mastitis bei Milchkühen. 

Von John Riddoch, E. R. C. V. S. 

(Journal of Comp. Patb. and Therap. Vol. XV, H. 4.) 

Verf. berichtet über einen Ausbruch dieser Krankheit in 
einem Bestand von 26 Kühen in der Nachbarschaft von Edin- 
burg. Die Einschleppung erfolgte durch eine englische Kuh, 
welche am 26. August angekauft worden war. Am zweiten 
Tage nach der Einstellung dieser Kuh erwies sich das Gesamt- 
gemelk aus dem Bestand in seiner Qualität verändert. Die 
nähere Untersuchung ergab, daß die Milch der neuen Kuh eine 
fehlerhafte Beschaffenheit hatte. Die Kuh wurde daraufhin drei 
Wochen separiert und als sich nach dieser Zeit ihre Milch noch 
nicht gebessert hatte, geschlachtet. Mittlerweile stellte sich heraus, 
daß die Eutererkrankung auf andere Kühe übergegangen war, 
und am 20. September waren bereits acht Stück affiziert. Die¬ 
selben standen alle benachbart im Stalle. Das Allgemeinbefinden 
war nicht wesentlich gestört. Die Euter zeigten eine diffuse 
Anschwellung und fühlten sich vermehrt warm an. Die Krank¬ 
heit schien an der Basis der Striche zu beginnen und verbreitete 
sich rapid über das ganze Euter. Die Verbreitung derselben 
von Kuh zu Kuh war zweifellos durch die Hände der 
Melker erfolgt. In dem mikroskopisch untersuchten Sekret der 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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356 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 22. 


kranken Dräsen fanden sich unzählige Streptokokken, die in 
Agar bei 37° C and in Gelatine bei 22° C wachsen (besser an 
der Oberfläche als in der Tiefe der Nährsubstanzen) and die 
Anilinfarben leicht annahmen. 

Zar Tilgung dieser Beuchenhaften Eaterentztindung ging 
der Molkereibesitzer radikal vor, indem er die erkrankten Kühe 
abschlachtete. Der gesunde Restbestand wurde eine Zeitlang 
auf die Weide geschickt, damit der Stall gründlich gereinigt und 
desinfiziert werden konute. Weitere Erkrankungen sind hier¬ 
nach nicht mehr vorgekommen. 

Ein bemerkenswerter Ausbruch von kontagiöser 
Mastitis bei Kühen auf einer Farm in Sussex wird an 
der gleichen Stelle von C. Radway U. R. C. V. S. berichtet. 
Die Euterentzündung wurde von zwei frisch angekauften Kühen 
in den Bestand eingeschleppt und machte sich zunächst nicht 
augenfällig bemerkbar. Wie im vorher beschriebenen Falle 
wurde der Besitzer erst aufmerksam durch die Beschwerden 
des Milchpächters, daß sich die Milch schlecht halte und einen 
abnormen Geruch habe. 

Bei Entnahme von Milchproben aus den Eutern der beiden 
neu eingestellten Kühe ergab sich, daß dieselben sehr kleine Kasein¬ 
gerinnsel enthielten, etwas bläulich gefärbt waren und mehr 
oder weniger wässerige Beschaffenheit hatten. Veränderungen 
der Euter waren zunächst nicht nachzuweisen. Obwohl diese 
Kühe nunmehr vom Bestände getrennt wurden, hörten die Aus¬ 
stellungen des Milchpächters nicht auf, sodaß die ganze Herde 
untersucht werden mußte. Das Ergebnis war, daß noch 14 
andere Kühe aus einem oder mehreren Eutervierteln gerinnsel¬ 
haltige Milch gaben. Die von jetzt ab häufig wiederholten 
Untersuchungen förderten jedesmal neue Fälle zu Tage. Prof. 
M’Fadyean wies in den Milchproben große Mengen von Strepto¬ 
kokken nach. Die Inkubationsdauer der Krankheit belief sich 
auf 6—12 Tage. Die angewendeten Heilmittel hatten geringen 
Erfolg und der Besitzer des Bestandes mußte sich entschließen, 
den ganzen Bestand dem Schlächter zu überliefern und nach 
der Desinfektion der Stallungen andere Kühe anzuschaffen. 

Peter. 

Über die senilen Läsionen des Nervensystems. 

Von Vallöe-Alfort 

(Rcvne gönerale de m6d. v6t. Febr. 1003.) 

Verf. hat festzustellen gesucht, ob zwischen den senilen Ver¬ 
änderungen des Nervensystems und den Neurophagien, welche 
bei infolge Tollwut eingegangenen Tieren konstatiert wurden, 
Analogien bestehen. 

Die Untersuchung der plexiformen Ganglien von 35 jungen 
und erwachsenen an diversen Krankheiten eingegangenen Hunden 
ließ die beim Menschen festgestellten neurophagischen Läsionen 
nicht nachweisen. 

* 

Verf. hat hierauf die plexiformen Ganglien von 30 wegen 
Altersschwäche oder Unheilbarkeit getöteten alten Hunden 
untersucht. Bei der Mehrzahl dieser Tiere waren einzelne 
Nervenzellen ganz zerstört und es füllten Leukocyten die 
endotheliale Kapsel aus. Andere Zellen haben ihre chroma- 
tophilen Elemente verloren, sie sind von einem Kranz von 
Makrophagen umgeben, welche sich bisweilen im Protoplasma der 
Nervenzelle vorfinden lassen. Das Gerüst der Ganglien selbst ist 
mit zahlreichen, stellenweise zu Haufen vereinigten Lymphzellen 
durchsetzt. Diese neurophagischen Läsionen schreibt Verf. einer 
normalen Phagocytose der Nervenelemente beim älteren Tiere 


zu. Interessant ist, daß diese senilen Läsionen den Ver¬ 
änderungen täuschend ähnlich sind, welche in den plexiformen 
Ganglien der vor Ausgang der Krankheit getöteten tollwut- 
kranken Hunde gefunden werden, welchen Veränderungen eine 
diagnostische Bedeutung zugeschrieben wurde. Zündel. 

Behandlung des Milzbrandes mit Acidum carbolicum. 

Von Kreistierarzt A. Min der Ins (Bern). 

(Schweizer Archiv fOr Tierheilk. XLIV. Band, 6. Heft.) 

Verfasser hat in einem Milzbrandgehöfb, als wiederum ein 
Fall von Milzbrand sich ereignet hatte, bei einer Anzahl von 
Rindern, sobald dieselben durch Ansteigen der täglich viermal 
gemessenen Körpertemperatur die ersten Krankheitssymptome 
bekundeten und die Diagnose Milzbrand ergab, als Heilmittel 
nach den Angaben von Prof. Dr. Heß in Bern ausschließlich 
Karbolsäure benutzt und bei 11 erkrankten Tieren 
gute Erfolge gehabt. 

Die Anwendung der Karbolsäure geschah in Form einer 
mit lauwarmem Wasser bereiteten V 2 -prozent. Lösung, von der 
den erkrankten und gewöhnlich stark fiebernden Tieren je nach 
Umständen und Gefahr alle V 4 —4 Stunden je 1—2 Liter per os 
gegeben wurde. 

Die Verabreichung großer Mengen von Karbolsäure kann, 
wie auch Heß nachgewiesen hat, ohne jegliche Gefahr einer 
Vergiftung vorgenommen werden. Rumination wie Verdauung 
werden nicht im geringsten gestört und die Ausscheidung der 
Karbolsäure geschieht sehr rasch durch den Harn. 

Franke. 

Über Ascaris megalocephala. 

Von Kreistierarzt Dr. Schimmelpfennig. 

(Archiv f. w. u. p. T., ». B, 8. u. 4. H.) 

ln seiner Arbeit über Ascaris megalocephala, sonst zoo¬ 
logischen und chemischen Charakters, umschreibt Schimmel¬ 
pfennig die dem Wirt aus der Beherbergung von Eingeweide¬ 
würmern erwachsenden Schädigungen ungefähr dahin, daß ihm 
durch die Digestion gewonnene Nährstoffe vorweg genommen 
werden, die sezernierende und resorbierende Funktion des okku¬ 
pierten Teiles der Darmschleimhaut aufgehoben, diese selbst 
arrodiert, in katarrhalischen Zustand versetzt, ihrer Resistenz 
gegenüber den Darmbakterien beraubt und in eine Wundfläche 
verwandelt werde, auf die gewisse Helminthen toxische Stoff¬ 
wechselprodukte ergießen, die durch dieses Atrium in den Kreis¬ 
lauf gelangen und cerebrale Reizungserscheinnngen etc. aus- 
lösen können. Auch durch Darmperforätion mit konsekutiver 
Peritonitis und Darmverschluß können sie gefährlich werden. 
Ascaris megalocephala im besonderen schädigt den Wirt 
außerdem noch dadurch, daß sie, wie Verfasser histologisch, 
chemisch, spektralanalytisch nachweist, direkt als Blut¬ 
sauger wirkt. — Verfasser erinnert auch daran, daß für die 
diagnostische Feststellung nicht nur die intermittierende Kolik, 
die Kachexie und Anämie der Tiere, sondern noch das Auf¬ 
treten von Askarideneiern and Cbarcotschen Kristallen in 
den Fäces von Wichtigkeit sei, daß ferner mit Askariden behafteten 
Kälbern häufig ein spezifischer, verminöser Geruch aus dem 
Maule entströme, da die Askariden stark riechende Stoffe ent¬ 
halten, welcher Geruch sich auch am Fleisch der Tiere bemerk¬ 
bar macht. — (Zu des Verfassers historischen Notizen wäre 
zu bemerken, daß die Eingeweidewürmer nicht in den Hip- 
piatriken erstmals erwähnt, sondern schon von den Ägyptern 
genannt werden. Auch wäre vor Vegetius wenigstens noch 


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28. Mai 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 357 


Aristoteles anzuführen; zwischen Vegetins und Göze aber 
wären zahlreiche mittelalterliche, z. B. mittelniederdeutsche 
Quellen nachweisbar gewesen.) 0. Albrecht. 

Mitteilungen aus der Praxis. 

Au» der Zeitschrift für Veterinärkunde. 

Teer (bei Aktinomykose). 

So vorzäglich sich die Behandlung mit Jodkalium auch be¬ 
währt, so haftet derselben doch der in der Praxis nicht zu 
unterschätzende Fehler an, dass sie namentlich für den kleinen 
Mann zu teuer ist. Rossarzt Kr am eil empfiehlt ein ein¬ 
facheres und billigeres Verfahren, die Behandlung mit Holzteer. 
Derselbe wird vorher etwas angewärmt und mit einer Bärste 
einen um den anderen Tag auf die Geschwulst aufgetragen. 
Ist schon Perforation eingetreten, so wird ein mit Werg um¬ 
wickelter Stock in Teer getaucht und dann drehend in die 
Fistelöffnung eingeführt. Kram eil behandelt in dieser Weise 
auch Kieferaktinomykome und sah selbst hochgradige Aktino¬ 
mykose in der Parotisgegend dabei so weit zurückgehen, daß 
die Tiere noch jahrelang mit Nutzen verwertet werden 
konnten. 

Krfkotomle. 

Oberroßarzt Petersen-Mecklenhorst berichtet über diese 
selten ausgefährte Operation. In No. 9 Jahrgang 1902 der 
Deutschen tierärztlichen Wochenschrift befindet sich eine Mit¬ 
teilung von Professor Frick, dass Blanchard durch Spaltung 
des Ringknorpels bei 15 Kehlkopfpfeifern 7mal Heilung erzielt 
hat. Dadurch veranlaßt hat PeterBen die Operation bei 
7 Remonten vom Ankauf 1901 ausgeführt. Das Tier wird 
niedergelegt, der Kopf energisch gestreckt Unter antiseptischen 
Kautelen wird dann die Haut, der Halsmuskel und der vereinigte 
Schulter- und Brustzungenbeinmuskel genau in der Mittellinie 
durchtrennt, um möglichst eine Blutung zu verhüten. Durch 
Auseinanderhalten der Wundränder tritt dann der Ringknorpel 
zu Tage, der durch einen Schnitt gespalten wird. Nach der 
Spaltung wird die Wunde mit Thioform bepudert und mit 
einigen Nähten geschlossen. Heilung erfolgt meist per primam. 

Von den operierten 7 Pferden wurden 3 geheilt, 
2 gebessert und 2 Bind noch Rohrer in demselben Grade 
geblieben. Der Grad des Leidens war für den Erfolg nicht ent¬ 
scheidend; unter den Geheilten befindet sich ein Tier, das beim 
Aufstehen, Mistabsetzen und Niederlegen stets laut rohrte. 
Der Erfolg war bereits am folgenden Tage festzustellen. Ob 
derselbe von Dauer sein wird, muß die Erfahrung lehren. — 
Statt Spalten des Knorpels dürfte es sich empfehlen, ein Stück 
aus dem Ringknorpel zu entfernen. Nevermann. 

Toxikologische Notizen. 

Taxus Baooata 

von Graham-Gittam. 

Joum. of comp. Path. 15, 3. 

hatte wahrscheinlich den Tod eines Pfauhahns und eines 
Schweines verursacht, welche vermutlich von den im Garten 
abgescbnittenen und in einer Ecke desselben angehäuften Taxus- 
zweigen gefressen hatten. 

Der Kropf des Pfaues enthielt eine Quantität harter, 
trockener, schnitzelartiger Ingesta. Das Gewebe des Kropfes 
hatte eine tiefgrüne Farbe. 

Die Organe des Schweines waren mit Ausnahme des Herzens 
und Magens normal. Das Herz war mit Echymosen besetzt und 


der Magen streifenweise entzündet. Der Mageninhalt war mit 
einer Quantität grüner, flüssiger Masse und mit einigen Zweigen 
vermischt, die nicht näher bestimmt werden konnten. 

Verfasser nimmt an, dass Pfau und Schwein durch die 
Aufnahme von Taxuszweigen vergiftet wurden, eine Annahme, 
die nach dem ziemlich lückenhaften Befand auf sehr schwachen 
Füßen steht. 

Vergiftung durch Sinapis nigra. 

Von F. J. Roub, D. V. S. Monroe, Wis. 

American Vet. Rev. Vol. XXVI, No. 5. 

Eine Kuhherde wurde auf einem Ackerstück geweidet, wo 
nach der Einerntung des Getreides die Senfyflanzen üppig 
emporwucherten. Die Kühe, welche die grünen Blätter begierig 
fraßen, erkrankten nach 2 Stunden an schweren Vergiftungs- 
erscheinungen: Angestrengte Atmung, kalte Extremitäten, Ein¬ 
genommenheit des Bewußtseins, schwankender Gang, bei einigen 
Tympanitis. Von 18 Kühen gingen 11 ein und 7 Stück wurden durch 
große Gaben von Natr. sulfuric. in Verbindung mit Verabreichung 
von Nux vomic. und Spiritus gerettet. Peter. 

WochenAbersicht Aber die medizinische Literatur. 

Von Dr. leaa-Charlottenburg, 

Krelstlerant. 

Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten. 43. Bd. 1. Heft. 

1903. {2215. 03.) 

Die Bekämpfung der Malaria, von Robert Koch. Die Be¬ 
kämpfung der Cholera geht aus von der Vernichtung aller Keime, 
auch der versteckten. Bei der Cholera hat man beobachtet, daß 
nicht nur cholerakranke und -rekonvaleszente Menschen Cholera¬ 
keime beherbergen, sondern auch ganz gesunde Menschen Cholera¬ 
keime ausscheiden. Auch gegen diese mußte der Kampf, sei es durch 
Isolierung, sei es durch Desinfektion aufgenommen werden. Die 
Malariaparasiten kommen nur in den Mücken und in den 
Menschen vor, in keinem anderen Lebewesen wurden sie auf¬ 
gefunden. — Koch wandte sich speziell bei der Bekämpfung der 
Malaria in Stephansort gegen die Parasiten im menschlichen 
Blut und konnte dadurch die Malaria gänzlich beseitigen. 
Weitere Versuche nach diesem Plan auf den Brionischen Inseln, 
in der Ortschaft Punta Croce fielen gleich positiv aus. Sie 
führten zur völligen Beseitigung der Malaria. Die Vernichtung 
der Malariaparasiten im menschlichen Blute geschieht durch 
Chinin. In Anschluß an diese einleitenden Worte R. Kochs 
folgen die Arbeiten von Frosch, die Malariabekämpfung in 
Brioni, von Bludau Malariabekämpfung in Punta Croce, von 
Vagedes, von Ollwig, von Gosio, von Martini über den 
gleichen Gegenstand und schließlich eine Arbeit von Geheimrat 
Dönitz: Beiträge zur Kenntnis der Anopheles, bezügl. derer 
auf die Originale verwiesen werden muß. 

Münchener medizinische Wochenschrift 1903. No. 19. 

Diagnostische Erfahrungen mit Tuberkulin an Lungenkranken, 
von Dr. Freymuth. Verf. steht auf dem Standpunkt Kochs 
daß das alte Tuberkulin zur Frühdiagnose der Tuberkulose das 
zuverlässigste Hilfsmittel ist. 

Deutsche medizinische Wochenschrift 1903. Heft 20. 

Experimentelle Untersuchungen über den Einfluß der Leber- 
aussohaltung auf den Gefrierpunkt des Blutes, von cand. med. 
Pflughoeft. Die Ausschaltung der Leber ruft keine besonders 
eingreifenden Veränderungen in der molekularen Konzentration 
des Blutes hervor. 


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358 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 22. 


Veronal, ein neues Schlafmittel, von Lilienfeld. Veronal ist 
in einer Dosis von 0,5 ein unfehlbares Schlafinittel. Dasselbe 
bewirkt einen 7—8 ständigen, ruhigen Schlaf ohne schädliche 
Nebenwirkungen. 

Dieselbe Zeitschrift No. 21, 1902. 

Über das Verhalten der großen mononukieären Leukocyten 
und der Übergangsformen (Ehrlich) bei Carcinoma ventriculi, 
von Kurpjuweit. Wird auf das Original verwiesen. 

Wiener klinische Wochenschrift 1902, No. 27. 

Über intravenöse Sauerstofflnjektionen, von Gärtner. Sauer¬ 
stoff wird intravenös sehr gut vertragen, wesentlich besser als 
Luft. In Fällen von plötzlicher Erstickungsgefahr würde die 
endovenöse Sauerstoffinjektion zu erwägen sein. 

Therapeutische Monatshefte 1902, No. 4. 

Zur endovenösen Applikation der Medikamente, von Dr. Mendel. 
Wird auf das Original verwiesen. 

Fortschritte der Medixin 1902, No. 7. 

Über den diagnostischen und prognostischen Wert systematischer 
Leukocytenzähiungen für akute chirurgische und gynäkologische 
Eiterungsprozesse im Abdomen und kleinen Becken, von Dr.Wezel. 
Die diagnostischen Leukocytenzählungen werden besonders an¬ 
gewandt bei einfacher Entzündung und Eiterung, Appendicitis, 
bei Senkungsabszessen, Osteomyelitis, Phlegmonen, septikämischen 
Erkrankungen, puerperalen Mastitiden etc. Eine hohe Leukocyten- 
zahl ist bei septikämischen Prozessen scheinbar günstig, doch 
sind hier die Erfahrungen nicht einheitlich. Wenn bei eiterungs¬ 
verdächtigen Personen die Zahl der weißen Blutkörperchen von 
Tag zu Tag steigt und dann dauernd auf beträchtlicher Höhe 
bleibt, so liegt ein Eiterungsprozeß vor. Auch für die Be¬ 
urteilung des Verlaufs eines eitrigen Prozesses nach der Operation 
gibt die Leukocytenzählnng wertvolle Aufschlüsse. 

Tagesgeschichte. 

Der Rudolstädter Senloren-Konvent. 

Durch die Einführung der Universitätsreife alB Vorbedingung 
des tierärztlichen Studiums sind die tierärztlichen Hochschulen 
mit in die erste Reihe der Hochschulen eingertickt und stehen 
manchen anderen voran. Daß unsere Studentenschaft unter 
den übrigen die ihr gebührende Stelle einnimmt und repräsentiert, 
ist ein Interesse des ganzen Standes. Deshalb gewinnt auch die 
Beachtung und Behandlung studentischer Angelegenheiten von 
jetzt ab eine noch höhere Bedeutung, als sie schon bisher hatte. 

Wenn die Studenten der Tiermedizin schon seit lange und 
unter weniger vollkommenen Bedingungen, als gegenwärtig ein¬ 
getreten sind, sich ihren Platz erobert haben, so verdanken sie 
das unzweifelhaft zum großen Teil den Verbindungen, auf denen 
doch unleugbar die studentische Repräsentation beruht. Unter 
diesen sind die ältesten die ehemaligen Landsmannschaften und 
nunmehrigen Korps, welche im R. S. C. zusammengeschlossen 
sind. Mehrere von diesen haben bereits ihr öOjähriges Jubiläum 
gefeiert und sind die ersten Bahnbrecher studentischen 
Geistes schon an den alten Tierarzneischulen gewesen. Ihr Zu¬ 
sammenschluß zum R. S. C. erfolgte jedoch erst 1883; der R. S. C. 
kann daher jetzt auf ein 20jähriges Bestehen zurückblicken. 

Das alljährliche Rudolatädter Fest hat daher diesmal eine 
ganz eigenartige Bedeutung, wie noch nie und nie wieder. 
Schon, daß zwei Dezennien vergangen sind, hebt es unter den 
übrigen Tagungen vor. Aber vor allem ist das obligatorische 


Abiturientenexamen erreicht und zum ersten Mal treten die An¬ 
gehörigen deB R. S. C. als Korps zusammen. 

Noch niemals war soviel Anlaß zu einem wahren Freuden¬ 
fest. Mit berechtigtem Stolz blickt der R. S. C. heute auf seine 
Vergangenheit, auf seine Hochschulen, in die Zukunft. Deshalb 
wünschen wir dem R. S. C. diesmal eine besonders glanzvolle 
Repräsentation, fröhlichsten Festverlauf und regste Beteiligung. 
Können doch seine Angehörigen die Pfingstzeit kaum schöner 
verwenden als zu einer Fahrt gen Rudolstadt. Das Programm 
ist: Mittwoch, den 27. Mai, 9 Uhr vormittags 1. Sitzung im 
Restaurant zur guten Quelle; Freitag, 29. Mai, Ball im Ritter; 
Sonnabend, den 30. Mai, Festkommers im Ritter; Sonntag Früh¬ 
schoppen; Montag Ausflug nach Schwarzburg. 

Verein preussischer Schlachthoftierärzte. 

Der Verein der Schlachthoftierärzte der Rhein¬ 
provinz hat an die Stadtbehörden der Provinz das Ersuchen 
gerichtet, die Schlachthofleiter und die bei der Fleischbeschau 
tätigen Tierärzte zu der am 20. und 21. Juni in Hannover statt¬ 
findenden allgemeinen Vereinsversammlung des Vereins preußi¬ 
scher Schlachthoftierärzte zu entsenden. 

Der Rhein.-westf. Bezirksverein im Deutschen 
Fleischerve rbande hat an den Vorstand desVereins preußischer 
Schlachthoftierärzte das Ersuchen gerichtet, auf der Versamm¬ 
lung in Hannover folgenden Antrag des Vereins zur Verhandlung 
zu stellen. 

„In die Milchmarktordnung sind folgende Bestimmungen auf¬ 
zunehmen.“ 

1. Die Fütterung der zum Viehmarkt angetriebenen Schlacht¬ 
tiere, welche voraussichtlich nach Lebendgewicht verkauft werden, 
darf nur von Angestellten des Viehhofes besorgt werden. 

2. Die Futterzeit ist morgens von 6—7 1 /» Uhr und nach¬ 
mittags von 4—6 Uhr. Nach dieser Zeit darf den Tieren nichts 
mehr verabreicht werden. Ist das Futter eine Stunde nach 
Schluß der Futterzeit nicht verzehrt, so wird dasselbe aus den 
Ställen entfernt. 

3. Die Ställe werden nach Schluß der Futterzeit abgeschlossen, 
die Schlüssel von der Verwaltung in Verwahrsam genommen und 
dürfen dann nur mit deren Erlaubnis die Ställe betreten werden. 

4. Alle Futtermittel sind von der Viehmarktverwaltung zu 
entnehmen. Als Höchstquantum Futter darf für Großvieh 5 kg 
Heu, für Kälber 2 1 Milch und 2 1 Wasser und für Schweine 
2 kg Kleie und Wasser für jede Futterzeit und für jedes Stück 
verabreicht werden. 

5. Alle Tiere, welche vor dem Markttage in den Stallungen 
des städtischen Viehhofes untergebracht waren, werden von der 
Verwaltung so gekennzeichnet, daß sie den Käufern leicht er¬ 
kenntlich sind. 

6. Tiere, welche erst am Markttage zum Verkaufe ein¬ 
gestallt sind, dürfen bis zum Marktschluß, eventuell bis die¬ 
selben verwogen sind, nicht gefüttert, sondern nur mit Wasser 
getränkt werden. 

Dasselbe gilt für Tiere, welche vorher eingestallt waren. 

Protokoll der Versammlung des Vereins der SoMaohthoftierlrzte 
des Regierungsbezirks Arnsberg. 

abgebalten am 10. Mai 1903 im Hotel Lünenschloß zu Hagen i.W. — 
Von Klopmoyer-Wattenscheid. 

Anwesend waren folgende Mitglieder und Gäste: 

1. Kl opmey er - Wattenscheid; 2. Kredewahn - Bo ob um; 
3. Bullmann-Witten; 4. Türcks-Hagen i. W.; 6. Neuhaus 


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28. Mai 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


359 


Schwerte; 6. Voß-Unna; 7. Thurmann-Altena i. W.; 8. Stolte- 
Hörde; 9. Jochim-Wanne; 10. Schmidt-LUnen; 11. Beckbaus- 
Dorstfeld; 12. Clausen - Haspe; 13. Westhoff-Menden; 14. Ni er¬ 
hoff - Castrop; 15. Lau-Gelsenkirchen; 16. Schrader-Hamm; 
17. Dr. Doenecke-Ockendorf; 18. Breil mann-Lindau. Als Gäste: 
1. Kreisarzt Schaumhell-Hagen; 2. Kreisarzt Voßhage-Meschede; 

3. 8eiberth-Langendreer; 4.Sasse-Schwelm; 5. Möhling-Hagen 
i. Westf.; 6. NUske-Herbeda. 

Tagesordnung: 

1. Geschäftliches und Bericht Uber die letzte Versammlung. 

2 Besprechung Uber die Beteiligung an der Versammlung der 
preußischen Schlachthoftierärzte am 20. und 21. Juni d. Js. 
in Hannover. 

3. Die Ausübung der Fleischbeschau an den Schlachthöfen nach 
einheitlichen Grundsätzen. 

4. Einschränkung der Beschauzeiten an Schlachthöfen nach den 
Ausführungsbestimmungen zum Reichefleischbeschaugesetz. 

5. Notwendigkeit der Einführung einer Normalfreibankordnung. 

Der Vorsitzende Kredewahn eröffnet um 10Uhr die Sitzung 

und heißt die von nah und fern trotz schlechten Wetters noch in 
ganz stattlicher Anzahl erschienenen Mitglieder und Gäste herzlich 
willkommen. 

Vor Übertritt in die Tagesordnung verliest Vorsitzender zu¬ 
nächst ein von dem Herrn Regierungspräsidenten an sämtliche 
Behörden des Bezirkes gerichtetes Schriftstück, betreffend reinlichere 
Behandlung des Blutes der geschlachteten Tiere. Bekanntlich wird 
ja in der Regel von den Metzgern das beim Schlachten aufgefangene 
Blut behufs Verhütung der Gerinnung mit den Händen abgerübrt, 
wodurch ohne Frage eine Verunreinigung desselben entsteht Um 
dieser Kalamität abzuhelfen, verweist der Herr Regierungspräsident 
auf die von Otto Sydow hergestellte und bereits mit gutem Er¬ 
folge in dem städtischen Schlachthause zu Graudenz Eingang ge¬ 
fundene Sanitätsblutkanne mit Rührwerk im Preise von 13—21 M., 
enthaltend zwischen 10—30 1. Das beim Schlachten aufgefangene 
Blut wird sogleich in die Kanne gegossen, das Rührwerk etwa 
10 mal rechts und links berumgedreht und alsdann herausgezogen. 
Die Gerinnsel bleiben an den Flügeln haften und sind leicht zu 
entfernen. Der Herr Regierungspräsident ersucht, den Metzgern 
die Einführung der Kannen zu empfehlen. Nötigenfalls wären An¬ 
ordnungen zu treffen, wonach den Schlächtern verboten würde, das 
Blut mit den Händen abzurübren. Die Versammlung ist der Ansicht, 
daß diese Neuerung zwar bei den meisten Metzgern auf heftigen 
Widerstand stoßen wird, will aber mit allen zur Verfügung stehenden 
Mitteln Remedur zu schaffen suchen. Schrader-Hamm teilt mit, 
daß dort bereits zwei Metzger der von ihm in vorstehendem Sinne 
benachrichtigten Innung die Kannen angesebafft hätten. 

Alsdann wird zur eigentlichen Tagesordnung geschritten urd 
auf die Verlesung des Protokolls der vorletzten Versammlung, das 
aus den Fachschriften allgemein bekannt, verzichtet. Die Versammlung 
nimmt Kenntnis von der ablehnenden Verbescheidnng der im Februar 
d. Js. an den Herrn Regierungs-Präsidenten abgesandten Resolution, 
betreffend die Führung der neuen Bescbaubücher auch auf den 
Schlachthöfen. Türcks teilt mit, daß man an kompetenter Stelle 
doch damit umgehe, die Buchführung zu vereinfachen und zwar in 
der Weise, daß der Nachweis der Schlachtungen wie früher nach 
dem Hauptbucbe gemacht und nur die Beanstandungen gesondert 
eingetragen werden sollen. Dieser Erlaß wird aber erst dann der 
Öffentlichkeit übergeben werden, wenn die Behörden die nötige 
Anzahl Hilfstierärzte bewilligt hätten. 

Alsdann gelangt der zweite Ponkt der Tagesordnung: „Be¬ 
sprechung über die Beteiligung an der Versammlung der preußischen 
. Schlachthoftierärzte am 20. und 21. Juni d. Js. in Hannover 4 * zur 
Erörterung. Die Versammlung ist der einmütigen Ansicht, daß wegen 
der Wichtigkeit der Sache, sowie der sehr umfangreichen und 
interessanten Tagesordnung sich jeder Schlachthoftierarzt beteiligen 
müsse. Es sei anzunehmen, daß, znmal auch eine Einladung an 
die Vereine der Kreis- und Privattierärzte ergangen sei, die alte 
Königsstadt in diesen Tagen an die 500 Tierärzte beherbergen 
würde. Außerdem wird beschlossen, die übliche Sommer-Versamm¬ 
lung zugleich mit dieser großen Versammlung in Hannover abzu¬ 
halten und zwar unter möglichst zahlreicher Beteiligung von Damen. 


Bei Besprechung des dritten Punktes: „Ausübung der Fleisch¬ 
beschau an den Schlachthöfen nach einheitlichen Grundsätzen“, 
wird zunächst darauf verwiesen, daß behufs Untersuchung der 
Nieren diese nur bei Rindern aus ihrer Kapsel gelöst werden 
brauchten, nicht aber, wie cs auch in verschiedenen Grenzschlacht- 
häusern geschieht, bei Kälbern. Die Herausnahme der Nieren bat 
der Metzger zu besorgen. Das einfache Durchschneiden der Fett¬ 
kapsel und der Nieren mittelst Längsschnittes, wie es hier und da 
geschieht, wird von Türcks als nicht hinreichend verurteilt, weil 
gerade die Nierenrinde häufig der Silz von Krankheiten sei. 

Beim Auffinden nur einer verkalkten Rinderfinne soll überall 
das Tier nach Beseitigung der Finne dem freien Verkehr übergeben 
werden. Das Anschneiden der Köpfe und die Untersuchung der 
Zungen und Herzen kann auch von dem zum Laicnfleischbeschauer 
approbierten Hallenmeistei besorgt werden. Auf die Frage von 
Jochim-Wanne, wie Köpfe zu begutachten seien, bei denen die 
Lymphdrüsen unter den Parotiden, sowie die des Kehlganges und 
der Rachenhöhle oder eine derselben tuberkulös verändert sind, 
wurden einheitliche Antworten nicht gegeben, sodaß Herr Professor 
Dr. Ostertag brieflich in vorstehendem Sinne um Auskunft ge¬ 
beten wurde.*) Zu der Frage, wann ein Kalb schlachtreif sei, 
wurden verschiedene Ansichten und Geschmäcke geäußert. Die 
einen standen auf dem Standpunkt, daß dies schon am vierten 
Tage der Fall sei, während sich die anderen für ein Alter von 
mindestens acht Tagen und noch andere für ein solches von 
2—3 Wochen ausspracben. Kredewahn hält beispielsweise 
das gebratene Fleisch eines 3—4 Tage alten Kalbes für schmack¬ 
hafter als solches von einem 3—4 Wochen alten, obwohl 
ja der Nährwert jenes ein geringerer sein. Da auch das 
Gesetz hier keine Altersgrenze vorschreibt, so fordert schließlich 
die Versammlung mit Oster tag, bei Kälbern eine Altersgrenze von 
mindestens'8 Tagen festzusetzen. Jochim-Wanne: „Wie wird das 
Blut von geschachteten Tieren behandelt?“ wird mitgeteilt, daß 
dieses zu beanstanden sei, da es laut Regierungs-Polizeiverordnung 
zur Wurstfabrikation keine Verwendung finden dürfe. Breilmann- 
Linden gibt Blut überhaupt nur dann frei, wenn statt des Hals¬ 
schnittes der Bruststich gemacht worden ist, wobei, wie Nicrbos 
mitteilt, auch die Felle nicht so sehr leiden und deshalb von den 
Fellhändlern gesuchter Bind. 

Tuberkulöses Fett wird allgemein nach Denaturierung (über¬ 
schütten von Petroleum oder Einstreuen von Sand) freigegeben, so¬ 
daß es dann noch zu technischen Zwecken, wie Fabrikation von 
Seifen, Wagenschmiere etc., Verwendung finden kann. 

Eine von der Stadt Hagen an die Stadt Bochum ergangene An¬ 
frage, wer auf dem dortigen Scblachthofe über das beanstandete 
Fleisch weiter befinde, beantwortete Kredewahn dahin, daß er 
dieses jetzt selbst besorge, seitdem die dortige Behörde dem 
Schlachthofdirektor polizeiliche Befugnisse übertragen habe. 

Zu Punkt 4 der Tagesordnung, Einschränkung der Beschau¬ 
zeiten an Scblachthöfen, teilt Westhoff-Menden mit, daß sich eine 
solche sehr wohl einrichten ließe, zumal an kleineren Schlachthöfen, 
wo der Leiter noch auf die Ausübung von Privatpraxis ange¬ 
wiesen sei. So habe er es nach und nach in Menden durchgesetzt, 
daß das Schlachthaus nur nachmittags von 2 bis abends 9 Uhr ge¬ 
öffnet sei, woran sich die Metzger bald gewöhnt hätten und jetzt 
auch ganz damit zufrieden seien. Nierbos-Kastrop machte längere 
Zeit hindurch Aufzeichnungen, woraus hervorging, daß doit vor 
11 Uhr morgens nur ganz wenig geschlachtet wird, sodaß täglich 
eine Menge Kohlen and Wasser fast unnütz verbraucht wurden 
Daraufhin sind dort die Schlachtzeiten eingeschränkt und das 
Schlachten erst von 11 Uhr vormittags ab gestattet worden. Lau • 
Gelsenkirchen will das Töten von Großvieh 1 Stunde vor 
Schluß des Schlachthauses nicht mehr gestatten, da ein solches Tier 
in dieser kurzen Zeit nicht mehr ganz zugerichtet werden kann; er 
verlangt dafür 2 Stunden. Schaumkell hält einen korporativen 
Beschluß zur Erreichung der Einschränkung der Schlachtzeiten für 
am wirksamsten. Daraufhin gelangt nachstehende, von Jochim, 


*) Die Antwort war zur Zeit der Absendung des Protokolls 
noch nicht eingegangen. 

e 





360 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 22. 


Clausen und Dr. Doenecke veraßte nnd von der Versammlung ge¬ 
billigte Resolution an den Herrn Regierungspräsidenten: 

„Der beute in Hagen i. W. versammelte Verein der Schlachthof¬ 
tierärzte des Regierungsbezirks Arnsberg bittet die Königl. Regierung, 
auf die einzelnen Gemeindeverwaltungen im Interesse der ordnungs¬ 
mäßig anszuführenden Fleischbeschau an den Schlachthöfen dahin 
wirken zu wollen, daß die Beschau Zeiten einer den örtlichen Ver¬ 
hältnissen entsprechende Einschränkung unterzogen und täglich nicht 
über 8 Stunden hinaus ausgedehnt werden, da infolge der großen 
Verantwortung und angestrengten Tätigkeit die Kräfte der einzelnen 
tierärztlichen Beschauer innerhalb dieser Zeit aufs Äußerste in An¬ 
spruch genommen und ansgenutzt werden." 

Im Anschlüsse hieran erfolgt die Besprechung des letzten 
Punktes der heutigen Tagesordnung, „Notwendigkeit der Einführung 
einer Normalfreibankordnung' 1 . Die auf der vorletzten Versammlung 
mit der Ausarbeitung derselben betrauten Kollegen, Clausen, Thie- 
mann und Thurmann teilen mit, daß dio Freibankordnung in¬ 
zwischen von ihnen fcrtiggestellt sei, hielten aber eine Veröffent¬ 
lichung für verfrüht, da ja neuerdings der Herr Regierungsprä¬ 
sident für den ganzen Bezirk eine Normalfreibank in Aussicht 
gestellt habe. Die Versammlung erklärt sich hiermit einverstanden 
und rät vorläufig zu einer abwehrenden Stellung. 

Nach der um 3'/j Uhr erledigten Sitzung erfolgt gemeinsames 
Mittagsmahl. 

Tierärztlicher Verein im Herzogtum Braunschweiß. 

Unsere diesjährige Generalversammlung findet am 7. Juni im 
Hotel „Deutsches Haus" zu Braunschweig statt. 

Tagesordnung: 

1. Geschäftliches. 

2. Wahl des ersten Vorsitzenden. 

3. Bericht über die Versammlung des Veterinärrats in München. 

4. Fleischschaugesetz. 

5. Mitteilungen aus der Praxis. 

2'/j Uhr gemeinschaftliches Essen unter Teilnahme der Damen. 
Königslutter, 23. Mai 1903. Der Vorstand 

I. A. F. Lohr. 

45. Sitzung des tierärztlichen Vereins in Westpreussen 

in Danzig, Englisches Haus, Langenmarkt 80, 
am Sonntag, dem 7. Juni er., vorm. 11 Uhr. 
Tagesordnung: 

1. Geschäftliches. Bericht über die Sterbekasse. Rechnungslegung. 

2. Die Serumtherapie im Kampfe gegen Tuberkulose u. Sch weinescuche. 

Ref.: Kreistierarzt Dr. Zerneckc-Elbing. 

3. Besprechung der AusfUhrungsbestimmungen zum Reichs-Fleisch¬ 
beschaugesetz. 

4. Verschiedenes. 

Um 2 Uhr bei günstigem Wetter Dampferfahrt nach Zoppot. 
Um 3 Uhr Diner im Zoppoter Kurhaus, Teilnahme von Damen erbeten. 

Anmeldungen zum Diner werden bis spätestens den f>. Juni er. 
an den Unterzeichneten dringend erbeten. Am 6. Juni er., abends 
8 Uhr kollegialische Zusammenkunft im Deutschen Haus am 
Holzmarkt. 

Der Vereins-Vorsitzende 
Preusse. 

Zeugen- oder Sachverständigen-Gebühr? 

In der Strafsache gegen J a s i n s k i und Gen. 3. D. 31/03 
des Königlichen Amtsgerichts in Witkowo wird die Beschwerde 
des KreiBtierarztes Krüger daselbst gegen die Verfügung des 
genannten Gerichts vom 27. März d. Js. kostenpflichtig zurück¬ 
gewiesen. 

Gründe: 

Durch die angefochtene Verfügung ist der Antrag des 
Kreistierarztes Krüger, ihm für die Wahrnehmung des Haupt¬ 
verhandlungstermins in der genannten Sache nicht — wie ge¬ 
schehen — bloß die Gebühr als Zeuge, sondern die höhere von 


6 Mark als Sachverständiger zuzubilligen, abgelehnt worden. 
Die hiergegen eingelegte Beschwerde ist nach § 17 der Gebühren¬ 
ordnung für Zeugen und Sachverständige und § 346 Str.-P.-O. 
zwar zulässig, jedoch nicht begründet. Der Beschwerdeführer 
ist zu der fraglichen Verhandlung als Zeuge geladen worden 
uud hat seine Aussage nach Leistung des Zeugeneides abgegeben. 
Seine Beeidigung als Sachverständiger ist nicht erfolgt und 
brauchte nicht zu erfolgen, da sich seine Bekundungen in dem 
Rahmen einer Zeugenaussage halten, denn wenn er hierbei 
zwar auch bekundet hat, daß er im Viehbestände des Ange¬ 
klagten Schweineseuche festgestellt habe, und damit zweifellos 
ein auf besonderer Sachkunde beruhendes Urteil abgegeben hat, 
so war seine Aussage doch auch insoweit, weil auf einer in der 
Vergangenheit liegenden Wahrnehmung beruhend, durch den 
Zeugeneid gedeckt. Es finden auf ihn als sachverständigen 
Zeugen nach § 85 Str.-P.-O. aUo die Vorschriften über den 
Zeugenbeweis und deshalb auch die für die Zeugen maßgeblichen 
Bestimmungen der Gebührenordnung Anwendung (vergl. Löwe 
Str.-P.-O. 5. Auflage, Anm. 4 zu § 85). Die Höhe der fest¬ 
gesetzten Zeugengebühr ist aber nnbemängelt, auch nicht zu 
beanstanden. Die Kosten fallen dem Beschwerdeführer nach 
§ 505 der Str.-P.-O. zur Last. 

Gnesen, den 5. Mai 1903. 

Königliches Landgericht, Strafkammer I. 

Allgemeine Aozelgepflicht für GeflOgeieeuchen. 

Durch Bekanntmachungen des Reichskanzlers vom 16. nnd 
17. Mai wird für den ganzen Umfang des Reiches vom 1. Juni 
ab bis auf weiteres die Anzeigepflicht für Hühnerpest und Ge¬ 
flügelcholera eingeführt. 

Personalien. 

Auszeichnungen, Ernennungen: Tierarzt Fieweger in Köthen 
wurde zum Hoftierarzt ernannt. — Die Tierärzte E. Funck aus 
Ihlienworth und Alberts aus Neumünster wurden zu amtlichen 
Fleischbeschauern in Neumünster i. H.; L. Claußen aus Albersdorf 
zum städtischen Tierarzt in Itzehoe in H.; und Mugler aus München 
zum Schlachthofassistenten in Hildesbeim ernannt. 

Wohnsitzveränderungen, Niederlassungen: Verzogen sind die Tier¬ 
ärzte A. Beecker von Erlangen nach Elberfeld; H. Frickinger 
von Liedolsheim Dach Niedoreving bei Dortmund unter Übernahme 
der ambulat. Fleischbeschau im Amte Lünen und F. Kleiner von 
Berlin nach Löwenberg i. Schl, als kreistierärztlicher Assistent. — 
Niedergelassen hat sich Tierarzt Otto Brendler in Clausthal. 

Examina: In München wurden approbiert die Herren: Kasimir 
Kummer aus Grätz, Ernst Luther ans München, Hermann Weng er 
aus Kempten; desgl. in Gießen Räther aus Berent. 

In der Armee: Dem Stabsveterinär Dr. Knoch im Kgl. bayr. 
3. Feld-Art.-Rgt. zu München und dem Roßarzt E. Winter im Feld- 
Art.-Rgt. No. 11 zu Wesel wurde der Abschied bewilligt 

Vakanzen. 

Neu hinzugetreten sind (vgl. No. 19): Baruth i. M.: Nieder¬ 
lassung eines Tierarztes erwünscht. Aus Vieh-, Fleisch- und 
Trichinenschau Einnahme von 1200 M. Auskunft beim Magistrat. — 
Krefeld: 2. Schlachthoftierarzt zum 1. Juni. 2700 M. Meldung 
mit Angabe der Zeit des möglichen Eintritts an den Scblacbtbof- 
direktor. — Naumburg bei Cassel: Niederlassung eines Tierarztes 
erwünscht. Gute Praxis. Stadtzuschuß ca. 400 M. Auskunft beim 
Magistrat. — Wurzen; 2. Tierarzt für Schlachtvieh und Fleisch¬ 
beschau. 2600 M. Keine Privatpraxis. Meldung bis 8 Juni unter 
Angabe der Zeit des möglichen Eintritts an den Magistrat. 


Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prot Dr. Schmaltz in Berlin. — Verlag und Eigentum von Richard Schoetz in Berlin. — Druck von W. Büxenstein, Berlin. 


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Tierärztliche Wochenschrift 


Redaktion: 

Professor Dr. Schmaltz-Berlin 

Verantwortlicher Redakteur. 


Ds Benin 

Dr. Jess 

Kühnau 

Dr. Lothes 

Nevermann 

Prof. Dr. Peter 

Peters 

Profeaaor 

Kreiltierarzt 

Sohlachthofdirektor 

DepartemenUtlerarzt 

KreUtieraret 

Kreiatierarzt 

Departementatlerarzt 

Utrecht 

Charlottenbnrg. 

Cöln. 

Cöln. 

Bremervörde. 

Angermünde. 

Bromberg. 


Preusse 

Dr. Boeder 

Dr. Schlegel 

Dr. Vogel 

Zündel 



Veterintrasaessor 

Profeuor 

Profeuor 

Laudea-Inap. f. Tierzucht 

t Krelatlerarzt 



Danzig. 

Dresden. 

Freiburg i. Br. 

München. 

MUlhausen i. E. 


Jahrgang 1903. 


M 23 . 


Ausgegeben am 4. Juni. 


Inhalt: Hohmann: Über das Milchfieber der Külie. — Referate: Ostertag und Wolffhügel: Untersuchungen Uber die „Hühner¬ 
pest“. — Levy und Stazzi: Die Wutmikrobe. — Elmassian und Barry: Mal de CaderaB. — Lienaux: Pseudo-Perineal¬ 
hernie beim Hund. — Vignier: Retropharyngealer Haarballen beim Pferd. — Pearson und Gilliland: Immunisierung der 
Rinder gegen Tuberkulose. — Tuberkulosenotizen. — Jeß: Wochenübersicht über die medizinische Literatur. — Tagesgeschichte: 
Sobmaltz: Die tierärztliche Prüfungsordnung. — Verschiedenes. — Staatsveterinärwesen: Gutachtender technischen Deputation 
über die Vieh- und Schlachthöfc. — Verschiedenes. — Fleischbeschau und Viehverkehr: Jeß: Nachweis von Wurstverfälschungen 
mit Pferdefleisch. — Kühnau: Berliner Mastviehausstellung 1903. — Lothes: Nochmals das gekochte ausländische Fleisch. — 
Verschiedenes. — Tierzucht: Nevermann: Veredeltes Landschwein. — BUcheranzeigen. — Personalien. — Vakanzen. 


Über das Milchfieber der Kühe. 

Von 

Hohmann-Borken, 

Tierarzt. 

Über die vielumstrittene Ätiologie dieser Krankheit haben uns 
erst die Forschungen der Neuzeit mehr Aufschluß gegeben. Der 
dänische Tierarzt Schmidt-Kolding hat zuerst das in die Laktation 
eintretende Euter als die Quelle dieser Erkrankung bezeichnet und 
darauf seine bekannte Therapie begründet. 

Über die älteren Hypothesen bezüglich der Pathogenese kann, 
ich kurz binweggehen. Die Franksche Theorie, daß durch starke, 
arterielle Fluxion nach dem Gehirn eine Gehirnbyperämie mit nach¬ 
folgendem Ödem und dadurch Anämie des Gehirns und Gehirn¬ 
lähmung zustande kommen könnte, ist durch die Versuche von 
Bitter und Munk widerlegt worden, welche bei ihren Versuchen 
über Eklampsie an lebenden Tieren feststellten, daß erst bei künst¬ 
licher Steigerung des Blutdrucks in den arteriae carotides auf das 
Siebenfache des normalen Blutdrucks Coma und Konvulsionen ein¬ 
traten. 

Eine solche Drucksteigerung kann unter natürlichen, auch 
pathologischen Verhältnissen nicht eintreten. Wir wissen zwar, 
daß bei starker Steigerung des arteriellen Blutdrucks und Stauung 
des abfließenden venösen Blutes es schließlich zur Transsudation 
und zum serösen Erguß kommt. Daß es beim Kalbefieber zum 
serösen Ergnß bezw. zu Gehimwassersucht kommen kann, habe 
ich in zwei Fällen bei der Sektion nachweisen können. Woher 
soll aber nnn ein so hoher arterieller Blutdruck in den Karotiden 
und Stauung des Bluts in den Iugularvenen kommen? Das Herz- 
und Gefäßsystem ist ja bei guten Milchkühen stark entwickelt nnd 
die Blutmenge infolge der Trächtigkeit vermehrt (Gestatlons- 
hyperämie), auch ist die Blutbeschaffenheit eine mehr wässerige, 
aber dieses überschüssige Blnt findet nach der Geburt seinen natur¬ 
gemäßen Abfluß in das bei guten Milchkühen stets geräumige 
Gefäßgebiet des Euters. Daß durch starke Kontraktion des Uterus 
etwa ein Überdruck in der hinteren Hohlvene und dadurch eine 
Ahflnßstauung in der vorderen Hohlvene entstehen könnte, ist an 
sich ausgeschlossen. Übrigens aber findet sich gerade bei an 
Kalbefieber gestorbenen Kühen der Uterus niemals kontrahiert. 

ln diesen Punkt befinde ich mich in voller Übereinstimmung 
mit Harms, welcher in seinem Bach über Rinderkrankheiten, 
zweite Auflage, Seite 249 wörtlich schreibt: „Frachthälter. Dieser 


hat sich nicht normal kontrahiert, gegenteilige Angaben bezw. 
Behauptungen beruhen auf einem Irrtum. Diesen Befund habe ich 
an absolut frischen Kadavern solcher milebfieberkranken Kühe, die 
nicht geschlachtet, sondern eines natürlichen Todes gestorben 
waren und keine Infusionen in den FruchthiUter bekommen halten, 
aufgenommen. Die Sektionen, die ich zur Zusammenstellung des 
Befunds benutzt habe, sind höchstens eine Stunde nach dem Ein¬ 
tritt dei Todes gemacht worden, sodaß von Eintritt der Fäulnis 
absolut keine Rede sein konnte.“ 

Übrigens können selbst starke Stauungen in der Vena jugu- 
laris, wenigstens solange das Tier sich stehend und den Kopf hoch 
hält, keine venöse Gehirnhyperämie bewirken, wie folgende Be¬ 
obachtung beweist: 

Bei einer Kuh war eine Nähnadel durch die Haubenwand und 
das Zwerchfell hindnrehgetreten, steckte fest in dem neugebildeten 
Gewebe hinter dem Herzen, hatte sowohl den Herzbeutel, als auch 
die Herzmuskulatur wiederholt verletzt und eine starke Pericarditis 
productiva, Verwachsung des Herzbeutels mit dem Herzen, sowie 
eine Myocarditis veranlaßt, welche in der Folge zu so bedeutenden 
Zirkulationsstörungen führte, daß beide Iugularvenen fast bis zum 
Teilungswinkel der Yenae maxillarcs fast armdick Vorlagen, an 
den Ganaschen, am Triel, unter der BruBt und dem Hinterleib sehr 
starke Ödeme bestanden, starke Brust- und Bauchwassersucht vor¬ 
handen und selbst die Muskulatur so stark wässrig durchtränkt 
war, daß das Fleisch genußuntauglich war. Trotzdem konnten 
intra vitam, da das Tier auch im Liegen den Kopf hochhielt, 
keinerlei Symptome einer Beeinträchtigung der Gehirn¬ 
funktionen wahrgenommen werden. 

Die allbekannte Ansicht von Harms, daß Luft in den Hirn- 
venen sich finde, ist allgemein verlassen. 

Auch mit der Ansicht Schmidt-MUblheims, weicher annimmt, 
daß durch Zersetzung der Lochien eine giftige Substanz sich bilde, 
welche ähnlich dem Wnrstgift lähmend auf die quergestreifte und 
glatte Muskulatur einwirken sollte, habe ich mich niemals be¬ 
freunden können, da einmal die vollkommene Unschädlichkeit des 
Fleischgennsses bei dem paralytischen Milchfieber hiergegen spricht 
und die Krankheit in diesem Fall vielmehr als eine Art puerperalen 
Kalbefiebers anzuspreeben wäre. Aach ist hei der Wurstvergiftung^ 
(Botulismus) die Psyche, cf. Frank-Geburtshilfe, nicht gestört 
während sie beim Kalbefieber schwer darnieder liegt. 


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362 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 23. 



Auf andere Hypothesen will ich nicht eingehen; ich mochte 
mir nur erlauben, auch meinerseits eine Ansicht auszusprechen. 

Bekanntlich ist die bei und nach der Geburt abgesonderte 
Kolostralmilch dickflüssiger, gelblicher, eiweiß- und salzreicber und 
enthält weniger Milchzucker als die spätere Milch und außer¬ 
dem die Kolostrumkörperchen, welche in fortwährendem Zerfall 
begriffen sind. Ich nehme nun in Übereinstimmung mit dem 
Kollegen Hemprich in Parey (vergl. dessen Artikel über die 
Pathogenese des Milcbfiebers in No. 6 der B. T. W. 1901) an, daß 
sich bei der Milchbildung, die ohne Frage zu den gewaltigsten 
Leistungen des tierischen Organismus gehört, sogenannte Reste 
(Radikale) ergeben, die anderweitig ausgeschieden oder chemisch 
umgewandelt werden müssen, sofern sie sich nicht im Blut an- 
häufen und schädigend wirken sollen. Welcher Art diese Reste 
sind, dies mögen die Physiologen und Pathologen vom Fach er¬ 
forschen, doch ist die Ansicht Hemprichs, daß es vielleicht 
Nucleinsäuren sind, nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. 
Sei dem wie ihm wolle, Hemprich hat durch Impfung weißer 
Mäuse mit Milch von erkrankten Rindern keine toxisch wirkenden 
Stoffe in der Milch nachweisen können, auch hat, wie ich hinzu¬ 
fügen möchte, diese Milch von kranken Kühen, wenn sie die 
Nahrung der jungen Kälber bildete, wohl infolge ihres größeren 
Salzgehalts und weil sie als Reiz auf den Verdauungsschlauch wirkt 
eine leicht abführende, den Abgang des sogenannten Darmpechs 
beschleunigende, aber niemals eine toxische Wirkung ge¬ 
habt Die bei der intensiven Laktation zur Milcbbildung nicht ver¬ 
wendbaren Reste werden in die Lymphgefäße übertreten und durch 
die starken Lymphgefäße des Euters alsbald dem Blut zugeführt 
werden. Der starken Laktation gemäß muß es eine bedeutende Menge 
solcher Stoffe sein, welche in das Blut Übertritt. Bei einzelnen 
Landwirten, welche der Ansicht waren, daß bei dem Milchfieber das 
Euter häufig ausgemolken werden müsse und demgemäß öfters aus¬ 
melken ließen, habe ich die Beobachtung machen können, daß 
durch die hierdurch hervorgerufene größere Milchabsonderung die 
Krankheit regelmäßig sich verschlimmerte. In einem Fall konnte ich 
bei Erkrankung einer Kuh nach der ersten, leicht von statten 
gegangenen Geburt, nach welcher sie in starke Laktation ein¬ 
getreten war, als sie in meiner Gegenwart zuerst den Kopf hängen 
ließ, dann schwankte und schließlich zusammenstürzte, feststellen, 
daß die Kuh am Morgen gemolken worden war und dann, wegen 
der drängenden Feldarbeit, bis 7 Uhr abends gestanden hatte, ehe 
sie wieder ausgemolken werden konnte. Gelegentlich dieses Falles, 
welchen ich einige Tage lang beobachten konnte, konnte ich auch 
feststellen, daß die motorische und sensible Lähmung vom Hinterteil 
nach dem Vorderteil und weiter nach dem Hals zu allmählich 
fort schritt, was den Lokalisationen in der Großhirnrinde ent¬ 
spricht. Da t un, um auf die Pathogenese zurückzukoramen, wie 
Hemprich weiter ausführt, diese schädlichen Stoffe, welche aus 
der intensiven Laktation hervorgegangen sind, im Blute sich an¬ 
häufen, so muß dieses letztere eine Dyskrasie, eine Entmischung 
seiner normalen Bestandteile erleiden. Normaliter kann als Antagonist 
für die aus der Laktation hervorgegangenen Reste bei der Milch¬ 
bildung nur die Leber in Betracht kommen, da dieses Organ nicht 
nur sekretorisch, sondern auch hervorragend synthetisch tätig ist, 
d. h. einfachere Stoffe zu chemisch höher gestellten umzubilden 
vermag (cf. Hemprich B. T. W. 1901, No. 6). Nun ist aber nach 
Hemprichs Ansicht die Leber durch das lange Trockenstehen 
vor der Geburt in ihrer Funktion geschwächt; außerdem handelt 
es sich, wie ich hinzufügen will, fast ausnahmslos um sehr gut 
genährte Kühe, deren Leber meist ziemlich erheblich verfe'.tet und 
auch dadurch in ihrer Funktion gehemmt ist. Es ist ferner bekannt, 
daß eine sehr intensive, mastige Fütterung der Milchkühe vor dem 
Kalben prädisponierend für die Erkrankung an Milchfieber einwirkt 
und zwar einmal weil bei fetten Tieren dio Kraft der Muskulatur, 
der Extremitäten und des Herzmuskels erheblich geringer ist, als 
bei arbeitsgewohnten und zweitens weil die Aufspeicherung der 
Nährstoffe (Fett- und Glycogen-Ablagerung) nach dem Kalben die 
Ursache reichlicher Milchabsonderung wird. Eine eklatante Be¬ 
stätigung dieser Tatsache beobachtete ich auf einer Domäne, in 
deren Kuhstapel sich viele vorzügliche Milcherinnen befanden. Hier 
häuften sich plötzlich die Krankheitsfälle infolge besonders nähr¬ 


stoffreicher Fütterung und gingen sofort zurück, als auf meinen 
Rat die Fütterung geändert wurde. 

Nun kommt für die Ätiologie des Kalbefiebers auch noch der 
Umstand in Betracht, daß während der Geburt und auch noch 
späterhin das Gehirn in einem gewissen Reizzustand sich befindet, 
wie dies an der 1 Eklampsie der Wöchnerinnen und der säugenden 
Hündinnen beobachtet werden kann. Auch bei Kühen kommen 
eklamptische Anfälle nach der Geburt vor, wie es Albrecht in 
manchen Fällen beobachten konnte. Auch ich sah einen ähnlichen 
Fall wie ihn 8anitätsrat Knüsel in Luzern in No. 8 der B. T. W. 
von 1900 als Gebärneurose bei Kühen beschrieben hat. Ich nehme 
nun an, daß, abgesehen von dem Reizzastand, in welchem das 
Gehirn nach der Geburt sich noch befindet, dies gegen Ernährungs¬ 
störungen seitens des Blütes sehr empfindliche Organ (Kopfweh 
bei bleichsüchtigen Menschen) durch das bei der Trächtigkeit sehr 
wasserreiche, mit Stoffwecbselprodukten aus der intensiven Laktation 
überladene Blut nicht ausreichend ernährt wird, sodaß eine 
gewisse Schwäche desselben besteht, welche sich in Müdigkeit 
äußert. Zweitens wäre zu berücksichtigen, daß, weil das große 
Gefäßgebiet des Euters nach der Geburt bei eintretender Laktation 
viel Blut aufnimmt, auch der Uterus noch nicht stark oder gar nicht 
kontrahiert ist, ein starker Blutabfiuß vom Gehirn, eine Anämie, 
entsteht. Durch diese Faktoren, nämlich die Reizbarkeit, schlechte 
Ernährung und Blutarmut des Gehirns wird das erste Stadium der 
Krankheit, nämlich die Müdigkeit, das Hängenlassen des Kopfes, 
dann das Niederlegen oder Schwanken und Zusammenstürzen 
(Ohnmachtsanfall) veranlaßt. 

Mit dem Zusammenstürzen ändern sich meiner Ansicht 
nach mit einem Male die Blutdruckverhältnisse im Gehirn, 
worauf in der Literatur bisher keine Rücksicht genommen ist. 
Die Iugularvenen füllen sich, das Blut in ihnen staut nach dem 
tiefliegenden Gehirn zurück, es tritt venöse Gehirnhyperämie ein 
mit ihren Folgen. Das Tier liegt jetzt infolge der Funktions¬ 
störung der motorischen und sensibeln Zentren der Großhirnrinde 
gelähmt und mehr oder weniger gefühllos am Boden. Die Ein¬ 
tretende Lähmung des Vaguszentrums dokumentiert sich jetzt durch 
den auf 100 Schläge und darüber per Minute ansteigenden schnellen 
und leeren Puls. Die Vaguslähmung veranlaßt auch die nun ein¬ 
tretende starke Verstopfung, welche allen Abführmitteln trotzt und 
dadurch ihren zentralen Ursprung dokumentiert, da der Nervus 
vagus auch die peristaltischen Bewegungen des Magendarmkanals 
beherrscht. Die häufig bestehende Scblinglähmung beruht ebenfalls 
auf Lähmung des Vagus und des Glossopharyngeus. Durch mehr 
oder minder starke Lähmung des vasomotorischen Zentrums sinkt 
der Blutdruck und das Blut häuft sich in den großen Gefäßstämmen 
der Bauchhöhle an. Auch das Atmungszentrum steht mit den 
Ursprüngen der Nervi vagi in Verbindung, daher das langsame, 
tiefe Atmen der Patienten. Das Trocken- und Rissigwerden der 
Cornea, auch ein pathognomisches Symptom des Milcbfiebers, 
welches ich in schwereren Fällen stets wahrnehmen konnte, beruht 
auf Lähmung des die Tränenabsonderung bewirkenden Nervus 
lacrimalis, die mehr oder minder starke Lähmung aller 
dieser für die Lebensfunktionen so äußerst wichtigen 
Contren der Medulla oblongata bedingt die größte Ge¬ 
fahr für das Leben des Patienten. Wird hier nicht 
zweckentsprechend und rechtzeitig rasch und energisch 
eingegriffen, so ist der Tod unabwendbar. 

Das nächste was geschehen muß, ist möglichste Hoch¬ 
lagerung des Kopfes. Auf diesen Punkt, der bisher nicht be¬ 
rücksichtigt zu sein scheint, möchte ich nachdrücklich hinweisen. 
Man muss Stroh unterschieben, bezw. muß den Kopf an den Hörnern 
dauernd hochhalten lassen oder durch ein um die Hörner geschlungenes 
und an der Krippe oder einem anderen geeigneten Gegenstand ent¬ 
sprechend hoch angebundenes Seil hochbinden. Ich lasse die Kuh 
dauernd überwachen, den Kopf immer wieder hochlagern und 
durch Unterschieben von Strohbündeln dafür sorgen, daß das 
Tier immer möglichst auf die vier Beine oder auf eine Längs¬ 
körperseite mit Unterstützung dieser Körperseite durch Strohbündel 
oder eine Stallwand zu liegen kommt. In Übereinstimmung mit 
dem Kollegen Oberschulte in Lüdenscheid bin ich der Ansicht, 
daß die Prognose beim Milchfieber von der Beschaffenheit des 


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4. Juni 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 363 


Pulses abhängig ist Nicht einverstanden bin ich mit überschütte 
bezüglich der Therapie (B. T. W. 1898 No. 48), da er neben J.od- 
kaliuminfusion starke Abführmittel per os gibt und bei starkem 
Temperaturabfall Schlachten empfiehlt. Was sollen starke Abführ¬ 
mittel per os bei einer durch zentrale Vaguslähmung bedingten 
Verstopfung? Daß bei starkem Temperaturabfall immer das 
Schlachten notwendig sei, ist gleichfalls nicht zutreffend. Es gelang 
mir in einem Fall, als die Temperatur bereits auf 36° C. gesunken 
war, durch eine Eoffeineinspritzung, Eingeben von starkem Kaffee 
und Wein (durch ein in den Schlund eingefübrtes Gummirohr) binnen 
einiger Stunden die Temperatur auf 37,4° binaufzurücken. Später 
ließ ich noch eine Einspritzung von Spiritus capphoratus folgen, 
entleerte die Harnblase mittelst Katheter, den Mastdarm manuell 
und ließ die Haut kräftig abreiben und eindecken. Schon vorher 
war eine Infusion von Jodkaliumlösung von mir vorgenommen worden. 
Die Kuh ist dann in der folgenden Nacht gegen 3 Uhr, nachdem 
ich sie gegen 7 Uhr abends verlassen hatte, von selbst wieder auf¬ 
gestanden. 

In leichten Fällen schreitet die Lähmung nioht so 
weit vor. Auf der Domäne Marienrode behandelte ich zweimal 
Kühe im ersten Stadium des Milchfiebers. Die eine stand noch, 
ließ aber den Kopf schon hängen und wollte sich niederlegen. Die 
Infusion nach Schmidt-Kolding konnte noch im Stehen vor¬ 
genommen werden. Ich ließ die Kuh, als sie sich niedergelegt 
hatte, eindecken und ruhig liegen, sie hielt den Kopf dauernd hoch, 
die Kreuzschwäcbe bezw. Lähmung verschwand aber erst 
am dritten Tag, worauf sie von selbst wieder aufstand. 
Bei dieser Kuh war das Euter nicht stark entwickelt. 
Daß bestehenbleibende Lähmung des den Gefäßtonus regulierenden 
Zentrums im verlängerten Mark Todesursache werden kann, sah 
ich bei einer Kuh des Herrn Rittergutsbesitzers v. G. in G. Bei 
derselben war das kritische Stadium bereits Uberstanden uud die 
Kuh hatte sich mit zweckentsprechender Unterstützung bereits, 
wenn auch noch taumelnd, wieder erhoben; leider zu früh, denn 
der Puls blieb sehr elend, fast unfühlbar. Am folgenden Tag ist 
die Kuh plötzlich chokartig zusammengestürzt und verendet Ursache: 
Verblutung in die großen Gefäße der Bauchhöhle (starkes Absinken 
des Blutdrucks?). Man darf daher die Kühe nicht allzufrüh 
auf die Beine bringen, auch wenn sie Anfstehversuche 
machen, bezw. muß sie sich wieder niederlegen lassen, 
bis die betr. Störungen ausgeglichen sind. Diese Kuh 
hatte allerdings schon viele Stunden lang vor meiner Ankunft 
stark gelähmt, mit niedriger gelagertem Kopf am Boden gelegen. 

In zwei Fällen konnte ich bei der Sektion ein starkes 
Gehirnödem und Gehirn Wassersucht in den Ventrikeln des 
Großhirns nachweisen. 1. Kuh des Herrn Rittergutsbesitzers 
K. in R. Bei der Obduktion floß seröse Flüssigkeit nach Durch¬ 
schneidung der Dura mater auf der Höhe jeder Gehirnhemisphäre in 
bedeutender Menge ab. Starker seröser Erguß in beide Seitenkammern 
des Gehirns. Die ganze Gehirnsubstanz war so stark mit seröser 
Flüssigkeit durchtränkt, daß sie glänzte und spiegelte, und hell¬ 
seröse Flüssigkeit aus den Längsschnitten abtropfte. 2. Der 
zweite Fall betraf eine schwarzbunte, noch junge Kuh holländischer 
Rasse, gute Milchkuh. Eine halbe Stunde nach dem Eintritt des 
Todes der Kuh traf ich ein und schritt sofort zur Exenteration des 
Gehirns. Beiin Abschneiden des Kopfes entleerte sich eine ganz 
enorme Blutmenge aus den Jugularvenen; ich schätze sie auf einen 
Eimer voll. Ferner floß eine Quantität seröser Flüssigkeit von 
ca. 1 Eßlöffel bei Durchschneidung des Rückenmarks mit seinen 
Häuten ab. Die Gehirnventrikel waren noch zur Hälfte mit 
serösem Transsudat angefüllt. Die Gehirnsubstanz zeigte sich 
besonders in ihren hinteren, unteren Abschnitten im Bereich der 
Thalami optici und Corpora quadrigemina stark serös durchträpkt; 
weniger auffallend war dies an den übrigen Teilen des Großhirns 
wahrnehmbar, doch konnte man auch an diesen bei genauer Be¬ 
trachtung der Schnittfläche die ödematöse Beschaffenheit gut er¬ 
kennen. In diesen beiden Fällen war die ödematöse Durcbtränkung 
der Gehirnmasse besonders stark ausgeprägt. 

Was nun die Behandlung im übrigen anbelangt, so lege ich, 
abgesehen von dem Hochlagern des Kopfes und Geradelagern des 
Patienten auf den vier Beinen, sowie der dauernden Überwachung 


desselben und abgesehen von Einreibungen der Haut mit reizenden 
Mitteln mit nachfolgendem Eindecken, kühlenden Umschlägen auf 
die Nackengegend, sowie wenn nötig Entleerung des Harns mittels 
Katheters, im Notfall mittels des desinfizierten Fingers und von 
einem lauwarmen Seifenwasserklystier, bezw. manueller Entleerung 
des Mastdarms, das Hauptgewicht auf die Behandlung der 
Gehirnlähmung mittels subkutaner Einspritzung von 
Koffeinlösung oder Kampherspiritus, um durch Zufuhr 
frischen arteriellen Blutes zum Gehirn dessen voll¬ 
ständige Lähmung zu verhüten. Das Hauptmittel ist dann die 
so zeitig wie möglich vorzunehmende Infusion von 1 Liter 1 proz. 
Jodkaliums in abgekochtem Wasser zu gleichen Teilen in alle vier 
Euterviertel, nach Ausmelken der zwei Viertel erst der einen, dann 
der andern Körperseite, Abwaschen der Zitzen mit Seifenwasser 
und Desinfektion der Instrumente in Bazillolwasser, welches sieb 
billiger stellt als Lösung von Lysolum purum und dennoch eine 
vollkommen ausreichende Desinfektionskraft und infolge seines 
Seifengehalts auch reinigende Eigenschaften besitzt. Auch die 
Zitzen werden vorher mit diesem Bazillolwasser abgewaschen. 
Jedesmal nach dem Infundieren von ‘/ 4 Liter der Jodkalilösung in 
ein Euterviertel entferne ich den Infusionstrichter vom Duritschlauch 
und blase oder lasse kräfiig Exspirationsluft in die Milchzysterne 
einblasen, wobei der Stichkanal im unteren Teil mit den Fingern 
der linken Hand komprimiert wird. Dann wird das Milchkatheter 
zurückgezogen und unter Fortsetzung der Kompression des be¬ 
treffenden Stichkanals mit der linken Hand, mit der rechten die 
Jodkalilösung mittelst der eingeblasenen Luft kräftig nach oben 
in die Milcbgänge bis hoch hinauf in die Drüsenazini 
hineinmassiert und mit der eingeblasenen Luft durchquirlt. Das 
Einblasen von Luft in das Euter nach der Infusion der Jodkalilösung 
anstatt des Zwischeneinfließenlassens von Luft nach der früheren 
Methode habe ich bereits vor der Publikation von Never- 
mann in No. 27 der B. T. W. dieses Jahres (1902) wieder¬ 
holt angewendet (der Autor hatte s. Z. darüber der Redaktion eine 
Mitteilung eingesandt, deren Publikation unterblieben ist), jedes¬ 
mal mit dem besten Erfolg. Auf den Gedanken kam ich dadurch, daß 
mir bei Behandlung einer milchfieberkranken Kuh auf Domäne Marien¬ 
rode durch eigene Unachtsamkeit der gläserne Infusionstrichter 
zerbrach, sodaß ich genötigt war, die Jodkalilösung mittelst der 
Pravazspritze einzuspritzen. Hierbei wurde bei dem Einpumpen 
der Luft mit der Pravazschen Spritze die Luft jedesmal in viel 
energischerer Weise und größerer Menge in die Lösung hinein- 
gepumpt, als beim bloßen Infundieren mit Zwischeneinlaufenlassen 
der atmosphärischen Luft. In diesem Fall trat eine starke Reaktions¬ 
wirkung auf das Enter und die Milchabsonderung ein, sodaß die 
Patientin, obgleich ziemlich schwer erkrankt, in verhältnismäßig 
kürzerer Zeit wiederbergestellt war. 

In dem zunächst danach von mir behandelten Fall bei Herrn 
Rittergutspächter K. in R. am 10. April 1902 er. sohlug ich vor 
Luft in das Euter einzublasen und dies wurde vom Herrn K. eineu) 
starken kräftigen Manne selbst mit Aufbietung aller Lungenkraft 
besorgt und die Luft und die Jodkalilösung dann kräftig in das 
Euter hineinmassiert — Einige Zeit danach trat ein beängstigender 
komatöser Zustand ein, sodaß mit möglichster Beschleunigung eine 
Koffein- und danach eine Kampferspiritnseinspritzung von mir ge¬ 
macht werden mußte; dann aber besserte sich der Zustand, sodaß 
die Kuh sieben Stunden später schon wieder auf den Beinen war. 
Sie erhielt, da die Pansengeräusche noch sehr unterdrückt 
waren, zunächst einen Maulkorb vorgebunden und als Futter 
nur ein paar Runkelrüben. In den folgenden Tagen stellte sich 
wieder der volle Milchertrag ein. Seitdem habe ich das Ein¬ 
blasen von Luft stets angewendet, dieselbe entweder selbst einge¬ 
blasen oder einblasen lassen, stets mit dem besten Erfolg. 

Die Jodkalilösung samt der Luft lasse ich mindestens 
10 Stunden oder noch länger im Euter, je nach Bedarf. Sie wird 
erst wieder einfach abgemolken, wenn die Kuh wieder aufgestanden 
und geheilt ist uud die Milchabsonderung daun durch Melken wieder 
in Gang gebracht wird. Seit ich die Jodkaliinfusion mit nach¬ 
folgendem Einblasen von Expirationsluft und darauf folgender 
kräftiger Massage anwende sind alle so behandelten Patienten 
wiederhergestellt worden; ich kann daher die Methode den Kollegen 


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364 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 23. 


bestens empfehlen. Hauptsache ist, daß die Behandlung sobald als 
möglich eingeleitet wird bevor vollständige Gehirnlähmung 
eingetreten ist. Von dem Einblasen der Luft einfach mit dem 
Munde sah ich keine schädlichen Folgen. Wer in dieser Beziehung 
ängstlich ist, kann sich des vom Bezirkttierarzt Evers in Waren, in 
No. 32, 1902 der B. T. W. beschriebenen Apparates bedienen, wobei 
indes atmosphärische Luft zur Anwendung gelangen muß. 

Schließlich möchte ich noch erörtern, wie ich mir 
die Wirkung der Infusion nach Schmidt-Kolding mit 
Einblasen von Luft und nachfolgender Massage des 
Euters von unten nach oben denke. 

Durch die Versuche von Binz ist festgestellt worden, daß das 
Jodkalium innerhalb des Organismus, wenn es mit Protoplasma, 
Wasser und Kohlensäure in Berührung kommt, Jod absoheidet. 
Wird nun in die in das betreffende Euterviertel infundierte 1 proz. 
Jodkalilösung kräftig Exspirationsluft eingeblasen und diese unter 
Verschluß des Stichkanals durch Kompression mit den Fingern der 
linken Hand, mit der rechten Hand aus der Milchcysterne kräftig 
in die Milchgänge und möglichst in die Drüsenazini hineinmassiert, 
so wird bei Berührung der Jodkalilösung mit dem Zylinderepithel 
der Ausführungsgänge und den kubischen Zellen der Drüsenazini 
durch Einwirkung der Kohlensäure, welche in der Expirationsluft 
zu etwa 4,8 Proz. enthalten ist, freies Jod abgeschieden. Dieses 
wird eine schrumpfende Wirkung auf die Zellen ausüben, zugleich 
aber auch durch Einwirkung auf die Wandungen der Kapillaren 
die Abscheidung des Milchserums mehr oder weniger beschränken. 
Durch den Druck der eingeblasenen Luft wird zugleich auf mecha¬ 
nischem Wege die Milchsekretion zuriickgehalten. Ein Teil der 
Jodkalilösung wird aber auch, besonders wenn atmosphärische Luft 
eingepumpt wird, durch die Azini hindurch in die diese umgebenden 
Lymphräume Übertreten, zum Teil durch die vis a tergo der ein- 
geblaseneo Luft, andererseits auf osmotischem Wege, weil der Jod- 
kalisalzgelialt der infundierten Flüssigkeit ca. 1 Proz. beträgt, während 
der gesamte Salzgehalt der Lymphe bei Kühen nur etwa 0,6 Proz. 
beträgt, darunter etwa i / 6 Chlornatrium. Durch die starken Lymph¬ 
gefäße des Euters gelangt die Jodkalilösung nach Passage der 
Leistendrüsen durch den Milchbrustgang alsbald auch in daB Blut. 
Da aber die Lymphe wiederum bis zu 60 Proz. Kohlensäure enthält, 
teils frei, teils gebunden als Alkalikarbonate und auch Protoplasma 
in Gestalt von Lymphzellen vorhanden ist, so wird innerhalb des 
Lymphstroms wieder Jod frei und alsbald dem Blut zugeführt. 

Im Blut verbindet sich das Jod mit den Salzen des Blutes zu 
Jodnatrium und jodsaurem Natrium, ein Teil des freien Jods aber 
wird von dem Stroma der roten Blutkörperchen aufgesogen, welche, 
wie die neueren Forschungen ergeben haben, jodhaltig sind. Die 
roten Blutkörperchen tragen es in alle Organe, so auch in die 
Leber und in das Gehirn. Innerhalb der zarten Gefäße der pia 
wird das jodhaltige Blut seine schrumpfende Wirkung geltend 
machen und die Transsudation von seröser Flüssigkeit beschränken 
können. Doch übt das Jod auch eine schlafmacbende Wirkung 
auf das Gehirn aus und hierauf ist vielleicht die anfängliche 
Verschlimmerung znrückzufUhren, welche ich früher, als nach 
Scbmidt-Koldingschem Verfahren atmosphärische Luft mit der Jod- 
kalilösung infundiert wnrde, aber auch bei dem von mir angewendeten 
Verfahren des Einblasens von Expirationsluft (plötzliche Blutdruck¬ 
schwankung im Venensystem!) nach der Infusion beobachten 
konnte. Des weiteren werden die frisch mit Jod und in der Lunge 
mit Sauerstoff beladenen roten Blutkörperchen hierdurch fähiger 
sein, ihrer Rolle als Träger der ReduktionsprozesBe im Tierkörper 
gerecht zu werden (deshalb zeitweise die Stalltür öffnen!). Die so 
jodierten roten Blutkörperchen und das im Blute sich bildende Jcd- 
natrium und jodsaure Natrium werden vielleicht auch imstande 
sein, die im Blute kreisenden, von der Leber nicht verarbeiteten 
Reste, welche sich infolge der intensiven Laktation im Blut angehäuft 
haben, zu reduzieren und dadurch unschädlich zu machen bezw. 
auch die in ihrer Funktion geschwächten Leberzellen zu neuer 
Tätigkeit anzuregen, sodaß dieselben auch bei sich wieder ein- 
stellender stärkerer Laktation die bei der Milchbildung sich er¬ 
gebenden Reste zu verarbeiten vermögen. Endlich wird das mit 
den roten Blutkörperchen und als Jodnatrium und jodsaares Natrium 
mit dem Blutserum in die Leber gelangende Jod durch seine Fett- 


schwuud bedingende Wirkung der Leberverfettung Abbruch tun 
können. 

Der Tierarzt hat es also mehr oder weniger in der Hand, 
entweder dnreh Einblasen von Exspirationsluft eine kräftig die Milch¬ 
absonderung beschränkende Wirkung auf das Euter zu erzielen 
— und eine solche ist doch wohl in erster Linie beabsichtigt — 
oder nach Schmidt-Koldingschem Verfahren mittels eines Gebläses 
atmosphärische Luft einzupumpen und die Abspaltung des Jods der 
Kohlensäure im Organismus zu übet lassen, wodurch mehr Fern¬ 
wirkungen und eine minder starke Wirkung auf das Euter erzielt 
werden. — Die Wirkung deB bloßen Einblasens von Luft in das 
Euter zu wiederholten Malen mit dem Apparat von Evers erkläre 
ich mir derart, daß durch den Innendruck der Luft im Euter auf 
mechanischem Wege die Milchbildung aufgebalten und durch das Aus¬ 
pressen einer gewissen Quantität venösen Blutes aus dem geräumigen 
Eutergefäßgebiet der zu Anfang der Krankheit bestehenden Gehirn¬ 
anämie entgegengearbeitet wird. Diese Behandlungsart erreicht 
aber meines Dafürhaltens nicht den Heileffekt der Methode von 
Schmidt-Kolding, welcher Ansicht auch Schmidt-Kolding in dem am 
30. Jan. ds. Jahres in Kopenhagen gehaltenen Vortrag: „Die Ent¬ 
wickelung der Behandlung des Kalbefiebers in den letzten 5 Jahren“ 
Ausdruck verliehen hat. In diesem Vortrage empfiehlt Schmidt auch 
eine gegen die Gehirnlähmung gerichtete subkutane Injektion von 5 gr 
Koffein in Aqu. gelöst. Ich resümiere dahin: Das Milchfieber ist eine 
Autointoxikation im beBten Sinne des Wortes. Eine leichte Geburt 
schafft prädisponierende Verhältnisse für die Krankheit. Die Quellen 
der Krankheit sind in erster Linie das in intensive Laktation ein¬ 
tretende Enter, dann auch der Verdauungsapparat, denn es ist bekannt, 
daß das Leiden sozusagen eine landwirtschaftlicheKulturkrankheit ist, 
welche den Tieren angefüttert werden kann. Durch mangelhafte Tätig¬ 
keit und die Verfettung der durch das Trockenstehen nach Heinprich 
in ihrer Funktion geschwächten Leber bei der stark einsetzenden 
Laktation wird eine Blutdyskrasie hervorgerufen, welche im Verein 
mit der durch die Trächtigkeit hervorgerufenen Blutwässerigkeit 
Ernährungsstörungen des während und in den ersten Tagen nach 
der Geburt sehr empfindlichen und reizbaren Gehirns und dadurch 
eine gewisse Hirnmüdigkeit, welche sich durch Schlafsucht äußert, 
veranlaßt. Sicherlich entsteht auch eine gewisse Anämie des 
Gehirns, da die während der Trächtigkeit stark erweiterten Ge¬ 
fäßvenen des Uterus infolge der mangelhaften oder ganz fehlenden 
Kontraktion des Uterus, (cf. Harms) noch eine ansehnliche Menge 
Blut enthalten und eine große Menge Blut in das geräumige 
Geiäßgebiet des in starke Laktation eintretenden Euters abfließt. 
Durch diese Faktoren wird die Gehirnmüdigkeit, das Schwanken 
und Niederlegen bezw. Niederstürzen der Kuh veranlaßt: Ohnmachts¬ 
anfall durch Gehirnanämie (I. Stadium des Milchfiebers). Im 
Liegen des Tieres mit tiefliegendem Kopf kommt es dann zur 
venösen Gehirnhyperämie und Gehirnlähmung, in schweren 
Fällen zu Gehirnödem und Gehirn Wassersucht, wie ich 
in 2 Fällen durch die Sektion nachgewiesen habe. Was die Be¬ 
handlung anbelangt, so ist das Notwendigste, möglichste 
Hochlagerung des Kopfes und Geradlagerung auf den 
4 Beinen, dann kühlende Umschläge auf die Genickpartie, 
aber mit Vorsicht, reizende Einreibungen der Haut mit 
nachfolgendem Eindecken. Bei drohender Gehirnlähmung sub¬ 
kutane Einspritzungen von Koffeinlösung oder Spiritus camphoratus. 
Innerliche Mittel müssen gar nicht oder sehr vorsichtig eingegeben 
werden, wegen der Gefahr derSchluckpneumonie. Das Hauptmittel 
ist dann die Infusion von 1 Liter steriler 1 proz. Jodkalilösung 
unter antiseptischen Maßnahmen, dann kräftiges Einblasen von Luft 
mit nachfolgender zerteilender Massage nach oben. Dauernde 
Überwachung des Tieres, um es in der richtigen Lage zu erhalten 
und Beschädigungen zu vermeiden, Unterstützung bei Aufsteh¬ 
versuchen und entsprechende diätetische bezw. medikamentöse 
Nachbehandlung. 


Berichtigung. 

Der Artikel über Schweine-Impfung in BTW. No. 22, pg. 350 
ist nicht von Dr. Goldberg, sondern von Dr. Goldbeck-Demmin. 


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4. Juni 1903. 


Berliner tierärztliche Wochenschrift. 


365 


Referate. 

Untersuchungen über die „Hühnerpest“, die neue 
Geflügelseuche. 

Von Prof. Dr. Ostertag und Repetitor Dr. Wolffhügel. 

(Monatulieftc fUr prakt. Tierbeilk. 14. Ild. .S. 4:) 7»'.) 

Im Jahre 1901 wurde eine zuvor nur in Oberitalien be¬ 
kannte Hühnerseuche, teils direkt von dort, teils durch Ver¬ 
mittlung der ira Februar abgehaltenen Braunschweiger Geflügel¬ 
ausstellung, nach verschiedenen Teilen Deutschlands eingeschleppt, 
namentlich auch nach Württemberg, Hessen, Preußen, Olden¬ 
burg. Ostertag und Wolffhügel studierten diese Seuche an 
15 Hühnern, die ihr erlegen waren, und an 88 Hühnern, die 
sie künstlich infizierten. Sie kamen bei ihren Untersuchungen 
zu diesen Ergebnissen: 

Der Erreger ist mit den modernen Hilfsmitteln nicht nach¬ 
weisbar, ist im Blut, Kot und Nasenschleim der erkrankten 
Hühner enthalten und wird durch diese Vehikel verbreitet. 
Durch Erhitzung auf 70° C. wird er getötet. — Die Seuche 
äußert sich durch Nachlassen der Munterkeit, Sträubung des 
Gefieders, Schlafsucht, Lähmungserscheinungen und führt in 
2—4 Tagen, selten später, zum Tode. Sie unterscheidet sich 
von der Geflügelcholera dadurch, daß sie nur Hühner und nur 
ganz ausnahmsweise auch andere Vögel befällt, etwas lang¬ 
sameren Verlauf nimmt, nicht von Diarrhoe begleitet ist und 
einen anderen Sektionsbefund bietet, nämlich Schleim in Nasen- 
und Rachenhöhle, Trübung der Leber, Blutungen in den Schleim¬ 
häuten der Verdauung8- und Luftwege, des Eileiters, in der 
Herzüberkleidung und der die Leibeshöhle auskleidenden Haut. 
Außerdem können Flüssigkeitsansammlungen io Herzbeutel und 
Bauchhöhle, Ödeme unter der Haut des Kopfes, Halses und der 
Brust und ausnahmsweise Entzündung der Lungen bestehen. — 
Die sichere diagnostische Unterscheidung beider Seuchen ist 
möglich durch den Nachweis des ja massenhaft im Blut vor¬ 
kommenden Bacillus avisepticus bezw. durch Impfung einer 
Taube, die nur für Geflügelcholera empfänglich ist. 

Die Autoren benennen die neue Seuche als Hühnerpest. 
Da sie an verheerender Wirkung der Geflügelcholera nicht nach¬ 
steht, stellen Bie das Verlangen, daß die zur Bekämpfung dieser 
Seuche geltenden veterinärpolizeilichen Bestimmungen auch auf 
die Hühnerpest ausgedehnt werden. 0. Alb recht. 

Die Wutinikrobe. 

(La Clin. vet. 11)03 No. 6) 

Unter dieser Überschrift berichtet Dr. Pietro Stazzi über 
eine Mitteilung des Dr. Levy, Assistenten im hygienischen 
Institut der Universität Pavia. Hiernach hat S. aus den 
sublingualen Speicheldrüsen, aus dem Pankreas, dem Herzblut, 
hauptsächlich aber aus dem Cerebro - Spinal - Nervensystem 
mit Wutvirus geimpfter Kaninchen, sowie auch aus dem Gehirn 
eines an der Wut verendeten Hundes und desgleichen einer Kuh 
den gleichen Mikroorganismus isoliert. Derselbe wächst auf 
vielen künstlichen Nährböden und zeigt einen bemerkenswerten 
kulturellen und morphologischen Pleomorphismus. Er ist manch¬ 
mal farblos, bildet aber auf fast allen Nährsubstraten speziell 
auf Kartoffeln ein gelbliches Pigment mit verschiedenen Ab¬ 
stufungen. Der Mikroparasit hat bald Kokkenform, bald bildet 
er etwas größere ovale, bald cylindrische bazillenähnliche 
Elemente. Diese verschiedenen Formen gelangen ziemlich gut 
bei Kulturen auf roten Rüben zur Anstammung, fehlen aber 


auch nicht auf anderen Nährmedien, in denen der Regel nach 
die Kokkenformen vorherrschen. Das Temperaturoptimum für 
das Wachstum der Mikroben liegt zwischen 33 bis 35 Grad C. 
bei 70 Grad C. gedeiht er nicht mehr. Er verflüssigt Gelatine, 
coaguliert Milch, bildet Gas in zuckerhaltigen Nährböden, wächst 
anäerob (in Wasserstoff gas) färbt sich nach Ehrlich, Ziehl 
und Löffler. 

In Anbetracht der morphologischen und biologischen Eigen¬ 
tümlichkeiten glaubt S. diesen Mikroben nicht zu den Micro- 
coccen, sondern zu den Blastomyceten zählen zu müssen und 
schlägt deshalb vor, ihn Blastomyces oder Saccharomyces aureus 
lyssae zu benennen. Die Kulturen sind sehr virulent, wenn sie 
Tieren endovenös, intraokulär oder intraperitoneal eingeimpft 
werden. Je nach dem Alter der Kultur starben die Versuchs¬ 
tiere 5, 10 oder 24 Tage nach der Impfung plötzlich in 10 bis 
15 Minuten, nachdem die ersten Krankheitserscheinungen (totale 
Lähmung, oberflächliche Atmung, Herzschwäche) aufgetreten 
sind. Obduktionsbefund: Durchfeuchtung der Drüsen, Hyperämie 
des Gehirns und Rückenmarks und bei Kaninchen Harnblase 
und Magen mit Gas gefüllt. S. nimmt an, daß sein Mikrobe, 
sobald er die Pia mater erreicht hat, einen Fermentationsprozeß 
erzeugt, wobei ein eminent giftiges Gas entwickelt wird, welches 
ähnlich wie das Kohlenoxydgas auf das Zentralnervensystem 
wirkt. 

Auch der Direktor des genannten Instituts, Prof. Sormani, 
hat bei Tieren, die an experimentell erzeugter Wut eingegangen 
sind, im Gehirn und in den Speicheldrüsen einen polymorphen 
Mikroorganismus entdeckt. Die Vermehrung desselben soll durch 
Spaltung vor sich gehen, weshalb ihn S. zu den Schicomyceten 
zählt. 

Ob die beiden vielgestaltigen Mikroben zur Wutkrankheit 
in Kausalnexus stehen, ist nach diesem Bericht vorläufig sehr 
zweifelhaft. Peter. 

Mal de Caderas. 

Von Dr. Elmassian, Direktor des bakteriologischen Institus von 
Paraguay. Ans dem Spanischen von Vet. Capt. E. P. Barry. 

(Voterlnary Journal Neue Folge Vol. VIII No. 40.) 

Mit dem vorstehenden Namen, der nach dem englischen 
Übersetzer wörtlich „Krankheit der Nachhand a bedeutet, be- 
zeichnet'man in Südamerika eine daselbst vorkommende infektiöse 
Pferdekrankheit. Dieselbe befällt seltener auch die übrigen 
Equiden. Sie wird von einem mit Geißeln versehenen Blut¬ 
parasiten verursacht, welcher zur Gruppe der Trypanosamen zu 
rechnen ist. 

Die Krankheit charakterisiert sich durch Abmagerung, 
hochgradige Anämie und fortschreitende Parese, die, in der 
Hinterhand beginnend, sich über den ganzen Körper ausbreitet 
und mit dem Tode endet. Mal de Caderas tritt meist epidemisch 
auf und sucht ganze Distrikte und Landstriche in den zentralen 
und östlichen Teilen des südamerikanischen Kontinents heim. 
Die Infektionszone erstreckt sich über Paraguay, Bolivia, 
Argentinien und Brasilien. 

Verf. hat in Verbindung mit Herrn Migoni zuerst am 
19. Mai 1901 in einer Sitzung des Nationalrates für Hygiene 
in Paraguay über die Seuche berichtet und seither seine Studien 
besonders über die klinischen Symptome und die pathologisch¬ 
anatomische Natur derselben vervollständigt. Aus diesen Mit¬ 
teilungen ist im wesentlichen nachstehendes zu entnehmen: Die 
ersten Krankheitszeichen beim Pferd sind mangelnde Freßlust 


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366 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 23. 


und große Schwäche sowie eine Steigerung der Körpertemperatur 
auf 40 bis 41° C., also ein hochgradiges Fieber. Nach 24 
Stunden fällt die Temperatur wieder, im weiteren Verlaufe steigt 
und fällt dieselbe abwechselnd. Das nächste Symptom, welches 
sich nach einer noch nicht näher bestimmten Zeit bemerkbar 
macht, ist Kreuzschwäche, aus w-elcher Erscheinung, wie erwähnt, 
der Name für die Krankheit abgeleitet wurde. Es stellt sich 
nunmehr bald eine starke Abnahme und Abblassnng der roten 
Blutzellen ein, während die Zahl der weißen zunimmt. Die 
sichtbaren Schleimhäute erscheinen blaß und anämisch. Im 
Anfangsstadium der Krankheit nimmt der Urin eine tiefere 
Färbung an nnd enthält viele rote Blutkörperchen, deren Zahl 
in einzelnen Fällen sich so sehr vermehren kann, daß er wie 
pures Blut aussieht. Der Harn hat weiter eine schleimige 
Konsistenz und enthält ein großes Quantum Eiweiß. 

Respirations- und Digestionsapparat sind nicht wesentlich 
affiziert. 

In der Haut bilden sich eine Anzahl Quaddeln von I bis 
1,5 Zoll Durchmesser, auf denen die Haare ausfallen und die 
an nicht pigmentierten Stellen rot aussehen. Diese ange¬ 
schwollenen Stellen verschwinden nach kurzer Zeit wieder. Sie 
erscheinen am Widerrist und Rücken, in der Nähe der Gelenke. 
Ein Lieblingssitz ist der untere Teil des Bauches und die innere 
Seite des Vorarms. 

Die Augenlider sind geschwollen, die Conjunktiven gerötet. 
Von denselben wird zuweilen eine schleimig-eitrige Masse in 
großer Menge abgesondert. 

Die Genitalien wurden stets sorgfältig untersucht. Es zeigten 
sich jedoch niemals die geringsten Veränderungen daran. Bei 
einem Hengst, der am Penis geimpft wurde, entwickelte sich die 
Krankheit in der gewöhnlichen Weise. 

Bei den Inokulationsversuchen, die an Pferden vorgenommen 
wurden, stieg die Temperatur am 7. Tage nach der Impfung, 
zu welcher Zeit auch der Erreger im Blut nachgewiesen werden 
konnte. Je nach der Zahl der Parasiten hält sich dieselbe ein 
oder zwei Tage auf ihrer Höhe, um alsdann wieder zu fallen. 
Die Parese der Nachhand beginnt in etwa 2 Wochen und nach 
einem Monat ist die Krankheit vollständig ausgebildet. 

Bei den auf natürlichem Wege entstehenden Krankheits¬ 
fällen vergeht nach des Verfassers Beobachtungen bis zu diesem 
Punkte eine Zeit von 40 bis 50 Tagen. 

Der Erreger des Mal de Caderas ist von fadenförmiger Ge¬ 
stalt, 3- bis 4-mal so lang als der Durchmesser eines roten 
Blutkörperchens und etwa ein Viertel so breit. In der Mitte 
des Parasiten befindet sich ein sehr großer Kern und ein kleiner, 
„das Zentrosom“ an dem einen Ende. Das Trypanosoma läßt 
weiter auf einer Seite eine zarte leicht geschwungene Membran 
erkennen. Es ist beweglich; in hängenden Tropfen erscheinen 
seine Bewegungen wie eine geschlängelte Peitschenschmitze. 
Seine Lebensfähigkeit außerhalb des Körpers währt 5 bis 8 
Stunden. 

Der Mikroorganismus nimmt die gewöhnlichen Färbemittel 
alle an. Verf. empfiehlt nachstehendes Verfahren: Die Deck¬ 
glaspräparate werden 12 Stunden in absoluten Alkohol und 
dann 3 Stunden in eine 5 proz. wässerige Lösung von Kalium- 
bicarbonat gelegt. Die Färbung erfolgt mit einem Gemisch, 
welches aus folgenden Lösungen hergestellt ist: 1. Hämatin 
0,50, Ammoniakalaun 5,0, Wasser 100,0; 2. Magenta 1,0, 
Absolut. Alkohol 10,0, Wasser 100,0. 


Zn 5 ccm von No. 1 wird etwa 1 Tropfen von No. 2 gefügt. 

Bei dieser Methode erscheinen Kerne und Filament violett, 
das Protoplasma dunkel, die Membran hellrot, das Zentrosom 
ist nur sehr schwach, meist nicht gefärbt. 

Die Vermehrung des Parasiten im Körper geht durch 
Teilung vor sich, an der Kern nnd Zentrosom beteiligt sind. 

Experimentell läßt sich das Mal de Caderas auf die meisten 
Säugetiere übertragen. Alle Versuchstiere zeigen die charakte¬ 
ristischen Symptome und die beschriebenen Parasiten im Blut. 
Affen gehen je nach der Menge des eingeimpften Infektions¬ 
stoffes in 15 bis 20 oder 7 bis 10 Tagen nach der Inokulation 
ein, Mäuse sterben nach 10 bis 12 Tagen, Kaninchen nach 6 bis 
8 Wochen. Hausgeflügel ist refraktär. 

In Paraguay w'ar das Mal de Caderas bis zum Jahre 1847 
unbekannt. Es wurde in diesem Jahre durch die brasilianische 
Armee eingeschleppt und verbreitete sich zunächst in den nörd¬ 
lichen Teilen des Landes an der brasilianischen Grenze. Später 
wurde es auch nach den östlichen Provinzen verpflanzt. Ob die 
Übertragung dieses Trypanosoma, wie bei den andern bekannten 
Formen, durch eine- Fliegenart zu stände kommt, gelang Verf. 
nicht zu ermitteln. Peter. 

Pseudo-Perinealhernie beim Hunde. 

Von Prof. Li6naux-Brüssel. 

fAnnalo« do mid. vOt May 1903.) 

Ein Schäferhund zeigte in der Perinealgegend eine faust¬ 
große Geschwulst Der Kotabsatz war sehr erschwert. 

Die erste Annahme einer Perinealhernie der Harnblase 
konnte nicht beibehalten werden, denn das Harnen geschieht 
leicht und die Palpation läßt keine Fluktuation wahrnehmen, 
vielmehr ergibt dieselbe die Anwesenheit eines weichen, leicht 
umgebogenen Darmteiles und einen harten Gegenstand. Der 
weiche Darmteil muß das asymmetrisch dilatierte Rektum, der 
harte Gegenstand eine hypertrophierte Hämorrhoidaldrüse sein. 
Um die Dilatation zu beseitigen, beabsichtigt L. eine Ver¬ 
längerung nach vorn zu erreichen und zieht nach Inzision der 
linken Flanke den Mastdarm so weit als möglich nach vorn, 
worauf derselbe durch eine Naht an die Bauchwunde fixiert 
wird. Die nächsten Folgen der Operation waren günstig, am 
nächsten Tage aber war die Geschwulst wieder vorhanden. 

Prof. L. entschließt sich deshalb zum direkten Eingriff und 
durchschneidet zunächst die Haut im Perineum, das hyper¬ 
trophische Ganglion wird entfernt. Hierbei erscheint die Ursache 
der Hernie; es ist der Mastdarm nämlich nicht dilatiert, sondern 
eingebogen und bildet eine rechts von der Medianlinie gelegene 
Schlinge; es entsteht so eine Knickung, welche die Defäkation 
erschwert. Zur Beseitigung wurde die tags vorher vorgenommene 
Operation erneuert; der Darm wurde jedoch durch sechs Nähte 
an die Bauchwunde festgelegt. Die Operation hatte dauernden 
Erfolg. Zündel. 

Retro-pharyngealer Haarballen beim Pferde. 

Von Departement-Tierarzt Vignier-Montauban. 

(Rotuo v6t., M*y 1903.) 

Ein auf dem Jahrmarkt in Montauban gekauftes Pferd rohrt 
so auffallend, daß sein neuer Besitzer es alsbald dem Pferde¬ 
metzger überliefert. Das Pferd kann nicht einmal nach dem 
Schlachthause gebracht werden, es muß vielmehr die Tötung 
auf der Stelle stattfinden. Beim Abtrennen des Kopfes vom 
Halse stieß der Metzger auf einen 25 Zentimeter langen, 


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4. Juni 1903 


8 Zentimeter breiten, 6 Zentimeter hohen Ballen von Rinds¬ 
haaren, der im einen Lnftsacke seinen Sitz hatte nnd das 
Rohren verursachte. Zündel. 

Einige Experimente über Immunisierung der Rinder 
gegen Tuberkulose. 

Von Leonard Pearson, B. S., V. M. D., Staatstierarzt in Pennsyl- 
vanien, und S. H. Gilliland, V. M. D., Assistent am Laboratorium 
des staatlichen Viehzucht-Amtes. 

American Veterinary Roview, *003, Vol. XXVI No. II. 

Seit dem Jahre 1896 ist der Rindertuberkulose iir dem 
genannten Laboratorium ein spezielles und intensives Studium 
gewidmet worden, wie die Arbeiten von Dr. E. S. Ravenei, 
Dr. John, J. Repp und den beiden Verff. zeigen. Letztere 
hatten sich neuerdings die Aufgabe gestellt, zu untersuchen, 
inwieweit Rinder durch Einführung menschlicher Tuberkel¬ 
bazillen in den Körper gegen die Infektion mit virulentem 
Material von tuberkulosekranken Rindern geschützt werden könnten. 
E. A. de Schweinitz, M. Fadyean und v. Behring haben 
bekanntlich ähnliche Versuche gemacht, auf welche auch in der 
vorliegenden Arbeit Bezug genommen wird. Die Verff. brachten 
den Rindern die Tuberkelbazillen intraperitoneal, insbesondere 
aber intravenös bei, indem sie zu ihren Einspritzungen steigende 
Mengen einer Wasseraufschwemmung benutzten, von der 1 ccm 
nach 10tägigem Trocknen im Desiccator über Kalciumchlorid 
0,0013 g Tuberkelbazillen enthielt. 

Aus den erlangten Resultaten werden nachstehende Schlu߬ 
folgerungen mitgeteilt: 1. Nach wiederholten Injektionen von 
Tuberkelbazillenkulturen aus menschlichem Sputum kann die 
Resistenz junger Rinder gegen virulente Tuberkelbazillen, die 
vom Rind abstammen, in solchem Grad vermehrt werden, daß 
sie durch die Inokulation von denjenigen Quantitäten solcher 
Kulturen nicht geschädigt werden, welche imstande sind, den 
Tod oder eine ausgebreitete Infektion nicht in gleicher Weise 
geschützter Rinder zu verursachen. 2. Die intravenöse Injektion 
viel größerer Mengen einer Kultur aus menschlichen Tuberkel¬ 
bazillen als erforderlich sind, einen hohen Grad von Resistenz 
oder Immunität zu bewirken, kann bei dem Impfling ohne Ge¬ 
fahr für diesen angewendet werden. Peter. 

Tuberkulose. 

Über die Wirkung der Verfütterung von Milch von 
tuberkulösen Tieren. 

(Annali d'igiene eiporluientale Vol. XI 1901 p. 201.) 

A. Michelazzi hat zahlreicheFütterungsversuche an Lämmern, 
Kälbern und Meerschweinchen mit sterilisierter Milch von tuberku¬ 
lösen Kühen und Schafen gemacht und kam zu folgenden Schlüssen: 

1. Die Milch von tuberkulösen Tieren enthält, wenn die Brust 
ganz unversehrt ist, keine Tuberkelbazillen, sondern nur das tuber¬ 
kulöse Toxin, welches eine chronische Intoxikation bei den mit 
dieser Milch laDge Zeit gefütterten Tieren hervorruft. 

2. Die Sterilisation der Milch bei 100° C. ist nicht im stände, 
diese toxische Substanz zu zerstören, denn, wie Mafucci nachge¬ 
wiesen hat, widersteht das tuberkulöse Toxin der Temperatur von 
100° C. ziemlich lange. Auf Grund dieser Tatsachen rät Ver¬ 
fasser von längerer Benutzung von Milch tuberkulöser Kühe ab, 
selbst wenn Bie sterilisiert ist 

Die Lokalisationen der Tuberkulose beim Rindvieh 
in Moskau. 

(Crzeglad weterynarski 1902 No. 10.) 

Nach J. Kowalewski ist die durch die Schlachthofstatistik 
ermittelte Häufigkeit der Tuberkulose bei dem Moskauer Schlacht¬ 
vieh 7,06 Proz., (unter in 8 Jahren, 1898—1900 geschlachteten 


367 


654 038 Rindern waren 45 891 perlsüchtig). Unter den in den 
Jahren 1895—1899 geschlachteten Rindern waren 74 381 Stück perl- 
süchtig, darunter wurden tuberkulöse Veränderungen festgestellt: 

1. In den Lymphdriisen der Lungen bei 94,5 Proz.; auf den 
serösen Häuten bei 7,2 Proz., in den inneren Organen bei 25,1 Proz. 

2. In der Kopf- und Halsgegend bei 56,1 Proz., in den allge¬ 
meinen Decken, der Muskulatur und im Skelette zusammen 1,4 Proz., 
im Abdominalraume 15,1 Proz. 

3. Aus der ausführlichen Statistik der Lokalisation nach ein¬ 
zelnen Organen verdient angeführt zu werden, daß die Tuberkulose 
am häufigsten (bei 60,3 Proz) in den retropharyngealen Lymph- 
driisen ihren Sitz hatten; die zweitnächste Stelle nehmen die Bron- 
chialdrüsen (bei 60,3 Proz.), die dritte die Mediastinaldrüsen 
(31,9 Proz.), die vierte die Lungen (23,7 Proz.) ein. Die Euter- 
tuberkulöse wurde nur bei 27 Stück d. i. 0,03 Proz. festgestellt. 

Impftuberkulose bei einem Schlachthausarbeiter. 

In No. 25 der Münchener med. Wochenschrift ist ein 
Fall von Tuberculose beschrieben, welcher bei der zur Zeit 
actuellen Frage der Identität der Menschen- und Rindertuber¬ 
kulose von besonderem Interesse ist. Es handelt sich hier um 
einen Schlachthausarbeiter, der bis vor drei Jahren mit dem 
Aufräumen von Fleischtheilen kranker Thiere beschäftigt ge¬ 
wesen ist; er ist 30 Jahre alt, stammt aus gesunder Familie 
und ist auch bisher stets gesund gewesen. Vor drei Jahren 
hatte er sich im Schlachthause an einem Tische einen Splitter 
in den rechten Daumen gejagt; sofort hinterher musste er das 
Fell einer kranken Kuh abziehen. Nach einigen Tagen schwoll 
der rechte Arm allmählich bis zur Achselhöhle an, es bildeten 
sich eitrige Beulen, die sich spontan öffneten. Der Patient 
begab sich bereits nach acht Tagen in die Behandlung eines 
Arztes. Letzterer erklärte die Anschwellung für tuberkulös, 
machte wiedei holt Einschnitte, ohne jedoch Heilung zu erzielen. 
Ein halbes Jahr später wurde Patient einem Krankenhaus über¬ 
wiesen. Hier wurde nach längerer Behandlung, nachdem wieder¬ 
holt grössere Incisionen gemacht und die Lymphdrüsen heraus¬ 
genommen worden waren, Heilung erzielt. Die microscopische 
Untersuchung der Drüsen und eines Stückes ulceröser Haut 
bestätigte die klinische Diagnose auf Tuberkulose. 

Hier liegt die Schlussfolgerung, dass die Erkrankung durch 
Infection mit tuberculösem Material erfolgt ist, doch wohl sehr nahe. 

Wochenübersicht über die medizinische Literatur. 

Von Dr. Jess-Charlottenburg, 

KreUtlermrst 

Münchener medizinische Wochenschrift Nr. 20. 1003. 

Die Artunterscheidung der für den Menschen pathogenen 
Streptokokken durch Blutagar, von Dr. Schottmüller. Die 
Arbeit ist noch unvollendet. 

Über eine neue Verbindung des Anästhesins (Dr. Ritsert) zur 
subkutanen Injektion „Subkutin“ (Dr. Ritsert), von Dr. Becker. 
Zuerst hat von Noorden über den im Wasser fast unlöslichen 
Äthylester der Paramidobenzoes&ure berichtet und neuerdings 
ist es Ritsert gelungen, das salzsaure Salz des Anästhesins, 
welches eine größere Löslichkeit im Wasser hat, herzustellen. 
Man verwendet es nach folgender Zusammensetzung: 


Anästhesinum mur.0,25 

Natr. chlorat.0,15 

Morph, mur.0,015 

Aqu. dest.100,0 


Ritsert hat nun weiter eine ganze Gruppe von Salzen des 
Anästhesins nachgeprüft und gefunden, daß die paraphenolsaure 
Verbindung des Anästhesins sich für die Injektion wegen der 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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368 

geringen Reizbarkeit nnd der leichten Löslichkeit eignet. Dieses 
Mittel ist das Subkutin, der paraphenolsnlfosanre Paraamidobenzoe¬ 
säureäthylester. Zur Schleichschen Infiltration verwendet man 


Subkutin.1,0 

Natr. Chlorat.0,7 

Aqn. dest.100,0 


Über Fälschung von Nahrungsmitteln von Brouardel, Paris. 

B. sprach auf dem intei nationalen medizinischen Kongreß 
in Madrid über diesen Gegenstand und führte dabei aus, daß 
jetzt mehr Menschen durch Nahrungsmittelverfälschnngen als 
durch Verbrechen zu gründe gehen. Daran sei namentlich die 
Conservierungsmethode mit Salizyl- und Karbolsäure schuld. 
Auch die Zusätze von Borsäure, Saccharin, Sulfiten, Fluor, Formol 
involvieren deshalb eine solch große Gefahr für die menschliche 
Gesundheit, weil z. B. die Fäulnisprozesse bei Fischen für Auge 
und Nase verdeckt werden und damit der Ptomainvergiftung Tür 
und Tor geöffnet ist. 

Therapeutische Monatshefte Mai 1903. Ab. 5. 

Experimentelle Beiträge zur Kenntnis einigerMorphinderivate 
Kodiin Dionin, Heroin, Peronin, von Professor Dr. Mayor. 

Verfasser kommt am Schlüsse der noch nicht vollendeten 
Arbeit zum Resultat, daß wir in dem Kodein ein Hustenmittel 
besitzen, welches sowohl durch den Tierversuch als durch die 
klinische Erfahrung es nicht erforderlich erscheinen läßt, das 
Peronin noch in den Arzneischatz einzuführen, namentlich da 
das letztere von unangenehmen Nebenwirkungen nicht frei ist, 
und besonders ist die schwächende Wirkung, welche auf das 
Herz ausgeübt wird, sehr bedenklich. 


Tagesgeschichte. 

Die tierärztliche Prüfungsordnung. 

Von Professor Dr. Schmaltz. 

Die Einführung des Abiturientenexamens macht es selbst¬ 
verständlich, daß die Prüfungsordnung der tierärztlichen Hoch¬ 
schulen einer Revision oder besser gesagt einer völligen Er¬ 
neuerung unterworfen wird. Diese ist ein dringendes Bedürfnis, 
dem so schnell als möglich genügt werden sollte, denn es 
muß jetzt offen gesagt werden, daß die berufliche Erziehung 
der Tierärzte unter den bisherigen Prüfungsbestimmungen 
gelitten hat. Darüber werden so ziemlich alle Examinatoren 
längst einig gewesen sein, und wenn die Kollegien nicht energische 
Schritte getan haben, um schon früher eine Abänderung herbei¬ 
zuführen, so lag dies nur an der Erkenntnis, daß jede Reform 
ohne vorherige Sicherung des Abiturientenexamens nutzlos und 
ein taktischer Fehler sei. 

Was an der jetzt unzweifelhaft dem Ende verfallenen 
Prüfungsordnung so seltsam berührt und so verderblich gewirkt 
hat, das war das seltsame Gemisch von zweckloser Härte und 
gänzlicher Hilflosigkeit hinsichtlich des eigentlichen Zwecks 
der Prüfungen, ungeeignete Elemente endgültig und rechtzeitig 
auszuscheiden. 

Was half es, wenn jemand im Physikum (um diesen allge¬ 
mein eingebürgerten Namen hier statt der langatmigen Be¬ 
zeichnung „naturwissenschaftliche Prüfung“ zu gebrauchen) auf 
ein Jahr durchfiel und womöglich nochmals fiel? Er erschien eben 
zum drittenmal und kam schließlich durch, gewiß oft genug, 
weil die Examinatoren sich weniger von den Kenntnissen über¬ 
zeugt als von der Hartnäckigkeit überwunden fühlten. 


No. 23. 


Augenscheinlich hat man die Absicht gehabt, mit der Zurück¬ 
weisung auf ein ganzes Jahr die Ausscheidung Ungeeigneter zu 
erzielen, denn anders ist diese Bestimmung gar nicht zn be¬ 
gründen, da man selbst das Abiturientenexamen, das doch etwas 
schwerer als das Physikum ist, nach Mißerfolg binnen einem 
Semester wiederholen kann. Die Erfahrung hat aber gelehrt, daß 
jene Bestimmung den Zweck der definitiven Ausscheidung voll¬ 
kommen verfehlt hat, denn niemals hat jemand das Studium 
freiwillig aufgegeben, weil er auf ein Jahr durchgefallen war. 

Dagegen hat, es muß leider gesagt werden, jener Paragraph 
ungezählte Opfer gefordert. Die Studenten der Tiermedizin, 
welche seit 1878 verbummelt sind, die sind fast ausnahmslos an 
Physikum-Angst zu Grunde gegangen. Hierbei entschied sich 
ihr Geschick. Es ist stets die größte Schwierigkeit gewesen, 
die Studierenden in das Physikum zu bringen. Viele schoben es 
immer wieder auf, bis sie eben sich überhaupt nicht mehr zu- 
sammenraffen konnten. Hatten sie aber einmal das Physikum 
riskiert, sei es auch mit schlechtem Ei folg, so waren sie (wenn 
nicht geistige Unfähigkeit vorlag) fast ausnahmslos gerettet. 
Ich habe viele gesehen, die sich zehn Semester lang vor dem 
Physikum gedrückt haben, zugestandenermaßen aus Furcht, aber 
nach dem Physikum ihr Studium eifrig aufnahmen und die 
Approbation glatt erwarben. 

DiesePhysikum-Scheu entsprang der Besorgnis, auf ein Jahr zu 
fallen. Gewiß mag letzteres manchmal auch nur zum Vorwand ge¬ 
dient haben, aber im allgemeinen war das stets ganz aufrichtig so 
gemeint: „Wenn ich auf ein Jahr falle, ist es aus; das daif ich 
nicht riskieren.“ Das Fallen auf ein Jahr bat immer als etwas 
Schreckliches gegolten. Ein Jahr erscheint ja der Jugend so 
endloB lang, und deshalb wirkte jene Bestimmung doppelt ver¬ 
derblich. Auf der einen Seite schreckte die allzulange, einjährige 
Zurückstellung die Studierenden vom Examen zurück. Auf 
der anderen Seite aber schien denen, welche im Examen wirk¬ 
lich auf ein Jahr gefallen waren, der neue Schreckenstag in 
so weiter Ferne zu liegen, daß sie gar nicht daran dachten, 
gleich drauf los zn arbeiten, sondern sich erst einmal Erholung 
gönnten. Diese Erholungszeit währte oft unversehens bis 
zum Wiederholungstermin, in dem sich dann der Betreffende 
so klug als zuvor erwies. Im günstigsten Falle wurde im letzten 
Halbjahr vor der Wiederholung gearbeitet, d. h. also nicht mehr, 
als wenn der Kandidat von vornherein nur auf ein Semester 
zurückgestellt worden wäre; bloß der Vater war um ein 
Semester gestraft worden. 

Da viele Examinatoren dies alles natürlich sehr wohl be¬ 
obachtet haben und die Zwecklosigkeit und Schädlichkeit der 
Jahreszurückweisung längst erkannt hatten, so haben sie die¬ 
selbe möglichst zu vermeiden gesucht (wenigstens wir in Berlin 
haben es getan). Dann durfte aber der Kandidat in nicht 
mehr als zwei Fächern „ungenügend“ erhalten. Da hat mancher 
Examinator, wenn jene Zahl schon erreicht war, ein Auge zu¬ 
gedrückt. Das Ziel der definitiven Ausscheidung aus dem 
Studium war erfahrungsgemäß nicht zu erreichen; da ließ man 
den Kandidaten eben lieber durch, als auf ein Jahr falleu. So 
wurde durch diese übertrieben harte Bestimmung das Examen 
gerade zu milde; allza scharf macht eben schartig. Wenn in 
unserer jetzigen Prüfungsordnung wirklich, was ich nicht weiß, 
Gerlachscher Geist steckt, so hat er sich hier ebenso eng wie 
streng gezeigt, und es war das nicht sein Meisterwerk. 

Ein zweiter Übelstand war der nachträgliche (sit venia 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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4. Juni 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


369 


verbo) Strafdurchfall. Wenn ein Studierender im Physikum in 
einem Fache dnrchgefallen war, die übrigen aber bestanden hatte, 
so mußte er nach 3 Monaten die Prüfung in jenem einen Fache 
wiederholen. Bestand er diese nicht, so wurde er nachträglich 
in allen Fächern, auch in den schon bestandenen, für durchge¬ 
fallen erklärt und mußte die ganze Prüfung wiederholen. Eine 
ungerechtere und unzweckmäßigere Bestimmung läßt sich gar 
nicht denken. Es hat an sich, von der außerordentlichen Härte 
abgesehen, keine Logik, jemanden, weil er in einem Fache nichts 
weiß, in anderen Fächern durchfallen zu lassen. Der Examinand, 
der in einem Fache nichts weiß (vielleicht weil ihm gerade dieses, 
z. B. Chemie, schwer fällt), wird aber außerdem gezwungen, statt 
nun seine ganze Arbeit auf eben dieses Fach zu konzentrieren, 
für die zweite Wiederholung nochmals alle Fächer durchzu¬ 
arbeiten und so sich zu zersplittern. Der einzige Zweck der 
Wiederholung, ein gründliches Studium des nichtbestandenen 
Faches zu erreichen, wird dadurch vereitelt. Der leitende Ge¬ 
danke ist natürlich auch hierbei gewesen, durch die Drohung 
der schweren Folgen den Studierenden zum recht fleißigen 
Studium des das erste Mal nicht bestandenen Faches zu ver¬ 
anlassen, aber das gerade Gegenteil der Absicht ist auch 
hier, wie bei der einjährigen Zurückstellung, erreicht worden. 
Die Examinatoren haben jene Konsequenz des wiederholten Nicht¬ 
bestehens eines Faches zu hart gefunden und haben den Kandi¬ 
daten auch bei schwachgebliebenem Wissen lieber bestehen 
lassen, während sie ihn sonst öfters das Fach bis zum ge¬ 
nügenden Resultat hätten wiederholen lassen. Die Studierenden 
haben für die Wiederholungsfächer häufig recht wenig getan, 
weil sie den Grund jener Milde sehr bald herausgefühlt hatten 
und es darauf ankommen ließen. 

So hat die naturwissenschaftliche Prüfung, durch welche 
die Ungeeigneten hätten ausgeschieden werden müssen, auf 
grund der bisherigen Bestimmungen sehr unbefriedigend gewirkt. 

Das Reglement für das Approbations-Examen entspricht 
andererseits nicht mehr der heutigen Ausdehnung der Wissenschaft. 
Es fehlen als obligatorische Prüfungsgegenstände eine Anzahl 
wichtiger Fächer, so Bakteriologie, Fleischschau und Tierzucht, 
in welchen alle Kandidaten geprüft werden müssen, während bis¬ 
her diese Fächer nur abwechselnd mit anderen an die Reihe kamen. 

Wenn aber der Prüfungsstoff im Approbations-Examen ver¬ 
mehrt werden muß, so ist andererseits eine Entlastung dieses 
großen Examens sehr wünschenswert. Diese kann allein, aber 
auch sehr ausgiebig herbeigeführt werden durch Ausscheidung der 
Anatomie und Physiologie. 

Die Stellung dieser beiden Fächer ist überall 
eine Hauptfrage geworden sowohl bei Reform der Veterinär¬ 
ausbildung in anderen Staaten (Österreich-Ungarn, Schweiz) 
als auch bei der neuen medizinischen Prüfungsordnung der 
deutschen Universitäten. Auch für unsere neue Prüfungsordnung 
wird die richtige Lösung gerade dieser Frage von ausschlag¬ 
gebender Bedeutung sein. 

Bei der hierunter anznstellenden Betrachtung wird von der 
Voraussetzung ausgegangen, daß es bei einer Studiendauer von 
7 Semestern bis auf weiteres verbleibt; auch eine Erhöhung 
auf 8 Semester würde übrigens den Standpunkt nicht verändern. 
Ich glaube, daß die Bundesregierungen für eine obligatorische 
Verlängerung des Studiums nicht zu haben sein werden, bevor 
nicht die Wirkungen des Abiturientenexamens ausgeglichen und 


zu übersehen sind, und ich für meine Person kann dem nur 
zustimmen. 

Bemerkt sei noch, daß die neue medizinische Prüfungs¬ 
ordnung die naturwissenschaftliche Prüfung als „Vorprüfung“ 
und das Examen zur Erlangung der Approbation als „Fach¬ 
prüfung“ bezeichnet. Ich werde mich im folgenden dieser 
kurzen Namen ebenfalls bedienen. 

Anatomie und Physiologie wurden bisher zweimal geprüft, 
in Vorprüfung und Fachprüfung. Ein Grund für diese Bevor¬ 
zugung ist nicht erfindlich, einen Nutzen hatte die nur 
10 Minuten währende anatomische Vorprüfung gar nicht. (Ich 
werde im folgenden der Kürze halber manchmal nur die 
Anatomie nennen, möchte aber alles auch auf die Physiologie 
bezogen wissen.) 

Die Unnötigkeit der Doppelprüfung wird allgemein zu¬ 
gegeben, im Prinzip auch in der medizinischen Prüfungsordnung. 
Es handelt sich also darum, die Anatomie und Physiologie aus¬ 
schließlich in die Vorprüfung oder in die Fachprüfung zu über¬ 
nehmen. 

Gegen die Aufschiebung der anatomisch-physiologischen 
Prüfung bis in die Fachprtifung sprechen alle Gründe. 

Die anatomisch - physiologische Ausbildung ist mit Ablauf 
des vierten Semesters beendet. Das Examen aber wird jetzt 
erst am Schluß des ganzen Studiums verlangt. Die Folge ist, 
daß die Studierenden in die Kliniken kommen, ohne daß sie 
sich über die genügende anatomisch - physiologische Grund¬ 
lage ausweisen mußten, daß sie daher vielfach versäumen, ihre 
anatomischen Studien trotz formeller Erledigung zum gründ¬ 
lichen Abschluß zu bringen, daß ihnen die anatomisch - physio¬ 
logischen Kenntnisse, die sie in den Kliniken doch schon an¬ 
wenden sollten, nicht geläufig sind, daß sie infolgedessen dem 
praktischen medizinischen Unterricht nicht genügendes Ver¬ 
ständnis entgegenbringen und daß sie erst am Schloß des 
Studiums vor der Fachprüfung noch einmal gründlich anatomisch 
zu arbeiten anfangen. Wenigstens habe ich allgemein die Er¬ 
fahrung gemacht, daß die Studenten des 6. und 7. Semesters 
sowohl nochmals die anatomische Vorlesung hören, wie als 
Zuschauer die Übungen besuchen und dabei viel eifriger sind, 
als sie damals waren, wo die Zeit für jene Studien reserviert 
war. So nützlich dieses Nachholen ist, so nachteilig wirkt es 
andererseits. Denn dieses Doppelstudium verbraucht eine Zeit, 
welche notwendig für andere und zwar für die wichtigsten eigentlich 
medizinischen Fächer verwendet werden müßte. Das Studium 
dieser Fächer sollte die letzten drei Semester ganz allein aus¬ 
füllen und wird jetzt empfindlich beeinträchtigt. 

Eine Zurücksetzung der Anatomie kann man darin gewiß 
nicht erblicken, daß sie nicht gerade im letzten Examen geprüft 
wird, sondern schon früher. Es ist an sich natürlich, daß die 
Prüfung beim Abschluß des Unterrichtes stattfindet. Liegt es 
in dem Charakter der Anatomie als Grundwissenschaft, daß der 
Unterricht darin demjenigen in den praktisch-medizinischen 
Fächern vorangeht, so ist doch auch nichts dagegen einzuwenden, 
daß die Prüfung ebenfalls entsprechend früher stattfindet. 

Anatomie und Physiologie sollen die Grundlage bilden für 
das fernere Studium. Dann muß das Vorhandensein dieser 
Grundlage auch vor Fortsetzung des Studiums sicher gestellt 
sein, und das kann nur durch die Prüfung geschehen. Eben 
weil man das wollte, ist die Anatomie schon im Physikum ge¬ 
prüft worden, doch konnte diese flüchtige Prüfung jenem Zweck 


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370 


nicht genügen. Andererseits nimmt die nachträgliche nochmalige 
Prüfang am Stadienschluß den anderen Fächern Zeit weg. Gerade 
weil nur 3 klinische Semester zn ermöglichen sind, mnß diese Zeit 
den praktischen Disziplinen reserviert bleiben. Die Entlastung 
dieser Semester und der andererseits zu vervollständigenden Fach¬ 
prüfung durch vorherige Erledigung der anatomisch-physio¬ 
logischen Studien und Prüfung ist so wertvoll, das Verständnis 
für den klinischen, pathologisch-anatomischen u. 8. w. Unterricht 
wird dadurch so erhöht werden, daß gegenüber diesen Vorteilen gar 
keine Einwendungen aufkommen können. 

Auch die medizinische Prüfungsordnung hat dem Rechnung 
getragen, aber m. A. n. nicht entschieden genug. Die Anatomie 
und Physiologie sind zwar in die Vorprüfung verwiesen, doch 
ist bestimmt, daß die Examinatoren auch in der Fachprüfung 
darin examinieren können. Es versteht sich von selbst, daß jeder 
Examinator gelegentlich auch Fragen aus anderen Gebieten 
stellen kann. Wenn dies aber für die Anatomie ausdrücklich 
bestimmt wird, so wird diese doch wieder offizieller Prüfungs¬ 
gegenstand und damit wird der Vorteil der Entlastung illu¬ 
sorisch. Ich kann also die Nachahmung dieser halben Maßregel 
nicht befürworten. 

Wann soll nun Anatomie und Physiologie geprüft 
werden? Sollen sie mit den vier Naturwissenschaften, Zoologie, 
Botanik, Chemie, Physik, vereinigt werden oder sollen jene 
beiden wichtigen Fächer eine Prüfung für sich bilden? 

Ich kann nur das letztere dringend befürworten, in Über¬ 
einstimmung mit der österreichisch - ungarischen und schweize¬ 
rischen Prüfungsordnung. Die medizinische Prüfungsordnung 
faßt zwar alle oben genannten Fächer in der Vorprüfung zu¬ 
sammen, legt diese daher aber auch erst an das Ende des fünften 
Semesters. Dies kann für uns um so weniger maßgebend sein, 
als das medizinische Studium eben über mehr Semester verfügt. 
Bei uns müssen die Hilfs- und Grundwissenschaften so früh als 
möglich erledigt, d. h. geprüft werden. Der Unterricht in den 
vier naturwissenschaftlichen Fächern ist mit drei Semestern, ja 
eigentlich schon mit zweien beendet. Warum sollte man dem 
Studenten dann nicht gestatten, gleich nach dieser Zeit die 
Prüfang darin abzulegen. Ein teilweiser erstmaliger Mi߬ 
erfolg kann dann schon im vierten Semester ausgeglichen 
werden, während bei späterer Prüfang die Wiederholung einen 
Semesterverlnst bedingt. Andererseits kann wieder die anato¬ 
misch-physiologische Prüfung vor Ablauf des vierten Semesters 
nicht begonnen werden, weil der Unterricht in diesen Fächern 
sich nicht eher erledigen läßt. Es ist überhaupt nur ein Vor¬ 
teil, wenn der Student die Prüfang in den naturwissenschaft¬ 
lichen Fächern schon mit drei Semestern bestehen und sich 
dann ein Semester lang ausschließlich der Vorbereitung für die 
anatomisch - physiologische Prüfang vorbereiten kann, die bei 
ihrer Wichtigkeit mit jenen Fächern durchaus nicht auf eine 
Stufe gestellt werden kann. Das vierte Semester eignet sich 
für gründliche Arbeit in Anatomie und Ppysiologie auch des¬ 
wegen ganz besonders, weil es verhältnismäßig wenig mit Vor¬ 
lesungen belastet ist; bisher ist es eigentlich im Vergleich mit 
den anderen Semestern recht wenig ausgenützt worden. 

Ich schlage daher drei Prüfungen vor: 1. Die Vorprüfung 
(Zoologie, Botanik, Physik, Chemie) in oder nach dem 3. Se¬ 
mester, 2. die anatomisch-physiologische Prüfung (ungefähr in dem 
Umfang, wie sie heut in der Fachprüfung stattfindet) und 3. die 
Fachprüfung (letztere ohne Anatomie und Physiologie). Will 


No. 23. 


man sich etwa an der rein formellen Vermehrung der Prüfungen 
auf drei stoßen? Nun, dann kann man ja formell die ersten 
beiden unter dem Namen „Vorprüfung“ zusammenfassen, diese 
in zwei Abschnitte zerlegen und die Erledigung des natur¬ 
wissenschaftlichen Abschnittes ein Semester vor dem anatomisch- 
physiologischen gestatten, ohne dies vorzuschreiben. Wer 
will, mag die Prüfang in den vier Naturwissenschaften bis nach 
dem vierten Semester aufschieben und die anatomisch-physio¬ 
logische Prüfung dann gleich anschließen. Wenn dies insBelieben 
gestellt ist, kann sich doch niemand über Zunahme der Examina 
beklagen. Die Möglichkeit der früheren Erledigung eines Teils 
der Prüfang ist vielmehr selbstverständlich eine Erleichterung, 
ohne daß der Prüfangsstoff irgendwie berührt wird. 

Die anatomisch-physiologische Prüfung darf, ob in 
unmittelbarem Anschluß oder später, jedenfalls erst nach Er¬ 
ledigung der Zoologie, Botanik, Physik und Chemie begonnen 
werden und kann frühestens während des fünften Studien¬ 
semesters stattfinden. 

Dieses Semester ist gleichzeitig das erste klinische und muß, 
wenn wir mit 7 Semestern auskommen wollen, unbedingt als 
solches gerechnet werden. Ich möchte folgende Bestimmung Vor¬ 
schlägen: Der Kandidat hat drei klinische Semester nachzuweisen, 
wovon zwei nach vollständiger Erledigung der anatomisch¬ 
physiologischen Prüfang; damit ist zugleich der angemessene 
Zwischenraum zwischen jener Prüfung und der Fachprüfung 
sicher gestellt. Wollte man das Verlangen stellen, die anatomische 
Prüfang müsse in den ersten 6 Wochen des 5. Semesters erledigt 
sein, wenn dasselbe als klinisches gerechnet werden solle, so wäre 
das ebenso unausführbar, wie unzweckmäßig. Die medizinische 
Prüfungsordnung enthält nämlich diese Bestimmung und dürfte 
damit den Examinatoren schwere Verlegenheiten bereiten. 
Wenn von der Prüfang in den ersten 6 Wochen die An¬ 
rechnung des Semesters abhängt, so haben natürlich Alle 
Anspruch auf Prüfang binnen dieser Frist. Das ist gerade 
in der Anatomie, wo jedes Examen 3 Tage dauert, bei einer 
größeren Zahl von Kandidaten für den Examinator einfach 
eine Unmöglichkeit. Aber davon ganz abgesehen, brächte 
diese Bestimmung für die Examinanden eine ganz außer¬ 
ordentliche Härte, denn jeder, der die Prüfung nicht glatt 
erledigt, sondern auch nur auf 4 Wochen zurückgestellt 
würde (siehe unten) verlöre das ganze Semester (wenn er 
nicht gerade in den ersten 14 Tagen des Semesters geprüft 
war); mit anderen Worten: es würde eine auch nur teilweise 
Wiederholung des anatomischen Examens stets einer Zurück¬ 
weisung auf 1 Semester faktisch gleichkommen, was durchaus 
nicht im Einklang mit der Behandlung aller übrigen Fächer 
stände. Jene Bestimmung der medizinschen Prüfungsordnung 
ist also ebenfalls nicht nachahmenswert Es gibt dafür 
wenigstens in unserer Lehrorganisation auch gar keinen stich¬ 
haltigen Grund. Der Examinand besuche eben vom Beginn des 
fünften Semesters ab die Klinik und werde einfach, wenn an ihn 
die Reihe der anatomischen Prüfang kommt, auf etwa 14 Tage 
aus der Klinik beurlaubt Besteht er die Prüfung, so wird ihm 
das Semester als klinisches angerechnet; besteht er sie nicht, 
so kann es ihm nicht angerechnet werden, weil er, wie oben 
vorgeschlagen, zwei volle klinische Semester nach Erledigung 
der Prüfang nachweisen muß. Der Einwand, das 5. Semester würde 
klinisch nicht genügend ansgenutzt werden, wenn der Kandidat die 
anatomische Prüfang vor »ich habe und dafür arbeite, ist hinfällig. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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4. Juni 1903. 


Denn gegenwärtig haben die Kandidaten während sämt¬ 
licher klinischer Semester das anatomische Examen vor sich nnd 
arbeiten dafür. Nach dem neuen Modus würden sie wenigstens 
zwei volle Semester von jener Last befreit sein, hätten also 
gegenüber der Gegenwart schon einen sehr großen Vorteil; 
damit kann man sich doch wohl begnügen und kann daher das 
erste klinische Semester nicht von der Anrechnung ausschließen 
wollen, bloß weil event. ein Teil desselben vor das anatomische 
Examen fällt. Die Examinanden können sehr wohl ihre vier 
Stunden täglich die Klinik besuchen und daneben vortrefflich 
Anatomie und Physiologie repetieren, wenn sie das noch 
nötig haben. 

Übrigens muß die Histologie innerhalb der anatomischen 
Prüfung selbständiges Fach werden, da sie vielfach von einem 
anderen Professor, als demjenigen der Anatomie gelehrt wird. 

Die richtige Einteilung des Prüfungsstoffes, speziell der 
Anatomie und Physiologie, ist jedenfalls die Hauptsache bei 
einer wirklichen Reform der Prüfungsordnung. 

Daneben kommen natürlich noch eine Reihe anderer Punkte 
in Betracht, die ich nur kurz streifen möchte. 

Daß die Fachprüfnng vervollständigt werden muß nnd daß 
kein Tierarzt die Approbation erlangen darf, der nicht speziell 
in Fleischbeschau, Bakteriologie und Tierzucht geprüft ist, habe 
ich schon hervorgehoben. Damit wird eine andere Einteilung 
der Prüfungsabschnitte von selbst sich ergeben. 

Der Zeitaufwand für die Prüfungen muß für die Examinatoren 
durchaus verringert werden dadurch, daß auf die Anwesenheit 
von mehreren Examinatoren grundsätzlich verzichtet wird. Da 
die Prüfungen öffentlich sind, braucht kein Examinator einen 
Kollegen als Zeugen. Für die Fachprüfuug muß ein Vor¬ 
sitzender ernannt werden; für die Vorprüfung ist auch dies un¬ 
nötig; jeder Examinator prüfe für sich die ihm zngewiesenen 
Kandidaten. 

Die Vorprüfung sollte nur an der Hochschule abgelegt 
werden können, an welcher der Examinand immatrikuliert ist; 
doch sollte derselbe nicht gezwungen sein, die Prtifnng an der¬ 
selben Hochschule zu beenden, an der sie begonnen wurde. 
Während der Fachprüfnng sollte dagegen ein Wechsel der 
Prüfungskommission nicht zulässig sein, es sei denn, daß der 
Kandidat die Prüfung vor einer anderen Kommission noch ein¬ 
mal von vorn beginnen will. 

Die Studiennachweise könnten vereinfacht werden, indem 
man auf den Nachweis der Vorlesungen verzichtet und im all¬ 
gemeinen nur die Bescheinigungen über den Besuch der Kliniken 
und praktischen Übungen verlangt. 

Ausgleichungen eines ungenügenden Ergebnisses in einem 
Fache durch gute Ergebnisse in anderen sollten nicht zulässig 
sein, denn erstens sind sie sachlich kaum zu rechtfertigen, zweitens 
führen sie zu Mißhelligkeiten zwischen den Examinatoren. 

Bei Berechnung der Prädikate wäre eine verschiedene Be¬ 
wertung der einzelnen Fächer, also eine Art Pointierungssystem, 
empfehlenswert, wie es auch die medizinische Prüfungsordnung 
angenommen hat. Unentbehrlich ist dies jedenfalls in der Vor¬ 
prüfung, da z. B. Anatomie und Physik unmöglich gleich be¬ 
wertet werden können. 

Daß ich Zurückweisungen auf ein Jahr in jedem Falle für 
unrichtig halte, habe ich eingangs schon ausgeführt und be¬ 
gründet Im übrigen sollte bei den Wiederholungen der Grund¬ 


871 


satz durchgeführt werden, daß die einzelnen Fächer von ein¬ 
ander unabhängig sind, daß also ein Kandidat z. B. in 
der Vorprüfung nicht deswegen länger zurückgestellt wird, 
weil er in drei Fächern ungenügend hat, während zwei „un¬ 
genügend“ eine kürzere Wiederholungsfrist gestatten. Ich 
würde es für am besten halten, wenn die Wiederholungsfristen 
für jedes einzelne Fach in Minimum und Maximum, etwa auf 1 bis 
3 Monate, festgesetzt würden und dem Examinator innerhalb 
dieser Grenzen freigestellt würde, wie lange er den Kandidaten 
zurückstellen will. Denn der Examinator kann allein beurteilen, 
wie groß die Lücken des Wissens sind; er wird die Frist am rich¬ 
tigsten abmessen, wenn er individualisieren kann. Ob man, wenn der 
Kandidat in mehreren Fächern nicht besteht, die Wiederholungs¬ 
fristen (bis zum Maximum von 6 Monaten) addieren will oder sie 
nebeneinander ablaufen läßt, ist eine Nebenfrage. Ich würde 
für die Vorprüfung den ersten und für die Fachprüfung den 
zweiten Modus empfehlen. 

Daß in der Vorprüfung die vier naturwissenschaftlichen Fächer 
unmittelbar hintereinander, in der Regel in einem Tage, zu er¬ 
ledigen wären, ist selbstverständlich. In der Fachprüfung aber 
sollten zwischen den verschiedenen Abschnitten größere Zwischen¬ 
zeiten zugelasBen werden. Das gegenwärtige Eil-System führt 
zu vielen Unzuträglichkeiten (namentlich mit Krankheits¬ 
attesten etc.). 

Die Bestimmung, daß ein Kandidat, wenn er bei der 
Wiederholung ein Fach nicht besteht, deswegen nicht allein 
dieses, sondern auch andere schon bestandene Fächer wieder¬ 
holen muß, ist abzuBchaffen; das halte ich für ganz selbst¬ 
verständlich. Dagegen muß allerdings dafür gesorgt sein, daß 
Kandidaten sich rechtzeitig (innerhalb weit zu bemessender 
Grenzen) zu Wiederholungen und Fortsetzungen der Prüfung 
einfinden. Hier ist die Androhung der Ungültigkeitserklärung 
schon bestandener Prüfungsteile kaum zu entbehren; sie ist 
aber auch etwas ganz anderes. Wenn der Kandidat in der 
Prüfung keinen Erfolg zu erringen vermag, so kann man ihn 
dafür überhaupt nicht und am wenigsten durch Entziehung schon 
gewonnener Erfolge bestrafen; wohl aber ist eine solche Strafe 
am Platze, wenn sich der Examinand der Prüfungsordnung nicht 
fügt. Natürlich muß auch diese Strafbefugnis sehr langmütig 
gehandhabt werden. 

Unbedingt erforderlich aber ist die Begrenzung der Zahl 
der zulässigen Wiederholungen. Unfähige Elemente müssen aus 
dem Beruf definitiv ausgeschieden werden können; ich meine, 
daß auch die Regierungen auf die Befugnis, Ausnahmen 
zu machen, verzichten sollten. Die Ausscheidung muß 
möglichst erfolgen in der Vorprüfung, d. h. also spätestens 
im anatomisch • physiologischen Examen. Ist ein Kandidat erst 
bis zur Fachprüfung gelangt, so ist es zu hart, wenn er nach 
so vielen geopferten Jahren das Ziel nicht erreicht; hier sollte 
also in bezug anf endgültige Ausschließung jedenfalls größere 
Milde walten. Wenn allerdings der Kandidat in einer Prüfung 
nur ein Fach nicht besteht, so sollte er hierin so lange 
wiederholen dürfen, bis er Erfolg hat. Nur wenn die Prüfung 
in mehreren Fächern wiederholt ungenügend ausfiel, gestattet 
dieB einen ungünstigen Schluß auf die allgemeine Qualität des 
Kandidaten und kann seine Ausschließung erwünscht machen. 

Wenn der Prüfungsstoff durch Einfügung einer anatomisch- 
physiologischen Zwischenprüfung, mit oder ohne formelle Ver¬ 
bindung mit der naturwissenschaftlichen Prüfung, sachgemäßer 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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372 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 23. 


als bisher auf die Studienzeit verteilt wird, so werden die 
Prüfungen insgesamt erleichtert, selbst wenn der Fachprtifung 
andrerseits neue Fächer zugefügt werden. Ratsam ist es, un¬ 
nötigen Erschwerungen, namentlich der Fachprüfung, auch durch 
den ausdrücklichen Hinweis entgegen zu wirken, daß die 
Examinatoren auf daB Praktisch-Wichtige mindestens das Haupt¬ 
gewicht zu legen haben. 

Wenn ferner die gegenseitige Beeinflussung der Prüfungs¬ 
fächer durch einander grundsätzlich (im günstigen, wie 
ungünstigen Sinne) tunlichst beseitigt wird, die ganze Prüfung 
mehr Beweglichkeit und Anpassung an das Einzelbedürfnis er¬ 
möglicht kurz ein freieres Gepräge erhält, wenn dem einzelnen 
Examinator mehr als bisher gestattet wird, unbeirrt durch die Rück¬ 
sicht auf allzuharte anderweitige Folgen lediglich die Sicher¬ 
stellung genügender Kenntnisse in seinem Fache durchzusetzen, 
so wird die Ausbildung eine viel gründlichere werden als bisher. 

Da es sich hier im wesentlichen um Fragen handelt, die in 
erster Linie nicht die Verwaltungsbehörde, sondern der Pädagoge 
zu prüfen und zu lösen hat, so scheint mir, bevor die Behörden 
ihrerseits an den Entwurf einer neuen Prüfungsordnung für Tier¬ 
ärzte herantreten, eine öffentliche Diskussion darüber unter den 
akademischen Lehrern nützlich, nnd ich wollte meinerseits 
nicht unterlassen, mich zu diesem so überaus wichtigen Gegen¬ 
stand zu äußern. 

Frequenz des ersten Semesters an den tierärztlichen Hochschulen. 

In Ergänzung der Notiz in der B. T. W. No. 20, S. 332 
über die Immatrikulationen an den tierärztlichen Hochschulen 
kann noch mitgeteilt werden, daß in Gießen die Zahl der 
Studierenden der Veterinärmedizin ersten Semesters sich auf 
sechs beläuft. Die Gesamtzahl der an fünf Hochschulen 
immatrikulierten Angehörigen des ersten Abiturienten-Semesters 
beträgt daher 50, eine gewiß befriedigende Zahl. 

Tierärztlicher Verein von Elsass-Lothrlngen. 

Der Verein wird seine Sommer-Versammlung am Sonntag, dem 
7. Juni, vormittags 11 Uhr, in Straßburg, im „Hotel zur Krone“, 
Kronenburgerstraße, abhalten. Die Versammlung ist gleichzeitig 
Generalversammlung der Mitglieder der Sterbekasse. 

Tages-Ordnung: 

1. Annahme des Protokolls der letzten Versammlung. 

2. Vereinsbericht. 


3. Vortrag des Herrn Dr. Stang über Viehversicherung. 

4. Vortrag des Herrn Dr. Müller über Zersetzungsprodukte animaler 
Nahrungsmittel. 

5. Kassenbericht (Vereinskasse und Sterbekasse). 

6. Aufnahme als odentliche Mitglieder von: 

a) Herrn Bruns, Tierarzt in Drulingen, vorgeschlagen von 
den Herren Feist nnd Roher; b) Herrn Doiseau, Tierarzt in 
Delme, vorgeschlagen von den Herren Mulotte und Spehner; 
c) Herrn Ohlinann, Tierarzt in Schiltigheim, vorgeschlagen von 
den Herren Bnbendorf und Feist; d) Herrn Dr. Pfersdorff, 
Tierarzt in Fentsch, vorgeschlagen von den Herren Bubendorf 
und Zündel; e) Herrn Dr. Stang, Tierarzt in 8traßburg, vor¬ 
geschlagen von den Herren Feist und Zündel; 0 Herrn Thieme, 
Tierarzt in Markirch, vorgeschlagen von den Herren Bubendorf 
und Feist. 

7. Vorschläge für die nächste Generalversammlung. 

8. Wahl des Ortes der nächsten Generalversammlung. 

Um 1 Uhr gemeinschaftliches Mittagessen im „Hotel zur Krone“. 
Der I. Schriftführer: Der Präsident: 

J. Zündel. J. Bubendorf. 

Verein preusslscher SohlaohthefHertrzte. 

Voraussichtlich wird der Fremdenzullnß zur Zeit der allge¬ 
meinen Vereinsversammlung am 20. und 21. Juni d. J. ein ganz 
enormer sein. Schon jetzt werden in den Hotels Preise von 10 
bis 15 Mark pro Zimmer gefordert. Den Mitgliedern des Vereins, 
welche die Versammlung besuchen, ist daher dringend zu raten, 
sich rechtzeitig Unterkunft zu sichern. Ferner wird darauf auf¬ 
merksam gemacht, daß die Anmeldungen zu dem am Sonntag, dem 
21. Juni, nachmittags 8 Uhr, im Hotel „Zu den vier Jahreszeiten“ 
stattfindenden gemeinschaftlichen Essen unbedingt bis zum 15. Juni 
d. J. bei Herrn Direktor Koch, Hannover, Cokenstraße 7,1 zu er¬ 
folgen haben. Anmeldungen, die später eingehen, haben keinen 
Anspruch auf Berücksichtigung. Herr Direktor Koch hat sich 
erboten, Bestellungen auf Wohnungen zu vermitteln. Kollegen, 
welche noch besondere Einladungen zu der Versammlung zu er¬ 
halten wünschen, wollen sich an Herrn Direktor Kühnau, Köln- 
Schlachthof, wenden. Sonstige Wünsche sind dem Vorsitzenden 
Herrn Direktor Goltz, Berlin 0 67, oder dem Schriftführer Kühnau 
Köln-Schlacbthof, mitzuteilen. Der Vorstand. 

V. Quittung Ober die zum preusslsoben Stipendienfends eingegangenen 

Beiträge 

bis zum 30. Mai er. 

Transport vom 30. April 4077,90 M. 


Zu ge hör, Kreistierarzt, Schoenau a. d. Katzb.10,— „ 

Joseph, Tierarzt, Wriezen.10,— „ 

Summa 4097,90 M. 


Staatsveterinärwesen. 

red. von Preusse 

Gutachten der technischen Deputation für das Veterinärwesen Ober 
Anlage und Betrieb von Vieh- und Schlachthöfen. 

In den Veröffentlichungen aus den Jahresveterinär- 
berichten der beamteten Tierärzte Preußens pro 1901, II. Teil 
von Bermbach (s. B. T. W. 1903, S. 246) ist das Gutachten 
der technischen Deputation für das Veterinärwesen, betr. Anlage 
und Betrieb von Vieh- und Schlachthöfen vom 8. April 1902 ver¬ 
öffentlicht worden. Dasselbe enthält in 28 Abschnitten eine 
Reihe von Forderungen, wie sie auf größeren Vieh- und Schlacht¬ 
höfen zum großen Teil bereits durchgeführt sein dürften. Es 
sollen hier einige wichtige Punkte hervorgehoben werden. 

Handelsviehhöfe müssen mit der Eisenbahn durch besondere 
Gleise in direkter Verbindung stehen. 

Die dem Vieh- und Schlachthof zugeführten Tiere müssen 
unverzüglich bei der Ausladung tierärztlich untersucht werden. 

Auf größeren Viehhöfen ist zum Aus- bezw. Einladen der 


Rinder, Schweine und Schafe je eine besondere Rampe mit leicht 
desinfizierbarem Fußboden anzulegen. 

Auch die zum Auf- und Abtrieb des Viehes benützten Wege 
müssen leicht desinfizierbar hergerichtet werden, desgleichen 
der Fußboden und die Wände der Hallen, Buchten und Ställe. 

Sowohl auf dem Handelsviehhof, wie auf dem Schlachthof 
ist ein besonderer Obduktionsraum herzustellen, desgleichen an 
geeigneter Stelle des Viehhofs ein Seuchenhof. Mit den 
Stallungen des letzteren ist unmittelbar ein Schlachtranm zu 
verbinden. Auch auf dem Seuchenhof ist ein zweckmäßig ein¬ 
gerichteter Sektionsraum notwendig. 

Für den Seuchenhof ist eine besondere Rampe herzurichten. 
Die Fütterung und Wartung der hier untergebrachten Tiere 
muß durch besondere Arbeiter erfolgen. 

Der Schlachthof ist vom Handelsviehhof völlig zu trennen. 
Die nach ersterem gebrachten Tiere dürfen nach dem Viehhof 
nicht zurückgebracht werden, auch dürfen nach letzterem nicht 
Dünger, Futter und Stallgeräte aus dem Schlachthof gelangen. 


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4. Juni 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


878 


An einer abgelegenen Stelle des Viehhofes sind Überständer- 
stftlle zu errichten. Für das Überständervieh sind besondere 
Wärter zu bestellen. 

Die Rinderstallnngen sind so einzurichten, daß die Tiere 
auch von vorn besichtigt werden können. 

Das in den Viehhofställen untergebrachte Vieh ist täglich 
durch einen Tierarzt zu besichtigen. Schlachthöfe, welche mit 
einem Viehhof verbunden sind, müssen ebenfalls durch besondere 
Gleise an die Eisenbahn angeschlossen sein. 

Das Exportvieh ist auf besonderen Wegen, welche von 
dem Schlachthofvieh nicht betreten werden, nach den Verlade¬ 
rampen zu transportieren. Unmittelbar nach der Verladung 
muß das Vieh noch einmal tierärztlich untersucht werden. 

Die Wege vom Vieh- zum Schlachthof sind für Wieder¬ 
käuer und Schweine möglichst zu trennen. 

Das Überständervieh muß gleich nach Räumung des Marktes 
in die für dasselbe bestimmten Ställe befördert werden. Hier 
ist es täglich tierärztlich zu untersuchen. 

Die Zurückführung dieses Viehs nach dem Viehhof ist nur 
bei Unverdächtigkeit desselben zu gestatten, bei grosser 
Seuchengefahr kann die Zurückführung ganz untersagt werden. 

Nach Beendigung des Marktes sind Ställe, Hallen, Straßen 
Rampen zu reinigen, bei Seuchengefahr auch zu desinfizieren. 

Die nach dem Schlachthof gebrachten Tiere sind innerhalb 
vier Tagen abzuschlachten. 

Bis zur Schlachtung muß eine tägliche tierärztliche Be¬ 
sichtigung der zu schlachtenden Tiere erfolgen. 

Der Dünger ist sowohl vom Vieh- als auch vom Schlacht- 
hof baldmöglichst zu entfernen. 

Der Schlachthofdünger ist auf dem kürzesten Wege abzu¬ 
fahren. Für den Viehhofdünger empfiehlt sich das Verfahren 
der Packung an abgelegenen Plätzen. 

Auf den Schlachthöfen ist jederzeit Wasser in ausreichender 
Menge vorrätig zu halten. 

Es empfiehlt sich die Anlage vonKühlhäusern für größere 
Schlachthöfe. 

Auf größeren Schlachthöfen ist ferner die Aufstellung von 
Koch- und Fleischvemichtungsapparaten erforderlich. 

Ein Verbot des Betretens der Viehhöfe durch unberufene 
Personen hält die technische Deputation nicht für geboten, 
auch nicht mit Erfolg durchführbar. 

Dasselbe trifft zu für Anordnungen, durch welche das Be¬ 
treten des Viehhofs durch Personen, welche vom Schlachthof 
kommen, in ungereinigter Kleidung verboten wird. 

Ebenfalls für nicht erforderlich und nicht ausführbar hält 
die Deputation die Vorschrift der Reinigung und Desinfektion 
der Klauen der nach den Viehhöfen gebrachten Tiere bei größerer 
Seuchengefahr. 

Die vorstehend skizzierten Vorschläge dürften auf den 
größeren, besonders nengebanten Vieh- und Sohlachthöfen bereits 
zur Durchführung gekommen sein. Einzelne dieser Vorschläge 
möchte ich aber doch für überflüssig halten, z. B. die Schaffung 
besonderer Obduktionsräume auf dem Viehhof wie auf dem 
Schlachthof für die Zerlegung und Untersuchung von Kadavern. 
Es dürfte doch wohl zweckmäßiger sein, hierfür die zu diesem 
Zwecke hergerichteten Räume des Seuchenhofes zu verwenden. 

Pr. 


Die Bekämpfung der Rindertuberkulose 

in der Erzherzog Friedrichschen Herrschaft Ung. Altenburg, 
von Prof. Emerich Ujhelyi. 

Welche Erfolge mit einem planmäßigen, zielbewußten Vor¬ 
gehen in bezug auf die Bekämpfung der Rindertuberkulose er¬ 
zielt werden können, zeigt die vorgenannte kleine Broschüre 
des Prof. Ujhelyi. Es handelt sich hier um die dem Erz¬ 
herzog Friedrich gehörige Herrschaft Ung. Altenburg. In der¬ 
selben waren am 1. Januar 1902 2916 Melk- und 63 Mastkühe, 
72 Zuchtstiere, 2104 Kalbinnen, 106 Jungstiere, in Summa 
5261 Rinder (Allgäuer). Diese Schweizerei gehört mit zu den 
größten des Kontinents. Bis vor kurzem forderte hier die Tuber¬ 
kulose jährlich zahlreiche Opfer. Die Bekämptang dieser Krank¬ 
heit beschränkte sich nur auf die Ausmerzung der scheinbar tuber¬ 
kulösen Tiere. Ältere Tiere wurden daher gar nicht gehalten, 
über 8 bis 9 Jahre nur, sofern sie sich vollkommen gesund 
zeigten. Der Viehbestand wurde demgemäß alle vier Jahre 
erneuert. Die ausgemerzten Tiere wurden nur aus eigener 
Zucht ersetzt; daher mußte eine große Anzahl Jungvieh ge¬ 
halten werden. Unter der frühzeitigen Ausmerzung der Kühe 
litt natürlich auch die Milchergiebigkeit. Die Direktion der 
Herrschaft entschloß sich aus diesen Gründen eine planmäßige 
Tilgung nach Bangschem Verfahren durchzuführen. Zu diesem 
Zwecke wurde ein Beamter zum Studium der Tuberkulin- 
Impfung entsendet und wurde mit den Maßnahmen im Januar 
1899 begonnen. Da anzunehmen war, daß etwa 40—80 Proz. 
der Tiere tuberkulös waren, wurde in eine Untersuchung des 
vorhandenen Bestandes nicht eingetreten, sondern die Schutz¬ 
maßregeln begannen mit der künstlichen Aufzucht, und nur die 
auf diese Weise aufgezogenen Kälber wurden dem Impfverfahren 
unterzogen. Hierdurch wird zwar das Ziel einige Jahre später 
erreicht, geschäftliche Interessen lassen aber ein anderes Ver¬ 
fahren nicht an gezeigt erscheinen. 

In 10 Ökonomiedistrikten wurden die Kälber nach Bang¬ 
schem Verfahren künstlich aufgezogen. Die hier aufgezogenen 
nicht reagierenden Tiere wurden in drei anderen Distrikten zu¬ 
sammengestellt. Hier wird wieder natürliche Aufzucht, das 
Saugen bei der Mutter angewendet. In einem Distrikt wurden 
alle reagierenden, aber sonst gesund scheinenden Tiere kon¬ 
zentriert. Die künstlich aufgezogenen Tiere wurden das erste 
Mal Mitte 1899 der Impfung unterzogen und seither halbjährlich 
mit Tuberkulin untersucht. Aus den verschiedenen Meiereien 
werden nun immer so viele zweijährige, kräftige, gesunde Tiere zu¬ 
sammengenommen, daß damit ein neuer Distrikt belegt werden 
kann. Vorher werden die Stallungen dieses Distriktes einer äußerst 
sorgfältigen Desinfektion unterworfen. Die Sorgfalt erstreckt 
sich hierbei bis auf das Wartepersonal. Nur tuberkulosefreie 
Personen werden als Wärter verwendet. Der nun zusammen¬ 
gestellte Bestand wird sodann nochmals mit Tuberkulin durch- 
geprtift. Dieses Verfahren hatte vorzügliche Resultate, so 
wurde z. B. in einem Distrikt bei der Untersuchung von 180 
Tieren nur ein verdächtiges gefunden, später kam auch nicht 
ein einziger verdächtiger Fall mehr vor. 

Die künstliche Aufzucht der Kälber erfordert nun sehr viel 
Mühe und Kosten. Die Kälber werden in separaten kleinen 
Stallungen zusammengestellt. Zn jedem Stalle gehört eine 
Küche, in der die zu verfütternde Milch bis auf 85° C erwärmt 
und nachher wieder bis auf 37° C abgekühlt wird. Sie kommt 


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374 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 23. 


dann in die Sanggefäße and wird ans diesen von den Kälbern 
„enterwarm“ aufgesangt. Die Küchen werden pedantisch rein 
gehalten, ebenso die Kälberställe. Über das bei der Aufzucht 
der Kälber zu beobachtende Verfahren ist seitens der Güter¬ 
direktion eine eingehende Instruktion vorgeschrieben worden. 

Das Tränken der Kälber dauert bis zur 8. oder 9. Woche, 
später erhalten die Tiere Haferschrot, Gersten schrot, Kleie, gutes 
Heu, im Sommer Weide. Das gesamte Jungvieh erhält außer¬ 
dem pro Tag und Stück 10—15 Gr. Knochenmehl. 

Mit den halbjährlichen Tuberkulinprüfungen ist ein Ver¬ 
walter betraut. Zur Messung werden für jedes Tier bestimmte 
Thermometer benutzt. Am Tage vor der Impfung wird 2 mal 
gemessen, am Abend wird sodann geimpft. 8 bis 9 Stunden 
später beginnen die Temperaturmessungen von neuem; dieselben 
werden 5 mal, in Zweifelsfällen 6 mal dreistündlich wiederholt. 
Ein Ansteigen von 0,5° C wird schon als Reaktion angesehen. 
Durch dieses strenge Vorgehen wurden manche tatsächlich nicht 
reagierende Tiere aus der Gruppe der nicht reagierenden aus¬ 
geschieden, doch wird hierdurch eine um so größere Sicherheit 
gewährleistet. 

Im Frühjahr 1902 wurden auf diese Weise 2863 Tiere 
geimpft; hiervon reagierten 82 = 2,8 Proz. Bei den ersten 
Untersuchungen der Kälber reagieren gewöhnlich 5 bis 6 Proz., 
später nur 1 bis 2 Proz. Nebenbei erwähnt kostete die Impfung 
der vorerwähnten 2863 Tiere 1033 Kronen. Die Tuberkulose¬ 
bekämpfung kostet demnach der Herrschaft bedeutende materielle 
Opfer. Diesen steht jedoch ein großer Gewinn gegenüber. Tn 
den 3 Jahren 1899 bis 1902 ist doch die Hälfte dieses Riesen¬ 
bestandes bereits tuberkulosefrei geworden. Die andere Hälfte 
wird dies voraussichtlich in weiteren 3 bis 4 Jahren werden 
Das größere Einkommen, welches nunmehr zu erwarten ist, wird 
auf jährlich 100000 Kronen geschätzt. 

Gerichtsentscheidung. 

Durch Erkenntnis vom 6. März 1902 hat das Kammergericht 
die von dem Ober-Präsidenten für den Umfang der Provinz 
Schlesien erlassene Polizei-Verordnung vom 8. Oktober 1883 
betreffend die tierärztliche Untersuchung der Hausiererpferde 
als rechtsungültig bezeichnet. In der Begründung sagt das 
Kammergericht, daß die fragliche Polizei-Verordnung eine Be¬ 
schränkung des Hausierhandels enthalte und zwar lediglich des 
Hausierhandels; eine solche dürfe aber dem Hausierhandel nur 
in Gemäßheit des § 56 b der Reichsgewerbe-Ordnung in der 
Fassung der Novelle vom 6. August 1896 auferlegt werden. 
Der Abs. 2 dieses Paragraphen gestatte den Erlaß gewisser 
Beschränkungen des Hausierhandels aus Gründen der öffentlichen 
Sicherheit, sowie zur Abwehr und Unterdrückung von Seuchen, 
durch Beschluß des Bundesrats bezw. durch den Reichskanzler. 
Der Abs. 3 Satz 1 behandle eine hier nicht zutreffende Materie. 
Des Weiteren können durch die Landesregierungen zur Abwehr und 
Unterdrückung von Viehseuchen Beschränkungen des Handels mit 
Rindvieh, Schweinen, Schafen, Ziegen oder Geflügel angewendet 
werden. Ein solcher Handel käme hier gar nicht in Frage, sondern 
nur eineBeschränkung des Hausierhandels im allgemeinen und zwar 
in der Benutzung von Pferden oder sonstigen Einhufern. Mit 
dem Rindvieh-, Schweine-, Schaf- und Geflügelhandel habe die 
hier in Rede stehende Vorschrift nichts zu tun. Sie wolle ohne 
Rücksicht auf die vorgenannten Tiergattungen nur Vorkehrungen 


gegen die Übertragung von Pferdekrankheiten treffen, habe also 
mit dem § 56 b Abs. 4 a. a. 0. keine Berührungspunkte, sie 
könne daher auch in ihm nicht ihre Rechtfertigung finden, sie 
stamme im übrigen noch aus früherer Zeit wie dieser Absatz. 
Die genannte Vorschrift entspreche aber auch nicht dem Reichs- 
viehseuchengesetz, dem preußischen Ausführungsgesetz und der 
Bundesratsinstruktion und zwar weder nach Form, noch nach 
Inhalt, noch nach Zuständigkeit Sie denke auch an keine 
bestimmte Seuchengefahr, nicht einmal an eine bestimmte Seuche. 
In der Revision der Staatsanwaltschaft war ausgeführt worden, 
daß die Gewerbe-Ordnung nur die Zulassung zum Gewerbe¬ 
betriebe, nicht aber seine Ausübung dem polizeilichen Ver¬ 
ordnungsrecht entziehe. Hingegen führt das Kammergericht aus, 
daß bei dieser Unterscheidung stets allgemeine polizeiliche 
Verordnungen vorausgesetzt werden, d. h. solche, welche nicht 
bloß für Gewerbetreibende, sondern für jedermann gelten, er 
mag ein Gewerbe betreiben oder nicht. 

Hier käme aber nicht eine allgemeine polizeiliche Ver¬ 
ordnung, der auch der Gewerbetreibende unterworfen ist, in 
Frage, sondern eine ausschließlich dem Hausierhandel auf¬ 
erlegte Beschränkung. Eine solche sei nur im Rahmen der 
Gewerbeordnung bezw. sonstiger Reichsgesetze zulässig und nur 
seitens der dort oder in den Ausfahrungsgesetzen bestimmten 
Behörden. 

Mit diesem Urteil wird mit einem Schlage einer Polizei- 
Verordnung, welche gegen 20 Jahr sicherlich segensreich ge¬ 
wirkt hat, die Rechtsgültigkeit abgesprochen. Es hat dies in¬ 
sofern ein allgemeines Interesse, als ähnliche oder gleichartige 
Bestimmungen auch in sehr vielen anderen Regierungsbezirken 
getroffen worden sind. Denselben ist es zweifellos mit zuzuschreiben, 
daß die Rotzkrankheit sich nicht weiter verbreitet hat, sondern 
allmählich immer an Ausbreitung zurückgegangen ist. Mit dem 
vorerwähnten Kammergerichtsurteil dürfte daher auch noch 
nicht das letzte Wort in dieser Angelegenheit gesprochen 
worden sein. Pr. 

Verbreitung der Tierseuchen in Deutschland im Jahre 1901. 

Am dem Jahresbericht des Kaiserlichen Gesundheitsamtes. 

(Berlin, Verlag von Julius Springer.) 

Maul- und Klauenseuche. 

Diese Seuche hat zur Zeit einen sehr günstigen Stand erreicht, 
es sind am 30. April er. nur 18 Gemeinden und 49 Gehöfte ver¬ 
seucht gewesen. Hiervon entfallen 24 Gehöfte allein auf Loth¬ 
ringen, 14 Gehöfte auf Preußen, von letzteren wieder 6 Gehöfte 
auf den Kreis Simmern im Reg.-Bez. Koblenz. Letzterer Kreis 
war im Jahre 1902 stark verseucht gewesen. Seit 2 Monaten 
war derselbe jedoch völlig seuchefrei. Die Seuche beginnt jedoch 
hier immer wieder von neuem aufzuflackern. Der Regierungs¬ 
präsident in Koblenz hat sich daher veranlaßt gesehen, von 
neuem außerordentliche veterinär-polizeiliche Maßregeln für den 
Kreis Simmern zur Anwendung zu bringen. Er hat unter dem 
30. April die Abhaltung von Rindvieh-, Schaf- und Schweine¬ 
märkten in diesem Kreise, sowie den Hausierhandel mit Wieder¬ 
käuern und Schweinen verboten. Ferner sind bezüglich der Aus¬ 
fuhr solcher Tiere aus diesem Kreise besonders strenge Kontroll- 
maßregeln angeordnet worden. Auch im Kreis Kosten, Reg.-Bez. 
Posen, woselbst die Seuche seit der 2. Hälfte Februar d. J. 
herrscht, ist dieselbe noch nicht wieder völlig erloschen. Hier 
sind am 30. April er. noch 1 Gemeinde und 5 Gehöfte verseucht 


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4. Juni 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


375 


gewesen; eine Weiterverbreiteng hat jedoch nicht stattgefnnden. 
Im übrigen ist die Maul- und Klauenseuche auch in Süddeutsch¬ 
land nahezu als erloschen anzusehen, in Bayern waren am 
30. April 8 Gehöfte, Württemberg 2 und Baden 1 Gehöft von 
der Seuche betroffen gewesen. 

Schweineseuche. 

In Österreich besteht bekanntlich seit 1899 ein Gesetz, 
welches die Tötung seuchekranker, seuchenverdächtiger und 
ansteckungsverdächtiger Schweine vorschreibt. Die mit diesem 
Gesetz erzielten Erfolge sind sehr gute gewesen. Nunmehr ist 
dem österreichischen Abgeordnetenhause ein Gesetzentwurf vor¬ 
gelegt worden, welcher bestimmt, daß mit der Tötung kranker, 
seuche- und ansteckungsverdächtiger Tiere künftig nur dann 
vorgegangen werden solle, wenn anzunehmen ist, daß durch 
diese Maßnahme die rasche Tilgung der Seuche in einem Ge¬ 
biet zu erreichen sei. Nach dem Entwurf sollen ferner die bei 
der Schlachtung beanstandeten Schweine nicht mehr samt allen 
Eingeweiden vernichtet, sondern nach dem Ermessen des bei 
der Seuchenkommission tätigen Tierarztes zum Genuß für 
Menschen zugelassen werden. 

Die Pferderäude. 

Diese Seuche hat gegenüber dem Vorjahr nicht unerheblich 
zugenommen. Es sind 664 Tiere erkrankt, gegen 461 im Jahre 
1900, das sind 44 Proz. mehr. Die Bände ist in 10 Staaten, 
48 Regierungs- pp. Bezirken und 180 Kreisen pp. aufgetreten. 
Die größte Verbreitung hatte sie im 1. Vierteljahr, in diesem 
sind allein 235 räudekranke Pferde zu verzeichnen gewesen, 
220 im 2. Vierteljahr. Die stärkste räumliche Verbreitung 
sowie auch die höchsten Erkrankungsziffern wiesen die Regierungs¬ 
bezirke Königsberg und Unterfranken auf (50 bezw. 44 Gehöfte 
und 148 bezw. 66 kranke Pferde). Die am stärksten ver¬ 
seuchten Kreise waren Neidenburg und Allenstein (Ostpr.). 
In 54 Kreisen, das sind 28,7 Proz. der überhaupt betroffenen, 
ist nur je 1 RäudetäU zur Anzeige gekommen. Nach dem 
Gesamtpferdebestande berechnet sind 1901 1,6 Proz. an Räude 
erkrankt (1900: 1,2 Proz.). 

Einschleppungen der Pferderäude aus dem Auslande sind 
nicht vorgekommen, auch wurden Verschleppungen aus einem in 
den andern Bundesstaat nicht gemeldet. In 41 Fällen waren 
die Pferde bereits erkrankt oder angesteckt als sie in den Besitz 
der neuen Eigentümer gelangten. 

In zahlreichen Fällen wurde die Pferderäude bei der tier¬ 
ärztlichen Beaufsichtigung der Vieh- und Pferdemärkte ermittelt, 
in einigen Fällen auch bei öffentlichen Auktionen, bei der 
Fleischbeschau, in Roßschlächtereien, auf offener Straße, in 
Abdeckereien, in je einem Falle bei Beaufsichtigung einer Tier¬ 
schau, bei Überweisung des Grenzverkehrs und bei Stallrevisionen. 
In vielen Fällen hat eine Behandlung räudekranker Pferde auf 
polizeiliche Anordnung stattgefunden; in der Regel mit gutem 
Erfolg. 

Es kamen zur Verwendurg Kreolinliniment, dieses in Ver¬ 
bindung mit Sodalösung, 5 proz. Kresolseifenlösung und Soda, 
Kresolwasser und Kaliseife, Wiener Teerliniment, Lysolseifen- 
geist, Bazillolspiritus, Sublimatlösung, Perubalsam u. a. 20 Pferde 
wurden ohne Erfolg behandelt und getötet. 

In den Regierungsbezirken Danzig, Frankfurt, Kassel, 


Marienwerder und Oberbayern sind Übertragungen der Pferde¬ 
räude auf Menschen beobachtet worden. 

Räude der Sohafe. 

Auch die Schafräude hatte im Jahre 1901 eine stärkere 
Verbreitung wie 1900, es sind 3473 Gehöfte betroffen worden, 
gegen 3014 im Jahre vorher. In den neubetroffenen Gehöften 
betrug die Stückzahl der Schafe 143 468, 46,10 Proz. mehr 
wie 1900. 

Gänzlich verschont blieben Mecklenburg-Strelitz, Oldenburg, 
Sachsen-Altenburg, Schwarzburg-Rudolstadt, Reuß ä.L., Reuß j.L. 
Schaumburg-Lippe, Lübeck und Bremen. Die stärkste Ver¬ 
breitung hatte die Schafrände im zweiten, demnächst im vierten 
Vierteljahr. Die stärkste räumliche Verbreitung wiesen die 
Regierungsbezirke Kassel, Osnabrück und Hildesheim auf, Bowie 
die Kreise pp. Hofgeismar, Grafschaft Bentheim und Frankenberg. 

Von je 10 000 Schafen gehörten 1901 148,02 neuverseuchten 
Gehöften an, gegen 101,25 im Vorjahre. 

Aus der dem Bericht beigegebenen Karte ersieht man, daß 
die Schafräude hauptsächlich die westlich der Elbe gelegenen 
Bezirke und Süddeutschland betroffen hat, östlich der Elbe 
waren nur 8 Kreise befallen. Hauptherde der Schafräude waren 
Kassel, Grafschaft Bentheim, Darmstadt, Pyrmont und Kreuznach. 

In auswärtigen Staaten ist die Schafräude besonders stark 
aufgetreten in Bulgarien, Frankreich, Großbritannien, Italien, 
den Niederlanden, Österreich-Ungarn, Rumänien und Schweiz. 

Einschleppungen der Schafräude aus dem Ausland sind 
nicht bekannt geworden, dagegen haben verschiedentlich Ver¬ 
schleppungen aus einem in den anderen Bundesstaat statt- 
gefunden; auch sind in einer Reihe von Fällen die Schafe be¬ 
reits erkrankt oder infiziert gewesen, als sie in den Besitz des 
neuen Eigentümers gelangten. 

Auf Märkten und Viehhöfen wurde die Schafräude in vielen 
Fällen ermittelt, 7 mal in Schlachthäusern und 1 mal auf 
offener Straße. 

In vielen Bezirken haben tierärztliche Untersuchungen 
sämtlicher Schaf bestände stattgefunden und wurden bei diesen 
Untersuchungen zahlreiche Seuchenfälle festgestellt 

Das Heilverfahren zur Tilgung der Schafräude bestand 
zum größten Teil in Räudebädern, häufig nach vorheriger 
Schmierkur, oder nur in der letzteren. Es kamen hauptsächlich 
Kreolin- und Lysol-Lösungen zur Anwendung, sowie Quecksilber¬ 
salbe. Das Heilverfahren hatte im allgemeinen gute Erfolge. 
Mehrere Bestände wurden mit und ein Schafbestand ohne Er¬ 
folg mit Akaprinbädern behandelt. 

In Preußen wurden 605 Bestände behandelt, davon 492 geheilt, 
19 noch nicht geheilt, 83 geschlachtet und 9 ohne Erfolg gebadet. 
In Bayern wurden 263 Schafbestände der Badekur unterworfen, 
davon wurden 153 Bestände geheilt, 5 Bestände waren am 
Jahresschlüsse noch nicht geheilt, 3 Bestände wurden ge¬ 
schlachtet, 2 erfolglos gebadet. Meist wurden 2y 2 proz. Kreolin¬ 
bäder verwendet. 

In den übrigen Staaten sind die Erfolge der Badekuren 
sehr günstige gewesen. In Sachsen-Meiningen sind die er¬ 
krankten Schafe abgeschlachtet worden, zum großen Teil auch 
in Sachsen-Koburg-Gotha. In Waldeck wurden hauptsächlich 
Schmierkuren mit gutem Erfolge angewendet. 


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876 


Nachweisung Ober den Stand der Tiereeuchen In Deutschland am 
15. Mai 1903. 

Schweineseuche (Schweinepest). 


Regierungs¬ 
bezirke etc. 

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Auf je 1000 
Gemeinden 
waren verseucht. 

Regierungs¬ 
bezirke etc. 

Ver¬ 

seuchte 

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Preußen: 




Sigmaringen . . . 

_ 

_ 

Königsberg. . . . 

17 

46 

11 

Waldeck. 

2 

4 

Gumbinnen .... 

9 

37 

9 

Bayern: 



Danzig. 

4 

12 

9,5 

Oberbayern .... 

4 

5 

Marienwerder . . 

16 

92 

40 

Niederbayern. . . 

— 

— 

Berlin. 

— 

— 

— 

Pfalz. 

1 

1 

Potsdam. 

15 

53 

20 

Oberpfalz. 

— 

— 

Frankfurt. ... 

16 

69 

25 

Oberfranken . . . 


— 

Stettin. 

12 

57 

30 

Mittelfranken. . . 

— 

— 

Köslin. 

12 

26 

13,4 

Unterfranken . . . 

— 

— 

Stralsund. 

2 

5 

5,6 

Schwaben. 

1 

1 

Posen . 

23 

55 

16,7 

Württemberg . 

— 

— 

Bromberg. 

12 

82 

36,8 

Sachsen. 


— 

Breslau. 

21 

153 

40,2 

Baden . 

2 

2 

Liegnitz. 

18 

131 

46,9 

Hessen . 

4 

15 

Oppeln. 

10 

22 

7,8 

Meckl.-Schwerin 

5 

13 

Magdeburg .... 

7 

12 

8,3 

Meckl.-Strelitz . 

1 

1 

Merseburg .... 

11 

23 

9,9 

Oldenburg . . . 

2 

2 

Erfurt. 

2 

2 

3,1 

Sachs.-Weimar. 

3 

5 

Schleswig. 

13 

45 

21 

Sachs.-Meiningen 

1 

1 

Hannover. 

5 

16 

25 

Sachs.-Altenburg 

1 

1 

Hildesheim .... 

4 

10 

13 

Sachs.-Kob.-Got. 

1 

1 

Lüneburg. 

6 

13 

8,8 

Anhalt. 

2 

4 

Stade. 

4 

8 

11 

Braunschweig 

3 

8 

Osnabrück .... 

2 

10 

17,8 

Schwarzb.-Sond. 

— 

— 

Aurich . 

1 

5 

14,6 

Sch warzb.-Rud. 

— 

— 


5 

13 

48 




Minden . 

4 

11 

21,5 

Reuß j. L . 

— 

— 

Arnsberg . 

5 

12 

14 

Schaumb.-Lippe 

— 


Kassel . 

8 

15 

8,9 

Lippe-Detmold . 

3 

7 

Wiesbaden .... 

4 

10 

16 

Hamburg .... 

1 

1 

Koblenz . 

— 

— 

— 

Lübeck . 

— 

— 

Düsseldorf .... 

10 

35 

81 

Bremen . 

— 

— 

Köln . 

3 

4 

13,5 

Elsaß . 

— 

— 

Trier . 

1 

1 

0,8 

Lothringen . . 

— 

— 

Aachen . 

3 

4 

10 





Rotz.*) 

Preußen: In den Regierungsbezirken Köslin, Bromberg, Breslau, 
Merseburg, Hannover, Aachen und im Stadtkreis Berlin je 1 (1); im 
R.-B. Minden 3 (3) u. in Oppeln 4 (5). — Bayern: Oberbayern 1 (1); 
Niederbayern 6 (6). — Sachsen, Württemberg und Mecklenburg- 
Strelitz je 1 (1). — Zusammen 24 Gemeinden (30. April 21). 

Maul* und Klauenseuche. 

Preußen: In den Regierungsbezirken Marienwerder, Magdeburg, 
Arnsberg je 1 (1); in Koblenz 1 (2). — Bayern: Schwaben 3 (3); 
Öberbayern 5 (5). — Württemberg: Neckarkreis 2 (2). — Baden 

1 (1). — Elsaß-Lothringen 1 (2). — Zusammen 18 Gemeinden 
(30. April 18). 

Lungenseuche. 

Preußen: lm Regierungsbezirk Bromberg 2 (2). — Zusammen 

2 Gemeinden (30. April 0). 

Übersicht Ober die Im III. und IV. Quartal 1902 aus den Seequarantfine- 
anstalten in öffentliche Schlachthäuser eingeführten Rinder und das 
Ergebnis der Fleischbeschau bei denselben. 

Im III. bezw. IV. Quartal 1902 wurden in die Seequarantäne- 
anstalten eingeführt bezw. waren daselbst als Bestand vorhanden 

*) Die Zahlen bedeuten die Kreise und eingeklammert die 
Gemeinden. 


No. 28. 


11 879 bezw. 10 883 Rinder. Hiervon wurden zurückgewiesen 
209 bezw. 150, notgescblachtet wurden oder verendet sind 3 bezw. 11. 
10195 bezw.9 220 wurden nach Schlachthöfen übergeführt (nach Barmen, 
Berlin, Bielefeld, Bochum, Bremen, Köln, Krefeld, Düsseldorf, Elber¬ 
feld, Flensburg, Hagen, Hamburg, Hannover, Kiel, Lübeck, Osnabrück, 
Rostock, Solingen bezw. nach Barmen, Berlin, Bielefeld, Bochum, 
Köln, Krefeld, Düsseldorf, Essen, Flensburg, Gelsenkirchen, Hagen, 
Hamburg, Kiel, Lübeck, Nordhausen, Osnabrück, Rostock, Solingen, 
Wanne), während 972 bezw. 1502 als Bestand verblieben. 

Von den nach den Schlachthäusern übergeführten 10195 bezw. 
9 220 Rindern erwiesen sich nach Schlachtung 7 952 bezw. 7 328 
als gesund und 2 243 — 22,0 bezw. 1892 = 20,5 p. Zt. tuberkulös 
(darunter 45 bezw. 36 mit allgemeiner Tuberkulose). 

Ergebnis der Tuberkulinimpfungen in den Seequarantineanstatten. 

Von Ende Juni bis Ende September bezw. Ende September bis 
Ende Dezember wurden in die Quarantäneanstalten zu Altona- 
Bahrenfeld, Apenrade-Flensburg, Kiel, Lübeck, Rostock, Warne¬ 
münde bezw. auch noch nach Hvidding 10 590 bezw. 10 574 dänische 
Rinder eingeführt. Hierzu kam noch ein Bestand von 767 bezw. 
521 Stück, die vom Vorquartal her ungeimpft geblieben waren. — 
Von diesen insgesamt 11357 bezw. 11095 Stück wurden von 
der Impfung 0 bezw. l zurü kgewiesen, 3 bezw. 4 notgeschlachtet, 
während 0 bezw. 4 fielen und 221 bezw. 709 ungeimpft verblieben. 

Bei 10 833 bezw. 10 377 Stück wurde die Tuberkulinprobe mit 
nachstehendem Resultat vorgenommen: 10 624 bezw. 10 377 waren 
frei von Tuberkulose und 209 = 1,9 bezw. 215 = 2,1 p. Zt er¬ 
wiesen sich als tuberkulös. 

Influenza*) unter den Pferden der preussischen Zivilbevölkerung 
im Jahre 1902. 

In den einzelnen Monaten waren von der Seuche befallen: 



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März 

April 

Mai 

Juni 

Juli 

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Q 

Kreise. 

23 

19 

22 

30 

1 18 

23 

17 

1 16 

17 

16 

11 

12 

Gemeinden (Gutsbez.) 

28 

25 

29 

38 

24 

25 

20 

> 

19 

1 18 

13 

19 

Gehöfte. 

77 

69 

67 

| 66 

58 

41 

44 

[38 

42 

57 ■ 

39 

74 


Die Verluste betrugen in den Regierungsbezirken Königsberg 2, 
Gumbinnen 11, Danzig 19, Marienwerder 1, Berlin 40, Potsdam 1, 
Frankfurt a. 0.5, Stettin 4, Köslin 5, Posen 17, Bromberg 3, Breslau 15, 
Liegnitz 2, Oppeln 1, Schleswig 10, Lüneburg 9, Stade 3, Kassel 20, 
Köln 3, Sigmaringen 1, zusammen 172 Pferde. 

Influenza*) unter den Pferden der preussischen Heeresverwaltung im 
Jahre 1902. 

a) Unter den Truppenpferden: Die Zahl der betroffenen 
Garnisonen und Kascrnements (letztere eingeklammert) betrug im 
Monat Januar 23 (30), Februar 20 (28), März 17 (28), April 17 (20), 
Mai 13 (16), Juni 11 (12), Juli 9 (11); August 6 (8), September 7 (8), 
Oktober 11 (16), November 14 (22), Dezember 19 (28). Der Gesamt¬ 
verlust ist auf 68 Pferde angegeben, wovon auf das XII. Armeekorps 
21, auf das III. 11 Todesfälle kommen. 

b» Unter den Pferden der Remontedepots: Die Zahl der 
betroffenen Depots betrug im ganzen 21. Die größte Ausdehnung 
hatte die Seuche im IV. Quartal. Eb fielen zusammen 10 Pferde. 

Rattenvertilgang. 

In Kopenhagen hat sich nnter dem Vorsitz von Professor 
Bang eine internationale Vereinigung zur Vertilgung der Ratten 
gebildet. Bei der großen Bedeutung, die die letzteren als 
Träger und Verbreiter der Bubonenpest und der Trichinen haben, 
wird durch diese Maßnahme wohl wie durch keine zweite der 
Hygiene gedient und speziell das Übel der Pest an der 
Wurzel gefaßt. 

*) Die Statistik führt unter Influenza fast ausschließlich Fälle 
von Brustseuche auf, Sealma, Pferdestaupe blieben vereinzelt. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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4. Juni 1903. 


Fleischschau und Viehverkehr. 

Red. von Kühsau. 

Anleitung zum Nachweis von Wurstverfälschungen mit 
Pferdefleisch für gerichtliche Zwecke, durch das 
biologische Eiweisspräzipitierungsverfahren. 

Von 

Dr. Jess-Charlottenburg, 

KreUtlerarzt 

Der Nachweis von Pferdefleisch hat bekanntlich für die 
Nahmngsmittelkontrole ein hervorragendes Interesse, weil nicht 
allzu selten das Pferdefleisch, namentlich in der Wurst- und 
Fleisch-Konserven-FabrikatioD, an Stelle des bedeutend teuereren 
Rindfleisches verarbeitet wird. Die bisherigen Verfahren, welche 
uns die Erkennung des Pferdefleisches in der Wurst und im 
knocheDfreien Zustande ermöglichen, waren an den Nachweis 
von Glycogen, wie er von Niebel u. a. zuerst angegeben 
wurde, und an die Bestimmungen der Jodzahl des Fettes nach 
Hasterlik gebunden. Diese beiden Verfahren haben nament¬ 
lich für die forensische Praxis erhebliche Nachteile. Glykogen 
findet sich nicht nur in den Pferdemuskeln, sondern es findet 
sich auch in der Leber und auch zu gewissen Zeiten im Kalb¬ 
fleisch. 

Des weiteren aber wird besonders dnrch den Stärkegehalt in 
den Würsten der Nachweis von Glykogen oft recht schwierig 
gestaltet, namentlich wenn die Wnrst stark gepfeffert ist, so kann 
z. B. der Stärkegehalt in dem gemahlenen Pfeffer noch sehr wohl 
dazu beitragen, den Nachweis des Glykogens erheblich zu er¬ 
schweren. Auch in Würsten, in denen Leber verarbeitet ist, 
dürfte der Nachweis des Glykogens nicht den gewünschten Er¬ 
folg haben und schließlich möchte ich noch auf die Beobachtung 
hinweisen, daß bei längerem Liegen von Würsten das Glykogen 
sich anscheinend umsetzt, jedenfalls sich nicht mehr einwandsfrei 
chemisch nachweisen läßt. Die Bestimmungen der Jodzahl des 
Fettes, wie sie von Hasterlik angegeben ist, hat deshalb für 
den Nachweis von Pferdefleisch in Würsten nur ein sehr geringes 
Interesse, weil zur Herstellung der Pferdewürste stets Schweine¬ 
fett und Rindertalg genommen wird. 

Die Pferdewürste werden hierorts in drei landläufigen Sorten 
hergestellt: 

1. Die Pferdeschlackwurst. Das Wurstgut besteht aus 
30 Pfd. Pferdefleisch, 10 Pfd. Schweinefett und 2 bis 3 Pfd. 
Rindertalg unter Zusatz der erforderlichen Menge an Pfeffer, 
Salz und Salpeter. 

2. Die Mettwurst. Sie besteht aus 30 Pfd. Pferdefleisch, 
7 Pfd. Schweinebacken, 4 Pfd. Talg, dem e> forderlichen Ge¬ 
würz, unter Zusatz einer entsprechenden Menge Knoblauch. 

Die 3. Sorte ist die sogenannte „Breslauer“. Sie wird 
hergestellt aus 30 Pfd. Pferdefleisch und 3—4 Pfd. Schweine¬ 
fett, und zwar wird bei dieser Warst das Pferdefleisch mit dem 
Schweinefett zusammen durch den Wolf gemahlen; auch an 
diese Wurst kommen außer dem Gewürz, Knoblauch und Sal¬ 
peter. 

‘ Die Breslauer unterscheidet sich von den beiden vorherigen 
Sorten dadurch, daß sie im gekochten Zustande genossen 
wird, während die übrigen beiden Wurstarten natürlich ge¬ 
räuchert, aber im übrigen roh gegessen werden. 

Das Wurstgut wird bei allen Sorten in Rinderdärme gefüllt. 

Mit diesen Möglichkeiten hat man dann zu rechnen, wenn 
es sich um die Unterscheidung von Pferdewurst an Stelle der 


377 


Rinderwurst handelt; aber der professionierte Nahrungsmittel- 
falscher wendet eine derartige plumpe Verfälschung nur selten 
an. Er wird also, und das erschwert die Untersuchung, das 
Verhältnis der Fleischsorten ändern, indem er statt des ganzen 
Pferdefleisches nur prozentualiter das Rindfleisch durch Pferde¬ 
fleisch ersetzt. Es hat also, darauf sei nochmals hingewiesen, 
das in der Warst enthaltene Fett für die Untersuchung und 
Beurteilung von Fälschungen gar kein Interesse, denn es ist 
Schweinefett selbst bei reiner Pferdewurst. 

Die heutigen Verfahren bieten also der Nahrungsmittel¬ 
untersuchung keinen genügenden Anhalt, und ich habe deshalb 
im September 1901, als erster, auf ein Verfahren hingewiesen, 
welches ich schon damals seit längerer Zeit für den Nachweis 
des Pferdefleisches angewendet hatte*), und welches bereits im 
Sommer 1901 von mir neben dem Niebelschen Verfahren den 
im hiesigen städtischen Fleischschauamt tätigen Tierärzten de¬ 
monstriert wurde. 

Bereits im Jahre 1898 hatten Belfanti und Carbonne*) 
auf ein Phänomen hingewiesen, welches darin bestand, daß das 
Serum von Pferden, denen sie Kaninchenblutkörperchen injiziert 
hatten, auf die Kaninchen derart wirkte, daß es die Blut¬ 
körperchen der Kaninchen auflöste. Bezüglich der Einzelheiten 
der weiteren Versuche, namentlich von Creite, Landois, 
Bordet, Pfeiffer, Ehrlich und Morgenrot, Büchner und 
vor allen Dingen von Wassermann und Schütze u. a. ver¬ 
weise ich auf meine Arbeit in der B. T. W. 1902 No. 46. Wenn 
man Tieren Bakterien injiziert, so antwortet der Organismus 
mit Gegenkörpern, welche dem Serum bei geeigneter Vor¬ 
behandlung die Fähigkeit verleihen, auch außerhalb des Organis¬ 
mus die Bakterien zu vernichten. Wenn man den Tieren rote 
Blutkörperchen injiziert, so entstehen Stoffe in dem Blute, 
welche diese roten Blutkörperchen zur Auflösung bringen. Das 

*j Es soll an dieser Stelle nicht noch einmal der Prioritätsstreit 
aufgerollt werden. 

Dr. Uhlenhut hat in der Zeitschrift für Medizinalbeamte Jahr¬ 
gang 1003, Heft und 6 wörtlich folgendes veröffentlich: „Diese Me¬ 
thode ist in allen Einxelhcitcn im November 1901 von Uhlenhut 
veröffentlicht worden. Nachdem hat auch Jcss im September 1901 
auf der Naturforscherversammlung in Hamburg darauf hingewiesen, 
daß es mit Hilfe eines Pferdcantiserums gelingt, Pferdeblut und Pferde¬ 
fleisch xu erkennen.“ 

Ich vermag dem Gedankengang des Herrn Dr. Uhlenhut hier nicht 
xu folgen , denn ich habe bisher bei den von mir benutzten Kalendarieti 
stets den September vor dem November angetroffen. Wie Herr 
Uhlenhut es sich erklärt, daß er im November 1901 und ich dann 
später im September 1901 diese Methode angegeben habe, verstehe 
ich nicht. 

Wenn meine Angaben in Ilamhurg an Ausführlichkeit xu wünschen 
übrig ließen, so war das dadurch bedingt, daß meine diesbezüglichen 
Untersuchungen aus dem Rahmen des angemeldeten Vortrages heraus¬ 
fielen. Ich habe aber nach der Versammlung einigen speziell sich 
dafür interessierenden Polizeitierärzten die Einzelheiten genau detailliert, 
und ror allen Dingen genügten diese Hinweise jemandem, der auf 
diesem Gebiete arbeitete. Fs wußte jeder, daß wenn ich auf eine neue 
Methode zum Nachweis von Pferdeblut und Pferdefleisch als Tier¬ 
arzt in einer tierärztlichen Versammlung hinweise, ich hierbei nur 
das Interesse, welches die Tierärzte an Nahrungsmittelfälschungen 
haben, im Auge hatte, nicht aber ein xoologischcs-biolagisches I*roblem 
vortrug. 

Aus meinen Ausführungen in Hamburg mußte also Uhlcnhut 
m. E. ohne weiteres ersehen, daß ich bereits das Gebiet betreten hatte, 
welches er erst Monate später für sich in Anspruch nahm. 

*) Journ. d. la R. Acad. d. Med. di Torino 1898, No. 8. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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378 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT 


No. 28. 


Gleiche geschieht, wenn man die Tiere mit Spermatozoen n. s. w, 
vorbehandelt. 

Spritzt man den Tieren Eiweiß ein, so entsteht in dem 
Körper der so vorbehandelten Versuchstiere ein Stoff (Präzipitin), 
welcher die Fähigkeit hat, die zur Vorbehandlung benutzte 
Eiweißart außerhalb des Tierkörpers zur Fällung zu bringen. 

Die ersten Versuche dieser Art sind von Tchistowitch 
und Bordet, sowie von Ehrlich, Morgenrot, Wassermann, 
Uhlenhut u. a. gemacht. Wenn man also ein Tier, wie es 
Uhlenhut machte, mit Hiihnereiweiß vorbehandelt, so ruft das 
Serum eines derartig geeignet vorbehandelten Tieres nur in 
einer Hühnereiweißlösung, nicht aber in einer Pferdeeiwei߬ 
lösung oder Rindereiweißlösung einen Niederschlag, ein 
Präzipitin hervor. 

Im Sommer 1901 habe ich diese Kenntnis für die Erkennung 
von knochenfreiem Pferdefleisch, wie es gewöhnlich gehandelt 
wird, und für die Erkennung von Pferdefleischbeimischungen in 
geräucherter Wurst angewendet. Die bisherigen Arbeiten der 
verschiedenen Autoren über diesen Gegenstand lassen wenig 
Übereinstimmung erkennen. Das ist'um so bedenklicher, als es 
sich um ein Verfahren handelt, welches für gerichtliche Fälle 
verwendet werden soll und welches deshalb frei von jeder 
Möglichkeit eines Irrtums sein muß, denn es wäre kaum aus- 
zudenken, welche furchtbaren Folgen durch eine zweifelhafte 
Reaktion für einen unschuldig Angeklagten durch ein derartiges 
Verfahren entstehen könnten. 

Es sind neuerdings für den forensischen Nachweis von 
Menschenblut speziell 2 Arbeiten erschienen, und zwar „Über 
die Spezifität der Eiweiß präzipitierenden Sera und deren Wert- 
bemeBsung für die Praxis von Professor Dr. A. Wassermann 
und Dr. Albert Schutze“ in der Deutschen medizinischen 
Wochenschrift 1903 No. 11 und „Praktische Anleitung zur ge¬ 
richtsärztlichen Blutuntersuchung vermittelst der biologischen 
Methode von Stabsarzt Dr. Uhlenhut und Professor Dr. Beumer“ 
in der Zeitschrift für Medizinalbeamte Jahrgang 1903 Heft 5 und 6. 

Beide Arbeiten sprechen speziell von dem Nachweis von 
Blut. Uhlenhut fordert die Verwendung eines besonders hoch¬ 
wertigen Serums und er gibt den Titer mit 1 zu 20000 an. 
Er verlangt, daß sofort nach Zusatz des Serums oder spätestens 
1 bis 2 Minuten nachher eine hauchartige Trübung sichtbar ist. 
Innerhalb der ersten 5 Minuten muß die hauchartige Trübung 
sich in eine dichte wolkige verwandelt haben, innerhalb der 
nächsten 10 Minuten bildet diese Trübung bereits einen deut¬ 
lichen Bodensatz. Später entstehende Trübungen, welche nach 
1 Stunde, ja nach 24 Stunden auftreten, dürfen als eine erfolg¬ 
reiche Reaktion in der Praxis nicht erachtet werden. Eine 
Reaktion muß in der angegebenen Zeit bei Zimmertemperatur 
erfolgen. 

Die Entstehung von heterologen Trübungen ist bei diesem 
Verfahren nach Uhlenhuts Ansicht ausgeschlossen. Wasser¬ 
mann und Schütze betonen, daß sie gerade von der Ver¬ 
wendung hochwertiger Sera keine günstigen Erfolge gehabt 
haben und selbst mit einem Serum von dem Titer 1: 1000 nur 
bei gehöriger Verdünnung arbeiten. 

Das Wassermann-Schtitzesche Verfahren bietet nach 
meiner, auf Grund der eigenen Arbeiten, gewonnenen Überzeugung 
die einzige Möglichkeit, für die gerichtliche Tiermedizin zu einem 
brauchbaren Verfahren den Grundstein zu legen. Wassermann 
und Schütze gehen von bestimmten Prftzipitierungseinheiten aus. 


Ein Serum, von dem 1 ccm zu einer Eiweißlösung von 0,1 zu 
5 ccm 0,85prozentiger Kochsalzlösung zugesetzt, nach einer 
Stunde im Brutschrank bei 37° eine deutliche flockige Trübung 
ergibt, die sich später als Niederschlag absetzt, nennen sie „ein¬ 
fach normales, präzipitierendes Serum“ oder „Normal- 
Präzipitierungsserum“. Ruft 0,1 dieselbe Wirkung hervor, 
so ist es „lOfach Normal-Präzipitierungsserum“ etc. In 
1 ccm Normal-Präzipitierungsserum ist eine Präzipitienmgseinheit 
enthalten. Wassermann und Schütze warnen vor der Ver¬ 
wendung von Serum, welches mehr als 2 Präzipitierungseinheiten 
hat, und zwar ist diese Warnung durchaus berechtigt. Es sind 
Stimmen laut geworden, daß sich Präzipitierungsversuche bei 
den Nachprüfungen dieser Trübungen erzielen ließen mit einem 
Pferdeantiserum, z. B. in einer Rindereiweißlösung (sog. hetero- 
loge Trübungen). Ich habe bereits auf diese Verhältnisse 
gebührend hingewiesen in meiner Veröffentlichung in No. 5 der 
B. T. W. am 29. Januar 1903, indem ich verlangte, daß man 
bei dem Serum, ehe man es verwendet, das Verhalten des 
spezifischen Serums in heterologer Eiweißlösung kennt. Ich habe 
das auch genau ausgeführt, indem ich verlangte, unter 3 a und 
3 b 1. c., daß man feststellt, ob eine Trübung entsteht und in 
welchem Verhältnis. Wir wissen aus den Versuchen von Ehr¬ 
lich und Morgenrot, daß bei solchen Tieren, in deren Organismus 
Gegengruppen bei der Immunisierung nicht entstehen, wir keinen 
Antikörper erzielen können. Sind jedoch in dem Organismus 
gemeinschaftliche Partialgegengruppen vorhanden, und zwar 
ist dieses um so mehr der Fall, je näher die betreffenden Tiere 
in dem zoologischen System sich einander nähern, so leidet 
darunter die Spezifität des Antiserums. Wenn ich also ein 
Kaninchen mit Pferdeserum immunisiere, so entstehen in dem 
Kaninchenorganismus gleichzeitig Gegenkörper gegen Eseleiweiß, 
weil Pferd und Esel zoologisch nahe verwandt sind. 

Dasselbe geschieht bei Ziege und Hammel, sowie Rind und 
Hammel, ebenso bei Taube und Huhn. Aber die Reaktion wird, 
wenn ich ein Kaninchen mit Pferdeeiweiß vorbehandle, in der 
Pferdeeiweißlösung erheblich stärker sein, als in der Eseleiwei߬ 
lösung, und vor allen Dingen wird sie um so eher in der Esel¬ 
oder in der Hammeleiweißlösung eintreten, je höhere Wertigkeit 
das Serum hat. 

Wenn ich also ein Tier mit Pferdeserum so intensiv vor¬ 
behandle, daß bereits 1 Teil Antiserum in 20000 Teilen Eiwei߬ 
lösung nach wenigen Minuten eine Reaktion auslöst, so bin ich 
sicher, daß dieser Effekt auch im Eseleiweiß, in vielen Fällen 
auch in anderen heterologen Eiweißlösungen eintritt. Denn 
ich habe durch die intensive Immunisierung die reichliche Bildung 
gemeinschaftlicher Partialgegengruppen angeregt und ausgelöst 
Habe ich die Tiere nur mit wenig Serum behandelt, so bilden sich 
die Gegengruppen für das Pferdeeiweiß und erst später die 
für die artverwandten Eiweißsorten in kaum merkbarer Menge. 

Das Verfahren zum Nachweis des Pferdefleisches 
Ist kurz folgendes: 

Eine Anzahl von Kaninchen, zumeist nimmt man 3 bis 4, 
erhalten am 1. Tage je 5 ccm Pferdeserum subkutan injiziert, 
nach 3 Tagen 8 „ „ „ » 

nach weiteren 2 Tagen 6 „ „ „ » 

nach weiteren 2 Tagen 5 „ „ „ „ 

nach weiteren 2 Tagen 6 „ „ „ „ 

nach weiteren 2 Tagen 8 „ „ „ 


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4. Juni 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


879 


nach weiteren 3 Tagen 10 chm Pferdeserum subkutan injiziert, 
u. nach weiteren 2 Tagen 10 „ „ „ „ 

im ganzen ca. 60 ccm. 

Die Gesamtmenge muß eingehalten werden, dagegen kann 
man mit den täglichen Quanten und den Zwischenzeiten zwischen 
den Injektionstagen nach Gutdünken variieren. — 

Fünf Tage nach der letzten Injektion werden die Tiere ent¬ 
blutet, das Serum sorgfältigst abgenommen und am besten 
baldigst verwendet oder event. im Eisschrank aufbewahrt. Als 
Konservierungsmittel kann man, wie Uhlenhut angibt, Chloro¬ 
form verwenden, man muß aber damit rechnen, daß auch der¬ 
artig konserviertes Serum nach einem Vierteljahr seine Wirksam¬ 
keit einbüssen kann. Es ist praktisch, einige Zeit ehe man die 
Tiere entbluten läßt, aus der Ohrvene eine geringe Menge Blut 
zu entnehmen (denn nicht jedes lege artis vorbehandelte 
Kaninchen liefert Präzipitine) um die Wertigkeit des Serums 
festzustellen. 24 Stunden vor der Entblutung gebe ich den 
Tieren kein Futter, weil ich gefunden habe, daß dadurch die Ent¬ 
stehung opalescierenden Serums vermieden wird. Das gewonnene 
Serum muß völlig klar sein. 

In derselben Weise stellt man sich auch Rinder- und 
Schweineantiserum her. 

Die Herstellung der Eiweißlösung geschieht in folgender 
Art: 2 g des rohen Pferdefleisches oder 2 g mageren Fleisches, 
welches aus der zu untersuchenden Wurst mit dem Skalpell 
möglichst fettfrei isoliert wird, wird mit 100 Teilen 0,85%iger 
Kochsalzlösung 12 Stunden in einem Kolben belassen. Die Fleisch¬ 
teilchen werden mit einer kleinen Schere so fein wie möglich 
geschnitten, und wenn es angängig ist, werden die Gläser öfter 
geschüttelt. Intensiv durchgeschüttelt, werden die Lösungen 
nach Ablauf von 12 Stunden und dann am besten durch Ton¬ 
filter filtriert, weil es ein unbedingtes Erfordernis ist, daß die 
zur Verwendung kommenden fraglichen Eiweißlösungen absolut 
klar sind. 

Die Prüfung des zur Verwendung kommenden Serums ge¬ 
schieht in der Weise, daß man eine Mischung von Pferdesernm 
mit 0,85 %*£ er Kochsalzlösung von der Konzentration, wie sie 
Wassermann und Schütze angegeben haben, 0,1 zu 5 her- 
stellt. Ich nehme 1 ccm Pferdeserum, füge es zu 50 ccm 
0,85 %iger Kochsalzlösung hinzu und fülle mit dieser Serum¬ 
verdünnung eine Anzahl Reagenzgläschen, je zu 5 ccm. Zu 
diesen Probegläschen setze ich einmal 0,1, 0,01, 1,0 des zu 
prüfenden Antiserums, stelle die Gläser 1 Stunde in den Brut¬ 
schrank. Ist dann in demjenigen Glase, zu welchem ich 1 ccm 
hinzugesetzt habe, eine Trübung entstanden, in den anderen, 
welche nur weniger enthalten jedoch nicht, so habe ich ein 
„Normal-Präzipitierungsserum“. Ist jetzt aber z. B. in dem 
Glase, zu dem nur 0,1 zugesetzt war, auch bereits ein deutlicher 
Niederschlag entstanden, so ist das Serum 10 fach etc. 

Sera, welche mehr als eine Präzipitierungseinheit haben, 
werden vor ihrer Verwendung mit normalem Kaninchenserum 
verdünnt. 

Nachdem ich also einmal die Präzipitierungsfähigkeit über¬ 
haupt festgestellt und mich über die Wertigkeit genau 
orientiert habe, fülle ich von der auf Pferdeeiweiß zu unter¬ 
suchenden Kochsalzeiweißlösung 7 Reagenzgläser mit je 5 ccm. 
Zu dem einen Glase setze ich 1 ccm Pferdeantiserum, zu dem 
2. Glase '/a ccm, zu dem 3. Glase 1 ccm Rinderantiserum, zu 


dem 4. Glase '/« ccm desgleichen, zu dem 6. Glase 1 ccm Schweine¬ 
antiserum, zu dem 7. Glase ‘/a ccm Schweineserum, dem 5. Glase 
setze ich nichts hinzu, ein weiteres Glas fülle ich zur Kontrolle 
mit 5 ccm 0,85 proz. Kochsalzlösung und in ein anderes Glas 
5 ccm Antiserum. Diese neun Gläser werden zusammen in ein 
Becherglas gestellt, mit Nummern versehen und eine Stunde lang 
einem auf 37° stehenden Brutschrank übergeben. Nach einer 
Stunde kann folgendes eintreten: 

Es ist nur Glas No. 1, welches 1 ccm Antiserum ent¬ 
hält, trübe, alle anderen sind klar, dann haben wir es zweifellos 
mit Pferdefleisch zu tun. Es kann aber auch sein, daß das 
Glas No. 1 und 2, welch letzteres nur ‘/a ccm Antiserum ent¬ 
hält, trübe ist, dann handelt es sich um ein höher wertiges 
Serum, bei dem schon geringe Mengen zur Hervorrufung dieser 
Trübung dienen. Ist eins der Gläser, zu dem Rinderserum ge¬ 
geben wurde, getrübt, und sei es auch nur dasjenige, zu dem in 
geringer Menge ein anderes spezifisches Serum hinzugefügt 
wurde, so gilt der Beweis nicht für erbracht Will man das Anti¬ 
serum dann verwenden, so muß festgestellt werden, in welchem 
Verhältnis das Pferdeserum auch in heterologen Eiweißarten 
Trübung hervorruft. Wenn man jedoch, wie ich es nach 
Wassermann und Schütze empfehle, keine besonders hoch¬ 
wertigen Sera herstellt, so ist auch die Wahrscheinlichkeit 
dieser Trübung in anderen Eiweißarten nur sehr gering. Es 
kann ferner auch in der Kochsalzlösung eine Trübung entstehen 
und in der zusatzfreien Eiweißlösung; es wird dann nicht schwer 
halten, die Ursache dieser Trübung sehr bald zu ermitteln. 

Für gerichtliche Fälle gilt der Nachweis der 
Pferdefleischbeimengung nur dann als erbracht, wenn 
nur diejenigen Röhrchen einen Niederschlag auf¬ 
weisen, zu denen das spezifische, auf seine Wertig¬ 
keit geprüfte Pferdeantiserum hinzugesetzt wurde. 
Tritt in irgend einer Kontrolle auch nur ein Hauch ein, so 
halte ich den Beweis nicht für einwandsfrei. Will man andere 
Eiweißarten nachweisen, wie es zuweilen in der tierärztlichen 
Praxis erforderlich wird (so teilte mir z. B. der Kollege 
Bischoff in Suhl brieflich mit, daß man von ihm in Wurst, 
welche bei einer des Wilddiebens verdächtigen Person beschlag¬ 
nahmt war, den Nachweis von Rehfleisch verlangte), so muß 
die Anordnung des Versuches entsprechend geändert werden. 
Es müssen zunächst Kaninchen mit defibriniertem Rehblut oder 
Rehserum vorbehandelt werden, in derselben Weise, wie es für 
das Pferdeserum angegeben ist, und es empfiehlt sich gleich¬ 
zeitig als Kontrole Rinder-, Hammel-, Ziegen- und eventuell 
Pferdeantiserum zu der verdächtigen Eiweißlösnng hinzuzu¬ 
setzen. Wenn dann nur in der mit Rehantiserum versetzten 
Eiweißlösung eine Trübung eintritt, dann gilt der Nachweis 
des Rehfleisches für erbracht. Das Fleisch kann geräuchert und 
gepökelt sein, es darf jedoch nicht gekocht sein. Um diesem 
Übelstande abzuhelfen, habe ich bereits im Winter 1901 und 
im Frühjahr 1902 gemeinschaftlich mit Dr. Piorkowski 
Versuche angestellt, welche im Zentralblatt für Bakteriologie 
I. Abteilung XXXI. Band 1902 No. 18 veröffentlicht sind. Wir 
haben die Tiere nicht mit Serum oder mit Fleischpreßsaft vor¬ 
behandelt, sondern wir haben aus dem Pferdefleisch ein wasser¬ 
lösliches Muskeleiweiß hergestellt und, in Wasser gelöst, den 
Tieren injiziert. Es gelang uns, wie in der obenbezeichneten 
Stelle auch mitgeteilt wird, auch mit einem auf diese Weise 
hergestellten Antisemm Trübuug spezifischer Art zu erzielen. 


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380 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


Allerdings auch nur in den Eiweißkochsalzlösungen ans rohem 
oder geräuchertem resp. gepökeltem Fleisch. 

Ich habe neuerdings Versuche angestellt, gekochtes Pferde¬ 
fleisch dnrch geeignete Vorbehandlung in eine wasserlösliche 
Form zn bringen und habe zn diesem wasserlöslichen Pferde¬ 
eiweiß Serum hinzugesetzt, welches ich teilweise durch Vor¬ 
behandlung mit Pferdeserum, teilweise durch Vorbehandlung mit 
Pferdemnskeleiweiß nach dem Verfahren von Bluinenthal 
gewonnen hatte. Die Versuche sind zur Zeit nicht soweit ab¬ 
geschlossen, daß ich die Anwendung des Verfahrens in gericht¬ 
lichen Fällen empfehle. Das Resultat ist jedoch derart er¬ 
mutigend, daß ich auf dieser Basis zur Zeit weiter arbeite und 
daß ich hoffe, es wird gelingen auch in gekochten Fleischwaren 
und Würsten Pferdefleisch nachzuweisen. 

Die Berliner Mastviehausstellung 1903. 

Von Kiihnau-Cöln. 

Die diesjährige Berliner Mastviehausstellung bot eine reich¬ 
liche und durchweg gute Beschickung. Im ganzen waren 1435 
Tiere von 172 Ausstellern angemeldet, die auch zum größten 
Teil zur Stelle waren. Die Rinderabteilung hatte 970, die 
Schafabteilung 53 und die Schweineabteilung 121 Anmeldungen 
zu verzeichnen. Die Mastgeflügelausstellung war von 8 Aus¬ 
stellern beschickt worden. An der Maschinenausstellung hatten 
sich 43 Aussteller beteiligt. Eine besondere Neuerung bot die 
Ausstellung dadurch, daß das Lebendgewicht der sämtlichen 
Rinder am ersten Ausstellungstage festgestellt wurde. 

Im Vergleich zu den früheren Ausstellungen war zu be¬ 
merken, daß die Züchter und Mäster ernstlich bestrebt sind, 
Tiere zu liefern, welche den Anforderungen der Marktlage ent¬ 
sprechen. Deutlich konnte man besonders bei der Rinder¬ 
abteilung das Bestreben erkennen nur wirklich fleischige Tiere 
zur Ausstellung zu briugen. Daneben ist aber auch auf die 
Feinheit des Knochenbaues das nötige Gewicht gelegt worden, 
ohne daß die Festigkeit desselben darunter gelitten hat. Unter 
den Kalben sowohl, wie auch unter den jungen Ochsen fanden 
sich Exemplare mit einer geraden Ober- und Unterlinie, welche 
nichts zn wünschen übrig ließ. Die für den Fleischansatz so 
wichtigen Furchenvorsprünge waren bei den meisten Tieren 
gut ausgebildet und gut mit Fleisch ausgefüllt, so daß sich ein 
breiter, ebener, dicker Rücken dem Auge zur Schau bot. Auch 
die Für die Qualität des Fleisches so wichtigen Kennzeichen, 
die Feinheit der Haarbildung und die Geschmeidigkeit der Haut 
war bei den meisten Ausstellnngstieren vorhanden. Ver¬ 
schwiegen darf aber nicht werden, daß auch eine Reihe nicht 
voll ausgemästeter Tiere auf der Ausstellung vertreten war, 
von denen die wirklich guten Tiere um so mehr abstachen. 

Das Lebendgewicht stellte sich bei den noch nicht 
voll 2 Monaten alten Kälbern auf 108—161,5 kg. Das letztere 
am 14. März 1903 geborene schwarze Bullkalb, welches von 
Rob. Schultz in Bargischow bei Anklam ausgestellt war, ist 
mit 2/ 3 Vollmilch und l / 3 dicker Milch gemästet worden. Es 
warde am zweiten Tage geschlachtet und das Schlacht¬ 
gewicht auf 105,2 kg festgesellt. Das Fleisch war ziemlich 
hell in der Farbe und das Kalb muß als erste Qualität 
bezeichnet werden, wenn auch nicht unausgesprochen bleiben 
soll, daß die wertvolleren Fleischpartien eine bessere Decke 
hätten aufzeigen können. Besser präsentierte sich in dieser 
Hinsicht ein von Fr. Meyer-Erichsdorf gezüchtetes Kalb, 


No. 23. 

welches nur mit Milch von einer mit Roggenmehlzusatz ge¬ 
fütterten Kuh aufgezogen war. Das Kalb, etwa 3 Monate alt, 
war von vorzüglicher Fleiscbqnalität und wog lebend 209 kg. 
Ein Kalb des Ausstellers Grafen Potocki-Bendlewo, Shorthorn- 
Bullkalb stach von den beiden obengenannten in seiner Farbe 
sehr ab. Der dunkle Farbenton des Fleisches bei Kälbern ist 
vom Publikum nicht gewünscht und das Kalb hätte höchstens 
als Fleisch dritter Qualität verkauft werden können. Von den 
lebend prämiierten Kälbern waren keine geschlachtet ausgestellt. 
Den Ehrenpreis der Stadt Berlin erhielt ein Oldenburger 
schwarzbuntes Bullkalb, welches von W. Schutte und A. 
Hentzke-Oldenburg ausgestellt war. Das Kalb wog lebend 
168 kg, zeigte sich in den wertvollen Fleischpartien gut bedeckt, 
sonst gut von Form und ließ dabei eine weiße Beschaffenheit 
der Schleimhäute erkennen. Unter den jüngeren Kälbern wurde 
ein hannoversches Färseukalb von W. Pape-Braunschweig mit 
dem ersten Preise bedacht und unter den älteren Kälbern ein 
hannoversches Kalb von Witte-Braunschweig. Doppellender¬ 
kälber waren in genügender Anzahl vertreten, wenn auch nicht 
immer in guten Exemplaren. Ein erster Preis wurde hier nicht 
vergeben. 

In der Abteilung der jungen Rinder von l l / 2 Ws nicht voll 
2 Jahr holte sich eine Simmentbaler, Sammlung von Bohm- 
Streesen, den Ehrenpreis der Stadt Berlin. Die Überlegenheit 
der Höhenschläge über die Tieflandschläge in Bezog auf Fleisch¬ 
nutzung trat bei dieser Gruppe besonders in Erscheinung und 
ebenso wieder bei den 2 l / 2 —372jährigen Rindern. In beiden 
Fällen holte sich der Züchter und Mäster Bohm-Streesen mit 
seiner ganz vorzüglichen Kollektion die ersten und zweiten Preise. 
In der Gruppe der 272 —37a jährigen Ochsen hatte Bohm ganz 
vorzügliche Ochsen ausgestellt. Die Ochsen variierten im Ge¬ 
wicht von 749—921 kg. Die vier mit Preisen ausgezeichneten 
Ochsen wogen 921, 890, 855 und 910 kg. Rücken, Kruppe und 
Schenkel zeigten eine massige Fleischanhäufung, ohne daß ein 
übermäßiges Fettsein hervortrat, und daneben war das Wende¬ 
gebäude gut und reichlich mit Fleisch bedeckt. Dabei waren 
die Knochen trocken, rein und von feiner Bauart im Verhältnis 
zum Körpergewicht. In der Gruppe der 2 bis nicht voll 272 Jahre 
alten Rinder waren neben den Simmenthalern auch vorzügliche 
Niederungstiere, Holländer ans Ostpreußen und aus der Elb¬ 
niederung ausgestellt. Schwarzbunte Kalben mit enormer Kruppen¬ 
breite und Schenkeltiefe waren hier zu sehen. Dementsprechend 
fiel auch ein Teil der Preise an die Aussteller der Niederungs¬ 
schläge. Den Stadtpreis erhielt allerdings die Herrschaft Wierz- 
biczany für Simmenthaler Ochsen. Unter den älteren Ochsen 
erhielten ein Simmenthaler Ochse von Gebr. Friedmann-Köthen- 
Anhalt und ein bayrischer Ochse von Graf Witold Skorzewski- 
Schloß Lubostron die Stadtpreise. Unter diesen Tieren befand 
sich auch der schwerste Ochse der ganzen Ausstellung, ein 
774 Jahre alter bayerischer Ochse, welcher ein Lebendgewicht 
von 1130 kg aufzuweisen hatte. Aber auch die Tieflandschläge 
hatten schwere Tiere zu verzeichnen, so wog ein 7 Jahre alter 
Holländer von v. Wuthenau-Polerno, Wpr. 1005 kg. 

Unter den Bullen waren vorzügliche Exemplare ver¬ 
treten und befriedigte die Bnllenansstellung allgemein. Ein 
ostpreußischer 3 Jahr 2 Monat alter Bulle des Grafen von 
Schwerim-Putzar bei Sarnow zeigte überall eine massige Ent¬ 
wickelung der Fleischpartien, ohne durch groben Körperbau zu 
stören. Unter den Jahresschlägen holte sich ein Simmenthaler 


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4. Juni 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


381 


den ersten Preis. Züchter und Mäster desselben ist Ritterguts¬ 
besitzer 0. Naue-Janocin. Unter den Älteren Bullen waren 
namentlich die Tieflandschläge vertreten, ein 4 Jahr 1 Monat 
alter Ostfriese von Müller-Sarnow holte sich hier den ersten 
Preis. 

Auch unter den Rindern waren Tiere zur Schlachtung frei¬ 
gegeben worden. Geschlachtet ausgestellt wurde je ein Vorder- 
und Hinterviertel von 4 Rindern. Ein Simmenthaler Ochse, 
2 Jahr 3 Monat alt, aus der Zucht von Sachs - Ober-Alt-Ellguth 
fPr. Schlesien), präsentierte sich recht fleischreich und nicht zu 
fett. Der Durchschnitt der Rtickenmuskeln bot eine schöne, 
marmorierte, sattgefärbte, saftige Fläche. Das Tier hatte ein 
Lebendgewicht von 629 kg. Es ergab ein Schlachtgewicht von 
435 kg und 29 kg. Talg. Ein ostpreußischer Holländer und 
ein Schwyzer kamen an zweiter Stelle. Ein Landochse aus der 
Trachenbergschen Herde war zu wenig fleischig und dabei 
recht fett. 

Die Schafabteilung war gegen das Vorjahr zurückgeblieben. 
Unter den ausgestellten Tieren waren wenige recht gute Lose, 
besonders von Kiepert-Marienfelde, von Kramsta-Frankenthal, 
Nonne, Groß-Heydau und Graf von der Schulenburg-Hessler- 
Vitzenburg ausgestellt. Besonders hervortrat eine Kreuzung von 
Shropshire-Merino von Kiepert. Ein Lamm aus diesem Los 
war am dritten Tag geschlachtet ausgestellt, zeigte überall er¬ 
giebigen Fleischansatz, ohne übermäßig fett zu sein. Dabei 
zeigte sich das Fleisch zart und fein. In lebendem wie in ge¬ 
schlachtetem Zustande hatte sich dies Tier den ersten Preis ge¬ 
holt. Die Shropshireschafe erwiesen sich sonst im großen und 
ganzen den Hampshiredownzuchten überlegen, wenn auch hier¬ 
unter, recht gute mit ersten Preisen bedachte Exemplare aus¬ 
gestellt waren. Unter den älteren Schafen waren nicht besonders 
erwähnenswerte Mastresultate vorhanden. Bei dem Wettbewerb 
um das beste Verhältnis des Lebend- zum Schlachtgewicht 
schnitten die Hampshiredownzuchten am besten ab, dagegen 
holten sich die Qualitätspreise die Shropshires resp. Shropshire- 
Merinokreuzungen. Eine Kreuzung von Leineschafen mit Oxford- 
shiredownböcken von Heyke-BraunBchweig bot auch aner¬ 
kennenswerte Resultate. Gegen die vorstehend genannten 
Zuchten blieben die ausgestellten Rambouillets zurück. 

Bei der Schweine ab teilung nahmen die veredelten Land¬ 
schweine einen breiten Platz ein, ohne indessen so vorzügliche 
Mastresultate aufzuweisen, wie die rein gezüchteten Edelschweine. 
Eine hervorragende Zuchtleistung boten vier 5 Monat, 28 Tage 
alte weiße Edelschweine von E. Peters-Quilow, welche auch 
mit dem Züchter-Ehrenpreis, der von Seiner Majestät dem Kaiser 
und König verliehenen goldenen Staatsmedaille bedacht wurden. 
Im ausgeschlachteten Zustande erhielt ein Tier aus diesem Lose 
den dritten Preis, während lebend nicht prämiierte Schweine 
von Thiele-Ringfurth den Stadtpreis, den Ehrenpreis der Ver¬ 
einigung deutscher Schweinezüchter und einen ersten Preis be¬ 
kamen. Durchweg muß aber anerkannt werden, daß die ge¬ 
schlachteten Für den Fleischverkauf bestimmten Tiere genügend 
gutes, kerniges Fleisch und nicht zuviel Speck aufwiesen. 
Weniger befriedigten die zur Wurstfabrikation bestimmten 
Schweine. Wohl war nicht zu verkennen, daß man bestrebt 
gewesen war, möglichst viel Fleisch zu züchten, indessen zeigte 
das Fleisch nicht eine tadellose bündige Beschaffenheit, wie man 
für die Wnrstfabrikation verlangt, auch der Speck ließ an 
Kernigkeit zu wünschen übrig. Am meisten befriedigte noch 


ein mit Kartoffeln, Gerstenschrot und Magermilch gemästetes 
Schwein von v. Lossow-Grabonoy (Prov. Posen), welches den 
Stadtpreis erhielt, ein Berkshireschwein desselben Züchters, 
welches ebenso gemästet war, erhielt den zweiten Preis. Ein 
von Boemer-Jethausen ausgestelltes Schwein, welches mit 
Magermilch und Gerste gemästet sein soll, zeigte zwar sehr 
schöne Fleischentwicklung, doch war dasselbe wässrig und hielt 
keine Farbe. Das gleiche konnte man bei einem ebenso ge¬ 
mästeten Schwein von v. Lossow beobachten. Die zur Dauer¬ 
ware bestimmten Schweine ließen besonders hinsichtlich der 
Speckbeschaffenheit zu wünschen übrig. Peters-Quilow erhielt 
für ein 1 Jahr 2 Monate altes Edelschwein bei der Lebendschau 
den ersten Preis und für gutes Schlachtresultat die silberne 
Medaille. Ein erster Preis wurde bei der Schlachtkonkurrenz 
in dieser Abteilung nicht vergeben. Einen zweiten Preis erhielt 
das lebend mit dem ersten Preis belohnte Sauschwein von Hell- 
Kurzenmoor. In die übrigen Preise teilten sich Graf Potocki- 
Bendlewo, Gamp-Hebron-Damnitz, Graf Bernstorff-Quaden- 
Schönfeld, Brauer-Tenever, Graf zu Sol ms-Rödelheim und 
Springer-Bockhorn. 

Die Mastgeflügelausstellung wies in diesem Jahr bessere 
Leistungen auf wie im vergangenen Jahre, und man konnte 
erkennen, daß auch auf diesem Gebiete Fortschritte zu ver¬ 
zeichnen sind. 

Die Maschinenansstellung war in der üblichen Weise 
vertreten. 

Nochmals das gekochte aasländische Fleisch. 

Von Dr. Lothes-Köln. 

Die Frage der Einfahr des gekochten ausländischen Fleisches 
ist in den letzten Wochen in der politischen Presse und in 
Fachzeitschriften mehrfach erörtert worden. Dabei haben das 
Berliner Tageblatt und die Deutsche Fleischerzeitung gegen 
die von mir in No. 19 der B. T. W. vertretene Ansicht, wonach 
gekochtes ausländisches Fleisch auf Grund der Bestimmungen 
des ReichsfleischBchaugesetzes nicht zur Einfuhr in das Zoll¬ 
inland zugelassen sei, geltend gemacht, daß während des im 
Jahre 1897 gegen Rußland erlassenen generellen Fleischeinfahr¬ 
verbots das gekochte Fleisch unbedenklich zur Elinfahr zage¬ 
lassen worden sei. Beide Blätter vergessen dabei, daß die 
Vorgänge, die zu dem betreffenden Einfahrverbot führten, auf 
einem ganz anderen Gebiete lagen. 

Aus veterinär-polizeilichen Gründen wurde auf dem 
Wege der landespolizeilichen Anordnung im Jahre 1882 zu¬ 
nächst durch den Regierungs-Präsidenten in Gumbinnen — die 
übrigen Grenzbezirke folgten nach — die Einfuhr aller von 
Wiederkäuern stammenden Teile in frischem Zustande (mit 
Ausnahme von Milch, Butter und Käse) aus Rußland untersagt. 
Wegen der Gefahr einer Übertragung der in den russischen 
Grenzbezirken herrschenden Tierseuchen — neben der Maul¬ 
und Klauenseuche kommen in der Hauptsache die Schweine- 
Beuche und der Rotlauf in Betracht — verbot man alsdann im 
Jahre 1896 die Einfuhr von frischem Schweinefleisch aus Ru߬ 
land und dehnte noch in demselben Jahre diese Maßregel auf 
alle aus Rußland stammenden Zubereitungen von Schweinefleisch, 
mit Ausnahme des ansgeschmolzenen Schweinefettes und des 
gargekochten Schweinefleisches aus. Sanitäts-polizeiliche 
Gründe, wie sie beim Erlaß des Reichsfleischbeschaugesetzes 
in erster Linie maßgebend waren) kamen bei den vorerwähnten 


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382 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 23 


Verboten kaum in Betracht. Da durch den Kochprozeß er¬ 
fahrungsmäßig' die Erreger der vorerwähnten Tierseuchen un¬ 
schädlich gemacht werden, so konnte man von dem damals 
maßgebenden veterinär - polizeilichen Standpunkte aus das ge¬ 
kochte Fleisch unbedenklich von dem Einfuhrverbot ausnehmen. 

Des weiteren hat in der vorigen Nummer der B. T. W. der 
städtische Tierarzt Herr W. Feu ereißen-Dresden in dieser Frage 
das Wort ergriffen. Derselbe vertritt die Ansicht Ostertags, 
wonach das gekochte Fleisch zur Einfuhr zuzulassen ist. Zu¬ 
nächst hat mich F. mißverstanden, wenn er meint, daß ich 
die Untersuchung des gekochten Fleisches nur für schwierig 
halte. Ob diese Untersuchung schwierig ist oder nicht, kann 
für die Entscheidung der Frage überhaupt nicht in Betracht 
kommen. Wenn durch irgend eine Untersuchung die Un¬ 
schädlichkeit des gekochten Fleisches für die mensch¬ 
liche Gesundheit in zuverlässiger Weise nachgewiesen 
werden könnte, so müßte dieses fleisch zur Einfuhr 
zugelassen werden. Da die bisherigen Untersuchungs¬ 
methoden auch selbst bei Fleisch mit anhaftenden Ly mph- 
driisen eine sichere Gewähr in der vorbezeichneten 
Richtung nicht bieten, so ist eine Ausschließung des ge¬ 
kochten Fleisches von der Einfuhr die notwendige Folge. 
Zur Begründung seiner Ansicht zieht F. die zum Reichsfleisch¬ 
beschaugesetz erlassenen Ausführungsbestimmungen heran. Ein 
derartiges Vorgehen ist seht gewagt. Entscheidend für die Durch¬ 
führung eines Gesetzes ist in erster Linie der Wortlaut desselben, 
nicht aber diese oder jene nebensächliche Erklärung in den 
Ausführungsbestimmungen. Um mich nicht zu wiederholen, muß 
ich es mir versagen, auf die hygienische Seite der Frage hier 
nochmals einzugehen. Ich will nur darauf hin weisen, daß die In¬ 
tentionen des Gesetzgebers in § 12 des R.-F.-G. deutlich genug 
zum Ausdruck gebracht sind. Hätte derselbe eine Zulassung 
des gekochten ausländischen Fleisches beabsichtigt, so wäre 
mit Rücksicht auf die vorzunehmende Untersuchung zweifellos 
auch für dieses Fleisch eine Gewichtsgrenze wie beim Pökelfleisch 
festgesetzt worden. Wird doch das Fleisch durch den Koch¬ 
prozeß ungleich weitgehender verändert als durch die Pökelung. 

Der von F. angezogene § 3 der Ausführungsbestimmungen 
D zum R. F. G. ist m. E. zur Begründung der von mir als 
unzutreffend bekämpften Ansicht überhaupt nicht geeignet. Nach¬ 
dem in § 2 der Begriff des frischen Fleisches definiert worden 
ist, gibt der § 3 eine Erklärung für die verschiedenen Arten 
des zubereiteten Fleisches etc. Neben dem gekochten Fleisch 
werden in diesem Paragraphen auch die von der Einfahr aus¬ 
geschlossenen Würste behandelt Besser ist für den gedachten 
Zweck der § 14 der Ausführungsbestimmnngen D zu verwerten. 
Die Fassung des Absatzes d dieses Paragraphen ist tatsächlich 
geeignet, auf den ersten Blick den Sachverständigen irre zu 
leiten. Das Bestreben der Bearbeiter derartiger Aasführungs¬ 
bestimmungen geht naturgemäß dahin, dieselben möglichst voll¬ 
ständig zu gestalten. Dies führt sehr leicht dazu, daß Be¬ 
stimmungen aufgenommen werden, die unter den obwaltenden 
Verhältnissen ohne Schaden für das Ganze entbehrt werden 
können. Auch im vorliegenden Fall hat man wohl mit der 
Wahrscheinlichkeit gerechnet, daß in absehbarer Zeit ein Ver- 
fakren, welches eine zuverlässige Untersuchung gargekochten 
Fleisches ermöglicht, gefunden wird und demgemäß in § 14 
unter d die Prüfung derartigen Fleiches miterwähnt. Zur Ver¬ 
meidung von Mißdeutungen, die kaum vorauszusehen waren, wäre 


es zweifelsohne zweckmäßiger gewesen, das Wort „durchgekochtf* 
hier vorerst fehlen zu lassen. Da die Ausführungsbestimmungen 
zu R. F. G. jederzeit abgeändert werden konnten, so war aus¬ 
reichende Gelegenheit geboten, den Fortschritten auf dem Gebiet 
der Fleischuntersuchung Rechnung zu tragen. 

Zur Ausführung des Reichsfleischbeschaugesetzes. 

Ein Ministerialerlaß vom 21. April 1903 enthält Aub- 
führungsbestimmungen, betreffend die Untersuchung 
des in das Zollinland eingehenden Fleisches. Hiernach 
erfolgt die Bestellung des Beschaupersonals bei den Unter¬ 
suchungsstellen für das in das Zollinland eingehende Fleisch 
durch die Landespolizeibehörde. Die Bestellung der Tierärzte 
und Chemiker bedarf der Genehmigung des Ministers. Die Be¬ 
schauer und sonstigen Sachverständigen sind auf die gewissen¬ 
hafte Erfüllung ihrer amtlichen Obliegenheiten zu verpflichten. 

Zu tierärztlichen Beschauern Bind tunlichst solche approbierte 
Tierärzte zu bestellen, die in der Fleischbeschau bereits 
praktisch tätig gewesen sind oder eine besondere Ausbildung 
in diesem Fache genossen haben, namentlich solche, die den 
Nachweis einer erfolgreichen Beschäftigung in einem öffentlichen 
Schlachthaus oder bei einem Fleischbeschauamt erbringen oder 
eine erfolgreiche Ausbildung bei einem hygienischen oder ähn¬ 
lichen Institute einer tierärztlichen Hochschule oder einer 
gleichstehenden Anstalt nachweisen können. 

Für die chemischen Untersuchungen sollen in der Regel 
geprüfte Nahrungsmittelchemiker bestellt werden. 

Für die Prüfang des Trichinenschauers sind nähere An¬ 
ordnungen gegeben. Als Probenehmer dürfen nur Personen an¬ 
gestellt werden, welche den Befähigungsnachweis für die 
Trichinen- und Finnenschau besitzen. 

Die Beschränkung der Einfahr von Fleisch auf bestimmte 
Tage erfolgt durch die Landespolizeibebörde nach Benehmen 
mit der Zolldirektionsbehörde und bedarf der Genehmigung 
der zuständigen Minister. 

Die übrigen Bestimmungen regeln die Behandlung des 
Fleisches nach der Untersuchung und das Beschwerdeverfahren. 

Von weiteren Ausführungsbestimmungen sind voraussichtlich 
in nächster Zeit noch Anordnungen, betreffend die statistische 
Verwertung der Fleischbeschauergebnisse und die Führung der 
Tagebücher, sowie betreffend die nähere Regelung einiger Ge¬ 
bührenerhebungsfragen. 

Fleischerel-BerufsgeDossen8chaft. 

Die diesjährige Fleischerei-Berufsgenossenscbafts-Versammlung 
findet am Dienstag, dem 23. Juni d. J. in Potsdam, Schützenhof statt 

Die Herren Schlachthofleiter, welche nicht selbst an der Ver¬ 
sammlung teilnehmen, werden gebeten, die Vollmachten zur Ver¬ 
tretung den Herren, welche im Interesse der Städte auf der Ver¬ 
sammlung anwesend sind, übersenden zu lassen. 

Es sind: 

Schlachthofdirektor Ri eck-Breslau (I. Bezirk) für die Gemeinden von 
Ostpreußen, Westpreußen, Posen und Schlesien. 
Schlachthofdirektor Colberg-Magdeburg (II. Bezirk) für die Ge¬ 
meinden von Pommern, Brandenburg, Sachsen, Königreich 
Sachsen, Anhalt, SachBen-Weimar, Sachsen-Eisenach, Sachsen- 
Altenburg, Sachsen - Meiningen, Sachsen - Koburg - Gotha, 
Reuß j. L. und Reuß ä. L. 

Schlachthofdirektor Boy sen-Hamburg (III. Bezirk) für die Gemeinden 
von Schleswig-Holstein, Oldenburg, Mecklenburg-Schwerin, 
Mecklenburg-Strelitz, Hamburg, Bremen, Lübeck. 
Schlachthofdirektor Koch, Hannover, (IV. Bezirk) für die Ge¬ 
meinden von Hannover, Braunschweig, Westfalen, Hessen- 


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4 Juni 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 383 


Nassau, Lippe-Detmold, Schaumburg-Lippe, Schwarzburg- 
Rudolstatt, Schwarzburg-Sondershausen, Waldeck-Pyrmont. 
Scblachthofdirektor Kühnau-Köln (V. Bezirk) für die Gemeinden 
der Rheinprovinz, Hessen, Elsaß Lothringen. 


Schlachthofdirektor Mag in-München (VI. Bezirk) für die Gemeinden 
von Bayern, Württemberg und Baden. 

Eine Vorbesprechung findet am 22. Juni, abends im Restaurant 
„Zum Schultheiß“, vis-ä-vis dem Stadtschloß in Potsdam statt. 


Berlin: Auszug aus dem Flelschbeschaubericht für den Monat April 1903. 




A. 

Schlachthof: 


B. Untersuchungsstationen: 


Rinder 

Jung¬ 

rinder 

Kälber 

Schafe 

Schweine 

Rinder¬ 

viertel 

Kälber 

Schafe 

Schweine 

Geschlachtet nnd untersucht. 

10 914 

1547 

18 247 

35 346 

79 046 

23 222 

14 613 

3 298 

16 758 

davon 1. tauglich ohne Einschränkung 

5 957 

1281 

17 861 

33 456 

71 144 

23186 

14 562 

3 298 

16 757 

„ 2. teilweise beanstandet .... 

4 650 

249 

201 

1879 

7 549 

— 

— 

— 

— 

„ 3. minderwertig. 

47 

6 

100 

3 

15 

6 

10 

(5) 

1 

„ 4. bedingt tauglich. 

176 

3 

11 

— 

289 

30 

— 

— 

— 

„ 5. nur Fett bedingt tauglich . . . 

1 (6‘/ a kg) 

— 

— 

— 

13(397 kg) 

— 

— 

— 

— 

„ 6. untauglich. 

83 

8 

74 

8 

36 

— 

41 

w 

— 

Wegen Tuberkulose teilweise beanstandet . 

3 802 

96 

60 

3 

2 998 

— 

— 

— 

— 

„ „ minderwertig .... 

10 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

„ „ bedingt tauglich . . . 

164 

3 

9 

— 

276 

30 

— 

— 

— 

„ „ nur Fett bedingt tauglich 

1 (6‘/.kg) 

— 

— 

— 

6 (73 kg) 

— 

— 

— 

— 

„ untauglich. 

53 

3 

3 

1 

6 

— 

— 

— 

-- 

Wegen Finnen minderwertig. 

37 

5 

— 

— 

1 

3 

— 

— 

1 

„ „ bedingt tauglich. 

12 

— 

2 

— 

8 

— 

— 

— 

— 

„ „ nur Fett bedingt tauglich 

— 

— 

— 

— 

5(238 kg) 

— 

— 

— 

— 

Wegen Trichinen bedingt tauglich .... 

— 

— 

— . 

— 

1 

— 

— 

— 

— 

„ „ nur Fett bedingt tauglich 


— 

— 

— 

2 (58 kg) 

— 

— 

— 

— 


Berlin, den 12. Mai 1903. Der Direktor der städtischen Fleischbeschau. 

Reißmann. 


Tierzucht 

„Veredeltes Landschwein.“ 

Die deutsche Landwirtschaftliche Gesellschaft unterscheidet 
seit dem Jahre 1897 auf ihren Ausstellungen folgende Schweine¬ 
klassen : 

1. Edelschweine: 

a) in weißem Kleid, 

b) in schwarzem Kleid; 

2. Veredeltes Landschwein mit ausgesprochenem Land¬ 
schweintypus ; 

3. Unveredeltes Landschwein; 

4. Neue Zuchten und Kreuzungen. 

Gegen diese Einteilung hat sich nun ein Kreis hannoverscher 
Züchter gewandt und die Aufstellung einer neuen Gruppe bezw. 
die Durchteilung der Gruppe 2 zu erlangen gesucht. Es wurde 
betont, daß die Fassung der Bezeichnung der Gruppe 2 ver¬ 
lange, daß nur Tiere mit ausgesprochenem Landschweintypus 
ausgestellt werden könnten in dieser Gruppe. Damit wären die 
Tiere des veredelten Landschweintypus, die sich mehr dem 
Edelschweine in ihren Formen näherten, in eine ungünstige Lage 
gebracht auf den Schauen. 

Es erschiene daher wünschenswert, die Gruppe 2 (Ver¬ 
edeltes Landschwein) in zwei Unterabteilungen zu teilen: 

a) veredeltes Landschwein in Edelschweintypus, 

b) veredeltes Landschwein im Landschweintypus. 

Die Züchter des „deutschen veredelten Landschweines“, in 

einem neugegründeten Verbände unter dem Vorsitze des Ritterguts¬ 
besitzers Hösch-Neukirchen vereinigt, traten diesem Streben 
energisch entgegen. Von dieser Seite wurde besonders betont, 
daß jeder Zusammenschluß, um gemeinsame Ziele zu erreichen, 
von den Verbündeten mehr oder weniger den Verzicht auf per¬ 
sönliche Neigungen erfordere. Eine Durchteilung in dem ge¬ 


dachten Sinne sei überhaupt gar nicht möglich, weil die Grenzen 
nicht mehr scharf zu erkennen sein würden. Die Frage er¬ 
scheine erst diskutabel, wenn die hannoverschen Züchter durch 
mehrere Jahre den Beweis erbracht hätten, daß sie mit einer selb¬ 
ständigen, in sich gefestigten Zurichtung auf dem Plan erschienen. 

Die beiderseitigen Darlegungen haben nicht wenig Drucker¬ 
schwärze verbraucht. In der Versammlung der D. L. G. am 
11. Februar d. J. ist diese Frage in heißem Kampfe umstritten 
worden. Bei der schließlichen Abstimmung wurde der'Antrag der 
Landwirtschaftskammer für die Prov. Hannover gegen 76 abgelehnt. 

Die hannoverschen Züchter haben darnach beschlossen in 
der letzten Klasse ihre Schweine auszustellen. 

Für uns Tierärzte liegt m. E. keinerlei Grund vor uns in 
dio Streitfrage irgendwie einzumischen. Dagegen haben wir 
alle Ursache, alle Erscheinungen in der Tierzucht mit auf¬ 
merksamen Augen zu verfolgen. Zu einer sachlichen Prüfung 
der Frage wird nun die diesjährige Landwirtschaftliche Aus¬ 
stellung in Hannover die beste Gelegenheit bieten. Der Menge 
nach wird diese Ausstellung alle übrigen der D. L. G. in den 
Schatten stellen, denn es werden 200 Schweine mehr zur Stelle 
sein wie auf der bisher größten Schweineausstellung der D. L. G. 
Ferner ersieht man aus der starken Beschickung, daß man 
dort die Behauptung, das dortige Hoyaer Schwein habe einen 
besonderen Platz auf der Ausstellung zu beanspruchen, durch 
die Tat beweisen will. Immerhin ist das veredelte Landschwein, 
wie es außerhalb Hannover gezüchtet wird, noch in größerer Zahl 
vertreten als das hannoversche Schwein selbst. Das deutsche 
Edelschwein erscheint in der Zahl von 222; Hoyaer sind 177 an¬ 
gemeldet; veredelte Landschweine ebenfalls 222. Hannover stellt 
ferner noch unveredelte Landschweine in 76 Exemplaren aus. 

Zu Vergleichen wird also reiche Gelegenheit sein. 

Nevermann. 


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384 


Bücheraozeigen. 

Neue Eingänge (Besprechung Vorbehalten.) 

Chauveau, Arlomy, Leebre: Anatomie comparöe des animaux 
domestiques. Fünfte Auflage. I. Band. 684 Seiten mit 366 Text¬ 
bildern. Paris, bei Bailli£re & Sohn. 1903. 

Plehn, ökonomierat: Der staatliche Schutz gegen Viehseuchen. 
Ein Buch für die Praxis (483 Seiten). Mit einem Anhang: Die 
wichtigsten Viehseuchen (64 Seiten), von Kreistierarzt Dr. Fröhner. 
Berlin, bei A. Hirschwald. 1903. 

Rab, C. J., Tierarzt: Untersuchungen über die Muskulatur 
des trächtigen Uterus. Inaug.-Diss. (Bern). Gedruckt bei Snoek, 
Utrecht 1903. 

Müller, Max, Tierarzt aus Straßburg: Über das Wachstum und die 
Lebenstätigkeit von Bakterien sowie den Ablauf fermentativer Prozesse 
bei niederer Temperatur unter spezieller Berücksichtigung des 
Fleisches als Nahrungsmittel. Inaug.-Diss. (med. Fac. Gießen). 
Gedruckt bei R. Oldenbourg in München. 

Isert, Arthur, Tierarzt in Johannishof: Untersuchungen über 
den Bau der Drüsenanhänge des Darmes der Monascidien. Inaug.- 
Diss. (Rostock). Berlin, NicolaiBche Verlagsbuchhandlung. 1903. 

Hauptner, H.: Instrumente. Neuheiten 1903. Spezialliste' der 
Instrumentenfabrik von H. Hauptner, Berlin, Luisenstr. 56. Vierzig 
Seiten mit vielen Abbildungen. 

Train, F., Tierarzt: Taschenbuch für Beschauer. Kalender¬ 
format. D. R. G. M. 2. Auflage. Verlag von Reinhold Kühn. 
Berlin 1903. 


Personalien. 

Ernennungen: Zu Mitgliedern des akademischen Senats der Tier¬ 
ärztlichen Hochschule zu Dresden für die Zeit vom l.Mai 1903 bis 
1. Mai 1904 wurden ernannt die ordentl. Professoren DDr. Johne, 
Müller und Baum. — Tierarzt Dr. Hohmann in Braunschweig 
wurde zum 1. Tierarzt und Stellvertreter des Direktors am Schlacht- 
und Viehhof in Kiel ernannt; A. Boisinger in Aachen zum 
Schlachthofdirektor in Eupen. 

Wohnsitzveränderung: Verzogen sind: Tierarzt A. Mihr, Ro߬ 
arzt a. D., von Koblenz nach Pfaffenhofen bei Ehrenbreitstein; 
Stähler von Köln nach Frechen; Dr. Göhler von Köln nach 
Gelsenkirchen-Schalke. 

Examina: Approbiert wurden in Berlin die Herren Otto 
Herhudt und Hermann Winzer; desgl. in Hannover Gurt 
Stange, Curt Rosenfeld, Adolf Beyersdorf; desgl. in Stuttgart 
Reinhold Bendele, Albert Dammbacher, Hermann Landen- 
berger, Max Marlin, Fr. Xav. Seiberlicli, Fr. Stolla und 
Karl Trümmer; desgl. in Dresden P. 0. Alfred Speer. 

In der Armee: Dem Korpsroßarzt Plaettner beim Generalkom¬ 
mando des XIV. Armeekorps und dem Oberroßarzt Naumann beim 
Garde-Kürassier-Rgt. wurde die Erlaubnis zur Anlegung der ihnen 
verliehenen Orden des Ritterkreuzes II. Kl. mit Eichenlaub des 
badischen Ordens vom Zähringer Löwen bezw. des mecklenb. Ver¬ 
dienstkreuzes in Gold erteilt. — Versetzt wurde Oberroßarzt Hepp 
vom Remontedepot in Breithülen zum Feld-Art.-Rgt. No. 13; 
der charakterisierte Oberroßarzt Am hoff vom Drag. Rgt. No. 25 zum 
Oberroßarzt nach Breithülen; der Roßarzt Thieringer vom Drag.- 
Rgt. No. 26 zum Drag.-Rgt. No. 25. — Unterroßarzt Depperich 
im Drag.-Rgt. No. 26 wurde zum Roßarzt befördert. — Zu 
Unlerroßärzten wurden befördert die Einjährig-Freiwilligen: 
Lund im Feld-Art.-Rgt. No. 45; Klentz im Feld-Art.-Rgt. 
No. 38; Schmid im Feld-Art-Rgt. No. 36; Brüche r im 
Feld-Art.-Rgt. No. 25; Tillmann im Hus.-Rgt No. 10; 
Schwartz und Meis im Train-B. No. 7; Wiethüchter im Feld- 
Art.-Rgt. No. 58; Sebbel im Feld-Art.-RgL No. 43; Sommer im 
Feld-Art.-Rgt. No. 3; Zoerner im Feld-Art.-Rgt. No. 18; Krueger 
im Feld-Art.-Rgt. No. 39; Klcinschmidt und Berndt im Train- 
Bat. No. 3; Hinrichs im Drag.-Rgt. No. 19; Radtke, Lingen. 
berg, Bussenius im Ul.-Rgt. No. 13; Haas, Müller, Dierick 
im Feld-Art.-Rgt. No. 10; Werner und Erhardt im Feld-Art. Rgt. 
No. 46; Pante und Block im Feld-Art.-Rgt. No. 62; Schäffer 
im Feld-Art.-Rgt No. 15; Cornelius und Köhler im Train-Bat. 
No. 15; Martin im Drag.-Rgt. No. 14; Ruppert im Feld-Art.-Rgt. 
No. 14; Doege im Garde-Train-Bat. — Dem Roßarzt Giesen vom 
1. Garde-Feld-Art.-Rgt. wurde der Abschied bewilligt. 


No. 23. 


Vakanzen. 

Kreistierarztstellen (nach Ablauf der Meldefrist noch un¬ 
besetzt): R.-B. Kassel: Hersfeld. — R.-B. Oppeln: Landkreis 
Oppeln. — R.-B. Posen: Krotoschin. 

An Hochschulen: Bonn-Poppelsdorf: Assistent am tierhygie: 
nischen Institut. 1200 M. Wöhnung, Licht, Heizung. — Stuttgart 
Assistent an der Chirurg. Pferdeklinik. 1600 M. Wohnung, Licht, 
Heizung. 

Schlachthofstellen a) neu ausgeschrieben: Braunscbweig: 
3. Tierarzt zum 1. Juni 2700 M. Meldung bis 10. Mai a. d. Schlacht¬ 
hausdeputation. — Kiel: Zwei Tierärzte. Gehalt je 3500 M. Be¬ 
werbung bis 20. Juni a. d. Magistrat. — Weißenfels: Assistent 
a. d. Schlachthof. Meldg. unter Angabe der Ansprüche a. d. Direktor. 

b) Nach Ablauf der Meldefrist noch unbesetzt: Barmen: 
Sanitätstierarzt. 2400—4500 M. — Barmen: Hilfstierarzt sofort. 
2100 M. Meldung beim Oberbürgermeister. — Beuthen: Assistent. 
2100 bis 3.00 M. — Bremen: 3. Tierarzt. Von 2400 M., alle 
3 Jahre um 240 M. steigend bis 3600 M., gegen 5 Proz. Abzug 
freie Wohnung. — Dessau: Assistent 1800 M. Freie Wohnung. 

— Eschwege: Vorsteher 2100— 3300 M. Freie Wohnung etc. 
Dreimonatl. Kündigung. — Gardelegen: Inspektor. Pensions- 
berecht Gehalt 1800 M. Freie Wohnung und Feuerung. Privat¬ 
praxis. — Glückstadt: Inspektor. 2000 M. Freie Wohnung etc. 

— Görlitz: Assistent 1800 M., steigend alle 3 Jahre um 300 M. 
bis 3600 M. Wohnung. Pension. — Hammerstein: Inspektor, 
verpflichtet Fleisch- und Trichinenschau allein ausznführen. 1800 M. 
Privatpraxis. Probehalbjahr, darauf vierteljährl. Kündigung. — 
Koburg: 2. Tierarzt. Meldung mit Gehaltsansprüchen. — Köln: 
Sanitätstierarzt baldigst Von 2600 M. alle 3 Jahre steigend bis 
4300 M; für qualifizierte Amtstierärzte 3000—4800 M. Keine Privat¬ 
praxis. Meldung a. d. Direktion. — Langensalza: Direktor. 
2000—2700 M. Wohnung. Pensionsberechtigung. Probehalbjahr. 
1000 M. Kaution. — Liegnitz: 2. Tierarzt. 1800 M. Wohnung. — 
Limburg a. L.: Vorsteher 1800—2400 M. Probehalbjahr. — Magde¬ 
burg: Tierarzt, 175 M. monatlich. — Neuenburg: Inspektor 1600M. 
Wohnung. Probehalbjahr. — Schwiebus: Verwalter. 2400 M. 
Wohnung. — Wangerin: Sanitätstierarzt Privatpraxis (Magistrat). 

Staatliche Fleischbeschau stellen (Bewerbg. a. d. betreff. Reg.-Präsid.): 
Danzig: Tierarzt ans UnterBuebungsamt für ausländisches Fleisch. 
2000 M. — Frankfurt a. M.: Tierarzt für die Zolleinlaßstelle. 
3600 M. — Osnabrück: Dieselbe Stellung 3600 M. 

Stellen für ambulatorische Fleischbeschau und Privatpraxis. Elze 
(Hannov.): Fleiscbb., Ertrag 1400—1500 M. 300 M. Jahresbeihilfe 
für d. erst. 3 Jahre. Privatpraxis (Bürgermeister). — Fiddichow 
a. Oder: Privatpraxis. (Bürgcrm.) — Märkisch-Friedland: Fleiscbb. 
1800 M. (Magistrat.) — Gelsenkirchen: Fleischb., 8000 M. Keine 
Privatpraxis. (Bürgerin.) — Guttstadt: Schlachthotbeaufsichtigung, 
750 M. Privatpraxis. (Magist) — Heringen a. Helme: Nieder¬ 
lassung gewünscht. Voraussichtl. Fleischb. 1200 M. Städt Zuschuß 
300 M. Privatpraxis. (Magist.) — Heydekrug (Ostpr.): Privat¬ 
praxis im Niederungsteil des Kreises. Jährl. Zuschuß 600 M. (Kreis- 
ausschuß) — Horst a. d. Emscher: Fleischb., 3000 M. Privatpraxis. 
(Amtmann.) — Kemberg: Privatpraxis. — Kirchheim: Fleischb. 
Bedeutende Privatpraxis. (Magist) — Kietz ko (Kr. Gnesen): 
Deutscher Tierarzt Privatpraxis mit circa 2700 M. Event. Staatszu¬ 
schuß 750 M. (Magist.) — Kobylin (Posen): Deutscher Tierarzt 
Jährl. Staatszuschuß 750 M. (Landrat in Krotoschin.) — Königberg: 
Tierarzt für die Herdebuchgesellscbaft zur Tilgung der Tuberkulose 
Änfangsgebalt 2000 M. Diäten für Untersuchungstage 12 M. nebst 
freier Station. Auskunft bei Tierarzt Dr. Müller, Königsberg i. Pr., 
Lange Reihe 3. — Königsteele: Fleischb., Privatpraxis. (Amt¬ 
mann.) — Krakow i. M.: Privatpraxis. Voraussichtl. Fleischb. 
(Magist.) — Laage i. M.: Privatpraxis. (Magist.) — Langen¬ 
dreer: Fleischbeschau 1800 M. Fixum. Scblachthausbau in Aus¬ 
sicht. (Amtmann Schüler.) — Lindow: Fleischb., Privatpraxis. — 
Lübtheen:Fleischb.,Privatpr. (Gemeindevorst.) — Lügumkloster: 
Fleischb., ca. 1000 M. Privatpraxis, (Bürgerm.) — Mehlsack 
i. Ostpr.: Privatpraxis. — Neckarbischofsheim: 1500 M. Fixum. 
(Bürgerm.) — Nieraegk (Potsdam): Privatpraxis. — Ob er peil: 
Privatpraxis, 500 M. Gemeindefixum. Fleischb., ca. 700—800 M. 
(Bürgerm.) — Plettenberg (Westfal.): Fleischb, ca. 1200 M. Privat¬ 
praxis. (Magist.) — Rackwitz (Posen): Fleischb., ca. 1500 M. 
Privatpraxis. (Magist.) — Rendsburg: Zwei Tierärzte für Fleisch¬ 
beschau, 3000 M. (Magist.) — Schköhlen i. Thür.: Privatpraxis. 
(Landwirtsch. Verein daselbst.) — Seeburg i. Ostpr.: Privatpraxis. 
Schlachthofaufsicht. (Magist.) — Tarnowo: Privatpraxis und ca. 
750 M. Fixum. (Landratsamt Posen-West.) — Teuehern (Prov. 
Sachs.): Fleischb. ca. 1500 M. Privatpraxis. (Magist) — Treffurt 
(im Werratal); Fleischb. (Magist) — Vacha a. W.: 1200 M. Fixa 
aus Fleischbeschau und Zuschüssen. Privatpraxis. (Bürgerm.) — 
Voerde: Fleischb., 2100 M. — Wetter (Ruhr): Fleischb. zum 
1. Juli. 2400 M. Fixum. Privatpraxis. (Amtmann.) — Worringen oder 
Dormagen: Privatpraxis. Event.Floischb. (Bürgerm.) — Zaschau: 
Niederlassung erwünscht. Fleiscbb., 400 M. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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Tierärztliche Wochenschrift 


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De Brate 

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Krelslierant 

SchUch tbofd i rektor 

Depertem enteti erarat 

Krei« tierant 

Kreletlerarxt 

Departement* tleraret 

Utrecht 

Charlottenburg. 

Cöln. 

Cöln. 

Bremervörde. 

AngermUnde. 

Bromberg. 


Preosse 

Dr. Boeder 

Dr. Sohlegel 

Dr. Vogel 

Zünde! 



Veterinlraaieuor 

Profeaeor 

Profeisor 

Landai-Inap. f. Tierzucht Krelatlerarst 



Danzig. 

Dresden. 

Freiburg i. Br. 

München. 

MUlhansen i. E. 



Jahrgang 1903. JW. 24 « Ausgegeben am 11. Juni. 


I n h a 11: Müller: Das Ichthargan und seine Anwendung in der Veterinärmedizin. — Weitere Wünsche bei der Neu¬ 
gestaltung des Reichsviehseuchengesetzes. — Referate: Taylor: Ein Beitrag zur Chloroformwirkung bei Hunden. — 
Jerke: Eine parasitische Angnillula des Pferdes. — Angelis: Echinokokkus im Cerebellum eines Rindes. — Galtier: Ver¬ 
breitung der Tollwut in Lyon. — Jeö: Wochenübersicht über die medizinische Literatur. — Tagesgeaohlohte: Die Allgemeine 
Ausstellung für hygienische Milchversorgung in Hamburg. (2.—12. Mai 1903). — Verschiedenes. — Personalien. — 
Vakanzen. 


Das Ichthargan und seine Anwendung in der 
Veterinärmedizin. 

Vortrag, gehalten aut der Versammlung der Nordhannoverschen 
Tierärzte am 1. Februar 1903 zu Stade. 

Von 

Müller-Horneburg. 

Tierarzt. 

In einer Festrede geTegöntlictf feiner großen tierärztlichen 
Standesangelegenheit habe ich einmal von einem hervorragenden 
Vertreter unseres Standes den Gedanken aassprechen gehört, 
daß sich die Tätigkeit der Tierärzte gegen früher ganz wesent¬ 
lich verschoben habe, die Aufgaben der Seuchentilgnng und die 
Hygiene seien derart in den Vordergrund getreten, daß das 
eigentliche Behandeln und Heilen von Krankheiten nicht mehr 
so ins Gewicht falle, and die ersteren beiden Aufgaben in 
unserem Wirtschaftsleben der bei weitem wichtigere Teil unserer 
heutigen Veterinärwissenschaft resp. Arbeit geworden seien. In 
neuerer Zeit wurde auch von anderer Seite mehrfach dieser An¬ 
schauung Ausdruck verliehen. Mit diesem Gedanken habe ich 
mich nie ganz befreunden können. Ich weiß, daß die Ver¬ 
hältnisse im deutschen Vaterlande nicht überall die gleichen 
sind and gebe aach za, daß die in dem Gedanken ansgesprochene 
Beobachtung nicht ganz abzuleugnen ist, aber ich erblicke eine 
Gefahr darin, daß man ihm Raum gibt, denn er ist geeignet, 
die einfache aber segensreiche praktische Tätigkeit der Tier¬ 
ärzte ans der gleichen Reibe der anderen beiden Disziplinen 
zn drängen and sie hinter dieselben za stellen, nnd wenn man 
erst einer Sache die Bedeutung verkleinert, so wird sie auch 
bald vernachlässigt werden und meine Herren was meinen Sie 
wohl, wäre den Landwirten damit gedient? Die segensreiche 
praktische Tätigkeit der Tierärzte ist dasjenige Moment, was 
bis vor kurzer Zeit dem großen Publikum allein bekannt war 
and den Begriff Tierarzt definierte. Die praktische Tätigkeit 
sämtlicher Tierärzte repräsentiert den größten Teil der in 
unserem Stande zu leistenden Arbeit überhaupt nnd nicht zu¬ 
letzt meine Herren, bleibt zn bedenken, daß das Honorar für 


die Leistungen in der Praxis die Tierärzte samt nnd sonders, 
allerdings abgesehen von den Sanitätstierärzten, ernähren maß 
and kann. Diese Disziplin unserer Wissenschaft aach nnr mit 
einem Gedanken zn schädigen, hieße den ganzen Stand schädigen, 
hieße die Axt an den Stamm des Baumes legen, dessen Krone 
sich in den letzten Jahrzehnten so machtvoll entwickelt hat. 
Aber die Entwickelung der Verhältnisse ist oft mächtiger als 
die Einsichten derer die sie beobachten nnd es ist gut anf 
einen Kampf gefaßt zn sein nnd das Rüstzeug zn verbessern. 
Das Rüstzeug des Praktikers verbessern, heißt die Therapie 
ei weitern und diese Standespflicht liegt zur Zeit hauptsächlich 
den praktischen Tierärzten ob. 

Von dieser Idee ansgehend habe ich immer ein aufmerk¬ 
sames Auge gehabt auf alles, was die Therapie zn fördern ge¬ 
eignet erschien. Vieles wurde nach einigen Versuchen zur Dis¬ 
position gestellt and nnr einiges behalten. Zn diesen letzteren 
Sachen gehörte die Anwendung der Silbersalze, wie sie zuerst 
in der Form des Argentum colloidale von Dr. Credfe gelehrt 
wurde. Aber es wollte mir nicht so recht zweckmäßig er¬ 
scheinen mit einem Medikament intravenös zu operieren, das 
sich nicht ein mal klar löst, wenngleich ich nicht bebanpten 
kann, daß ich von der Nichtlöslichkeit des Argentum colloidale 
direkte Schädigungen im Organismus hätte entstehen gesehen; 
ich bin vielmehr überzengt, daß das Silber in dieser Form 
einerseits von den Körpersäften und Organen gut vertragen 
wird and es andrerseits innerhalb des Organismus eine bedeutende 
baktericide Kraft entwickelt. 

Als dann von der Firma Cordes Hermann! und Co. zu 
Hamburg ein neues Silberpräparat hergestellt nnd in den Handel 
gebracht wurde, das 36 Proz. Silber enthalten nnd klar in Wasser 
löslich sein sollte, da machte ich mich sofort an die Anwendung 
derselben. Ich war jedoch nicht der erste Tierarzt, der dies 
tat, vielmehr lagen von dem Kollegen Engen Baß zu Görlitz 
bereits Beschreibungen der Wirkungsweise dieses Medikamentes 
vor, die mir gut gefielen. Von Dr. Aufrecht waren an Ka¬ 
ninchen mit intravenösen Applikationen bereits Versuche gemacht, 


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386 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 24. 


ans denen hervorging, daß eine intravenöse Dosierung von 
0,02 pro Kilo Körpergewicht in 2 proz. wässeriger Lösung gut 
vom Organismus ertragen wurde. — 

" Das Ichthargan ist eine Verbindung von Silber mit Ichthyol- 
salzen, ein amorphes kaffeebraunes, sehr feines Pulver, das sich 
in jedem Verhältnis mit Wasser leicht und klar löst. Die 
Lösung hat einen metallischen Geschmack und ist adstringierend. 
Nach Angabe der Fabrikanten enthält das Pulver 36 Proz. Silber. 
Es wird in den Handel gebracht in 10,0 gr. Gläsern, die zur 
Zeit im Detailhandel 4 M. kosten; es ist also noch ziemlich teuer. — 

Es wurde angewandt innerlich und äußerlich. Innerlich 
sowohl per os in 5 Proz. Lösungen, als auch intratracheal in 3 Proz. 
Lösungen und intravenös in 2 Proz. Lösungen; äußerlich in y 2 pro- 
zentigen Verdünnungen. Es wurde versucht bei verschiedenen 
Krankheiten, deren Entstehung auf eine Infektion mit Bakterien 
zurückgefiihrt wird oder werden kann. 

Zuerst hatte ich Gelegenheit es zu probieren bei einem 
Fall von Brnstseuche. Ein kleiner Hotbesitzer meines Wirkungs¬ 
kreises hatte im Anfang des vorigen Jahres eine wertvolle 
Fohlenstute durch eigene Unkenntnis und Saumseligkeit an der 
Brustseuche eingebüßt. Zwei andere Pferde des Besitzers 
waren angeblich unter ähnlichen Erscheinungen krank gewesen, 
auch wurde bei der eingegangenen Stute amtlicherseits Brust¬ 
seuche festgestellt und die Diagnose zum Überfluß durch 
Sektion festgestellt. Ca. 14 Tage später erkrankte das letzte 
Pferd des Gehöftes, ein zweijähriges Fohlen, ebenfalls typisch 
an der Brustseuche. — Die Behandlung am Abend des ersten 
Tages bestand in einfachem warmem Zudecken; von einem 
Sinapismus wurde Abstand genommen im Interesse der beab¬ 
sichtigten Behandlung. 

Am andern Tage 40,7° C., 40. A., 56 Pulse, rechterseits am 
Thorax leichte aber ausgebreitete Dämpfung, stellenweise ver¬ 
stärktes Vesikuläratmen. Therapie: 20,0 einer 3 proz. wässerigen 
Ichtharganlösung intratracheal. Sonst nichts. 24 Stunden 
später 39,8° C., 34 A., 50 Pulse. Therapie 30,0 obiger Lösung; 
ebenso 24 Stunden später 38,8° C., 24 A., 46 Pulse. Allgemein¬ 
befinden gut. Appetit sehr gut, die dicken Beine sind wieder 
abgefallen, im Bereich der Brust keine wahrnehmbaren Schmerzen, 
kräftiges Vesikuläratmen hörbar, aber keine Dämpfung nach¬ 
weisbar. Der Besitzer sagte mir, das Einspritzen könne das 
Pferd nicht gut vertragen, es sei gestern sehr krank gewesen 
und habe viel gehustet. Der Besitzer war ein bißchen ängstlich, 
der Befund beim Patienten gut, ich ließ mich nicht beirren und 
machte dem Fohlen abermals eine Injektion von 20,0 derselben 
Lösung. 24 Stunden später, also am fünften Krankheitstage, 
38,2° C., 18 A., 44 Pulse. Allgemeinbefinden gut, Freßlust 
ausgezeichnet. Es besteht ein kräftiger, loser Husten, der 
anscheinend ohne erhebliche Schmerzen ausgelöst wird. Das 
Fohlen ist sehr beweglich; von dicken Beinen nichts zu sehen. 
Es zeigt, an der Hand geführt, Lust anzutraben. Am folgenden 
Tage berichtete mir der Besitzer, sein Fohlen sei nun wieder 
besser und ich brauche nicht wiederzukommen. Zwei Tage 
später, also am siebenten oder achten Krankheitstage, besuchte 
ich ihn dennoch, um mich vom Zustande des Rekonvaleszenten 
zu überzeugen. 37,9° T., 14 A., 44 Pulse. Allgemeinbefinden 
gut, Freßlust ausgezeichnet. Ein loser, kräftiger Husten konnte 
durch Druck auf den Kehlkopf ausgelöst werden. Das vesikuläre 
Atemgeräusch rechterseits noch etwas scharf zu hören, sonst 
erinnerte nichts an eine überstandene Lungenentzündung. Das 


Fohlen war so munter, daß es mit Gewalt nach der offenen 
Tür in den Laufhof drängte und frei gelassen war es so beinig, 
wie sonst ein gesundes Fohlen. , 7 ^ 

Wenn ich m^r zu diesem Fall eine Kritik. erlauben darf, 
so möchte ich darauf hinwelsen, daß die Diagnose-'Brnstseuche 
nicht anznzweifeln war. Die Lungenentzündung war durchaus 
sicher festzustellen. Wenn ich auch früher während meiner 
Studienzeit in einer Vorlesung einmal gehört habe, eine Lungen¬ 
entzündung könne sich in jedem Stadium zurückbilden, ohne alle 
Phasen zu durchlaufen, so habe ich das doch noch nicht erlebt, 
zumal nicht bei der Brustseuche, obgleich ich schon einige 
Seuchengänge dieser Infektionskrankheit erlebt habe. Meiner 
Meinung und Beobachtung nach stand die Applikation des 
Ichthargans mit dem Zurücktreten der Krankheitserscheinungen 
im ursächlichen Zusammenhang. — 

Der zweite Anwendungsfall zeigt in ähnlicher eklatanter 
Weise die Einwirkung des Ichthargans auf den mit Streptokokken 
überschwemmten Körper. Ein junges Pferd eines Händlers 
hatte sich nach dessen Meinung schon vor ca. vier Wochen mit 
Angina infiziert; die Kehldrüse, wie die Krankheit hier genannt 
wird, sei jedoch nicht zum Ausbruch gekommen, sie sei wohl 
nach innen geschlagen. Das Pferd sei schon längere Zeit nicht 
recht munter gewesen, hatte leichte Drüsenanschwellungen 
gehabt, dieselben wollten jedoch weder abszedieren noch sich 
zurückbilden. Über Nacht sei das Tier jedoch so krank 
geworden, daß er fürchte, dasselbe gehe jetzt ein. Der Befund 
ergab; Gesträubtes Haar, leichte, schmerzhafte Drüsenanschwellung 
im Kehlgang und hinter dem Pharynx. Starker Schüttelfrost, 
26 Atemz. und 42,0° C. Mastdarmtemp. Nach dem Befund 
und dem zuverlässigenVorbericht wurde eine Allgemeinerkrankung 
infolge Infektion mit Anginaerregern angenommen. Die Therapie 
bestand in 1,5 Ichthargan in 3 proz. wässriger Lösung intratracheal. 
Andern Tags Allgemeinbefinden gut. Atmung 14 mal, 38,9° C. 
Mastd. Temp. Das Pferd hat noch eine Zeit lang gehustet, 
sich dann aber schnell dabei erholt. Als ich 14 Tage später das 
Pferd wieder sah, war nichts Auffälliges zu beobachten. 

Auch in diesem Falle ist die Wirkung des Ichthargans 
gekennzeichnet durch das sofortige Aufhören des Fiebers und 
Besserung des Allgemeinbefindens. Ohne Behandlung oder auch bei 
anderer Behandlung endigten früher solche Fälle gewöhnlich letal. 

Anfang Juni vorigen Jahres wurde mir dann ein Pferd zur 
Behandlung übergeben, das sich angeblich erkältet haben sollte; 
dasselbe hatte zwar ziemlich guten Appetit, sei aber sehr steif 
und lege sich nicht hin. Die am ersten Tage von mir vor¬ 
genommene Untersuchung ergab Starrkrampf in deutlichster 
Form, starre, derbe Beschaffenheit der ganzen Rücken-, Hais¬ 
und Schenkelmuskulatur. Beim Hochheben des Kopfes bedeckt 
der Blinzknorpel gut zur Hälfte das Auge. Die beiden Schneide¬ 
zahnreihen können mit aller Gewalt so weit geöffnet werden, 
daß zwei Finger zwischen ihnen Platz haben. Von einer Be¬ 
handlung mit Tetanusantitoxin wnrde Abstand genommen. Eine 
einfache symptomatische Behandlung erschien mir zwecklos und 
so entschloß ich mich eine Behandlung mit Ichthargan zu ver¬ 
suchen. Das Pferd erhielt am ersten Tage eine einmalige 
intratracheale Injektion von 1,5 Ichthargan in 3 Proz. wässeriger 
Lösung. 24 Stunden später war eine auffallende Besserung 
eingetreten, so deutlich, daß selbst der Besitzer mir sofort 
davon Mitteilung machte. Die Nasenlöcher waren nicht mehr 
so starr geöffnet und zwischen den beiden Schneidezahnreihen 


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11. Juni 1903. 

war eine halbe Fingerbreite mehr Platz wie Tags zuvor. Da 
ich alles was Aussicht bot auf Heilung versuchen wollte, so 
machte ich dem Pferde noch eine subkutane Injektion von mit 
physiologischer Kochsalzlösung bereiteter Schafgehirnemulsion. 
Von dieser Injektion habe ich keinen Vorteil gesehen. Dieselbe 
wurde Veranlassung zu einem umfangreichen Abszeß an der 
Injektionsstelle, der sehr schmerzhaft war. Weitere Behandlung 
des Pferdes fand nicht statt. Die tetanischen Erscheinungen 
verloren sich allmählich von Tag zu Tag, sodaß nach vierzehn 
Tagen das Pferd als genesen anzusehen war. 

Was die Beurteilung dieses Falles anlangt, so hat dieselbe 
wohl etwas vorsichtig und reserviert zu geschehen, denn Tetanus 
ist eine heimtückische Krankheit und hat schon vieler Be¬ 
handlungen gespottet. Es könnte sich in diesem Falle eventuell 
um Naturheilung handeln, wenngleich nicht zu verkennen war, 
daß sofort nach Applikation des Medikamentes die tetanischen 
Symptome zurücktraten. An der Richtigkeit der Diagnose war 
meines Erachtens nicht zu zweifeln, auch überrascht nicht der 
Umstand, daß die Genesung allmählich eintrat, denn das stimmt 
mit der über Tetanus aufgestellten Theorie, der zufolge die 
Tetanusbazillen irgendwo, gewöhnlich an der Einwanderungs- 
Stelle ihr chemisches Laboratorium eingerichtet haben, von wo 
das hergestellte Gift an die Zentralnervenapparate gelangt. 
Wenn es nun durch eine Behandlung gelungen sein sollte die 
Bazillen zu zerstören, bo reichte das fertige chemische Gift 
doch noch eine Zeit lang hin die tetanischen Symptome aus¬ 
zulösen. Grade für Tetanus mußte es interessant sein, mit 
diesem Medikament weiter zu experimentieren, weil eben andere 
bekannte Heilungsversuche noch unsicher sind. In nachfolgenden 
Fällen würde ich unbedenklich 2,0 intratracheal anwenden und 
eventuell in Wiederholung. 

Es kommt jetzt eine Reihe von Beobachtungen au Kühen, die 
mit bösartigem Katarrhalfieber behaftet waren, teils hochgradig, 
teils weniger schwer erkrankt. Eine von ihnen wurde intratracheal 
behandelt mit zwei Einspritzungen von je 1,5g innerhalb 24 Stunden. 
Dieselbe genaß auffallend rasch und vollständig. Vier andere 
erhielten eine einmalige intravenöse Injektion von 1,5 g in 2 proz. 
wässeriger Lösung. Eine von ihnen, bei der auch die Augen 
sehr schwer erkrankt waren wurde geschlachtet, weil außerdem 
Tuberkulose vorlag, die andern genasen aber langsamer wie die, 
welche zweimal intratracheal behandelt war. Des weiteren wurde 
ein Fall von akuter Muskelentzündung, Rheumatismus, wenn Sie 
wollen, mit Ichthargan behandelt. Es handelte sich um eine 
Kuh, die morgens und abends einen Weg von einer halben 
Stunde zurück resp. von der Weide nach Haus zu machen hatte. 
Dieselbe hatte ein etwas heftiges Temperament und erhitzte sich 
infolgedessen leicht. 

Durch eine starke Erkältung hatte dieselbe sich einen über 
den ganzen Körper verbreiteten Muskelrheumatismus zugezogen. 
So lange die Kuh ruhig im Stalle liegt, merkt man ihr nicht 
viel an; sie frißt und wiederkaut einigermaßen gut, auch hat sie 
noch ca. 8 Liter Milch pro Tag. Sie kann sich jedoch nur mit 
großer Mühe und unter erheblichen Schmerzen erheben; sie 
weiß nicht auf welchem Bein sie stehen soll; der Rücken ist 
hoch aufgekrümmt, die Atmung mächtig beschleunigt. Jeder 
Muskel des Tieres ist krampfhaft gespannt; man meint, das tiefe 
brummende Geräusch der sich kontrahierenden Muskeln hören 
zu können. Das ganze Tier fliegt hin und her und weiß sich 
vor Schmerzen nicht zu helfen. Manche Kuh würde ruhig liegen 


387 

bleiben, aber diese hat Temperament und erzwingt das Stehen. 
Der Patientin wurden auf Grund der Diagnose Muskelrheuma¬ 
tismus fünf entsprechende Dosen Salizylsäure und Antifebrin 
gegeben. Ein Erfolg wurde nicht von der Behandlung beobachtet. 
Von der Annahme ausgehend, daß es sich bei Rheumatismus um 
eine Infektion durch Mikroorganismen handelt, wollte ich eine 
der Ansicht entsprechende Behandlung versuchen und injizierte 
der Kuh 1,5 Ichthargan in 2 proz. wässeriger Lösung intravenös 
und hatte das Resultat, daß nach zwei Tagen die beängstigenden 
Erscheinungen soweit zurückgegangen waren, daß die Patientin 
sich wenigstens ordnungsgemäß erheben und dann ruhig stehen 
konnte. Der linke Hinterschenkel wurde kurz nach dem Er¬ 
heben noch nicht ordnungsgemäß belastet, nach ca. 5 Minuten 
nahm auch dieser Schenkel die ihm zukommenden Teil der 
Körperlast auf sich. Es war nun eine abermalige intravenöse 
Injektion beabsichtigt, bei der großen Widersetzlichkeit war es 
jedoch unmöglich der Kuh dabei anzukommen und es wurden ihr 
deshalb 1,5 Ichthargan gelöst subkutan beigebracht. Nach 
weiteren drei Tagen sind die Erscheinurgen des akuten Muskel- 
rheumatismus bis auf eine geringe Lahmheit des linken Hinter¬ 
schenkels zurückgetreten. 

Dann habe ich das Medikament innerlich per os versucht 
in 5 Proz. Lösungen gemischt mit Gummischleim; dreimal täglich 
ein Teelöffel resp. Eßlöffel voll. Drei Hunde, ein ganz junger 
sehr edel gezogener Teckel, eine drei viertel jährige harthaarige 
Htihnerhündin und ein jähriger Terrier, waren ziemlich schwer 
erkrankt an der pektoralen und intestinalen Form der Staupe. 
Appetit völlig fehlend. Sämtliche drei Hunde erholten sich zu¬ 
sehends nach Verabreichung des Medikaments. Dem Kliniker, der 
mehr mit dieser Seuche zu tun hat möchte ich die intratrachealen 
Injektionen empfehlen. Es bleibt allerdings abzuwarten wie 
schlimm sich der Husten darnach einstellen wird. Es ist dies 
gerade bei Hunden ein Faktor, der mehr wie bei andern Tieren 
in Rechnung gezogen werden muß, aber bei der auffallenden 
Wirksamkeit des Medikaments von der Lunge aus bei andern 
Haustieren und ähnlichen Infektionskrankheiten und bei der 
Verlegenheit des Therapeuten bei Hundestaupe lohnt es sich 
weiterer Versuche. — Bei Fohlenlähme und der analogen Krank¬ 
heit der Kälber habe ich es ebenfalls per os gegeben, angeblich 
mit guten Erfolgen, doch habe ich zu wenig Gelegenheit ge¬ 
habt, die Fälle zu beobachten, als daß ich ein zutreffendes Ur¬ 
teil darüber abgeben könnte. 

Endlich habe ich es versucht äußerlich in V 2 Proz. Lösung 
bei einer Gebärmutterentzündung in einem hervorragend 
schwierigen Falle. 

Es handelt sich um eine Kuh, die nach schwerer Zwillings¬ 
geburt einen vollständigen Gebärmutterprolaps erlitten batte und 
etwa ein einhalb Stunden auf die Reposition desselben warten 
mußte. Bei der Größe und Umfangsvermehrung des doppelt 
trächtig gewesenen Organes ging es bei der Operation nicht 
ohne starke Quetschungen und Verletzungen ab. Obgleich kaltes 
und warmes Kreolinwasser nicht gespart und auch das reponierte 
Organ gründlich ausgespült wurde, entwickelte sich doch im 
Laufe der nächsten Tage ein schweres Allgemeinleiden verbunden 
mit hohem Fieber, das seinen Ausgangspunkt an der Gebärmutter 
hatte. Das vornehmste und natürliche Schutzmittel des trächtig 
gewesenen Uterus, eine kräftige Kontraktion des Organes, war 
nicht eingetreten. Dasselbe war schlaff und die Schleimhautober¬ 
fläche fühlte sich stumpf an, immer ein sehr bedenkliches Symptom. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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388 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 24. 


Ich machte drei Tage hindurch täglich selbst einmal eine Be¬ 
rieselung mit warmem Wasser und nach Entleerung desselben 
füllte ich einen Liter warmes Wasser, in dem 5,0 Ichthargan 
gelöst waren, wieder ein und hatte die Freude schon nach dem 
ersten Male eine Besserung des Allgemeinbefindens wie auch 
des Lokalleidens beobachten zu können, welch letztere sich 
darin äußerte, daß sich die Sekretion der Schleimhaut wieder 
einstellte. Die mangelhafte Kontraktion des Uterus, verzögerte 
indessen die Genesung erheblich. Die Wiederherstellung der 
Patientin glaube ich aber der Anwendung des Ichthargan zu¬ 
schreiben zu müssen. 

Versuchsweise habe ich dann Ferkeln, die sich mit Schweine- 
seuche infiziert hatten, das Medikament in subkutanen Ein¬ 
spritzungen beigebracht und zwar in zwei Malen, jedesmal etwa 
0,12 Gramm. Es waren die Ferkel ca. 10 Tage alt, husteten 
alle und zwei davon kümmerten offenbar und schienen eingehen 
zu wollen. Dieselben sind nicht nur nicht eingegangen, sondern 
haben sich gut entwickelt. Auch sagt der Besitzer, die geimpfte 
Zucht sehe besser aus wie die nicht geimpfte. Derselbe kann 
sich aber nicht entschließen, nur das kleinste Ferkel zur Sektion 
zu überlassen. Ich halte daher in diesem Falle mit einem Urteil 
zurück. 

Bei Anwendung gegen periodische Augenentzündung habe 
ich keine Erfolge gesehen. 

Desgleichen nicht in zwei Fällen, in denen bei Kühen eine 
eigentümliche mit großen Veränderungen in der Muskulatur 
einhergehende Vergiftung durch Rost und Brandpilze resp. deren 
Gifte vorlag. 

In dem eben Gesagten habe ich Ihnen nun eine bunte Reihe 
von empirischen Versuchen vorgeführt, welche keinen Anspruch 
auf große Wissenschaftlichkeit haben. Es sind eben rein empirische 
Experimente, auch sind dieselben nicht einwandfrei, insofern es 
immer nur einzelne Fälle sind, in denen ich dem Ichthargan eine 
so hervorragende Wirkung nachweisen zu können glaubte. Je ein 
Fall von Brustseuche, Starrkrampf, Angina und Rheumatismus. 
Es kann hierbei von dem Skeptiker gesagt werden, das war 
Zufall und ich müßte mich dabei bescheiden. Etwas beweis¬ 
kräftiger dagegen sind die fünf Fälle von Katarrhalfleber, in 
denen das Medikament eine nicht zu verkennende, gleichmäßige 
Heilwirkung entfaltete. Wie dem auch sei, es geht mit Sicherheit 
aus den Versuchen hervor, einmal die Fähigkeit des Organismus, 
das Silber gut zu vertragen und zum zweiten eine eminente 
bakterientötende Kraft des Medikaments innerhalb des Körpers. 
Es ist dies eine nicht zu verkennende Errungenschaft. In thera¬ 
peutischer Hinsicht fehlte es doch bis vor kurzem völlig an 
derartigen Heilmitteln. 

Zum Schluß möchte ich noch einige Worte sagen über die 
Anwendungsweise. Über die innerliche Anwendung per os habe 
ich wenig zu sagen. Es ist vorteilhaft das Medikament mit 
Gummischleim und in 5 Prozent Lösung zu geben. Es wird 
ohne Widerwillen genommen und bedarf keiner Korrigenden. — 
Was die intratracheale Anwendung anlangt, so habe ich zu 
bemerken, daß sich bei einer Konzentration von 5 Prozent eine 
ziemlich lästige Tracheitis einstellte. Der Husten macht auf den 
Besitzer immer einen unangenehmen Eindruck, auch scheint der¬ 
selbe dem Tiere sehr läsüg zu sein. 

In 4proz. Lösung ist es schon nicht so schlimm. In 3proz. 
Lösungen ist die Reizung unerheblich. Ein Pferd oder eine 
Kuh verträgt ganz gut 4 proz. Lösung, und das würde 1,2 gr 


des Medikamentes ausmachen und das ist schon eine ganz 
wirksame Dosis. Eine 3 proz. Lösung mit ihrer geringeren 
Reizungserscheinung ist insofern vorteilhaft, als man bei einer 
Wiederholung der Injektion nicht so sehr ängsüich auf die 
Trachealschleimhaut bedacht zu sein braucht. Etwas mehr 
Aufmerksamkeit muß man der intravenösen Applikation zu- 
wenden. Abgesehen von einwandfreier Technik hat man doch 
immer an etwaige Folgen zu denken. Die intravenöse Applikation 
ist und bleibt ein unerhörter Gewaltakt von seiten des Thera¬ 
peuten. Kaltblütig umgeht derselbe sämtliche Schutzvorrichtungen 
des Körpers und spritzt allerlei fremde Sachen direkt ins Blut. 
Wenn man sich das Verfahren vom Standpunkt des Physiologen 
klar macht, so ist es eigentlich ein bischen reichlich viel ver¬ 
langt, wenn man glaubt, daß müßte immer gut gehen. Bei 
Pferden bin ich denn auch mit den intravenösen Injektionen 
etwas sparsamer geworden, aber auch die Kühe sahen mich 
während der Applikation zuweilen recht sonderbar und zweifelnd 
an, einige schüttelten recht bedenklich mit dem Kopf und eine 
erlebte einen Ohnmachtsanfall, von dem sie sich jedoch schnell 
wieder erholte. Ich denke dabei an Gerinnungen innerhalb der 
Blntbahn. Als ich bei den ersten intratrachealen Versuchen 
die Lösungen etwas mitigieren wollte, benutzte ich dazu eine 
dünne Lösung von frischem Hühnereiweis und beobachtete wie 
die dunkelbraune Lackfarbe der Lösung sich in eine hellbraune 
Deckfarbe verwandelte, ein Zeichen von Eiweißgerinnungen. 
Die Frage ist nun, wie gestaltet sich der Vorgang innerhalb 
der Blutbahn? Ist der gerinnunghemmende Einfloß der lebenden 
Gefäßwand groß genug, den therapeutischen Eingriff der durch 
die Injektion gegeben ist, zu überwinden. Weiter fragt es sich, 
tut man nicht doch gut zu intravenösen Injektionen ein 
Medikament zu nehmen, das bereits an Eiweiß gebunden ist, 
wie z. B. das Argentum colloidale. Hierbei habe ich nie un¬ 
angenehme Nebenerscheinungen beobachtet. — Das meine 
Herren sind alles Fragen, die noch gelöst werden müssen. 
Indem ich nun obige Versuche einem Kreise von Facbgenossen 
mitgeteilt habe, hoffe ich daß dieselben eventuell fortgesetzt 
und weiter ausprobiert werden. 

Weitere Wünsche bei der Neugestaltung des 
Reichsviehseuchengesetzes. 

Von 

einem beamteten Tierärzte. 

Durch die B. T. W. 1903, Seite 118 und 163 ist weiteren 
tierärztlichen Kreisen der Entwurf einer Novelle zum Reichs¬ 
viehseuchengesetz bekannt gegeben worden und es hat besonders 
die kritische Besprechung durch Preuße-Danzig eingehende 
Aufklärung geschaffen. Gleichwie Preuße nicht mit einer 
Reihe von Abänderungen sich vollkommen einverstanden erklären 
kann, vermissen auch niclitpreußische beamtete Tierärzte eine 
Reihe von erstrebungswerten und ungemein wichtigen Punkten 
in ihrer seit Jahrzehnten angestrebten Regelung. Es ist ja 
allgemein bekannt, daß in unserem lieben Deutschland auf dem 
Gebiete des Veterinärwesens leider nicht überall die Verhältnisse 
so glücklich liegen wie in dem Musterländle Baden. Es gibt 
eine ganze Zahl von kleineren Bundesstaaten, wo das staatliche 
Veterinärwesen der ihm gebührenden vollen staatlichen Fürsorge 
und Anerkennung noch nicht für berechtigt gehalten oder wenn 
man sich volkstümlicher ansdrücken darf, wo es noch nicht für 


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11. Juni 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 389 

mündig, sondern als bevormundungsbedtirftig gehalten wird. möchte: „Es müssen“. Herr Regierungsrat Hafner hat ja in 


Allerdings auch diese Zustände „müssen“ sich ändern, es mag 
kommen, wie es will. Aber wie lange noch wird es dauern! 
Wie lange noch müssen da die Besten des tierärztlichen Standes 
ringen nach dem, w'as andere anderswo schon lange haben! Ist 
es da ein Wunder, wenn bei der so wichtigen Neugestaltung 
des Reichsviehseuchengesetzes diese tierärztlichen Kreise Besserung 
erwarten vom Reiche, dessen Gesetze allen Landesgesetzen Vor¬ 
gehen? Ist es da ein Wunder, wenn sie alle Hebel in Be¬ 
wegung setzen um ihre Hauptwünsche wenigstens erfüllt zu 
sehen. Freilich zu diesem Ringen nach Besserung muß ihnen 
die Unterstützung weiterer Kreise werden. Es können dabei 
auch diejenigen Kreise nicht entbehrt werden, die persönlich an 
der Erfüllung der Wünsche nicht interessiert sind, die das Ge¬ 
wünschte bereits jahrelang haben. Ihre Unterstützung gerade 
bedeutet den Fortschritt des allgemeinen Veterinärwesens, eine 
Hebung des gesamten Standes. — 

Ein Hanptwunsch geht ans diesen kleineren Bundesstaaten 
heraus und zielt dahin ab, daß bei Neugestaltung des Reichs¬ 
viehseuchengesetzes die Stellung des beamteten Tierarztes in 
seiner Mitwirkung bei der Seuchentilgung klipp und klar ge¬ 
regelt werde. Da gibt es denn noch Staaten, in denen heute 
noch zugelassen ist, daß beamtete Ärzte in Behinderungs¬ 
fallen des Tierarztes bei der Seuchenbekämpfung eintreten 
können. Das tierärztliche Obergutachten wird unter Beihilfe 
der Mediziner erstattet, wie auch das Referat über das Veterinär¬ 
wesen noch mehrfach in den Händen der Mediziner liegt. Wenn¬ 
gleich im Reichsviehseuchengesetz diese Materie nicht im ein¬ 
zelnen geregelt werden kann, so glaube ich doch mit vielen 
anderen, daß eine entschiedene Besserung der Lage zu erzielen 
wäre, wenn es heißen würde in § 2: 

„Zur Erstattung aller Gutachten und Obergut¬ 
achten sowie zur Vornahme von technischen Unter¬ 
suchungen bei Ausführung dieses Gesetzes sind nur 
approbierte Tierärzte zulässig.“ 

Noch ist es nicht zu spät zur Einfügung eines solchen 
Wortlautes und wir wollen wünschen und hoifen, daß es einflu߬ 
reichen Kreisen gelingen möchte an maßgebender Stelle die 
Änderung durchzusetzen. 

Ein zweiter Wunsch geht dahin, daß die in diesem Reichs¬ 
gesetze den Landesbehörden zuerkannten Befugnisse nicht ver¬ 
mehrt, sondern vermindert werden möchten. Denn die An¬ 
ordnung aller seuchenpolizeilichen Maßnahmen kostet in der 
großen Mehrzahl der Fälle dem Staate Geld und wird zumeist 
von der beteiligten Bevölkerung gar nicht gewünscht. Was 
Wunder, wenn dann der beamtete Tierarzt so häufig unter 
diesen Umständen und besonders bei der in einzelnen Staaten 
herrschenden Geldknappheit von dem dezernierenden Juristen 
den Bescheid erhält: „Ihr Wunsch ist unerfüllbar! Die An¬ 
ordnung erscheint mir nicht notwendig!“ Hätten wir in den 
Kleinstaaten nicht ein Reichsviehseuchengesetz, ich versichere: 
es würde nichts getan, oder wollen wir diesen Worten die 
Schärfe nehmen, es würde Ungenügendes in der Seuchen¬ 
bekämpfung getan. Das haben wir ja genugsam an einzelnen 
Orten erlebt bei den Seuchen, für die lediglich durch den 
Reichskanzler die Anzeigepflicht vorgeschrieben war. Welche 
ungenügenden Ausführungsbestimmungen waren da zu erreichen! 

Deshalb ergeht auch der Wunsch, daß im neuen Reichs¬ 
viehseuchengesetz § 8a (früher § 17) es durchweg heißen 


der Münchener Veterinärratssitzung genügsam diesen berechtigten 
Wunsch beleuchtet und ich glaube, es wäre Herrn Veterinär¬ 
assessor Preuße hoch angerechnet worden, wenn er dafür im 
Deutschen Landwirtschaftsrat mit durchschlagenden Gründen, 
um die er ja nicht verlegen sein kann, aufgetreten wäre. — 
Verzichten wir auf alle anderen Umwandlungen von „kann in 
muß“; die Erreichung dieses einzigen Wunsches wäre für alle 
beamteten Tierärzte, besonders aber für die in den Kleinstaaten 
ein großes Ereignis. Und ich meine, es darf da kein Mittel 
unversucht bleiben, um dieses Ziel zu erreichen. — 

Ein weiterer Wunsch betrifft die Bekämpfung des Bläschen¬ 
ausschlags. In der B. J. § 118 sind Ermittelungen seitens der 
Polizeibehörden und des beamteten Tierarztes vorgeschrieben, 
wie lange die Krankheitserscheinungen schon bestanden haben 
und ob Rindviehstücke mit den kranken Tieren in geschlecht¬ 
liche Berührung gekommen sind. Diese Ermittelungen fallen 
jetzt zumeist negativ aus. Die Bullenhalter führen meist 
keine Deckregister, also kein Verzeichnis darüber, welche weib¬ 
lichen Rinder welcher Besitzer und an welchem Tage zum 
Bullen zwecks Bedeckung verbracht wurden. 

Ein landesgesetzlicher Zwang zur Einführung der Deck¬ 
register scheitert zumeist an dem Widerstande der landwirt¬ 
schaftlichen Kreise gegen jeden Zwang. Deshalb wäre es 
freudig zu begrüßen, wenn im neuen Gesetz und zwar entweder 
im § 8 b oder innerhalb der §§ 18—29 die Landesbehörden er¬ 
mächtigt würden, allgemein verbindlich die Führung von Deck¬ 
registern vorschreiben zu können. Denn bis jetzt fehlt hierzu 
jede gesetzliche Grundlage. 

Schließlich gedenke ich noch mit wenigen Worten der Be¬ 
strebungen seitens einzelner tierärztlicher Kreise: Den Privat¬ 
tierärzten eine teilweise, wenn auch beschränkte Mitwirkung 
auf dem Gebiete der Seuchenbekämpfung zu schaffen. In weiten 
Kreisen hat ein dahin lautender Beschluß des Veterinärrates 
Aufsehen erregt und wir teilen ohne weiteres die Meinung, 
welche die Führer des Vereins beamteter Tierärzte Preußens 
hahen, daß solange noch die beamteten Tierärzte nicht voll- 
beschäftigte und vollbesoldete Staatsbeamte „allenthalben“ 
sind, von einer Mitwirkung der Privattierärzte im Seuchen¬ 
tilgungsverfahren keine Rede sein kann. Die Gründe hierfür 
sind genugsam erörtert. Wir Nichtpreußen sehen überhaupt mit 
einer gewissen Besorgnis auf die Entwickelung des Veterinär¬ 
wesens in Preußen, besonders aber auf die immer größer 
werdende Kluft zwischen Kreistierärzten und Departements¬ 
tierärzten (vergl. z. B. Milzbrandnachprüfung). Die meisten 
von uns nehmen wohl Partei für die Kreistierärzte und hoffen, 
daß deren berechtigte Wünsche und Bestrebungen in Erfüllung 
gehen mögen. Allen denen aber, die es auf eine Schwächung 
der beamteten Tierärzte erster Instanz abgesehen haben, rufen 
wir zu: Videant consules! Dr. E. N. 

Referate. 

Ein Beitrag znr Chloroformwirknng bei Hunden. 

Von Henry Taylor, E. R. C. V.-S. 

(Veterinary Journal 1903. Neue Folge Vol. VII, No. 40.) 

Die noch unentschiedene Streitfrage, ob Chloroform ein 
gefahrloses Anästhetikum für Hunde ist oder nicht, veranlaßt« 
den Verfasser 20 Hunde, welche dem Spital des New Veterinary 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


390 

College zu Edinburg zur Beseitigung übergeben wurden, an Stelle 
von Blausäure mit Chloroformdämpfen zu töten und die Er¬ 
scheinungen dieser Vergiftung zu studieren. Die Dämpfe wurden 
aus einer Flasche mit doppelt durchbohrtem Gummipfropfen mit 
Hilfe zugeblasener Luft in einen den Versuchshunden angelegten 
geschlossenen Maulkorb geleitet. In die Durchbohrungen werden 
zwei rechtwinkelig gebogene Glasröhren gesteckt, die entweder 
beide über dem Flüssigkeitsspiegel enden oder von denen die 
Luftzuführungsröhre in die Chloroformlösung untertaucht. Hier¬ 
nach streicht der Luftstrom, welcher mit Gummigebläse in die 
Flasche geschickt wird, in dem einen Falle über die Flüssigkeit 
hinweg, im andern dringt er durch dieselbe hindurch und nimmt 
infolgedessen eine große Quantität Chloroformgas mit fort. 
Die zur Tötung erforderlichen Chloroformmengen waren außer¬ 
ordentlich verschieden. Die geringste Quantität 1 Drachme = 
3,75 g wurde bei einem 17 Jahre alten fetten Mops gebraucht, 
während ein 14jähriger Spaniel 22 Drachmen = 82,5 g nötig 
hatte. Das durchschnittlich verbrauchte Quantum betrug 9 und 
10 Drachmen, also 33,75 bis 37,5 g. 

Die Zeitdauer zur Hervorbringung der Anästhesie zeigte 
dagegen verhältnismäßig geringe Unterschiede. In vier Fällen 
vergingen 9, G, 5*/2 und 5 Minuten in allen anderen etwa 
3 Minuten und darunter bis zur Betäubung. Dieselbe wurde 
immer als vorhanden angenommen mit dem Aufhören des Corneal- 
reflexes. 

Fast in allen Fällen erfolgte der Tod durch Lähmung von 
Respiration. Nur bei zwei Hunden stand das Herz früher still und 
bei zwei andern setzten Atmungs- und Herztätigkeit zugleich aus. 

Wurde der Luftstrom über die Chloroformlösung in der 
Flasche hinweggeschickt, so hielten die Hunde der Einwirkung 
der Gase ziemlich lange Zeit stand. 19 Hunde ertrugen sie 
bei dieser Art der Anwendung 12 bis 58,5 Min., im Mittel 
22,5 Minuten. 

Nur der 17 jährige fette Mops ging hierbei nach der ver¬ 
hältnismäßig kurzen Zeit von 6 Min. ein. Es ist zu vermuten, 
daß diese Hunderasse überhaupt wenig widerstandsfähig gegen 
Chloroform ist. Bei der zweiten Applikationsmethode des 
Mittels, bei welcher der Luftstrom durch die Flüssigkeit geht, 
starben 4 Hunde nach 2,5 Min., die Durchschnittszeit bei sämt¬ 
lichen Hunden genommen, nach etwa 13 Min. Nach den Berech¬ 
nungen des Verfassers wird bei dieser Methode ungefähr 3 mal 
mehr Chloroform vom Luftstrom mitgenommen, als bei der erst¬ 
genannten. 

An den Schluß seiner Ausführungen knüpft Verfasser nach¬ 
stehende Grundsätze: 

1. Soll Chloroform ein gefahrloses Anästhetikum für Hunde 
sein, so muß es sehr verdünnt angewendet werden. Wenn die 
zuerstbeschriebene Anwendungsweise bei geschlossenem Maulkorb 
benutzt wird, so Bollte die Quantität in der Flasche nicht über 
3 Drachmen = 11,25 g betragen. 

2. Die zweite Methode der Applikation ist nicht sicher, 
da die Dämpfe eine konzentrierte Beschaffenheit annehmen. 

3. Der Chloroformtod tritt ein in 83,3 Proz. der Fälle durch 
Atmungs-, in 5,5 Proz. durch Herzlähmung und in 11,1 Proz. 
der Fälle durch Zusammentreffen beider Ursachen. 

4. Chloroform hat auf Hunde eine verschiedene toxische 
Wirkung. 

5. Einzelne Individuen besitzen eine besondere Idiosynkrasie 

gegen dasselbe. Peter. 


No. 24. 

Eine parasitische Angnillnla des Pferdes. 

Von Dr. Jerke, Assistent am Veterinär-Institut 
der Universität Breslau. 

(Archiv fllr wisaonschaftl. u. jirakt Tierbeilk. 29. Band, 1. n. 2. Heft). 

In den tierärztlichen Lehr- und Handbüchern werden stets 
3 Arten von Oxyuren angeführt, nämlich Oxyuris curvula, 
mastigodes und vivipara. Die letztgenannte Art erhielt 
ihre Benennung von Probstmayr, der sie 18G5 im Blinddarm des 
Pferdes entdeckte, wegen ihrer Ähnlichkeit mit den Oxyuren. 
Später nannte Perroncito sie Rhabdonema, während Railliet, 
augenscheinlich gestützt auf eine Beschreibung von Florentini, 
sie als Anguillula vivipara bezeichnet. 

Verfasser fand, daß dieser Parasit gar kein seltner Gast des 
Pferdes und auch des Esels ist. Allerdings ist sein Lieblings¬ 
sitz nicht, wie Probstmayr angibt, der Blinddarm, sondern die 
unteren Lagen des Grimmdarms. Seine Ähnlichkeit mit 
den Oxyuren betrifft nur die äußere Gestalt. Die anatomische 
Untersuchung dagegen lehrt, daß er, wie es schon von Roulliet 
geschehen ist, zur Familie der Anguillulidae gestellt werden 
muß. Da die die Bezeichnung vivipara zu Recht besteht, so 
ist demnach an Stelle der alten irrtümlichen Benennung 
Oxyuris vivipara die Raillietsche Bezeichnung Anguill¬ 
ula vivipara zu setzen. 

Verfasser gelang es ferner nacbzuweisen, daß, entgegen den 
bisherigen Ansichten, die Weibchen von A. vivipara voll¬ 
geschlechtlich sind, und daß auch Männchen im Darm vor¬ 
handen sind. Dieselben gleichen in ihrer äußeren Gestalt 
vollkommen den Weibchen, unterscheiden sich also schon da¬ 
durch wesentlich von den Männchen aller bekannten Oxyuren, 
bei denen das Hinterende abgestutzt und zu einer Bursa ver¬ 
breitert ist. 

Die nähere anatomische Beschreibung des Parasiten ist im 
Original, dem 9 Abbildungen beigegeben sind, nachzulesen. Zu 
erwähnen ist noch, daß der ganze Entwicklungsgang der An- 
guillnla v. vom Ei bis zum, mit Ausnahme der Geschlechts¬ 
organe, in seinem Bau fertigen Wurm sich im mütterlichen 
Uterus vollzieht; sogar der erste Häutungsprozeß spielt sich 
hier ab. Die Größe der neugeborenen Parasiten im Verhältnis 
zum Muttertier ist erstaunlich. Bei einem Weibchen von 
2,68 mm Länge betrug die Größe des Jungen 1,84 mm. 

Über eine etwaige krankheitserregende Bedeutung der A. v. 
ist zur Zeit nichts Sicheres bekannt. Es wäre jedoch nicht 
unmöglich, daß auch für A. v. die Annahme Dounons über 
Strongyloides intestinalis, die bei Entzündungen des Darmes 
den Krankheitsprozeß steigern und den Tod herbeiführen können 
soll, Geltung hätte. 

Hinsichtlich der Entwicklung des Parasiten ist die Annahme 
gerechtfertigt, daß sie sich, nachdem einmal eine Infektion statt¬ 
gefunden hat, ohne Wirtswechsel vollzieht. Die Infektion ge¬ 
schieht wohl durch Aufnahme der Parasiten mit dem Futter 
oder Trinkwasser, das mit wurmhaltigem Kot verunreinigt war. 
In Erde und Kot können die Parasiten 4—5 Tage, unter günstigen 
Umständen auch noch länger am Leben bleiben. 

Francke. 

Echinokokkus im Cerebellnm eines Rindes. 

Von Dr. G. I)e Angelis. 

(Nunvo Kreolnni 1902 No. 20.) 

Am 19. August untersuchte Verf. auf einem Landgute in 
der Nähe von Salerno einen Ochsen, der nachstehende Er- 


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11. Juni 1903. 


scheinungen bekundete: Kleiner unregelmäßiger Puls, Rücken 
gekrümmt, Hinterbeine in gespreizter Stellung, Kopf erhoben 
und mit der Nase gegen die Mauer gestützt, Blick stier, Kon¬ 
junktiven gerötet, * im Maule Anhäufung von Speichel. Ab¬ 
wechselnd wurde der Ochs von Zittern, Koma und starker Er¬ 
regung befallen. Nach diesen Erscheinungen wurde angenommen, 
daß das Tier mit Hydrocephalus akntus behaftet sei. Es wurde 
deshalb geschlachtet. Bei Untersuchung des Gehirns stellte sich 
heraus, daß der Subarachnoidalraum hinter dem Kleinhirn mit 
einer großen rundlichen Geschwulst besetzt war. Dieselbe enthielt 
eine Cyste, in welcher Tochtercysten enthalten waren. Diese 
waren mit klarer Flüssigkeit gefüllt, die bei mikroskopischer 
Prüfung Kalkkörnchen und Fetttröpfchen enthielt. Einige der 
Tochtercysten waren mit Scolices versehen, die 0,3 mm maßen 
und am Rostellum 2 Reihen von Haken aufwiesen. Es waren 
überhaupt sämtliche Kennzeichen der Echinokokkusblasen vor¬ 
handen. Peter. 

Yerbreitnng der Tollwut in Lyon. 

Von Prof. Galtier. 

(Jonnipl de Lyon, Februar 1003.) 

In den letzten 13 Jahren sind in der Lyoner Klinik 
1434 Fälle von Tollwut festgestellt worden, und zwar: 

1301 bei Hunden, 

127 bei Katzen, 

3 bei Ziegen, 

3 bei Einhufern. 

Von den 1428 tollwntkrankeu Hunden und Katzen hatten 
nur 657 fremde Gegenstände im Magen. Von diesen Tieren 
waren 1088 Personen gebissen worden. 

Prof. G. schreibt die Zunahme der Tollwut vor allem dem 
schlechten Willen der Besitzer zu, welche sich der Tötung der 
gebissenen Tiere widersetzen oder dieselben einfach fortjagen, 
sodann dem Nichteinschreiten der Polizeibehörden und Straf¬ 
gerichte. 

In diesen 13 Jahren hatte die Klinik 4738 Fleischfresser 
(4509 Hunde, 229 Katzen) zu beobachten, welche Personen 
gebissen hatten. Für 4488 Tiere konnte bescheinigt werden, 
daß kein Tollwutverdacht vorlag. Bezüglich dieser Bescheini¬ 
gungen empfiehlt Prof. G., das Zeugnis erst nach längerer 
Beobachtung und zwar nicht eher ausznstellen, bis mindestens 
acht Tage seit dem Biß verflossen sind. Bis dahin kann, wenn 
der Hund auch vollkommen gesund erscheint, nicht bestätigt 
werden, daß der Speichel nicht virulent war und daß die Ver¬ 
letzung keine üblen Folgen haben wird. Ziindel. 

Wochenübersicht über die medizinische Literatur. 

Von Dr. Jess-Charlottenburg, 

Krell tienrzt. 

Zicntralblalt für Bakteriologie, Parasitcnkundc. 33 Band. Orvjinalc. No. 3. 

Die bakterizide Eigenschaft des Knochenmarks und die Aetioiogie 
der Osteomyelitis, von Hencke. 

Verfasser fragte sich, ob das Knochenmark überhaupt 
bakterizide Eigenschaften besitzt und wie stark dieselben sind 
und in welchem Verhältnis die bakterizide Eigenschaft zu den¬ 
jenigen der inneren Organe und des Blutes steht. H. unter¬ 
suchte speziell den Staphylokokkus aureus und injizierte einmal 
ins Blut, zweitens direkt ins Knochenmark, indem er den 
Trochanter major femoris mit der Nadel einer Spitze durchstieß. 


391 

Das Resume seiner Untersuchung ist folgendes: Das Knochen¬ 
mark besitzt sehr starke bakterizide Eigenschaften; es befreit 
sich von der dem Organismus einverleibten Infektion schneller 
und besser als die inneren Organe. Staphylokokkus aureus 
als Reinkultur in den tierischen Organismus eingeführt, sei es 
ins Blut, sei es direkt in das Knochenmark, erzeugt keine 
Osteomyelitis infectiosa spontanea. In den vier untersuchten 
Fällen von Osteomyelitis spontanea, wo keine Kommunikation 
mit der änssereu Luft vorhanden war, und in dem einen Falle, 
wo solche Kommunikation stattfand, habe er ein und dasselbe 
Stäbchen, das bis jetzt wahrscheinlich noch unbekannt gewesen 
ist, gefunden und in Reinkultur isoliert. Reinkulturen dieses 
Stäbchens sind imstande, bei intravenöser Applikation ohne 
irgend welches Trauma für Osteomyelitis charakteristische und 
stets typische Knochenläsionen bei Kaninchen zu erzeugen. 

Über die Möglichkeit, Meerschweinchen gegen Tuberkulose zu 
immunisieren. Vorläufige Mitteilung von Professor L evy, Straßburg. 

Verfasser hat versucht, ein brauchbares Tuberkulosevaccin 
herzustellen und er hat sich wegen äußerer Verhältnisse auf 
die Verwendung kleiner Versuchstiere, also speziell der Meer¬ 
schweinchen, beschränken müssen. Er fand nun, daß uns in 
dem 80 prozentigen sterilisierten Glyzerin ein Mittel gegeben 
ist, welches die Tuberkelbazillen in hervorragender Weise be¬ 
einflußt. Eine 80 prozentige sterilisierte Glyzerinlösung ver¬ 
mochte virulente Tuberkelbazillen bei 37° in 48 Stunden un¬ 
schädlich zu machen. Die glyzerinierten Tuberkelbazillen rufen 
zwar auch noch Verdickungen und Abszesse hervor, aber diese 
Veränderungen heilen völlig aus. Verfasser beließ nun die 
Tnberkelbazillen verschieden lange Zeit unter der Einwirkung 
des Glyzerins, teils 30 Tage u. s. w., und immunisierte damit 
systematisch seine Tiere. Zur Kontrolle führte er virulente 
Bakterien in die Achselhöhle ein. Die Kontrolltiere erwarben 
hierbei eine ausgesprochene Tuberkulose beider Lungen, der 
Leber, der Milz etc., während die vorbehandelten Meerschweinchen 
trotz sorgfältigster Durchforschung nicht die geringste Spur 
von Tuberkulose erkennen ließen. 

Über den Gehalt der einzelnen Eiweißfraktionen des Serums 
(Globuline, Englobuline, Albumine etc.) an Choleraimmunkörpern, 
von Dr. Alfred Wolff. 

Nach den Versuchen von Wolff sind die Immunkörper nicht 
an die Eiweißkörper des Serums gebunden. Sie werden zwar 
bei der Einführung der einzelnen Eiweißfraktionen rein 
mechanisch mitgerissen. Des weiteren kommt Verfasser noch 
zu folgenden Schlußsätzen. Die Natur der Immunkörper ist 
durch die bisherigen Untersuchungen nicht festgestellt; die 
bekannt gewordenen Tatsachen sprechen dafür, daß die Immun¬ 
körper enzymartige Stoffe sind, und daß der Vorgang der 
Bakteriolyse am ehesten mit dem Verdauungsphänoraen in eine 
gewisse Analogie zu setzen ist. Beziehungen der Immunkörper 
zu den Eiweißsubstanzen des Serums sind nicht nachweisbar. 
Die Immunkörper werden rein mechanisch in den Niederschlag 
bei den üblichen Aussalzungsverfahren mitgerissen. Die An¬ 
gaben über den Zusammenhang der Globuline mit den Immun¬ 
körpern beruhen — sicher für die Choleraimmunkörper, mit 
Wahrscheinlichkeit auch für manche andere Antistoffe — auf 
Nichtbeachtung der quantitativen Verhältnisse. Die Angabe von 
Pick über den Antikörpergehalt der Euglobulinfraktion konnte 
nicht einmal in der modifizierten Form bestätigt werden, daß 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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392 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 24. 


das Euglobulin sämtliche mit den Globulinen aasfällbare Immun¬ 
körper enthält, da sich in der Fibrinoglobulinfraktion ca. Vr» 
ira Euglobulin-Fibrinoglobulin ca. 3 / 8> im Gesamtglobulin (Fibrino- 
globulin, Euglobulin, Pseudoglobulin) ca. V 2 ^ er Immunkörper 
vorfand. Das Ammoniumsulfat ist nicht das indifferente Fällangs- 
raittel, als das es bisher allgemein angesehen wurde. Verwendet 
man als Indikator die Choleraimmunkörper, so kann man fest¬ 
stellen, daß durch Halbsättigung mit Ammonsulfat ca. 50 pCt. 
dieser Antikörper in Verlust geraten. Die in dem Niederschlage 
enthaltenen Immunkörper bleiben wohl durch die schwer diffasible 
Eiweißhülle vor der Vernichtung durch die Ammoniumsulfat¬ 
einwirkung bewahrt. 


Tagesgeschichte. 

Die Allgemeine Ansstellung für hygienische Milch¬ 
versorgung in Hamburg. (2.—12. Mai 1903). 

Von 

Dr. mcd. vet Stödter. 

Polizeilierarzf. 

Am Abend des 31. April dieses Jahres fanden sich die Mit¬ 
glieder des Ausstellungs-Komitees im Vortragssaal des Ausstellungs¬ 
gebäudes zusammen, woselbst Sc. Magnifizenz Herr Bürgermeister 
Dr. Hachmann die aus allen deutschen Gauen herbeigekommenen 
Preisrichter in liebenswürdigster Weise begrüßte und ihnen für ihr 
Erscheinen herzlich dankte. 

Die Zusammensetzung des Preisrichterkollegiums publizierte 
an Stelle des durch Krankheit leider am Erscheinen verhinderten 
Herrn Wirkl. Geh. Ober-Regierungsrats Dr. Köhler der Ministerial¬ 
direktor im Landwirtschaftlichen Ministerium zu Berlin, Herr Wirkl 
Geh. Ober-Regierungsrat Dr. Thiel. Darnach walteten als Preis¬ 
richter ihres Amtes die Herren: ( 

Beckurts, Dr. Prof. Medizinalrat, Braunschweig. 

Camerer, Dr. Medizinalrat, Urach, Württemberg. 

(Jan st ein, Freiherr von, Dr., Landesökonomierat, Berlin. 
Dammann, Dr. Prof. Geh. Regierungsrat und Medizinalrat, Hannover, 
Tierärztliche Hochschule. 

Dettweiler, Ökonomierat, Darmstadt. 

Drenckhan, Ökonomierat, Stendorf b. Eutin. 

Edelmann,'Dr., Prof. a. d. Tierarzt!. Hochschule, Dresden. 
Fleischmann, Dr., Prof. Geh. Regierungsrat, Göttingen. 

Flügge, Dr., Prof., Geh. Medizinalrat, Breslau. 

Fraenkel, Dr., Prof., Halle a. S. 

Frahm, Molkercidirektor, Elmshorn. 

Gärtner, Dr., Prof., Geh. Hofrat, Jena. 

Hittcher, Dr., Vorsteher der Versuchstation und Lehranstalt für 
Molkereiwesen, Kleinhof-Tapiau, b. Königsberg i. Pr. 
Johanssen, Gutsbesitzer, Sophienhof b. Preetz. 

Kirchner, Dr., Prof., Geh. Hofrat, Leipzig. 

Küster, Dr., Geh. Ober-Regierungsrat im Landw. Ministerium, Berlin. 
Löffler, Dr., Prof, Geh. Medizinalrat, Greifswald. 

Lulay, Vorsitzender des Verbandes der Vereine deutscher Milch¬ 
händler, Berlin. 

Mahlo, Kommissionsrat, Berlin. 

Mahlstedt, Konsul, Oldenburg i. Gr. 

Martiny, B., Schriftsteller, Berlin. 

Müller, T., Dr., Geh. Ober-Regicrungsrat, im Landw. Ministerium 
Berlin. 

Paul, Dr., Prof., Geh. Regierungsrat, Direktor im Kaiscrl. Ge- 
sundsheitsamt, Berlin. 

Pfund, Kommerzienrat, Dresden. 

Pistor, Dr. Geh Obermedizinalrat, Berlin. 

Rapmund, Dr., Regierungsrat und Geh. Medizinalrat, Minden. 
Renk, Dr. Prof., Geh. Mediziualrat, Dresden. 

Roeckl, Geh. Regierungsrat, Berlin, Kaiserl. Gesundheitsamt, 
du Roi, Direktor des Milchwirtschaftlichcn Instituts der Land¬ 
wirtschaftskammer der Prov. Brandenburg, Prenzlau. 

Rubncr, Dr., Prof, Geh. Medizinalrat, Berlin. 

Rudorff, Gutsbesitzer, Glinde b. Reinbek. 

Schiller, Regierungsbaumeister, Berlin. 

Schlegtendal, Dr., Regierungs- u. Medizinalrat, Aachen. 

Schütt, Molkereidirektor, Dortmund. 

Schwartau, Milchhändler, Lokstedt, Steindamm. 

Soltmann, Dr., Prof., Medizinalrat, Direktor der Universitäts- 
Kinderklinik nnd Poliklinik, Leipzig. 


Soxhlct, Ritter v.. Dr., Prof, an der technischen Hochschule und 
Vorstand der Küuigl. Landwirtschaftlichen Zentral-Versuchsstation, 
München. 

Tiemann, Dr., Vorsteher des Milchwirtsch. Instituts der Landwirt- 
Bchaftskammer für die Prov. Posen, Wreschen. 

Zweifel, Dr., Prof., Geh. Medizinalrat, Leipzig. 

Die tierärztliche Abteilung der Ausstellung wurde den Herren 
Geh. Ober-Regierungsrat Dr. Küster, Geh. Regierungsrat Roeckl 
und Medizinalrat Prof. Dr. Edelmann zur Begutachtung über¬ 
wiesen; als Führer wurde denselben vom hamburgischen Komitc 
Dr. Stödter zugeteilt. 

Am 1. Mai a. c. traten die Preisrichter in Tätigkeit; bei der 
Fülle des Gebotenen nahm diese Tätigkeit eine verhältnismäßig 
lange Zeit in Anspruch; sie war erst kurz vor Eröffnung der Aus¬ 
stellung beendet. 

Die Eröffnungsfeier nahm am 2. Mai, 11 Uhr vormittags, ihren 
Anfang. Zur feierlichen Eröffnung waren Einladungen ergangen, 
und die große Zahl der bei der Feier Anwesenden, unter denen 
sich viele Kollegen befanden, bewies, wie gern von den Einladungen 
Gebrauch gemacht worden war. Die Eröffnung erfolgte in Gegen¬ 
wart des Senates unter Führung des Protektors der Ausstellung, 
Bürgermeister Dr. Burchard, durch eine Rede des Herrn Bürger¬ 
meister Dr. Hachmann, welcher dabei den Zweck der Ausstellung 
mit folgenden Worten kennzeiebnete: 

„Veranschaulicht soll werden die Milch in ihrem gesamten Erden¬ 
laufe: Ihre Gewinnung, ihre Beförderung im Groß- und Kleinbetriebe, 
ihre Aufbewahrung in den Haushaltungen, ihr Nutzen samt ihren 
Gefahren, ihre Verwertung zu Dauerpräparaten, ihre Hilfsapparate, 
ihre Bedeutung für die Gesetzgebung — alles unter dem Gesichts¬ 
winkel der öffentlichen Hygiene und unter Würdigung der volkswirt¬ 
schaftlichen Interessen, die sich mit dem Artikel berühren, zur an¬ 
schaulichen Belehrung der Produzenten wie der Konsumenten nach 
dem Stande, den heute die gerade in den letzten Jahrzehnten so 
erheblich fortgeschrittene Wissenschaft und Technik an die Hand gibt. 

Suchen wir nach einem Beweise für die außerordentlich große 
wirtschaftliche Bedeutung der Milch als Agrarprodukt? Es genügt, wenr 
wir uns vergegenwärtigen, daß die Milch an dem Gesamterträge den 
deutschen Landwirtschaft mit 21,8 Proz. beteiligt ist, eine Zahl, die 
hinter der Beteiligung deB Körnerbaues mit 22,6 Proz. nur wenig 
zurückstcht, und deren Ergebnis auf 1625 Millionen Mark ermittelt ist. 
Es liegt auf der Hand, daß bei einer so breiten Interessenschicht jeder 
Vorteil und jede Schädlichkeit bei der Gewinnung und ersten Ab¬ 
fertigung der Milch zu einer großen Wertziffer sich vervielfältigt, und 
daß deshalb die Art der Haltung und Fütterung, vor allem aber die 
sorgfältige tierärztliche Überwachung wichtige Probleme 
der Volkswirtschaft darstellt. 

Noch weiter ziehen sich die Kreise, wenn wir die Konsumenten 
ins Auge fassen — welcher Haushalt wäre nicht ein Konsument für 
Milch? Und dennoch darf man behaupten, daß mit der Wichtigkeit 
nnd Ausbreitung dieses Artikels keineswegs Schritt halte — die Er¬ 
kenntnis dieser Besonderheiten. Wie wenige halten sich die Gefahren 
gegenwärtig, welche eine unhygienische Behandlung der Milch mit sich 
bringt. Hier belehrend zu wirken, ist der Zweck unserer Ausstellung. 
8ie gilt gleichmäßig den Interessen der Produzenten wie der Kon¬ 
sumenten, und indem sie durch gleichzeitige Vorführung aller wissen¬ 
schaftlichen und technischen Hilfsmittel die Erkenntnis allgemeiner 
wichtiger Wahrheiten vermittelt, dient sie dem öffentlichen Wohle, 
der gesamten am Milchverkehr aktiv oder passiv beteiligten Welt.“ 

Die Rede schloß mit einem Dank an alle Förderer der Aus¬ 
stellung und gipfelte in einem Hoch auf Seine Majestät den Kaiser. 
Der sich hieran anschließende Rundgang durch die Ausstellung wird 
jedem Anwesenden einen Ausspruch der Zufriedenheit entlockt 
haben. Nicht allein, daß man vor einer nach jeder Richtung fertigen 
Ausstellung stand, sie bot sich auch dem Beschauer in einer durch¬ 
aus ansprechenden und ungemein übersichtlichen Weise dar. Ich 
werde wohl nirgends auf Widerspruch stoßen, wenn ich 
Bage, daß namentlich unsere tierärztliche Abteilung 
einen außerordentlich vorteilhaften Eindruck machte. 
Dies wurde nicht nur von den besuchenden Tierärzten 
anerkannt, sondern wurde von allen Seiten, ja selbst in 
den Tageszeitungen rühmend hervorgehoben. 

Versetzen wir uns nun im Geiste in die Zeit der Eröffnung 
zurück und machen wir den Rundgang durch die Ausstellung mit 
den zur Eröffnungsfeier geladenen Damen und Herren gemeinsam! 

Tritt man durch den Haupteingang in die Ausstellung hinein 
und wendet sich dann nach links, so fällt sofort eine an der Wand 
befestigte runde Scheibe ins Auge, die in verschiedenfarbige Felder 
cingeteilt und mit Zahlen versehen ist. Diese Zahlen bedeuten 


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11. Juni 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 893 


die Millionen an Mark, die das deutsche Vaterland von 
den einzelnen Produkten liefert. Obenan stehen Brotgetreide 
und Braugerste mit 1679 Millionen Mark. Dann folgt schon die 
Milchwirtschaft mit einer nahezu gleichen Zahl, nämlich 1625Millionen 
Mark. An dritter Stelle steht das Schweinefleisch mit 1192 Millionen 
Mark. Milchwirtschaft und Schweinefleisch weisen zusammen also 
2817 Millionen Maik auf. Nun kommt Rindfleisch mit 832 Millionen 
Mark, Geflügel mit 483 Millionen Mark, Obst und Gemüse mit 380 
Millionen Mark, Zucker mit nur 351 Millionen Mark, Kartoffeln mit 
300 Millionen Mark, Spiritus mit 197 Millionen Mark und Wein mit 
110 Millionen Mark. Diese Zahlen reden eine außerordentlich deut¬ 
liche Sprache. 

WaB speziell den Milchverbrauch betrifft, so geben die aus¬ 
gestellten Tabellen auch darüber sehr interessante Aufschlüsse. 
Herr Dr. Wilhelm Beukemann in Hamburg hat große Tabellen 
über den Milchverbrauch in den Städten Deutschlands zusammen- 
gestellt. Sie weisen einmal die außerordentliche Wichtigkeit der 
Städte in dieser Beziehung für die Landwirtschaft nach und zeigen 
andererseits, in welchem Maße der Verbrauch an Milch in den 
einzelnen Städten variiert. Berlin und Nachbarstädte (2 400 000 Ein¬ 
wohner) beziehen jährlich 255 664 000 Liter Milch zum Preise von 
48 576 000 M. Auf den Kopf der Bevölkerung entfallen dort 106.5 Liter. 
Damit steht Berlin unter den großen Städten erst an 23. Stelle. 
Hamburg (736 000 Einw.) verbraucht 101 200 000 Liter zum Preise 
von 19 540 000 M. und steht mit 137,5 Liter pro Kopf an 10. Stelle. 
Altona (164 000 Einw.) steht mit 20 278 000 Liter Milch zu 3 650 000 M. 
erst an 20. Stelle, nämlich mit 114,7 Liter pro Kopf. An erster 
Stelle in ganz Deutschland ist Flensburg mit 175,9 Liter Milch pro 
Kopf zu nennen, während Kassel mit nur 69,9 Liter erst an 40 Stelle 
verzeichnet ist. 

Ganz besonders interessieren die hierneben ausgestellten Unter¬ 
suchungsergebnisse von Herrn Dr. v. Ohlcn-Hamburg über die 
Prozentverhältnisse der Säuglingssterblichkeit in den verschiedenen 
Staaten, den verschiedenen Städten und bei der verschiedenen 
Temperatur. Daneben sind die Untersuchungsresultate des Herrn 
Prof. Dr. W. Prausnitz-Gratz über die Nahrungsmenge der künstlich 
ernährten Säuglinge und über die Abhängigkeit der Sterblichkeit 
von der Wohlhabenheit, also auch besseren Ernährung graphisch 
dargestellt. 

Außerdem ist hier noch besonders zu erwähnen die Ausstellung 
der Versuchsstation und Lehranstalt für Molkereiwesen zu Klein- 
Tapiau in Ostpreußen, von der besonders die graphischen Dar¬ 
stellungen hervorzuheben sind, welche die Veränderungen in der 
Zusammensetzung der Milch vom Kalben bis zum Trockenstehen 
der Kühe zeigen und gleichzeitig dartun, wie sehr der Gehalt der 
Milch an Fett von der individuellen Beanlagung des Tieres ab¬ 
hängig ist. Außer diesen graphischen Darstellungen zeigen be¬ 
sondere Tabellen die Wirkung der gesteigerten Kraftfuttergaben 
auf Menge und Fettgehalt der Milch, was ja besonders für den 
praktischen Landwirt von außerordentlicher Wichtigkeit sein muß. 

Hervorragend ist weiter die Sammelausstellung von Lehrmitteln 
der milch wirtschaftlichen Versuchsstation zu Kiel, in 
welcher das große, zerlegbare Kuhmodell die Aufmerksamkeit aller 
Besucher in höchstem Maße fesselt. Außerdem finden sich graphische 
Darstellungen Uber Zusammensetzung der Futtermittel und Gehalt 
derselben an verdaulichen Näbrotoffen, dann eine Darstellung des 
Fettgehaltes der Milch in den einzelnen verschiedenen Perioden des¬ 
selben Gemelkes, eine Darstellung, welche gerade für die Praxis 
von der allerhöchsten Wichtigkeit ist, indem sie deutlich zeigt, 
welch hohen Einfluß das gute Melken auf die Milchergiebig¬ 
keit hat. 

Ebenfalls von Wichtigkeit ist die Ausstellung des milchwirtschaft¬ 
lichen Instituts der Landwirtschaftskammer für die Provinz 
Brandenburg zu Prenzlau. Hier ist besonders interessant die 
Darstellung der von dem genannten Institut eingeführten Methode 
zur Ermittelung der Milch-, Butter- und Gelderträge jeder einzelnen 
Kuh, mit dem Endziel, die Haltung und Fortpflanzung des besseren 
Milchviehes planmäßig zu regeln. 

In ihrer Wichtigkeit schließt sich die Ausstellung des milch¬ 
wirtschaftlichen Instituts der pommersclien Landwirtschafts¬ 


kammer zu Greifswald der vorherigen Ausstellung an, indem 
sie ebenfalls über manche strittigen Fragen Auskunft gibt. 

Von allergrößter Bedeutung aber für uns Tierärzte ist die 
Ausstellung dcrOstpr. Holländer Herdbuch-Gesellschaft, 
deren Ausstellungsgegenstände sich, dank den Bemühungen des 
Herrn Kollegen Dr. Müller-Königsberg, in sehr anschaulicher 
und eindrucksvoller Weise dem Auge des Beschauers präsentieren. 

Die Herdbuch-Gesellschaft hat sich die Aufgabe gestellt, die 
in Ostpreußen befindlichen Rinder der Holländer Rasse zu einer 
Zuchtrasse mit einheitlichen Formen und Abzeichen und mit 
gesteigerten Leistungen in bezug auf Milchergiebigkeit und Mast¬ 
fähigkeit durch eine zweckmäßige Zuchtwahl und eine ununter¬ 
brochen ausreichende Ernährung herauszuzüchten.*) Von der Vor¬ 
aussetzung ausgehend, daß die Gesundheit der Tiere für die 
Erreichung des gesteckten Zieles die Grundbedingung ist, hat die 
Herdbuch-Gesellschaft vor nunmehr ca. 3 Jahren als erste in Deutsch¬ 
land die Sanierung ihrer Bestände mit großen Mitteln in Angriff 
genommen und Maßnahmen getroffen, um in erster Linie die 
Tuberkulose, die verheerendste aller Rinderseuchen, systematisch 
zu bekämpfen. Es ist damit zugleich auch den vielfachen Bestrebungen 
der Hygiene, die Gefahren abzuwenden, welche dem Menschen aus 
dem Genuß tuberkelbazillenhaltiger Milch drohen, wie kaum anders¬ 
wo entsprochen worden. In der Tat dürfte die aus den Herden der 
Herdbuch Gesellschaft in Verkehr gebrachte Milch dank den um¬ 
fassenden und häufigen Untersuchungen, denen die Tiere und speziell 
die Milch, die von ihnen geliefert wird, unterzogen werden, den an 
sie zu stellenden Anforderungen wie kaum eine zweite bei uns in 
Deutschland genügen. 

Das Verfahren der Herdbuch-Gesellschaft zur Bekämpfung der 
Rindertuberkulose zerfällt in zwei Hauptabschnitte: a) in Maßnahmen 
für die erwachsenen, über zwei Jahre alten Tiere, b) in Maßnahmen 
für die Kälber. 

Die Maßnahmen A bezwecken, diejenigen Tiere ausfindig zu 
machen, die als die eigentlichen Verbreiter der Tuberkulose anzu¬ 
sehen sind. Erfahrungsgemäß sind bei weitem nicht alle an 
Tuberkulose leidenden Tiere im stände, dieselbe zu verbreiten, 
sondern nur diejenigen, die mit offener Tuberkulose behaftet sind. 
Als solche gelten: 1. alle Rinder mit ulzerierender Tuberkulose des 
Kehlkopfes, der Luftröhre und der Lungen, 2. mit Eutertuberkulose, 
3. mit Hoden- und Gebärmuttertuberkulose und schließlich 4 alle 
Tiere mit Darmtuberkulose. 

Die Tiere mit ulzerierender Lungentuberkulose und mit dieser 
gleich zu erachtenden ulzerierenden Tuberkulose des Kehlkopfes 
husten Tuberkelbazillen aus und gefährden so direkt ihre Um¬ 
gebung. Die Kühe mit Eutertuberkulose liefern eine hochinfektiöse 
Milch, durch deren Genuß selbst bei starker Verdünnung und 
Mischung mit gesunder Milch die Kälber die sogenannte Fütterungs- 
tuberknlose erwerben, die, wie die Erfahrungen lehren, so häufig 
ihren Ausgang in eine allgemeine Tuberkulose nimmt. Die Euter¬ 
tuberkulose ist es, die auch für den Menschen eine große Bedeutung 
gewinnt, da aller Wahrscheinlichkeit nach in erster Linie solche 
Kühe durch ihre Milch ihre Tuberkulose auf den Menschen über¬ 
tragen können. 

Die Tiere mit Gebärmuttertuberkulose bringen, wenn sie trächtig 
werden, wieder kranke Kälber zur Welt, und die Darmtuberkulose 
ist gleich der Lungen- und Gebärmuttertuberkulose dadurch für die 
Verbreitung der Tuberkulose von Bedeutung, daß die tuberkulösen 
Ausscheidungen dieser Tiere in den Stall gelangen, eintrocknen, 
verstäuben und mit der Atmungsluft von gesunden Tieren wieder 
aufgenommen werden können, ganz abgesehen davon, daß diese 
Ausscheidungen gelegentlich von den damit beschmutzten Eutern 
beim Melken in die Milch gebracht werden können und diese dann 
als infiziert ermittelt wird, ohne daß ein Fall von Eutertuberkulose 
in dem betreffenden Bestände nachzuweisen ist. 

Die Mittel, welche zur Durchführung der für die erwachsenen, 
Uber zwei Jahre alten Rinder bestimmten Maßnahmen angewendet 
werden, sind zunächst die periodische klinische Untersuchung. 


*) Vergl. Festschrift zum 20jährigen Bestehen der Herdbuch- 
Gesellschaft. Verlag von Schmidt, Leipzig. 


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35)4 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 24. 


Es werden zu diesem Zwecke seitens der angestellten Tier¬ 
ärzte, die in regelmäßigen Rundreisen sich von einer zur anderen 
Herde begeben, alle über zwei Jahre alten Tiere einer systematischen 
Untersuchung unterzogen. In der Regel wird mit der Untersuchung 
der Euter begonnen. Sie wird vorgenommen, nachdem die Kühe 
zuvor ausgemolkcn sind, um auch geringere Veränderungen an den 
Eutern, die leicht übersehen werden, wenn diese mit Milch gefüllt 
sind, festzustellen. Alsdann werden die Tiere der Lungenunter¬ 
suchung unterworfen. Um die Tiere zu lebhafter Atmung zu 
bringen, werden sie zuvor eine Strecke im Trabe geführt, sie 
werden dann an einen ruhigen, geschützten Ort (Tenne etc.) gebracht, 
wo nun eingehend die Lungen durch Behorchen und, soweit er¬ 
forderlich, auch durch Beklopfen untersucht werden. Verdächtige 
Tiere, bei denen die Diagnose nicht gleich sicherzustellen ist, 
werden zurückbehalten, um sie noch wiederholter Untersuchung und 
sorgfältiger Beobachtung auf Husten unterziehen zu können. 
Lungentuberkulös befundene Tiere werden auf Grund dieser Unter¬ 
suchung sofort zur Schlachtung bestimmt und müssen bis dahin 
isoliert werden. Nur verdächtig befundene werden gleichfalls von 
den übrigen Tieren abgetrennt und der besonderen Beobachtung 
der Besitzer empfohlen, um sie bei Eintritt untrüglicher Erscheinungen 
der Tuberkulose sofort ausmerzen zu können. An die Lungen¬ 
untersuchung schließt sich die Untersuchung der Tiere, die sich 
der Gebärmuttertuberkulose veidäcbtig gemacht haben, unter An¬ 
wendung des Scheidenlüffels und gleichzeitiger Entnahme einer 
zur bakteriologischen Untersuchung bestimmten Scheidenschlcim- 
probe. 

Mit der Entnahme der Milchproben von Kühen, bei denen ver¬ 
dächtige Veränderungen in den Eutern nachgewiesen wurden, ist, 
w'cnn nicht aus irgend einem Grunde noch die Harpunierung eines 
Euterstücks angezeigt erscheint, die klinische Untersuchung beendet. 

DieDurchtührungder weiteren Maßnahmen fällt dem Laboratorium 
zu. Es hat die von den Kliniken in besonderen, verschließbaren 
Kästen zugesandten Proben von verdächtigen Tieren auf das 
Vorhandensein von Tubcrkelba/.illen zu untersuchen und je nach 
dein Ausfall der...Untersuchung' die Entscheidung über- die Aus¬ 
merzung der in Frage kommenden Tiere zu treffen. Dadurch, daß 
die Proben mikroskopisch und zugleich durch das Tierexperiment 
untersucht werden, wird erreicht, daß Fälle von Tuberkulose hierbei 
nicht übersehen werden. 

Als Mittel zur Durchführung der Maßnahmen für die erwachsenen 
Tiere sind schließlich noch die Untersuchungen der Gesamtmilch¬ 
proben zu nennen, die sich außerordentlich bewährt haben. Da¬ 
durch, daß jetzt viermal aus jeder Herde solcho Proben cingefordert 
werden, und zwar in besonderen Kiihlbücbsen, ist es möglich 
geworden, die Milch der einzelnen Herden dauernd zu kontrollieren und 
im Falle eines Nachweises von Tuberkelbazillen in einer Gesamt¬ 
milchprobe zu veranlassen, daß durch eine dann sofort vorzunehmende 
klinische Untersuchung der betreffenden Herde, aus der die Probe 
stammte, die zu vermutenden Tiere mit offener Tuberkulose ermittelt 
und unverzüglich unschädlich gemacht werden. Mit diesen Unter¬ 
suchungen würde, da die regelmäßige klinische Untersuchung zwei¬ 
mal im Jahre vorgenommen wird, jede Herde einer etwa sechsmaligen 
Kontrolle jährlich unterzogen werden. 

Die Maßnahmen B bezwecken die Schaffung einer gesunden 
Nachzucht. Wie die Erfahrungen lehren, spielt die direkte Ver¬ 
erbung bei der Verbreitung der Tuberkulose keine Rolle, nur die¬ 
jenigen Kälber sind schon bei der Geburt mit Tuberkulose behaftet, 
die von Elterntieren mit Gebärmutter- bezw. Ilodentuberkulose oder 
zum mindesten doch mit generalisierter Tuberkulose abstammen. 
In den meisten Fällen konzipieren die mit Gebärmuttertuberkulose 
behafteten Rinder glücklicherweise nicht mehr, so daß die Zahl 
der mit angeborener Tuberkulose behafteten Kälber im Durchschnitt 
vielleicht 1 bis 2 pCt. beträgt. Die Mehrzahl der Kälber, 98 bis 91) pCt., 
wird also gesund geboren, und es ist daher nur notwendig, die 
Tiere von der Geburt an vor der Infektion zu schützen, die ihnen 
auf zweierlei Weise droht, einmal durch die infizierte Nahrung, d. i. 
Milch, und dann infolge Zusammenlebens mit den erwachsenen 
Tieren durch Aufnahme von Tubcrkclbazillen mittels der Atmungs¬ 
organe. 


Die Mittel zur Durchführung dieser Maßnahmen B tragen den 
genannten Infektionsmöglichkeiten Rechnung. Die Kälber werden 
demgemäß von den erwachsenen Tieren, soweit die wirtschaftlichen 
Verhältnisse es irgend zulassen, getrennt und erhalten vom zweiten 
Tage nach der Geburt ab gekochte Milch. Um die mit angeborener 
Tuberkulose behafteten Kälber zu ermitteln und andererseits auch, 
um das Kochen der Milch und die Wirkung der Trennung der 
Kälber gewissermaßen zu kontrollieren, werden Tuberkulin- 
Impfungen vorgenommen und alle darauf reagierenden Kälber von 
der Zucht ausgeschlossen. 

Die iin vorstehenden skizzierte Art der Tuberkulose¬ 
bekämpfung wird, wie schon oben erwähnt, auf der Ausstellung in 
hervorragend schöner Weise veranschaulicht und lenkt fortwährend 
die Aufmerksamkeit von Sachverständigen und Laien auf sich. 
Auf einer Tafel ist eine kurze Übersicht über die geschilderten 
Maßnahmen gegeben, während auf einer zweiten Tafel ein Über¬ 
blick über die mit diesen Maßnahmen bis zum 1. April 1903 er¬ 
zielten Resultate geboten wird. Eine dritte Tafel zeigt in Form 
einer Karte die Lage und Verteilung der dem Tuberkulose- 
Tilgungsverfahren unterworfenen 182 Herden, die einen Bestand 
von ca. 13000 erwachsenen Tieren und ebensoviel Jungvieh auf¬ 
weisen und sich über ganz Ostpreußen erstrecken. Auf einer 
vierten Tafel ist an der Hand von sechs photographischen Aufnahmen 
der Gang der klinischen Untersuchung dargcstellt Tafel 5 zeigt 
auf vier Abbildungen die Räume des von der Herdbuch-Gesell¬ 
schaft zur Durchführung der Tuberkulosemaßnahmen errichteten 
Laboratoriums. Auf den folgenden Tafeln sind Abbildungen vom 
Tieren mit solchen Formen von Tuberkulose ausgestellt, die nach 
dem Verfahren der Herdbuch Gesellschaft als die alleinigen Seuchen¬ 
verbreiter ausgemerzt werden. Daneben werden die gemeingefähr¬ 
lichen Formen der Tuberkulose an der Hand von Organpräparaten 
dargestcllt. In besonderen Gläsern sind ferner tuberkelbazillen¬ 
haltige Milchproben enthalten : a) von einer Kuh mit abgelaufener 
tuberkulöser Mastitis, b) von einer Kuh, die trocken stand, mit 
disseminierter Miliartuberkulose, c) d) e) von Kühen mit zwei bis 
acht Monate alter disieminierter Miliartuberkulose ,des Euters; diesp 
Proben erheischen ein besonderes Interesse, weil die Milch trotz 
der alten Prozesse noch annähernd normales Aussehen hat 

Weiterhin sehen wir einen Kasten für die einzufordernden Ge- 
samtrailchproben mit der zur Konservierung derselben gebrauchten 
Kühlbüchse, ferner einen Kasten, in welchem die Kliniker die 
Proben an das Laboratorium senden; außerdem ist ein tierärzt¬ 
liches Instrumentarium ausgestellt; daneben finden wir Journale 
über die klinischen, die bakteriologischen und Gesamtmilchunter- 
suchungcn. 

Mit Stolz und Freude lesen wir im Ausstellungs¬ 
katalog, daß diese prächtige Kolloktion, die von einem 
hohen Senat mit der großen goldenen Staatsraedaille aus¬ 
gezeichnet wurde, der tierärztlichen Abteilung an¬ 
gehört. Die hamburgische tierärztliche Gruppe ist der 
ostpreußischen Herdbuchgesellschaft, insbesondere 
Ilcrru Kollegen Dr. Müller für die tatkräftige Unter¬ 
stützung zu großem Dank verpflichtet. 

Aber unser harrt noch eine große und schöno Überraschung! 
Wir betreten den in den hamburgischen Farben prächtig dekorierten, 
ganz für die tierärztliche Abteilung reservierten, lichtdurchflnteten 
Nebenraum I und lenken dort zunächst den Blick auf die von Herrn 
Professor Dr. Ostertag ausgestellten pathologisch-anatomischen 
Präparate und Laboratorien. In goldenen Lettern prangt 
hier die Aufschrift: „Preis Ihrer Majestät der Kaiserin! 
Die höchste Auszeichnung, welche die Gesamt-Jury zu 
vergeben hatte, ist also der tierärztlichen Abteilung 
zuteil geworden, die tierärztliche Gruppe hat in dem 
heißen Ringen um die Palme des SiegeB die Oberhand 
behalten! Das ist ein Erfolg, der unsere kühnsten Erwartungen 
iibertritVt und der uns anspornen muß, auf dem einmal beschrittenen 
Pfade immer weiter vorwärts zu schreiten. Wenn wir auf diesem 
Pfade uns der Führerschaft eines Ostertag versichert halten dürfen, 
dann werden auch weitere schöne Erfolge gewiß nicht ausbleiben! 

(Schluß folgt.) 


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11. Juni 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


395 


Taxe für Privatpraxis. 

Über kurz oder lang wird die Taxe für Privatpraxis in 
Preußen vom 21. Juni 1815 aufgehoben und wahrscheinlich 
dui ch eine neue ersetzt werden. Als Beitrag für die Aufstellung 
einer solchen mögen folgende Zeilen dienen. 

Nach der zu Kraft bestehenden Taxe erhalt ein Tierarzt 
bei Reißen über drei Meilen: 1. freies Fuhrwerk oder orts¬ 
üblichen Ersatz der Mietsfuhre mit zwei Pferden, 2. für jede 
auf Hin- und Rückfahrt zurückgelegte Meile bei Tage 1,50, bei 
Nacht 2,50—3,50, 3. bei Behandlung mehrerer Tiere eines Be¬ 
sitzers für das 2., 3. usw. je die Hälfte obiger Sätze. 

ln einem früheren Wirkungskreise hatte ich nun durch das 
Kreisblatt bekannt gemacht, daß ich in einem von meinem 
Wohnorte M. 28 km entfernten Kirchdorfe M. meines Kreises 
an jedem Montag Sprechstunden abhalten werde. 

Wie es bei solchen Sprechstunden geht, an manchen Tagen 
war der Zuspruch stark, an manchen gering, an manchen er¬ 
schien niemand und ich spielte dann mit Pfarrer und Post¬ 
vorsteher Skat. Jedenfalls war das tierbesitzende Publikum 
jener damals bahnlosen Gegend mit der Einrichtung sehr zu¬ 
frieden. In meilenweiter Entfernung von dem Orte wohnte 
kein Tierarzt, und gewann es der Besitzer über sich, sein Fuhr¬ 
werk 3—4 Meilen bei miserablem Landwege nach mir oder 
einem Kollegen zu schicken, war er nicht sicher, ob es mit 
oder ohne Tierarzt heimkehrte. 

Ich liquidierte nun in Anbetracht des Umstandes, daß mir 
durch die Reise nach dem Kirchdorfe für das Mietsfahrwerk 
und für den Aufenthalt im Wirtshause Unkosten erwuchsen, 
daß ich ferner mich den Strapazen der weiten Reise unterwerfen 
mußte und Gefahr lief, zu Hause mehr zu verlieren, als ich 
dort gewann und in Anbetracht der Vorteile, die den Besitzern 
erwuchsen, natürlich Sätze, die höher waren, wie sie am Wohn¬ 
orte mir Zuständen. 

Damit waren die mich konsultierenden Tierbesitzer auch 
bis auf einen zufrieden, der erklärte, nur die Gebühren ent¬ 
richten zu wollen, die mir am Wohnort zustanden. Nach langem 
hin und her klagte ich höhere Gebühren ein, stützte meinen 
Anspruch auf das Edikt vom 21. 6. 1815 ad VI 2 u. 4 und 
ad I 4, 23, 24 (Ges. S. von 1815 S. 109) und führte auch oben 
auseinandergesetzte Billigkeitsgründe an. 

Das Amtsgericht S. wies mich mit meinem Anspruch ab. 
Auf meine Berufung entschied das Landgericht B. am 7. Dezember 
1896 J.-No. 5067 in folgender Weise: „Die Klage entbehrt der 
Begründung. Der Kläger hatte bekannt machen lassen, daß er 
an bestimmten Tagen zwecks Konsultationen in M. bei dem 
Gastwirt A. sich aufhalteu würde. Durch diese Bekanntmachung 
hatte er für die Tage seines Aufenthaltes in M. seinen Wohn¬ 
sitz dorthin verlegt; er duifte sonach bei Konsultationen in M. 
selbst nur diejenigen Gebühren liquidieren, welche ihm bei Aus¬ 
übung seiner tierärztlichen Praxis am Orte seines Wohnsitzes 
zustanden und konnte von Erstattung von Reisekosten, mochte 
man sie als Fuhrkosten oder Meilengelder bezeichnen, keine 
Rede sein. Der Beklagte hat sich an den von dem Kläger be¬ 
stimmten Tagen in M. an ihn gewandt, durfte sich sonach, wie 
der erste Richter zutreffend ausführt, nur verpflichtet halten, 
den Kläger für dessen Bemühungen am Orte selbst zu ent¬ 
schädigen. So war die Berufung zurückzuweisen.“ 

Bis zum Erlaß einer neuen Taxe werden sich die Kollegen 
bei Einrichtung von auswärtigen Sprechstunden in der einen 


oder anderen Weise vorsehen müssen und vielleicht bei An¬ 
setzung der Sprechstunden bekannt geben, daß sie damit nicht 
ihren Wohnsitz verlegen. Krueger-Schroda. 

Frequenz der tierärztlichen Hochschule zu München. 

An der tierärztlichen Hochschule in München haben sich 
9 Studenten des I.(Abiturienten-)Semesters immatrikulieren lassen. 
(Die frühere Mitteilung, daß in München im Sommer keine Neu¬ 
aufnahmen stattfinden, war irrtümlich). Damit steigt die Zahl 
der Studenten des ersten Semesters nach Einführung der 
Universitätsreife an allen deutschen tierärztlichen Hochschulen 
auf 60. (Vgl. B. T. W. No, 23, pg. 372). Die Gesamtfrequenz 
der Münchener Hochschule beläuft sich auf 290 immatrikulierte 
Studenten (55 mehr als im vorigen S. S.) und 59 Hospitanten 
etc., zusammen 349 Hörer. 

Einladung zur 75. Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte In 
Kassel vom 20.-26. September 1903. 

Der Unterzeichnete Vorstand der Abteilung für „Veterinär¬ 
medizin“ gibt sich die Ehre, die Herren Fachgenossen zu den 
Verhandlungen der Abteilung während der 75. Versammlung 
Deutscher Na'urforscber und Ärzte in Kassel, die vom 20. bis 
26. September 1903 stattfinden soll, ergebenst einzuladen. 

Die Verhandlungen wegen der allgemeinen Vorträge sind bereits 
zum Abschluß gelangt. Die Tagesordnung für die in den bei den 
wissenschaftlichen Hauptgruppen — der naturwissenschaftlichen 
und der medizinischen — anzuberaumenden Sitzungen ist demnach 
folgende: 

1. Montag, den 21. September: Allgemeine Sitzung. 

L Eröffnungsrede. 

2. Begrüßungsansprachen. 

3. Vortrag des Herrn Professor Ladenburg aus Breslau Uber 
den „Einfluß der Naturwissenschaften auf die Weltanschauung.“ 

4. Vortrag des Herrn Professor Dr. Th. Ziehen hus Utrecht 
über „Physi »logische Psychologie der Gefühle und Affekte.“ 

II. Mittwoch, den 23. September: G esamtsitzung der beiden 
wissenschaftlichen Hauptgruppen. 

1. Vortrag des Herrn Professor Dr. A Penck aus Wien über 
i,Die geologische Zeit“. 

2. Vortrag des Herrn Professor Dr. G. S. Schwalbe aus 
Straßburg über „Die Vorgeschichte des Menschen“. 

3. Vortrag des Herrn Sanitätsrat Dr. M. Alsberg aus Kassel 
über „Erbliche Entartung infolge sozialer Einflüsse“. 

III. Freitag, den 25. September: Allgemeine Sitzung. 

1. Vortrag des Herrn W. Ramsey aus London über „DaB 
periodische System der Elemente“. 

2. Vortrag des Herrn Professor Dr. H. Griesbach aus Mühl¬ 
hausen i. E. über den „Stand der Schulhygiene“. 

3. Vortrag des Herrn Geh. Med.-Rat Professor Dr. von Behring 
aus Marburg über „Die Tuberkulosebekämpfung“. 

Da den späteren Mitteilungen über die Versammlung das Pro¬ 
gramm der Verhandlungen beigefügt werden soll, so wird gebeten, 
Vorträge und Demonstrationen namentlich solche, die hier 
größere Vorbereitungen erfordern — wenn möglich bis zum I. Juli d. Js. 
bei dem Mitunterzeichneten „Departements-Tierarzt Tietze- 
Kassel, Parkstr. 9“ anzumelden. Vorträge, die erst Bpäter, ins¬ 
besondere erßt kurz vor oder während der Versammlung angemeldet 
werden, können nur dann noch auf die Tagesordnung kommen, wenn 
hierfür nach Erledigung der früheren Anmeldungen Zeit bleibt; eine 
Gewähr hierfür kann daher nicht übernommen werden. 

Die allgemeine Gruppierung der Verhandlungen soll so statt¬ 
finden, daß Zusammengehöriges tunlichst in derselben Sitzung zur 
Besprechung gelangt; im übrigen ist für die Reihenfolge der Vor¬ 
träge die Zeit ihrer Anmeldung maßgebend. 

Da auch auf der bevorstehenden Versammlung, wie seit mehreren 
Jahren, wissenschaftliche Fragen von allgemeinem Interesse — so¬ 
weit wie möglich — in gemeinsamen Sitzungen mehrerer 
Abteilungen behandelt werden Bollen, so werden die Herren Fach 
genossen gebeten, ihre Wünsche für derartige, von unserer Ab- 


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3% BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 24. 


teilung, zu veranlassenden gemeinsamen Sitzungen möglichst ein¬ 
gehend Übermitteln zu wollen. 

Hiermit sei aber auch noch zugleich der besonderen Bitte Aus¬ 
druck gegeben, uns durch die Anmeldung von Vorträgen und durch 
recht zahlreiche Beteiligung kräftig zu unterstützen. 

Da die Deutsche Naturforscher-Versammlung auf ihrem Rund¬ 
gange nach 25 Jahren die alte Chattenstadt zum zweiten Male zum 
Sammelpunkt gewählt hat, so ist die ganze Bürgerschaft bereits 
eifrig bemüht, allen Gästen recht genußreiche und angenehme Stunden 
zu bereiten. 

Darum schon jetzt die Parole: „Am 20. September spätestens 
auf nach Kassel!“ 

Kassel, den 2. Juni 1903. 

Tietze, Michaelis, 

Depart.-Tierarzt. Roßarzt. 

I. Einführender. I. Schriftführer. 

Verband der Privattierfirete In Preussen. 

Für die Mitglieder des Verbandes, welche die diesjährige 
Wanderausstellung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft in 
Hannover besuchen, ist nachstehendes Programm festgestellt. 

Freitag, den 19. Juni, vormittags 9 Uhr, gemeinschaftliche Be¬ 
sichtigung der Ausstellung unter Führung des Herrn Professor 
Dr. Kaiser-Hannover. 

Versammlungspunkt vor dem Dienstzimmer der Ausstellungs- 
Tierärzte (beim Eingangstor der Ausstellung). 

Freitag, den 19. Juni, abends 7 Uhr, im Hörsaal des pathal.- 
anatomischen Institutes der tierärztlichen Hochschule. 

Vortrag des Herrn Professor Dr. Kaiser Uber moderne Pferde¬ 
zucht 

Alle die Ausstellung besuchenden Kollegen werden hierzu 
freundlichst eingeladen. 

Der Zeitpunkt ist derart gelegt, daß auch die Mitglieder der 
anderen tierärztlichen Vereine an diesen Veranstaltungen teilnehmen 
können, wie es auch in gleicher Weise vom Verband der Privat¬ 
tierärzte beabsichtigt ist. 

Stammlokal für gesellige Zusammenkünfte ist Hotel Hannovera. 

Der Vorsitzende des Verbandes der Privattierärzte in Preußen 

Dr. Jclkmann. 

, Versammlung des tierärztlichen Vereins Im Regierungsbezirk Köslin 

am Sonntag, den 14. Juni 1903, 11 Uhr mittags zu Köslin in 
Lüdtkes Hotel. 

Tagesordnung: 1. Geschäftliches: a) Jahresbericht und 
Rechnungslegung; b) Verschiedenes. 2. Vorträge: Kreistierarzt 
Paulat - Rummeisburg: „Über Hämoglobinurie“. Ko:referent: Kreis¬ 
tierarzt Eichbaum-Stolp. 3. Besprechung der Ausführungs¬ 
bestimmungen zum Fleischbeschaugesetz. 4. Mitteilungen aus der 
Praxis. 

Um 2 Uhr gemeinschaftliches Mittagessen unter erbetener 
Teilnahme der Damen. Gedeck 3 Rm. Anmeldung der Gedecke 
bis spätestens zum 11. Juni an Herrn Depaitements-Tierarzt 
Brietzmann-Köslin erbeten. 

Der Vorstand. 

Brietzmann, I.Vorsitzender. Dr. Schwarz, Schriftführer. 

Behandlung de« Fleisches nüchterner Kälber. 

Nach § 40 No. 5 B. B. A. ist das Fleisch tauglich, aber in 
seinem Nabrungs- und Genußwert erhoblich herabgesetzt zu er¬ 
klären bei Unreife oder nicht genügender Entwickelung der Kälber. 
Als unreif wurde in der Regel bisher das Fleisch solcher Tiere 
begutachtet, welche nicht älter als acht Tage waren, eine 
Ansicht, die auch von Ostertag in No. 8 seiner Zeitschrift ver¬ 
fochten wird. Im Gegensatz hierzu war es in Schleswig-Holstein 
und Mecklenburg allgemein üblich, das Fleisch nüchterner, d. b. 
noch nicht acht Tage alter Kälber einwandslos in den Verkehr 
gehen zu lassen. Als nun das Reichsgesetz vom 3. Juni 1900 in 
Kraft trat, wurde mit Maßregelung dieser Kälber auch in diesen 
Landesteilen begonnen. Diese Maßregelung veranlaßte die be¬ 
teiligten Kreise Bich an das Ministerium zu wenden. Nach einem 
Erlaß des Oberpräsidenten von Schleswig-Holstein haben nun die 
Ressortminister sich damit einverstanden erklärt, daß bis auf 
weiteres bei der Anwendung der Vorschrift im § 40 No. 5 B. B. A., 
betreffend die Minderwertigkeit des Fleisches unreifer oder nicht 


genügend entwickelter Kälber, in der hiesigen Provinz in einer die 
viehwirtschaftlichen Verhältnisse und die Geschmacksrichtung des 
hiesigen Publikums genügend berücksichtigenden Weise verfahren 
und demzufolge die Beanstandung des Fleisches von Kälbern 
wegen des vorgedachten Mangels auf ein möglichst geringes Maß 
beschränkt werde. Der Wortlaut des § 40 No. 5 B. B. A. zwingt 
nicht dazu, das Fleisch sämtlicher unmittelbar oder kurze Zeit 
nach der Geburt geschlachteter Kälber als minderwertig zu be¬ 
anstanden. Es ist daher auch nicht erforderlich, das Fleisch 
„nüchterner“ Kälber ohne weiteres als solches zu bezeichnen, das 
nach den Ausführungsbestimmungen des Bundesrats der Bean¬ 
standung wegen Minderwertigkeit unterliegt. Maßgebend für die 
Beurteilung soll vielmehr die bei der Schlachtung festgestellte 
Beschaffenheit des Fleisches sein. Als minderwertig im Sinne 
der obengedachten Bestimmung soll nur solches Kalbfleisch 
zu erachten sein, daß sich, abgesehen von schlechter Entwickelung 
des Muskelfleisches, als schlaff, stark durchfeuchtet und 
graurot verfärbt erweist. Wenn die Beschauer angewiesen 
werden, die Beanstandung nur dann auszusprechen, wenn sich diese 
Merkmale in besonders auffälligem Maße zeigen, wird es möglich 
sein, den erhobenen Beschwerden in ausreichendem Maße Rechnung 
zu tragen. Es soll also darauf Wert gelegt werden, daß eine 
Beanstandung wegen Unreife bei Kälbern bis auf weiteres auf die 
Fälle stark hervortretender Mängel des Fleisches beschränkt wird. 

Nach Ostertag soll die Begutachtung nüchterner, unreifer oder 
nicht genügend entwickelter Kälber nur von Tierärzten vor¬ 
genommen werden dürfen. Nach oben angeführtem Erlaß ist die 
Ostertagsche Auffassung modifiziert. Wenn die nüchternen Kälber 
gesund sind und keine schlechte Entwickelung der Muskulatur 
zeigen, sowie sich das Fleisch nicht schlaff, nicht stark durch¬ 
feuchtet und nicht graurot verfärbt erweist, dürfte auch der nicht 
tierärztlich vorgebildete Beschauer für die Beurteilung des Fleisches 
zuständig sein. _ K. 

Personalien. 

Auszeichnungen und Ernennungen: Nachdem der Geheime Medizinal¬ 
rat Prof. Dr. Johne die Berufung in den Senat der tierärztlichen 
Hochschule zu Dresden abgelehnt hat, ist vom Kgl. s. Ministerium 
des Inn. der Medizinalrat Prof. Dr. Pusch in denselben berufen 
worden. — Direktor Dr. Albrecht-Müncben zum Dr. med. vet. 
bon. causa der Universität Bern promoviert. — Dem Oberroßarzt a. D. 
Loef zu Stettin, zuletzt im Feld-Art.-Regt. No. 2, wurde der rote Adler¬ 
orden 4. Klasse verliehen. — Definitiv wurden ernannt die bisherigen 
stellvertretenden Oberamtstierärzte Müller in Riedlingen, Mögele in 
Vaihingen und Schiele, bisher in Isny, in Leutkirch. — Tierarzt 
A. Kempa in Gleiwitz zum Assistenten an der Veterinärklinik in 
Breslau. — Tierarzt Fr. Sassenhagen in Berlin zum Hilfstierarzt 
am Schlachthof in Barmen; P. Diener in Waldsee zum Schlachthof 
inspektor in Ravensburg; Friedr. Rütger in Fürstenfeld-Bruck bei 
München zum 2. Schlachthoftierarzt in Koburg; Thomas Ulm er 
zum Ortstierarzt in Monderkingen. 

Wohnsltzveränderungen: Tierarzt F. Dornheim von Erlangen 
nach Meissen; Friedrich Adel mann von Renchen nach Oppenau; 
E. A. Haas von Oppenau nach Karlsruhe als Anstaltstierarzt der 
bad. Pferdeversicherungsanstalt; Adam Joachim von Pfullendorf 
nach Rheinbiscbofsheim; Paul Speiser von Eigeltingen nach 
München. 

Examina: Approbiert wurden in München die Herren: Benno 
Förg, Joseph Maier, Karl Reimann, Anton Sepp; desgl. in 
Giessen: Breitung, Hauer, Holtmann, A. Scbellhorn. 

in der Armee: Befördert: zum Oberroßarzt der Roßarzt 
Franke beim 11. Ulan.-R. unter Belassung als kommandiert beim 
13. Hus.-R., — zu Oberroßärzten des Beurlaubtenstandes 
Schräder (Bez.-Komm. Brandenburg), Dr. Achilles (Halberstadt) 
Lampe (Hamburg), PrietBch (Wurzen), Bücher (Zittau), Möbius 
(Dresden), Schmidteben (Leipzig), Nietzold(Borna);—zu Ro߬ 
ärzte n die U.-R. R a c b f a 11 v. 13. Drag.-R. und Meyer beim 14. Ulan.-R., 
unter Vers. z. 59. Art.-R., in Sachsen U.-R. Weller vom 28. Art-R., 
in Kiautschou U.-R. Pfeiffer vom 1. 4. 03 ab, unter Übernahme 
auf den Etat des Schutzgebietes, sowie Unterroßarzt d. Reserve 
Behnke (B.-C. Trier); — zu einj.- freiw. Unterroßärzten in 
Sachsen Cramer im 48. Art.-R. und Zanders im 19. Train-B. — 
Versetzt: Roßarzt Zembsch vom 59. zum 71. Art-Reg. und 
Unterroßarzt Parsiegla vom 4. Drag. R. z. 14. Ulan.-Reg. — Tier¬ 
arzt Max Schraepler in Beetzendorf zum Leutnant der Reserve 
im 4. Thüring. Infant.-Rgt No. 72 befördert. 

Vakanzen. siehe no. 23. 


Verantwortlich fUr den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmält* ln Berlin. — Vorlag und Eigentum von Richard Schoeta in Berlin. — Druck von W. Bdxenstein, Berlin. 


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Dl« .Berliner TUrftntlleh« WothMuchrift 1 erscheint 
w 60 hentlieh Int Verlag« von Riehard Sehoata in 
Berlin, Lolsenstr.SA. Durch Jedee dentaehe Poetamt wird 
di «selb« mm Praia« Ton H. 5,— rierteljlhrllch (M. 4,88 für 
di« Wochanechrlfl, lg Pf. Ar Bestellgeld) frei ine Hane 
(«liefert. (DenUohe Poet-Zeitung» - Preisliste No. 110t, 
Oestsrraiehiseh* No. 610, Dngarleohe No. 00.) 


Berliner 


Orlglnalbeitrlg« werden mit 60 Hk. Ar den Bogen honoriert. 
▲11« Mannskript«, Mitteilungen and redaktionellen An¬ 
fragen beliebe man an senden an Prof. Dr. Sehmalte, 
Berlin, Üertratllehe Hochschule, NW, Luisenstrasse 66 . 
Korrektoren, Re«ensions-Exemplar« and Annonom da¬ 
gegen an dl« Verlagabnehhandlaag. 


Tierärztliche Wochenschrift 


Redaktion: 

Professor Dr. Schmaltz-Berlin 

Verantwortlicher Redakteur. 


De Brate 

Dr. Jen 

KOhnau 

Dr. Lothes 

NeverauuM 

Prot Dr. Peter 

A-l- 

rcters 

Professor 

KreUtteraxst 

SehUchthofdiraktor 

Dspartamenutlerant 

Kreistier« r*t 

Kraletierarst 

Depsrtementstlerarst 

Utrecht 

Charlottenburg. 

Cöln. 

Cöln. 

Bremervörde. 

Angermünde. 

Bromberg. 


Preuese 

Dr. Roeder 

Dr. Schlegel 

Dr. Vogel 

Zündei 



VflteriDkrassessor 

Professor 

Professor 

Lmndes-Insp. t Tiersaobt KraUti«rmnt 



Danzig. 

Dresden. 

Freibarg i. Br. 

München. 

Mülbausen i. E. 


Jahrgang 1903. 


M 25 . 


Ausgegeben am 18. Juni. 


Inhalt: Richter: Operationshosen für Pferde. — Trfiger: Beobachtungen und Erfahrungen über Rotlauf, Schweine- 
aeuche und Schweinepest, sowie deren Bekämpfung. — Referate: Melnikow: Studien über den Echinococcus 
alveolaris s. multilocularis. — Rab: Untersuchungen über die Muskulatur des trächtigen Rinderuterus, — Jeß: Wochenübersicht 
über die medizinische Literatur. — Tageegeachiohte: Stödter: Die Allgemeine Ausstellung für hygienische Milchversorgung in 
Hamborg. (2.—12. Mai 1903). (Fortsetzung). — Verschiedenes. — Bücberanzeigen. — Personalien. — Vakanzen. 


Operationshosen fiir Pferde. 

Von 

Dr. Richter. 

Assistent an der Klinik für große Haustiere der Tierärztlichen 
Hochschule in Dresden (Prof. Dr. Röder). 

Das Bestreben der Chirurgen war von jeher bei Kastrationen, 
Operationen von Samenstrangfisteln n.s.w. darauf gerichtet, eine 
Verunreinigung des Operationsfeldes und Infektion der Wunde 

infolge Herabfallens von 
Schmutz zu verhüten, der 
den Extremitäten, beson¬ 
ders den Hufen, der Patien¬ 
ten anhaftet. Es wurde 
deshalb die Anfeuchtung 
der Hinterschenkel und die 
Umwickelnng der Hufe 
mittels nasser Tücher 
empfohlen. Neuerdings 
wird wohl in der Regel 
nach Säuberung der Beine 
am liegenden Tiere eine 
Einhüllung der Extremitä¬ 
ten in saubere, wenn mög¬ 
lich sterilisierte Tücher 
geübt; aber auch diese 
Methode schien mir bei 
weitem noch nicht das ge¬ 
wünschte Maß von Sicher¬ 
heit zu bieten. Ich habe deshalb Schatzhüllen — eine Art Hose 
— für die Hinterextremitäten ans Leinwand anfertigen lassen, 
welche nach gründlichstem Abseifen und Desinfizieren der Hofe 
und Schenkel in sterilem Zustande dem nach Stuttgarter Art ge¬ 
worfenen, in der Rückenlage fixierten Tiere angelegt werden. 

Eine derartige Schutzhülle besteht aus einer Kappe, welche 
über den Huf gezogen wird, und der eigentlichen, den Schenkel 
umgebenden Hose. Diese ist nach oben nnd hinten zu, d. h. 
längs der Bengesehnen, auf der Höhe des Sprungbeinhöckers, an 


der Achillessehne and über diese hinaus, offen nnd wird hier mittels 
25 cm langer Bänder zugebunden, welche in Abständen von 
etwa 10 cm am Saum des inneren nnd äußeren Blattes angenäht 
sind. Kappe und Schenkelhülle stehen nur auf der inneren Seite 
in Zusammenhang, während sie anf der äußeren Seite durch einen 
von der Mittellinie in der Gegend der dorsalen Fesselgelenks¬ 
fläche nach" der Fesselbeinbeuge verlaufenden Schlitz von ein¬ 
ander getrennt sind. Dieser der Schelle wegen vorhandene 
Schlitz wird ebenfalls durch Bänder geschlossen. — Aus der 
Figur (schematisierte Ansicht von der lateralen Seite) sind 
Form und Maße der Hose (in Centimetern angegeben) sowie die 
durch Kreuze bezeichnten Ansatzstellen der Bänder zu ersehen. 

In der Klinik der Tierärztlichen Hochschale za Dresden 
werden die Operationshosen bei allen chirurgischen Eingriffen, 
welche am Abdomen des liegenden Tieres vorgenommen werden, 
wie Kastration von Kryptorchiden, Operation von Hernien u. s. w., 
verwendet. — Ich glaubte, die Beschreibung dieser Methode der 
Öffentlichkeit übergeben zu können, weil sie sich bewährt hat, 
womit nicht gesagt sein soll, daß sie nicht noch verbesserangs- 
fähig wäre. 


Beobachtungen und Erfahrungen Uber Rotlauf, 
Schweineseuche und Schweinepest, sowie deren 
Bekämpfung. 

Von 

Trftger-Belgard, 

Kreistier« r«L 

Abgesehen von den vor 11 nnd 4 Jahren im diesseitigen 
Regierungsbezirk (Köslin) häufiger beobachteten Ausbrüchen 
der Maul- und Klauenseuche und seltenen gelegentlichen Invasionen 
von Tollwut, Rotz, Gefltigelcholera, Räude und Milzbrand sind 
die in der Überschrift genannten Infektionskrankheiten für die 
hiesige Gegend die häufigste Ursache zur dienstlichen Zuziehung 
des beamteten Tierarztes. Es dürfte deshalb nicht auffällig sein, 
daß ich der Beobachtung dieser Krankheiten im Dienst wie in 
der Praxis das meiste Interesse gewidmet habe. 



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398 


Was non den Rotlanf anlangt, so habe ich in meinen 
Yeterinärberichten schon seit Jahren darauf hingewiesen, daß 
die Höchstzahlen hei der Rotlaufstatistik im Kreise noch nicht 
erreicht sind. Das ist nun nicht so zu verstehen, als ob der 
Rotlauf von Jahr zu Jahr an Ausbreitung gewinne, sondern die 
häufigeren Rotlaufmeldungen sind auf das bessere Bekannt¬ 
werden der Rotlaufschutz- beziehungsweise Heilimpfungen zurück- 
zufdhren. Der berechnende Viehbesitzer erfüllt die lästige 
Anzeigepflicht, weil er weiß, daß der Kreistierarzt nicht bloß 
das verhaßte Sperrformular in der Aktenmappe, sondern auch 
das rettende Serum in der Tasche mit sich führt. 

Statt vieler Worte führe ich znm Beweise einige Zahlen 
aus den beiden letzten Jahren an. Die Stückzahl des Oesamt¬ 
bestandes in den neubetroffenen Gehöften betrug 1901 (exklusive 
Stadt Belgard) 473 Schweine, 1902 dagegen 865 Schweine. Die 
Zahl der erkrankten Schweine (exklusive Stadt Belgard) betrug 
1901 = 92 Stück, im Jahre 1902 nur 108 Stück, während man 
nach der Kopfzahl des Gesamtbestandes in neubetroffenen Ge¬ 
höften im Vergleich der beiden Jahre prozentualiter auf etwa 
170 Erkrankungen pro 1902 hätte rechnen können. Diese 
erfreuliche Tatsache ist auf das immer weitere Bekanntwerden 
der Rotlaufimpfungen zurückzuführen, indem die mittlere und 
kleinbäuerliche Landbevölkerung mehr und mehr dahinter 
kommt, daß es wirtschaftlich richtig ist, sofort beim Auftreten 
der ersten rotlaufverdächtigen Symptome die Impfung des ganzen 
Bestandes nachzusuchen. Obwohl daher die Zahl der Impflinge 
nur wenig zugenommen hat (1901 = 2421 Stück, 1902 
= 2617 Stück), so ist doch die Zahl der geimpften bäuerlichen 
Schweine von 368 im Jahre 1901 auf 691 im Jahre 1902 
gestiegen. Auch die rein tierärztlichen Kosten dieser Ma߬ 
nahmen sind für die bäuerliche Bevölkerung recht geringe, 
indem die Serumimpfung fast stets bei der amtlichen Feststellung 
des Rotlaufausbruches, das heißt hei Gelegenheit ausgeführt 
und dementsprechend honoriert wird. 

Ein solches Verfahren ist nur möglich, weil sich hierorts 
der Brauch herausgebildet hat, daß das Publikum die Anzeige 
vom Seuchenverdacbt meistens zunächst bei mir erstattet und 
dann erst ans Landratsamt beziehungsweise die zuständige 
Polizeibehörde verwiesen wird, oder, sofern diese Dienststellen 
nicht gerade Amtsstunden halten, bei mir die Meldung zu 
Protokoll gibt. 

Da nach der löblichen Übung der hiesigen Verwaltungs¬ 
behörden derartige Anzeigen durchweg als Cito-Sachen behandelt 
werden, bekomme ich die betreffenden Meldungen meist sofort 
beziehungsweise urschriftlich oder auch per Telephon mit dem 
Aufträge zur Seuchenfeststellung zurück. 

Durch unermüdliche Belehrungen der Interessenten sind die 
Einsichtigen unter ihnen schon so klug geworden, die Schutz¬ 
impfang zu verlangen, wenn in gefahrdrohend dichter Nachbar¬ 
schaft Rotlauf zum Ausbruch kommt. 

Die Beackerung dieses Feldes ist bei dem immer wachen 
Mißtrauen des pommerschen Bauern recht mühselig und finanziell 
durchaus nicht sehr einträglich für den Tierarzt. Das erfreu¬ 
liche Bewußtsein, diesen schlimmsten Feind einer rentablen 
bäuerlichen Viehwirtschaft im einzelnen Falle siegreich bekämpft 
zu haben, mnß einstweilen genügen. 

Mit den Ergebnissen der Rotlauf impfungen bin ich außer¬ 
ordentlich zufrieden. In Beständen, die lediglich der Präkautions¬ 
impfung unterworfen wurden, habe ich, weder im Anschluß an 


No. 25. 


die Impfungen (Serum und Kulturen), noch innerhalb der be¬ 
kannten Schutzzeiten (d. h. nach einmaliger Kulturanwendung 5, 
nach zweimaliger Kulturanwendung 12 Monate) Verluste an Rot¬ 
lauf zu verzeichnen gehabt. In den Fällen, wo es sich um die 
Immunisierung bereits infizierter Bestände handelte, hat die 
Serumeinspritzung (Heildosis) bei 4 leicht erkrankten Tieren im 
Stich gelassen. Außerdem habe ich in 2 solchen Beständen 
3 beziehungsweise 9 Wochen nach der Impfung noch je ein 
Schwein an chronischer Rotlaufendokarditis (Sektionsergebnis) 
verloren. Bei dieser prozentualiter außerordentlich niedrigen 
Verlustziffer bemerke ich allerdings, daß ich die Impfung offen¬ 
sichtlich schwer erkrankter Schweine grundsätzlich abgelehnt 
habe, weil die Erfahrungen früherer Jahre mich gelehrt haben, 
daß das Publikum den trotz der Heilseruminjektion relativ 
häufigen tätlichen Ausgang bei solchen Schweinen obendrein 
noch der ausgeführten Impfung zur Last legt. Benutzt wurde 
fast ausschließlich Heilsberger Serum, gelegentlich auch Prenz¬ 
lauer Serum und Susserin. Nach meinem Beobachtungsmaterial 
ist die Wirkung dieser drei Serumspielarten eine gleich gute. 

Bis auf weiteres rechne ich auch noch eher mit einer Zu¬ 
nahme wie Abnahme der Rotlaufmeldungen, weil seither noch 
oft in verkehrsentlegenen Gegenden, besonders bei abgebauten, 
vereinzelt liegenden Gehöften, die Anzeige zum Teil aus Un¬ 
kenntnis, hauptsächlich aber, um den anstehenden Unannehmlich¬ 
keiten zu entgehen, unterbleibt. Die Anordnung der Sperre 
wird hierbei im allgemeinen nicht tragisch genommen. Warum, 
davon später. Die öffentliche Bekanntmaohung dagegen des 
Rotlaufausbruchs empfinden die meisten, besonders die bäuer¬ 
lichen Besitzer als Prangerstrafe. 

In der für den hiesigen Regierungsbezirk gültigen Polizei¬ 
verordnung über die Bekämpfung der Schweineseuchen ist die 
öffentliche Bekanntmachung (Kreisblatt) bei Rotlaufausbrüchen 
nicht ausdrücklich vorgeschrieben. In den mir zugänglichen 
gesammelten Kreisblättern von 11 Kreisen des hiesigen Re¬ 
gierungsbezirks (13 Kreise zählt derselbe im ganzen) habe ich 
mit Ausnahme eines einzigen Kreises ermittelt, daß der Aus¬ 
bruch beziehungsweise auch das Erlöschen des Rotlaufs ver¬ 
öffentlicht wird. 

Mag die Bekanntmachung der Seuchenausbrüche bei Rotz, 
Tollwut, Maul- etc. Seuche, Schweineseuche u. a. unerläßlich sein, 
bei Rotlauf ist sie nicht nur überflüssig, sondern sogar schäd¬ 
lich, indem viele Leute lieber die fast nie eintretende, milde 
Polizeistrafe für die Verheimlichung riskieren, als die „Blamage“, 
sich im Kreisblatt gedruckt zu sehen, in den Kauf nehmen. Die 
Unterlassung dieser Bekanntmachungen ist daher anzustreben, 
denn diese Anzeigen rufen ohne Not eine Animosität gegen die 
beamteten Tierärzte hervor und erschweren nebenher diesen 
Beamten noch sehr die Möglichkeit privaten Erwerbes. Auf 
Privatpraxis ist aber mangels angemessener Dienstbezüge und 
sonstiger amtlicher Inanspruchnahme die überwiegende Mehr¬ 
heit der Kreistierärzte angewiesen, um sich und ihre Familien 
ernähren zu können. Daß eine kurze Sperre (es werden selten 
mehr als 8 Tage erforderlich sein) bei Rotlauf für die be¬ 
troffenen Besitzer keine wesentlichen Opfer mit sich bringt, 
bedarf keines Beweises. Bei der lang andauernden Sperre, wie 
sie jetzt vielfach in Anwendung kommt, werden die Anordnungen, 
wie mir jeder aufmerksame Beobachter bestätigen dürfte, nur 
soweit befolgt, als diesen Anordnungen nicht wichtige wirt¬ 
schaftliche Interessen des Besitzers entgegenstehen. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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18. Juni 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


899 


Rauscht z. B. die (gesunde) Sau des Bauern H., so treibt 
er sie allen Sperrvorschriften zum Hohne zum nächsten Eber, 
wo sie ohne Umstände belegt wird. Ein typischer Fall sei hier 
wiedergegeben. Einem Eigentümer stirbt der ganze Bestand 
an Rotlauf aus, weil er nicht hatte impfen lassen. Die Seuche 
war von einem Privattierarzt ermittelt. Da schon mehrere Ge¬ 
höfte im Orte verseucht waren, konnte der beamtete Tierarzt 
bestimmungsgemäß zur Feststellung etc. nicht zugezogen werden. 
Die Sperre wird von seiten der Polizeibehörde verhängt und 
die Desinfektion angeordnet, von deren Beendigung der Besitzer 
Anzeige machen soll. Diese Anzeige unterbleibt, so daß die 
Behörde erst nach längerer Zeit Nachfrage hält. Darauf erfolgt 
die Meldung, daß die Desinfektion ausgeführt sei. Gelegentlich 
einer anderen Dienstverrichtung im Orte hat der beamtete Tier¬ 
arzt Gelegenheit, auch dieses Gehöft zu inspizieren, und stellt 
dabei fest, daß der Besitzer schleunigst nach der Beendigung 
der Desinfektion neue Schweine angeschafft hatte, um seine 
Milch und die sonstigen Wirtschaftsabfälle verwerten zu können. 

Daß die Desinfektionen nur zu oft trotz ausführlicher 
schriftlicher Anweisungen ganz ungenügend vorgenommen werden, 
ist häufig konstatiert worden. Derartige Verhältnisse sind bei 
der bisherigen Art der Bekämpfung der SchweineBeuchen schwer 
zu beseitigen, wenn auch nicht verschwiegen werden kann, daß 
wesentliche Besserung durch den Erlaß des Herrn Ministers für 
Landwirtschaft etc. vom 25. November 1901 — I G. a 7982 — 
erzielt worden ist, wonach der beamtete Tierarzt wenigstens 
zur Feststellung des Erlöschens zugezogen wird. 

Vordem kam der Veterinär-Beamte beim Ausbruch des Rot¬ 
laufs in die Ställe der wenigen Unvorsichtigen, die eine An¬ 
zeige machten; er gab die erforderlichen Anordnungen, und 
damit war praktisch die Sache erledigt. Allerdings wurden 
diese Anordnungen vom Landrat der Ortspolizeibehörde zur 
Beachtung etc. mitgeteilt. Letztere Dienststelle betraute den 
Ortsvorsteher mit der Durchführung. Da aber diese Beamten 
auf dem Lande durchweg selbst Schweine besitzen, vermeiden 
sie es erklärlicherweise nach Möglichkeit, verseuchte Gehöfte 
zu betreten, und so blieb dem guten Willen des Besitzers so 
ziemlich überlassen, wie weit er die Anordnungen ausführen 
wollte. Auch heute ist der Besitzer in der Ausführung der 
Desinfektion noch Herr der Lage. Der Veterinär-Beamte stellt 
die Seuche fest und ordnet Sperre sowie Desinfektionsmaßregeln 
an. Der Zeitpunkt, wann der Besitzer mit der Desinfektion 
beginnt, ist hierbei demselben überlassen. Eine Sicherheit, daß 
er, gemäß der empfangenen Warnung und Belehrung, wirklich 
erst nach dem Erlöschen der Seuche die Desinfektion vomimmt, 
besteht nicht Auf die Meldung, daß die Seuche erloschen und 
die Desinfektion, erledigt sei, erscheint der Kreistierarzt und 
findet die Desinfektion ungenügend. Besonders häufig ist die 
Desinfektion dadurch mangelhaft, daß die an den Wänden be¬ 
findlichen Bretterverschläge und der Bohlenbelag des Fußbodens 
nicht ab- beziehungsweise aufgenommen wurden, um den da¬ 
hinter beziehungsweise darunter befindlichen Ansteckungsstoff 
unschädlich machen zu können. Das ist in vielen Fällen aller¬ 
dings ein böses Stück Arbeit, denn es gibt Stallungen, die 
derartige Reißerei wegen ihres baufälligen Zustandes kaum 
vertragen. Daß manche solche Ställe eigentlich überhaupt 
nicht desinfektionsfähig sind, wird jeder beamtete Tierarzt, der 
in ärmeren Gegenden tätig ist, wissen. Der Abänderung solcher 
Zustände stehen meist unüberwindliche Hindernisse entgegen, 


und ein radikales Vorgehen würde den wirtschaftlich oft 
schwachen Besitzer einfach ruinieren (z. B. Verbot der weiteren 
Benutzung). Der beamtete Tierarzt fordert nun die Vervoll¬ 
ständigung der Desinfektion. Da aber nach den für den hie¬ 
sigen Bezirk jetzt geltenden Bestimmungen eine Revision der 
Desinfektion nicht zulässig ist, so würde die Bezahlung für 
eine derartige Dienstreise im hiesigen Regierungsbezirk ab¬ 
gelehnt werden. Die Aufsicht über die Vervollständigung der 
Desinfektion bleibt nun wieder beim Schulzen hängen, und es 
treten die weiter oben geschilderten Verhältnisse ein. Abhilfe 
hiergegen würde die Anordnung der Revision der Desinfektion 
durch den beamteten Tierarzt schaffen, der über die ordnungs¬ 
mäßige Ausführung dieser Arbeiten der requirierenden Behörde 
eine Bescheinigung zu erteilen hat. 

Soweit mir bekannt, ist die Materie im Regierungsbezirk 
Gumbinnen bereits durch landespolizeiliche Anordnung in diesem 
Sinne geregelt. 

Der in der Fachpresse erhobene Einwand, daß der beamtete 
Tierarzt nicht Zeit fände, allen derartigen Aufträgen mit der 
erforderlichen Schnelligkeit zu entsprechen, muß für den hie¬ 
sigen Kreis jedenfalls als völlig unzutreffend bezeichnet werden, 
und ähnliche Verhältnisse herrschen in der überwiegenden 
Mehrzahl der Kreistierarzt-Stellen. 

Ganze Arbeit kann hier nur eine großzügige Gesetzgebung 
leisten, die die freiwillige Impfung bei wirtschaftlich schwachen 
Besitzern durch kostenfreie Gewährung des Impfstoffes fördert 
und, sofern es sich um alte Rotlaufnester handelt, die Zwangs¬ 
impfung auf Staatskosten fordert. Hierbei ist eine conditio sine 
qua non, daß für Rotlaufverluste, die nach der Impfung 
(d.k* auch nach Monaten, aber innerhalb der bekannten Schutz¬ 
zeiten) eintreten, ausreichende Entschädigung (% des Schätzungs¬ 
wertes) aus Provinzial- etc. Fonds gewährt wird, wozu alle 
Schweinebesitzer je nach der Größe des Bestandes beisteuern. 

Zur Vermeidung aller unnützen Kosten ist das Verfahren 
bei Verlusten recht einfach zu gestalten. Der zur Feststellung 
des Seuchenausbruches dienstlich sowie so zuzuziehende Kreis¬ 
tierarzt requiriert den Guts- oder Gemeindevorsteher, beziehungs¬ 
weise bei deren eigenem Interesse den gesetzlichen Stellvertreter 
zur Abschätzung. Der Veterinär-Beamte bezieht nach der sehr 
bemerkenswerten Bestimmung des § 5 im Gesetze vom 9. März 
1872 hierfür keine Entschädigung. Bei der relativen Seltenheit 
des Vorkommnisses und im Interesse billiger Versicherungs¬ 
beiträge wird man daher auch die unentgeltliche Mitwirkung 
der vorbezeichneten, am Schätzungsorte wohnenden Behörden 
bei der Schätzung festsetzen können. Zu durchgreifenden Um¬ 
oder Neubauten ist wirtschaftlich schwachen Besitzern eine 
Beihilfe (Prämie) zu gewähren, wie es jetzt schon zum Bei¬ 
spiel bei der Anlage mustergültiger Dungstätten geschieht 
(seitens der Landwirtschaftskammer). 

Auch bei der Schweineseuche und der Schweinepest 
ist in den letzten Jahren eine Zunahme der Meldungen zu kon¬ 
statieren gewesen, obwohl auch bei diesen Krankheiten bei 
weitem nicht alle Ausbrüche zur behördlichen Kenntnis gelangen. 
In den großen Schweinehaltungen gewinnen die Schweineseuche 
und die Schweinepest täglich an Ausbreitung, und wird die Be¬ 
kämpfung dieser Krankheiten nicht nur in der hiesigen Gegend 
für die Zukunft die wichtigste Aufgabe der Veterinär-Polizei 
werden. Reine Schweineseuche gelangte 1902 in 6 Gehöften 
zur Beobachtung, während es sich bei 15 Ausbrüchen um die 

* 


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400 

in Pommern so häufige Mischinfektion von Schweineseuche und 
Schweinepest handelte. Es ist nnn für den diesseitigen Kreis 
noch als ein relativ glücklicher Umstand zn betrachten, daß 
beide Krankheiten im allgemeinen einen ziemlich milden, gut¬ 
artigen, mehr chronischen Verlauf nehmen. Abgesehen von 
dem lästigen Ferkelsterben, sind große Massenverluste bei Mast- 
und Zuchtschweinen selten. Nach meinen Beobachtungen hat 
die Ausbreitung dieser beiden, hier leider fast immer gemein¬ 
sam auftretenden Seuchen mit der zunehmenden Rassenveredlung 
der Schweine gleichen Schritt gehalten. Je mehr das englische, 
weiße Edelschwein mit seinen zunächst bestechenden Eigen¬ 
schaften (Fruchtbarkeit, Schnellwüchsigkeit, leichte Mastfähigkeit) 
gezogen wird, um so häufiger kommen die Schweineseuche und 
Schweinepest zur Beobachtung, weil diese Schweinerasse durch 
fortgesetzte Veredlung derart verfeinert worden ist, daß die 
ihr zugehörigen Individuen gegen die hier in Rede stehenden 
Infektionskrankheiten eine nachgerade bedenklich geringe Wider¬ 
standskraft zeigen, und ich stehe nicht an, in Übereinstimmung 
mit erfahrenen Tierärzten die Behauptung auszusprechen, daß 
auch noch aus anderen Gründen die Rückkehr zur Züchtung 
härterer, wenn auch vielleicht nicht ganz so schnellwüchsiger 
Rassen für eine auf dauernde Rentabilität berechnete Schweine¬ 
haltung zur unabweisbaren Notwendigkeit wird. 

Das Bedauerlichste ist, daß manche Besitzer größerer Schweine¬ 
haltungen das Vorhandensein der Seuche und Pest in ihren 
Beständen nicht kennen beziehungsweise anerkennen. Da werden 
die neuen, modernen Ställe mit ihren Zementwänden, Eisengittern 
und Betonfaßböden als die Ursache des schlechten Gedeihens 
der Schweine fälschlicherweise beschuldigt. Die Durchfälle, an 
denen die neugeborenen Ferkel massenhaft eingehen, werden 
auf zu fette Milch der Mutterschweine zurückgeführt und der 
Ferkeltod oder Ferkelsterbe genannt. Für den schmutzig-grauen, 
schmierigen Hautausschlag der Absatzferkel erfindet man die 
harmlosesten und seltsamsten Bezeichnungen, als da sind: Pocken, 
Dennschweit, Grind, Borkenkrankheit etc.; der massenhaft auf¬ 
tretende Husten der jungen Läufer wird vielfach als „Zement¬ 
husten“ bezeichnet. Die Verdickungen und Verkrümmungen am 
Kopfe, an den Gliedmaßen und an der Wirbelsäule deutet, man 
als „Knochenweiche“. Die bei gelegentlichen Todesfällen beob¬ 
achteten Verkäsungen der Lungen diagnostiziert man als 
Tuberkulose. 

Ich habe mir wiederholt den Unwillen der Besitzer solcher 
Herden zugezogen und bin ungläubigem Kopfschütteln be¬ 
gegnet, wenn ich die Betroffenen über die wahre Natur der 
unter ihren Schweinen herrschenden Krankheit aufklären mußte, 
und ich habe mir mehr als einen guten Kunden dauernd ver¬ 
grämt, wenn ich nach definierter Sicherung der Diagnose pflicbt- 
mäßigerweise mit der Anordnung von Sperrmaßregeln vorging. 
Recht häufig pflegt die Sache sich folgendermaßen abzuspielen: 
Bei guten Schweinepreisen sucht man die Schwarzviehbestände 
nach Möglichkeit zu vergrößern. Für die große Mehrzahl land¬ 
wirtschaftlicher Betriebe wird dieses Ziel am preiswertesten 
durch die vermehrte Einstellung von Zuchttieren erreicht. 
Nur unter besonderen wirtschaftlichen Verhältnissen wird der 
Zukauf von Läuferschweinen als lohnend angesehen. Um nun 
zugleich für frisches Blut und Veredlung der Rasse zu sorgen, 
wurden aus mehr oder weniger berühmten Züchtereien junge 
Sauen im Alter von ca. drei bis vier Monaten angekauft. Daß 
das eine oder andere Tier „sich nicht so recht arten“ will, 


No. 25. 

gibt in den seltensten Fällen Anlaß zur Zuziehung des Tierarztes, 
es sei denn, daß infolge auffallend schlechten Gedeihens die 
Rückgabe eines solchen Tieres in Frage kommt. Auf diesem 
nicht mehr ungewöhnlichen Wege hat schon mancher Besitzer 
die Schweineseuche beziehungsweise Schweinepest als unan¬ 
genehme Draufgabe in seinen Stall bekommen. Als Beleg 
führe ich eine Mitteilung Ostertags in seinem Vortrage „Neues 
aus der Tierseuchenbekämpfung“ gelegentlich der vierten General¬ 
versammlungsämtlicherder Landwirtschaftskammer angegliederten 
landwirtschaftlichen Vereine der Provinz Pommern (am 
28. November 1902 zu Stettin) an, wonach „in Ostpreußen 
öffentlich ohne Widerspruch behauptet worden ist, daß die 
Schweineseuche in diese Provinz durch Zuchttiere aus einer 
bestimmten Hochzüchterei eingeschleppt ist“. Entweder 
verbreiten nnn diese zugekanften Tiere alsbald in mehr 
oder weniger bösartiger Form den Ansteckungsstoff auf die 
übrigen Stallinsassen, oder aber es herrscht bestenfalls 
eine trügerische Ruhe, bis diese Tiere nach Beendigung 
der Trächtigkeit abgeferkelt haben. Unter diesen Ferkeln, 
sehr bald aber auch unter der Nachkommenschaft anderer 
Muttertiere treten nun gewöhnlich noch während der Sauge¬ 
zeit, spätestens aber sofort nach dem Absetzen heftige, 
in 30 bis 90 pCt. der Fälle tödlich verlaufende Diarrhöen auf. 
In diesem Stadium findet man bei Sektionen die Brustorgane 
frei von Veränderungen (mit Ausnahme von parenchymatöser 
Entzündung des Herzfleisches). An den Organen der Bauch¬ 
höhle ist bei solchen Ferkeln eine schwere Gastroenteritis das 
hervorstechendste Symptom. In den geschwollenen Mesenterial- 
Lymphdrüsen ist der Erreger der Schweinepest meistens fast 
in Reinkultur nachweisbar. Diejenigen Ferkel des betreffenden 
Zuges, welche bisher verschont blieben, oder mit dem Leben 
davongekommen sind, pflegen sich nun einige Zeit leidlich 
weiter zu entwickeln beziehungsweise zu erholen, bis sich 
unter ihnen ein zunächst selten zu hörender Husten bemerkbar 
macht. Im weiteren Verlaufe werden unter zunehmender Ab¬ 
magerung die Erscheinungen einer schleichenden Lungen¬ 
entzündung immer prägnanter, und dieselben Ferkelzüge werden 
zum zweitenmale, wenn auch lange nicht in so verheerender 
Weise, dezimiert. Bei der Sektion solcher Absatzferkel findet 
man in den Lungen, besonders in den unteren Abschnitten und 
vorderen Lappen, neben vereinzelten atelektatischen Stellen 
und verschieden großen, frischen Entzündungsherden (Stadium 
hepatisationis) mehr oder minder umfangreiche Partien, in 
denen das eigentliche Lungengewebe fast gänzlich zu Grunde 
gegangen und durch neugebildetes Bindegewebe ersetzt ist. Die 
allein noch erhalten gebliebenen Verzweigungen der Luftröhre 
pflegen von einem zähen, gelblich-glasigen Schleim erfüllt zu 
sein, in dem die Schweineseuchebakterien zahlreich nachzuweisen 
sind. Aus den vorstehend kurz mitgeteilten Beobachtungen 
erhellt, daß nicht selten bei Ferkeln zunächst allein Schweine¬ 
pest ausbricht und erst später die Schweineseuche dazutritt. 

In anderen Fällen habe ich allerdings auch beobachtet, 
daß Schweineseuche (ansteckende Entzündung der Brustorgane, 
der Lungen, des Brustfells oder des Herzbeutels) und zu 
gleicher Zeit Schweinepest (ansteckende Darmentzündung) ihre 
verheerende Tätigkeit bei Ferkeln ausübt. 

Unter den stark gelichteten Ferkelbeständen, die nun mit 
zunehmendem Alter in die Läuferbucbten übertreten, zeichnen 
sich eine Anzahl schlecht genährter, mehr oder weniger ver- 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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18. Juni 1903. 


krtippelter Kümmerer unvorteilhaft aus. Bei diesen Tieren habe 
ich dann, sei es nach spontanem Ableben oder nach vorge¬ 
nommener Tötung, am häufigsten umfangreiche Verkäsungen 
der Lungen sowie stark ausgebreitete käsig-diphtherische Auf¬ 
lagerungen im Dickdarmkonvolut, wodurch letzteres nicht selten 
zu einer starrwandigen Röhre verwandelt war, vorgefunden, 
während ich bei Sang- oder Absatzferkeln solch umfangreiche 
und typische Veränderungen selten zu Gesicht bekam. 

Das radikalste Mittel zur Bekämpfung der Schweinesenche 
und -Pest ist die Keulung der verseuchten Bestände. Das 
idealste Mittel gegen die Krankheiten wäre die Erfindung 
sicher wirkender Impfstoffe. Letztere besitzen wir zur Zeit 
meines Wissens noch nicht; aber auch gegen das obige Radikal¬ 
mittel bestehen gewichtige Bedenken. Es wird sich jetzt 
mangels irgend welcher Entschädigung nur sehr schwer ein 
Schweinebesitzer zu dieser kostspieligen Maßnahme entschließen. 
Da überdies die Schweineseuche und -Pest in hiesiger Gegend 
eine sehr viel stärkere Verbreitung besitzt, als die bei amtlichen 
Feststellungen ermittelten Zahlen dartun, so würde nach all¬ 
gemeiner Einführung einer wirksamen Entschädigung die Höhe 
des Beitrages den SchweinebeBitzern sehr lästig, wenn nicht 
gar unerschwinglich werden. Die Wirtschaften, in denen der 
Nutzen aus der Schweinehaltung durch diese Seuchen stark 
beeinträchtigt oder ganz aufgehoben ist, haben dann das 
lebhafteste Interesse, unter Inanspruchnahme der Entschädigung 
sich von solch unrentablem Viehstapel zu trennen. Um aber 
die im Kuhstall produzierte Magermilch nutzbringend zn ver¬ 
werten, würden viele Wirtschaften geradezu gezwungen sein, 
ihren Borstenviehstand alsbald durch Zukauf wieder auf die 
erforderliche Höhe zu bringen. Ob sieh nun mit Sicherheit 
beim Ankauf frischer Schweine aus anderen Beständen Nen- 
einschleppungen des alten Übels vermeiden lassen, erscheint doch 
etwas zweifelhaft. Unter den obwaltenden schwierigen Verhält¬ 
nissen habe ich daher, obgleich ich nochmals betone, daß wir 
sichere Scbutzsera gegen diese Krankheiten nach meiner 
Kenntnis noch nicht besitzen, die vor ca. 3 3 / 4 Jahren im kleinen 
Umfang begonnenen Impfversuche mit Landsberger Septicidin 
von Jahr zu Jahr im größeren Maßstabe fortgesetzt. Um Mi߬ 
deutungen vorzubeugen, bemerke ich, daß ich bei der Be¬ 
sprechung der Impfresultate, wenn ich nicht ausdrücklich eine 
der beiden Krankheiten ausschließe, immer nur die hier oft 
beobachtete Mischinfektion von Schweineseuche und Schweine¬ 
pest meine. Versuche im Kleinen hatten mich schon früher 
gelehrt, daß man gut tut, in den seltenen Fällen, wo es sich 
hier um die akute oder perakute Form dieser Seuchen handelt, 
die Impfung zu unterlassen, da ich bei einmaliger Anwendung 
von Septicidin (Heildosis) keine sicheren Erfolge gesehen habe. 
Wenig empfehlenswert ist ferner die Impfung bei Schweinen, 
die in erheblicher Weise mit der chronischen Form der Krank¬ 
heit behaftet sind. Ehe ich daher die Impfung vornehme, 
untersuche ich den ganzen Bestand und lasse die Tiere kenn¬ 
zeichnen, welche seuchenverdächtig, d. h. mit erheblichen 
klinischen Erscheinungen behaftet sind. Als solche habe ich 
vorzugsweise beobachtet: Atembeschwerden, anfallsweiser, 
quälender Husten (besonders wenn die Tiere veranlaßt werden, 
in den Buchten hin und her zu laufen), Durchfälle, spitzer und 
hervorgewölbter Rücken (sogenannter Karpfenbuckel), verbunden, 
mit trommelförmig aufgetriebenen Bauchwandungen, schlechter 
Nährzustand, eingefallene, flache Brustwandungen, zurück¬ 


401 


gebliebenes Körperwachstum, grauschwarzer, schmieriger Borken- 
und Schuppenbelag der Haut an den Brust- und Bauchwandungen 
(Pocken, Dennschweit, Ruß der Ferkel), verdickte und steife 
Gelenke an den Gliedmaßen, Auftreibungen an den Knochen 
des Vorkopfes. Von den so beschaffenen Individuen wähle ich, 
sofern nicht Kadaver von kürzlich verendeten Tieren vorhanden 
sind, zwei bis drei aus. Dieselben sind für den Besitzer ja wirtschaft¬ 
lich nahezu wertlos. Ich verschaffe mir nun durch Obduktion und 
bakteriologische Untersuchung Gewißheit, welche Krankheit ich 
vor mir habe. Sofern es sich um erstmalig zu impfende, große 
Bestände handelte, habe ich außerdem häufig Untersuchnngs- 
material an das Hygienische Institut der Tierärztlichen Hoch¬ 
schule zu Berlin übersandt und die Bestätigung meiner Diagnose 
von dort abgewartet, ehe ich spritzte. Ich verfehle nicht, dem 
Institutsleiter, Herrn Professor Dr. Ostertag und seinen 
Herren Assistenten für die mir oft gewährte Unterstützung an 
dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank auszusprechen. 

Bei der oben beschriebenen Auswahl und Kennzeichnung der 
Beucheverdächtigen Tiere braucht man im übrigen nicht allzu 
ängstlich zu verfahren; ich habe jedesmal Tiere, die eines der 
obigen Symptome aufwiesen, mitgeimpft. Die nicht geimpften 
Krüppel bekommen besonderen Stall und Wartung, was meist 
keine Schwierigkeiten macht, während umgekehrt die Entfernung 
der großen Zahl der Impflinge aus dem Hauptstalle auch auf 
großen Gütern nicht durchführbar erscheint. Die ausgeBonderten 
werden auf knappe, leicht verdauliche Rationen gesetzt und 
bekommen, soviel es irgend die Witterung und die Jahreszeit 
gestatten, sonnige Weide. Hier pflegt sich ein Teil, wenn auch 
recht langsam, unter allmählichem Verschwinden der krankhaften 
Erscheinungen bis zu einem mäßigen Mastzustande zu erholen, 
so daß sie als Schlachtware geringer Qualität abgesetzt werden 
können. Ob es nun für den Besitzer rentabel ist, diese Tiere 
bei ihrer schlechten Futterverwertung und langsamen Gewichts¬ 
zunahme anzuhalten, muß dahingestellt bleiben. 

Hand in Hand mit dem Verfahren gehen überdies noch 
regelmäßige Desinfektionen der Stallungen und sauberste Haltung 
der Schweine. Die übrigen erhalten bei der erstmaligen Impfung 
die Schutzdosis, d. h. Ferkel und kleine Läufer bis 50 Pfund 
3 cm 3 ; bei schweren Schweinen rechne ich ca. l 1 /^ cm 3 Septicidin 
pro 10 Kilo Körpergewicht; auch habe ich stets zu gleicher Zeit 
die Schweine gegen Rotlauf immunisiert (vergleiche auch meine 
Mitteilung auf der Versammlung des Tierärztlichen Vereins für 
den Regierungsbezirk Köslin im Herbst 1901). Selbstverständlich 
kann in solchen Fällen eine Simultanimpfung (Serum und Kulturen) 
nicht in Frage kommen. Um aber die tierärztlichen Kosten des 
Verfahrens nicht zn hoch anwachsen zu lassen, habe ich bei 
einem Besuch Schweineseuche- und Rotlauf-Serum gleichzeitig 
(an getrennten Körperstellen) eingespritzt; auch bei den nach¬ 
folgenden Kulturinjektionen hat stets eine Doppeleinspritzung 
(Schweineseuche- und Rotlauf-Kultur) stattgefunden. Im ganzen 
habe ich während des Jahres 1902 in 12 Fällen 792 Schweine 
mit Septicidin geimpft. Hierbei handelte es sich zehnmal um 
Mischinfektion (Schweineseuche und Pest) und zweimal um reine 
Schweineseuche. 

Der Besitzer beziehungsweise dessen Stellvertreter berichtet 
mir, wenn nicht schon vorher, dann bei dem zweiten Besuch, der 
5—8 Tage später zum Zwecke der ersten Kultureinspritzung 
stattfindet, welche Tiere sich nach der Serumimpfung krank 
gezeigt haben, und diese erhalten dann die sogenannte Heil- 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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402 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 25. 


dosis, d. h. Ferkel und kleine Pölke 10 cm 3 Septicidin. Bei größeren 
Pölken, Fett- und Zuchtschweinen habe ich die Heildosis nie 
angewandt, sondern bei hochgradiger Reaktion solche Individuen 
in die Krupp elabteilung einrangiert Tiere, die nach der Sep- 
ticidin-Einspritzung reagirt haben, (trauriges Benehmen, Futter¬ 
versagen, Fieber etc.) erhalten keine Schweineseuchekulturen. 
Ich habe übrigens Ferkeln und kleinen Pölken bei der ersten 
Kultureinspritzung stets nur ganz geringe Mengen Kultur (h 5 c li¬ 
ste ns y 4 cm 3 ) gegeben. Nach meinen Beobachtungen wird */ 2 cm 3 
Kultur, wie es in der Landsberger Impfanweisung vorgeschrieben 
ist, nicht von allen jungen Schweinen gleich gut vertragen. 
Erst bei der zweiten Kultureinspritzung, die etwa zwei Wochen 
nach der Verabfolgung der ersten Kultur stattfindet, gebe ich den 
vorher bezeichneten jungen Schweinen V 2 cm 3 von der Landsberger 
Seuchekultur neben der bekannten Dosis Rotlaufkultur. Ich 
bemerke noch, daß die erste Einspritzung beider Kultursorten an 
alle Schweine des Stalles verabfolgt wird, mit Ausnahme deijenigen 
Tiere, die nach der Septicidineinspritzung stark reagiert haben 
und dieserhalb keine Schweineseuchekultur erhalten, beziehungs¬ 
weise sogar aus dem Hauptstalle entfernt werden; während bei 
der zweiten Einspritzung beider Kultursorten nur diejenigen 
Tiere in Betracht kommen, welche voraussichtlich in 5 Monaten 
den Stall noch nicht verlassen, weil sie bis dahin nicht schlacht¬ 
reif sind, d. b. also Ferkel, junge Läufer und schließlich Zucht¬ 
tiere. Von den 792 Geimpften haben sich nach der Septicidin¬ 
einspritzung 17 und nach der Kultur 8 Ferkel krank gezeigt. 
Von den 17 Stück gingen 5 ältere Ferkel ein; dieselben zeigten 
übereinstimmend in den Lungen umfangreiche Entzündungsherde 
mit mehr oder minder ausgedehntem käsigen Zerfall. Von den 
8 Ferkeln, die nach der Kultureinspritzung erkrankten, giftgen 
später noch 2 ein, ohne daß ich in die Lage kam, den'Ob¬ 
duktionsbefund zu erheben. Bei weiteren 8 Ferkeln riet ich 
gelegentlich des zweiten Besuches (bei der ersten Kultntein- 
spritzung) die Tötung an. Die restlichen 10 Ferkel, die sich 
nach der ersten und zweiten Impfung krank zeigten, erholten 
sich wieder. 

Meine neuesten Erfahrungen weisen darauf hin, daß man 
die nach der Septicidinimpfung reagierenden Tiere, es sind bei 
einigermaßen genauer Sortierung des Bestandes immer nur 
wenige und fast stets nur Ferkel oder junge Läufer, (d. h. 
also relativ geringwertige), am besten ohne weiteres sich 
selbst überläßt und zu den ausgelesenen Krüppeln sperrt oder, 
wo von vornherein die Haltung von Krüppeln als unrentabel 
aufgegeben wurde, auch solche Tiere einfach tötet. Bei einigen 
im Jahre 1903 geimpften Herden habe ich beobachten können, 
daß bei einem geringen Prozentsatz der ohne Schaden geimpften 
Ferkel einige Wochen später Durchfälle und auch etliche Ver¬ 
luste (genauere Angaben wird eine später zu veröffentlichende 
Statistik der im Jahre 1903 erfolgten Impfungen ergeben) auf¬ 
traten. Obduktionen solcher Tiere habe ich bisher nicht aus- 
führen können. Ich zweifle aber nicht, daß es sich um Schweine¬ 
pest gehandelt hat. Es scheint hiernach, daß das Septicidin 
gegen wiederholte Schweinepestinfektiopen eine minder sichere 
Schutzwirkung entfaltet, wie gegen Schweinesenche. Ich werde 
in der Folge durch gesteigerte beziehungsweise wiederholte 
Serumdosen diesen Zufällen vorzubeugen suchen. 

Aus den vorstehenden Mitteilungen erhellt also, daß es bei 
dem Verfahren nicht ganz ohne Verluste abgebt, aber die ge¬ 
häuften Todesfälle unter den Saug- und besonders unter den 


Absatzferkeln, die den Besitzer schließlich zum Verzagen bringen 
und ihm die Produktion hinreichenden eigenen Nachwuchses ganz 
unmöglich machen, hören nach der Impfung regelmäßig auf. 
Die Schweinehaltung wird nun für den Besitzer wieder möglich 
und rentabel; mehr verlangt derselbe nicht. Die neugeborenen 
Ferkel werden tunlichst in den ersten Tagen nach der Geburt, 
jedenfalls noch während sie bei der Mutter saugen, mit Septicidin 
-f- Rotlaufserum und darauf mit beiderlei Kulturen geimpft 
Zuchttiere, welche irgendwie der Schweineseuche oder -Pest 
verdächtig sind, werden ausrangiert und zur Mast gestellt Auf 
diese Weise habe ich in verschiedenen Wirtschaften die Schweine¬ 
seuche und Schweinepest nach und nach vollständig getilgt 
so daß auch nach dem Aufhören der Impfung mit Septicidin keine 
Verluste mehr eintrateu. In einer Wirtschaft hält dieser 
günstige Zustand bereits fast iy 2 Jahr an; allerdings muß 
der Besitzer immer auf der Hut sein, daß er sich beim Zukauf 
von Zuchttieren aus anderen Wirtschaften nicht das alte Übel 
in seinen nun ungeschützten Bestand gelegentlich wieder ein- 
schleppt. Bis zur Erreichung dieses Zieles vergeht aber der 
Regel nach 8 / 4 bis 1 Jahr. 

Schließlich will ich noch davor warnen, in Beständen, die 
mit chronischer Schweinesenche beziehungsweise auch Pest be¬ 
haftet sind, lediglich Rotlaufeerum und dito Kulturen zu ver- 
impfen. Es ist eine wiederholt beobachtete Tatsache (cfr. Mit¬ 
teilung des Kreistierarztes Simmat-Schlawe auf der Versamm¬ 
lung des Tierärztlichen Vereins für den Regierungsbezirk Köslin 
im Herbst 1901), daß nach der Ausführung der Rotlaufschutz- 
impfung in solchen Beständen für den Besitzer und den impf¬ 
ausführenden Tierarzt höchst unangenehme Verluste im An¬ 
schluß an die Rotlaufimpfung «intreten; Es seheint, als ob 
durch das Rotlaufserum eine höhere Virulenz der Schweine¬ 
seuche- beziehungsweise der Schweinepestbakterien im Körper 
der infizierten Schweine hervorgerufen wurde. 

Bei gleichzeitiger Verwendung von Rotlaufserum -f- Sep¬ 
ticidin habe ich diese üblen Zufälle in derartig infizierten 
Schweineherden nie beobachtet. 

Unter den obwaltenden Verhältnissen verdient mein Ver¬ 
fahren jedenfalls solange Beachtung und Nachprüfung, als 
nicht durch weitergehende gesetzliche Bestimmungen (Anordnung 
der Tötung etc.) oder durch Erfindung anderer, sicher wirkender 
Impfstoffe die Eindämmung der Seuchen ermöglicht wird. Ob 
das polyvalente Schweineseucheserum bei der Schweinesenche 
und Schweinepest mehr und besseres leistet als das Septicidin, 
weiß ich aus eigener Erfahrung sicher noch nicht. Kürzlich erst 
vorgenommene Impfangen damit gestatten noch kein ab¬ 
schließendes Urteil. 

Länger darf die Veterinärpolizei diesen Krankheiten nicht 
bloß in der bisherigen negativen Weise zu Leibe gehen, denn 
die Sperre und Desinfektion allein versagt hierbei. Das Übel 
ist allen bisherigen Maßnahmen zum Trotz im Zunehmen be¬ 
griffen, und sofern nicht in einer der obenerwähnten Richtungen 
eine Lösung gefunden wird, steht in absehbarer Zeit eine ren¬ 
table Schweinefleiscbproduktion seitens der Landwirtschaft in 
Frage. Als ein bedenkliches Zeichen ist es zu betrachten, daß 
diese Seuchen auch bereits in bäuerliche, d. h. kleine Bestände 
eingebrochen sind, während mir bis vor etwa zwei Jahren in 
hiesiger Gegend Schweineseuche beziehungsweise Schweinepest 
in kleinen Beständen noch nicht zu Gesicht gekommen 
waren. 


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18. Juni 1908. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


408 


Wann hebt man nun in Beständen, die mit Schweineseuche, 
Schweinepest oder mit beiden Krankheiten behaftet sind, die 
Sperre auf? 

Die verschiedene Beantwortung dieser Frage hat in den 
interessierten Kreisen der Viehbesitzer und der beamteten Tier¬ 
ärzte schon häufig böses Blut erregt. Theoretisch ist die Antwort 
sehr einfach. Die Sperre wird aufgehoben, wenn die Schweine¬ 
seuche -f- Schweinepest völlig erloschen ist und die Desinfektions- 
arbeiten zweckmäßig ausgeführt sind. 

In Beständen, die keinem Schutz- beziehungsweise Heil¬ 
impfungsverfahren unterworfen wurden, pflegt die Seuche 
erfahrungsgemäß Jahr und Tag unter dem neugeborenen oder 
durch Zukauf erworbenen Tiermaterial weiter zu wuchern, 
während Tiere, die bereits ein Alter von 4—6 Monaten erreicht 
haben, häufig keine Krankheitaerscheinungen intra vitam erkennen 
lassen und auch oft gut gedeihen beziehungsweise zunehmen. 
Ein Erlöschen der Seuche ist in solchen Fällen ohne Impfang 
nur durch die gänzliche Ausrottung des Bestandes und umfang¬ 
reiche bauliche, sowie Desinfektionsmaßnahmen im Stalle zu 
erreichen. Dazu werden sich wegen der enormen Kosten nur 
wenige Besitzer verstehen. Andererseits würden Besitzer derart 
verseuchter Herden durch die jahrelange Aufrechterhaltung der 
zur Zeit vorgeschriebenen Sperrmaßregeln sicher wirtschaftlich 
ruiniert werden, weil aus gesperrten Gehöften die Ausfuhr fetter 
Schweine zum Zwecke sofortiger Abschlachtung nur im besonderen 
Bahnwagen und mit Einwilligung der Polizeibehörde des Heimats- 
wie des Schlachtortes zulässig ist Nur die allergrößten Güter 
werden aber auf einmal einen ganzen Waggon fettet Schweine 
abgeben können. Alle anderen Güter müssen auch für wenige 
Schweine die teure Fracht für den ganzen Waggon oder die 
relativ noch ungünstigere Stückfracht zahlen. Eine sehr große 
Zahl der im Osten gemästeten Schweine geht nun nach dem 
Zentralviehhof Berlin, und nach dem dort geübten Brauche werden 
Schweine ans verseuchten Gehöften im Polizeischlachthause 
geschlachtet Die Berliner Händler zahlen nun usancegemäß 
für solche von ihnen als minderwertig angesehenen Schweine 
ganz erheblich geringere Preise. Der hiesige Händler seiner¬ 
seits nutzt die Zwangslage des Verkäufers sehr häufig auch noch 
auf das rigoroseste aus, so daß der hiesige Besitzer unter solchen 
Umständen seine Schweine zur Hälfte des sonst geltenden Preises 
oder noch darunter hergeben müßte. Bei dieser Handhabung 
der Bestimmungen wären die Maßregeln für den Besitzer noch 
verlustbringender, wie die Seuche selbst Es würden hierdurch 
sehr erhebliche Beträge an Nationalvermögen vernichtet, ganz 
abgesehen davon, daß ein Veterinärbeamter, der die Best immung en 
in so rigoroser Form handhaben wollte, seines Privaterwerbes 
mit Sicherheit verlustig gehen würde. 

Es wird daher jetzt, sofern bei der betreffenden Unter¬ 
suchung keine offensichtlichen Erscheinungen der Krankheit 
mehr warnehmbar sind, die Sperre aufgehoben, um dem Besitzer 
die Ausfuhr seiner Fettschweine zu ermöglichen. Dies ist der 
Schweineseuche und Schweinepest gegenüber eine Vogel-Strauß- 
Politik, die überdies den Veterinärbeamten gar zu leicht in 
Konflikte mit den Viehbesitzern des Kreises oder mit seinem Ge¬ 
wissen bringt. Die Aufrechterhaltung der Sperre bis zum völligen 
Erlöschen der Krankheit, insoweit es sich um den Verkauf von 
Zuchttieren, Ferkeln und Läufern aus verseuchten Beständen 
handelt, erscheint aber um so mehr gerechtfertigt 

Durch diese drei vorbezeichneten Schweinesorten wird näm¬ 


lich am häufigsten der Ansteckangsstoff in andere Bestände 
verschleppt, und es kann der beamtete Tierarzt mitunter merk¬ 
würdige Erfahrungen machen, wie wenig Rücksicht manche 
Landwirte in dieser Hinsicht auf ihre Berufsgenossen nehmen. 

Dagegen mnß es den Besitzern gestattet werden, schlacht¬ 
reife Ware zum Zwecke sofortiger Abschlachtung aus seinem 
Schweinestall unbeschränkt ausführen zu können, denn ein 
Fettschwein verwertet jedermann nutzbringend nur zum Schlachten. 
Durch diese Schweine wird auch der Ansteckangsstoff nicht in 
andere Bestände verschleppt, denn wer selbst Schweine hält, 
kauft sich nicht fette Schlachtschweine, und eine Weiter¬ 
verbreitung unter den zusammengebrachten Beständen der 
Schlachthöfe ist bei der kurzen Zeit bis zur Schlachtung auch 
recht unwahrscheinlich, da Fettschweine nach meinen Er¬ 
fahrungen nur geringe Neigung zu diesen Erkrankungen zeigen. 
Eine Abänderung der Vorschriften in dem von mir oben 
skizzierten Sinne soll für die in einigen Jahren zu erwartende 
Novelle zum Viehseuchengesetz in Aussicht genommen sein. Es 
wäre aber dringend zu wünschen, daß die Vorgesetzten Dienst¬ 
behörden je eher desto besser, die freie Ausfuhr schlacht¬ 
reifer Schweine aus Beständen, die wegen Schweineseuche 
(bezw. auch Schweinepest) gesperrt bleiben müssen, gestattet. 

Es ist das auch ein kleines Mittel, um einen bestehenden 
und leider sich mehrenden Notstand unserer heimischen Vieh¬ 
wirtschaft zu beseitigen. Ob unmittelbar vor der Ausfuhr eine 
amtstierärztliche Untersuchung solcher Fettschweine stattflnden 
soll, ob man die Waggons, in denen solche Schweine zur 
Schlachtstätte transportiert werden, der Polizeibehörde des 
Schlachtortes avisiert, damit eine Wiederausfuhr aus dem be¬ 
treffenden Schlachtviehhofe unmöglich gemacht wird, das alles 
sind Fragen, deren Lösung ohne übermäßige Schwierigkeiten 
erfolgen wird, wenn man sich nur erst dazu versteht, mit dem 
bisherigen System zu brechen, das theoretisch richtig, in der 
Praxis aber für den Viehbesitzer ungeheuer verlustbringend wird. 


Referate. 

Studien Aber den Echinococcus alveolaris s. multi¬ 
locularis. 

Histologische Untersuchungen von N. Melnikow-Raswedenkow. 
(Mit 6 Tafeln und 94 Figuren im Text). Beitrag zur pathologischen 
Anatomie und allgemeinen Pathologie von Prof. Dr. Ziegler- 
Freiburg i. Br. Jena 1901. 

Den parasitären Charakter des Echinococcus alveol. 
früher „Alveolärcolloid“- oder „Colloidkrebs“ benannt, festgestellt 
zu haben, ist bekanntlich ein Verdienst Virchows. Nach dieser 
Entdeckung entstand nun die Frage: Wie kommt diese eigen¬ 
artige, beim Menschen so bösartig verlaufende Infektion zu 
stände? 1. Sind die Bläschen das Produkt einer massenhaften, 
wiederholten Invasion? oder 2. sind sie durch äußere Knospung 
aus einer oder wenigen Matterblasen hervorgegangen? Für die 
Bejahung der letzten Frage entschied sich Virchow und nach 
ihm die meisten Autoren. 

Die nun anftauchende Frage, ob die Taenie des Echino¬ 
coccus alveol. identisch sei mit der des Echinococcus 
hydatidosus (Sieboldi) beantwortete Virchow durch die Be¬ 
hauptung, die Verschiedenheit des anatomisch - pathologischen 
Bildes komme dadurch zu stände, daß die Gewebe der einzelnen 
Individuen verschieden reagierten. 


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404 


Die Fütterungsversuche, die von einer Anzahl Autoren zur 
Lösung dieser Frage angestellt wurden, haben wenig Positives 
ergeben, da der Darminhalt der Versuchshunde vorher nicht 
untersucht wurde. Im übrigen dürfte durch die Tatsache, daß 
beide Echinococcusarten nicht sowohl bei denselben Individuen 
als auch in denselben Organen derselben Vorkommen, die 
Virchowsche Annahme erschüttert sein (Huber, Zemann). 

Der Verfasser nun, der sich jahrelang mit der Histologie 
der Alveolärechinokokkengeschwulst beschäftigt hat und dabei 
über ein überaus reichhaltiges Material von Menschen und Tieren 
verfügte, kommt zu Resultaten, die, wenn sie einer Nachprüfung 
standhalten, eine neue Biologie dieses interessanten Parasiten 
bedeuten würden. 

Diese Resultate sind kurz zusammengefaßt folgende: 

1. Der aus dem Darm mit dem Blut verschleppte Embryo 
bleibt in dem Lumen eines Pfortaderastes der Olissonschen 
Kapsel stecken und wandelt sich in einen „Chitinknäuel“ um. 

2. Dieser Knäuel bohrt sich mittels Fortsätze in die 
Gefäßwand. 

3. Aus einer Protoplasmaschicht, die sich innerhalb wie 
außerhalb der Chitinsubstanz befindet (im Gegensatz znm 
Echinococcus hydat., der nur innerhalb seiner Chitinhülle 
eine ProtoplasmaBchicht besitzt!) scheiden sich ab: a) Embryonen 
mit dünner Membran, b) Embryonen mit dicker Kapsel c) Scolices. 

IV. Die mit amöboider Beweglichkeit versehenen Embryonen 
emigrieren und werden wiederum zu Chitinknäueln, die neue 
Embryonen produzieren, oder zu sterilen Bläschen. 

V. Die Embryonalsubstanz produziert ein Toxin, das eine 
ähnliche Wirkung zeigt, wie die pflanzlichen Parasiten infek¬ 
tiöser Granulome. 

Also der Echinococcus alveol. wäre demnach wesentlich 
von dem Echinococcus hyd. Sieboldi zu unterscheiden. Er 
würde, wie der Verfasser sagt, ein Parasit sein, der sich „nach 
dem Typus der Trematodenklasse vermehrt“ und eine „Über- 
gangsBtufe zwischen Cestoden und Trematoden“ darstellt. 

Daß die zahlreichen früheren Untersucher dieser Tatsache 
nicht auf die Spur gekommen sind, erklärt sich der Autor da¬ 
durch, daß man versäumt habe, die peripheren mehr intakten 
Partien, sowie die metastatischen Herde genau zu untersuchen 
und daß man zu sehr in dem Glauben an die unbedingte aus¬ 
schließliche Notwendigkeit eines Zwischenwirtes befangen war. 

Im übrigen betont Verfasser die Identität des Tier- und 
Menschenechinococcus und weist hier auch darauf hin, auch 
Ostertag sei der Meinung, daß die Taenie des Alveolär¬ 
echinokokken eine besondere Art darstelle. 

Fütterung8verBucbe hat Melnikow nicht gemacht, da es 
ihm an frischem Material fehlte und die Scolices dieser Finne 
sehr raBch absterben. Leo Scheben-Marburg. 

Untersuchungen über die Muskulatur des trächtigen 
Rinderuterus. 

Von C. J. Rab. 

(Inaug.-DiHsert. Utrecht 1003.) 

R. bespricht in seiner besonders für die Geburtshilfe sehr 
interessanten und geschickt abgefaßten Arbeit, welche auf Ver¬ 
anlassung von de Bruin-Utrecht entstanden ist, die Ver¬ 
änderungen des trächtigen Uterus. Wie bekannt, erleidet der¬ 
selbe Umgestaltung seiner räumlichen Ausdehnung und Textur. 
Am meisten wird hiervon die Mukosa betroffen; indessen unter¬ 
liegt auch die Muscularis uteri einer erheblichen Evolution. 


No. 25. 

Über die genaueren Vorgänge bei letztgenanntem Akt gingen 
bisher die Ansichten auseinander, im großen und ganzen neigte 
man neuerdings zu der Annahme, daß die enorme Ausdehnung 
des genannten Organes bedingt bezw. ermöglicht werde durch 
Hypertrophie (Größenzunahme) und Hyperplasie (Vermehrung) 
der zelligen Muskelelemente, sowie durch vermehrtes Wachstum 
des lockeren Bindegewebes. 

Als Untersuchungsmaterial dienten Uteri gravid! vom Rinde, 
zur Vergleichung solche des Pferdes, Kameles und Hirsches, 
sowie Gebärmuttern des nicht trächtigen Rindes. Es wurde 
Länge und Breite der durch Salpetersäure isolierten Muskel¬ 
zellen gemessen und deren Zahlen in Form von Kurven in 
Tabellen eingetragen. Ferner gelangten Schnittpräparate behufs 
Eruierung der Karyokinese oder chromatolytischer Vorgänge 
zur Untersuchung. 

Auf Grund seiner Forschungen kommt R. zu folgendem 
Resultat: 

1. Während der Gravidität nimmt bei der Kuh die Dicke 
der Muscularis uteri ab. 

2. Während der Evolution des Uterus und besonders deut¬ 
lich nach dem 5. Monat der Trächtigkeitsperiode bildet die 
longitudinale Muskelzellenschicht keine zusammenhängende Muskel¬ 
schicht mehr über das ganze Horn, wie solches im nichtträchtigen 
Zustande der Fall ist, sondern besteht hauptsächlich aus zwei 
platten, breiten Streifen. 

3. Während des Evolutionsprozesses des Uterus geht in der 
Muscularis uteri des Rindes eine Hypertrophie von Muskelzellen 
vor sich. Diese Hypertrophie erreicht ihren Höhepunkt im 
5. und 6. Monat der Trächtigkeitsperiode. 

4. Im 7., 8. und 9. Monat der Gravidität findet man in der 
Muscularis uteri des Rindes keine Muskelzellen, welche die des 

5. und 6. Monats an Länge übertreffen. 

5. Während der Trächtigkeitsperiode findet in der Muscularis 
uteri des Rindes keine Hyperplasie von Muskelzellen statt. 

Dr. J. Schmidt-Dresden. 

WochenAbersicht Aber die medizinische Literatur. 

Von Dr. Jets-Charlottenburg, 

Krelltierarzt. 

Deutsche medizinische Wochenschrift No. 22, 1903. 

Über ein für menschliche Plazenta spezifisches Serum; von 
Dr. Liepmann. Die Plazentaaufschwemmung enthält die dem 
Blutserum und anderen menschlichen Zellarten eigenen Eiwei߬ 
substanzen. Außerdem aber noch besondere, ihr spezifische 
Eiweißbestandteile. 

Deutsche, medizinische Wochenschrift No. 23, 1903. 

Ueber einen Fall von Kopftetanus mit seltener Ätiologie 
von Dr. Albert Schütze. In die Baracken des Instituts für 
Infektionskrankheiten wurde eine Frau aufgenommen, welche 
eine krampfhafte Spannung der Kiefermuskulatur hatte und 
welche sich diesen Tetanus der Kopfmuskulatur dadurch zu¬ 
gezogen hatte, daß ein Pfau sie in die Stirne gebissen hatte, 
wobei ein Stück des Schnabels abgebrochen war. Von dieser, 
in der Wunde befindlichen, abgebrochenen Schnabelspitze war 
dann der Tetanus ausgegangen. 

Praktische Erfahrung über Ernährung mit PeBninmilch; von 
Dr. Levy. 

Von den Höchster Farbwerken wird nach Angabe 
v. Dungerns, unter dem Namen Pegnin, ein an Milchzucker 
gebundenes, steriles Labferment in den Handel gebracht. Es 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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18. Juni 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 405 


hat den Zweck, die Sänglingsmilch, wenn sie in den Magen 
kommt, nicht in groben Klampen, sondern feinflockig znr Ge¬ 
rinnung zu bringen. 

Fortschritte der Medizin No. 6. 

Über Innere Desinfektion; von Stern, v. Leyden-Festschrift. 
Durch die Verabreichung von größeren Dosen von Menthol 
gelingt es die Keimzahl des Darminhaltes zu verringern. 

Dieselbe Ztschr. No. 11. 

Die Serumbehandlung des Scharlachs; von Dr. Scholz. Die von 
Moser in Karlsbad empfohlene Serumbehandlung des Scharlachs 
ist nach den Versuchen des Verfassers einer Nachprüfung im 
Großen sehr zu empfehlen. Einstweilen verbietet der hohe 
Preis und die Schwierigkeit der Beschaffung eine umfangreichere 
Prüfung. 

Über eine neue Blutfärbung; von Dr. Laporter. Man verfertigt 
sich eine halbprozentige Lösung von gepulvertem Jennerschen 
Farbstoff (Grübler) in Mercks C. P. Methylalkohol, ohne diese 
Lösung zu filtrieren. Dann verdünnt man' einen Teil UnnÄsche 
Polychrommethylenblaulösung mit 150 Teilen destillierten 
Wassers. Man nimmt das Deckgläschen in eine Kornetpinzette 
und läßt 5 Tropfen Jennersche Lösung auf die Schichtseite 
fallen, nach einer Minute werden, ohne die Jennersche Lösung 
za entfernen, 10 Tropfen der verdünnten Polychrommethylen¬ 
blau-Lösung hinzugefügt. Durch Hin- und Herbewegen der 
Pinzette vermischt sich die Lösung auf dem Deckgläschen 
innig, man beläßt die Farblösung 5 Minuten. Nun spült man 
schnell mit destilliertem Wasser ab. Während einer Minute 
wird das Präparat in eine Essigsäurelösung (1 Tropfen 
50 prozentigenEssigsäure auf 300 ccm Wasser) getaucht bis es röt¬ 
lich aussieht, dann spült man in Wasser ab und trocknet. Man 
sieht dann die roten Blutkörperchen blaßrosa. Die Kerne der 
weißen, wie der roten Blutkörperchen sind leuchtend karmin¬ 
violett. Die neutrophilen Granula sind hellviolett gefärbt, die 
eosinophilen Körnungen sind kupferrot, die Mastzellengranulation 
tief metachromatisch blau. Das Protoplasma der großen und 
kleinen Lymphozyten ist blaß - hellblau, der Körper der 
Malariaparasiten ist blau, das Chromatin von leuchter Nuance. 
Deutsche Medizinal-Zeitung 1903 . No. 18. 

Tod durch Maden, von Henneberg. In der Berliner 
medizinischen Gesellschaft teilt H. am 18. Februar 1903 
folgenden Krankheitsfall mit: Am 13. Oktober 1902 war ein 
20-jährigeB Mädchen in die Charite eingeliefert, welches 
sich in einem höchst verwahrlosten Zustande befand. Die 
Haare waren zu einem Weichselzopf verfilzt. Kopf und 
Gesiebt, äußere Gehörgänge waren mit Maden dicht besetzt, 
welche fest in der Haut saßen und die Kopfhaut stellenweise 
ge8chwürig verändert hatten. Die Patientin starb in der 
folgenden Nacht. Es stellte sich nachträglich heraus, daß es 
sich um eine geistig minderwertige Person gehandelt hatte, 
welche wochenlang im Freien kampiert hatte. Ein Geschwür 
der Kopfhaut reichte bis aufs Periost. Es handelt sich um die 
Made von Lucilia caesar, der grünen Schmeißfliege. 

Dieselbe Zeitschrift. No. 41. 

Impftuberkulose beim Menschen. Professor Lassar stellte 
in der Medizinischen Gesellschaft vom 13. Mai 1903 einen 
Tierarzt vor, welcher seit Monaten mit experimentellen Unter¬ 
suchungen über Rindertuberkulose beschäftigt ist. Derselbe 
mußte zur Gewinnung von Schleim den Tieren sehr häufig mit 
der Hand ins Maul und in den Rachen fahren und verletzte 


sich hierbei an den Händen. An diesen verletzten Stellen auf 
dem Handrücken sind typische Knoten von Taberkulosis cutis 
entstanden. 

Zentralblatt für Bakteriologie, Parasitenkunde. 33. Band. Heft No. 9. 

Vergleichende Untersuchungen über Antistreptokokkensera 
nebst einigen Bemerkungen über die Kultur und Virulenz der 
Streptokokken von Sommerfeld. 

S. bat das Antistreptokokkenserum, von Aronson, das 
Serum von Tavel, welches er von der Serumgesellschaft zu 
Landsberg a. W. bezog, von Roux, aus dem Institut Pasteur 
und schließlich das Serum von Moser und Paltauf aus Wien 
untersucht und gefanden, daß gegen hochvirulente Stämme die 
Sera vonRoux undTavelüberhaupt nicht schützen, daß dagegen das 
Serum Aronson selbst noch in Mengen von 0,0002 gegen die 
100fache tötliche Dosis einen Schutz verleiht. Das Serum 
Roux und Tavel hat im Tierversuch weder gegen hoch noch 
wenig virulente Stämme einen Schutz gezeigt. Das Serum 
Moser verhielt sich verschieden, während das Serum Aronson 
dem Wiener Serum weit überlegen war. 

Über die agglutinierende Eigenschaft der Galle von Dr. Arnold 
Cantani. 

Die Entdeckung Kochs, daß bei der Rinderpest der Galle 
eine schützende Fähigkeit innewohnt, hat hervorragendes Auf¬ 
sehen hervorgerufen. Verfasser hat folgendes ermittelt: Normale 
Galle von Kaninchen, Meerschweinchen, sowie Ochsengalle 
besitzt auf die meisten Bakterien keine agglutinierenden Eigen¬ 
schaften; sehr geringe Agglutinationswerte zeigt dagegen Hunde¬ 
galle. Die Galle von Tieren, die an einer Infektion eingegangen 
sind, zeigt keine agglutinierende Wirkung auf Bakterien, des¬ 
gleichen die Galle von den Tieren, die eine einzige Infektion 
von Typhus-, Koli- oder Influenzabazillen überstanden haben. 
Nur wenn die Injizierte Bakterienmenge eine sehr große ist, 
kann hier und da ausnahmsweise Agglutination eintreten. Bei 
den gegen die obengenannten Bakterien immunisierten Tieren 
besizt die Galle eine ziemlich stark ausgeprägte agglutinierende 
Wirkung, die aber dem Agglutinationswerte des Serums von 
demselben Tiere weit unterstellt ist. 

Tagesgeschlchte. 

Die Allgemeine Ausstellung für hygienische Milch¬ 
versorgung in Hamburg. (2.—12. Mai 1903). 

Von 

Dr. med. vet. Stödter. 

Polizoitlerarzt. 

(Fortsetzung.) 

Die vom Hygienischen Institut der Königlichen Tier¬ 
ärztlichen Hochschule zu Berlin ausgestellte Sammlung von 
Lehrgegenständen ist ebenso wie die von Herrn Polizeitierarzt 
Glage mit außerordentlichem Fleiß und peinlichster Sorgfalt an¬ 
gefertigte und von der bakteriologischen Station des hamburgischen 
Veterinärwesens ausgestellte Sammlung kranker Milchproben und 
pathologisch-anatomischer Präparate, unter welch letzteren nament¬ 
lich die Euterpräparate allgemeine Bewunderung bervorrufen, mit 
der Großen Silbernen Staats-Medaille ausgezeichnet. Die gleiche 
wohlverdiente Auszeichnung wurde Herrn Professor Happich 
vom Kaiserlichen Veterinär-Institut in Dorpat zu teil, 
welcher innerhalb der tierärztlichen Abteilung eine mustergültige 
Sammlung bakteriologischer Demonstrationsobjekte aus dem Gebieto 
der Milchkunde zur Anschauung bringt. Die hamburgische Veterinär¬ 
polizei erhielt für ihre Zusammenstellung von Desinfektionsapparaten, 
Desinfektionsmitteln und WasBerversorgungsanlagen und fiir die 


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406 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 25. 


Ausstellung derjenigen Arzneistoffe, welche die Milch u. U. beein¬ 
flussen, ein Ehrendiplom; auch die bamburgischen botanischen 
Staatsinstitute wurden für ihre mustergültige Ausstellung schädlicher 
Futterpflanzen, die namentlich das Interesse der Landwirte in 
hohem Maße wachruft, durch ein Ebrendiplom ausgezeichnet. 

An den Wänden der tierärztlichen Abteilung sehen wir eine 
große Zahl von Bakterien-Tafeln, die nach den Angaben von 
Herrn Polizeitierarzt 6läge von Künstlerhand ausgeführt sind. 
Herr Kollege R ae b i ge r- Halle hat außer einem größeren 
statistischen Material sehr hübsche Präparate von Lungenseuche 
ausgestellt; Herr Dozent Kräl-Prag bringt eine sehr sehenswerte 
Sammlung der für das Rind pathogenen Mikroorganismen zur 
Anschauung. Auch dieser Sammlung wurde von den Preisrichtern 
ein Ehrendiplom zuerkannt. Von Herrn Kreistierarzt Dr. Jeß- 
Charl Ottenburg ist ein Milchuntersuchungsbesteck für Polizei¬ 
beamte, das von der Firma H. Hauptner-Berlin angefertigt 
wurde, ausgestellt und seitens der Jury mit einem Geldpreis von 
M. 100.— prämiiert. Noch vieles andere stellt sich in der tier¬ 
ärztlichen Abteilung dem Auge des Beschauers in übersichtlicher 
und geschmackvoller Gruppierung dar; es würde aber zu lange 
dauern, wenn wir gleich heute alles eingehend durchmuBtern 
wollten; wir müssen am nächsten Tage wieder in die Ausstellung 
gehen, denn jetzt ist es Zeit, daß wir uns für den Senatsempfang 
vorbereiten. — — 

Zum Sonnabend abend hatte E. H. Senat der freien und Hanse¬ 
stadt Hamburg das Ausstellungskomitee, die Aussteller, Preisrichter 
und fremden Delegierten in die Festhalle des Rathauses zu einem 
Empfang gebeten, bei welchem auch das Präsidium und Mitglieder 
der Bürgerschaft aus allen Fraktionen, sowie die mit der Aus¬ 
stellung in näherer Beziehung stehenden bamburgischen Persönlich¬ 
keiten, im ganzen etwa 500 Teilnehmer, anwesend waren. 

Unter erwartungsvoller Stille nahm auf der Estrade des Senats- 
Gestühls Herr Bürgermeister Dr. Burchard das Wort zu einer 
formvollendeten Begrüßungsrede, in welcher er zunächst den Zweck 
und das Ziel der Ausstellung erörterte und dann folgendermaßen 
fortfubr: 

In grauer Vorzeit schon wurde das Land gerühmt, das an nährender, 
kräftiger Milch reich und ergiebig sich erwies. Hamburg ist, wie ich 
fürchte, in bezng auf hygienische Milchversorgung als „gelobtes Land“ 
noch nicht zn bezeichnen. Mögen die der hente eröffneten Ausstellung 
zn verdankenden Anregungen auch unserer Stadt zu gute kommen. 
Möge die Wichtigkeit der in der Ausstellung verkörperten Ideen von 
immer weiteren Kreisen erkannt werden, zu Nutz und Frommen der 
Allgemeinheit Dann kennzeichnet auch diese Ausstellung einen nicht 
unerheblichen Fortschritt auf dem Gebiete der Hygiene, der Volksernährung 
und damit der Kultur. 

Sie aber, meine geehrten Herren, die Sie zum Teil aus weiter Ferne 
in Anlaß des Ausstellungswerkes nach Hamburg gekommen sind, mögen, 
wenn Sie in die Heimat zurückkehren, freundliche Eindrücke aus der 
alten Hansestadt hinwegnehmen und gern an die bei uns verlebten 
Maitage zurückdenken. Wir danken unseren Gästen, insbesondere den 
auswärtigen Herren, daß sie unserer Einladung gefolgt sind, um nach 
ernster Arbeit den Abend in anregendem Gedankenaustausch mit uns 
zuznbringen und neue Kräfte zu sammeln für das morgige Tagewerk. 
Der Senat heißt seine Gäste in diesen festlichen Räumen nochmals auf 
das Herzlichste willkommen. 

Nach der folgenden lebhaften Beifallskundgebung nahm Herr 
Wirkl. Geh. Ober-Regierungs-Rat Dr. Thiel, Ministerialdirektor im 
kgl. Preuß. Ministerium für Landwirtschaft in Berlin, das Wort: 

„Obgleich ich nicht die Ehre habe, dem Ausstellungskomitee anzu¬ 
gehören,“ so begann der Redner etwa, „ist mir doch der ehrenvolle 
Auftrag geworden, für den liebenswürdigen, ungezwungenen Empfang 
den Dank der Versammlung auszusprechen. Vielleicht hat man dazu 
nicht einen Hamburger gewählt, weil man einen solchen Dankesredner 
als befangen hätte ablehnen können. So ist es mir denn eine wirkliche 
Herzensfreude, vom Standpunkt der Landwirtschaft das Lob Hamburgs 
zu singen. Von allen deutschen Städten hat der Name Hamburgs in 
der Landwirtschaft den besten Klang. Eine eigentümliche Erscheinung 
ist es, daß eine Stadt wie Hamburg, deren Interessen naturgemäß vor¬ 
wiegend auf dem Wasser liegen, immer so viel für die Landwirtschaft 
getan und übrig gehabt hat. Wer länger zurückdenken kann, weiß, wie 
wohl es den deutschen Landwirten immer in Hamburg gewesen ist, 
nicht eben bloß wegen der guten Natural Verpflegung, sondern auch wegen 
der großen Sympathie, die der Landwirtschaft von den Behörden und 
der Bevölkerung in Hamburg stets entgegengebracht worden ist. Eine 
ganze Reihe großer landwirtschaftlicher Ausstellungen in Hamburg 
hatten alle einen guten Erfolg. Deshalb möchte ich der Stadt Hamburg 
den Dank der Landwirtschaft abtragen für alles, was sie ihr bereits 


geleistet hat. Die heutige Ausstellung ist freilich kein rein landwirt¬ 
schaftliches Unternehmen, denn auf ihrem Gebiet vereinigen sich die 
städtischen mit den landwirtschaftlichen Interessen. Die Landwirtschaft 
ist an der Milchversorgung der Städte finanziell und materiell ganz 
ungemein interessiert. Ein Blick auf die graphischen Darstellungen 
in der Ausstellung läßt erkennen, einen wie großen Anteil die 
Milchprodukte am ganzen Wert der landwirtschaftlichen Produktion 
haben; ihr Wert ist fast ebenso groß wie der der Getreideproduktion. 
Deshalb ist es auch für die Landwirtschaft selbst von 
größtem Interesse, ein gesundes Milchprodukt zu liefern, 
wodurch der Konsum naturgemäß erhöht wird. Die 8tadt hat 
wieder das Interesse, sie recht billig zu erhalten, aber wer keinen 
ordentlichen Preis anlegt, kann auch keine erstklassige Ware 
bekommen. (Heiterkeit.) Im eigensten Interesse der Stadt liegt es, 
gute Milch zu haben, weil auf gesunder und reichlich gelieferter 
Milchnahrung die Zukunft der Nation beruht. Sind doch die Mütter 
leider immer weniger ln der Lage, ihre Kinder selbst zu nähren. Die 
große Rolle der Milch bei der Verbreitung der Infektions¬ 
krankheiten legt die peinlichste -Kontrolle über die 
Qualität nahe. Deshalb war es ein glücklicher Gedanke, in 
Hamburg diese Ansstellung zu veranstalten, die nach meiner Über¬ 
zeugung nach den verschiedensten Richtungen wertvolle Anregungen 
bringen wird. Das kolossale Anwachsen der großen Städte hat neue 
Bedürfnisse in bezug auf die Milchversorgung gezeitigt, und auch 
die Produktion hat sich sehr geändert. Der direkte Verkehr vom 
Produzenten zum Konsumenten hat aufgehört, und neue Maßregeln 
zur praktischen Verteilung sind nötig geworden. Alle diese Fragen 
wollen gelöst sein, und jede gelöste trägt wieder neue Fragen im 
Schoße. 8o glaubte man eine Zeitlang, durch Sterilisierung der Milch 
alles getan zu haben; die modernen Physiologen sind aber der Ansicht, 
daß auf die Dauer nichts ungesunder sei, als der Genuß von sterilisierter 
Milch. Man wird also Mittel suchen müssen, die schädlichen Lebe¬ 
wesen in der Milch zu vertilgen und die dabei mit zu Grunde ge¬ 
gangenen verdauungsförderlichen durch neue zu ersetzen. Welche Fort¬ 
schritte man also auch heute gemacht zu haben glaubt, man wird immer 
wieder einseben, daß man immerfort von neuem anfangen muß. Deshalb 
bin ich auch überzeugt, daß dies nicht die letzte Ausstellung auf diesem 
Gebiet sein wird, und hoffe zuversichtlich, daß jede spätere in Hamburg 
gleiches Interesse und gleiche Förderung bei den Behörden und der 
Bevölkerung Anden wird. Den Dank, der uns heute erfüllt, lassen Sie 
mich znsammenftisBen in den Rnf: Die „Freie und Hansestadt Hamburg 
lebe hoch! hoch! hoch!“ 

In die kräftigen Hochrufe mischten Bich die Akkorde deB Liedes 
„Stadt Hamburg an der Elbe Auen“. 

Herr Bürgermeister Dr. Burchard ersuchte dann die Gäste, 
zwanglos zu Tisch zu gehen, um einen Imbiß einzunehmen, bei dem 
die Gäste bis gegen 11 Uhr verweilten. 

Nach dem Verlassen des Rathauses begaben sich die beim 
Empfang zugegen gewesenen Tierärzte nach dem am Alsterbassin 
herrlich belegenen Alsterpavillon, woselbst man noch beim Glase 
Bier in schönster Kollegialität ein Stündchen verplauderte. 

Der Morgen des 3. Mai wurdo von den meisten in Hamburg 
anwesenden Kollegen wieder der Ausstellung gewidmet Ich bitte 
auch den geneigten Lese-, mir wieder in das Ausstellungsgebäude 
zu folgen. In der tierärztlichen Abteilung fesseln die von der 
Firma Leitz aufgestellte Kollektion von Mikroskopen und die von 
Herrn Domänenpächter Runge aus Mecklenburg veranschaulichten 
Resultate des nach Prof. Bangs Methode auf der Domäne Warbende 
durchgeführten Tuberkulose-Tilgungsverfahrens noch unsere Auf¬ 
merksamkeit. Dann wenden wir uns zu dem Nebenraum II, dem 
Reiche der Nahrungsmittel-Chemiker, woselbst alle die Apparate 
und Reagentien ausgestellt sind und demonstriert werden, welche 
bei der Untersuchung der Milch in Frage kommen. Ein Chemiker 
demonstriert gerade den gespannt lauschenden Zuhörern die ver¬ 
schiedenen Untersuchungsmethoden der Milch. Wir wollen nicht 
stören und geben wieder in die Haupthalle der Ausstellung zurück. 
Dort sehen wir, wie das Publikum besonders einen Teil der Aus¬ 
stellung umlagert. Als wir glücklich durch die Menschenkette 
gelangt sind, liegt das über Nacht berühmt gewordene „Galalith“ 
vor uns. Galalith ist ein neues, hornartiges, nicht brennbares und 
absolut geruchloses Produkt, welches aus dem Käsestoff der 
Magermilch (Casein) hergestellt und zu den verschiedenartigsten 
Gebrauchsgegenständen verarbeitet wird. Es läßt sich ebenso wie 
Horn verarbeiten und eignet sich vorzüglich für Drechslerarbeiten. 
Wir sehen in der Ausstellung außer rohen Galalitbplatten aus¬ 
gezeichnete, aus Galalith angefertigte Imitationen von Horn, Schild¬ 
patt, Elfenbein, Celluloid, Hartgummi, Bernstein, Koralle und 
Marmor. Durch diese Erfindung wird der Landwirtschaft voraus¬ 
sichtlich ein neues Absatzgebiet für Magermilch geschaffen, dessen 


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18. Juni 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 407 


Größe und Bedeutung sich vor der Hand noch gar nicht ab- 
schätzen lassen. 

Außer diesem interessanten Präparat sehen wir in der Haupt¬ 
halle die verschiedensten Gegenstände ausgestellt: Hilchzentrifugen, 
Transport- und Gebrauchsgegenstände für milchwirtschaftliche 
Zwecke, Trockenluft-Eisschränke, Pasteurisierapparate, Milchkoch¬ 
apparate und viele andere milchwirtschaftliche Gegenstände. 
Da die Milch, ehe sie in die Hände der Händler und Konsumenten 
gelangt, gewöhnlich einem längeren Transport unterzogen werden 
muß, so ist auch flir diesen Zweig durch die Vorführung von 
Tran Sportwagen Sorge getragen. Es sind deren mehrere vorhanden, 
die sich durch eine ganz praktische Konstruktion auszeichnen. Weil 
nicht jeder Händler im Besitze von Pferden ist, so hat man auch 
für Handwagen Sorge getragen und einige sehr leicht zu bewegende 
und mit dichtem Verschluß versehene ausgestellt. 

Unter der großen Zahl der Meierei- und Molkerei-Maschinen 
befinden sich in größerer Anzahl Butter- und Butterknetmaschinen, 
Milcbpumpen und sonstige, im Meiereibetriebe benutzte Maschinen. 
Sind diese Gegenstände hauptsächlich für den Transport und die 
Bearbeitung der Milch in ihrem Naturzustände oder nach erfolgtem 
Umwandelungsprozeß bestimmt, so zeigt eine größere Anzahl ver¬ 
schiedener maschineller Einrichtungen die zweckmäßigste Art der 
Reinigung der benutzt gewesenen Gefäße, einerlei ob Eimer, Kannen 
oder Flaschen. 

In einer besonderen Abteilung wird von mehreren Ausstellern 
eine Reihe von vollständigen Milchverkaufsläden, wie sie für den 
Klein- und den Großbetrieb hier und in anderen Städten eingerichtet 
sind, teils in Zeichnungen, teils in natura vorgeführt Hier hat 
auch der Zentralverein der Milchhändlervereine von Hamburg und 
Umgegend ein sehr hübsch ausgestattetes Milchgeschäft ausgestellt, 
das nicht nur durch sein sauberes Aussehen einen freundlichen 
Anblick gewährt, sondern wo auch dem müden Ausstellungs¬ 
wanderer von zarter Hand ein Glas, vorzüglicher Milch kredenzt wird. 

Weiterhin sehen wir die verschiedensten Milchpräparate, kon¬ 
densierte, sterilisierte und pasteurisierte Milch, insbesondere auch 
solche Präparate, welche die Haltbarkeitsprobe durch eine Tropen¬ 
reise bestanden haben. Neu scheint von diesen verschiedenen 
Präparaten Dr. Eberhards Milchfleischextrakt zu sein, das nach 
Art der altbekannten Fleischextrakte zu Suppen usw. benutzt 
werden soll. Auch die sogenannte homögenlsierte Milch dürfte 
noch wenigen bekannt sein. Das Homogenisieren der Milch ist 
von Gaul in in die Praxis eingeführt und bezweckt, die Milch auf 
mechanischem Wege so zu behandeln, d. h. die Fettkügelchen so 
unendlich fein zu verteilen, daß kein Ausbuttern und Aufnahmen 
mehr erfolgt.- 

Wir lassen uns schnell noch ein Glas homogenisierter Milch 
einschenken und konstatieren, daß der Geschmack dieser Milch 
ganz vorzüglich ist. Dann besteigen wir einen der bereitstehenden 
vierspännigen Wagen, um bei dem schönen Wetter mit den übrigen 
„Milchhygienikern“ zusammen an der Exkursion nach Hohenbüchen 
tcilzunehmen, woselbst die Mustermilchwirtschaft des Herrn Lippert 
heute, unter Führung von Herrn Kollegen Dr. Gröning, besichtigt 
werden kann. — (Fortsetzung folgt.) 

Dresden. 

Dem Rektor der tierärztlichen Hochschule ist der Rang 
der III. Klasse und den Professoren der Rang der IV. Klasse 
der kgl. Hofrangordnung verliehen worden. 

Ansstellung der deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft zu Hannover. 

Seine Majestät der Kaiser wird am 18. Juni in Hannover 
eintreffen und die Ausstellung besichtigen. 

Der Verband der Privattierärzte hat als Zusammenkunfts¬ 
ort das Hotel Hannover (nicht Hannovers) in der Joachimstraße 
gewählt. 

Schlachthofdirektor Koch teilt mit, daß Anmeldungen zum 
Festessen nur bis zum 17. angenommen werden können. 


Auf der Ausstellung wird eine öffentliche Versteigerung 
von Zuchtrindern im großen Ring des Ausstellungsplatzes am 
20. Juni, morgens 7 Uhr, stattfinden, nachdem dies im Voijahre 
zu Mannheim zum ersten Male versucht worden war. 

Die Vereinigung deutscher Schweinezüchter hält am Sonn¬ 
abend, den 20-, vormittags 10 Va Uhr, in der tierärztlichen 
Hochschule zu Hannover eine Versammlung ab, bei welcher 
Gäste willkommen sind. Die Teilnehmer werden gebeten, ihre 
Namen in die aufliegende Liste einzutragen. Es werden sprechen 
Ökonomierat Upmeyer über Haltung und Mast der Schweine 
in Molkereien, Ökonomierat Oetken und Wanderlehrer Zolli- 
kofer über Entwickelung der Schweinezucht in Oldenburg und 
Hannover. 

Anfrage. 

Sind die Apotheker verpflichtet (wie solche im Rheinland 
Tierärzten gegenüber erklärten), alle Rezepte, gleichviel, ob sie 
von approbierten Tierärzten oder Pfuschern herrühren, anzu¬ 
fertigen und zu verabfolgen? 

Antwort: Es kann nicht nur nicht von einer derartigen 
Verpflichtung, sondern nicht einmal von einer Berechtigung der 
Apotheker hierzu die Rede sein. Die durch Bundesratsbeschluß 
vom 2. Juli 1891 für das Reich geschaffenen „Vorschriften, be¬ 
treffend die Abgabe stark wirkender Arzneimittel, sowie die 
Beschaffenheit und Bezeichnung der Arzneigläser und Stand¬ 
gefäße in den Apotheken“, lauten in § 1 folgendermaßen: „Die 
in dem beiliegenden Verzeichnis auf geführten Drogen und Prä¬ 
parate, sowie die ' gotyhe Drogen oder. Präparate enthaltenden 
Zubereitungen dürfen nur auf schrifliche, mit Datum und Unter¬ 
schrift versehene Anweisung (Rezept) eines Arztes, Zahnarztes 
oder Tierarztes — in letzterem Falle jedoch nur zum Gebrauch 
in der Tierheilkunde — an das Publikum abgegeben werden.“ 
— Ein Ministerialerlaß vom 4. Dez. 1891 bringt diese Vor- 
schrift nochmals besonders in Erinnerung. Er lautet: „Arze- 
neien, welche nicht von approbierten Ärzten verschrieben sind, 
dürfen nur dann angefertigt werden, wenn dieselben lediglich 
aus solchen Mitteln bestehen, welche auch im Handverkauf ab¬ 
gegeben werden dürfen.“ 

Tiereeuohenstand In Deutschland am 31. Mai. 

Der neue Lungenseuchenherd im Regierungsbezirk Bromberg 
(je eine Gemeinde in den Kreisen Gnesen und Witkowo) besteht 
noch. Die Maul- und Klauenseuche findet sich in Preußen nur noch 
in drei Regierungsbezirken, wovon Marienwerder und Arnsberg nur 
mit in einer Gemeinde, Koblenz mit vier Gemeinden in zwei Kreisen 
beteiligt ist. Etwas stärker ist die Seuche noch im Süden verbreitet, 
nämlich in drei bayerischen Regierungsbezirken (Oberfranken eine, 
Schwaben drei und Oberbayern fünf Gemeinden), in drei württem- 
bergischen Kreisen (Neckar-, Schwarzwald- und Jagstkreis mit zu¬ 
sammen vier Gemeinden), ferner besteht sie in je einer badischen, 
elsässischen, lothringischen Gemeinde und in Birkenfeld (Oldenburg) — 
Rotz und Schweineseucben zeigen keine wesentlichen Veränderungen 
(vergl. B. T. W. No. 23, S. 376). 

Antwort. 

Herrn Tierarzt T. in C. G.: Der Bürgermeister kann, wenn er 
dies nicht aus freien Stücken tut, nicht veranlaßt werden, dem 
angestellten Laien die Fleischbeschau zu entziehen und sie dem 
sich niederlassenden Tierarzt zu übertragen. Ein Eingreifen anderer 
amtlicher Stellen ist nicht zu erreichen. 

Entgegnung. 

Mit Rücksicht auf die Angaben von Jeß über die Priorität 
des Nachweises von Fleischverfälschungen (B. T. W. 1903, No. 23), 
erlanbe ich mir, die Leser dieser Wochenschrift hinzuweisen auf meine 


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408 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 25. 


ausführliche Arbeit in der Deutschen Tierärztl. Wochenschrift „Zur 
historischen Entwicklung meines forensischen Verfahrens zum 
Nachweis von Blut und Fleisch mit Hilfe spezifischer Sera'*. Es 
heißt dort am Schluß der Arbeit: 

Meine am 7. November 1901 in der Deutschen medizinischen 
Wochenschrift erschienene Arbeit: „Die Unterscheidung des Fleisches 
verschiedener Tiere mit Hilfe spezifischer Sera und die praktische An¬ 
wendung der Methode in der Fleischbeschau“ beginnt denn auch mit 
dem Hinweis auf die bereits am 25. Juli 1901 von mir publizierte An¬ 
gabe, daß der spezifische Blutnachweis in den verschiedensten l 1 /, Jahre 
lang ausgetrockneten Organen von Schweinen positiv ausgefallen und 
diese Tatsache eigentlich schon für den Fleischnachweis beweisend 
gewesen sei. Daß dies nun in der Tat auch unter allen in der Praxis 
in Betracht kommenden Verhältnissen der Fall war, zeigt nun auch 
diese Arbeit in evidenter Weise. Hier wurden von mir aus den Blut- 
differcnzierungsversuchen und dem Nachweis der Herkunft der alten 
ausgetrockneten Organe die praktischen Konsequenzen zum erstenmale 
und ln ausgiebiger Weise gezogen. Zum erstenmale wurden hier ein¬ 
gehende Versuche publiziert, welche für die Fleischbeschau von grund¬ 
legender Bedeutung waren. 

Es konnte auf Grund von Experimenten gezeigt werden, daß ein 
mit Schweineblnt vorbehandeltes Kaninchen nur in einem Schweine- 
fleischanszuge, ein mit Katzenblut vorbehandeltes Kaninchen nur in 
einem Auszuge aus Katzenfleisch einen Niederschlag erzeugte. Es 
wurden zum erstenmale spezifische Sera für den praktischen Hammel¬ 
und Pferdefleischnachweis angegeben und auf die eventuellen Verwandt¬ 
schaftsreaktionen (Pferde- und Eselfleisch, Hanuuel-, Ziegen- und 
Rindfleisch) eingehend hingewiesen; es wurde zum erstenmale 
die Wichtigkeit der Methode zur Untersuchung von Hackfleisch 
auf Beimengungen von Pferde-, Hunde- und Katzenfleisch aus¬ 
führlich erörtert. Es wurde ferner auf Grund eingehender Ver¬ 
suche zum erstenmale auf die für die Fleischbeschau hochwichtige 
Tatsache hingewiesen, daß der spezifische Nachweis auch noch 
gelingt in Räucherwaren, wie zum Beispiel Schinken. Es gelang 
mir zum erstenmale, in verschiedenen, bis zu 1 Jahr alten geräucherten 
Pferde- und Schweineschinken die Herkunft derselben zu ermitteln. 
Ebenso gelang es mir zum erstenmale, durch die spezifische Reaktion 
die Herkunft von Pferdemettwürsten und sonstigen Würsten festzu¬ 
stellen, falls nicht die reaktionsfähigen Eiweißkörper, wie bei der Leber¬ 
wurst, durch den Kochprozeß verändert waren. Nach eingehender 
Besprechung der Technik heißt es dann am Schluß: „Ob die Reaktion 
noch intensiver wird, wenn man für die Vorbehandlung der Kaninchen 
statt des Blutes einen Fleischauszng der betreffenden Tiere oder auch 
beides verwendet, mUssen weitere Untersuchungen lehren.* 4 

Wie aus diesen Ausführungen ohne weiteres ersichtlich ist, hat 
Jeß von diesen für die Fleischbeschau grundlegenden Versuchen in 
Hamburg (September 1901) Überhaupt noch nichts gewußt — jedenfalls 
hat er nichts davon gesagt. 

Meine Arbeit vom 7. November 1901 hat also zum ersten¬ 
male den Sachverständigen eine Methode in die Hand ge¬ 
geben, wie sie für die Fleischbeschau nutzbringend ge¬ 
worden ist, denn sie hat auf Grund der schon im Juli 1901 ver¬ 
öffentlichten Tatsache von dem Nachweis von Schweineorganen nach 
eingehenden, auf dieser Tatsache basierenden Versuchen zum ersten¬ 
male gezeigt, daß die Erkennung von Fleischverfälschungen in frischen 
und geräucherten Fleischwaren mit Hilfe spezifischer Sera gelingt. 

Dr. Uhlenhuth. 


hältnissen und bei chirurgischen Erkrankungen. Inang. -Diss. 
(Gießen, vereinigte med. Fak.). 48 Seiten. Druck von R. Enzig, 
Stuttgart. 

Heinrich Szerdahelyi, Tierarzt nnd Hörer der Landwirtschaft! 
Akademie zu Magyar Ovar: Alkaloid-Intoxikation beim Pferde nnd 
Einiges an das Reicbskriegsministerinm. Gedruckt in M.-O. bei 
Czeh. 1903. 

Verhandlungen des Landwirtsohaftsrates von Elsaso-Lothringen. 

Session 1902. Straßburg, gedruckt bei Du Mont Schauberg 1903. 


Personalien. 

Auszeichnungen und Ernennungen: Dem kgl. bayerischen Landes¬ 
tierarzt Oberregierungsrat Göring wurde bei seinem Aasscheiden 
aus dem Staatsdienst das Ritterkreuz des Verdienstordens der 
bayerischen Krone verliehen. Der bisherige kgl. Landesderzucht- 
inspektor Dr. Vogel zu München wurde zum Landestierarzt mit dem 
Range der Regierungsräte ernannt — Prof. Dr. Hofer- München er¬ 
hielt den russischen St. Annenorden III. K! — Der Senat der 
Universität Bern hat anläßlich der Einweihung des neuen Hoch¬ 
schulgebäudes den Direktor der Tierärztlichen Hochschule zu München, 
Albrecht, und den Direktor der Landwirtschaftsschale in Lausanne, 
Tierarzt Dr. phil. Bieter zu Ehrendoktoren der Veterinärmedizin 
ernannt. — Roßarzt Paul Müller , bisher im 2. Garde Ulan.-R., wurde 
zum komm. Kreistierarzt für Preuß.-Eylau, R.-B. Königsberg, ernannt 
und der bisherige Inhaber dieser Stelle, Kreistierarzt Arnheim , in 
gleicher Eigenschaft auf die durch Tod des Kreistierarztes Müggen¬ 
burg erledigte Kreistierarztstelle Grimmen im R.-B. Stralsund 
versetzt. 

Wohnsitzveränderungen, Niederlassungen : Dr. Rößler, bisher Assistent 
und Vertreter des Vorstandes der chirurgischen Klinik in Stuttgart, 
nach Eßlingen als Vorstand des städt. Fleischechauamtes, Tierarzt 
A. Heinen von Grevenbroich nach Homberg a. Rhein verzogen. 

Examina: Promoviert wurde der oben genannte Tierarzt 
Dr. Rößle von der vereinigten medizinischen Fakultät der Universität 
Gießen zum Dr. med. vet.; desgl. von der veterinärmedizinischen 
Fakultät zu Bern die Herren Oskar Albrecht und J. von Dorßen. 
Das Examen für beamtete Tierärzte haben in Berlin 
bestanden die Herren Bahr , int. Kreistierarzt zu Carthaus, 
Krickendl, int. Kreistierarzt zu Därkehmen, Oppermann, Repetitor 
zu Hannover und die prakt. Tierärzte Günther- Gotha, Berger• 
Müncheberg und Hasselmann zu Crone a. d. Brahe. Dasselbe 
Examen bestand in Dresden Dr. Ewald Weber, städt. Tierarzt zu 
Leipzig. — Approbiert wurden die Herren: Joseph Hoffmann, 
Gustav Knoll und Jakob Wirdemann in München, sowie Hermann 
Nitxschke, Paul Benult, Richard Raupach, Carl Mogwitx in Berlin. 


Bücher&nzeigen. *) 

Neue Eingänge (Besprechung Vorbehalten). 

Dr. Schwarz, Schlachthofdirektor: Bau, Einrichtung und Betrieb 
ttffentiicher Schlacht- und Viehh'dfe. Ein Handbuch für Sanitäts- und 
Verwaltungsbeamte. Dritte, neubearbeitete und Btark vermehrte 
Auflage; 950 Seiten Großoktav, mit 400 Abbildungen, 6 Tafeln und 
vielen Tabellen. Berlin, bei Julius Springer, 1903. Preis 24 M. 

Karl Haack, Tierarzt in Höchst im Odenwald: Vergleichende 
Untersuchungen über die Muskulatur der Gliedmaßen und des 
Stammes bei Katze, Hase und Kaninchen. Aus dem Anat. Institut 
zu Dresden. Inaug.-DisB. (Bern). 56 Seiten mit 3 Tafeln. Druck 
von Beyer & Söhne in Langensalza. 

Albert SchöndorfT, Tierarzt aus Mülheim a. Ruhr: Über den 
Farbenwechsel bei den Forellen; ein Beitrag zur Pigmentfrage. 
Aus dem Zoolog. Institut der Universität Bern. Inaug.-Diss. (Bern, 
phil. Fak.). 38 Seiten mit 2 Tafeln. Gedruckt bei Harald Jensen 
in Bern. 

Albert Rössie, Tierarzt in Eßlingen: Untersuchungen über das 
Verhalten der Leukocjfen-Zabl im Pferdeblut unter normalen Ver- 

*) Von den eingesandten Büchern werden hierunter Titel usw. mit¬ 
geteilt Eine Verpflichtung zu eingehender Besprechung wird jedoch 
nicht übernommen; dieselbe bleibt Vorbehalten. Die Redaktion. 


Vakanzen. 

S. a. No. 23. 

Dortmund: Schlachthof-AssiBtenztierarzt 2400 M. Meldungen 
schleunigst. 

Buk: Niederlassung gewünscht. Auskunft erteilt das Land¬ 
ratsamt Grätz i. Posen. 


Anatomisches Institut zu Berlin. 

Die Stelle des Assistenten am anatomischen Institut der tier¬ 
ärztlichen Hochschule zu Berlin wird zum 1. Oktober oder 1. Sep¬ 
tember frei. Mit derselben ist neben freier Wohnung eine Remune¬ 
ration von 1000 M. verbunden. Bewerbungen sind zunächst privatim 
an mich zu richten. Prof. Dr. Schmaltz. 

Betr. Burgstädt In Saohsen. 

In No. 23 der B. T. W. (erste Seite des Aunoncenumschlags) 
sucht ein Herr W. einen Tierarzt zu veranlassen, sich in Burgstädt 
im Königreich Sachsen niederzulassen. Hierzu bemerke ich, daß 
ich in Burgstädt wohne und daß jene Annonce, deren Angaben betr. 
des möglichen Einkommens ganz unzutreffend sind, von einem 
Herrn erlassen ist, der sich mit mir verfeindet hat und der selbst 
(von einem Jagdhund abgesehen), nicht einmal Tierbesitzer ist. 

Max Ublemann, Tierarzt 


Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmaltz in Berlin. — Verlag nnd Eigentum von Richard Schoctz in Berlin. — Druck von W. Büxenstein, Berlin. 


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Dl« .Berliner Tierärztliche Wochenschrift* erscheint 
wöchentlich Im Verlage ron Richard Scboeta ln 
Berlin, Laleenitr. 36. Durch Jedes deutsche Postamt wird 
dleeelbe rum Preise »on M. 5,— vierteljährlich (M. 4,88 fOr 
dl« Wochenschrift, 1> Pf. Ihr Bestellgeld) frei ins Haus 
geliefert. (Deutsche Post-Zeltungs-Preisliste No. 1109, 
Oesterreich Ische No. 510, Ungarische No. 90.) 


Berliner 


Origtnalbeltr&ge werden mit 10 Hk. für den Bogen honoriert. 
Alle Manuskript«, Mitteilungen und redaktionellen An¬ 
fragen beliebe man au senden an Prof. Dr. Scbmalts, 
Berlin, tleritätliche Hochschule, KW, Luisen«trasse 66. 
Korrekturen, Resenslons-Rxemplare and Annoncen da¬ 
gegen an die Verlagsbuchhandlung. 


Tierärztliche Wochenschrift 


Redaktion: 

Professor Dr. Schmaltz-Berlin 

Verantwortlicher Bedaktenr. 


De Bruta 

Dr. Jess 

KBhnan 

Dr. Lothes 

Nevermann 

Prof. Dr. Peter 

Peters 

Professor 

Krelstierarst 

Sehlachthofdlrektor 

Departemenutierarst 

Krelstierarst 

Krelstierarst 

Dspart em entstierarat 

Utrecht 

Charlottenburg. 

Cöln. 

Cöln. 

Bremervörde. 

Angermünde. 

Bromberg. 


Preusse 

Dr. Boeder 

Dr. Schlegel 

Dr. Vogel 

Zündel 



Veterinärassessor 

Profauor 

Professor 

Land«s-Insp. t. Tiersucht Krelstierarst 



Danzig. 

Dresden. 

Freibnrg i. Br. 

München. 

Mülhausen i. 

E. 


Jahrgang 1903. 


JI2 26« Allsgegeben am 25. Juni. 


Inha 11 : Sehlegel: Zur LungenaktinomykoBe. — Engelmann: Über das Vorkommen von Fett im kryptorchidischen und 
normalen Hoden. — Referate: Willis: Über Obturatorparalyse. — Hennig: Zwei Fälle von primärem Karzinom der 
äußeren Geschlechtsteile beim Pferde. — Jeß: Wochenübersicht über die medizinische Literatur. — Tagesgeschlohte: Stödter: 
Die Allgemeine Ausstellung für hygienische Milchversorgung in Hamburg. (2.—12. Mai 1903). (Fortsetzung und Schluß). — 
Verschiedenes. — Bücheranzeigen. — Personalien. — Vakanzen. 


Zur Lungenaktinomykose. 

Von 

Prof. Dr. M. Schlegel. 

(Aua dem Tierhygienischen Institut der Universität Freiburg L Br.) 

Das Vorkommen der Lungenaktinomykose ist bislang beim 
Menschen, Rind, Schwein nnd Schaf beobachtet worden. Der 
Entstehung nach unterscheidet man prim&re und sekundäre 
Lungenaktinomykose; erstere ist selten und tritt lediglich im 
Anschlüsse an Inhalationen pilzhaltigen Staubes in einen 
Bronchialbaum auf; sie geht daher stets von den Bronchien 
ans. Die sekundäre Lungenaktinomykose hingegen ist nament¬ 
lich beim Menschen und Rinde keine Seltenheit; sie ist beim 
Menschen wegen der progressiven Erweichung des erkrankten 
Lungengewehes gefürchtet und kommt zufolge Propagation prä¬ 
vertebraler Prozesse vor, indem dieselben auf die Brustwandungen 
nnd durch pleurale Adhäsionen auf das Lungengewebe über¬ 
greifen; auch bei Verwachsungen zwischen retroperitonealen 
Phlegmonen oder zwischen Leberaktinomykose und dem Zwerch¬ 
fell dringt zuweilen der Prozeß in die unteren Lnngenlappen 
ein. Die sekundäre Lungenaktinomykose des Rindes entsteht 
zumeist nach dem Durchbrach primärer Aktinomykome im Be¬ 
reiche der oberen Verdauungs- und Luftwege (Aktinomykome 
der Lippen, der Kiefer, Backen, Zunge, des Schlundes, Rachens) 
und entwickelt sich nach Aspiration der in die Luftwege ent¬ 
leerten Aktinomyceskeime. Die Lungenaktinomykose kann 
ferner emholischen Ursprungs sein. Von 15 durch Rasmnssen 
untersuchten, mit Lungenakatinomykose behafteten Ochsen litten 
14 d. s. 93,33% && sekundärer Lungenaktinomykose, während 
nur ein Rind primäre Lungenaktinomykose aufwies.*) 

Im nachstehenden will ich der Öffentlichkeit einen Fall 
von sekundärer Lungenaktinomykose eines zweijährigen Kuh¬ 
rindes, bei welchem sich aus einem unter der Parotis im peri¬ 
pharyngealen Gewebe gelegenen, aktinomykotischen Abszesse 
die pilzhaltige Eitermasse in den Rachenraum entleerte nnd in 

*) Alles weitere hierüber s. in meiner zusammenfassenden Arbeit 
über Aktinomykose im Handbuch der pathogenen Mikroorganismen 
(Fischer-Jena). 


die vorderen Lnngenlappen aspiriert wurde, zur Kenntnis bringen. 
Dieses Rind stammt von einem hochgelegenen Spessartort mit 
teilweise sumpfigem Wiesengelände, and dasselbe soll za Lebzeiten 
keinerlei Krankheitserscheinnngen gezeigt haben.*) 
Pathologisch-anatomischer Befund: 

a) des aktinomykotischen, snbparotideal in der 
Rachenwand gelegenen, der Rachenhöhle zngekehrten 
Herdes; derselbe hat die Form eines flachhöhlenartigen Ge¬ 
schwüres, welches 5 cm im Durchmesser nnd 2 cm in der Tiefe 
hält; dasselbe ist von einer 2 cm dicken, mächtigen Binde- 
gewebslage, in welche zahlreiche, gelbgefleckte Herdchen ein¬ 
gesprengt sind, amschlossen; der Geschwürsgrand ist unregel¬ 
mäßig zerfressen, bnchtig, z. T. zerfetzt und von dichtstehenden, 
stecknadelkopfkleinen, gelbroten Granulationen besetzt; in den 
aktinomykotischen Prozeß der Geschwürskapsel ist eine an¬ 
liegende, tanbeneigroße, bindegewebig indurierte Lymphdrüse 
hereingezogen; dieselbe ist etwa zur Hälfte durch den Prozeß 
zerstört, während die Schnittflächen des vorhandenen Teiles von 
vielen linsen- bis erbsengroßen, teilweise erweichten, gelben 
Knötchen durchsetzt sind, in welchen sich zahlreiche Pilzdrasen 
vorfinden; eine Verkäsung oder Vereiterung hingegen weist 
dieser Teil der Lymphdrüse nicht auf; eine weitere, in der 
Nähe dieses Herdes gelegene, durch Schwellung vergrößerte 
Lymphdrüse ist frei von Knötchen and Pilzdrasen. Der &n das 
Geschwür angrenzende Teil der Ohrspeicheldrüse befindet sich 
zwar im Zustande einer chronischen indurativen Entzündung, 
jedoch zeigt dieselbe nirgends aktinomy ko tische Veränderung. 

b) der Lungen, von welchen nur die beiden Vorderlappen 
aktinomykoti8ch erkrankt sind, während die mittleren und 
hinteren Lappen verschont blieben. Die beiden Vorderlappen 
sind stark vergrößert, unförmlich aufgedunsen, ihre Ränder 
stark abgerundet, insbesondere ist die mittlere nnd untere 

*) Die Präparate fraglichen geschlachteten Rindes (Halsstück 
mit der Abszeßhöhle und Lunge) sowie anamnestische Mitteilungen 
über den Fall verdanke ich der freundlichen Einsendung des Herrn 
BezirkstierarzteB Hammer in Wertheim. 


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410 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 26. 


Partie beider Vorderlappen infolge vorhandenen Emphysems, 
Atelektase and Induration in ein teils aufgeblähtes, teils schwielig- 
starres Lungengewebe umgewandelt, in welches die Aktinomykome 
eingelagert erseheinen. Im ganzen sind die Vorderlappen 
anämisch und weiß, in der Umgebung größerer Herde dagegen 
hyperämisch, dunkelrot infiltriert. Die Konsistenz beider Vorder¬ 
lappen ist daher bald hart, bald elastisch, je nachdem bei der 
Palpation im Lungenparenchym Knoten oder lufthaltiges Gewebe 
befühlt wird. 

Die Pleura ist über den knotigen Stellen schwartenartig 
verdickt, grauweiß, mit Pseudoligamenten besetzt, während in 
der Umgebung dieser Stellen die Pleura 'in dünnere Binde- 
gewebszüge und florartige Trübung ausläuft; hier befinden sich 
sehr zahlreiche, subpleurale, grauweiße, miliare Knötchen, welche 
namentlich häufig in der näheren, aber auch entfernteren Um¬ 
gebung der großen, halbkugelig oder zapfenförmig über die 
Lungenoberfläche prominierenden Knoten verstreut liegen. Die 
Schnittflächen der Vorderlappen zeigen in prägnanter Weise 
Stecknadelkopfkleine, oder linsen-, erbsen-, wallnuß- bis eigroße 
aktinomykotische Knötchen und Knoten*). Etwa in der Mitte 
eines jeden Vorderlappens befinden sich ferner zwei hühnerei- 
große aktinomykotische Kavernen, welche, umschlossen von 
mächtigen Bindegewebskapseln, eine gelbgraue, erweichte bis 
flüssige, eiterartige Masse und sehr zahlreiche Aktinomyces- 
druBen enthalten. Andere aktinomykotische Veränderungen der 
Schnittflächen stellen mehr] knotige, bohnengroße Herde mit 
starker Bindegewebslage umgeben dar; dieselben sind im 
Lungenparenchym bald dicht nebeneinander gelagert, bald mehr 
isoliert unter der schwielig-verdickten Pleura gelegen und 
schieben letztere zapfenförmig über die Lungenoberfläche vor. 
In nächster Umgebung genannter Herde gruppieren sich erbsen¬ 
große, graugelbe, im Zentrum deutlich erweichte Knötchen in 
geringer Anzahl. In der Nachbarschaft dieser Prozesse finden 
sich in großer Anzahl die kleinsten, miliaren, grauweißen bis 
grauroten, getrübten Aktinomycesknötchen, welche derb und im 
Zentrum nicht wahrnehmbar erweicht sind; sie liegen im re¬ 
spiratorischen, im interlobulären und lobulären Gewebe, sowie 
um Bronchien und Gefäße, weitaus am zahlreichsten aber um 
die größeren Aktinomycesherde herum und finden sich von 
hier aus an Zahl abnehmend im umgebenden Lungengewebe 
verstreut. 

Zu der enormen Biudegewebsneubildung um die großen 
Aktinomycesherde herum sind auch die Interstitien, das lobuläre, 
interlobuläre und interalveoläre Gewebe in Mitleidenschaft ge¬ 
zogen; dasselbe partizipiert an der Bindegewebszubildung so 
mächtig, daß sämtliche Interstitien der befallenen Lnngenpartie, 
wie die Kapseln der Aktinomycesknoten, bis centimeterdicke, 
grauweiße bis weiße, harte, sehnige Narbenstränge darstellen, 
welche noch weit in die Nachbarschaft ausstrahlen und den er¬ 
krankten Lungenlappen die steife, bimsteinähnliche Beschaffen¬ 
heit verleihen helfen. 

Die im Bereiche der am stärksten veränderten Erkrankungs¬ 
herde gelegenen Bronchien und Bronchiolen nehmen an diesem 
Entzündungsprozeß erheblichen Anteil, indem die Wandungen 
derselben auf den Querschnitten als grauweiß und stark verdickt 

*) Vergl. auch die einen Halbierschnitt eines aktinomykotischen 
Lnngenlappens darstellende, in meiner Arbeit über Aktinomykose 
im Handbuch der pathogenen Mikroorganismen publizierte Ab¬ 
bildung Fig. 8, welche diesem Lungenaktinomykosefall entstammt. 


auffallen. Mehrere Bronchien mittleren Grades sind mit mörtel- 
ähnlichen, aktinomykotischen Massen pfropfartig angefüllt, ihre 
Wände von dem aktinomykotischen Prozeß durchbrochen nnd 
erweicht, deren Umgebung stark bindegewebig induriert; andere 
Bronchien in der Nähe größerer Aktinomykoseherde sind mehr 
oder weniger komprimiert und deren Endgebiet stark emphyse¬ 
matos bezw. atelektatisch. Selbst die Gefäßwände und deren 
Umgebung sind in der befallenen Lungenpartie durch den 
chronischen Entzündungsprozeß sklerosiert und komprimiert. 
— Die den Lungen zugehörigen Lymphdrüsen erscheinen nicht 
verändert. 

Pathologische Histologie der Lungen. 

Nachdem die Aktinomyceskeime von dem nach innen durch- 
gebrochenen Rachenaktinomykom in den Bronchialbaum aspiriert 
waren, so setzte der Entzündungsprozeß an der Innenwand der 
Bronchien, der Bronchiolen und Alveolen ein; das Epithel der 
Schleimhäute derselben wucherte zum Teil, während dasselbe an 
anderen Stellen desquamiert erscheint, sodaß die Aktinomyces- 
drusen ihr Wurzelgeflecht und die Ausläufer der Strahlenschicht 
bequem in die aufgelockerte Schleimhaut und Submukosa zu 
entsenden vermochten; gleichzeitig stellte sich in den Bronchial¬ 
wänden und deren Umgebung eine heftige Rundzelleninfiltration, 
sowie eine von den Bindegewebszellen der Interstitien bezw. von 
den Epithelien benachbarter Alveolen ausgehende Proliferation 
ein, wodurch daneben befindliche Alveolen komprimiert bezw. aus¬ 
gefüllt wurden, ein Prozeß, zufolgedessen sich die miliaren 
Knötchen formierten. Die Lumina der Alveolen, der kleineren 
und größeren Bronchien sind daher bald mit desquamierten und 
teilweise degenerierten, bald aber mit gewucherten Epithelien, 
ferner mit serösem bis croupösem Exsudat, mit Erythrocyten 
und Leukocyten, in älteren Prozessen mit Fibroblasten ausgefüllt; 
in vielen Bronchien und Bronchiolen ist dieses Exsudat und 
Infiltrat als schleimähnliche, von der Innenwand zurückgezogene 
Pfröpfe zu sehen, in welchen sich überaus zahlreiche Aktino- 
mycesdrusen befanden, was schon makroskopisch an der gelben 
Sprenkelung erkennbar war. 

Im vorliegendenFall entstand dieLungenaktinomykose sekandär 
nach Aspiration der Pilze, welche aus dem entleerten Rachenakti¬ 
nomykom stammten. Die miliaren Aktinomycesknötchen bildeten 
sich in der Lunge Belbst auf aerogenem oder lymphangoitischem 
Wege, sowie ] durch Dissemination, nachdem aktinomykotische 
Herde in einen Bronchialbaum durchgebrochen waren, indem 
sodann Aktinomyceskörner aus diesen Kavernen in das Bronchial¬ 
baumgebiet der anderseitigen Lunge fortgerissen und miliare 
Aktinomycesknötchen in der Anzahl der verbreiteten Pilze ge¬ 
bildet wurden. Zahlreich haben sich ferner die Pilzkeime durch 
Dissemination in die Umgebung des Primärherdes verbreitet, 
indem dieselben von Wanderzellen anfgenommen und verschleppt 
werden; an der Haltestelle derselben entwickelten sich die Pilz¬ 
keime, die Fragmente der ursprünglichen Druse, zu einem 
Aktinomycesstock, durch dessen Einwirkung die anliegenden 
Zellen nebst deren Kernen fettig degenerieren bezw. der Nekrose 
anheimfallen. Auch vermittelst der Lymphbahn haben sich die 
Pilze in dieser Lunge verbreitet, da eine große Reihe von sub¬ 
miliaren Granulomen ihren Ausgang von den Lymphgefäßen der 
Interstitien genommen haben (interstitielle Knötchen). 

An der Stelle der Niederlassung des Aktinomyceskeimes 
formierten sich in den Alveolen kleinste Knötchen, in deren 
Centren sich meist eine prächtig asterförmige, mit deutlichen 


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25. Juni 1903. 

Keulen ausgestattete, aber kleine, gracile Aktinomycesdruse fand; 
in ihrer nächsten Umgebung erscheinen dieselben von einer 
dichten Infiltrationszone von Rnndzellen umschlossen; es waren 
hier auch Riesenzellen nachweisbar, welche als Fremdkörper- 
Riesenzellen aafzufassen sind. Rings um diesen reaktiven Ent¬ 
zündungsherd lag als Ausdruck der Wucherung des Grundgewebes 
eine Schicht von Granulationsgewebe, welches aus mono- und 
polynukleären Leukocyten sowie aus Fibroblasten mit bläschen¬ 
förmigen Kernen und aus spindelförmigen Zellen bestand; die 
Fibroblasten nahmen dabei peripherwärts zu, während die Rund¬ 
zellen im gleichen Verhältnis abnahmen; gegen die Peripherie 
zu tritt also Übergang in Bindegewebe auf; ältere Knötchen 
erschienen von viel breiterem Hof eines sklerotischen Binde¬ 
gewebes umgeben. Vielfach war nachweisbar, daß die Aktinomyces- 
knötchen in Bronchiolen entstehen; Längs- oder Schiefschnitte 
derselben zeigten im Lumen neben dem Granulationsgewebe 
Drusen, welche auf einer Seite die Wandung zu durchbrechen 
im Begriffe sind; auf der gegenüberliegenden Seite der Innen¬ 
wand erwies sich das Epithel noch gut erhalten.*) 

In den Aktinomycesknötchen griff eine starke Injektion und 
Va8kularisierung der Gefäßkapillaren Platz, welche in der 
Peripherie der Knötchen am auffälligsten hervortritt; in älteren, 
aus hartem Bindegewebe bestehenden Knötchen jedoch waren die 
Gefäße spärlich. Der histologische Bau des Aktinomycesknötchens 
unterscheidet sich demnach vom Tuberkel wesentlich: während 
im Aktinomycesknötchen die Rundzellen centralwärts und die 
epithelioiden Zellen peripherwärts liegen, ist dies beim Miliar- 
Tuberkel gerade umgekehrt, und während das Aktinomyces¬ 
knötchen überaus gefäßreich erscheint, ist der Tuberkel gefäß- 
arm; die Tendenz zum Zerfall im Zentrum der Aktinomyces¬ 
knötchen ist viel geringer und der Prozeß der Nekrose viel 
langsamer, wie beim Miliartuberkel. 

Durch Agglomeration bezw. Verschmelzung mehrerer be¬ 
nachbarter Herde entstanden große pneumonische Knoten, deren 
Zentrum durch Nekrose oder Verkäsung erweichte und in einen 
cavernösen Destruktionsherd überging, während in der Peripherie 
desselben eine enorme fibröse Bindegewebszubildung zu stände 
kam, welche solche Zerfallshöhlen gegen die Umgebung völlig 
abschloß. Die in denselben befindliche breiige Masse besteht 
aus Eiterkörperchen, zerfallenen Blutkörperchen, Fettkörnchen¬ 
zellen, freien Fetttröpfchen, elastischen Fasern und Aktino- 
mycesrasen. Die in nächster Umgebung der Aktinomyces¬ 
knötchen gelegenen Alveolarlumina waren durch Zellinfiltration 
bezw. Proliferation mehr oder weniger ausgefüllt und endlich 
wuchsen in dieselben Gefäße und fibröses Gewebe aus der 
Nachbarschaft hinein. Die Wände der Bronchien sind stark 
kleinzellig infiltriert, ebenso deren Umgebung; das Epithel ist 
abgehoben. Das interalveoläre, das interlobuläre und lobuläre 
Bindegewebe war durch seröse Exsudation und zellige In¬ 
filtration stark verbreitert und zeigte eine stärkere Gefä߬ 
injektion und Gefäßwncherung, welche teils kleinzellige, peri¬ 
vaskuläre Infiltration, teils starke Wandverdickung und Sklero¬ 
sierung aufwiesen. Vornehmlich aber führte dieser chronische 
Entzündungsprozeß im interlobulären und lobulären Bindegewebe 
zu breiten, grauweißen, sebnenartigen Narbensträngen, welche 
sich weithin in das umliegende interstitielle Gewebe und auch 

*) cf. auch die von mir im Handbuch der pathogenen Mikro¬ 
organismen veröffentlichte Abbildung Fig. 9, welche diesem Lungen- 
aktinomykosefall entstammt. 


411 


auf die Pleura fortsetzten (indurative, interstitielle Pneumonie), 
was den ganzen Prozeß zu einem typisch aktinomykotischen 
stempelte. In diese das Lungengewebe in polygonale Felder 
abteilenden, cirrhotischen Bindegewebsstränge waren sehr zahl¬ 
reiche submiliare Aktinomycesknötchen eingesprengt. 

Während man in Deutschland die Lungenaktinomykose 
bisher relativ wenig beobachtet hat, wurde in Dänemark über 
ihr öfteres Vorkommen und neuerdings in Rußland über ein 
seuchenhaftes Auftreten der Aktinomykose des Rindes gemeldet, 
wobei namentlich die Lungenaktinomykose auffallend in Er¬ 
scheinung trat. Wie Kowalewsky (Journal de möd. vet., 
Juli 1902) berichtet, wurde Aktinomykose während der Jahre 
1894—1900 im Moskauer Schlachthofe bei 55662 Rindern nach¬ 
gewiesen, worunter sich bei 491 Tieren Lungenaktinomykose 
(— 0,9 Proz.) vorfand. An allen Schlachthöfen Rußlands wurde 
die Aktinomykose während der Jahre 1897 und 1898 im ganzen 
bei 24 276 Rindern konstatiert, unter welchen 608 Fälle (d. s. 
2,5 Proz.) als Lungenaktinomykose erkannt worden sind. 


Über das Vorkommen von Fett 
im kryptorchidischen und normalen Hoden*) 

Autoreferat 

von 

Dr. med. vet. Engelmann, 

pruin. in Bern. 

Die veterinärmedizinische, sowie medizinische Literatur 
weisen viele spärliche, zum Teil sich widersprechende Angaben 
über das physiologische Vorkommen von Fett in normalen 
Hoden und solchen von Kryptorchiden, Hermaphroditen und 
Pseudohermaphroditen auf. 

Während Monod, Arthaud, Förster und Orth am 
kryptorchidischen Hoden des Menschen Atrophie beobachteten, 
erwähnt Stillin g, daß er bei einem kryptorchidischen 
Kaninchenhoden dasselbe und dazu noch eine eigenartige 
Vakuolenbildung gesehen habe. 

Andere Autoren, wie Eisler, Pütz und Zwick, be¬ 
schreiben beim kryptorchidischen Hoden des Schweines bezw. 
Hundes eine Degeneration, ohne dieselbe näher zu definieren, 
und ebenfalls jene Vakuolenbildung. 

Goubeaux, Follin, Busch und Kasselmann geben an, 
daß sie in kryptorchidischen Hoden (teils vom Menschen, teils 
von Tieren) fettige Degeneration der Samenkanälchenepithelien 
angetroffen haben; auch Reuter hat ähnliches beobachtet und 
glaubt, daß die Degeneration vielleicht eine fettige sei: 

Alle bisher genannten Autoren, die teils Fettmetamorphose, 
teils fettige Degeneration oder Atrophie und Vakuolenbildung 
gefunden haben, behaupten zwar ihre Befunde, bringen aber 
keine Beweise für ihre Annahmen. 

Zum Unterschiede von diesen hat Garth, der ebenfalls bei 
zwei hermaphroditischen Schweinen Degeneration der Samen¬ 
kanälchenepithelien fand, dieselbe als fettige Degeneration fest¬ 
gestellt, indem es ihm gelang die in den Samenkanälchen be¬ 
findlichen tropfenähnlichen Elemente mit Osmiumsäure schwarz 
zu färben. 

Auch über das Vorhandensein von Spermatozoen in solchen 
verlagerten Hoden finden sich zum Teil sehr verschiedene An¬ 
gaben in der Literatur; von ihnen möchte ich hier einige er¬ 
wähnen. 

*) Inaugural-Dissertation. Bern. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 26. 


Während Lilienfeld, Busch, Reuter, Ellinger und 
Zwick bei ihren Untersuchungen im kryptorchidischen Hoden 
Spermatozoen nie fanden, beobachtete Stilling solche nur in 
einigen wenigen Ausnahmefällen. Auch Goubeaux und Follin, 
sowie Godard und Förster fanden solche fast nie, oder doch 
nur äußerst selten. In einem von Pütz und Eisler zugleich 
untersuchten Präparate will Pütz Spermatozoen gefunden haben, 
während Eisler in demselben Präparate keine sah. 

Tempel gibt an, daß er in einem kryptorchidischen Hoden 
verkümmerte Samenfäden gefunden habe. Eine ähnliche Angabe 
macht Garth bei einem kryptorchidischen Schweinehoden, bei 
dem die fettige Degeneration nachgewiesen war. Zur Erklärung 
dieser Befunde muß folgendes hervorgehoben werden: 

Im Jahre 1895 machte Garth die interessante Mitteilung, 
daß das Fleisch von Ebern, deren Hoden zeitlebens in der 
Bauchhöhle geblieben und fettig degeneriert waren, keinen 
nrinösen Geruch wie anderes Eberfleisch zeige, daß aber das 
Fleisch von Ebern, deren Hoden nur vorübergehend verlagert 
waren und auch zeugungsfähig befunden wurden, mit urinösem 
Geruch behaftet sei. Vielleicht hat es sich in den obigen 
Fällen von Kryptorchismus mit Spermatozoenbefund, wie auch 
in dem Tempel sehen Falle, um Tiere gehandelt, deren Hoden 
nur zeitweise in die Bauchhöhle verlagert waren. 

Die von mir an zwölf Kryptorchidenhoden (5 vom Eber, 
1 vom Ziegenbock, 4 vom Pferde und 2 vom Menschen) an- 
gestellten Untersuchungen ergaben folgendes: 

Bei den Exemplaren vom Ziegenbock und Pferde fanden 
sich weder Degenerationserscheinungen noch Spermatozoen 
(jugendliche Tiere). Von den beiden kryptorchidischen Hoden 
des Menschen zeigte der eine sehr wenige pathologische Ver¬ 
änderungen, der andere dagegen ausgesprochene Atrophie und 
größeren Fettreichtum als normale Hoden; vielleicht war auch 
dieser erste Hoden nur zeitweise in der Bauchhöhle gelegen. 
Deutliche Degenerationserscheinungen dagegen traten zu Tage 
an den Kryptorchidenhoden vom Eber. Die fettige Degeneration 
fiel bei ihnen besonders auf, indem die Samenkanälchenepithelien 
bis auf spärliche Reste geschwunden waren und an ihrer Stelle 
sich Fett in großer Menge und meist sehr großtropfig vorfand. 
Auch eine sehr umfangreiche Garth sehe Sammlung von Schnitten 
aus Kryptorchidenhoden vom Schwein, Rind und Pferd wies fast 
durchweg dieselben Verhältnisse auf. 

Spermatozoen waren in keinem der von mir untersuchten 
Kryptorchidenhoden zu sehen, was sich bei den Exemplaren vom 
Ziegenbock aus der Jugend dieses Tieres mit dem damit zu¬ 
sammenhängenden Mangel an Degenerationserscheinungen er¬ 
klären läßt. Bei den übrigen verlagerten Hoden beruht der 
gänzliche Mangel an Samenfäden wohl zweifellos auf den zum 
Teil sehr hochgradigen Degenerationserscheinungen. 

Um die im vorhergehenden erwähnten Literaturangaben, 
sowie die sich daran anschließenden Untersuchungsresultate 
besser beurteilen zu können, untersuchte ich weiterhin eine 
größere Anzahl Hoden normaler Tiere und auch solche vom 
Menschen speziell auf ihren Fettgehalt und das Vorhandensein 
von Spermatozoen. Auch hier fand sich wieder bei Durchsicht 
der Literatur eine große Anzahl z. T. recht verschiedener Mit¬ 
teilungen, die ich in kurzer Erwähnung dem Resultate meiner 
eigenen Untersuchungen voranstellen möchte. 

Leydig, der Entdecker der sogenannten Zwischenzellen, 
sah zuerst beim Menschen Fett in diesen, sowie auch in den 


Tubuli des Hodens; v. Kölliker erwähnt ebenfalls in beiden 
Bestandteilen des Hodens Fett. Seine Angaben werden be¬ 
stätigt durch Henle, der übrigens das von v. Kölliker be¬ 
schriebene Fett nicht nur peripher, wie dieser, sondern auch teil¬ 
weise zentral gelegen fand. Auch v. Bardeleben spricht von 
Fett sowohl in den Tubuli, als auch im interstitiellen Gewebe. 

Über den Fettgehalt der Plasmazellen allein Anden sich An¬ 
gaben bei Hofmeister, der Hoden vom Maulwurf, Dachs, 
Kaninchen, Hengst, Stier und Eber auf Fett untersuchte und 
Osmiumsäurefärbung dabei anwandte. Derselbe Autor bemerkt, 
daß die Zwischensubstanz des Hodens nach der Geburt bis zur 
Geschlechtsreife abnehme, von da an sei wieder eine Zunahme 
derselben zu konstatieren, v. Michalkowics erwähnt den 
Fettreichtum des interstitiellen Gewebes bei Kater und Hund; 
ähnliche Angaben machen Waldeyer, Jacobson, Nußbanm 
und Toldt. Benda und Günther finden hohen Fettgehalt im 
Hoden eines brünstigen Meerschweinchens. 

Im Gegensatz zu diesen Autoren erwähnt den Fettgehalt 
nur in den Tubuli des Hodens vom Menschen Krause, der an¬ 
gibt, daß das von ihm gefundene mit Osmiumsäure geschwärzte 
Fett bei Kindern, also vor der Pubertät, spärlich feingekörnt 
und nur peripher auftrete, mit zunehmendem Alter sich ver¬ 
mehre und dann mehr nach dem Zentrum der Kanälchen zu 
gelagert sei. Böhm und v. Davidoff sahen Fett in den 
Tubuli des Rattenhodens als eine Eigentümlichkeit desselben 
an, was natürlich nicht zutreffend ist. Braß gibt in einer Ab¬ 
bildung die am Rande der Kanälchen zwischen den Zellen ge¬ 
legenen Fetttröpfchen wieder und zwar beim Hoden des Menschen, 
v. Ebner endlich beschreibt den Fettgehalt zuerst in den 
Sertolischen Zellen, später in den Spermatoblasten und zwischen 
denselben. Er entwirft so das Bild einer Fettrandung von den 
Protoplasmalappen ans zwischen die Köpfe der Samenfäden, so¬ 
dann vom Zentrum der Tubuli in den Fuß der Sertolischen 
Zellen und in gelöstem Zustand wiederum in die Protoplasma¬ 
lappen hinein. 

Während die bisherigen Angaben mit wenigen Ausnahmen 
kurz und zum Teil nicht sehr bestimmt sind, hat Plato in 
zwei umfangreichen Arbeiten sich sehr eingehend mit dem Fett¬ 
gehalt des Hodens bei Tier und Mensch beschäftigt. In seiner 
ersten Arbeit finde ich folgende Angaben: 

Während der Katerhoden interstitiell sehr früh und dort 
zuerst sehr viel Fett enthält und sich zu dieser Zeit keines in 
der Tubuli finden soll, beschreibt er beim Mäusehoden weniger 
Fett im Zwischengewebe, dagegen mehr solches und zwar in 
Randzonenstellung in den Samenkanälchen. Mit der v. Ebner¬ 
sehen Fettwanderung erklärt er sich im allgemeinen einver¬ 
standen, glaubt aber nicht, daß einmal in die Protoplasmalappen 
ausgeschiedenes Fett nach seiner Rückwanderung denselben Weg 
noch einmal nehme. Plato will ferner Kanälchen gefunden 
haben, durch die die fragliche Fettwanderung vor sich gehe. 

Seiner zweiten Arbeit entnehme ich folgendes: 

Der Hoden des Katers zeigt vom neugeborenen Tier an 
mit zunehmendem Alter ständig eine Fettzunahme. In den 
Tubuli der Hoden dieser Tiere erwähnt er kein Fett. Bei der 
Maus findet sich bei ganz jungen Tieren viel Fett inter¬ 
stitiell, keines in den Tubuli; bei älteren Tieren ebensoviel Fett 
im Zwischengewebe, dagegen in den Samenkanälchen beginnende 
Fettrandzone. Der Hund soll dieselben Erscheinungen auf¬ 
weisen. Bei Hengst und Eber und der indischen Fischotter 


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25. Juni 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


413 


beschreibt Plato wenig Fett im interstitiellen Gewebe, dagegen 
deutliche Fettrandzone. Vom Hoden des Menschen gibt er an, 
daß sein interstitielles Gewebe arm sei an Fett, und in bezug 
auf die Tubuli: 

1) daß sich eine Fettrandzone vorfindet, 

2) daß das Fett mit Ausnahme der Sertolisclien Zellen 
zwischen den Zellen liege, und 

3) daß bei Vorhandensein von zentral gelegenem Fett 
die Randzone spärlicher entwickelt sei. 

Gegen diese Ausführungen wendet nun Beißner ein, daß 
auch er zwar Fett im interstitiellen Gewebe gefunden, aber 
nirgends die von Plato geschilderten Kanälchen, die auch 
Lenhossök schon früher beobachtet habe. 

v. Ebner und Plato also besprechen eine Fettrandzone, 
und zwar glaubt v. Ebner im Gegensatz zu Plato an die 
Möglichkeit einer Rückwanderung des Fettes von den Proto- 
plasraalappen in die Fußplatten der Sertolischen Zellen. Während 
andererseits Plato für die Fettwanderung präformierte Kanälchen 
konstatiert hat, fanden v. Lenhossök und Beißner solche 
nicht. Auch bei meinen Untersuchungen konnte ich nirgends 
das Vorhandensein derselben feststellen. 

Aus der Literatur ist weiterhin ersichtlich, daß Plato eine 
Wanderung des Fettes durch Kanälchen annimmt, während 
v. Lenhossök dieselbe auf dem Wege der Diffusion und In¬ 
filtration vor sich gehen läßt und Beißner dabei an eine Art 
von Resorption denkt. 

Diesen Angaben mögen nunmehr meine eigenen Resultate 
folgen. 

Ich untersuchte im ganzen 132 Hoden und zwar 51 vom 
Schweine, 14 vom Pferde, 12 von der Ziege, 3 vom Schaf, 
20 vom Rinde, 4 vom Hunde und 28 vom Menschen. 

Die Ergebnisse sind folgende: 

A) Schwein: 

Ganz junge Tiere zeigen interstitiell viel Fett, in den 
Tubuli dagegen wenig (bis zu 4 Wochen); ältere Tiere (4 bis 
6 Wochen) wiesen viel weniger Fett auf im interstitiellen Ge¬ 
webe, mäßige Mengen dagegen in den Samenkanälchen. Bei 
Tieren über 4 Monate fand sich interstiell kein Fett, zahlreiches 
aber in den Tubuli, z. T. in Randzonenstellung. Es war also 
stets Fett vorhanden und zwar vor dem Eintritt der Geschlechts¬ 
reife und nach diesem in den Samenkanälchen. 

B) Pferd: 

Auch beim Hengste ist in der Jugend das interstitielle 
Gewebe reich an Fett, welches aus demselben zur Zeit der 
Geschlechtsreife verschwindet, um von da in die Tubuli und zwar 
in Randzonenstellung aufzutreten. 

C) Schaf und Ziege: 

Bei jugendlichen, noch spermatozoenfreien Tieren dieser 
Spezies fand sich Fett im interstitiellen Gewebe, in den Tubuli 
keines, bei älteren geschlechtsreifen dagegen das umgekehrte 
Verhältnis. 

D) Rind: 

Der Hoden dieser Tiere zeigte dieselben Erscheinungen 
wie bisher: Jugendliche Tiere enthalten kein Fett in den 
Tubuli, geschlechtreife dagegen zeigen solches; der einzige 
Unterschied liegt nur im Fettgehalt des interstitiellen Gewebes: 
Die bislang untersuchten Tierhoden wiesen alle in der Jugend 


Fett interstitiell auf, bei Rindern dagegen fand sich zwar Fett 
im interstitiellen Gewebe des embryonalen Hodens, bei ganz 
jugendlichen Tieren dagegen keines; erst bei 14 Tage alten 
und älteren Individuen zeigte sich Fett und zwar bis zur Ge¬ 
schlechtsreife, wie auch bei den seitherigen Tieren regelmäßig. 

E) Hund. 

Eine weitere Ausnahme von den seitherigen Befunden machte 
der Hund, bei dem das interstitielle Gewebe zur Zeit der Ge¬ 
schlechtsreife noch auffallend viel Fett aufwies. 

F) Mensch. 

Die Untersuchung der 28 Hoden von Menschen ergab, daß 
das Fett bei noch nicht funktionsfähigen Individuen im inter¬ 
stitiellen Gewebe, nach der Geschlechtsreife jedoch in den 
Samenkanälchen überwiegt. Eine Fettrandzone, wie sie Plato 
beschreibt, fand sich bei den Hoden des Menschen nie. 

Aus allen diesen Untersuchungsresultaten geht zur Genüge 
hervor, daß das Fett bei allen untersuchten Tiergattungen und 
auch beim Menschen als ein physiologischer Bestandteil des 
normalen Hodens angesehen werden muß. 

Zum Schlüsse möchte ich die Ergebnisse meiner Arbeit 
kurz zusammenfassen: 

I. Ältere Kryptorchidenhoden (vom Eber) zeigen eine voll¬ 
ständige Degeneration ihrer Epithelien. 

II. Hierbei findet sich in diesen degenerierten Epithelien 
ein außerordentlich großer Fettgehalt. 

HI. Derartige Hoden sind naturgemäß funktionsunfähig; 
doch ist der Mangel an Spermatozoen auf vielleicht andere 
Ursachen und nicht allein auf den Fettgehalt der Epithelien 
zu beziehen. 

IV. Sämtliche untersuchten Tiere (Eber, Hengst, Schaf- 
und Ziegenbock, Rind) sowie der MenBch enthalten in ihren 
Hoden physiologisch Fett. 

V. Dieser Fettgehalt des Hodens ist nicht an eine be¬ 
stimmte Altersgrenze gebunden, sondern findet sich ebenso bei 
Embryonen, wie bei ganz alten Individuen. 

VI. In der Regel findet sich der bei weitem größere Fett¬ 
gehalt des interstitiellen Gewebes bei jugendlichen, noch nicht 
geschlechtsreifen Individuen. 

VII. Im allgemeinen enthalten die Samenkanälchen einen 
stärkeren Fettgehalt erst zur Zeit der Geschlechtsreife. 

VIII. Es finden sich dabei Epithelien von Samenkanälchen 
mit durchaus wohlerhaltenen und gutgefärbten Kernen, häufig 
mit deutlichen Zeichen der Spermatogenese. 

IX. Es ist daraus zu schließen, daß das in den Tubuli vor¬ 
handene Fett als ein Nährstoff für die Spermatozoen aufzufassen 
ist, während 

X. das Fett des interstitiellen Gewebes als ein Nährstoff 
für die sich noch entwickelnden Samenkanälchen anzusehen ist. 

XI. Dem entspricht, daß die Samenkanälchen von der Geburt 
an bis zur Pubertät an Größe zunehmen, das interstitielle Ge¬ 
webe jedoch und speziell die Plasmazellen von der Geburt an 
bis zur Zeit der Pubertät abnehmen; von da ab bleibt das Ver¬ 
hältnis ein etwa stabiles. 

XH. Die interstitiellen Zellen fanden sich am stärksten 
beim Eber und Hengst, schwächer bei Mensch und Rind, am 
schwächsten beim Hund, Schaf- und Ziegenbock entwickelt. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 26. 


Referate. 

Über Obturatorparalyse. 

Von W. Willis, M. R. C. V. S. 

(The Veterinary Record 1903, Vol. XV, No. 761.) 

Unter vorstehender Bezeichnung hat sich der Leser eine 
Bewegungsstörung zu denken, die durch Lähmung des Nerv, 
obturatorius verursacht werden soll. 

Diese Lahmheit ist nach dem Verfasser garnicht so selten 
und soll wie Nocard (Moeller’s Handbuch, 3. Aufl., p. 592) an¬ 
gibt, dem Druck von Kallusmassen am Os pubis zuzuschreiben sein. 
Da diese sich in der Regel nach Knochenbrüchen ausbilden, so 
wäre die Lahmheit gewöhnlich mit einem Bruch des Schambeins 
an der Stelle kompliziert, an welcher der Nerv, obturatorius 
über den genannten Knochen hinwegläuft. Verf. beschreibt drei 
Fälle dieserLahmheit und gibt die Abbildung eines Os innominatum 
von einer vier Jahre vor ihrem Tode mit Obturatorparalyse be¬ 
hafteten Stute. Das Os pubis zeigt an seinem Querast noch 
deutliche Knochenwucherungen, die sich in den Bereich der 
Stelle erstrecken, an welcher der Nerv an das Foramen ob- 
turatorium herantritt. Das fragliche Pferd zeigte gleich nach 
dem Entstehen der Lahmheit Schmerzen und eine erhebliche 
Schwierigkeit, den betreffenden Fuß nach vorn zu bewegen. 
Die Belastung desselben erfolgte vollständig. Beim Herum¬ 
treten nach Seiten des lahmen Beines wurde dasselbe so stark 
abduziert und der Huf so schräg aufgesetzt, daß es ausglitt. 
Die manuelle Untersuchung des Beckens per vaginam ergab 
eine ovoide Anschwellung am vorderen Rande des Os pubis 
gegenüber dem For. obturatorium. Die Stute blieb 3 Monate 
lang außer Dienst; aber auch nach dieser Zeit trat im Trab 
noch ein geringerer Grad der früher beobachteten Abduktion 
mit Rotation des Schenkels nach außen hervor. Diese Be¬ 
wegungsstörung verlor sich erst allmälich im Verlauf eines 
Jahres. 

Die bei der Obturatorparalyse auftretende Abduktion ent¬ 
steht durch Lähmung deijenigen Muskeln an der inneren Seite 
des Schenkels, die vom Obturatorius versorgt werden i. e. der 
beiden Adduktoren Pectineus und Gracilis. Peter. 

Zwei Fälle von primärem Karzinom der äußeren 
Geschlechtsteile beim Pferde. 

Von Unterroßarzt Dr. Hennig-Berlin. 

(Arch. f. wiuenschrftl. u. prakt. Thlerheilk. 29. Band, 1. und 2. Heft) 

Den wenigen, in der tierärztlichen Literatur verzeichneten 
Fällen von primärem Karzinom der äußeren Geschlechtsteile 
des Pferdes reiht Verf. die beiden folgenden — in der Poliklinik 
der Tierärztl. Hochschule zu Berlin beobachteten — Fälle an: 

1. Bei einer ca. 15 Jahre alten Stute ragte im ventralen 
Schamwinkel ein etwa gänseeigroßer, rundlicher, grauschwarzer 
Tumor von fast knorpelharter Konsistenz, aus der Schamspalte 
hervor, dessen Oberfläche ulzeriert, zerklüftet und mit blumen¬ 
kohlartigen Wucherungen bedeckt war. Jede dieser durch 
Spalten von einander getrennten Wucherungen, deren Größe 
zwischen der einer Linse bis Haselnuß schwankte, saß gestielt 
auf ihrer Unterlage. 

Die Geschwulst saß der geschwollenen Klitoris, die grau¬ 
schwarz gefärbte, leicht blutende, zerklüftete linsen- bis erbsen¬ 
große Knötchen zeigte, breit gestielt auf. Das von der Ober¬ 
fläche der Geschwulst gebildete gelbliche, seröse, übelriechende 
Sekret sammelte sich, bevor es sich tropfenweise nach außen 


entleerte, in einer im unteren Drittel der Geschwulst liegenden, 
wallnußgroßen Höhle. 

Die klinische Diagnose lautete: Carcinoma clitoridis, und 
das Ergebnis der mikroskopischen Untersuchung der mit Erfolg 
excidierten Geschwulst ließ keinen Zweifel darüber, daß es sich 
um ein primäres Plattenepithelkarzinom handelte, welches von 
dem Epithel der Schleimhaut der Glans clitoridis seinen Ausgang 
genommen hatte. 

2. Bei einer ebenfalls etwa 15 Jahre alten, mäßig genährten 
Stute zeigte sich an der rechten Schamlippe, ungefähr 1 cm 
von der ventralen Kommissur entfernt, ein wallnußgroßer, grau¬ 
rötlicher, rundlicher, festweicher Tumor, dessen Oberfläche zer¬ 
klüftet und mit durch Vertiefungen und Spalten getrennten, 
polypösen, blumenkohlartigen Wucherungen bedeckt war. Bei 
der Palpation wurden in Abständen von 2—3 cm oberhalb des 
größeren Tumors noch 4 kleinere, etwa erbsengroße, harte, 
knotenförmige Verdickungen vornehmlich in den der Schamspalte 
zugekehrten Randpartien der Vulva ermittelt. Weitere Ver¬ 
änderungen waren nicht wahrnehmbar. 

Auch in diesem Falle erfolgte die operative Entfernung der 
Tumoren. 

Die mikroskopische Prüfung der Geschwulstknoten ergab 
in Übereinstimmung mit dem Gesamtbefunde, daß ein von der 
Epidermis der äußeren Haut ausgehendes, primäres Platten¬ 
epithelkarzinom der Vulva vorlag. Francke. 

Wochenübersicht über die medizinische Literatur. 

Von Dr. Jeu-Charlottenburg, 

KreUtlerarxt. 

Münchener medizinische Wochenschrift No. 21. 

Lysolvergiftung ; von Dr. Hammer. 

Bei einer Uterusausspülung mit 1 prozentiger Lysollösung 
bekam eine Patientin, beim Durchlaufen des 3. Liters, einen 
schweren Kollaps. Nach vorübergehender Besserung trat am 
10. Tage wiederum Kollaps ein. Eine Stunde später Exitus. 
Verfasser empfiehlt möglichst geringe Konzentration der Lysol¬ 
lösung zu verwenden, auch ein hoher Druck ist nicht zu em¬ 
pfehlen. Insbesondere bei Plazenta praevia kann leicht eine 
Aspiration von Lysol durch die klaffenden Venen erfolgen. 
Münchener medizinische Wochenschrift No. 22. 

Fall von tödlicher Verletzung durch Pferdehufsohlag; von 
Dr. Riedel. 

Ein Steinbrecher erhielt von dem Pferde eines vorüber¬ 
ziehenden Artillerie-Regiments einen Hufschlag in die Lenden¬ 
gegend. Er stürzte sofort zusammen und verschied bald. Die 
Besichtigung der Leiche ergab in der rechten Lendengegend 
Spuren des Hufschlages, ferner war die Leber beträchtlich ein¬ 
gerissen, das Parenchym zertrümmert und zermalmt. Auch die 
rechte Niere war in zwei Teile geteilt. Ein sehr starker Blut¬ 
erguß hatte in die Bauchhöhle stattgefunden. 

Über künstliche Ernährung der Säuglinge, speziell mit Odds; 
von Dr. Katzenstein. 

Im ärztlichen Verein zu Köln hielt Katzenstein am 
17. November 1902 über diesen Gegenstand einen Vortrag, 
indem er zunächst darauf hinwies, daß die Sterilisation im 
Soxhlet wahrscheinlich eine Schädigung der chemischen Konsti¬ 
tution der Milch ausübt, so daß häufig die Knochenbildung und 
vielleicht auch andere Assimilationsvorgänge bedroht würden, 
wie wir sie in der Barlowschen Krankheit kennen. Für die 
Störungen bei künstlicher Ernährung mit Kuhmilch ist man 


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25. Juni 1908. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


415 


geneigt, das Eiweiß der Kuhmilch verantwortlich zn machen, 
v. Mering hat jedoch hervorgehoben, daß die Knhbntter 
10 Proz. flüchtige Fettsäure enthält, Buttersäure allein zu 
6 Proz., während in der menschlichen Butter bloß Spuren von 
Buttersäure vorhanden seien, v. Mering hat deshalb an Stelle der 
Kuhbutter Kakaobutter und Eidotter genommen. Verfasser hat 
mit der Oddaernährung recht gute Erfolge zu erzielen gehabt. 

Wiener klinische Wochenschrift No. 20. 

Beitrag zur Übertragbarkeit der Tuberkulose auf verschiedene 
Tierarten; von Wiener. 

Es wurden in Kollodium-Säckchen eingeschlossene Kulturen 
von Tuberkelbazillen, welche von Pferden stammten, in die 
Bauchhöhle von Hühnern gebracht. Es zeigte sich nach einiger 
Zeit, daß die von Pferden stammenden Tuberkelbazillen die 
Eigenschaften der Erreger der Geflügel-Tuberkulose angenommen 
hatten. 

Brit. mcd. Journ. 1903, März. 

Über Tuberkulose der Mensehen und der Rinder. 

Verfasser steht auf dem Standpunkt, daß die Menschen- 
und Rindertuberkulose keine identischen Krankheiten sind. Er 
schließt sich also der Ansicht Kochs an, hält jedoch die Mög¬ 
lichkeit der Übertragung der Rindertuberkulose auf Kinder für 
wahrscheinlich, denn er rät, alle Milch vor dem Genuß zu 
kochen, und teilt mit, daß in Liverpool die Milch durch die 
Behörden sterilisiert würde, so daß die sterilisierte Milch nur 
ganz verschwindend höher im Preise, als die rohe sich stelle. 


Tagesgeschichte. 

Die Allgemeine Ausstellung für hygienische Milch¬ 
versorgung in Hamburg. (2.—12. Mai 1903). 

Von 

Dr. med. vet. Stödter, 

Policoltierarct. 

(Fortsetzung und Schluß.) 

Am folgenden Tage, also am Montag, fand ein Vortrag von 
Herrn Geheimrat Prof. Dr. Rubner: Über den Wert der Milch als 
Nahrungsmittel und über die Gewinnung gesunder Milch statt, der 
mehrere hundert Zuhörer fand. Redner sprach über Nährwert, 
Qualität und spontane Verderbnis der Milch; im Anschluß hieran 
über die Konservierung der Milch und ging dann über zu dem 
Kapitel: Die Milch als Krankheitserreger. Ans diesem Teil des 
Vortrages sei hier folgender kurze Auszug gegeben: 

Die Milch hat vor allem in den Großstädten an ihrem guten Ruf 
viel eingebüßt; man weiß, wie häufig die Fälschungen von Milch sind, 
wie sie gewässert, entrahmt, mit Zentrifugenmilch verdünnt, an den 
Konsumenten gelangt und dazu kommen noch Umstände, welche auch 
eine Gesundheitsgefahr bedeuten. 

Zu diesen ernsteren Schädlichkeiten gehören Verderbnis der Milch 
durch Zersetzung sowie durch den Znsatz gewisser Desinfizientien. Man 
glaubt aber auch an schädliche Wirkungen einer an sich von gesunden 
Tieren herrührenden, auch Bonst tadellosen und gehaltvollen Milch infolge 
bestimmter Fütterungsverhältnisse des Milchviehes. Wie die würzenden 
Stoffe des Alpenheues in dem unverkennbaren Wohlgeschmack solcher 
Milch und Butter sich verraten, wie fremde Fette, z. B. Jodfett leicht 
nach der Fütterung an ein Tier in dessen Milch nachzuweisen sind, 
Medikamente bei kranken Tieren in der Milch erscheinen, so glaubt 
man in neuester Zeit gewisse schädliche, ungünstige Eigenschaften der 
Milch besonders bei der Kinderernährung, auf den Übergang giftiger 
Stoffe ans Futterkräutern zurückführen zu dürfen. In dieser Hinsicht 
nennt man namentlich den Uebertritt des Colchicins aus der Herbst¬ 
zeitlose in die Milch, vermutet auch in den Dotterblumen und dem 
Hahnenfbß Substanzen, die der Milch nachteilige Eigenschaften ver¬ 
leihen. Klargestellt sind diese Fragen freilich noch nicht, aber sehr 
beachtenswert. Wenn bestimmte Futterkräuter giftig sind, so hat 
naturgemäß die Bodenart des Weidegrundes auch ihre besondere Be¬ 
deutung. Auch abgesehen von dem Weidefutter kann die Stallfütterung 
von Bedeutung sein. Die Kartoffeln enthalten Solanin, manchmal in 
sehr erheblichen Quantitäten, dessen Übertritt in die Milch nicht sicher 
ausznschließen ist. Da aber die wissenschaftlichen Grundlagen für die 


Beurteilung dieses Giftstoffüberganges in die Milch zurzeit noch keines¬ 
wegs ganz sichere sind, wären irgendwie beschränkende Verordnungen 
hinsichtlich der Benutzung von Weiden u. s. w. noch wenig am Platz. 

Anders steht cs mit der sogenannten Kindermilch, die ja höheren 
Marktpreis hat. Man wird hier die Regelung der Fütterungsweise 
der Kühe bezw. das Verbot bestimmter Nahrungsstoffe, welche der 
Milch eine weniger bekömmliche Beschaffenheit verleihen, nur dringend 
befürworten können, wobei außer den Giftpflanzen faule Rübenblätter, 
Schlempe, Rübenpreßlinge, Melasse, Rückstände der Oelfabrikation, 
Raps- und Rübenkuchen, Rizinnskuchen in Betracht zu ziehen sind. 

Die Milchtiere sind zweifellos recht oft krank, so daß manche 
schätzungsweise die Hälfte des Viehstandes als krank bezeichnen. 

Nun wird aber gewiß niemand glauben, daß etwa auch die Hälfte 
aller Milch deshalb, weil sie von kranken Tieren stammt, nicht genossen 
werde. Das würde ja der Vernichtung des halben Milchviehstandes 
gleichkommen. Genug, die Milch von kranken Tieren wird in großen 
Massen in den Verkehr gebracht, kein Gesetzgeber könnte hierin plötzlich 
eine Abänderung treffen. 

Aber immerhin wird man diesen Zustand doch als eine sehr un¬ 
erfreuliche Tatsache betrachten. Wenn man bedenkt, mit welcher Sorg¬ 
falt man bei der Auswahl der Ammen für die Kinderernährung zu 
Werke geht, hat die Sorglosigkeit, mit der man die tierischen „Aminen“, 
trotz ihrer Krankheit verwendet, immerhin etwas Auffallendes. Es 
handelt sich in dieser Frage gewiß nicht nur nm das Gefühlsmoment 
des inneren Unbehagens, sondern um die realere Frage, inwieweit wir 
direkt an unserer Gesundheit durch die Tiererkrankungen zu Schaden 
kommen. 

Das schwerwiegendste Bedenken ist auf Grund der früheren Unter¬ 
suchungen R. Kochs gegen die Verbreitung der Krankheitserreger der 
Tuberkulose durch Milch nnd Milchprodukte ausgesprochen worden. In 
der Tat ist ja die Perlsucht enorm verbreitet. Freilich nicht bei jeder 
Form von dieser Krankheit gehen die Krankheitserreger in die Milch 
Uber, nur in den Fällen, in welchen schwere Erkrankungen, und 
namentlich Eutertuberkulose, vorliegt. Die letzteren Fälle sind nicht 
so sehr häufig. Immerhin hat sich nachweisen lassen, daß die in 
Sammelmolkereien in den Handel gebrachte Milch in sehr erheblichem 
Umfange infiziert ist, ja besonders die Butter enthielt in manchen 
Fällen ansnahmslos Perlsuchtbazillen. Neben der Butter und Margarine 
kommt noch der Quark in Betracht, der reife Käse aber gar nicht. 

In welcher Quantität die Tuberkelbazillen in diesen Produkten 
Vorkommen, läßt sich nicht leicht näher feststellen, ebensowenig als 
die Frage gelöst erscheint, inwieweit allemal solche tuberkelbazillen¬ 
haltige Produkte bei der Nahrungsaufnahme wirksame Ansteckungen 
zu stände bringen. Beim Menschen kommt Tuberkulose, die nicht zum 
Tode führt, häufig vor. Vielfach hat man Beweise gefunden, daß die 
überwiegende Masse von Menschen irgend einmal eine Tuberkulosc- 
infektion durchgemacht, aber überwunden hat, was dafür spricht, daß 
die Infektionsmöglichkeiten sehr zahlreich sind. Man hat die auch in 
der Kindheit nicht seltene Tuberkuloseaffektion, wie z. B. jene der 
Gelenke, als einen Ausdruck für die Möglichkeit einer Einschleppung 
der Krankheitserreger mit den Milchprodukten angesehen. 

Eine Wandlung hat sich in den letzten Jahren vollzogen. Die von 
Smith u. a. zuerst aufgefundenen Verschiedenheiten zwischen Rindvich- 
tuberkulosebazillen und Menschentuberkulosebazillen haben von Koch 
und Schütz eine Bestätigung erfahren, und sind von erstcrem in dem 
Sinne einer prinzipiellen Verschiedenheit zwischen beiden Keimen ge¬ 
deutet und der Schluß gezogen worden, daß Perlsuchtbazillcn für die 
Menschen so gut wie ungefährlich seien. 

Die Menschentuberkulosebazillen haften schwer an dem Rinde, 
dieses erkrankt aber leicht, wenn Perlsuchtbazillcn eingespritzt 
werden. Bei anderen Tieren kann man aber ebenso leicht mit Menschen-, 
wie mit Perlsuchtbazillen die Erkrankung hervorrufen. Ob sich der 
Mensch ähnlich verhält wie das Rind, d. h. leicht infizierbar ist mit 
Tuberkelbazillen, die vom Menschen stammen, und schwer gegen Perl¬ 
suchtbazillen oder ob er ähnlich dem Meerschweinchen für Bazillen 
beider Herkunft gleich empfänglich ist, läßt sich naturgemäß durch ein 
Experiment nicht entscheiden, sondern muß aus anderen Erfahrungen 
erschlossen werden. 

Die Annahme einer leichten Empfänglichkeit des Rindes für Perl¬ 
suchtbazillen und schwere Empfänglichkeit für Menschentuberkulose hat 
Ubrigeus auch bereits ihre Gegner gefunden. 

Die Annahme einer Unempfänglichkeit der Menschen 
für Perlsuchtbazillen wird gleichfalls bestritten, und die 
angebliche Gefahrlosigkeit der Perlsuchtbazillen für den 
Menschen auch von solchen Gelehrten geleugnet, die ge¬ 
wisse Unterschiede in dem Verhalten der Perlsuchtbazillen 
und Menschentuberkelbazillen für das Rind nicht leugnen. 

Man hält durchweg den Zeitpunkt nicht für geeignet, 
die sanitären Anschauungen über die Bedenklichkeit des 
häufigen Vorkommens von Tuberkelbazillen in den Milch¬ 
produkten zu ändern. 

Aber auch von dieser Frage ganz abgesehen, haben die Tierzüchter 
allen Grund, ihr lebhaftestes Interesse der Bekämpfüng der Perlsncht 
zuzuwenden. Sie hängt unzweifelhaft mit der Art unserer Milchwirtschaft 
zusammen. Es ist jedem, der diese Krankheitsprozesse und ihre Wirkung 
versteht, vollkommen klar, daß durch die Seuche enorme Verluste für 
die Landwirtschaft entstehen. Sie zu beseitigen, sollte kein 
Mittel gescheut werden. 


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416 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 26. 


Eine flir den Menschen nicht ungefährliche Erkrankung der Kühe 
ist die Euterentzündnng, Mastitis, sie kann, wie Beispiele lehren, nicht 
unbedenkliche Dannkatarrhe hervorrufen. Ähnliche Schädigungen können 
entstehen, wenn Tiere an Dannerkrankungen leiden und von diesen 
Entleerungen ein Teil in die Milch gerät. 

Man sieht, die Milch ist in ihrer gesunden Beschaffenheit weit mehr 
von der Gesundheit des Tieres abhängig, als dies z. B. bei dem Fleisch 
der Fall ist, wo trotz mancher Krankheit der Sehlachttiere das Fleisch 
unbedenklich genossen werden kann, wennschon die Qualität des Fleisches 
allerdings nicht ganz unberührt bleibt. Es ist eine bekannte Tatsache, 
daß das Kind in seinem Wohlbefinden schon leiden kann, wenn nach¬ 
weisbare Veränderungen an der Milch fehlen, die Mutter aber an 
deprimierenden Gemütserscheinungen leidet. Man kann immerhin es 
nicht für ausgeschlossen erachten, daß zum mindesten die Milch bei 
erkrankten Tieren, auch ohne bakterielle Veränderungen erlitten zu 
haben, doch weniger bekömmlich wird. Man wird wohl im allgemeinen 
behaupten dürfen, je gesunder das Tier, je besser die sanitären Ver¬ 
hältnisse, unter denen es lebt, um so besser und bekömmlicher die 
Milch. Die letztere ist ein Teil des Körpers der Kuh. Gesunde Milch 
kann nur in einem gesunden Körper erzeugt werden. 

Die Milch kann, wie man annimmt, auch bei Menschenkrankheiten 
die Verbreitung dieser übernehmen, wenn solche Krankheitserreger durch 
Zufall in sie geraten sind. Solche Krankheiten sind Cholera, Typhus, 
Diphtheritis, Scharlach, vielleicht auch die Ruhr. Bei Typhusepidemien 
ist mehrfach darauf hingewiesen worden, daß dieselben sich gelegentlich 
auf ein Gebiet beschränken, dessen Bewohner aus einer bestimmten 
gemeinsamen Quelle die Milch bezogen haben. Die Infektion erfolgt 
entweder durch unreine Hände der Melkenden, ferner durch den Stall¬ 
schmutz, der manchmal auch die Dejektionen von Menschen enthält, 
oder durch Wasser, das Typhusbazillen enthält, entweder bei be¬ 
trügerischem Wasserzusatz zur Milch, oder beim Gebrauch solch 
schlechten Wassers zum Reinigen der Milchgefäße. 

An der Verbreitnng von Krankheiten sind keineswegs alle Milch¬ 
produkte in gleicher Weise beteiligt. In erster Linie wird immer zunächst 
die Milch es sein, welche solche Krankheitserreger und gesundheits¬ 
schädlichen Eigenschaften annimmt Aber sie sind keineswegs allein 
in der Milch. Soweit giftige Eigenschaften in Betracht kommen, sind 
wir noch zn unvollkommen über dieselben unterrichtet, um näheres 
angeben zu können. Es ist aber wohl anzunehmen, daß außer der 
Milch die Zentrifugenmilch, die Buttermilch und die Molke gleichfalls 
solche gütigen Stoffe cinschließen müßten, während Butter und Käse 
mit einer großen Wahrscheinlichkeit sich günstiger stellen würden. 
Insoweit die Verbreitung von Bakterien in Frage kommt, treffen wir 
sie sozusagen in allen Milchprodukten. 

Es muß das Ziel der Milchproduzenten sein, nicht nur eine 
quantitative Steigerung der Erzeugnisse zu erreichen, sondern in 
gewissem Sinne einem Veredelungsprozeß der Milch und ihrer Produkte 
znzustreben. 

Die Lage der Milchproduktion ist eine unverkennbar 
ungünstige durch die Ausdehnung der großen Seuchen unter 
den Kühen. Erst nach Wegräumung dieser wird die Milch 
wieder im Ansehen steigen und das zum Teil berechtigte 
Mißtrauen verschwinden müssen. 

Gegenwärtig muß es sich vor allem darum handeln, sowohl 
im Interesse der Produzenten, als auch der Konsumenten 
Maßregeln zu ergreifen, welche die Seuchenbekämpfung 
ernstlich und wirksam ermöglichen, um so eine Gesundung 
dieses hochbedeutsamen Nahrungsmittels zu erreichen. 

Dem Vortrage folgte lebhafter Beifall. 

Wir verlassen den Vortragssaal und begeben uns wieder in die 
Haupthalle, um dort das Aufsehen erregende SeifTertsche Verfahren 
der Bakterienabtötung kennen zu lernen. 

Bei der Abtötung der in der Milch vorhandenen Keime ist nach 
Dr. Seiffert, der als Privatdozent und Prosektor an der Universitäts¬ 
kinderklinik zu Leipzig wirkt, aus biologisch-chemischen Gründen 
die Anwendung jeder Temperaturerhöhung zu vermeiden. 
Als keimtötendes Verfahren hat Seiffert daher die Bestrahlung 
der Milch mittels ultravioletten Lichtes gewählt, welch 
letzteres nach den Erfahrungen von Büchner, Dieudonn6, 
Finsen, Strebei, Bang u. a. stark keimtötende Wirksamkeit 
besitzt Zur Erreichung des angegebenen Zweckes wird die Milch 
in terrassenförmig angeordneten Gefäßen mit solchem Gefälle 
unter den Beleuchtungskörpern liingeführt, daß die nach den Be¬ 
obachtungen zur Abtötung der Sporen genügende Einwirkungsdauer 
von 2 Minuten erreicht wird. Der Beleuchtungskörper besteht für 
jedes Gefäß aus einer von zwei Leydener Flaschen gespeisten 
Funkenstrecke mit Alluminium- oder Kadmiumspitzen, welche durch 
den hochgespannten Strom eines Rhumkorffschen Apparates 
versorgt wird. Die Anordnung solcher Apparate in Batterie- oder 
Kolonnenform ermöglicht eine allfällig erwünschte beliebige Ver¬ 
längerung der Bestrahlungsdauer. Aus dem Keimtötungsapparat 
fließt die Milch in ein Saramelgefäß, von welchem aus sie durch 


einen automatisch wirkenden AbfUllapparat unter Schutz vor Lnft- 
infektion in die zur Verteilung an die Konsumenten bestimmten. 
Flaschen abgefüllt wird, so zwar, daß in vorliegender Ausführung 
pro Minute vier Flaschen 4 200 g gefüllt werden können. Zur 
sicheren Desinfektion der Flaschen ist nach den Erfahrungen der 
bakteriologischen Praxis nur die trockene Hitze von 160° C. 
brauchbar. Dasselbe Mittel muß nach Seiffert zur Sterilisation des 
zum Verschluß der Flaschen verwendeten Materials anwendbar sein. 
Es ist daher die Anwendung von Kork oder Gummi ausgeschlossen. 
S. verwendet vielmehr Stanniolscheiben, welche auf ihrer der Flüssig¬ 
keit in der Flasche zugewendeten Unterfläche mit einem geschmack- 
und geruchlosen, chemisch indifferenten Überzüge pflanzlicher 
Herkunft versehen sind. Dieser elastische Überzug besitzt die 
Eigenschaft bei 150 0 C. ohne Zersetzung sterilisierbar zu sein und 
in Berührung mit geringen Dampf- oder Wassermengen so aufiu- 
quellen, daß eine feste Dichtung zwischen dem Flaschenrande und 
dem Stanniol stattfindet. Zur Öffnung der Flasche wird der 
Verschluß am unteren Rande gelockert und kann dann mit Leichtig¬ 
keit entfernt, nicht aber ohne sichtliche Verunstaltung wieder an¬ 
gebracht werden. Der Aufbringung der Verschlüsse auf die Flaschen 
dient eine Maschine, durch welche der aus dem Verschlußmaterial 
gebildete Streifen geschützt vor Luftinfcktion über die zu schließende 
Flasche geführt, der Verschluß ausgestanzt und Uber die Flaschen- 
mündung gepreßt wird, ohne daß eine Berührung des Flascheu- 
halses durch Menschenhand nötig wird. Auch bei dieser Maschine 
ist auf möglichste Leistungsfähigkeit hinsichtlich der Zeit Wert 
gelegt und ihr Betrieb sowohl von Hand als durch den Fuß oder 
durch motorische Kraft bei Bedienung durch cur eine Person er¬ 
möglicht. Ob das Verfahren für die Praxis verwendbar ist, muß die 
Erfahrung lehren. Interessant und sinnreich ist es ohne jede Frage. 

Um 2 Uhr beginnt die erste Versammlung der Tierärzte, welche 
außerordentlich stark besucht war. Es wohnten ihr außer den 
aus allen Teilen Deutschlands erschienenen Veterinären zahlreiche 
Ärzte und Interessenten des Molkereiwesens bei. Herr' Staats¬ 
tierarzt Voliers-Hamburg eröffnete die Versammlung, indem er 
seiner Freude Ausdruck verlieh über das große Interesse, welches 
den Verhandlungen der Tierärzte von allen Seiten entgegengebracht 
werde; alsdann übertrug er unter dem Beifall der Versammlung 
den Ebrenvorsitz Herrn Geheim. Regierungsrat Roeckl vom Kaiser¬ 
lichen Gesundheitsamte zu Berlin. Darauf sprach Prof. Dr. Ostertag: 
Über die Regelung des Milchverkehrs vom hygienischen Standpunkte.*) 

Bei der großen Bedeutung der Kuhmilch, namentlich als Kinder¬ 
nahrung, ist es, wie Redner ausführte, im Grunde genommen ver¬ 
wunderlich, daß eine allgemeine gesetzliche Regelung des Milch- 
verkehrs noch nicht besteht, daß diesbezügliche Vorschriften sich 
nur auf einzelne Regierungsbezirke oder Städte und Kommunen 
beziehen und auch nur in Gestalt einer Marktkontrolle, bei der die 
gesundheitliche Seite nur ganz beiläufig erwähnt wird. Und doch 
treten die finanziellen Nachteile, die dem Konsumenten 
aus dem Bezug minderwertiger Milch erwachsen, be¬ 
deutend hinter den hygienischen Schädigungen durch 
nicht einwandfreie Milch zurück. 

Nach einer kurzen Betrachtung der Wandlungen, die die Milch 
von ihrer Entstehung an durchzumachen hat, bis sie in den Ver¬ 
kehr kommt, befaßte Redner sich zunächst mit den Gefahren, der 
Übertragung von Tierkrankheiten auf Monschen. 

Zuerst kommt die Aphtenseuche (Maul- und Klauenseuche) 
in Frage. Bei der Aphtenseuche ist die Milch nur in rohem Zu¬ 
stande gefährlich; deshalb ist durch das Reichsseuchengesetz ver¬ 
boten, derartige Milch in rohem Zustande in den Verkehr zu 
bringen. Ähnlich verhält es sich beim Milzbrand (Anthrax); wenn 
nun auch die Milzbrandbazillen nur bei gleichzeitig stattfindenden 
Euterblutungen vorhanden sind, so ist es doch angesichts der 
Schwierigkeit der Untersuchung korrekt, wenn das Gesetz ver¬ 
bietet, die Milch an Milzbrand erkrankter Kühe in den Verkehr zu 
bringen. Gegen die aus Blutvergiftungen der Rinder entstehenden 
Gefahren bestehen keine einheitlichen Vorschriften, auch nicht in 

*) Der Vortrag ist hier nur in kurzem Auszuge wiedergegeben. 
Seine jedenfalls zu erwartende Veröffentlichung wird event Gelegen¬ 
heit bieten, darauf zurückzukommen. 


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25. Juni 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


417 


bezug auf Euterentzündungen. Von größter Bedeutung ist die 
Tuberkulose. Zwar hat Koch verkündet, daß die Übertragung der 
Tuberkulose vom Rind auf den Menschen nicht mehr unbedingt 
angenommen werden könne, wenn es nicht gelinge, auch die 
Menschentuberkulose auf Rinder zu übertragen. Eine ganze Reihe 
namhafter Autoritäten hat nun aber einen derartigen Versuch mit 
Erfolg angestellk Solange also die Unschädlichkeit nicht 
ganz feststehe, muß an der Schädlichkeit festgehalten 
werden. Auch durch arzneiliche Behandlung der Tiere können 
unter Umständen Giftstoffe in die Milch kommen. Ferner können 
die Futtermittel krankhafte Zustände der Milch hervorrufen, so 
Artischockenblätter, Rizinuskuchen und faulige Futtermittel, die 
daher unter allen Umständen zu verurteilen sind. Etwa im Heu 
enthaltene Giftpflanzen, wie Herbstzeitlosen oder Ranunkeln, lassen 
die Kühe glücklicherweise instinktiv liegen. 

Grosse Gefahren erwachsen dem Menschen aus unsauberer 
Gewinnung der Milch nnd der dadurch bedingten Verunreinigung 
durch Bakterien. Die sommerlichen Brechdurchfälle der Kinder 
entstehen zumeist aus unsauber gewonnener Milch. Die Forderung 
einer gänzlich sauberen Milchgewinnung ist allerdings viel leichter 
gestellt, als durchgeführt. Belehrung seitens der Tierärzte und guter 
Wille seitens der Produzenten werden aber vieles bessern können. 

Endlich verwies Redner auf die Gefahr, daß die Keime 
menschlicher Infektionskrankheiten durch kranke Melker oder zur 
Streu verwandtes Bettstroh in die Milch gelangen und so weiter 
übertragen werden können. 

Die Ausführungen des Redners gipfelten in folgenden von ihm 
anfgestellten Schlußsätzen: 

„Zur Gewinnung einer unschädlichen und bekömmlichen Milch 
reicht die bisherige Art der Milchkontrolle nicht aus. Hierzu sind 
erforderlich: 

1. Die Überwachung des Gesundheitszustandes, der Fütterung, 
Haltung und Pflege der milchliefernden Tiere, 

2. Vorschriften über die beim Melken zu beachtende Sauberkeit, 
über den Ausschluß von Personen, welche mit bestimmten 
Infektionskrankheiten behaftet oder von diesen nicht völlig 
genesen sind, vom Melken und von der weiteren Behandlung 
der Milch, ferner Vorschriften über die Behandlung der Milch 
nach dem Melken nnd bis zur Abgabe an den Konsumenten. 

Die auf die Regelung des Milchverkehrs bezüglichen Vor¬ 
schriften dürfen nicht ins Extreme gehen, sondern müssen schon 
unter den heutigen Milchproduktionsverbältnissen erfüllbar sein. 
Insoweit gewisse Verhältnisse, wie die Aufstellung der Milchtiere 
in unzweckmäßig eingerichteten Stallungen, heute noch nicht durch¬ 
weg zu ändern sind, ist eine allmähliche Besserung durch Belehrung 
und den Hinweis auf künftige behördliche Regelung anzustreben. 

An die Anstalten zur Gewinnung von Vorzugsmilch (Kinder- 
und Kurmilchanstalten) sind schon jetzt die strengsten hygienischen 
Anforderungen zu stellen. 

Zur Vereinbarung sachgemäßer Grundsätze für die Regelung 
des Milchverkehrs vom hygienischen Standpunkt ist eine Kommission 
einznsetzen, welche aus Vertretern der Milchproduzenten, aus Vor¬ 
stehern milchwirtschaftlicher Institute und insbesondere aus sach¬ 
verständigen Tierärzten und Ärzten besteht. Diese ständige Kom¬ 
mission würde von Zeit zu Zeit die notwendigen und erfüllbaren 
Vorschriften für die Regelung des Milchverkehrs vom hygienischen 
Standpunkt festzustellen haben.“ 

Redner schloß unter lebhaftem Beifall mit dem Ausdruck der 
Hoffnung, daß die Ausstellung auch die Regelung dieser Frage zur 
Folge haben möge; das werde eine ihrer wertvollsten Früchte sein. 

Hierauf sprach Kreistierarzt Nevermann-Bremervörde über den 
modernen Moikereibetrieb in veterinfirpoiizeilicher und sanitärer Hinsicht 

Redner behandelte die in sanitärer Beziehung aus dem Betriebe 
der Molkerei für Menschen und Tiere entstehenden Gefahren und 
die zur Vermeidung solcher zu treffenden Maßnahmen, welch letztere 
er in sehr eingehender und sachlicher Weise erörterte und be¬ 
gründete. Redner kam zu dem Schluß, daß auch die Molkerei¬ 
betriebe einer Überwachung bedürften, nicht aus Mißtrauen gegen 
die Betriebsleiter, sondern der Belehrung halber. Auch auf diesem 
Gebiete würde mit Erfolg die vorhin von Herrn Professor Dr. 


Ostertag in Anregung gebrachte Kommission bahnbrechend 
wirken können; dann würden die Molkereien noch in weiterem 
Maße als bisher dazu dienen, Segen in der Landwirtschaft und der 
Allgemeinheit zu verbreiten. 

Auch diesem Vortrage, der auf dem Gebiete der Molkereipraxis 
reiche Belehrung gewährt hatte und der hoffentlich vom Herrn 
Kollegen Nevermann recht bald veröffentlicht wird, folgte leb¬ 
hafter Beifall. Nachdem beide Herren Referenten noch verschiedene 
aus der Milte der Hörer gestellte Spezialfragen beantwortet hatten, 
wurde die Versammlung von Herrn Geheimrat Roeckl mit einem 
Dankeswort geschlossen. 

Abends fand das Festmahl der Milchhygieniker im Zoologischen 
Garten statt, bei welchem offizielle Reden nicht vorgesehen waren, 
aber dennoch auf Hamburg (von einem holländischen, dänischen 
und australischen Vertreter), anf Preisrichter und Komiteemitglieder» 
namentlich auf den geschäftsführenden Vorsitzenden der Ausstellung, 
Herrn ökonomierat Boysen und, seitens des Senators Dr. Melle, 
auf die Gäste und namentlich auf die Vertreter des Auslandes ge¬ 
toastet wurde. Nach Beendigung des Festmahles begann ein grandioses 
Feuerwerk und bengalische Beleuchtung. Die Erinnerung an diesen 
Festabend wird für uns Hamburger um so schöner sein, als wir die 
Freude hatten, viele hervorragende auswärtige Kollegen, z. B. die 
Herren Prof. Jensen aus Kopenhagen, Prof. Happich aus Dorpat, 
Prof. Dr. Ostertag nnd Geheimrat Roeckl aus Berlin, Prof. 
Dr. Kaiser aus Hannover, Medizinalrat Prof. Dr. Edelmann aus 
Dresden, Prof. Dr. Eber aus Leipzig, Prof. Dr. Zwick aus Stutt¬ 
gart, Veterinärrat Peters ans Schwerin und viele andere mehr in 
unserer Mitte zu sehen. 

Am Dienstag, den 5. Mai fand die Versammlung des deutschen 
milchwirtschaftlichen Vereins statt, die sich zu einor ehrenvollen 
Kundgebung für Herrn Ökonomierat Boysen gestaltete. Wir be¬ 
nutzen die uns bleibende freie Zeit wieder zu einer kleinen Aus¬ 
stellungswanderung. 

Rechts vom Uaupteingang befindet sich die Ausstellung der 
dänischen landwirtschaftlichen Kontrollvereine, welche die aller¬ 
größte Beachtung verdient Der Hauptzweck der dänischen 
Kontrollvereine ist der, auf der Basis von Untersuchungen über 
die Fütterung, sowie über die Milchmenge und den Fettgehalt der 
Milch der einzelnen Kühe in den Viehbeständen der Mitglieder 
die Rentabilität der Viehzucht zu beleuchten und zu fördern, sowie 
für die Bildung von Viehrassen zu wirken, deren Milch einen ver¬ 
mehrten Butterertrag geben kann. Außerdem werden die Schweine¬ 
bestände und andere Zweige des Betriebes der Kontrolle unterzogen, 
ebenso werden durch die Tätigkeit des Vereins Bedingungen zu 
einer verbesserten Buchführung unter den Landwirten geschaffen. 
Der Vereinsvorstand stellt einen Assistenten an, der die vorge¬ 
schriebene Kontrolle ausfübrt, besonders mit Bezng auf Leistung, 
Futter etc. des einzelnen Tieres. Er führt genau Buch und arbeitet 
vergleichende Übersichten über die kontrollierten Verhältnisse der 
verschiedenen Viehbestände aus. Der erste Kontrollverein wurde 
1895 in Dänemark ins Leben gerufen. Nach dem dänischen Gesetz 
vom 23. Mai 1902 über die Haustierzucht und die Haustierwirtschaft 
können die Kontrollvereine Staatszuschuß erhalten. Die Statuten 
der Vereine müssen vom Landwirtschaftsminister genehmigt werden. 

Die Anzahl der in Dänemark staatlich unterstützten Kontroll¬ 
vereine war zu Anfang 1903 : 308 mit 7309 Mitgliedern und 
136500 Kühen. Außerdem gab es mindestens 10 nicht staatlich 
unterstützte Vereine. Der Staatszuschuß betrug im ganzen 
51973 Kronen. 

Die hohe wirtschaftliche Bedeutung solcher Vereine liegt auf 
der Hand, und es kann kein Zweifel bestehen, daß diese noch neue 
Maßregel auch bei uns in Deutschland berufen sein wird, auf die 
Erhöhung der Leistungsfähigkeit unserer Viehbestände in ähnlicher 
Weise hinzuwirken. In Schleswig-Holstein sind bereits nach 
dänischem Muster Kontrollveroiue eingerichtet. Die Landwirt¬ 
schaftskammer für die Provinz Schleswig-Holstein gibt denn auch 
erfreulicherweise auf der Ausstellung bereits ein anschauliches 
Bild der Tätigkeit und der Wirksamkeit der nach dänischem 
Muster in Schleswig-Holstein eingerichteten Kontrollvereine, indem 
sie die Feststellung der Milchleistung an einem kleinen Vieh- 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 26. 


bestand durch einen Kontrollassistenten in der vorschriftsmäßigen 
Weise zur Vorführung bringt. 

Von großer milchwirtschaftlicher und hygienischer Bedeutung 
ist ferner zweifelsohne das von Ingenieur Helm zur Darstellung 
gebrachte, sogenannte Tiefkühlungsverfhhren. Dasselbe ermöglicht 
die Abkühlung der Milch auf 0° oder wenige Grade über 
Null und damit eine erhebliche Verlängerung der Frischerhaltnng 
der Milch, sodaß die bisher übliche Überhastung in der Gewinnung, 
Behandlung und Fortschaffung der Milch beseitigt werden dürfte. 
Das Tieikühlungsverfabren wird bereits mit Erfolg in mehreren 
Molkereien durchgeführt. Als Kosten werden angegeben 0,05 Pf. 
pro .1 Liter Milch und M. 1,50 bis M. 2 fiir eine Molkerei von 
3000 Liter täglich. Neben dem Helmschen Tiefkühlungsverfahren 
interessierten mich besonders die auf der Ausstellung vorhandenen 
Regenerativ- oder Riickkühlerhitzer. 

Die Erhitzung der Molkereirückstände, d. h. der Magermilch 
und Buttermilch, auf bestimmte Grade ist fast überall Vorschrift 
zu Zeiten, in denen eine Seuche herrscht, und die Molkereien 
waren daher genötigt, ihre Betriebe mit Apparaten zu versehen, 
die es ermöglichten, z. B. die Magermilch vorübergend auf über 
100° Celsius zu erhitzen; um dies unter möglichster Dampf- (Kohlen-) 
Ersparnis zu erreichen, nahm man den Abdampf der Betriebs¬ 
maschine zu Hilfe, brauchte dabei aber nicht weniger als drei 
Apparate. 

Die Technik machte es sich nun zur Aufgabe, Apparate zu 
konstruieren, die cs ermöglichten, die an die Milch bei der Er¬ 
hitzung abgegebene Wärme dadurch nutzbar zu machen, daß man 
die kalte und die erhitzte Milch so in einem Apparate zusammen¬ 
führt, daß die eintretende kalte Milch der erhitzten möglichst viel 
Wärme entzieht, sodaß die kalt eintretende Milch allmählich er¬ 
wärmt, die erhitzte Milch aber möglichst heruntergekühlt wird. 
Ein ganz vorzüglicher derartiger Rückkühlerhitzor ist vom Berge¬ 
dorfer Eisenwerk ausgestellt. — — 

Am Abend des 5. Mai folgten die meisten der in Hamburg 
anwesenden Tierärzte einer Einladung des ärztlichen Vereins nach dem 
„Patriotischen Hause“, woselbst vor ganz gefülltem Hörsaal von 
den Herren Prof. Dr. Dun bar, Prof. Dr. von Soxhlet und Prof. 
Dr. Edlefsen verschiedene Fragen der Milchhygiene erörtert wurden. 
Nach der Versammlung fand eine zwanglose Vereinigung der Teil¬ 
nehmer statt, bei der es sehr heiter zuging. Ein Kollege von der 
anderen Fakultät hatte sogar den Pegasus bestiegen und ad hoc 
ein Festlied gedichtet, das verdient, der Nachwelt erhalten zu 
bleiben. 


Der Kuh Weltschmerz. 
(An die Menschen.) 


Mein Aug ist trüb und schlapp mein 
Oh, welche Schmach und Not: [Ohr! 
Ihr raubt mir jeden Rest Humor 
Und hetzt mich noch zu Tod! 

Leb nur, leb nur und streb nur 
Für euch. Der Dank ist Haß, 

Ist Schlempetrunk uud Rübenstrunk 
Statt duftig Heu und Gras. 

All-Montags in der Morgeufrüh 
Hebt schon das Schinden an: 

Mit Serum und Thermometric 
Naht ernst der Spritzenmann; 

Ritzt mich, ritzt mich und spritzt 
Halb voll mit Gift und Hohn, [mich 
Und weh da mir, ich reagier! 

Das Schlachtbeil wird mein Lohn. 

Und ob dieMilch auch fett und dick 
Stromweis zum Eimer rinnt, 

Ich weiß es, wie ihr voller Tiick 
Den Strom zum Meer verdünnt; 
Tauft sie, tauft sie, verkauft sie 
Als voll und frisch und rein! 

Wie gräm ich mich, wie schäm ich 
Ins tiefste Herz hinein! [mich 


Die Zukunft malt sich grau in 
Seit ihr, vom Gold betört, [grau, 
Durch Margarine listig-schlau, 

Die Butter selbst entehrt; 

Nährt so, nährt so und mehrt so 
Unlautre Konkurrenz, 

Zerknickt in mir, erstickt in mir 
Den Hang zur Existenz. 

Wird rings die Sterblichkeit zu 
So ist am grünen Pult [groß, 
Ganz zweifellos der Teufel los, 
Und ich allein bin schuld. 

Lugt dann, lugt dann uud sucht 
In meiner Milch herum! [dann 
Bezähmt euch doch und nehmt mir 
Nicht jeden Pilzkeim krumm! [doch 

So winkt mir nirgends Rast und 
Mein Los ist Qual und Pein! [Ruh! 
Drum möcht ich wahrlich anstatt 
Weit lieber Ochse sein; [Kuh 
Protz dann, protz dann, beglotz dann 
Euch sonder Scheu und Scham 
Und hust euch was und pust euch 
Mit Butter, Milch und Rahm! [was 


Am Mittwoch vormittag sprach Herr Geb. Medizinalrat Prof. 
Dr. Heubner-Berlin Uber „Tiermilch als Säuglingsnahrung“. Redner 
behandelte sein Thema ungemein gründlich, dabei aber doch so 
populär, daß die zum großen Teil aus Laien bestehende Zuhörer¬ 


schaft, unter der sich viele Damen befanden, den Ausführungen 
des Herrn Geheimrat Heubner mit gespanntester Aufmerksamkeit 
folgte. Mich interessierten namentlich die Ausführungen des Redners 
über die unbedingte Notwendigkeit einer vernunftgemäßen Stall¬ 
hygiene, durch welche, wie die Erfahrung lehrt, der Bakteriengebalt 
der Milch auf ein sehr geringes Maß herabgesetzt werden kann. 

Den ReBt des Vormittags benutzen wir, um den auf der Aus¬ 
stellung befindlichen, von der Firma Hüttenrauch-Apolda er¬ 
bauten Musterstall und die darin befindlichen verschiedenen Rinder 
rassen kennen zu lernen. 

Das für 40 Stück Großvieh eingerichtete, ca. 38 m lange und 
9 m tiefe Gebäude besteht aus Holzfachwerk, die Längsseiten und 
Giebel sind durch Tonkinplatten verkleidet, das Dach mit ver¬ 
zinktem Pfannenblech gedeckt. Diese Art der Ausführung er¬ 
möglicht es, ohne große Kosten das Gebäude an einem beliebigen 
Ort, z. B. auf entfernt gelegenen Weiden oder an Waldungen etc. 
aufzustellen. Im Inneren sind 8 Standreihen für je 5 Kühe in 
4 verschiedenen Ausführungen vorhanden und zwar: 1. 4 Stand¬ 
reihen nach dem sogenannten HolländersyBtem: niedrige durch¬ 
laufende Krippen, kurze Stände mit dahinterliegender Kotrinne. 
2. 2 Standreihon mit langen Ständen zum Einstreuen von Stroh zur 
Düngergewinnung, höheren einzelnen Krippen und mit seitlicher 
Abgrenzung der einzelnen nebeneinanderstehenden Tiere. 3. 1 Stand¬ 
reihe wie vor., aber ohne seitliche Abgrenzung. 4. 1 Standreihe 
mit durchgehenden Krippen, aber ohne besondere Rücksicht auf 
die Fußbodenherstellung. Sämtliche Krippen sind aus glasierter 
Schamotte, resp. Ton. Die Futtergänge und Futterböden sind derart 
hergestellt, daß auf einer ca. 8 cm starken groben Betonsohle als 
Unterlage, eine 5 cm starke Koks- oder Asphaltisolierung kommt 
und hierauf haarrißfreier Klinker in Zement verlegt wird. Bei 2 
sind die nebeneinanderstehenden Tiere nochmals durch Zwischen¬ 
räume getrennt, jedes Tier hat sein besonderes Tränkbecken, so 
daß eine gegenseitige Berührung der Tiere vollständig ausgeschlossen 
ist. Sämtliche Krippen sind mit Selbsttränkanlage versehen, die 
Becken sind aus Gußeisen, innen emailliert, haben schmiedeeisernen 
Deckelverschluß, oberen Wasserzufluß mit separat eingebauter Füll¬ 
kammer im Kanal, D. R. G. 69638. Sämtliche Jaucberinnen sind 
offene Rinnen, in welchen die Jauche nach der außerhalb befind¬ 
lichen Grube geleitet wird, ohne daß Dünste von letzterer nach 
dem Stalle ausströmen können. Die Fenster sind aus Schmiede¬ 
eisen mit horizontalem Lüftungsflügel und können durch Hebel 
verstellt werden. Am Lüftungsflügel sind seitlich Schutzbleche 
angebracht, welche direkten Eintritt kalter Luft auf das Vieh ver¬ 
hindern. Die Wände sind im Innern auf eine Höhe von 2 m mit 
Porzellan-Emailfarbe gestrichen, infolgedessen leicht sauber und 
rein zu halten. Zum Eintritt frischer Luft sind in die Außenmauer 
Kanäle eingebaut, innerhalb welcher die Luft durch verstellbare 
Klappen in die Fensterlaibung eintritt und in der Richtung nach 
der Decke geleitet wird. Zum Ableiten verbrauchter Luft, sowie 
zum Zufuhren vorgewärmter frischer Luft, dienen Luftschächte aus 
Ziegelsteinen mit Isolierung, Luftaustrittkasten und Ventilations¬ 
hauben. Die Decken sind massiv zwischen Eisenträgern und, 
zwecks leichter Ventilation, geradelinig angelegt. Durch Ver¬ 
wendung glasierter Futtertröge, undurchlässiger Fußböden und 
Gänge, offener Jaucherinnen, Vermeidung aller scharfen Ecken und 
Winkel ist die Reinigung durch Ausfegen und Abspülen leicht, 
sauber, schnell und gründlich zu bewirken. Ein öfterer Kalkanstrich 
genügt vollständig zur Desinfektion. 

In dem Stalle befinden sich 35 Kühe verschiedener Rassen 
(Jeverländer, westpreußische Holländer, Angler, Breitenburger, rote 
Holsteiner und schwarzbunte Ostfriesen). Sämtliche Kühe nehmen 
an der vom Komitee ausgeschriebenen Milchkuh-Konkurrenz teil. 

Diese Milchkuh-Konkurrenz kam, wie ich hier vorweg be¬ 
merken möchte, programmmäßig am Sonnabend, den 9. Mai, zum 
Abschluß. Ausschlaggebend für die Zuerkennung der Preise im 
Gesamtbeträge von 2000 M. sollte bekanntlich die Höhe der Differenz 
sein zwischen dem Geldwert der gewonnenen Milch nach Quantum 
und Qualität einerseits, und dem Aufwand des verabreichten 
Futters während des sechstägigen Versuchs andererseits. Das 
günstigste Resultat erzielten die rotbunten Holsteiner; dann folgte 


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25. Juni 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


419 


die Kollektion der westpreußischen Holländer Herdbuch-Gesellschaft 
und darauf die schwarzbunten Ostfriesen. 

Am Nachmittag. fand eine Dampferfahrt nach dem herrlichen 
Blankenese statt. 

Am 7. Mai besuchten wir vormittags die interessante De¬ 
monstration des Herrn Kollegen Hegelund. Herr Kollege 
Hegelund bezweckt bekanntlich durch eine mehr den natürlichen 
Bewegungen des Bangenden Kalbes angepaßte Behandlung des 
Euters beim Melken die Erzielung größerer und gehaltreicherer 
Gemelke. Die Demonstrationen der Hegelundschen Melkmethode 
fanden, wie ich hier bemerken möchte, während der Ausstellung 
täglich statt und lockten stets viele Wißbegierige und Schaulustige 
an, denen Herr Hegelund seine Methode in seiner liebens¬ 
würdigen jovialen Weise erklärte. 

. Mittags machte Herr Stadttierarzt Jacobsen-Christiania im 
engeren Kreise Mitteilungen Uber den Milchverkehr und die Be¬ 
schaffenheit der Milch in Christiania. 

„Die Milcheinfuhr Christianias“, so führte Redner aus, „erfolgt 
mit der Bahn und zu Schiff, von der näheren Umgegend zu Wagen, 
doch sind auch ca. 170 Kuhställe innerhalb der Stadt vorhanden. 
Der Milchkonsum betrug: 1866 bei 58400 Einwohnern 2635250 1, 
4. i. pro Kopf der Bevölkerung 45,12 1; 1895—1898 bei über 
200000 Einwohnern 33000000 1, d. i. pro Kopf der Bevölkerung 
148,67 1. Die Kontrolle des Milchverkehrs in Christiania liegt in 
den Händen der GeBundheitsbehörde, welche durch den Stadt¬ 
tierarzt und die ihm untergestellten Assistenten die Kontrolle aus¬ 
übt. Diese Kontrolle ist jedoch hauptsächlich eine Reinlichkeits¬ 
kontrolle. Gleichzeitig wird dabei auch auf eventuelle Fälschungen 
beachtet 

Die Milchläden müssen, bevor sie in Betrieb genommen werden, 
behördlich geprüft sein. Es bestehen Vorschriften über Einrichtung 
und Größe; sie dürfen weder mit Wohnräumen in Verbindung 
stehen, noch andere Waren enthalten. Es kann vorübergehend der 
Verkauf aus einem Laden wegen Herrschens ansteckender Krank¬ 
heiten verboten werden. 

Feststellungen Uber den Schmutzgehalt in der Milch im Handel 
zeigten im Jahre 1893 ein Maximum von 36 und ein Minimum von 
3 mg Schmutz pro 1 1, durchschnittlich 10,3 mg. Vergleichsweise 
betrug der Durchschnitt in Gothenbarg ca. 2, Würzburg 3, 
Leipzig 3,5, Berlin wie Christiania 10,3, Halle 14,9, München 19. 

Die Schmutzmenge wird auf folgende Weise bestimmt: Ein 
Liter Milch bleibt 1—2 Stunden in einem hohen Zylinder stehen, 
.sodann wird sie vermittelst eines Hebers vorsichtig ausgezapft bis 
nur 30 ccm im Zylinder Zurückbleiben. Dann wird der zurück¬ 
gebliebene Rest im Zylinder mit Wasser aufgcfüllt, eine Stunde 
stehen gelassen und dann wieder bis auf 30 ccm abgezapft. Dieses 
Verfahren wird so lange fortgesetzt, bis nur das reine Wasser (mit 
dem Bodensätze) im Zylinder zuriickbleibt. Der Bodensatz wird 
auf einem gewogenen Filter gewogen. 

Bei den im Jahre 1893 angestellten Schmutzuntersuchungen 
wurde gleichzeitig eine Bakterienzählung vorgenommen; im August 
fand man durchschnittlich 7816000 Bakterien im ebem Milch, im 
Maximum 45 Millionen, im Minimum 300000 im ebem Milch. Der 
November zeigte einen Durchschnitt von nur 1526000, im Maximum 
€400000, im Minimum 160000. Wenn auch diese Bakterien in der 
Regel wohl unschädlich sind, so hängt doch die Haltbarkeit der 
Milch von der Zahl der Bakterien und dem Stadium ihrer Ent¬ 
wickelung ab. Die Verhältnisse in Christiania sind bezüglich der 
Milch noch nicht befriedigend, lassen aber die Hoffnung auf Fort¬ 
schritt zu. 

Herr Kollege Jacobsen sprach in tadellosem Deutsch und 
wußte das Interesse seiner Hörer, unter denen sich mehrere Lands¬ 
leute des Redners befanden, bis zum letzten Augenblick rege zu 
halten. Herrn Stadttierarzt Jacobsen gebührt für seine zu Gunsten 
■der Ausstellung aufgewandte Mühewaltung der aufrichtige Dank 
seiner deutschen Kollegen! 

Die zweite, öffentliche Versammlung der Tierärzte, welche am 
Nachmittag stattfand, war außerordentlich gut besucht; namentlich 
waren die Mitglieder des schleswig-holsteinischen tierärztlichen 
Vereins in großer Zahl und auch viele Ausländer, darunter Direktor 


Ma 1 m - Christiania, erschienen. Herr StaatBtierarzt Völlers 
begrüßte die Versammlung und tibergab aUdann unter lebhaften 
Beifallskundgebungen den Ehrenvorsitz Herrn Prof. Dr. Bang von 
der tierärztlichen Hochschule in Kopenhagen. 

Herr Tierarzt Dr. Müller-Königsberg sprach über Tuberkulose¬ 
tilgung.! 

Redner beleuchtete zu Beginn seines Vortrages den Stand der 
Tuberkulose-Frage, besprach alsdann die bekannten Versuche von 
Koch und Behring und ging hierauf zu seinem eigentlichen 
Thema über, indem er das bei der preußischen Herdbuchgesellschaft 
übliche von mir schon früher erläuterte Verfahren der Tuberkulose¬ 
tilgung eingehend schilderte. 

Den ungemein interessanten Ausführungen des Redners folgte 
lebhafter Beifall. In der auf den Vortrag folgenden Diskussion 
machte zunächst Herr Prof. Bang einige Bedenken gegen das von 
Herrn Dr. Müller empfohlene Verfahren geltend, wobei er namentlich 
auf die schwierige klinische Diagnose der Rindertuberkulose hin¬ 
wies. Prof. Bang gibt seiner eigenen, in Dänemark, Schweden 
und Norwegen mit Erfolg durchgeführten Art der Tuberkulose- 
Tilgung den Vorzug vor dem von Dr. Müller befürworteten sogen. 
0 stertagschen Verfahren. An der weiteren Diskussion beteiligten 
sich außer dem Herrn Vortragenden die Herren DDr. Foth, Joest 
und Bongert, welch letzterer die Aufmerksamkeit besonders auf 
die Tuberkulose des Nierenbeckens lenkte, bei welcher mit dem 
Harn gleichzeitig Tuberkelbazillen ausgeschieden würden. Nachdem 
dann noch Herr Prof. Emerich Ujhelyi aus Ungarn, der warm 
für die Bangsche Tilgungsmethode eintrat, gesprochen hatte, 
wurde die Debatte geschlossen. 

Das Wort erhielt nunmehr Herr Polizeitierarzt Glage- 
II amb arg zu seinem Vortrage über Krankheiten des Euters 
unter gleichzeitiger Demonstration der auf der Ausstellung be¬ 
findlichen ausgezeichneten pathologisch-anatomischen Euter- 
Präparate aus der bakteriologischen Station des hamburgischen 
Veterinärwesens (Fleischschauamtes). Die interessanten Präparate 
riefen die Bewunderung der Anwesenden hervor und werden im 
Verein mit den lichtvollen Ausführungen des Redners zur Er¬ 
kennung und weitereu Erforschung der Euterkrankheiten des Rindes 
zweifellos wesentlich beitragen. Eine Diskussion and im An¬ 
schluß an diesen Vortrag nicht statt. 

Als dritter Redner sprach sodann Herr Dr. Jess-Charlottcn- 
burg über die Grundsätze für die Gewinnung von Kinder- 
und Kurmilch, welcher in der B. T. W. demnächst im Original 
veröffentlicht wird. Bei der Diskussion bemerkte Herr Prof. 
Backhaus, daß man die Einwirkung der Futtermittel auf die 
Milch in vielen Fällen überschätzt. Des weiteren redete Prof. 
Backhaus dem Waschen der Euter energisch das Wort; ein ein¬ 
faches Abreiben der Euter mit einem Tuche genügt nach Prof. 
Backhaus Erfahrungen den berechtigten Forderungen der Hygiene 
nicht Euterkrankheiten entstehen nach dem Waschen nur dann, 
wenn man es unterläßt, die gereinigten Euter mit einem sauberen 
eingefetteten Tuche nachzubehandeln. 

Der 8. Mai und die darauf folgenden Tage waren Ausflügen 
nach Helgoland bezw. nach Lübeck und Kiel gewidmet. Am 
Abend des 12. Mai wurde die Ausstellung geschlossen. 

Lassen wir zum Schluß die Ausstellungstage noch einmal an 
unserem geistigen Auge vorüberzieben, dann müssen wir sagen, 
daß die Ausstellungszeit für uns Tierärzte reich an Arbeit, aber 
auch reich an Erfolgen gewesen ist, an Erfolgen, deren Tragweite 
größer sein dürfte, als wir selbst glauben. 

Diese Tatsache macht uns hoffuungsfreudig und glücklich und 
wird allen denen, welche sich um das Gelingen der Ausstellung 
verdient gemacht haben, insbesondere Herrn Staatstierarzt Vol lers, 
dem Vorsitzenden der hamburgischen tierärztlichen Gruppe, der 
schönste Lohn sein. 

Pfuscherliteratur. 

In den letzten Wochen überschwemmt eine Firma Herrn. 
Ruberg, Federnfabrik zu Hohenlimburg in Westfalen 
„Interessentenkreise“, darunter namentlich auch Tierärzte mit 
ihren Prospekten und Anerbietungen. Letztere sind wenigstens 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 26. 


vielseitig. Zunächst wird der eigentliche im Geschäftskreis der 
Firma liegende Artikel empfohlen, der „Pferdeschoner“, eine 
in die Zugstränge einzuschaltende elastische Vorrichtung. Damit 
die Firma zeige, daß sie mehr von Tieren versteht, wird anch 
gleich noch ein flüssiges Arzneimittel angepriesen, welches 
unter dem Namen Antispat in fast allen Fällen Spat, Sehnen¬ 
schwellung, Galle, Überbein, Schulterlähme, Verrenkungen und 
Verstauchungen heilt und für „nur“ 5 Mk. die Flasche ver¬ 
abfolgt wird. Aber die Firma hat für die biederen Bauern 
noch ein brillanteres Lockmittel auf Lager. Wer für nur 5 Mk. 
kauft, bekommt ein ganzes praktisches Pferdearzneibuch ge¬ 
schenkt. Man sieht, die Pfuscherbüchlein der Apotheker machen 
Schule. 

Die Firma tut jedoch auch etwas für die Tierärzte; sie 
bietet ihnen in schön stilisiertem Deutsch die Vertretung ihrer 
Artikel an und gewährt für 10 Paar Schoner 4 Paar als 
Provision, welche man dann entweder selbst verkaufen oder für 
die man sich von den Bestellern das Geld herauszahlen lassen 
kann. Für dieses „freundliche“ Anerbieten revanchieren sich 
die Tierärzte vielleicht, wenn auch nicht durch die gewünschte 
Vertretung der Firma. Übrigens wäre vielleicht eine objektive 
Prüfung der „Pferdeschoner“ angezeigt, ob dieselben etwa von 
derselben Güte sind, wie das „Antispat“ und das praktische 
Pferdearzneibuch. S. 

Zur Abwehr der Maul- und Klauenseuche. 

In Verfolg der Deklaration vom 9. April 1896 zur | landes¬ 
polizeilichen Anordnung vom 6. Dezember 1895, betreffend die 
Abwehr gegen die Einschleppung der Maul- und Klauenseuche in 
den diesseitigen Regierungsbezirk durch das aus anderen Reichs- 
teilen stammende Vieh, bestimme ich, daß die Vorschriften der 
vorbezeicbneten landespolizeilichen Anordnung sich auf das aus 
nachbenannten Reichsteilen: 1) aus den preußischen Regierungs¬ 
bezirken Marienwerder, Posen, Magdeburg, Arnsberg, Koblenz, 
Düsseldorf, 2) aus den bayerischen Regierungsbezirken Oberbayern, 
Oberfranken, Schwaben, 3) aus den württembergischen Kreisen 
Neckarkreis, Schwarzwaldkreis, Jagstkreis, 4) aus dem badischen 
Landeskommissariate Karlsruhe, 5) aus dem Großherzogtum Olden¬ 
burg aus dem Bezirk Birkenfeld, 6) aus den Reichslanden Unter- 
Elsaß Lothringen, im Regierungsbezirk Bromberg zur Entladung 
mit der Eisenbahn gelangende Rindvieh bis auf weiteres beschränken. 

Bromberg, den 9. Juni 1903. Der Regierungspräsident. 

Sitzung des Vereins pommerscher Tierärzte 

(Reg.-Bez. Stettin) 

Sonntag, den 28. Juni 1903, vorm. 11 Uhr 
im „Stettiner Konzert- und Vereinshaus.“ 

Tages-Ordnung: 

1. Vereinsangelegenheiten. 

2. Der heutige Stand der allgemeinen Entwickelungsgeschichte: 

Herr Dr. Noack-Stettin. 

3. Über AusfUhrungsbestimmungen zum Reichsfleischbeschaugesetz: 

Herr Departementstierarzt Vet.-Assessor Pauli-Stettin. 

4. Mitteilungen aus der Praxis. 

Nach der Sitzung gemeinschaftliches Mittagessen unter erbetener 
Teilnahme der Damen. 

Der Vorstand. 

Pauli, Vorsitzender. Falk, Schriftführer. 

Fortbildungskursus in Hannover. 

Vom 3. bis 15. August findet an der Tierärztlichen Hoch¬ 
schule in Hannover wieder einer der so beliebt gewordenen 
Fortbildungskurse statt, zu welchem Anmeldungen an den 
Direktor, Geheimrat Dr. Dam mann zu richten sind. Der Kursus 


| umfaßt folgende Vorträge und Demonstrationen: Damm&nn: 
Ergebnisse der neueren Seuchenforschung, Übungen in der 
bakteriologischen Diagnostik. — Kaiser: Geburtshilfliches; 
Kontroversen in der modernen Tierzucht. — Tereg: Funktionen 
des cerebrospinalen Nervensystems und Bewegungsanomalien. — 
Malkmus: Gesetzliche und vereinbarte Gewährleistung, Diagnostik 
der Gewährmängel. — Frick: Klinische Demonstrationen und 
Operationen (Wundbehandlung, Spat, Schale, Hufkrebs, Kastration, 
Neurektomie, Augenuntersuchung). — Rievel: Ausgewählte 
Kapitel aus Fleischbeschau und pathologischer Anatomie mit 
Demonstrationen. 

Zu der Entgegnung Uhlenhuths. 

In der Zeitschrift für Medizinalbeamte 1903, Heft 5 und 6 
spricht U. über den Nachweis von Eiweiß in Würsten, Schinken, 
überhaupt in Fleischwaren, in rohem und geräuchertem, nicht 
aber in gekochtem, zubereitetem Fleisch, und sagt wörtlich: 
„Diese Methode ist in allen Einzelheiten im November 1901 
von Uhlen hu th veröffentlicht worden. Nachdem hat auch 
Jeß im September 1901 auf der Naturforscherversammlung 
in Hamburg darauf hingewiesen, daß es mit Hilfe eines Pferde- 
antiserums gelingt, Pferdeblut und Pferdefleisch zu erkennen“. — 
Jeder gewöhnliche Sterbliche wird nun sagen müssen, daß eine 
Veröffentlichung, welche im September 1901 erschienen ist, 
nicht nachdem, sondern vordem erschien als eine solche, 
welche im November 1901 publiziert ist Statt hierauf zu 
antworten, spricht U. jetzt von einer Arbeit aus dem Juli 1901. 
Uhlenhuth weicht mir also aus, neue Tatsachen führt er 
jedoch nicht an. Ich sehe mich daher veranlaßt, um die Leser 
der B. T. W. nicht weiter zu langweilen, Herrn U. nicht mehr 
zu antworten — für mich ist die Angelegenheit, durch U’s 
eigene Worte in obiger Zeitschrift für Medizinalbeamte 
in meinem Sinne, entschieden. — Jeß. 


Bücheranzeigen. 

Neue Eingänge (Besprechung Vorbehalten). 

DDr. Deutsch und Feistmantel (Leiter des Jenner-Pasteur-Institutes 
bezw. der bakteriolog. Untersuchungstation am Garnisonspital in 
Budapest): Die Impfstoffe nnd Sera, Grundriß der ätiologischen 
Prophylaxe und Therapie der Infektionskrankheiten für Ärzte, Tier¬ 
ärzte und Studierende. 300 Seiten Oktav. Leipzig, bei Georg Tbieme. 
Preis 6 M. 


Personalien. 

Auszeichnungen und Ernennungen: Schlachthofinspektor Ponath in 
Grabow, Roßarzt a. D., wurde zum Bezirkstierarzt in Parchim er¬ 
nannt; Roßarzt Züike in Bromberg zum Schlachthofinspektor in 
Grabow; Stein, bisher Schlachthofinspektor in Bernburg, zum 
Schlachthofdirektor daselbst; Roßarzt a. D. Plath in Fruchters- 
heim im Elsaß zum Schlachthausinspektor in Pritzwalk; Tierarzt 
H. Zamack in Eberswalde zum 2. Schlachthoftierarzt in Lands¬ 
berg a. W. — In Ruhestand trat Bezirkstierarzt Dr. Flemming zu 
Lübz in Mecklenburg. 

Examina: Promoviert wurde Tierarzt Amo Dennstedt in 
Leipzig zum Dr. med. vet. in Gießen. — Approbiert wurden die 
Herren Werner Borchcrdt, Karl Oalke, Gustav Michalski, Wilhel ;i 
Stange, Paul Adloff, Georg Reinecke, Carl Zimmer, Otto Eiler in Berlin. 

In der Armee: Militärveterinär Zapf im 5. bayr. Feld-Art-Regt. 
zu den Veterinären der Reserve versetzt. 

Vakanzen. 

Siehe No. 23. 


Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmaltz in Berlin. — Verlag und Eigentum von Richard SchoeU in Berlin. — Druck von W. Büxenstein, Berlin. 


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Die „Berliner Tierärztliche Wochenschrift* erachelnt 
wöchentlich im Verlege von Richard Schoet 
Berlin, Latsenstr. 36. Durch jedes deutsche Postamt 
dieselbe rura Preise von M. 5,— rleneljUhrllch (M. 4, 
die Wochenschrift, 11 Pf. für Bestellgeld) frei ins 
geliefert. (Deutsche Post-Zeitung«-Preisliste No. 

Oosterreicblsche No. 010, Ungarische No. 90.) 


Berliner 


Orlginalbeitrige werden mit60 Hk. für den Bogen honoriert. 
Alle Manuskripte, Mitteilungen und redaktionellen An¬ 
fragen beliebe man zu senden an Prof. Dr. Schmaltz, 
Berlin, tierärztliche Hochschule, NW, Lulsen°trasse 56. 
Korrektoren, Uezensiona-Rxeinplare und Annoncen da¬ 
gegen an die Verlagsbuchhandlang. 


Tierärztliche Wochenschrift 


Redaktion: 

Professor Dr. Schmaltz-Berlin 

Verantwortlicher Redakteur. 


De Bruln 

Dr. Jess 

Kühnau 

Dr. Lothes 

Nevermann 

Prof. Dr. Peter 

Peters 

Professor 

Kreistierarzt 

Schlachthofdirektor 

Departementstierarzt 

Krelstierarzt 

Kreistierarzt 

Departeraentstierarzt 

Utrecht 

Charlottenburg. 

Cöln. 

Cöln. 

Bremervörde. 

Angermünde. 

Bromberg. 


Preu8«e 

Dr. Roeder 

Dr. Schlegel 

Dr. Vogel 

Zündel 



Veterin&rassessor 

Pro'essor 

Professor 

Lande»tlerarzt v. Bayom Kreistierarzt 



Danzig. 

Dresden. 

Freiburg i. Br. 

München. 

. Mülhausen i. E. 


Jahrgang 1903. JW. 27 . Ausgegeben am 2. Juli. 


Inhalt: Schmidt: Bekämpfung der Geflügelcholera durch Landsberger Serum (Septicidin). — Brauer: Eine dem Texas¬ 
fieber ähnliche Erkrankung unter den Rindern in Deutsch-Ost-Afrika. — Herrmann: Einige Bemerkungen zu 
der Leibchenschurzhose nach Zehl. — Kohl: Knieschwamm. — Referate: Seitz: Therapie der Haemoglobinaemie 
des Pferdes. — Lange: Behandlung der Blutdeckenkrankheit mit Ichthargan. — Noack: Gebrauch der Cannabis indica. — 
Joly: Über die Behandlung der Hufrbehe durch Ligatur einer Arteria digitalis. — Goldbeck: Die Wirknng des perforierenden 
Brennens. — Bitscheff: Znr Behandlung der Geflügelcholera. — F,äustle: Heilung bei Milzbrand nach Injektion von Argentum 
colloidale. — Kunz-Krause: Wissenschaftliche Beiträge zur praktischen Pharmazie. — Jeß: Wochenübersicht über die medi¬ 
zinische Literatur. — Tagesgeschichte: Tierärztliche „Wanderlehrer“. — Bericht über die 29. Jahresversammlung des tierärztl. 
Vereins im Herzogtum Braunschweig. — Bericht über die allgemeine Vereinsversammlung des Vereins preußischer Schlachthof¬ 
tierärzte am 20. und 21. Juni 1903 in Hannover. — Verschiedenes. — Staatsveterinärwesen. — Fleischbeschau und Viehverkehr: 
Teetz: Nüchterne Kälber. Jess: Milchnntersuchungsbesteck. — Bücherbesprechungen. — Personalien. — Vakanzen. 


Bekämpfung der Geflügelcholera durch Landsberger 
Serum (Septicidin). 

Von 

Dr. Schmidt-Dresden, 

Dozent. 

Seitdem die Geflügelcholera unter die anzeigepflichtigen 
Senchen aufgenommen, nnd, wie z. B. in Sachsen, ihre veterinär- 
polizeiliche Bekämpf¬ 
ung durch die beam¬ 
teten Tierärzte ange¬ 
ordnet worden ist, hat 
entschieden das Inter¬ 
esse für diese Seuche 
bedeutend gewonnen. 

Unter denjenigen Me¬ 
thoden,welche zurTilg- 
nng beitragen, steht 
selbstverständlich die 
Serumtherapie an er¬ 
ster Stelle. Die Mei¬ 
nungen über die Wir¬ 
kung der Verimpfung 
von Sernm gegen Ge¬ 
flügelcholera sind zur 
Zeit jedoch noch ge¬ 
teilt, so daß der Prak¬ 
tiker nicht leicht in 
der Lage sein dürfte, 
bei plötzlich eintreten¬ 
der Verseuchung wert¬ 
voller Bestände sich 
sofort zn orientieren 
nnd dem betroffenen 
Besitzer ohne weiteres 
Vorschläge zur Be¬ 
kämpfung zn machen. 


Fenier sind auch die Veröffentlichungen über diesen Gegenstand 
nicht so reichhaltig, als daß sie nicht eine Vermehrung erfahren 
dürften. Ans diesem Grunde sollen in nachstehendem meine, aller¬ 
dings ebenfalls nur geringen Erfahrungen, die ich mit dem genannten 
Impfangsverfahren gemacht habe, des näheren beschrieben werden. 

Im vergangenen Frühjahr brach in einem nahe bei Dresden 
gelegenen Dorfe die Geflügelcholera ans und zeigte so große 

Infektiosität, daß die 
Bestände von sechs 
einander benachbart 
gelegenen Gehöften 
binnen kurzem er¬ 
krankten. Die Be¬ 
sitzer von zweien der¬ 
selben entschlossen 
sich auf mein Zureden 
zur Impfung. Ver¬ 
wendet wurde das be¬ 
kannte Landsberger 
Septicidin. Im ersten 
Gehöft impfte ich den 
von 60 Stück noch 
vorhandenen Restbe¬ 
stand, nnd zwar 9 
Hühner nnd 2 Enten. 
Die letzteren nnd 
ebenso 2 Hühner zeig¬ 
ten bereits Krank- 
> heitserscheinungen, 
bestehend in Durch¬ 
fall undEingenommen- 
sein des Sensorinms. 
Als Dosis verwandte 
ich, da es sich nur 
um kleinere Geflügel- 
Stücke handelte, 1 ccm 



Ein außergewöhnlich großer Enieschwamm 

photographiert von Tierarzt Max Kohl in Lützen. 

Die hier ahgebildete Kuh sollte Boeben dem Metzger zugeführt werden und war 
nicht behandelt worden. Die Geschwulst hatte nach der Mitteilung des Besitzers eine Ent¬ 
wicklungszeit von 3 Monaten hinter sich. Sie war prall und fluktuierte, die Haut war bis 
zum Fesselgelenk herab von ihrer Unterlage abgehoben. Die Bewegung war natürlich 
erschwert und in der letztenWoche hatte sich auch derNährzustand der Kuh verschlechtert. 
Eine Untersuchung der Geschwulst nach dem Schlachten konnte nicht stattfinden. 


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Serum. Die geimpften Tiere mußten infolge mangelnder 
Räumlichkeit wiederum in die infizierten Käfige verbracht 
werden. Der Erfolg bestand darin, daß die Enten und 5 Hühner 
am Leben blieben. Eines der letzteren hatte, entgegen dem 
sonstigen Verhalten bei Geflügelcholera, ca. 10 Tage lang 
Krankheitssymptome, wechselnd mit Perioden ungestörten Wohl¬ 
befindens, gezeigt; nach Aussage des Besitzers hätte man 
beim Beobachten dieses Tieres geradezu den Eindruck ge¬ 
winnen müssen, „als wenn sich der Organismus mit aller 
Gewalt gegen die Folgen der Ansteckung gesträubt hätte“, bis 
endlich wiederum völlige Genesung eingetreten war. 

Im zweiten Gehöft kamen 36 Tiere (Hühner, Truthühner 
und Enten) zur Impfung, nachdem bereits gegen 66 Stück ver¬ 
endet waren. Die Dosis betrug 2 ccm Septicidin. Die Impf¬ 
linge wurden in einer gut gereinigten Voliere mit desinfiziertem 
Stall untergebracht. Von diesen Tieren starb keines. Der Be¬ 
sitzer war über den Erfolg außerordentlich erfreut und gehört 
seitdem zu den begeistertsten Anhängern der Impfung. 

Weiterhin trat die genannte Seuche in einem anderen Dorfe 
auf. Daselbst wurden 3 Güter betroffen. Bei meiner Ankunft 
waren in zweien derselben bereits sämtliche Tiere verendet, im 
dritten fand sich von 56 Hühnern noch ein Restbestand von 19 
(darunter 3 bereits erkrankte) vor. Letztere wurden mit Septi¬ 
cidin geimpft. Elf derselben (nur Kücken) kamen in einen gut 
gereinigten Stall, die übrigen acht wurden im bisherigen Stall 
belassen, so daß sie auch den Hof betreten konnten. Die letzt¬ 
genannten Hühner verendeten innerhalb der nächsten Woche, die 
anderen 11 blieben dauernd von der Krankheit verschont. 

Außerdem konnte ich noch einen Impfungsversuch in einer 
anderen Ortschaft vornehmen.. Daselbst waren nach Bezug von 
aus Baden stammendem Geflügel bei meiner Ankunft bereits über 
70 Stück verendet, und zwar in 8 Tagen, ein Beweis für die 
große Infektiosität dieses Seuchenfalles. Zur Impfung gelangten 
25 Hühner, von denen 4 bereits Schläfrigkeit und Schwäche 
zeigten, während die übrigen gesund zu sein schienen. Nach 
der Impfung wurden die Tiere in einer gut desinfizierten Voliere 
mit ebensolchem Stall untergebracht. Im Verlauf der nächsten 
30 Stunden verendeten 3 Hühner. Hiermit war die Seuche in 
dem betreffenden Gehöft erloschen und ist auch nicht wieder 
zum Ansbruch gekommen. 

Während in den bisher geschilderten Fällen das Septicidin 
seine Anwendung als Mittel zur Heil- und ebenso zur Notimpfung 
fand, bot sich auch noch Gelegenheit, es als Diagnostikum zu 
erproben. Innerhalb der vorgeschriebenen 3 tägigen Quarantäne 
verendeten in einem ziemlich 1000 Stück zählenden Bestände von 
Gänsen, die aus Galizien importiert waren, über 20 Tiere. Die 
Sektion und ebenso die mikroskopische wie kulturelle Unter¬ 
suchung ergab einwandfrei das Vorhandensein von Geflügelcholera. 
Das Hauptsymptom zeigte sich als Durchfall. Die Behandlung 
bestand im Verabreichen von angefeuchteter Weizenkleie unter 
Zusatz von Ferrum sulfuricum. Unter dieser Maßnahme verlief 
die Krankheit weniger stürmisch, so daß täglich nur einige Todes¬ 
fälle zu verzeichnen waren. Nach ungefähr 7 Tagen sistierten 
letztere; die Krankheit schien erloschen zu sein. Um nun zu 
prüfen, ob tatsächlich dem den meisten Tieren dieses Bestandes 
durch natürliche Ansteckung einverleibten Infektionsstoff noch 
eine krankmachende Wirkung innewohnte, oder ob diese 
Individuen nicht mehr als verdächtige Ware anzusehen seien, 
nahm ich meine Zuflucht ebenfalls zu dem Septicidin. Ich 


No. 27. 


impfte 114 Gänse, darunter über 20, die teils Transport¬ 
beschädigungen aufwiesen, teils große Schwäche zeigten, mit je 
2 ccm des genannten Serums und ließ sie nach Kennzeichnung 
in einen besonderen Raum bringen. Nach ungefähr einem halben 
Tag fing die größte Anzahl der Impflinge an, Krankheits¬ 
erscheinungen (Teilnahmlosigkeit, Mattigkeit, Versagen der 
Futteraufnahme) zu zeigen. Letztere hielten verschieden lange 
Zeit an, waren jedoch nach 2 Tagen gänzlich verschwunden. 
Sämtliche Tiere genasen und blieben auch während der polizei¬ 
lichen Stallsperre gesund. Im vorstehend geschilderten Fall 
hatte sich also das Septicidin als Diagnostikum sehr gut bewährt. 

Hinsichtlich der Technik der Impfung halte ich folgende 
Bemerkungen für nicht unangebracht Als Injektionsspritze 
wählt man sich am besten eine solche von 2 ccm Rauminhalt, 
wie sie in der Hundepraxis gebräuchlich ist; ihr Vorzug besteht 
in der Verwendung einer möglichst feinen Kanüle, die keine zu 
große Öffnung in der dünnen Geflügelhaut bewirkt. Als Injektions- 
stelle nehme ich die dorsale Fläche des unteren Halsendes, wo 
dasselbe sich verbreiternd in den Rumpf übergeht. Man hat 
dort, selbst bei kleinem Geflügel, sehr viel Platz zur Verfügung, 
der die Arbeit erleichtert. In den Vorschriften über die Impfung 
nach Schreiber, ferner nach Jeß und Piorkowski wird als 
Impfstelle die Nackengegend empfohlen. Ich habe aber dieselbe 
bei meinen Versuchen aufgegeben, da mich die Erfahrung lehrte, 
daß die Tiere durch den von der Flüssigkeit auf die Hals- 
Kopfmuskeln ausgeübten Druck zuweilen sehr irritiert werden. 
Aus diesem Grunde habe ich späterhin nur die bereits genannte 
Applikationsstelle ausersehen. Vor dem Einstich in die mit der 
Hand abgehobene Hautfalte reinige ich die letztere mit Alkohol 
oder Wasser. Hierbei legen sich die befeuchteten Federn zur 
Seite und gewähren ein freies Arbeitsfeld. Der Spritzenkolben 
ist allmählich einzuschieben, da bei ungleichmäßigem und zu 
starkem Druck nicht selten die Haut platzt. Nach geschehener 
Injektion ist die Kanüle langsam herauszuziehen und zugleich 
um ihre Längsachse etwas zu drehen, so daß sich die ziemlich 
innig anhaftende Haut zu einem kleinen, gefalteten Kegel zu¬ 
sammenlegt, gleichsam einen natürlichen Verschluß bildend, der 
das Ausfließen des Serums verhütet. 

Als Dosis habe ich, wie bereits teilweise erwähnt, für 
Hühner, Enten und Gänse zur Heil- bezw. Schutzimpfang 2 ccm. 
für kleineres Geflügel und Kücken y 2 —1 ccm verwendet; zur 
diagnostischen Impfung nahm ich pro Tier 1 ccm. Der Impf¬ 
stoff, der vom Seruminstitut in LandBberg a. d. W. bezogen 
worden war, kam nicht jedesmal frisch bereitet zur Anwendung, 
sondern wurde nach Bedarf verschieden lange Zeit unter Licht¬ 
abschluß in einem ca. 12—15° R. warmen Zimmer aufbewahrt 
und behielt dabei seine volle Wirkungskraft. 

Wenden wir uns nach dieser kurzen Abschweifung wieder 
zum eigentlichen Thema zurück, so hätten wir noch die beo¬ 
bachteten Resultate zu kritisieren. Zu diesem Zweck können 
gleich alle Impfungen mit Ausnahme der zuletzt geschilderten 
zusammengefaßt werden. Geimpft wurden also von mir 91 Tiere, 
darunter 11 bereits offensichtlich erkrankte. Es starben in 
den darauffolgenden Tagen 15 (= 16 Proz.), die übrigen Impflinge 
blieben bezw. wurden gesund, während alle nicht geimpften 
Tiere verendeten. Berücksichtigt man bei der Rechnung jene 
11 bereits zur Zeit der Operation erheblich erkrankten Impftiere 
überhaupt nicht, so bekommt man ein Resultat, welches besagt, 
daß bei meinen Versuchen infolge der Notimpfung die 


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Ziffer des letalen Ansganges anf 5 Proz. herunter¬ 
gedrückt wurde, während sie in den anderen, gleich¬ 
zeitig befallenen Gehöften 100 Proz. betrug — ein 
Ergebnis, welches allerdings ungemein znr allseitigen Anwendung 
dieser Behandlungsweise aufmuntert. 

Es erscheint weiterhin ein Vergleich zwischen meinen Ver¬ 
suchen und denen der Kollegen, soweit mir die Literatur zur 
Verfügung steht, am Platze. Hartenstein*) impfte in einem 
Rittergut, nachdem 20 Hühner verendet waren, ca. 100 Stück, 
von denen keines in der Folge erkrankte. Schaller**) brachte 
durch Septicidin-Impfung in einem Schwänebestand die Seuche 
zur Tilgung, indem die Todesfälle sistierten und zwei bereits 
erkrankte Schwäne wieder genasen. 

Götting***) impfte einen stark verseuchten Bestand; nach 
der Impfang verendeten noch 8 Stück, die übrigen 67 blieben 
gesund resp. genasen. 

Stellt man ferner die von anderen Tierärzten mit Septicidin 
gewonnenen und in einem Berichte der Landsberger Serum-Gesell¬ 
schaft enthaltenen Urteile zusammen, so ergeben sich, soweit 
Jas Zahlenmaterial darin vollständig ist, folgende Ziffern: 

1899 wurden geimpft 270 Stück Geflügel, davon starben 
noch an der Seuche 23 Stück; 1900: 2276, darunter 117 bereits 
erkrankte, es verendeten 103 Stück; im ersteren Falle 
8,5 Proz.; in letzterem Falle 4,5 Proz. Beide Prozentzahlen 
sind leicht mit den von mir erhaltenen 5 Proz. in Einklang zu 
stellen und geeignet, die besprochene Serumtherapie in der 
Form der Notimpfung allseitig in Vorschlag zu bringen. 
Insbesondere würden hierbei jene Seuchenfälle zu berück¬ 
sichtigen sein, welche kostbare Zuchttiere betreffen. Von dieser 
Ansicht läßt sich auch Kleef) leiten, indem er als bestes 
Mittel bei Geflügelcholera das Septicidin empfiehlt. Aber auch 
bei weniger wertvollem Geflügel kann sich der Versuch lohnen, 
denn die Impfungen an sich erfordern wenig Zeitaufwand, und 
der Preis des Impfstoffes (1 ccm 15 Pf.) ist denn doch nicht 
so hoch, als daß er der Anwendung bei dieser Seuche hinderlich 
sein könnte. 

Als besonders wichtig erscheint mir nun der den geimpften 
Tieren angewiesene Aufenthaltsort. Im Interesse eines günstigen 
Resultates ist es, wenn irgend möglich, anzustreben, daß die 
Impflinge nach der Operation einen unverseuchten oder gut 
desinfizierten Raum oder noch besser Voliere erhalten, damit 
sie nicht unausgesetzt von reichlichem Infektionsmaterial, welches 
den Kampf zwischen Organismus und Seuchenerregern zu heftig 
gestaltet, umgeben sind. Tiere mit offenkundigen Krankheits¬ 
symptomen sind darum aus dem geimpften Bestand abzutrennen. 
Ebenso ist täglich der Fußboden von den ihn bedeckenden Kot¬ 
massen zu befreien. Handelt der Besitzer nach dieser An¬ 
weisung, dann werden die erzielten Resultate günstige sein. 

Im lebhaften Gegensatz zu den hier niedergelegten Aus¬ 
führungen stehen die Versuche Willerdingsff). Derselbe impfte 
2 Tauben mit Septicidin und inokulierte ihnen 1 resp. 2 Tage 
später 1 Öse Kultur. Beide Tiere verendeten. Das nämliche 
Ende trat ein, nachdem Tauben vor ihrer Infektion mit Immun- 

*; Sächsischer Veterinärbericht, 1900, S. 35. 

**) Sächsischer Veterinärbericht, 1901, S. 33. 

***) Mitteil, aus d. amtl. Veterinär-Sanitätsberiohten. 

f) Klee, Die Bekämpfung der Geflügelcholera, Geflügelbörse 
1900, No. 32. 

tf) Willerding, Zur Serumtherapie bei Geflügelcholera, Dtsch. 
T. W. 1902, S. 473. 


serum + Normalserum (Methode nach Jeß-Piorkowski) geimpft 
worden waren. Infolge dieser Ergebnisse hat W. von der An¬ 
wendung der geprüften Sera in dem gefährdeten Geflügelbestande 
Abstand genommen. Ob nun im vorliegenden Falle irgend ein 
unglücklicher Zufall die Schuld trägt, oder ob nicht überhaupt 
diese Art des Versuches an sich schon ein schlechtes Ergebnis 
liefern mußte, vermag ich ohne weiteres nicht zu unterscheiden. 
Ich bin aber geneigt, die letztere Möglichkeit als schuldige 
Ursache zu bezeichnen, denn die Einimpfung von hochvirulenter 
Kultur in den Tierkörper ist doch zu sehr verschieden vom 
Infektionsmodus der Natur, welche den Keim der Geflügelcholera 
vermittels der Nahrung oder der Atemluft eindringen läßt. Aus 
diesem Grunde scheint es mir angebracht zu sein, den obigen 
Versuchen die Urteilskraft über die Serumtherapie der Geflügel¬ 
cholera nicht in vollem Umfange zuzusprechen. 

Was nun die Beurteilung des Septicidins in seiner Ver¬ 
wendbarkeit zur Heilimpfung anlangt, so ist zu bemerken, 
daß die erzielten Resultate noch nicht genügend festgestellt 
worden sind; insbesondere ist auf die Klärung dieser Frage in 
der Literatur zu wenig Wert gelegt worden. Man wird nicht 
fehlgehen, wenn man von der genannten Impfung nicht zu 
viel Erfolg erwartet. Die Erfahrungen mit anderen Infektions¬ 
krankheiten haben ja zur Genüge bewiesen, daß nach der Ein¬ 
spritzung von Serum durch das Zustandekommen einer bakteri- 
ciden Wirkung Toxine frei werden, welche Verschlimmerung 
der bisher bestandenen Krankheit zu verursachen pflegen. 
Ähnliches Verhalten zeigt die Geflügelcholera. Andererseits 
haben aber, wie meine Versuche und auch die genannten 
Publikationen bewiesen, unter Umständen auch erkrankte 
Geflügelstücke infolge der Septicidintherapie wieder genesen 
können. Es wird sich also unter Berücksichtigung des Umstandes, 
daß eine rein arzneiliche Behandlung bei der in Rede stehenden 
Seuche meist erfolglos bleibt, empfehlen, auch die erkrankten 
Tiere zu impfen, wenn man nicht vorzieht, eine Massen¬ 
schlachtung anzuraten. Die Prognose dieser Impfung müßte 
aber dann als zweifelhaft gestellt werden. 

Betreffs der Verwendung des Septicidins zur diagnostischen 
Impfung liegen Veröffentlichungen mit Ausnahme der des 
Institutes zu Landsberg nicht vor. Nach meinen schon be¬ 
sprochenen Wahrnehmungen hierüber ließ sich eine günstige 
Wirkung wohl feststellen. Ob dieselbe jedesmal eintreten wird, 
müssen erst weitere Versuche lehren; für die praktische 
Veterinärpolizei würde sie natürlich sehr große Bedeutung 
besitzen, da durch den Ausfall der diagnostischen Impfang eine 
Verlängerung der im verseuchten Gehöft angeordneten Sperre 
als unnötig oder im gegenteiligen Falle als unbedingt erforderlich 
gekennzeichnet werden würde. Daß ein derartiges Hilfsmittel 
recht sehr erwünscht wäre, insbesondere wenn es sich um 
große Transporte ein geführter Gänse handelt, lehrt die Erfahrung, 
nach welcher beim Herrschen von Gefltigelcholera in einem 
Gehöft der Seuchenverlauf häufig auf mehrere, nach Müller*) 
bis 8 Tage sistiert, um dann wiederum erneut den bereits 
hoffnungsfreudigen Besitzer durch weitere Todesfälle zu schädigen. 
In solch zweifelhaften Fällen dem Veterinärbeamten wichtige 
Anhaltspunkte für die Beurteilung zu geben, würde der Haupt¬ 
zweck der diagnostischen Impfung sein. 

*) Müller, Mitteilungen aus den amtlichen Veterinär-Saoitäts- 
berichten, Jahr 1899. 


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No. 27. 


Eine dem Texasfieber ähnliche Erkrankung unter 
den Rindern in Deutsch-Ost-Afrika. 

Von 

A. Brauer in Amani (Ost-Uaambara), 

Gouv.-Tierarzt. 

Auf einer Expedition in das Innere von Deutsch-Ost-Afrika, 
welche den Zweck hatte, die Ausdehnung des Texasfiebers im 
Hinterlande von Bagamoyo, Sadaani und Pangani festzustellen, 
hatte ich Gelegenheit, obige Krankheit zu beobachten. Dieselbe 
ist anscheinend schon früher an der Küste aufgetreten, jedoch 
wegen der von dem genuinen Texasfieber wenig abweichenden 
klinischen Erscheinungen und wegen der Anwesenheit von 
Parasiten in den roten Blutkörperchen einfach als Texasfieber 
angesprochen worden. Die klinischen Erscheinungen sind 
zuerst Verstopfung, dann Durchfall mit wenig Blut vermengt. 
Fieber ist zuerst geringgradig und steigt in vorgerückten 
Stadien. Ich habe bei einem Jungrinde eine Temperatur von 
42,8° gemessen. Puls und Atmung sind stark beschleunigt; 
Freßlust ist bis zuletzt vorhanden. Als wichtigstes Unter¬ 
scheidungsmerkmal mag für den Laien der Umstand dienen, 
daß nur in seltenen Fällen Hämoglobinurie eintritt Dauer 
der Krankheit 4—14 Tage und zuweilen noch länger; Verlanf 
hei etwa 50% tödlich. 

Für den Fachmann dürften die Parasitenbefunde von 
größtem Interesse sein. Die Jugendformen stellen kleinste 
Pünktchen in den roten Blutkörperchen dar (Fig. 1), und zwar 





Fig. 1. 


Füg. 2. 


Fig. 3. 


sind zuweilen einer, zuweilen zwei und zuweilen drei bis vier 
in einem Blutkörperchen vorhanden. Je nach dem Grade der 
Erkrankung sind 1—75 % und mehr aller roten Blutkörperchen 
befallen. Diese Punkte wachsen zu feinen Stäbchen aus, welche 
teils gerade, teils gebogen, teils geknickt sind (Fig. 2). Im 
weiteren Verlaufe werden die Stäbchen etwas dicker und es 
bildet sich an einem Ende eine Vacuole (Fig. 3). Der Rest 
des Stäbchens zerfällt nun bald und die Vacuole bleibt als 
kleines, rundes Bläschen mit scharfer Kontur zurück (Fig. 3). 

Leider habe ich weder genügend Zeit noch Gelegenheit 
gehabt, noch haben mir genügend Mittel zur Verfügung ge¬ 
standen, diese bisher unerforschte Krankheit eingehend zu 
studieren. Es wird jedoch Herrn Geheirarat Koch gelingen, 
dieselbe zu erforschen; denn aus dem Innern unserer Kolonie, 
aus dem Seengebiete, bis wohin ich nach zuverlässigen Berichten 
das Vorkommen dieser Krankheit traciert habe, sind große 
Viehtransporte nach Rhodesia gegangen, und vermute ich, daß 
diese Krankheit durch letztere dorthin eingeschleppt worden ist. 


Einige Bemerkungen zu der Leibchenschurzhose 
nach Zehl 

von 

Herrmann-Merzig 

KreUtlerarzt 

Ebenso wie Dr. A. Zehl und wahrscheinlich wohl auch die 
meisten anderen Kollegen habe auch ich stets das dringende 


Bedürfnis irgend eines praktischen Schutzanzuges für die Vor¬ 
nahme von Geburten und anderen unsauberen tierärztlichen 
Arbeiten empfanden. Ich war gewissermaßen freudig überrascht, 
als in der B. T. W. die Heißsche Schurzhose als äußerst 
praktisch für derartige Zwecke empfohlen wurde und beeilte 
mich natürlich, mir sofort ein solches Exemplar schicken zu 
lassen. Meine Enttäuschung war jedoch gleich nach den ersten 
Versuchen mit der Schurzhose eine sehr große. Die letztere 
erwies sich als Schutzmittel für die genannten Zwecke als 
schlecht und gänzlich unbrauchbar und ich sah, daß ich damit 
gewissermaßen im wahren Sinne des Wortes aus dem Regen in 
die Traufe geraten war. Denn nicht nur machten sich die von 
Dr. Zehl in dem diesbezüglichen Artikel der No. 12 der B. T. W. 
gerügten Übelstände sofort bemerkbar, sondern noch viel 
Schlimmeres mußte ich damit erleben. Es zeigte sich dieses 
Schutzorgan mit seinem Brustlatz in den meisten Fällen, z. B. 
bei Abnahme der Nachgeburt, geradezu als vorzüglicher Saug¬ 
apparat für die aus dem Geburtswege des Tieres durch Pressen 
desselben ausgeschleuderten Flüssigkeitsmassen. Wenn ich z. B. 
bei bereits vorhandenen Fäulnisprozessen zur Beseitigung des 
üblen Geruches oder der jauchigen Inhaltsmassen des Uterus 
oder sonst aus irgend einem Grunde Kreolinwasser-Infasionen 
in den Uterus machte und dabei mit dem ganzen Arm tief in 
den Geburtsweg eingehen mußte, so ergossen sich beim Drängen 
des Tieres die stinkenden Flüssigkeitsmengen aus der Gebär¬ 
mutter zwischen Brustlatz und Körper und versenkten sich dort, 
daß ich dann natürlich nach Beendigung der schon an und für 
sich sehr wenig einladenden Arbeit und nach Ablegung des 
erwähnten eigenartigen Schutzmittels einfach schauderhaft zu¬ 
gerichtet war, ist einleuchtend. Reservebeinkleider hatte ich 
mir nicht mitgenommen; das war ja auch nicht nötig, denn ich 
hatte mir ja zum Schutze meiner Beinkleider die Schutzhose 
angezogen und da konnte es noch passieren, daß ich in den 
beschmutzten und durchnäßten Kleidern die Heimreise antreten 
mußte, falls sich ein anderes geeignetes und passendes Bein¬ 
kleid nicht auftreiben ließ. 

Die gänzliche Unbrauchbarkeit dieses Heißschen Schutz¬ 
organes hatte ich also sehr bald erkannt und ich warf dasselbe 
daher einfach kurzer Hand über Bord. 

Wenn sich nun nach meinen Erfahrungen diese Schurzhose 
auch für die Praxis als unbrauchbar erwiesen hat, so hat sie 
doch jedenfalls den Wert gehabt, verschiedenseitig direkt den 
Gedanken angeregt zu haben, etwas Ähnliches, aber wirklich 
Brauchbares und Praktisches zu konstruieren. 

Wie Dr. Zehl nun seine Leibchenschurzhose erfand, so ließ 
ich mir nach meiner Idee aus demselben wasserdichten Öltuch¬ 
stoffe, aus dem die Firma Hauptner die Schurzhose nach Heiß 
fertigen ließ, einen Schutzanzug hersteilen, welcher allerdings 
große Ähnlichkeit mit der Leibchenschurzhose des Dr. Zehl, aber 
vor dieser m. E. noch einige Vorzüge besitzt, auf welche ich die 
Herren Kollegen hierdurch aufmerksam machen möchte, damit 
vor der Anschaffung eines solchen Schutzanzuges von vorn¬ 
herein alle Fehler und Mängel möglichst beseitigt werden können 
und der gewünschte Zweck auch vollkommen erfüllt wird. 

Um vor allen Dingen die volle Bewegungsfreiheit des 
Körpers während der geburtshilflichen Manipulationen in solch 
einem Anzuge zu gewährleisten, ließ ich denselben getrennt 
als Hose und Jacke anfertigen. Beide Kleidungsstücke sind 
vorn dicht geschlossen und auf dem Rücken geöffnet Die 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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weite Hose, welche einfach über das Tachbeinkleid gezogen 
wird, trägt nach Art einer Frauenhose hinten einen Schlitz, 
der vom oberen Hosenrande bis in die Gegend des Steißes 
führt. Zwei kräftige Bänder, welche an den freien Ecken des 
oben offenen Hosenschlitzes festgenäht sind, werden kreuzweise 
nach vorn nm den Leib gezogen und da zusammen gebunden. 
Die Hosen tragen sich dann über der Hüfte von selbst sehr 
gnt. Sie rutschen nicht herunter und bleiben auch hinten dicht 
geschlossen. Die Einfassung des unteren Randes der Beinlinge 
mit einem Gummibande, wie bei der Ze hl sehen Hose, ist hier 
überflüssig, da die Hose ja nicht herunterlällt. Auch würde 
ein solcher Gummiabschluß beim An- und Ausziehen der Hose 
nur hinderlich sein. 

Die Jacke hat die gewöhnliche Länge eines normalen 
Jacketts. Sie schließt den Oberkörper mittels eines niedrigen 
anschließenden Kragens bis zum Halse dicht ab und wird auf 
dem Rücken am Kragen durch Haken und Öse und sonst durch 
Druckknöpfe geschlossen. Da sich der Tierarzt bei geburts¬ 
hilflichen und ähnlichen Leistungen bei Benutzung dieses An¬ 
zuges auch meist mit Vorteil seines Hemdes entledigen wird, 
so ist die innere Seite der Jacke mit einem leichten Wollstoffe 
gefuttert. Der entblößte Oberkörper kommt hierdurch nicht in 
unmittelbare Berührung mit dem Oltuche, was besonders bei 
kälterer Jahreszeit sehr unangenehm wäre und bleibt daher 
vor Erkältungen und ihren Folgen sicher geschützt. Die 
Jacke besitzt kurze Ärmel, welche oben ca. 15 cm und unten 
ca. 10 cm lang sind und ungefüttert bleiben. Dieselben bergen 
in ihrem freien Rande eine Gummischnur, welche die Ärmel auf 
dem Oberarme kurz vor der Schulter dicht abschließt, und 
daher absolut keine Flüssigkeitsmassen zwischen Arm und 
Schutzanzug hindurchläßt. Es ist natürlich darauf zu achten, 
daß die Gummischnur nicht zu fest schließt, damit der Arm 
nicht abgeschnürt wird oder schmerzt. Diese Ärmel sind weder 
für die freie Bewegung der Arme noch sonst bei der Geburts¬ 
hilfe irgendwie hinderlich und verhüten unter allen Umständen 
jede Verunreinigung des Körpers und der anbehaltenen Tuchhose. 

Daß diese Vorzüge darcli die Zehlsche Leibchenschurzhose 
erreicht werden, scheint mir nach den in der B. T. W. ge¬ 
gebenen Zeichnungen mehr als fragwürdig. Denn die auch in 
der Beschreibung seines Schutzapparates angeführten „weiten 
Hals- und Armlöcher“ bilden doch gerade die Eingangspforten 
für die aus den Geburtswegen geschleuderten Flüssigkeitsmassen 
und machen damit den eigentlichen Zweck jenes Anzuges doch 
— teilweise wenigstens — illusorisch. 

Ob auch die freie Beweglichkeit des Körpers in der 
Zehlsehen Leibchenschurzhose trotz der am Rücken an¬ 
gebrachten Gummi-Verbindungsschnüre eine so große ist, wie 
in dem von mir konstruierten Anzuge, ist auch noch zweifelhaft. 
Jedenfalls wäre für diese Frage nur ein praktischer Versuch 
der beiden Objekte ausschlaggebend. 

Der Kostenpunkt für die Herstellung meines Schutzanzuges 
stellt sich allerdings höher, als für die der Zehl sehen Leib¬ 
schurzhose. Indes dürfte dieser Umstand wohl keine Rolle 
spielen, da es hierbei vor allen Dingen doch nur auf die wirk¬ 
liche Vollkommenheit und Verwendbarkeit bei der Deckung eines 
unbedingten Bedürfnisses für einen nutzbringenden Schutzartikel 
ankommt. 

Schließlich läßt sich der ganze Schutzanzug leicht bis auf 
die Größe einer ca. 35 cm langen und 10 cm dicken Rolle 


zusammenrollen, so daß sich derselbe sehr bequem auch an der 
Lenkstange eines Rades befestigen und für die Praxis gut und 
leicht transportieren läßt. 

Nach meinen persönlichen Erfahrungen hat sich dieser 
Schutzanzug vorzüglich bewährt und ich kann die Anschaffung 
desselben allen Kollegen nicht dringend genug empfehlen. 

Referate. 

Beitrag zur Therapie derüaemoglobinaemie des Pferdes. 

Von Distriktstierarzt K. Seitz-Wiesentheid. 

(Wocli. f. T. u. V. 1903 No. 5. S. 49.) 

Auf der in der gleichen Zeitschrift (1901 No. 16) referierten 
Wahrnehmung, daß bei der Haemoglobinaemie eine Glykogen¬ 
ausscheidung erfolge, begründete Seitz seine bisher in zwei 
Fällen durchgeführte Therapie, durch die er nicht nur die 
Lähmungserscheinungen zu beheben, sondern auch den Glykogen¬ 
verlast zu ersetzen sucht. 

Nach eintägigem Stehen bei reichlicher Fütterung erkrankte 
im einen Fall eine achtjährige, im anderen eine dreijährige Stute 
während der Fahrt und konnte nur mit Mühe in den Stall heim¬ 
gebracht werden. Die Tiere legten sich, atmeten heftig, trans¬ 
pirierten stark, versuchten mit den vorderen Extremitäten auf¬ 
zustehen, während die hinteren gelähmt waren. Verfasser ließ 
70,0 bezw. 50,0 Natrium bromatum in 1 Liter Wasser geben 
und frottieren. Der mittels Katheter entnommene Harn war 
kaffeeschwarz und schied nach zwölfstündigem Stehen kein 
Sediment ab. Nach einer halben Stunde gab Verf. noch 
ein Pfund Rohrzucker ein und ließ diese Gabe in einstündigen 
Pausen viermal wiederholen. Nach zwölf Standen wurde die 
ganze Medikation repetiert. Der Harn war unverändert. Nach 
weiteren zwölf Stunden wurden nur die Zackergaben wiederholt. 
Der Harn war etwas heller. Nach insgesamt 36 ständiger 
Dauer ist der Harn lehmfarben. Die Tiere werden angetrieben, 
vermögen anfzustehen und zeigen keine Lähmangserscheinungen 
mehr. Während des Krankheitsverlaufs wurden die Tiere auch 
gewendet, frottiert und ihnen leichtes Futter und W’asser gereicht. 

Der Autor bittet die Kollegen, welche sein Verfahren nach¬ 
prüfen sollten, um Publikation ihrer Erfahrungen. 

0. Albrecht. 

Behandlung der Blutfleckenkrankheit mit Ichthargan. 

Von Repetitor Lange-Berlin. 

(Zeltschr. f. VcteriuSrk. 1903, 8. 117—119). 

Da sich das bei der Blutfleckenkrankheit bisher hauptsäch¬ 
lich angewandte Collargol nur in einem Teil der Fälle wirksam 
erwiesen, in einem anderen aber versagt hat, wendete Lange 
nun versuchsweise ein anderes Silberpräparat an, das Ichthargan 
oder Argentum thiohydrocarbürosulfonicum. 

Lange behandelte damit fünf an der Blutfleckenkrankheit 
leidende Pferde, von denen zwei besonders schwer erkrankt 
waren. Schon nach der zweiten oder dritten Injektion begannen 
die ausgedehnten Anschwellungen zurückzugehen und bei fort¬ 
gesetzter Einverleibung des Mittels und Waschung der an¬ 
geschwollenen Stellen mit Burowscher Lösung verloren sich die 
Symptome nach zwei bis vier Tagen, während bei Aussetzung 
der Medikation die früheren Anschwellungen zurückkehrten, 
neue hinzutraten, sowie nach Wiederaufnahme der Therapie 
abermals verschwanden. Nach dreitägiger ununterbrochener 
Durchführung konnte die Behandlung indes definitiv eingestellt 
werden, ohne daß mehr Rezidiven auftraten. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 27. 


Die Dosis beträgt bei mittelgroßen Pferden 3,0 pro die und 
zwar wird zweckmäßig dreimal je 1,0 in 40,0 Wasser gegeben. 
Dabei ist nur die intravenöse Applikation von Erfolg begleitet. 
Die snbkntane Injektion verursacht überdies eine entzündliche 
Schwellung mit Neigung zur Abszedierung. Es empfiehlt sich 
deshalb die Kanüle der Injektionsspritze nach Einverleibung der 
Lösung noch in der Vene liegen zu lassen unter gleichzeitiger 
Kompression der letzteren unterhalb der Einstichstelle, damit 
das abfließende Blut die Kanüle vom anhaftenden Ichthargan 
befreit und dieses so nicht in das die Vene umgebende Gewebe 
gelangt und Entzündungen verursachen kann. 0. Albrecht. 

Einiges über den Gebranch der Cannabis indica. 

Von Dr. 0. G. Noack-Reading. 

(Deutache tlerirztl. Wochensehr. 1903. 8. 154.) 

Cannabis indica ist eine dioecische Urticacee. Die weib¬ 
lichen Pflanzen sondern an den Zweigspitzen bei Beginn der 
Reife ein Harz ab, das die Droge bildet, die zwar nicht in 
Deutschland, aber in Österreich, England, der nordamerikanischen 
Union offizineil ist. Allgemein bekannt ist das im Orient 
gerauchte und gekaute, Haschisch genannte, Kraut der Pflanze. 

Noack teilt mit, daß Richard Rutherford in Edin- 
burg die Cannabis erstmals gegen Kolik der Pferde in An¬ 
wendung gebracht habe. Er selbst stellte Nachprüfungen an 
und rühmt die Pflanze als „Kolikmittel par excellence“, das 
namentlich in Kolikfällen indiziert sei, die plötzlich auf der 
Straße zum Ausbruch gelangen und in denen es gilt, die Tiere 
Bofort zu beruhigen und ihre schleunige Zurückbringung in die 
Stallung zu ermöglichen. 

Die einzig anwendbare und wirksame Form des Mittels ist 
das flüssige Extrakt der indischen Pflanze, das wiederum wegen 
seiner zähen, klebrigen Konsistenz nur zur Applikation per os 
geeignet ist. Dazu empfiehlt sich die Benutzung einer Metall¬ 
spritze. Verfasser gab es in halbstündigen Dosen von 30— 50,0 
und in Gesamtdosen bis zur Höhe von 250—300,0, ohne dabei 
unangenehme Nebenwirkungen zu beobachten. Wo besonders 
schneller Effekt erwünscht war, injizierte er gleichzeitig subkutan 
0,2—0,4 Morphium. Bei der Anwendung großer Dosen lies er 
immer Leinsamenöl nachgeben oder Glyzerinsuppositorien ins 
Rektum einführen, wodurch eine sonst auftretende starke Aus¬ 
trocknung der Farces vermieden wird. 

Die Wirkung äußerte sich, indem die Tiere sich beruhigten, 
sich niederlegten und in tiefen Schlaf verfielen oder stehend in 
halb schlafender Stellung verharrten. Zuvor zeigt sich auch 
wohl ein Schwanken der Tiere, Nicken mit dem Kopf und 
darnach Zeichen von Träumen, Bewegungen mit den Lippen, 
Augen, Beinen. Nach einer halben Stunde oder Stunde ver¬ 
schwindet die Wirkung, die Tiere erheben sich und zeigen 
alsbald wieder Appetit. 

Auch in zwei Fällen von Tetanus, wandte er das Mittel 
mit Erfolg an, indem die Kaumuskelkrämpfe nachließen. — 
Hunden gab er es bei Konvulsionen in Dosen von 4—10 Tropfen 
und erreichte damit schnell ein Aufhören der krampfhaften 
Zuckungen. 0. Albrecht. 

Über die Behandlung der Hnfrehe durch Ligatur 
einer Arteria digitalis. 

Von M. G. Joly. 

(L’6cho v6t6rin»ire, April 1902. Nach d. öiterf. Monat f. Tlerheilk. April 1908). 

Drei Fälle von chronischer Rhehe mit Deformation des Hufes 
und Lahmheit behandelte Joly erfolgreich durch Ligatur, oder 


richtiger gesagt Resektion, der arteria digitalis externa. — Im 
ersten Fall handelte es sich um ein Vollblut, das seit einem 
Monat mit Rhehe an allen, namentlich den Vorderhufen litt und 
trotz aller Behandlung keinen Schritt gehen konnte. Sofort 
nach der Operation war das Stehen weniger schmerzhaft. Das 
deformierte Horn wurde bald durch nachwachsendes normales 
ersetzt Der Huf zeigte nach 6 Monaten überhaupt keine 
Anomalie mehr und der Gang war tadellos. — Ein zweites Voll¬ 
blut mit stark verbildeten Rhehhufen und „Krummgehen vorn 
rechts“ wurde nur an diesem Fuß operiert und das Lahmen, 
nicht aber der Rhehhnf dadurch beseitigt — Ein drittes Vollblut 
mit Rhehhnf und bedeutender Atrophie des linken Vorderhufes, 
das seit drei Wochen auch vorn rechts Rhehe zeigte, behandelte 
Joly ebenso. Es war nach einem Monat völlig diensttauglich. 

Die Operation führte er über dem Fessel, an dem Punkt 
aus, den man zur Neurotomie des Plantaris wählt, außen (bezw. 
innen). Er legte das Gefäß frei, unterband doppelt und durch- 
schnitt zwischen den Ligaturen. Im letzten Fall, in dem er 
Seide verwendete, erfolgte Heilung per primam, in den beiden 
anderen, in denen er Catgut benutzte, nicht. 0. Albrecht. 

Die Wirkung des perforierenden Brennens. 

Vom Roßarzt Dr. Goldbeck. 

(Zeitschrift f. VeterinSrk. 1908. 8. 24—27.) 

Ein englisches Reitpferd erkrankte an einer Periostitis direkt 
unterhalb des rechten Sprunggelenks, an die sich eine erhebliche 
Schwellung und Entzündung der ganzen Sprunggelenksgegend 
anschloß, sodaß der Umfang derselben etwa 6 cm mehr maß 
als der linkseitige. Waschungen mit Burowscher Lösung Massage 
mit sechsprozentigem Jodvasogen, scharfe Einreibungen, erzielten 
geringe Abschwellung, beseitigten aber nicht die bestehende 
Lahmheit Es wurde nun kauterisiert Die bei der Operation 
benutzten Stricknadeln drangen etwa dreißigmal in die Knochen 
und zuweilen auch in das Gelenk ein. Nach fünf Wochen war 
die Lahmheit beseitigt, die Verdickung wesentlich zurückgegangen 
und das Tier wurde wieder geritten. 

Drei Wochen später ging dieses Pferd durch einen Unglücks¬ 
fall zugrunde und es bot sich nun die seltene Gelegenheit bei 
der Sektion, den Effekt des Brennens zu studieren. Es wurde 
als solcher festgestellt: „Perforationen der Haut, der Unterhaut, 
der Gelenke, besonders des Sprunggelenks und wahrscheinlich 
direkte Verletzungen der Knochen der beiden unteren Reihen 
mit nachgefolgter Verheilung und Vernarbung, eine diffuse, 
chronische Entzündung der Haut, Unterhaut und des Bindegewebes 
der gesamten betroffenen Region; alsdann eine erhebliche Synovitis 
chronica villosa des Sprunggelenks und eine leichte, meist herden¬ 
weise auftretende Periostis, Ostitis und Osteomyelitis acuta 
sämtlicher betroffenen Knochen.“ 0. Albrecht. 

Zur Behandlung der Geflügelcholera. 

Von Tierarzt P. Bitscheff-Varna, Bulgarien. 

Da die Geflügelcholera sehr oft in Bulgarien vorkommt, 
ganze Herden vernichtet und großen Schaden verursacht, sind 
die Tierärzte gezwungen, alle bisher empfohlenen Mittel: Ferrum 
8ulfnricum, Acidum hydrochloricum, Acidum carbolicum, Creolin 
den Geflügelzüchtern zu empfehlen. Weil aber diese Mittel kein 
gutes Resultat geben, hat P. B. voriges Jahr einen Versuch mit 
Acid. 8ulfuricum (Schwefelsäure) gemacht. Er ist mit seinem 
Versuche vollkommen zufrieden und empfiehlt jetzt warm die 
Schwefelsäure gegen die Geflügelcholera. In der Bulgarischen 


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9. Juli 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


427 


Zeitschrift fdr Tierheilkunde und Tierzucht „ Veterinäre a Sbirka“ 
No. 5 von d. J. schreibt P. B. folgendes: 

„Im Anfang des Monats April 1902 brach die Geflügel¬ 
cholera in sehr vielen Höfen in Varna aus, ebenso in einem 
Geflügelhof mit verschiedenen Rassehühnern, welcher seit 
3—4 Jahren unter meiner Aufsicht steht. Man verlangte ein 
sichereres Mittel als bisher und ich dachte an die Schwefel¬ 
säure. Ich empfahl daher jedem Huhn, ob krank oder gesund, 
einen Kaffeelöffel voll 72% Schwefelsäure drei Morgen hinter¬ 
einander per ob zu geben. Das Resultat war besser wie 
erwartet; die Krankheit hat auf einmal anfgehört, ja sogar die 
kranken Hühner, welche von der Lösung erhalten hatten, wurden 
gesund. In Anbetracht dieses guten Resultates habe ich das 
Mittel seither in vielen Fällen selbst angewendet oder empfohlen 
und stets mit gutem Erfolge. Seither empfehle ich die Schwefel¬ 
säure als prophylaktisches und Heilmittel gegen Geflügelcholera 
und überall waren die Resultate sehr gute.“ 

Da aber das Mittel per ob zu geben seine Schwierigkeit 
und Unbequemlichkeit hat, empfiehlt Bits che ff die Schwefel 
säure mit Trinkwasser zu geben, nur soll in diesem Falle die 
Lösung schwächer sein, z. B. auf ein Liter Wasser 3 gr Schwefel¬ 
säure. 

Da aber dieses Mittel bei dem Geflügel Durchfall erzeugt 
und die Eischalen weich werden, empfiehlt P. B. das Mittel nur 
2—3 Tage lang zu geben und dann von Zeit zu Zeit je einen 
Tag; außerdem ist beim Gesundbleiben der Hühner der Schaden 
von 2—3 Eiern sehr gering. 

N. D obre ff-Stuttgart, cand. med. vet. 

Heilung bei Milzbrand nach Iiyektion von Argentum 

colloidale. 

Von Distriktstierarzt Fäustle-Bucbloe. 

(Woch. f. T. a. V. 1908 8. 51) 

In einer Stallung erkrankten vier Rinder unter den Symp¬ 
tomen hohen Fiebers, Zitterns, beschleunigter Atmung, blutiger 
Abgänge aus Nase und After an Milzbrand, der bakteriologisch 
festgestellt wurde. Zwei Tiere verendeten. Die beiden anderen 
wurden behandelt. Das erste erhielt intravenös 1,0 argent. 
colloid. Credö in 100 aq. dest. an einem Tage auf zweimal. 
Das Fieber sank von 41,0 auf 38,0. Eine weitere Behandlung 
unterblieb. Das Tier starb. Das zweite Rind erhielt die gleiche 
Dosis vier Tage lang und ist genesen. Auch bei ihm sank die 
Temperatur sogleich. Nur der intravenösen Injektion schreibt 
Verfasser die Heilwirkung zu, nicht der gleichzeitigen Dar¬ 
reichung von zweiprozentiger Creolinemulsion, von der er zwei¬ 
stündlich einen Liter gab, in dem je 0,001 arg. coli, mit auf¬ 
gelöst war. 0. Albrecht. 

Wissenschaftliche Beiträge zur praktischen Pharmazie. 
II. Über eine spontane Ausscheidung von krystalllsierten Calclumtartrat 
aus Vlnum Coiohioi. 

Von Dr. Kunz-Krause, Professor der Chemie an der Tierärztl. 

Hochschule zu Dresden. 

Verfasser hatte gelegentlich der auch in vorliegender Zeit¬ 
schrift von mir referierten Besprechung galenischer Tinkturen 
und der in denselben auftretenden spontanen Ausscheidungen 
bereits auf das Vorkommen von unorganischen bezw. organischen 
Salzen in diesen letzteren hingewiesen. Wie die Tinkturen, so 
sind naturgemäß auch die pharmazeutischen Weine als Lösungen 
zu betrachten, und somit wird mit der vorerwähnten spontanen 


Ausscheidung von Salzen auch bei allen denjenigen Wein¬ 
präparaten zu rechnen sein, welche, wie jene, Auszüge von 
Drogen darstellen. Es sind dies die im D. A.-B. IV auf¬ 
genommenen Präparate: Vinum Chinae, -Colchici, -Condurango, 
-Ipecacuanhae, welce sämtlich mit Xeres oder einem diesem 
äquivalenten Südweine hergestellt werden sollen. Die Bestätigung 
für das mögliche Auftreten krystallinischer Ausscheidungen in 
den genannten Präparaten wurde durch die Untersuchung einer 
älteren Probe von Vinum Colchici erbracht. Es hatte sich so¬ 
wohl im Standgefäße der Offizin, wie in dem ca. 72 kg fassenden 
Vorratsgeiäß ein feiner, fast weißer Krystallsand abgeschieden, 
der sich als Calciumtartrat offenbarte. Nach genauer Be¬ 
schreibung der in Anwendung gekommenen Untersuchungs¬ 
methoden gibt K.-Kr. weiterhin an, daß zwar in den Wein¬ 
trauben und auch im unvergorenen Moste Calciumtartrat vor¬ 
handen ist, daß aber die Menge desselben nicht hinreicht, um 
später im fertigen Weine Abscheidungen zu bewirken. Dagegen 
läßt sich der Schluß auf die Verwendung eines zu stark ge¬ 
gipsten Weines zur Herstellung der Drogenweine folgern. Dieser 
Annahme entspricht auch die Tatsache, daß in den vergangenen 
Jahren die unter den Namen „Xeres“ in den Handel gebrachten 
spanischen Weine meistens zu stark gegipst sich erwiesen haben 
und nicht mehr der Forderung des D. A-B. IV entsprachen, 
nach welcher das Liter zu pharmazeutischen Zwecken ver¬ 
wendeten Weines nicht mehr als 0,09195 g S0 3 bezw. 2,0 g 
K a S0 4 enthalten sollte. 

Weiterhin bestimmt das erwähnte Arzneibuch: „Der Gehalt 
des Weines an Schwefelsäure darf in 100 ccm Flüssigkeit nicht 
mehr betragen, als 0,2 g Kaliumsulfat entspricht.“ Es erscheint 
daher eine Prüfung auf den Maximalgehalt an letzterem Salz 
durchaus nötig. Um diese möglichst einfach zu gestalten, hat 
K.-Kr. sich ein Prüfungsverfahren zurechtgelegt, welches er am 
Schlüsse seiner interessanten Mitteilung der Öffentlichkeit über¬ 
gibt. Die Methode lautet wie folgt: „Werden 20 ccm Wein 
kochend heiß mit 20 ccm einer Lösung versetzt, welche in 
1000 ccm 2,804 g krystallisiertes Chlorbaryum und 10 ccm Salz¬ 
säure von 1,19 spez. Gew. enthält, so darf die nach dem Er¬ 
kalten durch Filtration abgetrennte klare Flüssigkeit nur auf 
Zusatz einiger Tropfen verdünnter Schwefelsäure, nicht aber 
auf weitere Zugabe von 1 ccm der zur ersten Füllung ver¬ 
wendeten Chlorbaryumlösung getrübt werden.“ 

Daß dieses einfache Prtifungsverfahren nicht nur für den 
Besitzer einer Hausapotheke, sondern auch für den Inhaber 
eines Weinlagers wertvoll und damit sehr willkommen ist, be¬ 
darf wohl keiner weiteren Auseinandersetzung. 

Dr. J. Schmidt-Dresden. 

Wochenübersicht über die medizinische Literatur.*) 

Von Dr. Jess-Charlottenburg, 

KrelitiararmL 

Therapeutische Monatshefte 1903, Heft 6. 

Über unsere Erfahrungen mit Ichthargan ; von Dr. Neu wir th. 

Verfasser hält das Ichthargan in Verdünnung von 1 zu 1000 
als ein vorzügliches Spülmittel bei Colpitis und bei Blenorrhoe 
der Vagina. 

*) In der Wochenübersicht No. 26 ist in dem Referat Über 
Tuberkulose der Menschen und der Rinder, der Name des 
Autors ausgefallen; derselbe heißt Nathan Raw; das Original ist 
publiziert im British medical journal 14. März 1903. -* 


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428 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


Die Verwendung des Wasserstoffsuperoxyds in der ärztlichen 
Praxis von Dr. M&nkiewicz. Wie M. in der Allgem. m. Zentr.- 
Zeit. 10. 03 mitteilt, ist, seitdem Merk ein 30proz. Wasserstoff- 
soperoxyd in den Handel bringt, welches unbegrenzt haltbar 
ist, die größere Verwendung dieses Desinfektionsmittels er¬ 
schlossen. Namentlich empfehle sich die Verwendung von 
Wasserstoffsuperoxyd bei eiternden Wunden, bei nekrotischen 
Geweben und zur Anregung der Granulation. Das Wasserstoff¬ 
superoxyd stillt parenchymatöse Blutungen nnd ist ein hervor¬ 
ragendes Reinigungsmittel für die Instrumente. 

Zcntralblatt für Bakteriologie und Parasitenkunde Band H4 No. J. 

Tuberkulosestudien; von Dr. Koppen. K. hat die Methode 
der AgglutinationsprüfuDg der Tuberkelbazillen bearbeitet. Be¬ 
züglich der Einzelheiten muß auf das Original verwiesen werden. 

20 Fälle von Bronchopneumonie bei Keuchhustenkindern, her¬ 
vorgerufen durch ein dem Influenzaerreger ähnliches Stäbchen: 
Bazillus pertussis Epppendorf von Dr. Jochmann nnd Moltrecht. 
Verfasser sahen den Bazillus pertussis in dem Keuchhustensputnm. 
Sie nehmen deshalb an, daß er bei der Keuchhustenerkrankung 
eine ätiologische Rolle spielt. 

Die Bierhefe bei experimentell erzeugter Streptokokken- 
und Staphylokokkeninfektion; von Professor Turro, Tarne 11a 
und Dr. Presta. Die Bierhefe übt bei experimenteller An¬ 
wendung eine deutliche Heilwirkung gegenüber einer Strepto¬ 
kokkeninfektion des Kaninchens aus, sowohl bei lokaler wie 
Allgemeinerkrankung; die Anwendung erfolgt subkutan in Dosen 
von 10 ccm aus einer gut entwickelten Kultur; sie ist 5 Tage 
mindestens, 12 Tage in maximo zu wiederholen. Die gleichen 
Verhältnisse herrschen bei der Staphylokokkeninfektion. 

Nach Snbkutaninjektion von 10 ccm Bierhefe; 4—6 Tage 
hindurch, erzielt man beim Kaninchen eine temporäre Immunität 
gegen experimentell erzeugte Streptokokken- und Staphylokokken¬ 
infektion. Das wirksame Prinzip des Saccharomyces cerevisiae ist 
nicht in seiner Kulturflüssigkeit enthalten; es wurzelt im Zell- 
protoplasma und tritt in Tätigkeit, sobald es durch vorher¬ 
gehende Verdauung seitens der Leukocyten der Körperlymphe 
gelöst ist. Das Blutserum der mitHefe behandelten Kaninchen zeigt 
agglutinierende Eigenschaften gegenüber dem Streptococcus und 
Staphylococcus aureus und albus. 

Mit Hefe beschickte Rinderbouillon oder Malzbrühe wirken 
vom 2. Tage an agglutinierend auf die genannten Bakterien¬ 
arten; bei der Erwärmung auf 55° erlischt diese Eigenschaft. 

In dem Eiter eines mit Bierhefe behandelten Individuums 
verringert sich die Zahl der pyogenen Keime, je länger die 
Behandlung dauert; der Eiter wird schließlich steril, gleich¬ 
zeitig nimmt der Virulenzgrad immer mehr ab. 

Das wirksame Prinzip der per os aufgenommenen Bierhefe 
wird löslich und assimilationsfähig unter der verdauenden Wirkung 
gewisser Bakterienarten der Darmflora, die noch nicht genau 
bestimmt sind. 

Experimentelle Untersuchungen über Krebs bei Mäusen von 
0. Jensen. Die Arbeit ist noch nicht vollendet und soll an 
anderer Stelle eingehend referiert werden. 

Weitere Beiträge zur Agglutination der Staphylokokken; von 
Dr. Otto. Die Untersuchungen führten zu folgenden Resultaten: 
Gerade wie es z. B. unter den zahlreichen Vibrionen nur 
einen speziellen Vibrio cholerae asiaticae gibt, der allerdings in 
den einzelnen Stämmen wieder weitgehende morphologische 
Unterschiede zeigen kann, so findet sich unter den zahlreichen 


No. 27. 


in der Natur vorkommenden Staphylokokken nur eine Art der 
echten menschenpathogenen Traubenkokken. Die einzelnen 
Stämme dieser Art können sich durch verschiedene Farbbildung 
unterscheiden. Mit Hilfe eines hochwertig agglntini er enden, mit 
menschenpathogenen Kokken hergestellten Serums ist eine 
strenge, spezifische Differenzierung der pathogenen und der 
sapro-phytischen Traubenkokken möglich. Es gibt leicht und 
schwer agglutinierbare Staphylokokkenkulturen, die man mit 
Hilfe der Sernmreaktion trotzdem streng differentieren kann. 
Auch mit Hilfe der schwer agglutinierenden, echten, 
menschenpathogenen Staphylokokkenstämme läßt sich ein stark 
agglutinierendes Serum hervorrufen, welches die echten, menschen¬ 
pathogenen Traubenkokken verschiedener Herkunft agglutiniert. 
Dagegen gelingt es nicht mit Hilfe der nicht agglutinierten 
Stämme der saprophytischen Kokken ein Serum herzustellen, 
welches pathogene Staphylokokken agglutiniert. Die agglutiniert 
werdenden, also pathogenen Kokken bilden Hämolysin (Staphy 
lotoxin), die nicht agglutiniert werdenden, saprophytischen 
Stämme dagegen nicht. 

Weitere Studien über das Laktoseruin 3. Mitteilung von 
Dr. Paul Theodor Müller. Verfasser stellt fest, daß das 
Kasein unter günstigen Umständen weit mehr Präzipitin zu 
binden vermag, als zu seiner Fällung erforderlich ist 

Bei stufenweisem Milchzusatz zu einer bestimmten Serum- 
qnantität können wir eine erste Zone unterscheiden, innerhalb 
welcher das Kasein bis auf minimale Spuren vollständig aus¬ 
gefällt wird, und eine zweite Zone, innerhalb welcher eine 
gewisse, mit steigendem Zusatz größer werdende Kaseinmenge 
in Lösung bleibt. Innerhalb dieser Zone der partiellen Fällung 
ist in den vom Niederschlage befreiten Flüssigkeiten • kein oder 
nur spurenweise freies Präzipitin nachzuweisen. 

Mit der zugesetzten Milchmenge wächst nicht nur der ab¬ 
solute Wert der in Lösung bleibenden Kaseinmenge, sondern 
auch deren relative Größe, so daß also hierbei die Fällung 
immer unvollständiger wird, bis endlich eine Grenze erreicht 
wird, von welcher ab überhaupt keine merkliche Abscheidung 
des Kaseins mehr eintritt. Das bei der partiellen Fällung sich 
abscheidende Kasein absorbiert nicht mehr Präzipitin, als zu 
seiner Fällung erforderlich ist. Da der hierbei in Lösung 
bleibende Rest des Präzipitins wie gesagt, nicht im freien Zu¬ 
stande nachweisbar ist, so muß man annehmen, daß er mit dem 
zurückbleibenden Kasein eine lösliche Verbindung eingegangen 
ist. Mit zunehmendem Milchzusatz wächst auch die Menge des 
in Lösung bleibenden Präzipitins. 

Weitere Beiträge zur Theorie der bakterloiytischen Immunität; 
von R. Pfeiffer und E. Friedberger. 

Die Untersuchung führte zu folgendem Ergebnis: 

Die im Serum eines mit Choleraimmunsemm vorbehandelten 
Tieres auftretenden Antiambozeptoren greifen in die cytophile 
Gruppe des Ambozeptors ein. 

Die Antiambozeptoren gegen Choleraimmunkörper besitzen 
keine Affinität für die Rezeptoren des Choleravibrio. 

Die Choleraantiambozeptoren sind relativ stabile Körper, die 
durch ein- bis zweistündige Erhitzung auf 60° nicht zerstört 

werden. 

Auch die Ambozeptoren des Normalsertuns vermögen die 
Bildung von Antiambozeptoren im Tierkörper anzuregen. 

Die Erzeugung von Antiambozeptoren gelingt nicht bei 
allen Tierspezies gleich leicht und sicher. 


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2. Juli 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


429 


Die Erzeugung von Antiambozeptoren gelingt auch gegen 
die Ambozeptoren des Thyphusimmno(hunde)semms. 

Die Antiambozeptoren sind höchst wahrscheinlich als Zell¬ 
bestandteile aufzufassen, welche eine haptophore Gruppe von 
analogem Bau, wie die Bakterienrezeptoren haben, im übrigen 
aber in ihrer Konstitution von diesen different sind. 

Der Rezeptorenapparat des Choleravibrio ist wahrscheinlich 
nicht für die Ambozeptoren der verschiedenen Tierspecies 
spezifisch different. 

Überschüssig an Choleravibrionen verankerte Cholera¬ 
ambozeptoren werden bei der Bakteriolyse wieder frei und 
aktionsfähig. 

Die Cholerabakterien sind außer stände durch ihren 
Lebensprozeß die Choleraimmunkörper zu zerstören. 

Bei der Bakteriolyse der Cholerabakterien ist ein Verbrauch 
von Choleraimmunkörpern nicht nachzuweisen. 

Fortschritte der Medizin. 1903. No. 16. 

Aktinomyko8e der Zunge beim Menschen; von Smirnow. 

Wie S. in der Med. Woche 1902. No. 13 mitteilt, kon¬ 
statierte er bei einer 60 jährigen Patientin, welche eine krepierte 
Ziege abgehäutet hatte, Aktinomykose der Zunge. Es wurden 
23 Tage lang 0,1 Jodkali gegeben, ohne jeden Erfolg. ErBt 
die Excision brachte die Herstellung. 

Tagesgeschlchte. 

Deutscher Veterlnlrrat 

Der deutsche Veterinärrat, dessen Vorsitzender dem 
preußischen Kriegsminister schon mündlich die Notwendigkeit 
des einjährig-freiwilligen Dienstes der Aspiranten vorgestellt 
hatte, hat später an Exzellenz v. Goßler noch eine schriftliche 
Eingabe über die Ausbildung der Militärveterinäre gerichtet. 

Nachdem Herr v. Goßler abgegangen und es als sicher 
zu betrachten ist, daß sein jetziger Stellvertreter zum Kriegs¬ 
minister ernannt wird, hat der Veterinärrat an diesen eine 
zweite Petition gerichtet, welche sich auf die zukünftige Organi¬ 
sation des Militärveterinärkorps bezieht und welcher sämtliche 
darüber in der tierärztlichen Presse erschienenen Äußerungen 
beigefügt worden sind. 

Beide Petitionen sind erstattet gemäß den Beschlüssen der 
letzten Plenarversammlung des Veterinärrates. Esser. 

Preussische Zentraivertretung. 

Die Zentralvertretung der tierärztlichen Vereine Preußens 
hat an das Ministerium für Landwirtschaft folgende Eingaben 
gerichtet: 

1. Die Eingabe, betreffend eine staatlich anerkannte tier¬ 
ärztliche Standesvertretung, gemäß dem Beschlüsse der letzten 
Ausschußsitzung der Zentralvertretung und in Ausführung eines 
Beschlusses der letzten Plenarversammlung, weil Aussicht be¬ 
steht, daß nach Erledigung der Vorarbeiten zum Kreistierarzt- 
gesetz an diese Frage herangetreten wird. 

2. Eine Elingabe, betreffend Schutz gegen die Tierkur- 
pfuscherei der Apotheker. 

3. Eine Eingabe, betreffend den Inhalt des zu erwarten¬ 
den Kreistierarztgesetzes. 

Eine Plenarversammlung der Zentralvertretung ist für den 
März nächsten Jahres in Aussicht genommen. Esser. 


Aus Bayern. 

Wie in No. 25 der B. T. W. initgeteilt worden ist, hat 
Herr Oberregierungsrat Göring bei seinem Ausscheiden aus der 
Stellung als Landestierarzt von Bayern das Ritterkreuz des 
Verdienstordens der bayerischen Krone erhalten. Dieser Orden 
bedeutet, wie vielleicht nicht allenthalben bekannt ist, eine hohe 
Auszeichnung und es ist mit der Verleihung des Ritterkreuzes 
der persönliche Adel verbunden, ähnlich wie bei dem Ehren¬ 
ritterkreuz der Württembergischen Krone. 

In den kgl. bayer. Obermedizinalausschuß ist an Stelle des 
Herrn v. Göring Herr Landestierarzt Dr. Vogel berufen und zum 
Landesinspektor für Tierzucht Atlinger - Nürnberg ernannt 
worden. 

Tierärztliche „Wanderlehrer“. 

Von Thiro jun., Privattierarzt, in Klein-Lafferde (Peine). 

Die Landwirtschaftskammern in Preußen — gewiß auch in 
den übrigen Bundesstaaten — senden alljährlich zur Unter¬ 
weisung der Landwirte über die Nutzanwendung neuerer Er¬ 
fahrungen auf den Gebieten des Ackerbaues und der Viehzucht 
sog. „Wanderlehrer“ aus. Durch belehrende Aufsätze in, 
hauptsächlich kleineren Provinzialblättern beigegebenen, land¬ 
wirtschaftlichen Zeitungen und durch Wanderreden in größeren 
Ortschaften eines Kreises suchen die Herren ihrer Aufgabe ge¬ 
recht zu werden. Das System dieser Publika scheint mir An¬ 
klang gefunden zu haben unter der ackerbantreibenden Be¬ 
völkerung, denn derartige mit theatralischer Anklebemanier an¬ 
gekündigte Vorträge sind stets gar stattlich frequentiert und 
solche Zeitungen werden gerne gelesen. Es ist auch der Nutzen, 
den fernliegende Gegenden für ihren Vorteil dadurch einsaugen 
können, absolut nicht zu verkennen, wie auch die Art solcher 
Unterweisungen des Lobes ganz gewiß nicht bar ist, denn der 
leitende Gedanke, Zugehörigen einer und derselben Berufsklasse 
in ihren Zwecken und Zielen von der — ich möchte sagen — 
Aufsichtsbehörde dieser Klasse Unterstützung und Förderung 
angedeihen zu lassen, ist eine durchaus ideale Maxime. Es ist 
aber auch ersichtlich, daß dieser Idealismus auf dem molligen 
Polster des Egoismus federt, auf dem wohl jeder einmal gerne 
sich schaukelt, dessen Ruhestätte sich aber sofort zu einem 
Sündenpfuhl verwandelt, sobald dieser Egoismus seine Grenzen 
überschreitet und in fremden Gebieten sich’s bequem zu machen 
sucht. 

Es liegt in der Natur auch dieser Sache, daß die ersten 
Schritte den nächstliegenden Gebieten gelten; es ist somit erklärlich, 
daß die Landwirtschaft zuerst in das benachbarteste Gebiet, die 
Veterinärmedizin, hineinmarschiert und ihre Organe in Wort 
und Schrift veterinärmedizinische Erfahrungen den „lateinischen“ 
und anderen Ökonomikern als Beilage zu allen Tagesmahlzeiten 
in reichlichster Weise vorsetzen. Erwiderte Angriffe lassen 
den Förderer bald nachdenken und kräftige Verteidigung macht 
auch den hartnäckigsten Gegner mürbe. Uns Tierärzten stellt 
aber die Landwirtschaft nirgends ein Erwiderungsgebiet zur 
Verfügung; selbst wenn wir in diesem Falle, wo es sich um 
reale Vorteile handelt, von dem Vorrecht der gebildeten Welt, 
der fein und doch so hart strafenden Übergehung, keinen 
Gebranch machen wollten; wir werden stets die Angegriffenen 
bleiben! Diese Erkenntnis ist bereits eine ältliche Dame, sie 
schmückt sich aber gerne mit neuem Flirt nnd ich fürchte, es 
ist ihr ein dehnbares Leben beschieden! Schon Jahrzehnte 
hindurch hätten wir Tierärzte die so überall mahnende Zeit 


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430 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 27. 


verstehen sollen, ans za einem Karree aafznschließen mit anseren 
Führern in der Mitte. Aber ich sehe nichts von alledem; ohne 
Widerhall verklang das Wort, das in banger schöner Sorge 
am ansern Bernf seiner Zeit der Präsident des deutschen 
Veterinärrates, Herr Geheimrat Esser, kurz vor der in unserem 
Beruf leider jetzt wuchernden Vereinssöchtelei jedem deutschen 
Tierarzt rezitierend zurief: Seid einig, einig, einig! — Das ist 
ein Hassen und ein Hasten, ein Drängen und ein Mißtrauen, 
dessen wir uns schämen sollten! Heute erblickt der Kollege 
aus Straßburg in dem Kollegen zu Königsberg schon seinen — 
nun der Kaufmann nennt ihn — Konkurrenten! Die Folgen 
solcher Zerrbilder sind nicht ausgeblieben und immer gähnender 
wird die Kluft zwischen uns durch die Berufsinteressen doch 
so eng verbundenen Tierärzten! Und so hat denn auch 
unser tierärztlicher Beruf „Wanderlehrer“ aufzu¬ 
weisen, die freilich nicht den eigenen Kollegen predigen, die 
aber wandernd durch Rede und Schrift, analog jenen landwirt¬ 
schaftlichen Wanderlehrern, Erfahrungen auf tierärztlichem 
Gebiete in landwirtschaftlichen Versammlungen und landwirt¬ 
schaftlichen Zeitschriften feilbieten! Kaum eine landwirtschaft¬ 
liche Versammlung, auf der nicht ein Tierarzt über Tier¬ 
krankheiten redete, kaum ein „Briefkasten“ einer landwirt¬ 
schaftlichen Zeitschrift, in dem nicht ein Tierarzt willig Auskunft 
über die speziellsten Tierheilmethoden erzählte! 

An und für sich wird niemand von uns über eine Rede 
eines Kollegen in einer landwirtschaftlichen Versammlung sich er¬ 
regen, denn sie zeugt von ehrenvoller Beliebtheit des zu solcher 
Rede aufgeforderten und sie verdient ungeteiltes Lob, wenn der 
Redner in der Gegend „seiner“ Praxis nur vor „seinen“ 
Leuten spricht, wo er dann im ureigensten Interesse schon vor¬ 
sichtig in der Wahl des Themas und dessen Ausführungen sein 
wird. Wenn aber weithergereiste Herren in den der 
eigenen Tätigkeit ferngelegenen Ortschaften, also ohne Kenntnis 
der Bildungsstufe der Versammelten und der dort somit vor¬ 
herrschenden Verhältnisse zwischen Landwirt und Tierarzt, als 
solche „verschriebenen“ Redner „auftreten“ und dann in der 
Fülle des durch die Rede Gebotenen oder bei der nach¬ 
folgenden Fragestellung (alias Diskussion!), über Behandlung 
und Heilung von Tierkrankheiten bereitwilligst die allein dem 
Tierarzt zustehenden Behandlungsmethoden frisch und tröhlich 
erzählen, so muß ich das hassen! Dazu berechtigt mich die 
aus solchen Plauderstündchen klar erkennbare Rücksichtslosigkeit 
gegen meine Kollegen und mich selbst. 

Ich erinnere mich lebhaft an die Freude meines Vaters, eines 
vor nunmehr 47 Jahren approbierten Tierarztes, als es ihm vor 
einigen Jahren durch die Schmidt-Coldingsche Methode ge¬ 
lungen war, die Mortalitätsziffer beim Kalbefieber in seiner 
Praxis um einen schönen Prozentsatz herabzumindern; ich mit¬ 
empfinde heute — selbst in der Praxis — seine Betrübnis, als 
er von der Veröffentlichung eben dieser Methode durch einen 
Tierarzt im — „Hannoverschen Courier“ erfahr und ich bin 
entrüstet, seitdem mir ein Landwirt erzählte, daß vor einigen 
Wochen ein solcher tierärztlicher Wanderredner, — ein „Lehrer“, 
— auf der Versammlung seines landwirtschaftlichen Vereins 
die neueste Behandlung des Kalbefiebers als eine 
jedem Landwirt mögliche expliziert und empfohlen 
habe!! Ob Herr Kollege Schmidt-Colding wohl auch in dem 
landwirtschaftlichen Verein seiner Gegend also geredet hat oder 
reden würde? — Ja noch mehr: es gibt Kollegen, die das 


Milchfieber mit ihrer — Fahrradpumpe vor den Angen der 
Besitzer behandeln! Ich dachte die Zeiten wären vorüber, welche 
die Tierärzte mit Spritze und Regenschirm persiflierten! Aber 
pardon — vielleicht ließen sich die Stiefel durch geeignete 
Aufschraubung an der Spitze zu einem — Clystierapparat ver¬ 
wenden! 

Ich glaube, jeder Praktiker hat sich seit Bekanntgabe 
jener Schmidtschen Methode herzlich über die schönen Erfolge 
gefreut: sie hat uns viele Worte dankbarer Anerkennung gebracht! 
Das soll uns also auch noch genommen werden oder wollen wir 
uns selbst nehmen? Was bleibt uns denn eigentlich noch übrig? 
fast nichts als die unsere Gesundheit so sehr zerfasernden 
Schwergeburten oder liebliche Abnahmen foetider Plazenten. 

Die Rotlaufimpfungen sind Laienhänden zugänglich, Kolik¬ 
pillen werden selbst gereicht und subkutane Injektionen werden von 
den Herren Landwirten kräftig ausgeführt Ein Herr „Caesar 
Rahn“ läßt seine segnenden Bücher von Haus zu Haus an¬ 
bieten, Herrn Wasmuths „Niederlagen von Tierarzneimitteln“ 
im ländlichen Materialwarengeschäft oder beim Dorfbarbier er¬ 
freuen sich eines wohlbeliebten Zuspruchs und jeder junge Landwirt, 
der nur eine landwirtschaftliche Winterschule besuchte, bemüht 
sich nach Vorschrift seines Lehrbuches — Herrn Steuerte 
„Nachbars Rat in Viehnöten“, Herrn Korpsroßarzt E. Zorns 
„Der Landwirt als Tierarzt“ etc. — über Tierkrankheiten 
sich selbst, den Nachbarn und dem ganzen Dorfe Hilfe und 
Rat zu geben. Apotheker empfehlen und verkaufen ohne 
Rezept Salben und Pulver an Tierbesitzer. Ein Professor einer 
tierärztlichen (!) Hochschule schreibt ein „Tierärztliches Taschen¬ 
buch; mit einer Sammlung bewährter diätetischer Vorschriften 
und Rezepte, zum Gebrauch für Tier-Besilzer und Tierärzte“. 
(Also primo loco für Landwirte, secundo für Tierärzte.) Nun, 
mehr als in diesem Buche gebracht wird, sonderlich an Rezepten, 
braucht ein approbierter Tierarzt auch nicht zu beherrschen! 

Genügt dann dem Tierzüchter all diese Fülle von gebotenem 
Hilfsmaterial noch nicht, so geben ihm tierärztliche „Briefkasten¬ 
onkel“ landwirtschaftlicher Zeitungen bereite Auskunft, die ich 
oftmals so ausführlich gefunden habe, daß ganz gewiß nachher 
kein Tierarzt den Hof des Fragestellers betreten hat. Mit 
Beschämung und Unwillen muß man dann dort neben unter¬ 
schriebenen Titeln wie „Molkereiverwalter“, „Landwirtschaft!. 
Wanderlehrer“, „Direktor der Winterschule“ auch Namen von 
Autoren und Lehrern unserer tierärztlichen Wissen¬ 
schaft lesen! Würden wohl ein von Leyden, von Berg¬ 
mann, von Pettenkofer oder auch nur ein Physikus (Kreis¬ 
arzt) oder gar einfacher Landarzt so Auskunft geben? Wann 
und wo erzählen Maschinenfabrikanten die Herstellung land¬ 
wirtschaftlicher Maschinen, wann und wo Krankenkassenärzte 
die spezielle Terapie der Menschenkrankheiten? Sie alle 
sprechen wohl über die Vorteile, die aus ihren Wissenschaften 
ihren Zuhörern erstehen können, über das Wie der Ausführung 
schweigen sie als ihr Berufsgeheimnis füglich! 

Wir Tierärzte haben an unseren Hochschulen auch Herren 
als Lehrer, die uns sind, was jene Ruhmreichen der Human- 
Medizin bedeuten; aber eben diese Lehrer unserer Hochsohulen 
beanspruchen wir als unser alleiniges Eigentum und 
das mit Fug und Recht: ihre geistige Superiorität hat 
uns beim Kampf ums Dasein zu sekundieren, nicht 
andern! Nicht allen Tierärzten zeigte der Würfel das lebens¬ 
frohe Weiß, nur wenige sind auserwählt, die Mehrzahl muß die 


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2. Juli 1908. 


Klingen haarscharf geschliffen halten, will sie im Kampf nicht 
unterliegen 1 Man lese doch nur die Bittbriefe von Witwen 
verstorbener Kollegen, die an die Unterstütznngsfonds tier¬ 
ärztlicher Vereine gerichtet werden, und suche zu verstehen, 
wie manche Träne diese Worte diktierte. Derselbe Spaten, der 
einst unsern Sargdeckel mit schwarzer Erde bekrümelt, er gräbt 
ach so oft auch die Zukunft unserer Familie in dunkle, traurige 
Räume! Lauter, viel lauter als im landwirtschaftlichen Beruf 
mit seinem festen, vererbbaren Besitztum, rasselt bei uns der 
Wecker sein carpe diem. 

Mag es auch ln allgemein wichtigen Fragen (Seuchen¬ 
gesetz, Gewährsmängel etc.) unsern Hochschullehrern und jedem 
andern Veterinär sehr wohl geboten erscheinen können und 
müssen, durch Reden und Zeitungsschriften der Landwirtschaft 
aus dem reichen Schatze der tierärztlichen Wissenschaft hilfs¬ 
bereit ein Helfer zu sein, das Detaillieren ist eine Ver¬ 
sündigung an unserm Beruf und der Kollegialität Möge 
das Morgenrot des 1. April d. J. auch diese Wolken gescheucht 
haben und in beregter Hinsicht den Wandel schaffen, den in 
energischer Weise zu fordern uns unser Leben gebietet. 

Bericht Aber die 29. Jahresversammlung des tierärztl. 
Vereins im Herzogtum Braunschweig 

am 7. Juni im „Deutschen Hause“ zu Braunschweig. 

1. Geschäftliches: Herr Medizinalassessor Schräder-Helmstedt 
eröffnet« um */ 4 12 als stellvertretender Vorsitzender die Versammlung 
mit kurzem Rückblicke auf das verflossene Yereinsjabr, darin be¬ 
sonders des verstorbenen,langjährigenVorsitzenden,Medizinalassessors 
Saake-Wolfenbüttel, mit ehrenden Worten gedenkend. 

Neu aufgenommen werden die Koll. Vogt-Pabstorf, Koch- 
Weferlingen, Römer-Wolfenbllttel, Ernst-Bleckenstedt 

Dem Kassenberichte ist zu entnehmen, daß einer Jahreseinnabme 
von 153,00 Mk. eine Ausgabe von 116,85 Mk. gegenübersteht, so 
daß mit dem Vorräte des Vorjahres von 211,37 Mk. ein Kassen¬ 
bestand von 247,52 Mk. vorhanden ist. 

An Unterstützung für die Ww. Nolte-Walkenried werden 
wiederum 40,00 Mk. bewilligt. 

Der Vorsitzende bringt den für Studierende der Vet.-Med. ge¬ 
gründeten Stipendienfonds zur Sprache. Die Ansichten über die 
Nützlichkeit dieses Fonds sind sehr verschieden, und es wird des¬ 
halb vorläufig ein bestimmter Beschluß über eventl. Zuwendungen 
seitens des Vereins nicht gefaßt. 

2. Wahlen: Zum 1. Vorsitzenden wird per Akklamation Herr 
Medizinalassessor Schräder und zu dessen Stellvertreter Herr 
Hilpert gewählt, welche beide die Wahl dankend annehmen. 

3. Herr Schräder-Helmstedt berichtet über die Versammlung 
des Vet.-Rats in München und gibt ein Bild von seinen persönlichen 
Erlebnissen und Empfindungen dieser glänzendsten aller bisherigen 
tierärztlichen Versammlungen. 

4. Fleischbeschau. Dr. Öhmke kommt zunächst auf die Not¬ 
schlachtungen zu sprechen. U. a. wird von den Anwesenden all¬ 
gemein die Notwendigkeit anerkannt, daß bei Notschlachtungen die 
Fleischbeschau von demselben Tierarzt auszuüben sei, der das 
kranke Tier behandelt hat. Aus der Besprechung ist noch hervor¬ 
zuheben, daß von mehreren Seiten auf Mißstände hingedeutet wurde, 

, welche hinsichtlich der Beseitigung und Vernichtung beanstandeter 
Fleischteile beständen. 

Schluß: 2 Uhr. 

Inzwischen batten sich mehrere Damen eingefunden, mit denen 
gemeinschaftlich das Mittagessen eingenommen wurde. Hieran 
schloß sich ein Spaziergang mit Unterbrechung bei Cafö Lyck und 
Holsts Garten. 

Der Vorstand. 

I. A.: F. Löbr, Königslutter. 


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Bericht Aber die allgemeine Vereins Versammlung des 
Vereins preußischer Schlachthoftierärzte 
am 20. und 21. Juni 1903 in Hannover. 

Die diesjährige allgemeine Vereinsversammlung des Vereins 
preußischer Schlachthoftierärzte hat am 20. und 21. Juni 1903 
in Hannover gelegentlich der Wanderversammlung der Deutschen 
Landwirtschaftsgesellschaft stattgefunden. 

Die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft hatte den Vorstand 
zur Besichtigung der Ausstellung und Eröffnungsfeier derselben 
eingeladen. Bei der Anwesenheit Sr. Majestät des Kaisers auf 
der Ausstellung war als Vertreter des Vorstandes Herr Kühnau- 
Köln auf der Mitteltribüne beim Empfang zugegen. Die Aus¬ 
stellung der D. L. G. in Hannover kann zu den gelungensten 
Veranstaltungen der Gesellschaft gerechnet werden. Die Tier¬ 
ausstellung war namentlich, soweit Rinder in Frage kommen, 
ein reiches Schaubild der deutschen Tieflandschläge, ohne daß 
dabei die Höhenschläge vernachlässigt worden wären. Auch die 
Schweine-, Schaf- und Ziegenausstellung war geeignet, das 
Interesse des Besuchers zu erregen und die Erfolge der Vieh¬ 
zucht und Mästung ihm vor Augen zu führen. 

Am Sonnabend, dem 20. Juni er., nachmittags, war bereits 
eine stattliche Anzahl von Schlachthoftierärzten auf der Aus¬ 
stellung eingetroffen, um unter Führung der Herren Geheimrat 
Lydtin und Professor Dr. Kaiser die Tierabteilung der 
Ausstellung zu besichtigen. Sowohl Herr Geheimrat Dr. 
Lydtin, wie auch Herr Prof. Dr. Kaiser ließen es sich an¬ 
gelegen sein, ihren Zuhörern die Grundsätze der Viehzucht und 
Mästung in klarer Weise auseinanderzusetzen, um alsdann 
auf die Bedingungen der Mästungsarten für die verschiedenen 
Gebrauchszwecke einzugehen. Die ausgestellten Tiere dienten 
als Demonstrationsobjekte für diese Erläuterungen. Besonderer 
Wert wurde von beiden Herren darauf gelegt, die Verwertbarkeit 
der einzelnen Rassen und Schläge mit Beziehung auf die Fleisch- 
prodnktion an den ausgestellten Rindern zu demonstrieren. Aus 
den belehrenden Auseinandersetzungen werden die Schlachthof¬ 
kollegen vieles Wissenswerte mit nach Hause genommen haben, 
um hier im Betriebe unter den Interessenten anregend zu wirken, 
was für die weitere gedeihliche Entwicklung unserer Viehzucht 
und Mästung von nicht zu unterschätzender Bedeutung sein 
dürfte. Für ihre Mühewaltung wurde Herrn Geheimrat Dr. 
Lydtin und Herrn Prof. Dr. Kaiser voller Dank gezollt. 

Nachdem der Rundgang durch die Ausstellung beendet war, 
zerstreuten sich die Vereinsmitglieder, waren aber abends zur 
Begrüßung im Hotel zu den vier Jahreszeiten vollzählig 
beieinander. Einige Worte zur Begrüßung sprach der Vor¬ 
sitzende Herr Goltz. Er drückte seine Freude besonders da¬ 
rüber aus, daß die Kollegen so zahlreich der Einladung gefolgt 
wären, und daß auch Herr Prof Dr. Ostertag zu dem Gelingen 
des Begrtißungsabends durch sein Erscheinen beigetragen habe. 

Am anderen Tage tagte der Verein im Hörsaal des hygieni¬ 
schen Instituts der Königlichen Tierärztlichen Hochschule zu 
Hannover, welcher von der Behörde in entgegenkommendster 
Weise zur Verfügung gestellt worden war. 

Eingefunden zu der Versammlung hatten sich nach Aus¬ 
weis der Präsenzliste 108 Mitglieder und Gäste. Als Delegierter 
der Stadt Hannover wohnte Herr Senator Fink der Versammlung 
bei. Unter den Gästen wurden bemerkt: Herr Geheimer Regie¬ 
rungs- und Medizinalrat Prof. Dr. Damm an n, Herr Departe¬ 
mentstierarzt Dr. Schmidt-Aachen, Herr Regierungsrat Feist- 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 27. 


Straßburg, Herr Prof. Dr. Ostertag und Herr Professor Dr. 
Kaiser. Aus dem Auslande wohnte Herr K. K. Landes-Veteri- 
närreferent Z. Rudovsky-Brünn den Verhandlungen bei. 

Eröffnet wurden die Verhandlungen um 9 3 / 4 Uhr vormittags 
durch den Vorsitzenden Herrn Goltz. Derselbe begrüßte die 
Erschienenen, besonders den Vertreter der Stadt Hannover, 
dankte für die Überlassung des Hörsaals und begründete die 
Wahl Hannovers als diesjährigen Versammlungsort. In der 
Entgegnung wies Herr Senator Fink darauf hin, daß die Städte 
den Bestrebungen des Vereins volles Interesse entgegenbringen 
müßten, denn gerade durch die Arbeit des Vereins würden die 
Städte in ihren Bestrebungen um das öffentliche Wohl unterstützt 
und in den Stand gesetzt, immer bessere Verhältnisse in gesund¬ 
heitlicher Beziehung herbeizuführen. 

Bei der Erstattung des Geschäftsberichts über das 
erste Vereinsjahr teilte Herr Goltz mit, daß der Verein in 
diesem Jahr ein Mitglied verloren hat. Das Andenken des 
verstorbenen Mitgliedes, Schlachthofdirektors Schneeweiß- 
Strehlen wurde in der üblichen Weise geehrt. 

Zur Aufnahme in den Verein haben sich gemeldet: Stadt¬ 
direktionstierarzt Kosler-Stuttgart, die Schlachthofdirektoren 
H. Jost-Göttingen, Schilling-Barmen, Arens-Mülheim a. Rhein, 
Klopmeyer-Wattenscheid, Schäfer-Züllichau, Roolf-Essen, 
Schot tler-Stade, Körner-Holzminden, Oberwinter-Schmal¬ 
kalden, sowie die Schlachthoftierärzte Eilerk-Essen/Ruhr und 
Timmermann - Osnabrück. Gegen die Aufnahme derselben 
hatte die Versammlung nichts einzuwenden. Weitere Herren, 
die sich gemeldet hatten, konnten nicht aufgenommen werden, 
weil die Bedingung des § 1 Abs. 1 des Statuts nicht erfüllt 
war. Der Verein zählt nunmehr 296 Mitglieder. 

Die Bearbeitung der dem Vorstand gelegentlich der ersten 
Vereinsversammlung übergebenen Angelegenheiten ist im Sinne 
der Versammlung erledigt worden. In einer am 23. November 
1902 stattgefundenen Vorstandssitzung, zu welcher der Vor¬ 
sitzende insbesondere den engeren Vorstand, bestehend aus 
Vorsitzendem, Schriftführer und Kassenwart, geladen hatte, und 
an welcher 7 Vorstandsmitglieder teil genommen hatten, wurde 
der Wortlaut der in der Hauptsache von Herrn Direktor 
Re iß mann ausgearbeiteten Denkschrift zur Abänderung des 
Schlachthausgesetzes fertiggestellt und beschlossen, dieselbe 
den zuständigen Behörden, den Städten, in denen Vereinsmit¬ 
glieder sich befinden, und den Abgeordneten des preußischen 
Landtages zuzusenden. Mit Ausnahme der letzteren ist allen 
die Denkschrift zugestellt worden. Die Übersendung der Denk¬ 
schrift an die Abgeordneten ist bisher unterblieben, weil be¬ 
kannt geworden war, daß die Revision des Schlachthausgesetzes 
in der vergangenen Session des Abgeordnetenhauses nicht mehr 
zur Verhandlung kommen würde. 

In der Vorstandssitzung kam ferner zur Sprache die Regelung 
der Untersuchung des in das Zollinland eingehenden Fleisches. 
Es wurde beschlossen, in einer Denkschrift die Gründe nieder¬ 
zulegen, welche es wünschenswert erscheinen lassen, daß mit 
der Untersuchung des in das Zollinland eingehenden Fleisches 
die Gemeinden, in denen Untersuchungsstellen vorgesehen sind, 
betraut werden. Diese Denkschrift ist den sämtlichen Gemeinden, 
in denen sich Untersuchungsämter befinden, übersandt worden, 
und wie Herr Kühn au, welcher die Ausarbeitung und Versendung 
der Denkschrift besorgt hatte, berichtete, ist diese Denkschrift 
insofern von Erfolg gewesen, als die Gemeindevorstände in den 


Verhandlungen, welche mit der Staatsregierung wegen der Aus¬ 
führung der Schlachtvieh- und Fleischbeschau gepflogen wurden 
auf die wünschenswerte Art und Weise der Regelung der 
Untersuchung des in das Zollinland eingehenden Fleisches hin- 
weisen konnten. Verschiedenen Städten ist denn auch von der 
Staatsregierung die Untersuchung des in das Zollinland ein¬ 
gehenden Fleisches vertragsmäßig Übertragen worden. 

Als Verhandlungsgegenstände für die im Jahre 1903 statt¬ 
findende allgemeine Vereinsversammlung wurden gewählt: 

1. Die hygienischen Erfordernisse der Schlacht- und Vieh¬ 
höfe. Das Referat ist von Herrn Geheimrat Dammann über¬ 
nommen worden. Der Korreferent, Herr Direktor Schwarz- 
Stolp, hat wegen Erkrankung absagen müssen. 

2. Einwirkung des Reichsfleiscbbeschaugesetzes auf die 
Anstellungsverhältnisse der Schlachthoftierärzte. Die Referate 
sind von Herrn C o 1 b e r g - Magdeburg und Schräder - Brandenburg 
übernommen worden. 

3. Die Ausübung der Milchkontrolle in Schlachthofgemeinden. 
Das Referat ist von Herrn Prof. Dr. Ostertag, das Korreferat 
.von Herrn Direktor Bockelmann-Aachen übernommen worden. 

4. Die Wahrnehmung gesundheitspolizeilicher Funktionen 
durch Gemeindetierärzte. Das Referat, welches Herr Dr. Bündle 
CarlshorBt-Berlin erstatten sollte, mußte wegen Erkrankung 
desselben von der Tagesordnung abgesetzt werden. 

5. Welche Vergütung sollen die Schlachthoftieräzte für die 
Ausbildung des Fleischbeschauers beanspruchen? Die Herren 
Stier-Wesel und Hentschel-Öls, welche hierüber sprechen sollten, 
konnten wegen der vorgeschrittenen Zeit nicht mehr zum Worte 
kommen. 

6. Ort und Zeit der nächsten Versammlung. Vor Eintritt 
in die Tagesordnung erstattete Herr Geldner-Burg den Kassen¬ 
bericht. Beiträge sind von 282 Mitgliedern bezahlt worden. 
Eingegangen sind somit 846,— Mark, die Ausgaben betrugen 
632,01 Mark, sodaß ein Bestand von 213,99 Mark verblieben ist. 
Die gewählten Revisoren Hintzen-Eschweiler und Quandt- 
Rheydt fanden die Rechnungslegung richtig und wurde dem 
Kassenwart Entlastung gewährt. Bei dieser Gelegenheit machte 
der Vorsitzende darauf aufmerksam, daß, um die Vereinsgeschäfte 
in ordnungsmäßiger Weise führen zu können, im nächsten Jahre 
wahrscheinlich eine Erhöhung des Beitrages vorgenommen werden 
müßte. Bezüglich der Herren, welche ihren Beitrag nicht 
bezahlt haben, wurde beschlossen, sie noch einmal zur Zahlung 
aufznfordern und wenn sie dann nicht zahlten aus dem Vereins- 
register zu streichen. 

Es folgte dann der erste Vortrag: 

Die hygienischen Erfordernisse der Schlaoht- nnd Viehhöfe. 

Von Geheimrat Dr. Dammann. 

Geheimrat Dammann ging in seinem Vortrag von dem 
Standpunkt aus, daß tierhygienische und menschenhygienische 
Forderungen in Frage kommen. Im Schlachthof ist das 
Schwergewicht auf eine genaue Untersuchung der Schlachttiere 
zu legen. Ein ebenso wichtiger Faktor ist die Sauberkeit 
Der Untersuchungsmodus ist durch das Reichsfleischbeschaugesetz 
gegeben und kann ans der heutigen Erörterung ausscheiden. 
Die Lage und Gestaltung des Schlachthofes ist von besonderer 
Bedeutung für die ordnungsmäßige Handhabung des Betriebes. 
In Hannover sind zwei Kardinalfehler bei der Anlage und Ein¬ 
richtung des Schlachthofes gemacht worden, einmal weil der 
Schlachthof oberhalb Hannovers angelegt und zweitens weil die 


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2. Juli 1908. 


Verwaltung der Innung übertragen worden ist. Beide Fehler 
werden in absehbarer Zeit behoben sein. Die Verwaltung geht 
schon in kurzer Zeit an die Stadt über, und es soll unterhalb 
Hannovers ein neuer Schlachthof erstehen. In gleicher Weise 
wie bei der Lage ist bei der Gestaltung der Gebäude und ihrer 
Lage zueinander der hygienische Gesichtspunkt in Rücksicht 
zu ziehen. Je nach der Grösse der Stadt werden die Lagerungs¬ 
verhältnisse verschiedene sein. Indessen ist bei allen Anlagen 
darauf zu halten, daß die Schlachthallen dicht beieinander 
liegen und in der Nähe sich die Kaldaunenwäsche befindet, am 
zweckmäßigsten getrennt durch einen gut ventilierbaren Gang. 
In der Nähe der Schlachthallen muß auch das Kühlhaus erbaut 
sein und mit den Schlachthallen durch einen überdeckten Gang 
verbunden sein, damit eine Beschmutzung des Fleisches ver¬ 
mieden werden kann. Alle dem Schlachtbetriebe dienenden 
Räumlichkeiten müssen hell und luftig sein. Die Wände müssen 
innen bis zu einer Höhe von 2 Meter mit einer abwaschbaren 
Bekleidung versehen sein. Der Fußboden muß undurchlässig 
sein und die nötige Härte und Widerstandsfähigkeit besitzen. 
Um das Ausgleiten der Menschen und Tiere zu verhindern, 
darf er nicht glatt sein. Den nötigen Mangel an Glätte besitzt 
Granit. Tonplatten geben nicht die nötige Bürgschaft einer 
sicheren Abspülbarkeit. Bei dem Umgang mit Fleisch ist 
peinlichste Sauberkeit zu beobachten. Bei dem Tragen von 
Fleisch müssen reine Kittel und Kopfhauben benutzt werden. 
Rauchen ist zu verbieten. Zum Blutauffangen müssen reine 
Gefäße benutzt werden. Das Rühren mit den Händen ist zu 
verbieten. 

Nach dem Entleeren der Blutgefäße muß eine sorgfältige 
Reifdgüng derselben' erfolgen. Das Blut von geschächteten 
Tieren darf zu Nahrungszwecken für Menschen nicht verwandt 
werden, ebensowenig das Blut von kranken Tieren. Für 
kranke Tiere muß ein besonderer Schlachtraum vorgesehen sein, 
damit eine Besudelung des Fleisches der gesunden Tiere aus¬ 
geschlossen ist. Beanstandete Fleischteile sind sofort ver¬ 
schlossenen Gefäßen einzuverleiben, damit eine Entwendung 
derselben nicht stattfinden kann. Die Errichtung zweckmäßiger 
Anstalten zur Brauchbarmachung des bedingt tauglichen Fleisches 
und zur unschädlichen Beseitigung des beschlagnahmten Fleisches 
ist für jeden Schlachthof aus sanitär- und veterinärpolizeilichen 
Gründen anzustreben. Jeder Transport von krankem Fleisch 
kann Anlaß zu Seuchenverschleppungen oder sonstigen Un¬ 
zuträglichkeiten geben, darum sollten überall die zur Beseitigung 
des untauglichen Fleisches bestimmten Anlagen auf dem Schlacht¬ 
hof selbst errichtet werden. Die Anstalt muß auf dem Schlacht¬ 
hof und nicht auf dem Viehhof errichtet werden, damit jede 
Gefahr der Seuchenübertragung ausgeschlossen werden kann. 
In dem Kühlhaus darf nur taugliches Fleisch untergebracht 
werden. Für das Freibankfleisch muß eine besondere, nur von 
außen zugängliche Kühlzelle vorhanden sein. 

Das Kochen, Dämpfen des bedingt tauglichen Fleisches 
sollte nicht auf bestimmte Stunden festgelegt werden, sondern 
man sollte nur so lange kochen, bis es graue oder grauweiße 
Durchschnittsflächen in der Mitte zeigt. 

Zu den notwendigsten Einrichtungen eines Schlachtbofes 
gehört ein bakteriologisches Laboratorium. Mit der Bestimmung 
des § 15 B. B. A. kann sich Referent leicht einverstanden er¬ 
klären; besonders auf Schlachthöfen sollten Verkehrungen ge¬ 
troffen werden, daß die ganzen seuchenverdächtigen Schlacht¬ 


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stücke aufbewahrt werden bis die amtliche Seuchenfeststellung 
erfolgt und nicht nur die erkrankten Teile, wie § 15 bestimmt. 
Auf dem Terrain des Schlachthofes sollen auch genügend Ställe 
für die Aufnahme der Schlachtrinder und ein Stall für krankes 
Vieh vorhanden sein. 

Was die Viehhöfe anbelangt, so ist bei allen Vorteilen, 
welche dieselben bieten nicht außer acht zu lassen, daß durch 
die auf denselben statthabenden Viehanhäufungen der Ver¬ 
breitung ansteckender Krankheiten Vorschub geleistet wird. 
Der Bahnanschluß des Viehhofes muß um die Seuchenübertragung 
nach Möglichkeit zu verringern mit besonderen Einfahrts- und 
AusfahrtsgeleiBen ausgestattet sein. Für die aus dem Aus¬ 
lande kommenden Schlachttiere müssen besondere Geleise, be¬ 
sondere Rampen und besondere Stallungen und Schlachthäuser 
vorhanden sein. Die Abschlachtung muß binnen kurzer Frist 
erfolgen. Werden diese Bedingungen bei der Zufuhr von Vieh aus 
dem Auslände erfüllt, so ist eine besondere Gefahr mit der Schlacht¬ 
vieheinfuhr aus dem Auslande nicht verknüpft. Die Eisenbahn¬ 
waggons, die Viehtransportwagen und die Stallungen sind nach 
jeder Entleerung zu reinigen und zu desinfizieren. Tiere, welche 
auf den Schlachtviehmärkten nicht verkauft worden sind, sollten 
besonders aufgestallt und abgesperrt werden. Die Versendung 
derselben ist nur nach anderen Schlachtviehhöfen zur Abschlachtung 
zu gestatten. Anderenfalls, wenn sie nicht als Schlachtvieh 
behandelt werden, sondern andere Viehmärkte oder Gastställe 
wieder frequentieren, ist immer die Gefahr einer Seuchenver- 
schleppung gegeben. 

Bei dem Ban und der Einrichtung des Viehhofs sind die 
veterinärpolizeilichen Gesichtspunkte voll zu würdigen, wie sie 
in dem Entwurf zur Abänderung des Reichsviehseuchengesetzes 
niedergelegt sind. Sollten die Bestimmungen des Entwurfs 
Gesetz werden, so geben sie der Polizeibehörde die Befugnis 
für den Bau und die Einrichtung des Viehhofs, sowie den Be¬ 
trieb derselben besondere Anordnungen zu erlassen. 

Zu fordern ist in erster Linie eine vollkommene räumliche 
Trennung des Viehhofes vom Schlachthof. Die Ein- und Ausladung 
der Tiere muß getrennt nach Gattungen erfolgen können. Die 
Zutriebswege der einzelnen Gattungen dürfen sich nicht kreuzen. 
Unerläßlich für jeden Viehhof ist ein in voller Ausdehnung undurch¬ 
lässiger Fußboden. Durch Anbringung von Geleisen ist dafür 
zu sorgen, daß das Kleinvieh bequem in die Stallungen trans¬ 
portiert werden kann; namentlich für kranke Tiere muß diese 
Transportmöglichkeit vorgesehen sein. Die Ställe sollten nicht 
gleichzeitig als Verkaufshallen benutzt werden. Die Ställe, 
wie Verkaufsräume müssen sich auszeichnen durch vortreffliche 
Helligkeit und Übersichtlichkeit. Der Fußboden und die Wände 
der Ställe und Hallen müssen leicht zu reinigen und zu des¬ 
infizieren sein. Holz muß in den Ställen und Hallen als nicht 
duldbar angesehen werden. Der Schlachtraum für das seuche¬ 
verdächtige Vieh befindet sich zweckmäßig in der Nähe der 
Eisenbahnrampe. 

Ein einwandsfreier Betrieb des Viehhofes erfordert die 
Untersuchung jedes einzelnen Tieres. Die Untersuchung muß bei 
genügender Helligkeit erfolgen, eventuell ist es in einem be¬ 
sonderen Raum (BeobachtungsstaU) unterzubringen und die Unter¬ 
suchung erst am andern Tage vorzunehmen. Die Einstellung 
der Tiere in die Verkaufshalle darf erst nach erfolgter Unter¬ 
suchung stattfinden. Verkaufte Tiere sind sobald als möglich 
dem Schlachthof zuzuführen. Unverkaufte Tiere sind in be- 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 27. 


sonders abgetrennten Stallnngen nnterznbringen. Rampen und 
Waggons, sowie die Verkaufshallen sind nach jeder Benutzung 
zn reinigen und zu desinfizieren. Der Fußboden muß dauernd 
rein gehalten werden. Wird eine ansteckende Seuche fest¬ 
gestellt, so sind die Behörden der Herkunftsorte und die Eisen- 
bahhverwaltungen zu benachrichtigen. In den verseuchten 
Räumlichkeiten ist eine intensive Desinfektion vorznnehmen. Sehr 
zweckmäßig für ein schnelles veterinärpolizeiliches Eingreifen ist 
die Einrichtung von Veterinärpolizeibureaus auf den Viehhöfen. 

Die auf dem Viehhof aufgestellten Tiere sind täglich zu 
untersuchen, namentlich aber muß jedes Tier vor dem Abtrieb 
untersucht werden. 

Alle Schlacht- und Viehhöfe müssen einer straffen staatlichen 
Aufsicht unterstehen. 

Ein Gesichtspunkt, welcher bei der Senchenverbreitnng sehr 
in Betracht zn ziehen ist, ist die Abgabe von Dünger und 
von Schlachthofabfällen. In welchem Umfange diese Gefahr 
besteht, ist daran zu ermessen, wenn bedacht wird, daß im 
Jahre 1889 auf dem Berliner Viehhofe 67 mal und auf dem 
Schlachthofe 216 mal die Maul- und Klauenseuche festgestellt 
worden ist und daß sich die Erreger von Seuchen im Dünger 
wochen- nnd monatelang lebenskräftig erhalten können. Der 
Dünger kommt weit in das Land hinein. Um der Gefahr der 
Seuchenverschleppung durch den Dünger zu begegnen, müssen 
die Schlachthofleiter den Dünger so behandeln, daß die Keime 
ihre Lebenskraft einbüßen. Verschiedene Städte lassen den 
Dünger ohne alle nnd jede Behandlung ausführen. Nicht zu 
verkennen ist, daß es sehr schwer ist, den Dünger vor der 
Abgabe so zu behandeln, daß sämtliche schädlichen Keime 
abgetötet sind, zumal wenn der Dünger seinen Wert nicht ver¬ 
lieren soll. Die Schwierigkeit einer zweckentsprechenden 
Behandlung wird ferner durch die großen Massen von Dünger, 
welche fortgeschafft werden müssen, vermehrt. 

Vor allem ist es notwendig, den Viehhofdünger und den 
Schlachthofdünger gesondert zu lagern. Die Lagerplätze 
dürfen nicht außerhalb der Anlagen sich befinden, weil dadurch 
die Kontrolle leidet. Der Viehhofdünger muß in gut zementierten, 
nahe dem Ausgange belegenen Gruben aufgeschichtet werden. 
Es ist darauf zu achten, daß sich die Düngergruben nicht in 
der Nähe der Triebwege des Viehs befinden. Eine Desinfektion 
des Düngers mit Karbol, Lysol u. s. w. empfiehlt sich nicht, 
weil diese Desinfektionsmittel der Pflanzenvegetation nachteilig 
sind. Am zweckmäßigsten verwendet wird gebrannter Ätzkalk, 
ein für das Pflanzenwachstum sehr günstiges Mittel. Um die 
hohen Temperaturen, welche im Dünger durch die Lebens¬ 
tätigkeit der thermophilen Bakterien erzeugt werden, sich für die Ab¬ 
tötung der schädlichen Keime zu nutze zu machen, schichtet man 
den Dünger in 1 bis 2 m Höhe und bedeckt d oberste Lage mit 
Pferdedung, der zweckmäßig schwach angesänert wird. 

Die auftretenden Temperaturen von 50 bis 70° töten die 
nicht sporenhaltigen Bakterien ab, wodurch dem Dünger viel von 
seiner Schädlichkeit genommen wird. Die Beimengung von 
Torfstreu ist für nasse, bindige Boden nicht zu empfehlen. 

Die Abgänge des Schlachthofes, Dünger, Mageninhalt, 
Schleimhautteile, Blut, Klärschlamm dürfen nicht alle einheitlich 
behandelt werden. Der Dünger aus den Stallungen ist in gleicher 
Weise wie der Viehhofdünger zu behandeln. Die übrigen Ab¬ 
gänge dürfen nicht alle in eine gemeinsame Grube geworfen 
werden, weil bei dem großen Feuchtigkeitsgehalte die Erhitzung 


eine geringere sein würde und andererseits durch die Fäulnis¬ 
keime eine Zersetzung veranlaßt würde, die der Grube Gerüche 
entströmen lassen würde, welche die Luft verpesten würden. 
Am besten verarbeitet man diese Abgänge nach dem System 
Vogel zu Poudrette, indem man die Masse mit Schwefelsäure 
versetzt und bei 100° C. eindämpft. 

Für größere Schlachthöfe ist es vielleicht möglich, den 
Mageninhalt und die Abgänge an Blut u. s.w. nach dem Plönnies- 
schen Verfahren zu Peptonfutter umzuwandeln. Eine noch 
andere Methode ist die Anwendung von Kalk unter Druck in 
hohen Gefäßen. Kleinere Schlachthöfe bringen den Wampen¬ 
dünger, Darminhalt, Klärschlamm in passende Gruben, die von 
größerer Tiefe sein müssen als die Düngergruben, schichtweise und 
bedecken jede Schicht mit Torfstreu und Kalk. Die oberste 
Lage wird mit Kehricht, Torfstreu etwa 8 bis 10 mm dick be¬ 
streut und bleibt 8 bis 10 Monate liegen. Zweckmäßig legt man 
die Gruben hintereinander an, so daß die Gruben immer 

tiefer werden, damit die Jauche von der einen Grube in 
die zweite, dritte u. s. w. laufen kann. Aus der letzten 

Grube wird die Jauche mittelst der Jauchepumpe in Wagen 

gefüllt und abgefahren. Auf dem Schlachthofe zu Kolberg ist 
dieses Verfahren in Anwendung. Bei der Untersuchung der 
daselbst 7 Monate lagernden, mit tuberkulösen und mit Rotlauf 
behafteten Fleischteilen untermischten Abgänge sind lebensfähige 
Tuberkelbazillen oder Rotlaufkeime nicht gefunden worden. 
Die Jauche wird vor der Abfuhr mit Schwefelsäure und 

KompostmasBe versetzt 

Bei einer derartigen Behandlung der Abgänge können die 
Abwässer unbedenklich abgeleitet werden. 

Für die Beseitigung der Abwässer aus den Sehlachthallen 
u. s. w. eignet sich am besten das Hulwasche Verfahren. Die 
Effluvien gelangen zuerst in einen Verklärbehälter und werden 
dann in der Reinigungsstation mit Kalkmilch und Hulwascher 
Klärmasse versetzt und mittelst eines Dampfstrahlrohrgebläses 
gründlich durchmischt. Der durch dieses Verfahren ausgefällte 
Schlamm findet als Dünger Verwendung. Die im Verklärbassin 
zurückgebliebenen Massen werden mit den Konfiskaten unschäd¬ 
lich beseitigt. 

Für das Referat erntete Herr Geheimrat Dammann den 
vollen Dank der Versammlung. 

In der Diskussion erkannte Herr Goltz die von Herrn 
Geheimrat Dammann aufgestellten Forderungen als voll¬ 
berechtigt an. Er wies in seinen weiteren Ausführungen auf 
die Schwierigkeit der praktischen Durchführbarkeit hin. Sollten 
die Forderungen in einwandfreier Weise erfüllt werden, so 
würden die Ausgaben für die Schlacht- und Viehhofeinrichtungen 
eine derartige Höbe erreichen, daß sie nicht im entferntesten 
durch Einnahmen zu decken wären, wenn nicht eine beträchtliche 
Erhöhung der Vieh- und Fleischpreise Platz griffe. Darum darf 
nur das angestrebt werden, was den Verhältnissen entsprechend 
erreicht werden kann. Hierfür biete der Vortrag eine aus¬ 
gezeichnete Unterlage, auf der weiter gebaut werden könne. 

Professor Dr. Ostertag weist darauf hin, daß durch den 
Dünger nicht nur Seuchen, sondern auch die Brut der tierischen 
Schmarotzer verschleppt wird. Durch die Fleischbeschau sind 
die Muskelscbmarotzer eingedämmt worden, nicht aber die 
Schmarotzer, welche in den Eingeweiden ihr Dasein fristen. 
Gerade darum sollte der Behandlung des Schiachthofdüngers 
besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Ostertag 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


435 


2. Juli 1903. 


empfiehlt die Packung mit Kalk, wie sie im Aachener Schlacht- 
hofe von Bockeimann angewendet wird. Auch die einfache 
Packung, auf welche Gärtner in Jena und Alexander Müller 
hingewiesen haben, leiste ihren Nutzen. Durch das Packen in 
1 m dicke Haufen werde durch die thermophilen Bakterien 
genügende Erhitzung hervorgerufen, um die Schädlichkeiten im 
Dünger zu beseitigen. Grundsatz sei bei dieser Behandlung, 
auf das verdächtige Material unverdächtiges, die Einstreu 
aus den Ställen, zu schichten. 


Herr Bockeimann berichtet über die in Aachen an¬ 
gewendete Art der Kompostierung. Dieselbe erfolgt in Lauf¬ 
gräben von 2 m Breite, die zementiert und durch herausnehm¬ 
bare Bretterwände in Abteilungen geschieden sind. Die Jauche 
wird von Zeit zu Zeit über die Komposthaufen gepumpt und die 
Oberfläche derselben mit Flugasche bedeckt. Nach einem Jahr 
werden die Massen in fast trockenem Zustande zu Düngerzwecken 
abgegeben. Selbsterhitzungen sind nicht beobachtet worden. 

(Fortsetzung folgt.) 


Staatsveterinärwesen. 

Redigiert von Preusse. 

Verbreitung der Tierseuchen in Deutschland 1901. 

Am dem Jahresbericht des Kaiserlichen Gesundheitsamtes. 

Verlag von Julius Springer-Berlin. 

Die Schweineseuche. 

Es sind im Berichtsjahre alle Bundesstaaten betroffen 
gewesen, ausgenommen Schwarzburg-Sondershausen, Reuß ä. L., 
Schaumburg-Lippe, Lübeck und Bremen. 

Die Seuche herrschte insgesamt in 3620 Gemeinden etc. 
und 6739 Gehöften; hiervon fallen allein auf das zweite Viertel¬ 
jahr 2192 Gehöfte. Erkrankt sind 38 325 Schweine, davon sind 
30 958 = 80,8 Proz. gefallen bezw. getötet. Gegenüber dem 
Jahre 1900 ist die Seuche sehr vermehrt aufgetreten. . In 
letzterem Jahre waren nur 1623 Gemeinden etc. und 2649 Ge¬ 
höfte betroffen, es erkrankten 6343 Schweine. Die Zahl der 
betroffenen Gemeinden ist daher um 125 Proz., die der Gehöfte 
um 156 Proz. gestiegen. Die größte räumliche Ausbreitung 
hatte die Seuche wiederum in den Provinzen Schlesien, 
Brandenburg und Posen. Allen voran steht der Reg.-Bez. 
Breslau mit 348 Gemeinden und 478 Gehöften. In diesem 
Bezirk befanden sich auch die am meisten verseuchten Kreise 
Breslau, Militsch, Neumarkt, Trebnitz, Schweidnitz. Hohe Er¬ 
krankungsziffern wiesen außer den schlesischen Regierungs- 
Bezirken auch die Bezirke Posen, Frankfurt; Gumbinnen, 
Königsberg und Danzig auf. Eine sehr viel geringere Ver¬ 
breitung zeigte die Schweineseuche in den westlichen Provinzen 
und in den anderen Bundesstaaten; nur im Königreich Sachsen 
sind noch eine größere Anzahl (413) Gehöfte von der Seuche 
betroffen worden. 

Von auswärtigen Staaten wurden von der Schweineseuche 
besonders heimgesucht Großbritannien, Österreich-Ungarn, 
in letzterem Lande wieder am stärksten Galizien und Nieder- 
Österreich, ferner Bosnien und Herzegowina, Rumänien, 
Rußland und Serbien. 

Seucheneinschleppungen aus dem Auslande sind nicht bekannt 
geworden, dagegen sind solche innerhalb der Bundesstaaten 
sehr zahlreich vorgekommen. Auch gelangten in vielen Fällen 
bereits erkrankte oder angesteckte Schweine in den Besitz der 
neuen Eigentümer. Aus Mecklenburg-Schwerin wurde gemeldet, 
daß dort sehr häufig Unterlassungen der Anzeige vorkamen, 
weil die Besitzer den Ausfall des einträglichen Ferkelverkaufs 
fürchteten. Bei vorschriftsmäßiger Ausführung der Sperr¬ 
maßregeln haben wiederholt Senchenverschleppungen statt¬ 
gefunden durch den Personenverkehr und den Hausierhandel, 
durch Dungabfahren, Molkereirückstände; einmal soll die Seuche 
auch durch Hunde verschleppt worden sein. In den Reg.-Bez. 
Potsdam und Bromberg veranlaßten unvollkommen desinfizierte 
Ställe wiederholte Seuchenausbrüche. 


Die Ermittelung der Seuchenausbrüche erfolgte mehrfach 
durch die tierärztliche Beaufsichtigung der Viehmärkte und 
Schlachthäuser, sowie bei der Fleischbeschau, in Abdeckereien 
und bei polizeilich angeordneten Untersuchungen aller gefährdeten 
Tiere am Seuchenort. 

In einigen Fällen wurden Inkubationszeiten von 5 bis 6 
bis 10 bis 15 Tagen, selbst bis 372 Wochen ermittelt. 

Über Impfungen ist nur wenig berichtet worden. In 
Mecklenburg-Schwerin soll das Landsberger Septicidin günstig 
gewirkt haben, besonders bei der chronischen Form; auch in 
Gotha sind mit Septicidin günstige Erfolge erzielt worden. 

Marktverbote batten im allgemeinen einen günstigen Einfluß 
auf die Ausbreitung der Seuche. Es wurden in den Reg.-Bez. 
Königsberg, Posen, Breslau solche Verbote erlassen. 

Der Rotlauf der Sohwelne. 

Der Rotlauf ist wiederum in allen deutschen Bundesstaaten auf¬ 
getreten; es waren insgesamt 10519 Gemeinden etc. und 
21570 Gehöfte betroffen. Es wurden 35860 Erkrankungsfälle 
ermittelt, hiervon sind 31077 = 86,7 Proz. gefallen bezw. getötet. 

Die meisten Erkrankungsfälle kamen im 3. Vierteljahr zur 
Kenntnis (16158 Schweine), also fast die Hälfte der überhaupt 
gemeldeten Erkrankungen. Die wenigsten Erkrankungen, 2288, 
kamen im 1. Vierteljahr vor. Räumlich am stärksten verbreitet 
war die Seuche in den Reg.-Bez. Königsberg i. Pr. (1856 Gehöfte), 
Posen (1610), Gumbinnen (1431), Bromberg (1056) und 
Oppeln (1145), sowie in den Kreisen Orteisburg (373 Ge¬ 
höfte), Mohrungen (159), Johannisburg (309), ZüUichau (486), 
Kosten (163). In den vorgenannten Bezirken und Kreisen sind 
auch sehr hohe Erkrankungsziffern zu verzeichnen gewesen. 
Es sind also besonders wieder die östlichen Reichsteile betroffen 
gewesen, weniger die westlichen und südlichen. Gegenüber dem 
Vorjahr sind weniger Erkranknngsfälle vorgekommen. Die Zahl 
der verseuchten Gemeinden betrug 1901 3,9 Proz. weniger, die 
der Gehöfte 15,4 Proz. weniger, und die der Erkrankungsfälle 
20,8 Proz. weniger wie im Jahre 1900. 

Von auswärtigen Staaten sind besonders stark betroffen 
worden: Dänemark, Frankreich, Italien, Niederlande, Österreich- 
Ungarn, Rumänien, Rußland und die Schweiz. — Zwischen den 
einzelnen Bundesstaaten sind sehr zahlreiche Seuchenein¬ 
schleppungen vorgekommen. In sehr vielen Fällen gelangten 
bereits erkrankte oder angesteckte Schweine in den Besitz der 
neuen Eigentümer. 

Unterlassungen von Anzeigen haben häufig in Preußen 
Anlaß zur Weiterverbreitung gegeben; ferner die Weggabe 
von Fleisch rotlaufkranker Schweine, die Entwendung von 
Kadavern, oberflächliches Verscharren von Kadavern. Durch 
Aufnahme der Krankheitskeime von der Straße sind in mehreren 
Fällen Erkrankungen hervorgerufen worden. Im Reg.-Bez. 


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436 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 27. 


Merseburg brach der Rotlauf in mehreren Beständen nach der 
Impfung durch einen Barbier aus. Im Reg.-Bez. Bromberg 
wurden mehrere Wiederausbrüche des Rotlaufs in nicht genügend 
desinfizierten Stallungen beobachtet. 

Die Ermittelung von Rotlaufausbrtichen erfolgte in sehr 
zahlreichen Fällen durch die tierärztliche Beaufsichtigung der 
Viehmärkte und Schlachthäuser, ebenso durch die Fleischbeschau, 
ferner in Abdeckereien, bei Eisenbahntransporten, einmal bei 
einer Stallrevision. 

Bei polizeilich angeordneten Untersuchungen aller durch 
die Seuche gefährdeten Tiere wurde in 2 Fällen Rotlauf er¬ 
mittelt. 

In Betreff der Inkubationsdauer ist in verschiedenen Fällen 
eine solche von 1 bis 3 Tagen festgestellt worden. In Sachsen- 
Altenburg sind in 2 Gemeinden Schweine zwischen 4 und 5 
Tagen nach Einstellung in die längere Zeit unbenutzt gewesenen 
Ställe erkrankt. 

In Betreff der Rotlaufimpfungen enthält der Jahresbericht 
Mitteilungen aus den Jahren 1897 bis 1901. Es sind nachweis¬ 
lich insgesamt mit Lorenz schein Impfstoff 482475 Schweine, 
mit Susserin 92528, mit Porkosan 17500 und mit Pastenr- 
schem Impfstoff 13413 geimpft worden. Es sind nun an 
der Impfkrankheit oder innerhalb 3 Tagen nach der Impfung er¬ 
krankt von den mit Lorenzschem Serum behandelten Schweinen 
0,16 Proz., von den mit Susserin geimpften 0,13 Proz., mit Por¬ 
kosan 4,8Proz., nach Pasteur 3,8 Proz. Von den mit Lorenz¬ 
schem Impfstoff behandelten Schweinen starben später an Rotlauf 
0,2 Proz., nach Susserin 0,33 Proz. 

Bei Anwendung der Impfstoffe als Heilmittel genasen nach 
Lorenzschem Serum 84,79 Proz. (im Jahre 1901: 93,39 Proz.), 
nach Susserin 81,55 Proz. (1901: 85,88 Proz.), nach Por¬ 
kosan 52,78 Proz. Die nach Impfung mit Lorenzschem 
Serum und mit Susserin beobachteten geringen Mißerfolge sind 
vielfach nur Nebenumständen zuzuschreiben: zu späte Not¬ 
impfungen, nicht sachgemäße Ausführung der Impfungen, 
Komplikation mit Schweineseuche, ungenügende Sauberkeit, 
ferner aber auch durch Verwendung zu alter und schwacher 
bezw. zu stark wirkender Kulturen. In einem Falle sind 
27 Schweine aus einer hochedlen Zucht nach der Impfung ein¬ 
gegangen, möglicherweise, weil sie dem Impfeingriff gegenüber 
zu wenig widerstandsfähig waren. 

Das vom Kaiserlichen Gesundheitsamt gesammelte Material 
läßt erkennen, daß sowohl mit Lorenzschem Impfstoff als 
auch mit Susserin annähernd gleich günstige Erfolge erzielt 
worden sind; Porkosan und Pasteursche Lymphe befriedigten 
im allgemeinen wenig. 

In dem Separatbericht des Ober-Medizinalrats Dr. Lorenz 
über die Ergebnisse der Bekämpfung des Schweinerotlaufs ist 
angegeben worden, daß von 11 316 schntzgeimpften Schweinen 
im Laufe des Jahres 1901 nicht eines an Rotlauf eingegangen ist. 

Für die Bekämpfung des Rotlaufs wurden in Hessen 
insgesamt 25 020,14 M. gezahlt, 15 014,31 M. für Entschädi¬ 
gungen, 2270,71 M. für Feststellung der Rotlauffälle, 3196,97 M. 
für Feststellung der Fälle mit negativem Ergebnis und 
4527,35 M. Impfkosten. Die Kosten für die gelieferten Impf¬ 
stoffe sind hier nicht mitberechnet. Sie belaufen sich nach den 
bisherigen Erfahrungen auf 10 Pfg. für den Impfling. 


Kammergerieht8ent8cheidnngen. 

Reohtsusgültlgkelt veterinlrpollzellioher Anordnungen. 

Das Kammergericht hat durch Urteil vom 23. Juni 1902 
zwei landespolizeiliche Anordnungen des Regierungs-Präsidenten 
in Koblenz vom 27. März und 3. April 1900 materiell und formell 
für rechtsungültig erklärt, weil in den Anordnungen die Art der 
Seuche, sowie die Örtlichkeit oder die Gegend, von welcher 
her die Gefahr droht, nicht deutlich bezeichnet waren und weil 
aus den Anordnungen selbst nicht hervorging, daß sie mit Ge¬ 
nehmigung des Ministers für Landwirtschaft erlassen worden sind. 

Dieses Urteil beschäftigt sich demnach mit dem gleichen 
Gegenstand wie die Kammergerichts-Entscheidung v. 24. Juni 1901 
(B. T. W. 1901 S. 609), welche ihrerseits Anlaß zu der 
Ministerial-Verfügung vom 7. Oktober 1901 (B. T. W. 1901, 
S. 765) gegeben hat. Das Kammergericht äußert sich in dem 
hier in Rede stehenden Urteil dahin, daß aus der Entstehungs¬ 
geschichte der Vorschrift im § 18 des Viehseuchengesetzes 
hervorgehe, daß durch die Streichung des Zusatzes „§ 14“ in 
dem Gesetz vom 23. Juni 1880 nicht beabsichtigt worden sei, an 
Stelle der bisher geforderten bestimmten, d. h. durch die Fest¬ 
stellung des Seuchenorts und der Seuchenart gekennzeichneten 
Gefahr, die unbestimmte, bei der jetzigen Entwicklung des Vieh- 
standes jederzeit vorhandene Möglichkeit einer Einschleppung 
oder Verbreitung von Viehseuchen zu setzen. Es soll hierdurch 
nur zum Ausdruck gelangen, daß die Maßnahmen der 
§§19 bis 29 auch dann bereits zuzulassen sind, wenn der Ort 
oder die Gegend, von welcher die Seuchengefahr ausgeht, nicht 
in dem betreffenden, sondern in einem anderen Regierungsbezirk 
oder im Auslande liegt. Es müsse demnach eine bestimmte 
Seuchengefahr vorliegen, und dieses müsse in der Anordnung 
selbst zum Ausdruck kommen, da aus dem Wortlaut einer 
solchen het Vorgehen müsse, daß die Voraussetzungen erfüllt 
sind, an welche ihre Rechtsbeständigkeit geknüpft ist In den 
Worten „zur Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche“ sei 
zwar die Seuche, gegen welche sich die Anordnung richten soll, 
aber nicht die Gefahr gekennzeichnet. In dieser Beziehung 
steht das Kammergericht auf einem anderen Standpunkt wie das 
Reichsgericht, welches in der Entscheidung vom 7. November 1901 
in den Worten „zur Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche“ 
die Annahme einer bestimmten Seuchengefahr seitens des Re¬ 
gierungs-Präsidenten erblickt hat. 

Die Anordnungen des Regierungs-Präsidenten in Koblenz seien 
auch formell ungültig, weil in dem Eingang zu denselben der 
Genehmigungsvermerk fehle. Auch der Umstand, daß die 
ministerielle Genehmigung für die hier in Rede stehenden 
Anordnungen nachträglich erteilt worden ist, lasse sie nicht 
rechtsgültig erscheinen, da sie ursprünglich nicht mit, sondern 
ohne Genehmigung des Ministers erlassen worden seien. Auch 
in dieser Beziehung steht übrigens das Reichsgericht auf einem 
anderen Standpunkt wie das Kammergericht. 

Die vorerwähnte Kammergerichts-Entscheidung, welche noch 
viel mehr verlangt wie die frühere, zeigt, wie nötig eine 
Gesetzesrevision ist, wenn das Verordnungsrecht der Polizei¬ 
behörden nicht noch mehr beschränkt werden solL Der 
neue Entwurf zum Reichsviehseuchengesetz sieht auch bereits 
eine Änderung des § 18 vor. 

Abdeckereigewerbe. 

Eine wichtige Entscheidung hat das Königl. Kammergericht 
in bezug auf das Abdeckereigewerbe gefällt Nach einem Urteil 


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2. Juli 1908. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 437 


vom 20. Juli 1902 bezieht eich das Abdeckereigewerbe nicht 
auf Federvieh, sondern nur auf größeres Vieh, dessen Hant 
einen besonderen Wert hat, für die Provinz Brandenburg und 
das sonstige Gebiet der Kgl. Verordnung vom 29. April 1772 
nur auf Pferd und Rindvieh. Das Abholen und Vergraben 
anderer Tierkadaver kann den Abdeckern durch Polizei- 
Verordnungen nicht zur Pflicht gemacht werden. 

In dem konkreten Falle hatte ein Abdeckereibesitzer in 
der Provinz Brandenburg es unterlassen, krepierte Gänse von 
einem Bahnhof abzuholen, obwohl es ihm angesagt war und 
der Ort zu seinem Bezirk gehört. 

Nach der für Brandenburg gültigen Polizei-Verordnung vom 
15. November 1893 ist jeder Abdecker verpflichtet, zufolge 
Aufforderung die innerhalb seines Bezirkes getöteten oder ge¬ 
fallenen Tiere binnen längstens 12 bezw. 24 Stunden abznholen. 
Die Vorinstanzen hatten entschieden, daß weder diese Polizei- 
Verordnung noch sein Privilegium sich auf Federvieh beziehe. 
Dieser Ansicht stimmte das Kammergericht zu. Aus der Her¬ 
kunft des Wortes Abdecker von „ab-decken“ ergebe sich, daß 
sich dieses Gewerbe lediglich auf größeres, vierfdßiges Vieh 
beziehe, dessen Haut (Decke) einen besonderen Wert bat, mit 
Ausnahme der Schafe, regelmäßig also nur auf Pferde und 
Rindvieh. Dies gelte jedenfalls für die Provinz Brandenburg 
und das sonstige Gebiet der Kgl. Verordnung vom 29. April 
1772. Hiernach umfasse das Abdeckereigewerbe das außer 
der Viehseuche abgestandene, auch bei dem Schlachten unrein 
befundene Vieh (Schafe ausgenommen). Wie aus § 3 erhelle, 
werden hierunter Füllen und Pferde, Rinder, Stärken und 
Haupt-Rindvieh begriffen. Es ergeben dies auch die Neben¬ 
bestimmungen; betr. die Größe der anzuiegenden Gruben und 
die Höhe der dem ansagenden Boten zu verabfolgenden Trink¬ 
gelder. Nach dem Gesetz vom 31. Mai 1858 können zwar 
Abdeckereibezirke eingerichtet werden, doch seien diese Bezirks¬ 
abdecker nur verbunden, die ihnen von der Regierung nach Ma߬ 
gabe der bestehenden Gesetze und Verordnungen in polizeilicher 
Beziehung vorzuschreibenden Verrichtungen und Leistungen der 
Abdecker zu erfüllen. Ihre Aufgabe könne sich daher nur auf 
die in der Verordnung vom 29. April 1772 genannten Tier¬ 
gattungen erstrecken; das Abholen anderer Tierkadaver könne 
ihnen daher nicht zur Pflicht gemacht werden. 


Audiatur et altera pars. 

In No. 20 dieser Zeitschrift berichtet Herr Kreistierarzt 
Dr. Kampmann über die Schwierigkeit der Milzbrandunter- 
snchungen und greift bei dieser Gelegenheit die landwirtschaftliche 
Versuchsstation Posen, welche in einem Falle zu einem anderen 
Ergebnis, als Herr Dr. Kamp mann gekommen ist, sehr scharf an. 
In dem betr. Artikel heißt es unter anderem: 

„Der Besitzer oben erwähnter (verendeter) Kuh schickte ohne 
mein Wissen Blutproben dieser Kuh an die agrikultur-chemische 
Untersuchungsstation der Landwirtscbaftskammer und an einen 
Militärtierarzt in Posen zur Untersuchung. Von beiden Seiten er¬ 
hielt der Besitzer den Bescheid, daß kein Milzbrand vorliege. 

Die Diagnosen ans der Landwirtscbaftskammer so¬ 
wohl als diejenige des Militärkollegen haben für mich 
den Wert einer Null gehabt; die Untersuchung derartiger Fälle 
bietet derartig große Schwierigkeiten, daß zu ihrer Beurteilung ein 
hohes Maß von bakteriologischer Sachkenntnis gehört, für deren 
Besitz die zitierten Untersucher noch nicht den Beweis erbracht haben.“ 

Ich komme direkt zur Sache. 

Im Januar d. Js. verendete eine Kuh des Herrn Gutsbesitzers 
Felke, Kocanowo. Das Tier war einige Wochen vorher schwer 


gestürzt, kränkelte seit jener Zeit, fraß schlecht und magerte ab. 
Kurz vor dem Tode, welcher an einem Montage erfolgte, war das 
Tier von einem Hunde gehetzt worden. Am nächsten Sonnabend, 
d. h. fünf Tage später, wurde der Kadaver, welcher auf der Tenne 
lag, in Gegenwart des Herrn Dr. Kampmann geöffnet Bei der 
Sektion ergaben sich, wie auch Herr Dr. Kampmann berichtet, 
„absolut keine pathologisch-anatomischen Erscheinungen“, welebe 
auf Milzbrand deuteten. Das Tier war nach Mitteilung des Herrn 
Felke sehr blutleer; in den Herzkammern fand sich wenig Blut 
Herr Dr. Karapmann äußerte naih der Sektion dem Besitzer 
gegenüber die Ansicht, daß wohl Herzlähmung vorläge, nahm 
jedoch eine Blutprobe zur Untersuchung mit Bereits am Abend 
desselben Tages wurde Herrn Felke jedoch durch den Herrn 
Distriktskommissar mitgeteilt, daß Herr Dr. Kampmann Milzbrand 
konstatiert habe und der Kadaver unschädlich gemacht werden 
müsse. 

Hierauf bezieht sich doch wohl auch die Bemerkung des Herrn 

Dr. Kampmann: „Ich habe nur dem eigenen Befunde. 

entsprechend die erforderlichen Maßnahmen durch die Polizei 
anordnen lassen.“ *) 

Den Besitzer überraschte dieses Urteil umsomehr, da das Vor¬ 
leben der Kuh auf eine andere Todesursache schließen ließ, bisher 
Milzbrand auf seinem Hofe nicht beobachtet worden war und sämt¬ 
liche andere Tiere gesund blieben. Er entnahm selbst vor dem 
Vernichten des Kadavers drei Blutproben aus dem Herzen, sowie 
ein Stück der Milz und übergab sie Herrn Oberroßarzt Kunze mit 
der Bitte, eine Untersuchung der Proben auf Milzbrand zu ver¬ 
anlassen. Eine derselben erhielt die hiesige landwirtschaftliche 
Versuchsstation. Mit der Untersuchung wurde der Bakteriologe der 
Versuchsstation, Herr Dr. Vogel betraut. Dieser teilte Herrn Ober¬ 
roßarzt Kunze sofort selbst, da ich verreist war, mit, daß die ein¬ 
gelieferte Probe nicht ganz einwandsfrei sei, da das Blut bereits 
Fäulniserscheinungen zeige. Auf Wunsch des Herrn Oberroßarztes 
Kunze wurde die Untersuchung trotzdem vorgenommen. Über 
den Ausfall derselben erstattete Herr Dr. Vogel mir folgenden 
Bericht: 

„Die mikroskopische Untersuchung des oingelieferten Blutes 
ergab die Anwesenheit zahlreicher Bakterien verschiedener Art, 
darunter auch einige Stäbchen in der Größe und Form der Milz¬ 
brandbazillen. Nirgends zeigten die mikroskopischen Präparate 
jedoch die für Milzbrand typischen kurzen Ketten oder Kapsel¬ 
färbung. Es wurden nun von der Milz sowohl, als auch von den 
Blutkuchen je 4 Stückchen aus dem Innern des Materials ent¬ 
nommen und jedes Stückchen in einem Röhrchen mit ca. 8 ccm 
steriler Peptonbouillon gründlich ausgequetscht. Von den so er¬ 
haltenen 8 Aufschwemmungen erhielt je eine weiße Maus 1 ccm sub¬ 
kutan injiziert. Die Tiere blieben sämtlich an den folgenden Tagen 
munter, behielten ihre Freßlust und wurden 10 Tage lang in Be¬ 
obachtung gehalten. Es starb keine Maus.“ 

Auf Grund dieses Befundes wurde Herrn Gutsbesitzer Felke 
am 15. 1. 1903 mitgeteilt, daß in dem von ihm entnommenen und 
in der Versuchsstation untersuchten Blut keine Milzbrandbazillen 
gefunden seien. Gleichzeitig schrieb Herr Oberroßarzt Kunze 
bezugnehmend auf dieses Attest und die anfangs erwähnte 
telephonische Benachrichtigung am 26. 1. 1903 an den genannten 
Herrn unter anderem: „-Ich mache Sie aber darauf auf¬ 

merksam, daß die Untersuchung nicht ganz einwandsfrei ist, da die 
Blutproben nicht aseptisch entnommen sind und alle möglichen 
Beimischungen enthielten.“ 

Die beiden anderen Blutproben, welche Herr Felke Herrn 
Oberroßarzt Kunze übergeben hatte, wurden durch Herrn Unter¬ 
roßarzt Dr. Hobstetter untersucht. Derselbe teilte Herrn Kunze 
mit, daß es ihm weder durch die mikroskopische Prüfung, noch 
durch den Kultur- und Tierversuch gelungen sei, in diesen Proben 
Milzbrandbazillen nachzuweisen. 

Ich betone ausdrücklich, daß Herrn Dr. Vogel und mir dieser 
Befund erst seit einigen Tagen bekannt ist. Das gleiche gilt von 
den eingangs mitgeteilten Tatsachen über die Beschaffenheit der 
verendeten Kühe, ihren Tod und denSektionsbefund, deren richtige 


*) Anm. No. 20 d. Zeitschr. pag. 329. 


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488 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 27 


Darstellung mir Herr Felke bestätigen wird. Herr Dr. 
Vogel ging ganz unbefangen an die Untersuchung des Blutes und 
gab sein Urteil vollkommen selbständig und ohne die Vorgeschichte 
zu kennen ab. 

Ich muß ganz entschieden Herrn Dr. Kampmann, welcher 
die Einrichtung der hiesigen landwirtschaftlichen Versuchsstation 
und die angestellten Assistenten gar nicht kennt, die Berechtigung 
absprechen, über die Arbeiten der landwirtschaftlichen Versuchs¬ 
station ein so abfälliges Urteil wie das eingangs erwähnte zu fällen. 

Dr. M. Gerlach. 

Direktor der landwirtschaftlichen VorsuchdUUon 
der Landwlrtachaftskammer fUr die Provinz Posen. 

Die von Herrn Dr. Gerlach angeführte sachliche Darstellung 
entspricht den Tatsachen. Um dem Vorwurf der ungenügenden 
Untersuchung zu begegnen, lasse ich den Gang der von mir in 
Gemeinschaft mit Herrn Unterroßarzt Dr. Hobstetter in dessen 
Privatlaboratorium ausgeführten Versuche folgen. 

Blutprobe, nach Bericht aus dem Herzen stammend, besteht 
aus 2 circa taubeneigroßen gut geronnenen Klumpen. 

Ausstriche aufObjektträgern(ca. 15—20): massenhaft stäbchen¬ 
förmige Bakterien ohne Kapsel, verschieden lang, dick mit ab¬ 
gerundeten Enden, nicht in längeren Verbänden. Ferner einige 
dem B. anthracis ähnliche Stäbchen, doch ebenfalls ohne Kapsel, 
abgerundet und meist in Verbänden zu zweien. 

Kultur (bei 37° Cels. Brutschrank): In Platte III neben B. 
Proteus vulg. obiges Stäbchen in Reinkultur. Kultur der des B. 
anthracis nicht ähnlich. 

Impfversuche. Zwei weiße Mäuse wurden sofort mit Spuren 
der Blutprobe geimpft. An der Impfstelle nach 24 Stunden kleine 
Abszesse, ans denen B. anthracis nicht nachgewiesen werden kann, 
wohl aber obiges Stäbchen. Weder hier, noch im Klatschpräparat 
der Kultur zeigt sich das Stäbchen anders als aus der Blutprobe 
direkt entnommen. Mäuse nach 8 Tagen noch gesund. Eine 
davon wird mit der aus Platte III gewonnenen Reinkultur des 
nicht identifizierten Stäbchens nochmals geimpft. Resultat negativ. 

Wenn ich auf Grund dieser Untersuchungen nur das von Herrn 
Dr. Gerlach zitierte Urteil abgegeben habe, so geschah dies im 
Hinblick 1. auf die stark verunreinigte Blutprobe, 2. auf die Länge 
der zwischen Tod und Sektion verstrichenen Zeit und 3. auch unter 
Rücksichtnahme auf die von einem Kollegen gestellte Diagnose. 

Im übrigen kann ich das Urteil Uber den Ausfall des Herrn 
Dr. K. ruhig den Lesern der B. T. W. überlassen, um so mehr als 
er sich jenes leistete, ohne sich genauer informiert zu haben. 

Hiermit ist die Angelegenheit für mich erledigt. 

Posen, 8. Juni 1903. Kunze, Oberroßarzt. 


Geflügelkrankheiten. 

Bekanntmachung 

betreffend die Anzeigepflicht für die Hühnerpest. 

Auf Grund des § 10 Abs. 2 des Gesetzes betr. die Abwehr und 

Unterdrückung von Viehseuchen vom (R. G. Bl. 1894, 

S. 409) bestimme ich: 

Für den ganzen Umfang des Reichs wird vom 1. Juni d. J. ab 
.bis auf weiteres für die Hühnerpest die Anzeigepflicht im Sinne des 
§ 9 des erwähnten Gesetzes eingeführt. 

Berlin, den 16. Mai 1903. Der Reichskanzler. 

In gleicher Weise ist unter dem 17. Mai er. die Anzeigepflicbt 
für die Geflügelcholera für den ganzen Umfang des Reiches an¬ 
geordnet worden. 

Durch diese Bestimmung werden die bisher für einzelne Bundes¬ 
staaten und Gebietsteile erlassenen Bekanntmachungen ersetzt. 
(Auszüglich schon mitgeteilt in No. 22 der B. T. W.) 

Tuberkulin-Impfungen in Bayern 1901. 

In 290 Gehöften wurden 2967 Rinder, ferner 1055 einzelne 
Handelstiere, zusammen 4022 Stück geimpft. Bei 941 = 23,4 Proz. 
bestanden vor der Impfung klinische Erscheinungen der Tuber¬ 
kulose. Die erste Impfung fiel aus: a) positiv bei 1201, b) zweifel¬ 
haft bei 167, c) negativ bei 1599 Tieren. Geschlachtet wurden im 


ganzen davon 319 Tiere und zwar von a) 282, von b) 13 und von 
c) 74 Stück. Von a) waren 221 = 95 Proz. tuberkulös und 6 = 
2V s Proz. frei (5 zweifelhaft oder unbekannt); von c) waren 67 = 
90,5 Proz. tuberkulosefrei und 7 = 9,5 Proz. tuberkulös. Mithin 
hat sich die Impfung nach beiden Seiten in über 9 /io a ^ or Fälle 
als zuverlässig erwiesen. 

Nachwei8ung Aber den Stand der Tierseuchen In Deutschland am 
15. Juni 1903. 


Schweineseuche (Schweinepest). 


Regierungs¬ 
bezirke etc. 

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Preußen: 




Sigmaringen . . . 

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Königsberg. . . . 

16 

42 

10 

Waldeck. 

2 

8 

Gumbinnen .... 

11 

52 

13 

Bayern: 



Danzig. 

6 

12 

9,5 

Oberbayern .... 

7 

8 

Marienwerder . . 

14 

98 

43 

Niederbayern. . . 

1 

1 

Berlin. 

1 

1 

— 

Pfalz. 

1 

1 

Potsdam. 

15 

42 

16 

Oberpfals. 

— 

— 

Frankfurt. 

16 

57 

20,9 

Oberfranken . . . 

— 

— 

Stettin. 

12 

38 

20 

Mittelfranken. . . 

— 

— 

Köslin. 

9 

33 

17 

Unter franken . . . 

— 

— 

Stralsund. 

4 

11 

12 

Schwaben. 

2 

2 

Posen. 

21 

84 

25 

Württemberg . 

— 

— 

Bromberg. 

12 

88 

39,5 

Sachsen. 

5 

6 

Breslau. 

18 

109 

28,6 

Baden . 

2 

4 

Liegnitz. 

16 

90 

31,9 

Hessen . 

9 

58 

Oppeln. 

11 

20 

7 

Meckl.-Schwerin 

6 

22 

Magdeburg .... 

11 

21 

14,5 

Meckl.-Strelitz . 

— 

— 

Merseburg .... 

10 

29 

12,5 

Oldenburg . . . 

1 

1 

Erfurt. 

3 

5 

8 

Sachs.-Weimar. 

2 

8- 

Schleswig. 

19 

55 

25,7 

Sachs.-Meiningen 

1 

1 

Hannover. 

6 

12 

19 

Sachs.-Altenburg 

— 

— 

Uildesheim .... 

4 

10 

13,8 

Sachs.-Kob.-Got 

— 

— 

Lüneburg . 

8 

21 

14 

Anhalt. 

1 

2 

Stade . 

5 

11 

15 

Braunschweig 

8 

11 

Osnabrück .... 

2 

7 

12,5 

Schwarzb.-Sond. 

— 

— 

Aurich. 

2 

5 

14 

Schwarzb.-Rud. 

1 

1 

Münster. 

6 

14 

52 

Reuß ä. L. 

— 

— 

Minden. 

2 

5 

9,8 

Reuß j. L. 

— 

— 

Arnsberg. 

8 

12 

14 

Schaumb.-Lippe 

1 

1 

Kassel . 

8 

20 

11,9 

Lippe-Detmold . 

2 

4 

Wiesbaden .... 

3 

7 

7 

Hamburg .... 

8 

8 

Koblenz. 

2 

2 

1,9 

Lübeok . 

1 

1 

Düsseldorf .... 

11 

39 

90 

Bremen. 

1 

1 

Köln. 

3 

3 

10 

Elsaß. 

1 

1 

Trier. 

1 

3 

2,6 

Lothringen . . 

— 

— 

Aachen. 

2 

3 

7.6 





Rotz.*) 

Preußen: In den Regierungsbezirken Königsberg, Breslau und 
im Stadtkreis Berlin je 1 (1); im R.-B. Minden 2 (2); in Bromberg 
und Oppeln 3 (3). — Bayern: Oberbayern 1 (1); Niederbayern 5 (6). 
— Mecklenburg-Strelitz und Lippe je 1 (1). — Zusammen 19 Ge¬ 
meinden (31. Mai 22). 

Maul- und Klauenseuche. 

Preußen: In den Regierungsbezirken Liegnitz 1 (2); in 
Koblenz 2 (6). — Bayern: Schwaben 2 (2); Oberbayern 8 (5). — 
Württemberg: Neckar-, Schwarzwald- und Jagstkreis je 1 (1). — 
Baden 1 (1). — Mecklenburg-Schwerin, Oldenburg, Elsaß-Lothringen 
je 1 (1). — Zusammen 22 Gemeinden (31. Mai 23). 

Lungenseuche. 

Preußen: Im Regierungsbezirk Bromberg 1 (1). — Zusammen 
1 Gemeinde (31. Mai 2). 

*) Die Zahlen bedeuten die Kreise und (eingeklammert) die 
Gemeinden. 


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2. Juli 1908. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


439 


Tiereeuohen im Ausland 1902. 

Rußland. II. Quartal. 

Die Zahl der Erkrankungställe belief sich in Finnland, den 
Ostsee- und Weichselprovinzen, in Groß-, West-, Klein- und SUd- 
rußland auf 8736 an Milzbrand; 12 531 Scbafpocken; 9088 Schweine¬ 
seuche; 15 057 Schweinorotlauf; 692 602 Maul- und Klauenseuche. 
Sie belief sich in Ostrußland auf 244 an Lungenseuche, 3677 Milz¬ 
brand; 1590 Schafpocken; 910 Schweineseuche; 2248 Schweine¬ 
rotlauf; 79 302 Maul- und Klauenseuche; — in Nord- und Süd- 
kaukasien auf 1536 an Rinderpest; 169 Milzbrand; 157 Schafpocken; 
31 Schweinerotlauf; 5947 Maul- und Klauenseuche; — im asiatischen 
Rußland 1091 an Rinderpest; 847 Lungenseuche; 1370 Milzbrand; 
316 Schnfpocken; 13 677 Maul- und Klauenseuche. — Genauere 
Angaben über Tollwut, Rotz, Räude liegen nicht vor. 

Frankreich. IV. Quartal. 

Von Lungenseuche wurden betroffen im Oktober und Dezember 
je 1 Gemeinde, geschlachtet wurden 25 ansteckungsverdächtige 
Rinder. Milzbrand trat auf in 52, 25, 20; Rotz in 58, 65, 74 Ställen. 
Wegen Rotz getötet wurden 74, 45, 60 Pferde. Die Zahl der wut- 
kranken Hunde belief sich auf 193, 193, 207. Maul- und Klauen¬ 
seuche herrschte in 343, 288, 290 Gemeinden. Die Scbafpocken 
brachen aus in 45, 40, 23; Schafräude in 11, 16, 9 Herden. Rausch¬ 
brand kam in 75, 94, 61 Ställen vor; Schweinerotlauf in 48, 32, 
29 Beständen von je 18, 16, 15 Departements. Ansteckende Lungen- 
und Darmentzündung der Schweine wurde aus 16, 23, 10 Beständen 
von 7, 15, 7 Departements gemeldet 

Tiereeuohen Im Ausland 1903. I. Quartal. 

Österreich. 

Zahl der verseuchten Ortschaften: Milzbrand im Januar 31, 
Februar 22, März 18; Rauschbrand 1, 4, 2; Tollwut 89, 86, 120; 
Rotz 35, 36, 31; Maul- und Klauenseuche 128, 49, 84; Lungen¬ 
seuche 1 im Januar; Bläscbenausschlag 33,28,72; Räude 91,185,354; 
Schweinerotlauf 53, 40, 42; Schweineseuche und Schweinepest 376, 
290, 397. . 

Ungarn. 

Milzbrand 55, 59, 48; Wut 237, 343, 372; Rotz 112, 100, 139; 
Maul- und Klauenseuche 813, 419, 398; Blattern 26, 6, 8; Bläschen- 
ausschlag 22, 21, 50; Räude 442, 807, 1338; Schweinerotlauf 186, 
143, 143; Schweine'seuche 1393, 1075, 923. 

Schweden. 

Zahl der neu verseuchten Ställe: Milzbrand 13, 15, 26; Rausch¬ 
brand 1, 1, 1; Schweineseucbe im März 1. 


Fleischschau und Viehverkehr. 

Red. von KOhnau. 

Zur Kennzeichnung des Fleisches nüchterner Kälber. 

Von Tierarzt Teetz-Warin, Mecklenburg. 

Die Kennzeichnung und Beurteilung des Fleisches nüchterner 
Kälber ist besonders für norddeutsche Tierärzte seit dem 
1. April eine brennende Frage geworden, wovon in No. 8 und 9 
der Zeitschrift für Fleisch- und Milchhygiene nur kurze Be¬ 
richte in Sitzungsprotokollen von tierärztlichen Vereinen zeugen. 
In den mir zu Gebote stehenden Fachschriften habe ich bis 
heute (2. Juni) eine einigermaßen erschöpfende Behandlung 
dieser Frage noch nicht gefunden. 

In Mecklenburg hat sich diese Sache so zugespitzt, daß 
im Wege von Petitionen mehrerer maßgebender Körperschaften 
an die Regierung eine Instruktion erbeten wird, durch die für 
das ganze Großherzogtum eine einheitliche Behandlung des 
Fleisches der nüchternen Kälber angeordnet werden soll. 
Hieraus ist erstens ersichtlich, welche Wichtigkeit man dieser 
Frage hier beilegt und zweitens, daß eine einheitliche Be¬ 
handlung unter den Sachverständigen nicht stattfindet. 


Im letzten Drittel des vergangenen Jahrhunderts bildete 
sich der von Jahr zu Jahr zunehmende Export nüchterner ge¬ 
schlachteter Kälber nach Berlin aus. Die Ursachen sind ver¬ 
schiedene: Gute und schnellere Bahnverbindung, Landflucht der 
landwirtschaftlichen Arbeiter mit nachfolgender Leutenot in dem 
ohnehin schon dünnbevölkerten Lande, Errichtung der Molkereien 
u. s. w. Speziell für den hier in Frage kommenden Zweig der 
Landwirtschaft (Kälberaufzucht) machte es sich von Jahr zu Jahr 
mehr bemerkbar, daß unsere Mädchen auf dem Lande nicht 
mehr alle so wie früher der Kälberaufzucht das nötige 
Interesse entgegenbrachten, was doch durchaus nötig ist. 
Sodann wirkten auf diesen Zweig schädigend die künstlichen 
Futtermittel und die landwirtschaftlichen Industrien mit ihren 
Rückständen, Schlempe, Schnitzel, Rübenblätter, Magermilch etc. 
und die nach Verfiitterung dieser sich einstellenden Krank¬ 
heiten, wie schlaffe Konstitution, Tuberkulose, Verkalben, Durch¬ 
fälle der Muttertiere und der Kälber u. s. w. Genug, die Land¬ 
wirte, besonders die größeren mit fremdem Personal kamen 
nach und nach mit wenigen Ausnahmen dazu, notgedrungen neu¬ 
geborene Kälber baldmöglichst an den Schlächter zu verkaufen, 
da sonst viele dieser Tiere eingingen. So hat sich im Laufe 
der Jahre dieser Brauch eingebürgert, dessen Wiederaufhebung 
unmöglich scheint. 

In meiner Gegend werden die nüchternen Kälber an den 
Schlächter nach Gewicht verkauft. Anfangs der 90er Jahre 
wurden pro Pftind Lebendgewicht 15 Pf., später 16 Pf. 
gezahlt; seit den letzten drei Jahren ist die Nachfrage so groß 
geworden, daß die Händler Kontrakte (vom 1. Mai bis 1. Mai 
lautend) abschlossen, in denen das Pfand Kalb bezahlt wird 
mit 18—21 Pf., entsprechend dem Gewicht der Kälber, der 
Entfernung des Gutes von dem Schlächter und dem Handels¬ 
talent der betr. Interessenten. Selbstverständlich handelte es 
sich nur um neugeborene, nüchterne Kälber. 

In praxi gestaltete sich das Verhältnis nun so, daß der 
Schlächter entweder Ordre bekam, sobald ein Kalb geboren 
war, durch Gelegenheit, Postkarte, Boten oder Fernsprecher, 
oder daß er alle Woche zwei- oder dreimal die betr. Güter 
besuchte und die Kälber mitnahm. Handelte es sich um Güter, 
auf denen die Ruhr stationär war, so wurde der Schäfer oder 
ein anderer Kundiger instruiert, wie die Schlachtung vor¬ 
genommen werden sollte: denn krepieren durfte unter keinen 
Umständen ein Kalb. Der Schlächter nahm dann das ge¬ 
schlachtete Kalb mit. War eine Kuh bei dem Kalbegeschäft, 
so wartete er auch wohl so lange, bis sie damit fertig war, 
damit er das Tierchen gleich mitnehmen konnte. Besonders 
nach Schwergeburten wurde auf schnellste Schlachtung gesehen. 
Einer dieser Exporteure, M. in Bx., erklärte mir selbst: Was 
wir da alles für schöne Kälber bekommen haben, das glauben 
Sie gar nicht. Bei manchen waren alle Rippen eingedrückt, bei 
anderen das Schulterblatt ausgerissen u. s. w. Viele waren nicht 
lebensfähig und wurden auf diese Weise gut verwertet 

Auffallend ist, das 90 Proz. aller nüchternen Kälber nach 
Berlin gekommen sind; sobald sie etwa drei Wochen alt sind, 
kommen sie aus dieser Gegend nach Magdeburg, Leipzig u. s. w. 
Es haben somit augenscheinlich jene Besitzer hier nicht so 
ganz unrecht, die zu mir in bezug auf die nüchternen Kälber 
sagten: Lassen Sie doch die nüchternen Kälber mit dem guten 
Stempel laufen; wir brauchen das Zeug ja nicht „fressen“ und 
für die Berliner sind sie gut genug. 


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440 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 27. 


Wie das Berliner konsumierende Publikum darüber denkt, 
spiegelt sich in Zeitungsnotizen aus dem Sommer 1896 während 
der Gewerbe-Ausstellung wieder. Auf der Ausstellung in Treptow 
war bekanntlich auch eine oder mehrere größere Speise¬ 
wirtschaften oder Restaurants, die zu auffallend billigen Preisen 
Essen verkauften. Es kam seinerzeit auch zu einem Straf¬ 
prozeß und zur Bestrafung des Fleischlieferanten Ihde aus 
Grevesmühlen, Meckl., zu einem Jahre Gefängnis, der in der 
Hauptsache tuberkulöses Fleisch geliefert hatte. Vergl. Jahr¬ 
gang 1893, No. 7 der Zeitschrift für Fleisch- und Milchhygiene. 
Eine Bestrafung wegen Verkaufs nüchternen Kalbfleisches konnte 
ja auf Grund des NabrungBmittelgesetzes nicht erfolgen; es ist 
mir aber in Erinnerung, wie heftig die Zeitungen auch über 
die Verwendung dieses Fleisches schrieben. 

Ich habe bei den verschiedensten Leuten vor und nach 
dem 1. April in meiner Gegend Umfragen gehalten, ob sie das 
Fleisch nüchterner Kälber essen. Ein ganz erheblicher Prozent¬ 
satz erklärte mir mit Entschiedenheit, daß er das nicht tue. 
Noch kürzlich wurde ich nach Glasin zur Behandlung einer Kuh 
bei Häuslersleuten gerufen, die 2 Stunden vorher schwer gekalbt 
hatte und nun nicht anfstehen wollte. Es handelte sich um 
eine Lockerung der Bänder des Kreuzdarmbeingelenks. Ein 
etwa 90 Pfund schweres Kalb lag durch Halsschnitt getötet 
auf der Diele. Auf meine Frage: Na, wollen Sie denn das 
Kalb nicht esBen? wurde mir geantwortet: „Nä, so wat äten 
wir nich! det mag jo kein Minsch!“ 

Vor 4 Tagen wurde ich nach B. zu dem Erbpächter S. 
gerufen, wo eine Starke ein großes Kalb (Doppellender) schwer 
geboren hatte. Auch hier liegt das Kalb durch Halsschnitt 
geschlachtet auf der Scheundiele. — Auch hier erfolgt auf 
meine Frage, wollen Sie das Kalb denn nicht essen? die Ant¬ 
wort: Das essen wir nicht. Das Fleisch ist zwar ganz gesnnd; 
das Kalb hat ja auch gelebt und tüchtig geblutet, aber essen 
mögen wir das doch nicht; dagegen haben wir einen Wider¬ 
willen, weil das Kalb zu kurze Zeit gelebt hat. 

So könnte ich eine ganze Reihe ähnlicher Äußerungen be¬ 
sonders aus bemittelten Kreisen anführen, die das Fleisch zurück¬ 
weisen, auch wenn die Kälber 3 oder 4 oder 5 Tage alt sind. 

Zu bestreiten ist jedoch nicht, daß aber auch von einer 
Reihe von Leuten das Fleisch dieser kaum häufig einen Tag 
alten Kälber hier gegessen wird; in der Regel sind es aber 
nur arme Leute oder solche, die der Billigkeit wegen dies 
Fleisch kaufen. Ein Gutsbesitzer erklärte mir, er esse dies 
nüchterne Kalbfleisch gern; viele der Esser behaupten, es 
schmecke sogar besser, als das älterer Kälber. 

Die Mehrzahl der Städter aber würde das Fleisch dankend 
ablehnen, wenn sie das Lebensalter der Tiere weiß. Von 
keinem einzigen Käufer aber würde ein Preis gezahlt werden, 
wie er für Fleisch älterer Kälber üblich ist. 

Nach meiner Ansicht besteht in dem mir bekannten Teil 
Mecklenburgs gegen den Genuß neugeborener oder nüchterner 
Kälber bei vielen ein ähnlicher Widerwillen, wie gegen den 
Genuß von Pferdefleisch. 

Vorstehende Feststellungen sollten nur dazu dienen, den 
Beweis zu erbringen, daß das Fleisch neugeborener oder nur 
wenige Tage alter Kälber auch in Mecklenburg allgemein als 
tafelreif nicht bezeichnet werden kann. 

Für uns Tierärzte handelt es sich nun um die Frage, wie 
soll das Fleisch nüchterner Kälber abgestempelt werden? 


Nach § 40, 5 ist das Fleisch bei Kälbern als minderwertig 
abzustempeln bei Unreife oder nicht genügender Entwicklung 
der Kälber. Es muß also zunächst der Begriff: Unreife der 
Kälber festgestellt werden. 

Hier müssen wir Tierärzte streng darauf achten, daß gleich 
von Anfang an mit dem Worte „unreif' sich nicht ähnliche 
Unklarheiten und sogar Unrichtigkeiten einschleichen, wie sie 
seinerzeit bei dem Worte „verdorben“ bestanden haben. Mehrere 
Landleute, Juristen, darunter Beamte des hiesigen Amtes, er¬ 
klärten mir: Wir verstehen unter einem reifen Kalbe ein normal 
ausgetragenes Kalb. Diese Herren sind im Irrtum; denn eine 
in der normalen Zeit ausgetragene, also reife Rindsfrucht heißt 
Kalb und doch nicht reifes Kalb. 

Der Volksgebrauch hat sogar ein Wort gebildet, das den 
Gegensatz deutlich hervorhebt: Nüchternes Kalb. Höchstens im 
physiologischen Sinne könnte ein eben geborenes Kalb mit 
einigem Rechte als reif bezeichnet werden. 

Das Schlächtereigewerbe betrachtet die Tiere aber nur von 
dem Standpunkt: Wie verhält sich das Tier in bezug auf die 
Schlachtung: Ist es schlachtreif? 

Ein nüchternes eben geborenes Kalb ist darnach zwar eine 
reife Frucht, aber noch kein schlachtreifes Tier. 

Mit der Schlachtreife ist immer der Begriff verknüpft, daß 
das betr. Tier einige Zeit gelebt hat und sich infolge von 
Fütterung (Saugen, Tränken, Futter) in einem gewissen guten 
Nährzustande befindet, der eine gewünschte gute und feste Be¬ 
schaffenheit des Fleisches mit sich bringt. 

Eine Mittelstufe würden die Kälber einnehmen, die zwar 
nicht als tadellose reife Kälber (Fettkälber) zu bezeichnen sind, 
deren Fleisch aber doch schon eine derartig feste Umwandlung 
durch das Tränken gewonnen hat, daß auch diese Kälber, wie 
in der Praxis üblich, als tauglich abgestempelt werden können. 
Der Preis dafür richtet sich aber ganz nach . der Qualität des 
Fleisches. Es sind dies die Kälber von 1—3 Wochen. Am 
deutlichsten hat sich der Begriff „schlachtreife Kälber“, kurz 
Schlachtkälber, noch in Süddeutschland erhalten, wo je zum 
allermindesten ein Alter von 14 Tagen verlangt werden soll. 

Wie aus diesen Ausführungen ersichtlich, muß also mindestens 
das Fleisch von Kälbern, die noch nicht eine Woche alt sind, 
mit dem Stempel minderwertig versehen werden. Nur in Aus¬ 
nahmefällen, bei besonders guter Qualität und Aussehen des 
Fleisches wird es möglich sein, schon den Stempel tauglich vom 
fünften Tage ab zu geben. 

Aber auch aus einem zweiten Grunde muß das fragliche 
Fleisch minderwertig gestempelt werden. 

Es ist ja eine bekannte Tatsache, daß das Fleisch ganz 
junger Kälber von sehr schlaffer Beschaffenheit ist, daß in diesem 
Fleische übergroße Mengen Wasser gebunden sind, die das 
Fleisch als im Nahrungs- und Genußwert erheblich herab¬ 
gesetzt kennzeichnen; hinzu kommt die besondere Farbe und 
die kurze Lebensdauer, die vielen das Fleisch sogar sehr un¬ 
appetitlich machen. Dies alles hat ja in dem geringen Ver¬ 
kaufspreise auch schon vor dem 1. April seinen Ausdruck 
gefunden. Das Fleisch nüchterner Kälber kostete 25—40 Pf. 
pro Pfund, das Fleisch schlachtreifer Kälber 50—70 Pf. und 
mehr. Also auch aus diesem Grunde muß der Stempel minder¬ 
wertig aufgedrückt werden. 

Soweit mir Kenntnis ist, hat sich nun in Mecklenburg die 
Praxis so ansgebildet, daß bis jetzt nur wenige Tierärzte die 


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2. Juli 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


441 


Kennzeichnung dieser Kälber mit minderwertig vornehmen, die 
Mehrzahl gibt alle diese Kälber als tauglich ab. 

Der eine sagt: Das Fleisch nüchterner Kälber deklariert 
sich durch seine Beschaffenheit selbst, braucht also deshalb 
nicht noch besonders als minderwertig gekennzeichnet werden. 

Daß das Fleisch als minderwertig anzusehen ist, ist mir 
gegenüber auch nicht von einem einzigen Schlächter oder Land¬ 
mann bestritten worden. Sie selbst geben zn: Richtig und ge¬ 
recht ist es, wenn es minderwertig abgestempelt wird; aber wir 
werden es dann nicht mehr in Berlin los. Damit kommen wir 
der Ursache der Agitation schon näher. 

Man hatte augenscheinlich nicht daran gedacht, daß mit der 
Errichtung der Freibank in Berlin am 1. April auch die Einfuhr 
reBp. der Verkauf des Fleisches minderwertiger, nüchterner 
Kälber ganz bedeutend erschwert wurde. 

Vor dem 1. April wurde dies Fleisch in Berlin zum Teil an 
Restaurants und Speisewirte recht vorteilhaft verkauft, zum 
anderen Teile wnrde es zur Wurstfabrikation besonders zum 
Herstellen der kleinen Würste verarbeitet, während jetzt eine 
derartige Verwertung erheblich eingeschränkt ist. 

Vor dem 1. April erzielte man einen Verkaufspreis von etwa 
40 Pf. pro Pfund, jetzt auf der Freibank werden 20 Pf. erlöst. 
Hier also liegt des Pudels Kern. Die Berliner Freibank ist die 
Schuldige, die uns soviel Ärger verursacht hat und sogar 
Existenzen gefährdet. 

Unter den Schlächtern, die mich in dieser Sache inter¬ 
pellierten, kam auch einer P. in B. (Hauptexporteur), der, 
bittend, ich möchte nicht so „hartherzig“ sein, mir vorschlug, 
ich könnte ja die nüchternen Kälber ev. mit einer anderen 
Farbe abstempeln lassen etwa rot, nur der Stempel tauglich 
mußte es sein. Abgesehen von der Unzulässigkeit hatte dieser 
die Sache ganz richtig anfgefaßt. Wird der Stempel tauglich 
gegeben, so kommt das Fleisch nicht auf die Freibank und wird 
wie früher verwertet. — Ein anderer Kollege, der alle diese 
Kälber tauglich abstempelt, sagt: Ich gebe diesen Kälbern den 
Stempel tauglich so lange als sie in Berlin so angenommen 
werden. Wenn die Rechtlichkeit seiner Handlungsweise damit 
begründet werden soll, so steht diese Argumentation auf sehr 
schwachen Füßen. Anläßlich einer Frage in No. 9 der Zeit¬ 
schrift für Fleisch- und Milchhygiene: Kann ev. minderwertiges 
Fleisch zurückgewiesen werden, sagt Ostertag: Eine Zurück¬ 
weisung von Fleisch, dessen Minderwertigkeit erst durch die 
Untersuchung in M. festgestellt wird, ist unzulässig, da eine 
Zurückweisung für den Verkehr mit Fleisch im Inlande nicht 
vorgesehen ist. 

So wie die Sache jetzt gehandhabt wird, geht es nicht 
weiter. Wir machen uns in den Augen des Publikums nur 
lächerlich, wie die Besprechung dieser Sache im Reichstag zeigt. 

Wenn die Berliner dies junge minderwertige Fleisch so 
gern haben wollen, so haben sie die Entscheidung vollständig 
in der Hand. 

Den alten Zustand wieder herzustellen, gibt es ein sehr 
bequemes Mittel: Ein Zusatz zu der Freibankordnung in Berlin, 
daß nüchterne Kälber in Berlin auf der Freibank nicht verkauft 
werden brauchen. Können die beteiligten Importeure diesen 
Zusatz durchbringen, so wird wieder größte Zufriedenheit über 
diese Sache in Mecklenburg bei Landleuten und Exporteuren 
und in Berlin bei den beteiligten Kreisen herrschen, und der 
Import mit dem minderwertig abgestempelten Kalbfleisch wird 


dann genau ebenso vor sich gehen wie früher. Die Erreichung 
dieses Zieles sollten die Schlächter und Landwirte lieber ins 
Auge fassen, wie ich ihnen hier auch geraten habe, als daß 
sie Petitionen an die Regierung schicken, die nur Verwirrung 
in den Köpfen nicht fachmännisch gebildeter Verwaltungs¬ 
beamten anrichten. 

Zum Schluß möchte ich mir noch eine kleine Bemerkung 
gestatten: 

§ 30 der Ausführungsbestimmungen zählt die Krankheiten 
auf, bei denen der nichttierärztliche Beschauer zuständig ist. 
Zn diesen Krankheiten gehört die Unreife nicht. 

Ich sehe nicht eiD, weshalb dem Beschauer diese Beschau 
verwehrt werden soll, solange die Tiere gesund sind. 
Mit demselben Rechte könnten auch noch viel mehr Be¬ 
schränkungen auferlegt werden. Schwierigkeiten könnten nur 
bestehen bei der Beschau des Fleisches der Kälber, die auf 
der Grenze zwischen tauglich und minderwertig stehen und 
auch hier werden die Beschauer nach einiger Übung bald zu¬ 
treffend entscheiden können. Eine häufige Kontrolle wird aber 
immer nötig bleiben, um Mißbräuche in der Machtbefugnis zn 
verhüten. 

Milchnntersnchangsbesteck für Polizeibeamte. 

Von Kreistierarzt Dr. J e ß-Charlottenburg. 

Zur Zeit beschränkt sich die Untersuchung der Milch durch 
Beamte der polizeilichen Exekutive lediglich darauf, mit dem 
Laktodensimeter das spezifische Gewicht der Milch zu ermitteln. 
Daß diese Feststellung nur von untergeordneter Bedeutung ist, 
war den Fachleuten auf diesem Gebiete längst bekannt, zumal 
ja eine Fälschung durch Entrahmen der Milch mit nachherigem 
Zusatz von abgerahmter Milch auf diese Weise sich der 
Kontrolle entzog. Die Hamburger Milchausstellung hatte zur 
Zusammenstellung von Bestecken, welche den Polizeibeamten 
in die Hand gegeben werden können, aufgefordert, und ich bin 
der Anregung des Herrn Hauptner schon aus dem Grunde 
gern gefolgt, weil in den bisher gebräuchlichen Bestecken, von 
denen dasjenige von Meßner in Karlsbad als das zweifellos 
vorzüglichste bezeichnet werden muß, wenn die Kontrolle durch 
Tierärzte gemacht wird, doch eine Anzahl von Hilfsmitteln 
fehlen, welche für die Beurteilung von größerem Interesse sind, 
und welche andererseits auch nach meiner Überzeugung un¬ 
bedenklich durch untere Polizeibeamte gehandhabt werden 
können. Die Feststellung des spezifischen Gewichts ist, meines 
Dafürhaltens, ein zu unbedeutendes Ergebnis der Kontrolle 
eines Nahrungsmittels von so weittragender Bedeutung für^das 
Volkswohl und die Gesundheit des Nachwuchses, wie es die 
Milch ist. 

Es waren nun bei der Zusammenstellung eines derartigen 
Bestecks die Verhältnisse sehr in Rechnung zu ziehen, nnter 
denen die Untersuchung der Milch auf der Straße und in den 
kleinen Verkaufsläden durch Beamte der Gewerbepolizei vor¬ 
genommen werden müssen. Wenn die Polizeibeamten die Milch¬ 
fuhrwerke anhalten, wenn sie vom Lande in die Stadt kommen, 
dann müssen sie auch Gelegenheit haben, die zu benutzenden 
Apparate und Utensilien irgendwo aufzustellen; daß dies nicht 
immer auf den Wagen selbst oder auf der Erde geschehen kann, 
ist wohl einleuchtend. Es ist deshalb das von mir hergestellte 
Besteck in Form eines Holzkastens, ähnlich wie ihn die Maler 
benutzen, angegeben worden, und zwar ist die efoe Breitseite 


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442 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 27. 


auf ein photographisches Stativ so aufschraubbar, daß, wenn 
der Kasten aufgeklappt wird, die untere Hälfte einen bequemen 
Tisch darstellt. In diesem Tisch finden sich außer den er¬ 
forderlichen Büchern, Wischtüchern, Siegeln, Etiketten u. b. w. 
folgende Hilfsmittel. 



Fig. 1. 

Zunächst ein zusammenschraubbarer, ruderähnlicher 
Stab, um die entmischte Milch vor der Untersuchung sorgfältig 
umznrühren. An diesem Umriihrstab kann ein Becherglas 
sehr leicht angeklemmt werden, und damit ist eine Vorrichtung 
geschaffen, um die Milch aus dem Bottich oder dem Faß, ohne 
sie mit den Händen zn berühren, herauszuschöpfen. An diesem 



Fig. 2. 


Becherglas voll Milch kann der Beamte zunächst den Geruch, 
die Farbe, eventuell auch die Reaktion feststellen. Es ist dann 
weiter ein Glas lineal vorhanden, welches er in die Milch 
taucht und welches ihm dann zu erkennen ermöglicht, ob die 
Milch kleine Gerinnsel enthält. Auch eine kleine Spiritusflamme 
ist vorhanden, um eine Kochprobe vorzunehmen. Frische Milch 
hält bekanntlich die Kochprobe aus, während säuernde Milch 
und Kolostralmilch gerinnt. Mit der üblichen Milchwage, einem 
Laktodensimeter, wird nunmehr das spezifische Gewicht 
fpstgestellt, um einen eventuellen Wasserzusatz zu ermitteln. 


Nachdem die Untersuchung dann ergeben hat, daß ein Wasser¬ 
zusatz nicht vorliegt, wird zur Bestimmung des Fettgehaltes 
geschritten. Bei einer ambulanten Straßenkontrolle kann man 
keine chemische Untersuchungen anstellen. Es genügt deshalb, 
sich auf die Verwendung des Fes ersehen Laktoskops zn be¬ 
schränken. Die Handhabung des Fe8ersehen Laktoskops ist 
eine so einfache, daß ich keine Bedenken tragen würde, einen 
Polizeibeamten damit zu betrauen. 

Bei der Kindermilch würde unschwer die Alkoholprobe 
welche in dem Mischen von 17proz. Alkohol und Milch besteht, 
vorgenommen werden können. 

Für den Landespolizeibezirk Berlin ist vorgeschrieben, daß 
Kindermilch die Alkoholprobe aushalten muß. Es kann nicht 
als schwierig erachtet werden, daß ein Polizeibeamter gleiche 
Teile Milch und Alkohol mischt und sich dann überzeugt, ob 
die Milch gerinnt oder nicht Es soll auch diese Kontrolle nicht 
zn einer definitiven Beschlagnahme verdächtiger Milch führen, 
sondern sie hat ja lediglich die Aufgabe, verdächtige Milch zu 
ermitteln und gegebenenfalls bei hochgradiger Verdächtigkeit 
sie nur für kurze Zeit zu beschlagnahmen, bis die chemische 
Untersuchung erledigt ist 

Zu diesem Zwecke enthält der Apparat noch 3 Flaschen 
von je V 2 1 Inhalt, in welche die verdächtige Milch getan wird, 
um dann schleunigst an das chemische Laboratorium zur weiteren 
Untersuchung abgegeben zu werden. 

Selbst, wenn es Vorkommen sollte, daß Milch, welche gewässert 
ist, oder daß Milch, welche entrahmt und mit Magermilch versetzt 
ist, einmal dem Verkehr nicht entzogen werden könnte, so hat 
doch dann die Behörde einen sehr wertvollen Fingerzeig erhalten, 
auf wen sie nun ihr besonderes Augenmerk zu richten hat. Jedenfalls 
glaube ich, daß die in diesem Besteck zusammengestellten Hilfs¬ 
mittel die Fähigkeit der polizeilichen Milcbkontrollbeamten ganz 
wesentlich in der Beurteilung der Qualität der Milch erweitert. Ich 
bin ferner der Ansicht, daß keiner der beigegebenen Apparate eine 
so große fachmännische Vorkenntnis erfordert, daß er nicht 
auch durch Polizeibeamte (Wachtmeister und Schutzleute) be¬ 
dient werden könnte, zumal es ja auch üblich ist, stets die¬ 
selben Beamten mit derartigen Kontrollen zu beauftragen, und es 
äußerstenfalls sich darum handeln könnte, die Beamten vorher 
in der Handhabung der Apparate zu unterweisen. 

Ich möchte schließlich noch der Vollständigkeit halber an- 
fügen, daß die Preisjury diesen Apparat prämiiert hat. Bei der 
hohen Bedeutung, welche der Milchbygiene zweifellos zukommt, 
und bei dem großen Feld der Tätigkeit, welches in der Milch- 
vieh-Beschau und Milchkontrolle dem Tierarzte zweifellos noch 
erschlossen wird, glaubte ich, daß die Mitteilung dieses kleinen 
Bestecks nicht ganz ohne Interesse sei. 

Fleischbeschaugesetzgebung. 

Geheimer Regiemngsrat Schroeter hat in einem bei 
R. Schötz erscheinenden Werke das Fleischbeschaugesetz 
nebst dem preußischen Ansfühmngsgesetz und den Ausführungs- 
bestimmungen mit einem Kommentar herausgegeben. 

Die Durchfuhr verbotenen Fleisches betr. 

Mit Rücksicht auf die der Bestimmung in § 12 Abs. I des 
R.-F1.-G. gegebene Auslegung sind Zweifel darüber entstanden, ob 
das im Jahre 18% im veterinärpolizeilichen Interesse erlassene 
Verbot der Einfuhr von frischem Schweinefleisch usw. aus Rußland 
sich auf die Durchfuhr erstreckt oder nicht. Zu ihrer Beseitigung 
hat der preußische Minister für Landwiitschaft, Domänen nnd 


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2. Juli 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


Forsten darauf hingewiesen, daß alle veterinärpolizeilich erlassenen 
Einfuhrverbote stets auch auf die Durchfuhr anzuwenden sind. 

Der Grundsatz, wonach das gesetzliche Einfuhrverbot des § 12 
Abs. I des R.-Fl.-G. die unmittelbare Durchfuhr nicht umfaßt» 
kommt also insoweit nicht zur Geltung, als es sich um landes- 
polizeilich aus veterinären Gründen angeordnete Einfuhrverbote 
handelt. 

Verpflichtungen der Viehverkäunfer durch Marktbestimmungen. 

Die Handelsgebräuche des Mannheimer Viehmarktes bestimmen 
in Ziffer VIII folgendes: „Wird beim Verkauf von Schlachtvieh 
nichts verabredet, so gelten für das in Mannheim gekaufte Vieh 
nicht nur die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches und der 
Kaiserlichen Verordnung vom 27. März 1899 über die Viehmängel 
(Währschaft), sondern der Verkäufer ist auch befugt, an Stelle der 
ihm durch diese Gesetzesbestimmungen eingeräumten Rechte von dem 
Verkäufer den Ersatz jeden Schadens zu verlangen, der ihm durch 
die Ausübung der amtlichen Fleischbeschau entstanden ist.“ Auf 
Grund dieser Bestimmungen klagte der Metzgermeister S. auf Ersatz 
des Schadens, welcher ihm dadurch entstanden war, daß ein von 
ihm in Mannheim gekauftes Rind mit Finnen behaftet befunden 
und der Freibank überwiesen war. Das Schöffengericht in Heidel¬ 
berg verurteilte den Meister zur Zahlung des ganzen Kaufpreises. 
Das Landgericht als Berufungsinstanz hob jedoch, indem es sich 
auf die erwähnte Bestimmung der Mannheimer Handelsinstanzen 
stützte die Vorentscheidung auf und erkannte, daß der Verkäufer 
verpflichtet sei, dem Meister S. den durch Verkauf des Rindes auf 
der Freibank entstandenen Schaden von 36 M. 33 Pf. zu ersetzen. 
In der Urteilsbegründung wird ausgefiihrt! Die Bestimmung VIII 
der Handelsgebräuche bezweckt, wie sich aus ihrem klaren Wort¬ 
laut ergibt, eine Erweiterung der Gew ährleistungs an Sprüche 
des Käufers von Schlachtvieh nicht bloß in dem Sinne, daß 
dem Käufer bei Vorhandensein der im B. G. B. § 481 ff normierten 


443 


Voraussetzungen neben dem Anspruch auf Wandlung nach B. G. B. 
§ 487 ein alternativer Anspruch auf Schadensersatz eingeräumt 
werden sollte. Vielmehr wird durch diese Bestimmung eine 
Gewährleistungspflicht des Verkäufers für Bankwürdig- 
keit des verkauften Schlachtviehs begründet, und es 
wird weiter dem Käufer für den Fall, daß das von ihm 
gekaufte Schlachtvieh sich nicht als brankwürdig erweist, 
ein von den Beschränkungen des B. G. B. § 440 unab¬ 
hängiger Anspruch auf Schadensersatz eingeräumt. 

Zur Fleisoheinfuhr Im kleinen Grenzverkehr. 

Der Regierungspräsident von Königsberg hat unter dem 
24. April 1903 ‘folgendes bekannt gemacht: Die bisher gestattete 
Einfuhr von einzelnen Stücken ausgeschlachteten Schweine¬ 
fleisches, von nicht über 2 kg und nicht mit der Post ein¬ 
gehend, wird durch die Bestimmungen des § 12, Abs. 2 und 
§ 13 des Fleischbeschaugesetzes und durch die Ausführungs- 
bestimmungen zu demselben nicht berührt. Die zollfreien 
TageBmundportionen der ihre Arbeitsstätte aufsuchenden Arbeiter 
fallen unter „das zum Reiseverbrauche mitgeführte Fleisch“, 
auf welches mangels entgegenstehender Anordnungen des 
Bandesrates jene Paragraphen des Fleischbesohaugesetzes eben¬ 
falls keine Anwendung finden. 

Finnen. 

Veterinärrat Rickmann teilt nach einer Zeitungsmeldung 
mit, daß in Deutsch-Südwest-Afrika das Vorkommen des Ciaty- 
cercus cellulosae bei Schafen und Steinböcken (?) festgestellt 
sei. Es sei daher vor dem sehr verbreiteten Genüsse rohen 
Schaffleisches zu warnen. 


Bücheranzeigen und Kritiken. 

Das Fielschbesohaugesetz nebst preusslschem Ausführungsgesetz und 
Ausfflhningsbestimmungen, zusammengestellt und mit Anmerkungen ver¬ 
sehen von Sehröter, Geheimem Regierungs- und Vortragendem Rat 
im preußischen Ministerium für Landwirtschaft etc. 550 Seiten Oktav. 
Berlin 1903. Verlag von Richard Schoetz. 

Der Herr Verfasser bemerkt im Vorwort, daß er beabsichtige, 
in Gemeinschaft mit dem Prof. Ostertag später einen ausführlichen 
Kommentar zu den Fleischbeschaugesetzen etc. berauszageben, 
daß er aber mit der vorliegenden Handausgabe dem vorläufigen 
dringend gewordenen Bedürfnis nachkommen wolle. 

Dieser Entschluß ist außerordentlich dankenswert und seine 
Ausführung wird allgemein mit großer Befriedigung begrüßt werden. 
Denn in der Tat bandelte es sich hier um eine unaufschieblicbe 
Notwendigkeit, angesichts der natürlichen Schwierigkeiten, welche 
bei der Einführung einer so umfassenden und so viel neues bietenden 
Maßregel, wie die allgemeine Fleischbeschau es ist, erwachsen müssen. 
Bei Behörden und Sachverständigen bestehen hinsichtlich zahlreicher 
Ponkte Unsicherheit und Zweifel, denen sobald als möglich durch 
maßgebende Erläuterungen abgeholfen werden mußte, um irrigen 
Auffassungen vorzubeugen und das Einwurzeln von Fehlern zu 
verhüten. 

Das vorliegende Buch wird seinem Zweck in trefflicher Weise 
gerecht werden. Der Wert der beigefügten Erläuterungen be¬ 
ruht nicht allein darauf, daß sie von der wohl als die kompetenteste 
zu betrachtenden Stelle kommen, sondern auch in der Art ihrer 
Abfassung. Sie nehmen nach ungefährem Überblick etwa ein 
Drittel des gesamten Textes (soweit es sich nicht um rein technische 
Kapitel handelt) ein, gehen daher eigentlich weit Uber den beschei¬ 
denen Rahmen von „Anmerkungen“ hinaus und bieten bereits einen 
Kommentar, der durch seine Kürze kaum an Vollständigkeit ein- 
bOßen dürfte. Hervorzuheben sind außerdem die sehr zahlreichen 
Hinweise auf untereinander in Zusammenhang stehende Textstellen 
und ein außerordentlich eingehendes Register, beides Vorzüge, 
welche die Handlichkeit eines derartigen Werkes besonders 
günstig beeinflussen. 


Eine Inhaltsangabe an dieser Stelle ist ebenso überflüssig, wie 
eine in Einzelheiten eingehende Besprechung, da das Buch sich 
selbst seine Leser gewinnen wird. Schmaltz. 

Lehrbuch der Arzneimittellehre für Tierärzte von Professor Dr. med. 
Eugen Fröhner. Sechste neubearbeitete Auflage. 544 Seiten Gro߬ 
oktav. Stuttgart 1903. Verlag von Ferdinand Enke. 

Die tierärztliche Arzneimittellehre hat mit der ersten Auflage 
des oben genannten Lehrbuches eine grundlegende und reformato- 
rische Bearbeitung erfahren. Dieses Verdienst des Buches ist 
ebenso allgemein anerkannt, wie die Vorzüge des Stiles und der 
Darstellung, welche alle Fröhnerschen Werke auszeichnen und zu 
einem weit Uber das Gebiet der deutschen Literatur hinaus¬ 
reichenden Ruf gebracht haben. Auch die Arzneimittellehre von 
Fröhner wird daher das klassische Lehrbuch bleiben, mag auch 
der Verfasser in seiner Lehrtätigkeit jenes Fach nicht mehr speziell 
verireten. 

Die vorliegende sechste Auflage ist ihrer Vorgängerin binnen 
drei Jahren gefolgt. So kurz dieser Zeitraum ist, so hat er doch 
sehr zahlreiche Neuheiten gebracht, darunter freilich, wie der Herr 
Verfasser hervorhebt, außerordentlich vieles ohne bleibenden Wert. 
Es versteht sich von selbst, daß alles Neue, unter Berücksichtigung 
der gesamten Literatur, seine kritische Besprechung gefunden hat. 
Der Raum dafür ist durch Kürzungen einiger Kapitel und Beigaben 
gewonnen, sowie durch etwas gedrängteren, übrigens sehr gut 
wirkenden Druck. Die Einteilung des Stoffes und die Behandlung 
desselben sind so bekannt, daß weiteres darüber zu sagen sich 
erübrigt. Schmaltz. 

Neue Eingänge. 

(Besprechung Vorbehalten). 

Martin, Dr. Paul, Professor in Giessen: Lehrbuch der Anatomie 
der Haustiere (Fortsetzung der Franckschen Anatomie). Lieferung 10. 
Stuttgart bei Schickhardt und Ebner. 

Bayer-Fröhner: Handbuch der tierärztlichen Chirurgie und Geburts¬ 
hilfe. IV. Band, II. Teil: Extremitäten, Hufe, Klauen; 2. Lieferung, 
die Hufkrankheiten des Pferdes von Prof. Dr. Eberlein. 240 Seiten 
mit 104 Abbildungen. Preis 6 M. Wien und Leipzig, bei W. Brau- 
i müller. 1903. 


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444 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 27. 


Meyer, Dr. Artbar, Professor der Botanik in Marbarg: Praktikum 
der botanischen Bakterienknnde. Einführung in die Methoden der 
botanischen Untersuchung und Bestimmung der Bakterienspezies. 
150 Seiten groß Oktav. Mit einer farbigen Tafel und 31 Textbildern. 
Jena, bei Gustav Fischer. 1903. 

Warringsholz, Hartwig, Tierarzt in Burg in Dithmarschen: Beitrag 
zur vergleichenden Histologie der quergestreiften Muskelfaser des 
Pferdes, Rindes, Schafes und Schweines. Inaug.-Diss. (Bern). Aus 
dem veterinäranatom. Institut der Universität Bern. 22 Seiten mit 
1 Tafel. Druck bei L. Schumacher, Berlin 1903. 


Personalien. 

Auszeichnungen und Ernennungen: Dem Marstallobertierarzt 
Dr. Tocppcr in Berlin wurde die päpstliche silberne Erinnerungs¬ 
medaille verliehen. — Tierzuchtinspektor H. Attinger in Nürnberg 
wurde zum Landestierzuchtinspektor in München ernannt. — Tierarzt 
Krexa in Lübeck wurde zum Kreistierarzt in Oppeln, die Tierärzte 
Dasch in Wernigerode und Ohl in Wiesbaden zu Scblachtbaustier- 
ärzten in Hamburg ernannt 

Niederlassung : Tierarzt A. Rudert hat Bich in Geringswalde nieder¬ 
gelassen. 

Examina: Promoviert wurde Tierarzt Karl Fischer in Franz. 
Buchholz zum Dr. med. vet. in Bern. — Approbiert wurden die 
Herren: Adolf Oötxingcr, Max Neumann, Emil Stammer, Hermann 
Schüler, Otto Sturm in Berlin; desg. Adolf Bostel, Fritz Haushalter, 
Max Löwenthal, Karl Möller in Hannover, desgl. K. Ostertag und 
Fr. Löte in Stuttgart. 

In der Armee: Roßarzt Krause im Hus.-Rgt No. 19 wurde zum 
Oberroßarzt im Kgl. sächs. Karab.-Rgt.; Unterroßarzt Fischer im 
Feld-Art-Rgt. No. 68 zum Roßarzt im Hus.-Rgt. No. 19 befördert. — 
Im Beurlaubtenstande dem Roßarzt Richter der Landw. 1. Aufg. 
der Abschied bewilligt. 


Yakanzen. 

Krelstierarztstelien : R.-B. Kassel: Hersfeld; desgl. Fritzlar. — 
R.-B. Posen: Krotoschin. 

An Hochschulen: Bonn-Poppelsdorf: Assistent am tierhygie¬ 
nischen Institut. 1200 M. Wohnung, Licht, Heizung. — Stuttgart: 
Assistent a. d. chirurg.Pferdeklinik. 1600 M. Wohnung, Licht, Heizung. 

Schlachthof8telien a) neu ausgeschrieben: Baldenburg (Kr. 
Schlochau): Aufsicht über Schlachthaus und Schweinemärkte. Be¬ 
werb. a. d. Magistrat. — Briesen: Verwalter, Privatpraxis. Meldg. 
bis 16. Juli a. d. Magistrat. — Elbing: Hülfstierarzt 1800 M. 
Meldg. innerhalb 14 Tagen an den Magistrat. 

b) nach Ablauf der Meldefrist noch unbesetzt): 
Barmen: Sanitätstierarzt. 2400—4500 M. — Beutben: Assistent. 
2100—3t00 M. — Braunschweig: 3. Tierarzt. 2700 M. (Schlacht¬ 
hausdeputation). — Bremen: 3. Tierarzt. Von 2400 M., alle 
3 Jahre um 240 M. steigend bis 3600 M., gegen 5 Proz. Abzug 
freie Wohnung. — Dessau: Assistent 1800 M. Freie Wohnung. 

— Dortmund: Assistent. 2400 M. — Eschwege: Vorsteher. 
2100— 3300 M. Freie Wohnung etc. Dreimonatl. Kündigung. — 
Gardelegen: Inspektor. Pensionsberecht. Gehalt 1800 M. Freie 
Wohnung und Feuerung. Privatpraxis. — Glückstadt: Inspektor. 
2000 M. Freie Wohnung etc. — Görlitz: Assistent 1800 M., 
steigend alle 3 Jahre um 300 M. bis 3600 M. Wohnung. Pension. 

— Hammerstein: Inspektor, verpflichtet Fleisch- und Trichinen¬ 
schau allein auszuführen. 1800 M. Privatpraxis. Probehalbjahr, 
darauf vierteljährl. Kündigung. — Kiel: Zwei Tierärzte. Gehalt 
je 2500 M. (Magistrat). — Krefeld: 2. Schlachthoftierarzt. 2700 M. 
(Direkt). — Köln: Sanitätstierarzt baldigst Von 2500 M. alle 
3 Jahre steigend bis 4300 M; für qualifizierte Amtstierärzte 3000 bis 
4800 M. Keine Privatpraxis. (Direkt.) — Langen salza: Direktor. 
2000—2700 M. Wohnung. Pensionsberechtigung. Probehalbjahr. 
1000 M. Kaution. — Liegnitz: 2. Tierarzt. 1800 M. Wohnung. -- 
Limburg a. L.: Vorsteher. 1800—2400 M. Probehalbjahr. — Magde¬ 
burg: Tierarzt, 175 M. monatlich. — Neuenburg: Inspektor 1600M. 
Wohnung. Probehalbjahr. — Schwiebus: Verwalter. 2400 M. 
Wohnung. — Wangerin: Sanitätstierarzt Privatpraxis (Magistrat). 


— Weißenfels: Assistent (Angabe der Ansprüche a. d. Direktor). 

— Wurzen: 2. Schlachthoftierarzt 2600 M. Keine Privatpraxis. 

Staatliche Fleischbeschaustellen (Bewerbg. a. d. betreff. Reg.-Präsid.): 
Danzig: Tierarzt ans Untersucbungsamt für ausländisches Fleisch. 
2000 M. — Frankfurt a. M.: Tierarzt für die Zolleinlaßstelle. 
3600 M. — Osnabrück: Dieselbe Stellung 3600 M. 

Stellen für ambulatorische Fleischbeschau und Privatpraxis. Barutb: 
Niederlassung erwünscht. Aus Fleisch- und Trichinenschau 1200 M. 
(Mag.) — Buk: Niederlass, erwünscht. (Landratsamt Grätz in Posen). 
Elze (Hannov.): Fleiscbb., Ertrag 1400—1500 M. 300 M. Jahresbeihilfe 
für d. erst. 8 Jahre. Privatpraxis (Bürgermeister). — Fiddichow 
a. Oder: Privatpraxis. (Bürgerm.) — Märkisch-Friedland: Fleischb. 
1800 M. (Magistrat.) — Gelsenkirchen: Fleischb., 3000 M. Keine 
Privatpraxis. (Bürgerm.) — Guttstadt: Schlachthofbeaufsichtigung, 
750 M. Privatpraxis. (Magist) — Heringen a. Helme: Nieder¬ 
lassung gewünscht. Voraussicht!. Fleiscbb. 1200 M. Städt Zuschuß 
300 M. Privatpraxis. (Magist.) — Heydekrug (Ostpr.): Privat- 
praxis im Niederungsteil des Kreises. Jährl. Zuschuß 600 M. (Kreis¬ 
ausschuß.) — Horst a. d. Emseber: Fleiscbb., 3000 M. Privatpraxis). 
(Amtmann.) — Kemberg: Privatpraxis. — Kirchheim: Fleischb. 
Bedeutende Privatpraxis. (Magist) — Kletzko (Kr. Gnesen: 
Deutscher Tierarzt Privatpraxis mit circa 2700 M. Event. Staatszu¬ 
schuß 750 M. (Magist.) — Klingenthal (Sachsen): Fleischbe¬ 
schauer. (Gemeinderat). — Kobylin (Posen): Deutscher Tierarzt 
Jährl. Staatszuschuß 750 M. (Landrat in Krotoschin.) — Königsberg: 
Tierarzt für die Herdebuchgesellschaft zur Tilgung der Tuberkulose. 
Anfangsgebalt 2000 M. Diäten für Untersuchungstage 12 M. nebst 
freier Station. Auskunft bei Tierarzt Dr. Müller, Königsberg i. Pr., 
Lange Reihe 3. — Königsteele: Fleischb., Privatpraxis. (Amt¬ 
mann.) — Krakow i. M.: Privatpraxis. Voraussicbtl. Fleiscbb. 
(Magist) — Laage i. M.: Privatpraxis. (Magist.) — Langen¬ 
dreer: Fleischbeschau. 1800 M. Fixum. Schlachthausbau in Aus¬ 
sicht (Amtmann Schüler.) — Lindow: Fleischb., Privatpraxis. — 
Lübtheen:Fleischb.,Privatpr. (Gemeindevorst.) — LUgumkloster: 
Fleischb., ca. 1000 M. Privatpraxis, (Bürgerm.) — Marxloh: Fleisch¬ 
beschau und Aufsicht über drei Laienfleischbeschauer (Bürgerm.) — 
Mehlsack i. Ostpr.: Privatpraxis. — Naumburg bei Kassel: 
Niederlassung erwünscht. Gute Praxis. Stadtzuschuß 400 M. — 
Neckarbischofsheim: 1500 M. Fixum. (Bürgerm.) — Niemegk 
(Potsdam): Privatpraxis. — Oberpeil: Privatpraxis, 500 M. 
Gemeindefixum. Fleischb., ca. 700—800 M. (Bürgerin.) — Oster¬ 
feld: Fleischbeschau in vier Amtsbezirken. Gebühren für 0. allein 
1500 M. (Landrat in Weißenfels). — Plettenberg (Westfal.): 
Fleischb., ca. 1200 M. Privatpraxis. (Magist.) — Pollnow: Privat¬ 
praxis. 300 M. Fixum. Fleischbeschau 1200 M. (Ausk. bei Kreis¬ 
tierarzt Simmat in Scblawe. Meldg. a. d. Mag.) — Rackwitz (Posen): 
Fleischb., ca. 1500 M. Privatpraxis. (Magist.) — Rendsburg: 
Zwei Tierärzte für Fleischbeschau, 3000 M. (Magist.) — Schköhlen 
i. Thür.: Privatpraxis. (Landwirtsch. Verein daselbst.) — Seeburg 
i. Ostpr.: Privatpraxis. Schlachthofaufsicht (Magist.) — Senden- 
hörst (Westf.): Fleischbeschau für Stadt und umliegende Land¬ 
bezirke. Kommunalzulage 600 M. (Bürgerm.) — Stettin: Assist, 
am bakt. Laborat. Auskunft beim Vorstand Dr. Schmitt. Meldg. 
mit Gehaltsansprüchen a. d. pommersche Landwirtscbaftskammer. 

— Tarnowo: Privatpraxis und ca. 750 M. Fixum. (Landratsamt 
Ppsen-West.) — Teuehern (Prov. Sachs.): Fleischb. ca. 1500 M. 
Privatpraxis. (Magist) — Treffurt (im Werratal); Fleischb. (Magist.) 

— Unruhstadt: Fleischbeschau. Gebühren ca. 2400 M. Privat¬ 
praxis (Mag.) — Vacha a. W.: 1200 M. Fixa aus Fleischbeschau 
und Zuschüssen. Privatpraxis. (Bürgern.) 

Die Stelle des Assistenten am pharmakologischen Institute und 
in der Klinik Für kleinere Haustiere der Tierärztlichen Hochschule 
ist bald neu zu besetzen. Bewerbungen sind zunächst an mich zu 
richten. Prof. Regenbogen. 

Dieser Nummer der B. T. W. liegt eine Postkarte bei, 
auf welche ich besonders hinzuweisen mir erlaube. Dieselbe 
bezweckt die etwaige Ergänzung der den Herrn Empfänger be¬ 
treffenden Angaben im Personal-Verzeichnis des deutschen 
Veterinärkalenders. Das Nähere besagt der auf der Karte 
angebrachte Vordruck. Schmaltz. 


Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmält* ln Berlin. — Verlag und Eigentum von Richard Schoetc in Berlin. — Druck von W. BQxenstein, Berlin. 


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Dia .Berliner Tierärztliche Wochenschrift* eraehelnt 
wöchentlich lm Verlege ron Richard Scboeta in 
Berlin, Lnlaenstr. 56. Durch Jede« deutsche Poataint wird 
dleaelbe rum Preise ron M. 5,— vierteljährlich (M. 4,88 fhr 
die Wochenschrift, 19 Pf. fUr Bestellgeld) frei ins Haus 
geliefert. (Deutaohe Post-Zeitung»-Preisliste Mo. 1108, 
Oesterreichlsche Mo. 610, Ungarische No. 90.) 


Berliner 


öriginalbeltrftge werden mltfiO Hk. für den Bogen honoHert. 
Alle Manuskripte, Mitteilungen und redaktionellen An¬ 
fragen beliebe man su senden an Prof. Dr. Schmalis, 
Berlin, Uerirstliohe Hochschule, MW. Lulsenstraase 56. 
Korrekturen, Reaenslons-Exemplare und Annoncen da¬ 
gegen an die Verlagsbuchhandlung. 


Tierärztliche Wochenschrift 


Redaktion: 

Professor Dr. Schmaltz-Berlin 

Verantwortlicher Redakteur. 


De Brala 

Dr. Jesa 

KQhnau 

Dr. Lothes 

Nevermann 

Prof. Dr. Peter 

Peters 

Profeaior 

Kreiitlerarzt 

Schlachthofdirektor 

DepartementiUerarst 

Kreiitlerarzt 

Kreiitlerarzt 

Departement* tierarzt 

Utrecht 

Charlottenburg. 

Cöln. 

Cöln. 

Bremervörde. 

Angermünde. 

Bromberg. 


Preusse 

Dr. Roeder 

Dr. Schlegel 

Dr. Vogel 

Zündet 



Veteriniraiieuor 

Profenor 

Profeaior 

Landeitierarzt r. Bayern Kreiitlerarzt 



Danzig. 

Dresden. 

Freiburg i. Br. 

MUnchen. 

Mülhausen i. 

E. 


Jahrgang 1903. Jfä 28 . Ausgegeben am 9. Juli. 


Inhalt: Regenbogen: Vergiftungen durch Arzneimittel bei Tieren. — Referate: Swoboda: Jodipin und seine Anwendung in 
der Tierheilkunde. — Jeß: Wochenübersicht über die medizinische Literatur. — Tages gesch lohte: Allgemeiner Bericht über die 
17. Wanderausstellung der Deutschen LandwirtschaftsgeBellschaft in Hannover. — Bericht über die allgemeine Versammlung 
des Vereins preußischer Schlachthoftierärzte am 20. und 21. Juni 1903 in Hannover. (Fortsetzung). — Verschiedenes. — 
Personalien. — Vakanzen. 


Vergiftungen durch Arzneimittel bei Tieren. 

Vortrag, 

gehalten in der Sitzung des Vereins der Brandenburger Tierärzte, 
von Professor Regenbogen-Berlin. 

Als Gift bezeichnet man im weitesten und streng wissenschaft¬ 
lichen Sinne eine jede nicht organisierte auf den tierischen Organis¬ 
mus in chemischer Weise schädlich wirkende Substanz. 

Zahlreiche chemisch wirkende Substanzen werden als Arznei¬ 
mittel benutzt, sie wirken in diesem Falle nützlich and heilsam; 
unter gewissen Umständen können dieselben Stoffe jedoch schäd¬ 
lich wirken und müssen alsdann im medizinischen Sinne als Gifte 
bezeichnet werden. 

Die medizinische Wissenschaft kennt deshalb unbedingte Gifte 
nach der Laienvorstellung überhaupt nicht, sondern nnr relative, 
da selbst unbedingte Gifte der Laien auch als Arzneimittel ver¬ 
wendet werden, andererseits an und für sich unschädliche Stoffe 
gelegentlich und unter gewissen Umständen als Gift wirken können. 

Es gibt deshalb keine auf den lebenden tierischen Körper 
chemisch wirkende Substanz, welche unter allen Umständen giftig 
wirkt, sondern es müssen gewisse Bedingungen erfüllt werden, 
wenn eine Giftwirkung eintreten soll. 

Welche Bedingungen sind nun für eine solche Giftwirkung 
erforderlich? 

1. Ist es die Eigenart der betreffenden Substanz. Ganz be¬ 
sonders sind es die gemeinhin als Gifte bezeichneten Stoffe, die 
schädlich wirken, während zahlreiche andere Stoffe diese Eigen¬ 
schaft nicht besitzen. 

2. Die Menge der betreffenden Substanz. Eine kleinste Menge 
derselben Substanz in den Körper gelangt, kann unwirksam sein, 
eine etwas größere Menge ruft physiologische Reaktionen hervor, 
die als Arzneiwirkung bezeichnet wird, die Dosis pharmako- 
therapeutica. Noch größere Mengen derselben Substanz können 
mehr oder weniger schwere Störungen des Allgemeinbefindens ver¬ 
ursachen — Dosis toxica, und diejenige Menge, welche ausreichend 
ist, nm den Tod des betreffenden Tieres herbeizuführen, wird die 
Dosis letalis genannt. 

3. Ist für eine Giftwirkung eines chemisch auf den Tierkörper 
einwirkenden Körpers die generelle nnd die individuelle Disposition 
des betreffenden Tieres von größter Bedeutung. 

4. Kommt der Nährzustand und das Alter des betreffenden 
Tieres in Betracht. 


Eine Durchsicht der Literatur belehrt uns, daß Vergiftungen 
bei den Haustieren verhältnismäßig oft Vorkommen. Die Umstände, 
unter denen sich solche ereignen, und die Ursachen dieser Ver¬ 
giftungen sind je nach der Haltung der Tiere nnd der Örtlichkeit 
des Vorkommens anßerordentlich verschieden. 

Die Inanspruchnahme des praktischen Tierarztes gelegentlich 
einer Vergiftung bei Tieren kann nun aus sehr verschiedenen 
Gründen erfolgen. In erster Reihe handelt es sich bei der Er¬ 
krankung von ..Tieren..um. .die , Feststellung der .Krankheit, eine 
richtige Diagnose. In vielen Fällen ist es nicht leicht, eine Ver¬ 
giftung zu diagnostizieren, da gewisse Erscheinungen sowohl den 
Vergiftungen als auch anderen Krankheiten, namentlich des Ver- 
dauungstraktus and der Zentralnervenapparate, eigentümlich sind. 

Das Gebiet der Veterinärpolizei wird bei Vergiftungen berührt, 
wenn der klinische oder pathologisch-anatomische Befand mit den 
Erscheinungen der Seuchenkrankheiten bei Tieren eine Ähnlichkeit 
besitzt. So können Pilzvergiftungen durch Rost- nnd Brandpilze, 
Solaniu- und Mutterkornvergiftungen sowie Quecksilbervergiftungen 
den Verdacht auf Maul- und Klauenseuche erwecken, während Ver¬ 
giftungen durch Rost-, Brand- und Schimmelpilze, welche in Form 
von schweren Darmentzündungen auftreten und mit plötzlichen 
Todesfällen einhergehen, an Milzbrand und Rinderpest erinnern. 

Mit der gerichtlichen Tierarzneikunde wird die Toxikologie in 
Beziehung treten, wenn Erscheinungen des Keblkopfpfeifens bei 
Pferden durch Bleivergiftungen als Bleirohren oder nach der Auf¬ 
nahme von Kichererbsen als Lathyrismus hervortreten. Häufig 
wird aber auch vom gerichtlichen Standpunkte ein Gutachten 
darüber gefordert werden, ob eine Substanz geeignet war, eine Be¬ 
schädigung des betreffenden Tieres herbeizuführen oder gar als die 
Todesursache anzusehen ist, wenn der Besitzer des Tieres Regre߬ 
ansprüche geltend macht. Diese wenigen Beispiele dürften schon 
dartun, daß die Toxikologie sowohl für den praktischen Tierarzt 
als auch für den beamteten Tierarzt Berührungspunkte in größerer 
Zahl bietet und deshalb eine besondere Beachtung verdient 

Nach der Gelegenbeitsursache unterscheidet man: 

1. Gewerbliche oder technische Vergiftungen. Dahin ge¬ 
hören, Arsenik-, Kupfer-, Blei- und Zinkvergiftungen in der Nähe 
von Bergwerken und Hütten—Freiberg in Sachsen, Oberschlesien, 
Harz, Rheinland. Vergiftungen durch Schlempe, Träber, Fabrik¬ 
rückstände durch Abwässer der Brennereien, Brauereien, aus 
chemischen- und Zuckerfabriken, Gasanstalten. 

2. ökonomische oder landwirtschaftliche Vergiftungen 
durch Giftpflanzen und solche Futtermittel, welche verfälscht oder 


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mit Rost-, Brand- und Schimmelpilzen verunreinigt sind. Ver¬ 
giftungen durch verdorbene Schlempe, Schnitzel oder Spülicht, 
durch Kainit, Chilisalpeter, Kochsalz und bleihaltige Ölfarben. 

3. Medizinale oder Arzneivergiftungen durch unglück¬ 
liche Zufälle, Verwechselnngen und Versehen von seiten des Tier¬ 
arztes, Apothekers, Pfuschers und des Besitzers der Tiere, un¬ 
vorsichtiger Umgang mit Arzneien und fehlerhafte Appli¬ 
kation von Arzneimitteln; der Gebrauch der grauen Salbe und 
anderer Quecksilberpräparate bei Rindern; die Anwendung von 
Tabakbädern und Waschungen mit Tabaklauge, Arsenbäder, Sub¬ 
limatbäder, Karbolsäurebäder, Waschungen und Einreibungen mit 
phenol- und kresolhaltigen Flüssigkeiten bei der Wundbehandlung 
und in der Geburtshilfe. 

Von seiten des Tierarztes kann ein Versehen bei dem Rezept¬ 
schreiben, undeutliche Schrift, zu hohe Dosierung, ungenügende 
Gebrauchsanweisung, die Anwendung wenig erprobter neuer Mittel 
zu Arzneivergiftungen führen. Der Apotheker kann durch Fehler 
bei der Anfertigung der Arznei, durch Verwechselung von Arznei¬ 
mitteln, durch die unerlaubte Abgabe von stark wirkenden Stoffen 
an Laien, durch ein Unbekanntsein mit der Gefährlichkeit des Mittels 
und der Eigenart der Applikation, sowie mit den Vorsichtsma߬ 
regeln bei der Anwendung der Arzneimittel die Vergiftung ver¬ 
schulden. Endlich kann der Besitzer durch Unvorsichtigkeit bei 
der Anwendung von Arzneien, Verwechselung von Arzneien, falsche 
Applikation und Nichtbeachtung von gewissen Vorsichtsmaßregeln 
eine Arznei Vergiftung herbeiführen. 

Der Verdacht einer Vergiftung wird wachgerufen, wenn ein 
Tier plötzlich unter Erscheinungen erkrankt, welche auf eine 
schwere Magen-Darmentzündung hinweisen, wenn cerebrale oder 
spinale Erscheinungen gleichzeitig hervortreten, wenn die Erkrankung 
an die Futter- oder Getränkaufnabme gebunden ist oder sich nach 
therapeutischen Maßnahmen ereignet; namentlich aber, wenn 
mehrere Tiere gleichzeitig oder hintereinander unter überein¬ 
stimmenden gastro-enteritischen, cerebralen und spinalen Symptomen 
erkranken. 

Die Vergiftung kann eine zufällige oder absichtliche, böswillige 
sein. Die letztere wird von seiten des Besitzers öfter angenommen 
als sie in Wirklichkeit stattfindet. Man soll deshalb stets objektiv 
urteilen. Etwaige Verdachtsgründe des Besitzers dürfen das Urteil 
nicht beeinflussen. 

Für heute soll es meine Aufgabe sein, die Gruppe der Ver¬ 
giftungen zu besprechen, welche als medizinale Vergiftungen, 
kurzweg als Arzneivergiftnngen bezeichnet werden, da sich 
dieselben bei der Anwendung von Arzneimitteln zu Heilzwecken 
ereignen. 

Die Zahl der Arzneivergiftungen bei Tieren ist eine sehr große. 

Von praktischer Bedeutung ist nun die Beantwortung der Fragen: 
1. wodurch sind solche besonders begründet? Welches ist die 
Ursache derselben? 2. welches sind die häufigsten Arzneivergiftungen 
und 3. wie sind solche zu vermeiden? 

Die Ursache der Arzneivergiftungen kann eine sehr verschiedene 
sein. Sehr oft ist es die falsche Dosis, welche eine Vergiftung 
hervorruft, wenn statt der Dosis therapeutica die Dosis toxica oder 
letalis zur Anwendung gelangt Zuweilen kommt aber auch dann 
noch eine Vergiftung vor, wenn sich die Dosis innerhalb der minimalen 
und maximalen Dosis bewegte und eine besondere individuelle 
Disposition — eine Idyosynkrasie — von seiten des Tieres 
besteht Ferner kann eine Arzneivergiftung zu stände kommen, 
wenn nicht berücksichtigt wird, daß manche Arzneimittel sehr 
langsam ausgeBchieden werden und durch fortgesetzte Gaben 
eine kumulative Wirkung zu Stande kommt Ganz be¬ 
sonders steht die Digitalis und das Strychnin in dem Rufo, daß 
die Ausscheidung nicht Hand in Hand mit der Zufuhr stattfindet 
und deshalb eine Aufspeicherung in dem Organismus erfolgt 
Arzneimittel, welche langsam resorbiert werden, also erst nach 
längerer Zeit wirken, verbieten, daß vor Ablauf von mindestens 
24 Stunden eine neue Dosis verabfolgt wird. Bei Nichtbeachtung 
dieser Regel kann eine Vergiftung eintreten. Aloe, Calomel. 

Auch die Applikationsform ist von großem Einflüsse auf die 
etwaige Giftwirkung eines Arzneimittels, da zahlreiche Arzneimittel, in 


No. 28. 


das Unterhautgewebe gebracht, leicht resorbiert werden und alsdann 
eine etwa lOmal heftigere Wirkung äußern, als wenn dieselbe 
Menge per os verabreicht wird. Arsenik, Veratrum album, Kupfer¬ 
salze, Wismutverbindungen bieten für diese Art der Vergiftungen 
zahlreiche Beispiele. 

Ferner ist für viele Arzneimittel, welche äußerlich in Form der 
Bäder, Einreibungen und Waschungen angewendet werden, zu 
beachten, daß bei flüchtigen und solchen Arzneistoffen, welche 
die Cholestearinfette der Haut durchdringen, eine umfangreiche 
Resorption von der Haut aus stattflndet und dadurch sehr oft 
schwere Vergiftungserscheinungen hervorgerufen werden. Phenole 
und Kresole, Tabak, Canthariden, Quecksilberpräparate, Napbthol, 
Pyrogallol, Resorcin. 

Nach dieser Richtung sind diejenigen Desinfektionsmittel und 
antiparasitären Mittel ganz besonders gefährlich, welche eine kon¬ 
stante Zusammensetzung nicht aufweisen, sondern einen 
wechselnden Gehalt an leicht giftigwirkenden Bestandteilen 
besitzen. 

Selbst wenn aber die soeben genannten Vorbedingungen für 
eine Vergiftung — hohe Dosis, Idiosynkrasie, kumulative Wirkung, 
Aufnahme der Arzneimittel von der Haut und Unterhaut aus, in¬ 
konstante Zusammensetzung der Präparate — nicht vorhanden 
sind, kann eine Vergiftung durch Arzneimittel auch dadurch her¬ 
vorgerufen werden, daß gewisse diätetische Vorsichtsma߬ 
regeln bei der Anwendung einiger Arzneimittel außer acht 
gelassen werden. Ich erinnere namentlich an schwere Vergiftungen 
durch Aloöpillen bei Pferden, wenn man die Pferde während der 
Aloöbebandlung zu anstrengenden Dienstleistungen benutzte 
und noch mehr, wenn solche Anstrengungen bei ungünstiger, 
namentlich naßkalter Witterung gefordert wurden. 

Eine 30 Gramm schwere Aloepille kann in solchen Fällen 
eine tödlich wirkende hämorrhagische Darmentzündung hervorrufen. 
Kalomel verhält sich ähnlich. 

Ferner kann auch die Arzneivergiftung dadurch bewirkt werden, 
daß unration eile Arzneimischungen zur Anwendung gelangen. 
Man bezeichnet die Verordnung von unrationellen Arzneimischungen 
als „RezepturSünden“, Inkompatibilitäten, indem sich aus zwei 
oder mehr zusammengebrachten Arzneimitteln durch chemische 
Umsetzung ein ganz anderer und giftig wirkender Körper 
bildet Als Beispiel ftlr derartige unrationelle Arzneimischungen 
mögen unter anderem auch die von einigen Geschäften in den 
Handel gebrachten Aloöpillen mit Calomel gelten, welche unter 
Zusatz von Seife bereitet, zur Haltbarmachung mit Gelatineüber¬ 
zügen versehen sind. Durch Umsetzung bilden sich bei der Auf¬ 
bewahrung ätzend und stark giftig wirkende Quecksilberver¬ 
bindungen, die eine große Gefahr bei der Anwendung für das 
betreffende Tier involvieren. Ich nehme Gelegenheit, ihnen einen 
Fall ans der Praxis nach dieser Richtung bin mitzutcilen. 42 Pferde 
eines Dominiums erhielten je eine ganze, einige nur eine halbe 
Pille, welche aus 20,0 Extr. Aloes, 3,0 Calomel, 01. Anisi, Sapon. q. s. 
bereitet war. Teils am Nachmittage, teils am folgenden Morgen 
erkrankten die Pferde heftig. Sie zeigten Appetitlosigkeit, Mattig¬ 
keit, schwankenden Gang, wässerige Durchfälle. Dabei trat 
Tenesmus mit Kolikerscheinungen und sehr großer Schwäche 
hervor. Mehrere Pferde sind verendet. Durch die Obduktion wurde 
eine schwere hämorrhagische Darmentzündung und Blutüber¬ 
füllung in allen Organen festgestellt. 

Weiter kommen Arzneivergiftungen durch Verwechselungen 
von Arzneimitteln nicht selten vor. Dieselben ereignen sich 
bei dem selbst dispensierenden Tierarzte, in der Apotheke und bei 
dem Besitzer der Tiere. 

Was die Verwechselungen bei dem selbst dispensierenden 
Tierarzte anbetrifft, so können dieselben öfters auf ungenügend 
signierte Arzneimittel in den Standgefäßen, noch mehr aber auf 
die Unsitte zurückgeführt werden, daß pulverförmige Drogen oder 
Salze in Papierdüten aufbewahrt werden. Die Signatur löst sioh 
ab oder wird unleserlich und dann kommt es vor, daß die äußere 
Beschaffenheit, also das Aussehen, allein maßgebend ist und das 
vermeintliche Arzneimittel mit ähnlich aussebenden, aber ganz 


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9. Juli 1908. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 447 


anders wirkenden Arzneimitteln verwechselt wird. Derartige Ver¬ 
wechselungen von Glaubersalz mit Bleizucker oder Salpeter oder 
Alaun und andere sind wiederholt vorgekommen. 

Nachstehend gebe ich einen kurzen Überblick Uber die in der 
Literatur mitgeteilten Arzneivergiftungen bei Tieren und füge 
einige Arzneivergiftungen an, welche sich neuerdings in der 
Praxis ereigneten; 

Sehr zahlreiche Vergiftungen sind durch die Anwendung der 
Quecksilberpräparate, namentlich beim Rinde vorgekommen. 
Entfällt auch ein großer Teil derselben auf die Anwendung der 
Quecksilberpräparate durch Laien und Pfuscher, so bleibt doch auch 
noch eine größere Zahl von Quecksilbervergiftungen, die durch 
Tierärzte und Apotheker verschuldet wurden. Es ist ja bekannt, 
daß Rinder gegen die Quecksilberpräparate besonders empfindlich 
sind. Ungt. cinereum gegen Pediculi und EuterentzUndungen, 
Bijodatsalbe gegen Parotitis bei Ochsen, Calomel innerlich als 
Abführmittel, Sublimat in der Geburtshilfe und zur Stalldesin¬ 
fektion, Sublimatbäder bei der Scbafräude, Sublimatfäden als Ligatur 
bei der Kastration von Stieren sind die bekanntesten Fälle. Außer¬ 
dem hat die Verabsäumung von Vorsichtsmaßregeln, als die unter¬ 
lassene Absonderung der Tiere, die Verhinderung des gegenseitigen 
Beleckens derselben bei Anwendung von grauer Salbe oft Gelegen¬ 
heit zu Vergiftungen gegeben. Beim Pferde ist die Verabreichung 
von mehreren Calomelpillen in schneller Folge, sowie die An¬ 
wendung zu großer Calomeldosen verhängnisvoll geworden. 

Die arsenige Säure wirkte leicht giftig, wenn dieselbe zum 
Zwecke der Zerstörung von Stollbeulen, Brustbeulen und Neu¬ 
bildungen in dieselben oder in die Unterbaut gebracht wurde und zur 
Resorption gelangte. Dasselbe gilt von der Applikation auf Wunden. 
Gelegentlich der Behandlung der Räude bei Pferden und Schafen 
in Form von Waschungen und Bädern sind gleichfalls zahlreiche 
Vergifiungen durch arsenige Säure hervorgerufen worden. 

Bei der Anwendung von Tatarus stibiatus hat man auch 
öfters unangenehme Erfahrungen gemacht. Durch die Verabreichung 
von Tart. stib. in Pulverform für sich allein und mit andern Arznei¬ 
substanzen gemischt, beobachtete man an dex Applikationsstelle. 
Entzündung und Ulzerationen der Schleimhäute, Stomatitis, Gastro¬ 
enteritis. Aber auch in Lösung kann durch große Dosen eine all¬ 
gemeine Antimonwirkung namentlich bei jüngeren und älteren 
Tieren durch Herz- und Gefäßlähmung, Collaps, gefährlich werden. 
Vergiftungen sind nach 15—40,0 Tart. beobachtet worden. 
Dieckerhoff konnte durch Versuche feststellen, daß die Dosis 
von 15,0 für gewöhnlich nicht überschritten werden darf. 

Arzneivergiftungen durch Phosphor sind auf die fehlerhafte 
Dosierung bei Rindern, Hunden und Schweinen zurückzuführen. 
Dieselben sind praktisch weniger wichtig, da die Anwendung von 
Phosphor nur bei Osteomalacie und überhaupt seltener erfolgt. 

Bleipräparate sind wie Quecksilberpräparate dem Rinde 
besonders gefährlich. Bei diesem treten leicht Gehirnreizungs¬ 
erscheinungen als sogenannte Encepbalopathia sartunina und Blei- 
koliken hervor. Bleivergiftungen kamen nach der Verwechselung 
von Natr. sulfur. mit Bleizucker und bei der inneren Anwendung 
von Bleizucker gegen Blutharnen, sowie bei der Anwendung der 
Bleisalbe gegen Hautleiden durch Belecken vor. 

Kochsalz-und Salpetervergiftungen sind in der Literatur 
in großer Zahl angegeben; sie gehören aber mehr in das Gebiet der 
ökonomischen Vergiftungen. Der oben erwähnten ArzneivergiftuDg 
reiht sich noch die KrotonölVergiftung an, die außer der zu 
hohen Dosis auf den wechselnden Gehalt des Öles an freier Kroton- 
olsäure bezogen werden muß, welche von dem Alter des Öles ab¬ 
hängig ist. Krotonöl gilt deshalb als ein unsicheres, zuweilen 
schwach wirkendes, zuweilen aber außerordentlich heftig wirkendes 
und darum gefährliches Arzneimittel. 

Arzneivergiftungen durch die öfter angewendeten Alkaloide: 
Strychnin, Veratrin, Apomorphin, Atropin, Hyoscin, 
Pilocarpin sind gleichfalls öfter beobachtet Strychnin wirkt 
kumulativ, wie ich bereits bemerkte, Veratrin ist ein individuell 
sehr heftig wirkendes Mittel. Apomorphin ruft bei alten und ge¬ 
schwächten Kühen, wenn solche wegen Lecksucht zur Behand¬ 
lung kommen, oft schwere Zufälle und den Tod hervor. Atropin 


in Verbindung mit Morphium in Form der subkutanen Injektion 
bei der Schulterlahmheit des Pferdes bewirkt zuweilen durch Darra- 
lähmung eine Futteranschoppung im Darm mit nachfolgenden Lage¬ 
veränderungen, Zerreißung des Magens und Darmes. Außerdem 
können sich die derart behandelten Tiere durch eintretende heftige 
motorische und psychische Gehirnerregungen schwere Beschädigungen 
zuziehen. Über eine schwere Beschädigung eines Pferdes nach der 
Anwendung des dem Atropin isomeren Hyoscinum hydro- 
bromienm kann ich folgendes mitteilen. 45 Minuten nach der 
Injektion von 0,02 Hyoscinum hydrobromicura, welches einem Pferde 
als Excitans für das Herz injiziert war, gebärdete sich das Pferd 
wie rasend. Es stieg an der Krippe in die Höhe und schlug mit 
dem Kopfe gegen die Krippe, Wand und die Raufe, sodaß die Haut 
bald in Fetzen herabhing und der Kopf ein unförmliches Aussehen 
erhielt; der Puls und die Atmung war sehr beschleunigt, das 
Atmen geschah angestrengt, das Auge war glotzend und wild. 
Die Erscheinungen verloren sich ganz allmählich innerhalb 
6 Stunden. Nachher zeigte sich das Pferd sehr hinfällig; es er¬ 
holte sich jedoch. Da die Dosis des Hyoscinum bydrobromicum 
mit 0,05 angegeben wird, ein Fehler in der Dosierung nicht Vor¬ 
gelegen hat, auch ein Versehen bei der Herstellung der Lösung, 
wie erwiesen, nicht stattgefunden batte, so kann es sich nur um 
eine besondere Empfindlichkeit, Idiosynkrasie, bei dem betreffenden 
Pferde gehandelt haben. Daß eine solche zuweilen angetroffen 
wird, darauf ist schon bei den Versuchen von Fröhner und 
Preuße über Atropin-Morphiuminjektionen hingewiesen worden. 
(Monatshefte für praktische Tierheilkunde 1899.) 

Auch Vergiftungen mitPilocarpin sind bei Tieren mit chroni¬ 
schen Lungen- und Herzkrankheiten durch Herbeiführung eines 
Lungenödems beobachtet. 

Tabakvergiftungen (Nikotin) bei Pferden, Kühen, Kälbern 
und Schafen ereigneten sich sowohl nach der Anwendung de« 
Tabaks zu Bädern und Waschungen als nach der inneren Verab¬ 
reichung bei Verdauungsleiden. Auch die Vergiftungen durch 
Filixextrakt als Bandwurmmittel bei Hunden gehören nicht zu 
den'Seltenheiten. Jodoformvergiftungen durch Ablecken von 
Wudden sind gleichfalls beim Hunde beobachtet worden. Groß ist 
die Zahl der Vergiftungen durch Arzneimittel, welche als Räude- 
mittel, namentlich bei Schafen in Form der Bäder, zuweilen auch 
bei Pferden in Form der Waschungen angewendet wurden. Die 
zahlreichen Phenol- und Kresolpräparate stehen oben an. 

Die Giftigkeit der Karbolsäure als Nervengift ist schon lange 
bekannt. Die leichte Resorption derselben von der Haut aus, 
leichter noch die Resorption von Wunden und von der Schleimhaut 
der Geburtswege aus, begünstigt die Vergiftung ungemein. Bei 
Katzen verbietet es sich überhaupt, Karbolsäure anzuwenden, da 
diese gegen die Karbolsäure von allen Tieren am empfindlichsten 
sind. Die Kresole besitzen eine höhere Desinfektionskraft als die 
Karbolsäure und gelten als sehr viel weniger giftig. Dies war der 
Grund, daß aus den in Wasser unlöslichen Kresolen lösliche Des¬ 
infektionsmittel bergestellt wurden: mit Kaliseife löslich gemacht als 
Liquor Kresoli saponatus etwa gleich dem Lysol, Bacillol 
und vielen anderen — mit Harzseifen in eine emulgierbare Form 
gebracht als Kreolin-Pearson. Da nun bei der Herstellung der¬ 
artiger Desinfektionsmittel diejenigen Rohkresole verwendet werden, 
welche als Rückstände nach der Abscheidung der Karbolsäure aus 
den schweren Steinkohlenteerölen hinterbleiben, so können die 
Kresole bezw. die daraus bergestellten Desinfektionsmittel frei von 
Karbolsäure sein, andernfalls aber auch noch wesentliche Mengen 
von Karbolsäure enthalten. Dieser Umstand gibt eine Erklärung 
für die Beobachtung in der Praxis, daß dieselben Kresolpräparate 
gelegentlich giftig wirken, ein anderes Mal ohne Schaden ange¬ 
wendet werden. 

Kreolin soll frei von Karbolsäure sein oder nur minimale 
Spuren derselben enthalten.*) Das karbolsäurefreie und unzersetzte 
Kreolin soll als Antiseptikum und Räudemittel ungiftig sein, wenn 
es in der üblichen Konzentration und Applikationsform angewendet 
wird.**) Die erstere Voraussetzung, daß es frei von Karbolsäure 

*) Fröhner, Arzneimittellehre für Tierärzte 1900, Seite 243. 

**) Fröhner, Toxikologie 1901, Seite 137. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 28. 


ist, trifft jedoch sehr oft nicht zu. Von Arnold in Hannover wird 
es auf Grund seiner Analysen als ein inkonstantes Präparat be¬ 
zeichnet, welches, so oft er es untersuchte, niemals die gleiche 
Zusammensetzung zeigte; er fand einmal nur 2 Proz. Kresole, ein 
anderes Mal 7 Proz. Kresole und 3,5 Proz. Karbolsäure. Nach 
anderen Analysen soll das Kreolin 10—13 Proz. Kresole enthalten. 

Im Kreolin-Pearson, welches zu Räudebädern bei Schafen ver¬ 
wendet worden war und nach dessen Anwendung sich zahlreiche 
Todesfälle ereignet hatten, wurden durch die Analyse nur 7 Proz. 
Phenole nachgewiesen, von denen aber 4 Proz. als Karbolsäure 
erkannt wurden. 

Im der Literatur sind in den letzten Jahren mehrfach Angaben 
über Verluste gemacht worden, welche im Anschluß an die Kreolin¬ 
bäder bei Schafen beobachtet wurden. Ob diese Verluste auf die 
Beimischung von Karbolsäure zu dem Kreolin oder auf andere Zer- 
setzungsprodukte desselben bezogen werden müssen oder von 
anderen Umständen abhängen, muß durch weitere Versuche und 
Untersuchungen festgestellt werden. Tatsache ist, daß die be¬ 
obachteten Vergiftungserscheinungen bei Schafen und Pferden mit 
den Erscheinungen einer Karbolsäurevergiftung übereinstimmten. 
Vergiftungen mit 3 Proz. Lysolwasser Bind in der Literatur 
zweimal angegeben. 

Über eine Bacillolvergiftung beim Pferde liegt eine Ver¬ 
öffentlichung vor. Über den Wert und die Vorzüge des einen 
oder anderen Kresoldesinfektionsmittels, wie solche als Kreolin, 
Lysol, Bacillol und zahlreiche anders benannte Präparate in den 
Handel kommen, kann hier kein Urteil abgegeben werden. Jeden¬ 
falls wird dasjenige Präparat den Anforderungen am meisten ent¬ 
sprechen, das am wenigsten giftig ist, alßo die geringste Menge 
von Karbolsäure und die meisten Kresole enthält, und dabei 
billig ist. Jedenfalls bietet ein offizinelles Kresol-Präparat in Ge¬ 
stalt von Liquor Cresoli saponatus, welcher 50 Proz. Kresole ent¬ 
hält und dem Lysol, Lapokresol, Bacillol, Kresapal, Kresol-Raschig 
gleich oder ähnlich zu erachten ist, eine größere Gewähr für feine 
gleichbleibende Zusammensetzung, als Geheimmittel inkonstanter 
Zusammensetzung, da das deutsche Arzneibuch eine Wertbestimmung 
des zur Herstellung des Präparates zu verwendenden Rohkresoles 
angegeben hat. Auf den Wert von Liquor Cresoli saponatus bei 
der Räudebehandlung der Schafe ist auch schon in der verdienst¬ 
vollen Arbeit über Schafräude und Sarcoptesräude der Hunde von 
Brandei und Gmeiner (Münchener Wochenschrift 1900) hin¬ 
gewiesen worden. Liquor Cresoli saponatus ist außerdem erheblich 
billiger als viele bisher angewandte Kresoldesinfektionsmittel. 

Ein anderes, allerdings selten bei Hautkrankheiten angewendetes 
Präparat, welches eine schnell verlaufende und zum Tode führende 
Vergiftung beim Pferde zur Folge hatte, ist das Naphthol. Über 
die Giftwirknng desselben liegen experimentelle Untersuchungen von 
Willenz*), Aruch**), Cagny***), Lesagef) vor. Dasselbe soll die 
Harnwege reizen und bei Katzen eine Albuminurie und Hämoglo¬ 
binurie hervorrufen. Außerdem soll es ein Muskel- und Herzgift sein. 

Eine Naphtholvergiftung beim Pferde ist mir aus der Praxis 
bekannt geworden. Ein Pferd, welches an Sommerräude erkrankt 
war, wurde mit einer spirituösen Napthollösung eingerieben. Das¬ 
selbe zeigte bald heftige Reizung der Kopfschleimhäute, Tränenfluß, 
Speichelfluß. Alsbald traten epileptiforme Krämpfe abwechselnd 
mit Depressionserscheinungen auf. Das Pferd setzte einen bierbraunen 
Harn ab, welcher sehr eiweißreich war, Blutfarbstoff und Motbämo- 
globin enthielt. Hierzu gesellte sich Anurie und unter Kollaps¬ 
erscheinungen verendete dasselbe. Die Sektion ergab eine schwere 
hämorrhagische Nephritis, icterische Färbung der Schleimhäute 
und parenchymatöse Veränderung der Leber und des Herzmuskels, 
Blutreichtum des Gehirns und Rückenmarkes. Das Naphthol gehört 
demnach zu den Blutgiften. Vor der Anwendung des Naphthols 

*) Willenz, Russisches Archiv der Veterinärkunde 1887. 

**) Aruch, Le injezioni intrapolmonari e le soluzioni naftoliche. 
Clin. vct. XII. p. 150. 

***) Cagny, Therapeutische Gaben des Naphthols. Rec. de 
mfed. vfet. p. 231. 

t) Lesage, Dosierung deB Naphthols. L’fecho vfet. Bd. 5. 


muß deshalb gewarnt werden. Das Naphthol wird aus dem 
Naphthalin fabrikmäßig hergestellt. 

Das Naphthalin ist als Antiparasiticura, Konservierungsmittel, 
Antisepticum und Granulation anregendes Mittel empfohlen. Inner¬ 
lich wird es als Antizymoticum bei der Kälberruhr, bei Blasen¬ 
katarrhen, als Antipyreticum, Expectorans und Anthelminthicum 
empfohlen. Die Dosis für Pferde und Rinder wird mit 5 — 15,0 an¬ 
gegeben. Innerlich soll es für größere Haustiere, wie auch für den 
Menschen wegen seiner schweren Löslichkeit ungiftig sein. 

Nach Fischer*) soll Naphthalin giftige Wirkungen, selbst bei 
massenhafter Anwendung, nie zeigen. 

Popow**) gibt an, daß er einem 15jährigen Wallachen 24,0 in 
Pillenform, und solche Pillen dreimal am Tage gegen chronischen 
Darmkatarrh mit gutem Erfolge gegeben habe. 

Schadrin***) berichtet, daß Pferden und Rindern, 8,0 dreimal 
täglich im Bolus gegeben, keine unangenehmen oder toxischen 
Nebenwirkungen gezeigt habe. Nothnagel und Roßbach, Hand¬ 
buch der Arzneimittellehre S. 464, gibt an, höhere Tiere und der 
Mensch vertragen Naphthalin vorzüglich; weder nach der Ein¬ 
atmung oder Einreibung noch nach innerlicher Darreichung kann 
man eine giftige Wirkung sehen. 

Experimentell wurde von Boucbard, Dor, Pannas und A. 
nach längerer Verabreichung von Naphthalin bei Kaninchen: 
Trübung der Linse, Ablatio retinae und Atrophie der Papille, sowie 
parenchymatöse Nephritis beobachtet. 

Jagminf) berichtet über eine Vergiftung bei Hühnchen, 
welche sich in einem Raume befanden, woselbst Pelze und Kleider, 
mit Naphthalin bestäubt, aufbewahrt wurden. 

Ottoff) berichtet, daß ein Hund, der auf Decken und Teppichen 
lag, die mit Naphthalin bestaubt waren, abwechselnd Depressions¬ 
erscheinungen, Erregungserscheinungen, Tobsucht und Unruhe zeigte. 

Siedamgrotzky (Sächsischer Bericht 1892, Seite 16) be¬ 
obachtete, daß bei einem Pferde Hämoglobinurie infolge innerlicher 
Verabreichung von Naphthalin auftrat. Es handelte sich um einen 
acht Jahre alten Wallachen, welcher statt Glaubersalz eine Handvoll 
Naphthalin erhalten hatte. Das Pferd war fieberfrei, der Puls und 
der Atem waren normal, die Konjunktiva intensiv gelb, die Maul- 
echlcimhaut ebenso. Harn wurde reichlich gelassen, derselbe war 
schwarzrot, alkalisch, spezifisches Gewicht 1,025, 1,5 Proz. Eiweiß, 
wenig Gallenfarbstoff; Blutklümpchen und Zylinder fehlten; zwei 
Oxyhämoglobinstreifen im Spektrum. In sechs Tagen war das 
Pferd geheilt. 

Nach diesen widersprechenden Angaben über die Giftwirkung 
des Naphthalins dürfte folgende Naphthalinvergiftung bei Pferden 
ein besonderes Interesse bieten. Auf einem Gute waren 12 Pferde 
an der Druse erkrankt. Der Besitzer bestellte aus der nächsten 
Apotheke Kropfpulver für zwei Mark. Von dem erhaltenen Pulver 
ließ derselbe den erkrankten Pferden pro Kopf zwei Tage hinter¬ 
einander je einen Eßlöffel Pulver unter das Futter mischen. Das 
Futter wurde von allen Pferden gern und von den beiden jüngeren 
Pferden gierig gefressen. Nach zwei Tagen erkrankten sämtliche 
Pferde; sie verweigerten das Futter, waren unruhig und setzten 
reichlich dunkel gefärbten Harn ab. Namentlich schwer erkrankt waren 
die beiden jüngeren Pferde. Eins davon verendete in den nächsten 
Tagen. Sektionsergebnis: Nieren- und Leberentzündung. Das 
zweite jüngere Pferd verendete einige Tage später, die anderen 
Pferde sind genesen. Der bei dem zweiten verendeten Pferde auf¬ 
genommene Sektionsbefund hatte Icterus universalis, Nephritis 
parenchymatosa und hämorrhagica, Hepatitis- und Myocarditis 
parenchymatosa, Lungenödem ergeben. Durch die Untersuchung 
des vermeintlichen Kropfpulvers wurde nachgewieaen, daß dasselbe 
aus Rohnaphthalin bestand, welches irrtümlicherweise an Stelle 

*) Fischer. Siehe Vogel, Über Naphthalin und seine tierärzt¬ 
liche Verwertung. Repert. Heft II. Seite 95. 

**) Popow: Petersbg. Archiv f. Vet. Kunde 1885. 

***) Schadrin: Die Anwendung des Naphthalins gegen Darm- 
katarrh. Charkower Veterinärbote. 

f) Jagmin: Naphthalin, ein Gift für Küchlein. Journal für 
Vogelzucht No. 1. 

+f; Otto, Sächsischer Veterinärbericht S. 157. 


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9. Juli 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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des Kropfpulvcrs verkauft war. Zwei Tierärzte begutachteten, daß 
die beiden Pferde infolge von Naphtbalinvergiftnng eingegangen 
sind. 

Auf Grund von Fütterungsversuchen mit Naphthalin bei kleineren 
Tieren wurde ein Gegengutachten dahin abgegeben, daß das Naph¬ 
thalin unschädlich sei und nicht als die Todesursache bei den ver¬ 
endeten Pferden angesehen werden könne. 

Diese widersprechenden Angaben über die Giftigkeit des Naph¬ 
thalins gaben mir Veranlassung, Versuche mit Naphthalin bei Pferden, 
Rindern und Hunden anzustellen. Zu diesen Versuchen wurden 
zunächst 3 Pferde verwendet. 

Der erste Versuch betraf einen etwa 12 Jahre alten, 4500 Kilo 
schweren Wallachen. 

Das Pferd hatte vor Anstellung der Versuche: T. 37,6, P. 42, 
A. 12. Der Ham reagierte alkalisch, spez. Gewicht 1044, dick¬ 
flüssig, gelbbraun, eiweißfrei, indikanhaltig, frei von Gallonfarbstoff. 
Sediment: Calciumcarbonat, Calciumoxalat, vereinzelte Blasen- 
epithelien. 

Es wurden 4 Tage hintereinander je 5, dann 10, dann 15 und 
zuletzt 20 Gramm Naphthalin mit Radix althaeae als Pille gegeben. 
Während dieser Zeit zeigte das Pferd keinerlei Erscheinungen 
einer Erkrankung. Die Freßlust war eine gute. Puls, Atemzüge 
und Innentemperatur blieben bis auf kleine Schwankungen un¬ 
verändert. Die sichtbaren Schleimhäute waren normal gefärbt. 
Der Harn wurde nicht vermehrt abgesetzt. Er war dickflüssig, 
reagierte alkalisch, gelbbräunlicb bis braun, trübe, spez. Gewicht 
1045, eiweißfrei, indikanhaltig, kein Gallenfarbstoff. 

Nachdem das Pferd 8 Tage lang Naphthalin nicht mehr erhalten 
hatte, wurde vormittags 9 Uhr eine Pille mit 25 Gramm Naphthalin 
verabreicht. T. 37,9; P. 42; A. 12. 

Mittags 12 Uhr T. 38,3; P. 52; A. 14; nachmittags 4 Uhr. 
T. 38,1; Puls: 64; A. 70. 

Freßlust aufgehoben. Benommenheit. Atmung angestrengt. 
Der am Abend gelassene Harn hatte das spez. Gewicht 1030, war 
alkalisch, dunkelgelbbraun, eiweißfrei, frei von Gallenfarbstoff und 
Blutfarbstoff. 

Am nächsten Tage Temperatur 37,5; P. 44; A. 20. Atmung 
angestrengt. Freßlust aufgehoben. Die sichtbaren Schleimhäute 
gelblich gefärbt. Benommenheit. Harnabsatz etwas vermehrt. 
Spez. Gewicht 1030, sauer, schwarzbraun, trübe, dickflüssig, eiwei߬ 
frei, Gallenfarbstoff sehr deutlich nachweisbar. Blutfarbstoff nicht 
enthalten. 

Am 3. Tage T. 38,1; P. 40; A. 16. Freßlust aufgehoben; 
Schleimhäute diffus schmutzig gelb. Benommenheit. Atmung ruhig. 
Der Harn rotbraun, sauer, eiweißhaltig, wird in größeren Mengen 
abgesetzt, spez. Gewicht 1010. Gallenfarbstoff und Methämoglobin 
sowie reduziertes Hämoglobin nachweisbar. 

Das Befinden des Pferdes besserte sich in den nächsten Tagen. 
Polyurie bestand fort. Der Harn reagierte sauer. Das spez. Gewicht 
des Harnes betrug 8 Tage lang 1011 bis 1015 und stieg dann all¬ 
mählich. Die Gelbfärbung der Schleimhäute war noch 3 Wochen 
lang nachweisbar. 

Der zweite Versuch wurde an einem 16—18 Jahre alten 5000 Kilo¬ 
gramm schweren Wallachen unternommen. Das Pferd war gesund. 
Temp. 37,3; Puls 42; A. 17. Der Harn ist dickflüssig, reagiert 
alkalisch, dunkelgelb; spez. Gewicht 1042. Eiweiß und Gallen¬ 
farbstoff fehlen. Indikanreaction positiv. Sediment: Calciumoxalat- 
nnd Calciumcarbonatkrystalle, vereinzelte Blasenepithelien. Vorm. 
10 Uhr: 25,0 Nephtalin in Pillen. Nachmittags 4 Uhr: T. 38,3, P. 40, 
A. 44. Atmung angestrengt und sehr beschleunigt. Nahrungs¬ 
aufnahme unterbrochen. Sensorium eingenommen. Der am Abend 
gelassene Harn war schwarz-rot bis schwarz gefärbt, spez. Gewicht 
1035, eiweißfrei, Gallenfarbstoff nicht nachweisbar. 

Am nächsten Tage 9 Uhr: Temp. 38,1, P. 56, A. 48. Benommenheit. 
Freßlust nicht vorhanden, große Schwäche. Kot klein geballt und 
rötlich-gelb gefärbt. Kolikerscheinungen. Atmung angestrengt. 
Die Schleimhäute sepiafarben. Der Harn reagiert sauer, ist dunkel¬ 
braun, spez. Gewicht 1020, neutral, weniger dickflüssig. Gallen¬ 
farbstoff reichlich durch Ausfällung und Gmelinsche Probe nach¬ 
weisbar. Blutfarbstoff spektroskopisch nicht nachzuweisen; kein 
Eiweiß. 


Am dritten Tage ist der Zustand im wesentlichen derselbe. 
Temperatur 39,3, Puls 48, A. 14. 

Der Harn erscheint dunkelblutfarben, reagiert sauer, spez. 
Gewicht 1010, stark eiweißhaltig. Im Spektrum reduziertes 
Hämoglobin und Methämoglobin. Das Sediment enthält 
Blutzylinder und Epithelzylinder, zahlreicheNicrenepithelien, Detritus¬ 
massen. 

Am vierten Tage zeigt sich das Allgemeinbefinden etwas besser. 
T. 38,4, P. 36, A. 10. 

Das Pferd war sehr müde und schwach. Wasseraufnahme ver¬ 
mehrt. Freßlust besser. Harnabsatz reichlich. Harn blutfarben 
mit einem ähnlichen Befunde wie gestern. Schleimhäute stark 
schmutziggelb. 

In den nächsten Tagen setzte das Pferd öfter reichliche Harn¬ 
mengen ab. Derselbe zeigte Blntfarbe, enthielt nur noch 
reduziertes Hämoglobin, Eiweiß, keine Blutkörperchen, dagegen 
Nierenepithelien und Epithelzylinder; das spez. Gewicht bewegte 
sich zwischen 1015—1020. Das Allgemeinbefinden des Pferdes 
besserte sich, die Futteraufnahme nahm zu. Nach drei Wochen 
zeigte das Pferd keine Krankheitserscheinungen mehr. Der Harn 
hatte ein spez. Gewicht von 1040, war dickflüssig alkalisch, gelb¬ 
bräunlich, eiweißfrei. Die Gelbfärbung der Schleimhäute war ver¬ 
schwunden; dieselben zeigten eine blaßrote Farbe. 

Der dritte Versuch begann 9 Uhr vormittags mit der Ver¬ 
abreichung von 30,0 Naphtalin bei einem 12 Jahre alten 4500 Kilo¬ 
gramm schweren Pferde. Vor dem Versuche zeigte sich dasselbe 
gesund, die Schleimhäute waren blaßrot gefärbt. T. 37,5, P. 46, 
A. 10. Harn dunkelgelb, dickflüssig alkalisch, spez. Gewicht 1042. 
Eiweiß- und Gallenfarbstoff nicht vorhanden. Indikanreaktion 
positiv. Oxalsäure und kokleDsaure Kalkkrystalle, sowie einzelne 
Blasenepithelien im Sediment. 

12 Uhr. Temperatur 38,3, Puls 50, Atmung 15. Das Pferd 
zeigte sich weniger lebhaft und versagte das Futter fast vollständig, 
während der Appetit bis dahin stets sehr rege gewesen war. Die 
sichtbaren Schleimhäute sind schmutzig rot. 

■ Nachmittage 6 Ubr. Temperatur 30,0 0 C, 73 Atemzüge, 
72 Pulse. Die Atmung ist sehr erschwert und angestrengt. Die 
Perkussion des Thorax ergibt überall einen vollen, lauten Schall. 
Der sehr oft abgesetzte Harn ist stark sauer, trübe, dickflüssig, 
schokoladenfarbig, spez. Gewicht 1035. Das klare Filtrat ist dunkel¬ 
braun. Der verdünnte Harn zeigt deutlich die Gallenfarbstoffreaktion 
nach Gmelin. Durch Ausfällung mit Baryumchlorid und Natrium¬ 
carbonat, Kochen des gelben Sedimentes mit Alkohol und Schwefel¬ 
säure wird Gallenfarbstoff nachgewiesen. Der Harn ist stark eiwei߬ 
haltig. Blutfarbstoff ist bei der spektroskopischen Untersuchung 
nicht nachweisbar. Das Sediment enthält Epithelzylinder, Nieren¬ 
epithel und Detritusmassen. Der Abendharn ist mehr lebmfarbig, 
sauer, spez. Gewicht 1025, sehr reich an Eiweiß. 

Am nächsten Tage: Temperatur 39,8°, 75 Pulse, 27 Atemzüge. 
Außer der verringerten Zahl der Atbemzüge keine wesentliche 
Änderung. Die sichtbaren Schleimhäute waren gelblich gefärbt. 
Das Pferd trinkt sehr viel. Die Nahrungsaufnahme ist vollständig 
aufgehoben. Der Kot ist rötlich gelb, trocken, geruchlos. Der 
Harn ist schwarz rot und wird in sehr grossen Mengen gelassen. 
Spez. Gewicht 1010, sauer, stark eiweißhaltig. Der filtrierte und 
verdünnte Harn erscheint dunkel-schmutzig, blutrot. Durch das 
Spektroskop wird Hämoglobin und Methämoglobin nachgewiesen. 
Das Sediment enthält große Mengen von Epithel und Blutzylinder, 
Nierenepithel und Detritusmassen. 

An den beiden darauf folgenden Tagen derselbe Befund wie 
am Tage vorher: T. 38,5, P. 48, A. 20. Das Tier steht teilnahmslos 
und trippelt zuweilen hin und her. Die Schleimhäute sind schmutzig 
dunkel-gelb. Großer Durst. Ham wird in großer Menge gelassen. 
Derselbe hat ein spez. Gewicht von 1008. Der Harnbefund wie 
am Tage vorher. Am Abend verendete das Tier un(er den Er¬ 
scheinungen von großer Schwäche. 

Die alsbald ausgeführte Sektion ergab starke Gelbfärbung 
der Schleimhäute, des Fettes und des subkutanen Gewebes. Die 
Leber ist vergrößert, zeigt eine trübe, mürbe und brüchige Schnitt¬ 
fläche, Muskatfarbe und starke Füllung der Gallengefäße. 


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450 


Die Nieren sind vergrößert, weich nnd brüchig. Das Parenchym 
ist trübe, zeigt Blutungen und daneben graugelbe Flecke. 

Kechterseits Lungenödem. 

Das Herz ist vergrößert; das Myocard trübe, welk, grau-rötlich. 
Im Herzen locker geronnenes Blut. Am Endocard keine Ver¬ 
änderungen. 

Der Darmkanal ist leer. Die Schleimhaut ist blaß, wie aus¬ 
gewaschen. Im Rectum wenige Kotballen. 

Die mikroskopische Untersuchung der Nieren zeigt eine 
Kapillarektasie, radiäre, schwarzrote, blutige Streifen zwischen den 
Harnkanälchen und Blutaustritte in das Nierengewebe und in die 
Kapsel der Glomeruli. Die Harnkanälchen sind mit gelockerten 
Epithelien und mit Detritusmassen von gelb-bräunlicher Farbe 
angefüllt. 

Leber. Die zentrale Zone der Zellbalken ist gelbbraun, 
zwischen den Zellbalken gelbes Pigment. Die Zellbalken weit aus¬ 
einander gerückt In dem Bindegewebe der Leber befinden sich 
zahlreiche gelbe Körner und Schollen. 

Blutbefund: Blut nicht geronnen, auffallend dunkel, fast schwarz, 
beim Verdünnen mit Wasser braun. Spektroskopisch wird Met- 
hämoglobin und reduziertes Hämoglobin nachgewiesen. 

Die Blutkörperchen sind zackig, neben denselben befinden sich 
körnige Massen. 

Aus diesen Versuchen darf man wohl folgern, daß Naphtalin 
in einer Menge von 20—25 Gramm bei Pferden giftig wirkt; bei 
einer Menge von 30 Gramm eine tödlich verlaufende Vergiftung 
mit Auflösung der Erythrocyten, Hypercholie, Hämoglobinämie 
und Methämoglobinämie, Nephritis parenchymatosa und haemor- 
rhagica, Cholurie, Hämoglobinurie und Methämoglobinurie und 
einen Icterus universalis hervorruft. 

Ich schließe diese Besprechung über Arzneivergiftungen mit 
der Beantwortung der dritten von mir aufgestellten Frage: „Wie 
können Arzneivergiftungen verhindert werden?“ mit dem Hinweis: 

1. daß bei der Dosierung von Arzneimitteln eher die kleineren 
und mittleren Dosen als die Maximaldosen Anwenßang 
finden mögen; 

2. bei den kumulativ wirkenden Arzneimitteln setze man die 
Behandlung am 2. oder 3. Tage einen oder mehrere Tage aus; 

3. bei langsam resorbierten, bezw. langsam wirkenden Arznei¬ 
mitteln soll erst nach 24 bis 36 Stunden die Gabe wieder¬ 
holt werden; 

4. man beachte, daß Arzneimittel von Wunden, Geschwüren, 
und der Unterbaut aus sehr viel heftiger wirken als per os 
gegeben; 

5. flüchtige und die Cholestearinfette der Haut durchdringende 
Arzneimittel werden von der Haut aus resorbiert und rufen 
leicht eine Allgemeinvergiftung hervor; 

6. die Anwendung von Arzneimitteln unbekannter Zusammen¬ 
setzung oder solcher, welche eine gleichbleibende Zusammen¬ 
setzung nicht aufweisen, soll möglichst eingeschränkt oder 
unterlassen werden. 

7. die diätetischen Vorsichtsmaßregeln sind bei der Anwendung 
der drastischen Abführmittel innezuhalten; 

8. sich gegenseitig zersetzende Arzneimittel soll man in Mischung 
nicht verordnen. 

9. man beachte stets die generelle Empfindlichkeit der Tier¬ 
arten gegen gewisse Arzneimittel; 

10. neue und noch wenig erprobte Arzneimittel wende man mit 
Vorsicht an; 

11. die Hausapotheken sind derart einzurichten, daß die Arznei¬ 
mittel nicht in Papiersäcken, sondern nur in geeigneten 
Standgetäßen mit leserlichen unzerstörbaren Signaturen auf¬ 
bewahrt werden. Eine Aufbewahrung von Pulvern und 
Chemikalien in Papierdüten ist grundsätzlich als unzulässig 
zu bezeichnen. 

Wir müssen gewiß mit allen zulässigen Mitteln dahin wirken, 
daß die Dispensierfreiheit den Tierärzten erhalten bleibe, wir müssen 
aber auch zugestehen, daß gesetzliche Vorschriften über die Anlage 


No. 28. 


und Revision der Hausapotheken der Tierärzte, wie solche in dem 
Königreiche Sachsen schon seit langer Zeit bestehen, nicht allein 
recht und billig, sondern auch nutzbringend sein dürften. 


Referate. 

Jodipin nnd seine Anwendung in der Tierheilkunde. 

Von Militärobertierarzt A. Swoboda. 

(TIertntl. Zentr&lblatt 1903. 8. 40.) 

Das Jodipin, von Winternitz 1897 erfunden, ist eine 
chemische Verbindung von Jod und dem leicht verdaulichen, 
geschmacklosen Sesamöl, von Merk in zwei Präparaten mit 
10 und 25 Proz. Jodgehalt in den Handel gebracht. Es wurde 
in der Humanmedizin sehr erfolgreich angewandt bei Aktinomy- 
kose, Anteriosklerose, Hornhautinfiltraten, Glaskörpertrübungen, 
Ulcus mit Hypopyon u. a. und darum von Swoboda anch in der 
Veterinärpraxis versucht. Das Jodipin bleibt, referiert Verfasser 
einleitend, per os gereicht bis zum Pylorus unverändert, wird im 
Duodenum von Galle und Pankreassaft gespalten nnd resorbiert. 
Die subkutane Applikation schließe toxische und Nebenwirkungen 
auf den Darm ans nnd führe zu gleichmäßiger Ablagerung des 
Arzneistoffes in allen Organen und anhaltender Jodwirkung auf 
jede einzelne Körperzelle, was mit den den Körper zu schnell 
passierenden Jodalkalien nicht erreicht werde, während bei 
subkutaner Jodipinanwendung noch nach 70 Tagen Jod im Harn 
nachweisbar sei. Sie gestatte es auch, das Jodfett „an den 
locus morbi zu dirigieren“ und dort das Jod zur Wirkung ge¬ 
langen zu lassen. 

Die vom Verfasser beschriebenen Fälle sind diese: 1. Junger 
Foxterrier mit hühnereigroßem Struma reagiert auf äußerliche 
und innerliche Anwendung von Jodvasogen mit medikamentöser 
Konjunktivitis und Inappetenz. Bei Vertauschung des Jodvasogens 
mit Jodipin weichen diese Symptome dem besten subjektiven 
Befinden und die Geschwulst ist nach 4 Wochen auf Haselnu߬ 
größe reduziert. Medikation: 10 Proz. J. täglich 10 gtts. auf 
jedes Futter. 2. Achtjähriger Bernhardiner mit schwerem Asthma 
bronchiale kann nur unter großen Beschwerden Treppen steigen. 
3 Monate nach beendeter Kur läuft er diese leicht hinauf. 
Applikation per os „in etwas größerer Dosis“. — Ähnlicher Ver¬ 
lauf und Erfolg bei zwei anderen Hunden mit Bronchitis chronica; 
Mißerfolg dagegen bei fünfzehnjähriger Dogge, bei der es sich 
ja wohl auch nm einen irreparablen senilen Zustand handelte. 
3. Bei Pferden mit Nageltritt und Widerristfisteln wurde Jodipin 
mit bestem Erfolg zum Verband verwendet, allerdings gleich¬ 
zeitig mit Jodoform und Jodtinkturausspülungen. 4. Ein Reit¬ 
pferd, seit einer Erkrankung an Influenza mit Rohren in kon¬ 
stanter Stärke behaftet und entgegen der sonstigen Erfahrung 
des Verfassers erfolglos geblistert, wird anfänglich nur „ut 
aliquid fiat“ mit Jodipin behandelt, ist aber nach 10 Wochen 
völlig von dem Übel befreit und dem anstrengendsten Dienste 
gewachsen. Verfasser gibt für diesen Fall die Möglichkeit einer 
Naturheilung zu, die aber durch seine Therapie wenigstens unter¬ 
stützt worden sein möchte. Medikation: 25 Proz. J. subcutan in der 
Kehlkopfgegend und am Hals injiziert, während der ersten 
10 Tage je 10 ccm täglich; 8 Tage Pause; dann 25 Tage lang 
die gleiche Dosis. 5. Von 4 schwer an Influenzapneumonie 
erkrankten Pferden mit verzögerter Resorption werden 2 mit 
10 Proz. J. in täglichen Dosen von 40,0 per os 8 Tage lang 
behandelt (Gesamtdosis etwa 320,0) und 2 Pferde mit 25 Proz. J. 
subkutan (Gesamtdosis etwa 200,0). Bei allen vieren wurde 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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9. Juli 1908. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


461 


ein gleich guter Erfolg beobachtet und die Resorption be¬ 
schleunigt. 

Zur Technik der Applikation rät Verfasser das Mittel anzu¬ 
wärmen, nm es dünnflüssiger zu machen, außerdem auch eine 
Spritze mit weiter Mündung zu wählen nnd die Einstichstelle 
nach der üblichen verteilenden Massage mit Adhaesivpflaser zu 
bedecken. — Hinsichtlich des Preises stehen die Präparate un¬ 
gefähr dem Jodkali gleich. 0. Albrecht. 

Wochenübersicht über die medizinische Literatur. 

Von Dr. Jett- Charlottenburg, 

Kr«i»ti.rar*t. 

Fortschritte der Medixin. 1903. No. 16. 

Über die Bedeutung der Syphilis in der Ätiologie der Tabes; 
von Dr. Friedländer. Am Schlüsse seines Sammelreferats kommt 
F. zu dem Resultat, daß der Syphilis für die Aetiologie der Tabes 
bisher im allgemeinen eine viel zu große Rolle beigelegt wurde. 
Deutsche Medixinal-Zeitung. 

Lac tag ol ein Lactagogum; von Dr. Beckmann. 

Die Vasogenfabrik Pearson & Co. bringt unter der Be¬ 
zeichnung Lactagol ein trockenes Extrakt aus dem Baumwoll- 
saatmehl in den Handel, welches ein feines gelblich weißes 
Pulver ist Die Versuche bei Tieren ergaben ein recht be¬ 
friedigendes Resultat. Schon nach 14 Tagen stieg die Milch¬ 
menge von 13 auf 17 Liter unter gleichzeitiger Erhöhung des Fett- 
und Stickstoffs. Verfasser hat auch Versuche beim Menschen 
angestellt und auch hier vorzügliche Erfolge aufzuweisen. 
Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten, XLIII. Bd., 3. Heft, 

30. 6. 1903. 

Über die Verwertbarkeit des Agglutinations-Phänomens zur 
klinischen Diagnose und zur Identifizierung von Bakterien der Typhus- 
Coligruppe (Paratyphns u. s. w.) von Dr. Bruns & Dr. Kays er. 

Die Hauptresultate der Versuche sind: Hochwertige Im- 
munseren agglntinieren nicht nur die Bakterien, mit welchen 
die Immunisierung vorgenommen wurde, sondern auch diesen 
nahestehende Bakterien. 

Die modernen Immunltätslehren nnd die Vaccination; von 
Dr. Pfeiffer. Siehe Original. 

Weitere Beiträge zur Desinfektion von Tierhaaren mittelst 
Wasserdampf; von Prof. Proskauer und Prof. Elsner. Die 
von den Autoren im Aufträge des Herrn Ministers an gestellten 
Versuche ergaben, daß mit den bisher gebräuchlichen Schimmel- 
schen Apparaten nicht ein gleichmäßiges Resultat bei der Dis- 
infektion von mit Milzbrand infizierten Tierhaaren erzielt wird. 

Beitrag zum Studium der Aetiologie der Tollwut; von 
Dr. Negri (vgl. B. T. W. No. 20, S. 335). 

Verfasser will im Nervensystem wutkranker Tiere einen 
Mikroorganismus beobachtet haben, welcher wahrscheinlich zu 
den Protozoön zu rechnen ist Der Parasit bevorzugt als Sitz 
das Ammonshorn, und hier befindet er sich in den größeren 
Nervenzellen. Die Größe der Parasiten ist sehr variabel und 
schwankt zwischen 1—1,5 ft und 15,0 ft. Verfasser konnte das 
von ihm beschriebene Protozoon im Nervensystem der ex¬ 
perimentell wutinfizierten Tiere stets wieder finden, jedoch 
niemalB in den Nervenzellen gesunder Tiere. 

Über antilytische Sera und die Entstehung der Lysine; von 
Donath & Landsteiner. Es ist anzunehmen, daß die Immun¬ 
stoffe und die normalen, physiologisch wirksamen Blutbestand¬ 
teile auf dem Wege der inneren Sekretion in den lymphatischen 
Organen bereitet werden. 


Tagesgeschichte. 

Allgemeiner Bericht über die 17. Wanderausstellung der 
Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft in Hannover. 

Von Kreistierarzt Nevermann-Bremervürde. 

Die 17. Wanderausstellung der Deutschen Landwirtschafts¬ 
gesellschaft hat in den Tagen vom 18.—23. Juni d. J. in 
Hannover stattgefanden. Sie war in allen Stücken über alle 
Erwartungen gut gelungen und hat an glücklicher Durchführung 
alle bisherigen Ausstellungen übertroffen. Man kann schon heute 
mit Sicherheit behaupten, daß diese Ausstellung für den Aus¬ 
stellungsgau und die Stadt, wie für die Landwirtschaftsgesellschaft 
ein gutes Andenken zurücklassen wird. 

Die Ausstellung Hannover stand unter dem Zeichen des 
KaiserbesucheB, und die deutschen Landwirte, wie alle Besucher 
der Ausstellung haben mit Stolz und Freude Se. Majestät Kaiser 
Wilhelm H. zum erstenmale auf ihrer Ausstellung begrüßt. 
Dazu kam, daß das Wetter so außerordentlich günstig war, daß 
der Besuch der Ausstellung und der Vorführungen eine Höhe 
erreicht haben, wie sie bisher noch von keiner Ausstellung 
erlangt wurde. Die Witterung war bei bedecktem Himmel 
kühl und trocken; Sonnenschein leuchtete nur während des 
Kaiserbesuches. Der Besuch am Sonntag und Montag war ein 
ganz gewaltiger; am Sonntag waren 76899 Personen in der 
Ausstellung, und insgesamt hatte dieselbe bis zum Sonntag 
Abend 147755 Eintrittskarten ausgegeben. Die Hannoversche 
Straßenbahn allein vereinnahmte Sonntag 32000 M. Im ganzen 
wurden 227192 zahlende Eintritte verzeichnet, gegen die bisher 
bestbesuchten Ausstellungen in Hamburg mit 168515 und gegen 
Halle mit 167385. Die Landwirtschaftsgesellschaft hat in 
diesem Jahre den sehr seltenen erfreulichen Erfolg gehabt, daß 
nicht nur die Kosten gedeckt, sondern noch ein Überschuß 
erzielt wurde (ca. 20000 M.). 

Der Kaiser, der die Uniform seines Königs-Ulanen-Regiments 
angelegt hatte, begab sich sofort nach Ankunft am Donnerstag 
um 5 Uhr durch das Fürstenzimmer zum Wagen und fuhr mit 
seinem Gefolge zur Ausstellung. Auf dem Ausstellungsplatze 
angekommen, wurde Se. Msjestät an der Mitteltribüne vom 
Fürsten zu Inn und Knyphausen und den leitenden Herren der 
D. L. G. empfangen unter Überreichung eines Straußes von weißen 
und gelben Nelken, der mit einer Schleife verziert war, auf deren 
Enden der preußische Adler und das Sachsenroß gestickt waren. 

Gleich nachdem der Kaiser die Tribüne betreten hatte, be¬ 
gannen die Vorführungen mit einem Sechserzug des Celler 
Gestütes, dem darauf Hengste des Celler und Braunschweiger 
Gestütes und ferner preisgekrönte Bullen und Kühe folgten. 
Nach diesen führte Hauptmann von Heiraburg vom Feld¬ 
artillerie-Regiment von Scharnhorst ein bespanntes Geschütz in 
verschiedenen Gangarten vor, mit so vorzüglichem Gelingen, 
daß die zahlreichen Zuschauer zu lebhaften Beifallsäaßerungen 
hingerissen wurden. 

Hieran schloß sich die Vorführung von Automobilfahrzeugen 
für Güter- und Lastzüge. Damit war das Vorführungsprogramm, 
welches abgekürzt wurde, zu Ende. Den weiteren Vorführungen 
wohnte der Kaiser nicht mehr bei; er begab sich zu Wagen 
in Begleitung des Herrn von Arnim-Criewen nach dem Aus¬ 
stellungszelt der Landwirtschaftskammer Hannover, wo er 
längere Zeit weilte und sich sehr anerkennend über das Ge¬ 
sehene aussprach. Des weiteren besichtigte der Monarch die 
Fischerei-Ausstellung, die Sonderausstellung der Zentrale für 


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452 


Spiritusverwertung. Alsdann besuchte Se. Majestät die große 
Erzeugnishalle, die in diesem Jahre zum erstenmale errichtet 
war, um die gesamten Erzeugnisse der Landwirtschaft aufzu¬ 
nehmen. Damit war der Ausstellungsbesuch beendet, und die Rück¬ 
fahrt erfolgte gegen 7 Uhr zum königlichen Schloß. Am Sonnabend 
besuchte auch der Großherzog von Oldenburg die Ausstellung. 

Der tierärztliche Besuch der Ausstellung war ein ganz 
außerordentlich zahlreicher. Es sind sicher weit über 100 Tier¬ 
ärzte in der Ausstellung gewesen. Es ist natürlich schwer 
eine genaue Zahl anzugeben. Diese gute Beteiligung ist zweifel¬ 
los auf die für die Zeit der Ausstellung in Hannover ange¬ 
setzten Versammlungen der verschiedenen tierärztlichen Gruppen 
zurückzufuhren. Der Verein der beamteten Tierärzte, der 
Verein der Schlachthoftierärzte und der Verein der Privattierärzte 
hatten in gleicher Weise die Ausstellung als Sammelpunkt ihrer 
Mitglieder benutzt. 

Über die Verhandlungen der letzten beiden Gruppen wird 
gesondert berichtet werden. 

Der Verein beamteter Tierärzte hatte für Freitag 
Nachmittag um 5 Uhr seine Mitglieder zu einem Vortrage des 
Geh. Oberregierungsrates Lydtin eingeladen. Der Vortrag 
fand in dem Hörsaale- des hygienischen Institutes der tier¬ 
ärztlichen Hochschule statt, den Herr Geheimrat Dammann in 
liebenswürdiger Weise zur Verfügung gestellt hatte. Es mag 
hier eingeschaltet werden, daß die gesamten Sitzungen der 
landwirtschaftlichen Körperschaften und Gruppen in der tier¬ 
ärztlichen Hochschule stattfanden. Diese geschickt benutzte 
Gelegenheit, den Landwirten ans dem weiten deutschen Vater¬ 
lande die neueste der tierärztlichen Lehranstalten einmal zu 
zeigen, ist sicherlich nicht ohne Wirkung geblieben. Gar manchb 
dunkle Vorstellung von der tierärztlichen Bildung und den 
„Tierarzneischulen“ ist hier gewiß geschwunden im Anblick 
der zahlreichen tierärztlichen Institute und ihrer Einrichtung. 

Der Vortrag von Lydtin wies eine Zuhörerschaft von 
mehr als 100 Personen auf. Das Thema hieß: „Die Auswahl 
der männlichen Zuchtrinder“. In fast zweistündigem Vortrage 
sprach der Vortragende über die Gründe, die die Auswahl der 
männlichen Zuchttiere besonders wichtig erscheinen lassen. Fr 
beleuchtete dann die Eigenschaften, die bei der Auswahl der 
jungen Zuchtstiere im allgemeinen zu beachten sind. Es folgte 
eine Besprechung der Beurteilungsweise der einzelnen Körper¬ 
teile. Redner setzte dann auseinander, warum nicht eine in 
dem einen Lande vorzügliche Resultate liefernde Rasse in eine 
andere Gegend, unter andere Lebensbedingungen verbracht, dort 
ohne weiteres dieselben Erfolge liefert. Der Vortrag ließ in 
jedem Satze den erfahrenen Züchter und Praktiker erkennen. 
Es war ein wahrer Genuß, diesem Born weitesten Wissens und 
größten Könnens zu lauschen. Möge ein gütiges Geschick den 
Herrn Geheimrat Lydtin noch lange dem Leben und uns Tier¬ 
ärzten erhalten. Der Verein beamteter Tierärzte würde sich 
ein großes Verdienst erwerben, wenn er den Vortrag durch die 
Drucklegung weiteren Kreisen zugänglich machte. 

Am Abend desselben Tages fand ein gemütliches Bei¬ 
sammensein der beamteten Tierärzte im Hotel zu den Vier¬ 
jahreszeiten statt, das ziemlich zahlreich besucht war. 

Am Sonnabend Vormittag versammelten sich die Tierärzte 
am Stand I der Rinderställe, um mit Herrn Geheimrat Werner 
eine Besichtigung der ausgestellten Rinder vorznnehmen. Eine 


No. 28. 


Ausstellung wie die der deutschen Landwirtschaftsgesellschaft 
eignet sich durch das außerordentlich reiche Material ja wie 
keine andere zur Demonstration der verschiedenen Rinderrassen 
und der Eigenschaften, sowohl der guten wie der schlechten, 
der ausgestellten Rinder. Es hatte sich daher auch eine zahl¬ 
reiche Zuhörerschaft eingefunden, deren Wissensdurst voll 
befriedigt wurde. 

Am Sonnabend Abend um 6 Uhr fand im Hotel zu den 
Vierjahreszeiten ein Festessen statt, zu dem der Verein be¬ 
amteter Tierärzte eingeladen hatte. 

Die Beteiligung war eine sehr zahlreiche. Der prächtige 
Saal, die farbenfrohen Toiletten der Damen, die Anwesenheit 
zahlreicher Größen unserer Wissenschaft und nicht zuletzt die 
Freude, so manchen alten Studiengenossen am selben Tische 
zu sehen, gaben von vorne herein die rechte Stimmung. Die 
Herren Geheimrat Lydtin, Professor Werner, Geheimrat 
Dammann, Professor Eberlein, Professor Malkmus, 
Professor Amol dt hatten sich eingefunden. 

Von den Reden fand die des Herrn Geheimrat Lydtin 
ganz besonderen Anklang. Lydtin ging davon aus, daß nach 
seiner Ansicht der Verein beamteter Tierärzte den rechten 
Weg gewählt habe. Der gerade Weg sei der beste, aber er 
führe nicht immer auf ebener Bahn, sondern auch über im Wege 
stehende Berge und über das Joch der Pflichterfüllung. Der 
Verein klopfe an die rechte Tür und es sei immer gut, wenn 
man als Bittender nicht mit leeren Händen komme. Die beste 
Gabe, die die Kreistierärzte bringen könnten, sei die treueste 
Erfüllung ihrer Pflichten und der Beweis, daß sie nicht nur 
zur Erkennung und Tilgung von Seuchen zu brauchen seien, 
sondern noch zu einer Reihe von anderen Dingen. Ihm scheine 
der bisher verfolgte Weg der rechte zu sein. Besonders sei 
der Anschluß an die Landwirtschaft entschieden ein glücklicher 
Griff gewesen. Das sei auch heute wieder dem Redner 
gegenüber von zahlreichen Personen aus der Landwirtschaft 
betont worden. Die Landwirtschaftsgesellschaft habe daher 
schon jetzt ihr Wohlwollen durch die Einladung kenntlich 
gemacht. Dieselbe werde aber dabei nicht stehen bleiben, 
sondern weitere Beweise ihres Wohlwollens erbringen. 
Der Redner schließt mit einem Hoch auf den Verein beamteter 
Tierärzte und dessen Vorstand. 

Auf der Ausstellung selbst waren naturgemäß die Vor¬ 
führungen der Hauptanziehungspunkt. Dieselben fanden in 
der gewohnten Weise in dem großen Ringe statt. Zum ersten 
Male fand auch ein Vorfahren von Automobilen statt! Personen¬ 
wagen, Lastwagen und schwere Lastzüge zogen mit lustigem 
Töff! Töff! durch die sonst nur für Vierbeinige bestimmte Bahn. 
Trotz der in Aussicht stehenden besseren Verwertung des 
Spiritus und damit der Kartoffeln schallte doch hier und da 
ein „Hinaus“ oder „spannt Pferde vor“ dazwischen. „Töff-Töff“ 
scheut aber bekanntlich nicht! Aufsehen erregte auch das Vor¬ 
fahren zweijähriger und dreijähriger kaltblütiger Pferde des 
Braunschweiger Landeszucht-Vereins. Die Tiere wurden im 
Viergespann vorgefahren und gingen sehr gut. Es folgte in 
der bekannten Weise das Vorreiten der Dienstpferde, der alten 
und jungen Remonten. Das Vorfahren von zwei Geschützen 
Artillerie in den verschiedenen Gangarten bis zum sausenden 
Galopp, und das schneidige Halt aus vollem Galopp mit Hülfe 
der neuen Bremse erregte jedesmal tosenden Beifall. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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9. Juli 1903. 


Die Vorführung der preisgekrönten Tiere füllte jedesmal 
die weite Bahn bis auf den letzten Platz. 

Die Ausstellung selbst wies eine ganz außerordentlich 
reiche Beschickung auf. An Tieren waren ausgestellt: 497 
Pferde, 900 Rinder, 99 Nummern Schafe mit bis zu 5 Tieren 
in der einzelnen Nummer, 660 Schweine, 143 Ziegen, 165 
Katalognummern Fische und 20 Schäferhunde. Über die 
Pferde, Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen wird in 
einzelnen besonderen Artikeln Bericht in dieser 
Zeitung erstattet werden. 

Die Fischerei-Ausstellung war sehr reich beschickt und 
bot einen hochinteressanten Anblick. Die Fische waren in der 
Manier der Aquarien in Bassins mit Beleuchtung von außen 
und oben untergebracht, so daß sie sich sehr gut präsentierten. 
Die Ausstellung umfaßt alle gangbaren Arten, die für die Fisch¬ 
zucht in Betracht kommen und brachte dieselben in jeder Größe 
vom eben ausgeschlüpften kleinsten Fischchen bis zum größten 
Laichkarpfen zu Gesicht. Der Innenraum des großen Gebäudes, 
soweit er nicht zur Passage frei bleiben mußte, diente den 
zahlreichen und verschiedensten Fischereigeräten zur Aufnahme. 

Die Ausstellung der deutschen Schäferhunde brachte zwanzig 
Exemplare, die mehr oder weniger alle den deutschen Schäfer¬ 
hund vorführten, wie er in letzter Zeit Mode geworden ist. 
Die Tiere machten einen sehr gleichartigen, guten Eindruck. 
Allem Anscheine nach ist der deutsche Schäferhund, wie ihn 
die Herren Züchter des „deutschen Schäferhundes“ jetzt züchten, 
berufen, die Rolle des „modernen“ Hundes für einige Zeit zu 
übernehmen. Schäferhund wird er dann allerdings bald gewesen 
sein. Die Namen und Berufsarten der Herren Aussteller reden 
in dieser Beziehung eine beredte Sprache. 

Den ersten Preis errang sowohl für die beste ausgestellte 
Hündin wie für den besten Rüden der kgl. Büchsenmacher 
Eduard Bl um-Braunschweig. 

Die Ausstellung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und 
Hilfsmittel umfaßte 2056 Nummern. Die Samenausstellung etc. 
und vieles andere kann hier füglich übergangen werden. Hoch¬ 
interessant war die vom landwirtschaftlichen Vereine für das 
alte Land und dem Obstbau- und Handelsvereine des alten 
Landes (Kreis York, Hannover) ausgestellte Modell einer 
Obstscheune. In dieser Art werden die Obstscheunen im 
alten Lande gebaut und benutzt. Die Scheune der Ausstellung 
war gefüllt mit ungefähr 1500 kg Äpfel, geerntet Herbst 1902, 
in gleicher Weise wie hier veranschaulicht „im alten Lande“ 
seit Herbst 1902 aufbewahrt. Die Äpfel waren hier im Lande 
allgemein angepflanzte Lokalsorten, die auf dem Hamburger 
und Berliner Markt gern gekauft werden. Obstweine, Weine 
waren ebenso wie Butter in einer derartigen Menge ausgestellt, 
daß an ein Proben für den Besucher gar nicht zu denken war. 
Es waren allein 545 Butterproben ausgestellt. Abgesehen von 
der fachmännischen Prüfung der am Preisbewerb beteiligten 
Proben war eine besondere Kosthalle für milchwirtschaftliche 
Erzeugnisse errichtet, die von der deutschen Landwirtschafts¬ 
gesellschaft verwaltet wurde. In dieser Kosthalle wurden die 
dazu eingelieferten Erzeugnisse, Butter und Käse, mit Brot den 
Besuchern gegen Bezahlung verabfolgt, wie hier auch die in 
der Ausstellung gewonnene Milch dargeboten wird. Diese 
„Milchkneipe“ bewies auch in Hannover wie überall ihre große 
Anziehungskraft. 


463 


Die Geräteau8stellung wies 7524 Nummern auf. Es genügt 
wohl diese Zahl und die Bemerkung, daß ein sehr großer Teil, 
besonders der geräuschvoll arbeitenden Maschinen, in Betrieb 
war, um die richtige Vorstellung von dem schier ohrbetäubenden 
Lärm zu machen. 

Ich habe mich daher von ganzem Herzen gefreut, hierüber 
nicht lange referieren zu brauchen und mich mit beschleunigter 
Geschwindigkeit auB ihr entfernt. Daß der Hauptnersche 
Pavillon stets umlagert war, brauche ich nicht erst zu sagen. 
Hauptner bringt eben auch den alten guten Bekannten und 
den genau mit seinen Instrumenten Bekannten stets etwas 
Neues und Sehenswertes. 

Bericht über die allgemeine Vereinsversammlung des 
Vereins preußischer Schlachthoftierärzte 
am 20. nnd 21. Juni 1903 in Hannover. 

(Fortsetzung.) 

Die Einwirkung des Reichsfleischbeschaugesetzes und des Kommunal¬ 
beamtengesetzes auf die Anstellungsverhältnisse der Schlachthoftierärzte. 

Referat von Colberg-Magdeburg. 

Die Bestrebungen der Schlachthoftierilrzte um Auf¬ 
besserung der Anstellungs- und Gehaltsverhältnisse liegen schon 
9 bis 10 Jahre zurück. Jhre Ansprüche bewegen sich heute in der 
Richtung der Anstellung auf Lebenszeit mit Pensionsberechtigung 
und Reliktenversorgung nach den Grundsätzen für unmittelbare 
Staatsbeamte. Die bisherigen Bestrebungen haben einen durch¬ 
greifenden Erfolg nicht gehabt, obwohl sich nicht nur die Einzel¬ 
vereine, sondern auch die Central Vertretung der preußischen 
Vereine mit dieser Frage befaßt haben.IndessengabendiePetitionen 
doch Veranlassung zu einer Mitteilung der Regierungspräsidenten 
an die Gemeindeverwaltungen, daß in schlachthoftierärztlichen 
Kreisen der Wunsch bestände, zu den Schlaclithofdepntationen 
als beratende oder stimmende Mitglieder hinzugezogen und 
als voll berechtigte Gemeindebeamte angestellt zu werden. 
Die Erfüllung dieses Wunsches solle von den Gemeindebehörden 
in Erwägung gezogen werden, soweit öffentliche städtische 
Schlachthäuser vorhanden sind. Das am 1. April 1900 in 
Kraft getretene Gesetz vom 30. Juni 1899, betreffend die 
Anstellung und Versorgung der Kommnnalbeamten, hat diese 
Anregung insofern beeinflußt, als das Gesetz den Kommunen 
ausdrücklich das Recht einräumt, die Beamten der Betriebs¬ 
verwaltungen, auch wenn ihnen polizeiliche Befugnisse über¬ 
tragen sind, auf Kündigung anzustellen. 

Eine Eingabe der C. V. im Jahre 1900 an die zuständigen 
Ministerien, in welcher gebeten wurde, daß die Departements¬ 
tierärzte bei den Revisionen der öffentlichen Schlachthäuser 
auch darauf achten sollten, ob die Anstellung der Schlacht¬ 
hausleiter in Gemässheit des Gesetzes vom 30. Juni 1899 
und der hierzu erlassenen Ausführungsbestimmungen vom 
12. Oktober 1899 vollzogen sei, hatte den Erfolg, daß diese 
Eingabe den Provinzialregierungeu zur Kenntnis mit dem Be¬ 
merken übermittelt wurde, daß es Sache derselben sei, an 
der Hand der Bestimmungen des Gesetzes und der Aus¬ 
führungsbestimmungen zu prüfen und zu entscheiden, ob und 
welchen Schlacht haustierärzten Beamteneigenschaften einzn- 
räumen sei. Die Art und Weise der Prüfung der Anstellungs¬ 
verhältnisse wurde ihnen überlassen. Dieser Anregung ist es 
zuzuschreiben, daß die Departementstierärzte in geeigneten 
Fällen auf eine zweckentsprechende Regelung der Anstellungs¬ 
verhältnisse hinwirken konnten. 


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464 


Das am 1. April d. J. in Kraft getretene Reichsfleisch- 
beschangesetz vom 3. Juni 1900 ist für die Anstellungs- 
Verhältnisse der Schlachthoftierärzte insofern von Bedeutung, 
als es ausdrücklich die amtliche Eigenschaft der Beschauer 
anerkennt. Hiermit sind aber keineswegs die wirtschaftlichen 
Verhältnisse bezw. Ansprüche der Beschauer geregelt, die dem 
Beamten aus dieser Eigenschaft gegen den Staat oder die 
Kommune zustehen. Der im § 1 des R. Fl. G. ausdrücklich 
betonte amtliche Charakter der Untersuchung sicherte dein 
Beschauer nur seine Eigenschaft als öffentlicher Beamter im 
Sinne des § 359 des Reichsstrafgesetzbuches. 

Trotzdem dem Beschauer und dem Schlachthoftierarzte 
dieser erhöhte strafrechtliche Schutz in Ausübung seiner 
dienstlichen Verrichtungen gewahrt, und ihm andererseits auch 
die erhöhte strafrechtliche und disziplinäre Verantwortlichkeit 
für Verfehlungen bei Ausübung seines Berufes auferlegt ist, 
genießt er nicht die wirtschaftlichen Vorteile eines Beamten. 
Für die Regelung in dieser Hinsicht ist allein das Kommunal¬ 
beamtengesetz vom 30. Juni 1899 zuständig. 

Das Recht, die Beschauer mit kurzfristigen Kündigungs- 
zeiten auf Widerruf anzustellen, dürfte ans § 36 der R. G. 0. 
hergeleitet worden sein. Nach diesem Paragraphen darf das 
Gewerbe der Beschauer zwar frei betrieben werden, es bleiben 
jedoch die verfassungsmäßig dazu befugten Staats- oder 
Kommunalbehörden berechtigt, Personen, welche dieses Gewerbe 
betreiben wollen, auf die Beobachtung der gesetzlichen Vor¬ 
schriften, also auch auf die reichsgesetzlichen Vorschriften des 
Fleischbeschaugesetzes zu beeidigen und öffentlich anznstellen. 
Diese eidliche Verpflichtung und Anstellung bildet keine not¬ 
wendige Vorbedingung für die Beamteneigenschaft, durch 
welche feste lebenslängliche Anstellung mit dem Recht'’*au? 
Ruhegehalt, Witwen- und Waisenversorgung nach Maßgabe 
der gesetzlichen Bestimmungen für Staatsdiener gewährleistet 
ist. Dagegen hat die Bestallung zur Folge, daß an die 
Handlungen der Beschauer besondere rechtliche Wirkungen 
geknüpft sind, deren Verletzung nicht nur, wie bei einem 
zivilrechtlichen Dienstverhältnis die Verbindlichkeit der Schad¬ 
loshaltung nach sich zieht, sondern auch eine strafrechtliche 
Verantwortlichkeit des Beschauers begründet. 

Das Reichsfleischbeschaugesetz hat sonach die Eigenschaft 
des Beschauers als Beamter im Sinne des § 359 des Straf¬ 
gesetzbuches festgelegt, nicht aber hat, wie erwartet wurde, 
auch die wirtschaftliche Regelung der Anstellung»- und 
Gehaltsverhältnisse der Beschauer bei der Abfassung des 
Gesetzes Berücksichtigung gefunden. 

Wenn auch weder das Kommunalbeamtengesetz noch das 
Reichsfleischbeschaugesetz für die Anstellung der Schlachthof¬ 
tierärzte wünschenswerte Verhältnisse geschaffen haben, so ist 
doch nicht zu verkennen, daß die Kommunen selbst Veran¬ 
lassung genommen haben, die Schlachthoftierärzte als Gemeinde¬ 
beamte anzustellen. Das Ergebnis der im Jahre 1901 veran¬ 
stalteten Enquete war, daß in 261 Städten 53,64 Proz. der 
Schlachthoftierärzte als Gemeindebeamte auf Lebenszeit ange¬ 
stellt waren, 19,10 Proz. auf Kündigung mit Pension und 
Reliktenversorgung, 2,30 Proz. durch Dienstvertrag mit Aus¬ 
sicht auf Pension und Reliktenversorgung; bei 7,60 Proz. 
war keine Regelung erfolgt. Hierbei ist aber zu berücksichtigen, 
daß darunter 17 Kreistierärzte im Nebenamt das SchlaCht- 
hoftierarztarnt verwalteten, also als Gemeindebeamte nicht 


No. 28. 


angestellt werden konnten. In größeren Städten erhob sich 
die Zahl der fest angestellten Schlachthofleiter auf 77,5 Proz. 
Bedeutend ungünstiger sind die Verhältnisse bei den neben 
dem Schlachthofleiter amtierenden Tierärzten gestaltet. Abge¬ 
sehen von Berlin, wo die Verhältnisse besonders angünstig 
liegen und von den nahezu 50 städtischen Tierärzten die 
Vorteile der Beamten keiner genießt, sind von 76 Tierärzten 
nur 13 auf Lebenszeit angestellt, 29 sind auf Kündigung, 
4 durch Dienstvertrag mit Pensionsberechtigung angestellt, 
während bei 30 eine Regelung nicht erfolgt ist. Wenn nun 
auch diese Stellen zum Teil als Durchgangsstellen zu 
betrachten sind, so ist es im Interesse der Ausführung der 
Schlachtvieh- und Fleischbeschau wünschenswert, auch diese 
Beamte sicher zu stellen. 

Herr Colberg erläuterte nunmehr die Bestimmungen des 
Kommunalbeamtengesetzes vom 30. Juni 1899 mit Rücksicht 
auf die Anstellung der Schlachthoftierärzte und betonte, daß 
es lediglich im Interesse der Gemeinden liege, wenn sie die 
lebenslängliche Anstellung der Schlachthoftierärzte vorziehen, 
wie dies von sehr vielen Gemeinden vor Erlaß des neuen 
Gesetzes geschehen ist. Nur so können die Städte bei an¬ 
gemessener Bezahlung tüchtige und zuverlässige Schlachthof¬ 
tierärzte erhalten und diese an sich fesseln. Jeder häufigere 
Wechsel muß in der stabilen Verwaltung einer so wichtigen 
Anlage, wie sie ein Schlachthof ist, eine Beunruhigung zum Nach¬ 
teil der Verwaltung, der Fleischer und der Gemeinde hervorrufen. 

Zur Erzielung wünschenswerter Anstellungs- und Gehalts¬ 
verhältnisse schlägt Herr Colberg die Einsetzung einer 
Rechtsschutzkommission vor, welche die persönlichen Verhältnisse 

der Schlachthofleiter und Schlachthoftierärzte für die Folge 

......... .... ■- .... ■ • " * 

besonders bearbeitet, und auf Grund der Ergebnisse der Be¬ 
arbeitung geeignete Maßnahmen vorschlagen soll, um die 
berechtigten Wünsche der Schlachthoftierärzte, soweit dieselben 
Anstellung auf Lebenszeit, Pensionsberechtigung, Relikten- 
versorgnng und Besoldung betreffen, zur Geltung zu bringen. 

• Um der Kommission die nötige Unterlage für die Bear¬ 
beitung zu geben, wurde folgende Resolution von Herrn 
Colberg eingebracht: 

„Der Verein preußischer Schlachthoftierärzte erklärt in 
seiner heutigen Sitzung, daß die Anstellung der Schlachthof¬ 
leiter, sowie der Schlachthoftierärzte nach einer angemessenen 
Probedienstzeit als Gemeindebeamte auf Lebenszeit nicht nur 
im Interesse der Gemeinden mit Schlachthäusern, sondern auch 
in demjenigen des Staates liegt, um eine gewissenhafte, sach¬ 
gemäße und unparteiische Amtsführung der genannten Beaniten- 
klassen zu gewährleisten.“ 

Diese Resolution soll in geeigneter Weise den zuständigen 
Behörden zur Kenntnis gebracht werden. 

Die Versammlung genehmigte die Anträge, nachdem auch 
der Korreferent, Herr Sehr ade r-Brandenburg, damit sich 
einverstanden erklärt hatte, einstimmig und wurden dieselben 
dem Vorstand zur weiteren Ausführung übergeben. 

Die Ausübung der Milchkontroiie in Schiachthofgemeinden. 

Referat von Prof. Dr. Ostertag. 

Der Referent wies mit besonderem Nachdruck darauf hin, 
daß eine sachgemäße Milchkontrolle sich auf die Tiere, welche 
die Milch produzierten, auf die Milchgewinnung selbst und 
auf den Milchvertrieb erstrecken müßte. Schädlichkeiten 
können in die Milch gelangen einmal durch die Tiere, welche 


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9. Juli 1903. 


zur Milchgewinnung benutzt werden, dann beim Melken und 
der weiteren Behandlung der Milch. Die Milchkontrolle hat 
deshalb zu achten auf den Gesundheitszustand der Tiere, auf 
die Futtermittel, welche dieselben aufnehmen, auf die Art und 
Weise der Milchgewinnung und des Milchvertriebes. Außer 
Allgemeinkrankheiten sind es namentlich die Euterkrankheiten, 
welche der Milch schädliche Eigenschaften verleihen können. 
Die Verabreichung von Medikamenten und Futtermitteln schäd¬ 
licher Natur beeinflußt die Beschaffenheit der Milch nicht in 
jedem Falle, sondern, da das Euter elektiv wirkt, nur in 
den Fällen, wo das Euter die schädlichen Stoffe durchläßt. 
Bei der Milchgewinnung wird besonders bezüglich ihres 
Schmutzgehaltes gesündigt. Der Schmutz macht die Milch 
nicht nur unappetitlich, sondern beeinträchtigt auch die Halt¬ 
barkeit. Feiner können mit dem Schmutz schädliche Keime 
in die Milch gelangen; namentlich ist dies von solchen 
bekannt, die Brechdurchfälle bei Kindern erzeugen. Gerade 
diese Verunreinigung der Milch ist um so schlimmer, weil die 
Sterilisation der Milch nicht einmal sicher diese Schädlichkeit 
derselben beseitigt. Eine weitere Quelle, wodurch Krankheits¬ 
keime in die Milch gelangen können, ist die Einstreu z. B. aus 
Bettstroh bestehend. Typhus, Diphtherie, Scharlachepidemien 
können dadurch hervorgerufen werden. Das Charakteristische 
dieser Milchepidemien ist, daß sie plötzlich anschwellen und 
aufhören, sowie der Milchgenuß aus einer bestimmten Quelle 
eingestellt wird. Der Milchverkehr bietet weitere Möglich¬ 
keiten der Infizierung der Milch mit Krankheitskeimen. Hier¬ 
über zu wachen ist speziell Pflicht der Ärzte. 

Um die Milchkontrolle in zweckentsprechender Weise ein¬ 
zurichten ist es geboten, mit den Interessenten, den Produzenten, 
Ärzten und Milchhändlern vorher Rücksprache zu nehmen. Am 
besten wird ein Btändiger Ausschuß für den Milchverkehr 
eingesetzt. Die Regelung der Fleischbeschau dient am besten 
als Muster, in welcher Art und Weise vorzugehen ist. In 
erster Linie sind die Milchkuranstalten einer Kontrolle zu unter¬ 
stellen, dann können andere städtische Milchkuhhaltungen folgen. 
Vor allem ist dahin zu streben, daß nur gesunde Tiere zur 
Milchgewinnung verwendet werden, die Milchgewinnung in 
sauberer Weise geschieht, und die Marktmilchkontrolle aus¬ 
reichend ist. Bei der Marktmilchkontrolle ist das spezifische 
Gewicht, der Fettgehalt und der Bakteriengehalt zu prüfen. 
Ferner ist zu untersuchen, ob pathogene Zellen oder Bestand¬ 
teile des Kolostrums in der Milch enthalten sind. Der Nach¬ 
weis der Verfälschung von Kuhmilch durch Ziegenmilch bildet 
eine weitere Aufgabe der Milchkontrolle. Die Prüfung hat 
sich ferner zu erstrecken auf die Infektiosität der Milch und 
den Schmutzgehalt. 

Schon seit einer Reihe von Jahren hat man sich auf dieser 
Basis mit der Ausführung der Milchkontrolle beschäftigt, in 
Süddeutschland mehr als in Norddeutschland. In neuerer Zeit 
hat man in verschiedenen Städten die Milchkontrolle an die 
Schlachthöfe angegliedert und bieten gerade die Schlachthöfe 
durch das Vorhandensein zweckentsprechend eingerichteter 
Laboratorien Gelegenheit, mit der Durchführung der Milchkontrolle 
in Schlachthofgemeinden vorzugehen. 

Nachdem der Referent reichen Beifall für seine Ausführungen 
geerntet hatte, besprach der Korreferent, Herr Bockeimann- 
Aachen, die Organisation der Milchkontrolle in Städten von 
verschiedener Größe. 


455 


Seine Ausführungen lauteten folgendermaßen: 

Nachdem mein verehrter Vorredner Herr Prof. Dr. Ostertag 
die Gründe erörtert hat, aus welchen sich eine Verbindung 
der Milchkontrolle mit den städtischen Schlachthöfen empfiehlt 
und wie eine solche Kontrolle in wirksamer und zuverlässiger 
Weise durch die tierärztlichen Sachverständigen ausgeführt 
werden kann, darf ich mich wohl darauf beschränken, die 
Gesichtspunkte einer Besprechung zu unterziehen, welche der 
Organisation der Milchkontrolle in den Schlachthofgemeinden 
zugrunde zu legen sind. Ich stelle mich hierbei auf den 
Standpunkt, daß die Kontrolle sich nicht nur beschränkt auf 
die Milch selbst, sondern sich auch auf den Gesundheitszustand 
der Milchkühe, die Haltung und Pflege derselben mit besonderer 
Berücksichtigung der Fütterung, das Melkerpersonal, die Auf¬ 
bewahrungsräume und Gefäße, den Transport etc. sowie den 
Vertrieb im Kleinhandel erstreckt. 

Entscheidend für die Organisation sind in erster Linie 
die jeweiligen örtlichen Verhältnisse, insbesondere die Größe 
der Stadt und die Art der Milchversorgung. In kleineren 
Städten, etw r a bis zu 20 000 Einwohnern, dürfte die Einrichtung 
und Durchführung einer wirksamen Kontrolle auf geringere 
Schwierigkeiten stoßen, wie in großen Stadtgemeinden. Dies 
wird namentlich überall da der Fall sein, wo der Bedarf an 
Milch durch die Produktion an Ort und Stelle oder in der 
nächsten Umgebung gedeckt werden kann. In industriereichen 
dichtbevölkerten Gegenden ohne ein für die Milchproduktion 
in Frage kommendes Hinterland, gestalten sich die Verhältnisse 
nicht so einfach, weil dort die tierärztliche Kontrolle der 
Milchkühe nicht ohne weiteres sicher gestellt werden kann. 
An solchen Orten liegt der Milchvertrieb fast ausschließlich 
in Händen einiger Händler, welche teilweise aus weiter Ent¬ 
fernung und zwar frühmorgens die Milch per Fuhre oder mit 
der Bahn angeliefert bekommen, um sie dann an die Konsumenten 
zu verteilen. Hier würde die Genehmigung zur Milchlieferung 
von dem Nachweise einer ständigen tierärztlichen Überwachung 
der Milchkühe, sowie sämtlicher milchwirtschaftlicher Ein¬ 
richtungen abhängig gemacht werden müssen. Mit der Größe 
der Städte wachsen auch die Schwierigkeiten der Organisation. 

In jedem Falle ist die Mitwirkung von geschulten Laien 
unerläßlich und zwar in um so ausgedehnterem Umfange, je 
größer das Operationsfeld ist. Während in kleinen Gemeinden 
ein Mann genügen dürfte, um den die Kontrolle leitenden Tier¬ 
arzt hinsichtlich der Probeentnahme und der empirischen Vor¬ 
prüfung der Milch zu unterstützen, wird in größeren Städten 
eine Reihe von Personen zur Bewältigung dieser Arbeit auf- 
geboten werden müssen. 

Für die Organisation einer Milchkontrolle der gedachten 
Art haben wir in Preußen bereits zwei durchaus brauchbare 
Vorbilder, und zwar in den Schlachthofgemeinden Ebersw r alde 
und Brandenburg. 

In Eberswalde besteht dieselbe seit etwa 2 Jahren und 
wird folgendermassen gehandhabt. Ein Polizeibeamter nimmt 
täglich 4 Proben von je 4 Händlern und überzeugt sich dabei 
von der Innehaltung der polizeilichen Vorschriften über den 
Transport der Milch und prüft die Milchkannen auf Sauberkeit. 
Die Proben werden in nummerierten Fläschchen mit Name und 
Wohnort des Besitzers dem Laboratorium des Schlachthofes ohne 
Verzug zugestellt, wo sie einer näheren Untersuchung unter¬ 
zogen werden. Diese erstreckt sich zunächst auf etwaige Ab- 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 28 


Weichlingen von der normalen Beschaffenheit in bezng auf Farbe, 
Geruch, Geschmack und Konsistenz, auf die Ermittelung des 
spezifischen Gewichtes und des Fettgehalts (nach Gerber), 
auf den Nachweis von Wasserzusatz durch Diphenylamin¬ 
schwefelsäure und in geeigneten Fällen Feststellung der Säure¬ 
grade der Milch mittelst Phenolphthalein und Natronlauge. Ob auch 
eine biologische Untersuchung stattfindet, ist mir nicht bekannt 
geworden, ebensowenig ob eine Untersuchung des Milchviehs 
oder der milchwirtschaftlichen Einrichtungen ausgeübt wird. 

In Brandenburg ist die Milchkontrolle in Verbindung 
mit dem Schlachthof seit dem 1. April d. J. eingerichtet, und 
zwar auf folgender Grundlage. 

1. Kontrolle der Kuhställe. Bei Kindermilchställ^n 
Registrierung der Kühe, tierärztliche Untersuchung vor der Auf¬ 
stallung und Buchkontrolle über den Gesundheitszustand derselben. 

2. Marktkontrolle. Besondere Probenehmer (ein Polizei¬ 

diener und ein Schlachthofbeamter) entnehmen periodisch »früh¬ 
morgens auf der Straße Proben, prüfen auf Innehaltun^ der 
polizeilichen Vorschriften hinsichtlich Reinlichkeit und richtige 
Bezeichnung der Gefäße und liefern die entnommenen Proben, 
für deren Aufnahme 24 Behälter in einem Kasten zur Verfügung 
stehen, an das Laboratorium des Schlachthofes ab. Vom Zeit 
zu Zeit wird die Marktkontrolle von dem Schlachthofdirektor 
persönlich ausgeführt und hierbei sämtliche Kannen mit dem 
Kanißschen geaichten Laktodensimeter durchgespindelt und 
Proben mit dem Feserschen Laktoskop gemacht. t 

3. Laboratoriumskontrolle. Die sämtlichen denj La¬ 

boratorium eingelieferten Proben werden folgender Kontrolle 
unterzogen: 1 

Feststellung des Fettgehaltes nach Gerber, des spezifischen 
Gewichtes, der Trockensubstanz, sowie Prüfung des Gesuchs, 
der Farbe, Konsistenz und der Azidität; oberflächliche Schmutz¬ 
probe durch Revision des Gefößbodens nach ca. 6 stündiger 
Aufbewahrung im Kühlhaus und event. genaue Schmutzprobe 
nach Gerber. 

Jede untersuchte Milch wird nach dem Resultat der Unter¬ 
suchung beurteilt und der Befund tabellarisch registriert. Bei 
verdächtiger Milch: Serumdarstellung nach Reich und Fest¬ 
stellung des spezifischen Gewichts mit Wage, event. dem 
Pyknometer. 

Am Schluß seines Korreferats verlas Herr Bockeimann 
eine Denkschrift, welche von ihm verfaßt war, um die Milch¬ 
kontrolle zu reorganisieren; die hierauf von der zuständigen 
Behörde ergangene Antwort lautete ablehnend. 

Die Versammlung ist mit den Ausführungen des Referenten 
und Korreferenten einverstanden und empfiehlt, in der angeregten 
Art und Weise die Milchkontrolle zu organisieren. (Schluß folgt.) 

t 

Am 28. Juni ds. Ja. verstarb in Salzwedel, seiner Vater¬ 
stadt, nach kurzer Krankheit der Königliche Kreistierarzt a. D. 

Herr Friedrich Lange. 

Geboren am 7. Oktober 1818 erlangte der Verstorbene die 
Approbation als Tierarzt im Jahre 1842, das Fähigkeitszeugnis 
zur Verwaltung einer Kreistierarztstelle im Jahre 1852. Nach¬ 
dem er bis 1864 tierärztliche Privatpraxis betrieben hatte, 
wurde er zum Kreistierarzt in Salzwedel ernannt, welches Amt 
er am 1. März 1901 seines hohen Alters wegen niederlegte. 


Durch Eifer, Treue und Fleiß, durch ruhiges, stets freund¬ 
liches Benehmen und pünktliche, gewissenhafte Erfüllung seiner 
amtlichen und privaten Pflichten wußte sich Lange die Hoch¬ 
achtung und das Vertrauen aller Personen, welche mit ihm in 
Verkehr traten, sowie die Zuneigung und Liebe seiner Kollegen 
zu erwerben und zu erhalten. 

Dabei war er stets bestrebt, sich weiter fortzubilden und 
sich die Fortschritte der Wissenschaft, welche während seiner 
beruflichen Tätigkeit so überaus groß und zahlreich waren, zu 
eigen zu machen. 

Mit ihm ist wiederum einer der alten Veteranen der Tier¬ 
heilkunde abgeschieden, welcher sein Lebenlang mit Erfolg 
bestrebt gewesen ist, mißlichen äußeren Verhältnissen zum 
Trotz die Fahne der Wissenschaft -und des tierärztlichen Standes 
hochzuhalten. Durch Verleihung des Kronen- und des Roten 
Adlerordens hat seine Arbeit und sein Streben auch die Aller¬ 
höchste Anerkennung gefunden. Wir Tierärzte, die wir den 
Vorzug seiner Bekanntschaft und seines Umganges batten, 
werden ihm ein treues Andenken bewahren. 

Er ruhe in Frieden! 

Magdeburg, den 1. Juli 1903. Leistikow, 

Departementstierarzt. 

Veterinärinstltut der Universität Leipzig. 

Am Veterinärinstitut der Universität Leipzig ist zum 1. Ok¬ 
tober d. J. der Repetitor an der chirurgischen Klinik der Tier¬ 
ärztlichen Hochschule in Berlin, Herr Dr. med. vet. Hans 
Zalewsky, zum 1. klinischen Assistenten und stellvertretenden 
Leiter der Veterinärklinik ernannt worden. Mit Zustimmung der 
philosophischen Fakultät der Universität Leipzig gedenkt sich 
Herr Dr. Zalewsky für das Fach der Veterinärwissenschaft an 
der genannten Universität als. BiixaldfiZfent. Zß habilitieren und 
wird bereits im kommenden Wintersemester mit Genehmigung 
des k. s. Kultusministeriums eine zweistündige Vorlesung über 
Beurteilungslehre und äußere Krankheiten der Haustiere im 
Aufträge von Prof. Dr. Eber halten. 


Personalien. 

Auszeichnung: Dem Geheimen Regierungs- und Vortragenden Rat 
im Ministerium für Landwirtschaft Schröder, wurde der Rote Adler- 
Orden 3 Klasse mit der Schleife verliehen. 

Ernennungen: Repetitor Dr. Zalewsky an der tierärztlichen Hoch¬ 
schule in Berlin zum 1. Assistenten an der Veterinärklinik in 
Leipzig. Die Tierärzte Max Gebauer in Wünscheiburg und 
Hans Reichert in Baden-Baden wurden zu Assistenten am Scblacbt- 
hof in Dessau bezw. an der chirurgischen Pferdeklinik in Stuttgart 
ernannt; Tierarzt Friedrich Schnug in Leutkirch zum Gestütstierarzt 
in Marbach. 

Wohnsitzveränderung : Verzogen ist Tierarzt Joh. Schneekloth von 
Bordesholm in Holstein nach Schwartau im Fürstentum Lübeck. 

Niederlassung: Tierarzt fV. Zengel in Lübeck. 

Examina: Promoviert wurde Tierarzt Otto E. Vogel aus Kreuz¬ 
nach zum Dr. phil. in Bern, städt. Tierarzt Schmey- Berlin von 
der philos. Fakultät daselbst. — Approbiert wurden die Herren 
Gustav Bock, Emst Krack, Heinrich Kübitx, Paul Schneider in Berlin; 
desgl. Eduard Schad, Hans Hohenner, Emil Ehrensbergcr, Georg 
Dörfler, Ottmar Schmiedl, Ludwig Rupp, Johann Pfülb in München 
und Hermann Schmidt, August Kohlhepp, Hans Pächtner, Julius 
Rüdinger in Gießen. 

In der Armee: Spangenberg, Schlachthofdirektor zu Remscheid, 
zum Oberroßarzt d. L. I befördert 


Vakanzen. 

Siehe No. 27. — Neu hinzugekommen: Heppenheim: Für 
Fleischbeschau 1500 M. Anfangsgeh. ans d. Stadtkasse. Privatpraxis. 
Auskunft bei der Bürgermeisterei. — Rosko (Kreis Filehne): Fixum 
600 M. Außerdem Fleischbeschau. Privatpraxis. Auskunft beim 
Landrat in Filehne. — Rendsburg: Zwei Tierärzte. Gehalt je 
3000 M. Meid, bis 15. Juli an den Magistrat 

Besetzt sind die Stellen in Dessau und Stuttgart. 


Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmalti in Berlin. — Verlag nnd Eigentum von Richard Schoets in Berlin. — Druck von W. BUxenstein, Berlin. 


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Berlin, LiUlsenstr. 36. Durch Jede« deutache Postamt wird 
dieselbe rum Preise ron M. 5,— Tlerteljährllch (M. 4,88 für 
die Wochenschrift, 18 Pf. für Bestellgeld) frei ins Haus 
geliefert. (Deutsohe Post-Zeitung«-Preisliste No. 1108, 
Ooaterreichlsche No. 610, Ungarische No. 90.) 


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Alle Manuskripte, Mitteilungen und redaktionellen An¬ 
fragen beliebe man za senden an Prof. Dr. Schmält s, 
Berlin, tierärztliche Hochschule, NW, Lulsen-trasse 66. 
Korrekturen, Retenslous-Rzemplare und Annoncen da¬ 
gegen an die Verlagsbuchhandlung. 


Tierärztliche Wochenschrift 


Redaktion: 

Professor Dr. Schmaltz -Berlin 

Verantwortlicher Redakteur. 


Oe Braln 

Dr. Jese 

Kühnau 

Dr. Lothes 

Nevermann 

Pro f. Dr. Peter 

Peters 

Professor 

Kreist! erarzt 

8chlacbthofdirektor 

Departementstierarzt 

KreUtierarzt 

Krelstierarzt 

Departemeuutlerarzt 

Utrecht 

Charlottenburg. 

Cöln. 

Cöln. 

Bremervörde. 

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Bromberg. 


Preusse 

Dr. Roeder 

Dr. Schlegel 

Dr. Vogel 

Zündet 



Veterin&rassessor 

Professor 

Professor 

Landestlerarzt v. Bayern Krelstierarzt 



Danzig. 

Dresden. 

Freiburg i. Br. 

München. 

Mülhausen i. 

E. 


Jahrgang 1903. JW. 29 - Ausgegeben am 16. Juli. 


Inhalt: Holtmann: Halswirbelbruch beim Pferde. — Granau: Tetanus beim Hund. — Neumann: Drillingsmißbildung beim 
Kalbe. — Eberhard: Partus praematurus infolge Epilepsie bei einer Stute. — Referate: Strauß: Epitholgold und 
Epitholsilber in der Chirurgie und Dermatologie. — Malkmus: Die Gewährleistung im Viehhandel „für alle Fehler“. — 
Aus dem I. Allrussischen Tierärztlichen Kongreß in St. Petersburg. — Jeß: Wochenübersicht über die medizinische Literatur. 
— Tagesgeechichte: Bericht über die allgemeine VereinBversammlung des Vereins preußischer Schlachthoftierärzte am 20. und 
21. Juni 1903 in Hannover. (Schluß). — Verschiedenes. — Personalien. — Vakanzen. 


Halswirbelbruch beim Pferde. 

Von 

Prof. L. Hoffmann-Stuttgart. 

Nach den Angaben in der Literatur und nach eigenen Er¬ 
fahrungen habe ich 8. Z. folgende Einteilung vorgenommen: 
1. Halsmuskeldehnung, Verdrehung, Verbiegung des 
HalseB, mit Zerrung und Zerreißung der Muskeln. 2. Unvoll¬ 
ständige Verrenkung, Subluxation und 3. Halswirbel¬ 
bruch, Fraktur. 



Die Diagnose ist nur anatomisch; die klinische Fest¬ 
stellung, ohne Röntgenstrahlen, kann sehr schwierig werden. 
Die Prognose galt für die unter 1 genannten Leiden fdr 


Berichtigung. 

In dem Artikel „Vergiftungen durch Arzneimittel bei^Tieren“ 
von Professor Regenbogen sind folgende Druckfehler stehen 
geblieben: pg. 448, links, Abs. 4, Zeile 11 muß es heißen Sapo- 
kresol, Bacillol, Kresopol. — pg. 449 ist zweimal ein Pferd von 
450,0 kg und einmal ein Pferd von 500,0 kg Gewicht erwähnt; an 
allen 3 Stellen ist das Komma in der Zahl ausgefallen. 


günstig, für die unter 2 genannten fdr vorsichtig bis un¬ 
günstig nnd die unter 3 für ungünstig bis schlecht. 

Nachstehend vorgeführter Fall ist geeignet die Einteilung 
einigermaßen zu ändern: 



Der chirurgischen Klinik wurde, nach vorangegangener 
Korrespondenz, ein 10 Monate altes Fohlen zugeführt mit fol¬ 
gender Anamnese: Vor drei Wochen wurde das vorher ge¬ 
sunde Fohlen morgens im Stalle derart liegend angetroffen, daß 


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der Kopf nach rechts unter den Leib geschlagen war, der rechte 
Hinterfaß war in seiner Fesselbeuge in der Halfterkette ge¬ 
fangen und dort wund geschauert; die Lagerstelle sah so aus, 
als ob das Tierchen sehr viele vergebliche Anstrengungen, sich 
aus der Zwangslange zn befreien, gemacht gehabt hätte. Nach 
Loslösung der Kette blieb der Hals in abgebogener Stellung 
und das Fohlen konnte die ersten Tage nicht stehen, lernte 
dies jedoch, nahm Futter auf, zeigte sich leidlich munter und 
ging ziemlich geradeaus. Der herbeigerufene Tierarzt hatte 
festgestellt, daß bei Versuchen den Hals gerade zu strecken 
ein dumpfes Knacken hörbar sei. 

Der Status präsens über die Halsverbiegung ergibt sich 
am besten aus den beigegebenen Abbildungen. Versuche, den 
Kopf und Hals gerade zu strecken, waren vollkommen erfolglos. 
Krepitation wurde nicht wahrgenommen. Der vierte Hals¬ 
wirbel war der am stärksten nach links hervorgedrückte. Das 
Fohlen nahm regelmäßig Futter auf, lag sehr viel auf dem 
Boden, wobei es manchmal den Kopf bis zur Schulter seitlich 
bog, niemals aber mehr gerade streckte als dies für gewöhnlich 
der Fall war. Das beliebige Gehen in dem Laufstand erfolgte 
etwas im Kreise. Nervöse Zufälle waren nicht vorhanden. 
Diagnose: Luxation zwischen drittemund viertem Halswirbel 
und Bruch, Fraktur eines der dort in Frage kommenden 
hinteren oder vorderen schiefen Fortsatzes rechts. 

Es mußte also hier von dem oben genannten Schema der 
Einteilung abgewichen werden, weil die absolute Steifigkeit des 
Halses nach vorne zu ein mechanisches Hindernis erkennen 
ließ und weil die bei der Fraktur der Wirbelkörper an¬ 
genommenen nervösen Erscheinungen fehlten. 

Prognose: vorsichtig. Therapie: Niederlegen auf die 
linke Seite, Narkose, Versuch der mechanischen Entfernung des 
abgebrochenen, rechten, schiefen Fortsatzes. 

Während der Operation konnte zur Zeit der tiefsten Narkose 
der Hals gerade gestreckt werden. In der Tiefe der gesetzten 
Wunde konnte ein bewegliches Knochenstück festgestellt werden, 
es gelang aber nicht, dasselbe zu entfernen. Meißel und 
Hammer sollten wegen Nähe des Halsmarkes nicht zur An¬ 
wendung gelangen. Nach der Operation gelang eine Gerade¬ 
streckung des Halses so wenig wie zuvor. Anlegung eines 
wirksamen Verbandes erwies sich unmöglich. 

Die offen behandelte Wunde heilte nicht per primam und 
das Fohlen starb zehn Tage nach der Operation. 

Bei der Sektion zeigte sich, daß allerdings, wie vermutet, 
der rechte, hintere, schiefe Fortsatz des dritten Hals¬ 
wirbels und zwar in der Größe des ersten Zeigefingergliedes 
abgebrochen war und als Sequester in einer Höhle lag, aber es 
war auch vom Wirbelkörper des vierten Halswirbels 
die Knochenplatte in der Epiphysenlinie quer durchgebrochen. 
Todesursache war der operative Eingriff und die darauf folgende 
Infektion der Wunde und der Fissurlinien und der sich an¬ 
schließenden Eiterung im Wirbelkanal. Der Fall ist deshalb 
von besonderer Bedeutung, weil eine doppelteFraktur — des 
vierten Halswirbels am Körper und des dritten Halswirbels am 
hinteren schiefen Fortsatze — vorlag, weil trotzdem nervöse 
Störungen fehlten und das Steifhalten des Halses nicht infolge 
mechanischen Hindernisses, sondern lediglich durch Muskel¬ 
kontraktur erfolgte. Es unterliegt gar keinem Zweifel, daß 
ohne den operativen Eingriff und ohne die Wundinfektion, die 


No. 29 


den tödlichen Ausgang bedingte, eine vollkommene Heilung 
eintreten konnte. 

Tetanus beim Hund. 

Von 

Grunau-Flatow 

KreisHerarit. 

In Anbetracht des seltenen Vorkommens von Starrkrampf 
bei Hunden dürfte folgender Fall interessant genug sein, um in 
der Fachpresse veröffentlicht zu werden: 

Der neun Monate alte englische Jagdhund eines hiesigen 
Postassistenten war vor drei Wochen von einem Laien (Brief¬ 
träger) durch einfaches Abhauen der Ratenspitze coupiert worden. 
Die hiernach auftretende starke Blutung war durch überaus 
festes Anlegen einer Schnur etwa 4 cm oberhalb der Operations- 
Stelle zu stillen versucht worden. Da der Hund seit acht Tagen 
schlecht gefressen hatte und große Schmerzen zeigte, wurde er 
mir zur Untersuchung und Behandlung zugeführt. 

Befund: Der Hund ist überaus ängstlich, stark aufgeregt 
und geht hinten steif. Die zur Blutstillung vor drei Wochen 
von dem Pfuscher angelegte Ligatur ist noch nicht entfernt, 
eingewachsen und hat die Haut bis auf die Wirbel durchschnitten. 
Das abgebundene Ratenende ist teilweise abgestorben und mit 
stinkenden Krusten bedeckt. Der untere Ratenwirbel ist nekrotisch. 

Behandlung: Kunstgerechte Amputation der Rute 2 cm 
oberhalb der eingewachsenen Ligatur und Anlegen eines antisep¬ 
tischen Verbandes. Die Aufregung des Patienten während der 
Operation ist überaus stark; auch ist eine Zunahme der Steif¬ 
heit beim Bewegen der Hinterbeine zu konstatieren. 

Anr -anderen Tage ist der Hund nicht mehr im stände die 
hinteren Extremitäten zu beugen und kann sich von seinem 
Lager ohne Hilfe nicht mehr erheben. Aufgehoben steht er mit 
gespreizten, nachhinten gestellten Hinterbeinen(Sägebockstellung). 
Die coupierte Rute wird in Krampfstellung nach rechts oben 
gehalten, wird jedoch noch bei Liebkosungen des Patienten 
seitens seines Herrn leicht bewegt. Die Vorderbeine können 
noch einigermaßen frei bewegt werden, wenn auch hier schon 
eine abnorme Haltung zu beobachten ist. Der Appetit ist 
mäßig gut. Das Kau- und Schluckvermögen ist anscheinend 
nicht gestört. Darmentleerungen normal. Der Hund heult an¬ 
haltend, wenn sich sein Herr oder seine Herrin vom Kranken¬ 
lager entfernt haben. — Patient erhält innerlich Chloralhydrat, 
wird gut gebettet und vor Aufregung geschützt, worauf vorüber¬ 
gehend Beruhigung eintritt. 

Am dritten Tage haben sich die Krankheitserscheinungen 
erheblich gesteigert. Patient liegt flach auf der rechten Seite. 
Vorder- und Hinterextremitäten befinden sich in dauernder 
Krampfatellung. Zittern des ganzen Körpers. Die Rute kann 
willkürlich nicht mehr bewegt werden. Der Kopf wird krampf¬ 
haft in gerader Linie nach hinten gestreckt gehalten. Die 
Wirbelsäule ist nach unten eingesenkt (Opisthotonus). Die 
Blinzknorpel der Augen sind hervorgetreten. Die Ohren sind 
etwas in die Höhe gehoben und nach hinten gestellt. Der Blick 
des Hundes verrät große Angst. Das Bewußtsein des Patienten 
ist frei. Das Schluckvermögen ist behindert. Aus dem Manie 
fließt anhaltend Geifer. Beginnender Trismus ist bemerkbar. 

Der Hund wurde auf Wunsch seines Herrn von mir er¬ 
schossen. 


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16. Juli 1908. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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Drillingsmissbildung beim Kalbe. 

Von 

Ernst Neumann-Schwarzenbek. 

Da Drillingsträchtigkeit eine keineswegs alltägliche Er¬ 
scheinung bei unseren größeren Haustieren ist, so dürfte auch 
eine auf der Dreizahl beruhende Mißbildung erwähnenswert sein. 

Der den Geburtshelfer interessierende Sachverhalt ist 
folgender: 

Eine 2y 2 jährige Starke des schwarzbunten Niederungs- 
schlages stellte sich mit Ansgang der 39. Tragwoche ohne auf¬ 
fällige Prodromalerscheinungen zur Geburt. Die nach Abfluß 
des Fruchtwassers trotz nachhaltiger Wehentätigkeit verzögerte 
Austreibung des Fötus veranlaßte den Besitzer zur manuellen 
Untersuchung und weiterhin zur Einholung sachverständiger Hilfe. 

Das bis zu meinem Eintreffen in Bewegung erhaltene Tier 
zeigte einen, für primiparae ungewöhnlich starken Leibesumfang 



befürchten war. In der Tat schlossen sich denn auch an diese 
Dekapitation stürmische agonale Zuckungen seitens des bis da¬ 
hin noch belebten Monstrums an; durch Berühren des Hals¬ 
markes steigerten sich dieselben sogar in heftigster Weise und 
machten eine erneute Ordnung der Extremitäten notwendig. Mit 
Spatel und Fingermesser, unter Aufwand einiger Geduld, wurden 
nun die vier Vorderschenkel einzeln nach der subkutanen 
Methode entfernt, und es war darnach nicht schwierig, den Kopf 
von I mit einer Schlinge soweit zu fördern, daß er außerhalb 
der Vulva abgeschnitten werden konnte. 

Erst jetzt kam ich in die Lage, auch der Beschaffenheit 
des Hinterteiles meine Aufmerksamkeit zuzuwenden und machte 
die Entdeckung, daß dasselbe an der allgemein bewiesenen 
Duplizität beteiligt war, und daß fötale Eingeweide in den freien 



und wurde mir als Zwillingsschwester einer Starken bezeichnet, 
welche kurz zuvor in einem Nachbarorte ein normales Kalb 
ohne Hindernisse zur Welt gebracht hatte. 

Bei Untersuchung der Scheide fanden sich im Hintergründe 
derselben ein Kopf sowie zwei Vordergliedmaßen vor, während 
jenseits des Muttermundes ein zweiter Kopf und zwei weitere 
Vorderbeine zu fühlen waren. Dieser Befund schien im Verein 
mit dem Vorberichte die Annahme einer Zwillingsgeburt zu 
rechtfertigen, obgleich das gegenseitige Lageverhältnis — Kopf 
an Kopf — mir früher noch niemals begegnet war. Die ver¬ 
worrene Anordnung der Extremitäten, wie auch die Convergenz 
der Hälse erinnerten mich jedoch bald an den von Nevermann 
beschriebenen Thorakopagus und wiesen mir den bei der Ent¬ 
wicklung einzuschlagenden Weg. 

Um für die hier ja zweifellos gebotene Verkleinerung des 
Brustgürtels Raum zu erlangen, entfernte ich zuerst mit dem 
Pflanz sehen Embryotom den Kopf des Kalbes No. H, da von 
unerwünschten Evolutionen seines zurückbleibenden kurzen Hals- 
stumpfes am wenigsten für die Integrität der Gebärmutter zu 


Raum des mütterlichen Uterus hineinragten. Gliedmaßen von 
Kalb No. III habe ich zwar gefühlt, doch muß meine Phantasie 
wohl zu sehr erschöpft gewesen sein, um mir den Gedanken au 
deren Zugehörigkeit zu einem dritten Partner nahe zu legen. 
Immerhin war die Situation soweit geklärt, daß ich in der 
Trennung der verschmolzenen Brustwände meine nächste Auf¬ 
gabe erblicken mußte. Mit einiger Mühe ließ sich die Kette 
des Embryotoms über die Rippen hinweg zwischen den Hinter¬ 
teilen durchführen, die Öse des Gestänges wurde an die Ver¬ 
einigungsstelle beider Hälse gelehnt, und bald war mit einem 
Schnitte des Instruments die Halbierung vollzogen, wobei auch 
der versehentlich mit in die Kette geratene rechte Hinter¬ 
schenkel von I in der Kniegelenksgegend sich ablöste. Es be¬ 
durfte nunmehr nur einer geringen Verschiebung der Schnitt¬ 
flächen, um jeden Teil für sich durch schwachen Zug nach 
außen zu schaffen. 

Während ich noch mit Ausspülen der Geburtswege beschäftigt 
war, erhob sich die Starke in gerechtem Zorne über einen 
unbefugterweise auf der Bildfläche erscheinenden Hund, konnte 


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alsdann in den Stand zurüchgeführt werden und nahm Futter 
wie Getränk anf. Nachkrankheiten lokaler oder allgemeiner 
Natur haben sich nicht eingestellt, anch hat die im Verlaufe 
der ersten vier Wochen gelieferte Milchmenge durchaus den 
gehegten Erwartungen entsprochen. 

Die in beschriebener Art gewonnenen Teile des Monstrums 
habe ich notdürftig rekonstruiert, im photographischen Bilde 
festhalten lassen und zwecks eingehender Würdigung ihres 
anatomischen Baues berufeneren Händen übergeben, sodaß ich 
selbst in die Anlage von Skelett und Eingeweiden nur ober¬ 
flächlichen Einblick gewonnen habe. 

Es dürfte sich empfehlen, zunächst nur die in Fig. 2 wieder- 
gegebeneu und von der Natur am meisten begünstigten Partner 

I und II ins Auge zu fassen. Diese nähern sich in ihren 
Konturen mehr oder minder der Norm und ähneln, von der 
Brustbeinspitze bis zum Nabel miteinander verschmolzen, einem 
nach den Regeln der Tanzkunst umschlungenen Paare. Die z. 
T. gemeinsame Banchwand zeigt rings um die reg. omphal. 
im Umfange eines großen Tellers statt der behaarten Epidermis 
eine dünne, gelbliche mit chitinösen Platten von Bohnengröße 
besetzte Membran. Ob diese Stelle während des intrauterinen 
Daseins noch geschlossen und erst durch die Gewalt der Vor¬ 
wehen gesprengt worden war, kann ich nicht beurteilen. Der 
bis anf den doppelten Schlund einfach und ohne Abnormitäten 
angelegte Verdauungskanal geht in den After von I über, 
während II über keinen Beckenhohlranm verfügt und auch nur 
mit einem fingerlangen Schwanzrudimente ausgestattet ist. Die 
Leber stellt ein auffällig schweres, langgestrecktes Oval dar und 
zeigt wulstige Ränder. 

Der gemeinsame, aber durch zwei Zwerchfellsabteilungen 
nach der Bauchhöhle abgegrenzte Brustranm enthält bei I ein 
Paar normaler, bei II aber wesentlich verkrümmter Lungen¬ 
flügel. Herz bei I kugelförmig, bei II durch eine taschen¬ 
förmige Ausbuchtung des Zwerchfellmuskels an gedeutet. Beide 
Hinterteile weisen anscheinend normale äußere Geschlechtsteile 
ma8cul. gener. auf. Die Nieren von I weichen in Form und 
Farbe nicht ab; dagegen zeigen sich in der Nierengegend von 

II vier erheblich kleinere Organe, welche die Differenzierung 
einzelner Renculi nicht erkennen lassen und durch herz- bezw. 
bohnenartige Gestalt sowie lichtere Färbung an die Nieren 
anderer Haustierarten gemahnen. 

Auffallend ist endlich noch bei II der gedrungene Hals und 
das Vorhandensein einer überzähligen Zehe am linken Hinter¬ 
fuß, deren knöcherne Grundlage bis zum Tarsus hinauf zu ver¬ 
folgen ist. 

Auf der linken Brustwand von II alB Basis hebt sich nun 
— Figur 1 — ein in dorsoventraler Richtung stark abgeflachtes 
Becken mit kräftig gespreizten Hinterschenkeln ab und stellt im 
Verein mit einem als Vordergliedmasse aufzufassenden Gebilde 
die Anlage des Kalbes No. III dar. Letzterer Schenkel ist 
unter allen am Körper vorhandenen der weitaus dürftigste und 
vom Karpus ab in eine gänzlich verkümmerte, mediale und eine 
mehr angemessen entwickelte laterale Zehe geteilt. 

In wieweit eine dritte Wirbelsäule den Zusammenhang 
zwischen Vorder- und Hinterteil vermittelt und der von H 
gegenüber als selbständig zu betrachten ist, wird die feinere 
Zerlegung des Skelettes ergeben müssen. 

Das Gebilde, in seiner Dreieinigkeit betrachtet, möchte ich 


No. 29. 


der Gurltschen Nomenklatur unter „Somatotridymus biceps“ 
einzufügen versuchen. 

Ich will diese Mitteilung nicht abschließen, ohne zuvor anf 
das Pflanz sehe Embryotom zurückzukommen, da dasselbe noch 
immer nicht die wünschenswerte Verbreitung gefunden, bezw. 
von einigen Kollegen nach dem ersten ungünstig abgelaufenen 
Versuche endgiltig bei Seite gelegt worden ist. Der Apparat 
stellt eben nicht lediglich eine neue Bereicherung des 
Instrumentenlagers dar, sondern er leitet eine völlige Umwälzung 
auf dem Gebiete der Geburtshilfe ein, eine Reform, dringend 
notwendig, um den bedauerlichen Tiefstand dieses wichtigen 
Zweiges unserer Tätigkeit zu heben. Der Begriff „Kunsthilfe“ 
war im letzten Jahrzehnte um so mehr zur Illusion geworden, 
als die Veredelung unter den einheimischen Primitivrassen des 
Rindes zunahm und Fälle von Makrosomie — zumal bei Erst¬ 
lingskälbern — sich häuften. Nur zu oft war der Tierarzt ge¬ 
zwungen, dem bei Anwendung unerlaubter Zugkräfte zu 
Exzessen neigenden Publikum mit schlechtem Beispiele voran¬ 
zugehen. An dieser Stelle nun setzt das Pflanz sehe Embryotom 
erfolgreich ein, und wir alle schulden seinem Erfinder Dank, 
daß es jetzt möglich geworden, rohe Gewalt aus dem Bereiche 
unserer Manipulationen völlig fern zu halten. Größere Läsionen 
der Geburtswege, wie auch Parese der Nachhand dürfen in 
Zukunft unter keinen Umständen mehr auf Rechnung des Tier¬ 
arztes gesetzt werden, und wenn außerdem durch reichliche 
Verwendung der so wohlfeil gewordenen Desinfizientien Kom¬ 
plikationen in Gestalt von Sepsis und Diphtherie immer seltener 
sich anschließen, so wird und muß die Tätigkeit des Geburts¬ 
helfers diesem die eigene Zufriedenheit und die verlorene Wert¬ 
schätzung bei den Landwirten zurückgewinnen. 

Partus praematurus infolge Epilepsie bei einer Stute. 

Von 

Eberhard-Unruhstadt, 

prakL Tierarrt. 

Am 13. April d. Js. wurde ich vom Dominium B. telegraphisch 
zu einer „schwerkranken, tragenden Stute“ auf das Vorwerk Sch. 
gerufen. Bei meiner Ankunft am Nachmittag fand ich eine 
Schimmelstute mittleren Alters von Wehen befallen, auf der linken 
Seite lang ausgestreckt im Stalle liegend. 

Anamnestisch erfuhr ich folgendes: Die Stute ist tragend, 
doch ist die Zeit der Trächtigkeitsdauer noch nicht abgelaufen. 
Genaueres ist nicht festzustellen, da durch ein Versehen das 
Datum der Konzeption nicht notiert worden ist. Die Stute hat 
schon mehrmals und stets zur rechten Zeit gefohlt. Sie leidet 
von Zeit zu Zeit an „Krampfsucht“ und wird deshalb nur als 
Ackerpferd benutzt. Am vorhergehenden Abend hat sich ein 
solcher Krampfanfall eingestellt, infolgedessen das Tier hinge¬ 
stürzt ist und sich nicht wieder erhoben hat, während frühere 
Anfälle immer nur kurze Zeit gedauert und sich ohne jegliche 
Eingriffe wieder verloren haben. Seit dem heutigen Tage stöhnt 
die Stute in auffallender Weise. Dieses Stöhnen und die Länge 
des Krampfanfalles waren der Anlaß, tierärztliche Hilfe zu suchen. 

Der Status praesens ist folgender: Die Stute ist sehr schwach 
und angegriffen. Bewußtsein und Empfindung erscheinen herab¬ 
gesetzt. Die Gesichtsmuskeln befinden sich in leicht zuckender 
Bewegung. Die Schleimhaut der Unterlippe ist infolge der vor¬ 
aufgegangenen krampfhaften Kieferbewegungen vollständig zer¬ 
bissen. Das linke Auge ist geschlossen; durch Sturz auf die 


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16. Juli 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 461 


linke Seite nnd Aufschlagen des Kopfes sind die Augenlider 
derartig verschwollen, daß ein Öffnen der Lidspalte unmöglich 
ist. Die Füße, besonders die Hinterfüße werden in ziemlich 
regelmäßigen Zwischenräumen krampfhaft schlagend bewegt. 
Die Atmung ist angestrengt und beschleunigt, der Puls klein 
und leer, die Pupille des rechten Auges erweitert. Die sichtbaren 
Schleimhäute sind blaß außer der Scheidenschleimhaut. Die 
Vulva ist stark angeschwollen, gerötet; aus derselben entleert 
sich etwas zäher Schleim. Das Euter ist nicht vergrößert, die 
Milch noch nicht eingetreten. 

Da eine Vaginaluntersuchung am stehenden Tiere un¬ 
möglich ist, weil sich dasselbe nicht erheben kann, wird die¬ 
selbe im Liegen ausgefdhrt, nachdem die Hinterbeine gespannt 
worden sind. Die schnell aufeinander folgenden, sehr heftigen 
Geburtswehen ermöglichen nur festzustellen, daß der Gebär¬ 
muttermund so weit geöffnet ist, daß man eben mit einem Finger 
eindringen kann. Um die Wehen abzuschwächen, injizierte ich 
Morphin subkutan und orientierte mich inzwischen durch eine 
Rektaluntersuchung über den Fall. Hierbei stellte ich fest, 
daß die Eihüllen noch nicht geborsten sind, daß ferner der 
Fötus noch am Leben, und daß seine Lage anscheinend eine 
normale ist. Da inzwischen die Stärke der Wehen etwas nach¬ 
gelassen hat, versuchte ich, den Muttermund, welcher jetzt für 
zwei Finger passierbar ist, manuell zu erweitern, was auch 
durch drehende Bewegungen mit der keilförmig zugespitzten 
Hand in verhältnismäßig kurzer Zeit gelingt. Jedoch bleibt 
die Öffnung immerhin nur eine relativ enge. Die per rectum 
ermittelten Feststellungen bestätigen sich, insbesondere sind die 
noch intakten Eihüllen von einer solchen Derbheit, daß sie nicht 
mit der Hand, sondern erst unter Zuhilfenahme des Finger¬ 
messers innerhalb des Uterus geöffnet werden können, da es 
nicht gelingt, die Blase durch die enge Geburtsöffnung nach außen 
zu bekommen. Nach Anschlingen der beiden Vordergliedmaßen und 
richtiger Lagerung des Kopfes kann das Fohlen durch Zugkraft 
von drei Männern ziemlich leicht und schnell entwickelt werden. 
Dasselbe ist klein und schwächlich. Die Hufe sind noch voll¬ 
ständig weich, nicht verhornt; Zähne noch nicht durch gebrochen. 
Nun wurden die Secundinae manuell entfernt und, da nichts 
anderes zur Hand war, eine sehr schwache Karbolsäurelösung 
in den Uterus infundiert, zwei Maßnahmen (sofortige Abnahme 
der Nachgeburt und antiseptische Gebärmutterausspülung), die ich 
prinzipiell nach jeder von mir geleisteten Geburtshilfe ausführe. 

Am folgenden Tage hatte ich Gelegenheit, die Stute zu 
sehen. Dieselbe ist äußerst schwach, sodaß sie noch nicht auf¬ 
stehen kann. Fieber ist nicht vorhanden. An den Geburtswegen 
ist nichts Abnormes zu konstatieren. Die Muskelzuckungen 
haben nachgelassen. Der Appetit ist zwar noch gering, doch 
nimmt die Stute etwas Brot mit Branntwein, Mohrrüben und 
dergleichen Leckerbissen, die ihr zwischen die Backenzähne 
geschoben werden, zu sich, sodaß ich die Prognose günstig 
stellen konnte. Auch das Fohlen zeigt sich munterer, war 
einige Male aufgesprungen, konnte sich aber nicht stehend 
erhalten. Leider ging es am nächsten Tage ein, trotzdem sich 
der Vogt des Vorwerkes große Mühe mit der Saugflasche ge¬ 
geben hatte. Zur Vornahme der Obduktion fehlte mir die 
Gelegenheit. Die Stute kräftigte sich allmählich wieder, sodaß 
sie ihre gewöhnliche Arbeit verrichten kann. 

Da mir aus der Literatur keine Veröffentlichung darüber 
bekannt ist, daß Epilepsie Veranlassung zum Abortus resp. zur 


Frühgeburt gegeben hat, so hielt ich den Fall für interessant 
genug, um ihn den Herren Kollegen mitzuteilen. 

Als Beitrag zu der so häufigen Duplizität der Fälle er¬ 
wähne ich noch, daß ich am Tage vorher an meinem Wohnorte 
eine Frühgeburt bei einer Kuh hatte, sieben Wochen vor Ablauf 
der normalen Trächtigkeitsdauer. Auch in diesem Falle ver¬ 
endete das winzige, aber anfangs recht muntere Kalb am zweiten 
Tage post partum. Ätiologisch konnte ich nichts in bezug auf 
diese Frühgeburt feststellen. 


Referate. 

Epitholgold und Epitholsilber in der Chirurgie und 
Dermatologie. 

Von Dr. Arthur Strauß, Barmen. 

(Klin.-thernp. Wocbonschr. 1903, No. 16. Nach Rufer. d. Woch. f. Thor. u. Hyg. des 
Auge» 1903, No. 39, S. 250.) 

Zu Anfang des vorigen Jahres führte Professor Hoffmann 
in Stuttgart die aseptischen Metallpulver in die Veterinär¬ 
chirurgie ein, denen er besondere Deck- und Adhäsionskraft und 
eine große Absorptionsfähigkeit für Flüssigkeiten nachrühmte 
(B. T. W. 1902, No. 1 u. 7). Dr. A. Strauß hat diese Pulver¬ 
therapie nun in die humane Chirurgie übertragen und auf dem 
von ihm vertretenen Spezialgebiet der Dermatologie aus¬ 
zuprobieren in einer großen Anzahl von Fällen Gelegenheit 
genommen, wobei er sich zunächst genau an die von Hoff¬ 
mann gegebenen Direktiven hielt und sich der gleichen von 
Gramm in Stuttgart gelieferten Präparate bediente, sodaß seine 
Mitteilungen auch für die Veterinärmedizin von Interesse sind. 

•Strauß trägt das Epithol, er verwendete vornehmlich das 
Epitholgold, mit dem Pulverzerstäuber in nicht zu dicker Schicht 
auf. Es deckt die Wunde mit spiegelglatter Fläche, garantiert 
selbst dann eine ungestörte Heilung, wenn die Wundränder 
etwas von einander weichen und gewährleistet einen viel 
sichereren Wundverlauf als die meisten Antiseptica. Es wird 
zweckmäßig nach Hoffmanns Angabe mit einem aseptischen 
Spatel oder Löffel festgedrückt. Zur weiteren Bedeckung kann 
auch wohl noch eine einfache Mullbinde benutzt werden. — 
Besonders vorteilhaft für die Applikation erwies sich die gleich¬ 
zeitige Anwendung von Firnissen, wie von Kollodium mit zu¬ 
gesetztem Kampfer. Dieser Firnis hat ölige Konsistenz, riecht 
kaum, trocknet schnell an, bildet eine geschmeidige, gut haftende 
Decke, die sich auch den Hautfalten anschmiegt. Ebenso kann 
Traumaticin verwendet werden (das jedoch im Preise höher 
steht). Strauß gibt für diese Art von Therapie folgende 
Magistralformeln an: 

R.! Camph.. 2,0 R.! Epithol. (argent) . . 10,0 

Epithol. (aur.). 10,0 Traumaticin. ad . . 50,0 

Collodii ad . . . 50,0 m. d. cum penicillio s. 

Der Verfasser wendete solche Verbindungen z. B. zur Be¬ 
handlung der Bartflechte, Folliculitis barbae, an, die häufig durch 
ihre hartnäckige Pustelbildung chronisch wird und erklärt die 
dabei erzielten günstigen Wirkungen daraus, daß die fest nach 
außen abschließende aseptische Epitholdecke dem Eindringen 
neuer Staphylokokken in die Follikel ein Ende macht, während 
der Druck des Firnisses eine lokale Anämie herbeiführe. — 
Bei pustulösen und nässenden Ekzemen hält Verfasser die An¬ 
wendung wenigstens wasserlöslicher Firnisse nicht für indiziert; 
wohl aber eigneten sie sich zur Nachbehandlung solcher Leiden 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 29. 


wie auch geradezu als Prophylaktikum. Besonders rühmte er 
solche zur Bedeckung größerer Hautdefekte. Er kombinierte 
dafür Dextrin und Wasser oder Gummi arabicum und Wasser 
mit einem 10—30 prozentigen Zusatz von Epithol. Diese beiden 
Firnisse, von denen sich besonders der mit Dextrin bereitete 
gut bewährte, bilden selbst auf nässenden Stellen eine glatte 
Decke. Einem Abbröckeln beugt man dadurch vor, daß man 
zunächst den Firnis aufstreicht und sodann eine ganz dünne 
Watteschicht auflegt. Man erhält so eine Decke, die selbst in 
den Gelenkbeugen gut haftet. Da solcher Firnis auch den 
Juckreiz beseitigt, empfiehlt sich seine Verwendung namentlich 
in Fällen, in denen man ein Kratzen und Scheuern verhindern 
und beseitigen will. Er kann etwa nach dieser Formel ordiniert 
werden: 

R.! Epitholi aur.5—10,0 

Dextrin.10—15,0 

Aq. dest. ad 30,0 m. d. s. 

Ebenso läßt sich auch 10 prozentiges Zincum oxydatum 
oder ähnliches zusetzen oder Salben- und Pastenform wählen. 

Was die Art der Wirkung betrifft, so möchte Verfasser 
eine Entscheidung besonderen Untersuchungen Vorbehalten 
wissen, doch hält er wie Hoffmann die physikalische für 
mindestens vorherrschend. 

Diesen ungemein günstigen Wirkungen der Metallpulver 
steht ein überaus niedriger Preis der Präparate zur Seite. So 
kosten je 100,0 Europhen 22 M., Airol 7 M., Dermatol 4,50 M., 
Jodoform 4 M., Epithol 3 M., sodaß die bisherigen Erfolge sehr 
zu weiteren Versuchen, wie bei Dermatiden der Hunde, bei 
Mauke, bei den zuweilen vorkommenden großen Muskelwunden 
in der Glutaeenregion beim Pferde, ermuntern möchten. 

0. Albrecht. 

Die Gewährleistung im Viehhandel „für alle Fehler“. 

Von Dr. Malkmus. 

(D. t W. 190$, No. 1.) 

Bei der Einschränkung der Haftung im Viehhandel durch 
das Bürgerliche Gesetzbuch auf einige wenige Mängel zeigt 
sich immer mehr die Neigung, sich durch vertragliche Ver¬ 
abredungen weitere Garantien geben zu lassen. Nicht selten 
wird dabei die Haftung „für alle Mängel“ verabredet. Es 
dürfte sich lohnen, einmal die in der Literatur über diese Art 
von Haftung niedergelegten Anschauungen eingehender Erwägung 
zu unterziehen. — Bischoff und Richter sind der Meinung, daß 
bei einer Garantie für alle Fehler der Verkäufer auch für un¬ 
erhebliche Fehler und Kleinigkeiten aufzukommen habe. Dem 
steht nach der Meinung von Malkmus der § 459 des B. G.-B. 
entgegen, worin es ausdrücklich heißt: Eine unerhebliche 
Minderung des Wertes oder der Tauglichkeit kommt nicht in 
Betracht. Der § 482 des B. G.-B. beschränkt nun die Haftung 
für Fehler im Handel mit den daselbst genannten Tieren noch 
weiter, indem er bestimmt, daß der Verkäufer nur für bestimmte, 
in der kaiserlichen Verordnung zu nennende Fehler dem Käufer 
zu haften hat. Demnach hat das Gesetz für drei Gruppen von 
Fehlern Bestimmungen getroffen: Hauptmängel, erhebliche Fehler 
und unerhebliche Fehler. Für die letzte Gruppe schließt das 
Gesetz die Haftung ausdrücklich aus, für den Verkauf der im 
§ 482 genannten Tierarten wird die Haftung beschränkt auf 
die Hauptmängel. Wenn nun bei einem Viehkauf der Verkäufer 
die Gewähr für alle Fehler übernimmt, so könnte das nur dahin 


auBgelegt werden, daß er nicht nur für die Hauptmängel haftet, 
welche für den Viehkauf gelten, sondern für alle Fehler, welche 
nach dem B. G.-B. überhaupt bei der Gewährleistung wegen 
Mängel der Sache in Betracht kommen können. Das würden 
also alle erheblichen Mängel sein. Malkmus sagt: „Gewiß 
ist es dem Parteiwillen nicht entzogen, auch diese Bestimmung 
(§ 459) aufzulieben, das müßte dann aber in ganz bestimmter 
Form geschehen.“ 

Dagegen ist die zweite Frage nicht so einfach zu beant¬ 
worten, ob ein derartiges Versprechen sich in der Haftung nicht 
nur auf die Hauptmängel beschränkt und die zweite Gruppe, 
nämlich die der erheblichen Mängel, ausschließt. Bekanntlich 
befand sich im ersten Entwurf des B. G.-B. eine Bestimmung, 
nach der das allgemeine Versprechen, für alle Fehler haften zu 
wollen, nur auf die Hauptmängel zu beziehen sei. Dagegen 
wurde geltend gemacht, daß eine solche Bestimmung gegen 
die Vertragsfreiheit sei. Der zweite Entwurf enthielt in An¬ 
erkennung dieses Standpunktes die Bestimmung, daß „im 
Zweifel“ dieses Versprechen nur auf die Hauptmängel zu be¬ 
ziehen sei. Auch diese Fassung wurde bekanntlich nicht an¬ 
genommen, vielmehr wurde der Passus gestrichen. Die Haftung 
für alle Fehler hat also entgegen dem Entwürfe eine gesetzliche 
Auslegung nicht gefunden. Demnach ist es Sache des Richters, 
im einzelnen Falle zu entscheiden. Bei der Entscheidung hat 
sich der Richter an die gesetzlichen Auslegungsregeln zu halten. 
In dieser Beziehung sagt § 133: „Bei der Auslegung einer 
Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und 
nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften“, 
ferner § 157: „Verträge sind so auszulegen, wie Treu und 
Glatfben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.“ 
Im Viehhandel ist es nun, wie auch Dieckerhoff hervorhebt, 
üblich, die Haftung für alle Fehler nicht nur auf die Haupt¬ 
mängel, sondern auf alle erheblichen Fehler zu beziehen. Es 
ist danach anzunehmen, daß auch der Richter einer derartigen 
Haftung dieselbe Auslegung geben wird. Ausgeschlossen ist 
eine andere Auslegung aber nicht. Es empfiehlt sich daher, 
im Handel einen präzisen Ausdruck an die Stelle dieses all¬ 
gemeinen Versprechens treten zu lassen, z. B.: „Der Verkäufer 
leistet Gewähr nicht nur für die Hauptmängel, sondern auch 
für alle Fehler.“ 

Als gleichbedeutend mit einer Haftung für alle Fehler gilt 
die Haftung, daß das Tier fehlerfrei, „rein und klar“, „gesund 
und reell“, daß „an ihm nichts dran ist“. Die an eine solche 
Haftung geknüpfte Berechtigung des Käufers, auch nach Ablauf 
der Gewährsfrist bis zum Ende der Verjährung (sechs Wochen 
nach Ablieferung des Tieres) aus dieser Zusicherung seine 
Rechte wegen eines Hauptmangels geltend zu machen, teilt 
Malkmus nicht. „Selbst wenn festgestellt würde, daß der 
Fehler schon vor der Ablieferung einwandfrei von einem Sach¬ 
verständigen nachgewiesen würde, würde der Käufer doch keinen 
Anspruch mehr erheben können, wenn er nicht nachweisen kann, 
daß der Fehler sich innerhalb der Gewährsfrist gezeigt hat.“ 

Die Gewährsfrist kann wohl verkürzt oder verlängert, aber 
nicht aufgehoben werden. 

Im Viehhandel kommt hiernach einer Haftung für alle Fehler 
folgende Bedeutung zu: 

1. Unerhebliche Fehler werden von ihr nicht betroffen. 

2. Nach der Verkehrssitte bezieht sich die Haftung nicht 
nur auf die Hauptmängel, sondern auch auf alle erheblichen Fehler. 


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16. Juli 1908. 


3. Die Gewährleistung für alle Fehler ändert die gesetz¬ 
lichen Bestimmungen bezüglich der Hauptmängel in keiner 
Richtung ab. Nevermann. 

Aus dem I. Allrussischen Tierärztlichen Kongreß in 

St Petersburg (3. (16.) bis 12. (25.) Januar 1903). 

Kleptzolf. Zur Frage über die Genese des Erregers der Tuberkulose, 
seine Morphologie und Biologie. 

Der Verfasser hat im Auftrag des Kongresses einen Bericht 
über die Morphologie und Biologie des Tuberkulosebazillus (Koch) 
und sein Verhalten zu den Mikroben der hämorrhagischen 
Septikämien erstattet. Es erwies sich, daß die Reinkultur 
der Menschen- und Vogeltuberkulose, gezüchtet auf einem aus 
100 Teilen Rinderserum und 75 Teilen Kuhmilch mit einem 
Gehalt von 1% Pepton und 4—5% Glyzerin hergestellten 
Nährboden, schon bei der Umztichtung in der 4.-5. Generation, 
nach 2—3 Tagen bei 38°—39°, säureschwache Formen gibt, 
die sehr den ovoiden Bakterien der hämorrhagischen Septi¬ 
kämien ähnlich sind. Diese Formen unterscheiden sich von 
den säurefesten d. h. den Kochschen Tuberkulosebazillen, färben 
sich mit allen Anilinfarben, trüben die Bouillon, haben auf 
Agar ein sehr rasches Wachstum, und in 24 Stunden im Brut¬ 
schrank geben sie einen dünnen, durchsichtigen, feuchten oder 
matten Belag. Die säureschwachen Formen der Menschen¬ 
tuberkulose wachsen nicht bei Zimmertemperatur; dieselben 
Formen der Vogeltuberkulose wachsen, aber sehr langsam. Die 
Abwesenheit freier Bewegung bei diesen Mikroben, ihr Wachs¬ 
tum auf Agar, Kartoffeln, Serum, Bouillon und Milch, die Ge¬ 
stalt der Kolonien auf Agarplatten (in Petri-Schalen), das alles 
stellt die säureschwachen Formen der Tuberkulose sehr nahe • zu 
den Mikroben der hämorrhagischen Septikämien (Hueppe) 
d. h. zur Hühnercholera, Schweineseuche, Rinderseuche etc. 
Eine Grenze ist nur die Fähigkeit sich nach Gram zu färben. 
Aber auch diese Erscheinung hat keinen absoluten und ent¬ 
scheidenden Charakter. 

Wenn man die Tuberkulosebazillen einer Reinkultur zu¬ 
sammen mit den Mikroben der hämorrhagischen Septikämien 
in einer und derselben Bouillon züchtet, so leben sie innig zu¬ 
sammen und wachsen gleichzeitig, aber die Tuberkulosebazillen 
wachsen üppiger und, wie es scheint, drängen sie die Bakterien 
der Hühnercholera und Schweineseptikämie bald aus. Aus 
solchen alten Kulturen kann man die Bakterien der Septikämie 
erhalten, aber von den zuerstgenannten unterscheiden sie sich 
darin, daß sie sich nach Gram färben. 

Wenn man die Bakterien der Septikämie in Bouillon, 
welche die Fettsubstanz der getöteten Tuberkelbazillen enthält, 
kultiviert, so übernehmen die ersten diese Substanz und werden 
zu säurefesten oder, wie sie der Verfasser nennt, zu chromophilen, 
sehr den wirklichen Tuberkulosebazillen ähnlich. Diese Bak¬ 
terien der neuen Formation wachsen wie die Bakterien der 
Vogeltuberkulose, entwickeln sich nicht bei Zimmertemperatur 
und trüben die Bouillon nicht. Bei den Meerschweinchen und 
Kaninchen erzeugen sie tödliche Erkrankungen mit miliaren 
Knötchen in verschiedenen Organen. Solche Knötchen bestehen 
(bei Kaninchen) aus Riesenzellen und sehr viel säurefesten 
(chromophilen) Stäbchen, ganz mit den Kochschen Tuberkulose¬ 
bazillen übereinstimmend. 

Diese Bakterien, auf Milch-Serum gezüchtet werden in die 
säureschwache (oder chromatöse) Form umgewandelt und in diesem 


463 


Zustande unterscheiden sie sich gar nicht von den säureschwachen 
Stadien des Kochschen Tuberkulosebazillus. 

Fußend auf kontrollierten Beobachtungen dieser Art hält 
der Verfasser den Tuberkuloseerreger und den Erreger der hämor¬ 
rhagischen Septikämien (Pasteurellose) Für sehr nahe Verwandte 
und kommt zu folgenden Schlußfolgerungen: 

1. Der Erreger der Säugetier- und Vogeltuberkulose kann 
in zweiFormen existieren, in einer typischen säurefesten Stäbchen¬ 
form und in einer säureschwachen sehr polymorphen Bakterien¬ 
form, welche sehr oft in einer Gestalt der ovoiden Bakterien 
vorkommt. 

2. Die morphologischen und biologischen Eigenschaften dieser 
säureschwachen Form des Erregers der Tuberkulose nähern 
denselben den Mikroben der umfangreichen Gruppe der hämor¬ 
rhagischen Septikämien. 

3. Die Mikroben der hämorrhagischen Septikämien können 
künstlich mit säurefesten Eigenschaften versorgt werden, und in 
dieser Form können Bie bei den empfänglichen Tieren chronische 
Prozesse hervorrufen, welche sich sowohl klinisch wie auch 
anatomisch als tuberkulöse Prozesse charakterisieren. 

Die Tuberkulose soll der umfangreichen Gruppe der hämor¬ 
rhagischen Septikämien zugerechnet werden und namentlich 
den chronischen Formen der letzteren. Im speziellen soll die 
Vogeltuberkulose die chronische Form der Hühnercholera aus- 
drücken. 

Die Schweinetuberkulose ist die chronische Form der Schweine¬ 
seuche; die Rindertuberkulose — die chronische Form der Rinder- 
seuche Bollingers. Bei der Tuberkulose des Menschen sollen 
die akuten und subakuten Prozesse, hervorgerufen durch das primi¬ 
tive Stadium der Entwickelung des Kochschen Bazillus, d. h. durch 
die säureschwache Form desselben Mikroben studiert werden. 
Der Erreger der Tuberkulose in der Form des säureschwachen 
Bakteriums kann außerhalb des tierischen Organismus existieren 
und wachsen, weshalb auch die Verbreitung der Tuberkulose 
beim Menschen nicht nur durch Sputum der tuberkulösen Menschen, 
sondern auch durch andere Quellen bedingt wird. 

Die Existenz der säureschwachen Form des Erregers der 
Tuberkulose, einer weniger widerstandsfähigen Form als die des 
Kochschen Tuberkulosebazillus, enthüllt einen neuen Weg zur 
Erforschung der Immunität und der Therapie dieser Krankheit. 

(Fischkin, Petersburg). 

Wochenfibersicht Aber die medizinische Literatur. 

Von Dr. Jets-Charlottenburg, 

Kreiatiertrmt. 

Münchener medizinische Wochenschrift No. 23. — 1903. 

Über das Proteinochrom, eine klinisch und bakteriologisch 
bisher nicht verwertete Farbenreaktion; von Erdmann und 
Dr. Winternitz. Bezüglich der frühzeitigen Typhusdiagnose 
konnten die Verfasser die wichtige Beobachtung machen, daß 
Bact. coli com. kein Proteinochrom, dagegen Jedol bereits am 
ersten Tage bildet. In Typhuskulturen ist Proteinochrom bereits 
am zweiten Tage nachweisbar, dagegen Jedol bis zum vierzehn¬ 
ten Tage nicht — 

Drei Fälle von Lungentuberkulose, geheilt durch Injektion von 
Maragllano8chem Heilserum. Wie Bellinzoni in der Gazetta degli 
osped. 03./32 mitteilt, wird das Maraglianosche Heilserum sehr 
gut vertragen und wirkt unzweifelhaft stets günstig auf den 
tuberkulösen Prozeß ein. — 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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464 


Dieselbe Zeitschrift No. 24. — 1002. 

Über einen Apparat zur Kontrolle des Pulses in der Narkose; 
von Professor Gaertner. Der Apparat überträgt die Pnlswelle 
auf einen Zeiger, sodaß der Operateur stets an der Zeiger¬ 
bewegung sich über die Pulsbeschaffenheit orientieren kann. 
Ein derartiger Apparat hat seine großen Vorteile, da durch die 
ununterbrochene Palpation des Pulses schließlich auch Sinnes¬ 
täuschungen derart entstehen, daß der Untersucher seinen eigenen 
Puls, statt den des Patienten fühlt. — 

Die tuberkulöse Infektion des Hundes per os. Wie Arloing 
in der Soci^te de Biologie 4. 4. 1903 mitteilt, ergaben seine 
Experimente, daß die von Menschen stammenden Tuberkel¬ 
bazillen, bei der Einführung per os, den Magendarmkanal des 
Hundes zu infizieren imstande sind; ferner trat in zwei Fällen 
vom Magendarmkanal aus eine Allgemeininfektion ein. In zwei 
Fällen waren die regionären Drüsen des Magens tuberkulös, 
ohne daß mikroskopisch oder makroskopisch am Magendarm¬ 
kanal Veränderungen zu erkennen waren. 

Deutsche medixinische Wochenschrift No. 24, 1903. 

Anfertigung von Gefrierschnitten zur mikroskopischen Diag¬ 
nose mit Anästhol; von Dr. Katz. Anästliol ist eine Lösung von 
Chlormethyl in Äthylchlorid. Die Technik ist folgende: man 
legt das Präparat auf die Deckplatte des Jungschen Hobel¬ 
mikrotoms und läßt den Strahl zunächst von unten, später von 
oben direkt auf das Präparat wirken. Anästhol siedet bereits 
bei 4°, der Gefrierprozeß geht sehr schnell vor sich, es ist im 
Gebrauch sehr sparsam. 100 gr kosten 2,30 M. in der 
Fabrik von Spei er & Karger, Berlin, Lotbringerstrasse 41. 

Die Photographie des menschlichen Augenhintergrandes; von 
Dr. Thorner. Derselbe teilte in der Physiologischen Gesell¬ 
schaft zu Berlin am 8. Mai 1903 seine Versuche, den mensch¬ 
lichen Augenhintergrund zu photographieren, mit. Die Photo¬ 
graphie des menschlichen Augenhintergrundes erfordert ein weit 
stärkeres Licht als bei der Katze. Am geeignetsten ist 
Magnesiumblitzlicht, bei vorherigem 5 Minuten langem Verweilen 
in völliger Dunkelheit. — 

Emplol de la cocaine en Chirurgie g£nörale. Reclus-Paris 
sprach auf dem Madrider Kongreß über dieses Thema. Er 
injiziert schichtweise in Haut, Aponeurosen u. s. w. und verwendet 
hierbei 0,5—Kokainlösungen. Hierbei spritzt Reclus 
unbedenklich bis zu 20 cg Kokain ein. Bei der lokalen Anästhesie 
operiert Reclus Gastrotomien, Hernien, Geschwülste u. s. w. 
Dieselbe Wochenschrift, No. 26, 1903. 

Die sanitätspolizeiliche Bekämpfung der Pest; von Geh. Ober- 
MetL-Rat Prof. Kirchner. Wird auf das Original verwiesen. 

Experimentelle Beiträge zur Frage der Typhusverbreitung 
durch Butter von Dr. Bruck. Die vom Verf. im Institut für 
Infektionskrankheiten angestellten Versuche ergaben, daß Typhus¬ 
keime leicht durch Butter übertragen werden können. 

Über die Symbiose des Influenzabazillus; von Prof. Neißer. 
Frosch fand, daß gewisse Amöben nur bei Anwesenheit 
lebender Bakterien zu züchten waren. Neißer konnte nun 
feststell en, daß es gelingt, den Pfeifferschen Influenzabazillus 
auch auf gewöhnlichem Agar zu kultivieren, wenn man ihn in 
Symbiose mit dem Xerosebazillus beließ. — Vielleicht gelingt 
es auf diesem Wege noch einzelne der bisher allen Kultur- 
versuchen Trotz bietenden Bakterien rein zu züchten. 


No. 29. 


Der Schildkrötentuberkelbazillus, seine Züchtung, Biologie und 
Pathogenität; von Dr. Friedman fl. Wird auf das Original 
verwiesen. 

Impfangen von Affen mit dem Erreger des Ulcus moiie; von 
Dr. TomaBczewski. Die Resultate der Impfversuche waren: 
Sichere Streptobazillenreinkulturen riefen bei einem Kronenaffen 
Geschwüre hervor, die klinisch und mikroskopisch alle charak¬ 
teristischen Merkmale des weichen Schankers besaßen. Aus 
diesen Geschwüren gelang es, auf Blutagar, Kulturen zu 
züchten, die beim Menschen wiederum Ulcera mollia erzeugten. 

Salokreol. — Guedza sprach überSalokreol auf dem internatio¬ 
nalen medizinischen Kongreß in Madrid. Salokreol ist eine 
Vereinigung der Phenole des Buchenholzteers mit Salizyl. Thera¬ 
peutisch wird es bei Schwellung der Gelenke, bei Rheuma und 
bei Erysipel verwendet. 

Therapeutische Monatshefte 1903. Heft 7. Juli. 

Die Erfolge des Diphtherieheilserums. 4. Artikel von Prof. 
Kassowitz in Wien. Der als Serumgegner bekannte Verf. 
kommt auch in diesem Artikel, zu dessen Wiedergabe in 
längerem Referat es an Raum fehlt, welcher aber im kurzen 
Extrakt hier nicht gegeben werden kann, zu dem Schluß, daß dem 
Diphtherieserum eine prophylaktische und therapeutische Wirkung 
nicht inne wohnt. 

Protylin ist eine Phosphoreiw ei ß verbin düng, der Klasse der 
Paranukleine zugehörig; es wird neuerdings als Nähr- und 
Kräftigungsmittel auf den Markt gebracht. 

Fortschritte der Medixin Bd. 21, 1913. No. 17. 

Die Kochsaizinfu8ion und ihre Verwertung bei Krankheiten; 
von P. Bermbach. In Volkmanns Sammlung klinischer Vorträge 
handelt Bermbach diesen Gegenstand eingehend ab. Die 
Todesursache bei großen Blutverlusten ist nicht die Abnahme 
der Oxydationsvermittler, der roten Blutkörperchen, sondern die 
Abnahme der Gefäßfüllung. Es gelang Hunde selbst nach Ent¬ 
ziehung von zwei Drittel ihrer Gesamtblutmenge durch 
intravenöse Infusion von 0,6 Proz. NaCl-Lösung am Leben zu 
erhalten. Beim Menschen tritt nach der Infusion zuerst Blut¬ 
verdünnung und dann Blutverdickung auf. Besonders bei akuter 
Anämie hat die Kochsalzinfusion gute Resultate ergeben. 

Tagesgeschichte. 

Bericht über die allgemeine Vereins v er Sammlung des 
Vereins preußischer Schlachthoftierärzte 
am 20. und 21. Jnni 1903 in Hannover. 

(Schluß.) 

Der Vorsitzende erstattet nunmehr den Bericht über 
die Plenarversammlung de9 deutschen Veterinärrats 
in München im vergangenen Jahre, der er in seiner Eigenschaft 
als Vorsitzender des Vereins preußischer Schlachthoftierärzte 
beigewohnt hat. Auf der Versammlung waren aus dem Verein 
ferner anwesend die Herren Kühn au-Köln, Wulff-Kottbus 
und Dr. Bündle-Berlin, letzterer zugleich als Vertreter der 
tierärztlichen Gesellschaft zu Berlin. 

Besonders waren es zwei Beratungsgegenstände, 1. die 
Frage, auf welche Seuchen soll das Viehseuchengesetz ausge¬ 
dehnt werden und welche Bestimmungen soll es enthalten, 
sowie 2. die Frage nach der Aufnahme der Spezialistenvereine 
in den Veterinärrat, welche Herrn Goltz Anlaß zu folgenden 
Ausführungen gaben: 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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16. Juli 1903. 


Was den ersterwähnten Verhandlungsgegenstand anbetrifft, 
so ist es wohl nicht Ihr Wunsch, daß ich auf alle in München 
beschlossenen Abänderungen des Viehseuchengesetzes hier ein¬ 
gehe. Sie haben sicherlich den (lang der Verhandlungen und 
ihre Ergebnisse in der Fachliteratur verfolgt, und wer sich 
eingehender darüber unterrichten will, dem empfehle ich das 
Studium des bereits erschienenen speziellen Berichtes. Wenn 
ich in meinem Referate, trotz der Besprechungen in Druck¬ 
schriften, auf die Beratung der Seuchengesetze etwas näher 
eingehe, so tue ich das nur, weil in der Fachliteratur 
die Würdigung der gemachten Vorschläge vom Standpunkte 
des Schlachthoftierarztes bis jetzt nicht geschehen ist, ich 
will aber die letzten Vorgänge in der Seuchengesetzgebung 
gleich zusammen behandeln. 

Nach den Beratungen in München vom 19.—23. Okt. v. Js. 
ist nämlich im Januar d. Js. dem Deutschen Landwirtschafts¬ 
rate und auch der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft vom 
Staatssekretär im Reichsamte des Innern der Entwurf einer 
Novelle zum Reichsviehseuchengesetzo zur Prüfung und 
Äußerung zugegangen. Dieser Entwurf, dessen endgültige 
Fassung noch Vorbehalten wurde, unterscheidet sich nur wenig 
von den Beschlüssen des Deutschen Veterinärrates und hat mit 
kleinen Abänderungen die Zustimmung der genannten beiden 
Gesellschaften gefunden. 

Da die Beschlüsse des Veterinärrates ihre Würdigung an¬ 
scheinend schon in dem Novellenentwurfe gefunden haben, die Ab¬ 
weichungen nicht einschneidender Natur sind, sich auch meistens 
nicht gegenseitig ausschließen, so erübrigt es schon ans diesem 
Grunde, auf die Veterinärratsbeschlüsse besonders einzugehen, 
ich kann mich vielmehr darauf beschränken, meinen Betrachtungen 
der Hauptsache nach den Novellenentwurf zu Grunde zu legen. 

Ich werde indessen nur über die uns hier besonders 
interessierenden Gesetzesbestimmungen sprechen: 

§ 2 Abs. 3 des Gesetzes ist stehen geblieben, d. h. es 
werden auch in Zukunft die Departements-, Amts-, Bezirks-, 
Kreistierärzte u. s. w., also diejenigen, welche vom Staate 
angestellt sind, oder deren Anstellung vom Staate bestätigt 
ist, als ,,beamtete Tierärzte“ bezeichnet, was auch feiner den 
Glauben erwecken und erhalten wird, als seien die von den 
Kommunen angestellten keine Beamten oder beamtete Tierärzte. 

Allerdings ist in § 2 Abs. 3 auch die Bestimmung stehen 
geblieben, daß an Stelle der „beamteten Tierärzte“ im Be¬ 
hinderungsfalle oder ans sonstigen dringenden Gründen andere 
approbierte Tierärzte zugezogen werden können; aber 
bei der bisher beliebten Anwendung dieser Gesetzesbestimmung 
erschien den beamteten Tierärzten, aus denen sich der 
Veterinärrat ja fast ausschließlich zusammensetzt, eine 
Änderung wohl nicht erforderlich. Es werden also auch in 
Zukunft die Kommunal- und Privattierärzte von der Abwehr 
und Unterdrückung der Viehseuchen nach Möglichkeit ausge¬ 
schlossen sein. Demgegenüber hat man in § 3 des Gesetzes 
den Militärbehörden und Vorständen der Remontedepots ihre 
alten Befugnisse in dieser Beziehung gelassen. 

Das bedeutet, daß frühere Militärtierärzte ihre Befug¬ 
nisse und ihre Befähigung, bei der Abwehr und Unterdrückung 
der Seuchen mitzuwirken, verlieren, sobald sie aus dem Militär¬ 
dienste aus8cheiden, ebenso sind die Privat- oder Kommunal¬ 
tierärzte dazu ungeeignet, wenn sie auch das Kreistierarzt¬ 
examen gemacht haben sollten. 


465 


Einen die bisherige Gesetzesanwendnng mildernden Be¬ 
schluß des V. R. muß ich jedoch an dieser Stelle erwähnen; 
derselbe lautet, ohne eine Änderung des Gesetzes einzuschließen, 
auf Antrag Schmaltz dahin: 

„Der V. R. empfiehlt zur wirksamen Durchführung der Ma߬ 
regeln gegen die Seuchen der Schweine, daß die Behörden von 
der im § 2 des Gesetzes ihnen eingeräumten Befugnis zur Zu¬ 
ziehung nicht beamteter T.-Ä. mehr als bisher Gebrauch machen.“ 

M. H.! Ich begrüße diesen Beschluß, der nachträglich 
leider, wie ich mich überzeugen konnte, von vielen beamteten 
T.-Ä. getadelt wurde, mit großer Freude, wenn ich auch nicht 
erwarte, daß er bemerkenswerte Folgen haben wird. Ich be¬ 
grüße ihn, w'eil er Zeugnis davon ablegt, daß es allmählich 
den beamteten T.-Ä. zum Bewußtsein kommt, die nicht be¬ 
amteten T.-Ä. seien bisher mehr wie billig von der Abw r ehr 
und Unterdrückung der Seuchen ausgeschlossen worden. Soll 
er aber weitere Folgen haben, so muß er m. E. ira Gesetze 
selbst zum Ausdrucke kommen und in bezug auf die Schlacht- 
und Viehhöfe eine wesentliche Erweiterung erfahren. 

Die bedenklichsten Bestimmungen des Regierungsentwurfes 
enthält der neue § 8b, dessen Eingang lautet: „Ferner können, 
sowohl um ausgebrochene Seuchen zu unterdrücken, als auch 
um dem Ausbruche von Seuchen vorzubeugen, folgende 
Maßnahmen allgemein angeordnet werden.“ Ist die Fassung 
der Worte „um dem Ausbruche von Seuchen vorzubeugen“ 
schon von sehr weitgehender Bedeutung, so erregen auch die 
unter ZifF. 1—12 aufgezählten Maßregeln ernste Bedenken. 

Nach Ziff. 1 kann die amtstierärztliche oder tierärztliche 
Untersuchung von Tieren vor dem Verladen und Entladen im 
Eisenbahn- und Schiffsverkehr angeordnet werden. Ob die 
Kommunaltierärzte in Zukunft wirklich damit betraut werden, 
ist fraglich, im V. R.-Beschluß wird nur eine amtstierärztliche 
Untersuchung vorgesehen. 

Unter Ziff. 3 desselben Paragraphen wird die Beibringung 
von Ursprungs- und Gesundheitszeugnissen für Handelsvieh und 
für das auf Märkte oder öffentliche Tierschauen gebrachte 
Vieh nunmehr gesetzlich vorgesehen, trotzdem sich diese 
Zeugnisse bisher in dieser allgemeinen Ausdehnung wohl nirgends 
bewährt haben. 

Nach Ziff. 6 kann die Herstellung von Viehladestelleu 
mit undurchlässigem Boden gefordert werden. 

Die Krone aber gebührt der Ziffer 8 im § 8b, sie lautet: 
„Regelung der Einrichtung und des Betriebes von Viehmärkten, 
Viehhöfen und Schlachthöfen, Gast- und Häuslerställen, Ab¬ 
deckereien, Fell- und Häutehandlungen, insbesondere auch 
räumliche Trennung der Viehhöfe von den Schlachthöfen bei 
Neuanlage von solchen, sowie Anlegung getrennter Zu- und 
Abfuhrwege Für die Viehhöfe und Schlachthöfe.“ 

Dazu kommt noch Ziffer 12. Regelung des Verkehrs 
mit Fellen und Häuten. 

Wolilgemerkt alle diese und noch andere, hier nicht er¬ 
wähnte und uns weniger betreffende Maßnahmen können von 
den Behörden, nicht allein um ausgebrochene Seuchen zu unter¬ 
drücken, sondern auch um ihrem Ausbruche vorzubeugen, an¬ 
geordnet werden. D. h. wenn die Behörde von den hier er¬ 
teilten Befugnissen ausgiebigen Gebrauch macht, haben wir in 
nnsern Schl. u. V. überhaupt nichts mehr zu sagen, sondern 
nur noch zu tun, was die Behörde, der Departements- oder 
Kreistierarzt anordnet, widrigenfalls wir wegen Vergehen gegen 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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466 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 29. 


das Seuchengesetz schwer bestraft werden. Denn ein schnei¬ 
diger beamteter T.-A. wird immer Veranlassung haben, einem 
Seuchenau8bmche vorzubeugen, immer geneigt sein, seine Macht¬ 
befugnisse zu erweitern. Wehe dem armen Kommunaltierarzte, 
der dann mit dem ,,Beamteten“ nicht auf dem besten 
Fuße steht! Er wird in kurzer Zeit soviel gemaßsregelt 
werden, daß er gern seinen Wanderstab ergreift und entweder 
auch Beamteter wird oder sich einen andern Wirkungskreis 
sucht. Steht er mit dem schneidigen Kreistierarzte auf gutem 
Fuße, so wird die Kommune die Kosten zu tragen haben. Der 
Verwaltung der Schlacht- und Viehhöfe fernstehende glauben, 
daß die Betriebsleiter derselben sehr unabhängig und selb¬ 
ständig sind. Diese Leute wissen nicht, wie viel schon heute 
die Veterinärpolizei, die Schlachthofdepntation, die Handel- 
und Gewerbetreibenden, der Magistrat, die Stadtverordneten, 
die Gewerbe- und Gesundheitspolizei, die Berufsgenossenschaft, 
die Krankenversicherung, die Bauverwaltung, die Eisenbalm¬ 
betriebsinspektion u. s. w. in die Betriebsverhältnisse eingreifen. 
Ist es heute schon ein Kunststück, allen Vorschriften gerecht 
zu werden und keine Behörde zu übersehen, so würden wir, 
wenn diese Bestimmungen Gesetzeskraft erlangen, sicher nichts 
mehr sein als gehorsame Diener untergeordneter Staatsorgane, 
ganz deren Willkür preisgegeben. — 

In § 9 ist man so gnädig gewesen, den T.-Ä. wie bisher 
die Verpflichtung zur Anzeige des Seuchenausbruches und 
Seuchenverdachts zu belassen. Die gleiche Pflicht wird auch 
den Fleischbeschauern und Abdeckern, den Viehkastrierem und 
Fleischern auferlegt. Wir werden mit den andern Genannten 
also wie früher Pflichten, aber keine Rechte erhalten, nur ein 
Unterschied wird auch in Zukunft bestehen bleiben. Dem TM. 
wird man nicht glauben, wenn er behauptet, er habe die Seuche 
nicht erkannt; alle anderen wird diese Ausrede entlasten oder 
ganz straffrei machen. 

§ 10. Unter die anzeigenpflichtigen Seuchen sind außer 
den früheren der Ranschbrand, die Wild- und Rinderseuche, 
Schweinesenche und Schweinepest, Rotlauf der Schweine, Ge¬ 
flügelcholera und Hühnerpest, die Tuberkulose des Rindviehes, 
sofern sie sich in der Lunge in vorgeschrittenem Zustande 
befindet, oder Enter, Gebärmutter oder Darm ergriffen hat, 
aufgenommen. 

Die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft empfiehlt dazu 
noch die Aufnahme des ansteckenden Scheidenkatarrhes. 

Zwei übertragbare Krankeiten der Haustiere sind aber 
immer noch nicht in das Gesetz aufgenommen, die Trichinen¬ 
krankheit und die Finnenkrankheit. Sollte es denn noch nicht 
an der Zeit sein, den Ursachen derselben energisch auf den 
Leib zu rücken? Die Aussichten, diese Krankheiten in aus¬ 
gedehnten Gebieten des Reiches ganz zu beseitigen, sind doch 
nicht gering, seitdem sich ihrer die Fleischbeschau so liebevoll 
angenommen hat. 

Aus den übrigen Paragraphen ist noch folgendes erwähnens¬ 
wert. 

§ 19 sieht bei den Verhütungsmaßregeln Beschränkungen 
des Personen- und Viehverkehrs innerhalb der verseuchten 
Räumlichkeiten vor. 

§ 22. Die Gehöftsperre konnte bisher erst nach Fest¬ 
stellung der Seuche durch den beamteten T.-A. angeordnet 
werden, in Zukunft soll das nur noch bei Sperre der Feld¬ 
mark oder eines größeren Sperrgebietes erforderlich sein. 


Nach dem neu eingeschalteten § 52 a kann die Tötung 
der an Schweinesenche oder -pest erkrankten oder der ver¬ 
dächtigen Tiere angeordnet werden. Wohlgemerkt, es ist 
hier kein Unterschied zwischen ansteckungs- und krankheits¬ 
verdächtigen Tieren gemacht worden. 

§ 52 d bezieht sich auf die Behandlung der tuberkulösen 
Rinder und ihre Milch. 

In § 59 sind für das wegen Tuberkulose getötete Rind¬ 
vieh 4 / 5 des gemeinen Wertes als Entschädigung vorgesehen, 
die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft wünscht demgegen¬ 
über Entschädigung des vollen gemeinen Wertes. Ein Unter¬ 
schied, ob das tuberkulöse Tier bereits zum Schlachten ver¬ 
kauft ist oder nicht, wird in § 59 rücksichtlich der Ent¬ 
schädigung nicht gemacht. Dementsprechend gehört nach § 62 
die Tuberkulose auch nicht zu den Krankheiten, bei denen 
wegen Unheilbarkeit die Entschädigung versagt werden kann; 
nur in Viehhöfen oder in Schlachthöfen einschl. öffentlicher 
Schlachthäuser darf das auf polizeiliche Anordnung geschlachtete 
oder getötete Tier nicht anfgestellt sein; ist das der Fall, so 
kann die Entschädigung versagt werden. Ich bin der Meinung, 
man müßte, wenn man einen Unterschied machen will, alle 
vor Anmeldung des Verdachtes zum Schlachten verkauften 
Tiere von der Entschädigung ausschließen; denn warum sollen 
die in Schlacht- und Viehhöfen eingestellten Rinder schlechter 
behandelt werden als die zur Abschlachtung in Privatschlacht- 
hänsern bestimmten? 

M. H. Ich habe es für meine Pflicht gehalten, die 
Richtung, in welcher sich die Neubearbeitung oder Durchsicht 
des ReichsviehseuchengesetzeB bewegt, hier zu beleuchten und 
die uns besonders angehenden Teile einer kurzen Besprechung 
zu unterziehen. Sie werden aus ihr ersehen haben, daß das 
Bestreben derjenigen, welche bisher gehört worden sind, dahin 
geht, die Befugnisse und den Machtbereich der Landesbehörden 
und der staatlich angestellten Tierärzte nicht nur zu erweitern, 
sondern womöglich unbegrenzt zu machen. Das könnte uns 
ja recht oder doch gleichgültig sein, wenn dadurch nicht zu¬ 
gleich die Rechte der Kommunen und der von ihnen angestellten 
T.-Ä. in erheblichem Maße geschmälert würden, ohne daß 
sich zugleich ihre Pflichten und Lasten verringern. Der 
Staat will dort ernten, wo die Kommunen und ihre Beamten 
gesät haben. Dies Vorgehen vermehrt selbstverständlich die 
Autorität des Staates und die Macht der Regierung, und dabei 
kostet es noch nicht einmal etwas. Während sonst ein jeder 
den Glanz seines Auftretens teuer bezahlen muß, werden bei 
der Durchführung der Seuchengesetze der Veterinärpolizei die 
Kosten nach Möglichkeit auf die Kommunen und die Unter¬ 
nehmer der Märkte etc. abgewälzt. Man könnte wirklich neu¬ 
gierig fragen: „Wie wäre es mit unserer Veterinärpolizei be¬ 
stellt, wenn der § 24 des Prenß. Ausführungsgesetzes zum 
Viehseuchengesetz nicht existierte, würde man solche Gesetze 
auch machen, wenn dieser Paragraph aufgehoben würde, oder würde 
man sich dann der billigeren Arbeitskraft der Privat- und 
Kommunaltierärzte mehr bedienen? 

Sind denn diese letzteren zur Ausübung der Veterinär¬ 
polizei gar nicht zu verwenden, verdienen sie gar kein Ver¬ 
trauen, auch nicht unter staatlicher Kontrolle? Ich halte es 
denn doch für sehr strittig, ob die Ausübung der Fleisch¬ 
beschau weniger Vertrauen voraussetzt als die der Veterinär¬ 
polizei. Warum können Krankenhäuser und Nervenheilanstalten 


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16. Juli 1908. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


467 


von Kommunalärzten geleitet werden, warum können die 
Kranken ihrer Anstalten von ihnen behandelt werden, ohne 
daß diese Ärzte einer so eingehenden staatliehen Aufsicht 
unterworfen werden, wie die Betriebsleiter der Schlacht- und 
Viehhöfe und die Schlachthoftierärzte? Warum können die 
Bürgermeister und Stadträte der Kommunen die Polizeigewalt 
ausüben, ohne Staatsbeamte zu sein? Etwa nur, weil sie vom 
Staate bestätigt sind? Arbeitet nicht auch der städtische 
Standesbeamte für den Staat und in seinem Namen? Der 
Staat übt die Aufsicht über Privatbahnen aus, leitet sie aber 
nicht. Wollte der Staat die Konsequenzen seines Vorgehens 
auf dem Gebiete der Veterinärpolizei ziehen, dann müßte er 
es auf anderen Gebieten ebenso macheD. Z. B. gehen bei der 
Schiffahrt viele Menschenleben verloren. Warum setzt nun der 
Staat nicht auf jedes Schiff einen nautischen Polizisten, sondern 
begnügt sich mit den von den Kapitänen abgelegten Prüfungen? 

M. H. Der zweite Teil der Tagesordnung der Veterinärrats- 
sitzung in München, der uns besonders interessiert, war die Ein¬ 
reihung der Spezialistenvereine in den Verband des V.R. 

Warum dieserGegenstand auf die Tagesordnung gesetzt war, 
ist mir nicht recht klar geworden, denn nach seinem Statut be¬ 
steht der V. R. aus den gewählten Vertretern der deutschen tier¬ 
ärztlichen Vereine und hat jeder tierärztlicheVerein des Deutschen 
Reiches das Recht, nach der Zahl seiner wirklichen Mitglieder 
einen oder mehrere Vertreter zum Deutschen V. R. zu entsenden. 

Nach diesem Wortlaut des Statuts bedurfte es und bedarf 
es auch heute keiner besonderen Aufnahme unseres Vereins, 
sondern dieser konnte ohne weiteres Delegierte nach M. senden. 

Herr Prof. Dr. Sclimaltz gab bei der Beratung der Frage 
ein längeres Expose, an dessen Schlüsse folgende Resolutionen 
empfehlend: 

1. Dem Beitritt von Spezialistenvereinen zum D. V. R. 
unter den statutarischen Bestimmungen steht nichts im Wege. 

2. Der Vorsitzende eines Deutschen Spezialistenvereins 
ist als solcher Mitglied des Ausschusses des D. V. R. 

Von seiten unseres Vereines wurde demgegenüber durch 
Herrn Kühnan der Wunsch ausgesprochen, daß im Ausschüsse 
des V. R. sich ein Schlachthoftierarzt befinde. Letzteres ist 
tatsächlich bereits der Fall, und so fand der Antrag, einen 
weiteren Schlachthoftierarzt in den Ausschuß aufzunehmen, 
keinen Anklang, man wollte einem prenß. Vereine keinen der¬ 
artigen Vorzug einräumen. 

Die Resolution Schmaltz wurde ad 1 mit Stimmeneinheit, 
ad 2 mit geringer Mehrheit angenommen. Meine Herren, Sie 
haben nun darüber zu entscheiden, ob unser Verein dem 
Deutschen V.-R. beitreten will oder nicht, bejahendenfalls 
würden wir dann die Delegierten zu wählen haben, und zwar 
können wir für jede angefangene Fünfzig der Vereinsmitglieder 
einen Vertreter entsenden. Es steht aber nichts im Wege, 
die Delegiertenwahl auf eine spätere Sitzung zu verschieben, 
weil der V.-R. sobald nicht wieder tagen dürfte. Darauf 
möchte ich noch aufmerksam machen, daß wir im Falle des 
Beitritts auch die Kosten des V.-R. mitzutragen haben. Die¬ 
selben haben, so viel mir bekannt ist, bei der letzten Umlage 
75 Pf. für jedes Vereinsmitglied betragen. Die Frage unseres 
Beitritts hängt mit der Verfassung unseres Vereines in gewisser 
Beziehung zusammen. Denn da unser Verein ein preußischer, 
nicht ein deutscher geworden ist, nachdem die Zentralvertretung 
der preußisch-tierärztlichen Vereine erklärt hat, keine Spezialisten¬ 


vereine mehr aufnehmen zu wellen, so bleibt uns als einziger 
Anschluß an einen größeren Verband nur noch der an den D.V.R. 
übrig, ein Anschluß, der uns in mancher Beziehung von Nutzen 
sein kann. Zu viel darf man sich davon indessen nicht ver¬ 
sprechen; denn dazu tritt der D. V. R. viel zu selten zusammen. 

In Verfolg der Ausführungen des Vorsitzenden beschließt 
die Versammlung, den Vorstand zu beauftragen eine Kommission 
niederzusetzen, welche sich mit der Beratung der Abänderungs¬ 
vorschläge zum Reichsviehseuchengesetz befassen und ent¬ 
sprechende Schritte tun soll, um die Wünsche der Schlacht¬ 
hoftierärzte bezüglich der Abänderung des Reichsviehseuchen¬ 
gesetzes an geeigneter Stelle zur Beachtung zu bringen. 

Der Beitritt zum deutschen Veterinärrat wird be¬ 
schlossen, die Wahl der Delegierten soll dem Vorstand über¬ 
lassen bleiben. 

Ein Antrag des rheinisch-westfälischen Bezirks¬ 
vereins im Deutschen Fleischer-Verbände, betreffend die Be¬ 
sprechung der Regelung der Fütterung der nach Lebend¬ 
gewicht zu verkaufenden Tiere auf den Viehhöfen gelangt 
nicht zur Verhandlung. 

Ein Antrag Rieck-Hentschel-Schrader: ,,Welche 
Stellung soll der Verein preußischer Schlachthoftierärzte zu dem 
Anträge des Vereins der beamteten Tierärzte, die Untersuchung 
der Schlachtpferde lediglich durch Kreistierärzte, einnehmen?“ 
wird dem Vorstand zur geeigneten Behandlung überwiesen. 

Als Ort der nächstjährigen allgemeinen Vereins* 
Versammlung wird Berlin, als Zeit Ende Juni gewälilt. 

• Nach Schluß der Versammlung fand ein gemeinsames 
Essen mit Damen im Hotel zu den vier Jahreszeiten in 
Hannover statt. An demselben nahmen als Gäste die Herren Ge- 
heimräte Dr. Lydtin Und Dr. Dammann, sowie Herr Prof. 
Dr. Ostertag teil. Nachdem Herr Goltz den Kaisertoast 
ausgebracht und Herr Kühnan die Gäste begrüßt hatte, 
erhob sich Herr Geheimrat Lydtin zu einem zündenden 
Toast auf den Verein, in dem er die Entwickelung der 
Fleischbeschau schilderte und den Zusammenschluß der 
Schlachthoftierärzte als eine in sich gegebene Notwendigkeit 
bei dem Widerstreit der verschiedenen Interessen bezeichnete, 
um zum Schluß darauf hinzuweisen, daß es von seiten der 
Landwirtschaft gut aufgenommen worden ist, daß die Tierärzte 
jetzt mit den Landwirten in nähere Berührung auch auf den 
großen Ausstellungen der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft 
treten. Kühnan. 

Ein Tierarzt Rektor der Universität 

Zum Rektor der Universität Bern für das Studienjahr 1903/04 
wurde gewählt Professor Dr. Guillebeau von der veterinär¬ 
medizinischen Fakultät. 

Diese Meldung ans der Schweiz ist ein Symptom für den 
Umschwung der Verhältnisse in der Tiermedizin und der An- 
schauungen über dieselbe, dessen Bedeutung über die Grenzen 
der Schweiz hinaus reicht und namentlich in Deutschland und 
Österreich lebhafte Freude hervorrufen wird. 

Zum ersten Male ist an einer Universität, die, wenn auch 
nicht politisch, so doch im Geiste (sie mag wollen oder nicht") 
zn den deutschen zählt, ein Tierarzt zum Rektor gewählt 
worden, — an einer Universität, welche in früherer Zeit sich 
den Vertretern der Tiermedizin gegenüber genau so schwierig 
und ablehnend gezeigt hat, wie die meisten Universitäten unseres 
engeren Vaterlandes. 


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468 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 29. 


Wenn jetzt, wenige Jahre nach der Vereinigung der ehe- 
maligen Tierarzneischale mit der Universität, die letztere, map 
kann sagen, demonstrativ einen Angehörigen der veterinär¬ 
medizinischen Fakultät mit der höchsten Würde bekleidet, so 
läßt uns das erkennen — und darin liegt die allgemeine sympto¬ 
matische Bedeutung —, wie die Einführung der obligatorischen 
Universitätsreife, welche in der Schweiz einige Jahre früher 
als in Deutschland erfolgt ist, unwiderstehliche Folgen hat und 
den Aufstieg zu voller akademischer Gleichberechtigung ganz 
von selbst nach sich zieht. 

Die Universität Bern hat damit allerdings glänzend gezeigt, 
daß sie der Umwandlung der Tierarzneischule in eine veterinär¬ 
medizinische Fakultät auf das loyalste Rechnung trägt. Die 
veterinärmedizinische Fakultät hat damit den Beweis erhalten, 
daß sie nicht als ein nebensächliches Anhängsel betrachtet, 
sondern voll anerkannt wird; sie ist dadurch derjenigen Grund¬ 
lage versichert worden, welche allein die Verschmelzung mit 
einer Universität annehmbar macht und eine gesunde Weiter¬ 
entwicklung gewährleistet. 

Wir hoffen, daß diese Auffassung und Haltung der Gesamt¬ 
universität zu Bern in Deutschland Beachtung, Beherzigung 
und Nachahmung an denjenigen Orten finden wird, wo etwa 
ebenfalls die Vereinigung einer tierärztlichen Hochschule mit 
einer Universität erwogen und einmal durchgeführt wird. 

Dem Rector magnificus Guillebeau aber und der ganzen 
veterinärmedizinischen Fakultät von Bern sei ein herzlicher 
Glückwunsch dargebracht. S. 

Dr. med. vet. 

Wie wir von holländischen und einem russischen, in Bern 
promovierten Tierarzt erfahren, werden die Doktordiplome der 
veterinärmedizinischen Fakultäten der Schweiz ebenso wie in 
den anderen auswärtigen Staaten (vgl. a. B. T. W. No. 15 S. 259) 
auch in Holland und Rußland voll anerkannt, > 

t» 

Sachsen-Meiningen. 

Seit dem 1. Januar d. Js. führen die in den Kreisstädten 
amtierenden ehemaligen Amtstierärzte die Amtsbezeichnung als 
„Kreistierärzte“ und beziehen ein pensionsfähiges Gehalt von 
1500—2400 Mark. 

VI. Quittung Ober die zum preussischen Stipendienfonds eingegangenen 

Beiträge 

bis zuin 30. Juni er. 

Transport vom 30. Mai 4097,00 M. 

Nagel, Kreistierarzt, Osterode (Harz).15,— „ 

Ehlers, Dr., Kreistierarzt, Northeim (Hannover) .... 25,05 „ 

Loth, Tierarzt, Annaburg b. Halle.10,— „ 

Müller, Tierarzt, Horneburg.21,— „ 

Gesammelt auf der Versammlung der Tierärzte im Reg.- 
Bcz. Köslin (eingesandt durch Herrn Direktor Dr. 

Sclnvarz-Stolp).52,— „ 

Verein westpreuliischer Tierärzte durch Herrn Kreistierarzt 

Görlitz-Dirschau. 100,06 „ 

Verein der Tierärzte des Reg.-Bez. Stettin. 200,— „ 

Summa 4520,— M. 

Schlesische Gruppe des Verbandes der Privattierärzte. 

Sonntag, den 19. Juli d. Js., vormittags 11 , / 9 Uhr, findet 
in Breslau, im Hotel „König von Ungarn“, Bischofstr. 13 eine 
Sitzung des Verbandes der Privattierärzte Schlesiens mit folgender 
Tagesordnung statt: 

1. Geschäftliche Mitteilungen und Vereinsangelegenheiten. 
2. Fleischbeschau und Ergänzungs-Fleischbeschau. 3. Verschiedenes. 

Zahlreiches Erscheinen dringend erwünscht. NB. Nach der 
Sitzung Diner. Der Vorstand. 


Seuchengesetz-Entwurf. 

Am letzten Montag war im preuß. Ministerium für Land¬ 
wirtschaft etc. die technische Deputation für das Veterinärwesen 
behufs Begutachtung des Entwurfes der Novelle zum Vieh¬ 
seuchengesetz zu ihrer XI. Plenarversammlung zusammenge¬ 
treten. Zur Deputation gehören bekanntlich neben den tier¬ 
ärztlichen Mitgliedern hervorragende Landwirte aus allen 
Provinzen, darunter seit der Errichtung der Deputation Graf 
v. Zedlitz, Exz., Oberpräsident von Hessen. Ferner waren 
in der vorigen Woche zu Danzig die Vertreter der Land- 
wirtschaftskammern zu demselben Zwecke versammelt. Beide 
Beratungen haben in allen wesentlichen Punkten Überein¬ 
stimmung mit dem vorgelegten Entwurf ergeben. 

Seuchen naohrichten. 

Am 30. Juni herrschte in Deutschland der Rotz in 18 Ge¬ 
meinden (darunter 9 preußischen), die Lungenseuche in einem 
Gehöft des R.-B. Bromberg, die Maul- und Klauenseuche in fol¬ 
genden Kreisen und (eingeklammert) Gemeinden der Regierungs- 
etc. Bezirke: Liegnitz 1 (2), Koblenz 2 (5), Oberbayern 4 (5), 
Neckar- und Schwarzwaldkreis 2 (3), Karlsruhe i. B. 1 (1), 
Starkenburg (Hessen) 1 (2) (oldenburgisch), Birkenfeld im 
Rheinland 1 (1), Unterelsaß 3 (5), Lothringen 1 (4). Schweine¬ 
seuche und Schweinepest sind nach wie vor sehr verbreitet. 

Auf dem Viehhofe zu München ist am 11. Juli der Aus¬ 
bruch und zugleich das Erlöschen der Maul- und Klauenseuche 
unter Rindern konstatiert worden. 

Personalien. 

Auszeichnungen, Ernennungen! Professor Dr. Quülcbeau von der 
vet.-med. Fakultät wurde zum Rektor der Universität Bern für das 
Studienjahr -1903/04 gewählt. — Assistent Dr. Kämbaeh an der 
chirurgischen Klinik der Tierärztlichen Hochschule in Berlin wurde 
zum Repetitor daselbst ernannt. 

Wohnsitzveränderung: Verzogen ist Bezirkstierarzt Vill von 
Bamberg nach Gerolzhofen. 

Examina: Promoviert wurden die Tierärzte Simon in Siverenz 
im Elsaß zum Dr. med. vet. und Schöndorff in Mülheim a. Rh. zum 
Dr. phil. in Bern, Veterinär Wilhelm Meyer in München zum Dr. 
med. vet. in Zürich. — Approbiert wurden die Herren Erich Grosehe, 
Rudolf Meyer, Karl Storbeck, Karl Woggon in Berlin: desgl. Wilhelm 
Bruns, Heinrich Büscher, Karl Dobberstein, Wilh. Reineckc in Hannover. 

In der Armee: Befördert: zum Oberroßarzt der Roßarzt 
Bialias im Drag.-Rgt, No. 6; zum Roßarzt im Ul.-Rgt. No. 10 der 
Unterroßarzt Pfefferkorn vom Drag.-Rgt. No. 15. — Versetzt: 
Oberroßarzt Kunxe vom Drag.-Rgt. No. 6 zum Ul.-Rgt. No. 15. — 
In Ruhestand versetzt: Roßarzt Pee vom Train-Bat. No. 16. — 
Im Beurlaubtenstande: Zu Oberroßärzten: die Roßärzte in 
Breslau, Spangenberg in Lennep, Koll in Koblenz, Uhse in Kottbus; 

— zu Roßärzten die Unterroßärzte Stöhr in Stettin, Müller in Glatz. 

— Der Abschied bewilligt den Roßärzten Dr. Gmelin in Bruchsal 
und Schnake in Dortmund. 

Todesfall: Max Tschauner, Schlachthofinspektor in Köslin. 

Vakanzen. 

Neu hinzugetreten: Kreistierarztstelle Adenau (R.-B. Koblenz). 
300 M. Kreiszuschuß für das erste Jahr. Bew. bis 15. 8. 

Schlachthofstellen: Briesen i. Westpr.: Tierarzt z.'l. Oktob. 
1500 M. Meid, schleunigst a. Mag. — Bromberg: Assistenztierarzt 
z. 1. Aug. 2100—2400 M. Bew. a. Mag. — Elbing: Hilfstierarzt 
z. 15. Juli. 1800 M. Bew. a. Magistrat. — Linden b. Hann.: 
2. kommiss. Tierarzt z. 1. Oktob. 2000 M. Bew. bis 1. Aug. a. 
Mag. — Mülheim a. Rh.: Assistenztierarzt. 1800 M. Bew. an d. 
Schlachthofdirektor. — Zwickau: Tierarzt z. 1.Okt. 2100 M., freie 
Wohnung etc. Bew. bis Anfang Septb. an den Rat der Stadt Zwickau. 

Besetzt: Die Stellen in Mehlsack und Osnabrück. 


Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmaltz in Berlin. — Verlag und Eigentum von Richard Schoetz ln Berlin. — Druck von W. Büxenstein, Berlin. 


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wöchentlich lm Verlege tob Bieherd Behoeta in 
Berlin, Lu Isen« tr. 88. Durch Jedes deutsche Postamt wird 
dieselbe «rum Preise von M. 5,— vierteljährlich (M. 4,88 für 
die Wochenschrift, 18 Pf. Ar Bestellgeld) frei ins Heus 
geliefert. (Deutsche Post*Zeitung«-Preisliste No. 1108, 
Oösterreichische No. 610, Ungerls che No. 90.) 


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Orlginelbelträge werden mit60 Hk. Ar den Bogen honoriert. 
▲Ile Menuskripte, Mitteilungen und redektlonellen An¬ 
fragen beliebe men au senden an Prot Dr. Schmalta, 
Berlin, tleräretliobe Hochschule, NW-, Lulsenrtresse 68. 
Korrekturen, Rezensions-Exemplare und Annoncen da¬ 
gegen an die Verlagsbuchhandlung, 


Tierärztliche Wochenschrift 


Redaktion: 

Professor Dr. Schmal tz- Berlin 

Verantwortlicher Redakteur. 


De Bnihi 

Dr. Jest 

Köhnau 

Dr. Lotheo 

Nevermann 

Prot Dr. Peter 

Peters 

Professor 

Kreist! er» rst 

Schlachthofdirektor 

Departementstlerarxt 

Krelstlerant 

Kreistierarst 

Departementstlerarat 

Utrecht. 

Charlottenbnrg. 

Cöln. 

Cöln. 

Bremervörde. 

Angermünde. 

Bromberg. 


Freusse 

Dr. Boeder 

Dr. Schlegel 

Dr. Vogel 

ZOndel 



Veterinlrassesaor 

Professor 

Professor 

Landestierarxt ▼. Bayern Kreistierarst 



Danzig. 

Dresden. 

Freibarg i. Br. 

München. 

Mülhausen L E. 


Jahrgang 1903. J\f$. 30 * Ansgegeben am 23. Juli. 


Inh alt: Zehl: Zar SauerBtofftherapieJund’Ätiologie^der^Gebärparese. — Schroeder: Generalisierte Tuberkulose beim 
Rinde. — Platsohek nnd Joseph: In welcher Lage impft man Schweine am leichtesten. — Referate: de Bruin: Ein 
kurzes Inknbationsstadiam von Tetanus. — Wassermann: Weitere Mitteilungen über Bekämpfung der Schweineseuche. — 
Peace: Hepatitis suppurativa als Folge eingedickter Galle. — Zur Kasuistik der Polydaktylie. — Fischer und Koske: 
Untersuchungen über die sogenannte „rohe Karbolsäure“. — Jefi: Wochenübersicht über die medizinische Literatur. — Tages- 
geaohlohte: Die Moriansche Klausel bei Unfallversicherungen. — Über Untersuchungspflicbtigkeit von Hausscblachtongen. — 
Die Begründnng der modernen Anatomie durch Leonardo da Vinci and die Wiederauffindung zweier Schriften desselben. — 
Verschiedenes. — Personalien. — Vakanzen. 


Zur Sauerstofftherapie und Ätiologie der Gebär¬ 
parese. 

Von 

Dr. A. Zehl-Trebbin, 

prakL TIerarrt. 

Angeregt durch den vor einiger Zeit im Schweizer Archiv 
erschienenen Artikel des Kollegen Knüsei, versnehte ich, nach¬ 
dem ich bisher in zahlreichen. Fällen mittelst Luftkatheters nur 
günstige Resultate erzielt hatte, ebenfalls den Sauerstoff gegen 
Gebärparese. 

Ich wandte mich wegen Lieferung desselben an die Saner- 
stoff-Fabrik, Berlin, Tegelerstr. 15, nnd sprach gleichzeitig meine 
Wünsche in bezng auf leichte Transportfähigkeit der Gas¬ 
behälter ans, da mir die Zylinder von 1200 1 Inhalt, wie sie 
zur Inhalation Verwendung finden, nicht geeignet schienen. Es 
wurden mir daraufhin von der Fabrik Stahlzylinder von ca. 1001 
als für meine Zwecke passend offeriert. Der Preis stellte sich 
auf 2 M. pro 100 1 Sauerstoff, während mir die Zylinder drei 
Monate kostenlos überlassen worden. Nach Ablauf dieser Zeit 
sollte eine Leihgebühr von 1 M. pro Monat nnd Stück ln An¬ 
satz gebracht werden. 

Der verhältnismäßig hohe Preis für das Gas gegenüber 
dem in größeren Behältern gelieferten wurde von der Fabrik 
damit begründet, daß die Kompressionskosten bei kleinen nnd 
großen Füllungen die gleichen wären. Die mir zugesandten 
Stahlzylinder sind ca. 40 cm hoch, haben 20 cm Umfang and 
ein Gewicht von 3 kg; sie können also auf dem Wagen bequem 
transportiert werden. 

Wie ich gleich vorweg bemerken will, reicht der Inhalt 
eines Zylinders zur Behandlung von zwei bis drei Patienten ans. 

Ich habe im ganzen nennmal Gebftrparese mit Sauerstoff 
behandelt nnd gehe zunächst eine knrze Beschreibung der ein¬ 
zelnen Fälle. 

1. Mastig genährte Färse erkrankte fünf Stunden nach ihrer 
zweiten, leicht erfolgten Geburt. Das Tier liegt völlig gelähmt 
anf der Seite nnd kann sich, in die normale Lage gebracht, 


auch mit Unterstützung nicht in derselben halten. Nach der 
bekannten Vorbereitüng des Enters wird der Sauerstoff in 
gleichmäßigem, nicht zn starkem Strome eingeleitet bis jedes 
Euterviertel prall gefüllt ist, und nach Herausnahme des Kathe¬ 
ters das Gas ans dem betreffenden Strichkanal zischend zum 
Teil wieder entweicht. Eine Viertelstunde später hält sich die 
Färse schon in der gewöhnlichen Lage, kann jedoch den Kopf 
noch nicht tragen.. .Nach- weiteren .dreißig, Minuten nimmt der 
Patient, der nun ein ganz munteres Aussehen zeigt, etwas Heu 
nnd Trank. Sechs Standen nach Einführung des Sauerstoffs 
steht die Färse ohne Hilfe auf und ist genesen. Das Gas wird 
dnreh Melken allmählich ans dem Enter entfernt. 

2. Sechsjährige, gut genährte Kuh, welche zur vorigen 
Laktationsperiode ca. 25 1 Milch gegeben hatte, bekam 
24 Stunden nach dem Kalben Gebärparese nnd zwar in mittlerem 
Grade. Die Behandlung wird 3 Stunden darauf eingeleitet and 
erzielt nach 20 Minuten so weit Besserung, daß der Kopf frei 
getragen wird. Hen und Trank werden von dem Tier schon 
dreißig Minuten später mit Appetit verzehrt. Nach weiteren 
V-fo Stunden erhebt sich die Kuh. 

3. Siebenjährige, mastige Kuh zeigte 36 Stunden nach der 
Geburt die ersten Symptome der Gebärparese. Bei der fünf 
Standen nachher begonnenen Sauerstoffeinführang liegt das 
Tier hochgradig krank auf der Seite. Nach Verlauf von dreißig 
Minuten kann die Kuh sich in normaler Lage halten, ist jedoch 
erst nach ferneren 20 Minuten im stände, den Kopf zu tragen. 
Vollständige Genesung erfolgt neun Standen nach der Be¬ 
handlung. 

4. Fünfjährige Kuh in mittlerem Nähr zustande erkrankte 
leicht 48 Standen nach dem Abkalben. Der Kopf wird noch 
zeitweise getragen, während der Patient in Bauchlage sich zn 
halten vermag. Die Sauerstoffbehandlung bessert den Zustand 
innerhalb 10 Minuten und erzielt binnen 8 /4 Stunden Heilong. 

5. Sechsjährige, mastige Kuh hatte nicht zn leicht gekalbt 
nnd bekam 12 Stunden darauf Gebärparese. Zwei Standen 
später wird das völlig gelähmte Tier behandelt. Nach zwei 


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470 


Standen frißt und säuft dasselbe, während schon eine Stunde 
früher deutliche Besserung in der Haltung wahrnehmbar ge¬ 
wesen ist. Jedoch steht die Kuh erst nach 24 Stunden auf. 

6. Achtjährige, fette Kuh wurde kurz nach der Geburt 
hochgradig krank. Bedeutende Besserung macht sich eine 
Stunde nach der Behandlung bemerkbar. Bis zum Eintritt der 
vollständigen Genesung vergehen im ganzen fünf Stunden. 

7. Neunjährige, gut genährte Kuh wurde wegen Gebär¬ 
parese, welche 30 Stunden nach der Geburt aufgetreten war, 
drei Stunden darauf behandelt. Das Tier ist nur geringgradig 
erkrankt und bessert Bich unmittelbar nach der Sauerstoff¬ 
zufuhr. Schon eine Stunde später ist der Patient genesen. 

8. Sechsjährige fette Kuh lag 20 Stunden nach dem Kalben 
schwerkrank fest. Die Besserung tritt in diesem Falle erst 
l 1 /« Stunden nach Füllung des Euters ein, indes die Heilung 
noch weitere G Stunden in Anspruch nimmt. 

9. Fünfjährige, mittelgenährte Kuh zeigte sich 38 Stunden 
nach der Geburt leichtgradig erkrankt. Innerhalb 10 Minuten 
wird Besserung durch den Sauerstoff erreicht. Nach ferneren 
45 Minuten steht das Tier schon auf. 

Ziehen wir das Facit aus der vorstehenden Kasuistik, so 
ist in allen neun Fällen Heilung erzielt worden. Die Zeiten, 
innerhalb deren Besserung beziehungsweise Genesung eintrat, 
schwanken im großen und ganzen zwischep engen Grenzen und 
stimmen durchschnittlich mit der bei Verwendung des Luft¬ 
katheters von mir beobachteten Dauer überein. Auch nach 
Applikation des Luftfilters konnte ich bei drei von 38 so be¬ 
handelten Patienten sofortige Heilung verzeichnen. Was also 
die Wirkung des Sauerstoffs anlangt, so ist dieselbe nicht von 
deijenigen der Luft verschieden. Dagegen gebührt ersterem 
der Vorzug darin, daß die Füllung des Euters fasch und 
gleichmäßig vor sich geht, während bei großen Eutern die An¬ 
wendung des Luftkatheters längere Zeit beansprucht und auch 
die Hand des Arztes ermüdet. Die ganze Art und Weise der 
Sauerstoffbehandlung sieht, wenn ich mich so ausdrücken soll, 
wissenschaftlicher aus und macht auch dementsprechenden Ein¬ 
druck auf den Besitzer, der bei der so einfachen Handhabung 
des Luftkatheters leicht in Versuchung geraten könnte, das 
nächste Mal selbst Tierarzt zu spielen. 

Diesen äußerlichen Vorzügen stehen aber auf der anderen 
Seite wieder einige Nachteile gegenüber. Zunächst kann der 
Sauerstoffzylinder zwar bequem auf dem Wagen untergebracht 
werden, das Mitfuhren auf dem Rade dürfte jedoch im Gegen¬ 
satz zum Luftfilter seine Schwierigkeiten haben. Weiter müssen 
auch die Kosten in Betracht gezogen werden, die bei letzterem 
gleich Null sind, beim Sauerstoff aber eventuell gar nicht so 
unerheblich werden können. Derselbe muß nämlich vom Land¬ 
tierarzt vorrätig gehalten werden; lassen nun die Erkrankungen, 
wie es ja häufig vorkommt, einige Monate lang auf sich warten, 
so summiert sich aus der Leihgebühr für die Zylinder, dem 
Preise des Gases, Anschaffungskosten des Manometers, Fracht 
für Hin- und Rücksendung doch ein Betrag, den man nicht so 
ohne weiteres auf 2—3 Besitzer repartieren kann. In dieser 
pekuniären Hinsicht könnte wohl dadurch etwas Abhilfe ge¬ 
schaffen werden, daß die Fabrik die Zylinder länger als drei 
Monate gebührenfrei den Tierärzten überließe und den Preis 
für den Sauerstoff bei Abnahme mehrerer Zylinder ermäßigte. 
Dann würde sich der Sauerstoff nach meinem Dafürhalten 
wegen der Bequemlichkeit der Handhabung und der anderen 


No. 30. 


schon angeführten Gründe allgemein Eingang als Heilmittel 
gegen die Gebärparese verschaffen. 

Diese prompten Resultate, die durch die Euterbehandlung 
mit Luft oder Sauerstoff bisher erzielt worden sind, gestatten 
uns vielleicht auch einen Rückschluß auf die Art ihrer Wirkung 
und auf die Ätiologie der Krankheit. Denn die dafür bis zur 
jüngsten Zeit aufgestellten Theorien lassen den heutigen Erfolgen 
gegenüber mehr oder weniger im Stich. 

Den Ursprung der Krankheit suchte Franck im Uterus 
und schloß, daß die nach leichter Geburt plötzlich aus der 
Gebärmutter frei werdende Blutmenge eine ungleiche Blut¬ 
verteilung im Körper herbeiführe, und dadurch im Gehirn 
Hyperämie, im weiteren Verlaufe ödem und Anämie entstehe. 
Auch Schmidt-Mühlheim hielt den Uterus für den Entstehungs¬ 
ort der Erkrankung und meinte, daß hier in der Lochial- 
flüsBigkeit Giftstoffe gebildet würden, welche die Lähmungs¬ 
erscheinungen verursachten. Als erster verlegte dann Schmidt- 
Kolding die Herkunftstätte des Kalbefiebers ins Euter, indem er 
von der Annahme ausging, daß sich bei der starken Laktation 
giftige Spaltprodukte bilden, und diese die Gebärparese erzeugen. 
Infolgedessen machte er auch das Euter zum Angriffspunkte 
seiner Therapie, durch welche er die Milchproduktion unter¬ 
drücken und so das weitere Entstehen der Giftstoffe hemmen 
wollte. Der Erfolg seiner Behandlungsweise, die die Anzahl 
der Todesfälle beziehungsweise Schlachtungen von ca. 50 Proz. 
auf ca. 20 Proz. herabsetzte, schien seine Theorie zu recht- 
fertigen. Die Heilungen nahmen hierbei immer eine geraume 
Zeit in Anspruch, überraschend schnelle Besserung und Genesung 
wurden nicht beobachtet. Es war also die nötige Frist, um 
Giftstoffe unschädlich zu machen, reichlich gegeben. Die öfter 
gesehenen Rezidiven ’ ühtörstützten noch wesentlich Schmidt- 
Holdings Annahme vom Wesen der Gebärparese. Daß übrigens 
der Zusatz von Jodkali und Natrium bicarbonicum zum Wasser 
bei der Infusion ohne Belang ist, habe ich mehreremale selbst 
ausgeprobt, indem ich mit demselben guten Erfolge Einspülungen 
von reinem Wasser gemacht habe, wenn mir oben genannte 
Medikamente nicht zur Hand gewesen sind. 

Schmidt-Kolding legte ferner Wert darauf, daß bei der 
Infusion Luft mit ins Euter hineingelangte; er mußte dadurch 
wohl bessere Resultate gezeitigt haben. Daher verließ Evers 
die Infusion ganz und preßte nur Luft vermittelst des von ihm 
konstruierten Luftfilters ein. Knüsel folgerte nun, daß bei 
dieser Lufttherapie der Sauerstoff allein und zwar chemisch 
wirksam ist, und benutzte deshalb reinen Sauerstoff zur Be¬ 
handlung der Krankheit. Ich kann nach Vergleichung der mit 
Luft und der mit Sauerstoff von mir erzielten Heilerfolge 
Knüsels Ansicht nicht teilen, denn notwendigerweise müßte 
die Wirkung des Sauerstoffs dann auch die der Luft bei weitem 
Übertreffen, was durchaus nicht der Fall ist 

Bei den 47 Patienten, die ich auf beide Weisen behandelt 
habe, konstatierte ich, daß Besserung, d. h. Zurückkehren des 
Bewußtseins, meistens innerhalb einer Viertelstunde auftrat; 
nur bei einem geringen Prozentsatz war diese Zeitdauer länger, 
bis zu iy 4 Stunde. Dagegen sah ich oft sofortige Besserung, 
auch bei anscheinend schwer erkrankten Tieren, und in ver¬ 
einzelten Fällen auch ganz schnelle Heilung, sodaß die Kühe 
unmittelbar nach der Behandlung ohne Hilfe aufotanden. • 

Daß das Euter der Ort ist, von dem die Krankheit ihren 
Ausgang nimmt, ist durch diese Erfolge wohl als bewiesen ohne 


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weiteres anzunehmen, und damit würden wir die Theorien 
von Franck und Schmidt-Mühlheim ausscheiden. Doch wider¬ 
sprechen die bei der Heilung gemachten Beobachtungen auch 
der Ansicht von Schmidt-Holding, denn die bis zur Besserung 
beziehungsweise bis zur Heilung der Patienten verstrichene, so 
kurze Frist ist meines Erachtens nicht ausreichend, um Gift¬ 
stoffe aus dem Körper zu beseitigen oder in ihren Wirkungen 
unschädlich zu machen. Die plötzlichen Genesungen sind hier¬ 
nach endlich gar nicht zu erklären. 

Bei dem ziemlich zahlreichen Material, das mir in 3 / 4 Jahren 
zur Beobachtung gekommen ist, habe ich nun festgestellt, daß 
alle Tiere längere Zeit (mindestens einige Wochen) vor dem 
Kalben vollkommen „trocken“ gestanden haben. Solche Kühe, 
welche bis zur Geburt oder kurz davor Milch gaben, blieben 
von der Krankheit trotz sonstiger günstiger Vorbedingungen 
verschont. Sollte dieses „Trockenstehen“, das, so viel mir be¬ 
kannt ist, bisher bei der Ätiologie nicht in Betracht gezogen 
wurde, nicht ein Moment zur Veranlassung der Gebärparese 
sein? Nach wochenlanger Pause beginnt eine der größten 
Drüsen der Koh wieder ihre Tätigkeit, und zwar geschieht 
dieser Vorgang, das „Heruntereutern“ vulgär genannt, nicht 
allmählich, sondern ziemlich stürmisch und benötigt hierzu Blut 
in großer Menge. Kann sich die dadurch im Körper hervor¬ 
gerufene, veränderte Blutverteilung nicht bald wieder ausgleichen, 
so entstehen notgedrungen Störungen, die wohl zunächst an 
dem empfindlichsten Organ des Körpers, dem Gehirn, vorwiegend 
sich bemerkbar machen werden. 

Franck hatte schon, wie erwähnt, eine Zirkulationsstörung 
im Gehirn, die dnrch das nach der Geburt im Uterus frei ge¬ 
wordene Blut bedingt sein sollte, als Ursache der Gebärparese 
genannt. Hiernach ließen sich' jedoch Fälle der Krankheit, die 
vor dem Kalben oder mehrere Tage nach demselben auftraten, 
nicht deuten. 

Nehmen wir jedoch an, daß diese ungleiche Blutverteilung 
nur die Folge der plötzlich und reichlich beginnenden Milch¬ 
drüsentätigkeit ist, so können die Erkrankungen vor der Geburt 
so erklärt werden, daß die Milchsekretion schon zu dieser Zeit 
voll im Gange ist. In der Tat konnte ich bei zwei Patienten, 
die vor dem Abkalben krank wurden, feststellen, daß sie schon 
große Quantitäten Milch lieferten. In analoger Weise wäre 
dann auch die Entstehung des Kalbefiebers, das erst am zweiten 
oder dritten Tage nach der Geburt beginnt, mit verzögertem 
„Heruntereutern“ zu begründen. 

[Hier ist vielleicht die passende Stelle, um einzufügen, daß 
ich bei den verschiedensten Arten der Krankheit dreimal nach 
dem Kalben eine Form gesehen habe, die ich als subakute be¬ 
zeichnen möchte. 

Die Tiere stehen schwer auf, zeigen sich steif beim Herum¬ 
treten, der Appetit ist teilweise oder ganz aufgehoben, die 
Arbeit des Magens, des Darmes und der Blase ruht, während 
die Milchproduktion stark vermindert ist. 

In allen drei Fällen wurde ich erst gerufen, nachdem die 
Krankheitssymptome, die 24—36 Stunden nach der Geburt auf¬ 
getreten und vom Besitzer nicht als Kalbefieber erkannt waren, 
24 Stunden bestanden hatten, ohne an Stärke zuzunehmen. Die 
Heilung der drei Patienten wurde innerhalb 2—4 Stunden 
nur durch Verwendung des Luftkatheters erreicht.] 

Nach dieser Auffassung werden wir uns die Wirkung der 
Infasion, 6owie der Luft- oder Sauerstoffeinpressung ins Euter 


nur als mechanische zu denken haben. Die Drüse wird, so¬ 
zusagen, aus dem Körper ausgeschaltet, indem das Blut aus 
derselben mehr oder weniger vollkommen herausgedrängt wird, 
und der Zufluß neuen Blutes gehindert oder erschwert wird. Die 
Tätigkeit der Drüse sistirt dadurch und es wird in der Blut¬ 
zirkulation der Status quo ante wieder hergestellt. Die Infusion 
hat dann deshalb nicht den unbedingten und schnellen Erfolg, 
weil dieselbe das Blut erstens nicht so vollständig zu verdrängen 
und zweitens das letztere nicht genügend lange Zeit abzuhalten 
vermag, wie es die Luft kann. In eben dieser Weise sind auch 
die Rückfälle zu erklären. 

Versuchsweise habe ich bei zwei leicht erkrankten Kühen 
die Besserung bezw. Heilung, welche nach Analogie ähnlicher 
Fälle nur J / 4 Stunde resp. 2—3 Stunden in Anspruch nehmen 
durfte, dadurch um mehrere Stunden verzögert, daß ich das 
Euter nicht ganz voll Luft pumpte, sondern es nur teilweise 
füllte. 

Resümieren wir zum Schluß das Angeführte kurz und lassen 
das Hypothetische dabei aus dem Spiele, bo ist: 

1. die Wirkung sowohl der Infusion als der Luft- und 
Sauerstoffeinfuhrung ins Euter der an Gebärparese erkrankten 
Tiere als rein mechanische aufzufassen. 

2. Ist ein längeres Trockenstehen der Kühe ein prä¬ 
disponierendes Moment zum Entstehen der Krankheit. 

Generalisierte Tuberkulose beim Rinde. 

Von 

Schroeder-Colmar, 

.riy . Untcrroßarzt Im Drag.-Rog. No. 14. 

Durch die Liebenswürdigkeit des hiesigen Schlachthaus¬ 
tierarztes, Herrn Kollegen Schmidt, fand ich kürzlich Gelegen¬ 
heit, folgenden Fall von genereller Tuberkulose mit Erkrankung 
der Knochen und Muskulatur zu beobachten. Des seltenen Vor¬ 
kommens wegen möchte ich diesen Fall der Öffentlichkeit nicht 
vorenthalten. 

Die in Frage kommende Kuh gehörte der Simmenthaler 
Rasse an. Sie hatte ein Alter von ungefähr acht Jahren und 
befand sich in mittelmäßigem Nährzustande. Die Untersuchung 
intra vitam ergab außer einer stark vorgeschrittenen Lähmungs¬ 
erscheinung der linken Hinterextremität keine sinnfälligen 
Krankheitssymptome. Die Schlachtung ergab folgendes Resultat: 

Das Aussehen des Fleisches im allgemeinen war gut zu 
nennen. Die Lungen und die Leber zeigten sämtliche Stadien eines 
tuberkulösen Prozesses. Neben kleinen, kaum sichtbaren Knöt¬ 
chen bemerkte man Knoten von Erbsen- biB Walnußgroße, die 
teils käsig entartet, teils verkalkt waren. Die Bronchial-, Mittel¬ 
fell- und auch die portalen Lymphdrüsen waren stark tuberkulös 
erkrankt. Die Nierenbeckenlymphdrüsen zeigten sich gleichfalls 
ausgesprochen tuberkulös verändert, während dagegen die Nieren 
selbst außer einer geringgradigen Vergrößerung keine krank¬ 
haften Veränderungen aufwiesen. Das Bauchfell bot das Bild 
beginnender Bauchfelltuberkulose. Eine ungefähr handteller¬ 
große Fläche war dicht mit perlartigen Proliferationen und 
flachen Auflagerungen besät. Linkerseits im unteren Drittel der 
dritten Rippe und rechterseits ungefähr in der Mitte der vierten 
Rippe traten stark walnußgroße Auftreibungen zu tage. Nachdem 
die Bugdrüsen als tuberkulös befunden waren, wurden Querschnitte 
vermittels einer Säge an den verdickten Partien ausgeführt. 


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No. 30. 


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Man konnte fünfpfennig- bis einmarkstückgroße, frische tuber¬ 
kulöse Herde in Form von graurötlichen, weichen Granulationen 
und Knötchen beobachten. Spongiosa und Marksubstanz waren 
mit Stecknadelkopf- bis hirsekorugroßen Knötchen durchsetzt. 
Die in der Nähe der betreffenden Rippen in den Zwischenrippen¬ 
muskeln gelegenen Lymphdrüsen waren ebenfalls tuberkulös 
entartet. An der Wirbelsäule im Bereiche des zweiten und 
dritten Lendenwirbels machte sich eine stark nach dem Rücken¬ 
markskanal vorgewölbte Auftreibung bemerkbar. Die nähere 
Untersuchung ergab, daß die Knochensubstanz der betreffenden 
Wirbelkörper bis auf die Rindenschicht eingeschmolzen war. 
Die so entstandene doppelt hühnereigroße Höhle war mit zäh¬ 
flüssig-, eitrig-käsigem Inhalt, der mit Blutstreifen durchzogen 
war, angefüllt. (Auf diese Veränderung dürfte wohl die oben 
erwähnte Lähmung zurückzuführen sein.) Die Lymphdrüsen dieses 
Bezirkes zeigten sowohl hochgradige tuberkulöse Veränderungen 
als teilweise Verkäsung und Verkalkung. Am interessantesten 
war der Befund an der Zunge. Ungefähr 10 cm von der Zungen¬ 
spitze entfernt befand sich in der Mitte der Zungennnterfläche 
ein gut hirsekorngroßer, fettweicher Knoten. Die Schnittfläche 
zeigte Stecknadelkopf- bis schrotkorngroße, tuberkulöse Knötchen. 
Die rechte Kniekehldrüse war dermaßen geschwollen, daß sie 
ungefähr Hühnereigröße angenommen hatte. Die Schnittfläche 
ließ starke Infiltration, entzündliche Rötung und stellenweise 
frische tuberkulöse Knötchen erkennen. Die linke Kniekehl- 
driise war nicht verändert. An den Darmbeindrüsen bestand 
starke Schwellung mit tuberkulöser Veränderung. Die supra- 
mammären Lymphdrüsen waren intakt, ebenfalls das Euter. 
Auf Grund dieses Befundes wurde das Fleisch als zum mensch¬ 
lichen Genuß ungeeignet ausgeschlossen und vernichtet. 

Dieser Fall von Tuberkulose zeigte sehr schön, daß 
Lähmungserscheinungen durch tuberkulöse Prozesse bedingt 
sein können. 

In welcher Lage impft man Schweine am leichtesten. 

i. 

Von Platschek-Schrimm, Tierarzt 

Die Vorbereitungen zum Impfen der Schweine müssen so 
schnell und sicher erfolgen, daß sowohl die Beteiligten, als auch 
der Impfling gegen die Möglichkeit verletzt zu werden von 
vornherein geschützt sind. Dazu muß die Befestigung des zu 
impfenden Tieres eine so sichere sein, daß jede Beweglichkeit 
insbesondere der Impfstelle ausgeschlossen oder nach Möglichkeit 
verhindert wird. Nach meiner Erfahrung eignen sich zur Er¬ 
reichung dieses Zweckes je nach der Größe, Stärke und dem 
Widerstande des Impflings, drei ohne Anwendung von Instru¬ 
menten, Zangen und dergl. auszuführende Methoden: 

Ein Ferkel wird am einfachsten in der Weise zur Impfung 
vorbereitet, daß ein Gehilfe es unter Zusammenhalten der Beine 
unter seinen rechten Arm nimmt, ein zweiter Gehilfe den Kopf 
durch Halten an einem Ohre oder wenn nötig, durch Zuhalten 
der Schnauze fixiert. Die Impfung erfolgt am rechten Ohre, 
bei der Simultanmethode an beiden Ohren. 

Ganz junge Ferkel, deren schlecht entwickelte Subcutis die 
Einverleibung des Impfstoffes an den Ohren nicht gestattet, 
werden an der Innenfläche der Hinterschenkel geimpft, nachdem 
sie auf den Rücken gelegt und die Hinterbeine etwas angezogen 
worden sind. (Spitze der Kanüle nach unten!) Mittelgroße 
Schweine (Läufer) mit kurzem Oberkiefer läßt man mit hoch¬ 


gehobenen Vorderbeinen von einem Gehilfen so an sich ziehen, 
daß Bauch gegen Bauch zu stehen kommt; ein zweiter Gehilfe 
hält das schnell sich beruhigende Tier an einem Ohre feBt, 
während die Injektion in das lockere Bindegewebe hinter dem 
anderen Ohre oder zwischen den Hinterschenkeln oder an der 
Kniefalte ausgeführt wird. Bei genannter Stellung bevorzuge 
ich die Impfung an den Ohren. Es muß zur Vermeidung ein¬ 
tretender Unruhe darauf geachtet werden, daß das Schwein 
mit den Hinterbeinen den Boden und mit der Schnauze die 
Brust des Halters berührt. 

Große und noch so kräftige Schweine bändigt man schnell 
und sicher bei Zuhilfenahme dreier kräftiger Männer; letztere 
begeben sich in die Bucht und schließen sie hinter sich. Zwei 
von ihnen — und zwar jeder auf einer Seite — greifen das 
zu impfende Schwein von hinten her möglichst zu gleicher Zeit 
an den Ohren, wodurch seine Bewegungsfreiheit beschränkt wird. 
Sofort legt der Dritte die Schlaufe eines bereit gehaltenen 
mittelstarken, trockenen Strickes dem in der Regel schreienden 
und dabei das Maul öffnenden Schweine hinten um den Ober¬ 
kiefer, zieht sie fest an, zieht den Strang mit der rechten Hand 
nach vorn, während er mit den Fingern der linken Hand auf das 
Ende des dem Oberkiefer fest anliegenden Strickes drückt. In 
den meisten Fällen genügt diese Methode der Absicht, eine 
Bewegung des Impflings zu verhindern; die letztere ist aber 
ausgeschlossen, sobald noch ein zweiter Mann das Schwein an 
einem Ohre festhält. Ein Unterstützungspunkt in Form eines 
Ringes, eines Stabes und dergl. ist bei dieser Methode ent¬ 
behrlich. 

Bei genügendem Licht wird in den Buchten geimpft, sonst 
werden die Impflinge ans Licht herausgenommen bezw. am 
Stricke herausgezogen. Es gibt widerspenstige und bösartige 
Säue und Eber, welche sich dem Fänger entgegenstellen. Dann 
geht der eine Mann mit vorgehaltenem Stocke, einem Spaten 
oder einem anderen geeigneten Werkzeug dem Tiere dreist 
entgegen, wehrt einen eventuellen Angriff ab, während der 
zweite Mann die momentane Ablenkung des Tieres benutzt, um 
es an einem Ohre zu fassen; der erstere greift dann schnell 
zum zweiten Ohre. 

Gerade das Fangen der Schweine vor dem Anlegen eines 
Strickes nimmt die meiste Zeit in Anspruch, und je geübter die 
Leute sind, desto schneller geht die Impfung von statten. Des¬ 
halb sehe ich darauf, zum Greifen der Schweine, wie beim 
Impfakte selber, nach Möglichkeit dieselben Hilfskräfte zur 
Verfügung gestellt zu erhalten, da hierdurch erfahrungsgemäß 
bedeutend an Zeit gespart wird, was dem Eigentümer und dem 
Tierärzte nur angenehm sein dürfte. 

Das gewaltsame Hinlegen auf eine Seite, wie es Kollege 
Müll er-Guben erwähnt, ist umständlich und unbequem. Abge¬ 
sehen davon, daß die Schweine hierzu doch erst gefangen 
werden müssen, braucht man eine Anzahl Leute, außerdem er¬ 
möglicht das Liegen auf einer Seite immerhin Bewegungen, 
durch welche der Impfstoff vorbeigespritzt oder die Impfspritze 
beschädigt werden kann. 

n. 

Von Joseph-Wriezen, Tierarzt. 

In No. 17 und 22 der B. T. W. wird als praktischste 
Methode zur Bändigung der Schweine bei der Impfang die 
Strangschlinge um den Oberkiefer empfohlen. Wunderbarer¬ 
weise ist diese Methode bisher in tierärztlichen Kreisen nicht 


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auf Widerspruch gestoßen, obwohl der Strick leicht zum Henker¬ 
strick für die Impfungen durch Tierärzte werden kann. Diese 
Methode ist ein Hohn auf die ganze tierärztliche Wissenschaft 
und sollte seuchenpolizeilich verboten werden. Sie arbeitet 
nach dem Rezept, den Teufel durch Beelzebub vertreiben. 
Man stelle sich vor: Ein Sechserstrick wird an einem Tage 
ca. 200 Schweinen durchs Maul gezogen. Derselbe saugt 
Speichel und andere Unreinlichkeiten auf, und nun zieht ein 
wissenschaftlich gebildeter Tierarzt des 20. Jahrhunderts durch 
den Ort von Stall zu Stall und wird so der Verbreiter von 
Tierseuchen. Wie würden sich wohl Tierärzte dazu stellen, 
wenn das Laien täten? Würde man da nicht mit Recht nach 
jedesmaliger Impfung eines Stalles eine gründliche Desinfektion 
des Strickes verlangen? Dazu gesellt sich noch ein entsetz¬ 
licher Lärm der eingefangenen Tiere. Von der Menge des 
nötigen Hilfspersonals will ich absehen. 

Ich wüßte nicht einen Grund, der den Fangstrick empfehlen 
könnte, zumal wir in dem Selmairschen Schweinefangapparat 
eine ideale Vorrichtung haben. Dieser Apparat ist bereits be¬ 
schrieben, und Abbildungen sind selbst durch die hervorragend¬ 
sten ausländischen illustrierten Zeitungen gegangen. Seine 
Vorzüge sind: 

1. Vereinfachung des Impfgeschäftes. Mit einer einzigen 
Person wird die Impfung ausgeführt. 

2. Größte Sauberkeit für den impfenden Tierarzt. Schuh¬ 
werk und Kleidung werden nicht beschmutzt, da man sich für 
die Impfung die sauberste Stelle im Stalle aussuchen kann. 

3. Reinlichkeit des Apparates. Man braucht denselben nur 
von Zeit zu Zeit am Brunnen abzuspülen. Dadurch wird eine 
Verschleppung von Seuchen verhindert. Es ist das sehr wichtig, 
wenn man bedenkt, daß nach Prof. Ostertag fast 90 Proz. 
unseres Schweinebestandes verseucht ist. 

4. Absolute Ruhe während des Impfgeschäftes im Gegen¬ 
satz zum Fangstrick. 

5. Bequemlichkeit. Will man nicht in niedrigen Stallungen 
in gebückter Haltung und bei wenig Licht impfen, so fängt man 
die Tiere außerhalb des Stalles. 

6. Schnelligkeit der Impfung. Eine Impfung von 300 Stück pro 
Tag in einem geschlossenen Dorfe ist keine unmögliche Leistung. 

Zu diesen Vorzügen kommt noch die Billigkeit des Apparates. 
Herr Selmair (Oderberg) zieht in uneigennützigster Weise 
aus dieser seiner Erfindung keinen pekuniären Vorteil. 

Von radfahrenden Kollegen ist vielfach der Einwand er¬ 
hoben, daß gen. Apparat infolge seiner Schwere unbrauchbar sei. 
Ich bin selbst Radfahrer und helfe mir in folgender Weise. Bei 
großen Impfungen benutze ich schon des Gehilfen wegen Fuhr¬ 
werk. Bei kleinen Impfungen habe ich keinen Gehilfen mit. 
Ich suche mir auf dem Gehöft eine schmale Tür, die auf jedem 
Hofe zu finden ist. Am besten eignet sich die Aborttür dazu. 
Mit dieser klemme ich die zu impfenden Schweine, je 3 — 4 mit 
einem Mal, schräg in eine Ecke. Schließlich ist der Selmair sehe 
Apparat auch nichts weiter, als eine derartige, dreimal zusammen¬ 
geklappte Tür. 

Das Publikum selbst ist nur für die Fangvorrichtung, sobald 
es diese kennen lernt, der Eindruck für uns sehr günstig. 

Zum Schluß: Fort mit dem Strick aus veterinärpolizeilichen 
Gründen, ehe der Strick zum Henkerstrick für die tierärztlichen 
Impfungen wird. 


473 


Referate. 

Ein kurzes Inkahationsstadium von Tetanus. 

Von M. G. de Bruin. 

(Tydschrift voor Veeartaonykundo. Deol 30, bl*. 429. Autoreferat.) 

Folgender Fall beweist, daß das Inkubationsstadium von 
Tetanus sehr kurz sein kann. 

Ein schwarzes Stutfohlen wurde am 4. April 1903 des 
Morgens um halb sechs ganz gesund geboren. Das Fohlen ver¬ 
letzte sieb denselben Tag noch an einem Nagel, der aus einem 
Brett hervorstach, das aus Unvorsichtigkeit und Nachlässigkeit 
im Stalle zurückgelassen worden war. Der Eigentümer sah am 

5. April in der Nähe des rechten Hüftgelenkes die Stichwunde; 
das Tier hatte an dieser Stelle Schmerzen, es bestand da 
Schwellung, und aus der Wunde kam ein wenig Sekret. Am 

6. April war der Ausfluß aus der Wunde purulent; das 
Tier konnte mit Mühe saugen und wurde, wie der Eigentümer 
versicherte, steif. Die Steifheit nahm am 7. und 8. April zu, 
sodaß das Fohlen nur saugen konnte, wenn es festgehalten 
wurde und man die Lippen an die Zitze brachte. Am Abend 
des 8. April konnte das Tier nicht mehr stehen. Am 9. April 
zeigte es das folgende Bild: Es lag auf der linken Seite. Es 
bestand tonischer Krampf von fast allen Muskeln, der Mund 
war fest geschlossen, der Kopf war durch die fortwährende 
Kontraktion der Streckmuskeln des Halses stark nach hinten 
gebogen, die vorderen Gliedmaßen waren mit einiger Kraft 
noch in die Karpi zu beugen, die Hinterbeine konnten in den 
Sprunggelenken nicht gebogen werden. Die Rücken- und 
Schweifmuskeln befanden sich gleichfalls in tonischem Krampf. 
Die Steifheit hatte im Hinterteil angefangen und sich all¬ 
mählich verbreitet, sodaß der Trreraus zuletzt eintrat. Die 
Reflexerregbarkeit war stark erhöht. Die Körpertemperatur 
betrug 38,3° C, und die Anzahl der Atemzüge war 106 in der 
Minute. Der Tod trat am folgenden Morgen ein; das Fohlen 
war da fünf Tage und einige Stunden alt. 

Weitere Mitteilungen über Bekämpfung 
der Schweineseuche. 

Von Prof. Dr. Wassermann-Berlin. 

Wie seit drei Jahren alljährlich machte Professor Wasser¬ 
mann auch auf der diesjährigen Hauptversammlung der „Ver¬ 
einigung deuscher Schweinezüchter“ in Berlin Mitteilungen über 
die bisherigen Ergebnisse und den Stand seiner zusammen mit 
Professor Ostertag durchgeführten Arbeiten zur Gewinnung 
eines polyvalenten Schweineseuche-Serums. 

Die Hanptschwierigkeit bei der Herstellung eines Impfstoffes 
gegen Schweineseuche besteht darin, daß deren Erreger nicht 
in einer einheitlichen Form, sondern in einer größeren Anzahl 
von Varietäten oder Stämmen vorkommt und ein aus dem einen 
Stamm gewonnenes Serum nur bei Infektion durch den Bazillus 
eben dieses Stammes und etwa der ihm nächstverwandten wirk¬ 
sam ist. Daraus ergab sich die Notwendigkeit, bo oft in einem 
Schweinebestande Seuchefälle vorkamen, erst festszustellen, von 
welcher Art der Erreger sei. Es wurde deshalb im Hygienischen 
Institut der Berliner Tierärztlichen Hochschule eine besondere 
Station eingerichtet, an die gefallene Schweine eingeschickt 
werden konnten. Aus ihnen wurden dann die Bakterien ge¬ 
wonnen und an Versuchstieren ausprobiert, ob das Serum gegen 
sie wirkt oder nicht. So wurde zugleich eine Kulturensammlung 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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474 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 30. 


angelegt und ständig ergänzt nnd mit den neu erlangten Stämmen 
wnrden wieder Pferde znr Serumgewinnung vorbehandelt. — Die 
Herstellung des Serums im großen geschieht in dem pharma¬ 
zeutischen Institut von L. W. Gans zu Frankfurt a. M. Im 
kgl. Institut für experimentelle Therapie ebenda wird es auf 
seinen Wirkungswert nachgeprüft und unter dieser staatlichen 
Kontrolle und Garantie abgegeben. 

Das sind die Aufgaben, die sich die bakteriologische Wissen¬ 
schaft zur'Schweineseuchebekämpfung gestellt und die sie trotz 
vieljähriger Arbeit bisher nur teilweise gelöst hat. Bei Lösung 
der noch offenen Fragen ist aber auch die Praxis zur Mitarbeit 
berufen und es ist durchaus wünschenswert, daß alle, die das Serum 
verwenden, ihre Erfolge oder Mißerfolge bekannt geben, sodaß 
festgestellt werden kann, aus welchen Gründen wohl in einer 
Anzahl von Fällen das Serum, dessen Wirksamkeit sich im 
Laboratorium nachweisen ließ, draußen unter den so vielfach 
wechselnden Bedingungen des Alltagslebens versagte. Aus 
diesen Erfahrungen wird sich dann auch ergeben, ob und wie 
weit neben der Serumimpfang noch hygienische Maßnahmen 
notwendig sind und ob in gewissen Fällen nicht etwa mit der 
Serumbehandlung die Einverleibung deB betreffenden Erreger¬ 
stammes zweckmäßig verbunden werden könnte. — Andererseits 
dürfen die Praktiker auch nicht glauben, der Mitwirkung wissen¬ 
schaftlicher Sachverständiger entraten zn können. Sie dürfen 
sich nicht, wenn Krankheitsfälle in ihren Schweinebeständen 
Vorkommen, mit Mutmaßungen, es werde sich wohl nur um 
Husten, Ausschlag, Diätfehler oder dergleichen handeln, be¬ 
ruhigen und so selbst täuschen wollen oder aber gar einen 
offenkundigen Seuchenausbruch verheimlichen. Sie sollen viel- 
mehr baldigst den Tierarzt rufen, der allein eiqe zuverlässige , 
Diagnose zu stellen, Schweineseuche und Schweinepest zu unter¬ 
scheiden, scheinbar noch gesunde als bereits erkrankte Schweine 
zu erkennen vermag. Er allein ist auch imstande die Injek¬ 
tionen sachgemäß und aseptisch durchzuführen, weshalb auch 
das Impfgeschäft ihm Vorbehalten bleiben müsse. Ihn lasse 
man also die schwerkranken Tiere bezeichnen, deren Impfung 
nicht mehr lohnt, um sie zu schlachten, die übrigen lasse man mit 
Serum impfen, ebenso eine längere Zeit hindurch alle neugeborenen 
Ferkel. Auch empfiehlt es sich in Fällen von Seuchenausbrüchen 
in der Nachbarschaft, in denen dort mit Serum geimpft wird, 
sich zu einer vorbeugenden Impfung mit dem, gegen den in 
Frage kommenden Stamm wirksam befundenen Serum zu ver¬ 
stehen, um gegen die Einschleppung gesichert zu sein. 

Nur wenn die Praktiker solche Maßregeln treffen, die 
damit verbundenen Unbequemlichkeiten rechtzeitig auf sich 
nehmen, ist es möglich, ihnen mehr und mehr von den sie so 
jahrelang treffenden Ärgernissen und ununterbrochenen Be¬ 
unruhigungen durch die Schweineseuche Befreiung zu bringen. 

0. Albrecht. 

Hepatitis suppurativa als Folge eingedickter Galle. 

Von Henry T. Pease-Punjal-Veterinary College-Lahore. 

(Tho Votorinarian Vol. I.XXV. No. 896). 

Eiterige Entzündung der Leber, welche in Indien, ver- | 
mutlich infolge von Dysenterie und Malaria, beim Menschen 
sehr häufig ist, wird dortselbst beim Pferde ziemlich selten be¬ 
obachtet. Verfasser hat bei diesem Tiere nur 3 Fälle beobachtet, 
deren Ursache immer die gleiche war, nämlich Verschließung 
der Gallengänge durch inspissierte Gallenmasse. Die direkte 
Ursache der Leberabzesse beim Menschen bildeten dagegen nach 


Harleys 20jähriger Erfahrung gewöhnlich eingekeilte Gallen¬ 
steine. Einer der vom Verfasser beim Pferd beobachteten Fälle 
wird genauer beschrieben. Eine ältere Stute, welche wegen 
Kolik in die Institutsklinik eingestellt wurde, zeigte nachstehendes 
Krankheitsbild. Die Konjunktival- und Maulschleimhaut saffran- 
gelb und mit Petecchien bedeckt; Maul trocken; Puls schnell, 
hart und klein; Temperatur 40° C. Die Stute bekundete starke 
Eingenommenheit des Sensoriums und beständige Kolikschmerzen. 
Fäces lehmfarben; Urin dickflüssig und wie Saffran gefärbt. 
Der Eigentümer hatte die Stute 9 Monate lang in Besitz, 
während welcher Zeit öfter Kolikanfälle eingetreten waren, die 
3 bis 10 Tage anhielten. Das Pferd starb 36 Stunden nach 
der Einstellung. 

Obduktion. Leber anämisch, normal groß und ockergelb ge¬ 
färbt. Ductus choledochus erweitert und durch einen harten gallen¬ 
steinähnlichen Körper blokiert, der größer als ein Golfball war. 

In den erweiterten Gallengängen wurden noch eine große 
Zahl anderer Massen von verschiedener Größe gefunden, die 
mit einer Quantität Eiter gemischt waren. Das ganze Leber¬ 
parenchym war mit einer großen Menge meist sehr kleiner 
Abszesse durchsetzt. Die Milz war doppelt so groß als normal, 
die Nieren etwas vergrößert, intensiv gelb gefärbt, wie alle 
Gewebe des Körpers. 

Die Konkremente, welche in Gallengängen saßen (96 an 
Zahl) hatten eine dunkelgrüne Farbe und sanken zunächst im 
Wasser unter. Die kleinsten hatten Erbsengröße. Die Masse 
zerfiel in Staub sobald sie getrocknet wurde. Peter. 

Zur Kasuistik der Polydaktylie. 

Polydaktylie bei einem Fohlen, 

von Salles, Tierarzt in Castillonnes. 

(Ilevuo v6tirinaire, Juli 1902.) 

Ein Fohlen zeigt am rechten Vorderfaß einen überzähligen 
Finger; derselbe hat seinen Sitz auf der inneren und hinteren 
Seite des Fesselgelenks, ist nach innen eingekrümmt und endet 
mit einem kleinen, konischen Hornhuf. Der Finger beginnt auf 
der inneren Seite des Vorderknies mit einer rundlichen Erhöhung, 
verlängert sich auf dem Schienbein durch einen deutlich ab¬ 
gesetzten Metakarpalknochen, der nach unten gelenkig mit dem 
freiliegenden Teil verbunden ist; die Beugesehnen haben eben¬ 
falls je einen abgetrennten Zweig, der sich bis zum Ende des 
Fingers erstreckt. 

Da das Tier sonst gat gebaut, wurde die Amputation des 
Fingers beschlossen; die Operation bestand in Resektion des 
unteren Teiles des Knochens, Durchschneidung der Beugesehnen, 
Unterbindung eines Arterienstammes und entsprechendem Verband. 

Die anatomische Untersuchung des amputierten Fingers 
ergab, daß der Knochen mit einer Markhöhle versehen, daß 
das untere Ende in Kondylusform ausgewachsen und mit 
einem ersten Fingerglied und einem einzigen großen Sesambein 
gelenkig verbunden war, daß das zweite und dritte Fingerglied 
nicht vorhanden, sondern nur durch einen direkten, bindegewebigen 
Knoten ersetzt waren, der am freien Ende durch eine Hornkapsel 
eingeschlossen war. Zündel. 

Überzähliger Knochen an der Handwurzel des Rindes. 

Von Tierarzt Ed. BUrki-Zürich. 

(Schweizer Archiv f. Ticrhollk. XL1V. Band, 4. Heft) 

Bei einer gelegentlichen Prüfung der Gelenkfläche am 
rechten Metakarpus eines Ochsen fand B. an dessen proximaler 
Epiphyse auf der ulnaren Seite einen überzähligen Knochen 


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23. Juli 1903. 


etwa von der Größe einer Haselnuß. Am linken Metakarpns 
fehlte er, jedoch war dessen ulnare Partie an der proximalen 
Epiphyse erhaben und durch eine Furche an der Gelenkfläche 
gegen die übrige Epiphyse abgegrenzt. Entsprechend der Ein¬ 
schiebung dieses Knochens war auch eine Veränderung im Auf¬ 
bau der Handwurzel gefolgt. 

Seitdem der Verf. diesen Verhältnissen seine Aufmerksamkeit 
zuwandte, hat er den Knochen noch 6 mal bei Schlachtrindern 
(Ochsen und Bullen') aufgefunden, allerdings hatte er hier nur 
die Größe einer Erbse, einmal einer Bohne. 

Der Knochen liegt zwischen der distalen Karpalreihe und 
dem Metakarpale V, das normale Form aufweist und stark ent¬ 
wickelt ist; als eine abgelöste Epiphyse des letzteren kann er 
daher nicht angesehen werden. Ebensowenig stellt er, wie B. 
darlegt, ein atavistisches Karpale V dar, vielmehr muß der 
überzählige Knochen als losgelöster Fortsatz der ulnaren Partie 
der proximalen Epiphyse des Metakarpale HI und VI bezeichnet 
werden. — Überzählige Karpalia sind von verschiedener Seite 
bei Menschen und bei den Cetaceen beobachtet und deren Vor¬ 
kommen von Leboucq noch für zahlreiche andere Säuger ver¬ 
mutet worden, welche Vermutung durch B.s Fund bestätigt 
wird. Leboucq betrachtet diese überzähligen Knochen als 
isolierte Ossifikationspunkte, Apophysen. Francke. 

Eine überzählige Zehe beim Rind. 

Von J. T. Share Jones M. R. C. V. S. 

(Journal of comp. Path. and Therap., Vol. XV, Thl. II.) 

Dieser Fall beanspruchte insofern ein größeres Interesse 
als die nicht seltenen Fälle von überzähligen Zehen, da diese 
Zehe wie eine normale ausgebildet war und zum Tragen der 
Körperlast herangezogen wurde. Die Streck- und Beugesehnen 
und Knochen waren mit einer Ausnahme vollständig vorhanden 
und entwickelt. An Stelle der beiden Sesambeine war nur ein 
Knochen nachzuweisen, an dem aber durch eine vertikale Rinne 
die Teilung angedeutet wurde. Peter. 

Untersuchungen Aber die sogenannte „roheKarbolsäure“ 

mit besonderer Berücksichtigung 

ihrer Verwendung zur Desinfektion von Elsenbahn-Vlehtransportwagen. 

Von Dr. Fischer und Koske, 

Hilfsarbeiter im Kaiserlichen Gesundheitsamt. 

Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamt. 19. Band. 3. Heft. 

Verfasser machen die rohe Karbolsäure zum Ausgangspunkt 
eingehender Versuche in bezug auf ihren Desinfektionswert. Die 
Ausführungsbestimmungen zu dem Gesetz vom 25. Februar 1876 
über die Beseitigung von Ansteckung68toflfen bei Viehbeförderungen 
auf Eisenbahnen bestimmen, daß die Desinfektion der Eisenbahn¬ 
viehwagen durch eine Karbolsäurelösung bewirkt werden soll, 
welche durch Mischen eines Teils Acidum carbolicum depuratum 
mit 18 Teilen Wasser herzustellen ist. 

Das vorstehende Präparat ist zur Zeit im Handel nicht mehr 
zu haben, es findet sich unter anderen Namen in den Preislisten 
der Großhandlungen, wie Crcsolum crudura und Acidum carbolicum 
crudura. Beides ist dasselbe Präparat, das eigentliche Rohkresol 
der Technik. Verfasser haben die vier wichtigsten Handelsmarken 
untersucht. 

Die wirksamsten Stoffe in denselben sind die Kresole. Diese 
übertreffen die reine Karbolsäure an keimtötender Kraft, in Wasser 
sind sie aber nur schlecht löslich, im Mittel etwa zu l*/ 2 bis 2 Proz. 
Die Löslichkeit des Kresols muß daher durch verschiedene Mittel 
erhöht werden, durch Seife, neutrale Salze oder durch Behandeln 
mit Schwefelsäure. Die Präparate Kreolin, Desinfektol, Kresolin, Izal, 
Sapokarbol, Lysol, Kresolsaponat, Kresapol, Phenolin, Lysitol, 
Enterokresol, Lysosolveol, Solveol, Solutol, Sanatol u. a. sind der¬ 
artige Mischungen. 


Pei der Desinfektion der Eisenbahn Viehtransportwagen kommt 
es nun besonders darauf an, daß das Mittel sicher wirkt, wenig riecht, 
leicht anwendbar ist, die Wagen nicht zu sehr beschädigt und dabei 
nicht zu hoch im Preise steht. Verfasser haben daraufhin die ver¬ 
schiedenen Handelspräparate eingehend untersucht, sowohl chemisch, 
wie in bezug auf ihre Desinfektionskraft. Für die letzteren 
Versuche wurden Rotzbazillen, Schweinepestbakterien und Staphy- 
lococcus pyogenes aureus benutzt. 

Dieselben ergaben, daß ein Gemisch verschiedener Desinfektions¬ 
mittel, wie es in dem Rohkresol-Schwefelsäuregemisch vorliegt, 
eine höhere Desinfektionskraft besitzt, als jedes einzelne für sich. 

Verfasser haben sich aber auf Laboratoriumsversuche nicht 
beschränkt, sondern auch praktische Desinfektionsversuche an 
Eisenbahn-Viehtransportwagen vorgenommen Es wurden hierzu 
zwei frisch gestrichene Etagenwagen und vier gedeckte Güterwagen, 
welche sich seit einem Vierteljahr im Betrieb befanden, benutzt. 

Die beiden Etagenwagen wurden mit 3 proz. Kresolschwefel- 
säuremischung, einer der Güterwagen zur Hälfte mit diesem Mittel, zur 
anderen Hälfte mit 5 proz. Robkresollösung, die anderen beiden 
Güterwagen nur mit letzterer Lösung behandelt. 

Die Desinfektion der Wagen erfolgte nach stattgehabtem Ge¬ 
brauch zum Viehtransport während eines Vierteljahres hindurch 
wöchentlich einmal. Die Wagen wurden erst mit warmem Wasser 
unter Druck gereinigt und sodann mit einem langen, weichen 
Pinsel mit dem Desinfektionsmittel angestrichen. 

Zur Prüfung wurden die drei vorgenannten Bakterienarten 
benutzt. Von einer Prüfung durch Milzbrandsporen wurde abge¬ 
sehen, da diese keine besonderen Aussichten auf Erfolg hat. 
Hierbei zeigte die Kresolschwefelsäuremischung gegenüber dem 
Rohkresol wieder erhebliche Vorteile. Dieselbe greift zwar den 
Ölfarbenanstrich etwas an, auch begünstigt sie die Rostbildung, 
doch löst sich andererseits wieder diese Mischung zu 3 Proz. ohne 
jeden Rückstand, während das Rohkresol in 5 proz. Mischung sich 
nur sehr unvollkommen löst. 100 kg Mischung kosten 22,85 M., 
100 kg Rohkresol zur Zeit 34 M. Der Geruch nach der Desinfektion 
rfiit der fraglichen Mischung ist nur gering, nicht unangenehm und 
äm folgenden Tage so gut wie verschwunden; Rohkresol läßt noch 
nach acht Tagen einen schwachen Geruch wahrnehmen. 

Die keimtötende Kraft der Mischung ist höher wie die des 
Rohkresols. Auf Kleider und die Haut der Arbeiter hatte die 
Mischung keine nachteilige Wirkung, wohl dagegen Rohkresol. 

Da die Methode der Auftragung der Desinfektionsmittel mit 
einem Pinsel sehr viel Zeit in Anspruch nimmt und auch sonst 
Mißstände mit sich Führt, machten die Verfasser Versuche mit dem 
Lübbeckeschen Desinfektionsapparat, einer mit einer Wasser-oder 
Dampfleitung verbundenen Spritze. Hierbei ist der Verbrauch an 
Desinfektionsflüssigkeit drei- bis viermal geringer wie bei dem alten 
Verfahren. 

Verfasser prüften sodann auch noch Sanatol, Bacillol, Kresolin 
und Kresapolin. 3 Proz. Sanatollösung ist gleichwertig einer 
3 proz. Lösung von Ac. carbolicum liquefactum. 5 proz. Bacillol- 
lösung kommt der 5 proz. Karbolsäurelösung gleich, 5 proz. Kresolin- 
lösung reicht an diese nicht heran, Kresapolin ist baktericid sehr 
wenig wirksam. Das Gesamtergebnis der vorliegenden Arbeit ist 
folgendes: 

„Die im Handel befindlichen, verschiedenen Handelsmarken von 
„Rohkresol“ — Cresolum crudum des Arzneibuches — sind von 
wechselnder chemischer Zusammensetzung; die Desinfektionswirkung 
der einzelnen Rohkresole und der aus ihnen bereiteten Präparate, 
z. B. Kresolseifenlösung, ist infolgedessen nicht gleichmäßig. 

Für die Herstellung von Kresolmischungen und Kresollösungen 
zu Desinfektionszwecken dürfen nur solche Präparate Verwendung 
finden, welche den Anforderungen des Arzneibuches für das Deutsche 
Reich betr. Cresolum crudum entsprechen. 

Zur Ausführung von groben Desinfektionen und als Ersatz der 
zur Desinfektion von Eisenbahn-Viehtransportwagen vorgeschriebenen 
5 proz. Lösung von Acidum carbolicum depuratum empfiehlt sich 
am meisten die 3 proz. wässerige Lösung einer aus 1 Volumen Roh¬ 
kresol und ’/g Volumen roher Schwefelsäure bereiteten Mischung, 
da dieselbe in den in betracht kommenden Konzentrationen leicht 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 30. 


im Wasser löslich ist, ferner eine höhere desinfizierende Wirkung 
ausiibt, und dabei bedeutend niedriger im Preise steht, wie die 
vergleichsweise geprüften Präparate.“ 

Wochenübersicht über die medizinische Literatur. 

Von Dr. Jess-Charlottenburg, 

KreUt! ermrzt. 

Münchener medizinische Wochenschrift Nr. 2~>. 1902. 

Das Antistreptokokkenserum nnd seine Anwendung beim Menschen; 
von Stabsarzt Dr. Menzer. 

Die Streptokokken, so führt M. ans, sind artrein, erlangen 
jedoch wahrscheinlich bei verschiedenen Infektionsprozessen ver¬ 
schiedene fermentative Eigenschaften. Zur Immunisierung großer 
Tiere muß man frisch vom Menschen gezüchtete Streptokokken 
nehmen, welche keiner Tierpassage unterworfen worden sind. 

Dem Organismus fällt die Aufgabe zu, die nötige Menge 
von kampftüchtigen Phagozyten zu produzieren und zweitens die 
an Ort und Stelle zugrunde gegangenen Bakterien und Zellen 
zu resorbieren. 

Münchener medizinische Wochenschrift Ko. 26. 

Das Antistreptokokkenserum und seine Anwendung beim Mensohen. 

M. stellt zum Schlüsse seiner ausführlichen Arbeit folgende 
Sätze auf: 

1. Das Antistreptokokkenserum wirkt, wie im Tierversuch 
so auch beim Menschen, durch Anregung der Phagozyten; dem 
menschlichen Organismus fällt daher im Kampfe mit den Strepto¬ 
kokken die Hauptleistung zu. Kann er diese Kraftleistung nicht 
mehr erfüllen, so ist die Anwendung des Streptokokkenserums 
nutzlos. 

2. Abgesehen von der Vernichtung der eingedrungenen 
Krankheitserreger fällt dem Organismus die Aufgabe der spä¬ 
teren Resorption der zugrunde gegangenen Bakterien und 
Zellen zu. In den Fällen, in welchen es zu abgeschlossenen 
Eiteransammlungen kommt, ist ohne chirurgischen Eingriff das 
Streptokokkenserum kontraindiziert, da es die Resorption der 
giftigen Eiterstoffe steigert. 

3. Das Streptokokkenserum wird in den Fällen beginnender 
akuter Streptokämie in hoher Dosierung die besten Erfolge 
herbeifnhren können, besonders aussichtsvoll ist, in der nach 
dem einzelnen Fall zu bemessenden Dosierung, seine Anwendung 
bei chronischer Streptokokkeninfektion. 

4. In der Therapie menschlicher Streptokokkeninfektionen 
sind nur Streptokokkensera, welche mit frisch vom Menschen 
gezüchteten Streptokokken hergestellt sind, wirksam. Bei der 
Arteinheit aller Streptokokken kann ein solches Serum bei allen 
Streptokokkeninfektionen, falls der Einzelfall es zuläßt, an¬ 
gewendet werden. 

5. Die bisher vorgeschlagene Prüfung des Streptokokken¬ 
serums im Tierversuch gibt keinen Anhalt für die Beurteilung 
der Heilkraft beim Menschen. Vorläufig muß in Ermangelung 
eines besseren Prüfungsmodns die Einwirkung auf den Menschen 
das einzig gültige Maß bleiben. 

Deutsche medizinische Wochenschrift Nr. 27. 

Uber den Einfluss der Erwärmung auf die Gerinnung der Kuhmilch; 
von Dr. Silberschmidt. 

Die Untersuchungen des Verfassers haben ergeben, daß 
ein deutlicher Unterschied in der Milchgerinnung im Magen 
vorhanden ist, je nachdem die Milch längere oder kürzere Zeit auf 
verschiedene Hitzegrade gebracht war. Milch, welche 60 Minuten 
lang auf 120° erhitzt war, gerinnt viel langsamer als solche, 


welche auf 100° oder kürzere Zeit auf 110° erhitzt war. Die 
auf längere Zeit in einer hohen Temperatur gehaltene Milch ge¬ 
rinnt langsamer, weil sie eine geringere Menge von Säure 
beansprucht. Im Säuglingsmagen wird die Salzsäure von der 
Milch gebunden und von allen Milchsorten wohnt der Kuhmilch 
die größte Fähigkeit der Säurebindung inne. Nach dem Ver¬ 
suche von S. ist anzunehmen, daß die Menge der gebundenen 
Salzsäure um so größer ist, je länger und je höher die Milch 
erhitzt wurde. Ferner ist anzunehmen, daß der Nachteil des 
Genusses zu lange und zu stark erhitzter Milch darin liegt, 
daß zur Gerinnung längere Zeit erforderlich ist, die Magen¬ 
sekretion bezw. die Säurebildung in erhöhtem Grade in An¬ 
spruch genommen wird, bedeutend mehr jedenfalls als bei der 
Verarbeitung von Milch, welche nicht solange erhitzt war. 
Durch eine Monate lang andauernde erhöhte Anforderung an 
die Magentätigkeit kommt es dann bei Säuglingen zu den be¬ 
kannten anämischen Zuständen als Folge des dauernden Genusses 
hocherhitzter Milch. Verfasser neigt dazu, das kurze Erwärmen 
im Soxhletapparat dem Pasteurisieren und dem direkten Kochen 
vorzuziehen. Vor allen Dingen ist es nötig, die Milch nach 
dem Kochen sofort abzukühlen und möglichst rasch zu ver¬ 
brauchen. 

Buttermllohkonserve, ein neues Säuglings-Nährpräparat Vorläufige 
Mitteilung von Paul Selter. Wird auf das Original verwiesen. 
Deutsche medizinische Wochenschrift Nr. 28. 

Die aktive Immunisierung gegen Pest mittelst abgeschwächter 
Kulturen; von Prof. Dr. Kolle und Dr. Otto. 

Durch einmalige subkutane Einspritzung einer kleinen 
Menge abgeschwächter Pestkultur ist es mit Sicherheit möglich, 
Meerschweinchen, Ratten und Mäuse eine auf Monate hinaus 
anhaltende komplette Immunität zu verleihen. Durch die Ver¬ 
wendung ab getöteter Kulturen läßt sich dies Resultat nicht er¬ 
reichen. Entweder, so bei Ratten, ist die Immunität dann nur 
eine kurze Zeit andauernd oder sie ist eine unsichere. 

Tagesgeschichte. 

Die Moriansche Klausel bei Unfallversicherungen. 

Von Kreistierarzt Sahn er-Lauban. 

Der § 2 der Versicherungsbedingungen der Abteilung II, 
Lit. B — Unfallversicherung — des allgemeinen deutschen 
Versicherungsvereins in Stuttgart versteht unter Unfall jedes, 
plötzlich und unabhängig von dem Willen des Versicherten von 
außen her mit mechanischer Gewalt auf ihn einwirkende Er¬ 
eignis, welches eine Schädigung des Körpers zur Folge hat. 
Außerdem gelten als Unfall . . . desgleichen Blutvergiftungen, 
sofern der Beweis erbracht wird, daß dieselben gleichzeitig mit 
einer äußeren Verletzung entstanden sind. Blutvergiftungen 
der Ärzte infolge äußerer Verletzungen bei chirurgischen Ein¬ 
griffen (Operationen) oder Sektionen sind ohne weiteres in die 
Versicherungen eingeschlossen. 

Nach § 9 des zwischen der Zentralvertretung der tier¬ 
ärztlichen Vereine Preußens und dem Stuttgarter Vereine am 
16. Dezember 1898 abgeschlossenen Vertrages (B. T. W. 1899, 
Seite21) wird der obengenannte §2 der Versicherungsbedingungen 
dahin erläutert, daß die für Arzte vorgesehenen Bestimmungen auch 
auf die Tierärzte Anwendung finden, ferner daß Blutvergiftungen 
infolge äußerer Verletzungen bei chirurgischen Eingriffen 
(Operationen), Sektionen, oder anderen Untersuchungen auch 


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23. Juli 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 477 


dann in die Versicherung eingeschlossen gelten, wenn sich nicht 
nach weisen läßt, daß diese äußeren Verletzungen erst bei der 
Operation etc. entstanden sind (Moriansche Klansei). Man sollte 
meinen, bei Abschluß einer Versicherung in obigem Sinne gegen 
alle Eventualitäten hinsichtlich einer Blutvergiftung geschiizt 
zu sein. Daß dem nicht so ist, soll hiermit den Kollegen nicht 
vorenthalten werden. Am 5. Dezember 1902 obduzierte ich in 
amtlichem Aufträge eine Kuh, bei welcher vom Besitzer Milz¬ 
brand vermutet wurde. Die Obduktion bestätigte zwar den 
Milzbrandverdacht nicht, sondern ergab septische Metritis infolge 
nicht abgegangener Nachgeburt. Ich pflege nach Obduktionen 
meine Hände und Arme mit Kreolin zu desinfizieren, das ich 
aus dem Grunde bevorzuge, weil es am energischsten den typischen 
Sektionsgeruch zum Verschwinden bringt. Am genannten Tage 
hatte ich ausnahmsweise vergessen, mich mit Kreolin zu ver¬ 
sorgen, und konnte die übliche Desinfektion erst in meiner 
Wohnung vornehmen, nachdem ich an dem 8 km von Lauban 
entfernten Ort der Obduktion meine Hände lediglich mit warmem 
Seifenwasser gründlich gereinigt hatte. Ich schicke diese Tat¬ 
sache voraus als Erklärung, auf welche Weise ich mich aller 
Wahrscheinlichkeit nach infiziert hatte. Zwei Tage später spürte 
ich Schmerz an der rechten Halsseite, welcher sich unter Fieber¬ 
erscheinungen steigerte, so daß ich am 9. Dezember ärztliche 
Hilfe in Anspruch nahm und einige Tage das Zimmer hüten 
mußte, da sich ein ziemlich großer Furunkel entwickelt hatte. 
Nicht unerwähnt will ich lassen, daß ich noch niemals an Furunkeln 
gelitten habe. Aus der ganzen Geschichte des Falles schloß 
auch der Arzt auf infektiöse Entstehung dieser Hauterkrankung. 
Ich meldete den Schaden bei der „Stuttgarter“ an, in der 
sicheren Erwartung, nunmehr die erste Gegenleistung zu erfahren 
nachdem ich seit 13 Jahren meine Prämien bezahlt habe in 
Höhe von zusammen nahezu 700 Mk. 

Nachstehend die mir gewordene Antwort: 

Aus den von Ihnen und von Herrn Dr. Thusius zu Ihrer 
Schadensache uns erstatteten Berichten vom 15./18. d. M. ersehen 
wir, daß Sie an der rechten Halsseite unterhalb des rechten Unter¬ 
kiefer-Astes an einem Furunkel, wegen dessen Sie vom 9. bis 15. ds. 
bei dem genannten Arzte in Behandlung standen, gelitten haben; 
Sie führen dessen Entstehung vermutungsweise auf eine Infektion 
gelegentlich der Obduktion einer an septischer Gebärmutterent¬ 
zündung verendeten Kuh zurück. 

Ziehen wir Für die Entschädigungsfrage die Versicherungs- 
Bedingungen zu Rate, so ist in Abs. 2 von § 2 Ziffer I in den 
Fällen, wo Ärzte in Ausübung einer beruflichen Tätigkeit eine 
Infektion davontragen, der Nachweis einer äußeren Verletzung als 
des Ausgangspunktes der Entzündung verlangt. Eine äußere Ver¬ 
letzung, eine Hautdnrchtrennung soll das Unfallsmerkmal im Sinne 
des §2 Ziffer I abgeben, als Zeichen eines plötzlich und mechanisch 
schädigenden Ereignisses dienen. Diese Hautdurchtrennung muß 
ferner eine auffällige, deutlich sichtbare Wunde darstellen — im 
Hinblick darauf, daß eine Hautdrüsenentzündung, ein Furunkel 
nach den wissenschaftlichen Ergebnissen durch Eindringen von 
Infektionskeimen durch eine Hautpore auch ohne Hautläsion statt¬ 
finden kann, welche Entstehungsweise den Charakter nicht von 
einem plötzlichen Geschehnisse, einem Unfälle, vielmehr von einer 
allmählich eintretenden Erkrankung trüge. Ob nun die Hautver¬ 
letzung und die Infektion gleichzeitig während einer ärztlichen 
Handlung sich ereignen oder ob eine vorausgegangene Verletzung 
erst während einer ärztlichen Betätigung infiziert wurde, ist gemäß 
einem Vertrage mit ärztlichen und tierärztlichen Zentral Vertretungen 
in bezug auf die Entschädigungsfrage ohne Belang. Bestehen bleibt 
aber bei alledem das Erfordernis des Nachweises einer äußeren 
Verletzung von der oben bezeiebneten Art Dieses Postulat findet 
in Ihrem Falle keine Erfüllung. Besonders kommt hier auch noch 


in Betracht, daß der fragt Furunkel an der Halsgegend, einem 
Prädilektionssitze lokalisiert ist, wo der Gedanke sich aufdrängt, 
ob nicht eine zufällige Entwicklung des Furunkels, ohne Zusammen¬ 
hang mit der an der Kuhleiche vorgenomraenen Sektion und infolge 
allmählichen Einwanderns, bezw. Hineingeriebenwerdens von Ent¬ 
zündungserregern durch die Haut vorliege. Unter diesen Umständen 
müssen wir — mangels Nachweis einer äußeren Verletzung — zu 
unserem Bedauern hiermit eine Entschädigung ablehnen. 

Was ist ans dieser Antwort zn schließen? Zuerst will ich 
bemerken, daß nach Ansicht des behandelnden Arztes die 
Gegend des Unterkieferastes kein Prädilektionssitz für Furunkel, 
sondern daß dies lediglich die Nackengegend ist. Gerade dieser 
Umstand war mitbestimmend für den Arzt, im vorliegenden Falle 
Infektion anzunehmen. Daß eine solche in der Tat Vorgelegen 
hat, beweist ferner die Tatsache, daß nach Abheilung des 
ersten Furunkels in unmittelbarer Nachbarschaft desselben noch 
drei und an der Stirn, fingerbreit über dem Auge, ein solcher 
im Laufe des Monats Dezember sich entwickelten. Die „Stutt¬ 
garter“ legt nun das Hauptgewicht auf „äußere Verletzung“, 
welche in meinem Falle zweifellos Vorgelegen hat. Sie bestand 
allerdings nicht in einer klaffenden Wunde, die ein Zimmermann 
mit dem Zollstock ausmesBen kann, wie sie anscheinend von der 
„Stuttgarter“ verlangt wird. Die letztere scheint nicht zu 
wissen, daß die Infektionen sich gerade von kleinen und 
kleinsten, dem Betroffenen oft gar nicht bewußten Verletzungen 
ihren Ausgang nehmen; Hautdurchtrennungen in großem Stil 
führen in den seltensten Fällen zu Blutvergiftungen, da man sie 
doch bemerkt und nicht unbehandelt läßt. „Diese Hautdurch- 
trennnng muß ferner eine auffällige, deutlich sichtbare Wunde 
darstellen.“ Davon steht in den eingangs erwähnten Ver¬ 
sicherungsbedingungen nichts. Daß Furunkel in der Mehrzahl 
infolge allmählichen Einwanderns, bezw. Hineingeriebenwerden 
von Entzündungserregern durch die Haut entstehen, mag ja 
richtig sein. Der vorliegende Fall beweist aber aufs neue die 
in der Medizin gar nicht bestrittene Anschauung, daß Furunkel 
auch durch kleine Hautläsionen entstehen können. Die statt¬ 
gehabte, schnelle Entwicklung beweist, daß eine solche Läsion 
Vorgelegen haben muß, die mir bei der winterlichen Kälte eben 
entgangen ist. Nun zum Schluß das Wort „vermutungsweise“, 
welches in dem Schreiben der „Stuttgarter“ unterstrichen ist. 
„Vermutungsweise“ werden die allermeisten Infektionen auf 
irgend eine Veranlassung zurückgeführt werden müssen, da der 
positive Nachweis, diese oder jene Infektion ist bestimmt auf 
die an diesem Tage stattgehabte Operation oder auf die an 
jenem Tage vorgenommene Sektion zurtickzuführen unter Aus¬ 
schluß jeder anderen Infektionsmöglichkeit überhaupt nicht zu 
führen ist. Die von den Unfallversicherungen pomphaft ver¬ 
sprochenen Gegenleistungen, die in so schmackhafter Weise 
unter besonderer Klausel — die Moriansche — serviert 
werden und nun bei dem Versicherten das ruhige Gefühl der 
Pflichterfüllung gegen sich und die Seinen hervorrufen, zer¬ 
fallen in nichts, wenigstens was die Blutvergiftungen, deretwillen 
doch die meisten Tierärzte eine Unfallversicherung eingehen, 
betrifft. Ich erlaube mir kein Urteil darüber, ob andere Ver¬ 
sicherungen dieselbe Geschäftsusance, um mich kaufmännisch 
auszudrücken, beobachten; an den gemachten Erfahrungen habe 
ich jedenfalls genug und keine Lust, es bei einer anderen Ver¬ 
sicherung zu versuchen und ich bin nur froh, daß dieser erste, 
so gut abgelaufene Unfall jetzt schon und nicht erst nach 
weiteren 13 Jahren sich ereignet hat. Für meine Pflicht hielt 


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ich es, den Kollegen meine Erfahmngen anf dem Gebiet der 
Unfallversicherungen mitzuteilen, um sich bei Abschluß einer 
solchen, soweit als man es überhaupt im stände ist, vor 
späteren, unliebsamen Überraschungen zu schützen. Erwähnen 
möchte ich noch die Mitteilung, die mir ein Arzt machte, daß 
von ihnen Unfallversicherungen, die doch gerade gegen Blut¬ 
vergiftungen schützen sollen, fast gar nicht mehr abgeschlossen 
werden, da doch nichts bezahlt würde, weil der positivfe 
Nachweis, wie oben ausgefühl t, in den seltensten Fällen gelänge. 

Über Untersnchungspflichtigkeit von Haus* 
Schlachtungen. 

Von Behrens-Peine, 

Krcistier&rzt. 

In dankenswerter Weise hat die B. T. W. eine besondere 
Rubrik tür Fleischbeschau eingerichtet und es steht zu erwarten, 
daß dieselbe jetzt nach Einführung des Reichsgesetzes, betreffend 
die Schlachtvieh- und Fleischbeschau, vom 3. Juni 1900 sehr in 
Anspruch genommen wird. In No. 20 des vorliegenden Jahr¬ 
ganges ist die Frage aufgeworfen, ob die Schlachtungen, welche 
aus Anlaß größerer Privatfestlichkeiten, z. B. bei Hochzeiten 
auf dem Lande ausgeführt werden, der Beschaupflicht unterliegen 
und diese Frage ist in der folgenden Nummer mit „Ja“ unter 
der Begründung beantwortet, daß zu einem Haushalte im Sinne 
des oben erwähnten Gesetzes der Haushaltungsvorstand, die 
Angehörigen und das Hausgesinde gehören. Stellt man neben 
diese Erklärung diejenige über gewerbsmäßige Verwendung 
von Fleisch, welche im Deutschen Veterinär-Kalender von 1903 
S. 171 gegeben ist und besagt, daß die nachträgliche, gelegent¬ 
liche Abgabe von Teilen (z. B. eines Schinkens) gegen Entgelt 
keine gewerbsmäßige Verwendung sei, so dürfte sich unter ier 
Voraussetzung, daß beide Definitionen richtig sind, folgender 
Fall ergeben. Ein Privatmann darf den einen Schinken eines 
von ihm geschlachteten, aber nicht untersuchten Schweines an 
fremde Personen verkaufen, ohne gegen das Gesetz zu ver¬ 
stoßen. Er macht sich jedoch straffällig, sobald er den anderen 
Schinken desselben Tieres in seinem eigenen Haushalte zu¬ 
bereiten läßt und dazu mehrere gute Freunde einladet. Er 
kann sich auch in diesem Falle vor Strafe schützen, wenn 
er vor Beginn des Mahles den Schinken versteigert, was zur 
Hebung der allgemeinen Heiterkeit insbesondere bei Jagd¬ 
gesellschaften nicht unwesentlich beitragen dürfte. Es erscheint 
mehr wie zweifelhaft, ob die in No. 21 der B. T. W. gegebene 
Definition über den Begriff „eigener Haushalt“ zutreffend ist. 
Bei ihrer Richtigkeit würden fast ausnahmslos sämtliche Privat¬ 
schlachtungen der Untersuchungspflicht unterliegen, denn es 
kommt wohl selten vor, daß in einem ländlichen Haushalte ein 
geschlachtetes Tier ausschließlich von dem Haushaltungs- 
vorstande, den Angehörigen und dem Gesinde verspeist wird. 

Bei der allgemeinen Gastfreundschaft, die auf dem Lande 
herrscht, werden Freunde und Bekannte sowohl bei festlichen 
Gelegenheiten, als auch einzeln bei Besuchen zur Teilnahme an 
den Mahlzeiten gern eingeladen. Ob nun die Festlichkeit eine 
kleine oder große ist, ob eine oder mehrere fremde Personen 
an dem Mahle teilnehmen, bleibt sich dem Gesetze gegenüber 
gleich. Der Gastgeber würde sich jedesmal der Gesetzesüber¬ 
tretung schuldig machen, sobald er nur eine oder einige fremde 
Personen zu Tisch ladet und ihnen Fleisch eines nicht unter¬ 
suchten Tieres vorsetzt. Diese Auffassung entspricht dem Sinne 
des Gesetzes nicht, dem Gesetze nach soll ausschließlich die 


No. 30. 


Gewerbsmäßigkeit des Schlachtens unter Kontrolle gestellt 
werden und es ist deshalb auch in § 2 Abs. 2 desselben Gesetzes 
die „gewerbsmäßige“ Verwendung von Fleisch eines im eigenen 
Haushalte geschlachteten und nicht untersuchten Tieres ver¬ 
boten. Bei einer Privatfestlichkeit im Hause des Gastgebers 
kann aber von einer gewerbsmäßigen Verwendung von Fleisch 
niemals die Rede sein und im übrigen nimmt das Gesetz auf 
Privatschlachtungen keinen Bezug, sofern das Tier keine Merk¬ 
male einer die Genußtauglichkeit des Fleisches ausschließenden 
Erkrankung zeigt. Aber auch in diesem Falle muß der Besitzer 
erst die Überzeugung von dem Vorhandensein solcher Merkmale 
besitzen, bevor er zur Untersuchung des Tieres durch den 
Fleischbeschauer verpflichtet ist und er geht selbst dann noch 
frei aus, wenn er diese Merkmale wissentlich oder fahrlässig un¬ 
beachtet läßt, da das Gesetz hierfür keine Strafbestimmung hat. 
(Deutscher Veterinär-Kalender 1903, S. 172, 5 a Abs. 2.) 

Im Interesse der Fleischbeschau ist es zu bedauern, daß 
die Definition des Begriffes „eigener Haushalt“ in der von der 
B. T. W. vertretenen Ansicht nicht hochgehalten werden kann. 
Es hätte dann wenigstens die Möglichkeit Vorgelegen, auch die 
Kontrolle der Privatschlachtungen zu verlangen, denn schon 
jetzt macht sich die große Lücke, welche durch Freilassung der 
letzteren in dem Fleischbeschaugesetze gelassen ist, sehr 
bemerkbar. Als Privatschlachtungen werden in Zukunft auch 
viele Polkaschlachtungen anzusehen und daher schwer zu ver¬ 
hindern sein. Auf dem Wege der Polkaschlächterei, als welche 
man die Notschlachtung kranker Tiere und die Verwertung ihres 
Fleisches zur menschlichen Nahrung versteht, wird eine Menge 
von schlechtem, verdorbenem und gesundheitsschädlichem Fleische 
in den Verkehr gebracht. Sie blüht insbesondere in der Nähe 
großer Städte. ' Dfe'Personeny welche sich mit ihr‘beschäftigen, 
sind meist sehr zweifelhaften Charakters und haben gewöhnlich 
schon mit dem Gefängnisse oder dem Zuchthause Bekanntschaft 
gemacht. Diese Personen werden, sobald sie erst das Schlacht¬ 
vieh- und Fleischbeschaugesetz kennen, trotz dieses Gesetzes 
sehr leicht Mittel und Wege finden, ihr lichtscheues Gewerbe 
fortzusetzen. Ein würdiger Vertreter seines Standes suchte sich 
zunächst die Bestimmung des § 2 des Gesetzes zu nutze zu 
machen, indem er die Anmeldung zur Untersuchung einer Kuh 
vor der Schlachtung mit der Ausrede unterließ, daß das Tier 
auf dem Transporte an hochgradiger Atemnot gelitten habe, 
sodaß keine Zeit zur Herbeiholung des zuständigen FleiBch- 
beschauers geblieben sei. Im vorliegenden Falle hätte man ihm 
das Gegenteil nicht beweisen können, denn tatsächlich fand sich 
bei der Sektion eine polypöse Wucherung im Kehlkopfe vor. 
Dieserhalb war das Tier aber nicht verkauft worden, sondern 
es hatte neun Tage zuvor geboren und litt an einer jauchigen 
Gebärmutterentzündung, war also eine Polkaware der schlimmsten 
Art. Der Herr Polkaschlächter fand es sehr unrecht, daß das 
schöne Fleisch ihm fortgenommen und der Abdeckerei überwiesen 
wurde. In Zukunft wird ihm dies auch wahrscheinlich nicht 
wieder passieren. Er hat nämlich einen Freund, der kein 
Schlächter ist. Dieser Freund kauft ein Tier, läßt es von dem 
Polkaschlächter schlachten und zubereiten. Die gesetzliche 
Pflicht zur Untersuchung des Tieres von dem Fleischbeschauer 
liegt, ihm nicht ob, da er als Laie keine Merkmale einer die 
Genußtauglichkeit des Fleisches ausschließenden Erkrankung 
wahrnimmt und das Fleisch „selbstredend“ in eigenem Haushalte 
verwenden will. Wer glaubt aber an die Verwendung im eigenen 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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23. Juli 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


479 


Haushalte? Wer ist im stände dieselbe zu kontrollieren und mit 
welcher Berechtigung? Wer will es später den Würsten, 
Schinken oder dem Rauchfleisch ansehen, ans welcher Fabrik 
sie stammen? Bevor nicht dem Freunde die Gewerbsmäßigkeit 
seines Treibens nachgewiesen wird, hat die Behörde nicht das 
Recht einzuschreiten und wenn dies einmal geschieht und dem 
Freunde das Handwerk gelegt wird, so findet der Polkaschlächter 
sehr bald einen anderen Freund und das Geschäft wird mit 
neuen Kräften fortgesetzt. Anf diese und ähnliche Weise wird 
die Polkaschlächterei nach wie vor blühen. 

Es bedarf aber nicht einmal dieses dunklen Weges, um 
das Fleisch von kranken, nicht untersuchten Tieren in eine 
große Anzahl von Familien zu bringen, sondern es kann dies 
auch, ohne daß eine gesetzwidrige Handlung vorliegt, in ganz 
offener Weise geschehen. In fast jedem Dorfe der hiesigen 
Gegend besteht unter den kleinen Landwirten, Handwerkern 
und Arbeitern eine Versicherungskasse gegen Verluste bei ihren 
Tieren. Dieselbe wird von einigen Mitgliedern, die als Vorstand 
gewählt werden und ihr Amt der Ehre wegen führen, geleitet. 
Sie haben bei eintretenden Erkrankungsfällen die Entscheidung 
über Tod und Leben der betreffenden Tiere. Ihre gewöhnliche 
Diagnose lautet: „Verstopfung“, und Merkmale einer die Ge¬ 
nußtauglichkeit des Fleisches ansschließenden Erkrankung kennen 
sie nicht. Die Tiere gehen, sobald der Kassenvorstand ihre 
Schlachtung beschlossen hat, in das Eigentum sämtlicher Kassen¬ 
mitglieder über. Das Fleisch wird an diese verteilt und kommt 
in deren eigenem Haushalte zur Verwendung. Eine Pflicht, die 
Tiere in der gesetzlichen Weise untersuchen zu lassen, hat 
niemand. Trotz Schlachtvieh- und Fleischbeschaugesetz, dessen 
Hauptzweck die Beschaffung einer gesunden Fleischnahrung für 
den Menschen doch sein soll, kommt das Fleisch kränker, nicht 
untersuchter Tiere in viele Familien, und falls ein solches an 
Rotlauf gelitten hat, wird der Verbreitung dieser Seuche, da 
der Regel nach das Fleischwasser die Schweine erhalten, Tür 
und Tor geöffnet. Das Gesetz nutzt in diesem Falle weder in 
sanitäts- noch in veterinärpolizeilicher Hinsicht, und es muß 
dahin gestrebt werden, daß auch sämtliche Privatschlachtungen 
der Beschaupflicht unterliegen. Nur dann kann die Fleisch¬ 
beschaugesetzgebung ihre hohen Aufgaben voll und ganz er¬ 
füllen. Behrens. 

Die Begründung der modernen Anatomie durch 
Leonardo da Vinci nnd die Wiederaufflndnng zweier 
Schriften desselben. 

Von Tierarzt E. Jackschat. 

(Medlzinliche Blitter 1908. Nr. 46. 8.770 — 772). 

Die Geschichte der Medizin bezeichnet als die grundlegen¬ 
den Werke der Anatomie Andreas Vesals „De humani cor¬ 
poris fabrica libri septem“ (1543) und Carlo Ruinis „Ana- 
tomia del cavallo“ (1598). Die Echtheit des letzteren d. h. 
die Autorschaft des bolognesischen Senators wurde schon von 
G. W. Schräder bestritten und die von ihm ausgesprochenen 
Zweifel sind weder von Ercolani, der eine Ehrenrettung 
Ruinis versuchte, noch von anderen wieder beseitigt worden. 
Gegen die Echtheit des vesalischen Werkes sind dagegen niemals 
Bedenken geäußert worden. E. Jacks ch at, der in einer früheren 
historisch-kritischen Arbeit die Javartoperation als ein Verdienst 
Solleysels erwiesen hat (B. T.W. 1899, S. 191), erklärt nun 
beide (erstmals in einer vom Vorsitzenden der deutschen mediko- 
historischen Gesellschaft Sudhoff auf der Naturforscherver¬ 


sammlung in Karlsbad verlesenen Mitteilung) für unecht, be¬ 
zeichnet Leonardo da Vinci als ihren Verfasser nnd beschuldigt 
Vesal und Ruini des bewußten Plagiats. 

Zur Stützung seiner Behauptung führt Jackschat aus, 
das Vesals Namen tragende Werk dokumentiere eine so 
umfassende Gelehrsamkeit in der Beherrschung des Gesamt¬ 
gebietes der Medizin und der alten Sprachen, in der Kenntnis 
der Mathematik, Physik, Bildhauerkunst und Malerei, wozu 
dann noch der völlig neue Aufbau der Anatomie auf Grund 
eigener Studien kommt, daß man eine solche Leistung unmöglich 
einem 28jährigen Manne Zutrauen könne. Sie setze vielmehr 
die Tätigkeit eines ganzen Menschenlebens voraus oder stehe sonst 
als ein weltgeschichtliches Unikum da. Es bestünden zudem 
Widersprüche zwischen den Abbildungen und dem erläuternden 
Text, indem die enteren in einigen Punkten noch die galenische 
Tieranatomie widerspiegeln, während der begleitende Text zu¬ 
treffend die Verhältnisse menschlicher Muskeln u. s. w. beschreibt. 
Daraus sei zu erkennen, daß das Werk einen zweiten Redaktor 
gefunden habe, der es im einzelnen wohl verbessert, im allge¬ 
meinen aber und besonders im illustrativen Teil völlig unver¬ 
ändert gelassen, teilweise übrigens gar nicht ganz verstanden habe. 
Außerdem fänden sich auf etlichen Tafeln künstlerisch durch¬ 
aus falsche Schattierungen, durch die offenbar für den Urheber 
der Zeichnung charakteristische Merkzeichen beseitigt oder 
aber zwischen Text und Abbildung bestehende Abweichungen 
verdeckt werden sollen. — Sprechen diese Gründe gegen die 
Autorschaft Vesals, so sprechen andere für die da Vincis. An 
sich schon habe im 15. nnd 16. Jahrhundert kein anderer als 
er genug faustischen Geist besessen, um ein Werk zu schaffen, 
das ein derartiges Allgemeinwissen voraussetze, wie das bisher 
Vesal zugeschriebene. Leonardo da Vinci hat sich überdies 
nach dem übereinstimmenden Bericht seiner Biographen tat¬ 
sächlich eingehend mit dem Studium der Anatomie des Menschen 
und des Pferdes befaßt und Arbeiten darüber, die bisher als 
verloren galten, hinterlassen. Seine uns erhaltenen aber, und 
namentlich seine neuerdings anfgefundenen Manuskripte zeigen 
zahlreiche und merkwürdige Übereinstimmungen mit der Fabrica 
corporis humani, so hinsichtlich der Vergleichung anatomischer 
Objekte mit Gegenständen der Technik und des Haushaltes, der 
anatomischen Darstellung des Auges, Ohres, der Extremitäten, 
sowie der philosophischen Anschauung. Es finden sich ferner 
auf den Tafeln der Fabrica zur Bezeichnung der einzelnen 
Körperteile außer den nicht ausreichenden lateinischen und 
griechischen, noch andere von da Vinci erfundene und nur in 
seinen Werken verwendete Schriftzeichen. (Er war linkshändig 
und schrieb eine Art Spiegelschrift, wobei er sich einer durch¬ 
aus originellen, für ihn charakteristischen Orthographie bediente.) 
Eben diese verräterischen Marken sind es wohl auch gewesen, 
die der Plagiator sonst geflissentlich zu beseitigen bemüht war. 

Die nämlichen Argumente führt Jackschat an zur Identi¬ 
fizierung der angeblich ruinischen Anatomie des Pferdes mit 
dem seit der Eroberung von Mailand verschollenen Traktat 
da Vincis überden gleichen Gegenstand. Außerdem sind auch, 
wie er hervorhebt, alle Bemühungen medikohistorischer Forscher, 
vielleicht in Bologna selbst Belege dafür zu finden, daß sich 
Ruini überhaupt mit anatomischen Studien beschäftigt habe, 
vergebens gewesen. Dagegen ist auf einer Tafel einer der 
pseudoruinisehen Anatomie völlig gleichzustellenden Parallel¬ 
schrift interessanterweise ein Städtebild als Hintergrund ver- 


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480 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 30. 


wendet, nicht Bologna, die Heimat Rninis, sondern Florena, 
diejenige da Vincis. 

Jack8chat selbst nennt diese seine Beweisführung allgemein 
und kurz gehalten. Er verspricht aber eine gründliche und 
ausführliche und eine Nachweisung auch der Wege, auf denen 
diese Werke da Vincis in die Hände Vesals und Rninis 
gelangt seien. — Es ist ein gewaltiges Unterfangen Jackschats, 
einen 400jährigen, allgemein geteilten Glauben als Irrtum 
beseitigen und den „größten Anatomen aller Zeiten“ als 
Plagiator entlarven zu wollen. Doch hat die historische 
Kritik schon größere Irrtümer aufgedeckt, nicht nur „den großen 
Schotten“ Ossian als Fiktion erwiesen, sondern Schriftwerke von 
noch ehrwürdigerem Alter und Ansehen, von angeblich sogar 
metaphysischer Herkunft — und nicht nur das Buch des 
Mormon — nach Person und Zeit ihrer Urheber festgestellt. Bis 
zum Schluß seiner Beweiskette hat Jackschat allerdings nodh 
ein gutes Stück Weg zurückzulegen und alsdann wird er mit 
einer gToßen Gegnerschaft zu rechnen haben, die das angetastete 
Heiligtum in Schutz nehmen wird. Schon nennt Gustav Klein 
seine Tat ungeheuerlich und unerhört. Robert von Toepiy 
hält einstweilen seine Feder bereit. Auch Jul. Pagel verhält 
sich noch abwartend. Unter Jackschats Motto „un poco pp 
di luce“,.möchte man so Frundsbergs Geleitswort setzen „Mönch¬ 
lein, Mönchlein, du gehst einen schweren Gang“. Allgemein 
aber erwartet man mit Spannung Jackschats zweite Arbeit. 

0. Albrecht. 

Eise brave Tat 

Bei einem militärischen Brückenbau, an welchem die 
Nicolaus-Kürassiere (Nr. 6) beteiligt waren, stürzte rin Kürassier 
zu Pferde in die Havel und wurde, in die Zügel verwiökfef, 
von dem ertrinkenden Pferde in die Tiefe gezogen. Leutnant 
v. Langenn und Unterroßarzt Witte sprangen in Uniform jn 
den Fluß, brachten tauchend den schon bewußtlosen Soldaten 
an die Oberfläche und retteten denselben in einen herbeieilenden 
Kahn. Beide Retter wurden vom Regimentskommandeur vor 
der Front des Regiments belobt und sind zur Verleihung der 
Rettungsmedaille vorgeschlagen. 

Erflnder-Vereia. 

Der Zentralerfinderverein Germania zu Bayreuth versendet 
ein Zirkular betreffend eine von ihm im September/Oktober 1903 
zu veranstaltende Ausstellung zu Nürnberg. Der Hauptzweck 
des Vereines ist, seinen Mitgliedern gewinnbringende Verwertung 
ihrer Erfindungen zu ermöglichen. Die Ausstellung soll diesem 
Zwecke dienen und es wird zu ihrer Beschickung eingeladen. 
Anmeldung bis zum 1. August an den Zentral-Erfinderverein zu 
Bayreuth. Wir machen von dieser Einladung Mitteilung, bemerken 
jedoch, daß hier über den Verein sowohl wie über die geplante 
Ausstellung nichts weiter bekannt ist 

Preusslscher Beamtenverein. 

Der Preußische Beamten verein ist Lebens-etc. Versicherungs- 
Anstalt für deutsche Beamte, einschließlich Geistliche, Ärzte, Tier¬ 
ärzte, Apotheker und Privatbeamte. Er unterhält keine Agenturen, 
sondern alle Geschäfte werden von der Direktion in Hannover 
direkt erledigt. Infolgedessen sind die Verwaltungskosten sehr 
gering, nämlich nur 0,83 M. auf 1000 M. Versicherungskapital, 
während bei allen übrigen Gesellschaften der Durchschnittssatz für 
je 1000 M. sich auf ,$,24 M. und der geringste Satz auf 2,39 M. 
Unkosten beläuft. Der Gewinn wird den Versicherten als Dividende 
zurückgewährt. Der Versicberungsbestand betrug Ende 1902 64 421 


Policen über 228 Millionen Mark Kapital und 590 000 M. Rente. Die 
Sterblichkeit ist um 55 Proz. hinter der rechnungsmäßigen zurück¬ 
geblieben. In den Verwaltungsrat wurde neugewählt Exzellenz 
Dr. Wentzel, Oberpräsident von Hannover. 

Das Pferdehelm In Metz. 

Von Unterroßarzt Rachfall. 

(ZeiUctar. f. Veterinlrk. 1908, S. 159.) 

Rach fall berichtet Uber das im Frühling 1902 eröffnet« und 
seitdem bewährt gefundene Pferdeheim in Metz. Es ist ein 75 m 
langer, 33 m breiter Weideplatz mit trpckenem Boden, zur Hälfte 
mit Schatten bietenden Zitterpappeln bestanden, gut mit Trinkwasser 
versorgt, mit einem Bretterschuppen als Unterstand bei Nacht und 
bei schlechtem Wetter, einem Raum für Aufsichtspersonal und Futter¬ 
versorgung. — Aufgenommen werden Pferde der berittenen Truppen 
der Garnison, soweit sie der die Ankömmlinge untersuchende 
Veterinär von ansteckenden Krankheiten frei findet. Zwecks Ge¬ 
wöhnung werden sie zuerst separiert eingestellt, dann ganz sich 
selbst überlassen. Sie bewegen sich im Schritt und leichten Trab, 
lagern sich unter den Bäumen und gedeihen trefflich, zeigen guten 
Appetit, gutes Haarkleid, Zunahme des Körperumfanges. Vornehm¬ 
lich sind es Tiere, die an Lahmheiten erkrankt, scharf eingerieben 
oder gebrannt und schon einige Zeit außer Dienst gestellt waren, 
die hier gleichsam zur Nachkur frische Luft, einen naturgemäßen 
Weidegang und ein Stückchen Freiheit genießen dürfen. — 

Die Institution ist nach anderweitiger Angabe der Initiative des 
Grafen Haeseler entsprungen. 0. A. 


Personalien. 

Auszeichnungen und Ernennungen: Dem Landstallmeister Dr. Oraben- 
sce zu Celle wurde der Rote Adlerorden 3. Kl. m. d. Sch. und dem 
Departements- und Kreistierarzt Voß in Aurich der Kronenorden 8. Kl. 
verliehen. — Tierarzt Dr. Statu/ in Straßburg i. E. wurde zum Kreis¬ 
tierarzt ernannt und dem Ministerium überwiesen; die Tierärzte Dr.P. 
Morgenstern in Empel im Rhl. und Wiedemann in Ichenhausen zum 
1. Institutaassisteptßn,, am ygt^rinürinptitut dex^Ujgiyüfsität Leipzig 
bzw. zum Assistenten a. d. tierärztl. Hochschule München; Tier¬ 
arzt Hartmann in Herleshausen zum staatlichen Auslandsfleisch¬ 
beschauer in Bentheim, R.-B. Osnabrück; die Tierärzte Schneider 
in Tiegenhof und Matthauscheck in Dortmund zum Tierarzt bzw. 
Hilfstierarzt am Schlachthof in Köln; Breier und BucJacar zu Hilfs¬ 
tierärzten am Schlachthof in Dresden. 

Niederlassung: Tierarzt Anton Clevisch in Schrimm in Posen. 

Examina: Promoviert wurden Kontrolltierarzt Rauscher in 
Kufstein, Assistenztierarzt Musterte in München, U.-Roßaret Alfred 
Ho ff mann in Langensalza, Tierarzt Uhlmann in Lengefeld im Erzgeb. 
zum Dr. med. vet in Bern; deBgl. Joh. Peters und A. Lenfers in 
Gießen; R. Dobers und Werner Meyer in Dresden zum Dr. phil. in 
Zürich; desgl. H. Käppcl in Leipzig und J. Weber aus Linnich in 
Bern. — Das Amts ex amen für Sachsen bestand Tierarzt Ad. Ass¬ 
mann in Dresden. — Approbiert wurden die Herren: Arthur Freise, 
Walter Jungklaus, Christian Steffen, Carl Benxii\, Bruno BoUmann, 
Erich George und Fritz Springefeldt in Berlin. 

Nachträgliche Bemerkung : Unter den in Nr. 5 der B. T. W. mit¬ 
geteilten Namen der Herren, welche im Januar d. J. in Berlin das 
Examen als beamteter Tierarzt bestanden haben, fehlt, wie erst jetzt 
bemerkt worden ist, der Name des Schlachthofdirektors Boisinger 
in Eupen. 

In der Armee: Unterveterinär der Reserve Wildhagen wurde 
zum aktiv. Unterveterinär im 5. bayr. Feld-Art-Regiment ernannt — 
Dem Roßarzt der Reserve Outfeld der Abschied bewilligt 


Vakanzen. 

Neu hinzugetreten (s. Nr. 27): Kreistierarztstelle für den Kreis 
Kehldingen; Amtssitz in Freiburg a. E. (Stade); für 1. August Meid, 
binnen 4 Wochen. — Meißen: Niederlassung erwünscht Auskunft 
bei der Kgl. Amtshauptmannschaft ebenda. 

Die Assistentenstelle am anatomischen Institut zu 
Berlin ist vergeben. 


Verantwortlich für den Inhalt (exkL Inieratenteil): Prof. Dr. Schmält* in Berlin. — Verlag und Eigentum von Richard Sohoets in Berlin. — Druck von W. Bdxeniteln, Berlin. 


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IM« „Berliner Tierftrstllehe Woehensehrift* ereehelnl 
wöchentlich im Verlege tob Richard Schoeta in 
Berlin, Lntsenatr.88. Dareh Jede« deutsche Postamt wird 
dieselbe rum Preise tob IC. 5,— vierteljährlich (M. 4,88 für 
die Wochenschrift, IS Pf. ftlr Bestellgeld) frei Ins Hans 
geliefert (Deutsche Post-Zeltnngs-Preisliste No. 110t, 
Oesterrelchlsehe No. 610, Ungarische No. 90.) 


Berliner 


Orlglnalbeltrlge werden mit60 lk. für den Bogen honoriert 
Alle Mannskripte, Mitteilungen nnd redaktionellen An¬ 
fragen beliebe man au senden an Prot Dr. Schmält*, 
Berlin, Uarintliche Hochschule, NW, Lolaen-traaae 68. 
Korrektoren, Reaanalona-Exetnplaro nnd Annonoen da¬ 
gegen an <ie Verlagsbnchhandlang. 


Tierärztliche Wochenschrift 


Redaktion: 

Professor Dr. Schmal tz- Berlin 

Verantwortlicher Redakteur. 


De Brula 

Profeaaor 

Utrecht 

Dr. Jett 

Krelatlerarst ' 
Charlottenburg. 

KQhaau 

8ehlachthofdlrektor 

CO ln. 

Dr. Lothes 

Departemenutierarst 

Cöln. 

Nevermann 

Krelatlerarst 

Bremervörde. 

Prof. Dr. Peter Peters 

Krelatlerarst Departementatlerarst 

Angermünde. Bromberg. 


Premse 

Veterinärs** eaaor 
Danzig. 

Dr. Roeder 

Professor 

Dresden. 

Dr. Schlegel 

Profeasor 

Freibnrg i. Br. 

Dr. Vogel ZOndel 

Landestierarst r. Bayer« Krelatlerarst 

München. Mülhausen i. E. 

Jahrgang 1903. 


M 31 . 


Ansgegeben am 30. Juli. 


Inhalt: Schutzimpfungen gegen Schweinerotlauf in Württemberg im Jahre 1902. — Angerstein: Anwendung des Fango 
in der tierärztlichen Praxis. — Scheben: Ein Fall von Heilung des Akarnsekzems beim Hunde. — Meyer: Intra¬ 
venöse Injektionen bei Händen. — Plate: Atresia ani bei einem Kalbe. — Kanterowlcz: Das auskochbare Maxi¬ 
malthermometer „Pyrol“. — Gaertner: Das Fahrrad und Motorrad in der Praxis. — Referate: Über Identität und 
gegenseitige Übertragbarkeit der Schwindsucht und Perlsucht — Tageegeeohiofate: Schlachthofdirektor Dr. med. Oskar Schwarz- 
Stolp f. — Verband der Privattierärzte in Preußen. — Prüfungsordnung für Tierzucht-Inspektoren. — Personalien. — 
Vakanzen. 


Schutzimpfungen gegen Schweinerotlauf in 
Württemberg im Jahre 1902. 

Mitgeteilt vom Hygienischen Laboratorium, Tierärztliche Abteilung, 

... ...dea_KgL.WÜctt MediziiwlVt>Ußg'»P.8-. 

Zur Bekämpfung des Schweinerotlanfs in Württemberg 
wurden im Jahre 1902 nach dem Lorenz sehen Verfahren ins¬ 
gesamt 27 811 (1901: 20 801; 1900: 15 217; 1899: 12 501; 
1898: 9093; 1897: 7178; 1896: 1487; 1895; 63; 1894: 136; 
1893 : 9) Schweine geimpft Hiervon wnrden zu den öffent¬ 
lichen Impfungen» die unter Leitung des KgL Medizinal¬ 
kollegiums, Tierärztliche Abteilung, in 58 Oberämtern nnd 
451 Gemeinden vorgenommen wnrden, 26 972 gestellt, während 
839 Schweine privatim geimpft wurden. 

Unter den 27 811 Impflingen sind 5 Stück der Heil- 
impfung unterzogen worden, welche sämtlich genasen; 27 806 
Schweine erhielten die Schutzimpfung. 1236 der letzteren 
waren im Voijahr der Vollimpfung unterzogen worden und 
daher im Berichtsjahr nur mit Kultur zu versehen. Die übrigen 
26 570 Schweine wurden zunächst mit Serum und gleich¬ 
zeitig mit Kultur I geimpft; 17 125 derselben erhielten anch 
die zweite Kultureinspritzung. 

Einwandsfrei nachweisbare Impfverlnste kamen bei den 
Impfungen wie im Vorjahre nicht vor. Dagegen ist bei einem 
Todesfall nnd sechs vorübergehenden Erkrankungen ein ur¬ 
sächlicher Zusammenhang mit der Einverleibung der Impfstoffe 
wahrscheinlich. Das betreffende Schwein verendete sechs Tage 
nach der kombinierten Serum- und Kultureinspritzung. In der 
an das Laboratorium eingesandten Milz konnten mikroskopisch 
und durch den Tierversuch Botlaufb&zillen nachgewiesen 
werden; nach einer Mitteilung des Impftierarztes war jedoch 
das Schwein mit Abszessen in der Leber behaftet und 
fehlte die Hautröte. Die sechs nur vorübergehend erkrankten 
Schweine versagten 3 — 6 Tage nach der Impfung das 
Futter, zwei derselben zeigten anch Lähmungserscheinungen im 


Hinterteil. — Durch Nebenumstände, welche hätten vermieden 
werden können, aber immerhin mit der Impfung im Zusammen-, 
hang standen, sind zwei Notschlachtnngen veranlaßt worden. 
Eines der Schweine, das in einer engen Kiste vom Impfplatz 
nach Hause transportiert wurde, mußte wegen Erstickungs-, 
gefahr notgeschlachtet werden. Das andere Schwein ließ der 
Besitzer, welcher Verlust durch Impfrotlauf befürchtete, weil 
ein zweites Schwein — übrigens ohne irgend welche Beteiligung 
der Impfung — nenn Tage nach derselben verendet war, not¬ 
schlachten, trotzdem es keinerlei Krankheitserscheinnngen zeigte. 
— Als zufällige Vorkommnisse innerhalb der kritischen Zeit 
dürften 16 Todesfälle und 6 Notschlachtungen zu erwähnen sein. 
Neun der betreffenden Schweine' sind innerhalb 14 Tagen nach 
der Impfung verendet, ohne daß an denselben rotlanfverdächtige 
Erscheinungen beobachtet worden wären; in sieben dieser Fälle 
wurde die Milz an das Laboratorium eingesandt, woselbst durch 
die bakteriologische Untersuchung Rotlauf ausgeschlossen werden 
konnte. Bei je einem weiteren Schwein wurde vom Laborato¬ 
rium bzw. von den Impftierärzten der Tod zurtickgeführt auf 
Euterentzttndung, Darmentzündung, Durchfall, schädliche Futter¬ 
mittel; ein weiteres Schwein zeigte sich der Schweinepest ver¬ 
dächtig, und zwei der verendeten Schweine endlich waren schon 
vorher krank und können daher nicht auf das Verlustkonto der 
Impfung gesetzt werden. Von den sechs notgeschlachteten 
Tieren war eins wegen einer Lungenentzündung getötet worden; 
bei den übrigen fünf lag der Anlaß zur Schlachtung gleichfalls 
nicht in rotlanfverdächtigen Erscheinungen. — Übertragungen 
des Rotlanfs von geimpften auf nichtgeimpfte Schweine wurden 
nicht berichtet. 

Der Verlauf der Impfangen war somit durchaus befriedigend; 
die wenigen Verluste fallen bei der großen Zahl der Impflinge 
nicht ins Gewicht. 

Ebenso darf der erzielte Impfschutz als den weitestgehenden 
Anforderungen entsprechend bezeichnet werden. Denn bis zum 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 81. 


Schluß des Berichtsjahres ist unter den geimpften Schweinen 
nur bei einem verendeten der Rotlauf festgestellt worden; bei 
zwei Notschlachtungen und sechs vorübergehenden Erkrankungs¬ 
fällen wurde das Vorliegen des Rotlaufs von den Besitzern nur 
vermutet. Daß es indes an Ansteckungsgelegenheit nicht gefehlt 
hat, geht daraus hervor, daß unter den nicht geimpften Schweinen 
der Impforte vom Beginn der Impfang bis zum Jahresschluß 
238 Rotlauffälle gemeldet worden sind, wovon 26 auf Gehöfte 
entfielen, in denen gleichzeitig geimpfte und gesund gebliebene 
Schweine sich befanden. 

Der ganze Bedarf an Serum sowie an Kulturen wurde im 
eigenen Laboratorium hergestellt; dieses besorgte auch die 
Sterilisierung sämtlicher Impfspritzen. 

Für die öffentlichen Impfungen wurden 147 218 Liter 
Serum benötigt, somit für jedes der mit Serum geimpften 
Schweine durchschnittlich 5,7 ccm (1901: 5,9; 1900: 6,1; 
1899: 6,1; 1898: 5,9; 1897: 5,8). 

Zu den Privatimpfungen wurden 6460Liter Serum abgegeben. 

Der Gesamtaufwand für die öffentliche Schutzimpfung, 
einschließlich der Belohnung der 69 Impftierärzte (Diäten und 
Reisekosten eines Oberamtstierarztes, sowie 15 Pf. Impfgebühr 
pro Schwein) betrug 14 172,81 M. Nach Abzug der von den 
Schweinebesitzern erhobenen Impfgebühren*) im Betrag von 
12 252,84 M. verblieb ein wirklicher Aufwand für die Staatskasse 
von 1919,97 M. 

Die Einzelimpfang kam also insgesamt auf 0,53 M. (1901: 
0,59 M.; 1900: 0,70 M.; 1899: 1,05 M.; 1898: 1,39 M.; 1897: 
1,57 M.; 1896: 1,86 M.), wovon die Staatskasse 0,07 M. (1901: 
0,13 M.; 1900: 0,13 M.; 1899: 0,49 M.; 1898: 0,83 M.; 1897: 
0,99 M.) zu tragen hatte. '• 

Das günstige Gesamtergebnis gab dem Königl. Ministerium 
des Innern Veranlassung, die alljährliche Vornahme von öffent¬ 
lichen Schutzimpfungen gegen Schweinerotlauf nach Lorenzscher 
Methode nunmehr als eine dauernde Einrichtung anzuordnen.**) 
Dabei wurde das Königl. Medizinalkollegium, tierärztliche Ab¬ 
teilung, ermächtigt, für etwaige Impf Verluste eine der Billigkeit 
entsprechende Entschädigung unter gewissen, die Feststellung 
des Rotlaufs ermöglichenden Bedingungen zu gewähren. 


Anwendung des Fango in der tierärztlichen Praxis. 

Von 

C. AnQerstein-Greversmtthlen i. Meck!., 

prakt. Tierarzt. 

Über die Verwendung des Fango in der tierärztlichen Praxis 
habe ich in der mir zugänglichen Literatur bisher keine Notizen 
gefunden. Die Anwendung desselben in der eignen Familie 
brachte mich auf den Gedanken, die Applikation in der Praxis 
zu versuchen. Fango ist ein mineralischer Schlamm vulkanischen 
Ursprungs, der aus den Thermalseen in Bataglia—Ober-Italien — 
gehoben wird. In der Humanmedizin wird demselben eine außer¬ 
ordentlich heilsame Wirkung bei Rheumatismus, Gicht, Ischias, 
Neuralgien etc. zugeschrieben, und seine Fähigkeit, alte Ex¬ 
sudate zur Resorption zu bringen, gerühmt ob mit Recht oder 
Unrecht, wage ich nicht zu entscheiden. 

Die grauschwarze Masse von teigiger Konsistenz ist geruch¬ 
los, besitzt ein überaus schlechtes Wärmeleitungsvermögen und 
ist sehr anschmiegungsfähig. 

*) Veröffentlichungen des Gesundheitsamts von 1902. S. 279. 

**) Veröffentlichungen des Gesundheitsamts von 1903. S. 619. 


Für unsere Zwecke kann dasselbe Quantum mehrere Male 
nach einander Verwendung finden und die Applizierungsweise 
ist eine sehr einfache und wenig zeitraubende, Umstände, welche 
gerade in der Praxis sehr ins Gewicht fallen. Der Preis ist 
ein mäßiger. 

Von den Fällen, in denen ich Fango bisher in der Praxis 
verwendet habe, möchte ich vorläufig einen veröffentlichen 
mit dem Bemerken, daß ich über weitere Versuche später 
referieren werde. 

Ein Grauschimmel Wallach, ca. fünf Jahre alt, lahmt mehr oder 
weniger seit mehreren Wochen, seit etwa acht Tagen jedoch sehr 
stark. Krön- und Hnfbeinbeugesehne des linken Vorderfußes 
sind von der Grenze des oberen Drittels bis zum Fesselgelenk 
herunter stark geschwollen und sehr schmerzhaft 

Fangoapplikation zweimal täglich: Ein entsprechendes 
Quantum Fango (etwa ein kg) wird in ein dünnwandiges Blech¬ 
gefäß getan (event eine Blechdose resp. Konservenbüchse) und 
dies in einen Topf kochenden Wassers gestellt. Während das 
Wasser kocht, wird der Schlamm mit einem breiten Holzspahn 
öfter umgerührt, um eine in allen Schichten gleichmäßige Er¬ 
wärmung zu erreichen; die Erwärmung muß im Wasserbade ge¬ 
schehen, bei direkter Erwärmung über freiem Feuer würde der 
Fango Wasser verlieren und zum Applizieren ungeeignet werden. 
Ist der Schlamm bereits zu trocken geworden, so habe ich ihn 
durch vorsichtiges Zugießen von heißem Wasser wieder auf die 
richtige Konsistenz gebracht 

Sobald die Masse so heiß ist, daß man die Finger noch 
gut drin halten kann, wird sie mittels des Holzspahns möglichst 
schnell auf ein bereitgehaltenes entsprechend großes Stück grobes 
Leinen oder Sacktuch — mehrere Lagen stark — mehrere Zenti¬ 
meter dick aufgestrichen und dies nun mit der Schlammseite 
auf die Haut des Tieres schnell um die erkrankte Partie gelegt. 
Hierüber kommen nun mehrere Lagen einer wollenen Pferde¬ 
decke und das Ganze wird mit dickem Bindfaden oder einer 
Binde umwunden. Die Packung bleibt 3—4 Stunden liegen; 
sie wird dann abgenommen und etwa in den Haaren sitzen ge¬ 
bliebene Massen werden mit lauwarmem Wasser entfernt. 

Nach viermaliger Applizierung waren bei dem behandelten 
Tier Schwellung und Schmerzhaftigkeit bedeutend zurtick- 
gegangen, nach acht Packungen ist die Schwellung ver¬ 
schwunden, die Lahmheit, welche schon nach zwei Tagen be¬ 
deutend nachgelassen hatte, ist jetzt, nach vier Tagen, nur noch 
auf hartem Boden bei Trabbewegung in ganz geringem Grade vor¬ 
handen, bei Druck auf die Sehnen werden Schmerzäußerungen 
nicht mehr bemerkt. Nach achttägiger Behandlung wird Patient 
als geheilt entlassen. 


Ein Fall von Heilung des Akarusekzems beim Hunde. 

Von 

Leo Soheben-Marburg. 

Im September vorigen Jahres stellte ich bei dem Hunde 
(deutsche Dogge, welche etwa s / 4 Jahr alt, guter Ernährungs¬ 
zustand) eines Assistenten des hiesigen zoolog. Instituts Akarus- 
ausschlag fest. 

Kurz oberhalb der linken Orbita befand sich eine etwa 
talergroße, haarlose, leicht gerötete, stellenweise mit desqua- 
miertem Epithel bedeckte, ziemlich scharf umschriebene Haut¬ 
stelle. Juckreiz war nicht vorhanden. 


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30. Juli 1903. 


Mit dem Skalpell schabte ich die verdächtige Stelle blutig 
und untersuchte die anstretende Gewebsflüssigkeit mikroskopisch. 
Es fanden sich Fragmente wie vereinzelte gut erhaltene Exem¬ 
plare der Akarusmilbe. 

Im Hinblick einerseits auf die Lokalisierung des Prozesses, 
andererseits auf die zweifelhafte Wirkung der bekannten Räude¬ 
mittel versuchte ich mit Einwilligung des Besitzers aus unten 
näher zu erörternden Gründen die Wirkung eines meines Wissens 
in dieser Richtung noch nicht versuchten Mittels, nähmlich des 
Silbers. 

Ich benutzte es in Form einer 4 l / 2 °/ 0 salpetersauren 
Lösung in der Weise, daß ich die vorher wundgebürstete Stelle 
mit der Lösung anpinselte. 

Um nun das mich natürlich interessierende Verhalten der 
mit der eindringenden Noxe in Berührung kommenden Haut¬ 
bewohner kennen zu lernen, preßte ich nach 1 bis 2 Minuten 
auf die fragliche Stelle einen Objektträger, setzte physiologische 
Na CI Lösung zu und betrachtete ihn mikroskopisch. Im Gegen¬ 
sätze zu der ersten Untersuchung war jetzt das ganze Gesichts¬ 
feld mit lebhaft sich bewegenden Demodexmilben der ver¬ 
schiedensten Altersstufen vollständig bedeckt. 

Ungefähr das gleiche Bild, wenn auch succesBive abnehmend, 
boten eine Reihe anderer in derselben Weise hergestellten 
Präparate. 

Durch die freundliche Unterstützung des Herrn Dr. Tön- 
niges, des Besitzers des Patienten, welcher mir zum Zwecke 
einer weiteren Untersuchung eine Anzahl Mikroskope zur Ver¬ 
fügung stellte und mich auch bei dieser Untersuchung aufs 
liebenswürdigste unterstützte, war es mir möglich, die allem 
AMcheine nach noch sehr lebenskräftigen Akaxinen gleich¬ 
zeitig unter den verschiedenen Mikroskopen besonders in ihrer 
Reaktion zu der tropfenweise mit der Pipette zugesetzten 
Silberlösung zu beobachten. 

Die Wirkung der Silberlösung zeigte sich ziemlich über¬ 
einstimmend in der Weise, daß die anfangs sehr lebhaften 
Bewegungen nach 8 Minuten äußerst langsam geschahen und 
bald fast vollständig sistierten; nach 23 Minuten waren einige, 
nach 40 Minuten alle Schmarotzer unter Schrumpfungs¬ 
erscheinungen getötet. 

Während dieser Zeit blieben die in physiol. Kochsalz¬ 
lösung befindlichen Kontrolltiere in Bewegung. 

In 2'/ 2 proz. Sublimatlösung lebten die Parasiten noch 
nach 3 Stunden. 

Die massenhafte Auswanderung der Parasiten in ihrem 
anscheinend intakten Zustande mußte oder konnte der Nach¬ 
barschaft des parasitären Hundes verderblich werden, weshalb 
eine prophylaktische Behandlung in dieser Beziehung geboten 
schien. Hierin bestärkte mich auch eine vor einiger Zeit in 
der B. T. W. (1901 S. 600) erschienene Studie von Herrn 
Kollegen Horneck, der in einer Anzahl von Räudefällen die 
Milben im Ohrenschmalz der Patienten nachweisen konnte. 

Das Ohr sowie die nächste Umgebung der erkrankten 
Stelle wurde daher während der Krankheitsdauer täglich mit 
40 proz. Alkohol ausgespült bezw. ausgewaschen, ehe nach 
Wundreibung die Solution aufgetragen wurde. Das Resultat 
war über Erwarten befriedigend. 

Wie die alle zwei Tage vorgeuommene mikroskopische 
Untersuchung erwies, wurden die Parasiten immer vereinzelter; 
nach acht Tagen war keine Milbe mehr nachzuweiseu. Die 


483 


Behandlung wurde mit dem zehnten Tage eingestellt. Das Haut¬ 
gewebe regenerierte vorzüglich, ohne Verdickungen zu hinter¬ 
lassen. Da der Fall schon um zehn Monate zurückliegt, 
ein Rezidiv also ausgeschlossen ist, ist die Heilung wohl als 
eine vollständige zu bezeichnen. 

Zur Anwendung der Silberlösung hat mich, wie ich zum 
Schluß bemerken möchte, die diesem Metalle eigentümliche, so 
außerordentlich große, meines Wissens unerreicht dastehende 
entwickelnng8liemmende Kraft bewogen, da ich die Möglichkeit 
annahm, durch den Silberschorf die Ansiedelung von Mikro¬ 
organismen und damit die dadurch jedenfalls bedingte Form 
der pustulösen und geschwürigen Erkrankung der Haut ver¬ 
hüten und somit eine direkte Heilung erzielen zu können. 

Intravenöse Injektionen bei Hunden. 

Von 

H. Meyer -Dresden-N., 

Tierarzt. 

Man schnallt vorteilhaft den Hund mit Gurten auf einen 
Tisch und läßt den zur Injektion bestimmten Hiuterschenkel 
von einem kräftigen Mann auf den Tisch gedrückt festkalten. 
Alsdann komprimiert man die Blutgefäße durch Umlegen eines 
Gummischlauches um den gestreckten Oberschenkel oberhalb 
der Kniescheibe. Hierdurch tritt die Schrankader, innere große 
Schenkelvene, an der inneren Fläche des Unterschenkelbeines 
dicht unter der Haut liegend, bei mittelgroßen Tieren in etwa 
Gänsefederkielstärke hart und strangföimig hervor. Man kann 
unschwer mit einer nicht zu starken Kanüle mit gut geschärfter 
Spitze einer Pravazspritze in die Vene gelangen, indem man 
die Spitze der Kanüle durch die Haut von unten nach oben 
und hierauf in der Längsrichtung des Schenkels in die prall 
hervortretende und auf dem Schenkelknochen liegende Vene 
sticht. Vorteilhaft macht man beim Einstechen in die Vene 
eine halbe Drehbewegung der Kanüle um ihre eigene Achse. 
Die Kanülenspitze bohrt sich hierdurch leichter in die Vene 
hinein. Sobald venöses Blut aus der hinteren Öffnung der 
Kanüle tropfenweise ausfließt, ist man sicher, daß man mit der 
Kanülenspitze in der Vene ist. 

Nun schiebt man die Spritzenspitze in die Kanülenöffnung, 
löst den Gummischlauch und spritzt langsam die Ipjektions- 
fiüssigkeit durch die Kanüle direkt in die Vene. 

Die Injektionen sind bei großen Hunden leicht, bei kleinen 
schwieriger ausführbar. Sind Haare im Bereiche der Injektions¬ 
stelle hinderlich, so schert man sie vorher ab. 

Die Beobachtung der Desinfektionsregeln hierbei setze ich 
als selbstverständlich voraus. 


Atresia ani bei einem Kalbe. 

Von 

Plate-Kierspe i. W., 

Tierarzt 

Mit dem Vorberichte, daß ein am Morgen geborenes männ¬ 
liches Kalb seit 10 Stunden vergeblich auf den Kot dränge, 
wurde ich zu einem Besuche gebeten. Die Untersuchung ergab 
Felilen der Afteröffnung. Ein Ringmuskel war unter der völlig 
glatten Haut nicht durchzufühlen. Ich durchschnitt zunächst 
senkrecht die Haut in der Aftergegend und bohrte mit dem 
stumpfen Ende des Skalpelle einen 12—15 cm tiefen Kanal 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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484 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 31. 


durch das unter der Wirbelsäule befindliche lockere Bindegewebe, 
ohne daß Teile des Darmes znm Vorschein kamen. Ich hatte 
mich schon zum Flanken schnitt entschieden, da gewahrte ich 
bei dem immer heftiger werdenden Drängen des Tieres ein 
blindsackartiges Darmstöck in dem Endteil des künstlichen 
Kanals. Letzteres wurde herausgezogen, eröffnet und nach 
Entleerung des stark angesammelten Darmpechs ringförmig mit 
fortlaufender Naht an die äußere Haut befestigt. Die Wund¬ 
ränder wurden mit Airolpaste bestrichen. Heilung per primam 
intentionem. Das sich prächtig entwickelnde Kalb wurde im 
Alter von 3 Wochen bei einem Lebendgewicht von 75 kg 
geschlachtet. Die Beschau ergab keine sonstige Abnormität. 
Die Lendenpartie war übermäßig fettreich. 


eine Reihe von Infektionskrankheiten entweder direkt lokalisiert 
sind oder aber ihre Krankheitsprodukte darüber hinwegbefördert 
werden (ich erinnere hier an die Tuberkulose, den Milzbrand, das 
infektiöse Verkalben, die Kälberruhr), so ist es klar, daß hier 
noch mehr, als in der Humanmedizin, Vorsicht beim Gebrauche 
gemeinsamer Meßinstrumente am Platze ist. Wenn auch im 
allgemeinen die bisher übliche Desinfektion durch Einlegen in 
antiseptische Flüssigkeiten ihren Zweck erfüllen dürfte, so 
gewährt es doch eine große Beruhigung, nunmehr ein Thermo¬ 
meter zu besitzen, das auch der zuverlässigsten aller 
Sterilisationsmethoden, der durch Auskochen, unterworfen 
werden kann. 

Das Thermometer Pyrol ist durch die Firma H. Hauptner 
Berlin, zum Preise von 2,25 M. zu beziehen. 


Das auskochbare Maximalthermometer „Pyrol“. 

Von 

Dr. E. Kantorowicz-Berlin, 

prakt Arit 

Während bei allen sonstigen ärztlichen Instrumenten das 
Bestreben darauf gerichtet ist, eine Sterilisation derselben durch 
Auskochen zu ermöglichen, ist bisher bei Fieberthermometern 
ein Versuch, sie auskochbar zu gestalten, nicht gemacht worden. 

Man begnügte sich damit, die Thermometer ganz aus 
Glas, ohne Metall oder Hartgummimontierung, herzu¬ 
stellen, und nannte diese Instrumente aseptisch, ob¬ 
gleich dieselben der Hauptforderung der Asepsis, näm¬ 
lich der Möglichkeit einer Sterilisation durch Siede¬ 
hitze, nicht standhielten. Da die Skala der Fieber¬ 
thermometer nur bis etwa 45° C. reicht, so mußte 
beim Versuche des Auskochens das mit ungeheurer 
Gewalt sich ausdehnende Quecksilber binnen wenigen 
Augenblicken das Glasrohr sprengen und so das ganze 
Instrument zerstören. 

Ich habe mich nun bemüht, ein sterilisierbares 
Fieberthermometer zu konstruieren, und habe dieses 
Ziel auch mit dem nebenstehend abgebildeten Instru¬ 
mente erreicht. 

Dasselbe ist in seiner äußeren Form dem Eber¬ 
schen Reformthermometer nachgebildet und unter¬ 
scheidet sich auf den ersten Blick in nichts von diesem. 
Erst bei ganz genauem Hinsehen erblickt man in dem 
oberen Ende des Kapillarrohres eine kleine Anschwel¬ 
lung, eine Erweiterung des Rohres. In dieser 
Erweiterung liegt das Wesentliche der neuen Konstruktion. 
Für gewöhnlich ist die Erweiterung leer, und erst beim 
Auskochen des Thermometers tritt Quecksilber in dieselbe. 
Sie dient also dem bei höheren Temperaturen übersteigenden 
Quecksilber als Reservoir. Trotz ihrer anscheinenden Kleinheit 
vermag sie mindestens das zehnfache der in dem gesamten 
Kapillarrohre enthaltenen Quecksilbermenge zu fassen. Man 
kann somit das Thermometer ohne Bedenken nicht nur in 
siedendes Wasser legen, sondern es auch der noch höheren 
Temperatur des gespannten Wasserdampfes aussetzen. Wegen 
dieser seiner Widerstandsfähigkeit gegen hohe Hitzegrade habe 
ich dem Instrumente den Namen „Pyrol“ beigelegt. 

Bedenkt man, daß in der Veterinärpraxis die Temperatur¬ 
messungen ausnahmslos im Mastdarm oder der Scheide vorge¬ 
nommen werden, daß die Instrumente unter Umständen längere 
Zeit an Ort und Stelle verweilen, daß an den erwähnten Stellen 


Das Fahrrad und Motorrad in der Praxis. 

Von 

Gaertner-Wolgast. 

In No. 4 der B. T. W. d. J. behauptet Herr Kollege Gold¬ 
beck in seinem Artikel „Etwas über Fuhrwerke und deren 
Auswahl, daß die Verwendung des Zweirades in der Praxis um¬ 
gekehrt proportional der Größe der Praxis sei; je größer die 
letztere, desto weniger radelt der Kollege. 

Die Ansicht ist wohl nicht ganz zutreffend, wenigstens 
kann ich sie nicht teilen. Ich habe im Gegenteil Pferd und 
Wagen abgeschafft, als meine Praxis größer wurde, und seit 
ca. 5 Jahren dieselbe während 9 Monaten im Jahre fast gänz¬ 
lich mit dem Zweirad erledigt. Mochte dies auch anstrengender 
und manchmal wenig angenehm sein, so war ich doch sehr froh, 
als ich den ständigen Ärger mit Pferd, Wagen und Kutseher 
los geworden war. Einmal steUte sich das Radfahren bedeutend 
billiger, zweitens aber sparte ich auch dadurch bedeutend an 
Zeit, denn, wenn ich sonst an einem Tage 6 Stunden unterwegs 
war, brauchte ich jetzt nur 4 zur Erledigung derselben Arbeit 
War an einem Tage viel zu tun, dann konnte niemals mein Ge¬ 
spann alles allein bewältigen, sondern ich mußte mir Lohnfuhr¬ 
werk nehmen, oder mußte doch zuletzt zum Rade greifen. 

Hier an der Ostseeküste kann nun sehr häufig das 
Radeln kein Genuß genannt werden, weil fast immer ziemlich 
starker Wind vorhanden ist, namentlich macht es dann wenig 
Freude, wenn auf einem 18 bis 20 km entfernten Gute 100 bis 
150 Schweine zu impfen waren. 

Deshalb trug ich mich eine Zeit lang mit dem Gedanken, 
einen Motorwagen anzuschaffen, kam jedoch sehr bald davon 
ab, als ich erst die neuvorpommerschen Wege im Spätherbst 
und Frühjahr gesehen hatte. Da, wo ich als Radfahrer auf 
dem Fußweg noch fahren konnte, wäre ich mit dem Motorwagen 
stecken geblieben, oder hätte ihn sicher zerbrochen. Nun wurde 
ich in meinen Wünschen bescheidener und kaufte mir ein 
Motorrad. 

Auf einem solchen wird man durchschnittlich in der Stunde 
ca. 30 km fahren, sobald der Weg gut ist und der Wind nicht 
zu stark hemmt. Vor Regen schützt man sich durch eine 
wasserdichte, ziemlich lange Peilerine, die stets am Rade an¬ 
gebracht ist, und vor Kälte durch entsprechende Kleidung und 
Unterzeug (Lederjoppe, Kniewärmer, Pelzstiefeln). 100 km 
kommen an Betriebskosten auf etwa 1,25 M. zu stehen. 

Herr Kollege Goldbeck meint nun, daß die Motorzwei¬ 
räder noch weniger in der Praxis zu gebrauchen seien, wie die 


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». Juli 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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gewöhnlichen Fahrräder, damit fügt er aber dem Motorrade, das 
ein wirklich hervorragendes Verkehrsmittel ist, ein großes 
Unrecht zu. Auf dem schmälsten Fußsteig läßt sich damit 
fahren; ist derselbe nicht so sandig, daß der Fahrer die Gewalt 
über die Lenkstange verliert, dann wird es stets die schlechte 
Stelle des Weges nehmen. Ist jedoch der Sand so tief, daß 
man mit dem Rade umfällt, dann kann man sich das schwere 
Schieben dadurch leichter machen, daß man das Rad gehen 
läßt und nebenher läuft. 

Ich kann jedem Kollegen, der sicher im Radfahren ist, die 
Anschaffung eines Motorrades empfehlen. 

Beim Ankauf müssen allerdings einige Punkte berück¬ 
sichtigt werden. 

1. Man kaufe nur ein solches, das aus einer Fabrik kommt, 
deren Motorräder wirklich erstklassig sind, und lasse sich nie¬ 
mals von dem Fahrradhändler am Ort die Fabrikmarke aufreden, 
deren Vertreter er ist, es sei denn, daß dieselbe von einem 
objektiv urteilenden Motorfahrer empfohlen wird. 

2. Man nehme nur ein Motorrad mit magnet-elektrischer 
Zündung, weil diese die wenigsten Unbequemlichkeiten und Be¬ 
triebsstörungen mit sich bringt. Hierbei versäumt man keine 
Zeit mit der Ladung des Akkumulators, die vielen Kabel fallen 
fort, die sich lockern oder reißen können. Es ist hier keine 
Zündkerze vorhanden, die verrußen oder undicht werden kann, 
man braucht kein teures Voltmeter und keine Ladevorrichtung etc. 

Wohl stellen nun viele Fahrradfabriken Motorräder mit 
magnet-elektrischer Zündung her, aber nur ganz wenige sind 
wirklich zuverlässig. 

3. Man lasse sich garantieren, daß der Motor auch bei 
Frostwetter ordentlich funktioniert. 

4. Man nehme immer nur ein Motorrad, an dem sich zum 
Gassparen ein sogenannter Drosselhahn befindet, und lasse sich 
nicht verleiten, solche Fabrikate vorzuziehen, an denen nur ein 
Hebel zur Bedienung des Rades vorhanden ist. 

Das Fahren auf dem Motorrad ist für jeden geübten Rad¬ 
fahrer eine sehr leichte und in wenigen Minuten erlernbare 
Sache. Die Bedienung des Rades ist so einfach und das Fahren 
so angenehm, daß deijenige, welcher mehrere Male darauf ge¬ 
fahren tat, nur ungern wieder ein anderes, gewöhnliches Rad 
besteigt, weil er sich bald davon überzeugt hat, daß das Motor¬ 
rad jeder Handbewegung sofort gehorcht und niemals durch¬ 
gehen kann. 

Referate. 

Über Identität und gegenseitige Übertragbarkeit der 
Schwindsucht und Perlsncht. 

Verhandlungen der Berliner medizinischen Gesellschaft. 

An« der Berliner klln. und der Münchener med. Wochenschrift. 

Geheimrat Prof. Dr. Schütz bat in der Berliner medi¬ 
zinischen Gesellschaft am 1. Juli 1903 über Versuche betreffend 
Impftuberkulose einen Vortrag gehalten, welcher hier nach dem 
Bericht der Berliner klinischen Wochenschrift No. 29 aus¬ 
führlich folgt: 

Herr Professor Lassar hat Ihnen in der letzten Sitzung 
die Dermatitis verrucosa bei einer größeren Anzahl von Menschen 
gezeigt, die mit perlsüchtigem Materiale häufig umgegangen 
sind; und er ist der Ansicht, daß die genannte Krankheit der 
Haut auf eine Infektion mit Perlsuchtbazillen zurückzuführen 
sei. Seine Mitteilungen stimmen im übrigen mit denen überein, 


welche er bereits im vorigen Jahre in der deutschen medizinischen 
Wochenschrift veröffentlicht hat. In dieser Veröffentlichung 
teilt Herr Professor Lassar mit, daß er in 10 Jahren 108000 
Menschen untersucht habe, welche an Hautkrankheiten litten, 
und daß er nur bei 34 von ihnen eine „notorische Impftuber¬ 
kulose“ habe nachwetaen können. Herr Professor Lassar hat 
sich ferner der Mühe unterzogen, 365 Menschen (Schlächter, 
Fleischabträger und Stempler) des hiesigen Schlachtviehofes zu 
untersuchen und will schon bei 7 von ihnen „Impftuberkel“ 
nachgewiesen haben. Während im ersteren Falle nur y 2 Promille 
an Tuberculosis verrucosa cutis gelitten hätten, wären im letzteren 
Falle 1,92 Proz. mit dieser Krankheit behaftet gewesen. Aus 
dieser Mitteilung leitete Herr Professor Lassar die Schlu߬ 
folgerung ab, daß „durch seine Erhebung die Beziehung zwischen 
Rinds- und Menschenkrankheit eine ganze unbefangene Stütze 
im positiven Sinne erlangt habe.“ In ähnlicher Weise äußerte 
sich Herr Lassar in der letzten Sitzung der medizinischen 
Gesellschaft, in der er von „Unität“ der Taberkulose des 
Menschen und des Rindes sprach. Ich bin der Ansicht, daß 
sich mit den Mitteilungen des Herrn Lassar die Richtigkeit 
dieser Schlußfolgerung nicht begründen läßt und bitte Sie des¬ 
halb, mir Ihre Aufmerksamkeit auf kurze Zeit schenken zu wollen. 

Ich bin seit dem Jahre 1870 Leiter des pathologischen 
Instituts der tierärztlichen Hochschule und während dieser 
langen Zeit ungewöhnlich häufig mit perlsüchtigem Material in 
Berührung gekommen. Ferner erinnere ich Sie daran, daß ich in 
den Jahren 1877—1880 im Aufträge des Herrn Ministers für Land¬ 
wirtschaft und in Gemeinschaft mit dem verstorbenen Geheimrat 
Virchow die Versuche ausgeführt habe, um die Perlsucht durch 
Fütterung von erkrankten Teilen, Fleisch und Milch perlsüchtiger 
Kühe auf gesunde Tiere zu übertragen. Zu diesen Versuchen 
hatten die Arbeiten von Vi Ilern in (1865) und von dem verstorbe¬ 
nen Direktor der tierärztlichen Hochschule, Geheimrat Gerlach 
(1875) die Veranlassung gegeben. Zu dieser Zeit und auch 
später sind die Assistenten und Diener des pathologischen In¬ 
stituts mindestens so häufig und wahrscheinlich viel inniger 
und länger mit Organen perlsüchtiger Tiere in Berührung 
gekommen, als alle Personen, die Ihnen neulich vorgestellt 
worden sind. Die Assistenten des Instituts sind später gleich¬ 
falls Professoren und Leiter anderer Institute geworden, in denen 
wiederum Diener beschäftigt worden sind. Sie alle sind mit 
perlsüchtigem Material umgegangen, ohne sich zu infizieren. 
Ich habe auf diese Tatsache immer ein großes Gewicht gelegt. 
Denn in ähnlichen Instituten der Universitäten sind ganz andere 
Erfahrungen gemacht worden. So ist z. B. bei den Leitern 
und Assistenten der anatomischen Institute und bei den in 
solchen Instituten beschäftigten Dienern das Tuberculum ana- 
tomicum früher eine ganz gewöhnliche Erscheinung gewesen. 
Ich beziehe mich dabei auf eine Mitteilung deB Herrn Geheim¬ 
rat Waldeyer, die ich mir vor einigen Tagen nochmals habe 
bestätigen lassen. Dieser ausgezeichnete Beobachter sagt, daß 
die Verruca necrogenica tuberculosa früher sehr häufig bei 
Anatomen u. s. w. vorgekommen sei, daß sie jedoch jetzt seltener 
bei ihnen beobachtet werde. Dies erkläre er sich durch die 
jetzt gebräuchliche Behandlung der Leichen, in welche konser¬ 
vierende Flüssigkeiten eingespritzt, oder welche in Alkohol 
gelegt würden. Hierdurch würden die in den Leichen etwa 
vorhandenen Tuberkelbazillen und andere Mikroorganismen zer¬ 
stört, oder in eine für die Infektion ungeeignete Form gebracht. 


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486 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 31. 


Ich habe geglaubt, diese Unterschiede in dem Vorkommen 
der Dermatitis verrucosa tuberculosa zwischen den in Rede 
stehenden Instituten der Universitäten und denen der tierärzt¬ 
lichen Hochschulen als einen Beweis dafür ansehen zu können, 
daß die menschliche Tuberkulose und die Perlsucht des Rind¬ 
viehs verschiedene Krankheiten sind. 

Hiermit in Übereinstimmung stehen die Angaben des Herrn 
Geheimrat Koch, der auch feststellen konnte, daß die Haut¬ 
infektionen bei Fleischern und Schlachthofarbeitern nicht so 
häufig sind, als man nach den Mitteilungen über derartige Vor¬ 
kommnisse in den Lehrbüchern hätte erwarten sollen. 

Wenn ich nun beachte, daß Herr Lassar über eine so 
große Summe von Fällen berichtet hat, in denen die auf Schlacht¬ 
höfen beschäftigten Personen sich durch den Umgang mit perl¬ 
süchtigem Material infiziert haben sollen, und eine größere 
Anzahl von Personen in der letzten Sitzung der medizinischen 
Gesellschaft vorgestellt hat, die mit Dermatitis verrucosa tuber¬ 
culosa behaftet sein sollen, so scheint es mir, daß er zu sehr 
geneigt war, im raschen Zusammenhänge alles der Tuberculosis 
verrucosa cutis zuzueignen, was der letzteren nur irgendwie 
ähnlich war. Herr Professor Lassar hat selbst hervorgehoben, 
daß einige der angeführten Fälle dem Begriffe der Tuberculosis 
verrucosa cutis vielleicht nicht zugerechnet werden dürften. 
Ich möchte aber Herrn Lassar bitten, uns doch mitzuteilen, 
in wie vielen Fällen die Krankheit wissenschaftlich sicher fest¬ 
gestellt worden ist. Denn ich möchte zur Vorsicht mahnen 
und halte dies um so mehr für Pflicht, als der Enthusiasmus 
gerade in der Lehre der Tuberkulose zu manchen Irrtümern 
geführt bat. 

Ferner ist von Wichtigkeit das Ergebnis der anatomischen 
Untersuchung. Ich habe vor einiger Zeit die Gelegenheit ge¬ 
habt, einen Finger untersuchen zu können, der mit Verruca 
tuberculosa behaftet war. Der Mann, dem dieser Finger ange¬ 
hörte, gab an, daß er sich bei der Sektion einer perlsüchtigen 
Kuh geschnitten, und daß sich in der Schnittwunde nach längerer 
Zeit eine warzige Masse gebildet habe, die fortschreitend größer 
und größer und schließlich die Veranlassung zu einer umfang¬ 
reichen Veränderung des Fingers geworden Bei. Der Finger 
hatte die Form eines Entenkopfes und war mit flachen Aus¬ 
wüchsen von unebener Oberfläche besetzt. Die Auswüchse hatten 
einen bindegewebigen Grundstock, der mit Knospen und Ästen 
versehen war, durch letztere war die Unebenheit der Oberfläche 
bedingt. Der Grundstock bestand aus hartem weißem Gewebe, 
in welchem sehnige Faserzüge in vielfacher Verflechtung nach¬ 
zuweisen waren. Nirgends waren Riesenzellen zu finden. Eine 
in der Nähe gelegene Sehnenscheide hatte ein charakteristisches 
Aussehen. Die Wandungen der Sehnenscheide waren nicht glatt, 
sondern mit Knoten besetzt, die neben- und übereinander lagen. 
Die Knoten waren teils einfach, teils zu kleineren oder größeren 
Gruppen zusammen gestellt. Die Oberfläche der Sehnenscheide 
erschien daher höckerig und hatte ein lappiges, fungöses Aus¬ 
sehen; und auf dem Durchschnitt konnte man noch die Ent¬ 
stehung aus ursprünglich unabhängigen Herden erkennen. Das 
Gewebe, aus dem die fongösen Auswüchse bestanden, war weich, 
mäßig gefäßreich, durchscheinend und graurötlich, und in dem¬ 
selben lagen ungewöhnlich viele und sehr große Riesenzellen 
mit wandständigen Kernen. Das Gewebe stimmte im Aussehen 
und Baue genau mit denjenigen überein, welches ich so oft im 
Beginn des perlsüchtigen Prozesses an verschiedenen Organen, 


z. B. an der weichen Hirnhaut und dem Netze, bei Kälbern 
gesehen hatte. 

Während bei Menschen in den tieferen Teilen der Pia 
mater cerebralis bei der Arachnitis cerebralis tuberculosa Tuberkel 
entstehen und die Maschen der Pia mater mit Entzündungs¬ 
produkten sich anfüllen, entwickeln sich bei Rindern mehr 
chronische Veränderungen. Bei Menschen haben die in der Pia 
mater entstandenen Tuberkel kaum Zeit, sich käsig zu verändern, 
weil die erkrankten Menschen zu schnell sterben; bei Rindern 
bildet sich dagegen, so z. B. an der Basilarfläche des Großhirns, 
eine Schicht von Granulationsgewebe aus der Pia mater, in 
welcher die Tuberkel liegen. Die Tuberkel sind käsig und 
durch mehr oder weniger breite Züge von Granulationsgewebe 
von einander getrennt Auch der klinische Verlauf der Arachnitis 
cerebro-spinalis tuberculosa bei Menschen weicht von dem bei 
Rindern wesentlich ab. Es ist nichts Ungewöhnliches, daß die 
mit umfangreichen tuberkulösen Veränderungen der Pia mater 
cerebralis und spinalis behafteten Rinder nur geringe, oft nur 
schwer zu deutende Erscheinungen monatelang erkennen lassen, 
ohne schwere Störungen im Allgemeinbefinden zu zeigen. Ähn¬ 
liche Veränderungen sind im Omentum nachzuweisen. Wir haben 
bei unseren Iefektionsversuchen bei Kälbern oft Gelegenheit 
gehabt, den tuberkulösen Prozeß in seinem Anfänge beobachten 
und dabei feststellen zu können, daß das Netz, namentlich das 
in den Maschen zwischen den großen Gefäßen gelegene Gewebe 
mit einer Granulationsschicht bedeckt war, aus deren Oberfläche 
kleine hügelige Erhabenheiten hervortraten. Die Veränderungen 
machten den Eindruck der krebsigen oder sarkomatösen, am 
wenigsten aber den der tuberkulösen, und dennoch war die 
Granulationsschicht reichlich mit großen Riesenzellen durchsetzt, 
welche Tuberkelbazillen enthielten. Auf diese Unterschiede hat 
im übrigen schon Virchow aufmerksam gemacht, der zwischen 
taberkulösen Veränderungen des Menschen und perlsüchtigen 
des Rindes unterschied. Schließlich möchte ich noch betonen, 
daß in den Knoten, mit denen die Sehnenscheide des oben er¬ 
wähnten Fingers besetzt war, auch nicht eine Spur von Zerfall 
nachgewiesen werden konnte. Auch dies ist ein Merkmal, 
welches bei den Tuberkeln (Perlknoten) des Rindes oft fest¬ 
zustellen ist 

Ich komme nun zu dem letzten Teile meines Vortrages: 

Herr Geheimrat Koch hielt es für erforderlich, die Bazillen, 
welche in den erkrankten Teilen der Haut der mit Dermatitis 
verrucosa tuberculosa behafteten Menschen etwa enthalten waren, 
zu isolieren und in Reinkulturen zu züchten. Denn er war der 
Meinung, daß man ein Urteil über die spezielle Natur der Er¬ 
krankung nur aussprechen könne, wenn die Eigenschaften der in 
ihnen nachweisbaren Bazillen ermittelt seien. Es wurden deshalb 
Teile der erkrankten Haut von verschiedenen Personen erworben 
und aus diesen Teilen Reinkulturen der Bazillen hergestellt 
Ferner wurden Teile dieser Reinkulturen auf gesunde Kälber 
übertragen. Herr Geheimrat Koch hat bereits ziemlich genaue 
Mitteilungen über die Ergebnisse dieser Versuche gemacht Die 
Reinkulturen wurden den Kälbern unter die Haut des Halses 
gespritzt.- Hiernach entwickelten sich bei denselben mehr oder 
weniger umfangreiche, schmerzhafte Anschwellungen, die sich in 
der Richtung der Lymphgefäße ausbreiteten. In einzelnen Fällen 
brachen die Anschwellungen auf und es entleerten sich eitrig-käsige 
Massen aus denselben. Die Ausbreitung des Prozesses fand 
gewöhnlich in der Richtung gegen die unteren trachealen Lymph- 


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30. Juli 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 



drttsen statt, welche nicht selten die Größe einer Doppelfanst 
and darüber erreichten. Noch später trat allgemeine Infektion 
mit mehr oder weniger hochgradiger Abmagerung ein, und bei 
der Sektion der Kälber fanden sich ausgebreitete tuberkulöse 
Veränderungen in vielen Lymphdrüsen, den Lungen, an den 
Berösen Häuten u. s. w. Nach dem Verlaufe des Prozesses und 
nach dem Ergebnisse der Obduktion konnte es nicht zweifelhaft 
sein, daß die Kälber an der Perlsucht gelitten hatten. 

Nun könnten Sie mich fragen, durch welche Merkmale der 
perlsüchtige Prozeß bei Kälbern gekennzeichnet sei und nament¬ 
lich von den Veränderungen unterschieden werden könne, welche 
durch die Bazillen der menschlichen Taberkulose bei Kälbern 
hervorgerufen werden. Auch hierüber hat Geheimrat Koch 
bereits ausführliche Mitteilungen gemacht. Mir ist zwar bekannt, 
daß den Schlußfolgerungen des Herrn Geheimrat Koch von 
einigen Seiten widersprochen worden ist; aber auch an zu¬ 
stimmenden Erklärungen hat es nicht gefehlt. Ich bin nicht in 
der Lage, die Unterschiede, welche zwischen den Infektionen 
mit Bazillen der menschlichen Tuberkulose und denen mit Ba¬ 
zillen der Perlsucht bei Kälbern beobachtet werden, hier an¬ 
führen, bezw. noch einmal wiederholen zu können, weil ich hierzu 
die Genehmigung des Herrn Geheimrat Koch haben müßte, mit 
dem ich augenblicklich nicht in Verbindung stehe. Dazu kommt 
aber noch ein anderer Grund. Herr Geheimrat Koch hatte in 
einer Sitzung des Kaiserlichen Gesundheitsamts, welcher eine 
große Anzahl von Fachmännern beiwohnte, den Wunsch ausge¬ 
sprochen, daß die Versuche, welche wir zusammen gemacht 
hatten, noch einmal wiederholt, also die Ergebnisse derselben kon¬ 
trolliert würden. Darauf wurde beschlossen, daß mit der Wieder¬ 
holung der Versuche das Kaiserliche Gesundheitsamt zu betrauen 
sei, und daß dieselbe nach einem in der Sitzung festgestellten 
Plane erfolgen solle. Diesem Wunsche hat sich das Kaiserliche 
Gesundheitsamt in der bereitwilligsten Weise unterzogen und 
hat mit großer Mühe und Sorgfalt seit etwa zwei Jahren viele Reihen 
von Versuchen mit Reinkulturen der Tuberkelbazillen bei Kälbern 
aasgeführt. Die Ergebnisse dieser Versuche sollen am nächsten 
Montage in einer Sitzung, zu der das Kaiserliche Gesundheits¬ 
amt besondere Einladungen erlassen hat, mitgeteilt werden. Ich 
bin über die Ergebnisse dieser Versuche nicht unterrichtet, möchte 
aber glauben, daß Sie es in Übereinstimmung mit mir für richtig 
halten werden, wenn ich die Erklärungen des Gesundheitsamtes 
abwarte, aus denen sich ergeben wird, ob die Schlußfolgerungen 
von Koch zutreffend waren oder nicht. An die Stelle der 
kritischen Widerlegungen soll das Ergebnis des Experimentes 
treten, welches vielleicht eine so überwältigende Sprache führt, 
daß jede weitere Erörterung ausgeschlossen ist. Ich gehe 
deshalb auf diesen Teil meines Vortrags nicht ein. (Heiterkeit.) 

Ich bin der Meinung, daß Menschen, welche mit mensch¬ 
lichem tuberkulösen Material umgehen, häufiger an Dermatitis 
verrucosa tuberculosa leiden, als Menschen, welche in ihrem 
Berufe mit perlsüchtigem Material in Berührung kommen, daß 
also die Dermatitis vorrucosa tuberculosa, welche durch Bazillen 
der menschlichen Tuberkulose entsteht, häufiger bei Menschen 
auftritt, als die Dermatitis verrucosa tuberculosa, welche durch 
Perlsucht zustande kommt. Ferner ist wissenschaftlich 
dargetan, daß es eine Erkrankung der Haut bei Menschen gibt, 
welche auf perlsüchtiger Infektion beruht. Denn ich konnte an 
dem erkrankten Finger eines Menschen Veränderungen fest¬ 
stellen, welche denen der Perlsucht des Rindes entsprechen, 


und Geheimrat Koch wies nach, daß diese Veränderungen durch 
Bazillen bedingt sind, welche in ihren Eigenschaften mit denen 
der Perlsucht übereinstimmen. Die Feststellung dieser Tatsache 
ist für die Medicin ein wissenschaftlicher Gewinn. Fraglich 
bleibt nur, welche Bedeutung diese Tatsache für die behauptete 
„Unität“ hat. * 

Es gibt mehrere Tierärzte, welche sich bei den Sektionen 
perlsüchtiger Kadaver mit Perlsachtbazillen infiziert haben und 
an der betreffenden Dermatitis verrucosa tuberculosa leiden. 
Einige von ihnen sind sogar an allgemeiner Tuberkulose ge¬ 
storben. Bei unseren mit aller Genauigkeit ausgefnhrten Er¬ 
hebungen hat sich aber stets gezeigt, daß der Vater, die Mutter 
oder die Geschwister der Verstorbenen gleichfalls an Tuberkulose 
litten, bezw. an der Tuberkulose zu Grunde gegangen waren. 
Es konnte auch nicht ein Fall mit Sicherheit ermittelt werden, 
in dem der Tod durch eine von der Infektionsstelle ausgegangene 
generelle Taberkulose zustande gekommen war. Dies gilt 
auch für alle übrigen, in der Literatur mitgeteilten, durch In¬ 
fektion mit Perlsuchtbazillen entstandenen Fälle von Dermatitis 
verrucosa tuberculosa. Ich weiß sehr gut und bin noch darch 
den Herrn Vorsitzenden, Exzellenz von Bergmann neulich 
belehrt worden, daß auch der Lupus selten generelle Tuberkulose 
hervorruft. Allein es sind doch auch Fälle von Lupus bekannt, 
in denen er einen tödlichen Verlauf genommen hat. Bei den 
Perlsuchtinfektionen ist dieser Ausgang gänzlich ausgeschlossen. 
Hiernach kommt man zu dem Schlüße, daß der Mensch einen 
gewissen Schutz gegen die Perlsucht besitzt Wie groß dieser 
Schutz ist, läßt sich nicht sicher feststellen, weil die hierzu 
erforderlichen Experimente nicht ausgeführt werden können. 
Man könnte sich aber sehr wohl vorstellen, daß dieser Schutz 
bei der Einwirkung großer Mengen von Perlsuchtbazillen oder 
sehr virulenter Perlsuchtbazillen an der Infektionsstelle zwar 
überwunden werden kann, im übrigen aber ausreicht, um eine 
allgemeine Infektion zu verhindern. Gerade dies spricht gegen 
die behauptete Identität beider Tuberkulosearten. 

Wollen Sie die Mitteilungen am Montage abwarten. Diese 
Mitteilungen werden entscheiden, ob die Tuberkulose des Menschen 
mit der des Rindes identisch ist oder nicht. 

An diesen Vortrag schloß Bich in den folgenden Sitzungen 
am 8. und 15. Juli 1903 eine recht lebhafte Diskussion, die 
bei der hohen Bedeutung, welche die Frage der Identität der 
Rinder- und Menschentuberkulose für den Tierarzt hat, hier 
fast wörtlich nach einem eigenen Bericht der Münchener medi¬ 
zinischen Wochenschrift Nr. 28, 1903 wiedergegeben werden soll. 

Sitzung vom 8. Juli 1903. 

Herr Reg.-Rat Prof. Dr. Kos sei: Bericht über die neuesten 
Impfversuche mit differentem Tuberkulosematerial, ausgeführt 
von der Kommission im Kaiserlichen Gesundheitsamt 

Diese auf Anregung R. Kochs vom Reiche eingesetzte 
Kommission arbeitete unter des Vortragenden Leitung und vor¬ 
wiegender Beihülfe der Herren Stabsarzt Dr. Weber und Ro߬ 
arzt Dr. Heuß und hatte zum Ziele, fest zu stellen, ob die An¬ 
sicht R. Kochs zu Recht besteht, daß vom Menschen 
stammende Tuberkelbazillen gegenüber dem Rinde eine 
andere Wirkung entfalten, als solche, die vom Rinde 
oder Schweine abstammen. Es war bei der Festlegung des 
Arbeitsplanes bestimmt worden, daß die Infektionsversuche nicht 
direkt mit Leichenmaterial ausgeführt werden sollten wegen der 
Möglichkeit der Mischinfektion und Symbiose, sondern daß von 


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488 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 31. 


deu Leichenteilen erst eine Reinkultur in Bouillon angelegt, 
von diesen die Oberhaut abgenommen, gewogen und mit einer 
bestimmten Menge Flüssigkeit verrieben werden solle. Dann 
sollten die Übertragungsmöglichkeiten durch Injektion, Ver- 
fütterung und Einatmung geprüft werden; nur die Versuche 
über die Injektion sind bis jetzt abgeschlossen. 

Spritzt man Rindern Tuberkelbazillenkulturen, welche 
vom Schweine oder Rinde stammen unter die Haut, so tritt 
nach wenigen Tagen eine starke lokale Anschwellung auf, 
die sich noch weiterhin ausbreitet und nach einigen Wochen 
Handtellergröße und darüber erreicht; nach 8 bis 10 Tagen ist 
außerdem die Bugdrüse geschwollen und erreicht unter zu¬ 
nehmender Anschwellung allmählich Kindskopfgröße. Das Infiltrat 
und die Schwellung bleiben bis zum Tode bestehen. Bei der 
Sektion findet man in dem Infiltrat und den Drüsen käsige und 
verkalkte Knoten und zumeist eine Milliartuberkulose des 
ganzen Körpers. Fieber besteht von Anfang an. Von vier 
Rinder- und drei Schweinetuberkulosen hatten alle bis auf eine 
wenig virulente Schweinetuberkulose einen wesentlich 
gleichen Verlauf zur Folge, d. h. erst lokale, dann allge¬ 
meine Infektion, während bei der einen Schweinetuberkulose 
nur lokale Erkrankung erfolgte. 

Die vom Menschen stammenden Kulturen: 

Es wurden zunächst 19 Kulturen von Lungentuber¬ 
kulose (teils aus dem Sputum, teils aus den Organen) ange¬ 
legt und zwar von ausgesucht schweren Fällen. Trotzdem 
erhielt man damit ganz andere Resultate. Es folgte 
zwar auch eine Lokalerkrankung, dagegen blieb Fieber in den 
meisten Fällen ans. Auch die Bugdrüse schwoll an, aber nicht 
so stark. Bei Tötung des Tieres findet man in den käsigen 
Massen oft noch lebende Bazillen. Doch ist der Prozeß nicht 
so ausgedehnt und die Bugdrüse ist oft schon wieder spontan 
normal geworden. Auch Kalkknoten finden sich zuweilen neben 
den Käsemassen, aber niemals fand sich Ausbreitung auf 
die inneren Organe. Diese Befunde bestätigen nach 
Kossel ohne weiteres die Anschauung Kochs, daß ein 
Unterschied in der Pathogenität der von Menschen und 
Rindern stammenden Tuberkulose vorhanden sei. 

Koch habe schon darauf hingewiesen, dass auch beim 
Menschen eine Infektion mit Perlsucht möglich sei. Es wurden 
zur Prüfung dieses Punktes auch tuberkulöse Erkrankungen 
anderer Organe öbergeimpft, bei welchen man an eine Infektion 
des Menschen mit Perlsucht denken konnte, z. B. bei Darm¬ 
tuberkulose und dergleichen. Es wurden also weitergeprüft 
vier Fälle von Knochentuberkulose; davon blieb nur in 
einem Falle eine geringe Erkrankung der Bugdrüse nach der 
Injektion bis zum Tode des Tieres bestehen. Dann zwei Fälle 
von tuberkulösen Halsdrüsen bei Kindern; es ergab sich 
der gleiche Befand, wie bei den Lungen, nur etwas mehr Neigung 
zu Progedienz. Ebenso verhielt sich eine von einer Uro¬ 
genitaltuberkulose stammende Tuberkelbazillenkultur. 

Ferner wurden sechs Milliartuberkulosen (fünf Kinder, 
ein Erwachsener) geprüft; mehrere schienen vom Darm ans¬ 
gegangen. Vier machten nur ganz geringe Lokalerscheinungen, 
bei zweien ergab sich aber doch ein anderer Befund. Die eine 
Kultur (Ausgangspunkt der Milliartuberkulose des Kindes von 
Mesenterialdrüsen) erzeugte bei vier Kälbern eine erhebliche 
lokale wie Bugdrüsenschwellung, die nicht zurückging, und 
trotz unerheblichen Fiebers fand sich eine Aussaat über den 


ganzen Körper bei allen vier Tieren, wie bei Perlsucht, 
wenn auch nicht ganz so heftig. Ebenso verhielt sich eine 
zweite Kultur, die aus verkästen Halsdrüsen gezüchtet 
war; auch sie bewirkte beim Rinde eine Allgemeininfektion. 

Von DarmtuberkuloBe wurden sieben Fälle geprüft, davon 
drei von Erwachsenen. Ein Fall war ganz rein; es war ein 
zufällig in einer eingeklemmten Hernie, die zum Tode geführt 
hatte, gefundenes isoliertes tuberkulöses Darmgeschwür; 
es durfte also angenommen werden, daß dieses noch nicht zu 
lange bestanden hatte, und die Bazillen nicht, wie manche be¬ 
haupten, im menschlichen Körper abgeschwächt worden waren. 
Trotzdem erzeugte die davon gewonnene Kultur nur geringe 
Erkrankung des Rindes. Etwas erheblicher waren die Impf¬ 
folgen in zwei weiteren, etwas vorgeschritteneren Fällen von 
Darmtnberkulose, doch nicht so bedeutend. Es erzeugen also 
die von Darmtuberkulose der Erwachsenen gewonnenen Tuberkel¬ 
bazillen dieselben Erkrankungen, wie die der Menschen- 
nnd nicht der Rinder-Tuberkulose, und es bieten diese Be¬ 
funde keine Stütze für die Annahme, als ob tuber¬ 
kulöses Material vorher vom Rinde (mit den Nahrungs¬ 
mitteln aufgenommenen Tuberkelbazillen) auf den Menschen 
übergegangen sei, und bei diesemPerlsucht erzeugt habe. 

Unter den Fällen von Darmtuberkulose bei Kindern fanden 
sich aber zwei, wo doch eine entschieden höhere Patho¬ 
genität auch für Kälber vorhanden war; das eine Kind war 
an einem septischen Scharlach zu Grunde gegangen, die Kultur 
aus einer verkästen Drüse gewonnen; das andere war an 
Peritonitis gestorben und bot auf der Pleura geringe Tuberkel¬ 
eruption und einen verkästen Herd in der Milz. In diesen 
beiden Fällen scheint es sich nm eine Infektion der 
Kinder mit Rindertuberkulose, i. e. Perlsucht gehandelt 
zu haben. 

Es waren also 39 verschiedene Tuberkelbazillenstämme 
untersucht worden; von diesen waren 23 von Erwachsenen, 
16 von Kindern genommen. 19 von ihnen machten beim Tiere 
(Rind) nicht die geringsten Erscheinungen, 9 boten nach vier 
Monaten geringe Herde in der Bugdrüse verkapselt, ohne 
Neigung zum Fortschreiten. Etwas stärker war die Bugdrüse 
in 7 Fällen ergriffen. In vier Fällen — zwei aus primärer 
Tuberkulose an den Verdauungsorganen und zwei Fälle von 
Miliartuberkulose bei Kindern — war aber eine Allgemein¬ 
erkrankung beim Rinde erzeugt worden, die aber doch nur so 
verlief, wie Infektion mit schwächeren Rinderkulturen. Von 
diesen vier Fällen waren nur in zweien die Tuberkulose die 
Todesursache des Kindes gewesen. 

Es sind also nur 2 Fälle, wo aus dem Erfolge der Über¬ 
tragung auf das Kalb der Schluß zu ziehen ist, daß die Kinder 
mit Rindertuberkulose infiziert und daran zu Grunde gegangen 
waren. Somit spielt die Infektion des Menschen mit Rinder¬ 
tuberkulose nicht die Rolle, die ihr von anderer Seite zn- 
gesprochen werde. 

Diskussion: 

Herr Geheimrat Professor Dr. Orth: Die außerordent¬ 
liche Wichtigkeit der Frage nach der Übertragbarkeit der 
Tiertuberkulose auf den Menschen rechtfertige ihre gründliche 
Erwägung. Sie besteht aus zwei Fragen mit einer Unterfrage. 

Kann überhaupt Tiertuberkulose auf den Menschen 
übertragen werden, und wenn dies bejaht wird, wie 
groß ist die Gefahr? 


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30. Juli 15)03. 


Kann Menschentuberkulose auf das Tier über¬ 
tragen werden? 

Ob Tiertuberkulose auf den Menschen übertragbar ist, kann 
mit Sicherheit nur am Menschen entschieden werden, deshalb 
ist es zu begrüßen, wenn immer wieder solche Beobachtungen 
mitgeteilt werden, wie neulich Herr Lassar getan habe; freilich 
sei in der Beurteilung große Vorsicht nötig. 

R. Koch habe das Verdienst, gezeigt zu haben, wie 
wenig Sicheres wir in dieser Sache wissen. 

Herr Schütz, der Mitarbeiter Kochs, habe in seinem 
vor 14 Tagen gehaltenen Vortrage nicht geleugnet, daß Perl¬ 
sucht auf den Menschen übertragen werden könne, dies nur als 
sehr selten hingestellt. Schütz habe hervorgehoben, daß 
Menschen, die mit menschlichen Leichen beschäftigt seien, leichter 
Leichentuberkel bekämen, als solche, die mit Tierleichen zu tun 
haben. Dagegen sei aber zu bemerken, daß die Tuberkulose 
unter dem Menschengeschlecht viel häufiger sei, als unter den 
Rindern, insbesondere die offenen Formen der Tuberkulose. 
Wenn man sich eine Sektion eines an Lungentuberkulose Ver¬ 
storbenen vergegenwärtige, wo der bazillenreiche Kavernen¬ 
inhalt über die Hände des Obduzenten laufe, da müsse man sich 
noch wundern, daß vom Menschen stammende Leichentuberkeln 
nicht noch häufiger seien. Auch lasse er (0.) es dahingestellt, ob 
alle „Leichentuberkeln“ als echte Tuberkel zu betrachten seien, 
insbesondere die auf den Präparierböden bei Präparation von 
Muskeln und Nerven gewonnenen, in welchen Organen Tuberkel¬ 
bazillen sich doch selten finden. Hier spiele wohl die septische 
Infektion eine Rolle, jedenfalls seien die Mehrzahl Mischinfektionen. 
Und so sei die größere Häufigkeit der von Menschen stammenden 
Leichentuberkel wohl auch dadurch zu erklären, daß die mensch¬ 
lichen Leichen von kranken Individuen stammen und erst mehrere 
Tage nach dem Tode zur Sektion kämen, im Gegensatz zu den 
doch meist gesund geschlachteten und gleich nachher ver¬ 
arbeiteten Tiere. Es Bei deshalb unverständlich, wenn 
Schütz aus der geringen Zahl von vom Tiere kommenden 
Leichentuberkeln die Ungefährlichkeit der Perlsucht 
herleiten wolle. Und ebenso wenig spräche in diesem Sinne 
die Gutartigkeit dieser letzten Leichentuberkel; denn auch die 
menschlichen Leichentuberkel heilen, wie viele Pathologen an 
sich selbst beobachten, häufig genug von selbst ab, oder haben 
fast niemals eine Neigung zum Fortschreiten auch bei jahre¬ 
langem Bestand. Er könne daher darin keinen wesentlichen 
Unterschied zwischen Perlsucht und menschlicher Tuberkulose 
erkennen. 

Nicht weniger unzureichend sei Herrn Schütz’ 
Beweis, der sich auf den verschiedenen histologischen 
Bau der Perlsucht und Menschentuberkulose stütze. Wann 
endlich werde man uns damit verschonen! Ist es denn 
wirklich bo schwer, ruft Orth aus, sich bewußt zu 
bleiben, daß Menschen doch eigentlich keine Ochsen 
sind und daß ein grasfressendes Rindvieh auch auf 
die gleiche Ursache anders reagieren wird, ja reagieren 
muß, als ein Mensch? Man nenne doch einen Mikroparasiten, 
der in allen Tierarten immer die gleiche histologische Ver¬ 
änderung in allen Wirten nach sich zieht! Beim Tuberkel- 
bazillus verlangt man dies. Verläuft denn eine Tuberkulose 
beim Meerschweinchen ebenso wie beim Menschen? Man sehe 
doch die Präparate von Impftuberkulose bei Kälbern an, die er 
aufgestellt, hier finde man alle Kriterien und Formen der 


489 


menschlichen Tuberkulose. Die Beispiele von Schütz von der 
Pia mater und dem Omentum beweisen nichts, selbst wenn sie 
richtig wären; sie sind aber nicht richtig! Herr Schütz hat 
anscheinend die chronische Form der tuberkulösen Meningitis 
beim Menschen nie gesehen; noch unzutreffender sei Schütz’ 
Beispiel vom Netz, an welchem beim Menschen die chronischen 
Formen mit Schrumpfung häufig sind und sich alle Bilder wie 
bei Perlsucht finden. 

Ich, sagt Orth, habe mich bemüht, meinen Lehrer Virchow 
in der Verteidigung Beiner Ansicht von der Tuberkulose soweit 
wie möglich, zu unterstützen, darum kann ich ruhig sagen, 
daß diese in einem Punkte, nämlich darin, daß der 
Tuberkel zum Bilde der Tuberkulose nötig sei, nicht 
mehr haltbar ist. In Sehnenscheiden und noch mehr dem 
Ureter und Nierbecken findet man ausgesprochene Tuber¬ 
kulose, die nur aus einem diffusen Granulationsgewebe mit ober¬ 
flächlicher Verkäsung und zahllosen Bazillen, aber ohne Tuberkel, 
besteht. Ja, dies ist das typische Bild bei Nierentuberkulose. 
Also auch beim Menschen haben wir das allerwechselndste Bild. 

Für die Frage, ob Tiertuberkulose beim Menschen eine 
allgemeine Tuberkulose erzeugen kann, können wir direkte 
Beweise kaum erhoffen. Man muß also die Frage umkehren: 
kann man Menschentnberkulose auf das Rind übertragen? Wenn 
dies gelingt, wenn man von einem schwer erkrankten Menschen 
aus beim Vieh eine schwere Tuberkulose erzeugen kann, dann 
muß entweder die Übertragung einer menschlichen Tuberkulose 
auf das Rind möglich sein, oder es muß dieser Mensch an einer 
Rindertuberkulose gelitten haben, also die Übertragung der 
TiertuberkuloBe auf den Menschen möglich sein. 

'Kann man Menschentuberkulose auf das Rind übertragen? 
Herr Schütz hat sich der Entscheidung des Reichsgesundheits¬ 
amts unterworfen. In der Wissenschaft sei es aber nicht zu¬ 
lässig, zu sagen: Roma locuta est, causa finita; wenngleich 
zuzugeben sei, daß diese Untersuchungen durch die Zahl der 
Experimente und die damit betrauten Untersucher eine gewisse 
Bedeutung beanspruchen dürfen. Er sei von vornherein davon 
überzeugt gewesen, daß diese Resultate nicht wesentlich von 
denjenigen der meisten Untersucher abweichen würden und die 
Mitteilungen deB Herrn Kossel haben dies denn auch heute 
bestätigt. 

Man könne jetzt sagen, daß die Ansicht Kochs und 
Schütz’ von der Nichtübertragbarkeit der Menschen- 
tuberkulöse auf das Rind sich als unrichtig erwiesen 
habe. 

Zunächst können verschiedene Haustiere (Ziege, Schwein) 
unschwer vom Menschen aus infiziert werden, Schütz selbst 
hat früher mit Virchov positive Erfolge gehabt, was Virchow 
im Jahre 1880 selbst in dieser Gesellschaft mitgeteilt habe. 
Auch vor Koch8 Mitteilungen in London hatten andere Autoren 
diese Frage schon positiv entschieden. Daß Koch und sein 
Mitarbeiter Schütz jetzt nur negative Resultate erhalten haben, 
involviere für die anderen Forscher mit entgegengesetztem 
Resultate nicht die Verpflichtung einer Erklärung ihrer positiven 
Resultate, sondern Koch und Schütz haben zu erklären, warum 
ihre Versuche negativ ausgefallen sind. Mit dem Satze „ti duo 
faciunt idem, non est idem“ werden sie sich nicht loskaufen 
können. 

Orth bringt nun kurz seine Göttinger und hiesigen posi¬ 
tiven Übertragungsversuche von Mensch auf Rind zur Be- 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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490 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 31. 


sprechung. Die Zahl der Versuche, an welchen sich Prof. 
Esser beteiligt hat, sei klein, aber um so bemerkenswerter 
die Befände. Von fünf Kälbern seien zwei an schwerer all¬ 
gemeiner Tuberkulose erkrankt (Baumgarten hahe in einem 
Referate diese Versuche nicht, genügend und richtig gewürdigt). 
Diese Versuche stehen im Einklang mit früheren und neueren 
Resultaten anderer Forscher und auch die heute mitgeteilten 
Versuche des Reichsgesundheitsamtes haben das gleiche Re¬ 
sultat gehabt Es seien bei diesen letzteren in vier Fällen, 
also bei zehn Prozent sämtlicher Experimente durch vom 
Menschen gezüchtete Tuberkelbazillen schwere allgemeine Tuber¬ 
kulosen beim Rinde erzeugt worden; darunter seien zwei von 
allgemeiner MilliartuberkuloBe gewonnen, also von Bazillen¬ 
stämmen, die auch beim Menschen schwere AUgemeintuberkulose 
erzeugen können. Aber noch weitere sieben Stämme haben 
sich als keineswegs indifferent erwiesen; die betreffenden Kälber 
wurden tuberkulös, daß nicht so schwere tuberkulöse Ver¬ 
änderungen hervorgerufen wurden, bestätigt nur die Erfahrung, daß 
auch beim Rinde spontan solche lokalisierte Perlsucht vor¬ 
kommt. Es waren also 28 Prozent der vom Menschen ge¬ 
wonnenen Stämme für das Rind virulent (1), was umsomehr ins 
Gewicht falle, da ja umgekehrt auch von den vom Tiere ge¬ 
wonnenen Stämmen sieben Prozent nicht imstande waren, bei 
Rindern eine schwere Tuberkulose zu erzeugen. 

Es werde von Koch und seinen Anhängern der Einwand 
gemacht, daß die vom Menschen auf das Rind übertragbaren 
Tuberkulosen keine Menschen-, sondern Rindertuberknlosen seien. 
Nun gut! Dies beweise dann, daß der Mensch vom Rinde aus 
infiziert werden könne. Und man könne die Frage wissen¬ 
schaftlich dahin präzisieren, daß ' Tuberkulose vom 
Menschen auf das Vieh und umgekehrt übertragen 
werden könne. 

Die praktischen Fragen, ob der Mensch seine Tuberkulose 
öfter vom Vieh oder das Vieh die seinige öfter vom Menschen 
erwerbe, und wie groß für den Menschen die vom tuberkulösen 
Vieh drohende Gefahr sei, sei vorläufig noch nicht entschieden 
und weiterhin zu prüfen. Jedenfalls aber sei der Ruf zur Vor¬ 
sicht und Aufrechterhaltung aller Maßregeln gerechtfertigt. 

Sitzung vom 15. Juli 1903. 

Herr Max Wolff berichtet über einen Fall, in dem es ihm 
gelang, von einem Fall primärer Darmtuberkulose aus ein Kalb 
zu infizieren. Er glaubt, daß es sich da um einen Fall von 
Perlsucht beim Menschen gehandelt habe. 

Herr Westenhöffer hat ebenfalls menschliche Tuberkulose 
auf ein Kalb übertragen können; dasselbe hatte nach acht Monaten 
eine Tuberkulose sämtlicher Organe. Er glaubt, daß es sich in 
seinem Fall um echte menschliche Tuberkulose handelte. Die 
negativen Resultate anderer Forscher glaubt er dadurch erklären 
zu können, daß sie einmal nicht lange genug gewartet haben, 
dann auch, weil sie mit Kulturen gearbeitet haben, während 
auch früher schon mit tuberkulösen Organstücken positive 
Resultate erzielt wurden. Diese gleichzeitige Überimpfung der 
Organstückchen schafft einen Locus minoris resistentiae. 

Herr Baginsky weist darauf hin, daß die positiven Resultate 
im Reichsgesundheitsamt gerade mit Fällen erzielt wurden, die 
nur eine ganz isolierte Tuberkulose hatten. In zwei Fällen 
handelte es sich nur um kirschgroße Knoten in den Mesenterial¬ 
drüsen, während die übrigen Organe gesund und die Kinder an 
einer anderen Erkrankung gestorben waren. Aus dieser Spärlich¬ 


keit der Herde glaubt er schließen zu können, daß es sich nicht um 
menschliche Tuberkulose, sondern um Perlsucht gehandelt habe. 
Eine solche Iofektion kommt nach seinen Erfahrungen aber sehr 
selten vor, — 12 bis 14 Fälle primärer Darmtnberkulose unter 
1400 Sektionen. 

Herr Hansemann bemängelt, daß Wolff von vornherein 
die Verschiedenheit von Perlsucht und menschlicher Tuberkulose 
anerkannt habe, das sei doch eben zu beweisen. Er will in 
letzter Zeit einen Fall primärer Fütterungstuberkulose durch 
Milch beobachtet haben. 

Herr Heubner gibt die Seltenheit primärer Darm tuber¬ 
kulöse zu. Dagegen könne er Baginsky nicht zugeben, daß die 
Spärlichkeit der Herde dieselben als Perlsucht charakterisiere. 
Es handle sich wohl um eine frische Infektion. Auch in Lungen 
und Bronchialdrüsen kann ja die Tuberkulose lokalisiert 
bleiben. 

Herr Schütz: Daß die Menschentnberkulose auf das Vieh 
in einigen Fällen experimentell übertragen werden kann, ist 
nicht zu verwundern. Im ganzen gelingt es aber sehr selten, 
mit Menschentuberkelbazillen Rinder krank zu machen, während 
das mit Rindertuberkelbazillen fast immer gelingt, auch Prof. v. 
Behring hat diese Bemerkung gemacht. Positive Resultate 
beweisen aber noch nicht die Identität von Rinder- und Menschen¬ 
tuberkulose; auch den Typhus könne man auf das Tier über¬ 
tragen und er sei deshalb doch keine Tierkrankheit. Er hält 
seine Ansicht von der Verschiedenheit der Rinder- und Menschen- 
tuberknloße, die durch die Spärlichkeit der positiven Resultate 
des Reichsgesundheitsamtes gestützt wird, aufrecht. 

Herr Kossel bemerkt in bezug auf Westenhöffer, daß 
die Beobachtnngszeit von vier Monaten eben die Verschiedenheit 
von Rinder- und Menschentuberkelbazillen gelehrt habe; erstere 
wirken in dieser Zeit schon krankmachend. Tuberkelbasillen¬ 
kulturen werden durchaus nicht einfach resorbiert, ihre lokale 
Wirkung sei von der der Organstückchen nicht verschieden. 

Herr B. Fraenkel: Herr Orth meint die Möglichkeit der 
Übertragung der Menschentuberkulose auf das Rind bewiesen 
zu haben. Wie groß die Gefahr fiir den Menschen durch die 
Perlsucht ist, das hat er gar nicht in Betracht gezogen. Nach 
Koch ist die Gefahr eben minimal. 

Herr Wolff: Koch hält Maßregeln gegen die Perl¬ 
sucht nicht für nötig, diese Ansicht könne er nicht teilen. 

Herr Orth: Die Möglichkeit der Übertragung der Tuber¬ 
kulose vom Menschen auf das Rind haben seine Versuche — 
und andere haben gleiche Resultate erhalten — gelehrt, während 
Koch die absolute Unempfänglichkeit des Rindes betont hatte. 
Die Maßregeln gegen die Perlsucht müssen aufrecht erhalten 
werden, auch wenn die Gefahr für den Menschen wirklich gering 
sein sollte, denn es handelt sich eben um Menschenleben. 

Herr Lassar meint, daß die Verhandlungen doch eine 
gewisse Verschiedenheit von Rinder- und Menschentnberkulose 
ergeben haben. J- 

Tagesgeschichte. 

Schlachthofdirektor Dr. med. Oskar Schwarz-Stolp +. 

Auf der Rückkehr von einer Urlaubsreise ist Schlachthof¬ 
direktor Dr. med. Oskar Schwarz in Ravensburg (Württem¬ 
berg) plötzlich am Herzschlag gestorben. Dr. Schwarz war 
am 10. Oktober 1860 geboren, ist also noch nicht 43 Jahre alt 
geworden. Der frühe Tod hat ein Menschenleben vernichtet, 


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30. Juli 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


491 


welches mit der Entwickelung der öffentlichen Schlachthöfe eng 
verknüpft gewesen ist. Bevor Schwarz sein Werk über „Ban, 
Einrichtung und Betriebe öffentlicher Schlacht- nnd Viehhöfe 
heraasgegeben hatte, mußte man sich die einzelnen in der 
Literatur über diesen Gegenstand zerstreuten Angaben mühsam 
zusammensuchen und trotzdem fehlten einem die Unterlagen, 
um zu einem abschließenden Urteil zu gelangen. Das 
Schwarzsche Werk schuf dieselben und hat fast allen Behörden 
und Tierärzten als Ratgeber bei schlachthoftechnischen Fragen 
gedient. Die vor kurzem herausgegebene dritte Auflage, welche 
mir zur Besprechung vorliegt, enthält eine Fülle von Material 
und beim Durchblättern derselben merkt man erst, mit welchem 
Fleiß Schwarz alles, was den Bau, die Einrichtung und den 
Betrieb öffentlicher Schlacht- und Viehhöfe angeht, zusammen¬ 
getragen hat, um dasselbe, kritisch gemustert, dem Wißbegierigen 
zu bieten. Die Schaffenskraft von Schwarz muß hoch aner¬ 
kannt werden und schmerzlich ist es zu bedauern, daß der 
unerbittliche Tod diesen schaffensfreudigen Mann in der Voll¬ 
kraft seiner Jahre dahingerafft bat. Jeder Scblachtboftierarzt 
und weit darüber hinaus alle tierärztlichen Kreise werden mit 
mir darin übereinstimmen. Wohl schrieb Schwarz mir kurz 
vor der Hannoverschen Versammlung, daß er das über 
die Hygiene der Schlacht- und Viehhöfe übernommene Korreferat 
nicht halten könne, weil er zur Wiederherstellung seiner Ge¬ 
sundheit ins Bad reisen müsse; nicht konnte man aber ahnen, 
daß er von dieser Erholungsreise nicht zurückkehren würde, 
denn wer ihn noch im vergangenen Jahre auf der Versammlung 
gesehen hat, freute sich über seine lebendige Anteilnahme. 
Nicht nur in der Stadt Stolp, wo er seinen Wirkungskreis hatte, 
sondern bei seinen sämtlichen Fachgenossen im In- und im 
Auslande wird ihm ein dauerndes Andenken bewahrt werden. 
Für die Nachwelt aber hat er sich durch sein Werk selbst ein 
Denkmal geschaffen. K ü h n a u. 

Verband der Privattierflrzte In Preussen. 

Die Mitglieder des Verbandes hatten sich zur Ausstellung 
der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft in Hannover in 
stattlicher Anzahl eingefunden. Sie wollten sich belehren und 
belehren lassen auf dem Gebiete der praktischen Tierzucht und 
fanden hierzu auch reichliche Gelegenheit. 

Selbstredend verfolgte ein jeder seine besonderen Ziele, je 
nach seinen Spezialwünschen und nach Art seiner praktischen 
Wirksamkeit, durch eigene Studien. Zudem benutzte aber auch 
ein jeder mit großer Energie die ihm von unseren bewährten 
Altmeistern Dammann, Kaiser und Lydtin gebotenen Vor¬ 
träge und Demonstrationen. 

Wir Privattierärzte sind Herrn Prof. Dr. Kaiser zu ganz 
besonderem Danke verpflichtet und zwar zunächst für die am 
Freitag, den 19. Juni abgehaltenen Demonstrationen der aus¬ 
gestellten Rinder und Schweine. Dabei wurde uns nicht nur 
die typische Formgestaltung der verschiedenen Höhen- und 
Niederungsscbläge in anschaulichster Weise gekennzeichnet, 
sondern auch die mannigfaltigen äußeren Verhältnisse ge¬ 
schildert, welche zur Entstehung der einzelnen Rinderrassen 
sowohl in ihrer äußeren Form als auch in ihrer verschiedenen 
Leistungsfähigkeit im Laufe der Zeiten geführt haben. 

Hierbei wurde auch der zielbewußten Mitwirkung der 
rationellen Züchter gedacht, durch deren Energie und Ausdauer 
speziell die Rindviehzucht in den einzelnen süddeutschen Staaten 
eine solche Höhe erreicht hat. 


Am Abend des 19. Juni hielt Herr Prof. Dr. Kaiser, ent¬ 
sprechend dem von uns geäußerten Wunsche, in seinem Hör- 
saale in der tierärztlichen Hochschule noch einen Vortrag über 
„Moderne Pferdezucht“. 

Leider war dieser Vortrag nicht so zahlreich besucht, als 
das gewählte Thema und namentlich die Behandlung desselben 
es verdiente. Viele Kollegen waren wohl durch die Strapazen 
des Tages etwas abgespannt; dazu kam noch, daß unmittelbar 
vorher vom Herrn Geh. Oberregierungsrat Dr. Lydtin ein 
nahezu zweistündiger Vortrag stattgefunden hatte. 

In seinem Vortrage rechtfertigte Prof. Kaiser zunächst 
die von der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft beliebte 
Klassifikation der ausgestellten Pferde in zwei Hauptgruppen, 
d. i. Warm- und Kaltschläge. Es wurde dann ausgeführt, wie 
das Pferd uns eigentlich doch nur durch seine Kraft nützt, und 
daß bei der Auswahl der Zuchtpferde, gleichviel welcher Rasse 
oder welchen Schlages, vor allem der Stand der mechanischen 
Verhältnisse des Pferdekörpers berücksichtigt werden müsse. 
Ferner sei dahin zu wirken, daß die in das junge Tier gelegten 
Keime durch eine rationelle Aufzucht, Fütterung und Pflege 
zur vollsten Entwickelung gebracht werden. Der Vortragende 
wies noch ganz besonders darauf hin, wie auch hierbei darch 
die Macht der äußersten Verhältnisse, speziell durch Boden und 
Klima nicht nur die Formation des gesamten Körpers, sondern 
auch einzelner Körperteile beeinfloßt werden, und daß schon 
aus diesem Grunde allein ein gleichgeformtes und gleichschweres 
Pferd überall im Deutschen Reiche sich nicht züchten lasse; die 
Zucht von Kaltschlägen sei ebenso notwendig, wie die Zucht 
von Warmblütern. 

Zum Schlüsse richtete Herr Professor Kaiser an die an¬ 
wesenden Kollegen die lebhafte Aufforderung zur Ergreifung 
und Betätigung solcher Maßnahmen, welche dem praktischen 
Tierarzt — auch ohne den Nimbus eines beamteten Tierarztes — 
Achtung und Vertrauen, Dankbarkeit und eine einflußreiche 
Stellung auf dem großen Gebiete der Tierzucht zu verschaffen 
vermögen. Und dieses Ziel können nach Ansicht des Vor¬ 
tragenden die Privattierärzte sicher erreichen, wenn sie den 
Tierzüchtern dort, wo es not tut — und dieses ist noch recht 
oft der Fall — bessere zootechnische Kenntnisse beibringen. 
Die in der Praxis stehenden Tierärzte müssen den noch viel¬ 
fach vertretenen lethargischen Zustand aufgeben und mehr an 
die Öffentlichkeit treten. Zu diesem Zwecke wäre es unbedingt 
erforderlich, daß die Tierärzte den landwirtschaftlichen Vereinen 
als Mitglieder beitreten und in diesen fach- und zeitgemäße 
Vorträge hielten. Ferner müsse dahin gestrebt werden, daß 
die Tierärzte zu allen Körkommissionen und Viehprämiiemngen 
als stimmberechtigte Mitglieder zugezogen würden. Als weitere 
Aufgabe hätten die Privattierärzte die Initiative zu ergreifen 
zur Gründung von Zuchtvereinen und Züchtervereinigungen, 
von Zuchtgenossenschaften, Herdbüchern etc. Wenn auf diese 
Weise die praktischen Tierärzte sich in uneigennütziger Weise 
in den Dienst der guten Sache stellten, dann würden sie auch 
ohne eine staatliche Beamtenqualität zu angesehenen und 
einflußreichen Männern werden. 

Herr Dr. Jelkmann dankte dem Herrn Prof. Dr. Kaiser 
unter lebhafter Zustimmung der Anwesenden, und diesem Danke 
sei auch nochmals an dieser Stelle der herzlichste Ausdruck 
verliehen. Sicherlich hat jeder Teilnehmer an den Demon¬ 
strationen und an dem Vortrage nicht nur mehr Verständnis, 


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492 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT.’ No. 31. 


sondern wohl auch etwas mehr Liebe zur Sache mit nach 
Hanse genommen. Die von Herrn Prof. Dr. Kaiser am Schlüsse 
seines Vortrages gegebenen Ratschläge können allen in der 
Praxis stehenden Tierärzten nicht dringend genug zur weiteren 
Befolgung ans Herz gelegt werden. Wenn auch das Heilen 
der kranken Tiere (die sog. Tierheilkunst) noch vor nicht zu 
langer Zeit die fast alleinige Berufstätigkeit des praktischen 
Tierarztes bildete, so hat dieser doch nach dem heutigen 
Standpunkte der veterinär-medizinischen Wissenschaft noch eine 
ganze Reihe von Aufgaben zu erledigen, die zur Erhaltung der 
Qesundheit unserer landwirtschaftlichen Haustiere und son^it 
zur Hebung unseres gesamten Nationalwohlstandes unbedingt 
notwendig erscheinen. Es sind dieses nicht nur Bernfspflichtdn, 
sondern Pflichten, die jeder Bürger seinem Stande gegenüber 
zu erfüllen hat. Dr. Jelkmänn. - 

Prüftingserdnung für Tierzucht-Inspektoren. 

Der Herr Minister für Landwirtschaft hat Vorschriften für 
Prüfung von Tierzucht-Inspektoren inBerlin erlassen, die folgenden 
Wortlaut haben: 

§ 1. Die Prüfung für Tierzucht-Inspektoren wird in Berlin an 
der Königlichen Landwirtschaftlichen Hochschule daselbst abge¬ 
halten. Die Prüfungskommission besteht aus den vom Herrn 
Minister für Landwirtschaft, Domänen nnd Forsten zu Examinatoren 
ernannten - Dozenten der Königlichen Landwirtschaftlichen Hoch¬ 
schule nnd der Königlichen Tierärztlichen Hochschule unter Vorsitz 
des Rektors der Landwirtschaftlichen Hochschule, bezw. in dessen 
Verhinderung des Vorstehers der landwirtschaftlichen Abteilung 
dieser Hochschule. 

§ 2. Zur Prüfung werden nur solche Kandidaten zugelassen, 
welche die landwirtschaftliche Abgangsprüfung, die Prüfung für 
Lehrer der Landwirtschaft an Landwirtschaftsschulen, oder di« tier¬ 
ärztliche Approbationsprüfung bestanden haben. Für Landwirte ist 
außerdem der Nachweis einer vierjährigen praktischen Beschäftigung 
in der Landwirtschaft notwendig. 

§ 3. Die Prüfung ist nur eine mündliche. Prüfungsfächer 
sind: 

1. Geburtskunde. 

2. Seochenlehre und Seuchengesetzgebung. 

3. Gesundheitspflege der Haustiere. 

4. Anatomie der Haustiere. 

5. Physiologie der Haustiere. 

6. Allgemeine Tierzuchtlehre (Züchtungslehre, Beurteilungs¬ 
lehre, Zuchtbuchführung, Züchtereivereinigungswesen). 

7. Die Lehre von der Fütterung und Aufzucht der Tiere. 

8. Spezielle Pferdezucht 

9. Spezielle. Rindviehzucht. 

10. Spezielle Schweinezucht. 

11. Spezielle Schafzucht. 

12. Volkswirtschaftliche Aufgaben und Betriebslehre der 
Tierzucht. 

13. Mineralogische Grundlagen der Bodenkunde. 

14. Lehre a) von dem Pflanzenbau, b) von den dauernden 
Grasanlagen. 

Diejenigen Kandidaten, welche die tierärztliche Approbations- 
prüfung bestanden haben, sind von der Prüfung in den unter 
Nr. 1—4 aufgeführten, die Kandidaten, welche die landwirtschaft 
liehe Abgangsprüfung oder die Prüfung als Lehrer der Landwirt¬ 
schaft an Landwirtschaftsschulen bestanden haben, von der Prüfung 
in den unter Nr. 13 und 14a aufgeftihrten Fächern entbunden. 

§ 4. Je nach dem Ausfälle- der Prüfung werden für jedes 
einzelne - Fach die Zensuren „sehr gut", „gut“,- „befriedigend", 
„genügend“, „ungenügend“ erteilt Aus den Einzel-Zensuren kann 
in denselben Ausdrücken eine Gesamt-Zensur derart abgeleitet 
werden, daß die oben (§ 3) unter Nr. 6—12 aufgeführten Prüfungs¬ 
fächer doppelt, die übrigen einfach bewertet werden. Tn besonderen 


Fällen ist die Prüfungskommission berechtigt, diese berechnete 
Gesamt-Zensur um eine Stelle nach oben oder unten, d. h. besser 
oder schlechter, abzuändern. 

Im Fall des Bestehens der Prüfung erhält der Kandidat ein 
Zeugnis, das mit folgendem Satze eingeleitet wird: Herr N. N. hat 
durch eine Prüfung den Nachweis geführt, daß er mit den für den 
Beruf eines Tierzucht-Inspektors erforderlichen wissenschaftlichen 
Grundlagen, entsprechend naohfolgendon Prädikaten, vertraut ist: 
(Folgen die Zensuren.) 

Die Prüfung gilt als nicht bestanden und muß vollständig 
wiederholt werden, wenn der Kandidat in einem Hauptfache (§ 3 
Nr. 6—12) oder in mehr als zwei der übrigen Fächer die Zensur 
„ungenügend“ erhält. Wenn der Kandidat dagegen in den Haupt¬ 
fächern die Zensur „genügend“ und in den übrigen Fächern nicht 
mehr als zwei ungenügende Zensuren erhält, so hat er die Prüfung in 
den mit „ungenügend“ zensierten Fächern nachzuholen. 

Zur Wiederholung der Prüfung nur in einem Fache darf der 
Kandidat nicht vor drei Monaten, zur Wiederholung der Prüfung 
in zwei Fächern sowie der ganzen Prüfung nicht vor sechs Monaten 
zugelassen werden. 

§ 5. Während der Hochschulferien werden Prüfungen nicht 
abgehalten. 

§ 6. Jeder Kandidat hat bei der Meldung zur Prüfung eine 
Prüfungsgebühr von 50 M. an die Kasse der Landwirtschaftlichen 
Hochschule zu entrichten. Diese Gebühr ist auch verfallen, wenn 
der Kandidat die Prüfung nicht besteht. Die Wiederholungsprüfung 
in nur einzelnen Fächern ist gebührenfrei. 


Personalien. 

Ernennungen : _ Wehrte, früher bad. Bezirkstierarzt, bisher Hilfs¬ 
arbeiter in der tierärztlichen Abteilung des Kaiserl. Gesundheits¬ 
amtes, zum Regierungstat nnd Mitglied. 

Bomann, bisher KreiStierarzt zu Weener,, an Stelle des pen¬ 
sionierten Departementsfierarztes Voß, zum Departementstierarzt zu 
Aurich. — Definitiv zu Kreistierärzten: die bisher kommissarischen 
Kreistierärzte i/a«s*n-Soade*burg, Dr. Äc#*r-GreHenhagen, Kranz - 
Neuerburg (Kreis Bitburg), ScAaper-Labiau. Zu kommissarischen 
Kreistierärzten*): die Tierärzte Dr. Franz Dauer-Berlin für Schwerin 
a. d. Warthe, AV&ra-Lübeck für Oppeln Stadt (schon veröffentlicht), 
Marggraf-Uoya. für Weener, «Suder-Rendsburg für Hersfeld, und die 
bisherigen Roßärzte Hogrcfe vom 45. Art.-Reg. für Rendsburg, nnd 
Müller vom 2. Garde-UJam-Reg. für Preuß.-Eylau (schon veröffent¬ 
licht. — Versetzt wurden die Kreistierärzte Wodarg von Schwerin 
a. d. Warthe nach Krotosohin und Amheim von Preuß.-Eylau nach 
Grimmen (schon veröffentlicht). 

Distriktstierarzt II. Outbrod-Mooaburg zum Zuchtinspektor für 
den Zuchtverband des rotgelben Frankenviehes in Mittelfranken, 
Tierarzt Dör/Ter-Nemdelstedt zum Assistenten an der chirurgischen 
Klinik in München, Bezirkstierarzt Bt/xer-Teuchnitz zum prag¬ 
matischen Bezirkstierarzt ernannt und Bezirkstierarzt Schnupp- 
Hochstadt auf sein Ansuchen in den Ruhestand versetzt. 

Dr. Belm-Straßburg zum kommissarischen KreiBtierarzt daselbst 
ernannt 

Examina: Promotionen: Die Tierärzte Bernhard Hmxe aus 
Jauer zum Dr. med. vet. in Gießen, Arthur Lux aus Neuhausen 
zum Dr. med. vet. in Bern, Goldberger aus Krojanke zum Dr. phil. 
in Bern.. 

Approbationen: Die Herren Johann Hausmann, Wilhelm 
Kiilper, Christian Hechel, Hans Fiebert in Berlin; Karl Andreas, 
Georg Hessler , Friedrich Menneking , Johannes Mommens, Alfred 
Amsdorf, Friedrich Meinberg in Hannover; Otto I^ehner und Wilhelm 
Sprater in München. 

In der Armee: lAebig, Unterroßarzt im Reg.’ Gardedukorps, aus 
seinem Kommando beim anatomischen Institut der Tierärztlichen 
Hochschule ausgeschieden und unter Beförderung zum Roßarzt zum 
2. Garde-Ulanen-Regiment versetzt; Oberschulte (Lüdenscheid), Roß- 
.arzt der Landw. I, der Abschied bewilligt. 

Vakanzen. 

(Siehe Nr. 27.) 

Neu binzugetreten: Köslin, Schlachthöfinspektor. 2400M., von 
3 zu 3 Jahren steigend auf 3000 M., freie Wohnung etc. 6 Monate 
Probedienstzeit Bew. mit Lebenslauf bis 15. September. 

Besetzt: Die Kreistierarztstellen Hersfeld und Krotoschin. 


*) Nach der Quartalsveröffentlichung des Staatsanzeigers. 

Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. 8clnnaltz ln Berlin. — Verlag nnd Eigentum von Richard Schoetz ln Berlin. — Druck von W. BOxenzteln, Berlin. 


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Die .Berliner Tierärztliche Wochenschrift“ erscheint 
wöchentlich im Verlage von Richard Schoets ln 
Berlin, Lnlsenstr. 36. Durch jedes deutsche Postamt wird 
dieselbe rum Preise von M. 5,— vierteljährlich (M. 4/8 für 
die Wochenschrift, IS Pf. für Bestellgeld) frei ins Haus 
geliefert (Deutsche Post- Zeitung* - Preisliste No. 110S, 
Ocsterreichische No. 510, Ungarische No. 90.) 


Berliner 


Originalbeiträge werden mit GO Hk. für den Bogen honoriert 
Alle Manuskripte, Mitteilungen und redaktionellen An¬ 
fragen beliebe man su senden an Prof. Dr. Sehmalts, 
Berlin, tierärztliche Hochschule, NW, Lulsen-trasse 56. 
Korrekturen, Kesensions-Rsemplare und Annonoen da¬ 
gegen an die Verlagsbuchhandlung. 


Tierärztliche Wochenschrift 


Redaktion: 

Professor Dr. Schmaltz -Berlin 

Verantwortlicher Redakteur. 


Oe Bruin 

Dr. Jess 

Kiihnau 

Dr. Lothes 

Nevertnann 

Prof. Dr. Peter 

Peters 

Professor 

Kreiatierarzt 

Sehlachlhofdirektor 

Departement^ erarzt 

Kreintierarzt 

Kreiatierarzt 

Departementatlerarzt 

Utrecht. 

Charlottenburg. 

Cöln. 

Cöln. 

Bremervörde. 

AngermUnde. 

Bromberg. 


Preusse 

Dr. Roeder 

Dr. Schlegel 

Dr. Vogel 

Zünde! 



Veterinäraaaeaaor 

l’rofeaaor 

Professor 

Landettlerarzt v. Bayern Kreiatierarzt 



Danzig. 

Dresden. 

Frei bürg i. Br. 

MUnchen. 

Mülhausen i. 

E. 


Jahrgang 1903. 


Jfä. 32 . Ausgegehen am 6. August. 


Inhalt: de Bruin: Die emphysematüse Frucht. — Streit: Znr Behandlung der Bläschenseuche der Rinder. — Schlei: 

Über, die Zehenachse des Pferdes. — Referate: Joest: Über Organotherapie. — Kärnbach: Die Omarthritis chronica 
deformans des Pferdes. — Wünsch: Fesselbeinfissuren. — Gutbrod: Sehnenzerschneidung bei einem Ochsen. — Hofer: 
Drehkrankheit bei Fischen. — Jess: Wochenübersicht über die medizinische Literatur. — Tagesgeschichte: Verschiedenes. — 
Staatsveterinärwesen. — Fleischschau und Viehhandel. — Bücheranzeigen und Kritiken. — Personalien. — Vakanzen. 


Die emphysematose Frucht. 

Von 

M. G. de Bruin. 

Das Entstehen von Emphysem beim Fötns in utero ist die 
Folge des Eintritts von Fänlnisbakterien nach dem Tode. Die 
gestorbene Frucht gewährt vermöge der stetigen Körpertemperatur 
einen guten Nährboden und veranlaßt sehr bald die Entstehung 

CL 



von Stoffwechselprodukten jener niederen Organismen. Es sind 
besonders die dadurch entstandenen Gase, welche die außer¬ 
gewöhnliche Formverändemng hervorrufen. 

Für die Praxis ist die emphysematöse Frucht am wichtigsten, 
die zu der Zeit angetroffen wird, da die normale Geburt ein- 
treten sollte. 

Die Wege, auf denen die Fänlnisbakterien in die Frucht 
kommen, sind der Ceivikalk&nal und die Cirknlation. Die erste 
Weise der Infektion gilt als Regel beim Pferd und beim Rind, 
die zweite, die hämatogene, findet oft beim Schweine statt 1 ). 


Über die dabei vorkommenden niederen Organismen, sind 
von Luc et 2 ) bakteriologische Untersuchungen angestellt 
worden. 

Wiewohl es vorkommt, daß ein Dunstkalb ganz normal 
liegt, ist es doch der gewöhnlichste Lauf der Sache, daß der 
Tod des Kalbes die Folge einer gehemmten Ausstoßung durch ab¬ 
normale Lage, z. B. totale Steißlage, Torsio uteri, oder ungenügend 
erweiterter Cervix ist. Ich traf häufig bei emphysematösen 
Kälbern erstgenannte abnormale Lage an. 

Daß die Cervix bei der Anwesenheit eines Dunstkalbes 
ungenügend erweitert ist, maß meistens dem Umstande zuge¬ 
schrieben werden, daß die mechanische Dilatation fehlt, weil 
sich keine Wasserblase gebildet hat. Diese ungenügende Er¬ 
weiterung der Cervix verursacht nicht nur das schwierige Aus¬ 



Fig. 2. a — b —5 7 cm; ron der Schnauxe bis xur Schtcatixtcurxel 105 cm. 


ziehen der Frucht, sondern sie disponiert anch znm Einreißen 
der Cervix mit letalem Verlauf. 

Die folgenden, in letzter Zeit in unserer geburtshilflichen 
Klinik beobachteten Fälle zeigen, welchen Umfang solche Dunst¬ 
kälber in kurzer Zeit erreichen können, und welche Schwierig¬ 
keiten der Geburtshelfer zu beseitigen hat, so daß in einigen 
Fällen die Kuh selbst nicht mittelst der Embryotomie entbunden 
werden kann. 

1. Fall. Am 26. April 1903 kam in der ambulatorischen Klinik 
eiDe Kuh zur Behandlung, von welcher die Anamnese lautete: 


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494 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 32. 


Die Kuh hatte vor 36 Stunden die ersten Wehen gezeigt. Da keine 
Wasserblase zu Tage kam und die Kuh stets drängte, wurde ein 
Empiriker herbeigerufen, der mit großer Mühe explorierte, den Ge¬ 
burtsweg sehr eng fand und vergeblich versuchte, durch drehende 
Bewegungen denselben zu erweitern. In der Nacht wurde ich zu 
Hilfe gerufen. Status praesens. Gut ernährte 6jährige Kuh, 
Temperatur 39° C., die Patientin kann noch gut aufstehen, das 
Allgemeinbefinden ist aber soporös. Bei der Exploration per vagiuam 
stellt sich heraus, daß eine Torsio Uteri besteht von 180° nach 
rechts und indem die Hand den Strängen folgt, kann sie noch in 
den Uterus kommen und den Kopf und die Vorderbeine deB Kalbes 
fühlen, die Haare sind leicht auszuziehen und die Klauen kann man 
abstreifen und wenn man mit den Fingern über die Haut streicht, 
fühlt man ein Knistern, das vom Ausweichen der Gase herrührt. 
Bei der Exploration verbreitet sich eine süßliche und stinkende 
Luft (Buttersäure-Ammoniakgärung). 

Nachdem durch Wälzung der Kuh und Fixirung des Kalbes 
der Geburtsweg erweitert war, zeigte es sich, daß die Extraktion 
der Frucht im ganzen unmöglich war, daß aber durch Embryotomie 
die Geburt wohl stattfiaden könnte. Nacheinander wurden die 
beiden Vorderbeine weggenommen, der Kopf und der HalB außerhalb 
der Vulva gezogen und abgeschnitten. Beim Entfernen der Brust¬ 
wand und der darauffolgenden Evisceration starb die Kuh plötzlich. 

2. Fall Den 29. April 1903 kam in der Klinik eine Kuh, 
welche 7‘/a Monat trächtig war, zur Behandlung, wobei die 
Anamnese lautete, daß der Bauch in den letzten Wochen sehr an Um¬ 
fang zugenommen habe und daß die Patientin in den letzten Tagen 
täglich dicker geworden sei. Bei der Untersuchung ergab es sich, 
daß sowohl die rechte als die linke Bauchgegend stark ausgedehnt und 
gespannt war. Durch vorsichtiges Stoßen in die rechte Baucbgegend 
konnte man das Kalb nicht fühlen. Bei der vaginalen Exploration 
war das Ostium uteri extemum fest geschlossen und Uber der 
Portio vaginalis zeigte sich die obere Scheidewand wie eine stark 
geschwollene Schweinsblase, d. h. die Wand war nach dem Lumen 
der Scheide gedrängt 3 ). Die rektale Exploration war nicht leicht, 
da das Rektum vor dem Promontorium einigermaßen platt gedrückt 
war, der stark ausgedehnte Uterus fühlte sich als ein Ballon an, 
der die ganze Bauchhöhle ausfüllte. Von einer Frucht war nichts 
zu fühlen. Diese Exploration verursachte einige geringe Schleim- 
haotblutungen, da die Venen infolge der Stauung stark erweitert 
waren. Die Diagnose, Hydrops der Fruchthüllen, konnte hier 
mit Bestimmtheit angenommen werden. Die Behandlung bestand 
in der Einleitung einer künstlichen Frühgeburt durch den Ausfluß 
eines Teiles des Fruchtwassers. Da der Cervikalkanal geschlossen 
und der Durchgang an dieser Stelle für einen Katheter unmöglich 
war, wurde die Pimktion von der rechten Bauchwand aus, gerade 
vor dem Arcus cruralis vorgenommen. Ein Troicart von 4*/ a mm 
Diameter wurde 9 cm tief hineingebraebt, und dadurch wurden 16 1 
Amnionflüssigkeit von gelber Farbe und schleimiger Konsistenz 
entleert. Die Amnionflüssigkeit hatte ein spezifisches Gewicht von 
1000 und enthielt 0,18 Prozent Eiweiß. Die Gefrierpunkst- 
erniedrigung betrug — 0.567. Nachdem die Flüssigkeit durch den 
Troicart auszufiießen aufhörte, wurde 4 cm niedriger eine neue 
Punktion gemacht und durch diese Öffnung wurden 10 1 dünner 
Flüssigkeit (Allantoisflüssigkeit) entleert. Die Allantoisflüssigkeit 
hat ein spezifisches Gewicht von 1009, eine Gefrierpuukts- 
erniedrigung von — 0,598 und enthielt Eiweiß, was jedoch nicht 
quantitativ bestimmt wurde. Der Zustand der Patientin blieb am 
29. und 30. April derselbe, der Appetit war gering, daB Liegen und 
Stehen war schwierig. 

Bei der Vaginaluntersuchung am 1. Mai war der Cervikalkanal 
einigermaßen geöffnet und zwar so, daß man mit zwei Fingern in 
den Uterus geraten konnte. Mittels eines geraden Katheters, an 
dem eine Kautschukröhre befestigt war, wurden nun unter 
aseptischen Kautelen 75 1 Fruchtwasser entleert, d. h. 35 1 dick¬ 
schleimiger Flüssigkeit (Amnionflüssigkeit) und 40 1 gelber dünner 
Flüssigkeit (Allantoisflüssigkeit). Dieses war aber nur ein Teil der 
ganzen Quantität Fruchtwasser. Die Frucht, welche nun deutlich 
auch durch äußere Untersuchung fühlbar war, wurde noch von 
einer großen Quantität Fruchtwasser, deren Niveau unter dem 
Katheter lag, umgeben. 


Unsere Hoffnung, daß nun eine genügende Erweiterung des 
Cervikalkanals folgen würde, wurde nicht erfüllt. 24 Stunden 
nach der Operation batte die Cervix bloß für drei Finger höchstens 
Zugang und das Allgemeinbefinden war sehr verschlimmert. Bei 
der Exploration verbreitete sich ein unerträglicher Gestank, ein 
untrüglicher Beweis, daß die Frucht in Fäulnis Ubergegangen war. 

Nachdem die Cervix mittelst eines eingebrachten Kolpenrynters 
und weiter mit der Hand hinreichend erweitert worden war, so daß 
die Frucht mit der Hand gefühlt werden konnte, stellte es sich 
heraus, daß das Kalb enorm aufgedunsen war und einen solchen 
Umfang hatte, daß allein die Embryotomie noch helfen könnte. 
Die beiden Vorderbeine wurden weggenommen und ein Strick 
wurde um den Kopf gelegt. Alle Versuche ihn etwas weiter an 
die Geburt zu bringen, mißlangen. Mit der Hand konnte man die 
übrigen Teile des Kalbes nicht erreichen, so daß die Embryotomie 
aufgegeben werden mußte. Dieses war das zweite Mal in meiner 
langjährigen geburtshilflichen Praxis, daß ich ein emphysematoses 
Kalb antraf, welches solch einen Umfang batte, daß alle Versuche 
vergeblich waren, weil man es nicht erreichen konnte. Die einzige 
Methode, welche nun noch übrig war, war die der Sectio caesarea. 
Diese Operation geschah dann auch unter möglichst aseptischen 
Kautelen; darüber gedenke ich später ausführlicher zu schreiben. 
Der Leichenbefund des Kalbes ergab folgendes: 

Der Kadaver war fast gänzlich in Fäulnis Ubergegangen, überall 
auf der Haut fielen die Haare aus und auch die Klauen fielen bei 
der Berührung ab. Das Emphysem (subkutan und intermuskulär) 
war am Hinterteil und am Rücken am stärksten, das Kalb hatte 
hier eine ungeheure Größe und die doppelte Breite eines gewöhn¬ 
lichen Kalbes. Die Leber, die Milz und die Nieren waren in eine 
breiige Masse verändert, in welcher gar keine Struktur mehr zu 
erkennen war. Die Muskeln sahen aus, als ob sie gekocht wären 
Das Ganze verbreitete einen unerträglichen Gestank. 

Auch in diesem Fall war ein ausgedehntes Emphy¬ 
sem in 24 Stunden entstanden. Unentschieden ist es aber, 
ob die Fäulnisorganismen, welche in so kurzer Zeit ihren 
deletären Einfluß ausöbten, auf dem Wege des Cervikalkanales 
oder durch den Troicartstich eingedrungen sind. Es scheint 
mir, daß der erste Weg der wahrscheinlichere seL 

3. Fall. Eine Kuh des Viehzüchters v. E. zu W. war am 

13. Juui 1903 am Ende des Trächtigkeitstermines und zeigte den 

14. Juni morgens Wehen. Bei der Exploration zeigte es sich, daß 
das Kalb lebte, aber daß die Geburt nicht möglich war. Nachdem 
ein Empiriker wiederholt versucht hatte das Tier zu entbinden, 
wurde es am 15. Juni auf einen Wagen geladen und über einen 
Abstand von vier Stunden nach der Klinik gefahren. Bei Ankunft 
zeigte es sich, daß das Tier sehr soporös war, die Körpertemperatur 
betrug 39° C. Die Exploration stellte heraus, daß das Kalb in 
Steißlage lag mit unter dem Leibe untergeschlagenen Hinterbeinen, 
so daß die Sitzbeinhöcker vor dem Beckeneingang lagen und der 
Schwanz in der Vagina war. Alles Fruchtwasser war abgeflossen 
und der Uterus umBchloß das Kalb. Die Haare des Kalbes waren 
schon ausgefallen und die beiden Kreuzhälften fühlten sich als 
große Kissen an. Strich man mit der Hand über das Kalb, so war 
das Knistern deutlich hörbar. Bei der Exploration verbreitete sich 
ein unerträglicher Gestank. 

Versuche zur Lageberichtigung wurden wegen der Größe des 
Kalbes und der Unmöglicheit die Metatarsi zu erreichen nicht vor¬ 
genommen. Obendrein wäre hier die Gefahr einer Ruptura uteri 
groß gewesen. Man entschloß sich zur Embryotomie. Nachdem 
12 Liter einer lprozentigen lauwarmen Kreolinlösung mittelst einer 
Kautschukröhre und eines Trichters in den Uterus eingebracht 
waren, wurde ein Strick, an dem die Kettensäge befestigt war, 
über das Kreuz längs des äußeren Darmbeinwinkels und zwischen 
die Hinterbeine des Kalbes hindurch herausgebracht. Die Säge 
wurde nun mit der Sägefläcbe so an die Haut gebracht, daß das 
Hinterbein in der Pfanne abgesägt werden konnte. Dieses geschah 
in wenigen Minuten. Das Hinterbein wurde nun entfernt und das 
zweite auf dieselbe Weise weggenommen. Indem man nun einen 
stumpfen Haken vor die Symphysis pelvis stellte und daran zog, 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


495 


6. August 1903. 


kamen Becken and Lenden aus der Vulva und konnten entfernt 
werden. Nun fand die Evisceration statt. Das Ausziehen des 
Kalbes konnte nun aber durch die außerordentliche Aufdunsung 
des Vorderteils nicht stattfinden und nun wurde ein Vorderbein 
aus der Schulter entfernt. Das geschah dadurch, daß man, nachdem 
die Haut über die ganze Brustwand hin losgetrennt war, mit der 
Hand die gemeinschaftlichen Muskeln zerriß und eine Schlinge um 
das Schulterblatt legte. Durch die Ziehkraft eines Mannes konnte 
nun das Vorderbein aus der Haut geschleift werden. Der Umfang 
des Kalbes war nun so viel kleiner geworden, daß das übrige 
herausgezogen werden konnte. Nach der Geburt wurde die ganz 
faule Nachgeburt ausgestoßen. Die Kuh genas vollständig von 
dieser schweren Entbindung. 

Aus den angeführten Fällen geht hervor, daß die Fäulnis¬ 
organismen durch den Cervikalkanal hineindringen und daß in 
24 bis 36 Stunden daB gestorbene Kalb so emphysematös werden 
kann, daß die Extraktion im ganzen durch den enormen Umfang 
nicht mOglich ist. 

Der soporöse Zustand, in dem sich Bolche Patienten be¬ 
finden, muß einer Vergiftung durch Fäulnistoxine zugeschrieben 
werden. Es ist mir oft aufgefallen, daß kleinere Tiere als 
Schweine, Hunde und Katzen, die Fäulnis der Frucht besser 
vertragen können als das Rind. Beim Hunde und bei der Katze 
findet die Resorption der Fäulnistoxine unter weit günstigeren 
Bedingungen statt als beim Schwein oder beim Rinde, weil die 
ersteren zu einer deciduaten Säugetiergruppe gehören. Ich 
schreibe denn auch den bei einer Kuh plötzlich eintretenden 
Tod, den ich häufig bei der Anwesenheit einer emphysematösen 
Frucht wahrnahm, einer akuten Vergiftung zu. Uterusruptur 
kommt auch einigemale vor. 4 ) 

4. Fall. Den 16. Februar 1902 kam in der geburtshilflichen 
Klinik eine Kuh in Behandlung, von der die Anamnese lautete: 
Die ersten Wehen traten am 15. Februar des VormittagB ein auf 
dem Markt, auf welchem das Tier zum Verkauf stand. Die Geburt, 
welche jeden Augenblick erwartet wurde, trat aber an dem Tage, 
auch an dem darauffolgenden Morgen nicht ein, trotzdem die Kuh 
vollständig gesund war. Der Zustand blieb bis den Vormittag 
unverändert, aber dann wurde die Patientin plötzlich sehr soporös. 
Bei der Untersuchung hat das Tier große Mühe aufzustehen. Die 
Temperatur betrug 39,5° C, der Puls war sehr frequent, Fressen und 
Wiederkauen hatten gänzlich aufgehört. Bei der Exploration zeigte 
es sich, daß sich im Uterus ein sehr großes emphysematöses Kalb 
befand. Das Kalb lag in totaler Steißlage; die Entwicklung von 
Fäulnisgasen unter der Haut war so groß, daß sich das Kalb als 
ein die ganze Bauchhöhle füllender Ballon anfühlte. Die Haare 
ließen sich leicht ausziehen und der Gestank bei der Exploration war 
sehr stark. Da das Fruchtwasser abgeflossen war, umschloß der 
Uterus das Kalb. Während die Knh in einem Viehwagen nach der 
eine Viertelstunde weit entfernten Klinik gebracht wurde, brach 
sie zusammen und starb plötzlich. 

5. Fall. Ein Fall von Zwillingen, welche beide sehr stark 
emphysematös waren, wurde am 14. Februar 1902 angetroffen. In 
die Klinik wurde eine Kuh zur Behandlung verbracht mit der Mit¬ 
teilung, daß Patientin den vorigen Tag durch einen Empiriker von 
einem Dunstkalb entbunden sei. Die Frucht sei so groß gewesen, 
daß Embryotomie angewendet wurde, aber nach der Entbindung habe 
die Kuh stark gedrängt und für dieses Drängen und für den 
soporösen Zustand der Kuh zöge man mich zu Rate. — Bei der 
Exploration stellte es sich heraus, daß sich im Uterus noch 
ein Kalb befand. Das Kalb lag in Steißlage, war durch GaBe 
stark aufgedunsen, die Haare fielen bei der geringsten Berührung 
aus und die Klauen ab. Es war möglich, das Kalb nach reichlicher 
Einölung des Geburtsweges auszuziehen. Nachdem man eine 
Irrigation des Uterus angewendet hatte, wodurch eine Masse von 
schokoladefarbigem Exsudat ausgespült wurde, stand das Tier auf. 
Die Entfernung der Nachgeburt war nicht möglich, weil mit der 
Hand nicht alle Cotyledonen erreicht werden konnten. Innerlich 


wurden Kampher und Terpentinöl in der Form einer Emulsion 
gegeben. 

Wiewohl der Fäulnisherd entfernt war, wurde die Prognose in 
Hinsicht auf den soporösen Zustand des Tieres ungünstig gestellt, 
was sehr richtig war, denn es starb noch dieselbe Nacht in einem 
Coma ohne irgend einen Todeskampf. Uterusruptur fand sich hier 
nicht vor, der plötzliche Tod muß also einer Vergiftung durch 
Fäulnistoxine zugeschrieben werden. Die Quantität der produzierten 
Toxine war sehr groß und die resorbierende Oberfläche durch die 
Zwillingstiächtigkeit sehr ausgedehnt. 

6. Fall. Dieser Fall betraf gerade so wie der 2. Fall einen 
Partus praematurus von 7 1 /* Monat. Obschon das Emphysem die 
Dimension des KalbeB ungeheuer vergrößert hatte, war die Resistenz 
der Kub hinreichend, um bei dieser sehr großen Kuh, nach einer 
Infusion von warmem Wasser und Einölung des Geburtsweges, das 
Kalb im ganzen auszuziehen. 

Fig. 2 gibt eine Abbildung dieses Kalbes und von dessen 
Dimensionen. 

In Fällen, in denen der Fäulnisherd klein ist, z. B. bei 
Partns praematurus, kann die Kuh den Prozeß fiberstehen und die 
Frucht kann nach einigen Tagen auseinanderfallen und leichter 
weggenommen werden. 

Wo die Gefahr vor einer akuten Vergiftung weniger groß 
ist, sowohl durch die kleineren Dimensionen, als durch die 
größere Resistenz des Tieres, z. B. beim Schwein, kann man durch 
wiederholte lauwarme Uterusberieselungen mit einprozentiger 
Kreolinlösung die Maceration und das AuseinanderfaUen der 
Früchte, wodurch sie leicht ausgestoßen werden, beschleunigen. 

Wiewohl ich in solchen Fällen der Sectio caesarea, die das 
Schwein gut vertragen kann, den Vorzug gebe, muß ich doch er¬ 
wähnen, daß das Tier durch solche Ausspülungen in 
vielen Fällen gerettet werden kann. So schreibt Vlos- 
kamp 5 ) in einem Aufsatz Uber Geburtshilfe bei Schweinen: „Höchst 
lästig ist die so schnell ein tretende Vnlvaschwellung. Sie entsteht 
sehr schnell und wird zuweilen so heftig, daß man weitere Mani¬ 
pulationen unterlassen kann und daß, wenn noch Früchte in der 
Gebärmutter sein sollten, man mit ruhigem Gewissen erklären kann, 
daß sie auf diese Weise doch nicht heraus können. Große Erfolge 
erzielte ich in jenen Fällen mit folgender Behandlung: Jede halbe 
Stunde, den folgenden Tag mit längeren Pausen, ließ ich 3 bis 
4 Spritzen (jede von 60 Gramm) 1,5 prozentiger Kreolinlösung in 
den Uterus hineinspritzen. (Man wird aber darauf aufmerksam ge¬ 
macht, daß man die Spritze nicht unten in die Vulva einführen 
solle, denn mir ist ein Fall vorgekommen, in dem das Schwein 
krank wurde und krank blieb, und nachdem es geschlachtet war, 
eine Krankheit der Harnblase zeigte, welche vielleicht zufolge des 
rohen Spritzens in die Urethra entstanden war.) Zwei bis drei 
Tage vergehen; das Schwein verliert zuletzt zwar den Appetit, 
aber nun kommen auch Stücke der Frucht zum Vorschein. Über¬ 
raschend schnell vollzieht sich die Geburt, wenn sie einmal an¬ 
gefangen hat und es genest das Muttertier.“ 

Eins darf bei der Behandlung solcher Patienten nicht außer 
acht gelassen werden, nämlich die große Gefahr sich zu 
infizieren, der der Geburtshelfer ausgesetzt ist. 

Diese Infektion entsteht weniger durch Infizierung bestehen¬ 
der geringer Wunden an Armen und Händen, als durch 
solche, die während der Geburt entstehen, wie Erosionen 
und eingerissene Nagelrinnen. Die Gelegenheit dazu besteht 
ganz besonders bei der Entfernung der Rippen. Das beste 
Mittel die Infektion zu verhüten ist meiner Meinung nach, 
außer der Bedeckung dieser geringen Wunden mit Jodoform¬ 
kollodium, das wiederholte Waschen der Hände und der Arme 
mit einer lauwarmen lprozentigen Lysol- oder Kreolinlösung in 
einem neben der Kuh stehenden Eimer. 

Von großer Wichtigkeit, nachdem bei diesen 
Patienten die Frucht entfernt, ist die Nachbehandlung. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 32. 


496 

Wenn die Gefahr vor einem plötzlichen Tode unter saprämischen 
Erscheinungen nach der Entbindung der Kuh großenteils ge¬ 
wichen ist, es drohen doch immer neue Gefahren. Die Nach¬ 
geburt, welche auch in Fäulnis tibergegangen ist, bleibt meistens 
zurück und kann eine putride Intoxikation verursachen. Der 
Körper, der schon durch den anhaltenden Kampf gegen die 
Fäulnistoxine, welche das Dunstkalb produziert hat, Behr ge¬ 
schwächt ist, besitzt nur noch wenig Resistenz. Unsere Nach¬ 
behandlung soll also folgende sein: Entfernung der Nachgeburt 
und Ausspülung des Uterus mit lauwarmem Wasser. Die Hinzu- 
ftigung von antiseptischen Mitteln ist unnötig. Eine mechanische 
Reinigung des Uterus ist ja genügend. Ich erzielte bessere 
Resultate von täglichen Ausspülungen mit 1 proz. Na 2 C0 3 - oder 
mit 1 proz. NaCl-Lösung, als mit den neueren Antiseptica. Haupt¬ 
sache ist die regelmäßige Reinigung des Uterus mit lauwarmen 
Lösungen, damit die Kuh nicht nach der Irrigation zu drängen 
anfängt. 

Wo die Entfernung der Nachgeburt unmöglich ist, weil sie 
mit der Hand nicht zu erreichen oder weil die Verbindung der 
Placentae foetales mit den Cotyledonen zu fest ist, wende man 
tägliche Ausspülungen an. Innerlich sind hier Roborantia 
und besonders Kaffee angezeigt. 

Literatur. 

1. deBruin, Berliner tierärztliche Wochenschrift. 1901, Nr. 24. 

2. Lucet, Le Progres v6t6rinaire 1900, Nr. 11, 12, 13 u. 14. 
Ref. Berliner tierärztliche Wochenschrift 19C0, Nr. 45. 

3. Hess, Schweizer Archiv 1892, S. 76. 

4. J. Lerapen, Inaugural Dissertation. Bern. 1902, S. 77. 

5. Vlaskamp, Tijdscbrift voor Veeartsenijkünde, deel 28, 
blz. 295. 


Zur Behandlung der Bläschenseuche der Rinder. 

Von 

Joh. und Dr. H. Streit-Zimmerwald bei Bern. 

TiorSrzte. 

Bei der großen Wichtigkeit, die die Bläschen- oder Knötchen¬ 
seuche des Rindviehs zur Zeit für uns hat, wird es angezeigt 
sein, einige Punkte, die wir in unseren zweijährigen Behandlungs¬ 
versuchen berausfanden, einem weiteren Kreise von Kollegen 
bekannt zu geben. Vor zwei Jahren begann die Seuche sich 
langsam in unsere Praxis einzuschleichen und ist jetzt eines 
der bekanntesten Übel, dem wir in der Rindviehpraxis begegnen. 
Anfänglich unternahmen wir die Bekämpfung desselben mit 
oft wiederholten Ausspülungen der Scheide mittelst flüssiger 
Medikamente, wie Zinc. oder Cupr. sulfuric. in verschiedener 
Stärke, oft vermischt mit Alaun, Borsäure etc. Die Erfolge 
damit waren nie recht befriedigende. Die akuten Erscheinungen 
verschwanden wohl in 1—3 Wochen — wie sie übrigens auch 
ohne Behandlung verschwinden. Aber es blieben meistens rot¬ 
braune oder gelbliche Knötchen und rote Flecken zurück, die 
sich Jahr und Tag gleich blieben und stets fort einen verschieden 
starken Reiz ausübten. Diese Einspritzungen sind der chronischen 
Form der Seuche gegenüber unwirksam oder entschieden un¬ 
genügend, wenn auch noch so oft wiederholt 

Vor ca. 14 Monaten unternahmen wir die ersten Ver¬ 
suche mit feinpulverisiertem Zinc. sulfuricum, in Substanz in die 
Scheide geblasen, und sind nun zu folgender ausgezeichneten 
Behandlungsmethode gelangt: Wir nehmen vier Teile fein 
pulvrisiertes Zinc. sulfuric. — das Cnprum wirkt viel zu stark 
ätzend und reizend — und mischen es gut mit einem Teil Acid. 


boricum. DieBorsäure verleiht demPulver eine schöngeschmeidige, 
feine Beschaffenheit. Von diesem Pulver, das stets gut trocken 
sein soll, wird pro Kuh ca. ein Kaffeelöffel voll auf die erkrankte 
Scheidenschleimhaut geblasen; für Jungvieh und geringgradig¬ 
erkrankte Kühe nimmt man entsprechend weniger Pulver. Das 
Einblasen geschieht einfach mittelst einer trockenen, gut schlie߬ 
baren Klystierspritze, in deren abgeschraubtes Rohrende das 
Pulver locker geschüttet wird, oder mittelst irgend eines Holz-, 
Metall- oder Papperohres, worein man das Pulver schüttet und 
dann mit dem Munde einbläst. Gewöhnlich lassen wir die Hälfte 
des Pulvers 1—3 dem weit in die Scheide hineinblasen und die 
andere Hälfte am hinteren Ende, in der Nähe des Wurfes. Bei 
trächtigen Tieren wird etwas weniger Pulver genommen und 
dieses nicht zu weit nach vorn geblasen. Kurze Zeit bis fünf 
Minuten nach der Operation werden viele der behandelten Tiere 
unruhig, spriDgen hin und her, schwänzen lebhaft. Diese Unruhe- 
erscheinungen lassen aber bald nach und sind nach einer halben 
Stunde bis spätestens einem halben Tag gänzlich verschwunden. 
Die Scheide schwillt etwas an. Die oberflächlichen Schleimhaut¬ 
lagen werden verätzt und dann als schleimig-eitrige Masse aus¬ 
geschieden. Natürlich nimmt dadurch der Scheidenausfluß einige 
Tage zu. Nach sechs bis zehn Tagen ist der EntzündungBprozeß 
ausgeheilt; eine neue glatte Schleimhaut hat sich gebildet Die 
Bläschen und Knötchen sind in den weitaus meisten Fällen 
gänzlich verschwunden. In anderen sind noch einzelne Knötchen 
vorhanden, davon herrührend, daß das Pulver nicht sorgfältig 
genug appliziert worden und einzelne Schleimhautstellen davon 
nicht bedeckt waren. In diesen Fällen wird dann sofort von 
neuem Pulver eingeblasen oder mit dem Finger eingestrichen, 
wenn die kranken Stellen nur klein sind. Nach weiteren acht 
bis zehn Tagen wird noch einmal Revision vorgenommen und 
wenn nötig noch einmal Pulver appliziert. 

Die Erfolge mit dieser Behandlungsmethode sind sehr gute. 
Die Bläschen und Knötchen verschwinden gleich schön und 
sicher. Die Methode ist äußerst einfach und erfordert wenig 
Zeit, wird von den Besitzern mit Leichtigkeit ausgeführt und 
gewöhnlich auch mit der nötigen Sorgfalt, da sie nicht so er¬ 
müdend wird, wie die täglich repetierten Einspritzungen. Die 
kranken Tiere lassen sich leicht behandeln, sind nicht unruhig 
und mißtrauisch, wie dies durch die Plakerei häufig wiederholter 
Einspritzungen der Fall wird. Die Gefahr des Abortierens 
trächtiger Tiere ist entschieden klein, da die Reizungser¬ 
scheinungen vergänglich und überhaupt nie sehr starke sind. 
Da unser Medikament nur die oberflächliche Schleimlage verätzt, 
so werden keine tiefen Wunden geschaffen und ist deshalb die 
Gefahr des Entstehens von Strikturen gering. Zwar fanden 
wir ein einziges Mal aus mehreren tausend behandelter Tiere 
nach unserer Behandlung eine partielle Verwachsung der Scheide 
vor. Diese Kuh war aber vor der Behandlung nach unserer 
Methode nie untersucht worden per vaginam und hatte eine 
langdauernde fruchtlose Behandlung mit gelöstem Kupfersulfat 
und Alaun durchgemacht, wobei sie immer sehr starke Reizungs¬ 
erscheinungen gezeigt hatte. Es ist also in diesem Fall min¬ 
destens sehr zweifelhaft, ob unser Medikament die Striktur ver¬ 
ursachte oder ob diese nicht vielleicht schon früher bestanden 
hatte. 

Theoretisch ist vielleicht unsere Behandlungsmethode in¬ 
sofern unrichtig, als die Bläschensenche sich entlang der Va¬ 
ginalschleimhaut bis zum Cervix uteri oder über diesen hinaus 


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6. August 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


497 


bis in den Uterus ansdehnen kann und unser Medikament nicht 
soweit reicht. Bei der weitaus häufigsten Form der Seuche, 
den Scheidenkatarrhen, genügt aber nach unserer Erfahrung 
die angewendete Methode vollkommen. Daß sie bei den glück¬ 
licherweise nicht sehr häufigen Affektionen des Uterus nicht 
genügt, so wenig wie das Ausspritzen mit flüssigen Medika¬ 
menten, ergibt sich ohne weiteres. In diesem letzteren Fall 
ist Isolation und baldiger Verkauf des verseuchten Tieres an den 
Metzger das beste. 

Bei männlichen Tieren darf das Medikament nur in 
Lösungen verwendet werden und dauert die Behandlung deshalb 
auch 2—3 Wochen. Leider ist der Erfolg hierbei bei weitem 
nicht so schön und sicher wie hei der heroischen Behandlung 
der Rinder. 

Über die Zehenachse des Pferdes. 

Von 

Schiel-Jever, 

Tierarzt 

In einem Artikel im „Beschlagschmied Nr. 5“ weist Prof. 
Dr. Eberlein darauf hin, daß die Zehenachse des Pferdes noch 
in den meisten Hufbeschlagsbüchern fälschlich als Faßachse be¬ 
zeichnet und geführt wird. Diese irrtümliche Benennung Fu߬ 
achse müsse auB den Lehrbüchern der Hufbeschlagkunst ebenso 
verschwinden, wie sie bereits aus den Lehrbüchern der tierärzt¬ 
lichen Anatomie, Chirurgie, Operationslehre etc. ausgemerzt sei. 

Diese Forderung ist durchaus berechtigt. Es ist gar nicht 
zu verstehen, warum sich dieser falsche Ausdruck durch alle 
Lehrbücher und auf den meisten Lehrschmieden noch fortschleppt. 
Der Einwand von anderer Seite, daß die Fußachse sich überall 
eingebürgert habe, kann nicht gelten, da die Benennung un¬ 
wissenschaftlich ist. Von einem Pferdefüße mag der Dichter 
reden; in einem Lehrbuche über Hufbeschlag aber hat die 
Pferdefußachse nichts zu suchen. Ich habe bereits im Jahre 
1899 in einer Arbeit: Zur Prophylaxe gegen Lahmheiten der 
Pferde durch den Hufbeschlag D. T. W. Nr. 27, 7. Jahrgang den 
damals allgemein üblichen Ausdruck Fußachse grundsätzlich durch 
Zehenachse ersetzt. 

In demselben'Artikel schreibt dann Eberlein weiter: „Die 
Bezeichnung der gebrochenen Zehenachse in der bisherigen Form 
nach der Richtung des Winkelscheitels enthält jedoch einen 
Widerspruch und ist deshalb meines Erachtens nicht korrekt. 
Wenn man z. B. einen Holzstab in beide Hände nimmt und 
bricht ihn Uber dem Knie so, daß die Spitze des Bruchwinkels 
von der Person weg zeigt, so kann es doch nicht zweifelhaft 
sein, daß der Stab in der Richtung nach der Person, welche 
denselben hält, zu, also nach der dem Winkelscheitel entgegen¬ 
gesetzten Richtung, gebrochen ist. Wohl kann ich einen Stab 
nach der Richtung des Winkelscheitels herausreißen, gebrochen 
kann derselbe aber nur nach der entgegengesetzten Seite hin 
werden. Dazu kommt, daß der Anfang der Zehenachse im 
Fesselgelenk liegt und also der untere Teil der Zehenachse von 
dem Verlaufe des oberen abweicht. Man kann diese Abweichungen 
deshalb nur als nach der dem Scheitelwinkel entgegengesetzten 
Richtung erfolgt bezeichnen. 

Auf Grund der vorstehenden Erörterungen hält es Eberlein 
für nötig, gerade das Gegenteil von dem zu lehren, was bisher 
an allen Hufbeschlagschulen etc. einstimmig Geltung hatte. 
Eberlein bezeichnet also die nach hinten gebrochene Zehen¬ 


achse als nach vorn gebrochen und umgekehrt. Aber wenn 
Eberlein so korrekt Vorgehen wollte, dann müßte er auch 
seine nach vorn gebrochene Zehenachse (Fig. 1) als nach vorn 
und oben gebrochen, seine nach hinten gebrochene Zehenachse 
als nach hinten und unten gebrochen bezeichnen. Die Zehen¬ 
achse der bärenfüßigen Stellung wäre dann nur nach unten 
gebrochen. Warum aber all diese Schwierigkeiten! 

Eberlein verwechselt hier gebrochen wird mit gebrochen 
ist. Wohin gebrochen ist, darüber entscheidet nur allein die 
Verlagerung der Bruchstelle, denn diese Verlagerung ist nicht 
nur das wesentlichste, sondern das in die Augen springendste. 

Wollte man sich korrekt ansdrücken, so dürfte man über¬ 
haupt nicht sprechen von einem Bruche der Zehenachse, sondern 
von einem Einknicken. Die Benennung: Brechung der Zehen¬ 
achse aber ist konventionell, denn sie wird von allen Autoren 
ausnahmslos anerkannt und es lassen sich auch irgendwelche 
Einwände von Belang dagegen nicht erheben. 

Wenn jemand sich beim Gehen auf seinen Spazierstock 
stützt, dieser Stock knickt ein und der Betreffende erzählt dann 
seinen Freanden; Mein Stock knickte nach hinten ein, so wird 
das sofort richtig verstanden. 



Fig. 1. Fig. 2. 

nach vorn gebrochen — Eberlein — nach hinten gebrochen 
nach hinten gebrochen — Fornbach — nach vorn gebrochen 


Die Zehenaclme ist aber ein gedachter Stab, der nach vorn 
oder nach hinten einknicken kann, wenn das Pferd sich darauf 
stützt. Dieser Vergleich liegt doch jedenfalls näher, als das 
Brechen eines Stabes übers Knie nach Eberlein. 

Wenn ich sage: Ich bin mit meinem Fuße nach innen um¬ 
gekippt und habe mir dabei das Fußgelenk verstaucht, so wissen 
alle Zuhörer sofort was passiert ist. Es hat etwa dasselbe statt- 
gefunden, als wenn ein Pferd, dessen Zehenachse nach innen 
gebrochen ist, bei einem heftigen Auftritt sich eine Läsion im 
Hufgelenke zuzieht. 

Die Ausführungen Eberleins über die Brechung der Zehen¬ 
achse sind daher noch viel weniger korrekt und sie stehen 
gleichzeitig im Widerspruch mit der landesüblichen Auffassung 
über den ganzen Vorgang. 

Es ist nicht zu verstehen, warum Eberlein genau das 
Gegenteil lehren will und lehrt, von dem, was bisher alle 
Autoren nach Fambach einstimmig angenommen haben. Der 
Gebrauch der Bezeichnungen: Brechung der Zehenachse nach 
vorn, nach hinten, nach innen, nach außen ist demnach doch 
ebenfalls konventionell und das, was dabei verstanden wird, kann 
durch die Argumentationen Eberleins nicht erschüttert werden. 

Hat Eberlein als Lehrer sich denn gar nicht klar gemacht, 
welche Verwirrung er mit seiner Neuerung anrichtet? Die 
„schwarze Kunst“ ist von jeher das Gerät gewesen, an dem so 

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mancher große Geist seine Sprünge machte. Aber von einem 
Eberl ein sollte man doch erwarten, daß er auch als Lehrer 
weitblickend ist und sich darum gewisse Beschränkungen auf¬ 
erlegt. 

Die Hufbeschlagslehre ist wirklich zu ernst, als daß nicht 
jeder einzelne Lehrer alles, was Verwirrung stiftet, vermeiden 
sollte! 

Wenn z. B. einst fern von Berlin und Dresden zwei Tier¬ 
ärzte darüber disputieren, ob ein Pferd mit nach hinten ge¬ 
brochener Zehenachse Stollen haben müsse oder nicht, dann 
wird der Streit wahrscheinlich so lange dauern, bis ein dritter 
erst Erklärung wünscht: Ist hie Eberlein oder ist hie nicht 
Eberlein? Von den Schmieden gar nicht zu reden! 

Wir können nicht alle einer Meinung sein. Das wäre 
schlimm. Aber der eine Lehrer kann doch seine Schüler nicht 
den Punkt auf dem i oben, der andere unten machen lassen. 
Mit Eigenbrödelei wird das Verständnis für wissenschaftlichen 
Hufbeschlag nicht gefördert. 


Referate. 

Über Organotherapie. 

Von Tierarzt Dr. E. Joest. 

(Zeitschrift für Tiermedizin. VII. U. S. 17—40 ti. 125—lüft.i 

Unter Organo- oder Opotherapie hat man nach Joest die 
Behandlung von Krankheiten zu verstehen, die in dem Ausfall 
der Funktion eines bestimmten Organes ihre Ursache haben, 
mit den Bestandteilen des gleichen tierischen Organes, durch 
Substitution also der einem Organismus verloren gegangenen 
Organprodukte durch die gleichen eines anderen, sei es der¬ 
selben oder einer anderen Spezies. 

Solche die dauernde Functio laesa eines Organs doku¬ 
mentierende Krankheitszustände sind die Kachexia strumipriva 
bezw. thyreopriva, das Myxoedem der Erwachsenen, der Cretinis- 
mus der Kinder als Folgeerscheinung von Exstirpation, De¬ 
generation oder subnormaler Ausbildung der Schilddrüse. Aus¬ 
fallerscheinungen bei Verlust oder Anomalien der Geschlechtsdrüsen 
sind Ausbleiben der Entwickelung der sekundären Geschlechts¬ 
charaktere bei jugendlichen Individuen, Erlöschen der Zeugungs¬ 
funktion bei der physiologischen senilen Atrophie der Geschlechts¬ 
drüsen, Störungen im Bereich des Nervensystems und erhöhter 
Fettansatz beim Eintritt des Climacteriums oder künstlich 
antizipierter Climax. Eine Ausfallerscheinung bei experimenteller 
Exstirpation, seniler Insuffizienz oder pathologischer Entartung 
des Pankreas ist ein symptomatischer Diabetes mellitus; bei 
regressiven Veränderungen der Nebenniere der Morbus Addisoni, 
die sogen. Broncekrankheit. — Solche Krankheitszustände sind 
es auch, die das Objekt der spezifischen Organtherapie ausmachen. 

Über Darstellung und zweckmäßige Einverleibung der ent¬ 
sprechenden Organpräparate stellte man zuerst Versuche mit 
Schilddrüsen an. Die Implantation in die Bauchhöhle erwies 
sich als eine zu komplizierte und im Effekt zu unsichere Art 
der Inkorporierung. Die subkutane Applikation eines Glyzerin¬ 
extraktes wurde als einfacher und sicherer befunden. Bei der 
Darreichung roher Schilddrüse per os, dem einfachsten Verfahren, 
stellte sich heraus, daß die wirksame Substanz des Organs 
resorbiert wird, ohne durch die Digestion in ihrer Wirkung ab¬ 
geschwächt zu werden. Die stomachale Applikation empfahl 
sich somit als bequemste. Das Organ selbst brachte man, 


No. 32. 


wohl wegen der besseren Handlichkeit und wenigstens beim 
Menschen größeren Appetitlichkeit in Tablettenform. Zu deren 
Darstellung wird das Organ möglichst unter aseptischen Cautelen 
entnommen, schnell bei 30° im Vakuum getrocknet und die 
Trockensubstanz mit Milchzucker und anderen Geschmacks- 
korrigentien verarbeitet. 

Die Schilddrüsentherapie erzielt bei Kachexia strumipriva 
und thyreopriva, Myxoedem, Cretinismus die augenfälligsten, 
besten Erfolge. Schon in den ersten Tagen der Medikation 
tritt Besserung ein, aber allerdings hält diese Wirkung auch 
nur so lange oder nur wenig länger an, als die Darreichung 
der Präparate währt. 

Die Ovarialtherapie hat gleichfalls gute Erfolge. Bei 
Hündinnen, die etwa 10—15 Wochen nach der Kastration einen 
bis um 10—20 Prozent verringerten O-verbrauch zeigten und 
bei denen auch der Gesamtgaswechsel ab-, das Körpergewicht 
zunahm, hob sich der Gasaustausch nach Reicliung von Oophorin- 
tabletten alsbald nicht nur zur Norm, sondern noch darüber 
hinaus. 

Die PankreaBtherapie bei Diabetes mellitus hatte bisher 
fast keine Erfolge. Aber es versteht sich, daß sie eben auch 
ausschließlich nur beim symptomatischen Pankreasdiabetes solche 
erwarten läßt. 

Die Nebennierentherapie hatte bisher in einigen Fällen 
günstige, in anderen keine Erfolge. 

Eine Erklärung für die Ausfallserscheinungen, sowie für 
die spezifische Wirkung der Organpräparate sucht Joest mit 
Brown-Söquard und Hansemann zu geben, indem er lehrt, 
daß trotz der im Zellstaate bestehenden Arbeitsteilung jede 
Veränderung in der Funktion auch nur einer Zellart oder eines 
Organes einen Einfluß auf den Gesamtorganismns ausübe und 
daß er den Organen eine doppelte Funktion, eine innere positive 
und eine äußere negative, zuschreibt. Bei der Lunge z. B. be¬ 
steht die erstere in der Zufuhr von 0 in den Körper, die letztere 
in der Abgabe von CO a ; bei der Leber in der Glykogenbildung 
bezw. der Galleausscheidung. Von anderen Organen seien uns 
diese Funktionen nur noch nicht bekannt und wo der Ausfall 
einer solchen ohne Störung für den Gesamtorganismus bleibe, 
handle es sich um Funktionen, die auf mehrere Organe verteilt 
sind, wie ja z. B. das Pankreassekret durch andere Verdauungs¬ 
säfte vertreten werden kann. Die Produkte dieser inneren 
Tätigkeit, z. B. das Thyreoglobulin der Schilddrüse würden ans 
Blut abgegeben, seien in bestimmtem Mischungsverhältnis nor¬ 
maler Bestandteil desselben, wirkten als trophischer Reiz und 
ihr Fehlen, ihre Verminderung oder Vermehrung habe die be¬ 
schriebenen Ausfallserscheinungen zur Folge. Die Organpräparate 
nun führten diese Stoffe dem Blut und den von ihnen ausgehenden 
Reiz den Organen wieder zu und beseitigen so jene Störungen. 

Außer ihrer spezifischen Wirkung besitzen bestimmte Organ¬ 
präparate noch allgemeine pharmakodynamische Wirkungen, die 
gleichfalls, wenn auch nicht ausschließlich, den in den Organen 
enthaltenen Produkten ihrer inneren Sekretion zuzuschreiben 
sein sollen: 

Hodensaft von Kaninchen hatte nach Versuchen von Brown- 
Sequard, subkutan injiziert eine, allerdings nur kurz andauernde 
dynamogene Wirkung auf das Nervensystem, erhöhte die physische 
Kraft, die cerebralen Funktionen, den Appetit, die Darmperistaltik. 

Schilddrüsenpräparate erwiesen sich bei Mastfettsucht wie 
bei konstitutioneller Fettsucht des Menschen und des Hundes 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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6. August 1903. 

wirksam. Sie steigern die Oxydation im Organismus durch 
Erhöhung der Fettyerbrennung, des Wasserverlustes, aber auch 
durch Zersetzung von Körpereiweiß. Zuweilen zeigen sich dabei 
noch toxische Nebenwirkungen nutritiver und nervöser Art, 
namentlich wenn große Dosen gegeben wurden. Durch gleich¬ 
zeitige Arsendarreichung kann solchen Erscheinungen des 
Thyreoidismus vorgebeugt werden. (Als natürlicherThyreoidismus 
wird auch der Morbus Basedowi aufgefaßt. Er ist nach Möbius 
eine Vergiftung des Körpers durch krankhaft gesteigerte Tätigkeit 
der Schilddrüse.) Bei Struma hat man in einer nicht geringen 
Zahl von Fällen, namentlich bei jungen Individuen, mit Thyreoidin 
günstige Erfolge oder sogar völlige Rückbildung erzielt, wofür 
eine ausreichende Erklärung fehlt. — Auch Psoriasis soll nach 
Buschan und Ewald in Fällen, in denen jede andere Therapie 
fehlschlug, angeblich geheilt worden sein, indem das Thyreoidin 
auf die trophischen Vorgänge in der Haut gewirkt habe. — 
Beziehungen zwischen der Schilddrüse und dem Knochenwachstum 
wie der Knochenneubildung sind experimentell erwiesen. Tbyreo- 
dektomie verursacht Hemmung des Längenwachstums der Knochen, 
Verzögerung der Ossifikation der Epiphysenknorpel und Synchon- 
drosen und ebenso Hemmung der Kallusbildung und Kallus- 
werknöcherung. 

Die Nebennierensnbstanz hat eine blutdrucksteigernde und 
gefäßverengernde, von der Ophthalmologie in weitem Umfang 
-verwertete Wirkung. Auch enthält die Nebenniere einen Stoff, 
der dem Kreislauf übergeben, Glykosurie verursacht. 

Praktisch versucht wurde in der Tiermedizin bisher nur die 
michtspezifische Schilddrüsentberapie bei Kropf und Fettsucht des 
IHundes. Fentzling gab kropfleidenden Hunden je eine frisch 
gehackte Schafschilddrüse mit Salz und nach drei Wochen eine 
zweite Drüse mit bestem Erfolg. Zimmermann unterwarf sieben 
fettleibige, meist kleinere Hunde, verschieden an Alter, Geschlecht 
und Rasse, einer Thyreoidinkur. Er gab acht Tage bis fünf 
Wochen lang Tagesdosen von 0,2—0,3 und reduzierte dadurch 
das Körpergewicht um täglich 26—143,0 und insgesamt um 
350—3460,0. In keinem Falle sah er Nebenwirkungen. 

In seiner historischen Einleitung geht der Verfasser bis auf 
den Papyrus Ebers zurück, übergeht aber die „Isopathen“ des 
vorigen Jahrhunderts, wie Constantin Hering, Gross, Lux, die 
doch auch mit Leber-, Lungen-, Milzsubstanz organotherapeutisch 
arbeiteten. Das vielleicht ungerechte Mißtrauen, das der Organo¬ 
therapie entgegengehracht wird, wäre dadurch allerdings wohl 
nicht gemildert worden. 0. Albrecht. 

Die Omarthritis chronica deformans des Pferdes. 

Von Assistent Dr. Kärnbach-Berlin. 

(Monat«h. f. prakt. Tlerbeilk. 14. B. 8. 07—132.) 

Dr. Kärnbach hat eingehende klinische und anatomische 
Untersuchungen über die Omarthritis chronica deformans des 
Pferdes, die bisher weniger beschriebene Form der Schulterlahm¬ 
heit angestellt. Er ist dabei zu folgenden Ergebnissen gelangt: 

Ausgang und Sitz des Leidens ist vornehmlich das Knochen¬ 
gewebe. Die am meisten affizierten Stellen sind die mediale 
Hälfte des Armbeinkopfes und der Skapularpfanne einerseits, 
der Randpartie der Skapula andererseits. An den betroffenen 
Teilen tritt rotbraune Verfärbung, Osteoporose, dann Ostitis 
condensans auf, Bildung warzen- und kammförmiger Wucherungen 
der Gelenkränder, Verdickung der Gelenkenden. Der Knorpel 
wird gebläut, zerfasert, usnriert. Die Synovialzotten werden 


499 


in lange Filamente, eventuell in sog. Reiskörper umgewandelt. 
Das Gelenk selbst wird schließlich ankylosiert. 

Ätiologisch kommt für die Erkrankung als causa interna 
der unzweckmäßige Bau des Gelenkes in Betracht, demzufolge 
der größte Teil der Erschütterungen bis nach dem elastisch 
verbundenen Buggelenk gelangt und dort gebrochen wird; als 
causa externa die Bewegung auf hartem Boden in schneller 
Gangart, das plötzliche Parieren der Reitpferde aus schnellem 
Trab heraus und Distorsionen. 

Für die Diagnose wichtige Symptome sind: das Bemühen 
des Patienten die leidende Extremität etwas von der Brust ab- 
und vorzustellen und zwar so, daß sie mit der ganzen Hufsohle 
auftritt und die Zehe etwas nach anßen gesetzt wird. Im Be¬ 
reich der affizierten Stelle ist eine Anschwellung nachweisbar. 
Bei älteren Fällen besteht Atrophie der Streckmuskeln und eine 
palpable Gelenksverdickung. Das seit alters hervorgehobene 
Symptom des Fuchtelns und Kreisens mit der erkrankten Ex¬ 
tremität ist unzuverläßig, da es auch bei Überbeinen, Periostitis 
am Metacarpus oder der vorderen Fesselbeinfläche, Fissuren 
etc. angetroffen wird und umgekehrt bei Omarthritis zuweilen 
fehlt. Dagegen ist selir charakteristisch die Schmerzempfind¬ 
lichkeit der Tiere bei ausgiebiger passiver Streck-, Beuge-, 
Auswärts-, Einwärts-, Drehbewegung. 

Die Prognose ist immer zweifelhaft bis ungünstig, da auch 
in leichteren Fällen bei geringem Anlaß Rezidiven auftreten; 
in erheblichen Erkrankungsfällen ist sie schlecht. 

Therapeutisch ist absolute Ruhe des Patienten und der 
betroffenen Extremität die Hauptsache. Zweckmäßig ist eine 
scharfe Einreibung, da die so hervorgerufene Schmerzempfindung 
den Patienten zu besonderer Schonung der Gliedmaße veranlaßt. 
Muskelatrophie wird durch Massage behandelt. Erweist sich 
die Behandlung als fruchtlos, so snche man das Tier noch 
dadurch auszunützen, daß man es auf weichem Boden zu lang¬ 
samer Arbeitsleistung verwendet. Bei solcher Schonung ist ein 
allmählicher Stillstand des Leidens nicht ausgeschlossen. 

0. Albrecht. 

Fesselbeinfissaren. 

Von Roßarzt Wünsch. 

(ZeiUchr. f. Veter. K<le. 1903. S. 165.) 

Über Fesselbeinfissuren beim Pferd spricht sich Wünsch, 
seine gesammelten Erfahrungen zusammenfassend und an einem 
Spezialfall demonstrierend, dahin aus: Sie kommen häufig vor, 
besonders bei Militärpferden und zwar an den Vorderextremitäten. 
Sjie werden durch Fehltritte bei der Bewegung in den schärfsten 
Gangarten herbeigeführt, wahrscheinlich bei Volarflexion des 
Fesselgelenks, durch starke Stoßwirkung der Gelenkrolle 
des Schienbeins gegen den vorderen Rand der Gelenkpfanne und 
eben deshalb finden sie sich nur am oberen vorderen Rand des 
FesBelbeins. — Die Symptome sind hochgradige Stützbeinlahmheit 
mit leichter Volarflexion des Fessele. Verwechslungen mit 
Distorsion des Fesselgelenks sind sehr häufig, da bei beiden 
Zuständen der Schenkel gut belastet wird und passive Bewegung 
des Gelenks starke Schmerzen auslöst. — Ist die Feststellung 
der Fissur durch den Nachweis der äußerst kleinen umschriebenen 
Stelle ihres Sitzes mittelst Palpation frühzeitig gelungen, so 
ist mit Scharfsalbentherapie bei vollkommener Ruhe Heilung in 
4—5 Wochen zu erreichen. Bei länger bestehenden Fällen ist 
das Brenneisen anzuwenden. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 32. 


500 


Leider geben auch sonst znweilen Fissuren Anlaß zu Fehl¬ 
diagnosen. Ref. beobachtete z. B. einmal zusammen mit einem 
erfahrenen Praktiker einen Fall, in dem ein altes Arbeitspferd 
einen Deichselstoß in die Buggegend erlitt, woraus keine äußere 
Verletzung, wohl aber eine völlige Stützbeinlahmheit resultierte, 
die ganz das Bild eines „typischen Falles“ von Radialislähmung 
bot. Auf Wunsch des Besitzers wurde lege artis Veratrin 
injiziert und täglich ein Gehversuch gemacht. Bei einem derselben 
trat plötzlich eine Verschlechterung ein. Das Tier wurde 
getötet und der Obduzent fand als wahre Ursache eine Fissur 
im Gelenk. Hier war also der Irrtum besonders verhängnisvoll, 
denn es wurde der erste Grundsatz der Therapie „nil nocere“ 
verletzt. Aber erklärlich war die Fehldiagnose. 

0. Albrecht. 

Sehnenzerschneidnng bei einem Ochsen. 

Von Distriktstierarzt Gutbrod-Moosburg. 

(Wochensehr. f. T. u. V., 1903, S. 238.) 

Ein Zugochse durchschnitt sich an der Pflugschar die Klauen¬ 
beinbeugesehne des linken Hinterfußes vollständig. Die Sehne 
wurde nicht genäht, sondern die stark blutende Wunde lediglich 
mit Tannoform bepudert und verbunden. Sie verheilte innerhalb 
vierzehn Tagen, während deren das Tier nur zum Fressen auf¬ 
gestanden war und wurde nur noch mit Aloetinktur bepinselt. 
Allmählich versuchte der Ochse den Fuß zu belasten. Nach 
weiteren vier Wochen war er wieder gebrauchsfähig. 

0. Albrecht. 

Drehkrankheit bei Fischen. 

Von Professor Dr. Hofer-München. 

(Nach Kof. der Woclicnsolir. f. T. n. V., 1903, S. 79.) 

Prof. Hofer beobachtete bei Regenbogenforellen zwei Fälle 
von Drehkrankheit, wie er sie benannte. Die Fische zeigten 
äußerlich keine Besonderheit, drehten sich aber plötzlich wild 
im Kreise herum, den Körper in einem Halbbogen nach rechts 
oder links krümmend und zehn- bis zwanzigmal krampfhafte 
Kreisbewegungen beschreibend. Darnach fielen sie tot zu Boden. 
Bei der Körpereröffnung zeigten sich alle Organe unverändert. 
Im Gehirn konnte dagegen ein Sporozoon der Gattung Myxobolus 
gefunden werden, dem Prof. Hofer den Speziesnamen cerebraJis 
beilegte. Bestimmt wird es nach den Sporen. Diese sind länglich 
eiförmig, 0,009 mm lang, 0,0072 mm breit und enthalten halb- 
solange Polkapseln. Die Sporenhülle springt an acht symmetrisch 
gelegenen Stellen mit dreieckigen Zacken nach innen vor. 

0. Albrecht. 

Wochenfibersicht über die medizinische Literatur. 

Von Dr. Jeso-Charlottenburg, 

Kreta tlerarst. 

Münchener medixinische Wochenschrift Nr. 27. 

Brucin, ein neues Gegenmittel beim Morphinismus; von Dr. Fromme. 
Brucin. hydrochloricum ist ein Strychnospräparat. Es bildet 
kleine weisse, vierseitige, orthoromtische Prismen von außer¬ 
ordentlich bitterem Geschmack, ist in vier Teilen kalten Wassers 
löslich. Seine Wirkung ist 5 bis 24 mal schwächer als die 
des Strychnin. Die Wirkung des Brucins ist zunächst eine 
gärungshemmende, dann aber steigert es außerordentlich die 
Reflexaktion des Rückenmarks. 

Archiv für klinische Chirurgie. 70. Band, Heft II. 1000. 

Zur Behandlung des Milzbrandes mit Intravenösen Injektionen von 
löslichem Silber (Koilargolum) und über die Anwendbarkeit anderer 
löslicher Silberpräparate zur intravenösen Injektion; von 


v. Baracz. In drei schweren Milzbrandfällen hatte v. B. 
Kollargol intravenös mit ausgezeichnetem Erfolg gegeben. Ver¬ 
fasser hat auch Versuche mit anderen Silberpräparaten z. B. 
Argentamin, Protargol, Ichthargan angestellt und gefunden, 
daß Kollargol in seiner Wirkung das zuverlässigste und in seiner 
Anwendung das wenigst gefährliche von diesen Präparaten ist. 

Über neuere Untersuchungen, das Vorkommen echter Säugetier- 
tuberkelbazillen in der Miioh und den Melkereiprodukten betreffend, 
mit spezieller Berücksichtigung der Methodik des Nachweises; 
von Kuno Obermüller. 0. sprach über diesen Gegenstand am 
28. April 1903 in der biologischen Abteilung des ärztlichen 
Vereins in Hamburg. Der einzige sichere Weg des Nachweises 
von Tuberkelbazillen in der Milch bleibt der Tierversuch, und 
zwar die Iojizierung in die Bauchhöhle von Meerschweinchen. 
Verfasser verfährt nun folgendermaßen: 

Beim Zentrifugieren der Milch bilden sich drei Schichten, 
Buttermilch, Magermilch, Rahm. Auf Grund des spezifischen 
Gewichtes der Bakterien (1,038 bis 1,065) mußte man an¬ 
nehmen, daß dieselben alle in den Bodensatz gelangen, in Wirk¬ 
lichkeit geht jedoch ein großer Teil derselben in die Rahm¬ 
schicht über. Deshalb vermengt 0. den Bodensatz und die 
Rahmschicht nnd injiziert sie zusammen den Versuchstieren in 
Mengen von V 2 bis 1 ccm. Die Resultate seiner Untersuchungen 
waren dann auch geradezu überraschend. 

Deutsche medixinische Wochenschrift Nr. 00. 1000. 

Untersuchungen über die bakteriologische Choieradiagnostlk 
und Spezifizität des Koch sehen Choleravibrio; von Kolle und 
Gotschlich (aus dem Institut für Infektionskrankheiten). Nach 
dem heutigen Stande der Wissenschaft ist das einzig sichere 
Mittel, um die Natur eines Vibrio mit absoluter Sicherheit zu 
erkennen, das hochwertige und spezifische Choleraserum. Durch 
die Anwendung der Peptonwasservorkultur (8 Stunden), Agar¬ 
platte (8 Stunden) und Agglutination im hängenden Tropfen, 
kann die Choleradiagnose mit völliger Sicherheit schon nach 
16 Stunden gestellt werden. — 

Münchener medixinische Wochenschrift Nr. 2S. 1003. 

Toxin und Antitoxin; von Max Gruber und Freiherrn von 
Pirquet. Verfasser gehen auf die Ehrlich sehe Seitenketten 
theorie ein und bestreiten deren Richtigkeit. Die Arbeit ist 
noch nicht abgeschlossen. 

Eine therapeutisch wirksame Substanz aus der Hefe, Cerolin, 
Fettsubstanz der Hefe; von Roos und Hinsberg. 

Die Hefe findet therapeutisch bei verschiedenen Hautleiden, 
so Acne, Furunkulose, aber auch bei inneren Erkrankungen, 
besonders bei Obstipation Verwendung. Die Abführwirkung der 
Hefe beruht zum größten Teil auf der Fettsubstanz, dem 
Cerolin, letzteres wirkt schon in kleinen Dosen, ohne Be¬ 
schwerden, stuhlbefördernd. 

Zur anästhesierenden Wirkung des Yohimbins (Spiegel); von 
Augenarzt Dr. Magnani. Verfasser hat günstige Erfahrungen 
mit der Verwendung von Yohimbin bei Augenlidoperationen 
gemacht. Die Sensibilität kehrte erst nach l 3 / 4 Stunden zurück. 

Empyroform. Wie Sklarek in der Therapie der Gegenwart, 
Juli 1903, mitteilt, ist Empyroform ein Kondensationsprodukt 
von Formaldehyd und Teer. Es wurde in der Breslauer 
Universitätsklinik mit Erfolg erprobt. Das Empyroform stellt 
ein trockenes, bräunliches Pulver dar und wird als Empyroform- 
Vaseline 1—20 Proz., Empyroform-Zinkpaste 5—20 Proz. etc., 
besonders bei Ekzemen verwendet. 


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fi. August 190.1. 

Dieselbe Zeitschrift No. 20. 1003. 

Beiträge zur Entstehung der Tuberkulose vom Darm aus; von 
Prof. Nebelthau. Die Veröffentlichung der Arbeit ist noch 
nicht abgeschlossen. 

Toxin und Antitoxin; vonGruber und Freiherrn von Pirquet. 
Verf. resümieren am Ende der Arbeit die Ergebnisse ihrer 
Untersuchungen dahin, daß unser gesichertes Wissen über Toxin 
und Antitoxin sich folgendermaßen zusammenfassen läßt. 1. Es 
liegt kein Grund vor, in den Bakteriengiftlösungen eine Mehr¬ 
heit von Giften qualitativ ähnlicher Wirkung, aber verschiedener 
Intensität der Giftigkeit und verschiedener Affinität zum Anti¬ 
toxin anzunehmen. 2. Es liegt kein Grund vor, sich die Wirkungs¬ 
weise der Toxine grundsätzlich von der anderer organischer 
Gifte verschieden vorzustellen. 3. Der Übergang der Toxine 
in ungiftige Verbindungen (Toxoi'de) mit unverändert gebliebener 
Affinität zum Antitoxin ist möglich, aber nicht strenge bewiesen. 
4. Toxin und Antitoxin haben schwache chemische Affinitäten 
und bilden untereinander dissoziierbare Verbindungen oder viel¬ 
leicht in manchen Fällen Molekülverbindungen in wechselnden 
Proportionen. Diese Umstände erklären die lange Inkubation 
der Giftwirkung und -andere auffällige Erscheinungen. 5. Die 
Antitoxinbildung hat mit der Giftwirkung und der Zellimmunität 
nichts zu tun, denn a) viele ganz unschädliche Stoffe führen 
zur Antikörperbildung; b) für gewisse Toxine unempfängliche 
Tiere bilden trotzdem Antikörper; c) trotz reichlicher Anti- 
körperbildnng kann Giftempfindlichkeit bestehen bleiben und 
zunehmen; d) Zellimmunität kann erworben werden ohne Anti¬ 
körperbildung; e) die Antikörperbildung findet an ganz anderen 
Orten statt als die Giftwirkung. 6. Die spezifischen Antikörper 
sind nicht normale Körperbestandteile. Sie werden erst nach 
Einführung der fremden Stoffe neugebildet. Diese Neubildung 
hat den Charakter einer inneren Sekretion. 7. Die Fähigkeit 
zur Antikörperbildung Anlaß zu geben beruht auf besonderen, 
bisher unbekannten Eigentümlichkeiten des chemischen Baus 
der die Antikörperbildung anregenden Stoffe. Vorbedingung der 
Antikörperbildung wie der Giftwirkung ist chemische Bindung 
der fremden Stoffe an gewisse Bestandteile der Zellen. 8. Der 
ungiftigen Verbindung Toxin-Antitoxin fehlt auch die Fähigkeit 
Antitoxinbildung anzuregen. Ihr ganzer chemischer Charakter 
ist eben ein anderer als der der unverbundenen Stoffe. 
Zentralblatt für Bakteriologie, Parasitenkundc und Infektionskrankheiten. 

Abteilung Originale XXXIV. Bd. lieft 3. Juli 03. 

Untersuchungen und Beobachtungen über die Biologie und 
Pathogenität des Bacillus prodigiosus; von Bertarelli. Schluß folgt. 

Über säurefeste Bazillen bei Python veticularis; von Prof, 
v. Hansemann. Verfasser fand in einer mit dem Netz zu¬ 
sammenhängenden Neubildung bei einer im Berliner Aquarium 
verendeten Python veticularis säurefeste Stäbchen. 

Massenerkrankungen bei Enten mit eigenartigem Diphtherie¬ 
bacillenbefund der Konjunktiva; von Kreistierarzt Dr. Kamp¬ 
mann-Posen und Dr. Hirschbruch und Dr. Lange, Assistenten 
des kgl. hygienischen Instituts zu Posen. Unter dem Enten- 
bestande eines Gutes trat eine Massenerkrankung auf, welche 
folgendes klinische Bild bot. Trübung der Augen, Unruhe, 
stetes Putzen des Kopfes, aus dem Lidsack entleert sich schließlich 
trübes Sekret; im weiteren Verlauf kommt es zur Geschwür¬ 
bildung auf der Cornea und Perforation derselben. Das Sekret 
verklebt das Gefieder reizt die Haut des Körpers; es entsteht 
Ekzem mit ausgedehntem Ausfall der Federn. Die Tiere gehen 


501 

langsam, unter stetem Kräfteverfall, zu Grunde. Es gelang den 
Verfassern drei verschiedene Diphtheroidarten von Bazillen zu 
züchten und zu studieren. Verfasser untersuchten nun auf dem 
Wochenmarkt zu Pudewitz 10 Enten aus verschiedenen Be¬ 
ständen und fanden bei 3 Enten drei verschiedene Pseudodiphtherie¬ 
stämme wieder. Die Kardinal frage, ob die von den Verfassern 
isolierten Pseudodiphtheriebakterien die Ursache der als eitrig¬ 
nekrotische Konjunktivitis bezeichneten Massenerkrankung der 
Enten sind, vermögen die Autoren noch nicht zu beantworten. 

Tagesgescliichte. 

t 

Nocard ist tot, — im Alter von erst 53 Jahren der 
Wissenschaft und seinen Kollegen entrissen. Die Tierärzte in 
der ganzen kultivierten Welt werden in tiefste Trauer versetzt 
werden durch diese Nachricht, welche soeben die Blätter ans 
Frankreich bringen. Für alle Zeiten wird die Geschichte der 
Tiermedizin den Namen des Professors Nocard zu Alfort 
preisen. Wie Bouley seinerzeit, so war Nocard in der 
Gegenwart die Zierde des französischen Veterinärtums, um die 
es zu beneiden war. Nocards Bedeutung als Forscher, die 
Genialität seiner Methode, die Größe seiner realen Erfolge möge 
noch eine kompetentere Feder an dieser Stelle zu schildern 
versuchen. Der Ruhm dieses Gelehrten war völlig international, 
und nicht minder war es die Verehrung, welche man allent¬ 
halben und in Deutschland wahrlich nicht zuletzt dem 
liebenswerten, prächtigen Menschen, der sich überall Herzen 
gewann, entgegenbrachte. Seine Kenntnisse und Leistungen 
im Verein mit seiner glänzenden oratorischen Begabung 
schafften ihm jedesmal einen ersten Platz, mochte er auf 
einem internationalen Kongreß von Tierärzten oder von 
Ärzten, oder sonstwo immer sich zeigen. Mit seinen Arbeiten 
als Bakteriologe war er weit über den speziellen Kreis der 
Tiermedizin hinansgewachsen, und dennoch ist er immer der 
Unsere, unser allein geblieben. Ihm ist gewiß nirgends, in 
seiner Heimat wie im Ausland, eine Scheidegrenze zwischen 
Mediziner und Tiermediziner bemerkbar gemacht worden, und 
gerade darum rechnen wir es ihm und uns zur Ehre, daß er 
selbst, vielen seiner Kollegen darin unähnlich, stets und manchmal 
demonstrativ hervorgekehrt hat, wozu er nach Studium und 
Hauptberuf sich zählte, und daß seine Arbeiten Beiträge eines 
Tierarztes zum allgemeinen Besten der medizinischen Wissen¬ 
schaft waren. 

Dem Gelehrten unsere Bewunderung, dem charmanten 
Franzosen unsere Zuneigung, dem treuen Tierarzt aber unsere 
Liebe über das Grab hinaus! Edmond Nocard, schlaf wohl! 

Schmaltz. 

In Berlin starb Prof, extraord. Immanuel Munk, Bruder 
des Physiologen an der Tierärztlichen Hochschule, vor längeren 
Jahren Assistent an dieser und als solcher Verfasser eines 
bei den Veterinärmedizinen! vielverbreiteten Lehrbuches der 
Physiologie. 

Miiitärveterinärreform. 

Neuerdings sind wiederum Gerüchte verbreitet worden, 
welche ihrem Inhalt nach Beunruhigung zu erzengen geeignet 
gewesen wären; danach sollte die Schaffung eines Veterinär- 

* 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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502 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 32. 


offizierkorps aufgegeben sein usw. Es kann konstatiert 
werden, daß diesen Gerüchten keinerlei positives Wissen, sondern 
lediglich Vermutungen zugrunde liegen, deren Berechtigung 
durch nichts glaubhaft gemacht ist. Der ganze Reformplan 
dürfte abgeschlossen sein und die Entscheidung nach Ablauf des 
Sommers erfolgen. Die Geduld resp. Wißbegier wird daher 
wohl auf keine allzu harte Probe mehr gestellt werden. 

Aus Bayern. 

Das Königliche Staatsministerium in Bayern hat, nach einer 
Mitteilung der Wochenschrift für Tierheilkunde, unter dem 
17. Juli eine Verfügung erlassen, wonach der ausländische Titel 
eines Doctor medicinae veterinariae künftig nur noch solchen 
Bewerbern genehmigt werden soll, welche in Deutschland appro¬ 
bierte Tierärzte sind und jenen Titel unter den gleichen Be¬ 
dingungen erworben haben, wie sie für den inländischen Doktor¬ 
titel vorgeschrieben sind (d. h. namentlich das Absoluterium 
eines humanistischen oder Realgymnasiums nachweisen). Aus¬ 
nahmen können nur noch für kurze Zeit und nur für solche Be¬ 
werber zugelassen werden, welche die Doktorprüfung bereits 
bestanden haben oder nachweisbar schon in der Bearbeitung 
der Doktorschrift begriffen sind. 

Begründet wird diese gegen früher veränderte Stellung¬ 
nahme damit, daß nunmehr an den bayerischen Universitäten 
bei allen Fakultäten für Zulassung zur Promotion grundsätzlich 
die Vollbildung und außerdem für die Promotion zum Dr. med. 
die Approbation als Arzt verlangt werde. 

Nach Veröffentlichung des bayerischen Gesetz- und Ver¬ 
ordnungsblattes ist der ehemalige Landestierarzt nunmehr als 
Philipp Jacob Ritter von Göring in die Adelsmatrikel auf¬ 
genommen worden. 

Verband der Privattierärzte in Preussen. 

Die von vielen Seiten an den Vorstand gerichteten Gesuche 
— betreffs Bekämpfung des z. Z. sich immer mehr ausdelmenden 
Geheimmittelschwindels — veranlassen mich, darauf hinzuweisen, 
daß eine generelle Bekämpfung von Seiten des Vor¬ 
standes durchaus zwecklos erscheint, da alle diese Über¬ 
tretungen vereinzelt und von Fall zu Fall von der zuständigen 
Behörde genau untersucht und geprüft werden müssen. Aus 
diesem Grunde richte ich an die Vorsitzenden der einzelnen 
Verbandsgruppen das freundliche Ersuchen, ihre Beschwerde 
direkt an die zunächst stehende staatliche Behörde (Polizei¬ 
präsidium, Landratsamt) zu richten; selbstverständlich unter 
Beifügung des erforderlichen Beweismaterials. Gleichzeitig ist 
es sehr zu empfehlen, daß sich der Beschwerdeführer vorher 
mit dem zuständigen Kreis- oder Departementstierarzt ins Ein¬ 
vernehmen setzt. Dr. Jelkmann, Vorsitzender. 

Prüfung für Tierzuchtinspektoren. 

Die Mitglieder der Prüfungskommission für Tierzucht¬ 
inspektoren in Berlin (vergl. Nr. 31 pg. 492) sind vom Herrn 
Minister ernannt worden. Professor Lehmann (landw. Hoch¬ 
schule) prüft die landwirtschaftlichen Kandidaten in sämtlichen 
Tierzuchtfächern; Professor Dr. Eberl ein (tierärztl. Hoch¬ 
schule) prüft die tierärztlichen Kandidaten in Pferdezucht; 

Geheimrat Professor Dr. Werner (landw. und tierärztl. Hoch¬ 
schule) prüft die tierärztlichen Kandidaten in den übrigen 

Tierzuchtfächern; ferner sind Examinatoren Professor Eggeling 
(tierärztl. Hochschule) für Gebnrtskunde: Professor Dr. Grüner 


(landw. Hochschule) für Bodenkunde, Professor Dr. Schmaltz 
für Anatomie; Professor Dr. Zuntz (landw. Hochschule) für 
Physiologie und Gesundheitspflege. Von den 7 Mitgliedern der 
Prüfungskommission gehören also 3 der landwirtschaftlichen, 
3 der tierärztlichen Hochschule und 1 den beiden Hochschulen 
zugleich an. 

Aus Hannover. 

Bekanntlich hat der Herr Minister seit einigen Jahren den 
beiden tierärztlichen Hochschulen Mittel zu Preisen für Be¬ 
arbeitung wissenschaftlicher Aufgaben durch Studierende über¬ 
wiesen. Am 1. Juli wurden in Hannover die Resultate der 
diesjährigen Preisbewerbung verkündet. Der Studierende Karl 
Jüterbog aus Berlin erhielt einen Preis von 150 M. für seine 
Arbeit über „Untersuchungen über den Bau, das Vorkommen 
und die Bedeutung der Pacchionischen Granulationen bei den 
Haussäugetieren“. Die andere Aufgabe „Untersuchungen über 
die brauchbarste Methode des Kapselnachweises an den Milz¬ 
brandbazillen“ hatte drei Bearbeitungen gefunden, wovon die des 
Studenten Stange-Giebichenstein den Preis von 150 M. erhielt, 
während den beiden anderen (J. Hafels und W. Rein ecke) 
eine ehrenvolle Erwähnung zuteil wurde. ’ 

In dem Festzng zur Feier des großen Bundesschießens in 
Hannover hat sich nach dem Bericht von Augenzeugen der 
Aufzug der Studierenden der Tierärztlichen Hochschule (Fest¬ 
wagen und Reiter) besonders hervorgetan. 

Naturforscher-Versammlung zu Kassel. 

Die 75. Versammlung deutscher Nuturforscher und Ärzte 
findet in der Zeit vom 20. bis 26. September in Kassel statt. 
Einführende der 30. Abteilung Tierheilkunde sind Veterinär¬ 
assessor Tietze-Kassel und Kreistierarzt Schlitzberger, 
Schriftführer Roßarzt Erich Michaelis im 2. Trainbataillon 
und Sanitätstierarzt Heinrich Jäger. 

Über das Programm wird demnächst Genaueres mitgeteilt 
werden. 

Einiges über „Unfallversicherung“. 

Zu dem Artikel des Kreistierarztes Sahn er-Lauban, B. T. W. Nr. 30, 
Jahrgang 1903. 

Der § 2 der Allgemeinen Unfall- und Haftpflichtversicherungs- 
Aktiengesellschaft in Zürich lautet: 

,Als Unfall im Sinne der Versicherung gilt die gegen den 
Willen des Versicherten durch Wirkung fremder, mechanischer 
Gewalt zufällig und plötzlich eintretende „Körperverletzung“. 

Nicht als Unfälle im Sinne der Versicherung gelten: Er¬ 
krankungen, Schlaganfälle,.ebenso Vergiftungen und 

Infektionskrankheiten. Immerhin wird diejenige Blutvergiftung, 
welche im direkten Anschluß an einen Unfall eintritt, als 
Unfallsfolge entschädigt.“ 

Ich hatte mir eine Blutvergiftung zugezogen, sodaß 
hauptsächlich Absatz 3 des § 2 in Frage kam. 

Eines Nachts wurde ich zu der Schwergeburt einer Kuh 
gerufen. Schon die äußere Besichtigung der Patientin zeigte 
starke Schwellung der Vulva, aus der die beiden trocken 
gewordenen Vorderbeine hervorsahen. Obwohl der Geburts¬ 
kanal ständig mit kaltem Lysolwasser irrigiert wurde, konnte 
ich nur noch mit Mühe mit meiner rechten Hand bis zu dem 
verschlagenen Kopf gelangen, da Vagina und Corpus uteri 
stark geschwollen waren. Die Haut am Körper des Unterkiefers 


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6. August 1903. 


war abgerissen, dieser selbst im Körper gespalten. Die 
Schneidezähne fehlten bis anf die rechte Zunge. An dem Zahn 
oder auch an dem bloßliegenden Knochenstück hatte ich mir 
dicht hinter der Handwurzel der rechten Hand, an der Außen¬ 
fläche derselben einen kleinen Hautriß infolge heftigen Drängens 
der Kuh beigebracht. Das Lysol reichte nicht mehr bis zum 
Schluß der Geburt aus, sodaß ich die Geburtswege von nun ab 
weder irrigieren lassen, noch Arme und Hände desinfizieren 
konnte. Ich hatte sie gründlich mit warmem Wasser und Seife 
gewaschen, nm sie nach zwei Standen zu Hause mit Sublimatwasser 
zu desinfizieren. Am Tage darauf spürte ich ein leichtes 
Unwohlsein; nach zwei Tagen trat Fieber auf, Appetitlosigkeit, 
beschleunigter Puls, abends Schüttelfrost, sodaß ich das Bett 
hüten mußte. Einen Tag später entwickelte sich 2 cm hinter 
der Wunde, die sich schon wieder geschlossen hatte und ganz 
unauffällig geworden war, ein Furunkel, der heftig schmerzte. 
In den nächsten Tagen traten zwei neue auf, dicht unterhalb des 
Ellbogengelenks, an der Außenseite des Unterarms. Dieser 
war dunkel- bis blaurot, geschwollen, heiß und schmerzhaft. 
Schließlich entwickelte sich ein Furunkel an der Innenfläche 
des Oberarms, dicht über dem Ellbogengelenk; zugleich traten 
Schwellung und Schmerzhaftigkeit der cubitalen Lymphdrüsen 
ein. Endlich hatte sich nach Ablauf einer Woche noch ein 
Furunkel auf dem M. deltoideus entwickelt, der tief in diesen 
hineinging und Achseldrüsenschwellung nach sich zog. So oft 
ein neuer Furunkel zum Vorschein kam, trat Fieber ein. 
Dasselbe war intermittierend; die Anfälle waren abends und 
nachts stets heftiger als am Tage. Während dieser Zeit hatte 
sich auch an der Außenseite des linken Unterarms, und zwar 
ungefähr in der Mitte desselben ein Furunkel entwickelt, obwohl 
an der linken Hand ebensowenig wie am Arm unterhalb des 
Furunkels eine Verletzung zu sehen war. Dicht daneben war 
noch ein zweiter zum Vorschein gekommen. Schwellung der 
regionären Lymphdrüsen war an diesem Arm nicht eingetreten, 
dagegen Entzündung in der Umgebung des Furunkels, die jeder 
einzelne von ihnen nach sich zog. Im Verlauf der zweiten Woche 
trat das Fieber seltener auf, nachdem die Furunkel operiert waren. 
Plötzlich nach zwei Wochen setzte wieder Schüttelfrost ein; es 
entwickelte sich an der linken Halsseite, unter dem wagerecht 
verlaufenden Unterkieferast ein Furunkel von derselben Größe 
wie die andern waren, von Walnußgroße. Dieser zog Schwellung 
der linken Tonsille nnd der unterhalb der Ohrmuschel befindlichen 
Lymphdrüsen nach sich (Ohrdrüsen). Nachdem dieser letzte 
Furunkel operiert war, trat kein Fieber mehr ein; nur noch als 
letzte Erscheinung der Krankheit waren am ganzen Körper 
stecknadelkopfgroße Eiterbläschen ausgespritzt. 

Dieser Fall von multipler Furunkulosis ist ganz analog dem 
des Kollegen Sahner, nur daß die Streptokokkeninfektion hier 
viel heftiger auftrat als dort. Die Inkubationszeit dauerte, wie 
die beim Kollegen Sahner, kaum zwei Tage; da sie auch in 
seinem Falle so kurz war, so bin ich der festen Überzeugung, 
daß eine geringfügige Verletzung Vorgelegen haben muß, die 
der Herr Kollege zu seinem Schaden nicht gemerkt hat. 

Ich habe von meiner Gesellschaft die Entschädigung prompt 
gezahlt erhalten; ich bin aber gewiß, daß ich derselben eo ipso 
verlustig gegangen wäre, hätte ich den Riß in der Haut nicht 
bemerkt, da sich die Gesellschaften streng an ihre Bedingungen 
halten. 

Die Stuttgarter fußt eben auf der Wunde; sie verlangt, 


503 


wie Herr Kollege Sahner ganz deutlich schreibt, eine Ver¬ 
letzung: 

B. T. W. Nr. 30, Jahrgang 1903, S. 476 . Außer¬ 
dem gelten als Unfall., desgleichen Blutvergiftungen, 

sofern der Beweis erbracht wird, daß dieselben gleichzeitig mit 
einer „äußeren Verletzung“ entstanden sind. Blutvergiftungen 
der Ärzte infolge äußerer Verletzungen bei chirurgischen Ein¬ 
griffen (Operationen) oder Sektionen sind ohne weiteres in die 
Versicherungen eingeschlossen. 

Nach § 9 des zwischen der Zentralvertretung der tierärzt¬ 
lichen Vereine Preußens und dem Stuttgarter Verein am 
16. Dezember 1898 abgeschlossenen Vertrages (B. T. W. 1899, 
S. 21) wird der oben genannte § 2 der Versicherungsbedingungen 
dahin erläutert, daß die für Ärzte vorgesehenen Bestimmungen 
auch auf die Tierärzte Anwendung finden, „ferner daß Blut¬ 
vergiftungen infolge äußerer Verletzungen bei chirurgischen 
Eingriffen (Operationen), Sektionen oder andern Untersuchungen 
auch dann in die Versicherung eingeschlossen gelten, wenn sich 
nicht nachweisen läßt, daß diese äußeren Verletzungen erst bei 
der Operation usf. entstanden sind. 

Dieser in Parenthese geschriebene Passus ist in die Züricher 
Versicherungsbedingungen nicht aufgenommen worden. 

Moralisch wäre die Stuttgarter gezwungen, den Unfall zu 
entschädigen, dem Wortlaut ihrer Bedingungen nach aber nicht. 

Ich kann den Kollegen Sahner trösten; auch ich habe mit 
meiner Gesellschaft einen Strauß auszufechten gehabt. Der 
oben beschriebene Unfall war der dritte innerhalb IV 2 Jahren. 
Die Unfälle hatte ich stets aber nur ganz kurze Zeit; ich 
meldete sie schon wieder ab, wenn ich irgend imstande war, 
meiner Praxis nachzugehen. Die Gesellschaft Zürich ließ mir 
nun vor kurzem durch ihren Generalvertreter mitteilen, daß sie 
mich in eine höhere Gefahrenklasse einzureihen gedenke, da 
ich größeren Gefahren ausgesetzt wäre. Sie erhöhte die Prämie 
von 70 M. auf 120 M. Aus den Versicherungsbedingungen 
war mir ein derartiger Passus unbekannt. Ich hatte überdies 
mit der Zürich auf fünf Jahre abgeschlossen: Ich versichere 
mich gegen Unfall, und zwar: . 

a) im Todesfälle (§16 der Allgemeinen Versicherungs¬ 
bedingungen) für die Summe von 10000 M.; 

b) im Invaliditätsfalle (als Grundlage für die Berechnung 
der Rente, § 17—18 der Allgemeinen Versicherungs- 
bedingnngen) für die Summe von 10000 M.; 

c) im Falle vorübergehender Erwerbsunfähigkeit für eine 
Entschädigung (§ 19 der Allgemeinen Versicherungs- 
bedingungen) von 5 M. 

Ich antwortete daher, daß ich über die außerordentliche 
Liebenswürdigkeit sehr erfreut wäre, daß ich, wenn die Be¬ 
dingungen, wie sie bei der Aufnahme festgelegt wären, nicht 
auch ferner bestehen blieben, sofort ausscheiden würde. Ich 
sollte also beinahe um das Doppelte erhöht werden. Kurze Zeit 
darauf erhielt ich zur Antwort, daß alles beim alten bleiben soll. 

Ich hätte meinen Krankheitsfall für mich behalten, wenn 
ich mich nicht jetzt verpflichtet fühlte, ihn zu veröffentlichen, 
weil damit auch gezeigt werden kann, daß die Infektion bei 
dem Kollegen wegen der geringen Inkubationszeit von einer 
Wunde ausgegangen sein muß, andrerseits aber, daß man die 
Bedingungen einer Versicherungsgesellschaft gründlich studiert 
haben muß, um zu seinem Recht zu gelangen. 

Janowitz, den 27. Juli 1903. Liebetanz, Tierarzt. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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BERLIN KR TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 32. 


504 

Protokoll über die 53. Generalversammlung des tierärztlichen Zentral¬ 
vereins für die Provinz Sachsen, die Anhaitischen und Thüringischen 

Staaten. 

Abgohaltcn am 17. Mai 11*03 zu Halle a. S. im Grand Hotel Rode- 

Die Versammlung wurde um 11 Uhr vormittags durch den 
Vorsitzenden, Herrn Professor I)r. Dissclhörst eröffnet. Die 
Präsenzliste, wies folgende Herren Mitglieder auf: Professor 
Dr. Disselhorst-Halle a. S„ Veterinärassessor Pi rl-Dessau, 
Veterinärassessor Leistikow-Magdeburg, Kreistierarzt Gtindc- 
1 ach-Magdeburg, Kreistierarzt Thuneekc-Kalhe a. S., Instituts¬ 
leiter Racbiger-IIallc a. S., prakt. Tierarzt Hecker-Leipzig, 
prakt. Tierarzt SchuIzc-Rernburg, prakt. Tierarzt Miehalski- 
Magdeburg, prakt. Tierarzt Roloff-Heudeher a. H., Kreistierarzt 
Reinshagen-Genthin, Kreistierarzt Rusch-Torgau, prakt. Tierarzt 
Haferburg-Eichcnbarleben, Kreistierarzt Klooß-Eisleben, Kreis¬ 
tierarzt Friedrich-Halle a. S., prakt. Tierarzt Zsehernitz-Köscn, 
Kreistierarzt Laucho-Bitterfeld, Assistenztierarzt Rautmann- 
1 lalle a. S., Schlachth.-Direktor T rautwein-Eislebeu, Kreistierarzt 
Z i e ge n b e i n - Oschersleben, prakt. Tierarzt Jti n gc r - Weißenfels a. S., 
Oberroßarzt a. D. Fleischer-Halle a. S., prakt. Tierarzt Schröder- 
Eilenburg, prakt. Tierarzt C.acdke-Magdeburg. Schlachth.-Dircktor 
Reimers-Halle a. S., Schlachth.-Direktor Colberg-Magdeburg, 
Kreistierarzt Martens-Sangerhausen, Kreistierarzt Tannebring- 
Qucrfurt, Obertierarzt Risto - Magdeburg, Schlachth. - Vorsteher 
Rettig-Nordhausen, prakt. Tierarzt Friedrichs-Gr. Ottcrslehen, 
Schlachth.-Dircktor Bicrbaeh-Naumhurg a. S., Schlachth.-Dircktor 
Ronncberger-Wcißcnfels a. S., Schlachth.-Dircktor Spuhrmann- 
Stendal, Schlachth.-Dircktor Menze 1-Aschcrslcben, Schlachth.- 
Dircktor Witte-Quedlinburg, Schlachth.-Dircktor Ulrugowski- 
Halberstadt. 

Als Gäste wurden begrüßt die Herren: Assistenztierarzt Boye, 
Institutsleiter Dr. Burow, Assistenztierarzt Reimers, praktischer 
Tierarzt Rißling. 

Herr praktischer Tierarzt Roloff-IIeudcbcr a. H. hatte am 
7. April er. beim Vorsitzenden schriftlich seinen Beitritt angemcldet 
und wurde heut einstimmig in den Zentralverein aufgenommen. 
Herr Kollege Schmidt-Düben bei Kemberg meldete seinen Austritt 
an, da er als Kreistierarzt nach Norden versetzt worden war. 

Das Ehrenmitglied des Vereins, Herr Departementstierarzt a. D. 
und Veterinärassessor Müller-Stettin, entbietet telegraphisch einen 
herzlichen Glückwunsch. 

Zu Punkt 1 der Tagesordnung wird durch die Herren Fleischer 
und Jünger die Kassenrevision vorgenommen und dem Kassierer 
des Vereins, Herrn Thunccke, Entlastung erteilt. 

Darauf referierte Herr Kreistierarzt Thunceke-Kalbc a. S. 
„Über den Stipendienfonds“. Auf seinen Antrag hin beschloß der 
Verein, 500 Mark zur Gründung eines Stipendienfonds zu bewilligen 
und diese Summe demnächst an Herrn Departementstierarzt Pauli- 
Stettin abzusenden. Dem Anträge wird nach längerer Erörterung 
stattgegeben unter Betonung des Wunsches, daß die Stiftung ge¬ 
schehe zur Erinnerung an eine große Errungenschaft in der Ent¬ 
wicklung der tierärztlichen Wissenschaft, der Beibringung der Reife¬ 
prüfung zur Berechtigung des tierärztlichen Studiums. 

Sodann demonstrierte Herr Kollege Gundclaeh ein von ihm 
konstruiertes, zusammenklappbares Untersuchungsmesser und gibt 
nachstehende, interessanten Erläuterungen: 

„Meine Herren! Nach § 19 der Ausführungsbestimmungen zu 
dem Rcichsfleischschaugesetz benötigt der Beschauer bei der 
Untersuchung geschlachteter Tiere mindestens 2 geeignete Messer. 
Letztere können nur dann als geeignet angesehen werden, wenn 
sie in allen ihren Teilen gut und leicht zu reinigen und zu des¬ 
infizieren sind. Der Gebrauch zweier offener, ganz aus Metall 
gefertigter Messer entspricht zwar in jeder Beziehung den gestellten 
hygienischen Anforderungen, jedoch ist das Mitführen derselben für 
die Beschauer, welche ambulante Fleischbeschau austiben, sehr 
lästig und falls dieselben nicht in einem gut schließenden Etui unter¬ 
gebracht sind, auch lebensgefährlich. Aus diesen Gründen hat der 
Instrumentenmacher II. Giinard hier nach meinen Angaben ein 
nach Art der Taschenmesser zusammenklappbares Untersuchungs¬ 
messer konstruiert, welches in Bezug auf die Anforderungen der 


Hygiene den offenen Messern ebenbürtig ist, ohne dabei die 
sich bei der Ausübung der ambulanten Fleischbeschau geltend 
machenden Nachteile zu besitzen. Das betr. Messer hat ein Netto¬ 
gewicht von 150 g und besteht aus einem zweiteiligen, auseinander¬ 
federnden Neusilberheft und einer vorzüglichen Solinger Gußstahl¬ 
klinge. Der Griff des Messers ist 12 cm lang, 2'/ a cm breit und 
hat einen Umfang von G cm. Diese Größenverhältnisso gestatten 
eine kräftige Führung der 10 cm langen und 2'/j cm breiten Klinge, 
wie dies z. B. zum Anschneiden der Kaumuskeln erforderlich ist. 
Das Messer kann durch einfaches Verschieben eines kleinen Arretier¬ 
hebels auf- und zugeklappt werden; im geöffneten Zustande steht 
die Klinge infolge exakter Konstruktion des Hobels absolut fest, 
auch ist ein Selbstötfuen des geschlossenen Messers, wodurch 
eventuell Verletzungen entstehen könnten, unmöglich. Behufs Vor¬ 
nahme einer gründlichen Reinigung, beziehungsweise Desinfektion 
wird die federnde Metallschale, an der sich der Hebel befindet, 
hochgehoben und dann seitwärts gezogen, worauf sich die Klinge 
leicht herausnehmen läßt. Das Untersuchungsmesser ist durch D. R. 
Gebrauchsmuster der Firma H. Giinard-Magdeburg, welche aueh 
die Anfertigung und den Vertrieb derselben übernommen hat. 
geschützt und kostet I M., jede weitere Klinge 1,20 M. Der Preis 
des Messers mit 2 Klingen in starkem Rindslederetui beträgt 6 M., 
in gut desinfizierbarem Metalletui aus Neusilber 8,50 M. 

Bemerken möchte ich noch, daß das Messer bereits seit dem 
1. April d. Js. in den Handel gebracht ist, ich jedoch von einer 
diesbezüglichen Veröffentlichung bis jetzt Abstand genommen habe, 
da ich einmal dasselbe erst längere Zeit hindurch auf seine Brauch¬ 
barkeit prüfen und ferner auch die Urteile anderer die ambulante 
Fleischbeschau ausübender Kollegen über die Zweckmäßigkeit dieses 
Untersuchungsmessers hören wollte. 

Nachdem aber nunmehr über 200 derartige Messer in Gebrauch 
und zahlreiche Anerkennungsschreiben hierüber eingegangen sind, 
und ich selbst mich G Wochen lang bei täglicher Benutzung von 
der tadellosen Beschaffenheit des Messers überzeugt habe, nehme 
ich keinen Anstand mehr, allen Kollegen das in Rede stehende 
Untersuchungsmesser zur Anschaffung zu empfehlen. 

Als Vorzüge des Messers hebe ich hervor: 1. daß cs gut und 
leicht zu reinigen und zu desinfizieren ist: 2. daß es überaus hand¬ 
lich, dabei leicht und bequem in der Tasche zu tragen ist, da cs 
wenig aufträgt; 3. daß es aus vorzüglichem Material gefertigt und der 
Preis ein sehr mäßiger ist; 4. daß man statt 2 Messern nur 1 Griff 
mit 2 Klingen benötigt und daß nur die letzteren, wenn sie nach 
jahrelangem Gebrauch abgenutzt sind, ersetzt werden müssen, 
während das Neusilberheft stets beibehalten werden kann; 5. daß die 
Klinge breit gehalten und durch einfache Gabelstellung sowohl im aul- 
wie im zugeklappten Zustande fest in ihrer Lage gehalten wird. 

Das Untersuchungsmesser entspricht ohne Zweifel in hohem 
Maße allen an dergl. Instrumente zu stellenden Anforderungen und 
wird sieh in Anbetracht seiner offenbar großen Vorzüge schnell in 
der Praxis der Fleischhygiene Eingang verschaffen.“ 

Sodann wies Herr Professor Disselhorst auf den in Nr. 20, 
1903, der B. T. W. enthaltenen Artikel über die Kurpfuscherei der 
Apotheker hin und empfahl dieses Thema für dio nächste Tages¬ 
ordnung zur eingehenden Besprechung. 

Hierzu bemerkte Kollege Racbiger, daß er in der landwirt¬ 
schaftlichen Wochenschrift für die Provinz Sachsen dem Pfuscherei¬ 
wesen wiederholt entgegengetroten sei. 

Zu Punkt 3 hielt Herr Kollege Dr. Burow seinen Vortrag „Über 
die Sobernheimscho Behandlung des Milzbrandes“. Die Aus¬ 
führungen, welche nach den Vorkommnissen im Reg.-Bez. Magdeburg 
und iui Herzogtum Anhalt mit besonders großem Interesse auf¬ 
genommen wurden, werden demnächst in extenso in dieser Wochen¬ 
schrift veröffentlicht. Es entspann sich eine außerordentlich rege 
Diskussion, an der sich besonders die Herren Pirl, Racbiger, 
Martens, Hecker, Reinshagen, Gundclaeh, Aug. Ziegenbein 
und Disselhorst beteiligten. Im allgemeinen steht die Versammlung 
den neuen Impfungen abwartend gegenüber. Von verschiedenen 
Seiten wurde betont, daß die Einführung des Sobernheimschen 
Impfverfahrens nur durch die Gewährleistung einer Entschädigung 
etwaiger Impfverluste gefördert werden könnte. 


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6 August 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 505 


Wegen der inzwischen weit vorgeschrittenen Zeit mußte der 
zweite Vortrag des Herrn Kollegen Raebiger über „Die bisherigen 
Ergebnisse neuerer Versuche auf dem Gebiete der Seuchenbe¬ 
kämpfung“ ausfallen. Das Referat wird in den Jahresberichten 
1902/03 der Landwirtschaftskammer für die Provinz Sachsen ver¬ 
öffentlicht werden. 

Die nächste Generalversammlung findet am Sonntag, dem 
1. November d. J. in Magdeburg, Hotel Magdeburger Hof statt. 
Zu derselben sagte Herr Kollege Martens in liebenswürdigster Weise 
einen Vortrag über „Die Differentialdiagnose der Schweineseuche“ 
zu. Das weitere Thema bleibt Vorbehalten. An die äußerst an¬ 
regende Versammlung schloß sich ein gemeinsames Mittagessen, 
welches die Kollegen noch lange in fröhlicher Aussprache bei¬ 
sammen hielt. 

Der Vorsitzende. Der Schriftführer, 

gez. Disselhorst. H. Raebiger. 

Vorlesungen und praktische Übungen an tierärztlichen Hochschulen im 
Wintersemester 1903/04. 

Kgl. Sachs. Tierärztliche Hochschule zu Dresden. 

Immatrikulation: 15. Oktober bis 4. November. Beginn des 
Semesters: 19. Oktober. 

Ellenbergor: Histologie, Physiologie, physiol. und histol. 
Kolloquium, Übungen in der physiol.-klinischen Chemie. 

Johne: Allgemeine Pathologie, pathol. Anatomie nebst mikro¬ 
skopischen l'bungen, Sektionen und path -anatoiu. Demonstrationen. 

Müller: Botanik, Materia medica, Toxikologie und Pharma¬ 
kognosie, allgem. Chirurgie, Klinik für kleine Haustiere. 

Pusch: Tierzuchtlehre. 

Baum: Systemat. und topogr. Anatomie, anatom. l'bungen. 

Röder: Physikal. Diagnostik und propäd. Klinik, Akiurgic, 
spez. Pathol. und Therapie, Klinik für große Haustiere, Operations¬ 
übungen. 

Kunz-Krause: Organische und gerichtliche Chemie. 

Lungwitz: Bekleidung und Beschirrung der Haustiere, Huf¬ 
krankheiten. 

Schmidt: Ambulat. Klinik, prakt. Kursus in der Veterinärpolizei. 

Klimmer: Diätetik, Parasitenlchro, Bakteriologie nebst Kursus. 

v. Langsdorff: Allgem. Landwirtschaftslehre. 

Edelmann: Scuchcnlehre und Veterinärpolizei, Fleischbeschau 
und animal. Nahrungsmittclkundc. 

Biedermann: Physik. 

Berlin. 

Anfang am 15. Oktober. 

Dr. Schütz, Geheimer Regierungsrat, Professor: Spezielle 
pathologische Anatomie, Sektionsübungen in Gemeinschaft mit 
Repetitor Dr. Trolldonier. 


Dr. Dieckerhoff, Geheimer Regierungsrat, Professor: Spe¬ 
zielle Phatologic und Therapio, Klinik für größere Haustiere, 
Abteilung für innere Krankheiten und Gcwährmängel, Propädeutik 
in der medizinischen Klinik. 

Dr. Munk, Geheimer Regierungsrat, Professor: Physiologie. 

Dr. Pinner, Geheimer Regierungsrat, Professor: Anorganische 
Chemie, Chemische Übungen in Gemeinschaft mit dem Repetitor 
Dr. Franz. 

Eggeling, Professor: Geburtshilfe, Enzyklopädie und Methodo¬ 
logie, Ambulatorische Klinik. 

Dr. Fröhner, Professor: Spezielle Chirurgie, Klinik für größere 
Haustiere, Abteilung für äußere Krankheiten, Operationsübungen 
in Gemeinschaft mit dem Repetitor Dr. Kärnbach, Propädeutik 
in der chiurgischcn Klinik. 

Dr. Schmaltz, Professor: Vergleichende Anatomie, Anatomie 
des Pferdes, Anatomische und Excnterierübungen in Gemeinschaft 
mit dem Prosektor Friedrichs. 

Dr. Ost er tag, Professor: Fleischbeschau, Demonstrationen 
der Fleischbeschau, Bakteriologische Übungen in Gemeinschaft mit 
dem Repetitor Dr. Buggc. 

Dr. Eberlein, Professor: Krankheiten des Hufes, Theorie 
dos Hufbeschlags, Poliklinik für größere Hausticro. 

Regenbogen, Professor: Pharmakologie und Toxikologie II, 
Klinik und Poliklinik für kleinere Haustiere, Harnuntersuchungen 
für die klinische Propädeutik. 

Dr. Wittmack, Geheimer Regierungsrat, Professor: Anatomie 
und Physiologie der Pflanzen. 

Dr. Börnstein, Professor: Physik. 

Dr. Werner, Geheimer Regierungsrat, Professor: Allgemeine 
Tierzucht, Schafzucht. 

Friedrichs, Prosektor: Anatomische und Exenterierübungon 
in Gemeinschaft mit Professor Dr. Schmaltz. 

Lango, Repetitor der medizinischen Klinik: Assistenz in der 
Klinik. 

Dr. Kärnbach, Repetitor der chirurgischen Klinik: Assistenz 
in der Klinik, Opcrationsübungen in Gemeinschaft mit Professor 
Dr. Fröhner, Übungen mit dem Augenspiegel, Kursus der Massage. 

Dr. Trolldenicr, Repetitor der pathologischen Anatomie: 
Sektionsübungen in Gemeinschaft mit Geheimem Regierungsrat 
Professor Dr. Schlitz. 

Dr. Bugge, Repetitor am hygienischen Institut: Bakteriologische 
Übungen in Gemeinschaft mit Professor Dr. Ostertag. 

Dr. Franz, Repetitor der Chemie: Chemische Übungen in Ge¬ 
meinschaft mit Geheimem Regierungsrat, Professor Dr. Pinner, 
Chemische und physikalische Repetitorien. 

Dr. DuBois-Reymond, Assistent: Physiologische Repetitorien. 

Dr. Esch bäum, Apotheker: Pharmazeutische Übungen, Phar- 
makognostische Repetitorien. 


Staatsveterinärwesen. 

Redigiert von Preusse. 

Znr Frage der Nachprüfung der Milzbranddiagnosen. 

In den Nnmmern 20, 22 und 27 der B. T. W. befinden 
sich einige Artikel betr. die Nachprüfung eines Milzbrandfalles, 
welche auf ein Verfahren hinweisen, welches doch wohl in 
keiner Weise gebilligt werden kann. Ich will hier auf die 
vielerörterte und vielumstrittene allgemeine Frage der Oppor¬ 
tunität und Zweckmäßigkeit einer offiziellen Nachkontrolle der 
Milzbranddiagnosen nicht näher eingehen, ich will mich nur 
über den hier vorliegenden Fall auslassen. Demselben liegt 
folgender Tatbestand zu Grunde. Bei der Sektion einer plötzlich 
verendeten Kuh vermutete der Kreistierarzt Milzbrand, obgleich 
keine pathologisch-anatomischen Erscheinungen vorhanden waren, 
welche dafür sprachen. Erst die von dem Kreistierarzt im 
hygienischen Institut in Posen ausgeführte genauere bakterio¬ 
logische Untersuchung des Blutes ergab Milzbrand. Dies wurde 
dem Besitzer mitgeteilt; letzterer bezweifelte die Diagnose und 


schickte ohne Wissen des Kreistierarztes und wohl auch der 
Ortspolizeibehörde Blutproben an die landwirtschaftliche Versuchs¬ 
station der Landwirtschaft8kammer für die Provinz Posen und 
an einen Militärtierarzt in Posen zur Nachprüfung. Von diesen 
wurde auch die Nachprüfung bereitwilligst ausgeführt, sie ergab 
ihrer Ansicht nach nicht Milzbrand. Bei der veterinärpolizeilichen 
Behandlung des Falles wurde nach dem Urteil des Kreistierarztes 
verfahren. Soweit der Tatbestand. Was nun die Prüfung des 
Milzbrandfalles im hygienischen Institut durch den Kreistierarzt, 
vielleicht auch unter Mitwirkung des Institutsleiters oder dessen 
Assistenten, anbetrifft, so wird sich hiergegen absolut nichts 
einwenden lassen. Im Gegenteil, jeder Kreistierarzt ist ver¬ 
pflichtet für die Aufklärung zweifelhafter Seuchenfälle mit allen 
ihm zu Gebote stehenden Mitteln Sorge zu tragen und dann 
nach den Ergebnissen der Untersuchung seine Maßnahmen zu 
treffen. Ist der Besitzer mit dem Votum des Kreistierarztes 
nicht einverstanden, so steht ihm der Weg der Beschwerde 
offen, eine solche dürfte auch sicherlich den Erfolg haben, daß 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 32. 


506 


eine nochmalige Prüfung durch eine höhere Instanz eventuell 
auch durch das hygienische Institut der tierärztlichen Hoch¬ 
schule in Berlin vorgenommen wird. Die hierauf erfolgte Ent¬ 
scheidung ist dann maßgebend. Auch kann es dem Besitzer 
nicht verweigert werden, noch einen anderen Sachverständigen 
hinzuznziehen. Es muß aber entschieden als unzulässig be¬ 
zeichnet werden, wenn der Besitzer hinter dem Rücken 
des Kreistierarztes eine Nachuntersuchung durch irgend ein 
Institut oder einen Tierarzt, welche beide mit der Veterinär¬ 
polizei nichts zu tun haben, ausführen läßt. Es soll hier¬ 
bei die Befähgung des Instituts oder des betr. Tierarztes 
Milzbranduntersuchungen vorzunehmen nicht bestritten werden. 
Im vorliegendem Falle gebe ich Herrn Kollegen Kamp mann 
vollkommen recht, wenn er sagt, daß die Diagnose aus 
dem landwirtschaftlichen Institut und diejenige der Militär¬ 
kollegen für ihn den Wert einer Null gehabt hätten. Maßgebend 
auf sein Urteil und auf seine Entschließungen konnten sie 
nicht sein. Es hat sich leider in letzter Zeit vielfach der 
Gebrauch herausgebildet, bei Zweifeln an der Diagnose des 
Kreistierarztes ohne weiteres Proben an ein landwirtschaftliches 
Institut, bei Schweineseuche auch an das Laboratorium des 
Bundes der Schweinezüchter einzusenden. Diese führen derartige 
Untersuchungen gern aus und kommen oft, wie dies ja auch in der 
Natur der Sache liegen mag, zu einem anderen Ergebnis wie 
der Kreistierarzt. Hierdurch entstehen dann leicht Konflikte mit 
den Besitzern, worunter der Kreistierarzt natürlich sehr zu leiden 
hat. Ich nehme hierin Bezug auf einen Artikel auf S. 158. B. T. W. 
1902. Diesem muß nun auf das entschiedenste entgegengetreten 
werden. Derartige Institute sind nicht dazu da, sich in veterinär¬ 
polizeiliche Angelegenheiten hineinzumischen, namentlich wenn 
sie von berufener Seite nicht gefragt worden sind. Ihre Tätig¬ 
keit liegt doch wohl auf einem ganz anderen Gebiete; sie sollen 
dem Landwirt dort, wo er eine Hilfe braucht, mit Rat und Tat 
helfen, nicht aber durch Untersuchung von Seuchenfällen, die 
sie gar nichts angehen, eine Kontrolle über den beamteten 
Tierarzt auszuführen suchen. Auch für die Herren Kollegen 
ist es ein mißliches Ding, sich ohne Wissen des beamteten 
Tierarztes in seine Angelegenheiten hineinzumischen und den 
Besitzer^ durch Mitteilung einer gegenteiligen Ansicht gegen 
denselben einzunehmen. Eine Verständigung mit dem beamteten 
Tierarzt dürfte doch wohl vorzuziehen sein, oder wenn man 
dies nicht will, so ist es doch wohl besser, solche Unter¬ 
suchungen abzulehnen. 

Den Besitzern seuchekranker Tiere, welche ohne Wissen 
der Polizeibehörde und des beamteten Tierarztes Nachunter¬ 
suchungen von Kadaverteilen veranlassen, kann mit Hilfe der 
Strafbestimmungen des Viehseuchengesetzes klar gemacht 
werden, daß dies für sie eventuell unangenehme Folgen nach 
sich ziehen kann. 

Speziell in Milzbrandfällen ist der Besitzer nicht be¬ 
rechtigt, ohne Wissen der Polizeibehörde oder des beamteten 
Tierarztes Kadaverteile zu entfernen und fortzugeben. Eine 
solche Handlungsweise kann gemäß § 65, 3 des Seuchengesetzes 
bestraft werden. Daß eine solche Bestrafung möglich ist, lehrt 
folgender Fall: Ich stellte bei einer Kuh eines Besitzers in 
der Umgegend von Danzig im Jahre 1892 Milzbrand fest. Das 
Kadaver wurde vorschriftsmäßig vergraben. Hinter meinem 
Rücken ließ der Besitzer einige Teile wieder ausgraben und gab 
sie einem Arzt und einem Apotheker zur Nachprüfung. Diese 


fanden natürlich keinen Milzbrand. Die Wiederausgrabung des 
Kadavers zog dem Besitzer eine Anklage zu. Das Gericht 
ordnete eine nochmalige Nachprüfung des Falles durch die 
technische Deputation für das Veterinärwesen an, welche 
meine Diagnose bestätigte. Hierauf wurde der Besitzer kosten¬ 
pflichtig zu 30 M. Strafe verurteilt. Die hiergegen eingelegte 
Berufung wurde ohne weiteres zurückgewiesen. 

Es dürfte sich daher empfehlen, in allen Fällen, in denen 
ein Besitzer unberechtigt milzbrandige Kadaver entnimmt und 
weitergibt, Strafanzeige zu erstatten; vielleicht wird diesem 
Mißbrauch auf solche Weise etwas abgeholfen werden können. 

Pr. 


Ist ein hektographiert68 Schriftstück eine rechtsgültige schriftliche 
Verfügung? 

Ein Kreistierarzt hatte eine vom Landratsamt für den 
Fall des Ausbruches von Schweineseuchen hergestellte hekto- 
graphierte Verfügung betr. Maßregeln etc. einem Tier¬ 
besitzer zur Nachachtung übergeben. Der Besitzer verkaufte 
ohne Erlaubnis Vieh, wurde angeklagt und bestritt nun, daß 
das hektographierte Schreiben eine Verfügung im Sinne des 
Gesetzes sei. Das Landgericht hat das Schriftstück als rechts¬ 
gültig angesehen und den Angeklagten zu drei Tagen Gefängnis 
verurteilt. Der Prozeß soll bis zur höchsten Instanz durch¬ 
geführt werden. — 

Diese Streitfrage ist ein Seitenstück zu der dem Hirn 
eines Bureaubeamten entsprungenen anderen, ob man eine 
Seuche auch telephonisch anzeigen könne. Wenn die gesetzliche 
Bestimmung eine schriftliche Verfügung, Eröffnung etc. verlangt, 
so kommt es doch nur darauf an, daß dieselbe in Lettern (im 
Gegensatz zu Lauten) bewirkt wird, und es sind Druckschrift-, 
Maschinenschrift-, Steinschrift- etc. Lettern unzweifelhaft ebenso 
vollgültig als handschriftliche. Es könnte also nur in der Form 
der Abfassung ein Haken gefunden werden. (Hannov. Curier.) 

Mllzbrandent8Chfidlgung In Lippe. 

Das Fürstentum Lippe hat unter dem 1. April 1903 ein 
Gesetz betreffend die Entschädigung für an Milzbrand gefallenes 
Rindvieh erlassen. Dasselbe entspricht annähernd dem preußischen 
Gesetz. 

Bekämpfung des ansteckenden Scheidenkatarrhs in Baden. 

Im Großherzogtum Baden sind besondere Anordnungen 
betreffend die Bekämpfung des ansteckenden Scheiden¬ 
katarrhs der Rinder getroffen worden, nachdem diese Seuche 
Eingang dortselbst gefunden hat. Zunächst ist in einer der 
Abordnung beigegebenen Belehrung auf die Anzeichen, die 
Natur und die Bedeutung des Leidens hingewiesen worden. 
Die Bezirkstierärzte haben dieser Seuche besondere Aufmerksam¬ 
keit zu schenken. Diese sowohl wie die Tierärzte, Fleisch¬ 
beschauer, Farrenhalter und Farrenwärter werden angewiesen, 
alle ihnen zur Kenntnis kommenden Fälle dieser Seuche der 
Ortspolizeibehörde anzuzeigen. Auf die eingehenden Anzeigen 
ist eine sorgfältige Untersuchung der kranken und verdächtigen 
Viehbestände durch den Bezirkstierarzt auszuführen. Die 
Seuchenausbrüche müssen in ortsüblicher Weise bekannt gemacht 
werden. Besitzer verseuchter Bestände dürfen die Kühe bis 
zur völligen Heilung nicht begatten lassen. Standortswechsel 
ist nur mit polizeilicher Erlaubnis und nur zum Zwecke der 
Schlachtung statthaft. Kranke und verdächtige Tiere sollen 
einem' Heilverfahren unter tierärztlicher Anleitung und Aufsicht 


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6. August 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 507 


unterworfen werden. Die Ställe sind mindestens einmal wöchent¬ 
lich zu reinigen und zu desinfizieren. Die verseuchten Stallungen 
sind den Farrenhaltern und Farrenwärtern bekannt zu geben, 
sie dürfen aus denselben kein weibliches Tier zu den Farren 
zulassen. Im übrigen haben sie stets eine genaue Untersuchung 
der zum Decken zugeführten Tiere vorzunehmen und kranke 
und verdächtige Tiere zurückzuweisen. 

Die Heilung eines Viehbestandes muß der Bezirkstierarzt 
bestätigen. Das Erlöschen der Seuche ist öffentlich bekannt 
zu geben. 

Seuchenkrankheiten der Schweine. 

Unter dem 14. Mai ds. Js. hat auch der Regierungs¬ 
präsident in Bromberg eine landespolizeiliche Anordnung betr. 
Bekämpfung der Schweinekrankheiten erlassen. Dieselbe ent¬ 
hält ebenfalls eine differentielle Behandlung des Rotlaufs 
einerseits und der Schweineseuclie (Schweinepest) andererseits. 
Im übrigen ist sie nicht wesentlich verschieden von den für 
andere Bezirke erlassenen Anordnungen. Sie enthält gleich¬ 
zeitig auch Bestimmungen über die Kontrolle des Schweine¬ 
handels, die Desinfektion von Händlerställen und Schweine¬ 
transportwagen. 

Landespolizeiliche Anordnung. 

In Verfolg der Deklaration vom 9. April 1890 zur landes¬ 
polizeilichen Anordnung vom 6. Dezember 1895, betreffend die Ab¬ 
wehr gegen die Einschlepptmg der Maul- und Klauenseuche in den 
diesseitigen Regierungsbezirk durch das aus anderen Reichsteilen 
stammende Vieh, bestimme ich, daß die Vorschriften der vorbe- 
zeichneten landespolizeilichen Anordnung sich auf das aus nach¬ 
benannten Reichsteilen: 1. aus den preußischen Regierungsbezirken 
Liegnitz und Koblenz, 2. aus dem bayerischen Regierungsbezirk 
Oberbayern, 3. aus den württembergischen Kreisen Neckarkrois und 
Schwarzwaldkreis, 4. aus dem badischen Landeskomraissariate Karls¬ 
ruhe, 5. aus der hessischen Provinz Starkenburg, 6. aus dem Gro߬ 
herzogtum Oldenburg (Bezirk Birkenfeld), 7. aus den Reichslanden 
Unter-Elsaß und Lothringen im Regierungsbezirk Bromberg zur 
Entladung mit der Eisenbahn gelangende Rindvieh bis auf weiteres 
beschränken. 

Bromberg, den 13. Juli 1903. Der Regierungspräsident. 

Maul- und Klauenseuche. 

In Rumänien hat die Kommission von Sachverständigen, 
welche über außerordentliche Maßregeln znr Bekämpfung der 
Maul- und Klauenseuche beraten sollte, sehr bemerkenswerte 
Vorschläge gemacht. Nach diesen sollen die bisher von der 
Senche verschont gebliebenen Bezirke von den übrigen Teilen 
des Landes streng isoliert werden. Die Isolierung soll durch 
Aufstellung von Soldatenpiquets an allen Übergängen durch- 
geführt werden. In den seuchefreien Bezirken ist die Anzeige 
aller Seuchenfälle obligatorisch zu machen. In Verdachtsfällen 
ist die betr. Ortschaft durch aktive Truppen abzusperren, der 
Austritt von Vieh aus derselben ist absolut zu verbieten, es 
sind unverzüglich allgemeine Impfungen anzuwenden. In den 
nicht verseuchten Ortschaften ist allwöchentlich seitens der 
Bürgermeister über den Gesundheitszustand des Viehs zu 
berichten, die Tierärzte haben dieselben zu kontrollieren. 

In den weniger verseuchten Orten sind die infizierten 
Gemeinden gleichfalls durch aktive Truppen zu isolieren, für 
die verseuchten Herden sind alle Maßnahmen wie bei der 
Rinderpest anzuwenden, mit Ausnahme der Tötung .des Viehs. 
Die stark verseuchten Bezirke bilden ein besonderes Terri¬ 
torium, welches von den Nachbarbezirken durch Milizkadres 


abgesperrt wird. Der Austritt von Vieh aus diesem ist 
untersagt. 

Die Viehmärkte sind in der seuchefreien Zone unter 
Kontrolle zu stellen. Vieh aus anderen Zonen darf auf diese 
nicht anfgetrieben werden. 

In infizierten Zonen werden die Viehmärkte bis auf einen 
Umkreis von 20 Kilometer von den verseuchten Gemeinden 
aufzuheben sein. In großen Städten dürfen auf Märkte Tiere 
nur aus senchefreien Gemeinden desselben Bezirks und nur für 
Schlachtzwecke zugefiihrt werden. Von Märkten darf Vieh 
nach anderen Bezirken erst nach 6 tägiger Beobachtung und 
mittelst der Eisenbahn abgeführt werden. Nicht verkauftes 
Vieh darf nur unter der Bedingung einer besonderen Über¬ 
wachung zurückgeführt werden. Außer dem gegenwärtigen 
Veterinärpersonal ist zur Bekämpfung der Seuche noch ein 
Hülfspersonal erforderlich und zwar 2 Inspektoren, 30 Tier¬ 
ärzte und 75 Revisoren. Infizierte Örtlichkeiten sollen mit 
Kreolin, die Füße der erkrankten Rinder mit Kalkmilch 
desinfiziert werden. Die Durchführung aller Maßregeln muß 
vom tierärztlichen Zentraldienst täglich kontrolliert werden. 

Geflügelcholera. 

Nunmehr sind auch in Österreich ernste Schritte zur Be¬ 
kämpfung der Geflügelcholera unternommen worden. Die 
Ministerialverordnung vom 29. März d. J. ordnet.die Anzeige¬ 
pflicht für Geflügelcholera an. In allen ersten Fällen ist der 
politischen Bezirksbehörde der Kadaver eines kranken bezw. 
verdächtigen Tieres einzusenden. Letztere hat die amtstier¬ 
ärztliche Untersuchung desselben zu veranlassen. Kann hierbei 
eine sichere Diagnose nicht gestellt werden, so muß die Weiter¬ 
sendung der zur Untersuchung geeigneten Organe an ein wissen¬ 
schaftliches Institut erfolgen. Die hierfür zuständigen Institute 
sind in einer Ausführungsverordnung namhaft gemacht. In be¬ 
sonders wichtigen Fällen kann auch der Amtstierarzt nach dem 
Seuchenorte entsendet werden. Die übrigen bei dem Ausbruch 
der Geflügelcholera anzuordnenden Maßnahmen entsprechen den 
diesseits üblichen Vorschriften, sie gehen teilweise sogar noch 
über dieselben hinaus, so wird z. B. bestimmt, daß gesundes 
Geflügel nur im geschlachteten Zustande aus dem Gehöft nach 
eingeholter Bewilligung des Amtstierarztes ausgeführt werden 
darf, Eier nur nach sorgfältiger Waschung mit Sodalösung. 
Unter besonderen Umständen kann angeordnet werden, daß die 
Beförderung von Handelsgeflügel auf öffentlichen Wegen nur 
mit Wagen, Käfigen, Körben oder anderen Transportmitteln er¬ 
folgt, desgl. kann die veterinärpolizeiliche Überwachung der Be¬ 
triebsstätten der Geflügelhändler vorgeschrieben werden. Für 
das zur Ausfuhr bestimmte Handelsgeflügel werden Viehpässe 
vorgeschrieben. Für das Exportgeflügel wird eine tierärztliche 
Grenzbeschau angeordnet. Zur Durchführung der Ausfuhr¬ 
vorschriften haben die Statthaltereien in Böhmen, Oberösterreich, 
Salzburg besondere Verordnungen erlassen. 

Nachweisung über den Stand der Tierseuchen in Deutschland am 
15. Juli 1903. 

Rotz.*) 

Preußen: In den Regierungsbezirken Königsberg, Köslin, Breslau, 
Schleswig, Minden und im Stadtkreis Berlin je 1 (1); in Bromberg 
4 (4); in Oppeln 4 (5). — Bayern: Schwaben 1 (1); Oberbayern 
2(2); Niederbayern 4 (5). — Baden, Mecklenburg-Schwerin, Mecklen- 

*) Die Zahlen bedeuten dio Kreise und (eingeklammert) die 
Gemeinden. 


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508 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 32. 


burg-Strelitz und Lippe je 1 (1). — Zusammen 25 Gemeinden 
(30. Juni 18). 

Maul* und Klauenseuche. 

Preußen: In den Regierungsbezirken Posen und Köln je 
1 (1); in Koblenz 2 (4). — Bayern: Schwaben 1 (1); Oberbayern 
4 (6). — Württemberg: Neckarkreis 1 (I); Schwarzwaldkreis 2 (2). — 
Baden 1 (1). — Elsaß-Lothringen 4 (10) — Zusammen 27 Gemeinden 
(30. Juni 28). 

Lungenscuche. 

Preußen: Im Regierungsbezirk Bromberg 1 (1). — Zusammen 
1 Gemeinde (30. Juni 1). 


Schweineseuche (Schweinepest). 


Regierungs¬ 
bezirke etc. 

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Auf je 1000 
Gemeinden 
waren verseucht] 

Regierungs¬ 
bezirke etc. 

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Preußen: 




SigmariDgen . . . 

— 

_ 

Königsberg. . . . 

15 

45 

11 

Waldeck. 

— 

— 

Gumbinnen .... 

10 

52 

13 

Bayern: 



Danzig. 

7 

13 

10 

Oberbayern .... 

0 

8 

Marienwerder . . 

14 

108 

47,5 

Niederbayern. . . 

i 

1 

Berlin. 

— 

— 

— 

Pfalz. 

2 

2 

Potsdam. 

13 

43 

16,5 

Oberpfalz. 

— 

-- 

Frankfurt. 

13 

41 

15 

Oberfranken . . . 

— 

— 

Stettin. 

11 

40 

21 

Mittelfranken. . . 

— 

— 

Köslin. 

10 

35 

18 

Unterfranken. . . 

— 

— 

Stralsund. 

4 

9 

10 

Schwaben. 

1 

1 

Posen. 

19 

89 

28 

Württemberg . 

1 

1 

Bromberg. 

12 

88 

39,5 

Sachsen. 

1 

1 

Breslau. 

20 

85 

22 

Baden . 

4 

8 

Liegnitz. 

17 

97 

34 

Hessen . 

10 

34 

Oppeln. 

8 

18 

6.5 

Meckl.-Schwerin 

5 

19 

Magdeburg .... 

12 

20 

14 

Meckl.-Strelitz . 

— 

— 

Merseburg .... 

11 

29 

12,5 

Oldenburg . . . 

1 

1 

Erfurt. 

3 

7 

12 

Sachs.-Weimar. 

2 

6 

Schleswig. 

18 

72 

33,5 

Sach s.-Meiningen 

1 

2 

Hannover. 

3' 

9 

14 

Sachs.-Altenburg 

— 

— 

Hildesheim .... 

5 

15 

20,5 

Sachs.-Kob.-Got. 

— 

— 

Lüneburg. 

8 

23 

15,5 

Anhalt. 

1 

2 

Stade . 

8 

18 

24,5 

Braunschweig 

6 

17 

Osnabrück .... 

1 

5 

9 

Schwarzb.-Sond. 

— 

— 

Aurich. 

2 

3 

8,5 

Schwarzb.-Rud. 

1 

1 

Münster. 

5 

9 

33,5 

Reuß ä. L. 

— 

— 

Minden . 

3 

4 

8 

Reuß j. L. 

— 

— 

Arnsberg . 

11 

19 

22 

Schaumb.-Lippe 

— 

— 

Kassel . 

11 

25 

15 

Lippe-Detmold . 

2 

2 

Wiesbaden .... 

5 

12 

13 

Hamburg .... 

1 

1 

Koblenz. 

2 

2 

2 

Lübeck . 

1 

2 

Düsseldorf .... 

12 

47 

109 

Bremen. 

1 

1 

Köln. 

4 

6 

20 

Elsaß. 

1 

2 

Trier. 

1 

6 

5 

Lothringen . . 

— 

— 

Aachen. 

2 

3 

7,5 





Tierseuohen im Ausland 1903. I. Quartal. 

Schweiz. 

Zahl der Erkrankungsfälle: Milzbrand im Januar 31, Fe¬ 
bruar 28, März 38; Rauschbrand 5, 10, 14; Wut 1 im März; 
Rotz 1 im März; Maul- und Klauenseuche 153, 145, 5G; Schaf¬ 
räude 25, 59, 2; Ziegenräude 6 im Februar; Schweinerotlauf 
und Schweineseuche 100, 65, 87. 

Norwegen. 

Zahl der Erkrankungsfälle: Milzbrand 66, 65, 78; bösartiges 
Katarrhalfieber 21, 34, 36; Schweinerotlauf 62, 65, 53; Rausch¬ 
brand 1, 1, 5; Schweinediphtherie 32 im März; Brasot 5, 8, 2. 


Dänemark. 

Zahl der verseuchten Tierbestände: Milzbrand 16», 8, 14; 
Schweinerotlanf 82, 77, 71; chronische Schweinediphtherie 2, 3, 2; 
Klauenseuche der Schafe 1 im Januar; Rückenmarkstyphus der 
Pferde 1, 1, 4; bösartiges Katarrhalfieber 8, 12, 6. 

Niederlande. 

Erkrankungsfälle: Milzbrand 32, 38, 40; Tollwut 2, 0, 6: 
Rotz 0, 1, 2; Räude der Einhufer und Schafe ll-f, 146, 64: 
Schweinerotlauf und Schweineseuche 20, 6, 24; Klauenfäule der 
Schafe 17, 19, 25. 

Belgien. 

Erkrankungsfälle: Milzbrand 37, 25, 39; Rauschbr&nd 15, 
9, 15; Wut 2, 1, 3; außerdem wurden als wutverdächtig getötet 
1 Hund im Februar, 2 Hunde und 1 Katze im März; Rotz 1, 4, 0; 
außerdem wurden in Schlachthäusern 17, 12, 9 Pferde rotzkrank 
befanden, darunter 16, 6, 9 aus England eingeführte; Maul- und 
Klauenseuche herrschte in 4, 6, 3 Gemeinden. 

Großbritannien. 

An Milzbrand erkrankten bei 211 Ausbrüchen 331 Tiere, wovon 
122 auf England, 1 auf Wales, 88 auf Schottland kamen. An Rotz 
erkrankten in England 537, in Schottland 22 Pferde. Die Zahl 
der wegen Schweinefieber geschlachteten, erkrankten und der 
ansteckungsverdächtigen Tiere betrug 1588, wovon 1362 auf Eng¬ 
land, 24 auf Wales, 202 auf Schottland kamen. Von Schafräude 
wurden 053 Ausbrüche gemeldet. 

Fleischschau und Viehverkehr. 

Red. von Kiihnau. 

Zur Ausführung des Reichsfleischbeschaugesetzes. 

Trotz der dem Reichsfleischbeschaugesetz beigegebenen Aus- 
führungsbestimmungen haben sich bei dem Inkrafttreten des 
Gesetzes eine Reihe von Zweifeln und Verschiedenheiten in der 
Handhabung des Gesetzes ergeben, welche eine einheitliche 
Regelung verschiedener Punkte erforderlich machten. 

Vor allem war es die Behandlung des in das Zollinland 
eingehenden Fleisches, welche in den einzelnen Beschau¬ 
stellen von einander abwich. Während einzelne Beschaustellen 
bestimmte Fleischzubereitungen passieren ließen, verboten andere 
die Einfuhr derselben. Um diesbezüglich eine einheitliche Re¬ 
gelung zu erzielen, ist, wie Medizinalrat Prof. Dr. Edelmann 
in der D. Th. W. Nr. 25 berichtet, die Einrichtung getroffen, 
daß von Zeit zu Zeit im Reichsamt des Innern unter Teilnahme 
von Vertretern der beteiligten Reichs- und preußischen Ministerial- 
ressorts Besprechungen stattfinden, welche die Herbeiführung 
einer übereinstimmenden Auffassung über bekanntgewordene 
Zweifelspunkte bezwecken. 

Die erste derartige Besprechung hat zu einer Überein¬ 
stimmung über folgende Punkte geführt: 

a) Gesalzenes Blut, gleichviel, ob es als frisches oder 
als zubereitetes Fleisch angesehen wird, ist zur Einfuhr nicht 
zuzulassen, da die nach § 12 Abs. 1 Ziff. 2 des Gesetzes vor¬ 
geschriebene Untersuchung der Ware anf ihre Unschädlichkeit 
praktisch undurchführbar ist. 

b) Aus letztgenanntem Grunde ist auch die Frage, ob 
gekochte Lebern zur Einfahr zugelassen werden dürfen, zu 
verneinen. Wenn auch die für Pökelfleisch vorgeschriebene 
Mindestgewichtgrenze von 4 kg auf gekochte Lebern nicht an¬ 
wendbar ist, so kommt doch in Betracht, daß die gesetzliche 
Voraussetzung für die Einfahr von Fleisch jeglicher Sorte, 


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6. August 1903. 


nämlich die Bedingung der vorherigen zuverlässigen Feststellung 
der Unschädlichkeit, nicht erfüllt werden kann. Abgesehen 
davoD, daß das Kochen der Lebern nicht immer alle tierischen 
oder pflanzlichen Krankheitskeime unschädlich zu machen ver¬ 
mag, ist auch weiterhin beachtenswert, daß vor allem auch 
durch das Kochen die krankhaften Einlagerungen ans den Lebern 
nicht entfernt werden, also die Lebern die Eigenschaften eines 
hochgradig verdorbenen, ekelerregenden Nahrungsmittels bei¬ 
behalten. 

c) Für die im kaufmännischen Geschäftsverkehr häufig vor¬ 
kommenden, meist aus ganz kleinen Mengen (höchstens 250 g) 
bestehenden Sendungen von Fettproben kann eine Unter¬ 
suchungspflicht nicht anerkannt werden. 

d) Das teils in flüssigem, teils in gepulvertem Zustande 
ans dem Auslande eingehende Pepton ist als zu den in § 1 
Abs. 2 d. B. A. D. aufgeführten Erzeugnissen aus Fleisch gehörig 
zn betrachten, die bis auf weiteres als Fleisch nicht an¬ 
zusehen sind. 

e) Borsäurehaltiges Fleisch ist, gleichgültig, ob 
letztere absichtlich zugesetzt wurde, oder nur zufällig auf das 
Fleisch (z. B. aus dem Verpackungsgefäß) übergegangen ist, 
zur Einfuhr nicht zuzulassen, auch wenn es bereits vor 
dem 1. April 1903 auf Niederlage eingeführt worden ist, erst 
nach diesem Zeitpunkt aber zum freien Verkehr abgefertigt 
werden soll. 

f) In dem neuerdings vielfach eingeschlagenen Verfahren, 
zur Erreichung des in § 12 Abs. 2 Ziff. 2 des Gesetzes an¬ 
gegebenen Mindestgewichts von 4 kg — Lunge, Zunge, Herz 
und Leber — bei der Einfuhr im natürlichen Zusammenhänge 
zu belassen, kann ein Verstoß gegen das Gesetz nicht 
erblickt werden. 

Vorstehende Grundsätze sind allen Bundesregierungen mit¬ 
geteilt worden. 

Im Verfolg dieser Besprechung ist eine preußische 
Ministerialverfügung ergangen, welche folgende Bestim¬ 
mungen enthält: 

1. Frisches Blut von Tieren gilt als Fleisch im Sinne 
des § 4 des R.-Fl.-G. und kann zufolge § 12 Abs. 2 Nr. 1 R.-Fl.-G. 
nur „in ganzen Tierkörpern“ in das Zollinland eingeführt 
werden. GesalzenesBluthat nach der überwiegenden Ansicht 
der Sachverständigen die Eigenschaften des frischen Blutes im 
wesentlichen nicht verloren; selbst wenn es dem zubereiteten 
Fleisch gleich erachtet wird, ergibt sich die Unzulässigkeit der 
Einfahr aus § 12 Abs. 2 Ziff. 2. 

Frisches Fett, frische Därme oder andere frische 
Organe, die sich außer Zusammenhang mit einem Tierkörper 
befinden,' dürfen zur Einfuhr nicht zugelassen werden, und zwar 
auch dann nicht, wenn sie zugleich mit den Tierkörpern, von 
denen sie angeblich herrühren, der Untersuchungsstelle zugeführt 
werden, und ihre Miteinführung nicht genügend vorgeschrieben ist. 

2. Die Zulassung gekochter Lebern erscheint mit dem 
Fleischbeschaugesetze nicht vereinbar, weil nicht feststeht, daß 
durch die Art der Zubereitung Gefahren für die menschliche 
Gesundheit ausgeschlossen sind, noch die Unschädlichkeit für 
die menschliche Gesundheit in zuverlässiger Weise bei der 
Einfuhr sich feststellen läßt (§ 12 Abs. 2 Ziff. 2). 

3. Gepökelte, im Zusammenhang befindliche innere 
Organe im Gewicht von mindestens 4 kg sind zur Einfuhr 
zuzala8sen, wenn sie auch in den inneren Schichten die Eigen¬ 


509 


schäften frischen Fleisches verloren haben und die Untersuchung 
ihre Tauglichkeit ergibt. 

4. Die chemische Untersuchung von Fettprobensendungen 
bis zum Gewichte von etwa 1 kg kann für gewöhnlich unter¬ 
bleiben und ist auf solche Fälle zu beschränken, in denen die 
Beschaffenheit der Proben bei der Vorprüfung zu besonderem 
Verdacht Anlaß gibt, ohne daß doch bereits auf Grund dieser 
Vorprüfung eine Zurückweisung des Fettes ausgesprochen wird. 

5. Fleischpeptone, welche zur Herstellung von Nähr¬ 
böden für wissenschaftliche Versuche mit Krankheitserregern 
u. s. w. bestimmt sind, sind, auch wenn sie sich äußerlich als 
Fleischpulver darstellen, als Fleisch im Sinne des R.-Fl.-G. 
nicht anzusehen und zur Einfahr zuzulassen. 

6. Fleisch, in das aus dem Verpackungsmaterial zufällig 
Borsäure übergegangen ist, ist von der Einfahr zurückzuweisen. 

Wenn auch durch diese Verfügung für Preußen bezüglich 
der Zulassung bestimmter ausländischer Fleischsorten Regeln 
geschaffen sind, so gibt es doch noch eine ganze Reihe von 
Einfuhrartikeln, über deren Zulässigkeit zur Einfuhr Zweifel 
bestehen. Für gekochte Lebern z. B. ist der Zweifel ent¬ 
schieden; wie ist es aber mit anderen Sorten gekochten Fleisches? 
Während Oster tag z. B. die Zulässigkeit zur Einfuhr bejaht, 
steht Lothe8 auf einem verneinenden Standpunkt, unter An¬ 
ziehung der Gründe, welche gegen die Zulässigkeit der Lebern 
zur Einfuhr angeführt worden sind. Haben die zuständigen 
Behörden entschieden, daß die gekochten Lebern aus diesen 
Gründen nicht eingeführt werden dürfen, so trifft dies sämt¬ 
liches gekochte Fleisch. Es darf also überhaupt kein gekochtes 
Fleisch aus dem Auslande ein geführt werden, wenn die zustän¬ 
digen Behörden für gewisse Sorten Fleisch nicht anders 
entscheiden. Um solche Entscheidungen in Zweifelsfällen 
herbeizuführen, empfiehlt es sich, daß die Vorsteher der Aus¬ 
landsfleischbeschauämter auf dem Dienstwege Auskunft erbitten. 

Inzwischen wird der Beschauer die Bestimmungen des 
Gesetzes sinngemäß zur Anwendung bringen und sich nach der 
Ansicht hervorragender Sachverständiger richten müssen. 
OBtertag hat in seiner Zeitschrift eine Anzahl von Fleisch¬ 
beschaufragen einer Beantwortung unterzogen, aus der folgendes 
zu entnehmen ist: 

1. Knochenfett, das für die Seifenfabrikation bestimmt 
ist, ist grundsätzlich dem Untersuchungszwange zu unterwerfen, 
da es nach zuverlässiger Angabe zur Bereitung von Speiseöl 
benutzt wird. Von der Untersuchung ist abzusehen, wenn es 
denaturiert oder seine Verwendung zur Seifenfabrikation durch 
Kontrolle sichergestellt wird (§ 17 d. G. u. § 29 B. B. D.). 

2. Goldschlägerhäutchen (Serosa des Blinddarms) unter¬ 
liegen dem Untersuchungszwange nicht, weil sie zum mensch¬ 
lichen Genuß nicht verwendet werden. 

3. Getrocknete Kälbermagen, welche zur Labgewinnung 
bestimmt sind, werden zum menschlichen Genuß nicht verwendet, 
unterliegen somit dem Untersuchungszwange nicht. 

4. Frische Bauchspeicheldrüsen, welche zur Trypsin¬ 
bereitung bestimmt sind, sollen nach Ostertag nur dann dem 
Untersuchungszwange unterliegen, wenn noch Fettgewebe daran 
hängt. Da indessen die Bauchspeicheldrüse zum menschlichen 
Genuß verwendet werden kann und verwendet wird, ist die Ein¬ 
fahr nach § 12 Abs. 2 Ziff. 1 unzulässig. 

Zwei andere Fälle, die zu Weiterungen Anlaß gaben, führt 
Amtstierarzt Opel in Heft 10 der Zeitschrift f. Fl.- u. M.-H. an. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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510 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 32. 


In dem einen Falle waren gesalzene Häute als Fleisch be¬ 
handelt worden. Wenn es auch nicht ausgeschlossen ist, wie 
der kürzlich in Zweibrücken verhandelte Fasselhaut-Prozeß er¬ 
wiesen hat, daß ganze Häute von Fassein im Schlachthaus ge¬ 
brüht, von Haaren gereinigt, gekocht und sodann in Schwarten¬ 
magen, Blutwurst, ubw. verarbeitet werden, so müssen doch die 
auf solche Weise hergeBtellten Nahrungsmittel als verfälscht im 
Sinne des Nahrungsmittelgesetzes beurteilt werden, weil die 
Häute einen viel geringeren Wert haben als die Fleischbestand¬ 
teile, aus denen sonst diese Fleischzubereitungen hergestellt 
werden. Ausgeschlossen ist es auch, daß gesalzene, zur Leder¬ 
fabrikation bestimmte Hänte, welche aus dem Auslande eingeführt, 
zum menschlichen Genüsse verwendet werden. Darum sind ge¬ 
salzene Häute dem Untersuchungszwange nicht unterworfen. 

In dem zweiten Falle waren es getrocknete Schaf¬ 
därme, welche zur Saitenfabrikation bestimmt sind, die dem 
Untersuchungszwange unterworfen wurden. Därme gelten nach 
B. B. D. § 1 Abs. 2 allerdings als Fleisch und sind unter¬ 
suchungspflichtig, wenn sie zum menschlichen Genuß sich eignen. 
Ausgeschlossen ist es nicht, daß diese algerischen Därme auch 
als Wursthüllen benutzt werden; man kann deshalb den Unter- 
Buchungszwang nicht einfach verneinen. Um diesen Unter¬ 
suchungszwang aufzuheben, hat Opel vorgeschlagen, die Därme 
durch Kampfer oder Naphthalin ungeeignet zur menschlichen 
Nahrung zu machen. Diese Mittel müßten aber erst vom 
Reichskanzler zur Unbrauchbarmachung zugelassen werden 
(§ 29 B. B. D. Abs. 2). 

Ebenso wie die ausländische Beschau hat auch die in¬ 
ländische Schlachtvieh- und Fleischbeschau zu einer Reihe von 
Zweifeln Anlaß gegeben. 

Die Frage der Stempelpflicht der Fleischbeschauer- 
Befähigungsausweise ist von den zuständigen Ministern 
bejaht worden. Die Ausweise sind als amtliche Zeugnisse in 
Privatsachen anzusehen und erfordern demzufolge nach Tarif¬ 
stelle 77 zum Stempelsteuergesetz vom 31. Juli 1895 eine 
Stempelabgabe von 1,50 M. Das gleiche gilt für die Be¬ 
fähigungsausweise der Trichinenschauer. 

Die Bestellung von Tierärzten, welche Agenten 
eines Viehversicherungsvereins sind, zu Beschauern. 
Gesetz und Ausführungsbestimmungen enthalten keine Vor¬ 
schriften, daß solche Tierärzte nicht als Beschauer bestellt 
werden dürfen. Indessen kann die Landespolizeibehörde von 
dem ihr in § 3 der A. B. J. eingeräumten Bestätigungs- oder 
Einspruchsrecht Gebrauch machen. 

Zuständigkeit der praktischen und beamteten Tier¬ 
ärzte zur Ausführung der Fleischbeschau. Der 
praktische Tierarzt ist berechtigt, die Schlachtvieh- und 
Fleischbeschau bei den von ihm behandelten Tieren vorzunehmen, 
wenn er für diese Fälle als Beschauer bestellt ist. Das gleiche 
gilt für den beamteten Tierarzt, wenn er aus Anlaß der 
veterinärpolizeilichen Kontrolle zugezogen wird (A. B. J. § 7). 

Zulässigkeit der Bestellung von Hausschlächtern 
als Beschauer. Personen, welche gewerbsmäßig die Haus- 
schlächterei betreiben, dürfen als Beschauer nicht bestellt 
werden (B. B. A. § 11). 

Schlachtung unreifer Kälber. Nach Ostertag ist 
keine rechtliche Unterlage vorhanden für die Anordnung der 
alsbaldigen Abschlachtung bei der Schlachtviehbeschau unreif 
befundener Kälber. Solche Anordnungen können indessen in 


den Schlachthofordnungen und Viehmarktbestimmungen auf Grund 
des Polizei-Verwaltungsgesetzes getroffen werden und sind daher 
rechtlich zulässig. 

Verfahren bei Feststellung einer Seuche, für welche 
Anzeigepflicht besteht. Sobald bei Seuchenfällen eine amt¬ 
liche Feststellung noch nicht erfolgt ist, darf der Beschauer die 
Fleischbeschau allerdings ausüben, er hat aber dafür zu sorgen, 
daß die zur Feststellung der Seuche erforderlichen Teile unter 
sicherem Verschluß zur Verfügung des beamteten Tierarztes 
aufbewahrt werden. Ist die amtliche Feststellung erfolgt oder 
unterbleibt dieselbe, so hat der Beschauer das Fleisch und die 
Teile nach den fleischbeschautechnischen Vorschriften zu be¬ 
handeln. In den Fällen, wo der beamtete Tierarzt zugezogen 
werden kann, sind trotzdem die zur Feststellung der Seuche 
erforderlichen Teile sicher aufzubewahren. 

Finnen. Nach § 37 (B. R. A.) sind Leber, Milz, Nieren, 
Magen und Darm der finnigen Tiere und das Fett der finnigen 
Rinder als genußtauglich zu behandeln, sofern sie bei sorg¬ 
fältiger Untersuchung finnenfrei befunden sind. Diese für 
schwachfinnige Tiere getroffene Bestimmung ist sinngemäß auch 
bei starkfinnigen Tieren in Anwendung zu bringen (§ 34), 
ebenso beim Vorhandensein nur einer gesundheitsschädlichen 
Finne (§ 40 Ziff. 2). Starkfinnige Tiere, einerlei, ob die 
Finnen abgestorben sind oder nicht, sind gleich zu behandeln. 
Schwachfinnige Tiere sind, wenn die Finnen verkalkt sind, mit 
Ausnahme der veränderten Teile freizugeben. 

Bei Tuberkulose der Lymphdrüsen sind die zugehörigen 
Organe als untauglich zu behandeln. Bei Tuberkulose der 
Bronchialdrüsen die Lungen, der Gekrösdrüsen der Darm, der 
Kehlgangsdrüsen die Tonsillen nebst den Adnexen bis zu den 
veränderten Kehlgangsdriisen, der retropharyngealen Lymph¬ 
drüsen die Tonsillen nebst den Adnexen bis zu den veränderten 
retropharyngealen Lymphdrüsen. Bei Tuberkulose der auf dem 
Stamme belegenen Lymphdrüsen ist, sofern unzweifelhafte lokale 
Tuberkulose des Bauchfells vorliegt, nur dieses mit den ver¬ 
änderten Teilen als untauglich zu behandeln. Bei Tuberkulose 
eines Wirbels ist das Wurzelgebiet der zugehörigen Lymphdrüse 
als untauglich zu vernichten. Das Blut tuberkulöser Tiere ist 
nur in dem Falle, wo das Fleisch für tauglich und vollwertig 
erklärt wird, zur menschlichen Nahrung freizugeben. 

Fleisch, welches aus anderen Beschaubezirken eingeführt 
und bei der Marktkontrolle verdächtig befunden wird, kann nach 
Maßgabe des Reichsfleischbeschaugesetzes untersucht werden 
und ist den bestehenden Fleischbeschauvorschriften gemäß zu 
behandeln. 

Die Untersuchungspflicht der Hausschlachtungen. 
In No. 30 der B. T. W. erörtert Kreistierarzt Behrens-Peine 
die Möglichkeiten, welche eine Umgehung der Anmeldepflicht 
bei den Hausschlachtungen zulassen. Demgegenüber sei auf 
die von Geheimrat Schroeter zu § 2 des R. Fl. G. gegebene 
Erläuterung hingewiesen. Dieselbe lautet: Die Bestimmung 
in Absatz 2, wonach eine gewerbsmäßige Verwendung von 
Fleisch verboten ist, bei dem auf Grund des Abs. 1 die Unter¬ 
suchung unterbleibt, beseitigt nicht die allgemeine Vorschrift, 
daß die Untersuchung nur bei Schlachttieren unterbleiben darf, 
deren Fleisch ausschließlich im eigenen Haushalte des Besitzers 
verwendet werden soll. Steht es demnach vor der Schlachtung 
fest oder ergiebt sich ans den Umständen bei der Schlachtung, 
daß beabsichtigt ist, Fleisch von dem geschlachteten Tier an 


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nicht dem Haushalte des Besitzers angebörige Personen abzu¬ 
geben, so muß die Untersuchung stattfinden, selbst wenn keine 
gewerbsmäßige Abgabe besichtigt ist. Die Zulässigkeit nicht 
gewerbsmäßiger Abgabe von Fleisch bezieht sich nur auf die 
Fälle, in denen infolge unvorhergesehener Umstände die ursprüng¬ 
liche Absicht der ausschließlichen Verwendung des Fleisches 
im eigenen Haushalt des Besitzers nicht hat aufrecht erhalten 
werden können. K. 

Der nene Fleischsterilisator von Hietschel & Heuneberg, 
Berlin (System Franke). 

Von Schlachthofdirektor Schräder, Brandenburg. 

Bei den bisherigen Fleischsterilisatoren war inan, um eine 
einigermaßen sichere Sterilisation zu erzielen, auf die Ver¬ 
wendung von sehr hoch temperiertem Wasserdampf angewiesen 
(bis zu :i /4 Atm. = 115 Grad C.). Bedingt ist die Verwendung 
so stark erhitzten Dampfes durch die mangelhafte und nicht 
immer gleichmäßige Entlüftung dieser Apparate. Der hoch 
temperierte Wasserdampf ist bei diesen Apparaten ein Ersatz 
für den schwer herzustellenden, ganz und gar luftfreien, ge¬ 
sättigten Wasserdampf, wie er für Sterilisationszwecke er¬ 
forderlich ist. Als Resultat einer solchen Dampfeinwirkung 
stellen sich, wenn die Sterilisation überhaupt gelungen ist, sehr 
bedeutende Gewichtsverluste an dem sterilisierten Fleische heraus. 

Durch die Untersuchungen Ferratis (Archiv für Hygiene, 
19. Bd.) ist festgestellt, daß die Gewichtsverluste des Fleisches 
den erreichten Temperaturen proportional sind. Es ist ferner 
erwiesen, daß bei der Behandlung des Fleisches mit hohen 
Dampftemperaturen das Fleisch mehrere Zentimeter tief Tem¬ 
peraturen annimmt, welche weit über die für die Fleisch¬ 
sterilisation erforderlichen Hitzegrade hinausgehen. Diese un¬ 
zweckmäßige Übererwärmung des Fleisches in seinen peripheren 
Schichten ist natürlich mit hohen Gewichtsverlusten verbunden. 
Man ist also, um bei den bisherigen Fleischsterili¬ 
satoren eine einigermaßen sichere Sterilisierwirkung 
zu erreichen, gezwungen, die Sterilisation mit unver¬ 
hältnismäßig hohen Gewichtsverlusten des Fleisches 
zu erkaufen. 

Verfahren. Der neue Fleischsterilisator von Rietschel 
& Henneberg, Berlin, vermeidet unter gleichzeitiger Be¬ 
rücksichtigung eines absolut sicheren Sterilisiereffektes diese 
hohen Gewichtsverluste, indem er nur niedrig temperierten 
Dampf (von 100 Grad C. bis herunter zu 92 Grad C.) auf das 
Fleisch einwirken läßt. Ermöglicht wird diese Wirkung durch 
Anwendung des von dem Polizeitierarzt M. Franke, Berlin, 
angegebenen Verfahrens, welches derselbe in Heft 1 und 5 des 
Jahrgangs der Zeitschrift für Fleisch- und Milchhygiene be¬ 
schrieben und begründet hat. Dieses Verfahren besteht in 
einer vollständigen Umgehung der bei den Sterilisatoren älterer 
Form unerläßlich und in ihrem Erfolge zweifelhaften Entlüftung. 
Die Vermeidung jeglicher Entlüftung oder besser gesagt jeglicher 
Vermischung des Wasserdampfes mit Luft bietet die Gewähr 
dafür, daß der auf das Fleisch einwirkende gesättigte Wasser¬ 
dampf vollkommen luftfrei und somit von höchster Sterilisier¬ 
wirkung ist. Nur dieser vollständig luftfreie Wasserdampf 
ermöglicht die Anwendung niedriger Temperaturen, so 
daß neben der sicheren Sterilisation eine ganz bedeutende 
Verminderung der Gewichtsverluste des Fleisches erreicht 
wird. Eine weitere Verringerung der Gewichtsverluste wird 


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bei dem Verfahren sodann noch durch die Verknüpfung desselben 
mit einem von jeder erfahrenen Hausfrau in der Küche geübten 
Brauche (Bildung eines vor Auslaugung schützenden Gerinnungs¬ 
mantels um das Fleisch) erreicht. 

Die mit dem Apparat ausgeführten Kochungen haben eine 
auffallende Konstanz bezüglich der Höhe der Gewichtsverluste 
ergeben, die einerseits einen Beweis für die bei jeder Sterilisation 
gleichmäßige Wirkung des Verfahrens bildet, andererseits den 
Schluß nahelegt, daß mit dem Frankeschen Verfahren die 
unterste überhaupt zu erlangende Grenze der Gewichtsverluste 
bei der Fleischsterilisation erreicht ist. 

Der neue Apparat von Rietschel & Henneberg wird mit 
dem Frank eschen Verfahren sowohl den hygienischen, wie den 
volkswirtschaftlichen Anforderungen gerecht, Eigenschaften, die 
kein Apparat älterer Konstruktion vereint aufweisen kann. 

Man kann die Rentabilität des Apparates nicht besser 
beleuchten, als durch folgende einfache Berechnung: 

Nach den mit dem Apparate angestellten, unter amtlicher 
Aufsicht vorgenommenen Versuchen erzielt er — abgesehen von 
seiner absolut sicheren sterilisierenden Wirkung —, gegenüber 
den bisher bekannten Sterilisatoren, durchschnittlich 12—15Proz. 
niedrigere Gewichtsverluste. Das würde pro Kochung (500 Pfd. 
Fleisch), das Pfund des gekochten Fleisches durchschnittlich zu 
M. 0,35 gerechnet, mindestens 5 . 12 . 0,35 d. h. M. 21 er¬ 
geben. Also nach höchstens ßO Kochungen (M. 1260) hat sich 
der Apparat allein durch die erzielten geringeren 
Gewichtsverluste bezahlt gemacht. 

Es ist außerdem noch in Betracht zu ziehen, daß die 
Schmackhaftigkeit und der Nährwert des Fleisches beim 
Frankeschen Verfahren wesentlich höhere sind als sonst, und 
daß auch das Aussehen des in keiner Weise gedrückten Fleisches 
den Kaufwert in den Augen der Konsumenten bedeutend erhöht. 

Apparat. Der Apparat besteht im wesentlichen aus 
einem schmiedeeisernen doppelwandigen Kessel mit durch 
Klappschrauben hermetisch dicht aufgeschraubtem Deckel, 
welcher zur Ermöglichung des oben beschriebenen Verfahrens 
in der üblichen Kochkesselform, d. h. mit seiner Öffnung nach 
oben gerichtet, aufgestellt ist. 

Die Bedienung des Fleischdämpfers erfolgt mittelst eines 
an demselben angeordneten Drehkrahnens, der sowohl den Deckel 
als auch die Einsatzkörbe ab- und auflegt bezw. heraushebt 
und hineinsetzt. Durch die Anordnung eines selbstsperrenden 
Differential-Flaschenzuges ist die Bedienung zu einer einfachen 
und gefahrlosen gemacht. Der Greifer des Krahnens faßt den 
Deckel und die Körbe an drei Stellen derart, daß er bei den 
letzteren bei dem Einsetzen in das siedende Wasser selbsttätig 
aushakt. Das Frankesche Verfahren bedingt, daß nach Ent¬ 
fernung der Luft aus dem Apparat und Herstellung des Ge¬ 
rinnungsmantels am Fleisch der größte Teil des siedenden 
Wassers aus dem Kessel gelassen wird. Zu diesem Zweck ist 
am Boden desselben in der Mitte ein Abfluß angebracht, welcher 
ein herausnehmbares sogenanntes Wasserstandsrohr trägt. Dieses 
Wasserstandsrohr, etwa 150 mm lang, steht mit einem Konus 
lose in der Ablaßöffnung, wobei es zur Verhütung des Um¬ 
fallens durch vier Rippen nach allen Seiten gestützt wird. 
Die Funktion dieses Rohres besteht darin, daß es den Wasser¬ 
spiegel beim Ablaufen des Wassers durch den Bodenablaßhahn 
nur bis zu seinem oberen Rande sinken läßt, so daß die zur 
Erzeugung des sterilisierenden Dampfes nötige Wassermenge 


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No. 32. 


im Apparat verbleiben ranß. Nach beendigtem Prozeß aber 
wird das Rohr herausgenommen und die Fleischbrühe nebst 
dem auf der Oberfläche derselben schwimmenden Fett durch 
den Ablaßhahn abgelassen. Der Bodenablaßhahn ist ein Drei¬ 
wegehahn, an dem in deutlich erkennbarer Weise die im Be¬ 
triebe notwendig werdenden Stellungen verzeichnet sind. Mit 
seiner dritten Seite steht dieser Ablaßhahn mit dem vom oberen 
Rande des Kessels kommenden Überlauf in Verbindung, durch 
welchen das beim Einsetzen der Körbe überlaufende Wasser 
abfließt. Zur Beobachtung des Druckes im Kochraum ist ein 
Mano-Vakuummeter, welches mit dem Innern des Kessels in 
Verbindung steht, angebracht, während die Sicherheit des Be¬ 
triebes durch die Anbringung eines Hubsicherheitsventiles ge¬ 
währleistet ist; Dampfzutritt zum Doppelmantel und Kondens- 
Wasserableitung sind mit Absperrventil und Kondenstopf 
versehen. 

Der Betrieb des Apparates gestaltet sich höchst einfach, 
insbesondere dadurch, daß die äußerst sorgfältig durchzuführende 
Entlüftung des Kessels, welche für die gleichmäßige Sterilisation 
der ganzen Füllung Bedingung ist, sich hier gewissermaßen 
automatisch vollzieht. 

Der Apparat wird bis zu etwa dreiviertel seines Inhaltes 
mit Wasser gefüllt und dieses bei lose aufliegendem Deckel 
durch Öffnen des Dampfventiles zum Sieden gebracht, worauf 
der Deckel mit dem Krahn abgehoben und auf einen zweck¬ 
mäßig gebauten neben dem Apparat stehenden Holzblock ab¬ 
gesetzt wird. Auf den Deckel werden die mit Fleisch beladenen 
Körbe gestellt und von hier mit Hilfe des Krahnens schnell in 
das siedende Wasser gesetzt, worauf nun der Deckel, welcher 
vermöge seiner bauchigen Form so tief in das Kesselinnere 
eintaucht, daß er auch die über dem Wasser stehende Luft ver¬ 
drängt, aufgesetzt und verschraubt wird. Das überflüssige 
Wasser ist hierbei durch den Überlauf abgeflossen, sodaß also 
jetzt sich absolut keine Luft mehr im Apparat befindet. Sobald 
nun der Dampfdruck auf 0,2 Atm. gestiegen ist, was ungefähr 
3—5 Minuten nach Schließen des Deckels eintritt, stellt man 
den Dreiwegehahn auf Ablaß. Das Wasser wird dann in 
weiteren 5 Minuten bis an den oberen Rand des Wasserstands¬ 
rohres hinab durch den Dampfdruck herausgedrückt. Das Innere 
des Kessels ist nunmehr mit luftfreiem Wasserdampf gefüllt, 
der sich bei der Abkühlung am Fleisch aus der am Boden 
stehenden Wassermenge immer von neuem ergänzt. Man stellt 
nun das Dampfventil so ein, daß der Zeiger am Manometer auf 
0 Atm., also 100 Grad C. sinkt und überläßt den Kessel sich 
selbst. Nach etwa l :j / 4 Stunden wird das Dampfventil ganz 
geschlossen. Das im Fleisch angesammelte Wärmequantum ge¬ 
nügt im Verein mit dem des noch vorhandenen Dampfes zur 
Erwärmung des Fleischinnern auf 80 Grad in etwa */ 2 bis 
• s /4 Stunde, während welcher Zeit das Manometer bis auf etwa 
0,9 Atm. sinkt. Der Prozeß ist damit beendet. Deckel und 
Körbe werden ab- bezw. herausgehoben und die Fleischbrühe 
durch den Dreiwegehahn abgelassen, worauf der Apparat zu 
neuer Beschickung bereitsteht. 

Die Beheizung des Apparates geschieht durch Hochdruck¬ 
dampf, kann jedoch bei Fehlen einer Hochdruckdampfkesselanlage 
auch durch Niederdruckdampf von 0,5 Atm. Spannung geschehen, 
wobei dann nur die Ankochung des Wassers eine etwas längere 
Zeit beansprucht. 

Da der Apparat auch unmittelbar zum Ausschmelzen von 


Fett benutzt werden kann, ist seine Beschaffung auch für kleine 
Schlachthofanlagen eine zweckmäßige. 

Die nach den Versuchen und nach den praktischen Er¬ 
fahrungen empfehlenswerte Größe des Apparates ist eine solche, 
welche für 5—6 Ztr. Fleisch, entsprechend einem Stück Gro߬ 
vieh, genügt. Natürlich aber läßt er sich auch in größerer oder 
kleinerer Ausführung herstellen. 

Die Firma ist jetzt dazu übergegangen, auch Apparate für 
ganz kleine Anlagen mit direkter Feuerung herzustellen und 
zwar werden diese ein Fleischquantum von etwa 2,5 Ztr. ver¬ 
arbeiten können. 

Die Schußbolzen -Apparate nach Patenten und System 
Dr. Liebe, Gießen. 

Obwohl mein Apparat bei dem in Leipzig durch das hoch¬ 
herzige Interesse einer edlen Frau veranlaßten Prüfungverfahren 
von Betäubungsapparaten einen unbestrittenen Erfolg davon¬ 
getragen hatte und einen Preis errang, so hielt ich es doch für an¬ 
gezeigt, bevor der Apparat der Praxis übergeben wurde, denselben 
erst nochmals nach jeder Richtung eingehend zu prüfen. 

Bekanntlich kombiniert nur mein System Bolzen- und Kugel¬ 
wirkung, und zwar dadurch, daß ein Bolzen aus einer Patrone 
geschossen wird, der mit ganz enormer Durchschlagskraft vor¬ 
geschleuderte Bolzen den Schädel gewissermaßen durchstanzt 
und das ausgestanzte Knochenstück durch eine im Bolzen be¬ 
findliche Stilettsäule weiter in die Gehimmasse gedrückt wird. 
Es liegt hiermit auf der Hand, daß der Tötungs- bezw. Be- 
täubungseffekt, selbst bei den schwersten Schlachtobjekten, stets 
absolut zuverlässig erfolgen muß. Nach dem Schuß brachten 
starke Rückführungsfedern Bolzen und Sonde in die Anfangs¬ 
lage zurück. Die angestellten Dauerversuche ergeben nun aber 
1. daß der Bolzen, um Beschädigung des Apparates zu verhindern, 
einen weiteren Auffangmechanismus im Innern des Laufes er¬ 
halten mußte, 2. daß die Federn an Spannkraft verloren, ent¬ 
weder unterstützende Momente beizufügen oder die Bolzenrück¬ 
führung durch andere Faktoren hervorzurufen war. — 

Versuche, den Bolzen durch eine Feder im Laufinnem auf¬ 
zufangen, führten nur zu einem Teilerfolg, da die Feder mit 
der Zeit doch etwas auseinandergedrückt wurde und von diesem 
Augenblick an die Bolzenrückführung hemmte. Versuche, den 
Bolzen durch Pulvergase zu bremsen oder Zurückzufuhren, 
schlugen ebenfalls fehl, desgleichen Flüssigkeit als Brems- oder 
Rückführungsfaktoren auszunutzen. Die Pulvergase erwiesen 
sich nicht nur zur Rückführung des Bolzens als gänzlich un¬ 
zuverlässig, sondern sie führten auch den Nachteil rascher Ver¬ 
schleimung des Apparates nach sich; ferner konnte trotz bester 
Abdichtung nicht ganz vermieden werden, daß Pulvergase in 
das Gehirn des Tieres drangen und dort Rückstände und einen 
eigentümlichen Geruch hinterließen. Die jetzige Konstruktion 
meines Apparates läßt sofort die Pulvergase nach Entstehen 
aus demselben heraustreten, ohne daß auch nur ein Teil in den 
Schußkanal im Kopfe des Tieres gelangen kann, wodurch jede 
Verunreinigung desselben ausgeschlossen ist, ein wichtiges 
Moment! 

Nach endlosen Mühen gelang es, eine äußerst einfache 
Konstruktion zu ermitteln, durch die die Bremsung und Bolzen- 
rückführung zuverlässig und stets exakt von statten gingen, und 
zwar dadurch, daß der Bolzen und die Bolzensonde den Ge- 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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setzen der Loftkompression und Expansion gefügig gemacht 
wurden. 

Einmal diese Hauptschwierigkeit überwunden, trat als 
weitere Forderung auf, wie ein Versuch lehren sollte, auch der 
Form des Apparates, besonders der Schlußsicherung des Verschluß- 
kopfes und den Trieb mittein: Patronen, Stärke der Patronen¬ 
hülsenwand und des Bodens, Pulverschluß u. s. w., Vervoll¬ 
kommnungen angedeihen zu lassen. 

Diese Aufgabe half die Hand eines erfahrenen Gewehr¬ 
fabrikanten mit lösen, so daß nunmehr ein nach jeder Richtung 
hin brauchbarer Betäubungsapparat entstanden ist, der in jedem 
Schlachthofgroßbetrieb ebensogut wie in der kleinsten Schlächterei 
Verwendung finden kann, unbesorgt jedem in die Hand gegeben 
werden darf, dessen Gebrauch sofort verständlich ist, dessen 
Wirkung blitzartig und selbst bei den schwersten Schlacht¬ 
objekten absolut sicher eintritt, ein Apparat, der für Tötung von 
Groß- und Kleinvieh gleichzeitig zu benutzen ist und geringer 
Wartung nnd Pflege bei dem Gebrauch bedarf. Ab nnd zu etwas 
ölen, zuweilen reinigen, wie solches jedes Gewehr erfordert, 
dies ist Altes! 

Die Herstellung der Apparate hat die Firma L. Letter¬ 
mann, Ludwigshütte, Hess.-Nass., übernommen. Vor der Ab¬ 
gabe werden die Apparate von einer Gewehrkommission geprüft 
und amtlich beschossen. Die Firma leistet für jeden Apparat 
eine einjährige Garantie und gibt solche Interessenten gern zur 
Probe ab. Ich gestatte mir, noch zu bemerken, daß die Firma 
die Apparate und Munition sehr preiswert abgibt, und da alte 
Patronenhülsen stets wieder verwandt werden können, sich die¬ 
selben rasch bezahlt machen. — 

Die Firma L. Lettermann vertreibt gleichzeitig auch den 
mir patentierten Schlachtschragen, dessen einfache Konstruktion 
es ermöglicht, durch wenige Handgriffe Kleinvieh (Hammel, 
Kälber, Schafe, Ziegen) unter Ausschluß jeglicher tierquälerischer 
Manipulationen absolut sicher zu fixieren. Der Schrägen er¬ 
leichtert in hohem Maße die Anwendung der Schußbolzenapparate 
für Kleinvieh und dürfte der allgemeinen Einführung derselben 
größtmöglichen Vorschub leisten. Die Fesselung und Ent¬ 
fesselung der Schlachtobjekte erfolgt automatisch. Nach dem 
Tötungsakt kann der Schrägen, wie jeder z. Z. noch in Schlacht¬ 
höfen befindliche, zum weiteren Ausschlachten benutzt werden. 
Einige Handgriffe, und der Schlachtschragen wird in einen 
Nickertiscb, für Groß- oder Kleinvieh verwendbar, umgestellt. 
Die vielseitige Verwendbarkeit des Schragens wird einen Grund 
mit abgeben, ihm hoffentlich einen großen Kreis von Interessenten 
zu gewinnen. Ich behalte mir noch vor, in einem späteren 
Artikel eingehendere Details über beide Patente zu veröffent¬ 
lichen, die dazu beitragen sollen, die Schlachtungen der Tiere 
den modernen Anforderungen der Humanität und Gesittung an¬ 
zupassen. 

Die Schl ach thanstierärzte nnd das Fleischbeschaugesetz. 

In Nr. 25 der „Deutschen Tierärztlichen Wochenschrift" 
kommt Schlachthofdirektor Rekate-Linden bei Hannover in 
Anlaß der Ausführung des Assistenztierarztes Müller-Guben 
in Nr. 8 der „Zeitschrift für Fleisch- und Milchhygiene“ zu einer 
Besprechung der Einwirkung des Reichsfleischbeschangesetzes 
auf die Stellung der Schlachthaustierärzte. Dieser Besprechung 
hat Prof. Dr. Ostertag in der letzten Nummer seiner Zeit¬ 
schrift eine Entgegnung zuteil werden lassen, welche eine Er¬ 


örterung der Angelegenheit auch in diesem Blatte angezeigt 
erscheinen läßt. 

Im großen und ganzen gipfeln die Ausführungen Rekates 
darin, daß die gesetzgeberischen Faktoren bei der Ausarbeitung 
des Gesetzes und der dazu gehörigen Ausführungsbestimmungen 
von sachverständiger Seite insofern schlecht beraten sind, als 
den Schlachthaustierärzten durch das Gesetz eine Menge von 
Lasten auferlegt worden ist, ohne daß die Stellung der Schlacht¬ 
haustierärzte in irgend einer Weise gehoben worden ist. 

Vor allem ist es die Vorschrift über die Führung der 
Tagebücher, welche Rekate als viel zu umständlich und zweck¬ 
los hinstellt. Er findet es bedauerlich, daß die Regierung solche 
Vorschriften erlassen konnte, und noch bedauerlicher, daß sie die 
Billigung derjenigen Herren Kollegen fanden und scheinbar 
noch finden, die durch ihren Einfluß in der Lage waren, der¬ 
artige Vorschriften zu verhüten. — Wenn Herr Rekate den 
Kommissionsverhandlungen zur Ausführung des Reichsfleisch¬ 
beschaugesetzes beigewohnt hätte, so würde er wahrscheinlich 
anderer Meinung geworden sein. Er hätte erfahren müssen, in 
welchem Umfange im Interesse unserer volkswirtschaftlichen 
Entwickelung statistische Aufnahmen verlangt wurden, um er¬ 
messen zu können, daß als einziges Überbleibsel aller dieser 
Forderungen das Tagebuch der Beschauer zutage gekommen 
ist. Durch die Vorschrift der Tagebuchführung hat man nur 
denen den statistischen Nachweis aufgebürdet, welche allein in 
der Lage sind, denselben in ordnungsmäßiger Weise zu liefern. 
Wenn diesen statistischen Aufnahmen von Herrn Rekate jeder 
besondere Wert abgesprochen wird, so ist er in einem Irrtum 
befangen, den die Zeit sicher aufklären wird. Für die ganze 
Entwickelung unserer Fleischprodnktion, der Einfuhr von Vieh 
und Fleisch und der Ausfuhr tierischer Produkte sind diese Auf¬ 
zeichnungen von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Erst 
wenn die Ergebnisse dieser Aufzeichnungen gesammelt vor uns 
liegen, wird man die Art und Weise unserer Viehzucht und Vieh¬ 
mästung vor Augen haben und da, wo es nötig ist, korrigierend 
eingreifen können. Schwer ist die Arbeit, aber notwendig ist sie. 

Die Frage, ob die Aufzeichnungen in dem vorgeschriebenen 
Umfange erforderlich sind, läßt sich untersuchen. Bei der 
Beurteilung dieser Frage kann man sich der Erkenntnis nicht 
verschließen, daß die Aufzeichnungen, wie sie vorgeschrieben 
sind, für die nicht zentralisierten Schlachtungen durchaus not¬ 
wendig sind, wenn die Durchführung der Schlachtvieh- und 
Fleischbeschau sichergestellt werden soll. Aber auch an 
Schlachthöfen ist die Tagebuchführung ein vorzügliches Mittel, 
um eine genaue Kontrolle der Schlachtungen durchführen zu 
können. Nach den Bestimmungen des Reichsfleischbeschaugesetzes 
ist jedes zur Abschlachtung gelangende Tier einer besonderen 
Untersuchung zu unterziehen. Eine Befundaufnahme über die 
erfolgte Untersuchung ist das beste Mittel, um irgend welchen 
Weiterungen vorzubeugen. Nun sehen die Ausführungsbe¬ 
stimmungen eine Befundaufnahme bei der Schlachtvieh- und bei 
der Fleischbeschau vor, und hier muß ich Herrn Rekate bei¬ 
pflichten, eins ist auf Schlachthöfen, insoweit es sich um reelle 
Schlachtungen handelt, unnötig. Die Forderung, daß bei der 
Schlachtviehbeschau die Tiergattung und das Geschlecht fest¬ 
zustellen ist, ist, wenn die Tiere anscheinend gesund sind, zu 
weitgehend. Auf Schlachthöfen bietet die Fleischbeschau weit 
eher Gelegenheit, die Tiergattung und das Geschlecht fest¬ 
zustellen, und darum sollte in erster Linie eine Änderung des 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 32. 


§ 7 B. B. A. dahin anzustreben sein, daß als Zwischensatz ein¬ 
geschaltet wird: „Auf Öffentlichen Schlachthöfen kann die Fest¬ 
stellung der Tiergattung und des Geschlechts bei der Fleisch¬ 
beschau erfolgen.“ Durch diese Bestimmung wird die Tage- 
buchftihrung wesentlich vereinfacht. Abgesehen von kranken 
Tieren, braucht dann das Tagebuch zwecks Befundaufnahme nur 
bei Ausführung der Fleischbeschau zur Hand genommen zu 
werden. Die Eintragungen bei der Fleischbeschau lassen sich 
ungemein vereinfachen, wenn zweckmäßig eingerichtete Tage¬ 
bücher, wie sie der Verlag des Deutschen Schlachtviehverkehrs, 
Berlin, Alexandrinenstraße 95/96, liefert, verwendet, die ge¬ 
sunden Tiere zusammen und nur die kranken Tiere resp. die¬ 
jenigen, welche zu Beanstandungen Veranlassung gegeben haben, 
besonders eingetragen werden. Im Kölner Schlachthofe wird 
bereits seit dem 1. Januar d. J. in dieser Art verfahren, und 
sind irgendwie nennenswerte Schwierigkeiten bei der Buch¬ 
führung nicht hervorgetreten. Dabei ist die statistische Ver¬ 
wertung des aufgezeichneten Materials nicht schwer. Aus den 
Tagebüchern werden die Aufzeichnungen tageweise geordnet, 
in Tagesübersichten eingetragen, monatweise zusammengezogen 
und in besonderen Monatsübersichten, die für ein Jahr berechnet 
sind, zusammengestellt. Die hierzu nötigen Formulare liefert 
ebenfalls oben genannter Verlag. 

Beispielsweise sind im Kölner Schlachthofe im Monat April 
d. J. 19 369 und im Monat Mai 19 948 Tiere zur Schlachtvieh- 
nnd Fleischbeschau angemeldet und vor sowie nach der Schlachtung 
untersucht worden, und zwar im April 231 Bullen, 1631 Ochsen, 
570 Kühe, 86 männliche Jungrinder, 95 weibliche Jungrinder, 
3454 männliche und 1161 weibliche Kälber, 4478 männliche und 
5263 weibliche Schweine, 1653 männliche und 596 weibliche 
Schafe, 9 männliche und 22 weibliche Ziegen, 42 männliche und 
78 weibliche Pferde. Von diesen Tieren wurden 17 983 tauglich 
befunden. 84 (5 Bullen, 17 Ochsen, 8 Kühe, 1 männliches Jung¬ 
rind, 14 männliche Kälber, 3 weibliche Kälber, 14 männliche 
Schweine, 20 weibliche Schweine, 1 männliches Schaf, 1 weib¬ 
liches Schaf) waren minderwertig, 19 (5 Ochsen, 1 Kuh, 3 männ¬ 
liche Schweine, 10 weibliche Schweine) bedingt tauglich, 26 
(1 Ochse, 13 Kühe, 1 männliches Kalb, 1 weibliches Kalb, 6 weib¬ 
liche Schweine, 1 männliches Schaf und 3 weibliche Pferde) un¬ 
tauglich ; 3 Tiere wurden teilweise beanstandet (bedingt tauglich); 
1254 Stück waren teilweise untauglich; im ganzen wurden von 
diesen 1744 Teile beanstandet. Außer den Teilen wurden ver¬ 
nichtet: 27 Tiere; 14*/ 4 wurden gekocht, 1 gepökelt, 4 gekühlt 
und von einem das Fett ausgeschmolzen. Die gleiche Übersicht 
würde vom Mai usw. zu geben sein. Dabei ist ferner zu er¬ 
sehen, wieviel Lungen, Lebern und sonstige Teile beanstandet 
sind. Eine andere Übersicht zeigt die vorgekommenen Bean¬ 
standungsursachen. Durch diese Aufzeichnungen ist den sta¬ 
tistischen Ansprüchen Genüge geleistet, und trotzdem ist eine 
besonders schwere Arbeit damit nicht verbunden. 

Die Buchführung, welche durch die Ausführung des Reichs- 
fleischbeschaugeBetzes bedingt ist, läßt sich ordnungsmäßig aus¬ 
führen, ohne daß sich besondere Schwierigkeiten ergeben; die 
von Herrn Rekate in dieser Beziehung ausgesprochenen Vor¬ 
würfe entbehren sonach aller und jeder Begründung. 

Noch weniger kann man sich aber mit der Ausführung des 
Kollegen Rekate befreunden: die Hallenmeister und Trichinen¬ 
schauer bei der Schlachtvieh- und Fleischbeschau heranzuziehen, 
oder Laienfleischbeschauer in Schlachthöfen zur Aushilfe zu be¬ 


schäftigen. Aus einem derartigen Vorgehen würden sich die 
größten Unzuträglichkeiten ergeben. Mit vollem Recht sagt 
Prof. Ostertag in seiner Entgegnung, daß bei einer derartigen 
Beschau die höhere Befähigung des Tierarztes zur Ermittelung 
von krankhaften Zuständen der Schlachttiere nicht zur Geltung 
kommt; gerade diese setzen wir aber bei der Fleischbeschau in 
Städten und insbesondere in Schlachthöfen voraus. Ferner ist 
doch nicht zu vergessen, daß die Laien, die im Sinne von R. 
beschäftigt würden, nicht auf eigene, sondern auf die Verant¬ 
wortlichkeit des Schlachthoftierarztes tätig wären und deshalb 
bei groben Unzuverlässigkeiten, die tatsächlich passiert sind, 
und deren Aufzählung man mir ersparen möge, nicht einmal in 
der Weise zur Verantwortung gezogen werden könnten, wie die 
selbständig tätigen, nichttierärztlichen Beschauer auf dem platten 
Lande. Ein Schlachthoftierarzt kann deshalb bei der Schlachtvieh- 
und Fleischbeschau nur durch einen Tierarzt unterstützt und 
vertreten werden, nicht aber durch einen Hallenmeister und 
Probenehmer. 

Diese Worte Oster tags sind voll zu unterschreiben. Die 
Städte sollen eben eine tierärztliche Beschau haben, und diese 
läßt sich niemals durch eine Laienbeschau ersetzen. 

Herr Kollege Rekate widerspricht sich auch selbst: auf 
der einen Seite will er Laien zur Ausführung der Fleischbeschau 
heranziehen, und auf der anderen Seite weist er auf die besondere 
spezialiBtische Ausbildung der Schlachthaustierärzte hin. Gerade 
weil die letzteren besondere spezialistische Kenntnisse besitzen, 
ist es unmöglich, irgend einen Zweig ihrer spezialistischen Tätig¬ 
keit durch einen Laien ausüben zu lassen. 

Mit vollem Recht dagegen benutzt Herr Rekate den Hinweis 
auf die spezialistische Ausbildung der Schlachthaustierärzte als 
Unterlage für die Forderung, daß seitens des Staates zur Über¬ 
wachung der Tätigkeit der Schlachthaustierärzte hervorragende 
Vertreter dieses Spezialberufs zu bestellen sein dürften. Der 
§ 75 der Ausführungsbestimmungen vom 20. März 1903 sagt: 
„Die technische Aufsicht über die tierärztlichen Beschauer liegt 
regelmäßig dem Departementstierarzt ob. Sie kann von der 
Landespolizeibehörde auch den Kreis-(Bezirks-) Tierärzten über¬ 
tragen werden, soweit diese nicht selbst als Beschauer bestellt 
sind.“ Diese Regelung der Aufsichtsführung kann für die 
Schlachthoftierärzte leicht Anlaß zur Trübung des Einvernehmens 
mit den beamteten Tierärzten geben, besonders dort, wo die¬ 
selben mit der Ausübung der veterinärpolizeilichen Zentrale auf 
den Schlacht- und Viehhöfen betraut sind und von der Stadt 
ihre Entschädigung erhalten. Das Nebeneinanderarbeiten der 
beamteten und der städtischen Tierärzte auf den Schlacht- und 
Viehhöfen hat oft genug schon Anlaß zu Kompetenzstreitigkeiten 
gegeben, und die meisten Schlachthofdirektoren können dazu 
wohl Beiträge liefern. Die staatliche Aufsicht der Schlachthof¬ 
tierärzte wird nur dann in befriedigender Weise geregelt sein, 
wenn die Departementstierärzte aus der veterinärpolizeilichen 
Kontrolle des Viehes auf den Schlacht- und Viehhöfen gänzlich 
ausgeschaltet werden, und sie nur als vollbesoldete Staatsbeamte 
die Aufsicht über die Ausübung der veterinär- und sanitäts¬ 
polizeilichen Kontrolle auf den Schlacht- und Viehhöfen führen. 

Eine derartige Regelung ist in den süddeutschen Staaten 
längst durchgeführt und hat nie Anlaß zu irgendwelchen Be¬ 
anstandungen gegeben. In Sachsen und Bayern sind die 
Schlachthofdirektoren der Anlagen, wo Viehmärkte abgehalten 
werden, gleichzeitig Bezirkßtierärzte. Die veterinär- und sanitäts- 


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6. August 1903. 

polizeiliche Kontrolle untersteht ihnen, und nur der Landestierarzt 
hat das Aufsichtsrecht. Auch in Baden sind die Schlachthöfe 
bezüglich der Aufsicht dem Ministerium unterstellt. An vielen 
preußischen Schlachthöfen besitzen die Direktoren das Fähigkeits¬ 
zeugnis für die Anstellung als beamteter Tierarzt in Preußen, 
ja nicht nur die Direktoren, sondern auch die unter denselben 
stehenden Schlachthoftierärzte sind vielfach qualifizierte Kreis¬ 
tierärzte, und trotzdem hat man ihnen bisher das Recht, bei der 
veterinärpolizeilichen Kontrolle mitzuwirken, nicht eingeräumt. 
Besondere beamtete Tierärzte für die veterinärpolizeiliche Kon¬ 
trolle und besondere Schlachthoftierärzte für die Fleischbeschau 
muß die Stadt besolden. Die Tätigkeit der Tierärzte wird da¬ 
durch nicht in genügendem Maße ausgenutzt, und die Kommune 
muß unverhältnismäßig viel Kosten aufwenden. Es ist dies 
auch ein Umstand, welcher auf die Vieh- und Fleischpreise ver¬ 
teuernd einwirkt. Eine Utopie ist das Verlangen, die Schlacht- 
nnd Viehhöfe der Aufsicht eines besonders spezialistisch aus¬ 
gebildeten Tierarztes zu unterstellen, jedenfalls nicht; auch 
die Lymphgewinnungsanstalten, die Reformschulen stehen unter 
der Aufsicht eines besonderen Ministerialkommissars und be¬ 
finden sich wohl dabei. Das gleiche würde der Fall sein, wenn 
dem berechtigten Wunsche der Schlachthoftierärzte Folge ge¬ 
geben würde, und der Staat könnte die Erfahrungen, welche der 
Aufsichtsführende sammeln würde, für den weiteren Ausbau der 
Fleischbeschaubestimmungen und der Seuchenvorschriften zur 
Sanierung unserer einheimischen Viehbestände sich zunutze 
machen. 


516 


Auf die Ausführungen des Kollegen Rekate, bezüglich des 
Wegfalls der Nebeneinnahmen, will ich mir ersparen einzugehen, 

I denn dies sind Privatklagen, die nicht in den Rahmen einer 
allgemeinen Besprechung hineinpassen. 

Wenn das Fleischbeschaugesetz uns manches beschert hat, 
was uns Schlachthoftierärzten nicht genehm ist, so muß doch 
anerkannt werden, daß dasselbe einen wichtigen Fortschritt auf 
dem Wege der sanitären Gesetzgebung geschaffen hat. Die Be¬ 
stimmungen desselben sind nicht unabänderlich. Dahin zu streben, 
die Abänderungen so zu gestalten, daß den berechtigten Wünschen 
der Schlachthoftierärzte Rechnung getragen wird, wird die vor¬ 
nehmste Aufgabe unserer Standesvertretung sein. K. 

Die Ausdehnung des Schlaohthauszwanges. 

Nach einer Entscheidung des Karomergerichtes erstreckt sich 
die Zulässigkeit des Schlachtzwanges nicht auf Schlachtungen, 
welche außerhalb des Gemeindebezirks stattfinden, also auch nicht 
auf auswärtige Schlachtungen solcher Tiere, welche aus dem 
Gemeindebezirk herstammen und deren Fleisch zur Verwendung 
innerhalb des Gemeindebezirks bestimmt ist. Diese Beschränkung 
ist auch keineswegs die Absicht des Gesetzes. Dasselbe bat für 
auswärts geschlachtetes Fleisch, gleichviel ob dasselbe von ein¬ 
heimischem oder auswärtigem Vieh berrührt, die im § 2 des Schlacht¬ 
hausgesetzes aufgeführten Beschränkungen zugelassen. Die Zu¬ 
lassung weitergehender Beschränkungen, insbesondere für den Bezug 
auswärts geschlachteten Fleisches durch Privatpersonen war nicht be¬ 
absichtigt. Ein Schlachtzwang für auswärts zu schlachtendes Vieh, 
auch wenn es aus dem Gemeindebezirk stammt und das Fleisch 
wieder dahin eingeführt werden soll, kann daher weder durch 
Gemeindebescbluß noch durch Polizeiverordnung eingefübrt werden. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


Bücheranzeigen und Kritiken. 

Schroeier. Das Fleischbesohaugesetz nebst preußischem Aus¬ 
führungsgesetz und Ausfahrungsbestimmungen. Berlin 1903. Verlag 
Richard Schoetz. 

Spindler, 6. Das Schlachtvieh- und Fleischbeschaugesetz vom 

3. Juni li'OO mit den Ausführungsvorschriften des Reichs und 
Württembergs. Stuttgart 1903. Vei lag W. Kohlhammer. Pr. 2,20 M. 

Edelmann. Die Fleischbeschaugesetzgebung des deutschen Reiches 
und des Königreichs Sachsen. Leipzig 1903. Verlag Arthur Roßberg. 

Die drei Gesetzsammlungen sind für jeden, welcher sich mit 
Fleischbeschaufragen zu beschäftigen hat, unentbehrliche Ratgeber. 
Die Edelmannsche Sammlung für Sachsen, die Spindlersche 
für Württemberg und die Schroetersche für Preußen geben nicht 
nur die Gesetze und AusfÜbrungsbestimmungen wieder, sondern 
sind zu den einzelnen Paragraphen mit Anmerkungen und Erläute¬ 
rungen ausgestattet, welche die Auslegung der einzelnen gesetz¬ 
lichen Bestimmungen wesentlich erleichtern. Bei der Durchsicht 
der Sammlungen muß man sich aber immer Vorhalten, daß die be¬ 
treffende Sammlung nur für den in Betracht kommenden Staat 
erschöpfend Auskunft gibt. Der Sachse wird deshalb nur die 
Edelmannsche, der Württemberger die Spindlersche und der 
Preuße die Schroetersche Sammlung benutzen können. Dabei ist 
aber nicht zu verkennen, daß die von Schroeter herrührende 
Ausgabe in ihren Erläuterungen sehr klar, präzise und verständlich 
gehalten ist. Dabei enthält dieselbe ein ausgezeichnet durch¬ 
gearbeitetes Sachregister, in dem man nicht vergebens zu suchen 
braucht, um in einem gegebenen Falle Aufklärung zu erlangen. 
Jeder preußische Tierarzt sollte sich in den Besitz des Schroeter- 
schen Werkes setzen, damit er zu jeder Zeit imstande ist, in der 
Ausführung der Schlachvieh- und Fleischbeschau den gesetzlichen 
Bestimmungen entsprechend zu verfahren. Kühnau. 

Neue Eingänge (Besprechung Vorbehalten). 

Pfeiffer, Professor Dr., in Giessen: Operationskursus für Tier¬ 
ärzte und Studierende. Dritte vermehrte Auflage. 105 Seiten 

*) Von den eingesandten Büchern werden hierunter Titel usw. mit¬ 
geteilt Eine Verpflichtung zu eingehender Besprechung wird jedoch 
nicht übernommen; dieselbe bleibt Vorbehalten. Die Redaktion. 


Kleinoktav mit 57 Abbildungen. Berlin 1903. Bei Richard Schoetz. 
Preis 3,50 M. 

Lel8ering-Hartmann : Der Fuß des Pferdes in Rücksicht auf Bau, 
Vorrichtungen und Hufbeschlag. 10. Auflage, bearbeitet von 
Kommissionsrat Lungwitz. 470 Seiten Oktav mit 361 Holzschnitten. 
Leipzig 1903. Bei Richard Carl Schmidt & Co. Preis 8 M. 

Lungwitz, Dr. M., Vorstand der Lehrschmiede und Dozent in 
Dresden: Übungen am Hufe für Studierende der Tierheilkunde. 
70 Seiten Oktav mit 82 Abbildungen. Preis 3 M. 

Johne, Geheimer Medizinalrat Prof. Dr.: Der Trichinenschäuer. 
Leitfaden für den Unterricht in der Trichinenschau. Achte auf 
Grund der reiche- und landesrechtlichen Gesetzgebung über Fleisch¬ 
beschau umgearbeitete Auflage. 180 Seiten Oktav mit 138 Ab¬ 
bildungen. Berlin 1903. Bei Paul Parey. Preis 8,50 M. 

Edelmann, Landestierarzt Prof. Dr.: Grundsätze für die Aus¬ 
übung der Schlachtvieh- und Fleischbeschau und insbesondere für 
die Beurteilung der Genußtauglichkeit des Fleisches. Als Taschen¬ 
buch für tierärztliche und nichttierärztliche Fleischbeschauer des 
Königreichs Sachsen zusammengestellt und erläutert. 36 Seiten 
Kleinoktav. Leipzig 1903. Roßbergsche Verlagsbuchhandlung. 
Preis 0,80 M. 

Emil Reiser, Oberamtstierarzt a. D. in Kannstadt: Vergleichende 
Untersuchungen über die Skelettmuskulatur von Hirsch, Reh, 
Schaf und Ziege. Inaug. Dies. (Bern, phil. Fakult.) Aus dem 
Dresdener anat. Institut Mit 4 Tafeln. Druck von H. Beyer & Söhne 
in Langensalza. 

Ernst Arthur Geissler, Tierarzt in Werdau: Klinisch-experimentelle 
Untersuchungen über die Übertragbarkeit der Masern auf kleinere 
Haustiere. Inauguraldissertation (Bern, vet.-med. Fak.) aus dem 
klinischen Laboratorium der tierärztlichen Hochschule in Dresden. 
Leipzig 1903. Druck bei Bruno Zechel. 

Ulrich DOrst, Dr., Privatdozent am Polytechnikum in Zürich: 
Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Hörner der Cavicornia 
nach Untersuchungen am Hausrinde. Sonderabdruck aus der Fest¬ 
schrift zum 70. Geburtstag des Professors Dr. A. Kraemer. Frauen¬ 
feld bei Huber & Co. — Derselbe: Experimentelle Studien über die 
Morphogenie des Schädels der Cavicornia. Aus der Vierteljahres¬ 
schrift der naturforschenden Gesellschaft zu Zürich. — Derselbe: 


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516 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 32. 


Snr le döveloppement des cornes ohez les Cavicornes. Extrait 
du bulletiu du Museum d'histoire naturelle. Zürich. Alle'drei 
Monographien mit Abbildungen. 

K. Kiesel, Assistent am physiologischen Institut der tierärztlichen 
Hochschule zu Stuttgart: Über Aceton und dessen Vorkommen 
im normalen Pferdeharn. Separatabdruck aus dem Archiv f. d. 
ges. Physiologie. Bd. 97. Bonn 1903. 

Geschäftsbericht der Anstalt für staatliche Schlacht¬ 
viehversicherung im Königreich Sachsen für das Jahr 1902. 
Dresden. Druckerei der Güntzschen Stiftung. 

Personalien. 

Auszeichnungen, Ernennungen: Bezirkstierarzt Eririn Wehrlc aus 
Mosbach wurde zum kaiserlichen Regierungsrat und Mitglied des 
Reichs-Gesundheitsamtes ernannt. — Otto Hock in Waldkirch zum 
definitiven Bczi kstierarzt daselbst. — Tierarzt Dr. R. Riedlinger 
in Mülheim a. Rh. zum Assistenten a. d. Klinik für kleinere Haus¬ 
tiere der Tierärztl. Hochschule zu Berlin. — Oberroßarzt a. D. 
Dreymann , Schlachtbofverwalter in Linden a. d. Ruhr, zom Schlacht¬ 
hofverwalter in Castrop i. W. — Tierarzt Martin Keller zum Distrikts 
tierarzt in Eilingen. 

Wohnsitzverfinderungen; Tierarzt Ernst Haas ist von Karlsruhe 
nach Offenbnrg, Karl Feldhofcn von Üblingen nach Furtwangen 
verzogen. — Tierarzt Heinrich Ahlert aus Santrup hat sich in Stolberg, 
R.-B. Aachen niedergelassen. 

Examina: Promoviert wurde Tierarzt G. Lichtenheld zum 
Dr. phil. in Leipzig. — Approbiert wurden die Herren: Rudolf 
Gasse, Richard Qratd, Gustav Habcck in Berlin; Otto Biidcl , Paul 
Brandenburg, Paul Hcderer , Otto Müller, Ixo Urban, Friedrich Strauß 
in München. 

in der Armee: Einj.-freiwill. Veterinär Goedecke zum U.-Veterinär 
im 2. bayer. Chevauleger-Regt. in Dillingen befördert. 

Todesfllie: Professor E. Nocard in Alfort bei Paris. 


Vakanzen. 

Kreletierarztstellen: R.-B. Kassel: Fritzlar. — R.-B Koblenz: 
Adenau. — R.-B. Stade: Kehldingen. — R.-B. Münster: Beckum. 

— R.-B. Posen: Gostyn; vom 1. Okt ab. — Amtstierarztstelle in 
Vechta in Oldenburg. 600 M. Meldg. bis 1. Sept. a. d. Ministerium. 

An Hochschulen und Instituten: Bonn-Poppelsdorf: Assistent 
am tierhygienischen Institut 1200 M. Wohnung, Licht, Heizung. — 
Stettin: Assistent am bakt Labor. Ausk. beim Vorst. Dr. Schmitt. 
Meldg. mit Gehaltsanspr. a. d. pomm. Landwirtschaftskammer. 

Schiaohthofstellen a) neu ausgeschrieben: Dahlhausen- 
Linden a. d. Ruhr. Schl.-Verwalter. 2400 M. Wohnung, Feuerung, 
Licht Privatpraxis. Meldg. bis 1. Scpt. a. d. Amtmann — Kassel: 
Ass. 2000 M. Meldg. bis 25. Aug. a. d. Magistrat — Köslin: 
Inspektor. 2400 M. bis 3000 M. Wohnung etc. Meldg. bis 15. Sept 

— Linden bei Hannover: 2. Tierarzt. 2000 M. — Mühlheim a Rh.: 
Ass. zum 1. Okt 1800 M. Meldg a. d. Schl.-Direktion. — Zwickau: 
T. zum 1. Okt. 2100 M. Wohnung etc. Meldg. a. d Rat der Stadt. 

b) nach Ablauf der Meldefrist noch unbesetzt): 
Baldenburg (Kr. Schlochau): Aufs, über Scblachth. u. Schweine¬ 
märkte. (Magistrat.) — Barmen: SanitätBtierarzt. 2400—4500 M. 

— Beuthen: Assistent. 2100—3000 M. — Braunschweig: 3. Tier¬ 
arzt. 2700 M. (Schlachthausdeputation). — Bremen: 3. Tierarzt. 
Von 2400 M., alle 3 Jahre um 240 M. steigend bis 3600 M., 
gegen 5 Proz. Abzug freie Wohnung. — Briesen: Verwalter, 
Privatpraxis. Meldg. (Magistrat). — Dortmund: Assistent. 2400 M. 

— Elbing: Hülfstierarzt 1800 M. (Magistrat). — Eschwege: Vor 
Steher. 2100 - 3300 M. Freie Wohnung etc. Dreimonatl. Kündigung. 

— Gardelegen: Inspektor. Pensionsberecht Gehalt 1800 M. Fr»ie 
Wohnung und Feuerung. Privatpraxis. — Glückstadt: Inspektor. 
2000 M. Freie Wohnung etc. — Görlitz: Assistent 1800 M., 
steigend alle 3 Jahre um 300 M. bis 3600 M. Wohnung. Pension. 

— Hammerstein: Inspektor, verpflichtet Fleisch- und Trichinen¬ 
schau allein auszuführen. 1800 M. Privatpraxis. Probehalbjahr, 


darauf vierteljährl. Kündigung. — Kiel: Zwei Tierärzte. Gehalt 
je 2500 M. (Magistrat). — Krefeld: 2. Schlachthofrierarzt. 2700 M. 
(Direkt). — Langensalza: Direktor. 2000—2700 M. Wohnung. 
Pensionsberechtigung. Probehalbjahr. 1000 M. Kaution. — 
Liegnitz: 2. Tierarzt. 1800 M. Wohnung. — Limburg a. L.: 
Vorsteher. 1800—2400 M. Probehalbjahr. — Magdeburg: 
Tierarzt, 175 M. monatlich. — Neuenburg: Inspektor 1600 M. 
Wohnung. Probehalbjahr. — Schwiebus: Verwalter. 2400 M. 
Wohnung. — Wangerin: Sanitätstierarzt Privatpraxis (Magistrat). 

— Weißenfels: Assistent. (Angabe der Ansprüche a. d. Direktor). 

— Wurzen: 2. Schlachthoftierarzt 2600 M. Keine Privatpraxis. 

Staatliche Fleischbesobaustelien(Bewerbg. a. d. betreff. Reg.-Präsid.): 
Danzig: Tierarzt ans Untersuchungsamt für ausländisches Fleisch. 
2000 M. — Frankfurt a. M.: Tierarzt für die Zolleinlaßstelle. 
3600 M. 

Stellen für ambulatorische Fleischbeschau und Privatpraxis. Baruth: 
Niederlassung erwünscht. Aus Fleisch- und Trichinenschau 1200 M. 
(Mag.) — Buk: NiederlaBS. erwünscht. (LandratsamtGrätz in Posen). 
Elze (Hannov.): Fleischb., Ertrag 1400—1500 M. 300M. Jahresbeibilfe 
für d. erst. 3 Jahre. Privatpraxis (Bürgermeister). — Fiddichow 
a. Oder: Privatpraxis. (Bürgcrm.) — Märkisch-Friedland: Fleischb. 
1800 M. (Magistrat.) — Gelsenkirchen: Fleischb., 3000 M. Keine 
Privatpraxis. (Bürgerin.) — Guttstadt: Schlachthofbeaufsichtigung, 
750 M. Privatpraxis. (Magist) — Heppenheim: Fleischb. 
1500 M. Privatpraxis. (Bürg.) — Heringen a. Helme: Nieder¬ 
lassung gewünscht Voraussicht! Fleischb. 1200 M. Städt Zuschuß 
300 M. Privatpraxis. (Magist.) — Heydekrug (Ostpr.): Privat¬ 
praxis im Niederungsteil des Kreises. Jährl. Zuschuß 600 M. (Kreis¬ 
ausschuß) — Horst a. d. Emseber: Fleischb., 3000 M. Privatpraxis). 
(Amtmann.) — Kemberg: Privatpraxis. — Kircbheim: Fleischb. 
Bedeutende Privatpraxis. (Magist) — Kletzko (Kr. Gnesen: 
Deutscher Tierarzt Privatpraxis mit circa 2700 M. Event. Staatszu¬ 
schuß 750 M. (Magist.) — Klingenthal (Sachsen): Fleischbe¬ 
schauer. (Gemeiuderat). — Kobylin (Posen): Deutscher Tierarzt 
Jährl. Staatszuschuß 750 M. (Landrat inKrotoschin.) — Kön igsberg: 
Tierarzt für die Herdebuchgesellschaft zur Tilgung der Tuberkulose. 
Anfangsgehalt 2000 M. Diäten für Untersnchungstage 12 M. nebst 
freier Station. Auskunft bei Tierarzt Dr. Müller, Königsberg i. Pr., 
Lange Reihe 3. — Königsteele: Fleischb., Privatpraxis. (Amt¬ 
mann.) — Krakow i. M.: Privatpraxis. Voraussicht. Fleischb. 
(MagiBt.) — Laage i. M.: Privatpraxis. (Magist.) — Labiau: Niederl. 
erwünscht in Popelken bei L. 500 M. Zuschuß. (Landrat). — Langen¬ 
dreer: Fleischbeschau 1800 M. Fixum; Schlacluhausbau in Aus¬ 
sicht. (Amtmann Schüler.) — Lindow: Fleischb., Privatpraxis. — 
Lübtheen: Fleischb., Privatpr. (Gemeindevorst.) — Lügumkloster: 
Fleischb., ca. 1000 M. Privatpraxis, (Bürgerin.) — Marxloh: Fleisch¬ 
beschau und Aufsicht Uber drei Laienflciscbbeschauer (Bürgerin.) — 
Meissen: Niederl. erwünscht. (AuBk. b. Amtsliauptm.) — Naumburg 
bei Kassel: Niederlassung erwünscht. Gute Praxis. Stadtzuschuß 
400 M. — Neckarbischofsheim: 1500 M. Fixum. (Bürgerm.) — 
Nieraegk (Potsdam): Privatpraxis. —Oberpeil: Privatpraxis, 500 M. 
Gcraeindefixum. Fleischb., ca. 700—tOO M. (Bürgerm.) — Oster¬ 
feld: Fleischbeschau in vier Amtsbezirken. Gebühren für O. allein 
1500 M. (Landrat in Weißenfels,'. — Plettenberg (Westfal.): 
Fleischb., ca. 1200 M. Privatpraxis. (Magist.) — Pollnow: Privat¬ 
praxis. 300 M. Fixum. Fleischbeschau 1200 M. (Ausk. bei Kreis¬ 
tierarzt Simmat in Schlawe. Meldg. a. d Mag.) — Rackwitz (Posen): 
Fleischb., ca. 1500 M. Privatpraxis. (Magist.) — Rendsburg: 
Zwei Tierärzte für Fleischbeschau, 3000 M. (Magist.) — Rosko 
(Kr. Filehne). Fixum 600 M. Fleischb. Privatpr. (Landrat in F.) — 
Schköhlen i. Thür.: Privatpraxis. (Landwirtsch. Verein daselbst.) — 

3 e e b u r g i. Ostpr.: Privatpr. Schlachthofaufsicht (Magist) — Senden- 
borst (Westf.): Fleischbeschau für Stadt und umliegende Land¬ 
bezirke. Kommunalzulage 600 M. (Bürgerm.) — Tarnowo: 
Privatpraxis und ca. 750 M. Fixum. (Landratsamt Posen- 
West.) — Teuchern (Prov. Sachs.): Fleischb. ca. 1600 M. 
Privatpraxis. (Magist) — Treffurt (im Werratal); Fleischb. (Magist) 

— Unruhstadt: Fleischbeschau. Gebühren ca. 2400 M. Privat¬ 
praxis (Mag.) — Vacha a. W.: 1200 M. Fixa aus Fleischbeschau 
und Zuschüssen. Privatpraxis. (Bürgerm.) 


Verantwortlich für den Inhalt (axkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmaltx ln Berlin. — Verlag und Eigentum von Richard Schoetz in Berlin. — Druck von W. BUxenstoln, Berlin. 


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Die »Berliner Tierärztliche Woehenschrift* erscheint 
wöchentlich im Verlege von Richard Schoeta ln 
Berlin, Lalsenstr. 36. Durch Jedes deutsche Postamt wird 
dieselbe rum Preise von M. 5,— vierteljährlich (M. 4,88 für 
die Wochenschrift, 13 Pf. fllr Bestellgeld) frei Ins Haus 
geliefert. (Deutsche Post-Zeitunga-Preisliste No. 1108, 
Ocsterrelcbische No. 610, Ungarische No. 90.) 


Berliner 


Originalbeiträge werden mit 60 Hk. Ar den Bogen honoriert. 
Alle Manuskripte, Mitteilungen und redaktionellen An¬ 
fragen beliebe man su senden an Prof. Dr. 8ohmaltz, 
Berlin, tierärztliche Hochschule, NW, Luisenstrasse 66. 
Korrekturen, Kesensions-Exemplare und Annonosn da¬ 
gegen an die Verlagsbuchhandlung. 


Tierärztliche Wochenschrift 


Redaktion: 

Professor Dr. Schmaltz-Berlin 

Verantwortlicher Redakteur. 


De Bralo 

Dr. lest 

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Dr. Lothea 

Nevertnano 

Prof. Dr. Peter 

Peters 

Professor 

Kreistierarzt 

8chlachthofdirektor 

Departemenutlerarxt 

Kreis tlerarzt 

Kreistierarzt 

Departemeatstlerarst 

Utrecht 

Charlottenburg. 

Cöln. 

Cöln. 

Bremervörde. 

Angermünde. 

Bromberg. 


Freu886 

Dr. Roeder 

Dr. Schlegel 

Dr. Vogel 

Zündel 



Veterin&rassessor 

Profeuor 

Professor 

Landestierarzt v. Bayern Kreistierarzt 



Danzig. 

Dresden. 

Freiburg i. Br. 

München. 

Mülhausen i. E. 


-, — 

Jahrgang 1903. ,M. 33 . Ansgegeben am 13. August? 


Inhalt: Vogel: Die Rinder, Schafo, Schweine und Ziegen auf der Wan der an säte 11 ung der Deutschen Land wirtschafte - 
Gesellschaft zu Hannover 1903. — Eberlein: Über die Zehenachse des Pferdes. — Schmidt: Die Zentral-Vereine, 
das Hegelundsche Melkverfahren und ihre Folgen für die Landwirtschaft — Referate: Dieckerhoff: Die 
Gewährvorschriften im Bürgerlichen Gesetzbuch und ihr Einfluß auf den Viehhandelsverkehr. — Zorn: Ein Beitrag zur 
Therapie der stationären Hornhauttrübungen bei den Pferden. — Ernst: Über Nekrosen und den Nekrosebazillus (Streptothrix 
necropbhora). — Nazzanti: Ein Fall von Gutturomyces beim Pferd. — de Barros: Über die Genese und die Behandlung der 
Gebärparese. — Kleine Mitteilungen. — TagMgeooblohto: Bericht über die 3. Wanderversammlung des Vereins beamteter 
Tierärzte Preußens in Hannover vom 19. bis 21. Juni 1903. — Bericht über die 45. Sitzung des tierärztlichen Vereins in West¬ 
preußen am 7. Juni 1903 zu Danzig. — Verschiedenes. — Personalien. — Vakanzen. 


Die Rinder, Schafe, Schweine und Ziegen auf der 
Wanderausstellung der Deutschen Landwirtschafts- 
Gesellschaft zu Hannover 1903. 

Von 

Dr. Vogel-München. 

A. Kinder. 

‘iiei der Hannoverschen Schau tiberragten den Zucht- 
verhältnissen des Ausstellungsgaues und der benachbarten Zucht¬ 
gebiete entsprechend die Tieflandschläge. 

Das Höhenvieh war im ganzen nur mit 108 Nummern 
gemeldet und kam, von einzelnen Gruppen abgesehen, auch 
sonst nicht besonders vorteilhaft zur Geltung. 

An erster Stelle stand nach Zahl und Güte das einfarbig 
rote und rotbraune Vieh des Höhenlandes, vertreten durch 
28 Vogelsberger des Verbandes der Herdbuchgesellschaften für 
das Vogelsberger Rind, Verbandspräsidium in Biedenkopf, sowie 
durch 18 Harzer des Verbandes der Zuchtgenossenschaften für 
Harzrindvieh in Göttingen. 

Die Harzer verfügten über mehrere recht gute, die Zeichen 
reichlicher Milchergiebigkeit tragende Kühe, ermangelten aber 
im ganzen der wünschenswerten Ausgeglichenheit und waren 
im einzelnen verschiedentlich nicht von tadelfreiem Körperbau. 

Wesentlich gleichartiger zeigten sich die Vogelsberger, 
ließen in bezug auf Wüchsigkeit und Formen deutliche Fort¬ 
schritte erkennen und gaben das Bild eines für seine besonderen 
Haltungs- und Gebranchsverhältnisse gut und mit Verständnis 
gezogenen Viehschlages. 

Das große Fleckvieh mit hellem Pigment, gewöhnlich eine 
der am stärksten beschickten Groppen der Rinderabteilung, kam 
in Hannover lediglich mit 17 Tieren auf den Platz, welche 
Züchter ans der Provinz Sachsen, aus Sachsen-Meiningen und 
ans Braunschweig gesendet und davon 9 Stück selbst gezogen 
hatten; die übrigen 8 waren aus der Schweiz, ans Baden 
and Hessen (1) eingeführt. Meist mittelgroße and mittel¬ 
schwere Tiere ohne besondere Fehler, aber auch ohne besondere 
Vorzüge. 


Die nächstzahlreiche, recht befriedigend vertretene Gruppe 
bildeten die Rot- und Brannblässen mit 8 Westerwäldern des 
Hanptvereins für Züchtung und Veredlung der Westerwälder 
Rindviehrasse in Nassau, sowie mit 8 Wittgensteinern der Herdbuch¬ 
gesellschaft zur Züchtung Wittgensteiner Rindviehs in Berleburg 
(Westfalen). 

Beide Schlägen verfügten im Vergleiche zu früheren Aus¬ 
stellungen besonders auch über wüchsige, gutgebaute Bullen. 

7 Tiere des Lahnschlages (Züchterverein für den Lahn- 
rindviehschlag im Kreise Limburg a. L. — Hessen-Nassan —) 
repräsentierten die Gruppe der einfarbig gelben Höhenschläge, 
boten aber im einzelnen wenig über die Mittelmäßigkeit. Die 
äußeren Zeichen der Milchergiebigkeit waren gut, die körperliche 
Entwickelung ließ in bezug auf kräftiges Fundament, Festigkeit 
der Rücken und auf Gliedmaßenstellung zu wünschen übrig. 
5 Stücke des graubraunen Gebirgsviehes, sämtlich aus der 
Schweiz bezogen, und mit Ausnahme einer wertvollen Kuh gute 
Mittelware, hatte eine hannoversche Sanitätsmilchanstalt zur 
Schau gebracht. 

Den Schloß bildeten 4 Pinzgauer einer oberbayerischen Guts¬ 
herrschaft, großwüchsige, schwere Tiere, 3 davon mit weichen 
Rücken. 

B. Tieflandschläge. — 785 Tiere. 

a) Schwarzbunte Tieflandschläge (Ostfriesen, Jeverländer, 
Ost- und Westpreußen, Pommern, Posen etc.) mit 270 Nummern. 

Ost- und Westpreußen waren nicht vertreten. 

Obenan standen die ostfriesischen und Jeverländer Zuchten, 
auch Pommern hatte zahlreich und im allgemeinen befriedigend 
ausgestellt. 

In fast allen Klassen fanden sich sehr wertvolle, edle 
Zuchttiere in stattlicher Anzahl, daneben aber auch Stücke von 
ziemlich geringem Zuchtwert, wie ich sie eigentlich bei den 
schwarzbunten Schlägen in Hannover zu sehen nicht er¬ 
wartet hätte. 

Ziemlich enttäuscht war ich auch von den jungen Bullen 
in Klasse 56, welche sonst gewöhnlich einen Glanzpunkt der 


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&18 


berliner Tierärztliche Wochenschrift. 


No. 33. 


schwarzbunten Abteilung bildete, dieses Mal aber neben sehr 
guten Tieren auch recht minderwertiges, mangelhaft gebautes 
und entwickeltes, unedles Material enthielt. 

Bei den Kühen standen m. E. die älteren Klassen den 
jüngeren voran; in den besten Tieren vermochte ich einen 
merkbaren Unterschied zwischen den Ostfriesen und Jeverländern 
nicht zu finden. 

Die Färsen waren nicht gerade hervorragend, aber der 
Mehrzahl nach gut. 

b) Wesermarschschlag. — 72 Nummern. 

Bullen, besonders die älteren, recht gut, kräftige durchaus 
lobenswerte Kühe, Färsen befriedigend. 

Im ganzen führten in dieser Gruppe die Tiere der Olden¬ 
burger Wesermarech. 

c) Rotbunte Tieflandschläge Rheinlands und Westfalens. — 
71 Nummern. 

Im Vergleich zu den Gruppen a und b ließ hier die Gleich¬ 
artigkeit zu wünschen übrig. 

In der Einzelbetrachtung fand man neben im Körperbau 
nicht einwandBfreien Tieren eine ansehnliche Zahl recht guter 
Stücke, besonders aus den rheinländischen Zuchten; einige 
Bullen erschienen etwas grob. 

d) Rotbunte Holsteinische Schläge (rotbuntes Milchvieh der 
Holsteinischen Marschen, Breitenburger) und rotbuntes Vieh der 
Hannoverschen Elbmarechen. — 78 Nummern. 

Eine ganz lobenswert beschickte Gruppe mit einigen vor¬ 
züglichen Bullen und mehreren erstklassigen kräftig gebauten, 
schweren Kühen. 

e) Rotes Schleswigsches Milchvieh (Angler und Nord- 
schleswiger). — 48 Nummern. 

Gleichfalls eine recht lobenswerte Ausstellung; dabei machten 
mir dieses Mal auch die Angler hinsichtlich ihres Körperbaues 
einen sehr günstigen Eindruck. 

f) Rote Ostfriesen. — 24 Nummern. 

Mittelgut in den Bullen, besser in den weiblichen Tieren. 

g) Rotbunte Ostfriesen. — 29 Nummern. 

Gut, besonders in den Kühen. 

h) Alle anderen Tieflandschläge. — 161 Nummern. 

Die besten Tiere zeigten der Verband der Priegnitzer Herd¬ 
buchgesellschaften, die Staramzuchtvereine aus der Provinz 
Sachsen, der Osnabrücker Zuchtverband und die Lüneburger 
Herdbuchgesellschaft, Zuchtvereinigungen, welche es schon hätten 
wagen können, bei den Hauptgruppen der schwarzbunten Tief¬ 
landschläge in Wettbewerb zu treten. 

Im Vergleiche zu früheren Ausstellungen bot diese ver¬ 
schiedentlich als nicht vollwertig angesehene Gruppe ein erheblich 
befriedigenderes Bild. 

C. Shorthorn. 

Die Vollblut-Shorthorn mit 11 wurden ebenso wie die Land- 
Shorthorn mit 18 Tieren als sehr gut bezeichnet. 

Schafe. 

Vertreten waren 99 Lose, und zwar: 

I. Wollschafe: Merino und Rambouillet in den verschiedenen 
Richtungen (Wolle; Wolle und Fleisch; Fleisch und Wolle). 

II. Fleischschafe: 

a) Merino-Fleischschafe; 

b) Englische Fleischschafe: Shropshires, Hampshires, 
Oxfordshires. 

III. Rhönschafe, Heideschafe und ostfriesische Milchschafe. 


Die gesamte Schafausstellung erhielt allgemeines Lob; als 
hervorragendste Leistung wurde die Sammlung Shropshires von 
Domänenrat Brödermann-Knegendorf anerkannt. 

Schweine. 

793 Nummern, davon 220 weiße deutsche Edelschweine, 
42 Berkshires, 73 unveredelte Landschweine, 320 veredelte 
Landschweine und 138 andere Schweine, die nicht den vor¬ 
genannten Zuchtzielen angehören. 

Die Schweineausstellung bot mit einer außergewöhnlich 
großen Beschickungszahl in ihrer Gesamtheit ein treffliches Bild 
von den Fortschritten und der Leistungsfähigkeit der deutschen 
und zumal der norddeutschen Schweinezucht. 

Vorzüglich war die Gruppe der weißen Edelschw'eine in 
ihren bekannten besten Zuchten vertreten. 

Auch die Berkhires standen sehr gut und zahlreicher wie 
seit langem zur Schau. 

Die unveredelten Landschweine aus der Provinz Hannover 
und aus Braunschweig befriedigten in ihrer großen Mehrzahl 
durchaus. 

Bei den veredelten Landschweinen gab es die stärkste 
Konkurrenz. Westfälische und lippische Zuchten in großer 
Anzahl, Tiere von Hö sch-Neukirchen u. a., Metze ne r-Niendorf 
(Schleswig-Holstein), Roode-Beidendorf (Mecklenburg-Schwerin), 
der Schweinezuchtgenossenschaft Eichstedt i. Altmark u. a. m. 
bestritten die Preise mit sehr guten Leistungen in Säuen und 
zum Teile auch in älteren Ebern. Dagegen hätte ich mir die 
jüngeren Eber bei einer so großen Anzahl verschiedentlich viel 
besser gewünscht, habe ganz erstklassige Tiere darunter nur 
recht vereinzelt herausfinden können. 

In der letzten Gruppe standen dieses Mal zahlreiche, be¬ 
sonders hannoversche Zuchten mit den bekannten, in den dies¬ 
jährigen Versammlungen der D. L. G. heiß umstrittenen Schweinen, 
die weder dem veredelten Landschweine im ausgesprochenen 
Landschweintypus, noch dem Edelschweintypus sollen zugezählt 
werden können. 

Viele von den Schweinen haben mir sehr gut gefallen, 
manche sogar erheblich besser als andere in der Gruppe der 
veredelten Landschweine; einen wesentlichen Unterschied zwischen 
den beiden Gruppen konnte ich aber nur insofern herausfinden, 
als man bei den veredelten Landschweinen die in den Köpfen 
zu sehr nach der sog. englischen Seite neigenden Tiere zu 
Hause gelassen hatte, während man in der letzten Gruppe da 
und dort noch nicht ganz so vorsichtig gewesen war. Ganz 
besondere ist mir bei verschiedenen Schweinen der hannoverschen 
Genossenschaften aufgefalllen, daß sie sich nicht in dem be¬ 
rüchtigten Mastzustand, sondern in wirklicher Zuchtkondition 
befanden. Diesen Unterschied schlage ich hoch an und möchte 
nur wünschen, daß man ihn auch in Zukunft aufrecht erhält; 
bei den Edelschweinen und den „echten“ veredelten Land¬ 
schweinen scheint es ja wohl vergebliches Hoffen zu sein, die 
Tiere auf den Ausstellungen der D. L. G. in einem derartigen 
Ernährungszustand zu Gesicht zu bekommen, daß man den An¬ 
kauf von Zuchtmaterial auf der Ausstellung selbst wagen könnte. 

Ziegen. 

144 Nummern, davon 122 dem Saanenschlag und 20 deutschen 
Schlägen (Langensalzaer und einige Harzer) angehörig. 

Eine sehr gute, durchaus befriedigende Ausstellung gut 
gebauter, kräftiger, wüchsiger Tiere mit erstklassigen Milch¬ 
zeichen. Zu bedauern war nur, daß die Tiere der sicherlich 


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13. August 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 519 


wertvollen einheimischen Landschläge der Zahl nach so schwach 
vertreten waren, daß sie gegenüber den Schweizer Ziegen nicht 
genügend zur Geltung kommen konnten. 

Aus tierärztlichen Kreisen waren bei der Schau zu Hannover 
tätig: 

1 Vorprüfungsrichter und 1 Richter bei Pferden, 

4 Ordner, 4 Vorprüfungsrichter und 4 Richter bei Rindern, 

1 Vorprüfungsrichter bei Schweinen, 

1 Ordner und 1 Richter bei Ziegen. 

Über die Zehenachse des Pferdes. 

Erwiderung auf den gleichnamigen Artikel des Herrn 
Schiel-Jever. 

Von 

Prof. Dr. Eberlein -Berlin. 

ln der vorigen Nummer dieser Wochenschrift findet sich 
ein Artikel des Herrn Schiel: „Über die Zehenachse des 
Pferdes“, welcher u. a. auch die von mir vorgeschlagenen 
Bezeichnungen der Brechungen der Zehenachse behandelt. Zur 
Richtigstellung bemerke ich Folgendes. Wenn ich meine Aus¬ 
führungen etwas weiter ausdehne, so geschieht dies in der An¬ 
nahme, daß die hier berührte Frage weitere tierärztliche Kreise 
interessiert. 

Zunächst konstatiere ich, daß Herr Tierarzt Schiel die 
Benennung Fußachse gleichfalls für unwissenschaftlich hält 
und dieselbe durch die Bezeichnung Zehenachse ersetzt haben 
will. Er führt zur Begründung ausdrücklich an: „Der Einwand 
von anderer Seite, daß die Fußachse sich überall eingebürgert 
habe, kann nicht gelten.“ Würde Herr Schiel diesen sehr 
richtigen Grundsatz auch in seinen folgenden Darlegungen 
innegehalten haben, so hätte er zu einem ganz anderen 
Resultate kommen müssen. Im Widerspruch hierzu läßt 
derselbe jedoch inseinen weiteren Entscheidungen „konventionelle“, 
„landesübliche Auffassungen“ etc. als Gründe für die Beibehaltung 
nicht „korrekter“ Bezeichnungen gelten. 

Wenn man die Richtungsabweichungen von der gerade 
verlaufenden Zehenachse beurteilen und bezeichnen will, muß 
man auf die Entstehung dieser Unregelmäßigkeiten 
zurückgreifen. 

Das Verdienst, die Beurteilung der Zehenstellungen nach 
dem Verlaufe der Zehenachse (Knochenachse, Fußachse) in die 
Hufbeschlagslehre eingeführt und uns damit ein sehr wertvolles 
Hülfsmittel für die objektive Begutachtung der Beschaffenheit 
der Zehe angegeben zu haben, gebührt Fambach*). Derselbe 
hat damals (1887) die Achse nach derjenigen Richtung ge¬ 
brochen genannt, nach welcher der Winkelscheitel der ge¬ 
brochenen Linie zeigt, während ich vorgeschlagen habe, 
die Richtungsabweichungen der Zehenachse als nach 
der dem Scheitelwinkel entgegengesetzten Richtung 
erfolgt zu bezeichnen**). 

Wie nun schon Fambach sehr richtig hervorgehoben hat, 
kommen die Brechungen der Zehenachse vor: 

1. als angeborene Brechungen, 

2. als durch Krankheiten bedingte (pathologische) 
Brechungen und 

*) Fambach, Der Hufschmied. V. Jahrgang 1887, S. 1 und 19. 

**) In meinen weiteren Ausführungen halte ich die von mir 
vorgeschlagene Nomenklatur inne. 


3. als durch fehlerhafte Zubereitung und vernach¬ 
lässigte Hufpflege erworbene (physiologische) 
Brechungen derselben. 

Zu den Stellungen mit gebrochener Achse gehören die mit 
nach vorn, nach hinten, nach innen, nach außen gebrochener 
Zehenachse und die bärenftißige Stellung. Die angeborenen und 
physiologischen Brechungen erfolgen im Hufgelenk, die patho¬ 
logischen ira Hnf- oder im Kronengelenk. 

Von den angeborenen Brechungen der Zehenachse kommt 
am häufigsten die bärenfüßige Stellung vor; seltener sind die 
Richtungsabweichungen nach innen oder außen. Da die Pferde 
diese Veränderungen der Zehenachse bereits mit zur Welt 
bringen, so können dieselben jedenfalls nicht durch Druck¬ 
wirkung vom Schenkel auf die Zehe in der von Herrn 
Schiel gedachten Weise entstanden sein. 

Die pathologischen Brechungen der Knochenachse er¬ 
folgen in der Regel nach hinten oder nach vorn und werden 
durch Verkürzungen der Beugesehnen (chron. Tendinitis), 
durch Krongelenksschale, durch Huf gelenksschale, durch 
Erkrankungen der Bänder und andere Krankheitszustände 
verursacht. Hier sind es vornehmlich Zugwirkungen, 
namentlich der Sehnen und Bänder, nicht aber die Druck¬ 
wirkung der Körperlast vom Schenkel auf die Zehe in der 
von Herrn Schiel angedeuteten Weise, welche die Brechung der 
Zehenachse bedingen. Wohl kann in seltenen Fällen bei vor¬ 
geschrittener, artikularer Schale mit erheblicher Osteoporosis 
oder bei Rachitis der Druck der Körperlast die Brechung der 
Zehenachse nach innen oder außen befördern. Diese Brechung 
vollzieht sich dann aber ganz allmählich und nicht etwa plötzlich 
dadnrch, daß das Tier mit der Zehe , umkippt“ und sich dabei 
ein Gelenk „verstaucht“. 

Die größte Bedeutung für den Hufbeschlag haben zweifel¬ 
los die durch fehlerhafte Zubereitung und vernach¬ 
lässigte Hufpflege verursachten (physiologischen) 
Brechungen der Zehenachse. Dieselben entstehen dadurch, 
daß die Zehe, die Trachten, die Innenwand oder die Außen¬ 
wand infolge von Beschlagsfehlern, unterlassener Hnf- 
pflege, versäumtem Beschlag etc. zn hoch werden und so 
die Form, die Winkelung, die Belastung der einzelnen Wand¬ 
abschnitte des Hufes sowie den Verlauf der Zehenachse ver¬ 
ändern. Vergleichen wir z. B. die Figur 2 mit der Abbildung 
1, so ist in jener eine Zehe dargestellt, deren Hufzehe zu lang 
und deren Zehenachse infolgedessen gebrochen ist. Die Ab¬ 
weichung dieser Zehenachse von der Geraden (Fig. 1) ist zweifel¬ 
los nach vorn, also nach der dem Winkelscheitel entgegen¬ 
gesetzten Richtung erfolgt. Sekundär ist dann auch der 
Fessel etwas aufgerichtet, aber gleichfalls nach vorn und nicht 
nach der Richtung des Bruchscheitels. Werden im umgekehrten 
Falle die Trachten zu hoch belassen (Fig. 3), so wird der 
distale Abschnitt der Zehenachse nach hinten gebrochen sowie 
sekundär der Fessel und damit das proximale Ende der Achse 
ebenfalls nach hinten geneigt. In diesem Falle ist also die Zeben- 
achse auch nach der dem Winkelscheitel entgegengesetzten 
Richtung gebrochen. In entsprechender Weise erfolgt die 
Brechung der Zehenachse nach außen, wenn die Außenwand, 
und nach innen, wenn die Innenwand des Hufes zn hoch wird. 
Auch hierbei geschieht die Brechung in der dem Winkel ent¬ 
gegengesetzten Richtung. Die Entstehung beweist also, 

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520 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 33. 


daß die Brechung der Zehenachse stets nach der dem 
Winkelscheitel entgegengesetzten Richtung erfolgt. 

Der Annahme des Herrn Schiel, daß der Druck vom 
Schenkel auf die Zehe, Umkippen oder Verstauchen der Gelenke 
zur Entstehung der Brechungen der Zehenachse Beziehung haben, 
ist demnach nicht beizutreten. Es ist mithin auch der Ver¬ 
gleich Schi eis der gebrochenen Zehenachse mit einem durch 
Aufstützen eingeknickten Spazierstock hinfällig. Vollständig 
unverständlich aber ist es, wenn Herr Schiel fortfährt: „Die 
Zehenachse ist aber ein gedachter Stab, der nach vorn oder 
nach hinten einknicken kann, wenn das Pferd sich darauf stützt.“ 
Sollen etwa die unter dem Einfluß der Belastung und Entlastung 
erfolgenden, durch die Mechanik der Zehengelenke bedingten 
und die Elastizität des Schenkels befördernden Veränderungen 
der Zehe und ihrer Achse begrifflich zu den fehlerhaften 
Stellungen mit gebrochener Zehenachse gerechnet oder durch 
den Hufbeschlag korrigiert werden? Doch wohl nicht im Ernst! 
Im Gegenteil, es soll der Hufbeschlag die Elastizität der Ge¬ 
lenke befördern. Die Beurteilung der Zehenstellungen darf nur 
in der Ruhe des Pferdes und bei gleichmäßiger Be¬ 
lastung der vier Gliedmaßen erfolgen. 


Fig. 2. Fig. 1. Fig. 3. 



Zehe 


mit nach vorn mit gerader mit nach hinten 

gebrochener Zehenachse Zehenachse. gebrochener Zehenachse 

infolge xu langer Zehe. infolge tu hoher Trachten. 

Durch die gestrichelte untere Linie ist in Fig. 2 und 3 angexeichnet, 
um icieriel die Zehe resp. die Trachten heim Beschläge xu kürxen sind. 

Für die Richtigkeit der von mir vorgeschlagenen Nomen¬ 
klatur spricht auch die Behandlung der fehlerhaften Stellungen 
durch den Beschlag. Ist die Zehenachse nach vorn gebrochen, 
so verkürzen wir die Zehe (Fig. 2) oder erhöhen die Trachten, 
um die Achse in der der Entstehung entgegengesetzten 
Richtung, also nach hinten bis zum geraden Verlauf zurück¬ 
zubringen. Ebenso verkürzen wir bei der nach hinten ge¬ 
brochenen Zehenachse die Trachten (Fig. 3), um das distale 
Ende der Achse wieder nach vorn bis zur geraden Richtung 
vorzuführen. In derselben Absicht erniedrigen wir bei der 
Stellung mit nach innen oder nach außen gebrochener Knochen¬ 
achse die Innen- oder die Außenwand des Hufes. 

Nach dem gleichen Prinzip suchen wir auch die ange¬ 
borenen fehlerhaften Zehenstellungen günstig zu beeinflussen. 
Dagegen können die durch krankhafte Zustände verursachten 
Brechungen der Zehenachse durch den Beschlag nicht behandelt 
werden. 

Es beweist mithin auch die Behandlung, daß die 
Brechungen der Zehenachse nach der dem Winkel¬ 
scheitel entgegengesetzten Richtung erfolgt. 

Ob bei den Brechungen der Zehenachse überhaupt eine 
Verlagerung der Bruchstelle, welche nach Schieis irr¬ 
tümlicher Ansicht „nicht nur das wesentlichste, sondern auch 


in die Augen springendste“ sein soll, erfolgt oder nicht, ist 
wissenschaftlich noch nicht erwiesen. Auch Lungwitz*) 
und Gutenäcker**) zeichnen in ihren Darstellungen der Be¬ 
handlung der Hufe der mit gebrochener Knochenachse behafteten 
Stellungen eine derartige Verlagerung der Bruchstelle nicht. 
Meines Erachtens kann dieselbe, wenn sie überhaupt vorkommt, 
nur unbedeutend sein. Keinesfalls ist sie wesentlich oder 
in die Augen springend. 

Weiterhin macht mir Herr Schiel den Vorwnrf, daß ich 
gebrochen wird mit gebrochen ist verwechsele. Diesen Vor¬ 
wurf verstehe ich nicht. Für mich ist allerdings ein Gegen¬ 
stand (Achse, Stab) dahin gebrochen, wohin er gebrochen 
wurde. 

Wenn Herr Schiel es angeblich nicht verstehen kann, 
warum ich von der bisherigen Benennung abgewichen bin, so 
will ich es ihm sagen. Ich habe die alte Bezeichnung verlassen, 
weil dieselbe nach meiner Überzeugung nicht richtig 
ist. Mich können „konventionelle“ Rücksichten oder „landes¬ 
übliche Auffassungen“ nicht bestimmen, an einer als un¬ 
richtig erkannten Benennung festzuhalten. 

Herr Schiel behauptet sodann, daß meine Neuerung 
„Verwirrung“ anrichten könne. Das muß ich bestreiten. 
Wie ich schon im Beschlagschmied***) hervorgehoben habe, kann 
ein Schmied, der die weit entwickelten Grundsätze des Huf¬ 
beschlags beherrschen soll und anwenden will, durch eine der¬ 
artige Namensänderung sich nicht verwirren lassen. Indifferenten 
Schmieden ist die Benennung der Brechungen der Zehenachse 
gleichgültig. Bei einem Tierarzt aber halte ich die 
Möglichkeit einer Verwirrung für ausgeschlossen. 
Derselbe hat noch viel schwierigere Streitfragen als die doch 
verhältnismäßig einfachen Bezeichnungen der Zehenstellungen 
zu beachten. 

Zum Schluß bemerke ich, daß ich mich nicht veranlaßt 
fühle, Herrn Schiel auf die in seinen Ausführungen enthaltenen 
persönlichen Bemerkungen zu antworten. Ich mnß mich 
jedoch dagegen verwahren, wenn Herr Schiel sich anmaßt, 
sich mit meiner Person als Lehrer zu beschäftigen. Ich spreche 
Herrn Schiel die Kompetenz hierzu ab. 

Die Zentral-Vereine, das Hegelundsehe Melkverfahren 
und ihre Folgen für die Landwirtschaft. 

Von 

Dr. F. Schmidt-Cleve, 

KreUtlerarzt. 

Es steht außer allem Zweifel, daß bis auf die alleijüngste 
Zeit, von großen Geistern wie Kühn,Thaer und anderen wenigen 
abgesehen, aus landwirtschaftlich echt fühlenden Kreisen der 
Fortschritt auf diesem Gebiete nicht gekommen ist; zum über¬ 
wiegendsten Teile waren es außenstehende, welche sich ans 
Spezialgebieten das brach liegende Feld mitunter in allzu ge¬ 
schäftsmäßiger Weise zur Bearbeitung erkoren, dabei allerdings 
auch manches Gute zuwege gebracht haben. Die Verwertung 
der Naturprodukte und -kräfte, die Nutzbarmachung physikalischer 
und chemischer Prozesse, das Erkennen der vielen schädigenden 

*) Lungwitz, Der Fuß des Pferdes. 1903. Fig. 187,189,190,191. 

**) Gutenäcker, Die Lehre vom Hufbeschlag. 1902. Fig. 137. 
138 u. 139. 

***) Eberlein, Der Beschlagschmied. I. Jahrgang. 1903. Nr. 5. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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Einflüsse auf den mannigfaltigen Gebieten des landwirtschaft¬ 
lichen Betriebes haben gewiß viel Vorteil gebracht, das Leidige 
bei allem Fortschritt aber war und bleibt jedoch auch noch zu 
Recht bestehen, daß das Einzel-Individuum dabei nicht nur nicht 
glücklicher geworden ist, sondern immer mehr auf die Bahn 
gedrängt wird, auf der aufreibende Tätigkeit, Mißerfolg, Un¬ 
zufriedenheit, Schädigung an Körper und Geist unausbleibliche 
Folgen sind. Das Erwerbsfieber hat trotz des ausgesprochen 
konservativen Charakters der ländlichen Bevölkerung diese 
derart ergriffen, daß, wo auch immer jemand eine solche Quelle 
neu erschlossen zu haben wähnt, sie sich gleich einem gierigen 
Raubtier darauf stürzt, nur um erbarmungslos einen Teil der 
Beute für sich zu erhalten. Diesen Eindrnck macht auf mich 
die Bewegung, welche augenblicklich weite landwirtschaftliche 
Kreise ergriffen hat, in Ansehung der gepriesenen Wirkungen 
der Kontrollvereine und des Hegelund sehen Melkverfahrens. 
Von nichts anderem hört man mehr reden, als von dem riesigen 
Vorteil, der durch diese beiden neuen Verfahren erzielt werden 
soll; kaum irgendwo erhebt sich einmal eine Stimme, welche 
die Angelegenheiten auch nach einer anderen Seite hin prüft. 
Und doch geben die Worte auf dem Titelblatt der Buer- 
Schefferschen Broschüre: „Die Kontrollvereine, ein Mittel zur 
Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Milchkühe“ hierzu Ver¬ 
anlassung genug. Sie sprechen deutlicher als dicke Bände von 
den Folgen, welche bei den unausbleiblich in erster Zeit in 
extremster Weise durchgeführten Neuerungen im Anfänge wahr¬ 
scheinlich leise und unbemerkt, später aber mit nicht zu ver¬ 
kennender Deutlichkeit und unabweisbar herankommen werden: 
Zerrüttung des Gesundheitszustandes der landwirtschaftlichen 
Nutztiere und damit gewaltige Schädigung des ganzen land- 
‘wirtschaftlichen Betriebes. 

Was soll durch die Kontrollvereine erzielt werden? Man 
gibt zwar an, bessere Verwertung des Futters. Von, die beiden 
Neuerungen befürwortenden Personen wird die Sache fast aus¬ 
nahmslos so hingestellt, als ob schließlich eine Verwertung des 
Futten nur in der Milchabgabe möglich sei. Wenn 
Dr. Sch eff er nachweist, daß eine Milchkuh bei richtiger 
Kontrolle pro Jahr eine 11,07 M. betragende Mehrausbeute an 
Butter gibt, so ist man doch berechtigt zu fragen: Geht solche 
denn nicht schließlich wieder auf andere Weise verloren? Eine 
Kuh, die viel Milch gibt, braucht, von ihrer früheren Abnutzung 
ganz abgesehen, zum mindesten längere Zeit, um später schlachtreif 
angefettet zu werden. Ist doch physiologische Frühreife noch 
nicht Gemeingut aller unserer Viehrassen. Und wie rasch 
verfüttern sich 11 M. 7 Pf., nicht zu vergessen, daß gerade 
die fettproduzierenden stickstofflosen Nährmittel die teuersten 
sind und meistens bei uns zu Lande auf dem Wege des Handels¬ 
geschäftes bezogen werden müssen. Ob da aus der Differenz viel 
pekuniärer Vorteil für den scharf rechnenden Landwirt ent¬ 
springt? Nun ist es auch noch fraglich, ob, wenn man in einem 
so innig ineinander greifenden Betriebe, wie ihn die Landwirt¬ 
schaft darstellt, irgend einen Teil — den Milchbetrieb — 
herausgreift und diesem besondere Sorgfalt zuwendet, noch be¬ 
haupten darf, das Ganze habe Vorteil daran! Der Mehrertrag 
an körperlicher Leistung, denn eine solche ist zweifellos der 
biochemische Vorgang der Milchabgabe, geht ohne Widerspruch 
auf Kosten des tierischen Organismus. Es wird vollständig 
übersehen, wie aus der ganzen Bewegung für die Kontrollver¬ 
eine hervorzugehen scheint, daß die Milchabgabe seitens der 


Kuh ursprünglich doch nur für das junge Kalb bestimmt ist, 
der Mensch diese Eigenschaft sich nur zunutze gemacht hat. 
Leichtfertig wirft man n. m. A. den durch eine längere Reihe 
von Jahren noch nicht gereiften Wert der Kontrollvereine in die 
Massen, ein zweischneidiges Schwert, das sehr viel Unheil an- 
richten kann. Tausendmal schon ist der Versuch ergebnislos 
angestellt worden, den natürlichen Fettgehalt der Milch durch 
Verfüttern geeigneter Nährfuttermittel zu erhöhen. Trotz alle¬ 
dem! Glaubt man denn etwa bei dem bekannten Auffassungs¬ 
vermögen eines großen Teiles der ländlichen Bevölkerung, daß 
alle Besitzer selbst unter der Wirkung eines Kontroll-Vereines 
jahraus, jahrein ihre Kühe so füttern, daß genau Pfennig auf 
Pfennig aufgerechnet, jedes Gramm Fett im Futter entsprechend 
ausgenützt wird? Nein, es werden abermals tausend Versuche 
gemacht werden, ob es denn nicht doch möglich sei, fettreichere 
Milch zu erzielen. Der Gedanke liegt ja jetzt so nahe, be¬ 
sonders unter Beihilfe des Hegelundschen Melkverfahrens. 
Für dieses befürchte ich genau, was ich oben über die mögliche 
schädigende Wirkung der Kontrollvereine gesagt habe, nur 
wird die Wirkung tiefgehender sein, weil sie den Organismus 
noch mehr angreift. Worauf ist denn schließlich die gepriesene 
Methode des letztgenannten Verfahrens zurückzuführen? Die 
allgemein gültige Annahme von der Bildung der Masse der Milch 
während des Melkens zugrunde gelegt, ist der größere Fett¬ 
gehalt der zuletzt entnommenen Milch doch nur auf die mechanische 
Zertrümmerung der fettig atrophierten Epithelien der Drüsen¬ 
kanälchen zurückzuführen. Wenn ich nun nach dem ersten, 
bisher geläufigen Melken noch einmal listig auch diese Fettteile 
herausziehe, die naturgemäß für die folgende Milchabgabe be- 
süjnmt sind, so ist eB kein Kunststück, die endgewonnene Ge¬ 
samtmilch fettreicher zu machen. Der Organismus aber muß 
den unnatürlichen Verlust leider wieder ersetzen, er tut es 
auch, denn kommunistischer als der tierische Körper dürfte 
wohl kaum ein Staat werden können; allein der ins Ungemessene 
gesteigerte Ersatz muß sich rächen. Wenn man einerseits 
auf die günstigen Erfolge hinweist, welche in Dänemark mit 
allen jenen Neuerungen erreicht worden sind, so weise ich 
andererseits auf die kolossalen Zahlen hin, welche die 
Statistik über Tuberkulose dortselbst aufgezeichnet hat. 
Nächstliegend ganz als Grund für eine wohlzubeachtende, 
sorgfältige Pflege des Gesundheitszustandes unserer Haustiere 
ist n. m. A. allein schon heute die auch bei uns zunehmende 
Zahl von Tuberkulose unter allen Haustieren, das erschreckende 
Anwachsen des seuchenhaften Verkalbens und Verfohlens, die 
große Sterblichkeit unter dem Jungvieh etc., n. m. A. schon 
alles Zeichen einer sich rächenden, allzuweit gegangenen Ver- 
künstelung in der Haltung und Ernährung der Haustiere. Den 
verführerisch klingenden Zahlen, die man als Plus aus der Wirkung 
der Kontroll-Vereine und des Hegelundschen Verfahrens heraus¬ 
gerechnet hat, stehen zweifellos auch Schadenzahlen gegenüber. 
Von ihnen aber wird geschwiegen, weil die Sache populär 
werden soll. Ich aber habe es für meine Pflicht gehalten, auf 
alle die aufgeführten Momente hinzuweisen, ohne gerade weder 
den Kontroll-Vereinen noch dem Hegelundschen Milchverfahren 
jede Bedeutung absprechen zu wollen. Die Wirkung der enteren 
wird hoffentlich recht bald nach allen Seiten hin wissenschaft¬ 
lich und praktisch gründlich durchgearbeitet, das letztgenannte 
Verfahren jedoch dürfte nicht zum Nachteil eines gesunden 
Tierbestandes nach meinem Wunsche der Vergessenheit anheim- 


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522 


fallen und nur noch als ein Beitrag zur Geschichte der mensch¬ 
lichen List der armen Tierwelt gegenüber gelten. 

Glaubt die deutsche Landwirtschaft aus diesen Neuerungen 
den entsprechenden Vorteil in klingender Münze und auf die 
Dauer sich sichern zu müssen, so erwächst ihr andererseits 
damit auch die unumgänglich notwendige Verpflichtung, auf 
eine erheblich bessere und rationellere Verpflegung der träch¬ 
tigen Tiere und sorgfältigere Behandlung auf dem Transport 
und im Stalle zu drängen, hinsichtlich der Aufzucht und Er¬ 
nährung der neugeborenen Kälber die strengsten Anforderungen 
an Reinlichkeit nnd Genußtauglichkeit der Futtermittel zu 
stellen, überhaupt in eine ganz andere Würdigung des Haus¬ 
tierbestandes und seines Verhältnisses zu uns Menschen einzn- 
treten. Nur unter Berücksichtigung aller dieser nnd noch 
manch anderer Momente wird es ihr möglich sein, für die der 
Schlachtbank um so früher zugeführten Tiere einen Ersatz zu 
schaffen, der nach jeder Richtung auch wieder genügend 
gekräftigt sein und werden muß. Daß weiter das fleisch¬ 
verzehrende Publikum rücksichtlich der Güte der Ware auch 
berücksichtigt werden will, dürfte nur beiläufig erwähnt sein. 

Referate. 

Die Gewährvorschriften im Bürgerlichen Gesetzbuch 
und ihr Einfluß auf den Viehhandelsverkehr. 

Vortrag von Prof. Dr. Dieckerhoff-Berlin. 

(Zeitschrift f. Vetcrinfirkunde 1903, S. 1 — 10.) 

Prof. Dieckerhoff spricht sich in einem im Verein der 
beamteten Tierärzte Preußens am 14. Dezember 1902 gehaltenen 
Vortrag über die Nachteile und Mängel aus, welche die im 
Bürgerlichen Gesetzbuch gegebenen Gewährvorschriften seit 
seinem Inkrafttreten für den Viehhandelsverkehr gebracht und 
gezeigt haben. 

Die neuen Bestimmungen bedeuten nach Dieckerhoff 
gegenüber dem alten preußischen Gesetz in der Hauptsache eine 
Verschlechterung. Verfehlt ist schon das Grundprinzip, das die 
stillschweigende Gewährleistung des Verkäufers von Haustieren 
auf bestimmte Hauptmängel beschränkt, denn die fehlerhaften 
Eigenschaften der Haustiere eignen sich zumeist nicht zur Auf¬ 
stellung einer solchen Hauptmängelliste, da sie bald erheblich, 
bald unerheblich, selten typisch sind. 

Von den im Gesetz für den Pferdekauf genannten fünf 
Hauptmängeln entspricht nach der Definition der Verordnung 
allein die Dämpfigkeit einigermaßen den Eigenschaften, die die 
Motive des Bürgerlichen Gesetzbuchs von einem Hauptmangel 
verlangen. Rotz und Lungenseuche sind seit Erlaß der Vieh¬ 
seuchengesetze vom Jahre 1875 für die Gewährleistung beim 
Viehhandel belanglos geworden. Dnmmkoller, wenn nicht zu 
höherem Grade gediehen, mindert bei den in niedrigem Preise 
stehenden Pferden weder den Wert noch die Tauglichkeit zu 
dem üblichen Gebrauch. Pferde, die mit Kehlkopfpfeifen in 
geringem Grade, mit innerer Augenentzündung auf einem Auge, 
mit Koppen behaftet sind, erleiden dadurch weder in der Be¬ 
nutzung zu dem üblichen Gebrauch noch im Handelsverkehr 
eine Einbuße. Gleichwohl aber gelten diese Fehler und Krank¬ 
heiten, selbst wenn sie nur in unerheblichem Grade vorhanden 
sind, als Hauptmängel, und es ist so eine Wandelung auch 
in Fällen möglich, in denen es sich gar nicht um einen tatsäch¬ 
lichen Mangel handelt und in denen der Käufer nur aus irgend¬ 


No. 33. 


welchen anderen Gründen vom Kauf zurücktreten will, weil z. B. 
das Pferd durch eine inzwischen eingetretene zufällige Ver¬ 
schlechterung, durch Erwerbung einer Lahmheit u. dergl. entwertet 
ist. Daraus ergeben sich Nachteile für den Verkäufer. 

Die für den Handel mit Rindern, Schafen, Schweinen als 
Hauptmängel bezeichneten Krankheiten können dem Käufer 
keine Handelsicherheit geben, denn die für den Käufer wesent¬ 
lichen Krankheiten und Fehler bei den Schlachttieren ent¬ 
sprechen nicht den Voraussetzungen, die das- Gesetz für einen 
Hauptmangel fordert. 

Für den Tierkäufer ist es unter der Rechtsordnung des 
B. G. am zweckmäßigsten sich vor dem Vertragsschluß in der 
einen oder anderen Form die „Tauglichkeit“ oder „Fehlerfreiheit“ 
des Tieres zusichern zu lassen. Bei der Abfassung des Gesetzes 
im Reichstag ist ausdrücklich der Grundsatz ausgesprochen 
■worden, daß die Auslegung des Begriffes Fehlerfreiheit sich 
nicht auf die benannten Hauptmängel zu beschränken habe und 
die Gerichtspraxis bat auch dementsprechend entschieden, daß 
mit dem Versprechen der Fehlerfreiheit eine faßbare Eigen¬ 
schaft des Tieres zugesichert ist und daß bei dem Nicht¬ 
vorhandensein dieser Eigenschaft dem Käufer nach seiner Wahl 
der Anspruch auf Wandelung oder Schadenersatz zusteht. 
-Dagegen wird die Bezeichnung der „gesetzlichen“ Fehler, wo¬ 
runter man früher in Deutschland alle erheblichen und ver¬ 
borgenen Mängel verstand, jetzt nur mehr auf die benannten 
Hauptmängel bezogen. Diese veränderte Auffassung des Ver¬ 
sprechens der „Garantie für alle gesetzlichen Fehler“ ist wohl 
•den Händlern, nicht aber den Käufern allgemein bekannt ge¬ 
worden, woraus solchen schon großer Schaden erwachsen ist.*) 
— Die Zusicherung der „Gesundheit“ eines Tieres hat bekannt¬ 
lich nicht die gleiche Tragweite wie das Versprechen der 
Fehlerfreiheit, was aber unkundige Käufer zuweilen glauben, 
und Dieckerhoff berichtet von einem stätigeu und deshalb 
wertlosen Arbeitspferd, dessen Gesundheit der Käufer zugesichert 
hatte. Der klägerische Käufer wurde abgewiesen, da die 
Stätigkeit eine Untugend, doch keine Krankheit sei. 

In einzelnen Fällen der Übervorteilung kann der Kläger 
allerdings durch die Betrugsklage Wandelung des Kaufes er¬ 
zwingen. Meist aber mißlingt der Nachweis des Betruges, da 
das Verfahren häufig mit der eidlichen Vernehmung des Ver¬ 
käufers darüber endet, ob er den gerügten Mangel bei dem 
Tiere gekannt habe oder nicht. Regelmäßig wird der Eid, soweit 
das Gericht dem Antrag stattgibt, dahin geleistet, daß der Ver¬ 
käufer von dem Mangel nichts gewußt habe. 

Eine Verschlechterung der Rechtsverhältnisse erblickt 
Dieckerhoff in der Beseitigung der Minderwertsklage durch 
das B. G., denn der geschädigte Käufer bedient sich dafür der 
Schadenersatzklage, wenn dem gekauften oder durch Tausch 
erworbenen Tier die zugesicherte Eigenschaft fehlt, wobei der 
Verkäufer schwer benachteiligt werden kann. So verkaufte A. 
ein Pferd um 235 M. an B. mit der Zusicherung, daß es gut 
und zuverlässig in jeder Arbeit sei. Nach zwei Tagen verkauft 


*) Dieckerhoff illustriert dies durch Bericht über einen 
Fall, in dem ein Fuhrunternehmer ein Pferd unter dieser Klausel 
um 1100 M. kaufte, das Bich hernach als infolge chronischer Ent¬ 
zündung des Knie- nnd Spranggelenks unheilbar lahm und arbeits¬ 
untauglich erwies. Das Pferd war mit einem Hauptmangel nicht 
behaftet. Die Klage wurde abgewiesen und das Pferd für 100 M. 
an den Schlächter verkauft. 


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13. August 1903. 

B. das Pferd um 387 M. an C. in die Stadt. Auf den verkehrs¬ 
reichen Straßen zeigt sich das Tier scheu und unbrauchbar. 
B. nimmt das Pferd zurück und verklagt A. auf Schadenersatz. 
Das Gericht erkennt auf Aufhebung des Verkaufes. A. hat die 
Prozeßkosten zu tragen und außerdem dem B. den ihm ent¬ 
gangenen Gewinn von 152 M. zu ersetzen. Di eck erhoff 
knüpft daran die Bemerkung: Wenn erst in weiten Kreisen 
bekannt sein wird, daß sich auf Grund des B. G. durch die 
Schadenersatzklage beim Handel mit Pferden und Rindern Geld 
verdienen läßt, so ist zu befürchten, daß die Anstrengung ver¬ 
werflicher Prozesse bei gewissen Käufern in Mode kommen wird. 

Als Verbesserung der Rechtsverhältnisse betrachtet Diecker- 
hoff die Verkürzung der Klagefrist beim Anspruch aus dem 
Hauptmangel auf 6 Wochen nach Ablauf der Gewährfrist und 
beim Anspruch aus dem Nichtvorhandensein einer zugesicherten 
Eigenschaft auf 6 Wochen nach Ablieferung des Tieres. Sie 
beschränkt die Zahl der Rechtsstreitigkeiten. Gewisse Anlässe 
aber lassen es ratsam erscheinen, die kurze Verjährung des An¬ 
spruchs aus dem Nichtvorhandensein der zugesicherten Eigen¬ 
schaft beim Kaufabschluß zu berücksichtigen. Kauft z. B. jemand 
eine Kuh als tragend oder eine Stute als nichttragend, so 

handelt es sich rechtlich um Zusicherung einer Eigenschaft. 
Ansprüche verjähren also schon in 6 Wochen nach Ablieferung 
des Tieres, während doch über Trächtigkeit oder Nicht¬ 
trächtigkeit einer Kuh oder Stute eine sichere Auskunft oft 

erst im Verlaufe von 2—4 Monaten zu geben ist. Hat in 

einem so gelagerten Fall der Käufer den Preis noch nicht 
vollständig ausbezahlt, so kann er auf Grund des § 490 Absatz 3 
auch nach Ablauf der Klagefrist die Zahlung, unter Berufung 
auf das Nichtvorhandensein der zugesicherten Eigenschaft, durch 
die sogenannte „Einrede“, verweigern. 

Aus den Gewährvorschriften des B. G. können sich also für 
rechtsunkundige Interessenten des Viehhandels, sowohl für Käufer 
wie Verkäufer, schwere Nachteile ergeben. Es wird eine Auf¬ 
gabe und zwar eine dankbare Aufgabe der praktischen Tierärzte 
sein, Tierbesitzer auf diese Gefahren aufmerksam zu machen 
und ihnen Mittel zu ihrer Vermeidung anzugeben. 

0. Albrecht. 

Ein Beitrag znr Therapie der stationären Hornhaut¬ 
trübungen bei den Pferden. 

Von Korpsroßarzt a. D. Dr. Zorn-Magdeburg. 

(Inaug.-Dissert Bern. 1903.) 

Nach ausführlichen Betrachtungen über die Pathogenese 
und Symptomatologie der stationären Hornhauttrübungen (Horn¬ 
hautflecke, Opacitates corneae), sowie über deren forensische 
Bedeutung unterzieht Verfasser die einschlägigen Behandlungs¬ 
methoden einer kritischen Besprechung. Er hat in 36 jähriger 
praktischer Tätigkeit reichliche Gelegenheit gehabt, fast alle 
zur Aufhellung der Hornhautflecken empfohlenen Mittel in An¬ 
wendung zu bringen, ist aber in sehr zahlreichen Fällen zu 
unbefriedigenden Ergebnissen gelangt, ja sogar oft arg ent¬ 
täuscht worden. Verfasser ist nun durch eigenes Experimentieren 
allmählich zu einer therapeutischen Methode gekommen, deren 
gute Resultate er in seiner Arbeit niederlegt 

Zorns Verfahren besteht in häufig wiederholter, methodischer 
Applikation des Höllensteinstiftes. Die Verwendung des 
Argentum nitricum bei Hornhautopazitäten ist zwar u. a. schon 
von Dieterichs und Hertwig empfohlen worden, in neuerer 
Zeit jedoch anscheinend in Vergessenheit geraten. Z. verwendet 


523 


den Höllenstein in Gestalt eines ca. 1 cm dicken, in ein Stückchen 
Gummischlauch gefaßten und mit einem Holzgriff versehenen, 
kräftigen Stabes, dessen freies Ende zugespitzt ist. Beim Ge¬ 
brauch wird entweder nur die Spitze oder eine Fläche des 
Spitzenkonos benutzt. Während ein Gehilfe den Kopf des auf- 
getrensten Pferdes in angemessener Höhe hält, berührt Z. die 
getrübten Korneapartien an möglichst zahlreichen Punkten leise 
und vorsichtig mit dem Lapisstifte. Zwangsmittel sind nur aus¬ 
nahmsweise erforderlich. Die Lider werden einfach mit Daumen 
und Zeigefinger der linken Hand auseinander gehalten. Ein 
Schutzmittel für die Bindehaut in den Konjunktivalsack zu 
träufeln (Öl, Schleim und dergl.), ist nicht nötig. Bei Appli¬ 
kation des Stiftes tritt Tränenfluß ein, durch welchen das sich 
in Form weißkäsiger Flocken regelmäßig niederschlagende 
Cblorsilber weggespült wird. 

In der beschriebenen Weise werden die Flecken zunächst 
von drei zu acht Tagen, später in längeren Pausen touchiert. 
Die Behandlung muß auf eine Reihe von Wochen ausgedehnt 
werden. 

Verfasser beschreibt im kasuistischen Teile seiner praktisch 
wichtigen Abhandlung eingehend eine Reihe von Krankheitsfällen 
und die Resultate ihrer Behandlung. In 10 Fällen trat einmal 
totale Heilung, fünfmal sehr erhebliche und zweimal merkliche 
Besserung ein; zwei Fälle trotzten der Therapie. Letztere be¬ 
trafen zentral in der Kornea liegende Trübungen bei über 
15 Jahre alten Pferden. Zwei erheblich gebesserte Patienten 
zeigten das vorher bekundete Scheuen nach Abschluß der Be¬ 
handlung nicht mehr. Storch-Schmalkalden. 

Über Nekrosen und den Nekrosebazillns (Streptothrix 
. fc necrophhora). 

Von Assistent Wilhelm Ernst, München. 

(Monatsli. f. prakt Tierheilk. 14 B. 8. 198-2*8). 

Der Bazillus necrophorus=Streptothrix necrophora ist haupt¬ 
sächlich als der von Löffler aufgefundene Erreger der Kälber¬ 
diphtherie bekannt, wurde aber von Bang, Schlegel u. a. 
auch als Ursache verschiedener anderer Koagulationsnekrosen, 
beim Panaritium des Rindes, Hufknorpelfisteln, Brandmauke, 
Erkrankungen des Euters, der Leber und Lunge erwiesen. — 
Ernst hat ihn im pathologischen Institut der Münchener tier¬ 
ärztlichen Hochschule zum Gegenstand besonderer Studien gemacht. 

Er wies ihn als Ursache von Nekrose des Kehlkopfes eines 
Rindes nach, wo sich homogene, grauweiße, verkäste Massen 
fanden, von Nekrosen am Zwerchfell und der Lunge eines 
anderen Rindes, an welchen Organen sich grüngraue bis wei߬ 
liche, prominierende und bis apfelgroße Knollen gebildet und 
das Zwerchfell durchwachsen hatten, von Nekrose der Leber, 
an deren oberen rechten Lappenteil sich knotige Einlagerungen 
zu einem dreifaustgroßen Lappen gruppierten und als Ursache 
von Colitis und Typhlitis dipbtherica, wobei sich schwarzgrüne 
graugelbe, tintenfarbige, etwas prominierende, sich trocken 
anfühlende Auflagerungen fanden. 

Das aus diesen Organteilen gewonnene Material unter¬ 
suchte Ernst mikroskopisch, durch Verimpfung, durch Züchtung 
der Bazillen und Impfungen mit Reinkulturen. Er kam dabei 
zu folgenden, die Feststellungen in den Vorarbeiten ergänzenden 
und korrigierenden Resultaten: 

1. Der Nekrosebazillus läßt sich auch ohne Zusatz von 
Serum in üppigen Kolonien in Nährböden züchten, die bei der 


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524 


Brutofenwärme festweiche Konsistenz besitzen. Ferner gelingt 
die Züchtung anaerob in Bouillon „Martin“ und Milch. 

2. Die Temperaturen, bei denen ein Wachstum erfolgen 
kann, werden begrenzt durch den 36. und 40. Grad C. Darunter 
und darüber sistiert die Bakterienwucherung. Das Temperatur¬ 
optimum liegt bei 39°. 

3. Beweglichkeit und Geißeln sind dem Nekroseerreger ab- 
znsprechen. Echte Verzweigungen und das Auftreten von 
sporoiden Kernen und von Quellformen wurden nacbgewiesen, 
welche morphologischen Eigentümlichkeiten nicht, wie früher 
geschah, auf degenerative oder plasmolytische Vorgänge zurück¬ 
zuführen sind, sondern als Bildung von resistenterem Zell¬ 
material angesprochen werden müssen. Der Geruch der 
Kulturen ist stinkend käseähnlich. 

4. Der Nekroseerreger produziert Indol. 

Speziell aus den Impfversuchen ergab sich: 

5. Für Mäuse und Kaninchen entfaltet der Pilz eine 
gewöhnlich tödliche pathogene Wirkung, wenn Bubkatan, intra¬ 
muskulär oder intravenös eingebracht. 

6. Wenig empfindlich erscheinen Vögel, Ratten, Meer¬ 
schweinchen, Katzen. 

7. Meist nur lokale, fast nie progressive Entzündungen 
acquirieren auch Schweine, Schafe, Rinder. 

8. Fütterungsversuche mit Rohmaterial an Schwein und 

Schaf blieben ohne Erfolg. 0. Al brecht. 

Ein Fall von Gntturoniyces beim Pferd. 

Von Prof. E. Nazzanti. 

(II Voterinario di Campagna u. American Vcterinary Kt'view, Vol. XXVI, No. 7, 1902.; 

In dem vorliegenden Aufsatz wird mitgeteilt, daß Rivolta 
eine geschwürige Affektion der Lnftsäcke, welche durch Pijze 
verursacht wird, mit dem Namen „Gutturomyces equi“ belegt 
habe. Er beobachtete die Krankheit bei zwei Pferden. Bassi 
beschreibt dieselbe 1881 bei einem Pferd und einem Maultier. 
Nazzanti gibt von seinem Objekt nachstehendes Symptomenbild, 
welches mit seinen früheren Beobachtungen übereinstimmt. Ein 
sechs Jahre altes Pferd zeigt Dysphagie, hochgradige Abgeschlagen- 
heit, einen mangelhaften Nährzustand, Stomatitis, Hitze in der 
linken Parotisgegend. Fieber ist nicht vorhanden. Die vor¬ 
geschriebene Behandlung ist erfolglos; am dritten Tage der Beob¬ 
achtung geht da9 Pferd unter schweren dyspnoischen Erschei¬ 
nungen zu Grunde. Bei der Obduktion zeigte die linke Lunge 
eine hämorrhagische Schwellung und der linke Luftsack nach¬ 
stehende charakteristische Läsionen: Schleimhaut schwarzrot 
geschwollen und mit schleimig eiteriger Masse bedeckt. Auf 
dem Grunde des Luftsackes in der Nähe des Stylo-condyloid- 
raumes saßen drei Flecken von Zehncentstück- bis Penny große 
mit unregelmäßigen Rändern. Diese leicht erhabenen Flecken 
zeigten eine wellige, an einigen Stellen ziemlich lockere Ober¬ 
fläche, ein diphtherisches Aussehen und eine grauweiße Farbe. 
Außer entzündlichen Produkten und gewöhnlichen Bakterien ent¬ 
hielten die Veränderungen das Mycel und die Sporen eines Pilzes, 
welchen der Verfasser mit Aspergillus fumigatus identifiziert. 

Es ist nach dem vorstehenden Bericht bemerkenswert, daß 
die mykotische Affektion der Lnftsackschleimhaut nicht ganz 
selten ist und daß dieselbe auch bei jüngeren Pferden vorkommt. 
Beim Studium der Fachliteratur, die ich zum Zweck meiner 
Untersuchungen über die pathologischen Zustände der Pferde¬ 
tube anstellte (vgl. B. T. W. No. 41 und 42 d. Js.), ist mir nur 


No. 33. 


ein Fall dieser Art unter die Augen gekommen (Sequens). Das 
fragliche Pferd litt an Rachenentzündung und starb an gangrä¬ 
nöser Pneumonie, wie die Obduktion ergab. Das Vorhandensein 
der Aspergillusrasen auf der Luftsackschleimbaut wurde augen¬ 
scheinlich nur als nebensächlicher Befand betrachtet. Nazzantis 
Beobachtungen lassen es, nach dem mir zu Gebote stehenden 
Referat in der amerikanischen Zeitschrift, im Zweifel, ob die 
Dyspnoe, welche den Tod des Pferdes herbeiführte, eine Folge 
der Pilzwucherung in dem linken Luftsack war. Der Verf. 
nimmt an, daß diese Erkrankung von einer Stomatitis asper- 
gillina ausgegangen sei, welche sich von der Maulhöhle per 
continuitatem auf die Luftsackschleimhaut fortgesetzt habe. 
Dieser Zusammenhang ist aber nur möglich, wenn die Rachen¬ 
schleimhaut ebenfalls durch den Krankheitsprozeß mit er¬ 
griffen wurde. Die Annahme einer Pharyngitis würde auch 
die beobachtete Dysphagie leicht erklären. Andererseits könnte 
dieselbe allerdings, ebenso wie die Dyspnoe, durch den Druck 
verursacht worden sein, welchen in den Lufcsäcken angesammelte 
Entzündungsprodukte auf Pharynx und Larynx ausübten. Der 
Autor bemerkt im allgemeinen, daß die Erscheinungen durch 
einen mechanischen Einfluß infolge der Entzündung zustande 
gekommen sein dürften, eine Erklärung, die beim Leser eine 
rechte Befriedigung nicht zurückläßt. Peter. 

Über die Genese und Behandlung der Gebärparese. 

Von Jose M. de Bar ros jun. 

iltcvixU <k> Med. Vet Portng. 1<'03. 8. 58-55). 

I)e Barros findet in seinen theoretischen Erwägungen über 
die (icnese der Gebärparese nur zwei von den existierenden 
Hypothesen diskutabel, nämlich die, welche eine auf das 
Euter beschränkte Toxinwirkung, und die, welche Vergiftung 
durch die Stoft'wechselprodukte eines Mikroorganismus als 
Krankheitsursache annimmt. Eine Entscheidung zwischen 
diesen beiden sei noch nicht möglich und er hält vielmehr 
dafür, daß zunächst die Vorfrage zu erledigen sei, ob nicht 
unter dem Namen des sogen. „Kalbefiebers“ unrichtigerweise 
mehrere Krankheiten znsammengefaßt würden. — Von den 
bisherigen Behandlungsmethoden erkennt er der Schmidt- 
Koldingschen Jodkaliinfusion den Preis zu. Die Kunde von 
den Modifikationen, die dieselbe neuerdings erfahren hat, 
scheint noch nicht zu ihm gedrungen. Die einzige, aber 
glänzende Erfahrung, die er damit machte, veröffentlicht er 
im gleichen Artikel. Da die Beschreibung sehr anschaulich 
und anscheinend die erste derartige aus Portugal ist*), fügen 
wir sie an: 

„Eine Kuh erkrankte 24 Stunden nach der Geburt. Sie 
liegt seitdem dauernd in sterno-abdominaler Lage da, hält den 
Kopf über die rechte Schulter geneigt und verharrt in völlig 
comatösem Zustand, der zeitweilig durch wahre Halluzinationen 
unterbrochen wird. — Als ich am nächsten Tage kam, um das 
Tier wenden zu lassen, fand ich es im ganz gleichen Zustand 
vor, ungeachtet der Durchführung meiner Anordnungen. Da 
entschloß ich mich, meine Zuflucht einmal zu dem Verfahren 
von Schmidt zu nehmen und spritzte in jedes Euterviertel 
250,0 von einer Jodkalilösung, die ich durch Mischen von 
15,0 der Lösung mit 1 Liter gewöhnlichen Wassers und 
viertelstündiges Kochen nach der Vorschrift bereitete. 

*, Dieser und der vorausgegangene 1. Jahrgang der Zeitschrift 
enthält sonst keine Arbeit über dieses Thema. 


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525 


13. Angust 1903. 

Damit war ich um 10 ! / 2 Uhr fertig. Nach fünf 

Stunden kam ich wieder und wollte das Tier wenden 

lassen. Aber welche Wandlung! Dieses Tier, vor wenigen 
Stunden wie tot hingestreckt, teilnahmslos gegen seine Um¬ 
gebung, betrachtet jetzt sein Junges, setzt seinen Fuß auf, 
nimmt den Kopf nieder und stößt gegen den mich begleitenden 
Hund, der es hatte hindern wollen, seinem Jungen sich zu 
nähern. Es beleckt sich, fröstelt etwas, zeigt dann aber 

normale Körpertemperatur, sein Blick bekommt wieder Glanz. 
Der Appetit kehrt zurück, allmählich auch die Milchergiebig¬ 
keit bis sie ihre frühere Höhe von 17 Litern pro Tag 

erreicht hat.“ 

,,Die Beobachtung dieser Tatsache zeigt und beweist, daß 
die statistischen Nachrichten über die Wirkung des Ver¬ 
fahrens von Schmidt wirklich wahr und unbestreitbar sind.“ 

0. Alb recht. 


Tagesgeschichte. 

Bericht über die 3. Wanderversammlung des Vereins 
beamteter Tierärzte Preußens in Hannover vom 19. bis 
21. Juni 1903.*) 

Der Einladung des Direktoriums der deutschen Landwirtschafts¬ 
gesellschaft Folge leistend, wohnten die Delegierten des Vereins 
beamteter Tierärzte Preußens am 18. Juni d. J. sowohl der feier¬ 
lichen Eröffnung der 17. landwirtschaftlichen Wanderausstellung in 
Hannover, als auch dem offiziellen Empfang Sr. Majestät Kaiser 
Wilhelms II. auf der Mitteltribüne am großen Ring des Ausstellungs- 
platzes bei. 

Diese dem Verein zu teil gewordene Ehrung wurde von den 
Delegierten, Vorstandsmitgliedern Dr. Fröhner-Fulda und Dr. 
Meyner-Pyritz um so mehr empfunden als die Zahl der Gäste auf 
der Mitteltribüne, besonders beim Empfang Sr. Majestät eine relativ 
geringe war. Der Verein wird es besonders mit Rücksicht auf die 
bevorstehende kreistierärztliche Reform freudig begrüßen, daß die 
deutsche Landwiitschaftsgesellschaft ihre Anerkennung für die 
Tätigkeit der beamteten Tierärzte hierdurch wiederum zum Ausdruck 
gebracht hat. 

Die landwirtschaftliche Ausstellung in Hannover stand unter 
einem günstigeren Stern als die vorjährige in Mannheim; wenn 
auch hin und wieder kurze Regenschauer niedergingen, so wurde 
dadurch doch weder die Feststimmung, noch der Fremdenzuzug 
beeinflußt. Das reichhaltige Programm des V. b. T. Preußens leitete 
am 19. Juni, nachmittags 5 Uhr der hochinteressante Vortrag des 
Geheimen Oberregierungsrats Dr. Lydtin-Baden-Baden „Über Aus¬ 
wahl der männlichen Zuchtrinder“ ein. 

Der mehrstündigo Vortrag, welcher das Thema in ergiebigster 
und fesselndster Weise erschöpfte, wird allen Vereinsmitgliedern mit 
Erlaubnis des Vortragenden als Sonderabzug zugehen. 

Referent hob die außerordentliche Wichtigkeit einer sorgfältigen 
und strengen Auswahl der männlichen Zuchttiere hervor und ent¬ 
hüllte den zahlreich erschienenen Mitgliedern des Vereins den reichen 
Schatz seiner praktischen Erfahrungen auf diesem, für alle Tierärzte 
so überaus wichtigen Gebiete. Unter anhaltendem Beifall drückte 
am Schluß Kollege Thunecke-Kalbe dem Vortragenden im Namen 
des Vereins seinen wärmsten Dank aus. 

Für die Veranstaltungen des V. b T. hatte Herr Geheimer 
Regierungs- und Medizinalrat Professor Dr. Dam mann in entgegen¬ 
kommendster Weise den Hörsaal des hygienischen Instituts zur 
Verfügung gestellt und füllten die Zuhörer den schönen Raum fast 
bis zum letzten Platz aus. 

Der Freitagabend vereinigte einen großen Teil der Vereins¬ 
mitglieder, sowie eine Anzahl von Gästen zu einem zwanglosen 
Beisammensein im Hotel Hartmann am Ernst Augustplatz. 

*) Eingesandt am 6. August. 


Sonnabend vormittag versammelten sich die Festteilnehmer bei 
Stand I der Rinderabteilung, zu deren Demonstration Herr Geheimer 
Regierungsrat Professor Dr. Werner-Berlin sich wiederum in liebens¬ 
würdiger Weise erboten hatte. Derselbe machte in seinen hoch¬ 
interessanten Ausführungen in erster Linie auf die Gebirgs- und 
Höhenschläge aufmerksam, die zum großen Teil in bemerkenswerten 
Kollektionen vertreten waren; er wies dabei auf die Vorzüge der 
verschiedenen Schläge hin, die zwar in ihren Einzelleistungen — be¬ 
sonders hinsichtlich der Milchproduktion — nicht annähernd die 
Niederungsrassen erreichen, aber trotzdem eine nicht zu verachtende 
Gesamtleistung erzielen und daher besonders für rauhe Gebirgs¬ 
gegenden unentbehrlich sind. Der Vortragende wies an der Hand 
der Ausstellungsmaterialien nach, daß eine zu starke Kreuzung der 
einheimischen Höhenschläge mit Shorthornblut die Gesamtleistung 
ungünstig beeinflusse, die Züchter seien daher zum Teil wieder zu 
der ursprünglichen Zuchtrichtung zurückgekehrt, wie z. B. beim 
Harzer Rotvieh, das jetzt wieder nahezu rein gezüchtet werde. 

Herr Geheimrat Werner machte unter anderem auch auf die 
prachtvolle Kollektion der Herdbuchgesellschaft des Kreises Bieden¬ 
kopf (Hessen-Nassau) für das Vogclsberger Rind aufmerksam, welches 
bei guter Fleisch- und Milchproduktion eine erstaunliche Arbeits¬ 
leistung entfalte. 

Inbetreff der außerordentlich verschiedenen Zuchtrichtungen 
der einzelnen Herdbuchgesellschaften und sonstigen Züchterver¬ 
einigungen für die Höbenschläge erklärte es der Vortragende für 
durchaus berechtigt, daß jede Zuchtrichtung an den von ihnen 
für richtig erkannten Zuchtprinzipien festhalte, da einesteils die 
klimatischen Verhältnisse unverkennbare Einwirkung auf Abzeichen 
und Pigmentierung hätten, andererseits z. B. bei Überfeinerung am 
einfarbigen Vieh weiße Abzeichen, ja selbst scheckige Zucht¬ 
produkte entständen, die mit Recht vom Züchter ausgemerzt 
würden. Die Tieflandschläge waren naturgemäß außerordentlich 
zahlreich vertreten und zeigten eine Fülle so hervorragenden 
Materials aus den verschiedenen Zuchtgebieten Deutschlands, daß 
es sich erübrigt, näher darauf einzugehen. 

Ein besonderes Interesse erweckten noch die Züchterverbände, 
die erst im letzten Jahrzehnt energisch für die Verbesserung der 
alten Tieflandschläge eingetreten sind und es doch, wie z. B. die 
Prignitzer Herdbuchgesellscbaften, verstanden haben, erfolgreich 
mit den altbewährten Stammzüchtereien in Wettbewerb zu treten. 
Es ist dies ein Zeichen, daß bei richtiger Auswahl des Zucht¬ 
materials und besonders bei Verwendung hervorragender männlicher 
Zuchttiere in relativ kurzer Zeit bemerkenswerte Zuchterfolge zu 
erzielen sind. Die wertvollen Winke, die Herr Geheimrat Werner 
an die Besprechung und Beurteilung des Ausstellungsmaterials in 
züchterischer Hinsicht knüpfte, riefen bei den sachverständigen Zu¬ 
hörern umsomehr ungeteilteste Befriedigung hervor, als sie schon 
durch den glänzenden Vortrag des Herrn Geheimrats Lydtin die 
denkbar beste Anregung erfahren hatten. 

Nachmittags 2 Uhr fand sich die Korona wiederum im Hörsaal 
des Hygienischen Instituts zu dem Vortrag des Herrn Geheimrats 
Damm an n „Über Regelung des Abdeckereiwesens“ ein. 

Referent hob hervor, daß Abdeckerprivilegien nur in Preußen 
und Mecklenburg-Slrelitz beständen, daß in großen Teilen des 
Deutschen Reiches Abdeckereien gänzlich fehlten, und daß die 
sogenannten Wasenplätze in sanitärer und veterinärpolizeilicher 
Beziehung völlig unzureichend seien; nicht viel besser sei leider 
auch der Betrieb in den privilegierten Abdeckereien mit ihren ein¬ 
fachen und durchaus ungenügenden Einrichtungen. Eine genügende 
Ausstattung und Kontrolle der Abdeckereien besteht einzig und 
allein in Baden — infolge des verdienstvollen Eintretens von Lydtin. 

Der Herr Vortragende bezeichnet eine vollständige Neuregelung 
des Abdeckereiwesens als dringendes Erfordernis, dieselbe sei je¬ 
doch nicht durch Verordnungen, sondern nur auf gesetzlichem Wege 
anzustreben. Für diese Reform macht er folgende Vorschläge: 

1. Ablösung aller Abdeckereiprivilegien. 

2. Verarbeitung der Kadaver ausschließlich in geschlossenen 
Apparaten bis zum vollständigen Verfall. 

3. Zahlung einer Vergütung an die Besitzer der gefallenen 
Tiere. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 33. 


4. Bildung von Abdeckereibezirkon. 

5. Eventuell Staatszuschüsse zur Einrichtung von Abdeckereien. 

Nach Beendigung der äußerst lehrreichen und eingehenden Aus¬ 
führungen dankt Kollege Thunecke unter lebhafter Zustimmung 
der zahlreich erschienenen Vereinsmitglieder dem Herrn Geheimrat 
Damm an n in warmen Worten. 

Auch dieser Vortrag wird allen Mitgliedern als Sonderabzug 
zugehen. 

Am Sonnabend abend fand im Hotel zu den vier Jahreszeiten 
unter großer Beteiligung ein Festessen des Vereins statt, das in 
äußerst angeregter Stimmung verlief. 

Außer einem reichen Damenflor waren von den eingeladenen 
Ehrengästen die Herren Geheimräte Lydtin, Dam mann, Werner 
und Esser, die Herren Professoren Arnold, Boether, Eberlein, 
Frick, Malkmus und Tereg erschienen. 

Kollege Thunecke-Kalbe brachte ein mit Begeisterung anf- 
genommenes Hoch auf Se. Majestät Kaiser Wilhelm II., den Er¬ 
halter des Friedens, den Förderer der Kunst und Wissenschaft und 
aller produktiven Tätigkeit aus, der auch uns Tierärzten seine 
väterliche Fürsorge angedeihen lasse; Dr. Fröhncr-Fulda toastete 
auf die Gäste und Weber-Soagel auf die Damen. Alsdann ging 
Herr Geheimrat Lydtin in einer längeren, sehr beifällig auf¬ 
genommenen Rede auf die Tätigkeit des Vereins beamteter Tier¬ 
ärzte ein. Er hob besonders hervor, daß der Verein nach seiner 
Überzeugung auf dem rechten Wege sei. Der grade Weg sei der 
beste, wenn er auch nicht immer auf ebener Bahn, sondern auch 
über Berge und das Joch der Pflichterfüllung führe. Der von dem 
Verein angebahnte engere Anschluß an die deutsche Landwirtschaft 
sei als besonders glücklicher Griff zu bezeichnen und werde auf 
seiten der Landwirte stets wohlwollende Anerkennung finden. Die 
beamteten Tierärzte müßten jedoch stets eingedenk sein, daß ihre 
Tätigkeit nicht ausschließlich auf dem Gebiete der Seuchentilgung 
liege, sondern daß andere ebenso wichtige Fragen ihrer Mitwirkung 
harrten. Herr Geheimrat Lydtin schließt mit einem Hoch auf 
den Verein und dessen Vorstand. 

Die festliche Veranstaltung in den vier Jahreszeiten bildete 
den eigentlichen Abschluß der diesjährigen Wanderversammlung, 
da ein großer Teil der Kollegen Hannover schon wieder verlassen 
und den heimischen Penaten zustreben mußte. 

Die wenigen, die in der glücklichen Lage waren, den Urlaub 
noch etwas ausdehnen zu können, fanden sich am Sonntag morgen 
in der Tierärztlichen Hochschule ein, um die einzelnen Institute 
derselben unter sachverständiger Führung nochmals zu durch¬ 
wandern. Herr Professor Malkmus hatte die Liebenswürdigkeit, 
den versammelten Kollegen alle Sehenswürdigkeiten der neuen, 
schönen Hochschule aufs eingehendste zu erklären. 

Die zahlreichen Neuerungen auf dem Gebiete der Tierhygiene, 
die hervorragenden Sammlungen, sowie die ebenso praktische, als 
reiche Ausstattung der verschiedenen Institute und Laboratorien er¬ 
weckten bei den Zuhörern lebhaftes Interesse. 

Wenn es nun zum Schluß gestattet ist, einen kurzen Rück¬ 
blick auf die Veranstaltungen der dritten Wanderversammlnng des 
V. b. T. zu werfen, so kann mit Genugtuung konstatiert werden, 
daß dieselben in jeder Hinsicht gelungene waren und daß wohl 
jeder Festteilnehmer hochbefriedigt Uber die Fülle des Interessanten 
und Wissenswerten Hannover verlassen hat. 

Allerdings war die alte Weifenstadt mit ihren monumentalen 
Prachtbauten und herrlichen Anlagen, besonders geeignet, als An¬ 
ziehungspunkt zu dienen. Eine weitere schöne Erinnerung werden 
noch diejenigen Kollegen mitgenommen haben, denen es vergönnt 
war, den herrlichen Ausflugsort Herrenhausen mit dem Weifenpark 
und der Technischen Hochschule aufzusuchen, ferner den Berg¬ 
garten mit dem Palmenhaus, den im französischen Stil angelegten 
großen Garten, sowie endlich Eilenrinde und Zoologischen Garten. 

Die nächste landwirtschaftliche Wanderausstellung wird in 
der alten Hansestadt Danzig stattfinden und wird sich hoffentlich 
auch dort das immer mehr anwachsende Interesse der Mitglieder 
des V. b. T. in einer recht zahlreichen Beteiligung betätigen. Also 
auf Wiedersehen in Danzig. 

Thunecke, Vorsitzender. Dr. Meyner, Schriftführer. 


Bericht über die 45. Sitzung des tierärztlichen Vereins 
in Westpreußen am 7. Juni 1903 zu Danzig. 

In der sehr gut besuchten Sitzung sind als Gäste zahlreiche 
Militärkollegen und zur allgemeinen Freude auch das jüngste Ehren¬ 
mitglied des Vereins, Professor Dr. Schmaltz, erschienen. Der 
Vorsitzende, Departementstierarzt Preuße, hebt hervor, daß wir 
in dem oft vernachlässigten Osten zum ersten Male seit 26 Jahren 
den Vorzug haben, ein auswärtiges Ehrenmitglied des Vereins und 
den Professor einer unserer Hochschulen in einer Sitzung begrüßen 
zu können. Professor Dr. Schmaltz spricht seinen Dank aus für 
die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft und die ihm übersandte 
Urkunde und verspricht die Parität zwischen Ost und West zu 
wahren und nach besten Kräften sich an nnserm Verein zu beteiligen. 

Nach Mitteilung der eingegangenen Schriftstücke wird die 
Vorstandswahl auf die Tagesordnung gesetzt. 

Der Kassenbericht ergibt für die Vereinskasse einen Bestand 
von 544,29 M., für die Sterbekasse 1056,89 M. Es wird beschlossen, 
das Sterbegeld auf 150 M. zu erhöhen. 

Für den Stipendienfond werden 100 M. bewilligt Professor 
Schmaltz fordert zu weiteren persönlichen Zeichnungen für den 
Fond auf, und berichtet, daß 60 Studierende in Deutschland nach 
Einführung der Maturitas im ersten Semester immatrikuliert sind. 
Diese Zahl ist größer als man für den Anfang erwartet hat. 

Als neue Mitglieder werden aufgenommen Jagodzinski- 
Goßlershausen, Opalka - Garnsee, Möller - Neumark, F ritsch- 
Kulmsee, König-Thiergart 

Der Vorsitzende wird beauftragt einen Vertrag mit der Unfall¬ 
versicherungs-Gesellschaft zu Winterthur betr. Unfall- und Haftpflicht¬ 
versicherung abzuschließen. 

Betreffs eines Kursus für Schlachthofiierärzte wird der Vor¬ 
sitzende nach vorheriger Anfrage bei Professor Dr. Ostertag das 
Weitere veranlassen. 

Departementstierarzt a. D. Winkler wird zum Ehrenpräsidenten 
und an seiner Stelle zum zweiten Vorsitzenden Departementstierarzt 
Jakob, der übrige Vorstand wird durch Zuruf wiedergewählt: 
Departementstierarzt Preuße erster Vorsitzender, Felbaum 
Schriftführer, Görlitz Kassierer. 

Kreistierarzt Dr. Zernecke berichtet über die Serumbehandlung 
der Schweinesouche. Es wurde das polyvalente Serum angeyendet. 
In einigen Fällen hörten die Verluste nach der Impfung sofort auf, 
in andern Fällen gingen bis 2 /a der Schweine trotz der Impfung 
ein. Id mehreren Fällen wurden Organe eingescbickt zur Prüfung, ob 
das Serum in dem vorliegenden Falle wirkt. Die Prüfung dauert 
aber 3 Wochen, und wenn die Seuche bösartig auftritt, verlangt 
der Besitzer den Versuch, durch die Impfung zu helfen und wartet 
das Resultat nicht ab. In der Diskussion wird von vielen Seiten 
über große Verluste trotz der Impfung berichtet Es wird allgemein 
empfohlen, nicht die großen Schweine, sondern nur die neugeborenen 
Ferkel zu impfen. Dr. Zern ecke hat in großen Mästereien, deren 
Bestand durch Ankäufen ergänzt wird, die neu gekauften Schweine 
in einer Baracke isoliert, gegen Rotlauf mit der doppelten Dosis 
Kultur geimpft. Hierauf reagierten die mit Scbweincseucbe 
behafteten Tiere, sie wurden abgeschlachtet und die übrigen 
blieben gesund. 

In dem Prozeß gegen den Kurpfuscher Glas, der in Zeitungen 
anzcigt, er heile alle Fälle von Kolik und Druse mit homöopathischen 
Mitteln, hat das Oberlandesgericht das freisprechende Urteil der 
Strafkammern verworfen und die Sache an die Strafkammer zurück¬ 
verwiesen. Auch diesmal erfolgte Freisprechung, weil der An¬ 
geklagte, nach Annahme der Strafkammer, in gutem Glauben ge¬ 
handelt hat. 

Es soll nunmehr auf Grund des § 1 des Gesetzes betr. die 
Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes gegen den Glas vor¬ 
gegangen werde. Die Versammlung erteilt hierzu die Genehmigung. 

Professor Schmaltz hebt hervor, daß die uns am meisten 
schädigende Pfuscherei von den Apotheken ausginge. Zur 
Bekämpfung der Pfuscherei wird eine Kommission gewählt, 
bestehend aus den Kollegen: Werner, Jostes, Tiede, 
Dr. Zern ecke. Die Mitglieder sind ersucht, den Genannten ein¬ 
schlägiges Material mitzuteilen. 


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13. August 1903. 

Die Besprechung des Fleischschaugesetzes wird auf die nächste 
Tagesordnung gesetzt. Die nächste Sitzung findet in Danzig statt 
Nach der Sitzung erfolgte mit den Damen des Vereins eine etwas 
„windige“ Dampferfahrt nach Zoppot und gemeinschaftliches Essen 
im Kurhause. In fröhlicher Stimmung blieb alles bis zu den letzten 
Zügen zusammen. 

Preuße, Schriftführer. Felbaum, Vorsitzender. 

Verkauf der ärztlichen Praxis. 

In No. 9, pg. 150 der B. T. W. waren 3 Oberlandesgerichts- 
entscheidungen mitgeteilt über die Frage, ob der Verkauf der 
ärztlichen Praxis deshalb rechtsungültig sei, weil ein solcher 
Verkauf gegen die guten Sitten verstoße. Das Oberlandesgericht 
zu Braunschweig hatte ein derartiges Geschäft für unzulässig 
erklärt, wobei aber auf eine entsprechende Bestimmung der 
Standesordnung für Ärzte im Herzogtum Braunschweig Bezug 
genommen war. Die Oberlandesgerichte zu Zweibrücken 
(28. 11. 98) und Posen (26. 9. 02) hatten entgegengesetzt 
entschieden. 

Diesen beiden Entscheidungen gesellt sich noch eine dritte 
hinzu. Das Oberlandesgericht zu Breslau hat am 22. 12. 02 den 
Verkauf einer ärztlichen Praxis für rechtsgültig erklärt und den 
beklagten Arzt verurteilt, die eingegangene Verpflichtung (Zahlung 
von 600 M.) zu erfüllen. Das Berl. Tagebl. teilt aus den Ent¬ 
scheidungsgründen folgendes mit: „ .... Ein solcher Vertrag 
mag von vielen Berufsgenossen des Beklagten als mit dem An¬ 
sehen des Standes nicht vereinbar mißbilligt werden. Der 
Beklagte selbst hat beim Vertrags Schlüsse diese Anschauung 
nicht vertreten. Die in erster InBtanz beigebrachten Statuten 
der Fachverbände wie die Disziplinarentscheidung des Kultus¬ 
ministers ergeben nur, daß die Ehrbegriffe innerhalb des ärzt¬ 
lichen Standes in diesem Punkte einer Festlegung bedürfen, daß 
also von vornherein nicht einmal die Berufsgenossen der Parteien 
selbst darüber einig und zweifelsfrei sind, ob das entgeltliche 
Überlassen der ärztlichen Praxis gegen die Standesehre ver¬ 
stößt. Umsoweniger kann daher die in den Statuten der ärzt¬ 
lichen Berufsverbände niedergelegte Auffassung die Bedeutung 
beanspruchen, daß darin beurkundet ist, was im allgemeinen als 
sittenwidriges Verhalten im Sinne des § 138 des Bürgerlichen 
Gesetzbuches zu gelten hat. ... Dem Richter liegt im einzelnen 
Falle die Entscheidung ob, ob das Rechtsgeschäft einen Verstoß 
in diesem Sinne darstellt. Dies hat das Berufungsgericht im vor¬ 
liegenden Falle verneint. Es hat dabei erwogen, daß erfahrungs¬ 
gemäß durch die Standesehre häufig etwas untersagt wird, was 
an sich nichts Anstößiges, nichts des Rechtsschutzes Unwürdiges 
enthält....» 

Untersuchungspflichtlgkelt der Hausschlachtungen. 

Im Herzogtum Anhalt ist durch Einführungsgesetz zum 
Reichsfleischschaugesetz bestimmt, daß auch die Hausschlach¬ 
tungen der Beschau nach dem Schlachten unterliegen. Die Be¬ 
stimmung tritt am 1. April 1905 in Kraft. 

Ehrung. 

Der tierärztliche Kreisverein von Schwaben und Neuburg 
ernannte auf seiner 58. Generalversammlung in Augsburg den 
Tierarzt Schmid-Kolding zum Ehrenmitglied „im Hinblick 
auf seine Erfolge in Behandlung der Eclampsia puerperalis beim 
Rind, welche Erkrankung vorzugsweise im Allgäu alljährlich 
große Opfer forderte, die jetzt durch seine Therapie gerettet 
werden.» (W. f. T. u. V. 1903, Nr. 28.) 


527 


Studentisches. 

Auf seiner letzten Verbandstagung beschloß der Kyffhäuser- 
Verband der Vereine Deutscher Studenten den an der Tierärzt¬ 
lichen Hochschule zu Hannover neu gegründeten V. D. St. zu¬ 
nächst für zwei Semester aufzunehmen. 

Unfallversicherung. 

Der Allgemeine deutsche Versicherungsverein zu Stuttgart 
hat die B. T. W. ersucht, in bezug auf den Artikel des Herrn 
Kreistierarzt Sahner folgendes zu veröffentlichen. 

Hit der Frage, inwieweit Blutvergiftungen bei den Herren 
Ärzten und Tierärzten in die Unfallversicherung einbegriffen werden 
können, haben sich schon sämtliche Unfallversicberungs- Gesell¬ 
schaften auf das eingehendste beschäftigt. 

Sie sind auf Grund ihrer Erfahrungen ausnahmslos zu der 
Überzeugung gelangt, daß in Betracht der Prämien, welche für 
die Unfallversicherungen erhältlich sind, die Entschädigungspflicht 
von dem Vorhandensein einer äußeren Verletzung abhängig 
gemacht werden müsse. Diese äußere Verletzung muß aber nach- 
gewiesen sein; die bloße Vermutung, daß eben deshalb, weil eine 
Infektion vorhanden ist, die Krankheitserreger durch unsichtbare 
Läsionen der Haut eingedrungen seien, genügt nicht und zwar 
deshalb nicht, weil ein Eindringen der Krankheitserreger in den 
Körper auch ohne eine solche Läsion möglich ist. 

Wollten die Gesellschaften, wie es von seiten der Herren Ärzte 
schon früher angestrebt worden ist, von dem Nachweis der äußeren 
Verletzung absehen und schlechtweg alle Infektionen, welche sich 
die Versicherten vermutlich oder wahrscheinlich in ihrem Beruf 
zugezogen haben, decken, dann würden sie damit nicht allein das 
Gebiet der Unfallversicherung verlassen, sondern auch Prämien 
nötig haben, welche die bisher gezahlten um ein mehrfaches über¬ 
schreiten. Solange aber den Gesellschaften solche Prämien nicht be¬ 
willigt werden, müssen sie ihre Schadenersatzpflicht, wie geschehen, 
beschränken. Daß sie bei dieser Beschränkung aber immerhin noch 
erhebliche Summen zu bezahlen haben, geht aus dem Umstand 
hervor, daß der Allgemeine Deutsche Versicherungsverein im 
Jahre 1902 an Tierärzte, die bei ihm gegen Unfall versichert sind, 
allein über M. 26 000 als Entschädigung zu vergüten und für noch 
schwebende Fälle zu reservieren hatte, während die für diesen Zeit¬ 
raum von Tierärzten gezahlten Prämien 24 000 M. betrugen. 

Die vielseitige Teplitzer Polizei. 

Der in den letzen Tagen vielgenannte Polizeikommissar 
Läufer in Schwelm, der behufs Orientierung über die Polizei- 
hundverhältnisse vom preuß. Ministerium des Innern nach Lüttich 
in Belgien geschickt wurde, entrollt über die vielseitige Tätig¬ 
keit der Polizei in Teplitz nachstehende Details. Er fügt daran 
die Aufforderung an die verschiedensten Zeitungen, seine Wahr¬ 
nehmungen nachzudrucken und läßt dabei die Hoffnung durch¬ 
schimmern, daß auch bei uns im Reich der Polizei genehme 
Gebiete, die ihr absolut ferne liegen, zugewiesen würden. 

Zunächst macht er darauf aufmerksam, daß in der polizei¬ 
gesegneten Stadt Teplitz bereits auf 540 Einwohner (gegen 
1500—2000 bei uns) ein Polizist käme. Er geht ferner auf die 
allgemeine Tätigkeit der Polizei ein, beschreibt die Sicherheits¬ 
bureaus und erörtert die dortige Anwendung des Bertilion¬ 
verfahrens. Nun geht’s auf den Sanitätsdienst über. Die Schutz¬ 
leute erhalten wöchentlichen Unterricht hierin; sie werden in 
den Arzneimitteln unterwiesen und tragen diese stets bei sich. 
Außerdem haben zwei Schutzleute einen Marktkommissarkursus 
in Wien durchgemacht und geben sich als Marktrevisoren aus. 
Das Amtszimmer in Teplitz ist nach der Beschreibung ein 
„wirkliches Laboratorium», denn die Polizisten entnahmen nicht 
allein Nahrungsmittel, sondern sie untersuchten auch mit dem 
Mikroskop und ähnlichen Instrumenten und machten dadurch 
den Fachmann entbehrlich. Die beiden in lange Leinen- 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 33. 


528 


mäntel gekleideten Polizeimänner waren gerade beschäftigt, 
Wein, Butter und Milch zu untersuchen, als Läufer sie besuchte. 
Aber auch Milzbrandbazillen (sic!), die sie gefunden, zeigten sie 
vor. Des Morgens ziehen sie je mit einer schwarzen Tasche 
umgürtet los. In den darin angebrachten Hülsen befinden sich 
eine ganze Anzahl leerer Flaschen, in die sie die entnommenen 
Milchproben gießen. Die Untersuchung dieser Milch ist dann nicht 
eine vorläufige, wie bei uns, sondern eine endgültige, den Polizei¬ 
tierarzt entbehrlich machende. So kontrollieren sie auf dem 
Markte täglich Fleisch und Milch. Läufer nennt diese Tätig¬ 
keit, die so vielseitig für den Polizeimann ist, eine ideale. 

Selbstverständlich untersuchen die Teplitzer Schutzleute 
auch Bier und die Bierleitungen. Wenn dabei recht ausgiebige 
Proben entnommen werden können, werden die Teplitzer Schutz¬ 
leute letztere Tätigkeit dem Bazillenfang gewiß vorziehen. —x. 

Personalien. 

Wohnsltzverfinderung : Tierarzt F. Domheim ist von Meissen nach 
Großenhain i. Sachsen verzogen. 

Examina: Promoviert wurde Tierarzt Rautmann in Halle a. 8. 
znm Dr. phil. in Bern; E. Kuhn in Ellerstadt zum Dr. med. vqt. 
ebenda; Fritx Tnuehert in Pasewalk zum Dr. vet. med. in Gießen. — 
Das Examen als beamteter Tierarzt bestanden in Berlin die 
Tierärzte: Max Wolfram und Walter Majeieski aus Berlin; Oskar 


Heinemann aus Pölitz i. P.; Paul Oebhardt aus Remscheid; Waldemar 
Heyne aus Barth; Paul Jjuehhau aus Berlin und die Roßärzte: 
Fr. PilUcal aus Insterburg; Wilh. Kölling aus Berlin; Oeorg Schmidt 
aus Tempelhof. — Approbiert wurde in Berlin: Wilhelm Saaky. 

in der Armee: Befördert: Unterroßarzt in der Schutztruppe 
von Deutsch-SUdwestafrika Hörauf zum Roßarzt; zu Unterro߬ 
ärzten die M.-R.-Eleven: Krack im Feld-Art.-Rgt. Nr. 74; Woggon im 
Drag.-Rgt. Nr. 15; zum einj.-freiw. U.-R. der Einj.-Freiw. Braun im 
Feld-Art.-Rgt. Nr. 62. — Versetzt wurden die R.-Ä. Biermann vom 
Feld-Art.-Rgt. Nr. 69 zum Feld-Art.-Rgt. Nr. 70; Kellner vom Hus.- 
Rgt. Nr. 8 zum Ulan. Rgt. Nr. 11; die U.-R.-Ä Krynitx vom Hus.- 
Rgt Nr. 12 zum Feld-Art.-Rgt. Nr. 69; Preller vom Ul.-Rgt. Nr. 4 
zum Hus.-Rgt. Nr. 12; Schonart vom Drag.-Rgt. Nr. 7 zum Feld- 
Art.-Reg. Nr. 23; R.-A. Jarmaix vom Feld-Art.-Rgt. Nr. 70 zum 
Train-Bat. Nr. 16; R.-A. Loske vom Feld-Art-Rgt. Nr. 10 zum 
Remontedepot Mecklenhorst. — Im Beurlaubtenstand: R. der 
Landw. Lery zum O.-R.-A. befördert; Tierarzt Seigel in Freuden¬ 
heim i. B. zum Leutnant der Landwehrinfanterie 1. A. 

Todesfälle: Stadttierarzt Max Manx zu Buchau in Württemberg. 


Vakanzen. (Siehe Nr. 32.) 

Neu hinzugekommen: Stolp in Pommern: Schlachthofdirektor. 
2400—3000 M. Wohnung, Feuerung, Pension. Meid. b. 10. Septbr. 
a. d. Magistrat. — Elbing: Schlachthof-Hilfstierarzt. 2000 M. Keine 
Privatpraxis. Meid, innerhalb 14 Tagen a. d. Magistrat. 

Besetzt sind die Stellen in Danzig, Teuchern, Stettin, Kassel. 


Der Deutsche Veterinärkalender für 1904 

wird, wie üblich, Ende August zur Versendung gelangen. Diejenigen Herren, welche denselben zu benutzen gewohnt sind, werden 
gebeten, dies zu beachten und etwa ihnen inzwischen zugehende andere Kalender nicht damit zu verwechseln. 

Aus dem Vorwort des neuen Jahrganges-kann folgendes hier angezeigt werden: Die umfassenden Veränderungen, welche 
schon im Vorwort des Jahrganges 1903 angekündigt waren, sind im neuen Jahrgang eingetreten. Zwar steht das neue Kreistier¬ 
arztgesetz und das neue Prüfungsreglement noch aus, aber die Fleischbeschangesetzgebung liegt abgeschlossen vor. Ihr mußte, 
da sie jetzt alle Tierärzte gleichmäßig interessiert, besondere Berücksichtigung zuteil werden und das schon im vorigen Jahrgang 
ihr gewidmete umfangreiche Kapitel hat daher von neuem ek^e Umarbeitung und erhebliche Erweiterung erfahren. Da aber all¬ 
gemein gewünscht wird, daß der Deutsche Veterinärkalender nicht dieker, sondern womöglich dünner werde, so hat die obige 
Stoffvermehrung den Anlaß zu einer radikalen Neuordnung des gesamten Stoffes gegeben, bei welcher zugleich Wünsche bezüglich 
der äußeren Gestaltung Berücksichtigung gefunden haben. Es ist durch diese Veränderungen möglich geworden, den Kalender um 
eine erhebliche Seitenzahl schlanker zu machen und trotzdem seine Reichhaltigkeit noch erheblich zu steigern. Das Format des 
Kalenders ist bei gleichbleibender Breite etwas erhöht und das Tagesnotizbnch ist, statt wie bisher in vier Quartalshefte, in zwölf 
ans wechselbare Monatshefte zerlegt worden. Außerdem ist das ganze Kapitel „Gebührenordnungen“ ans dem Kalender heraus¬ 
genommen. Es ist in zwei Teile zerlegt worden: „Preußische Gebührenordnung“ und „Gebühren in den Bundesstaaten exkl. 
Preußen“. Jeder Teil bildet jetzt ein dünnes selbständiges Heft, mit dem nach Belieben verfahren werden kann. Sie können 
dem Kalender eingefügt werden, wozu sich hinter der letzten Seite des festen Textes zwei Halter (ähnlich wie für das 
Tagesnotizbuch) befinden; oder sie können herausbleiben, oder, was das häufigste sein wird, man fügt nur das eine von 
beiden Heften, das preußische oder das andere, in den Kalender ein. Die erhebliche Verdünnung, welche durch alle diese 
Maßnahmen erreicht worden ist, hat ermöglicht, die Kapitel „Bakterien-Diagnostik“, „Analekten der Füttemngslehre“ und „Harn¬ 
untersuchung“, die vordem als Anhang des Personalverzeichnisses gegeben worden waren, auf vielfachen Wunsch wieder in den 
Kalender selbst zu übernehmen. Außerdem sind nen aufgenommen das preußische Ausführungsgesetz zum Reichsviehseuchen- 
gesetz und die PrüfungsVorschriften für Studierende. Die übrigen Kapitel sind wie stet« revidiert. Namentlich ist das Arznei¬ 
verzeichnis mit der kürzlich erschienenen neuen Auflage der Arzneimittellehre von Fröhner genau verglichen und dadurch wieder 
wesentlich verbessert worden. Geäußerten Wünschen entsprechend sind am Einband außer der Bleistiftöse noch ein Futteral 
für Füllfederhalter angebracht und das Zentimetermaß auf die Innenseite des Vorderdeckels gedruckt worden. Eine ganz besonders 
wesentliche Veränderung aber hat das Tagesnotizbuch erfahren. Die oben erwähnte Zerlegung in Monatshefte und die Er¬ 
höhung des Formats haben ermöglicht, für jeden Tag statt der bisherigen einen Seite zwei volle Seiten zu reservieren (der 
im Verlage von A. Hirschwald erscheinende Kalender bietet z. B. für jeden Tag nur eine halbe Seite). Von diesen beiden 
Seiten ist die eine zn einem vorschriftsmäßigen Tagebuch für Fleischbeschau mit entsprechendem Vordruck 
und Liniierung eingerichtet, während die andere für ärztliche Besuche und sonstige Notizen freibleibt. Wer viel Fleisch¬ 
schau ausübt, kann bequem auch eine zweite Seite pro Tag dazu ausnutzen, und andrerseits hindert der Vordruck nicht, die für 
die Fleischbeschau bestimmte Seite zu anderen Zwecken zu verwenden. Da von jetzt ab die überwiegende Mehrzahl der Herren 
Tierärzte mit Fleischbeschau bzw. Ergänzungsbeschau befaßt ist, so dürfte mit dieser Einrichtung, welche die Mitführung 
eines besonderen Fleischbeschautagebuches überflüssig macht, der Kalender einen sehr großen Vorteil bieten. 

Die Verlagsbuchhandlung Richard Schoetz. 

Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmaltz in Berlin. — Verlag und Eigentum von Richard 8choetx ln Berlin. — Druck von W. Büxenstein, Berlin. 


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Dl« , Berlin er TleHLratUeb« Woohanaehrlft* erscheint 
wOehentlleh Im Verlag« von Richard Sehoet* in 
Berlin, Lolaenatr. 66. Durch Jede« de ätsche Postamt wird 
dlecelbe rum Preis« ron M. 5,— vierteljährlich (M. 4,88 für 
die Wochenschrift, U Pf. für Bestellgeld) frei ins Haus 
geliefert (Deutsche Post-Zeitung«-Preisliste No. 110t, 
Oosterreichische No. 610, Ungarische No. 90.) 


Berliner 


Origtnalbeltrftge werden mit 60 Hk. für den Bogen honoriert 
Alle Manuskripte, Mitteilungen und redaktionellen An¬ 
fragen beliebe man su senden an Prof. Dr. Schmält«, 
Berlin, tlerlrztllche Hochschule, KW, Lulsen«trasse 66. 
Korrekturen, Reiensions-Exemplare und Annoncen da¬ 
gegen an die Verlagsbuchhandlung. 


Tierärztliche Wochenschrift 


Redaktion: 

Professor Dr. Schmaltz -Berlin 

Verantwortlicher Redakteur. 


De Bruln 

Dr. Jett 

KOhnau 

Dr. Lothes 

Nevermann 

Prof. Dr. Peter 

Peter« 

ProfeMor 

Krelstierarxt 

Sehlachthofdirektor 

Dapartementat 1 erarxt 

Krelitlerarzt 

Kreiatierarmt Departementatierarst 

Utrecht 

Cbarlottenburg. 

Cöln. 

Cöln. 

Bremervörde. 

Angermünüe. 

Bromberg. 


Preusse 

Dr. Boeder 

Dr. Schlegel 

Dr. Vogel 

Zündet 



Veterlnftraaaeaaor 

Professor 

Profeasor 

Landeatlerarst ▼. Bayern Krelatlerarxt 



Danzig. 

Dresden. 

Freiburg i. Br. 

München. 

Mülhausen i. E. 



Jahrgang 1903. J\/g. 34 . Ansgegeben am 20. August. 


Inhalt: Zobel: Einfluß der Geschlechtsdrüsen auf Körperform und Gestaltung der Hörner beim Rinde; gleichzeitig 
ein Beitrag zur Diagnose der Sterilität bei der Kuh. — Jackschath: Zur Therapie der Malaria des Rindes. — 
Schmaltz: Bemerkung zu den Artikeln der Herren Schiel und Dr. Eberlein. — Piatschek: Zur Schweineimpfung. 
— Referate: Rauscher: Apomorphinum hydrochloricum bei Behandlung der Lecksucht. — de Haan und Hoogkamer: 
Hyphomycosis destruens equi. — Fuchs: Ein Fall von Druse. — Scott: Ein interessanter Fall von Haematuria renalis als 
Folge der Umbilicalinfektion beim neugeborenen Füllen. — Kleine Mitteilungen. — Jeß: Wochenübersicht über die medi¬ 
zinische Literatur. — Tageagetohlohte: Allerlei aus der Fleischbeschau. — Verschiedenes. — Bücheranzeigen und Kritiken. 


Einfluss der Geschlechtsdrüsen auf Körperform und 
Gestaltung der Hörner beim Rinde; gleichzeitig ein 
Beitrag zur Diagnose der Sterilität bei der Kuh. 

Von 

Dr. med. vot. Zobel-Netzschkau. 

Das Rind, das durch die Abbildung wiedergegeben ist, 
wurde am 21. Juli 1903 im Fleiscbbeschaubezirke Netzsch¬ 
kau zur Schlachtung angemeldet; es 
war eine im guten Nfthrzustande befind¬ 
liche gelbscheckige Kalbin im Alter von 
2y 2 Jahren, angehörig dem bayerischen 
Landschlage. 

Bei der Untersuchung vor der Schlach¬ 
tung mußte sofort die verschiedene Be¬ 
schaffenheit der Hörner auffallen. Das 
rechte Horn hatte die ausgesprochene Form 
des Hornes eines jungen Ochsen (auf dem 
Durchschnitt an der Hornwurzel oval), das 
linke Horn hingegen hatte die ausgesprochene 
Form des Hornes einer jungen Kuh (auf 
dem Durchschnitt an der Hornwurzel rund¬ 
lich). Näher betrachtet glich auch die Kopf¬ 
bildung und Körperform mehr der eines 
Ochsen. Die Kalbin hatte weiterhin eine 
stark ausgesprochene Nabelfalte, die rück¬ 
wärts bis zum Euter reichte und am Nabel 
einen kleinen Haarbüschel aufwies; von 
einem oberflächlichen Beobachter konnte die 
Nabelfalte daher leicht für einen Schlauch 
angesehen werden, und der Besitzer glaubte 
in Wirklichkeit auch, einen Zwitter vor sich 
zu haben. Das Euter war klein, fleischig, fest; von den vor¬ 
handenen vier Zitzen waren die beiden vorderen 2—3 cm lang 
und ohne Strichkanal, die beiden hinteren 4 cm lang und mit 

Berichtigung. 

In dem Bericht über die Rotlaufimpfungen in Württemberg sind zwei 
Zahlen durch Ansfallen des Kommas entstellt worden. Am Schloß des 
Artikels pg. 482 muß es selbstverständlich heißen: im dritten Absatz, erste 
Zeile 147,218 Liter und desgl. im vierten Absatz, erste Zeile 6,460 Liter. 


einem Strichkanal versehen. Die Scham war klein und gut ge¬ 
schlossen, und ich hätte ohne größere Kraftanstrengung nicht 
mit der Hand in die Scheide eingehen können; durch Eindringen 
mit den Fingern konnte ich natürlich kein Resultat erzielen. 

Das Rind wurde gleich nach Beendigung der Lebendbeschau 
geschlachtet. Bei der Untersuchung des geschlachteten Tieres 
schien es, nachdem der Mastdarm abgeschnitten und mit den 
Därmen und dem Magen aus der Bauch¬ 
höhle entfernt worden war, für den ersten 
Augenblick, als ob jede Anlage einer Ge¬ 
bärmutter fehlte. In der Beckenhöhle lag 
nur die mäßig gefüllte Harnblase. Ich ließ 
deshalb durch den Fleischer After und Scham 
von der Haut aus umschneiden und von 
hier aus die Eingeweide der Beckenhöhle 
in ihrem Zusammenhänge herauspräparieren. 
Beim Aufschneiden zeigte sich nun, daß 
die Scheide ca. 8 cm von den Scham¬ 
lippen entfernt direkt hinter der Einmün¬ 
dung der Harnröhre blind endigte und ein 
Muttermund nicht vorhanden, ja nicht ein¬ 
mal eine Andeutung eines solchen oder 
eines sonstigen Überganges zur Gebär¬ 
mutter zu finden war. Hinter der Scheide, 
aber mit der Rückwand derselben verwachsen, 
lag jedoch ein verkümmerter Uterus, dessen 
Körper eine ca. 2 cm lange und breite 
knorpelartig harte Bindegewebsmasse dar¬ 
stellte und der in die ca. 4 cm langen Hörner 
überging, die wiederum einem knorpelartigen 
Strange von der Dicke eines kleinen Fingers 
glichen. Eierstöcke fehlten gänzlich. 

Die pathologisch-anatomische Diagnose dürfte daher lauten: 
Angeborene Verkümmerung der weiblichen Geschlechtsorgane; 
Aplasia et Hypoplasia uteri, ovarii et vaginae congenita (Kitt). 

Meine Vermutung also, daß das Exterieur des Tieres eine 
Folge von Abnormitäten der Geschlechtsorgane sei, dürfte durch 
den Fleischbeschaubefund volle Bestätigung gefunden haben; 



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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 34. 


ich zweifle anch nicht daran, daß das Fehlen der physiologischen 
Tätigkeit der weiblichen Geschlechtsdrüsen hier die Haupt- 
ursache zur Ansbildnng des beschriebenen Exterieurs gewesen ist. 

Auch für die tierärztliche Praxis dürfte der Fall von 
Interesse sein, denn es kommt vor, daß der Tierarzt vom Vieh¬ 
besitzer zu jungen weiblichen Rindern gerufen wird, um dieselben 
auf Unfruchtbarkeit zu untersuchen. Nicht immer wird es in 
solchen Fällen leicht sein, die Diagnose der Sterilität zu stellen, 
besonders wenn Abnormitäten an den der Untersuchung leicht 
zugänglichen Geschlechtsteilen fehlen. Die genaue Besichtigung 
und Beurteilung des Exterieurs kann also in manchen, wenn 
auch seltenen Fällen, die Diagnose der Sterilität erleichtern, 
vielleicht in gewissen Fällen hauptsächlich beeinflussen; deshalb 
sollte man es bei der Untersuchung von Kalbinen nicht unter¬ 
lassen, das Exterieur des Tieres der Beurteilung zu unterziehen. 


Zur Therapie der Malaria des Rindes. 

Von 

Jackschath-Reinickendorf, 

Tierarzt. 

Schon am 1. September 1900 hatte ich — nach dreijähriger 
Forschung — meine Arbeit über die Malaria des Rindes beendet. 
In derselben war das genannte Thema erschöpfend nach allen 
Seiten hin behandelt; und in der Hoffnung, durch Drucklegung 
dieser Arbeit denjenigen Kollegen, die eine Landpraxis betreiben 
und häuflg genug der betreffenden Krankheit ratlos gegenüber¬ 
stehen, zu nützen, indem ich denselben ein klares Bild von 
dieser hochinteressanten Krankheit verschaffte und ihn$n ein 
Spezifikum gegen die Malaria darbot, wandte jclj mich an einige 
Verleger mit der Bitte, die Abhandlung — ohne Anspruch <apf 
Honorar meinerseits — drucken zu wollen. Ich wurde abge¬ 
wiesen aus Gründen pekuniärer Natur, und die Folge hiervon 
war, daß ich meine mit unsäglicher Mühe verfaßte Arbeit in 
mein Schreibpult einschloß, mit der Absicht, sie dort für immer 
ruhen zu lassen. Jedoch in den verflossenen drei Jahren habe 
ich aus allen Teilen Deutschlands derartig viele Anfragen er¬ 
halten und erhalte sie noch jetzt, daß ich mich jetzt entschlossen 
habe, wiederum einen kleinen Beitrag zur Therapie des Blut- 
harnens zu liefern. Ich spreche gleichzeitig die Bitte aus, 
daß diejenigen Herren Kollegen, die die gesamte Abhandlung 
über das Blutharnen gedruckt zu sehen wünschen, mir möglichst 
bald ihre Adressen mitteilen möchten. Falls eine genügende 
Anzahl von Subskribenten vorhanden ist, so lasse ich meine 
Arbeit, die in Buchform ca. 3,00 Mark kosten wird, im Selbst¬ 
verläge erscheinen. Vielleicht gelingt auf diese Weise die Ver¬ 
öffentlichung, ohne durch Einzelaufsätze die Abhandlung zu zer¬ 
splittern, und es kann ja doch auch nur im Interesse unserer 
Wissenschaft und unseres Standes liegen, wenn wir durch diese 
Arbeit die Achtung unserer humanmedizinischen Kollegen er¬ 
zwingen, da es sich um eine ohne staatliche Beihilfe und ohne 
Laboratoriumsmaterial ausgeführte Sache handelt, die das Blut¬ 
harnen des Rindes in enge Beziehung zur Malaria des Menschen 
bringt und in Rücksicht auf therapeutische Maßregeln zu weit¬ 
gehenden Schlußfolgerungen berechtigt. Oder wollen wir so lange 
warten, bis meine Arbeit durch die Veröffentlichungen des Kaiser¬ 
lichen Gesundheitsamtes, das seit meiner Entdeckung des Er¬ 
regers sich eingehend mit dieser Krankheit beschäftigt hat, 
wertlos geworden ist? 


Die zu druckende Abhandlung umfaßt: die Geschichte des 
Blutharnens,. allgemein klinische Pathologie des Blutes, die ge¬ 
naue Ätiologie des Erregers, die Pathogenese, die Anatomie 
der Zecke, vergleichende Pathologie der in den übrigen Erd¬ 
teilen vorkommenden infektiösen Bluterkrankungen des Rindes, 
Sektionsbefunde, Statistik, Therapie, Prophylaxe, Vorschläge 
zur Festsetzung einer Gewährfrist für diese Seuche, da ein be¬ 
stimmtes Inkubationsstadium vorausgeht, und veterinärpolizeiliche 
Ratschläge. 

Prophylaxe: Wie die Malaria der Menschen und andere 
Seuchen an gewisse Gegenden von bestimmter örtlicher Beschaffen¬ 
heit gebunden sind, so ist es auch mit dem essentiellen Blut* 
harnen. In waldigen und sumpfigen Gegenden zu Hausd 
schwindet es immer mehr mit der fortschreitenden Agrikultur, 
mit der Ausholzung von Wäldern und Trockenlegung von 
Sümpfen, mit der Regelung der Forstwirtschaft, wodurch die 
Aufhütungsberechtigung in Waldgrundstücken ihr Ende erreicht, 
mit seltenerem Weidegang und erweiterter Stallhaltung. In der 
Gegenwart jedoch ist es geboten, die Tiere, welche einen der¬ 
artigen gefährlichen Weidegrund betreten, gegen den diese 
Weiden bewohnenden Feind zu schützen. Jedes Rind, welches 
aus Gegenden stammt, in denen das Blutharnen nicht herrscht, 
erkrankt konstant an der betreffenden Krankheit. Daher ver¬ 
suche man das neu angekaufte Tier durch Ankauf im Herbste 
an Ort- und Weideverhältnisse zu gewöhnen, sorge für reines 
Tränkwasser und vermeide das Tränken aus Sumpflachen. 
Ferner lasse man täglich durch den betreffenden Kuhhirten die 
in diesen Gegenden zahlreich an den Körper dm* Rinder sich 
anheftenden Zecken absammeln. Man reiße die Parasiten nicht 
gevgaUftpq ab, da sqpsj; <jie. Köpfe derselben, in der Haut stecken 
bleiben, sondern bestreiche dieselben mit Petroleum und sammle 
sie dann ab. Auch empfiehlt es sich, die Rinder an den 
Lieblingsstellen der Parasiten (Hinterbeine u. s. w.) jeden 
Morgen mit Fett einzureiben; am meisten haben sich in meiner 
Praxis das Anisöl und das Terpentinöl bewährt. Ferner treibe man 
erst spät nach Sonnenaufgang, wenn die Sonnenstrahlen die 
Weide einigermaßen getrocknet haben, aus, da nach meiner 
Beobachtung die Zecken sich in der Trockenheit verkriechen 
und in ihre Schlupfwinkel zurückziehen. Was eine etwaige 
Impfung der für die Seuche empfänglichen Rinder durch In¬ 
jektionen von Serum immuner Tiere betrifft, so werde ich an 
anderer Stelle beweisen, daß ein Suchen nach einem immuni¬ 
sierenden Serum vergebliche Arbeit ist. 

Therapie: Wir haben es bei dem seuchenhaften Blut¬ 
harnen der Rinder mit einer exquisiten Blutkrankheit zu tun. 
Daher hat sich die Behandlung gegen das Blut und gegen die 
Schädlinge des Blutes zu richten. Während wir anderen 
Seuchen, wie z. B. dem Rotlauf der Schweine, der Schweine¬ 
pest, der Hühnercholera, welche mit dem Blute direkt nichts 
zu tun haben, machtlos gegenüberstehen bei Anwendung 
des Arzneischatzes, ist es interessant, daß Blutkrankheiten 
durch Arzneimittel geheilt werden können. Man denke nur an 
das Chinin als Specificum bei der Malaria des Menschen. 
Damit das erkrankte Tier den Schädlingen seines Blutes erfolg¬ 
reich Widerstand leisten kann, muß es gekräftigt, seine Herz¬ 
tätigkeit und die Sekretionsorgane angeregt werden, damit 
diese das Blutgift und die Trümmermassen des zerfallenen Blutes 
baldigst entfernen. Am leichtesten ließe sich dies durch schnelle 
Neuschaffung frischen, gesunden Blutes erreichen. Dies würde 


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20. August 1903. 


man mittelst der Transfusion erreichen, welche in der Menschen¬ 
heilkunde eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt, in der Tier¬ 
heilkunde jedoch unverdientermaßen obsolet geworden ist. 
Ob man zu diesem Zwecke deflbriniertes Blut oder das Blut 
direkt von einem gesunden Tiere auf ein krankes fiberträgt, 
das ist gleich — sicherlich wird die Transfusion die Lebens¬ 
kraft des erkrankten Tieres erhöhen. Verfasser vorliegender 
Abhandlung hat diese Methode noch nicht versucht, weil sie 
mit mancherlei Schwierigkeiten und Gefahren verknfipft ist und 
schon schwierig beim Menschen in exakter Form auszuführen 
ist, um wieviel schwieriger beim Tiere draußen in der Praxis 
im schmutzigen Stalle und mit ungeübten Helfern. Hering 
beschreibt in seiner Operationslehre 1866, S. 62 die Transfusion 
als eine von ihm häufig ausgeführte Operation. Mit Leichtig¬ 
keit aber wären Versuche am Tiere in den Kliniken, wo häufig 
Fälle von Pyämie, Septikämie, akuter Anämie nach schweren 
Blutverlusten u. a. Vorkommen, geboten und wünschenswert, 
anstatt die schwer erkrankten Tiere zugrunde gehen zu lassen. 
Man vergleiche Jfirgensen: „Transfusion“ im Handbuche der 
allgem. Therapie, von v. Ziemssen. 

Ferner mache man am Anfänge der Krankheit, wenn das 
Tier sich noch im zweiten Stadium befindet, einen ergiebigen 
Aderlaß. Der Aderlaß und die nachfolgende NaCl-Infusion sind 
bei schon eingetretener Erschöpfung des Tieres zu verbieten, 
da eine allgemeine Lähmung der einzelnen Organe vorliegt und 
die Gerinnungsmassen des Blutes doch nicht herausgeschafft 
werden können, andererseits auch die durch den Aderlaß ein 
tretenden Blutschwankungen das Tier noch mehr erschöpfen. 
Nach dem Aderlässe ist eine 0,4%ige NaCl-Lösung mit oder 
ohne Zusatz von 0,1% Soda in der doppelten Menge des ent¬ 
leerten Blutes (in Teilinfusionen zu je 20 ccm) in die Vena 
jugulari8 zu infundieren. Der Blutdruck hebt sich, und hier 
durch werden die Trfimmermassen der roten Blutkörperchen, die 
sich in der Niere und in anderen Organen angesammelt und 
diese für den Blutstrom teilweise unwegsam gemacht haben, 
herausgeschafft. Je früher die Wegsamkeit erzielt wird, desto 
schneller schwinden die Symptome. Ist jedoch meine Ent¬ 
deckung der infektiösen Natur des Blutharnens ein Irrtum, 
sondern würde das essentielle Blutharnen durch Pflanzengifte 
nach Art z. B. des Agrostemma-Sapotoxins herbeigeführt, dann 
wäre die NaCl-Infusion von schweren Folgen begleitet. Denn 
exakte Versuche haben ergeben, daß z. B. die Wirkung der 
Sazonine (Agrostemma-Sapotoxin) auf die roten Blutkörperchen 
bei einem Zusatze von Na CI kolossal steigt und eine völlige 
Blutdissolution herbeiführen kann. Ein ferneres Mittel zur 
Steigerung der Ausscheidung wären die harntreibenden Mittel 
(Kaffee, Alkohol, Fruct. Juniperi), ferner Prießnitz-Umschläge. 
Kontraindiziert sind die salinischen Abführmittel, da durch diese, 
besonders bei großen Dosen, eine Erschlaffung der Darmtätigkeit 
eintritt und andererseits das Blut durch Entziehung von Wasser 
weiter geschädigt wird; auch tritt durch große Dosen ein Er¬ 
matten des ganzen Tieres ein. Angezeigt sind dagegen ölige, 
schleimige, fettige Mittel (Butter, Schmalz, Hafergrütze, Lein- 
samenschleim, Leinöl). Fenier ist die Tätigkeit des Herzens 
durch hohe Dosen Kampfer- resp. Kampferspiritus-Injektionen 
anzuregen, welche sehr vorteilhaft wirken. 

Ferner gebe man dem erkrankten Tiere konzentrierte Nähr¬ 
und Blutmittel, so besonders süße Milch und Eisensalze. Ein 
weiteres Mittel ist die Essigsäure, welche vielleicht eine spe¬ 


531 


zifische Wirkung auf die Mikroparasiten auszuüben vermag, 
und die in Hinterpommern (Reg.-Bez. Köslin) ein allgemein an¬ 
gewandtes Mittel bildet. Anders ist die so häufig eklatante 
Wirkung nicht zu erklären, da die Essigsäure selbst ein Blut¬ 
gift ist, — man müßte denn gerade homöopathisch an den all¬ 
bekannten Satz: „Similia similibus“ glauben. 

Jedoch wie es für die Malaria des Menschen ein Specificum 
gibt, das Chinin, so ist es für das seuchenhafte Blutharnen der 
Bleizucker, welcher als spezifisches Heilmittel in unmittelbare 
Beziehung zu dem Krankheitsgifte tritt. 

Nicht nur, daß der Bleizucker heilt, sondern er verhütet 
auch die Erkrankung, wenn er im Inkubationsstadium dauernd 
In Gaben mittlerer Größe gegeben wird. Diese Tatsache von 
der vorbauenden und abortiven Wirkung des Bleizuckers gegen 
die Rindermalaria läßt als Erklärung nur die eine Möglichkeit 
zu, daß schon bei seinem Eindringen in den Organismus und 
bei seinen ersten Regungen dieses Hämatozoon destinens bovis 
von dem Bleizucker abortiv getroffen wird. Die Wirkung des 
Bleizuckers ist daher direkt eine antiparasitäre. Welche Per¬ 
spektive eröffnet sich da unserem geistigem Auge, wenn wir die 
Erkenntnis gewonnen haben, daß ein großer Unterschied darin 
liegt, ob der Infektionsstoff das Blut oder das Körpergewebe 
angreift. Auf der einen Seite z. B. Rotlauf, Tetanus, Diphtherie, 
auf der anderen Seite Malaria und Blutharnen. Gegen erstere 
Krankheiten werden erfolgreich immunisierende Sera angewandt, 
gegen letztere spezifische Arzneimittel, wie Chinin, Bleizucker. 
Letzteres Heilmittel wirkt nach zwei Richtnngen hin: Einer¬ 
seits tötet resp. schwächt es den Krankheitserreger, direkt mit 
ihm im Blutkörperchen selbst in Berührung kommend und 
stundenlang auf ihn einwirkend; und eine Schwächung des Blut¬ 
feindes genügt, um den Körper des kranken Tieres zur Ent¬ 
faltung seiner Kräfte anznregen und ihm Erfolg im Kampfe 
ums Dasein zu verschaffen.*) 

Andererseits wirkt der Bleizucker gerade auf die Organe 
ein, welche am meisten erkrankt sind: auf die Blutgefäßsysteme, 
das Darmrohr und die Nieren, sodaß wir auch hier wieder an 
ein „Similia similibus curata“ denken könnten. 

In allen Fällen, in denen ich in den ersten drei Krankheits¬ 
tagen gerufen wurde, hatte der Bleizucker die Wirkung, daß 
in 24 Stunden das Blutharnen vollständig aufhörte und in 
weiteren 24 Stunden die Tiere gesundeten. Dies lasse ich vor¬ 
läufig nur für Hinterpommern gelten, da auch ich der Ansicht 
Rademachers bin, daß dieselben Krankheiten je nach Ort, 
Zeit und Klima sich abändern und daher verschiedener Mittel be¬ 
dürfen. Versuchen wir es jetzt, theoretisch die Heilwirkung 
des Bleizuckers (Pb fC 2 H 3 0 2 ] 2 + 3 H 2 0) zu erklären. Der¬ 
selbe wird zu 4 g — vor zu hohen Dosen muß gewarnt werden, 
da kranke Rinder leichter auf Pb reagieren als gesunde — in 
50 g Aqnae destillatae gelöst und eine Eiweißlösung (das Weiße 
eines Hühnereies) hinzugefügt, wobei sich das essigsaure Blei 
mit dem Eiweiß zu einem Pb-Albuminate verbindet. Dasselbe 
wird dann dem Tiere eingegossen. Dieses Pb-Albuminat löst 
sich sehr schnell in dem Mageninhalt und vermag in 
Lösung rasch den Körper des Tieres zu durcheilen. Es wird 
in der Blutbahn von den roten Blutkörperchen (nicht vom 

*) Über die Wirkung des Bleizuckers auf pflanzliche Organismen 
und auf rote Blutkörperchen, sowie über die Beziehungen der 
Metalle zum Blute vergl. die in Zukunft erscheinende Abhandlung 
über Rindermalaria. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT*. 


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532 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 34. 


Serum, Millon) aufgenommen, tötet den in diesen enthaltenen 
Infektionsstoff nnd wird schließlich von diesen an die meisten 
Organe abgegeben. Da 4 g essigsaures Blei für ein krankes 
Rind sicher eine hohe Dosis bilden, so wirkt hier das Pb als 
Erregungsmittel fhr die motorischen Darmganglien; es tritt ver¬ 
mehrte Darmperistaltik ein, die Gefäße kontrahieren sich stark 
(Herausschaffen der Trämmermassen der roten Blutkörperchen), 
der Stoffwechsel wird im allgemeinen gesteigert, sämtliche 
Körperdrüsen secernieren reichlich. Eine ausgezeichnete Wirkung 
äußert das Pb auf die erkrankte, teilweise verstopfte Niere: 
die Eiweißausfuhr wird vermindert resp. gehindert, die Diurese 
vermehrt, die die Harnkanälchen ausfüllenden Coagula werden 
herausgeschafift (Traube).*) 

Die Geschichte der Therapie des Blutharnens ist eine sehr 
interessante; ihr würde jedoch nur eine ausführliche Be¬ 
schreibung Genüge leisten können, was hier jedoch nicht am 
Platze ist. Zählen doch Spinola u. a. Autoren fast den ganzen 
Arzneischatz auf (ätherisch-ölige Mittel, Alkalien, Adstringentien, 
Sedativa, Excitantien, Purgantien), was die Ratlosigkeit gegen¬ 
über diesem Leiden beweist. 

Hat man die Diagnose des seuchenhaften Blutharnens fest¬ 
gestellt, dann tue man ungesäumt folgendes: 

1. Ist das betreffende Rind noch in den ersten Krankheits¬ 
stadien, was man aus der Anamnese, der Aufgeregtheit des 
Tieres, an dem heftigen Durchfalle und an anderen, vorher ge¬ 
nannten Symptomen erkennen kann, so mache man einen Ader¬ 
laß mit oder ohne Kochsalzinfusion nach demselben, ordne an, dem 
erkrankten Tiere dreistündlich Prießnitzumschläge um de» ganzen 
Leib zu machen, injiziere ferner 10 g Spiritus camphoratus und 
gebe folgendes Rezept: Dreimal täglich 1 Liter süße Milch 
mit 5 g Eisensulfat und 3 Eßlöffeln voll Essig einzugeben. In 
der Zwischenzeit sind einmal am Tage 4 g Bleizucker (als 
Albuminat) mit Leinsamenschleim zusammen zu geben. Das 
erkrankte Tier bleibt natürlich im Stalle, wird von den ihm 
anhaftenden Zecken, welche verbrannt werden, gereinigt und es 
wird ihm 24 Stunden lang kein Futter vorgelegt. Das etwaige 
Geben von Trockenfutter ist zu verbieten, weil das an Grtin- 
futter gewöhnte Rind durch trockenes Futter unnötig in seiner 
Verdauungstätigkeit gestört wird. Als Tränkwasser gebe man 
reines Wasser mit Kleie. Geschieht die Behandlung in dieser 
Art, dann ist die Prognose günstig zu stellen und in 24 Stunden 
die Heilung des Tieres zu erwarten. 

2. Ist jedoch schon Verstopfung zugegen, und liegt das er¬ 
krankte Rind anhaltend, dann stelle man die Prognose ungünstig 
und rate zur Schlachtung. Eventuell wäre eine Transfusion 
am Platze. Den Aderlaß mache man nicht, verordne Prießnitz¬ 
umschläge und injiziere Kampfer. Ferner versuche man, den 
Bleizucker einzugeben, jedoch wird nach meiner Ansicht wegen 
der weitgreifenden Blutdissolution und Funktionsschädigung der 
Erfolg in diesem Falle unsicher sein. — 

Zur Prophylaxe möchte ich noch folgenden Rat geben: 
Jedem im Frühjahr aus seuchenfreien Gegenden gekauften Rinde 
gebe man vor dem Austreiben auf die Weide täglich 0,5 g 
Bleizucker in schleimigem Vehikel acht Tage lang ein. 

*) Bctr. pathologischer Präparate mit .dem Zeichen der 
Pb-Wirkung in der Niere cf. Abhandlung. 


Bemerkung zu den Artikeln der Herren Schiel und 
Dr. Eberlein. 

Von 

Professor Dr. Schmaltz. 

Es sei mir gestattet, zu den Auslassungen über die „ge¬ 
brochene“ Zelienachse auch meinerseits mich, und zwar mit einem 
Vermittlungsvorschlag, zu äußern. 

Ich bin im Hufbeschlag nicht kompetent und weiß daher 
nicht, ob die Differenz in der Bezeichnung der „gebrochenen“ 
Zehenachse eine so erhebliche Bedeutung besitzt, wie Herr 
Schiel annimmt. Jedenfalls hat Herr Schiel recht darin, daß 
es eine Unbequemlichkeit ist, wenn ein und derselbe Ausdruck 
im Sinne verschiedener Autoren gerade Entgegengesetztes be¬ 
deutet. Aber unbedingt hat auch Herr Dr. Eberlein recht, 
wenn er als Professor nur das lehrt, was er für richtig hält. 
Die Gefahr einer „Verwirrung“ könnte man jeder Neuerung 
zum Vorwurf machen; diese Gefahr darf daher einen Lehrer 
von einer Neuerung nicht abschrecken. 

Ich möchte auch den sachlichen Inhalt der Differenz der 
Anschauungen nicht pro et contra erörtern. Ihre Ursache läßt 
sich ja leicht erfassen. Wenn man aus einer geraden Linie eine 
gebrochene herstellt, so bildet sie einen Winkel; die Spitze des 
"Winkels weist nach der einen, die Enden seiner Schenkel aber 
nach der entgegengesetzten Seite. Nach Farabach ist die 
Linie in der Richtung der Winkelspitze gebrochen; Eberlein 
nennt sie nach der Seite gebrochen, nach welcher die Enden 
der Winkelschenkel weisen. Meiner Ansicht nach kann das 
eine und das andere das korrektere sein, je nach der Lage¬ 
veränderung, welche die gebrochene Linie gegenüber der ur¬ 
sprünglichen geraden Grundlinie erfahren hat. Dabei sind drei 
Fülle möglich, wie folgende Skizzen zeigen: 


ax x a xn x a ax 



I II a II b lila III b 

Im Falle I ist die Linie ah von der Grundlinie xy aus in 
der Richtung der Winkelspitze gebrochen. Im Falle II ist der 
Winkelpunkt in der Grundlinie xy verblieben, die Linie ab 
ist also von der Grundlinie aus in der Richtung der Punkte 
a und b (IIa) oder eines derselben (IIb) gebrochen, d. h. nach 
der dem Winkel entgegengesetzten Seite. Im Falle HI (Vari¬ 
ante lila und Illb) endlich ist die Linie ateb von der Grund¬ 
linie xy nach beiden Seiten abgewichen, mit der Winkel¬ 
spitze u- nach links und mit den Enden der Winkelschenkel 
a und b (oder einem derselben) nach rechts. Sie wäre also, 
wenn man die Richtung der Brechung nach der Lage¬ 
veränderung bezeichnet, (dies ist der für Prof. Eberlein 
Leitende Grundsatz), nach vorn und hinten gebrochen. 

Wie sich nun tatsächlich bei „gebrochener“ Zehenaxe die 
Abweichung derselben von der normalen Geraden gestaltet, will 
ich nicht zu entscheiden versuchen. Aber fragen darf man: 
Wie nun, wenn dabei Fall III(b) vorläge? 

Diese Möglichkeit, bei welcher beide Parteien mit ihren 
entgegengesetzten Meinungen gleichmäßig Recht hätten, läßt 
es doch fraglich erscheinen, ob der Ausdruck „nach vorn oder 


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20. Anglist 1903. 

nach hinten gebrochen“ hier überhaupt für eine klare einwand¬ 
freie Beschreibung geeignet ist, und dies führt mich zu dem Ver¬ 
mittelungsvorschlag, denselben ganz fallen zu lassen. Man sage: 
die Zehenachse ist, z. B. nach vorn, „gewinkelt“; das kann nur 
heißen, daß die Spitze des Winkels nach vorn liegt, und be¬ 
zeichnet absolut unzweideutig die Lage der Linie, gleichgültig, 
ob man erstere nun als eine Brechung nach vorn oder nach 
hinten auffassen will. [Die Hornwand ist dann an der dem 
Winkel entgegengesetzten Seite zu verkürzen.] 

Auch wenn die Autoren sich nicht auf diese Bezeichnung 
einigen, kann jeder, der seine Beschreibung vor Mißverständ¬ 
nissen schützen will, dies durch den Ausdruck „gewinkelt“ 
erreichen. 

Im übrigen möchte ich bei dieser Gelegenheit noch eine 
w r eitergehende Anregung geben. Die Anatomen haben bekannt¬ 
lich vor einigen Jahren den zahlreichen Benennungs-Differenzen 
durch eine Nomenklatur-Konferenz ein Ende bereitet. Vielleicht 
wäre es praktisch und sicher tunlich, wenn auch die Lehrer 
des Hufbeschlages an den tierärztlichen Hochschulen und die 
militärischen Sachverständigen einmal gemeinsam den Wort¬ 
schatz der Hufkunde und des Hufbeschlages mit Rücksicht auf 
den praktischen Gebrauch revidierten. Es fänden sich da viel¬ 
leicht noch manche Ausdrücke, die wissenschaftlich unmöglich 
und praktisch auch nicht begründet sind. 

Ich möchte nur ein Beispiel herausgreifen: die Bezeichnung 
„Zehenwand“ im Gegensatz zu „Seiten- und Trachtenwand“. 
Anatomisch hat diese Bezeichnung gar keinen Sinn, denn da 
nicht bloß der ganze Huf, sondern auch die Krön- und Fessel- 
beinpartie zur Zehe gehören, so müßte unter Zehenwand eigent¬ 
lich die ganze Oberfläche aller dieser Teile und mindestens der 
ganze Huf verstanden werden und es ist, wenn man von der 
alten Überlieferung absieht, schlechterdings nicht zu begreifen, 
warum gerade für den vorderen Teil der Hornwand die Be¬ 
nennung „Zehenwand“ reserviert wird. Andrerseits besteht nicht 
das geringste praktische Bedürfnis für Beibehaltung dieses 
Namens; es ist vielmehr im Hinblick auf Seitenwand der 
Ausdruck Vorderwand sozusagen selbstverständlich. 

Zur Schweineimpfung. 

Erwiderung. 

In Nr. 30 der B. T. W. nennt Herr Kollege Joseph den 
Gebrauch des Fangstrickes beim Impfen der Schweine einen 
„Hohn auf die ganze tierärztliche Wissenschaft“. Der mit 
Speichel u. dgl. verunreinigte Strick leiste der Verbreitung 
von Tierseuchen Vorschub. 

Meiner Ansicht nach kann er das nur dann, wenn er unter 
seuchekranken Schweinen Verwendung fände und nach der 
Impfung keine Desinfektion des Strickes erfolgte. 

In der Regel aber impft man gesunde Schweine; zudem 
steht uns ein Schatz von Desinfektionsmitteln zur Verfügung, 
welcher die Abtötung der Bakterien gewährleistet und hierdurch 
eine Verschleppung der Seuchen ohne weiteres verhindert. 

Es ist selbstverständlich, daß mau Stallungen, Instrumente, 
Gerätschaften, auch den Strick nach der Impfung desinfiziert 
und eine Desinfektion aller beteiligten Personen, ihrer Sachen 
und ihres Schuhwerks, welche Ansteckungsstoffe mit sich führen 
können, veranlaßt. Das erfordern schon das Gebot der Rein¬ 
lichkeit und nicht zum mindesten die Regeln unserer wissen- 


533 


schaftlichen Schulung. Deshalb verstößt diese Methode durchaus 
nicht gegen die Forderungen der Veterinärpolizei, und mehr 
können wir nicht tun. 

Die zu einer so einfachen und dabei praktischen Iropf- 
raethode, einer anderen unbequemen und mindestens umständ¬ 
licheren Methode zuliebe, geäußerten Befürchtungen des Herrn 
Joseph, zu deren Beseitigung jeden Tierarzt des 20. Jahr¬ 
hunderts seine bakteriologische Vorbildung befähigt, sind jeden¬ 
falls nicht am Platze. 

Wenn wir Tierärzte in solch engherzigen Anschauungen 
befangen Praxis treiben wollten, dann blieben wir Theoretiker, 
dann müßten wir die Anwendung vieler anderer Instrumente, 
Schlingen, Stricke u. dgl., sei es zu diagnostischen, sei es zu 
therapeutischen Zwecken, oder in der Geburtshilfe, oder bei 
seuchekranken Tieren, unterlassen, weil die Art ihrer Benutzung 
eine Verunreinigung und die Gefahr der Seuchenverschleppung 
mit sich brächte, und somit das Ganze nach Herrn J. einen 
Hohn auf die ganze tierärztliche Wissenschaft darstellen würde. 
In diesem Urteil und in seinem Verlangen geht Herr Kollege 
Joseph entschieden zu weit. 

Hier ereifert sich Herr Joseph des Strickes wegen im 
Interesse der Seuchentilgung, und dort empfiehlt er das Brunnen¬ 
wasser zum Abspülen des jedenfalls auch nicht immer frei von 
Krankheitserregern bleibenden Selmairschen Fangapparates, eine 
wohl nicht auf der Höhe der Zeit stehende Auffassung von der 
Desinfektionskraft des Brunnenwassers. 

Ich bezweifle auch die sonstigen gerühmten Vorzüge des 
Selmairschen Apparates, beispielsweise, daß man bei einer 
ca. 4 Zentner schweren Sau mit einer Person fertig werde. 

Alle die Gründe, -welche der Anwendung eines Fangstrickes 
vom> Standpunkte der Veterinärpolizei unberechtigterweise ent¬ 
gegengehalten werden, können auch gegen die Brauchbarkeit 
eines jeden anderen — also auch des Selmairschen Fang¬ 
apparates — ins Feld geführt werden. 

P1 a t s ch e k - Schrinjm. 


Referate. 

Erfahrungen mit Apomorphinnm hydrochloricuin bei 
Behandlung der Lecksucht. 

Von Kontrolltierarzt Rauscher-Kufstein. 

(Wochenschr. f. T. u. V. 1903. Nr. 10—lü.) 

Rauscher hat in seinem Bezirk besonders häufig Lecksucht 
zu behandeln. Er wandte dagegen Apomorphin an und berichtet 
über die dabei gemachten überaus günstigen Erfahrungen. Je 
einer der vom Rind und Pferd beschriebenen Fälle sei hier kurz 
skizziert: 

Ein Bauer erbittet sich wiederholt Mittel für ein Jungrind, 
das schon längere Zeit an Diarrhöe litt und erhielt verschiedene 
Opiate und Tannin, die jedoch stets nur kurz wirkten. Bei 
gelegentlicher Besichtigung des Tieres findet Rauscher das¬ 
selbe stark abgemagert. Es hat rauhes Haarkleid, tiefliegende 
Augen, ist sehr matt, in der Umgebung des Afters mit 
diarrhöischen Faeces beschmiert und läßt während der Unter¬ 
suchung deutliche Zeichen der Lecksucht erkennen, die auch 
nach der Anamnese diagnostisch gesichert ist. Patient erhält 
vier Tage lang je eine Injektion von 0,025 amorphem und 
krystallisiertem Apomorphin zu gleichen Teilen und außerdem 
einige Dosen Opiumtinktur und wird damit geheilt, gedeiht 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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534 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 34 


weiterhin prächtig: und verfällt auch nie wieder in den früheren 
Zustand. Die anfangs immer wiederkehrende Diarrhöe wurde 
wohl durch die bei der perversen Geschmacksrichtung des Tieres 
aufgenommenen, den Darm reizenden Substanzen, verursacht. 

Ein Pferd soll auf „Dampf“ untersucht werden. An dem 
Tier fällt schon in der Ruhe eine hochgradige Nervosität auf. 
Es kann keinen Augenblick ruhig stehen, obschon es weder 
durch Fliegen, noch sonst etwas belästigt wird. Bei lautem 
Anreden und plötzlichen Bewegungen fährt es erschreckt zu¬ 
sammen. Es ist fieberlos, hat normale Atmung und Herztätig¬ 
keit, rauhes, glanzloses Haar, ist schlecht genährt. Während 
der Fahrt in leichtem Wagen tritt nach kurzem Trab starke 
Dyspnoe, Schweißausbruch auf. Nach der Bewegung sind Puls 
und Atmung beschleunigt, kehren aber bald zur Norm zurück. 
Das Vorhandensein von „Dampf“ wird negiert. Dagegen wird 
bei Ergänzung der Anamnese festgestellt, daß das Tier im Stall 
gierig Streu und Kot und auf dem Feld Erde frißt, an Leck¬ 
sucht leidet. Es werden ihm in Zwischenräumen von je einem 
Tag fünf Dosen von 0,15 und schließlich von 0,17 amorphen 
Apomorphin injiziert und außerdem Stomachica gegeben. Schon 
nach der dritten Injektion weicht die Nervosität einem ruhigem 
Wesen und der Appetit wird ein mehr naturgemäßer. Das Pferd 
nimmt weiterhin in seinem Ernährungszustand zu, das Haar¬ 
kleid wird glänzend. — Interessant sind an diesem Falle be¬ 
sonders die nervösen Erscheinungen. 

Gelegentlich der Behandlung lecksüchtiger Rinder, die 
gleichzeitig klinische Symptome der Tuberkulose zeigten, auf 
Tuberkulin reagierten und auch bei der Autopsie nach der 
Schlachtung tuberkulös befunden wurden, beobachtete Rauscher 
nach der Anwendung von Apomorphin nicht nur Heilung^^er 
Lecksucht, sondern außerdem eine auffällige Besserung und 
Hebung ihres Nährzustandes. Er versuchte das Mittel deshalb 
auch in Fällen, in denen allein Kachexie, Tuberkulose, Stoff- 
wechselstörungen, Vorlagen, und zwar mit gleich gutem Erfolg, 
obschon neben der arzneilichen Behandlung weder ein Wechsel 
des Futters noch eine Erhöhung der Ration vorgenoramen wurde. 

Über die Wirkungsweise des Apomorphins äußert Rauscher 
folgende Mutmaßungen: Es wirke, nach den bald auftretenden 
Folgeerscheinungen zu schließen, als Nervenreiz; außerdem 
rege es auch die übrigen Körperzellen zu erhöhter Tätigkeit 
an, bewirke so eine Steigerung des Stoffwechsels und Besserung 
des Nährzustandes ähnlich wie Chlomatrinm, Phosphor und 
Arsen, und auch seine Heilwirkung bei Lecksucht beruhe auf der 
von ihm herbeigeführten Umstimmung im ganzen Tierkörper 
und Erhöhung der Zelltätigkeit. 

Diese Folgeerscheinungen, die innerhalb 3—15 Minuten 
nach der Injektion hervortreten, sind: Lebhafterwerden des 
Blickes. Der Schweif wird beständig hin- und herbewegt, die 
Hinterfüße werden zur Seite geschleudert, wie wenn auf ihnen 
lastende Gegenstände beseitigt werden sollten. Rinder schlagen 
dabei in der sonst für das Pferd charakteristischen Weise aus. 
Sie sind schreckhaft, schreien zuweilen laut auf, zeigen vorüber¬ 
gehend gesteigerte Lecksucht und wohl auch Tympanitis, sowie 
einen kurz andauernden Rückgang in der Milchproduktion, wegen 
dessen es geraten ist, nach dem Melkgeschäft zu injizieren. 
An der Injektionsstelle, die zweckmäßig am Triel gewählt 
wird, bilden sich besonders bei Anwendung amorphen Apo¬ 
morphins faust- bis kopfgroße, wenig schmerzhafte Ödeme, die 
ohne Behandlung alsbald wieder verschwinden. — Beim Pferde 


äußern sich die Unruheerscheinungen nach der Apomorphin¬ 
injektion wohl in dem Maße wie beim Rind. Es hebt den Kopf 
höher, erweitert die Nüstern und stößt eigentümlich schnarchende 
Töne aus. Es spitzt die Ohren und beginnt bald ein lebhaftes 
Ohrenspiel, zeigt feurigen Blick und erhöhtes Kraftgefühl. An 
den Wagen gespannt zieht es schwere Lasten leicht und in 
beschleunigtem Tempo. Im leichten Fuhrwerk und unter dem 
Reiter beginnt es zu galoppieren und ist kaum am Durchgehen 
zu verhindern. Junge Tiere und Ausgewachsene bekommen 
bei Einverleibung höherer Dosen tobsuchtähnliche Anfälle, 
steigen in die Höhe, rennen vor und zurück, schlagen mit un¬ 
heimlicher Kraftentfaltung aus, alles zu zertrümmern imstande 
und beruhigen sich erst im Laufe von etwa einer Stunde wieder. 

Das benutzte Präparat war zumeist das amorphe Apomor- 
phinnm hydrochloricum, das nicht so schnell wie das krystalli- 
sierte ausgeschieden wird, oder es wurde nach einer Medikation 
von Reindl amorphes und krystallisiertes Apomorphin zu gleichen 
Teilen und in halbprozentigem Karbolwasser gelöst verwendet. 

0. Albrecht. 

Hyphomycosis destruens equi. 

Von J. do Haan und L. J. Hoogkamcr. 

(Archiv f. wiaa. u. prakt. Tierheilk. 29. H„ 3. n. 4. H., S. 395—110.) 

De Haan und Hoogkamer beschreiben sieben aus einem 
größeren Beobachtungsraaterial ausgewählte Fälle einer von ihnen 
in Niederländisch-Ostindien studierten, anscheinend aber auch 
schon in anderen Erdstrichen beobachteten und von amerika¬ 
nischen, englischen, französischen Autoren erwähnte bösartige 
Schimmelkrankheit des Pferdes, Hyphomycosis destrnens equi, 
nach "‘ihrem klinischen Verlauf und dem Ergebnis anatomischer 
und histologischer Untersuchung. 

Das erkrankte Organ war zumeist die Schleimhaut der Nase, 
der Lippen, der Maulhöhle, das Alveolarperiost, dann auch die 
äußere Haut, z. B. am Carpus. Die Symptome waren Ver¬ 
schwellung der Nase und des Maules, die in excessiven Fällen 
dem Kopf ein Aussehen wie das eines Nilpferdes gab und die 
Atembeschwerden zur Folge hatte. Dabei bestand schleimig¬ 
eiteriger, unerträglich riechender Ausfluß aus Maul und Nase, 
sowie heftiger Juckreiz, dem die Tiere auf die verschiedenste 
Weise zu fröhnen sich bemühten. — Lokal fanden sich Gewebs¬ 
defekte von Erbsen- bis Bohnengröße, schließlich aber über 
ganze große Schleimhautpartien sich ausdehnend. Sie waren 
oberflächlich oder reichten durch Fistelgänge bis tief in die 
Submucosa, dort in eine Kaverne ausmündend. Von diesen 
Stellen erhob sich ein höckeriges, mit blutigem Schleim über¬ 
zogenes, erethisches Granulationsgewebe. Alle Lücken desselben 
und die Fistelkanäle sind ausgeftillt mit graugelben Körnern 
und Pfropfen, die je nach ihrer Größe fest aber leicht mit dem 
Nagel zerdrückbar sind. Sie treten bei geringer Quetschung 
des Gewebes zutage, wobei eine klaffende, nicht zusammenfallende 
Höhle zurückbleibt. Sie zeigen ganz unregelmäßige Gestalt 
und Oberfläche, von der feinere und gröbere, den Wänden 
adhärente Fäden auslaufen. 

Die Untersuchung dieser pathognomonischen graugelben 
Partikel wird so vorgenommen, daß man ein Korn in 30prozentiger 
Kalilösung zerquetscht. Es wird dann unter dem Mikroskop 
sofort ein feines, nach allen Richtungen in der Grundsubstanz 
verzweigtes Mycelium sichtbar. Besonders deutlich wird es, 
wenn es 24 Stunden in der Kalilösung gelegen hat und die 


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20. August 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


535 


Grundsubstanz sowie die in ihre Maschen eingelagerten Leukocyten 
zerstört sind. 

Da diese Mycelien in allen beobachteten Fällen der be¬ 
schriebenen Krankheit in den graugelben Pfröpfcben nachgewiesen 
wurden und zwar auch in solchen, die, gänzlich von der Außen¬ 
welt abgeschlossen, tief im Gewebe lagen und nicht sekundär 
infiziert sein konnten, stets auf Agarbouillon in kleinen gelben 
Knospen oder schönen Schimmelrasen gezüchtet werden konnten, 
glauben sich die Autoren berechtigt, den Pilz als die Krankheits¬ 
ursache anzusprechen. — Die Genese des Leidens erklären sie 
so: scharfkantige Futterstoffe verursachen gelegentlich kleine 
Läsionen der Schleimhaut am Halse eines Schneidezahnes. 
Hierauf finden dem Futter beigemengte Pilze für ihr Gedeihen 
ein geeignetes Substrat, vermehren sich und verursachen, ver¬ 
mutlich durch Toxine, hyaline Degeneration, infolge deren die 
graugelbe Substanz entsteht. Das betroffene Gewebe reagiert 
mit einer Wucherung und zelliger Infiltration. — Der Verlauf 
des Krankheitsprozesses ist, wenn er sich selbst überlassen 
bleibt, ein völlig schrankenloser. Er greift auf jedes Gewebe, 
auch Zähne und Knochen über, deren gänzliche Zerstörung 
herbeiführend. 

Therapeutisch war mit Medikamenten, mit Jodbepinselungen 
und dergl. eine Heilung oder Beschränkung in keiner Weise zu 
erreichen. In allen Fällen muß, sobald die Diagnose gesichert 
ist, sofort zur Operation geschritten werden, wobei reichlich 
Gewebe fortzunehmen ist, da sonst baldige Recidive zu ge¬ 
wärtigen sind. Andernfalls aber tritt völlige Heilung ein. 

Über ihre Übertragungsversuche, die bisher negativ ver¬ 
liefen, sowie über die botanisch-systematischen Eigenschaften 
des Mikroorganismus stellen die Autoren eine weitere Arbeit in 
Aussicht. 0. Albrecht. 

Ein Fall von Druse. 

Von Oberroßarzt Fuchs. 

(Zeitachr. f. Veterinär*. Ib03, S. 122—124.) 

Eine Remonte hatte Druse in der gewöhnlichen Weise 
durchgemacht. Abszesse in den Kehlgangslymphdrüsen und an 
der rechten oberen Halsseite waren geöffnet worden und verheilt, 
der Appetit wieder gebessert, Atmung ruhig, Temperatur nicht 
gesteigert, Puls beschleunigt. Nur sein geringes Interesse für 
die Umgebung war aufgefallen, als das Tier plötzlich über 
Nacht verendete. 

Bei der Sektion wird an den Nasenlöchern eine größere 
Menge schaumig-blutiger Flüssigkeit gefunden; in der rechten 
Unterkieferdrüsengegend eine triangelförmige Schnittwunde, an 
der rechten oberen Luftröhrengegend eine kleine Wunde, von 
der Eröffnung eines Eiterherdes herrührend. — Bei Abnahme 
der Haut zeigt sich ein nur sehr spärliches Unterhautfettgewebe; 
in der Bauchhöhle wenig blutige Flüssigkeit; Organe ohne 
wahrnehmbare Abweichungen; Magen- und Darminhalt teils ans 
flüssigem, teils aus schlecht gekautem Futterbrei bestehend; 
Brustfell glatt und glänzend; Lunge marmoriert auf der Ober¬ 
fläche und auf Durchschnitten; Herzmuskel graurot verfärbt; 
Herzkammern mit wenig, teilweise geronnenem Blut gefüllt; 
Luftröhre voll feinen, rötlich gefärbten Schaumes. — Die Hais¬ 
und Kinnbackenvene ist in einer Ausdehnung von etwa 35 cm 
mit graugelblichen Gewebsteilen besetzt, die sich schwer von 
der Intima trennen lassen. Die Gefäßwand ist stark verdickt 
und namentlich innen rauh und faserig. Die rechten Kaumuskeln 
sind flach geschwollen. Nahe dem Unterkieferrand befindet sich 


ein kleiner Eiterherd in Höhe des letzten Backenzahnes und 
ein ähnlicher in den Muskeln rechts vom Zungengrund. 

Die Remonte hat somit im Verlauf der Druse an einer 
entzündlichen Veränderung der Hals-Kinnbackenvene gelitten, 
die sich hier bildenden Blutgerinnsel sind nach der Lunge 
gelangt, haben dort zahlreiche embolische Herde erzeugt und 
den Tod durch Lungenlähmung herbei geführt. Die Venen¬ 
entzündung ist wohl mit dem benachbarten Drnseabszeß in Be¬ 
ziehung zu bringen. 0. Albrecht. 

Eilt interessanter Fall von Haematnria renal iw als Folge 
der Umbilicalinfektion beim neugeborenen Füllen. 

W. Scott. F. R. C. v. S. 

Vct -Rekord, 1903. Nr. 779. 

Ein 3 Tage altes Fohlen litt an einer schweren Diarrhoe 
mit nachstehenden Symptomen: Intermittierende Kolikschmerzen, 
Respiration beschleunigt, pneumonische Läsionen nicht vorhanden, 
T. 105,2 F., Extremitäten warm, Auge lustlos und etwas zurück¬ 
gezogen. Die Nabelschnur war geschrumpft und trocken. 

Nach geeigneter symptomatischer Behandlung zeigte sich 
das Fohlen am folgenden Tage im Befinden etwas besser, verlor 
aber durch das Rektum eine Teetasse voll Blut von sehr heller 
Farbe. 

Am Morgen des 3. Tages war das Fohlen viel schwächer 
und es mußte ihm auf die Beine geholfen werden. Der Besitzer 
hatte eine Flasche voll von rotgefärbten Urins aufgefangen, der 
häufig abgesetzt wurde. Nach 2 Tagen starb das Fohlen. Bei 
Öffnung der Bauchhöhle flössen etwa 10 Unzen eines stroh¬ 
farbenen Exsudates ab. Die in der Nähe des Nabelstranges 
befindlichen Darmschlingen waren untereinander und mit der 
Bauchwand verklebt. Der Urachus war hochgradig entzündet und 
verdickt. Die Blase war erweitert; ihr Inhalt bestand aus blutiger 
Flüssigkeit, die ein 8—10 Unzen schweres Blutgerinnsel enthielt. 
Schleimhaut der Blase stark entzündet, Nieren und Urethra 
gesund. Suprarenale und inguinale Lymphdrüsen geschwollen und 
entzündet. Leber weich und brüchig. In den Lungen Zeichen von 
hypostatischer Schwellung. Endocardiura des linken Herzens 
kleine Petechien. In den Hohlräumen des Herzens Gerinnsel 
mit Fortsetzung in die zugehörigen Gefäße. 

Durch die Obduktion wurde also klargestellt, daß die Er¬ 
krankung als eine von außen kommende Infektion durch den 
Nabelstrang zu betrachten war. Peter. 

Kleine Mitteilungen. 

Das Pferd mit dem Barte. 

Dr. G. B. Dal an aus Udine berichtet in der „Clinica 
veterinaria 1903“ No. 7 über ein sieben- bis achtjähriges eisen- 
graues, ungarisches Pferd, das infolge seiner eigenartigen Be¬ 
haarung der Oberlippe den Gegenstand allgemeiner Neugierde 
in der Stadt bildete und das „Pferd mit dem Barte“ getauft 
wurde. Diese Bezeichnung verdankte es einem dichten Besatz 
weißer, 20 bis 25 cm langer Haare auf der äußeren Fläche der 
Oberlippe, die in ihrer Anordnung dem Aussehen eines Schnurrbartes 
gleichkamen. Peter. 

Ausscheidung fötaler Knochen durch den After 
sah P4ru8set bei einer Kuh, die vier Monate vorher normal 
gekalbt hatte, und deren Geschlechtsorgane seither gesund ge¬ 
blieben waren, unter Ordnungsstörungen begleitet von Kolik. 


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586 

Gesammelt worden zwei Metatarsalknochen, lliom, Felsenbein, 
ein Wirbelfortsatz, mehrere Epiphysen langer Knochen, sowie 
einige Klauen. Durch Abtastung des Mastdarmes wurde die 
Gegenwart eines Wirbels in demselben direkt festgestellt. Innere 
Veränderungen waren einstweilen nicht zu ermitteln. (Schweizer 
Archiv 1902, Heft 4.) Francke. 

Wochenübersicht über die medizinische Literatur. 

Von Dr. Jest-Cbarl Ottenburg, 

Krelitierarmt. 

Münchener medixinische Wochenschrift Nr. 30, 1903. 

Adrenalin gegen Darmblutungen bei Typbus; von Dr. Graeser- 
Neapel. Verf. hat in einem Falle von heftigen Blutungen eine 
Lösung von salzsaurem Adrenalin, Parke Dawis & Co., 1: 1000 
mit dem besten Erfolge verabreicht. Die das Leben der Patientin 
gefährdende Blutung stand sofort und kehrte nicht wieder. 
Lange-Baden-Baden hat gleichfalls bei Phtisikern die Stillung 
erheblicher Lungenblutung nach Adrenalin beobachtet. 

Vergiftungserscheiaungen nach Aspirin; von Dr. Franke. Verf. 
hat an sich selbst eigentümliche Erscheinungen: Schwellung der 
Lippen, Schluckbeschwerden, Qaaddelausschlag nach dem Genuß 
von Aspirin beobachtet. 

Zur Anatomie der Papageientuberkulose; von Delbanco 
Delbanco, welcher über diesen Gegenstand am 9. Juni 1903 
in der biologischen Abteilung des Äiztlichen Vereins in Hamburg 
einen Vortrag hielt, geht zanächst auf die Mitteilungen Eberleins 
ein, wonach im Jahre 1894 von 154 eingelieferten Papageien 
36,6 Proz. tuberkulös waren. Die Infektion der Papageien erfolgt 
vom Respirations- und Digestionstraktus aus, durch Küssen 
Aufnahme vorgekauter Bissen etc. Delbanco untersuchte eine 
Zungentuberkulose bei einem Papagei, welcher in einer von 
Tuberkulose stark heimgesuchten Familie lebte. In den mikro¬ 
skopischen Schnitten imponierte die große Zahl Langhansscher 
Riesenzellen und die enorme Zahl von Tuberkelbazillen. Die 
Bazillen sind dicker und länger als bei menschlicher Tuber¬ 
kulose. In der Diskussion geht Wiesinger auf zwei Fälle 
tuberkulöser Affektion der Hände nach Papageienbiß ein; ebenso 
bemerkt Plauth, daß Fälle der Übertragung von Papageien¬ 
tuberkulose auf den Menschen aus Italien gemeldet sind. 

Dieselbe Zeitschrift Nr. 31, 1903. 

Über die Abtötung von Tuberketbazillen in erhitzter Milch. 
Vorläufige Mitteilung von D. Rullmann. Hesse hatte an¬ 
gegeben, daß ein zwanzig Minuten dauerndes Pasteurisieren bei 
60° C unter ständigem Umschütteln genüge, um die der Milch 
beigemengten Tuberkelbazillen zu töten. Verf. konnte diese 
Ergebnisse keineswegs bestätigen, fand vielmehr, daß halb¬ 
stündiges Erhitzen auf 65° C nicht zur Abtötung der Bazillen 
ausreicht. Einstündiges Erhitzen reiner Milch auf 65° C übt 
keinen nachteiligen Einfluß auf den Geschmack aus und beeinflußt 
auch nicht das Enzym. 

Deutsche medixinisehe Wochenschrift Nr. 32, 1903 

Zur Sterilisierung chirurgischer Instrumente mittelst Seifen¬ 
spiritus; von Dr. Gereon. Znr Sterilisierung chirurgischer In¬ 
strumente bei Expeditionen, im Felde etc. empfiehlt Gereon 
das Abwischen der Instrumente mit in Seifenspiritus getauchter 
Watte und nachheriges Einwickeln in solche Watte. 

Ein großer Karzinom am Mundhöhlenboden einer Henne; von 
Pick. In der Sitzung der Berliner medizinischen Gesellschaft 
am 1. Juli 1903 demonstrierte Pick einen typischen Platten- 


No. 34. 

epithelkrebs vom Mundhöhlenboden einer Henne. Unsere Kenntnis 
über Krebs bei Vögeln ist noch sehr erweiterungsfähig. 

Dieselbe Zeitschrift Nr. 32, 1903. 

Über die Empfänglichkeit nutzbarer Säugetiere für die 
Tsetsekrankheit von Dr. E. Martini. Das Zebra galt bisher als 
immun gegen die Tsetsekrankheit. Martini hat nun ein Zebra 
durch subkutane Injektion von 1 ccm defibrinierten Blutes eines 
tsetsekranken Pferdes infiziert. Besonders fiel bei der Sektion 
die Hydrocephalu8 internus auf. Das Tier hatte in einem schlaf- 
süchtigen Zustand längere Zeit vor dem Tode dagestanden. In 
dem Tsetseparasiten (Trypanosoma) wird auch der Erreger der 
Schlafkrankheit der Neger vermutet. (Brumpt: Maladie du sommeil 
et Mouche Tsetse. Comptes rendus hebdomadaires des söances 
de la soci£t£ de biologie No. 23, 1903.) 

Deutsche Mcdixinalxeitung Nr. Gl, 1903. 

Yohimbin. Kraus in Wien teilt einen Fall mit, in dem bei 
einem Mann, dessen Potentia coeundi bis aufs äußerste gesunken 
war, nach Verabreichung von 26 Tabletten ä 0,005 Yohimbin 
die Impotenz gehoben war. Yohimbin stellt Knoll & Co.-Ludwigs- 
hafen her. 

Dieselbe Zeitschrift Nr. 63, 1903. 

Über die Einspritzung mit Trunecekschem Serum in der Be¬ 
handlung der Neurasthenie, sowie in verschiedenen nervösen 
Zuständen, die mit manchen Krankheiten (Pellagra, Anämie etc.) 
einhergehen; von Dr. Cosma. Trunecek-Prag schlug vor, die 
Verkalkung der Arterien mit subkutanen Injektionen konzentrierter 
alkalischer Salzlösungen zu behandeln. Die Salzlösung ist 
6prozentig, wovon 5 Proz. NaCl sind. Die übrigen Bestandteile 
sind: Natr. sulf., Calc. phosph., Mg. phosph., Natr. carbon., Natr. 
pho8ph. Cosma hat recht gute Erfolge erzielt. 

Tagesgescliichte. 

Allerlei aas der Fleischbeschau. 

Von Professor Dr. Schmaltz. 

Darf der Tierarzt die Stellvertretung eines Laienfleischbeschauers 
annehmen? 

Immer wieder tauchen einzelne Mitteilungen auf, daß Tier¬ 
ärzten zwar nicht auf ihren Antrag die Fleischbeschau über¬ 
tragen, aber großmütig die Stellvertretung angeboten worden ist 
Hier und da wird auch angestrebt, einen dem Tierarzt über¬ 
tragenen Beschaubezirk nachträglich wieder zu teilen, den einen 
Teil einem Laien (weil er doch die Kosten der Ausbildung ge¬ 
tragen habe!) zu übergeben und dem Tierarzt zuzumuten, in 
dem abgetrennten Bezirk die Stellvertretung zu Übernehmen. 

Namens des ganzen tierärztlichen Standes müssen wir gegen 
diese Zumutung, insofern sie über einen bloßen Vorschlag hinaus¬ 
geht und in einen Druck ansartet, den schärfsten Protest erheben. 
Die Tierärzte werden darin übereinstimmen und ihre nächsten 
Versammlungen werden dies zeigen, daß sie dieses Ansinnen 
als der wissenschaftlichen Bildung ihres Standes unangemessen 
und daher herabwürdigend auffassen. Auch von jedem Träger 
eines Amtes, hoch oder .minder, darf man verlangen, daß er der 
Wissenschaft eine gewisse Achtung und ein gewisses Vorrecht 
einräumt und ihre Diener nicht zwingt, in die Verwischung der 
dadurch gegenüber dem Laien gezogenen Grenzen zu willigen. 

Es ist schon bedenklich genug, daß Tierärzte sich mit 
Laien, noch dazu unterer Gesellschaftsschichten, überhaupt in 
einer Funktion zusammenfioden. Es ist das nach dem Willen 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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20. Angust 1903. 

des Gesetzgebers auch nur anfzufassen als ein Notbehelf, weil 
es unmöglich gewesen wäre, die Vollkommenheit der (durch 
Tierärzte geübten) städtischen Fleischsbechau überall auf dem 
Lande zu erreichen. Es wäre daher gemäß dieses ausge¬ 
sprochenen Motivs allerdings selbstverständlich gewesen, daß 
vorhandene tierärztliche Kräfte soweit als möglich ausgenutzt 
würden. Dieser Grundsatz ist jedoch nur teilweise, vielleicht 
sogar ausnahmsweise befolgt worden. Es soll diese für den 
Unbefangenen befremdende Tatsache hier nicht kritisiert werden. 

Aber wenn man und wo man geglaubt hat, den Tierarzt 
entbehren zu können und seiner Bewerbung diejenige eines in 
jeder Beziehung wenig gebildeten Laien vorziehen zu müssen, dann 
verhöhne man ihn gefälligst nicht noch damit, daß man ihn veran¬ 
lassen will, an zweite Stelle hinter den Laien zu treten. Denn 
darüber kann kein Zweifel bestehen, daß unter solchen Umständen 
im Publikum die Ansieht allgemein wird, der mit der Fleisch¬ 
beschau regelmäßig befaßte, dem Tierarzt (dessen Bewerbung 
natürlich bekannt ist) vorgezogene Laie verstehe die Sache ja 
viel besser und der Tierarzt sei nur „seine“ Aushilfe, die für 
den Notfall gut genug sei. Man kann sich daher nicht wundern, 
wenn der Tierarzt, der genötigt werden soll, Stellvertreter 
eihes Laienfleischbeschauers zu werden, dies als eine gegen ihn 
beabsichtigte Beleidigung anffaßt (auch wenn diese Absicht 
selbstverständlich nicht besteht) und sich energisch zur Wehre 
setzt Wollte man ihn dafür dadurch büßen lassen, daß man 
ihm nun auch noch etwaige ihm vorher übertragene Funktionen 
entzieht so wäre dies Vorgehen meiner Ansicht nach namentlich 
für irgendeine amtliche Stelle nicht würdig. Ich halte es für 
richtig, diese Auffassung unverblümt auszusprechen, ehe Fälle 
letzterer Art sich tatsächlich ereignen, denn daß sie nicht un¬ 
möglich sind, dafür sprechen allerdings schon gewisse Symptome. 

Es ist anch, abgesehen von der Standesehre, in sachlicher 
Hinsicht zu erwägen, daß sich mit der Ausübung der Er- 
gänznngsbeschau, welche tatsächlich eine tierärztliche Kontrolle 
über den Laienfleischbeschauer bedeutet die gleichzeitige Über¬ 
nahme der Stellvertretung des Laienfleischbeschauers durch den 
Tierarzt nicht vereinen läßt 

Der Einwand, der Tierarzt dürfe einer öffentlichen Ein¬ 
richtung seine Mitwirkung nicht versagen und müsse eintreten, 
wenn kein geeigneter Stellvertreter ‘da sei, kann in den hier 
besprochenen Fällen nicht Platz greifen, denn es ist ja gerade 
ein geeigneter Stellvertreter da. Dieses ist eben der Laie, 
dem man die Stellvertretung übertragen möge, während man 
den Tierarzt zum Beschauer mache, aber nicht umgekehrt. 
Es liegt also lediglich und allein in der Hand der zuständigen 
Stelle, dem Bedürfnis in bester Weise zu genügen. 

Stellvertretung bei Notschlachtungen. 

Ein Punkt, der bei den praktischen Tierärzten besondere 
Befürchtungen erregte, war die Fleischbeschau bei solchen 
Tieren, die in tierärztlicher Behandlung sich befunden haben 
nnd bei denen dann (meist auf Rat des Tierarztes) die Schlach¬ 
tung erforderlich geworden ist, bei gleichzeitiger Anmelde- 
pflichtigkeit des Falles zur Fleischbeschau. Es wurde mit 
Recht hervorgehoben, daß der behandelnde Tierarzt, falls er 
nicht zugleich selbst der zuständige Fleischbeschauer sei, 
Gefahr laufe, von dem ausführenden Fleischbeschauer bezüglich 
seiner Behandlung und Diagnose abfällig kritisiert nnd dadurch 
in seiner Praxis geschädigt zu werden. Diese Möglichkeit 
liege in erster Linie vor, wenn der Fleischbeschauer ein Laie 


537 


sei, bleibe aber auch — leider — unter Kollegen nicht aus¬ 
geschlossen. Auch würde sich in solchem Falle der Besitzer 
in der Wahl des behandelnden Tierarztes durch die Zuständig¬ 
keit für Fleischbeschau beeinflussen lassen. Endlich liege es 
auch kostenhalber vor allem im Interesse des Besitzers, wenn 
der behandelnde Tierarzt, der die Schlachtung empfehle und 
also zur Stelle sei, sogleich auch die Fleischbeschau ausüben 
könne. 

Den befürchteten Unzuträglichkeiten kann mittelst des § 7 
der preußischen Ausführungsbestimmungen vom 20. März 1903 
vorgebeugt werden. Diese Ausführungsbestimmungen sind längst 
publiziert. Dennoch scheint diese Bestimmung noch nicht all¬ 
gemein bekannt zu sein, weshalb sie hier wiedergegeben werden 
soll. Der § 7 lautet: „Es ist zulässig, approbierte Tierärzte 
zu Stellvertretern der Beschauer für bestimmte Fälle zu be¬ 
stellen, beispielsweise für die Untersuchung solcher Tiere, zu 
deren Behandlung sie zugezogen werden. Das gleiche gilt für 
beamtete Tierärzte in solchen Fällen, in denen sie aus veterinär¬ 
polizeilichem Anlasse bei der Untersuchung von Tieren tätig 
werden.“ 

Der Tierarzt, welcher von dieser Bestimmung Gebrauch 
machen will, muß sich also im Bereich seiner Praxis besonders 
zum Stellvertreter des resp. der zuständigen Fleischbeschauer 
für alle diejenigen Fälle, in denen es sich um unmittelbar vor 
der Schlachtung von ihm behandelte Tiere handelt, bestellen 
lassen. Daß für die Bestellung zum Vertreter auch eines Laien 
für diese Fälle nicht die Einwände in Betracht kommen, welche 
im vorhergehenden Artikel gegen die Stellvertretung eines Laien 
im allgemeinen erhoben worden sind, versteht sich von selbst. 

' Der Antrag auf diese Bestellung wird im Landbezirk an 
deü Landrat zu richten sein, da diesem nach § 3 die Bestellung 
der Beschauer und ihrer Stellvertreter zugewiesen ist. Nach 
demselben Paragraphen haben die Regierungspräsidenten aber das 
Recht, sich die Genehmigung vorzubehalten, und so würde, im 
Falle der Landrat dem Gesuch nicht entspricht, noch das 
Gesuch an den Regierungspräsidenten übrig bleiben. 

Stellvertretung bei Beurlaubungen. 

Wie zahlreiche Zuschriften mir gezeigt haben, ist in diesem 
Sommer an vielen Orten folgende Frage entstanden: Der Tier¬ 
arzt ist als Fleischbeschauer bestellt. Er will verreisen und hat 
für diese Zeit einen Assistenten genommen, der ihm seine Praxis 
besorgt Er hat nun den sehr begreiflichen Wunsch, daß der 
Assistent auch die Fleischbeschau in seinem Bezirk ausführe. 
Ob dies aber zulässig sei, ist von mehreren Landräten und 
Bürgermeistern bezweifelt bezw. verneint worden. 

Meiner Ansicht nach ist in diesem Falle der Landrat tat¬ 
sächlich kaum in der Lage, dem Wunsche des Tierarztes Rechnung 
zu tragen. Nach dem Gesetz muß für jeden Bezirk dauernd 
ein Stellvertreter bestellt sein. Dieser hat das Recht auf die 
Stellvertretung in allen Fällen der Behinderung des Beschauers. 
Zu diesen Fällen gehört natürlich auch die Abwesenheit des 
Beschauers, gleichviel zu welchem Zwecke und von welcher 
Dauer. Wenn der Tierarzt also verreist, so tritt damit der 
Fleischbeschauer-Stellvertreter in sein Recht; dieses kann ihm 
nicht vorenthalten werden. Nun können allerdings nach § 5 des 
Reichsgesetzes auch mehrere Stellvertreter ernannt werden. 
Hat ein Tierarzt dauernd einen Assistenten, so kann dieser zu 
seinem Stellvertreter in der Fleischschau bestellt sein und daneben 
noch ein Laie. Das ist natürlich etwas anderes, als wenn es 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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538 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 34. 


sich am einen am Orte fremden nnd nnr vorübergehend an¬ 
wesenden Tierarzt handelt. Diesen für wenige Wochen znm 
Fleischbeschauer-Stellvertreter zu bestellen, ist nach dem Gesetz 
vielleicht nicht gerade unmöglich, aber im Sinne des Gesetzes 
ist es kaum, und man kann sich nicht wundern oder beschweren, 
wenn der Landrat dagegen Bedenken trägt. 

Etwas anderes ist es eventuell mit der tierärztlichen 
Ergänzungsbeschau. Die Übertragung derselben an den Assistenten 
des Tierarztes wird zu begründen sein, wenn nicht auch für 
die Ergänzungsfleischbeschau ein nahe wohnender anderer 
Tierarzt dauernd als Stellvertreter bestellt ist. 

Dagegen wird der in Urlaub gehen4e Tierarzt seinem 
Assistenten die Fleischbeschau bei den von diesem behandelten 
Tieren auf Grund des im vorstehenden Artikel besprochenen 
§ 7 in jedem Falle sichern können. 

Obergutachten. 

Zu den Punkten, welche namentlich in den Kreisen der 
Privattierärzte lebhaft diskutiert wurden, gehörte auch die 
Frage, wer in streitigen Fällen daR Obergutachten abzugeben 
haben werde. Der Wunsch der Privattierärzte ging dahin, daß 
das Obergutachten dem Departementstierarzt übertragen werden 
möge. Diesem Wunsche ist durch die Ausfdhrungsbestimmungen 
nicht vollständig entsprochen worden. Nach § 71 ist als Sach¬ 
verständiger zuzuziehen der tierärztliche (Ergänzungs-)Be- 
schauer, wenn die Entscheidung eines Laienfleisckbeschauers 
angefochten worden ist, der Kreis- oder der Departements¬ 
tierarzt, wenn ein nicht beamteter Tierarzt, und der Departe¬ 
mentstierarzt, wenn ein Kreistierarzt in Frage kommt. Es ist 
schon der Kosten wegon natürlich, daß in den meisten Fällen 
der Kreistierarzt als Gutachter zugezogen werden wird. 

Anmeldepflicht der Hausschlachtungen. 

(Vorgl. Gehelmrat Schröter, FloinchbeschaugesetRe, pg. 31 n. pg. 19.) 

Nach §2 desR.-G. sind Schlachtungen für den Hausgebrauch 
von der Anmeldepflicht befreit. Zu diesen „Hausschlachtungen“ 
gehören auch Notschlachtungen, wenn das Fleisch im eigenen 
Haushalt verbraucht werden soll und keine Merkmale einer die 
Genußtauglichkeit ausschließenden Erkrankung vorliegen. In 
letzterem Falle wäre das Tier zur Beschau anzumelden. Frei¬ 
lich braucht der Besitzer die erwähnten Merkmale nicht zu 
erkennen und nicht zu beachten und kann also auch in diesem 
Falle die Anmeldung zur Beschau unterlassen. Er läuft dann 
Gefahr, im Fall eine Gesundheitsbeschädigung entsteht, bestraft 
zu werden. 

Nun sind aber durch § 27 des Reichsgesetzes Vorbehalten: 
landesrechtliche Vorschriften u. a. über die der Untersuchung 
zu unterwerfenden Tiere. So ist denn z. B. in Anhalt durch landes¬ 
rechtliche Vorschrift der Untersuchungszwang für alle Hans- 
schlachtungen bereits eingeführt worden (vergl. B. T. W. No. 33, 
pg. 527). 

In Preußen können (vergl. Schröter pg. 19) landes¬ 
rechtliche Vorschriften durch Gesetz und durch Polizeiverordnung 
erlassen werden. Es kann also durch Polizeiverordnung auch 
der Untersuchungszwang für Hausschlachtungen festgelegt 
werden und dies wird hier und da auch geschehen. Polizei¬ 
verordnungen können erlassen werden, nach dem Gesetz über 
die Polizeiverwaltung vom 11. 3. 1850 und über die allgemeine 
Land es Verwaltung 30. 7. 1883, von den Ortspolizeibehörden, 
dem Landrat, dem Regierungs- und Oberpräsidenten. Sie be- | 


dürfen aber der Zustimmung des Kreisausschusses bezw. Bezirks¬ 
ausschusses bezw. Provinzialrates. 

Hieraus ergibt sich folgendes: Die Fleischschaugesetzgebung 
läßt die Hausschlachtungen, auch wenn sie Notschlachtungen sind, 
frei; es sei denn, daß aus früherer Zeit eine nach obigem gültige 
Polizeiverordnung z. B. alle Notschlachtungen Untersuchung*- 
pflichtig macht. Es kann weder ein Landrat selbständig ver¬ 
fügen, daß Notschlacktangen, auch wenn sie Hausschlachtungen 
sind, der Beschau unterworfen werden müssen (wie in einem 
westlichen Kreise geschehen), noch kann jemand auf Grund des 
Fleischschaugesetzes ein Strafinandat erhalten, wenn er ein not- 
geschlachteteB, im Haushalt zu verwendendes Tier, welches noch 
dazu vom behandelnden Tierarzt bezüglich der Fleischverwend¬ 
barkeit begutachtet ist, nicht dem zuständigen Beschauer an¬ 
meldet (wie im Rheinland geschehen). 

Anmeldung der Fleischbeschau bei dem tierärztlichen Ergänzung«- 

Besohauer. 

Nach § 5 der Ausfdhrungsbestimmungen des BnndeBrates 
hat der Laienbeschauer solche Anmeldungen ohne weiteres an 
den tierärztlichen Beschauer zu verweisen, welche Einhufer 
betreffen nnd aus denen ferner hervorgeht, daß das Tier an 
einer Krankheit leidet Ausgenommen sind (vergl. § 11 
derselben Ausführungsbest.) davon nur Krankheiten, welche das 
Allgemeinbefinden nicht wesentlich beeinträchtigen; Knochen¬ 
brüche and Verletzungen, Gebärmuttervorfall unmittelbar bei 
der Geburt, Geburtshindernisse, Aufblähen durch Grünfutter oder 
bei drohender Erstickung, wenn der Zustand noch nicht länger 
als 12 Stunden dauert 

In diesen Fällen deB § 5, wo also der Laienfleischbeschauer 
nicht zuständig ist, kann der Besitzer des Tieres die Anmeldung 
statt an den gewöhnlichen Fleischbeschauer sogleich an den 
tierärztlichen Ergänzungsbeschauer richten nach § 20 der 
preußischen Ausführungsbestimmungen. Dies kann also der Be¬ 
sitzer tun in allen Fällen, wo er das Vorhandensein einer 
Krankheit erkennt, die nicht zu den oben genannten Ausnahmen 
gehört. Bei Notschlachtungen wird der Laienbeschauer nur 
selten zuständig sein. Es empfiehlt sich daher für den Besitzer, 
bei Notschlachtnngen die Meldung gleich an den Tierarzt zu 
richten (Schröter, Fleischbeschaugesetz, pg. 35). 

Das Ende des „Tierarzt im Hause“. 

Kammergerichtsentscheidung. 

Ein Apotheker hatte Geheimmittel, denen er eine über¬ 
triebene Wirkung beilegte, dadurch öffentlich angekündigt, daß 
er Personen, die in seiner Apotheke etwas kauften, eine 
Broschüre „Der Tierarzt im Hanse“, in der diese Geheimmitte] 
gegen gewisse Krankheiten empfohlen waren, unentgeltlich mit¬ 
gegeben hatte. Das Landgericht nahm den Apotheker des¬ 
halb in Strafe. Die hiergegen eingelegte Berofang wurde vom 
Kammergericht durch Urteil vom 8. Juni d. J. zarückgewiesen. 
Dasselbe hat die Verteilung der Broschüre als eine unbefagte 
Ankündigung von Geheimmitteln angesehen. 

Der Kolportage von „Tierarzneibüchlein“ durch die Apotheker 
ist damit ein jähes und verdientes Ende bereitet. Es ist damit 
festgestellt, daß ihnen die Anpreisung von Arzneimitteln in dieser 
Form nicht zusteht. 

Die Entscheidung des Kammergerichts ist wahrscheinlich 
erfolgt in dem Prozeß, welcher schon zu einer Verurteilung 
| eines Apotheke» s vor dem Landgericht zu Oppeln geführt hatte 


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20. August 1903. 


und von KreisÜerarzt Dammann, der den betreffenden Apotheker 
angezeigt hatte, in B.T.W. Nr. 17, pg. 284 besprochenworden ist. 

Die Bedeutung der Entscheidung ist eine prinzipielle und 
sehr große. Hit ihr kann diesem Zweige des Pfuschertums, 
der von zahlreichen Apothekern in neuerer Zeit mit erhöhtem 
Eifer ganz bewußt und systematisch entwickelt worden ist, wo¬ 
bei schon ganz offen ein „Recht“ proklamiert wurde, der Garaus 
gemacht werden. 

An den Tierärzten ist es jetzt, diesen Sieg auszunutzen 
durch rücksichtslose Verfolgung aller ähnlicher Fälle, die zu 
ihrer Kenntnis gelangen. Jeder einzelne Tierarzt kann und 
muß Anzeige erstatten. Den tierärztlichen Vereinen sei aber 
hier nochmals für ihre Herbstversammlungen dringend die An¬ 
regung des Herrn Kreistierarzt Dammann zur Beachtung 
empfohlen, daß sie besondere Kommissionen wählen, welche 
innerhalb des Vereinsbezirkes die einschlägigen Fälle aufdecken, 
resp. das ihnen von Kollegen zuzusendende Material aufnehmen, 
und daß dann der Verein die Verfolgung selbst in die Hand 
nehme bzw. einleite und unterstütze. Die Wichtigkeit dieser 
Angelegenheit rechtfertigt völlig auch den eventuellen Aufwand 
von Vereinsmitteln für ihre Durchfechtung. Schmaltz. 

Unfallversicherung. 

Anläßlich einiger Mitteilungen von tierärztlicher Seite hat 
der Allgemeine Deutsche Versicherungsverein in No. 33, pg. 527 
der B.T.W. eine Erklärung veröffentlicht, welche insofern dankens- 
.wert ist, als sie klare Verhältnisse schafft. Darauf aber kommt 
es an. Wenn die Versicherungsgesellschaft strikte erklärt, daß 
sie zu dem bisherigen Prämiensatz Blutvergiftungen ohne nach¬ 
weisbare äußere Verletzung nicht entschädigen könne, so ist 
dagegen ja nichts einzuwenden. Es wäre nur richtiger, wenn 
darüber in den Vertragsinstrumenten schon klare Auskunft ge¬ 
geben wäre, was doch angesichts der entstandenen Zweifel nicht 
der Fall zu sein scheint. Die Erklärung der Gesellschaft ergibt 
ferner indirekt, was ja auch jedem Sachverständigen bekannt 
ist, daß die Blutvergiftungen ohne nachweisbare äußere Ver¬ 
letzung weitaus die häufigsten sind. Es sind mit andern Worten 
unter den dargelegten Umständen die Blutvergiftungen überhaupt 
von der Entschädigung so gut wie ausgeschlossen. Da aber 
andererseits, wie auch die angezogene Erklärung hervorhebt, 
gerade sie es sind, die besonders häufig Erkrankungen bei Ärzten und 
Tierärzten herbeiföhren, so verliert dadurch der durch die Unfall¬ 
versicherung gewährte Schutz überhaupt sehr an Wert. Es 
zeigt sich mehr und mehr, daß dieses ganze Versicherungsgebiet 
noch sehr im Argen liegt. Schmaltz. 

Ordentliche Generalversammlung des „Tierärztlichen Vereins 
In Sohleswig-Hoisteln“ 

am 15. und 16. August 1903 in Flensburg. 

Erster Tag: Sonnabend, den 15. August, abends 7 Uhr, 
im Babnbofsbotel. 

Tagesordnung: 1. Referat aus den vorjährigen Ver¬ 

handlungen. 2. Über Fleischbeschau. Einleitendes Referat von 
Meyer-GlQckstadt. 3. Mitteilungen aus der tierärztlichen Praxis. 

Zweiter Tag: Sonntag, den 16. August, morgens 
8‘/ t Uhr: Abfahrt mit Extradampfer vom Pavillon. Vormittags 
9'/* Uhr: Hauptversammlung. Wo? wird am Bord des Schiffes 
bekannt gegeben. 

Tagesordnung: I.Vereinsangelegenheiten. 1.Geschäfts¬ 
bericht. 2. Aufnahme neuer Mitglieder. 3. Rechnungslegung und 
Voranschlag. 4. Unterstützungaachen. 5. Wahlen — eines Vor¬ 
sitzenden — eines stellvertretenden Schriftführers und eines Revisors. 
6. Verschiedenes und Anträge. 7. Bestimmung des nächstjährigen 
Versammlungsortes. . _ 


539 


II. Vorträge. 1. Über das seuchenhafte Kälbersterben. Referent: 
Dr. Joest-Kiel. 2. Berichterstattung Uber die Verhandlungen des 
Veterinärrats. Referent: Struwe-Altona. 

III. Gesellschaftliches. Dem im Vorjahre allseitig ge¬ 
äußerten Wunsche gemäß, zu der diesjährigen, in Flensburg abzu¬ 
haltenden Hauptversammlung die Damen der Mitglieder zur Teil¬ 
nahme einzuladen, kommt der Vorstand gerne nach und darf um 
ein zahlreiches Erscheinen höflichst gebeten haben. 

Programm. 

Sonnabend, den 15. August, abends bis lO'/a Uhr, im 
Bahnhofshotel: Für die Damen geselliges Zusammensein. 

Sonntag, den 16. August: Dampferfahrt auf der Förde und 
eventuell in See. M. 0,60 ä Person, zurück Flensburg. 12 Uhr: 
Landung in Sandwig. 1 Uhr: Gemeinschaftlicher Tischgang. 
Glüoksburg-Strandhotel. 3 Uhr: Kaffeetisch. Spaziergang. Konzert. 

Abgang der Dampfschiffe abends von Glücksburg: Nach 
Flensburg 6, 6,40, 8, 8,10, 10 Uhr — 40 Minuten Fahrt. 

Abgang der Anschlußzüge abends von Flensburg: Nach Kappeln 
über Glücksburg 7,46, Satrun-Rundhof 7,30, Eckernförde-Kiel 7,42 
und 9,11, Westen über Lindholm-Tondern 7,13, Osten nach Sonder¬ 
burg 8,56, Norden 9,34 und 12,04, Süden 7,05 mit Anschluß über 
Jübek, Neumünster, Wrist, Elmshorn nach dem Westen, — 9,22 bis 
Hamburg und Kiel. Der Vorstand. 

32. ordentliche Generalversammlung des Tierärztlichen Vereins der 
Provinz Westfalen. 

Am Sonnabend, den 5. September d. Js., nachmittags 2 Uhr, 
im „Hotel Geist“ zu Bielefeld. 

Tagesordnung: 

1. Aufnahme neuer Mitglieder; Verlesung des Protokolls der 
vorjährigen Versammlung; Bewilligung eines Beitrages zur 
Stipendicnstiftung für unbemittelte Studierende an den 
preußischen tierärztlichen Hochsohulen; Rechnungslage und 
Zahlung der Beiträge. 

2. Vortrag des Herrn Tierarzt Hoffmann-Bocholt über: „Die 
pathologisch-anatomischen Veränderungen sowie die bakterio¬ 
logische Diagnostik bei der Schweineseuche“. 

3. Mitteilungen aus der Praxis, mit besonderer Berücksichtigung 
der Fleischbeschau. 

Nach der Sitzung findet um 5 Uhr ein gemeinschaftliches Essen 
(Kuvert 3,50 Mark) mit Damen statt. Die Anzahl der gewünschten 
Kuverts bitte ich bestimmt bis zum 1. September dem Herrn Kreis¬ 
tierarzt Baldewein in Bielefeld mitzuteilcn. Gäste sind willkommen. 

Am Sonntag, den 6. September, Ausflug nach dem Hermanns¬ 
denkmal; Abfahrt von Bielefeld mit dem Zuge um 9 Uhr 12 Minuten. 

Im Namen des Vorstandes: Hinrichsen. 

Stand der Tierseuchen In Deutschland am 31. Juli. 

(Vergleiche Tabelle vom 15. Juli B.T.W. Nr. 32, pg. 608.) 

Rotz herrschte in 36 (gegen 25) Gemeinden, Berlin, R.-B. 
Bromberg 2, Breslan 1, Oppeln 5, Schleswig 1, Stade 1, 
Minden 1, Kassel 1, Oberbayern 1, Niederbayern 4, Pfalz 4, 
Schwaben 1, Württemberg 4, Baden 5, Mecklenburg-Strelitz 1, 
Lippe 1, Unterelsaß 2. Lungensenche besteht noch in einem 
Gehöft des Kreises Gnesen. Manl- und Klauenseuche in 
21 (gegen 27) Gemeinden, nämlich im R.-B. Posen 2, Arns¬ 
berg 2, Koblenz 3 (zusammen in Preußen 7), Oberbayern 2, 
Schwaben 4, im württembergischen Schwarzwaldkreis 2, im 
Unterelsaß 2 und in Lothringen 4. Die Schweineseuche grassiert 
ziemlich unverändert weiter. 

Abdeckerei-Privilegien. 

Zu dem Referat in Nr. 33 pg. 525 der B.T.W. über den 
Vortrag des Herrn Geheimrat Dr. Dammann ist ergänzend zu 
bemerken, daß auch in Mecklenburg - Schwerin Abdeckerei- 
Privilegien bestehen. A. 

Vorlesungen und praktische Übungen zu Hannover 

im Wintersemester 1903/1904. 

Direktor, Geheimer Regierungsrat Dr. Dammann: Encyclopädie 
und Methodologie der Tierheilkunde während der ersten beiden 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 84. 


Semesterwochen täglich von 9—10 Uhr vormittags. — Diätetik 
(Hygiene) Dienstag bis Donnerstag von 9—10 Uhr vormittags, 
3stündig. — Die Tätigkeit des beamteten Tierarztes Freitag von 
9—10 Uhr vormittags, lstÜDdig. — Hygienische and seuchenklinische 
Übungen und Demonstrationen Sonnabend von 9—10 Uhr vormittags, 
1 stündig. 

Professor Dr. Kaiser: Exterieur des Pferdes und der übrigen 
Arbeitstiere Mittwoch und Freitag von 8—9 Uhr vormittags, 2 stündig. 

— Tierzuchtlehre und Gestütskunde Montag bis Donnerstag von 
4—5 Uhr nachmittags, 4 stündig. — Ambulatorische Klinik. 

Professor Tereg: Physiologie II Montag bis Donnerstag von 
12—1 Uhr mittags, 4 stündig. — Physiologische Chemie Freitag und 
Sonnabend von 12—1 Uhr mittags, 2 stündig. 

Professor Dr. Arnold: Anorganische Chemie von 1—2 Uhr 
nachmittags, 6 stündig. — Chemische Fleisch- und Milcbkontrolle 
mit Demonstrationen Freitag von 6—7 Uhr nachmittags, 1 stündig. 

Professor Boether: Anatomie der Haustiere Montag, Dienstag 
und Mittwoch von 9—10 Uhr vormittags und von 12—1 Uhr mittags, 
Donnerstag, Freitag und Sonnabend von 12—1 Uhr mittags, in der 
ersten Semesterhälfte 9stündig, in der zweiten Semesterhälfte 
6 ständig. — Anatomische Übungen täglich vormittags von 9—12 Uhr. 

Professor Dr. Malkmus: Spezielle Pathologie und Therapie 
täglich von 8—9 Uhr vormittags, 6 stündig. — Propädeutische Klinik 
und Spitalklinik für große Haustiere (Medizinische Klinik) täglich 
vormittags von 10—12 Uhr. 

Professor Fr ick: Theorie des Hufbeschlags Sonnabend von 

8— 9 Uhr vormittags, 1 stündig. — Spezielle Chirurgie Montag von 

9— 10 Uhr vormittags, Dienstag, Donnerstag und Freitag von 12 bis 
1 Uhr mittags, 4 stündig. — Propädeutische Klinik und Spitalklinik 
für große Haustiere (chirurgische Klinik) täglich vormittags von 

10— 12 Uhr. — Operationsübungen Montag und Mittwoch von 2 bis 
4 Uhr nachmittags, 4 stündig. 

Professor Dr. Rievel: Fleischbeschau mit Demonstrationen 
Montag, Mittwoch und Sonnabend von 12—1 Uhr mittags, 3 stündig. 

— Spezielle pathologische Anatomie Montag, Dienstag und Donnerstag 
bis Sonnabend von 1—2 Uhr nachmittags, 5 stündig. — Pathologisch- 
anatomische Demonstrationen, je nach Material. — Obduktionen 
täglich, je nach vorhandenem Material. 

Professor Dr. Künnemann: Arzneimittellehre (Pharmakognosie 
und Pharmakodynamik) Montag, Dienstag und Donnerstag von 8 bis 
9 Uhr vormittags und Freitag von 4—5 Uhr nachmittags, 4stündig. 

— Spitalklinik für kleine Haustiere, täglich vormittags von 10 bis 
12 Uhr. 

Professor Ha es e ler: Physik, Montag bis Freitag von 5 bis 
6 Uhr nachmittags, 5stündig. 

Dr. Schäff: Zoologie, Montag bis Freitag von 6—7 Uhr 
nachmittags, 5stündig. 

Obertierarzt Koch: Fleischbeschaukurse auf dem hiesigen 
Schlachthofe. 

Dr. Behrens: Diagnostik der Arzneipräparate, Donnerstag 
und Freitag von 4—5 Uhr nachmittags, 2 stündig. — Pharmazeutische 
Übungen, täglich vormittags von 10—12 Uhr und nachmittags von 
3-4 Uhr. 

Prosektor Beutler: Anatomisches Repetitorium, Montag bis 
Donnerstag von 5—6 Uhr nachmittags, 3 stündig. 

Repetitor Dr. Menzel: Chemische Repetitorien, Dienstag bis 
Donnerstag von 5—6 Uhr nachmittags, 3stündig. 

Repetitor Dr. Zürn: Übungen in der chemischen und mikro¬ 
skopischen Diagnostik, Mittwoch von 1—2 Uhr mittags, 1 stündig. 

Repetitor Schulze: Repetitorium der Chirurgie, Dienstag von 
3—4 Uhr nachmittags, 1 stündig. 

Repetitor Dr. Seiler: Repetitorium der pathologischen Ana¬ 
tomie, Freitag von 6—7 Uhr nachmittags, 1 stündig. 

Tattersallbesitzer Flockemann: Reitunterricht im Tattersall 
auf der kleinen Bult. Der Unterricht ist freiwillig; für den Reit¬ 
kursus wird ein besonderes Honorar von 25 M. entrichtet. Die Zeit 
des Unterrichts ist von jedem Teilnehmer mit dem Herrn Flocke¬ 
mann zu vereinbaren. 


Bücheranzeigen und Kritiken. 

Klinische Diagnostik der äusseres Krankheiten der Haustiere mit 
besonderer Berücksichtigung der Lahmheiten des Pferdes. Von Prof. 
Dr. H. Möller-Berlin. Vierte Aufl. Stuttgart 1903. Verlag von Ferd. 
Enke. In zehn Abschnitten bespricht der Verfasser die klinische 
Diagnostik der äußeren Krankheiten der Haustiere auf Grund einer 
reichen Erfahrung. Der gediegene Inhalt des Buches hat in der 
vorliegenden vierten Auflage keine wesentliche Änderung erfahren. 
Selbstverständlich hat der Verfasser bewährten Neuerungen, wie 
z. B. der Infiltrationsanästhesie zur Sicherung der Diagnose 
gewisser Lahmheiten, Raum gegeben. Die Diagnostik mittels 
Röntgenstrahlen ist mit Recht mit wenigen Worten abgetan worden, 
weil sie in der Veterinärmedizin eine nebensächliche Rolle spielt. 

Der zehnte Abschnitt, welcher fast die Hälfte des Buches 
ausmacht, betrifft die Diagnostik der Lahmheiten und enthält 
außerordentlich viel Belehrungen, welche dem Studierenden, wie 
auch dem Praktiker sehr willkommen sein müssen. 

DaB Werk verdient die beste Empfehlung. Röder. 

Praktikum der botanischen Bakterienkunde. Einführung in die 
Methoden der botanischen Untersuchung und Bestimmung der 
Bakterienspezies von Dr. Arthur Meyer. Verlag von Gustav Fischer. 
Jena. Pr. 5,20 M. gebunden. 

Das vorliegende Praktikum der botanischen Bakterienkunde ist 
ein Teil der durch den Verfasser herausgegebenen botanischen 
Praktika. 

Das Buch enthält eine farbige Tafel und 31 sehr instruktive 
Abbildungen. Es eignet sich infolge seiner übersichtlichen An¬ 
ordnung speziell zur Einführung in die Bakterienkunde. Sehr be¬ 
achtenswert ist die von dem Verfasser am Schlüsse jeden Kapitels 
angegebene sogenannte Übung, derart, daß er z. B. in kurzen 
Worten bei der Sterilisation, nachdem die Einzelheiten der Sterili¬ 
sation und die Methoden angegeben sind, genau ausführt, wie 
der Studierende oder Anfänger in der Praxis verfährt. Zu Anfang 
jeden Kapitels ist die wichtigste Literatur angegeben, die allerdings 
auf Vollständigkeit keinen Anspruch erheben kann, aber für den 
Anfänger ausreichen dürfte; die Angabe von Bezugsquellen, welche 
der Verf. macht, ist mindestens überflüssig. Die Ausstattung des 
Buches ist die bei der Firma Fischer bekannte gute. 

Gleich den Ärzten dürften auch die Tierärzte aus dem Studium 
dieses kleinen Buches Nutzen ziehen können. Dr. Jeß. 

Tierphysioiogisches Praktikum. Übungen aus dem Gebiete der 
physiologischen Chemie und verwandten Zweigen für Tierärzte und 
Landwirte von E. H. Stein, 1. Assistent am Institute für Tier¬ 
physiologie der Landwirtschaftlichen Akademie Bonn-Poppelsdorf. 
Mit 20 Abbildungen im Text. Stuttgart 1903. 

Verfasser will durch sein 144 Seiten starkes Werkchen Tierärzten 
und Landwirten, vor allem aber den Studierenden der Veterinär¬ 
medizin und Landwirtschaftslehre einen Leitfaden in Gestalt einer 
Art ausgearbeiteten Kollegienheftes zur Erleichterung ihrer praktischen 
physiologischen Studien an die Hand geben. Jedoch hätte in der 
Aufschrift deutlicher zum Ausdruck gebracht werden müssen, daß 
in der vorliegenden Schrift nur der chemische Teil des Praktikums 
bearbeitet worden ist, während die den Veterinärmediziner besonders 
interessierenden Gebiete der Muskel- und Nervenphysiologie usw. 
leider unberücksichtigt geblieben sind. 

In acht Abschnitten und einem Anhang hat der Verfasser den 
Stoff übersichtlich abgehandelt. Er bespricht nacheinander: 
1. Analyse, 2. Eiweißkörper, Fette, Kohlehydrate, 3. Nahrungs- und 
Futtermittel, 4. die Verdauung, 5. das Blut, 6. den Harn, 7. die 
Milch, 8. die Butter und schließt mit einer Atomgewichtstabelle, 
Spektren der Blutfarbstoffe und einer Übersichtstabelle der analy¬ 
tischen Daten einiger Fette und Öle. 

Repetitorische Besprechungen machen den Leser rasch wieder 
mit der Materie vertraut, und die knappe Sprache, die geschickte 
Wahl der Beispiele und Darstellung der Reaktionen sind durchaas 
geeignet, den Erfolg des Buches zu sichern und demjenigen, welcher 
chemisch-physiologische Übungen anstellt, den Weg bei seinen 
Studien zu ebnen. Aus diesem Grunde kann das Buch empfohlen 
werden. Dr. J. Richter. 


VerantwortUch für den Inhalt (exkL Inseratenteil): Prof. Dr. Schmaltz in Berlin. — Verlag and Eigentum von Richard Scboetx in Berlin. — Druck von W. Büxenstein, Berlin. 


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wöchentlich Im Verlag« von Richard Sehoet« ln 
Berlin, Lnlsenstr. 86. Dnreh Jede* dontsehe Poctamt wird 
dieselbe nun Preise von M. 5,— vierteljährlich (M. 4,88 für 
die Wochenschrift, 11 Pf. Ar Bestellgeld) frei Ins Hans 
geliefert. (Deutsche Post*Zeitung*-Preisliste No. 110t, 
Oesterreleblsche No. 610, Ungarische No. 90.) 


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Origtnalbeltr&ge werden mltMHk. Ar den Bogen honoriert. 
Alle Manuskripte, Mitteilungen und redaktionellen An¬ 
fragen beliebe man an senden an Prof. Dr. Schmält«, 
Berlin, tlertrstllche Hochschule, NW, Lnlsenxtrasse 66. 
Korrektoren, Resenaions-Exemplare und Annoncen da¬ 
gegen an die Verlagsbuchhandlung. 


Tierärztliche Wochenschrift 


Redaktion: 

Professor Dr. Schmaltz-Berlin 

Verantwortlicher Redakteur. 


De Bruln 

Dr. Jess 

KOhnau 

Dr. Lothes 

Nevermann 

Prof. Dr. Peter 

Peter« 

Professor 

Krelstlerant 

Schlachthofdirektor 

Departemenutierant 

Krelstlerant 

Krelstlerant 

Departementstlerant 

Utrecht 

Charlottenburg. 

CöJn. 

Cöln. 

Bremervörde. 

Angermünde. 

Bromberg. 


Preusse 

Dr. Boeder 

Dr. Schlegel 

Dr. Vogel 

Zündei 



Veterin&rassessor 

Professor 

Professor 

Landestlerant ▼. Bayern Krelstlerant 



Danzig. 

Dresden. 

Freiburg i. Br. 

München. 

Mülhausen i. E. 


Jahrgang 1903. ,M 35 . Ansgegeben am 27. August. 


Inhalt: Burow: Über die Bekämpfung des Milzbrandes nach der Methode „Sobernheim“. — Meyer: Weitere Beiträge 
zur Silbertb erapic. — Referate: Kofler: Einiges über Folgekrankheiten der Druse. — Strebei: Der Gelenkrheumatismus 
beim Kinde. — Freyberger: Ovariotomie beim Rinde. — Albrccht: Thrombose der vorderen Hoblvene bei einem Pferd. — 
Sturhan: Magenwurmseuche bei Enten. — Tagesgeschlohte: Bescheid des preußischen Ministerium für Landwirtschaft auf 
Eingaben der Zentralvertretung der preußischen tierärztlichen Vereine. — Verschiedenes. — Bücheranzeigen und Kritiken. 
— Personalien. — Vakanzen. 


Über die Bekämpfung des Milzbrandes nach der 
Methode „Sobernheim“. 

Vortrag, gehalten am 17. Mai in der Versammlung des Tierärztlichen 
Zcntralvereins für die Provinz Sachsen, die anhaitischen und 
thüringischen Staaten. 

Von 

Tierarzt Dr. phil. Burow, 

Leiter der bakteriologischen Filiale der Chemischen Fabrik E. Merck-Darmstadt 

in Hallo a. S. 

Meine Herren! Das Thema zu meinem heutigen Vortrage 
lautet: Über die Bekämpfung des Milzbrandes nach der Methode 
„Sobernheim“. Ich hatte zunächst beabsichtigt, in Verbindung 
mit diesem Thema Ihnen einen Überblick zu geben über den 
bisherigen Stand der Schutzimpfungen gegen Milzbrand ganz im 
allgemeinen. Da ich jedoch Ihre Zeit schon allzusehr durch meine 
Mitteilungen über das neue Verfahren von Sobernheim, über 
die Ziele und Erfolge desselben in Anspruch nehmen werde, so 
muß ich heute auf weitere Ausführungen verzichten, behalte 
mir jedoch vor, vielleicht später einmal darauf zurückzukommen. 

Wie der Mehrzahl von Ihnen bekannt sein wird, meine 
Herren, hat der Professor Sobernheim an der hiesigen 
Universität ein Impfverfahren ausgearbeitet, bestimmt zu Schntz- 
und Heilimpfung gegen Milzbrand der Tiere und des Menschen. 
Um sogleich in medias res zu gehen: im Jahre 18‘J7 konnte 
Sobernheim die Mitteilung machen, daß es ihm gelungen 
sei, Schafe mit Hilfe eines wirksamen Serums gegen den 
experimentellen Milzbrand zu schützen. Tiere, denen eine 
bestimmte Menge dieses Serams injiziert worden war, über¬ 
standen ohne weiteres die Infektion mit einer sonst tödlich 
wirkenden Dosis virulentesten Milzbrandmaterials, ganz gleich, 
ob eine snbkntane Verimpfung von Milzbrandbazillen stattfand, 
oder eine Verfütterung von Milzbrandsporen vorgenommen 
wurde. — Neben dieser Form der rein passiven, also nur durch 
Serum allein bewirkten Immunisierung wurde noch ein anderes 
Verfahren, nämlich das der kombinierten — aktiven und passiven 
Immunisierung — mit Erfolg versucht. In diesem Falle diente 
zur Immunisierung eine Mischung von Milzbrandserum und 


leicht abgeschwächten Milzbrandbakterien; die reine Serum- 
immunitftt, welche ja erfahrungsgemäß nicht so lange andanert, 
wurde also durch die gleichzeitige Bakterienimmunität in die 
aktive Form übergeführt. 

Sobernheim ging nun auf Grund seiner einwandfreien 
Versuche daran, seine im Laboratorium erzielten Erfolge auch 
in die Praxis zu übertragen, and mit Hilfe des prenß. landwirt¬ 
schaftlichen Ministeriums und mit Unterstützung der hiesigen 
Landwirtschaftskammer wurde er in den Stand gesetzt, Versuche 
an einer größeren Tierzahl vorzunehraen, so also Gelegenheit 
zu nehmen, die Wirksamkeit deß Serams zu prüfen unter Ver¬ 
hältnissen, welche denen in der Praxis, wenn auch nicht gleich¬ 
kamen, so doch um ein bedeutendes Stück nähergerückt waren. 

Zu diesen Versuchen wurden benutzt 33 Schafe und 18 Rinder. 

Bei der passiven Immunisierung — also der reinen Serum¬ 
impfung — erhielten die Tiere eine Menge von 10—100 ccm 
subkutan injiziert, und zwar wurde die Injektion vorgenommen 
bei Schafen unter die Nackenhaut, bei Rindern unter die Haut 
an den Halsseiten. Eine Abweichung von der früheren Form 
der kombinierten Immunisierung trat insofern ein, als nicht mehr 
ein Gemisch von Serum und Kultur verimpft wurde, sondern als 
Serum und Kultur an zwei verschiedenen Körperstellen, also 
örtlich getrennt, injiziert wurden. 

Bei all diesen Versuchen erwies sich eine Menge von 10 ccm 
Serum als hinreichend, um Schafe and Rinder gegen eine Milzbrand¬ 
infektion zu schützen, der die Kontrolliere in 24—36 Stunden 
erlagen. 

Auch die Heilkraft des Serums wurde bei Schafen geprüft 
und ergab befriedigende Resultate. Speziell zu diesen Heil¬ 
versuchen wurden fünf Schafe benutzt, die zunächst mit virulenter 
Kultur geimpft worden waren; dann wurde zu verschiedenen 
Zeiten nach der Infektion — 10 Minuten bis 6 Stunden — eine 
snbkntane Seruminjektion von 40 ccm vorgenommen. Bei zwei 
Schafen hatte die Impfung vollständigen Erfolg: es trat Heilung 
ein. Die drei anderen Versuchstiere überlebten den Tod des 
Kontrolltieres um V/ 2 bzw. 4 und 8 Tage. In Anbetracht dieser 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 35. 



542 


zwar schwachen, aber immerhin nicht zu unterschätzenden Heil¬ 
wirkung des Serums durfte man unter natürlichen Verhältnissen, 
hei Rindern namentlich mit Anwendung größerer Serummengen, 
wohl auf noch bessere Erfolge hoffen, eine Erwartung, die sich 
später in der Tat erfüllt hat. 

Das entscheidende Urteil über Wert oder Unweit des Serums 
mußte selbstverständlich der Beobachtung in der Praxis Vor¬ 
behalten werden, da bei den natürlichen Erkrankungen stets Ver¬ 
hältnisse besonderer Art in Betracht kommen, und die künst¬ 
lichen Laboratoriums-Infektionen nicht ohne weiteres mit den¬ 
selben identifiziert werden können. 

Um jedoch auf diesem Wege zu zweifellos einwandfreien 
und völlig eindeutigen Ergebnissen zu gelangen und den Faktor 
des Zufalls nach Möglichkeit auszuschließen, war es unerläßlich, 
eine zweckentsprechende Auswahl der Versuchsplätze zu treffen 
und die Versuchsirapfungen nur in solchen Gegenden vorzunehmen, 
wo der Milzbrand dauernd und in größerem Umfange — nicht rein 
sporadisch — auftritt, um somit Erfolg oder auch Mißerfolg 
eines Schutzimpfungsverfalirens deutlich in die Erscheinung 
treten zu lassen. — Diese Versuchsbedingungen fanden sich in 
der Provinz Pommern erfüllt. 

Die hier zunächst vorgenommenen Impfungen erstreckten 
sich damals ausnahmslos auf Rinder, und zwar in der Zahl von 
2700 Stück. 

Was die Impfungen selbst anbetrifft, so haben sämtliche 
Tiere dieselbe ohne irgendwelche erhebliche Gesundheitsstörungen 
ertragen; nicht ein einziges ist der Infektion erlegen. 

Die alleinigen Symptome waren vereinzelt Temperatur¬ 
steigungen auf 40,0—40,5, ferner oft leicht verminderte Freß- 
lust. Im besonderen ließen sich aber, je nach Alter der Tiere, 
Geschlecht, Ernährungszustand etc. keinerlei Unterschiede wahr¬ 
nehmen; Kälber z. B. ertrugen die Impfung genau so wie 
erwachsene Rinder. 

Fragen wir uns nun nach dem Erfolg der Impfung in bezug 
auf die Schutz Wirkung, so war derselbe durchweg ein günstiger. 
Überall dort, wo Milzbrand herrschte, sei es nun, daß er 
plötzlich zum Ausbruch gelangt war, oder aber sich schon seit 
einiger Zeit fest eingenistet hatte, gelang es, mit Hilfe der 
Schutzimpfung der Seuche sofort Herr zu werden. Von dem 
Augenblick der Impfungen an traten in keinem einzigen Falle 
weitere Erkrankungen mehr auf. Der Impfschutz erwies sich 
zugleich als ein nachhaltiger und beständiger, indem die durch 
das kombinierte Verfahren immunisierten Tiere für die gesamte 
Dauer der damaligen Beobachtungszeit, welche auf Wunsch des 
Besitzers nur etwas über 9 Monate dauerte, trotz vielfacher 
Erkrankungen in den ungeimpften Beständen der Nachbarschaft, 
von Milzbrand verschont blieben. In mehreren Fällen konnten 
aber auch bereits von der Infektion befallene und schwerkranke 
Tiere durch größere Serumraengen gerettet werden; das Milz¬ 
brandserum bewährte sich also somit zweifellos auch als Heil¬ 
mittel, was ich besonders zu berücksichtigen bitte. — Wie 
ich schon sagte, dauerte die Beobachtungszeit leider nur 
etwas länger als 9 Monate, weil der Besitzer, Graf Arnim- 
Schlagentliin in Nassenheide, der Vorsicht halber bereits nach 
etwa 10 Monaten seinen ganzen Bestand von neuem impfen ließ. 

Es genügte ihm also der Schutz von 9 Monaten vollständig, 
während Sobernheim einen solchen von 12 Monaten und dar¬ 
über erwartete. — Zur Bestätigung dieser meiner Angaben 


werde ich aus der großen Zahl der einschlägigen Beobachtungen 
der folgenden hier kurz Erwähnung tun. 

1. Auf dem Gute B. war im November 1900 der gesamte 
Bestand nach Pasteur geimpft worden; trotzdem erkrankten im 
Laufe des folgenden Winters eine größere Anzahl von Tieren. 
Die Milzbrandfälle mehrten sich im Januar und Februar. Bis 
zum Tage der Impfung (20. Februar 1901) waren 12 Tiere 
eingegangen, davon drei am Tage vor der Impfung nach unserer 
Methode; am Impftage selbst starben zwei weitere Tiere, und 
fünf Stück erkrankten unter den schwersten Symptomen. 

Impfung: Die 5 kranken und stark fiebernden Tiere erhielten 
je 150 ccm Serum. Von den übrigen Tieren wurde die größere 
Zahl der einfachen, der kleinere Rest der kombinierten Serum¬ 
impfung unterworfen, und zwar erhielten 80 Stück je 25 ccm 
Serum, 50 Stück 15 ccm Serum -f- 1 ccm Kultur. Ungefähr 
60 Tiere mußten aus Mangel an Impfstoff unbehandelt bleiben. 

Erfolg: Von den 5 schwerkranken Tieren, die nach der 
bestimmt geäußerten Ansicht der anwesenden Sachverständigen 
ohne Eingriff der Krankheit sicher erlegen wären, erholten sich 
4 völlig und blieben am Leben, nur eins verstarb nach 6 Tagen. 
Auch dieses letztere hätte wohl durch wiederholte Serum¬ 
einspritzung gerettet werden können, der vorhandene Serum¬ 
vorrat sollte jedoch auf besonderen Wunsch lieber zur Immu¬ 
nisierung anderer wertvollerer Tiere verwendet werden. 

Der Erfolg der Schutzimpfung war im übrigen eklatant; 
kein einziges der geimpften Tiere erkrankte mehr an Milzbrand. 
Die Seuche war hier von dem Augenblick der Impfung an er¬ 
loschen und nur unter den 60 ungeimpft gebliebenen Tieren 
ereigneten sich in den folgenden Tagen noch weitere Er¬ 
krankungen. Es wurde daher bei diesen eine erneute Impfung 
nach Pasteur vorgenommen — Serum war nicht ausreichend 
vorhanden — und damit auch hier die Seuche beendet. 

2. Auf den nahe beieinander gelegenen Gütern G., M. und «S., 
die im Jahre 1900 stark von Milzbrand heimgesucht worden 
waren, machten sich im März 1901 wieder neue Erkrankungen 
bemerkbar. 6—8 Fälle traten auf, darunter 2 mit tötlichem 
Ausgang. Anfang April wurde die Schutzimpfung vorgenommen 
in kombinierter Form. Die Tiere erhielten zumeist (318 Stück) 
15 ccm Serum -f- 1 ccm Kultur; ein kleinerer Teil 10 ccm 
Serum und 1 ccm Kultur. 

Seit dieser Zeit war der Milzbrand erloschen. 

3. Dominium K.: Ungefähr 14 Tage vor der Impfung brach 
der Milzbrand in sehr heftiger Weise aus. Bis zum Augenblick 
der Impfung 16 Todesfälle. Am 12. Dezember 1901 wurden die 
Tiere (97 Stück) kombiniert geimpft. 

Seitdem ist der Milzbrand erloschen und bis heute kein Fall 
wieder eingetreten. 

4. Wegen plötzlichen Ausbruchs der Seuche auf dem Gnte S. 
wurde Impfstoff telegraphisch verlangt und die Impfung (kombiniert, 

5 ccm Serum -f- 1 ccm Kultur) sofort vorgenommen. 16 Tiere 
waren bis zum Tage der Impfung gestorben, 1 Tier starb in 
der Nacht nach der Impfung, 2 weitere nach zirka iy 2 Tagen; 
letzere waren also ohne jede Frage, wie auch der Tierarzt 
nach eigner Überzeugung sofort angab, im Augenblick der 
Impfung bereits krank gewesen. 

Seitdem ereignete sich auch hier, wie ich mich noch vor 
kurzem persönlich überzeugt habe, kein weiterer Milzbrandfall. 

So, meine Herren, lagen die Verhältnisse, und derart waren 
die Erfolge, als die Chemische Fabrik von E. Merck, Dannstadt, 


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27. Angast 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


543 


den geschäftlichen Vertrieb des Serums übernahm und zu diesem 
Zweck hier in Halle eine Filiale errichtete. Die Herstellung 
der Impfstoffe — Serum und Kultur — liegt mir ob und es 
dürfte Sie interessieren, etwas Näheres über die Herstellung des 
Serums u. 8. w. zu erfahren: 

Ich benutze zur Serumgewinnung Pferde, Rinder und Schafe. 
Das zur Verwendung gelangende Serum setzt sich zusammen 
aus 1 Teil Pferdeserum, 1 Teil Schafserum und 2 Teilen Rinder¬ 
serum. 

Die Immunisierung der Tiere bis zur Blutentnahme geht 
relativ langsam vorwärts, dauert etwa ein Vierteljahr und ist 
besonders bei kleineren Tieren mit hohen Verlustziffern ver¬ 
bunden, so daß dadurch eine Verteuerung des Serums eintritt. 
Sobald die Reaktionserscheinungen auf die Impfungen zurück¬ 
gegangen sind, findet die Blutentnahme statt. Nach der Blut¬ 
entnahme Ruhe und Wiederimpfung mit hochvirulentem Milz¬ 
brandmaterial in immer steigenden Mengen. Die Kulturen, 
welche ich verwende, sind imstande, in Vioo Öse Kaninchen ein¬ 
geimpft, diese in 24—36 Stunden an Milzbrand zu töten. 

Die Immunisierung der Tiere bis zu dem erwähnten Grad 
der Immunität und damit bis zur ersten Blutentnahme ist be¬ 
sonders bei Schafen mit etwa 40 Proz. Verlusten begleitet ge¬ 
wesen. Man kann die. Immunität bis zu einer ganz erstaun¬ 
lichen Höhe treiben. Wir injizierten auf einmal einigen Tieren 
bereits bis zu 7 Massenkulturen, also etwa 70 Agarkulturen von 
virulentestem Milzbrandmaterial; naturgemäß ist auch dann der 
Immunwert eines solchen Serums ein ganz beträchtlicher. 

Ich komme nun zu den Impfungen, welche seit Beginn des 
vorigen Jahres vorgenommen worden sind. Nach unserer Methode 
wurden in dieser Zeit geimpft 2500 Tiere und zwar in erster 
Linie Rinder. In Rumänien wurden auch 40 Pferde geimpft. — 
Neben den durchaus günstigen Erfolgen sind leider auch Mi߬ 
erfolge zu verzeichnen gewesen, deren genauere Schilderung ich 
Ihnen natürlich nicht vorenthalten will. Überhaupt stehe ich 

nicht hier als Lobredner der Methode, sondern die Methode soll 

« 

und wird für sich selbst sprechen. 

Im Frühjahr 1902 erkrankten zunächst nach der Impfung 
in einem Bestände einige Ochsen an Impfmilzbrand, wovon auch 
einige (4) verendeten. Ferner ereigneten sich bei Gröbzig drei 
Todesfälle ebenfalls bei Ochsen an Impfmilzbrand, während ver¬ 
schiedene andere dieses Bestandes erkrankten, nach Einspritzung 
von größeren Mengen Serum aber wieder genasen. Zwei von diesen 
blieben etwas steif und wurden als Mastochsen verwertet. Der 
Mißerfolg in diesen beiden Beständen ist einzig und allein 
darauf zurückznführen gewesen, daß erstens die Virulenz der 
Kulturen eine zu starke war, und zweitens die Ochsen, denn 
nur um solche handelte es sich allemal, zu früh zur Arbeit 
herangezogen waren. Ich komme bei der nachher folgenden 
Statistik noch darauf zurück. 

Ein weiterer Mißerfolg, wenn ich ihn so nennen soll, er¬ 
eignete sich in Ungarn. Dort verendeten aus einem geimpften 
Bestände von 125 Ochsen am fünften Tage nach der Impfung 
ein Ochse, der den Tag zuvor zur Feldarbeit herangezogen war. 
Ein anderer starb am elften Tage nach der Impfung ganz 
plötzlich. Impfmilzbrand war in diesem Falle ausgeschlossen. 
Auch auf diese beiden Fälle komme ich noch zu sprechen. 

Während diese soeben erwähnten Fälle in die Rubrik „Impf¬ 
milzbrand“ resp. „Impfverluste“ zu bringen sind, sind von den sämt¬ 
lichen bis dahin geimpften ca. 5000 Tieren 3 Kühe 4—7 Wochen 


nach der Impfung an Milzbrand, wie von mir bakteriologisch 
festgestellt ist, eingegangen, und ferner soll etwa 6 Wochen 
nach der Impfung ein Ochse angeblich an Milzbrand verendet 
sein. Sektion ist leider nicht gemacht worden, sodaß ich diesen 
Fall dahin gestellt sein lasse. 

Diesen uns weniger angenehmen Erfahrungen über einige 
Mißerfolge stehen wieder andere gegenüber, welche in ihrer 
großen Zahl durch die unzweifelhaften Beweise jedem unparteiisch 
Denkenden die Überzeugung von dem Wert der Methode auf¬ 
drängen. 

Ich habe ja nicht nötig, die vorhin in Pommern erwähnten 
Erfolge noch einmal zu rekapitulieren, ich will nur hinzufügen 
und auf den Punkt Ihre Aufmerksamkeit lenken, daß seit dem Zeit¬ 
punkt, da die Impfungen dort vorgenommen sind, bis heute absolut 
keine Milzbrandfälle unter den Viehbeständen mehr aufgetreten 
sind, wie mir erst vor kurzem, bevor in diesem Monat die 
Wiederimpfungen vorgenommen wurden, mitgeteilt worden ist. 

Einen sehr interessanten Fall sah ich in Sennewitz b. Trotha. 
Im Juli vorigen Jahres wurde ein Bestand von 41 Tieren geimpft 
in einem Gehöft, in welchem alljährlich Milzbrandfälle zu ver¬ 
zeichnen waren. Drei Tiere blieben aus bestimmten Gründen 
ungeimpft und von diesen dreien ist eine Kuh im Februar dieses 
Jahres an Milzbrand verendet. 

Ich gebe Ihnen, meine Herren, nun in folgendem eine kurze 
Statistik. 

Geimpft wurden im ganzen nach der Methode „Sobernheim“ 
im Laufe der letzten Jahre ca. 5000 Tiere. Von diesen 5000 Tieren 
sind bei 8 Ochsen Todesfälle an Impfmilzbrand zu verzeichnen 
gewesen = 0,15 Proz., dadurch bedingt, daß 1. die Kultur eine 
zu große Virulenz besaß und 2. die Tiere allzufrüh angespannt 
worden waren. 

Ich mache Sie ausdrücklich darauf aufmerksam, meine 
Herren, daß es für uns ein Leichtes gewesen wäre, diese Fälle 
zu verhüten. Wir hätten doch nur nötig gehabt, mit der 
Virulenz der Kultur herunter zu gehen. Es sollten die Impfungen 
aber doch in erster Linie zu weiteren Versuchszwecken in der 
Praxis dienen, und da bekanntlich Probieren über Studieren 
geht, so mußte unsererseits der Versuch gemacht werden, eine 
vielleicht höhere Reaktionserscheinung zu erzwingen, um einen 
eventuell länger andauernden Schutz zu erreichen. 

Die Frucht dieser Erfahrungen ist diejenige gewesen, daß 
wir seit der Zeit für Ochsen eine andere Kulturaufschwemraung 
herstellen, als bisher, und die erst ganz vor kurzem in Pommern 
vorgenommenen Impfungen an 960 Tieren, in erster Linie 
Ochsen, ist vollständig ohne Mißerfolge verlaufen. Überhaupt 
haben wir eben auch nur bei Zugochsen diese unangenehmen 
Erfahrungen machen können, welcher Umstand wohl zu denken 
gibt. 

Die Praxis lehrt, daß Ochsen an und für sich empfind¬ 
licher gegen eine Milzbrandinfektion sind als andere Tiere. 
Nach meiner Überzeugung (und diese Ansicht wird jedenfalls 
auch von anderen Kollegen geteilt werden) ist in diesem Falle 
der Kastration ein großer Einfluß zuzumessen. Der Organismus 
der Ochsen hat nicht die kernige Konstitution als der der Kühe 
und Bullen. Hierzu kommt noch ein sehr wichtiger Faktor, 
nämlich der, daß die Tiere zur Zugarbeit, also zur angestrengten 
körperlichen Tätigkeit herangezogen werden. Immerhin ist doch 
die kombinierte Impfung ein Eingriff von nicht zu unterschätzen¬ 
der Bedeutung und die Tiere bedürfen nach der Impfung un- 


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544 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 85. 


bedingt der Ruhe und Schonung, welche Forderungen in den 
fraglichen Fällen nicht genügend berücksichtigt worden waren. 

Ferner werden wohl sicherlich Rasseeigenttiralichkeiten 
und individuelle Anlagen eine große Rolle spielen. In Ungarn 
erkrankten von 125 Ochsen zwei, welche aus einer Gegend kurz 
vorher importiert waren, wo seit Menschengedenken kein Milz¬ 
brand geherrscht hat. Hierzu kam noch, daß beide Ochsen 
mütterlicher- und väterlicherseits dieselbe Abstammung hatten. 

Auf Grund meiner Erfahrungen auf diesem Gebiet bin 
ich zu der Überzeugung gekommen, daß Erkrankungen an Milz¬ 
brand unter den Haustieren viel häutiger auftreten als sie 
diagnostiziert werden. Manche leichte Digestionsstörung mag 
häufig nichts anderes sein, als ein leichter Milzbrandanfall. 
Natürlich erlangen diese einmal erkrankt gewesenen Tiere auf 
kürzere oder längere Zeit eine gewisse Immunität gegen Milz¬ 
brand. Die Tiere erhalten doch mehr oder weniger in einem 
Bestände schließlich alle dasselbe Futter und wenn oft nur ein 
oder zwei Tiere an Milzbrand verenden, so scheint das eine 
Bestätigung meiner Ansicht zu sein. 

Wie ich vorhin erwähnt habe, sind von den nach unserer 
Methode geimpften Rindern in Salzmünde, wie festgestellt, 
3 Kühe 4—6 Wochen nach der Impfung an Milzbrand eingegangen, 
das sind also von 5000 Tieren 0,08 Proz. 

Ich gehe wohl nicht fehl in der Annahme, daß immerhin 
eine so starke Infektion durch Milzbrandsporen eintreten kann, 
welcher die durch die Impfung erlangte Immunität in gewissen 
Fällen nicht gewachsen ist. Der Fall ist doch denkbar, daß 
ein Tier ein ganzes Nest von Milzbrandsporen, wenn ich 
mich so ausdriicken darf, zu sich nimmt; daß daun die sich daran 
anschließende Erkrankung dann gerade keine leichte ist, liegt 
klar auf der Hand und bedarf keiner weiteren Erörterung. 
Unfehlbar ist ja bis heute keine Impfmethode und es hieße die 
Tatsachen verkennen zu wollen, wollte man auf Grund dieser 
so äußerst wenigen Fälle, 0,08 Proz., den Glauben an das ganze 
Verfahren verlieren. Bei jeder Impfmethode, sowohl in unserer 
als auch in der Humanmedizin entstehen sofort nach den ersten 
Berichten eine Anzahl Gegner, welche sich zum Teil nicht über¬ 
zeugen lassen wollen — ich möchte sagen — aus angeborenem 
Skepticismus und Pessimismus. Die Zeit und damit die Erfolge 
haben ja gottlob schon manchen früheren Gegner bekehrt und 
aus dem ehemaligen Protestler einen warmen Fürsprecher gemacht. 

Von Interesse für Sie, meine Herren, dürfte noch die Mit¬ 
teilung sein, daß Prof. Sobernheim nach Argentinien gereist 
ist, um auf Bestellung in den dortigen großen Viehbeständen, 
wo der Milzbrand in der grassierendsten Form auftritt, Schutz¬ 
impfungen an zirka 60000 Tieren vorzunehmen. Leider kann ich 
Ihnen heute über den bisherigen Erfolg dieser Impfungen noch 
keine Auskunft geben, da noch keine näheren Nachrichten darüber 
bei mir eingegangen sind. Der eine Besitzer jedoch, in dessen 
Bestand die Impfungen bereits begonnen haben, hat vorgestern 
telegraphisch noch für 10000 Schafe und 5000 Rinder Serum 
nachbestellt. Vielleicht werde ich Ihnen in der nächsten Herbst¬ 
sitzung näheren Aufschluß über den Erfolg dieser Massen¬ 
impfungen geben können. 

Es erübrigt sich für mich nun noch, Ihnen, meine Herren 
Kollegen, die für unser Verfahren ausgearbeitete Gebrauchs¬ 
anweisung vorzulesen und Sie an der Hand desselben auf einzelne 
Punkte aufmerksam zu machen. 


Schutzimpfung gegen Milzbrand mit Milzbrandserum 
Merck (nach Prof. Dr. Sobernheim). 
Gebrauchsanweisung. 

Die Milzbrandschutzimpfung gelangt in der Form der sog. 
kombinierten Impfung („Simultanimpfung“) zur Ausführung; sie 
darf nur durch Tierärzte vorgenommen werden. Die erforder¬ 
lichen Impfstoffe sind: 

1. Milzbrandserum (grüne Flasche, Aufschrift in schwarzem 
Druck), 

2. Kultur (gelbe Flasche, Aufschrift in rotem Druck). 
Jedes Tier wird mit beiden Stoffen geimpft, und zwar 

zuerst mit Serum, dann, nach ca. 5 Minuten, mit Kultur. 
Niemals darf zuerst die Kultur oder gar diese allein eingespritzt 
werden, ebensowenig soll die Einspritzung früher als nach 
5 Minuten der Seruminjektion folgen. 

Serum und Kultur werden, örtlich getrennt, subkutan 
injiziert, und zwar das Serum an der linken, die Kultur an der 
rechten Halsseite. Impfungen in den Triel sind zu vermeiden. 
(In der Regel empfiehlt es sich, eine Gruppe von Tieren, 8—10, 

! zuerst an der linken Halsseite mit Serum und hierauf die gleichen 
Tiere in der nämlichen Reihenfolge an der rechten Seite mit 
Kultur zu impfen.) Eine gründlichere Desinfektion der Impf¬ 
stelle ist entbehrlich; es genügt vorheriges kräftiges Abtupfen 


mit 50—70proz. Alkohol, ohne Abscheren der Haare. 
Dosierung: 

die Serum -Dosis beträgt: 

gleichmäßig für sämtliche Tiere = 10,0 ccm 

die Kultur-Dosis beträgt: 

für Kälber.= 0,3—0,5 „ 

für Zugochsen und Arbeitstiere . . = 0,5 „ 

für alle übrigen Rinder.= 1,0 „ 


Die Impfstoffe sind möglichst sofort zu benutzen, da die 
Kultur höchstens bis zum dritten Tage nach der Ankunft ge¬ 
nügende Wirksamkeit bewahrt. Das Serum ist monatelang 
haltbar. Die Aufbewahrung von Kultur und Serum hat, soweit 
eine solche erforderlich, im Dunkeln und an einem kühlen Orte 
(event. Eisschrank) zu erfolgen. 

Es ist mit peinlichster Sorgfalt darauf zu achten, daß 
Serum und Kulturflüssigkeit niemals in direkte Berührung mit 
einander gebracht werden. Daher sind für beide Stoffe stets 
besondere Spritzen, Schalen und sonstige Utensilien zu benutzen. 
Sowohl für die Serum- wie für die Kulturinjektion können ge¬ 
wöhnliche Stempelspritzen (Pravazsche oder ähnliche) Ver¬ 
wendung finden, die zuvor zu sterilisieren oder aber zum 
mindesten mehrmals mit heißem Wasser durchzuspülen sind. 
Ebenso sind die event. zur Aufnahme des Serums bezw. der 
Kultur bestimmten Schalen, am besten Porzellan- oder emaillierte 
Metallschalen, zuvor mit heißem Wasser gut auszuwaschen. 

Nach dem Gebrauch müssen alle mit der Kultur in Be¬ 
rührung gebrachten Instrumente und Gefäße, sowie etwa vor¬ 
handene Reste der Kulturflüssigkeit in bekannter Weise steri¬ 
lisiert werden (Auskochen oder Einlegen in desinfizierende 
Lösungen). Überhaupt ist bei allen Maßnahmen mit der Kultur, 
die zwar in ihrer Virulenz abgeschwächt, immerhin aber nicht 
ungefährlich ist, Vorsicht dringend geboten. Die für das 
Serum benutzten Utensilien werden einfach mit warmem Wasser 
ausgespült und gereinigt. 

Darmstadt, Dezember 1902. E. Merck. 


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27. August 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 545 


Meine Herren Kollegen! Ich bin am Ende meines Vor¬ 
trages, und Sie werden sich auf Grund meiner Ausführungen und 
nach Prüfung der Sachlage ein Urteil gebildet haben. Das 
Sobernheimsche Impfverfahren ist unzweifelhaft als ein großer 
Fortschritt der Milzbrandbekämpfung anzusehen; es hat vordem 
Pasteurschen Verfahren vor allen Dingen die Vereinfachung 
voraus, daß die Impfung nicht an zwei, sondern an einem Tage 
ansgeführt wird. Die Erfahrungen, was Schutz- und Heilkraft 
anbetrifft, sind auf Grund des vorhandenen Beobachtungsmaterials 
durchaus günstig. Da wirksamere Kulturmengen als bei den 
Pasteurschen Vaccins in Anwendung kommen, wird auch eine 
stärkere Immunität und längere Dauer des Impfschutzes erzielt. 
Dieser oder jener von Ihnen, meine Herren, wird nun eventuell 
bereit sein, die Methode in der Praxis zu versuchen. Verfehlen 
will ich nicht, Sie noch ganz besonders, abgesehen von der ; 
Schutzimpfung, auch auf die Heilimpfung aufmerksam zu 
machen. Vielleicht hat mancher von Ihnen Gelegenheit, in ge¬ 
eigneten Fällen das Serum auf seine Heilwirkung zu prüfen, und 
ich stehe bei eventuellen diesbezüglichen Anfragen jederzeit gern 
zu Diensten; überhaupt bitte ich die Herren Kollegen, sollte 1 
jemandem irgend etwas unklar sein, an mich entsprechende 
Fragen — vielleicht jetzt oder nachher im Colloquium — zu 
stellen; ich werde dieselben gern beantworten. 

Zum Schluß mache ich Ihnen noch die Mitteilung, daß der 
Preis der Impfstoffe, also Serum inkl. Kultur, pro Tier vor¬ 
läufig auf 0,75 M. festgesetzt ist und daß die Schutzkraft des 
Serums behördlich im Kgl. Institut für experimentelle Therapie 
in Frankfurt a. M. geprüft werden wird. 

Weitere Beiträge zur Silbertherapie. 

Von 

H. Meyer, Dresden-N. 

Tierarxt 

Die Erfolge intravenöser Injektionen von Silberpräparaten 
sind von verschiedenen Kollegen mit besonderem Lobe veröffent¬ 
licht Seit einem Jahre habe ich mit großem Interesse bei 
Pferden und neuerdings auch bei Hunden Silberpräparate als 
Protargol, Collargol und Ichthargan intravenös angewendet und 
möchte mit meinen Erfahrungen nicht zurückhalten. 

Zu intravenösen Injektionen eignet sich am besten das Ichth¬ 
argan. Einesteils löst sich dasselbe klar und durchsichtig in 
Wasser und andererseits hält sich die Lösung in dunklen braunen 
Gläsern lange, während Protargol sich ganz schwarz verändert 
und Collargol einen grauen silberigen Bodensatz absetzt. Die 
Wirkungen der drei Präparate sind intravenös angewendet 
ziemlich gleich. Ich verwende die Silberpräparate bei Pferden 
in 2proz. Lösung. Als Maximaldosis ist 1,5 gr Ichthargan bei 
einem großen Pferde anzusehen. Bei diesem Quantum ist es 
nur einige Male vorgekommen, daß gleich nach der Injektion 
die Tiere etwas schwankten, tiefe angestrengte Atemzüge mit 
aufgeri8senen Nüstern und toxische Erscheinungen zeigten. Drei 
Monate alte Füllen äußerten dieselben Erscheinungen nach 
0,06 gr. Diese Erscheinungen verloren sich jedoch nach 5 bis 
10 Minuten regelmäßig und hatten später auf das Befinden der 
Tiere durchaus keinen Nachteil, öfters als einmal täglich eine 
Injektion zu machen, halte ich für bedenklich. Die Tiere 
scheinen nach häufiger Vornahme empfindlicher dagegen zu 
werden. In einzelnen Fällen beobachtete ich, daß Tiere, die 
die ersten Injektionen von 1,5 gr und 1,2 gr ohne augenfällige 


Veränderungen in ihrem Allgemeinbefinden vertrugen, später 
nach 1,0 gr im geringen Grade vorgeschildertes Benehmen 
zeigten. Es kann ohne Bedenken einem großen Pferde als 
passende Dosis 1,0 gr und einem 2 bis 4 Monate alten Füllen 
0,5 gr injiziert werden. Auch braucht man keine Anschwellungen 
um die Einsticbstelle zu fürchten. Meistens entstehen nach¬ 
träglich keine Anschwellungen und wenn welche entstehen, so 
verschwinden sie nach einigen Tagen regelmäßig wieder. Ich 
habe bis jetzt noch keine nachträgliche Abszeßbildung beobachtet. 
Gleich nach der Injektion tritt eine leichte Temperatursteigerung 
ein, die aber schon nach mehreren Stunden fällt. 

Was die Wirkungen anbetrifft, so sind solche von ver¬ 
schiedenen Kollegen schon lobend und auch speziell erwähnt. 
Ich empfehle die Injektionen bei allen Blutkrankheiten, wo man 
eine Abtötung von Bazillen im Tierkörper jeder Art erzielen 
möchte. Wenigstens scheinen die Silberpräparate in der 
größten Verdünnung in dieser Richtung noch vortrefflich zu 
wirken. Da ich unmöglich alle Fälle aufzählen kann, be¬ 
schränke ich mich auf das Allgemeine. Die Wirkungen sind 
so überraschend, daß Zweifel darüber gar nicht aufkommen 
können. Ganz auffällig z. B. tritt dieselbe bei veralteter bös¬ 
artiger Druse hervor. Injiziert man einem Patienten mit ver¬ 
alteter Druse, starkem Nasenausfluß, ödematös angeschwollenem 
Hals, Kopf, oder sonstigen Körperteilen, mit Abszessen, Atem¬ 
beschwerden etc., so ist man am folgenden Tage schon über¬ 
rascht, daß die Anschwellungen zurückgegangen sind, der ganze 
Kopf ein trockenes Aussehen angenommen hat, die Abszesse 
sich scharf abgrenzen und der Nasenausfloß sich sehr ver¬ 
mindert hat. Der Besitzer teilt fast regelmäßig erfreut mit, 
daß das Tier Freßlust zeigt. Die Abszesse kommen schnell 
zur Reife und die Atembeschwerden nehmen ab, wenn sie von 
einer Laryngitis Phoder aryngitis abhängen. 

Den Mitteilungen der verschiedenen Kollegen pflichte ich 
voll und ganz bei. Sie haben mir aus der Seele gesprochen. 

Über den wirklichen Wert der intravenösen Injektionen 
von Silberpräparaten bei Hunden möchte ich Bestimmtes noch 
nicht mitteilen, da ich mir noch nicht völlig einig darüber bin. 
Dagegen möchte ich allen Kollegen empfehlen, in dieser Rich¬ 
tung mitzuarbeiten. Nachdem ich bereits kürzlich über die 
Ausführung der intravenösen Injektionen bei Hunden Aufschluß 
gab, möchte ich hierunter nur noch die verträglichen Dosen 
bei Hunden erwähnen. Ein großer Hund verträgt 0,05 gr, ein 
kleiner 0,01 gr. Ein mittelgroßer Hund stirbt regelmäßig von 
0,1 gr Ichthargan intravenös innerhalb einer halben Stunde unter 
toxischen Erscheinungen, Erbrechen, Würgen, Schleim- und 
Speichelausfluß aus dem Maule. Die Schleimhäute nehmen im 
Todeskrampfe eine auffällige blaue Färbung an. Ich verwende 
bei Hunden das Ichthargan in lproz. Lösung. 

Vor intratrachealen Injektionen bei Hunden muß ich 
dringend warnen, da ich selbst nach 0,02 und 0,03 gr Icht- 
hangan in 1 und 2proz. Lösung Hunde kurz nach erfolgter 
Injektion verenden sah. 

Referate. 

Einiges über Folgekrankheiten der Druse. 

Von Oberticrarzt Kofler-Innsbnick. 

(Monatah-fle f. prakt. Tierhcllk. 14. B. 8. 71-83.) 

Die an die Druse sich anschließenden Folgeerkrankungen 
sind für die Pferdezucht von größerer Bedeutung, als bisher 


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546 

angenommen worden ist. So erklärt Kofi er und sucht den 
Beweis für seine Behauptung durch Mitteilung von Beobachtungen 
zu erbringen, die er teils in seiner kurativen Praxis, teils bei 
Ausübung der Pferde-Fleischbeschau machte, wobei er auch 
noch Belege aus der Literatur hinzufügt. 

Ein sechsjähriger Wallach, der die Druse in der gewöhn¬ 
lichen Weise durchgemacht hatte, zeigte ungefähr 2 Monate 
später die Symptome des Hydrocephalus internus. Nach weiteren 
14 Tagen hatte sich außerdem an der Hinterfläche des rechten 
Karpalgelenks eine etwa kindsfaustgroße, heiße, schmerzhafte, 
fluktuierende Geschwulst und eine zweite ähnliche unterhalb des 
linken vorderen Fesselgelenks gebildet. Das Tier wurde getötet 
und seziert: die Kehlgangslymphdrüsen sind beiderseits in eine 
hühnereigroße, graue, speckige, schwielendurchzogene Masse 
umgewandelt mit einigen erbsengroßen Cavemen voll schmierigen 
Inhalts. Im Lobus paracentralis des Gehirns findet sich ein 
Abszeß. Die beiden Geschwülste erweisen sich als Sehnen¬ 
scheidenentzündungen. Sowohl in dem Gehirnabszeß, wie 
in dem trüben Inhalt der Sehnenscheiden werden Ketten des 
Streptococcus equi nachgewiesen. 

Diesem klinisch verfolgten Fall von Dummkoller als 
Folge der Druse stehen eine Anzahl fleischbeschaulich beobachteter 
zur Seite und zwar hat Verfasser unter 40 wegen Dummkoller 
geschlachteten Pferden 12 mit Gehirnabszessen getroffen und in 
allen 12 Fällen im Abszeßinhalt den Druse-Streptococcus auf¬ 
gefunden. 

Als eine der häufigsten Folgen der Druse hat Verfasser 
die embolische Pneumonie kennen gelernt. Lungen mit 
zahlreichen hanfkorn- bis hühnereigroßen Abszessen durchsetzt, 
die genetisch auf Druse zurückgehen, gehören beim Pferde¬ 
metzger zu den gewöhnlichen Befunden. 

Boi einer siebenjährigen Stute beobachtete er 3 Wochen 
nach der Genesung von Druse Konjunktivitis, Hornhaut¬ 
abszeß, Ulcus Korneae mit zurückbleibendem Leukom. Im 
Abszeßeiter wurde zwar nicht der Streptococcus equi selbst 
gefunden, wohl aber auf einer angelegten Kartoffelkultur die 
für ihn charakteristischen Vegetationen. 

Bei einem Hengstfohlen, das die ersten 5 Wochen ganz 
gesund war, dann an Diarrhöe und Gelenkanschwellungen er¬ 
krankte, schnell abmagerte und im Verlauf von 2 Wochen an 
Fohlenlähme, wie der behandelnde Kurschmied diagnostizierte, 
verendete, fand Verfasser Abszesse in der Lunge, den retro¬ 
pharyngealen Lymphdrüsen, der Leber, den Gekrösdrüsen, sowie 
im Karpalgelenk. Im Inhalt wurde der Streptococcus equi nach¬ 
gewiesen. Die ringförmige Vernarbung des Nabels ist völlig 
intakt. Thromben in der Nabelvene und Pfortader enthalten 
Streptokokkenketten. Verfasser nimmt für diesen Fall pyämischer 
Arthritis eine intrauterine Infektion mit dem Druseerreger 
an, wiewohl die Mutter des Tieres während der Trächtigkeit 
nicht an Druse litt, denn es hätte die Infektion des Fötus auch 
von einem der Mutter von früher her verbliebenen chronischen 
Herd aus erfolgen können. Für den beschriebenen Fall scheint 
dem Autor die Identität mit Druse erwiesen. 

Auch einen besonders interessanten Fall von Petechial¬ 
fieber als Folgeerkrankung der Druse, als die es Bchon seither 
meist betrachtet wurde, beschreibt der Verfasser. Ein wegen 
Dampf ausrangierteB Militärpferd erkrankte nach 1 y 2 jähriger 
anderweiter Dienstleistung. Es zeigte starkes Fieber, An¬ 
schwellung des Kopfes, Beschwerden bei der Futteraufnahme, 


No. 85. 


fortschreitende Abmagerung, Petechien auf der Nasenschleimbaut 
und den Konjunktiven. Es wurde getötet. Bei der Sektion 
fanden sich apfelgroße Abszesse in den Lungen. Die Auskleidung 
der Abszeßhöhlen war derb, rauh und so vollständig, daß 
nirgends eine Kommunikation mit dem übrigen Lungengewebe 
entdeckt werden konnte. Im Abszeßeiter fand Kofler bei An¬ 
fertigung zahlreicher Ausstrichpräparate nur einmal eine Kette 
aus sechs Kokken, sonst aber nur einzelne und veränderte, zu¬ 
gespitzte, ähnliche Gebilde, Involutionsformen also. Der Ver¬ 
fasser erklärt die Abszesse als Druse-Metastasen. Infolge des 
soliden Abschlusses der Herde nach außen seien die Strepto¬ 
kokken an weiterer Verbreitung sowie an ihrer Vermehrung ge¬ 
hindert worden. Die Erkrankung an Petechialfieber hingegen 
müsse auf eine Einwirkung der Bakteriengifte, welche die 
Kapselwandung durchdrungen hätten, zurückgeführt werden. 

0. Albrecht. 

Der Gelenkrheumatismus beim Binde. 

Von M. Strebel-Freiburg. 

(Schweiger Archiv für Tierheilkunde 1903, S. 37-48) 

Bezirkstierarzt Strebei spricht sich über den Gelenk¬ 
rheumatismus des Rindes auf Grund der Erfahrungen, die er 
bei der Behandlung von mehr als 3000 Fällen gemacht habe, 
folgendermaßen aus, dabei von der in den Lehrbüchern gegebenen 
Beschreibung und der in ihnen vertretenen Auffassung wesentlich 
abweichend. 

Das Rind erkrankt von allen Haustieren am häufigsten an 
Gelenkrheumatismus. Es ist durch sein Phlegma, die Beschaffen¬ 
heit seiner großflächigen, bänderreichen, von größeren Muskel¬ 
massen umgebenen Gelenke dafür prädisponiert. Lieblingsitz 
ist das Tarsal- und Kniegelenk. Weit seltener erkrankt der 
Karpus und nur in vereinzelten Fällen ein anderes Gelenk. Die 
Neigung zu Komplikationen ist äußerst gering. Eine sekundäre 
Endocarditis beobachtete Strebei nur in einem Falle. Charak¬ 
teristisch für den Gelenkrheumatismus des Rindes findet er 
1. das Herumschweifen des Leidens, 2. und 3. die Neigung zu 
Rezidiven und zur Exsudation, 4. das öftere Auftreten gleich¬ 
zeitig in mehreren Gelenken. 

Was die Ätiologie betrifft, so bestreitet Strebei, daß es 
sich um eine Infektion handle. Der Infektionsstoff harre noch 
seiner Auffindung. Ein Zusammenhang zwischen dem Leiden 
und der Resorption septischer Stoffe im Uterus (im Anschluß 
an retentio secundinarum) bestehe entgegen der Behauptung 
von anderer Seite überhaupt nicht. Auch begegne man ihm ja 
nicht nur bei Kühen, sondern ebenso bei Ochsen, Rindern, die 
noch nicht geboren haben, sowie bei trächtigen Tieren, deren 
Uterus also intakt sei und keine Infektionspforte darstellen 
könne. — Die Ursache ist vielmehr stets Erkältung, plötzliche 
Hautverkühlung des erhitzten Körpers. So erkranken namentlich 
Tiere, die in feuchten, kalten Ställen gehalten werden, neben 
einer feuchtkalten Mauer oder einer Tür stehen, Tiere, die erst 
kurz zuvor die warmen Ställe mit den Almweiden vertauschten, 
dort über Nacht im feuchten Gras lagen oder erhitzt beregneten. 
Prädisponiert sind außerdem eben erst in die Geschlechtsreife 
eingetretene, ferner schwächliche und endlich durch ihre Milch¬ 
ergiebigkeit hervorragende Tiere. 

Das Leiden verläuft unter diesen Symptomen: die Tiere 
erkranken ganz plötzlich, meist ohne Vorboten, zeigen hoch¬ 
gradige Störung der Lokomotion, schonen die betroffene Extremität, 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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27. August 1903. 


ziehen sie zuweilen zuckend hoch oder liegen überhaupt andauernd 
am Boden. Das Gelenk ist beträchtlich angeschwollen, heiß, 
schmerzhaft, fluktuierend, namentlich an der medialen Seite und 
zwar tritt beiErkrankung desTarsalgelenks gleichzeitigFluktuation 
an der medialen Seite des Kniegelenks in Erscheinung. Das 
Allgemeinbefinden ist stets erheblich gestört. Es besteht Fieber, 
erhöhte Pulsfrequenz, Inappetenz und es tritt bald Abmagerung 
ein. Dagegen erfährt die Milchproduktion für längere Zeit nur 
unerheblichen Abbruch. — Der akute Verlauf erstreckt sich auf 
10—14 Tage, häufiger aber ist ein chronischer Verlauf. 

Für die Differentialdiagnose kommt in Betracht tuberkulöse 
Gelenksentzündung, die aber sehr selten ist, fast ausnahmslos 
nur das Tarsalgelenk befällt und mit anhaltenden, sichtlich sich 
steigernden Schmerzen verläuft, außerdem eventuell durch die 
Tuberkulinimpfung festgestellt werden kann. Metastatische Ar¬ 
thritis kann durch Ermittelung des Grundleidens konstatiert 
werden. 

Die Prognose ist beim akuten Gelenkrheumatismus nur ganz 
ausnahmsweise ungünstig. Auch bei der chronischen Form werden 
mindestens 80 % gerettet, und ein günstiger Ausgang ist nament¬ 
lich zu erwarten bei allmählicher Abnahme des Exsudates, der 
Schmerzen, des Lahmens und der Wiederkehr des Appetits. Sie 
ist ungünstig bei polyarthritischen, ambulanten, rezidivierenden 
Formen, Verdichtung des Exsudates, Ankylose, starker Lahmheit. 
Selbstheilung tritt in Fällen ausgesprochener Rheumathritis nie ein. 

Die pathologischen Veränderungen bei fehlender, mangel¬ 
hafter, falscher Behandlung sind infolge Persistenz der Ent¬ 
zündung Gelenk -Wassersucht, Schwellung und Sklerosierung der 
Bänder, Entwickelung der Synovialzotten zu schwammigen Ge¬ 
bilden, Einhüllung des Gelenks durch fibröse Bindegewebsmassen, 
Hypertrophie und Verknöcherung des Periostes, Hypertrophie 
der das Gelenk deckenden Muskeln, Atrophie der entsprechenden 
Oberschenkel- und Kruppenmuskulatur und in langwierigen Fällen 
Ablagerung von Kalksalzen im Exsudat, Periost, der Kapsel und 
den Bändern. 

Die Therapie, welche Strebei durchführt, ist eine wahrhaft 
scharfe. Sie ist eine rein lokale, äußere; jede innerliche Behandlung 
des Leidens verwirft er als unnütz. Er macht Einreibungen mit 
01. Hyoscyami und Chloroform (5 :1) oder mit Ungt. Cantharid., 
verschärft durch Euphorb.; mit Crotonäther (ol. Crot. 1, Alkohol, 
Äth. sulf. aa 7) oder nach der Magistralformel von Guittard 
mit Kal. dichrom. 4, Kal. jod. 6, Vasel. 30. Bei Erkrankung 
des Kniegelenkes zieht er an der lateralen Seite ein 26—28 cm 
langes Eiterband, das zweimal täglich gereinigt wird und 4 bis 
6 Wochen, wo nötig oder zuträglich, auch länger, liegen bleibt. 
Auch dabei empfiehlt er gleichzeitige Einreibung mit Ungt. 
Cantharid. oder verschärftem Ungt. volatile. Als letztes Mittel 
wendet er das Cauterium actuale an: das Feuer wird in großer 
Ausdehnung auf der lateralen, vorderen und medialen Gelenk¬ 
seite in Form von meist die Haut durchdringenden, 3 cm von¬ 
einander abstehenden Punkten angewendet. Nach 10—14 Tagen 
kann mit Vorteil auf die kauterisierte laterale und vordere 
Fläche eine Einreibung von Kantharidensalbe gemacht werden. 

0. Albreclit. 

Ovariotomie beim Rinde. 

Von Distriktstierarzt Freyberger-Immenstadt 

(Wochenachr. f. T. u. V. 1903. Nr. 80. 8. 233—238.)' 

Zur Kastration der Kuh von der Scheide aus konstruierte 
Freyberger ein „Ovariotom“. In diesem Instrument, das von 


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Beck und Plazotta (München, Sonnenstraße) bezogen werden 
kann, sind Schere und Zange oder Kompressor durch einen 
Hebel so miteinander verbunden, daß sich der Kompressor 
schließt, ehe die Schere ihre Schneidewirkung entfaltet und so 
bei seiner Anwendung das Mutterband sehr stark gepreßt wird, 
sodaß nach Abnahme des Eierstockes keine Nachblutung ein- 
tritt. Das 0. ist 35 cm lang, wie die Coopersche Schere auf¬ 
gebogen. Die Scherenblätter und die gezahnten Kompressor- 
teile messen je 10 cm. Bei Öffnung des Ovariotoms tritt der 
Kompressor 3 cm weit vor die Scherenbranchen; bei Schließung 
wirkt er zuerst, klemmt das Mutterband fest, läßt den Eierstock 
nicht mehr entweichen und bei weiterem Druck schneidet die 
Schere das Ovarium ab. Das Instrument ist mit einer leicht 
zu öffnenden Sperrvorrichtung versehen. 

Die Ovariotomie, die nur an Tieren vollzogen werden darf, 
die zwei Mahlzeiten nicht gefüttert wurden und die nicht mit 
Scheideausflüssen behaftet sind, führt Freyberger folgender¬ 
maßen durch: Die Kuh steht an einer Wand der Stallung. Ihr 
Kopf ist durch eine Halfter am Barren fixiert. An eben diesem 
wird ein Latierbaum befestigt, der an der freien Seite des Tieres 
horizontal verläuft und von einer Person gehalten wird, die damit 
exzessive Bewegungen der Kuh verhindern soll, ohne diese aber un¬ 
nötig zu bedrängen. Die Scham, der Schwanz, die Scheide werden 
mit lauwarmer Desinfektionsflüssigkeit abgewaschen und irrigiert. 
— Der Operateur geht mit der rechten Hand in die Scheide, 
entfernt die darin etwa noch verbliebene Flüssigkeit, führt ein 
Bistouri cachö und mit der anderen Hand einen Scheidenspanner 
ein (Freyberger verwendet einen solchen aus Holz von 70 cm 
Länge und 30 cm weit ausgehöhlt, in den er einen entsprechenden 
Eisenstab einschiebt.) Die Scheide wird durch Druck auf den 
Stock nach vorn und unten gespannt und ihre obere Wand 
dicht hinter dem Muttermund mit dem Bistouri vorsichtig durch¬ 
schnitten bis der die Klinge bedeckende Zeigefinger in die 
Bauchhöhle eindringt. Das Bistouri wird geschlossen, die 
Wunde mit Daumen und Zeigefinger erweitert, Spannstock und 
Bistouri entfernt. — Nun geht die linke Hand durch die Scheide 
und die Wunde in die Bauchhöhle ein, sucht und ergreift den 
linken Eierstock, perforiert mit dem Daumen das Eierstockband 
dem Ovarium möglichst nahe, schiebt den Mittelfinger durch die 
Öffnung, zieht das Ganze langsam in die Scheide und hält es 
darin fest. Die rechte Hand führt jetzt das Ovariotom, den ge¬ 
bogenen Teil nach innen gewendet, ein, öffnet es, schiebt mit dem 
Zeigefinger das Eierstockband auf den gezahnten unteren 
Kompressenschenkel und schließt langsam. Das abgetrennte 
Ovarium fällt in die Hand und wird damit entfernt; das Ovariotom 
bleibt noch kurze Zeit liegen.'— Der rechte Eierstock wird 
alsdann in gleicher Weise entfernt. 

Nach der Operation wird die Hand nochmals in die Bauch¬ 
höhle eingeführt; es wird geprüft, ob die Uterushörner ihre 
normale Lage wieder eingenommen haben, und das in der 
Scheide stagnierende Blut wird entfernt. — Freyberger hat 
so bisher 36 Ovariotomien mit bestem Erfolg ausgeftihrt. 

0. Albrecht. 

Thrombose der vorderen Hohlvene bei einem Pferd. 

Von Professor Dr. Albrecht-Müncben. 

(Zeltachrift für Tiermedizin, Bd. VI, 5. u. 6. H., S. 428—437.) 

Professor Albrecht beschreibt nach einer einleitenden Zu¬ 
sammenstellung der humanen und veterinären Kasuistik über 
Venenthrombosen einen in seiner Konsiliarpr.ixis mit Bezirks- 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 35. 


tierarzt Deigendesch beobachteten Fall von Thrombose der 
vorderen Hohlvene bei einem Pferd. 

Ein sechsjähriger, vor zwei Jahren angekaufter und seit¬ 
dem niemals kranker Wallach zeigt geringe, schmerzlose An¬ 
schwellung von anfangs wechselndem Sitz am linken, dann 
am rechten Karpus, am Vorarm und Ellbogengelenk rechts, 
dann links, endlich an beiden Extremitäten, vom Huf bis Wider¬ 
rist und bis zur Vorder- und Unterbrust reichend. Vorüber¬ 
gehend tritt Abschwellung ein. Zuletzt erstreckt sich aber das 
Ödem auch auf deu Kopf, an dem die Venen stark hervortreten, 
und abdominal bis zur Nabelgegend. — Der Appetit des Tieres 
ist anfangs völlig unverändert, nimmt aber später ab. Atemzüge 
12—16. Rektaltemperatur 37,8—38,4. Pulse 38—42; nach 
unregelmäßigen Intervallen fällt ab und zu ein Pulsschlag aus. 
Herzdämpfung nach rückwärts um 3—4 cm verbreitert; Herz¬ 
töne rein. Auskultation und Perkussion, rektale Exploration, 
Analyse des bierbraunen Harns und des der Jugularvene ent¬ 
nommenen Blutes lassen keine Abweichung erkennen. — Bei 
der Bewegung wird eine Hangbeinlahmheit konstatiert. Be¬ 
sondere Beschwerden treten bei der Wendung des Patienten 
hervor. 

Aus diesen Erscheinungen, den Ödemen an den Vorder¬ 
extremitäten, der starken Füllung der Jugular- und Angesichts¬ 
venen wird daB Bestehen eines pathologischen Zustandes im 
Gebiet der vorderen Hohlvene erschlossen, der den Rückfluß 
des Blutes hindert. Ans der Mitbeteiligung der Axillares ergab 
sich außerdem, daß das Hindernis hinter deren Einmündungs¬ 
stelle in die Vena cava anterior seinen Sitz haben mußte. 
Hydrops auf Grund eines Herzfehlers, pathologischer Veränderung 
des Blutes oder der Nieren konnte nach dem Ergebnis der be¬ 
züglichen Untersuchungen ausgeschlossen werden. Ein Tumor 
im vorderen Mediastinalraum oder in der Brusthöhle, der etwa 
die Vene komprimieren könnte, hätte wohl auch den Schlund, 
die Lunge oder den Vagus irritieren müssen. Aus diesen letzteren 
Gründen konnte im besonderen nur noch auf einen Thrombus 
als Stauungsursache geschlossen werden, und die Diagnose schien 
damit schon intra vitam gesichert. 

Die Dauer der beschriebenen Zustände währte vom 20. April 
bis 5. Juni, dann trat plötzliche Verschlechterung iin Befinden 
des Patienten ein. Er fiel wiederholt um, zeigte große Atemnot 
und wurde getötet. 

Die Obduktion ergab: Flüssigkeit im vorderen Mediastinal¬ 
raum, wahrscheinlich Stauungstranssudat aus dem Gebiet der 
Vena thoracica interna. Die Hohlvene wird etwa 3 cm vor ihrer 
Einmündung ins Atrium von einem einundeinhalbfaustgroßen, 
derbfibrösen Tumor umfaßt, der mehrere Abszesse enthält. In 
dem rahmigen Eiter finden sich schlecht färbbare Kokken. Die 
Venenwand ist verdickt. Im Lumen befindet sich ein rotgrauer, 
kannelierter Thrombus. Das Herz ist hypertrophisch und wiegt 
10,5 Pfd. Im rechten Atrium sind der Wand 7 mm hohe, throm¬ 
botische Gebilde aufgelagert. — Die pathologisch-anatomische 
Diagnose stellt der Autor auf Kompressionsthrombose. Genese: 
Etablierung der Geschwulst, Kompression der Vene, Läsion der 
Intima, Einwirkung von Bakterien auf die geschädigte Stelle, 
Thrombose. Die Geschwulst selbst mag als Drusen-Metastase 
entstanden sein. 

In der Epikrise erklärt der Verfasser das Fehlen des Venen¬ 
pulses bei dem Patienten aus der normalen Absperrung des 
rechten Atriums von der rechten Kammer. Er hebt als Be¬ 


sonderheit das gänzliche Fehlen psychischer Störungen hervor, 
welche bei der ungenügenden Abfuhr des venösen, mit Kohlen¬ 
säure überladenen Blutes und der starken Stauung doch zu er¬ 
warten gewesen wären, und erklärt dies aus dem ganz all¬ 
mählichen Eintreten dieser Anomalien, denen sich das Gehirn 
daher anzupassen Zeit gehabt hätte. Das Ausfallen einzelner 
Pulsschläge war möglicherweise eine Folge der eingetretenen 
nervösen Abspannung. 0. Albrecht. 

Magenwarmseache bei Enten. 

Von Roßarzt Sturhan. 

(Zeltschr. f. Veterlnärk. 1903, S. 131.) 

Auf einem Gut starben sämtliche einen wasserarmen Teich 
bevölkernde Enten unter gleichen Krankheitssymptomen. Sie 
fraßen bis kurz vor ihrem Tod, taumelten plötzlich, fielen um, 
verendeten. Der die Kadaver öffnende Gutsbesitzer fand im 
Magen und Darm Geschwüre. Ein dem Verfasser zur Unter¬ 
suchung vorgelegter Magen zeigte folgende Beschaffenheit: 
Serosa gerötet; Venen injiziert; unter dem Berösen Überzug 
sitzen graupen- bis erbsengroße, derbe Knötchen, die eine gelb¬ 
liche, trockene und von einer Bindegewebsschicht abgekapselte 
Masse enthalten. Der Mageninhalt besteht zum Teil aus un¬ 
verdauten Weizenkörnern. Die Schleimhaut des Drüsenmagens 
trägt einen glasigen Überzug, nach dessen Entfernung einige 
linsengroße, rötliche Punkte, sowie, namentlich am Über¬ 
gang zum Drüsenmagen, viele mit wulstigen, zernagten 
Rändern versehene Geschwüre sichtbar werden, die wiederum 
mehrere bis an die Serosa reichende Ausbuchtungen zeigen. 
Der Geschwürsinhalt besteht teils aus Bchleimig-käsigen Massen, 
teils aus dünneD, langen Würmern, die zu Knäueln geballt sind 
und sich bei der mikroskopischen Untersuchung als Exemplare 
des Strongylus contortus erweisen. 0. Albrecht. 

Berichtigung. 

In dem Referat Therapie der stationären Hornhauttrübungen 
etc. Nr. 33, pg. 523, muß es auf der rechten Spalte im Absatz 2, 
Zeile 2 heißen: „von drei zu drei Tagen“ (nicht von 3 zu 8). 


Tagesgeschlchte. 

Bescheid des preußischen Minister!ums 
für Landwirtschaft auf Eingaben der Zentralvertretung 
der preußischen tierärztlichen Vereine. 

I. 

Eingabe, betreffend das zu erwartende Kreistier« rzt-Gesetz. 

Eure Exzellenz bitten namens der tierärztlichen Zentral¬ 
vertretung die Unterzeichneten ehrerbietigst, der im Folgenden 
begründeten Petition wohlwollende Berücksichtigung zu gewähren. 

Die Tierärzte geben sich der Hoffnung hin, daß im nächsten 
Jahre die Stellung der Kreistierärzte eine Reform erfahren wird. 
Es wird mit besonderer Freude begrüßt werden, wenn diese 
Reform begründet wird durch ein Kreistierarzt-Gesetz, welches, 
dem Kreisarzt-Gesetze und den ergänzenden Bestimmungen ähn¬ 
lich, den Wirkungskreis, die Rangstellung, die Dienstbezüge 
und die Pensionsberechtigung gleichzeitig regelt. 

Die daraus sich ergebende Gesamtverbesserung ist nicht 
allein eine von den Kreistierärzten lang ersehnte, sie wird auch 
die Grundlage abgeben für die Entwicklung des tierärztlichen 
Standes unter den andrerseits durch die Universitätsreife ver¬ 
änderten Verhältnissen und wird hauptsächlich die Anziehungs- 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


kraft bestimmen, welche die Tiermedizin bei der Berufswahl 
ausüben wird. 

Die tierärztliche Zentralvertretung hat schon des öfteren sich 
erlaubt, Euerer Exzellenz Wünsche betreffs der Stellung der Kreis¬ 
tierärzte zu unterbreiten. Die Ereignisse der letzten Jahre haben 
aber naturgemäß unsere Wünsche nicht unbeeinflußt lassen können. 

Wir erkennen vollkommen an, daß es nicht berechtigt sein 
würde, mit der Einführung der Universitätsreife als Vorbedingung 
für das Studium der Tiermedizin gesteigerte Gehalts- und Er¬ 
werbs-Ansprüche zu begründen; es können daher auch sonstige 
Maßnahmen, soweit sie mit höherem finanziellen Aufwand ver¬ 
bunden sind, aus jener wichtigen Veränderung zunächst nicht 
hergeleitet werden. 

Aber andererseits ist unzweifelhaft, daß durch die Vervoll¬ 
kommnung der Vorbildung dem tierärztlichen Beruf eine ganz 
andere Entwicklung und Zukunft zugewiesen ist. Es ist daher 
der Wunsch wohl begründet, daß alle von jetzt ab in Kraft 
tretenden organisatorischen Maßnahmen von vornherein sich auf 
jene Zukunft richten und nicht den Eindruck abschwächen, 
welchen die Vorbildungsreform nach außen gemacht hat. 

Das Fleischschaugesetz und das zu erwartende neue Seuchen¬ 
gesetz haben zweitens Aussicht auf eine so große Erweiterung 
des kreistierärztlichen Wirkungskreises eröffnet, wie man sie 
noch vor wenigen Jahren nicht ahnen konnte, und diese Tat¬ 
sache allein rechtfertigt es schon, wenn das Kreistierarztgesetz 
den Kreistierärzten eine höhere Stellung verleiht, als früher für 
erreichbar gehalten wurde. 

Drittens hat die inzwischen abgeschlossene Medizinalreform 
den Tierärzten bestimmte Anhaltspunkte dafür gegeben, in welcher 
Richtung sich ihre Wünsche zu bewegen haben, damit unter 
Anerkennung berechtigter Unterschiede die Stellung des Kreistier¬ 
arztes einen entsprechenden Platz neben der des Kreisarztes erhalte. 

Endlich bedingt die bevorstehende Erhöhung der Stellung 
der Militärveterinäre den Wunsch, daß die Stellung der Zivil¬ 
veterinärbeamten im richtigen Verhältnis zu derjenigen der 
Militärveterinäre geregelt werden möge. 

Diese Umstände dürfen angeführt werden zugunsten der 
Wünsche, welche Euerer Exzellenz wir heute ehrerbietigst unter¬ 
breiten. 

Nach der Bedeutung der kreistierärztlichen Tätigkeit, der 
Entwicklung der Veterinärwissenschaft und den derzeitigen An¬ 
forderungen des Studiums ließe sich eine Gleichstellung der 
Kreißtierärzte mit den Kreisärzten im Range begründen. Hierum 
bitten wir in erster Linie, verkennen aber nicht, daß die 
damit verbundenen Sätze der Reisekosten und Tagegelder ein 
entscheidendes Hindernis abgeben mögen. 

Es kommt aber vor allem darauf an, daß die Kreistierärzte, 
wenn sie schon den Kreisärzten nicht gleichkommen, wenigstens 
in einen augenfälligen Abstand von den mittleren Beamten ge¬ 
bracht werden. Diesen Punkt halten die Tierärzte ein¬ 
mütig für die unentbehrliche Grundlage einer be¬ 
friedigenden Verbesserung der kreistierärztlichen 
Stellung. Euere Exzellenz bitten wir daher inständig, daß 
vor allem im Gesetz ausdrücklich die Kreistierärzte als 
höhere Beamte gekennzeichnet werden, wofür eine Möglichkeit 
sich ergeben dürfte, auch wenn sie nicht in die fünfte Klasse 
selbst eingereiht werden können. 

Wir bitten aber ferner darum, daß dann den Kreistier¬ 
ärzten grundsätzlich nach einer etwa zehnjährigen Dienstzeit 


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der persönliche Rang der fünften Klasse verliehen werden möge, 
wodurch sie in eine angemessene Stellung neben den Kreisärzten 
gebracht werden können, ohne Erhöhung der Gebühren. 

Wir glauben endlich, daß im Hinblick auf die den Medizinal- 
bearaten zustehenden Titel auch einem größeren Teil der älteren 
Kreistierärzte der Charakter als Veterinärrat verliehen werden 
sollte. 

Die Regelung der Stellung der Kreistierärzte kann nicht 
ohne Einfluß auf diejenige der jetzigen Departementstierärzte 
bleiben. Die Wichtigkeit einer angemessenen Stellung dieser 
Beamten innerhalb der Regierungen braucht nicht besonders 
betont zu werden. Die einmütige dringende Bitte aller Tier¬ 
ärzte geht dahin, daß diesen Beamten ausnahmslos die Be¬ 
zeichnung als Veterinärräte mit dem Rang der Räte vierter 
Klasse verliehen werden möge. 

Wir erlauben uns anzuführen, daß diese Bitte auch durch 
Vergleiche mit anderen Beamten begründet erscheint. Es kann 
zunächst auf die Stellung der Gewerberäte hingewiesen werden, 
welche zeigt, daß auch in Preußen mit dem Dienstrang der 
vierten Klasse bei den Regierungen die Universitätsvorbildung 
nicht verbunden zu sein braucht. Ferner sind die Landestier¬ 
ärzte kleinerer Bundesstaaten (Sachsen, W’iirtemberg, Baden, 
Hessen, Reichslande) Regierungsräte, obwohl ihre Funktionen 
nicht umfassender als die eines preußischen Departementstier¬ 
arztes sind. Endlich steht sicher zu erwarten, daß auch die 
jetzigen Korpsroßärzte, deren Stellung nur mit derjenigen der 
Departementstierärzte verglichen werden kann, in die Stabs¬ 
offiziercharge gelangen. Es wäre ein empfindliches Zurück¬ 
bleiben für die preußischen Departementstierärzte, wenn sie 
diesen Beamten nicht gleichgestellt würden. 

Bezüglich der Höhe des Kreistierarztgehaltes versagen wir 
uns, eine bestimmte Bitte anszusprechen. Das wesentlichste ist 
nicht die Höhe des Gehaltes, sondern die Erlangung einer 
wirklich ausreichenden Pension. Nachdem die Medizinalgesetz- 
gebung das Prinzip angenommen hat, daß gewisse Gebühren 
pensionsfähig sind, hoffen wir sicher, daß auch bei der Pensions¬ 
berechtigung des Kreistierarztes ein Teil der Gebühren in An¬ 
rechnung kommen wird. Die bloße Pensionsfähigkeit des ver¬ 
mutlich kleinen Gehaltes würde jedenfalls, wie wir freimütig 
aussprechen, in keiner Weise befriedigen und könnte die schweren 
Nachteile der Überalterung im Dienst, sowie der ungenügenden 
Versorgung von Witwen und Waisen nicht beseitigen. Soll die 
Pensionsfähigkeit wirklich die segensreiche Bedeutung erlangen, 
welche sie für andere Beamte hat, so darf sie derjenigen anderer 
Beamten in ähnlicher Stellung, namentlich auch der Kreisärzte, 
nicht allzusehr nachstehen. Wenn daher das Gehalt der Kreis¬ 
tierärzte hinter dem der Kreisärzte erheblich zurückbleibt, so 
wäre ein Ausgleich durch Pensionsfähigkeit eines Teils auch der 
aus der Staatskasse bezogenen Gebühren dringend notwendig. 

Euere Exzellenz haben den Tierärzten schon so viele Beweise 
des Wohlwollens gegeben, daß wir uns der Hoffnung hingeben, 
Euere Exzellenz werden diese unsere Bitten hochgeneigtest 
erfüllen, soweit dies irgend möglich ist. Die künftige Stellung 
des tierärztlichen Standes hängt davon wesentlich ab. 

gez. Dr. Esser, gez. Dr. Schmaltz, 

Geheimer Medizinalrat, ordentl. Professor 

Professor an der Universität zu an der tierärztlichen Hochschule 
Göttingen. zu Berlin.. 

Vorsitzender Schriftführer 

der Zentral Vertretung der tierärztlichen Vereine Preußens. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 35. 


Antwort 

Ministerium für Landwirtschaft, 

Domänen und Forsten. 

Berlin W. 9, den 7. Augnst 1903. 

Der Zentralvertretnng bestätige ich ergebenst den Eingang 
der gefälligen Eingabe vom 21. Juni d. J., betreffend die 
Regelung der Dienstverhältnisse der Veterinärbeamten. 

Die Ausführungen sollen bei den z. Z. schwebenden Ver¬ 
handlungen nach Möglichkeit verwertet werden. 

Der Erlaß eines Gesetzes über die Dienststellung der 
Kreistierärzte nach dem Vorbilde des Gesetzes über die Dienst¬ 
stellung der Kreisärzte vom 16. September 1899, liegt einst¬ 
weilen nicht in der Absicht, da ein Bedürfnis hierfür bei der 
wesentlich verschiedenen Rechtslage nicht anzuerkennen ist. 

Dagegen ist in Aussicht genommen worden, dem Landtage 
einen Gesetzentwurf zu unterbreiten, der den Kreistierärzten 
die Pensionsberechtigung verleiht und ihre Dienstbezüge unter 
Aufhebung des Gesetzes vom 9. März 1872 anderweit regelt. 
Unter Voraussetzung des Zustandekommens dieses Gesetzes 
sollen die Gehälter der Kreistierärzte durch den Staatshaushalts¬ 
etat erhöht werden. Die Ordnung der Rangverhältnisse endlich, 
von der auch die Höhe der Reisegebührnisse abhängt, muß der 
Allerhöchsten Entschließung Vorbehalten bleiben. 

An die Zentralvertretung der tier- I. V.: 

ärztlichen Vereine, z. H. des Herrn 
Geheimen Medizmalrats Professor 
Dr. Esser, Göttingen. 

II. 


(gez.) Sterneberg. 


Eingabe, betreffend eine staatlich anerkannte Standesvertretong. 

Euerer Exzellenz unterbreiten die Unterzeichneten namens 
der Zentralvertretung der tierärztlichen Vereine Preußens ehr- 
erbietigst die folgende Bitte: 

Die Vorteile einer staatlich anerkannten und mit Rechten 
ausgestatteten Standesvertretung haben sich, unter wie ver¬ 
schiedenen Verhältnissen auch immer, so offensichtlich überall 
gezeigt, daß der Wunsch, eine solche Organisation zn besitzen, 
schon durch jene Erfahrung hinreichend begründet wird. Die 
preußischen Tierärzte empfinden diesen Wunsch um so mehr, als 
seit geraumer Zeit die Ärzte und auch die Apotheker Kammern 
erhalten haben und die Organisation dieser in gewissen Grenzen 
verwandten Stände dadurch den tierärztlichen Stand überflügelt hat. 

Euere Exzellenz bitten daher die preußischen tierärztlichen 
Vereine, auch dem tierärztlichen Stande eine staatlich geregelte 
Organisation verleihen und die Berücksichtigung dieses Wunsches 
baldmöglichst ins Auge fassen zu wollen. Denn der tierärztliche 
Beruf befindet sich gerade jetzt in und vor so weitgehenden 
entscheidenden Umwälzungen, daß die baldigste Gewährung 
einer geregelten Mitwirkung bei diesen Ereignissen ein ganz 
dringendes Interesse darstellt. 

Die Mehrzahl der Vertreter der tierärztlichen Vereine hat 
sich dafür ausgesprochen, daß ihrer bisherigen Zentralvertretnng^ 
in deren Aufträge Euerer Exzellenz die Unterzeichneten diese 
Bitte vortragen, die staatliche Anerkennung, etwa mit den 
Rechten einer Kammer, zuteil werden möge. Wir verkennen 
jedoch nicht, daß diesem Wunsche entscheidende juristische 
Bedenken und auch sonstige Schwierigkeiten entgegentreten 
können, welche die Errichtung von Tierärzte-Kammern nach 
dem Muster der Ärzte- und Apotheker-Kammern als das allein 
mögliche erscheinen lassen. 

Wir glauben daher, von speziellen Anträgen betreffs der 
Art der Vertretung noch absehen und uns auf die Bitte be¬ 


schränken zu müssen: Euere Exzellenz wollen hochgeneigtest 
der Errichtung einer tierärztlichen Standesvertretung oder einer 
Tierärztekammer näher treten und danach der seitherigen tier¬ 
ärztlichen Zentralvertretung Gelegenheit geben, auf Grund der 
von Euerer Exzellenz aufgestellten Richtschnur Vorschläge über 
die Einrichtung der Standesvertretung im einzelnen zu machen. 

Die Unterzeichneten glauben jedoch schon jetzt hinzufügen 
zu sollen, daß der Standesvertretung zwar die Befugnis der 
Besteuerung beigelegt werden sollte, daß jedoch die Tier¬ 
ärzte einmütig die ehrengerichtliche Befugnis für entbehrlich 
halten, weil Ehrengerichte nur volle Wirkung versprechen, 
wenn ihnen alle Standesmitglieder unterstellt werden würden, 
was ausgeschlossen erscheint, und weil die richtige Durch¬ 
führung ehrengerichtlicher Maßnahmen auch bei den Ärzte¬ 
kammern auf Schwierigkeiten gestoßen ist. 

gez. Dr. Esser. gez. Dr. Schmaltz. 

Antwort. 

Ministerium für Landwirtschaft, 

Domänen und Forsten. 

Berlin W., den 6. August 1903. 

Zur Verwirklichung des vorgetragenen Wunsches, dem näher 
zu treten ich nicht abgeneigt bin, kann die staatliche An¬ 
erkennung der Zentralvertretung der tierärztlichen Vereine nicht 
in Frage kommen, vielmehr dürfte die Einrichtung von Tier¬ 
ärztekammern nach dem Muster der Ärzte- und Apotheker¬ 
kammern als der geeigneteste Weg erscheinen. 

Den durch die Königliche Verordnung vom 25. Mai 1887 
(G S. S. 169) gebildeten und durch die Königlichen Verordnungen 
vom 6. Januar 1896 (G. S. S. 1) und vom 23. Januar 1899 (G. S. 
S. 17) weiter ausgebauten Ärztekammern ist das Recht der 
Besteuerung und der Ehrengerichte durch das Gesetz vom 
25. November 1899 (G. S. S. 565) verliehen worden. Die durch 
die Königliche Verordnung vom 2. Februar 1901 (G. S. S. 49) 
ins Leben gerufenen und den Ärztekammern nachgebildeten 
Apothekerkammern entbehren dieser Einrichtungen. Nach § 10, 
Absatz 2 und § 17 bleibt es ihnen überlassen, für die Bereit¬ 
stellung der erforderlichen Mittel Sorge zu tragen, und nur die 
in § 4 gewährte Befugnis der Entziehung des aktiven und 
passiven Wahlrechts gibt ihnen ein Mittel in die Hand, der 
Mißbilligung deB Verhaltens eines Standesgenossen Ausdruck 
zu geben. 

Wenn die Tierärztekammern den Apothekerkammern nach¬ 
gebildet werden, so würde ihre Schaffung durch eine Königliche 
Verordnung erfolgen können, während sowohl die Beilegung 
des Besteuerungsrechtes als auch die Einrichtung von Ehren¬ 
gerichten die Form des Gesetzes notwendig machen würde. 
Ob auf das Besteuerungsrecht besonderer Wert zu legen 
ist, erscheint in Anbetracht der zu erwartenden geringen Aus¬ 
gaben zweifelhaft. Sollte dieses der Fall sein, so wird auch 
auf die Einführung der Ehrengerichte, die von der überwiegenden 
Mehrzahl der Ärzte für geboten erachtet wurden, nicht ver¬ 
zichtet werden können. Diese beiden Punkte werden zunächst 
einer eingehenden Prüfung zu unterziehen sein. 

Ich stelle anheim, sich hierüber sowie über den sonstigen 
Inhalt der gewünschten Verordnung zu äußern. 

[Adresse wie zu I.] (gez.) v. Podbielski. 

Die Zentralvertretung ist zunächst dem Ministerium zu auf¬ 
richtigem Dank verpflichtet dafür, daß ihrem Präsidenten auf 
seine Eingaben ein Bescheid erteilt worden ist, was früher 


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27. August 1903. 

nicht zu geschehen pflegte. Vor allem aber ist die wohlwollende 
Form und endlich nicht zuletzt der Inhalt der Antworten ge¬ 
eignet, große Befriedigung hervorznrufen. 

Der Herr Minister hat in seinem Schreiben an den Geheimrat 
Esser uns über den Umfang der zu erwartenden Kreistierarzt- 
reform eine sehr wertvolle und erwünschte Aufklärung zuteil 
werden lassen. Ob diese Reform auf Grund eines dem Kreisarzt¬ 
gesetze ähnlichen Gesetzes erfolgt, wie von uns angenommen 
wurde, ist ohne Belang. Das allein wesentliche ist, daß sie 
alle wichtigen, der Neuordnung bedürftigen Punkte zugleich 
betrifft und keinen auf spätere Zeit verschiebt. 

Die uns gewordene Mitteilung erfüllt in dieser Beziehung 
aber alle gehegten Hoffnungen vollständig. Denn es 
werden durch Gesetz die Pensionsfähigkeit und die Dienstbezüge 
geregelt. Es sollen ferner, falls jenes Gesetz zustande kommt, 
durch den Staatshaushalt die Gehälter der Kreistierärzte erhöht 
werden, und endlich ergibt sich aus dem Schreiben, daß eine 
Allerhöchste Entschließung über die Ordnung der Rangverhältnisse 
erbeten werden soll. 

Mit diesen vier wichtigen Veränderungen wäre die ganze 
Kreistierarztreform tatsächlich vollständig durchgeführt. Uber 
den Zeitpunkt, an dem dies zu erwarten ist, wird in dem Be¬ 
scheide direkt nichts gesagt, doch ergibt sich mittelbar, daß 
alle vier Teile der Reform zeitlich zusammen und von einander 
abhängen, daher wohl alle hintereinander werden ins Werk ge¬ 
setzt werden. 

Die Gehälter sollen durch den Etat erhöht werden, sobald 
das Gesetz betr. Pension und Dienstbezüge angenommen ist. 
Durch dieses Gesetz soll das Gesetz vom 9. März 1872 auf¬ 
gehoben werden, woraus sich zugleich ergibt, daß unter Dienst¬ 
bezügen die Reisekosten und Tagegelder mit zu verstehen sind. 
Das Schreiben des Herrn Ministers bemerkt — und diese Be¬ 
merkung ist besonders zu beachten —, daß die Ordnung der 
Rangverhältnisse, von der auch die Höhe der Reise¬ 
gebührnisse ab hänge, der Allerhöchsten Entschließung Vor¬ 
behalten bleibe. 

Aus alledem muß gefolgert werden, daß die Allerhöchste 
Entscheidung über die Rangverhältnisse vorangehen wird, daß 
danach dem Landtage der Gesetzentwurf betr. Pension und 
Dienstbezüge zur Beschlußfassung vorgelegt werden wird und 
daß nach dessen Annahme im nächsten Staatshaushalt schließlich 
die Gehälter der Kreistierärzte werden erhöht werden. 

Es ist durchaus nicht ausgeschlossen, daß die Kabinettsordre 
betreffs der Rangverhältnisse schon im Anfang des Herbstes er¬ 
folgt, daß dann dem Landtage gleich nach seinem Zusammen¬ 
treten im Spätherbst der Gesetzentwurf zugeht und daß bei 
dessen voraussichtlich glatter Erledigung eventuell sogar schon 
der nächste Staatshaushaltsetat die Gehaltserhöhung brächte. 
Letzteres würde freilich nur unter ganz besonders günstigen Um¬ 
ständen möglich sein, und es ist immerhin wahrscheinlich, daß 
die Gehaltserhöhung erst im Etat für 1905 erscheint. Daran aber 
ist keinesfalls zu zweifeln, daß das Pensions- und Gebührengesetz 
die nächste Landtagssession beschäftigt.*) 

Dann würde aber das Jahr 1903 uns noch die neue Klassi¬ 
fizierung bringen müssen, von der wir hoffen wollen, daß sie 
nicht bloß die Kreistieräzte, sondern auch die Departements- 

*) Gerüchtweise verlautet, daß der Herr Minister selbst dies 
einem Abgeordneten zugesichert habe, ferner, daß der Gesetzentwurf 
bereits die Zustimmung des Herrn Finanzministers erhalten habe. 


551 


tierärzte und last not least die „Lehrer“ an den tierärztlichen 
Hochschulen umfaßt, die nach 17 jähriger Karenzzeit wohl auch 
zu der Erwartung berechtigt sind, endlich in die den Hoch¬ 
schulen allgemein eigentümliche Stellung zu gelangen. 

Mit nicht geringerer Freude wird der zweite Bescheid des 
Herrn Ministers betr. eine staatlich anzuerkennende Standes¬ 
vertretung aufgenommen werden. Dieser Bescheid bedeutet ja 
unzweifelhaft bereits eine Zusage und läßt nur noch die Art der 
Durchführung offen, wobei in dankenswerter Weise zu einer 
Äußerung der tierärztlichen Ansichten aufgefordert wird und zu¬ 
gleich Fingerzeige gegeben werden, wie diese Ansichten am 
besten auf das Ziel gelenkt werden. 

Der Präsident der Zentralvertretung hatte bereits bekannt 
gemacht, daß im Frühjahr 1904 eine Plenarversammlung der 
Zentralvertretung stattfinden soll. Diese wird selbstverständlich 
auf Grund des Bescheides des Herrn Ministers nunmehr konkrete 
Beschlüsse zu fassen haben. Der Bescheid weist deutlich da¬ 
rauf hin, daß der Verzicht auf Ehrengerichte und Bestenerungs- 
recht die Einführung der Kammern erleichtern und beschleunigen 
würde. Meiner Ansicht nach werden wir wohl tun, diesem 
Winke zu folgen und können dies um so lieber, als es sich 
keineswegs um das Aufgeben von etwas Notwendigem handelt. 
Für die Ehrengerichte hat 6ich die letzte Plenarversammlung 
der Zentralvertretung nicht erwärmt. Das Besteuerungsrecht 
aber ist völlig entbehrlich, wenn nur im Kammerstatut eine 
Bestimmung anzubringen ist, daß das aktive und passive Wahl¬ 
recht die Leistung der auszuschreibenden Beiträge zur Vorbe¬ 
dingung hat. Dieses Anregungsmittel würde vollkommen genügen, 
um die relativ geringen nötigen Mittel aufzubringen. 

Schließlich würde die spätere Einführung von Ehrengerichten 
und Besteuerungsrecht ja offen bleiben und nur einen folge¬ 
richtigen Ausbau der ganzen Institution bedeuten; ist diese 
erst erprobt, so läßt sich jene Ergänzung auch durch Gesetz 
leichter erwirken. Bei den Ärztekammern hat sich die Ent¬ 
wicklung von 1887 bis 1899 ja ebenso vollzogen. 

Jedenfalls wäre die mit der Schaffung der Tierärztekammern 
verbundene Einführung der Ehrengerichte und des Steuerrechts 
durch eine Verzögerung und Erschwerung der Kammer-Be¬ 
gründung viel zu teuer erkauft. 

Die beiden Schreiben des Herrn Ministers zeigen uns aufs 
neue, wie es jetzt auf der ganzen Linie vorwärts geht und daß 
wir viel Gutes von der nächsten Zukunft erhoffen dürfen. 

Nehmen wir noch hinzu, daß der September uns voraus¬ 
sichtlich die Militärveterinärreform bringen wird, so dürfen wir 
wohl die 1903 er Ernteaussichten auf unserem Felde als durch¬ 
weg vortrefflich bezeichnen. Schmaltz. 

Aus Österreich-Ungarn. 

Wie das Schweizer Archiv mitteilt, ist in Krakau Professor 
Seifmann, früher Direktor der Veterinärinstitute zu Warschau 
und Kasan, zuletzt langjähriger Direktor der jetzigen Hoch¬ 
schule zu Lemberg, verschieden. Der Verstorbene hat das hohe 
Alter von 80 Jahren erreicht 

Ein frisches Leben dagegen hat in Budapest der Tod ver¬ 
nichtet. Der Dozent an der tierärztlichen Hochschule Dr. Szakall 
ist einer Infektion (mit retrobulbärer Abscessbildung) erlegen. 
Mit ihm ist ein junger begabter und außerordentlich strebsamer 
Arbeiter der tierärztlichen Wissenschaft verloren gegangen. 
Szakall war weiteren Kreisen zuerst bekannt geworden durch 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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552 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 85. 


seine Teilnahme an der anatomischen Nomenclatnrreform, wobei 
er die Anatomie des Vogels bearbeitet hatte. 

An der tierärztlichen Hochschale za Wien ist der außer¬ 
ordentliche Professor Franz Konhäuser nach vierzigjähriger 
Dienstzeit in den Rahestand getreten. 

Kenntnis der Fleisohbeschau-Gesetzgebung! 

Aas Anfragen und anderem ergibt sich, daß die genaue 
Kenntnis aller einschlägigen Bestimmungen der Fleischbeschau 
noch nicht allenthalben Platz gegriffen hat. Ich erlaube mir, 
jüngeren Kollegen das Studium der ganzen Gesetzgebung 
dringend ans Herz zu legen. Es darf nicht Vorkommen, daß 
ein Tierarzt bei Ausübung der Fleischbeschau einen Fehler 
macht, der auf Unkenntnis der Bestimmungen beruht. Nachdem 
die gesamte Fleischbeschau-Gesetzgebung in dem kürzlich er¬ 
schienenen Buche von Geheimrat Schröter in übersichtlichster 
Weise zusammengestellt ist, empfiehlt es sich dringend, dieselbe 
eingehend zu studieren. Ich bitte, mir diese, durch konkrete 
Fälle veranlaßte Mahnung nicht übel zu nehmen. 

Schmaltz. 

Naturforscher-Versammlung. 

Zu der Sektion für Veterinärmedizin bei der Naturforscher- 
Versammlung in Kassel sind noch gar keine Vorträge au¬ 
gemeldet. Es wird dringend um Beteiligung und baldige An¬ 
meldung gebeten. 

Bücheranzeigen und Kritiken. 

Die Impfstoffe und Sera. Grundriss der ätiologischen Prophylaxe 
und Therapie der Infektionskrankheiten für Ärzte, Tierärzte und Studierende 
von Dr. L. Deutsch und Dr. C. Feistmantel. Geb. 7 M. 

Die Verfasser haben die Schatzimpfungsverfahren sowohl bei 
der Bekämpfung der menschlichen Ansteckungskrankheiten als auch 
bei den Tierseuchen ausführlich behandelt Sie haben zu diesem 
Zwecke das Buch in zwei Teile zerlegt und behandeln io dem 
ersten, allgemeinen Teil alles dasjenige, was für das Verständnis 
des Zustandekommens der Immunität von Wichtigkeit ist. In dem 
zweiten Teil, dem speziellen Teil, ist dann zunächst die Impfung 
gegen Blattern, die Impfung gegen Wut, die Schutzimpfung gegen 
Pest, Diphtheritis, Tetanus, Cholera, Typhus, Botulismus bearbeitet; 
dann Bind die Berumtherapeutischen Versuche gegen Pneumonie, 
Staphylokokken, Dysenterie und das Antiatreptokokkenserum an¬ 
geführt 

Die Tierseuchenbehandlung auf dem Wege der Serumtherapie 
st allerdings nur sehr schwach bedacht, sie wird auf 82 Seiten 
abgehandelt. Es soll jedoch daraus den Verfassern kein Vorwurf 
gemacht werden, denn manche, auch die veterinär-medizinischen 
Fragen, so die Schutzimpfung gegen Streptokokken-Infektion, gegen 
Starrkrampf, ferner das Tuberkulin und Mallein, sind bereits unter 
den menschlichen Krankheiten, Abschnitt I, abgehandelt und würden 
hier lediglich wiederholt werden müssen. Behandelt sind der 
Milzbrand, der Schweinerotlauf, die Schweineseucbe, Geflügel¬ 
cholera, Hundestaupe, Maul- und Klauenseuche, Rinderpest, Rausch¬ 
brand, Peripneumonie, Brustseuche, DruBe und Schafpocken. 

Da das Buch für den Praktiker bestimmt ist, so sind die einzelnen 
Kapitel übersichtlich kurz gehalten, aber sie ermöglichen doch eine 
richtige und schnelle Orientierung über dieses für jeden Praktiker 
so bedeutungsvolle Gebiet Wer selbständig Berumtherapeutisch 
arbeiten will, wird in dem Buch nur eine vorläufige Orientierung 
finden und doch die Originalquellen io der periodischen Literatur 
einsehen müssen. Für diejenigen aber, und das ist das Gros der 
Praktiker, welche, da sie täglich die Errungenschaften der Schutz¬ 
impfung vor Augen haben, sich Uber das Wesen der Immunität 
und Immunisierung so weit zu orientieren wünschen, daß ihnen 
bis auf 8pezialistische Einzelheiten alle modernen Fragen auf diesem 
Gebiete geläufig sind, für diese kann das Buch durchaus empfohlen 
werden. Es behandelt den Stoff kurz, übersichtlich und dem 
jetzigen Stande der Wissenschaft entsprechend. Dr. Jeß. 


Neue Eingänge. 

(Besprechung Vorbehalten.) 

Klinisches Jahrbuch. Im Aufträge des kgl. preuß. Ministers der 
geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten unter Mit¬ 
wirkung der Vortragenden Räte in diesem Ministerium Kirchner 
und Naumann herausgegeben von Frhr. v. Eiselsberg-Wien, 
Flügge-Breslau, Frhr. v. Mering-Halle und Werth-Kiel. Band XI. 
Heft 3, enthaltend: Kolle, Professor und Abteilungsvorsteher im 
Institut für Infektionskrankheiten zu Berlin: Über den jetzigen 
Stand der Choleradiagnose, mit vier Tafeln; Hetsch und Otto: 
Wirkung des Pestserums bei experimenteller FUtterungspest; Meder: 
Uber die Pockenimpfung (aus dem Englischen). Jena, bei Gustav 
Fischer (Einzelheft 4,50 M.). 

Veterinärkaiender 1904, herausgegeben von Korpsroßarzt König, 
unter Mitwirkung von Geheimrat Dam mann, Professor A. Eber, 
Medizinalrat Edelmann, Geheimrat Jobne und Rechnungsrat im 
preuß. Landw.-Ministerium Dam mann. Geschäftstaschenbuch und 
Personalverzeichnis, zusammen 850 Seiten. Verlag von August 
Hirschwald, Berlin. 

Maükowski, Heinrich, Doktor der Heilkunde und Tierarzt, 
Assistent an der k. k. tierärztlichen Hochschule in Lemberg: Der 
histologische Bau des Strichkanals der Kuhzitze. Inaug.-Diss. (Bern), 
mit sechs Bildern. Lemberg, Druck der Drukarnia Ludowa, 1903. 

Schmey, Max, Polizeitierarzt zu Berlin: Über den Eisengehalt 
des Tierkörpers. Inaug.-Diss. (Berlin, philosoph. Fak.). Straßburg, 
bei Karl Trübner, 1903. 

Vogel, Otto, Tierarzt zu Kreuznach: Die Seuche unter den 
Agoni des Lago di Lugano (Colibacillosis Alosae Fintac). Aus dem 
zoolog. Institut (Prof. Studer) und dem Institut zur Erforschung 
der Infektionskrankheiten (Prof. Tavel) Bern. Inaug.-Diss. (Bern, 
phil. Fak.). Leipzig, bei Veit & Co., 1903. 

Zeitschrift für die gesamte Fleischbeschau und Trichinenschau, heraus¬ 
gegeben von Departementstierarzt Dr. Felisch, Kreistierarzt 
Memmen-Hettstedt und Schlachtbofdirektor Reimers-Halle, er¬ 
scheint vom 1. Oktober ab im Verlage von M. & H. Schaper-Hannover. 

Personalien. 

Ernennungen: Rönnefahrt, Assistent an der Poliklinik für große 
Haustiere zu Berlin, zum Kreistierarzt des Kreises Jork, Reg.-Bez. 
Stade, Kreistierarzt Bahr in Karthaus definitiv — ernannt. Kreis¬ 
tierarzt Stephan von Gleiwitz nach Rummelsburg i. P., Kreistierarzt 
Paulat von Rummelsburg nach Bartenstein versetzt. Tierarzt 
Knorr aus München zum Distriktstierarzt in Teisendorf ernannt. 

Wohnsitzveränderungen, Niederlassungen: Tierarzt Holtmann aus 
Billerbeck als Schlachthoftierarzt nach Krefeld, Tierarzt Wilde 
von Euskirchen nach Neisse i. Schles. verzogen. 

Examina: In Gießen sind approbiert worden die Herren: Clement 
Oerhaat, Sehrems, Braninger , Hauer, Martin, Dennemark, O. Schmidt, 
H. Schmidt, Merx, and Kempa. Desgl. in Hannover Leo Brücker. 

In der Armee: Raffegerst, Roßarzt vom 55. Art.-R., mit Pension 
in den Ruhestand versetzt. — Im Beurlaubtenstande: Die 
Roßärzte d. L. 2. Theurer (Landw.-Bez. Ludwigsburg) und Haas 
(Calw) zu Oberroßärzten, die Unterroßärzte Dr. Nieberle, Kiesel, 
Reichert (Stuttgart) und Mogele (Leonberg) zu Roßärzten befördert 
Den Roßärzten d. L. 1. Fülbier (Freiburg i. Schles.) und Mayer 
(Eßlingen) der Abschied bewilligt. 

Todesfälle: Ordner, Kreis- und Grenztierarzt zu RoBenberg in 
Oberschlesien. 

Vakanzen. 

Kreistierarztstellen: R.-B. Oppeln: Rosenberg (noch nicht aus¬ 
geschrieben). 

Schiachthofsteiien : Die Stelle in Kassel (vgl. Nr. 32) ist noch 
nicht besetzt bzw. vergeben, wie in Nr. 33 irrtümlich mitgeteilt 
war. — Graudenz: Assistenztierarzt. 1800, freie Wohn. etc. Bew. 
bis 15. September. 

Stellen für ambulatorische Fleischbeschau und Privatpraxis: Anger¬ 
mund (Landkreis Düsseldorf): Fleischbeschau. Meid, an den Bürger¬ 
meister. — Feudenheim (b. Mannheim): Tierarzt z. 1. Septb. Bew. 
bis 24. Aug. an den Gemeinderat. 

Besetzt: die Tierarztstelle am Schlachthof zu Braunschweig. 


Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmält* ln Berlin. — Verlag und Eigentum von Richard Schoctz In Berlin. — Druck von W. Bflxensteln, Berlin. 


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wöchentlich ln» Verlage von Richard Schoets in 
Berlin, Luiaepatr.36. Durch jede* deutsche Postamt wird 
dieselbe rum Preise von M. 5 ,— ylerteljährllch (M. 4,"8 für 
die Wochenschrift, IS Pf. fttr BesteÜKeid) frei ins Haus 
geliefert (Deutsche Post-Zeitungs- Preisliste No. 11 OS, 
Oosterrelchiscbe No. 610, Ungarische No. 90.) 


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Originalbeltrftge werden mit60 Hk. Ihr den Bogen honoriert 
Alle Manuskripte, Mitteilungen and redaktionellen An¬ 
fragen beliebe man su senden an Prot Dr. Schmält*, 
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Korrektoren, Reienslons-Kxemplare und Annoncen da¬ 
gegen an die Verlagsbuchhandlung. 


Tierärztliche Wochenschrift 


Redaktion: 

Professor Dr. Schmal tz-Berlin 

Verantwortlicher Redakteur. 


De Bruln 

Dr. Jess 

KQhnau 

Dr. Lothes 

Nevermann 

Prof. Dr. Peter 

Peter« 

Profeaaor 

KreUtlerarst 

ßchlachtliofdlrektor 

Departementatlerant 

KreUtierarst 

Kreiailerarmt 

Departement« tierarat 

Utrecht 

Charlottenburg. 

Cöln. 

Cöln. 

Bremervörde. 

Angermünde. 

Bromberg. 


Preusse 

Dr. Roeder 

Dr. Schlegel 

Dr. Vooel 

Zündet 



Veteriniraaaeaaor 

Profeaaor 

Profeaaor 

Landeatierarat r. Bayern Kreiatierant 



Danzig. 

Dresden. 

Freiburg i. Br. 

München. 

Mülhausen i. EL 


Jahrgang 1903. JI2 36. Ausgegeben am 3. September. 

I n h a 11: Zobel: Rachitisches Siechtum bei der Ziege. — Furtuna: Die Muskelatrophie als Ursache der Gelenk¬ 
krankheiten. — Richter: Totale Sehnenzerreißung beim Rind infolge Metastase. — Jacobl: Kephalo-Thoraco- 
pagus beim Kalbe. — Referate: Koßel, Schütz, Weber und Mießner: Über die Hämoglobinurie der Rinder in Deutsch¬ 
land. — Fröhner und Kärnbach: Ein Beitrag zur primären infektiösen Osteomyelitis des Pferdes. — Drusenserum. — Joly: 
Behandlung der Acne contagiosa des Pferdes. — Gallois und Courcouy: Behandlung der Acne durch Jodaceton. — Barniek: 
Intravenöse Injektion von Eserin-Arecolin. — Heichlinger: Mnstdarmruptur bei der Stute. — Mattem: Anomalie des 
Colostrums bei der Kuh. — Jeß: Wochenübersicht über die medizinische Literatur. — Tageageaohlohte: Petitionen des deutschen 
Veterinärrates an den preußischen Kriegsminister betreffs der Militär-Veterinärreform. — Verschiedenes. —- Staatsveterinärwesen. 
— Fleischbeschau und Viehverkehr. — Tierzucht. — Personalien. — Vakanzen. 


Rachitisches Siechtum bei der Ziege. 

Von 

Dr. med. vet. Zobel-Netzschkau. 

Bei hier abgebildeter 3 l /2 Monate alten Ziege zeigten sich 
bereits im Alter von 14 Tagen rachitische Symptome. Ais 
acht Tage altes Zicklein war dieselbe vom Muttertier entfernt 
worden nnd wurde einer anderen 
Ziege untergesetzt, welche sie 
anfangs nicht, später jedoch ganz 
willig sangen ließ. Nach Anssage 
des Besitzers hat das Zicklein 
kurze Zeit, nachdem er es be¬ 
kommen hatte, an starkem Nasen¬ 
katarrh gelitten nnd hieran hätten 
sich die Schwellungen und Ver¬ 
di ckoDgen am Kopfe angeschlossen. 

Vom Besitzer, der Bäckermeister 
ist, wurde die Ziege hauptsächlich 
mit Milch nnd darin eingeweichten 
Semmeln ernährt, bekam auch 
meistens eine Hand voll gekochter 
Kartoffeln mit zum Futter; Gras 
nnd Heu fraß sie nicht nnd ließ, 
wenn sie geringe Mengen davon 
ergriffen hatte, dieselben nach 
einigen vergeblichen Kauversuchen 
wieder ans dem Maule herans- 
fallen. Zurzeit meiner Unter¬ 
suchung war sie in einem schlechten Nährzustand, hatte struppiges 
Haarkleid, die Stimme war schwach und heißer, der Hinterleib 
war etwas anfgetrieben, die linke Hnngergrube schwach gewölbt; 
dabei stand sie des Öftern mit halb offenem Manie da nnd ließ 
die Zungenspitze sehen; auch konnte man von Zeit zn Zeit 
deutliches Schnarchen vernehmen. Die rachitische Erkrankung 
charakterisierte sich am augenfälligsten durch die starken Auf- 


treibnngen der Angesichtsknochen nnd zwar waren diese Ver¬ 
änderungen — wie auch das Bild beweisen dürfte — derartig 
ausgeprägt, daß der Kopf allein betrachtet, kaum als Ziegenkopf 
angesehen werden konnte, weshalb es wiederholt vorkam, daß 
Leute, welche die Ziege durch das in ihrer Stalltüre befindliche 
Loch mit dem Kopfe heransschanen sahen, unwillkürlich den 

Besitzer fragten: „Was haben Sie 
denn da für ein Tier?“ Außerdem 
waren die Füße (die Vorderfdße 
mehr als die Hinterfüße) gekrümmt 
und zeigten dicke Gelenke. 

Bei der Untersuchung des von 
der ansgeschlachteten Ziege ab¬ 
getrennten Kopfes passierte es mir 
zweimal, daß beim Abziehen der 
Haut nnd Bloßlegung des knöcher¬ 
nen Schädels das geballte Bistnri, 
trotzdem keinerlei Gewalt dabei 
angewandt wurde, unversehens die 
Nasenbeine dnrchschnitt nnd in 
die Nasenhöhle eindrang. Die an¬ 
geführten Knochen, ebenso die 
Stirnbeine nnd Scheitelbeine hatten 
zwar ihre Gestalt wenig ver¬ 
ändert, waren aber dünner als 
normal, weich, knorpelartig bieg¬ 
sam. Heransgeschnittene Stücke 
von der Größe eines Pfennig¬ 
stückes ließen sich noch mit Leichtigkeit biegen, ohne zn 
brechen. 

Hingegen waren die Kieferbeine sehr stark aufgetrieben, 
knorpelartig weich nnd elastisch und ließen sich mit dem Messer 
leicht in einzelne Scheiben zerlegen, wobei jedoch eine Kiefer¬ 
höhle nicht vorgefunden wurde; sie machten mit der direkt an¬ 
grenzenden Umgebung eine gleichartige Knorpelmasse im 



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Durchmesser von zirka 7 cm aus and hatten zur Verengerung 
der Nasenhöhle und damit zur Erschwerung der Atmung geführt, 
woraus sich auch die Entstehung des vom Besitzer beobachteten 
heftigen Nasenkatarrhs erklären läßt. 

Außer den Veränderungen an den Oberkieferbeinen und 
deren Umgebung — genauere anatomische Grenzen lassen sich 
nicht an geben — zeigte auch der Unterkiefer schwere rachitische 
Erkrankung. Sein Körper war äußerst klein und dünn und 
beherbergte 8 winzige, wackelige Milchzähne, die beiden Äste 
aber waren in eine 5—6 cm breite Knorpelmasse umgewandelt, 
die sich mit dem Messer ebenfalls mit Leichtigkeit in beliebige 
Scheiben zerlegen ließ. Auffällig war, daß die Backzähne im 
Unterkiefer aus dem Zahnfache, wenn man überhaupt noch diese 
Bezeichnung gebrauchen darf, sehr stark und schief nach oben 
und innen gewachsen waren, gleichsam als wollten sie die 
Zunge überbrücken; dadurch kam es, daß der Platz für die 
Zunge nicht mehr ansreichte und dieselbe in ihrem unteren 
Teile eingeklemmt war, während der Rücken zum Teil als Wulst 
aus der Öffnung hervorragte, die die beiderseitigen Backenzähne 
noch gelassen hatten. Fast bis an den Körper des Unterkiefers 
heranreichend war die Zunge durch Schleimhautfalten mit den 
Unterkieferästen verwachsen, so daß fast nur die äußerste Zungen¬ 
spitze freier Bewegung fähig war, welche sich im allgemeinen 
aber wohl auf Vorstrecken und Zurückziehen beschränkt hat. Diese 
geschilderten krankhaften Veränderungen beweisen sprechend, 
daß es der Ziege unmöglich war, Gras oder Heu oder sonst ge¬ 
eignetes Futter aufzunehmen bezw. zu kauen, daß Bie vielmehr in 
der Hauptsache auf flüssige Nahrung angewiesen war. 

Von allen Kopfknochen hatte eigentlich nur das Hinter¬ 
hauptbein eine knochenartige Härte und Festigkeit bewahrt; 
mit dem Bisturi war es nur mit einer gewissen Kraftanwendung 
zu zerschneiden. 

Entsprechend den ungefällig und etwas verkrüppelt aus¬ 
sehenden Füßen der Ziege fand ich Verbiegungen und Ver¬ 
dickungen der Epiphysen bei den großen Extremitätenknochen; 
nicht unerwähnt will ich außerdem die auffallend große Weich¬ 
heit und Biegsamkeit der Rippen lassen; es war unmöglich, die¬ 
selben zu zerbrechen, da sie sich ähnlich einer Fischbeinrippe 
biegen ließen. 

Die Grundursache dieses Falles von Rachitis dürfte allein in 
der ungenügenden und ungeeigneten Ernährung der Ziege zu 
suchen sein; der Aufenthalt in dem feuchten, dunkeln Stall und 
der Mangel an Bewegung in freier und frischer Luft kann hierbei 
wohl die Entstehung der Krankheit begünstigt haben. 


Die Muskelatrophie als Ursache der Gelenkkrankheiten. 

Von 

J. St. Furtuna, 

GciiornlinxpQktor (los Zivil Vctcrinärdicnslu» aus Rumänien. 

Prof. Le Fort sprach die Muskelatrophie als Folge der 
Gelenkkrankheiten an. Sowohl in der Menschenheilkunde als 
auch in der Tierheilkunde wird diese Tatsache theoretisch be¬ 
achtet, aber in der Praxis in den meisten Fällen gewöhnlich 
vernachlässigt. 

Die Mu8kelatrophie ist sehr oft eine Folge der Gelenk¬ 
entzündungen mit schnellem Verlauf und wird meistens in der 
Rekonvaleszenz der Gelenkkrankheiten bemerkt. 

Während einer Gelenkentzündung ist die Aufmerksamkeit 
des Praktikers gewöhnlich nur auf die Entzündung gerichtet 


No. 86. 


und gar nicht auf die erscheinende und fortschreitende Muskel¬ 
atrophie. Er behandelt nur das Gelenk mit allen möglichen 
Scharfsalben, Ätzmitteln und Feuer. 

In der Menschenheilkunde ist das Ziel jedes Arztes, welcher 
schwere Gelenkentzündungen behandelt, die Ankylosis des kranken 
Teiles zu erhalten, ein medizinisches Ideal, um alle Gelenk¬ 
schmerzen zu entfernen. 

Daß man, obgleich ohne irgendwelchen Erfolg, so fest 
darauf besteht, ist entmutigend, insbesondere wenn die Leiden 
und Schmerzen am kranken Gelenke weiter andauern. 

Nicht selten kann beobachtet werden, daß Lahmheiten 
monate- und jahrelang sogar mit den grausamsten Mitteln ohne 
Erfolg behandelt werden, nur deshalb, weil sich der Praktiker 
allein um das kranke Gelenk kümmert, ohne die wahrhaft 
kranken Organe zu behandeln. 

Bei Untersuchung eines Tieres, welches Gelenkschmerzen 
zeigt, bemerkt man, daß der Gelenkwinkel sich abnorm öffnet 
und schließt; und das Tier hinkt. Da gewöhnlich solche Lahm¬ 
heiten nicht mit besonderen Verletzungen verbunden sind und 
solche nur durch eine sehr aufmerksame Prüfung beobachtet 
werden können, macht sich der Praktiker stets falsche Vor¬ 
stellungen des Leidens und es kommt dann vor, daß die geringste 
Anschwellung des Gelenkes in ihm schon den Verdacht einer 
lokalen Läsion erregen kann. Daraus entsteht dann wieder 
dieselbe Verfolgung des einst krank gewesenen Gelenkes, an 
welches nur noch die Anamnese erinnert, durchaus aber keine 
lokale Läsion. 

Sehr oft werden uns Tiere vorgeführt mit beinahe gleich¬ 
artig lautender Anamnese, es wird dabei gesagt: das Tier ist 
gesprungen, zog eine zu schwere Last, fiel, verrenkte sich den 
Fuß; es litt sehr, das Gelenk war über die Maßen angeschwollen. 
Seit der Zeit sind drei, acht Monate, ja sogar zwei Jahre ver¬ 
gangen. Das Tier wurde ohne Zweifel von Ärzten und Kur¬ 
schmieden mit Kleie und Unschlitt, heißem Kessel (?), Scharfsalben, 
Ätzmitteln und Feuer behandelt, wodurch die Geschwulst ver¬ 
schwand. Dem Anscheine nach gesund, wurde das Tier wieder 
zum Dienst oder zur Jagd verwendet, fing aber alsdann von 
neuem, anfangs nur ein wenig, zu hinken an, nachher aber große 
Schmerzen in dem krank gewesenen Gelenke zeigend. Von 
neuem begann die nämliche, nicht weniger schmerzhafte Be¬ 
handlung. 

Wenn man das so behandelte Gelenk aufmerksam unter¬ 
sucht, kann man feststellen, daß es absolut gesund ist oder nur 
wenig, sogar sehr wenig Flüssigkeit enthält. Das Ende der 
Knochen ist nicht angeschwollen, die Synovia ist nicht verdickt 
und es sind keine Zotten vorhanden; physiologisch betrachtet, 
ist das Gelenk trocken, das heißt gesund, nur beim Druck zeigt 
es Schmerzen. 

Der Schmerz stimmt mit den Übergangspunkten und der 
Richtung der Gelenksbänder überein, ein Schmerz, welchen man 
mit demjenigen der Verstauchungen vergleichen könnte. 

Bei Verstauchungen ist der Schmerz die Folge der Dehnungen 
und der mehr oder weniger starken Risse der Gelenkbänder. 
Diese Verletzungen sind ungenügend, um Ekchymosen oder An¬ 
sammlung von pathologischen Produkten in größerer Masse 
hervorbringen zu können; es kann sich höchstens ein wenig 
Flüssigkeit im Innern deB Gelenkes bilden. Aber sie sind genügend, 
um große Schmerzen zu verursachen und zu unterhalten. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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3. September 1903. 

In den von uns genannten Fällen hat man mit wiederholten 
Verstauchnngen zn tun gehabt, nicht mit einer einzigen, welche 
manchmal auch ohne therapeutische Hilfe von selbst heilt. 

Wir wollen hier die Ursache und den Mechanismus dieser 
sich wiederholenden Verstauchungen beschreiben: 

Bei den sogenannten Wechselgelenken sind die Knochen 
durch fibröse Bündel, welche in Bänder vereinigt sind, mit¬ 
einander verbunden; solche Gelenke sind am meisten den Ver¬ 
stauchungen ausgesetzt. Diese Gelenkbänder sind so gelagert, 
daß sie die normalen Bewegungen des Gelenkes nicht verhindern, 
sondern nur beschränken, bei abnormen Bewegungen sind sie 
deshalb die einzig betroffenen Teile. 

Außer den genannten Bändern sind die Gelenke noch durch 
Mnskeln, Sehnen und Sehnenscheiden verstärkt. 

Die Gelenke besitzen zweierlei Bänder, passive durch 
Ligamente und aktive durch die Muskeln dargestellt, und nach 
der etwas übertriebenen Meinung des Herrn Bary könnte man 
als Prinzip annehmen, daß die Muskeln die wahren Bänder der 
Gelenke seien, welche sie zugleich in Bewegung setzen. 

Eine Muskel oder eine Muskelgruppe setzt ein Gelenk nicht 
nur in Bewegung, sondern hält es in normalen Verhältnissen 
im Gleichgewicht, leitet es und gibt ihm eine bestimmte Richtung. 
Bei einer unvorhergesehenen Bewegung, könnte man sagen, ver¬ 
hindern die Muskeln die Abweichungen der Knochen, indem sie 
diese immer in normaler Berührung miteinander halten. Mit 
einem Worte gesagt, die Muskeln sind als Ausführungsagenten 
einer gleichmäßigen und normalen Kraft nicht nur die aktiven 
Gelenkbänder, Bondern auch die Regulatoren der Gelenk¬ 
bewegungen. 

Wenn die Muskeln atrophiert sind und die Nervenenden, 
welche die fibrilläre Dehnung regeln, leiden, so tritt Schwäche, 
Erschwerung der Bewegungen und sogar Unmöglichkeit, die Be¬ 
wegungen zu leiten und auszuführen, ein. In solchen Fällen 
stehen die Knochen nicht mehr unter der Herrschaft der aktiven 
Regulatoren, beschreiben abnorme Winkel und dadurch erleiden 
die passiven Gelenkbänder Zerrungen, Risse, abnormen Druck 
und folglich Schmerzen. 

Professor Le Fort sucht die Aufmerksamkeit allein auf die 
Atrophien, welche nach den Gelenkleiden folgen, zu richten, 
spricht aber nicht über die Atrophien als Ursache der Gelenk¬ 
leiden, die nach meinem Wissen in keiner tierärztlichen Ab¬ 
handlung beschrieben worden sind. 

Le Fort meint, daß bei allen Kranken, welche sich über 
Beschwerlichkeiten beim Gehen beklagen, diese Schwäche mit 
einer Atrophie übereinstimmt, und sobald man eine Beschwerde 
beim Gehen bemerkt, die Muskeln untersucht werden müssen. 

Die Ansichten des berühmten Professors sind aber nicht 
genügend, da die Atrophien nicht nur mit Beschwerden der 
Bewegungen, sondern in schwierigen Fällen auch mit Schmerzen 
im Gehen verbunden sind. 

Der Fehler stammt daher, daß die Ärzte sich daran 
gewöhnt haben, den Schmerz als Zeichen einer großen Ent¬ 
zündung, in diesem Falle einer Gelenkentzündung anzusehen. 
Wenn in solchen Fällen zugleich ein wenig Exsudat vorgefunden 
wird, so wird die Gelenkentzündung als primäre bezeichnet, 
während sie als eine wiederholte Verstauchung, welche der 
primären längst verschwundenen Gelenkentzündung nachgefolgt 
ist, betrachtet werden sollte. 


55*> 


Die Schmerzen waren nnd sind immer ein schlechter Weg¬ 
weiser für den Praktiker, sie führen irre, machen ihn auf¬ 
merksam auf Organe, welche eigentlich nicht krank sind, nnd 
entziehen so der Untersuchung gerade diejenigen Teile, welche 
krank, ja sogar schwer leidend sind. 

Die Ursache der Fortdauer der Gelenkschmerzen muß 
immer, wenn örtlich keine bemerkenswerten Läsionen vorzufinden 
sind, wo anders gesucht werden, nämlich in den Muskeln. 

Die MuBkelatrophie ruft nicht nur Schwäche hervor, wie 
Prof. Le Fort behauptet, sondern auch starke anhaltende Gelenk- 
schmerzen, welche jahrelang dauern können. Eine aufmerksame 
Untersuchung der Mnskeln, welche den schmerzhaften Teil 
umgeben, zeigt uns immer Atrophie. 

In der Klinik begegnen wir oft solchen Atrophien, ohne 
ihnen die gehörige Bedeutung beizulegen. Es war sehr 
natürlich, diese Atrophien als eine Folge der Gelenkleiden zu 
betrachten, wie es auch der Fall ist; daß aber nach dem Ver¬ 
schwinden der Gelenkläsionen die Schmerzen noch fortdauern, 
muß nur der Muskelatrophie zugeschrieben werden, nnd ich weiß 
nicht, ob diese Tatsache bis jetzt beachtet worden ist. Nach 
den angewendeten Behandlungsweisen bin ich berechtigt, das 
Gegenteil zn glauben. 

Ich wäre sehr glücklich, wenn ich die Aufmerksamkeit auf 
die Muskelatropbien als Ursache der meisten Gelenkschmerzen 
leiten könnte, und wenn eine größere Anzahl Beobachtungen 
in dieser Hinsicht angestellt werden könnten. 


Totale Sehnenzerreissung beim Rind infolge 
Metastase. 

Von 

Richter - Dessau, 

Hoftier&rzL 

Sehnenzerreißungen bei unseren Haustieren gelangen häufiger 
znr Beobachtung. Man teilt dieselben ein: Erstens in Bolche, 
welche auf einen mechanischen Einfluß zurückgeführt werden 
müssen nnd zweitens in solche, welche a) im Anschluß an Ver¬ 
letzungen nnd nachfolgende Infektion oder b) als Folgezustand 
einer allgemeinen Infektionskrankheit zustande kommen können. 

Während nun die in beiden Gruppen erwähnten Rupturen 
bei Pferden öfter beobachtet werden, habe ich bei Durchsicht 
der mir zugänglichen neueren Literatur noch keinen Fall einer 
Sehnenzerreißung beim Rind infolge einer Allgemeininfektion des 
Körpers vorgefunden; ich glaube daher, daß nachfolgendes der 
Veröffentlichung für wert zu erachten ist. 

Vorbericht: Eine dem Kossäten W. zu R. gehörige Kuh 
hat angeblich ca. drei Wochen vor der Untersuchung ohne 
menschliche Hülfe ein totes Kalb geboren. Es sollen sich 
schwere Krankheitserscheinungen, welche zur Zuziehung eines 
Pfuschers Veranlassung gaben, eingestellt haben: Rententio 
8ecundinarom, Appetitlosigkeit, starkes Drängen, vollkommener 
Milchmangel, häufiger Schüttelfrost. Das Tier legt sich anf- 
fallender weise während dreier Tage nicht hin. Anschwellung beider 
Vorderbeine bis zum Ellenbogen. Nachdem sodann die Knh 
zusammengebrochen nnd wieder aufgerichtet worden ist, tritt 
sie tags darauf mit dem rechten Vorderbein stark in der Fessel 
durch, mit dem linken nimmt sie eine abnorm rückbiegige 
Stellung im Vorderknie ein. Auch jetzt noch soll sich die Knh 
meist drei bis vier Tage hintereinander stehend erhalten haben, 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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556 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 36. 


endlich zusammengebrochen und auf Anordnung des Pfaschers 
stets wieder aufgestellt worden sein. 

Befand: Die hochgradig abgemagerte, stehende Kuh, ein 
Bild größter Hinfälligkeit und Hilflosigkeit, vermag mit den 
Vorderbeinen keinerlei Bewegung auszuföhren. Haarkleid glanz¬ 
los und struppig, Augäpfel tief in die Höhlen zurückgesunken. 
Nasenspiegel trocken und rissig, Hörner, Ohren und Körper¬ 
oberfläche kühl, fast kalt. Innere Körperwärme 41,3°. Pols 
schwach fühlbar, drahtförmig, 90 Schläge in der Minute; Herz¬ 
schlag schwach, wegen der rückständigen Stellung des linken 
Vorderschenkels Auskultation und Perkussion des Herzens un¬ 
möglich. Atmung oberflächlich, 30—36 mal in der Minute er¬ 
folgend. 

Vollkommene Plantarflexion des rechten Fesselgelenkes 
derart, daß die hintere Fläche desselben belastet wird, Gangraena 
humida daselbst; phlegmonöse Schwellung des ganzen, oberhalb 
des Karpalgelenkes heiß anzufühlenden Schenkels. Die linke 
gleichfalls im hohen Stadium der entzündlichen Schwellung be¬ 
findliche Vordergliedmaße wird im Karpalgelenk nach hinten 
und innen derart durchgedrückt, daß die Winkelung desselben 
eine dem Sprunggelenk ähnliche ist. 

Die weitere Untersuchung ergibt, daß das Tier an 
diphtheritischer und phlegmonöser Kolpitis, septischer Metritis 
und phlegmonöser Parametritis leidet. 

Die anempfohlene Tötung und Überführung nach der Ab¬ 
deckerei erfolgte tags darauf; die Sektion fand am folgenden 
Tage statt. 

Sektionsbefund: Vielfache Verletzungen der Haut bis 
in das Unterhautbindegewebe mit jauchiger Infiltration. De- 
cubitalgangrän in der linken Fesselgelenksbeuge von Fünfmark¬ 
stückgröße. Fäulnis verhältnismäßig fortgeschritten, Toten¬ 
starre gelöst. Fast vollkommene Fettatrophie. Blutextravasate 
an beiden Vorderschenkeln von hellerer und dunkler Farbe. 
Diffuses Ödem der ganzen unteren Bauchfläche. Die Trennung 
der Cutis von beiden Vorderschenkeln ist besonders am rechten 
sehr erschwert. Unterbaut hier teils weißgelb, salzig, spiegelnd 
und glänzend, teils in den unteren Partien des rechten Fußes 
grau-weiß mit grünlichen und gelben Streifen, fest, derb und 
fast trocken. Schmierige, verfärbte Zerfallsmasse mit Eiterung 
und besonders derber Schwellung um das Decubitalgangrän. 
Blut auffallend dunkel, schlecht oder nicht geronnen, lackfarben. 
Muskulatur graurot verfärbt, mit flockigen Blutungen durchsetzt. 
Bauchfell und übrige seröse Überzüge in der Bauchhöhle glanz¬ 
los, matt, stellenweise ramiforme Rötung und Suffusionen, geringe 
fibrinöse Auflagerungen. Magen-Darminhalt fast flüssig; blutige 
Herde in der Schleimhaut der Magenabteilangen und im Darm. 
Milz geschwollen, Pulpa schmierig, leicht abstreichbar. Leber 
stark geschwollen, Ränder abgerundet, lehmfarben, getrübt, 
trocken und brüchig. Bindegewebe des Beckens salzig ver¬ 
ändert, Phlegmone. Nieren geschwollen, graugelb, brüchig und 
weich. Uterus mit jauchigem, stinkendem, chokoladefarbenem, 
breiigem Inhalt gefüllt. Schleimhaut daselbst wie auch in der 
Scheide im Zustande der phlegmonösen Entzündung; grünlich¬ 
schwarze, zahlreiche nekrotische Herde. Muskulatur des U. 
ödematös durchfeuchtet, mit Blutungen durchsetzt, grau. Bauch¬ 
fellüberzug geschwollen, handtellergroße Blutungen. 

Im Zwerchfell ausgedehnte Hämorrhagien. Pleura glanz¬ 
los, matt, geringe Fibrinauflagerungen. Pericarditis; Herz¬ 
muskel welk, schlaff, grau, fischfleischähnlich, Endocarditis, 


Ecchymosen. Imbibitionen in der Intima der großen Blutgefäße. — 
Lungen schwach tuberkulös verändert, stellenweise frische Eiter¬ 
herde. Lymphdrüsen geschwollen. Körperlymphdrüsen auf¬ 
fallend geschwollen, ödematös durchtränkt, blutig verfärbt. 

Phlegmonöse Schwellung des rechten Vorderschenkels, Mus¬ 
kulatur auf der Durchschnittsfläche graurot und trocken; stellen¬ 
weise fließt aus der gelb-grünlich verfärbten Unterhaut dünne 
übelriechende FlüBBigkeit ab. Blutpfröpfe und blutige Darch- 
tränkang. Das Bindegewebe ist schwer von der hochgradig 
entzündeten Sehnenscheide zu trennen. Der Fesselbeinbeuger 
ist in seinen Anheftungen faserig abgerissen, ebenso sind die 
beiden Schenkel des Krön- und Hufbeinbeugers, wie auch das 
Zwischenzehenband total zerissen. Der zerfetzte und mit ver¬ 
hältnismäßig hellen Blutgerinnseln bedeckte Fesselbeinbeuger 
ist schwach grünlich verfärbt; eitrige oder käsige Herde sind 
nicht nachweisbar. Das laterale Seitenband der inneren Klaue 
ist zerrissen, das der äußeren stark gedehnt. Das Perichondrium 
der Fesselgelenkflächen, sowie das Periost der angrenzenden 
Teile des Metacarpus und der Fesselbeine ist glanzlos, raub, 
uneben, höckerig. Das linke Vorderbein zeigt in der Um¬ 
gebung des Karpalgelenkes blutige Infiltration; Veränderung 
des Bindegewebes und der Muskulatur an der vorderen und 
äußeren Fläche des Armbeins durch blutige wässerige Durch- 
tränkung. Nach Durchtrennung der Vorarmfascie tritt zwischen 
dem besonderen Strecker der inneren Zehe (M. extensor digiti 
tertii propr.) und dem Speichenstrecker des Karpalgelenks 
(M. extensor carpi radialis) ein quer durchgerissener Muskel- 
bauch, der schiefe Strecker der Vorderfußwurzel (M. abduct 
pollic. long.), hervor. Die Zerreißung hat an der Übergangs¬ 
stelle des Muskels in seine Sehne stattgefunden, letztere hat 
sich weit zurückgezogen. Trotz der länger vorhanden ge¬ 
wesenen abnormen Stellung des Karpalgelenkes sind hierselbst 
nur geringere Veränderungen nachweisbar: vermehrte, mit fibri¬ 
nösen Flocken durchsetzte Gelenkschmiere, entzündliche Rötung 
der Gelenkkapsel, blaurote und blutige Verfärbung der Gelenk¬ 
knorpel. Die Beugesehnen zeigen bis zu ihren Anheftungen 
keine Kontinuitätstrennungen; Entzündung der Sehnen und 
Sehnenscheide der Beuger. 

Es dürfte wohl zweifellos sein, daß es sich im oben be¬ 
schriebenen Falle um Sehnenzerreißungen infolge einer Allgemein¬ 
infektion des Körpers handelt. Wollte man wirklich annehmen, 
daß die Ruptur der Beugesehnen des rechten Fußes im Anschluß 
an eine Verwundung und nachfolgende Infektion erfolgt wäre, 
so könnte aber für die Zerreißung des M. abductor pollic. long. 
eine solche Ursache nicht herbeigeschafft werden. Die jauchige 
Entzündung am rechten Schenkel muß m. A. n. auf das Gangrän 
zurückgeführt werden. Auffallend ist, daß Eiterherde, wie sie 
ja schon häufiger in den Weichteilen des FußeB bei an septischer 
Metritis erkrankten Kühen vorgefanden wurden, fehlen. Nur 
allein in den Lungen sind die erwähnten kleinen Eiterherde zu 
konstatieren gewesen und es kann so nur auf eine geringe 
pyämische Mitinfektion geschlossen werden. 

Die Allgemeininfektion hingegen ist auf septikämischem 
Wege hervorgerufen worden, wofür auch schon die nach dem 
vierten Tage nach der Geburt eingetretenen Zerreißungen der 
Sehnen sprachen. 

Merkwürdigerweise fehlt die sonst wohl regelmäßig vor¬ 
handene Nierenentzündung. Daß sich die Kuh so lange als 
möglich stehend zu erhalten versuchte, kann ich nur auf die 


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3. September 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


557 


von mir schon häufiger bei schweren septischen Metriten, auch 
bei Kolpiten mit schweren Verletzungen und den sich an¬ 
schließenden Parametriten resp. Parakolpiten gemachte Be¬ 
obachtung zurückführen; die Tiere scheinen beim Stehen 
weniger Empfindung zu haben, als beim Liegen, weil hier wohl 
der Drnck der Baucheingeweide mitspricht. Ich habe dies bei 
solchen Kühen besonders sehen können, bei welchen sich die 
Krankheit längere Zeit hinschleppte, im Gegensatz zn den schon 
nach einigen Tagen letal verlaufenden Fällen, wo die Tiere 
durch eine große Schwäche in der Nachhand, einhergehend mit 
einem schnellen Kräfteverfall, sich nicht mehr stehend zu er¬ 
halten oder aufzuBtehen vermochten. Die verhältnismäßig schnell 
erfolgten Rupturen der Sehnen im vorliegenden Falle könnten 
wohl dadurch veranlaßt sein, daß infolge des mehrtägigen 
Stehens ein Ödem an den Gliedmaßen zustande kam, welches 
einen günstigen Nährboden für die lokale Entwicklung des Virus 
und sein schädigendes Agens auf das infolge der Zirkulations¬ 
störungen weniger resistente Gewebe abgab. 


Kephalo-Thoracopagus beim Kalbe. 

Von 

Jacobl-Tostedt (Hannover). 

Tierarit 

Im Anschluß an den Artikel des Kollegen Neumann 
„Drillingsmißbildung beim Kalbe“ in Nr. 29 der B. T. W. will 
ich über einen Fall von Kephalo-Thoracopagus beim Kalbe be¬ 
richten. 

Kürzlich hatte ich Gelegenheit, Geburtshilfe bei einem Kalbe 
zu leisten, das vollständig ausgebildet war und die weiter unten 
beschriebene Doppelbildung der Organe vom Kopfe bis zum 
Zwerchfell aufwies. 

Bei meiner Ankunft befand sich die Kuh nach Anamnese 
bereits sechs Stunden in Wehen. Während dieser Zeit hatte der 
Besitzer mit seinen Leuten durch starken Zug erfolglos versucht, 
das Kalb zu extrahieren. Einer dieser Geburtshelfer, der eine 
manuelle Untersuchung des Geburtsweges vornahm und „durch¬ 
aus dort durchkommen wollte“, perforierte noch obendrein die 
Uteruswand. Wie mir gesagt wurde, soll das Kalb zu Anfang 
der Wehen noch gelebt haben, zur Zeit meiner Untersuchung 
war es jedoch tot. Das Kalb befindet sich in Vorderendlage, 
die Spitzen der Vorderklauen liegen ungefähr in der Mitte der 
Scheide. Der Kopf befindet sich noch im Beckenring, zwischen 
den Vordergliedmaßen vor der rechten Vorderbrust ist ein zweiter 
Kopf zu fühlen. Die Untersuchung dieses zweiten Kopfes läßt 
erkennen, daß er mit dem ersten Kopf in der Mitte des Halses 
zusammenhängt, und daß die beiden Halskämme oberhalb der 
rechten Schulter noch getrennt sind. Da die Untersuchung 
ferner ergab, daß der Uterus perforiert war und deshalb nicht 
mit Sicherheit eine günstige Prognose gestellt werden konnte, 
gab ich dem Besitzer den Rat, die Kuh zu schlachten, was auch 
bereitwilligst geschah. Die Autopsie des Kalbes ergab, wie die 
beiden dorsal und ventral aufgenommenen Photographien zeigen 
(zur besseren Veranschaulichung sind die beiden Vorderglied¬ 
maßen entfernt worden), zwei vollständig ausgebildete Köpfe 
mit sämtlichen Kopforganen; die Wirbelsäulen konvergieren, wie 
die von der Bauchseite anfgenommene Photographie zeigt, nach 
der vorderen Brustapertur zu und laufen getrennt nebeneinander 


bis zur Schwanzwurzel, in der Brustpartie parallel zueinander; 
in der Lendenpartie findet sich an der linken Wirbelsäule noch 
eine Skoliosis. Die ersten sechs nach innen liegenden Rippen des 
Monstrum sind als geradlinig nach unten, bis zur halben Höhe 
des Brustkorbes verlaufende Knochenstäbe vorhanden, die übrigen 
Rippen sind nur einfach gebildet, ebenso Brustkorb und Extre¬ 
mitäten. Der Respirationstraktus ist von der Nase bis zur 
Lunge ausgebildet und doppelt angelegt. Der Digestionstraktus 
ist ebenfalls bis zur Kardia doppelt angelegt, von hier aus 
jedoch, wie sämtliche Bauch- und Beckeneingeweide, einfach. Im 
Darm befindet sich das Mekonium. In der linken Thoraxhälfte 
befindet sich der Herzbeutel, der durch eine sehr dünne, dorso- 
ventral verlaufende Falte in zwei Höhlen geteilt wird, von denen 
jede ein normal entwickeltes Herz mit seinen Gefäßverzweigungen 
enthält. 


Die Tatsache, daß das Kalb vollständig ausgebildet war, 
ist allein ein Beweis dafür, daß es noch bis zum Ende der 
Trächtigkeit gelebt haben muß. Eine andere Frage ist es, ob 
das Monstrum auch außerhalb des Mutterleibes lebensfähig ge¬ 
wesen wäre. Diese Frage möchte ich mit „Nein“ beantworten. 
Mit dem Eintritt der Lungenatmung würden sich zwei Lungen 
erweitern und sich gegenseitig in der Funktion stören. Es 
erscheint mir kaum glaublich, daß die Zirkulationsvorgänge 
dabei normal bleiben könnten; es würden sich Kongestionen aus¬ 
bilden, die zur Suffokation führen müßten. 




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558 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 36. 


Referate. 

Über die Hämoglobinurie der Rinder in Deutschland. 

Von H. Koßel, Schütz, A. Weber und Mießner. 

Arbeiten aus «lein KaUerlielicn Gesundheitsamt. Bd. XX, lieft 1. 

Während die in Amerika nnter dem Namen Texasfieber all¬ 
gemein gefürchtete Hämoglobinurie der Rinder schon 1893 durch 
Smith und Kilborne als eine Infektionskrankheit ermittelt wurde, 
welche durch einen Blutparasiten, Pyrosoma bigeminum, ver¬ 
ursacht und durch Zecken der Gattung Rhipicephalus übertragen 
wird, haben in Deutschland erst neuere Untersuchungen die 
Entstehungsursache der Krankheit aufgeklärt. 

Verff. stellten fest, daß die Hämoglobinurie in ganz Deutsch¬ 
land fast ausschließlich bei Weidevieh vorkommt und fanden als 
Ursache überall den gleichen Blutparasiten. Von den Krank¬ 
heitserscheinungen ist am meisten die Ausscheidung von bla߬ 
rotem, später schwarzrotem Harn, als Folgezustand der Zer¬ 
störung der roten Blutkörperchen durch die Parasiten, hervor¬ 
zuheben. Der pathologisch-anatomische Befund an den großen 
Organen gehört dem Bilde der allgemeinen Infektion an. Cha¬ 
rakteristisch ist an der Schleimhaut der Gallenwege eine katar¬ 
rhalische Reizung. In sämtlichen Organen sind Parasiten 
enthalten. Diese haben eine ringförmige, gestreckte oder 
bimförmige Gestalt und liegen auf den roten Blutkörperchen. 
Die Parasiten werden mit alkalischem Methylenblau nach Löffler, 
am besten aber nach der Romanowskyschen Färbemethode 
sichtbar gemacht. 

Künstlich übertragen wird die Hämoglobinurie durch Über¬ 
impfen von defibriniertem Blut kranker Tiere in die Bauchhöhle, 
in die Blutbahn und unter die Haut der Versuchstiere. 

Im Tierkörper wurden die Parasiten nach abgelaufener 
Krankheit noch nach 531 Tagen lebensfähig und ansteckungs- 
fähig gefunden. Das bei niederer Temperatur aufbewahrte, 
defibrinierte Blut behielt 60 Tage lang seine Ansteckungs¬ 
fähigkeit. Dagegen ergab sich, daß die Parasiten im Fleische 
von Rindern, welche an Hämoglobinurie gelitten haben, schon 
12 Stunden nach der Schlachtung sicher zugrunde gehen. Im 
Blute geschlachteter, aber nicht vorschriftsmäßig ausgebluteter 
Rinder dagegen waren die Parasiten nach 9 Tagen noch an- 
steckungsfähig. 

Während in Amerika die Ansteckung durch eine zui Gattung 
Rhipicephalus gehörige Zecke vermittelt wird, geschieht dies 
in Europa durch eine Ixodesart, Ixodes reduvius, deren Ent¬ 
wicklungsgang eingehend geschildert wird. 

Durch eine Reihe von Versuchen wurde bewiesen, daß 
Larven aus Eiern von Zecken, die auf kranken Rindern Blut 
gesogen haben, die Krankheit übertragen können. Einmal 
gelang es auch, durch Nymphen die Krankheit zu übertragen. 

Bei der Behandlung der Krankheit können neben gründ¬ 
licher Reinigung und Pflege der Rinder Formalin, Argentum 
colloidale, Karbolsäure, Lysol und Chinin in Betracht gezogen 
werden. Als vorbeugende Maßregel wird neben der Vertilgung 
der Zecken die Schutzimpfung empfohlen. 

Durch zahlreiche Versuche wurde festgestellt, daß eine 
Schutzimpfung mittels des frischen Blutes von Tieren, welche 
schon vor längerer Zeit die Hämoglobinurie überstanden hatten, 
bei den geimpften Rindern meist leichte Erkrankungsformen 
hervorrief. Diese Impfreaktion war ausreichend, um die Tiere 
gegen eine natürliche Infektion zu schützen. Koske. 


Eiu Beitrag zur primären infektiöseu Osteomyelitis 
des Pferdes. 

Von Prof. Dr. Fröhner und Assistent Dr. Kärnbach. 

(Monatshefte f. pr. T. 14. B., 10. H., 8. 4S3 -444.) 

Fälle von primärer infektiöser Osteomyelitis, d. i. einer ohne 
direkte äußere Verletzung entstandenen eiterigen Knochenmarks¬ 
entzündung, die beim Menschen namentlich in jungen Jahren 
vorkommt, sind bei den Haustieren wenigstens auf Grund 
klinischer Beobachtung bisher nicht verzeichnet worden. Prof. 
Fröhner und Dr. Kärnbach beschreiben zwei von ihnen 
innerhalb des letzten Jahres klinisch beobachtete nnd patho¬ 
logisch anatomisch untersuchte Fälle. 

Eine neunjährige Stute, die J / 4 Jahr zuvor an Brandmauke 
behandelt und geheilt worden war, ging eines Tages plötzlich 
während der Fahrt hinten rechts hochgradig lahm. Der zu¬ 
gezogene Tierarzt konstatiert Schwellung der Krone und des 
Fesselgelenks, starke Pulsation der Schienbeinarterie. Zehn 
Tage später kommt der Patient auf der Berliner chirurgischen 
Klinik zur Untersuchung: Die rechte Hinterextremität wird 
nicht belastet, die Zehengelenke werden stark abgebeugt. Der 
Fuß ist von der Krone bis zum Fesselgelenk fast um das Doppelte 
geschwollen. Die Schwellung ist sehnenhart, schmerzlos, nicht 
vermehrt warm. Auch die Ballengrube ist geschwollen. Die 
Schienbeinarterie pulsiert. stark. Im Huf sind mit der Unter- 
suchungBzange keine Schmerzen auszulösen, wohl aber in den 
Zehengelenken durch Streckbewegungen. Temperatur 39,3° C. 
Vermutungsdiagnose: Heftiger Entzündungsprozeß in derTiefe des 
Fesselbeins unter Mitbeteiligung der benachbarten Gelenke. Der 
Zustand wird 16 Tage lang behandelt, während deren ein Abszeß an 
der Krone auftritt, aber keine Besserung erfolgt. Das Pferd wird 
getötet und seziert. Dabei findet sich an der Krone direkt über dem 
Saumband eine Schnittwunde, aus der etwas graubraune, eiterige 
Flüssigkeit herausgedrückt werden kann. Das Unterhautgewebe 
ist hier bräunlich verfärbt, sonst glänzendweiß, derb, verdickt 
Auf der proximalen Gelenkfläche des Fesselbeins findet sich medial 
ein pfenniggroßer, zackig umrandeter Kreis von blauschwarzer 
Farbe. Beim Durchschneiden der Stelle wird ein Knorpel- 
knochenstück abgesprengt und es spritzt eine bräunliche Flüssig¬ 
keit aus dem Defekt, in dessen Tiefe sich noch ein zweites, 
nekrotisches Knochenstück vorfindet, welches das erstere teil¬ 
weise schalenförmig umgab. Auf dem Längsschnitt durch das 
Fesselbein zeigt sich die Oberfläche der Abszeßhöhle zerklüftet, 
mit einer bindegewebigen Membran ausgekleidet, das umgebende 
Knochengewebe sklerosiert. Von dort aus geht ein feiner Kanal 
nach der Hinterfläche des Knochens und endet trichterförmig 
im subperiostalen Gewebe. Weitere Veränderungen, insbesondere 
auf eine eiterige Gelenksentzündung hinweisende, fehlen. Ganz 
ähnlich ist der Befund am Hufbein; blauschwarze Linie an der 
Gelenkoberfläche, in der Tiefe von bräunlicher Flüssigkeit er¬ 
füllter Defekt, der mit dem in der Unterhaut der Krone kom¬ 
muniziert. Die Flüssigkeit enthält Eiterkörperchen mit Mikro¬ 
kokken. Path.-anat. Diagnose: multiple primäre infektiöse 
Osteomyelitis des Fessel- und Hufbeines. 

Ein dreieinhalbjähriger Wallach war vor sieben Wochen 
mit dem linken Hinterfuß in einem Halfterstrick hängen ge¬ 
blieben, hatte sich in der Fesselbeuge eine kleine Hautabschürfang 
zugezogen und ging die nächsten Tage etwas lahm. Die Wunde 
verheilte, mit Kreolin gewaschen und mit Tannoform bestreut, 
in sechs Tagen. Einige Tage später tritt plötzlich auf dem 


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gleichen Fuß hochgradige Lahmheit nnd allmählich zunehmende 
Schwellung der Krone nnd des Fessele auf. Vorne am Fessel 
bilden sich fluktuierende Stellen, die ein Tierarzt spaltet, aus¬ 
kratzt, mit Kreolin, Sublimat nnd Jodoform behandelt. Das 
Pferd wird in die Klinik verbracht. Es hat 40 Pulse, 38,4° 
Temperatur. Die linke Hinterextremität wird gar nicht aufge¬ 
stützt. Sie ist stark atrophisch, zeigt rings um die Krone herum 
und nach oben bis zum Fesselgelenk eine wulstige, sehnenharte, 
etwas höher temperierte, druckempfindliche Anschwellung mit 
zwei medial gelegenen Fistelöffnungen. Es wird an der Vorder¬ 
fläche des Fesselbeins ein 15 cm langes, 8 cm breites Stück 
der Haut und des darunter gelegenen von Eiterherden durch¬ 
setzten Gewebes exstirpiert, wobei das Fesselbein stark verdickt 
und seine Oberfläche rauh befunden wird. Wahrscheinlichkeits¬ 
diagnose: Osteomyelitis des Fesselbeins. Der Patient wird 
wegen einer eintretenden Komplikation getötet. — Die Sektion 
stellt am Fessel eine von Granulationen besetzte Wunde fest. 
In ihrem unteren Teil finden sich zwei schwärzlich verfärbte 
Stellen. Das Unterhautgewebe der Umgebung ist stark ver¬ 
dickt und grauweiß und Sitz zahlreicher abgekapselter Eiter¬ 
herde. Fessel- und Krongelenk sind von Eiter erfüllt. An 
der proximalen Gelenkfläche des Fesselbeins findet sich medial 
eine graublau verfärbte, pfenniggroße, kreisförmige Stelle, am 
lateralen Rand vom Gelenkknorpel entblößt. Sie ist der Aus¬ 
gang eines von graubraunen eiterigen Massen erfüllten Knochen- 
hohlraums. An der distalen Gelenkfläche findet sich medial 
gleichfalls ein linsengroßer Defekt im Knorpel, aus dessen Tiefe 
graue, bindegewebige Massen hervorragen, deren Zwischenräume 
von Eiter erfüllt sind. Der Knochen selbst ist stark verdickt. 
An einem Längsschnitt sind periostale Auflagerungen erkennbar 
nnd ein feiner von dem unteren Knochenabszeß nach außen 
führender Kanal. In den Knochenhoblräumen, im Krön- und 
Fesselgelenk, im Unterhautinfiltrat sind Eiterkörperchen und 
Staphylokokken nachweisbar. Pathologisch-anatomische Diagnose: 
primäre infektiöse Osteomyeloperiostitis des Fesselbeins, Arthritis 
purulenta des Krön- und Fesselgelenks, eiterige Infiltration 
der Unterhaut. 

Zur Ätiologie des Leidens im allgemeinen bemerken die 
Verfasser unter Bezugnahme auf humanmedizinische Vorarbeiten, 
daß es sich nicht um eine spezifische Infektionskrankheit des 
jugendlichen Alters handle, sondern daß alle pyogenen Mikroben 
osteomyelitische Prozesse veranlassen können, sobald der Knochen 
disponiert, das Knochenmark Sitz eines Extravasates oder einer 
Hyperämie ist. So konnten auch in den beiden beschriebenen 
Fällen Staphylokokken und Mikrokokken im Knochen nach¬ 
gewiesen werden. Die Infektion erfolgte in einem Fall wohl 
im Verlaufe der Brandmauke, im anderen Fall bildete die Fessel¬ 
beuge das Infektionsatrium; in beiden kam gleichzeitig wohl 
auch eine Kontusion in Betracht. — Das erste Symptom der 
Osteomyelitis ist eine plötzlich auftretende Lahmheit auf dem 
erkrankten Fnß. Befindet sich der Locus affectus in den 
Phalangen, so ist deren Streckung äußerst schmerzhaft nnd die 
Extremität wird stark gebeugt. An ihr stellt sich ferner im 
Bereich der betroffenen Knochen eine erhebliche, wenig schmerz¬ 
hafte Anschwellung ein und allmählich auch eine deutliche Ver¬ 
dickung des Knochens, die bei sorgfältigem Palpieren und etwas 
starkem Druck klinisch festgestellt werden kann. An der Ober¬ 
fläche der Geschwulst tritt weiterhin Fluktuation mit Abszeß- 
und Fistelbildung auf. Die Körpertemperatur wird anscheinend 


wenig beeinflußt. — Differentialdiagnostisch kommen in Betracht: 
Phlegmonen, Fissuren, Frakturen, Periostiten etc. — Die Prognose 
ist ungünstig. Der Krankheitsverlauf kann zur Abkapselung 
des HerdeB führen, der stets wieder aufs neue Schmerz und 
Lahmheit bedingen und akut werden kann. Es kann auch zur 
periostalen und Unterhautphlegmone mit Durchbruch des Eiters 
nach außen, sowie zu eiteriger Gelenkentzündung kommen. — 
Therapeutisch möchte bei sehr wertvollen Tieren, vorausgesetzt, 
daß sich der Sitz des osteomyelitischen Herdes genau nacli- 
weisen läßt und daß er dem Gelenk nicht allzu benachbart ist, 
eine Eröffnung des kranken Knochens mit Hammer und Meißel 
versucht und der Eiterherd bzw. Sequester ausgekratzt werden. 

0. Albrecht. 

Drusenserom. 

Die Höchster Farbwerke bringen unter dem Namen Gur min 
ein neues Drusenserum auf den Markt, über dessen Anwendung 
die verschickte Gebrauchsanweisung folgendes bemerkt: Durch 
Immunisierung von Pferden mit zahlreichen Drnse-Streptokokken- 
stäramen verschiedener Herkunft ist ein „polyvalentes“ 
Streptokokkenserum hergestellt, welches sich als Schutzmittel 
(Dosis 25 ccm) nnd Heilmittel (Dosis 50 ccm) gegen die Druse 
der Pferde bewährt. Das Gurmin wird in den angegebenen 
Dosen abgefüllt versandt zum Preise von 10 bzw. 20 Mark. 
Es ist durch Zusatz von 0,5 Karbolsäure vor dem Verderben 
geschützt, behält seine Wirksamkeit lange Zeit, muß aber an 
kühlem frostfreiem Orte in gut verschlossener Flasche auf¬ 
bewahrt werden. 

Der gesamte Inhalt des dosierten Fläschchens wird auf 
einmal, am besten mit Kochscher Ballonspritze, subkutan an 
irgendeiner Stelle, wo sich die Haut in hoher Falte abheben 
läßt, appliziert. Nur bei sehr hartnäckiger Erkrankung ist eine 
zweite Heildosis nach einigen Tagen erforderlich. 

I ber die Wirkungsdauer der Schntzdosis äußert sich die 
Gebrauchsanweisung nicht. Daß das Mittel, von besonderen 
Umständen abgesehen, zur allgemeinen Anwendung gelangen 
könnte, scheint durch den hohen Preis vorläufig ausgeschlossen. 

Behandlung der Acne contagiosa des Pferdes. 

Von Jo ly, Militärveterinär I Kl. in Saumur (Kavallerieschule). 

(Uevuo g/‘D. do mäd. v6t. 10. I 1903.) 

J. hat die sonst empfohlenen Behandlungsweisen und auch 
die Isolierung der Kranken versucht, ohne daß es ihm gelang, 
das Fortbestehen und die Weiterverbreitnng der Krankheit in 
Beständen von jungen Pferden zu verhindern; im Gegenteil, es 
verbreitete die Eruption, die gewöhnlich auf dem Rücken 
lokalisiert war, sich bei einzelnen Patienten auf den ganzen 
Körper. 

Er versuchte deshalb Einpinselungen von Jodtinktur nach 
AbBcheren der Haare in der Höhe der frischen Pusteln; die 
Einpinselungen wurden jedesmal täglich wiederholt. Die Wirkung 
war konstant und schnell. Die Pustel kamen nicht zur Ent¬ 
wicklung und verschwanden, die Knötchen flachten sich ohne 
Eiterentwicklung ab, somit ohne Bildung von neuen Keimen, 
und die Enzootie war dadurch eingeschränkt. Zündel. 

Behandlung der Acne dnrch Jodaceton. 

Von Gallois und Courcoux 

in llulletin gen. de thirapeutiqno 15. I. 1003. 

(lief. d. Rcv. gen. de mld. vet. 1. II. 03.) 

Jod löst sich ziemlich langsam in Alkohol auf, fast sofort 
und bis zu 40: 100 in Aceton. Die erhaltene Flüssigkeit ähnelt, 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 36. 


560 


wenn sie frisch ist, der Jodtinktur, verändert sich aber bald 
und wird nach etwa vierzehn Tagen schwarz und sirnpös. 
Im Gegensatz zur Jodtinktur, welche, wenn sie alt ist, kaustisch 
wirkt, scheint die frische Jodacetonlösung weniger handlich zu 
sein und auf die Haut irritierender zu wirken als alte Lösungen. 
Mit dem Aceton bildet Jod Monojodaceton und Dijodaceton unter 
gleichzeitiger Bildung von JodwasseTStoffsäure. 

Die Wiiknng des Jodacetons auf Acnepusteln ist wesent¬ 
lich stärker als diejenige der gewöhnlichen Jodtinktur. Da 
Aceton billiger ist als Alkohol, dürfte sich der Ersatz empfehlen. 

Zündel. 

Intravenöse Injektion von Eserin-Arecolin. 

Von Oberroßarzt Barnick. 

(Zeitschrift f. Vetcti; «ikumle, 1903. S. 18.) 

Einem gut genährten, kräftigen, achtjährigen Arbeitspferd, 
das seit etwa acht Stunden an Anschoppungskolik litt und bereits 
einen Einguß vom Besitzer ei halten hatte, der aus 7,5 Chlor- 
baiyum, 30,0 in heißem Wasser verriebenem Aloeextrakt und 
einer Weinflasche warmen Wassers bestand, injizieite Verfasser 
statt 0,4 Chlorbaryum, wie er wollte, infolge Verwechslung der 
Arzneigläschen Eserin, sulf. et Arecol. hydrobrom. aa 0,05 in 
Aq. dest. 10,0 intravenös. Die Wiiknng bestand darin, daß 
Patient nach etwa 10—20 Sekunden taumelte, kurzen, ergiebigen 
Speichelausfluß, stark beschleunigte Atmung, profusen Schwei߬ 
ausbruch zeigte und zu Boden sank. Der Puls war sehr schnell, 
fast unfühlbar, die Schleimhäute stark gerötet, die Darmperistatik 
beiderseits deutlich wahrnehmbar. Etwa 2—3 Minuten nach 
der Injektion trat hochgradige Diarrhoe ein, die ungeheuere 
Mengen wässerigen Darminhaltes zu tage förderte. Verfasser 
ließ nun noch starken Kaffee mit Kognak geben. Eine halbe 
Stunde später erhob sich das Pferd, war gesund und zeigte 
auch keine nachträglichen Störungen. Verfasser schließt daraus, 
daß die intravenöse Eserin-Arecolininjektion also wohl gefährlich, 
aber nicht tödlich sei, daß diese Kombination an Schnelligkeit der 
Wirkung alle Mittel übertreffe und darum die Ausprobierung der 
wirksamen und zugleich ungefährlichen Minimaldosis wünschens¬ 
wert sei. — Übrigens wären ja für die im beschriebenen Fall 
beobachtete heroische Wirkung dieser Mittel auch die bei der 
Vorbehandlung gereichten Stoffe mit in Anrechnung zu bringen. 

0. Albrecht. 

Mastdarmrnptnr bei der Stute. 

Von BezirkBtierarzt Heichlinger, Bruck. 

{WocbetMcIir. f. T. u. V. 1903 S. 292.1 

Ein sehr feuriger Hengst, der eine Rutendirektion nicht 
zuließ, geriet beim Decken in zwei Fällen mit dem Penis ins 
Rektum. Der einen Stute wurde dabei die Darmwand der 
vorderen Beckenportion links und etwas nach oben in 10 cm 
langem Schlitz total perforiert. Das Tier legte den 1% Stunden 
weiten Heimweg zurück und ging nach 7 Stunden an Kolik¬ 
erscheinungen zugrunde. — Die andere Stute wurde etwas 
mehr kaudal verletzt, die Darmwand nicht völlig perforiert, 
sondern die Muskularis in einer 25 cm langen Tasche von der 
Mukosa abgehoben. Das Tier wurde am nächsten Tage 14 km 
weit zum Verfasser verbracht, mit desinfizierenden Infusionen 
erfolglos behandelt und 72 Stunden nach der Katastrophe not¬ 
geschlachtet. Im Grund der Tasche fand sich das Bauchfell 
freigelegt und dadurch das Eindringen von Darminhalt er¬ 
möglicht. 0. Albrecht. 


Anomalie des Colostrums bei der Kali. 

Von Tierarzt Mattern-Mutteratadt. 

(Wochoiliclir. f. T. u. V. 1903. 8. 355.) 

Eine Kuh, die dreimal gekalbt und stets normale Milch 
gegeben hatte, lieferte nach der vierten Geburt ein Entersekret, 
das völlig die braune Farbe und zugleich die zähe klebrige 
Konsistenz des Tischlerleimes hatte. Beim ersten Ansmelken 
wurde ein Eimer derartiger Flüssigkeit entleert. In dünner 
Schicht ausgebreitet, trocknete sie rasch ein, bekam Risse und 
Sprünge und löste sich in spröden Borken ab. Allmählich wurde 
das Sekret heller, weißlich und zeigte vom dritten Tage ab 
physiologische Eigenschaften. Das Euter wurde massiert und 
häufig ausgemolken. 0. Albrecht. 

Wochenübersicht über die medizinische Literatur. 

Von Dr. Jew-Charlottenburg, 

KreUtierarst. 

Münchener medixinische Wochenschrift. 190:1 Nr. 32. 

Nochmals die Morphium-Skopoiamin-Narkose; von Dr. Grevsen. 
G. berichtet gleich Dr. Fla tau über den günstigen Ausfall der 
M.-S.-Narkosi. Die Technik ist folgende: 4 Stunden, 2 Stunden 
und unmittelbar vor der Operation erhalten die Patienten je 
eine Injektion von 0,01 Moiphium und 0,0012 Skopolamin. Das 
Skopolanin ist bei Merk erhältlich. 

Nagana im französischen Sudan; von Laveran. L. berichtet 
in der Akademie de medecine über die Ausbreitung der als 
Nagana bezeichneten epizootischen Erkrankung der Dromedare 
und Pferde, welche durch Trypanosomen bedingt wird, im fran¬ 
zösischen Sudan, speziell unter den Dromedaren in Timbuktu 
und den Pferden der Spahis im südlichen Oran. 

Dieselbe Zeitschrift Nr. 33. 

Kritische und experimentelle Studien über die Wiederbe¬ 
lebung von tierischen und menaohiiehen Leichen entnommenen Herzen; 
von Dr. Velich-Prag. — 1857 hat Czer'mak und Pietrowski 
zuerst veröffentlicht, daß bei Zimmertemperatur von 9,5—16,7° C. 
ein sich selbst überlassenes Kaninchenherz bis 36 Minuten 55 
Sekunden Bewegungen aufweisen kann. — 

1895 hat Langendorff die von Ludwig für erfolglos er¬ 
klärten Versuche der Wiederbelebung isolierter Herzen ent¬ 
wickelter Säugetiere wieder aufgenommen und zwar erhielt er 
den kleinen Kreislauf, in dem er Herz und Lungen im Zusammen¬ 
hang beließ. Martin und Applegarth richteten ihre Versuche 
auf Versorgung des Herzmuskels mit Blut. Sie ließen in die 
BruBtaorte, unter gleichmäßigem Druck, defibriniertes Blut nach 
dem Herzen zufließen. Das Blut gelangte zu den halbmond¬ 
förmigen Aortenklappen, spannte diese und drang in die Arterien 
des Herzmuskels. Locke benutzte zur Darchspülung des 
isolierten Herzens eine 0,95% Kochsalzlösung, welcher je 0,02% 
Kalziumchlorid und Kaliumchlorid, sowie doppelkohlensaures Natron 
und 0,10% Traubenzucker zugesetzt waren. — Diese Lösung 
wurde mit Sauerstoff gesättigt. — Die Temperatur dieser Flüssig¬ 
keit muß beim Vogelherzen 45—47° C. betragen. Ein Kaninchen¬ 
herz, welches 18 Stunden bei 0° C. in einer Kiste gelegen hatte 
fing bei Durchspülung mit Lockescher Flüssigkeit an zu pulsieren. 
— Kuliabko ließ das Herz eines vor 20 Stunden an Lungenent¬ 
zündung gestorbenen Knaben über eine Stunde lang auf diese 
Weise pulsieren. — Diese Methode hat Spina-Prag, dahin 
praktisch ausgearbeitet, daß er bei plötzlichem Herzstillstand 


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3. September 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 561 


in eine Arterie in der Richtung zum Herzen, beim Hunde bis 
zu 200 ccm physiologischer Kochsalzlösung von 35—40° C. 
injiziert. Diese Methode hat bei Herzstillstand nach Chloroform¬ 
narkose etc. große Bedeutung, es geht aus den Versuchen hervor, 
daß das Herz, bei den bezeichneten Todesarten, nicht infolge 
absoluter Erschöpfung seine Kräfte, sondern infolge Anhäufung 
von den seine Tätigkeit behindernden Stoffen stehen bleibt. — 

Toxin und Antitoxin. Entgegnung auf den neusten Angriff 
Grubers; von Paul Ehrlich. Muß auf das Original verwiesen 
werden. — 

KQnstllche Befruchtung von Säugetieren; von I. Iw an off. I. teilt 
im Russky Wratsch Nr. 12 d. J. seine an Pferden, Kiihen und 
Schafen, im Aufträge des Ackerbauministeriums, vorgenommenen 
Versuche mit. I. gelangt zu folgenden Schlußfolgerungen: Der 
psychische Zustand des Muttertieres und der Grad der mit dem 
geschlechtlichen Akte verbundenen Erregung haben weder auf 
das Gelingen der Konzeption, noch auf das Geschlecht der 
Nachkommenschaft irgend welchen Einfluß. Der Prozentsatz 
der erfolgten Befruchtungen kann bei der künstlichen Be¬ 
fruchtung unter Umständen ein höherer sein, als bei der natür¬ 
lichen, besonders wenn sorgfältig verfahren wird u. die Brunst¬ 
periode richtig beobachtet wird. 

Die Samenfäden sind befruchtungsfähig, auch wenn sie statt 
im Sekret der geschlechtlichen Nebendrüsen, in physiologischer 
Kochsalzlösung oder alkalischer Sodalösung suspendiert sind. Die 
in Säugetierhoden belassenen Spermatozoen behalten ihre Fähig¬ 
keit zu befruchten noch 24 Stunden nach dem erfolgten Tode 
des betreffenden Tieres. Es ist nicht erforderlich, die Sper¬ 
matozoen in den cervix einzuführen, es genügt die vaginale 
Injektion. — 

Deutsche mcdixinische Wochenschrift Nr. 33, 1903. 

Über einen Fall von Soor- Allgemeininfektion; von Geh.-R. 
Heubner. Wird auf das Original verwiesen. 

Dieselbe Zeitschrift Nr. 31, 1903. 

Zur Biochemie der Schwangerschaft; von Dr. Opitz. Verf. 
hat in der Universitätsfrauenklinik (Professor Olshausen) zu 
Berlin Versuche zur Heilung eklamptischer Wöchnerinnen unter¬ 
nommen. Verf. geht von folgendem Gedankengang aus. Von 
dem Augenblick an, in dem mütterliches Blut in den Tropho¬ 
blasten eindringt, kommen „Zellen der Eiperipherie“ ins mütter¬ 
liche Blut bzw. in Organe. Durch Einwirkung stets vor¬ 
handener und später in reichlicher Menge gebildeter Cytolysine 
zerfallen nach längerer oder kürzerer Zeit die eingeschleppten 
Zellen. Die Zerfallsprodukte wirken toxisch, als dem mütter¬ 
lichen Organismus fremde Bestandteile. Zur Neutralisierung 
dieser Stoffe — Syncytiotoxine — wird ein Antitoxin gebildet, 
ferner aber entstehen eine ganze Reihe von Körpern, Agglu- 
tinine, Cytolysine, Präzipitine u. a. m. die wir nicht kennen. 
Ein Überschuß der Syncytiotoxine ist nach den modernen An¬ 
schauungen die Ursache der Eklampsie. Wenn dies richtig ist, 
so wird die rechtzeitige Injektion von Antitoxin das Gift 
neutralisieren und die Krankheit heilen. Zurzeit gestattet 
das geringe Material noch die Beurteilung dieser neuen Therapie 
nicht, es wird jedoch das Serum im größeren Maßstabe her¬ 
gestellt und versucht werden. 


Tagesgeschichte. 

Petitionen des deutschen Veterinärrates 
an den preußischen Kriegsminister betreffs der 
Militär-Veterinärreform. 

I. 

An den Königlichen Staats- und Kriegsminister, Herrn General 
der Infanterie v. Goßler, Exzellenz, zu Berlin. 

Euerer Exzellenz hat der Deutsche Veterinärrat bereits 
seinen tiefempfundenen Dank bekunden dürfen für die Ein¬ 
führung des Abiturientenexamen8 in die Vorbildung auch der 
Militär-Veterinäre. 

Daß diese wichtige Verbesserung Änderungen in der bis¬ 
herigen Organisation im Gefolge haben wird, ist bekannt und 
aucli selbstverständlich. 

Die Art und das Maß dieser Änderungen wird die Zukunft 
des Militärvetennärwesens für absehbare Zeit entscheiden. Gelingt 
eine in allen Teilen ebenmäßige Neuordnung, welche der ver- 
vollkommneten Vorbildung entspricht, so wird die militärische 
Laufbahn künftig eine besondere Anziehungskraft ausüben. 

Von ausschlaggebender Bedeutung ist vor allem die künftige 
Erziehung des Ersatzes, bei welcher eine gänzliche Umgestaltung 
not tut und sich als erste unabweisliche Konsequenz der Ein¬ 
führung der Universitätsreife ergibt. 

Die Aspiranten müssen vor allem als Einjährig-Freiwillige 
in die Armee eintreten, und zwar obligatorisch. Hiervon hängt 
der künftige Zuzug zur Militärveterinär-Karriere ab. Der Umstand, 
daß die Aspiranten bisher nicht Einjährig-Freiwillige waren, hat 
schon jetzt hauptsächlich bewirkt, daß außerordentlich wenig 
I Zuzug aus gebildeten Familien kam, und daß z. B. in Preußen 
diese Karriere in geringem Ansehen stand, während in Bayern, 
wo die Militärveterinäre aus Einjährig-Freiwilligen hervorgehen, 
das Ansehen derselben ein ganz anderes ist. In den gebildeteren 
Schichten des Volkes gilt es nun einmal, ob mit Recht oder 
-nicht, als beschämend, wenn der Sohn nicht einjährig-freiwillig 
dient, von den Avantageuren natürlich abgesehen, die für einen 
Vergleich mit anderen Nichtfreiwilligen ernsthaft gar nicht in 
Frage kommen. 

Junge Männer mit Universitätsreife werden sich daher der 
Militärveterinär-Karriere nur zuwenden, wenn sie auf das ihrer 
Bildung zustehende Vorrecht des einjährig-freiwilligen Dienstes 
nicht verzichten müssen. Wird aber diese Dienstform eingeführt, 
so werden die großen Vorteile jener Karriere, namentlich auch 
die Billigkeit des Studiums, eine große Anziehung besonders 
auf Söhne gebildeter Beamten ausüben. Dieser Zuzug kann der 
Armee nur vorteilhaft sein und wird die Durchschnittsqualität 
der Veterinäre, namentlich auch in den Wirkungen häuslicher 
Erziehung, in erwünschter Weise heben. 

Wenn in dieser Beziehung bisher teilweise manches zu 
wünschen übrig blieb, so ist das zum Teil auf das Überwiegen 
des Zuzuges aus allzu einfachen Kreisen zurückzuführen, ganz 
besonders aber auf die Wirkungen des bisherigen militärischen 
Dienstes vor dem Studium, denen auch von Haus aus besser 
Erzogene oft nicht zu widerstehen vermocht haben. 

Schwierigkeiten kann der einjährig-freiwillige Dienst im 
Gegensatz zu dem bisherigen nicht machen. Der etwaige Ein¬ 
wand, daß die Aspiranten auch künftig nicht bemittelt genug 
sein würden, wird schon durch die Tatsache hinfällig, daß doch 
schon jetzt die Ziviltierärzte einjährig-freiwillig bei der Kavallerie 

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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 36. 


dienen, obwohl sie durchschnittlich keineswegs aus wohlhabenderen 
Kreisen stammen, als diejenigen sind, ans denen die Armee 
künftig ihren Veterinärersatz erhalten wird. Überdies dürfte 
nur ein Halbjahr Waffendienst in Betracht kommen, und während 
desselben können nötigenfalls (unter bestimmten Verpflichtungen) 
Erleichterungen, z. B. hinsichtlich des Pferdegeldes, gewährt 
werden. Endlich könnten die Einjährig-Freiwilligen, welche 
Veterinäraspiranten sind, bei bestimmten Truppenteilen gesammelt 
werden, falls einem Gegensatz zu den anderen meist begüterten 
Einjährig-Freiwilligen der Kavallerie vorgebeugt werden soll, 
obwohl ein solcher bisher hinsichtlich der Ziviltierärzte nicht 
hervorgetreten ist. 

Die Tierärzte sind einmütig der Überzeugung, daß der 
einjährig-freiwillige Dienst mit der Universitätsreife unerläßlich 
verbunden und seine obligatorische Einführung grundlegend 
für das Ansehen und die Anziehungskraft der Militärveterinär- 
Karriere ist. 

Von dem Dienstjahr würde am besten das erste Halbjahr 
mit der Waffe abgedient, das zweite zum Besuch der Lehr¬ 
schmiede verwendet. Daß die Militärveterinäre den Hufbeschlag 
vollkommen beherrschen müssen, wird allgemein und insbesondere 
auch vom Deutschen Veterinärrat, unter dessen Mitgliedern 
sich viele in höhere Zivilstellen gelangte ehemalige Militärtier¬ 
ärzte befinden, anerkannt. Es besteht aber auch darüber Über¬ 
einstimmung, daß zu diesem Zweck vor Beginn des Studiums 
ein halbjähriger Besuch der Lehrschmiede genügt, wie dies ja 
auch früher Bestimmung war, um so mehr, als nach dem Studium 
noch Fortbildungskurse hinzutreten. Der halbjährige Besuch 
der Lehrschmiede muß nur ausschließlich zum Unterricht ver¬ 
wendet werden. Der Umstand, daß die Erträge der Lehr¬ 
schmiede zu Berlin zur Zeit noch Privateinnahmen ihres tech¬ 
nischen Leiters sind, kann in dieser Beziehung zu Übelständen 
in der Ausnutzung der Roßarztaspiranten als Arbeitskräfte 
führen. Inwieweit dies zur Zeit der Fall ist, entzieht sich 
unserer Kenntnis; früher sind solche Übelstände stark hervor¬ 
getreten. 

Von manchen Tierärzten wird die Einführung des bayerischen 
Systems befürwortet, wonach Ziviltierärzte in die Armee über¬ 
nommen werden, ohne eine speziell militärische Ausbildung 
erhalten zu haben. Die Mehrzahl der Tierärzte hält eine eigene 
militärische Erziehung für berechtigt und vorteilhaft. Nament¬ 
lich muß hervorgehoben werden, daß es für das spätere Studium 
von bester Wirkung ist, wenn der Aspirant bereits vorher im 
militärischen Dienst das Pferd kennen und benutzen gelernt hat. 

Der Deutsche Veterinärrat befürwortet daher die Bei¬ 
behaltung der jetzigen Militär-Roßarztschule unter entsprechender 
Umwandlung derselben. Für die Neuorganisation gibt 
mutatis mutandis die Kaiser Wilhelm-Akademie das beste Vor¬ 
bild ab. Ein dringendes Erfordernis ist es, daß die Erziehung 
und Beaufsichtigung von ausgezeichneten Veterinären geleitet 
wird, unter Beseitigung der derzeit dazu kommandierten Wacht¬ 
meister, unbeschadet der Oberleitung der Anstalt durch den 
Inspekteur des Militärveterinärwesens. 

Die Erziehung und Ausbildung der Aspiranten, die 
Wirkungen ihres bisherigen Dienstes in der Armee und bei der 
Lehrschmiede, sowie die Einrichtungen der Militärroßarztschuie 
haben am meisten zu wünschen übrig gelassen. 

Dieser Teil der Neugestaltung ist daher der wichtigste 
und dringendste. Es wäre, namentlich mit Rücksicht auf die 


jetzt infolge der Erhöhung der Vorbildung in einer KriBis be¬ 
findliche Heranziehung des Ersatzes, sehr vorteilhaft, wenn 
wenigstens die Grandzüge der Neuordnung tunlichst bald 
bekannt gegeben werden könnten. 

n. 

An den Königlichen Generalleutnant, Allerhöchst beauftragt 
mit der Stellvertretung des Kriegsministers, Herrn 
v. Einem, gen. v. Rothmaler, Exzellenz, zu Berlin. 

Euerer Exzellenz beehrt sich der Deutsche Veterinärrat, die 
berufene Vertretung aller deutschen Ziviltierärzte, die folgenden 
Bitten ehrerbietigst vorzutragen. 

Es ist wohl an sich zweifellos, daß die Einführung der 
Universitätsreife als Vorbedingung für das Studium der Veterinär¬ 
medizin wesentliche Veränderungen in den Einrichtungen des 
Militärveterinärwesens, besonders auch hinsichtlich der Stellung 
der derzeitigen Militärroßärzte, nach sich ziehen wird. 

Es hat verlautet, daß die Absicht besteht, ein Veterinär¬ 
offizierkorps zu schaffen. Die Verwirklichung dieser Absicht 
wäre am besten geeignet, dem Veterinärwesen in der Armee 
einen angemessenen Platz neben dem Sanitätswesen zu geben 
und die Stellung der jetzigen Roßärzte zu einer angesehenen 
und begehrten zu machen. 

Die Befriedigung, welche diese Umwandlung allenthalben 
erwecken muß, wird natürlich um so größer sein, je ähnlicher 
die Organisation des Veterinäroffizierkorps derjenigen des 
Sanitätsoffizierkorps sich gestaltet. 

Welche Wünsche in dieser Beziehung hervorgetreten sind, 
ergibt sich aus den gehorsamst beigeftigten Veröffentlichungen 
der tierärztlichen Presse. Der Deutsche Veterinärrat versagt 
es sich, hinsichtlich der Rangabstufungen eine bestimmte Bitte 
vorzutragen, und möchte nur im allgemeinen hervorheben, daß 
die Veterinäre auf eine befriedigende Regelung der Rang- 
verhältni8Be den größten Wert legen würden, selbst wenn mit 
Rücksicht auf die Finanzlage die Gehälter zurzeit Zurück¬ 
bleiben müßten. Das allerdings glaubt der Veterinärrat ehr¬ 
erbietigst bemerken zu müssen, daß die Reorganisation eine 
Befriedigung nicht erzielen und dem Ansehen des Veterinär¬ 
wesens nicht nützen würde, wenn die Veterinärstellen nicht 
mindestens derart abgestuft werden, daß mit der Stelle des 
Korpsveterinärs die Stabsoffiziercharge (nicht bloß ein ent¬ 
sprechender Charakter) verbunden wird. 

Es ist nicht zu verkennen, daß der Übergang zu der neuen 
Organisation manche Schwierigkeiten haben kann. Dieser Er¬ 
wägung ist vielleicht das kürzlich in einem Blatte aufgetauchte 
Gerücht entsprungen, daß die derzeitigen Militärroßärzte ganz 
oder zum Teil Beamte bleiben, und nur die Neueinrückenden 
Veterinäroffiziere werden sollten. Es ist nicht bekannt, ob 
dieses Gerücht irgendwie begründet ist. Euere Exzellenz bittet 
aber der Deutsche Veterinärrat inständig, etwaigen Vorschlägen 
in dieser Richtung nicht zustimmen zu wollen. Wir können 
nicht anders, als freimütig bekennen, daß diese Lösung als eine 
besonders unglückliche empfanden werden Würde. Es würde 
dadurch für eine lange Zeit ein Zweiklassensystem geschaffen 
werden, welches keinen Teil befriedigen könnte. Wir erlauben 
uns den gehorsamsten Hinweis, daß dadurch der jüngere Veterinär¬ 
offizier tatsächlich eine angesehenere und bevorrechtigtere 
Stellung erhielte, als der ältere Roßarzt, und daß sich die 
Folgen davon kaum mit dem Vorgesetztenveihältnis der Älteren 
vereinigen lassen würden. Jedenfalls würden die heutigen Roß- 


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B. September 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 663 


ärzte in eine peinliche nnd schwierige Lage geraten, wenn 
ihnen die Überführung in das Veterinärofflzierkorps verschlossen 
bliebe. Wenn Bedenken bestehen, ob die heutigen Roßärzte 
sich sämtlich zu Veterinäroffizieren qualifizieren, und wenn 
diese Bedenken wirklich auf andere Weise sich nicht überwinden 
lassen sollten, so wäre es besser, unter Einrückung der Korps- 
und Oberroßärzte unter die höheren Beamten, die Errichtung 
eines Veterinäroffizierkorps überhaupt noch aufzuschieben, an¬ 
statt zwei verschiedene Kategorien nebeneinander erstehen zu 
lassen. Freilich würde auch diese Regelung von den weitaus 
meisten Tierärzten sehr bedauert werden und sachlich bei 
weitem nicht die große Wirkung entfalten, welche durch die 
sofortige Schaffung eines Veterinäroffizierkorps erzielt werden 
würde. Denn durch diese Maßregel, in unmittelbarem Anschluß 
an die Einführung der Universitätsreife, würde das Militär¬ 
veterinärwesen mit einem Schlage gänzlich umgewandelt und an 
die Spitze des gesamten Veterinärwesens treten. Es würde das 
von vornherein die Qualität des Ersatzes außerordentlich 
steigern und auch die denkbar beste Wirkung ausüben auf das 
Verhalten der derzeitigen Roßärzte, welche sich der höheren 
Pflichten bewußt sein und die größte Ehre darein setzen würden, 
unter sich selbst für strenge Beobachtung jener Pflichten Sorge 
zu tragen. Aus dem letzteren Grunde glaubt übrigens der 
Deutsche Veterinärrat mit Sicherheit sagen zu können, daß die 
Überführung des gesamten derzeitigen roßärztlichen Personals 
in ein Veterinäroffizierkorps unbedenklich geschehen könnte. 

Hinsichtlich der Benennung besteht ganz allgemein der 
Wunsch, daß die Bezeichnung „Roßarzt“ durch „Veterinär“ 
(nicht Veterinärarzt) ersetzt werde. 

Die Tierärzte hoffen ferner mit Sicherheit, daß in der 
neuen Veterinärordnung die Verantwortung des Rittmeisters etc. 
für die Behandlung kranker Pferde aufgehoben werde. Diese 
veraltete Bestimmung hat nur noch formelle Bedeutung, gibt 
aber im Auslande den hauptsächlichen Anlaß zu falscher Be¬ 
urteilung und Herabsetzung speziell des preußischen Militär¬ 
veterinärwesens. 

Euere Exzellenz bittet der Veterinärrat schließlich, auch 
die Verhältnisse der Veterinäre des Beurlaubtenstandes 
wohlwollend ins Auge fassen zu wollen. Erst kürzlich ist in 
Abänderung der Veterinärordnung verfügt worden, daß allen 
denjenigen Roßärzten des Beurlaubtentandes die Beförderung 
zum Oberroßarzt offen steht, welche das Kreistierarztexamen 
gemacht haben. Die Beförderung war bisher so gut wie aus¬ 
geschlossen, weil sie von dem Oberroßarztexamen abhängig 
gemacht war, und die Ziviltierärzte letzteres Examen außer 
ihrem kreistierärztlichen Examen nicht auch noch ablegen 
konnten. Die jetzt eingetretene Ermöglichung der Beförderung 
verpflichtet daher die Ziviltierärzte zu größtem Danke. 

Dringend erwünscht bleibt jedoch noch die Beseitigung von 
Härten, welche derzeit mit der Ableistung der Übungen ver¬ 
bunden sind. 

Die Veterinärordnung enthält Über die Einziehung zu 
Übungen keine hinreichenden Bestimmungen. Die Einziehungen 
erfolgen daher ungleichmäßig. Es kommt vor, daß Tierärzte 
zwei Jahre hintereinander eingezogen werden, und daß von dem 
einen mehr Übungen verlangt werden, als von dem anderen. 
Der größte Übelstand aber ist, daß der Befebl oft ganz kurze 
Zeit vor dem Termin der Einziehung eintrifft, so daß es ganz 


ausgeschlossen ist, noch einen Vertreter für die ärztliche Praxis 
zu stellen. Hierdurch wird nicht allein die Privatpraxis des 
betreffenden Tierarztes schwer geschädigt, sondern auch das 
Interesse der Landwirte, welche plötzlich ohne tierärztliche 
Hilfe sind. 

Von den Ärzten werden Übungen, außer wenn sie selbst 
eine Beförderung anstreben, überhaupt nicht verlangt. Die 
Tierärzte, deren Tätigkeit unter ganz ähnlichen Verhältnissen 
steht, müssen Übungen ableisten und sind dadurch im Gegensatz 
zu den Ärzten in ihrem Erwerb erheblich belastet. Sie bringen 
die damit verbundenen Opfer aber gern und haben nur den 
berechtigten Wunsch, daß dieselben bestimmt abgegrenzt, gleich¬ 
mäßig verteilt und nicht zu sehr erschwert werden. Diesem 
Zwecke würden folgende Bestimmungen der Veterinärordnung 
dienen: Jeder Tierarzt, der als Unterroßarzt der Reserve ent¬ 
lassen ist, hat zwei Übungen einschließlich der Beförderungs¬ 
übung zum Roßarzt abzuleisten. Zu weiteren Übungen darf er 
nur mit seinem Einverständnis bzw. auf seinen Antrag heran¬ 
gezogen werden. Zwei Jahre hintereinander darf der Unter¬ 
roßarzt des Beurlaubtenstandes nicht eingezogen werden, falls 
er sich nicht freiwillig dazu bereit erklärt. Der Befehl zur 
Übung muß dem Unterroßarzt bzw. Roßarzt des Beurlaubten¬ 
standes sechs Wochen vor dem Antritt der Übung zugestellt 
werden. 

Euere Exzellenz bitten die Unterzeichneten im Namen des 
Deutschen Veterinärrates, die vorgetragenen Wünsche einer 
hochgeneigten, wohlwollenden Prüfung zu unterziehen. 

gez. Dr. Esser gez. Dr. Schmaltz 

Geheimer Medizinalrat und Professor 

ord. Professor an der Universität an der tierärztlichen Hochschnle 
zn Göttingen. zu Berlin. 

Vorsitzender Schriftführer 

des Deutschen Veterinärrates. 

Die obigen Petitionen entsprechen dem Münchener Beschluß 
der D. V. Es erschien zweckmäßig, die Gesamtheit der vorzu¬ 
tragenden Wünsche in zwei Petitionen zu zerlegen, von denen 
die eine lediglich die Erziehung des Ersatzes, die andere da¬ 
gegen die Organisation des Militärveterinärkorps behandelte. 
Gelegentlich der Überreichung der Adresse des Veterinärrates an 
den Kriegsminister v. Goßler im Februar dieses Jahres durch 
den Präsidenten und den Schriftführer des D. V. wurde der 
Inhalt der ersten Petition mündlich vorgetragen, worauf Seine 
Exzellenz sich sehr entgegenkommend äußerte. Später wurde 
dann auch noch die schriftliche Petition übersandt. Dagegen 
wurde, weil inzwischen der bevorstehende Ministerwechsel ge¬ 
rüchtweise bekannt geworden war, die zweite Petition noch 
zurückgehalten, bis sie dem designierten Nachfolger des Herrn 
v. Goß ler überreicht werden konnte. 

Es bleibe ganz dahingestellt, ob die Petitionen notwendig 
gewesen sind und ob sie die natürlich längst am Werke befindliche, 
emsige und geschickte Einwirkung der in erster Linie beteiligten 
militärischen Sachverständigen zu unterstützen vermocht haben 
(was bezüglich des einjährig-freiwilligen Dienstes allerdings der 
Fall gewesen sein dürfte). Im übrigen werden sie lediglich 
veröffentlich, um die Mitglieder des D. V. mit der Art der Aus¬ 
führung des D. V.-Beschlusses bekannt zu machen. Die Ver¬ 
öffentlichung sollte nicht eher erfolgen, als bis die Angelegenheit 
abgeschlossen und zur Entscheidung reif war. 


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564 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 36. 


Die Entscheidung ist inzwischen in den letzten Augost-Tagen 
gefallen. Ihr Inhalt ist noch nicht bekannt, aber soviel ist 
sicher: das Dasein der alten Militärroß&rztschole ist zn Ende. 
Ans ihrer Asche wird sich als prächtiger Phönix eine Militär- 
Veterinär-Akademie erheben und zu deren Pforten wird nur der 
einjährig-freiwillige Dienst fuhren. S. 

Soeben ist die Kabinettsorder veröffentlicht und kann, nach 
Redaktionsschluß, in letzter Minute hier noch eingeBchoben 
werden. Sie lautet: 1. Die Militär-Roßarztschule führt fortan die 
Bezeichnung: „Militär-Veterinär-Akademie.“ Ihr Dienst¬ 
verhältnis zu den Vorgesetzten und andern Behörden und der 
Dienstbetrieb werden dadurch vorläufig nicht verändert. Betreffs 
weiterer Ausgestaltung der Akademie hatmir das Kriegsministerium 
Vorschläge zu unterbreiten. Die Eleven der Militär-Roßarztschule 
werden küuftig „Studierende der Militär-Veterinär-Akademie“ 
genannt. 2. Als „Veterinäraspiranten“ können unter den bisherigen 
Zulassungsbedingungen am 1. Oktober — zuerst 1903 — neben 
Zwei-und Dreijährigfreiwilligen auch Einjährigfreiwillige bei 
der Kavallerie, der Feldartillerie und dem Train eingestellt werden. 
Für die Berittenmachung der einjährigfreiwilligen Veterinär¬ 
aspiranten finden die für die Berittenmachung der einjährigfrei¬ 
willig dienenden approbierten Tierärzte gegebenen Bestimmungen 
Anwendung. 3. Die Veterinäraspiranten sind nach sechs¬ 
monatiger Ausbildung im Truppendienst, sofern sie für die 
Militär-Veterinärlaufbahn geeignet erscheinen, auf sechs Monate 
zur Militärlehrschmiede Berlin zu kommandieren. Nach 
dort bestandener Piüfung im Hufbescblage sind sie am 
1. Oktober auf den Etat der Militär-Veterinär-Akademie zu 
übernehmen und zum überzähligen Unteroffizier zu be¬ 
fördern. 4. Nach bestandener tierärztlicher Fachprüfung sind 
die Studierenden unter Überweisung zu einem Truppenteil zum 
etatsmäßigen oder überzähligen Unterveterinär zu ernennen und 
gleichzeitig zu einem sechsmonatigen Lehrkursus zur Militär¬ 
lehrschmiede und Klinik in Berlin zu kommandieren. Der 
bisherige vierwöchige Lehrschmiedekursus für Unterro߬ 
ärzte fällt für diese fort. 5. Das Militär-Veterinärpersonal 
besteht fortan bis auf weiteres aus: Korpsstabsveteri¬ 
nären (bisher Korpsroßärzte), Stabsveterinären (bisher Ober¬ 
roßärzte), Oberveterinären (bisher Roßärzte), Unterveterinären 
(bisher Unterroßärzte). 6. Betreffs Bildung eines Militär- 
Veterinäroffizierkorps des aktivenDienst- und desBeurlaubten- 
standes sehe ich den Vorschlägen des Kriegsministeriums entgegen. 

Forlblldung8kur8ii8 für Tierärzte in Hannover. 

Bei dem rapiden Fortschritt unserer tierärztlichen Wissen¬ 
schaft wird es von den Fachgenossen — seien sie beamtete, 
Sanitäts- oder praktische Tierärzte — allgemein freudig begrüßt, 
wenn ihnen auf den Hochschulen, den Stätten der Wissenschaft, 
durch Kurse wiederholt Gelegenheit geboten wird, ihre Kenntnisse 
aufzufrischen, zu bereichern und neue Errungenschaften kennen 
zu lernen. So erfreut sich auch der auf der tierärztlichen 
Hochschule zu Hannover alljährlich abgehaltene Fortbildungs¬ 
kursus allgemeiner Beliebtheit. Der diesjährige fand vom 3. bis 
15. August statt und war wiederum sehr gut besucht. Teil¬ 
genommen haben folgende Herren: Abel, prakt. Tierarzt in 
Graben (Baden), Bühler, Amtstierarzt in Haigerloch, Bürger, 
prakt. Tierarzt in Groß-Goltern (Hannover), Bur au, prakt. 
Tierarzt in Königsberg, D obrick, prakt. Tierarzt in 
Marggrabowa (O.-Pr.), Fl um, Großherzogi. Bezirkstierarzt in 
Eberbach (Baden), Göbel, Veterinär in München, Hommel, 
prakt. Tierarzt in St. Ludwig (Elsaß), Klute, Polizeitierarzt 
in Berlin, Knobbe, prakt. Tierarzt in Lehrte, Lauff, Schlacht¬ 
hofdirektor in Morzig a. d. Saar, Lehnig, prakt. Tierarzt in 
Grünau (Mark), Dr. A. Meyer, prakt. Tierarzt in Barmen, 
P. Meyer, Sanitätstierarzt in Langerfeld i. W., Müller, 
Kreistierarzt in Wongrowitz (Posen), Paschlau, Schlachthof- 
Obertierarzt in Königsberg, Peters, prakt. Tierarzt in 
Undenheim, Ruppert, prakt. Tierarzt in Hamburg, Schwabe, 


Kreistierarzt in Call (Rheinpr.), Schroeder, Schlachthof¬ 
inspektor in Güstrow, Spering, prakt. Tierarzt in Wilhelms¬ 
hafen, Sturm, Schlachthoftierarzt in Rybnick (Schlesien), 
Wulff, prakt. Tierarzt in Kiel, Heurgren, Departements- 
Tierarzt in Örebro (Schweden), welcher sich auf einer Studien¬ 
reise durch Deutschland befand. 

Die sorgfältigst ausgewählten Fächer entsprachen wiederum 
den allgemeinen Bedürfnissen. Täglich von 7 bis 2 Uhr lagen 
die alten wie die jungen Herren Kollegen mit Interesse der 
Wissenschaft ob und schätzten es besonders, daß neben den 
kurz gedrungenen Vorträgen auf praktische Übung (Bakteriologie), 
Demonstrationen (pathologische Anatomie, Fleischbeschau), 
Operationen (spez. Chirurgie) praktische Untersuchungen 
(Augenheilkunde — ein außerordentlich vielseitiges Material an 
augenkranken Patienten stand dieses Mal zur Verfügung —), 
Kolloquien (Gerichtliche Tierheilkunde) und auf den übrigen 
Anschauungsunterricht (Geburtshilfe etc.) besonderer Wert 
gelegt wurde. 

In den Mußestunden wurde die kollegiale Geselligkeit 
gepflegt, welche ihren Glanzpunkt in einem Bierabend in den 
„Vier Jahreszeiten“ am 11. August erreichte, zu welchem die 
Herren Professoren mit ihren Herren Assistenten geladen waren. 
Auf einem von Herrn Kollegen Bühler ausgebrachten herzlichen 
Toast auf die Herren Professoren und die Tierärztliche Hoch¬ 
schule zu Hannover hin dankte Herr Geheimrat Dr. Dammann, 
den Fortschritt der tiei ärztlichen Wissenschaft preisend. Der 
Abend, an welchem noch die Herren Kollegen Lehnig und 
Assistent Arndt durch künstlerische Darbietungen zur Unter¬ 
haltung beitrugen, verlief in schönster Harmonie, wie denn 
auch die ganzen Tage nur angenehme Erinnerungen bei allen 
Teilnehmern zuückgelassen haben werden. Dr. Meyer. 


Naturforscher-Versammlung zu Cassel 20. bis 26. September. 

Sonntag, den 21. Sept Vorm. Vorstandssitzungen; um2 l / 3 Uhr 
gemeinsames Mittagsmahl bei Hanusch, Ständeplatz 3.— Abends 
Begrüßung in der Henrieb sehen Aktienbrauerei Wilhelmshöher 
Allee. Montag. 9 '/ 3 Uhr vorm, erste allgemeine Versammlung in der 
Festhalle. Vorträge: Ladenburg-Breslau, Einfluß der Naturwissen¬ 
schaften auf die Weltanschauung; Ziehen-Utrecht, Physiologische 
Psychologie der Gefühle und Affekte. — Nachmittags Abteilungs- 
Sitzungen. — Abends reservierte Festvorstellung (Oper) im Kgl. 
Hoftheater. — Dienstag. AbteilungBsitzungen. — 6‘/s Uhr nachm. 
Festmahl in der Festhalle. 

Mittwoch. Ö'/a Uhr vorm. Geschäftssitzung in der Festhalle. 
10 Uhr Gesamtsitzung beider Hauptgruppen. Vorträge: Penk- 
Wien, die geologische Zeit; Schwalbe-Straßburg, Vorgeschichte 
des Menschen; Alsberg-Cassel, erbliche Entartung infolge sozialer 
Einflüsse. — Nachmittags Abteilungssitzungen. 

Donnerstag. 9 Uhr vorm. Sitzung der medizinischen Haupt¬ 
gruppe im Kaiserhof. Gegenstand: Die Lichltherapie. — 10 Uhr 
vorm. Sitzung der naturwissenschaftlichen Hauptgruppe im 
Hanusch sehen Saal. Gegenstand: Die naturwissenschaftlichen 
Ergebnisse und Ziele der neueren Mechanik (astronomische, 
technische, physiologische M.). — Abends 7 Uhr Gartenfest. 

Freitag. 8 1 /« Uhr vorm, zweite Geschäftssitzung. Gegenstand: 
Über die zu verbessernde Pflege des biologischen Unterrichts auf 
den höheren Schulen. 10 Uhr vorm, zweite allgemeine Versammlung. 
Vorträge: Ramsay-London, das periodische System der Elemente; 
Griesbach - Mülhausen, Stand der Schulhygiene; Exzellenz 
v. Bering, Tuberkulosebekämpfung. Schlußansprache. Nachmittags 
event. Abteilungssitzungen. Äbends 8 ‘/s Uhr Abschiedskommers. 

Ausgabe der Teilnehmerkarten etc. von Sonnabend ab in 
der Hauptgeschäftsstelle, Turnhalle des Realgymnasiums, Schom- 
burgstraßo 2. (NeuanmeWungen zur Mitgliedschaft schriftlich 
beim Geheimrat Dr. Lampe-Vischer, Leipzig, Schollerstraße 8.) 
Preis der Karten für Teilnehmer (Nichtmitglieder) 20 M., Damen¬ 
karten 6 M., Festmahl (Anmeldung bis spätestens Montag mittag 
12 Uhr) 5 M. — Wohnungsvermittlung durch den „Wohnungs- 
aussebuß der 75. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte 
zu Cassel'. (Abgesandte sind auf dem Hauptbahnhof anwesend.) 

Abteilung Tierheilkunde: Einführende: Veterinärassesor Tietze, 
Paikstraße 9, Kreistierarzt Schlitzberger, Moritzstraße 15. Schrift¬ 
führer: Roßarzt Michaelis, Holländischestraße 47 und Sanitäts¬ 
tierarzt Jaeger, Westring 46. Um schleunige Anmeldung 
der Vorträge wird dringend gebeten. 


VII. Quittung über die zum preussischen Stipendienfonds eingegangenen 

Beiträge 

bis zum 31. August er. 

• Transport vom 30. Juni er. 4621,— M. 
Lorenz, Kreistierarzt, Lyck . .......... 0,— •> 

Steinhardt, Oberroßarzt, Lenkimmcii. 10,06 „ 

Tierärztlicher Zejitralverein der Provinz Sachsen .... 600,— „ 


Summa 6037,06 M. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


3. September 1903. 

Staatsveterinärwesen. 

Redigiert von Preusse. 

Wünsche bei der Neugestaltung des Reichsviehseuchen- 

gesetzes. 

In Nummer 24 der B. T. W. sind unter dem Titel „weitere 
Wünsche bei der Neugestaltung des Reichsviehseuchengesetzes“ 
von Dr. E. N. einige Forderungen aufgestellt worden, auf welche 
ich mir nicht versagen kann mit einigen Worten einzugehen, 
zumal ich wiederholt in dem Artikel genannt worden bin. 

Es heißt dort zunächst, daß ein Hauptwunsch aus den 
kleinen Bundesstaaten dabin geht, daß bei der Neugestaltung 
des Reichsviehseuchengesetzes die Stellung des beamteten Tier¬ 
arztes in seiner Mitwirkung bei der Senchentilgnng klipp und 
klar geregelt werde. Es wird dann weiter gesagt, daß es heute 
noch Staaten gebe, in denen es zugelassen ist, daß beamtete 
Ärzte in Behinderungsfällen des Tierarztes bei der Seuchen¬ 
bekämpfung eintreten können. Ich muß gestehen, diese letztere 
Angabe hat mich doch einigermaßen in Erstaunen gesetzt. Die 
Mitwirkung der Tierärzte bei der Bekämpfung der Viehseuchen 
ist schon in dem jetzt geltenden Gesetz „klipp und klar“ vor¬ 
gezeichnet. Die hierfür grundlegende Vorschrift befindet sich 
im § 2 Abs. 3 des Reichsgesetzes. Wer aber hier noch im 
Zweifel ist, der erfährt aus § 12, daß bei vorkommenden Seuchen¬ 
ausbrüchen der beamtete Tierarzt zuzuziehen ist, sowie aus 
§ 14 und 16, daß bei etwaigen Zweifeln an den Erhebungen 
des beamteten Tierarztes, bzw. bei Meinungsverschiedenheit 
zwischen dem beamteten und dem vom Besitzer zugezogenen 
Tierarzt ein tierärztliches Obergutachten einzuholen ist. 
Auch im Verfolg des ganzen übrigen Gesetzes und der Bundesrats¬ 
instruktion ist immer nur vom beamteten Tierarzt die Rede, 
jedoch niemals vom beamteten Arzt. Ich dächte, diese Be¬ 
stimmungen wären doch wohl jetzt schon „klipp und klar“. 
Wie hierbei es eine Behörde fertig bringen kann, in Behinderungs¬ 
fällen des Tierarztes einen beamteten Arzt zuzuziehen, ist mir 
unerfindlich. Dieselbe würde sich hierdurch eben mit den 
strikten Gesetzesvorschriften in Widerspruch setzen. Um solchen 
Widerspenstigkeiten einer Behörde vorzubeugen, ist es doch wohl 
nicht nötig, noch eine besondere Gesetzesvorschrift einzuführen; 
dies läßt sich, wenn es überhaupt noch Vorkommen sollte, im 
Verwaltungswege regeln. Das Reichsviehseuchengesetz und die 
Instruktion gilt nicht nur für Preußen, Bondern auch für alle 
kleineren Bundesstaaten, und keiner derselben ist berechtigt, 
von den Vorschriften derselben abzugehen. Den von Dr. E. N. 
vorgeschlagenen Zusatz „zur Erstattung aller Gutachten und 
Obergutachten sowie zur Vornahme von technischen Unter¬ 
suchungen bei Ausführung dieses Gesetzes sind nur approbierte 
Tierärzte zulässig“ halte ich für durchaus überflüssig. 

Im übrigen möchte ich bemerken, daß der neue Entwurf 
auch einige Erweiterungen der Befugnisse der beamteten Tier¬ 
ärzte enthält. Ich nehme hierin Bezug auf die Änderungen zu 
§ 9 und § 12 und meine Bemerkungen hierzu in Nr. 10 dieser 
Wochenschrift. 

Der weitere Wunsch des Dr. E. N., daß der Spielraum, 
welchen das Gesetz den Landesbehörden in bezug auf den 
Erlaß einer Reihe von Anordnungen überläßt, möglichst ein¬ 
geschränkt werden möge, ist an sich berechtigt. Der neue 
Entwurf trägt diesem Wunsch auch an verschiedenen Stellen 
Rechnung. Daß aber ein Gesetz nicht entscheiden kann, daß 
alle darin genannten Maßnahmen in den hierfür in Betracht 


kommenden Fällen angeordnet werden müssen, liegt doch wohl 
klar auf der Hand; bei der Verschiedenheit der wirtschaftlichen 
Verhältnisse im Deutschen Reich ist eine solche kategorische 
Bestimmung in vielen Fällen einfach undenkbar und auch unaus¬ 
führbar. Zu diesen Fällen gehören auch die hierfür in Betracht 
kommenden Maßnahmen in § 8a. Der neue Entwurf bringt 
insofern schon eine Besserung, als derselbe sagt: Alle Vieh¬ 
märkte und öffentlichen Schlachthäuser sind durch beamtete 
Tierärzte zu beaufsichtigen, statt „sollen“ beaufsichtigt werden. 
Die Anordnung der übrigen hier genannten Maßnahmen kann 
jedoch ohne Bedenken dem Ermessen der Landesbehörden über¬ 
lassen bleiben. Hierfür ebenfalls eine für alle Fälle bindende 
Vorschrift zu geben, halte ich nicht für zweckmäßig. In einem 
kleinen Bundesstaat ist dies ja wohl eher möglich und auch wohl 
angängig. Ein deutsches Reichsgesetz kann jedoch hierin nur 
Direktiven und Befugnisse für die Landesbehörden erteilen. 

Dr. E. N. hat sodann gesagt, daß es mir hoch angerechnet 
worden wäre, wenn ich im Deutschen Landwirtschaftsrat für die 
strengere Fassung „es müssen“ eingetreten wäre. Hierzu be¬ 
merke ich, daß ich bei Gelegenheit der diesjährigen Tagung 
der vorgenannten Körperschaft nach Möglichkeit dafür eingetreten 
bin, daß dort, wo es nur irgend angängig ist, an Stelle der 
milderen Fassung „es kann“ die Btrengere „es muß“ gesetzt 
wird, auch bei den §§ 52 und 52 a betr. Räude und Schweine¬ 
seuche, hier jedoch leider mit negativem Erfolge. Ich will 
hierbei aber nicht verkennen, daß für den Erlaß gesetzlicher 
Vorschriften zur Bekämpfung von Viehseuchen nicht durchweg 
rein seuchenpolizeiliche, sondern auch Gründe anderer Art als 
maßgebend angesehen werden müssen, da derartige Vorschriften 
doch sehr vielseitige Interessen berühren. 

Schließlich will ich noch der Behauptung entgegentreten, 
daß in Preußen eine Kluft zwischen Kreistierärzten und De¬ 
partementstierärzten besteht, welche immer größer wird. Ich 
muß eine solche Kluft ganz entschieden bestreiten. Beide, 
Departements- und Kreistierärzte, ziehen an demselben Strang. 
Entere sind stets bemüht, vermöge ihres Einflusses die Kreis¬ 
tierärzte zu unterstützen und ihre materielle und ideelle Stellung 
nach Möglichkeit zu fördern. Die Milzbrandnachprüfung, die 
Dr. E. N. hier als Beispiel für seine Behauptung anführt, paßt 
nun ganz und gar nicht hierher. In diese Frage haben sich 
die Departementstierärzte als solche überhaupt noch nicht hin¬ 
eingemischt. Ich kann auch Dr. E. N. verraten, daß die 
Meinungen in betreff der Zweckmäßigkeit und Angemessenheit 
der Milzbrandnachprüfungen innerhalb der Departementstierärzte 
ebenso geteilt sind, wie in den Kreisen der Kreistierärzte. Wie 
da von einer „Kluft“ die Rede sein soll, ist mir unerfindlich, 
und die Besorgnis, die Dr. E. N. in bezug auf die Entwicklung 
des Veterinärwesens in Preußfen hegt, ist eine völlig grundlose. 
Dr. E. N. scheint den Verein beamteter Tierärzte, welcher 
nicht immer freundliche Gesinnungen gegen die Departements- 
tierärzte gehegt hat, als solchen ganz allgemein mit den 
preußischen Kreistierärzten zu identifizieren. 

Ich will hier betonen, daß man beides nicht identifizieren 
kann, da etwa die Hälfte aller Kreistierärzte diesem Verein 
nicht an gehört. In betreff der Mitwirkung der Privattierärzte 
im Seuchentilgangsverfahren bin ich übrigens mit Dr. E. N. 
einer Meinung und mit mir, wie ich wohl Grund habe anzunehmen, 
auch die anderen Departementstierärzte. Das „Videant consules“ 
erscheint daher hier wohl nicht begründet. Preuße. 


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566 


Ein Beitrag zur Nachprüfung der Milzhranddiagnosen. 

Von Kreistierarzt Sahn er-Lauban. 

Seit Jahresfrist kann man fast kein Fachblatt zur Hand 
nehmen, ohne eine Erörterung über obiges Thema zu finden. 
Es beweist diese Tatsache die Notwendigkeit einer eingehenden 
Besprechung als Vorstufe gesetzlicher Regelung dieser Materie, 
welche am besten in der Novelle zum Reichsviehseuchengesetz 
erfolgt. Wir Kreistierärzte furchten eine staatliche, eine amt¬ 
liche Kontrolle nicht; wir erheben nur Protest gegen die jetzt 
beliebte Kontrolle, welche geeignet ist, die Autorität der be¬ 
amteten Tierärzte zu untergraben. Nachstehend will ich die 
Geschichte eines Milzbrandverdachts der Öffentlichkeit übergeben. 
Am 23. April 1903 fiel dem Bauerngutsbesitzer M. zu N. eine 
Kuh; die an demselben Tage von dem Tierarzt X. begonnene 
Obduktion ergab Milzschwellung, blaurote Verfärbung der Milz¬ 
kapsel, breiige Beschaffenheit der Milzpulpa und lackfarbene 
Beschaffenheit des Blutes. Auf Grund dieses Befundes unterbrach 
Tierarzt X. die Obduktion und meldete bei der Ortspolizei¬ 
behörde Milzbrandverdacht an. Ich wurde alsdann beauftragt, 
den Seuchenfall festzustellen; die von mir beendete Obduktion 
ergab neben Milzschwellung akute Darmentzündung und ans¬ 
gebreitete Lungentuberkulose. Die Milz Schwellung erschien 
mir nicht stärker als ich sie beim Vorhandensein akuter ent¬ 
zündlicher Prozesse zu sehen gewohnt war. Ich glaubte so 
wenig an Milzbrand, daß ich davon Abstand nahm, die an 
demselben Ort wohnhaften Viehseuchenschiedsmänner znzuziehen. 
Mehr zur^Beruhigung des Besitzers und, weil ein anderer Tierarzt 
Milzbrandverdacht angenommen hatte, nahm ich die mikroskopische 
Untersuchung von Milzsaft vor. Ich fertigte an Ort und Stelle 
lege artis aus einem frischen Schnitt der Milz ein Deckglas¬ 
präparat an, ließ es lufttrocken werden und fuhr sofort in Be¬ 
gleitung des Besitzers nach dem städtischen Schlachthof in 
Lauban, fixierte, färbte (mit Gentianaviolett), erhitzte das 
Präparat und untersuchte es mit 600 facher Vergrößerung. 

Ich konnte jedoch weder Milzbrandbazillen noch andere 
Mikroorganismen finden. Mein Assistent sowie ein anderer Kreis¬ 
tierarzt, welcher mich gerade besuchte, sahen sich das Präparat 
an und konnten ebensowenig, wie ich, solche finden. Dem Besitzer 
teilte ich das Resultat mit, das ihn allerdings betrübte, weil in 
Schlesien Milzbrand entschädigt wird; er erhob jedoch keinen 
Widerspruch. Ich setzte alsdann die Ortspolizeibehörde in 
Kenntnis, daß der Milzbrandverdacht bei fraglicher Kuh sich 
nicht bestätigt habe, und daß in veterinärpolizeilicher Hinsicht 
die Angelegenheit hiermit erledigt sei. Nach 6 Tagen — am 
30. April 1903 — erschien der Besitzer auf dem Landrats¬ 
amt und erklärte, er habe gehört, die Instrumente auf dem 
Schlachthof seien nicht ausreichend, nm Untersuchungen auf 
Milzbrand vorzunehmen, so daß die Möglichkeit doch noch vor¬ 
liege, daß Milzbrand wirklich vorhanden gewesen sei. Herr Tier¬ 
arzt X, der gleichfalls Präparate von der Kuh entnommen, habe 
auf sein Ersuchen die Herausgabe der Präparate verweigert. 
Diese Aussage des Besitzers wurde mir zur Äußerung übersandt. 
Zugleich erfuhr ich, daß der Besitzer am 29. April 1903 sich 
bei dem Kreistierarzt Z. erkundigt habe, ob man mit eiDem 
Trichinenmikroskop Milzbrand feststellen könne. In meiner 
Rückäußerung gab ich den Gang der Untersuchung an und 
erwähnte insbesondere, daß die mikroskopische Feststellung mit 
600facher Vergrößerung vorgenommen worden sei und nicht 
mit einem Trichinenmikroskop bei 30—40facher Vergrößerung; 


No. 36. 


zum Schluß bat ich, den Tierarzt X. und den Kreistierarzt Z. 
amtlich in Kenntnis setzen zu wollen, „daß der fragliche Seuchen¬ 
verdacht sich durch sachgemäße Untersuchung seitens des zu¬ 
ständigen und verantwortlichen beamteten Tierarztes als nicht 
begründet erwies.“ Tierarzt X, der ebenfalls zur Äußerung 
aufgefordert wurde, gab an: „In den von mir aus Milz, Blut und 
Lungensaft angefertigten mikroskopischen Präparaten fanden sich 
in einem Präparat Bazillen, über deren Art ich mir nicht klar war.“ 
Die Präparate befänden sich jetzt in den Händen des Kreistier¬ 
arztes Z. Letzterer äußerte, daß er seinerzeit dem ihn um Rat 
fragenden Besitzer erklärt habe, falls er mit dem Gutachten des 
beamteten Tierarztes nicht zufrieden gewesen sei, hätte er sofort 
eine Nachuntersuchung tunlichst durch den Herrn Departements¬ 
tierarzt beantragen und diesen Entschluß mir mitteilen sollen. 
Es hätte dann durch Impfung an Versuchstieren unzweifelhaft fest¬ 
gestellt werden können, ob der Verdacht auf Milzbrand begründet 
war. Nur dieses Vei fahren könne endgültigen Aufschluß geben, 
wenn die mikroskopische Untersuchung Zweifel lasse. Eine Nach¬ 
prüfung der von Tierarzt X. angeführten Präparate ohne gleich¬ 
zeitige Impfung brauche zu einem sicheren Resultat nicht zu führen. 
Ein Urteil über fragl. Präparate lehnte Kreistitrarzt Z. ab, weil er 
die Untersuchung lediglich aus Privatinteresse für Tierarzt X. vor¬ 
genommen habe. Letzterer teilte mir mündlich mit, daß er s.Z. seine 
Präparate zwei Tage nach Entnahme des Materials — Milz, 
Lunge, Blut—zuerst angefertigt habe und zwar als Dauerpräparate. 

Ich stellte nunmehr den Antrag unter Hinweis auf die §§ 14 
und 16 des Reichsviehseuchengesetzes, daß eine Nachprüfung der 
Dauerpräparate durch den in Frage kommenden Departements¬ 
tierarzt vorgenommen werde, und bemerkte noch, daß ich durch¬ 
aus keine Veranlassung gehabt habe, eine Impfung an Versuchs¬ 
tieren vorzunehmen, da ich keine Zweifel an dem vollkommen 
negativen Befund gehabt hatte. Die von dem Herrn Departements¬ 
tierarzt vorgenommene Untersuchung ergab Mikroorganismen, 
welche nicht als Milzbranderreger anzusehen waren, sondern als 
solche, wie sie in und auf Kadavern bei beginnender Fäulnis 
aufzutreten pflegen; mit andern Worten also Fäulnisbakterien. 
Der Herr Departementstierarzt nahm ferner eine Prüfung des 
von mir benutzten Mikroskops vor, erklärte es für kein Trichinen¬ 
mikroskop, sondern für geeignet, Milzbrandbazillen zu suchen 
und, wenn vorhanden, auch zu finden. 

Drei Monate hatte der Schriftwechsel gedauert, bis jetzt in 
den Hundstagen diese „verdächtige“ Seeschlange ihr Ende ge¬ 
funden hat. Man braucht kein Schwärmer für kreiBtierärztliche 
Privilegien zu sein, wenn man diese Art Kontrolle nicht für 
gut befindet. Ich sah der endgültigen Feststellung in aller 
Seelenruhe entgegen, wenn mir auch die ganze Angelegenheit 
nicht angenehm war; humorvoll war lediglich das Märchen vom 
Trichinenmikroskop. Dieser Vorfall beweist aufs neue, daß eine 
gesetzliche Regelung not tut. Dem Besitzer soll es unverwehrt 
sein, den Kreistierarzt durch so viel andere Tierärzte kon¬ 
trollieren zu lassen, als er will, aber alles muß in Gegenwart 
des Kreistierarztes geschehen. Die Sachverständigen sollen 
dann gemeinschaftlich den Seuchenfall klären. Stellt ein Tier¬ 
arzt in Ausübung von Privatpraxis Milzbrandverdacht fest, so 
steht es ihm frei, der amtlichen Feststellung beizuwohnen; aber 
vorher Material zu entnehmen behufs genauerer Untersuchung, 
sollte nicht gestattet sein. Verzichtet ein Tierbesitzer auf die 
Anwendung des bereits erwähnten § 16, so hat er sich auch 
dem Urteil des Kreistierarztes zu fügen. 


' BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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3 Septetßber 1903. 

Tierseuchen in Deutschland Im Jahre 1901 

nach dem Jahresbericht Uber die Verbreitung von Tierseuchen iin 
Deutschen Reich. 

Verlag von Juliu* Springer, Berlin. 

Die Geflügelcholera. 

Die Geflügelcholera ist in allen Staaten aufgetreten außer 
1. Mocklenburg-Strelitz, 2. Schwarzburg-Sondershausen, 3. Waldeck, 
4. Reuß ä. L., 5. Scbaumburg-Lippe, 6. Lippe und 7. Lübeck. In 
den Staaten 2, 5 und 7 war die Anzeigepflicbt noch nicht eingeführt. 
Es wurden insgesamt 1796 Gemeinden und 6742 Gehöfte von der 
Seuche betroffen. Gefallen oder getötet sind 100777 Hühner, 9151 
Gänse, 4389 Enten, 534 Tauben und 1509 Stück andres Geflügel. 
Genesungsfälle waren nur sehr wenige zu verzeichnen. Die größten 
Verluste kamen vor in den Reg.- etc. Bezirken Düsseldorf (11874 
Stück Geflügel), Aachen (7916). Neckarkreis (7340), Ober-Elsaß (6242), 
Köln (5436), Freiburg (4450), Karlsruhe (3579), Mannheim (3574), 
Arnsberg (3217) und Trier (3207) und in den Kreisen Aachen Land 
(3137), Mühlhausen (3092), Baden (2142), Mettmann (2116), Puchen 
(1641), Ludwigsburg (1638), Neuß (1611) u. a Demnach sind im 
Jahre 1901 die westlichen und südwestlichen Teile des Reichs¬ 
gebietes besonders stark von der Geflügelcholera betroffen worden, 
weniger die östlichen und nordöstlichen. 

Was nun die Anlässe zu den Seuchenausbrüchen anbetrifft, so 
sind Einschleppungen der Geflügelcholera aus Rußland, Österreich- 
Ungarn, Italien und der Schweiz bekannt geworden. Aus Rußland 
ist die Seuche 41 mal eingeschleppt worden, und zwar in die 
Regierungsbezirke Breslau, Liegnitz, Königsberg, Gumbinnen, 
Schleswig, Köslin, Stettin und Potsdam, in letzteren Bezirk allein 
20 mal. Die Einschleppung geschah meist durch Gänse, in einigen 
Fällen auch durch Enten. Aus Österreich-Ungarn wurde die Seuche 
49 mal eingeschleppt in die Reg.- etc. Bezirke Hildesheim, Frankfurt, 
Oppeln, Gumbinnen, Stettin, Mannheim, Freiburg, Düsseldorf, Trier, 
Schleswig, Breslau, Limburg, Magdeburg, Merseburg, Neckarkreis, 
Zwickau, Dresden, Koblenz, Stade, Königsberg, Leipzig, Oberbayern 
Chemnitz, Köln, Pfalz, Münster, Liegnitz ued Potsdam. Die Ein¬ 
schleppung geschah durch Hühner, Gänse und Enten. Die Ein¬ 
schleppung aus Italien geschah 13 mal in die Reg.- etc. Bezirke Ober- 
bayern, Mannheim, Arnsberg, Freiburg, Niederbayern, Köln und 
Düsseldorf, und zwar meist durch Hühner, aus der Schweiz in die 
Verwaltungsbezirke Freiburg und Konstanz durch Hühner. Die 
Seuche brach in den meisten Fällen schon während des Transportes 
aus, in wenigen Fällen ein oder wenige Tage nach dem Eintreffen 
am Bestimmungsort. 

Auch aus einem Bundesstaat in den andern haben zahlreiche 
Verschleppungen der Geflügelcholera stattgefunden. Nach Preußen 
in 4 Fällen aus Baden, in 19 Fällen aus Hessen. Von der vom 
1. bis 4. Februar 1901 in Braunschweig veranstalteten Geflilgel- 
ausstellnng sind Seuchenverschleppungcn vorgekommen in die 
preuß. Kreise Wanzleben, HalberBtadt Land, Mansfclder Seekreis, 
Hannover Land, Oschersleben, Ilfeld, Osterode a. H., Gnesen und 
Plön, ferner auch nach Sachsen-Koburg-Gotha. 

Bei der auf polizeiliche Anordnung erfolgten Untersuchung 
aller durch die Seuche gefährdeten Tiere am Seucbenorte wurde 
die Geflügelcholera elfmal im Kreise Jarotschin und einmal in 
St Wendel (Thür.) festgestellt 

In zahlreichen Fällen waren die Tiere bereits erkrankt oder 
angeBteckt, als sie in den Besitz der neuen Eigentümer gelangten. 
Ferner hatte häufig die Unterlassung oder Verzögerung der Anzeige, 
sowie Fahrlässigkeit bei der Beseitigung der Kadaver die Ver¬ 
anlassung zur Weiterausbreitung der Seuche gegeben. Auch durch 
Sperlinge, Verschenkung kranker Tiere, durch Wegwerfen der Schalen 
von Eiern, die aus Österreich stammten, durch Futter aus ver¬ 
seuchten Gehöften, durch mit Schubwerk verschleppten Gänsekot, 
durch gemeinsame Benutzung von Höfen bzw. Teichen, durch Be¬ 
nutzung eines verseuchten Transportkäfigs sind Verschleppungen 
konstatiert worden. In zwei Fällen war mangelhafte Desinfektion 
eines verseucht gewesenen Stalles die Ursache zu einem Wieder- 
ausbruch. In einem Falle wurde die Geflügelcholera mit der auf 
demselben Gehöft herrschenden Schweineseuche in Zusammenhang 
gebracht. Der Besitzer hat die Futterreste aus den Schweinekrippen 


567 


seinen Gänsen vorgeworfen. Acht Tage später brach unter diesen 
Gänsen die Geflügelcholera aus, welcher sämtliche Tiere erlagen. 

Der Jahresbericht enthält auch bemerkenswerte Mitteilungen 
über die „neue Geflügelseuche“, auch „Braunschweiger Seuche“ ge¬ 
nannt Im Herzogtum Anhalt fielen in drei Gehöften sämtliche 
Hühner dieser Seuche zum Opfer. Sie war von der Wittenberger 
Geflfigelausstellung eingescbleppt worden. 

An Inkubationszeiten wurden ermittelt in mehreren Fällen je 

1 Tag, einmal 5—6 Tage und einmal 8—10 Tage. 

Infolge der wiederholt beobachteten Verschleppung der Geflügel¬ 
seuchen von Geflügclausstellungen aus ist in vielen Landesteilen 
die veterinärpolizeiliche Überwachung dieser Ausstellungen an¬ 
geordnet worden. 

Die Gehirn Rückenmarksentzündung (Bornasche Krankheit) der Pferde. 

Bezüglich dieser Krankheit sind nur aus der preußischen 
Provinz Sachsen nähere Angaben gemacht worden. Hier sind in 
144 Gehöften mit einem Bestände von 949 Pferden 162 Pferde 
erkrankt Gefallen sind 75, auf Veranlassung des Besitzers getötet 
64 Pferde. Die meisten Erkrankungen — 41 — kamen auf den 
Kreis Delitzsch; Saalkreis 22, Eckartsberga und Weißenfels je 
19, Bitterfeld 16 und Merseburg 13 Pferde. In den Kreisen 
Schweinitz und Schleusingen war nur je ein Gehöft mit einem 
Erkrankungsfall betroffen. 

Im Königreich Sachsen sind für 275 an Gehirn-Rückenmarks- 
entzttndung eingegangene Pferde auf Grund des Gesetzes vom 
12. Mai 1900 124 827,70 M. Entschädigung gezahlt worden. 

In Schwarzburg-Rudolstadt ist in zwei Gemeinden je ein Todes¬ 
fall zur Anzeige gekommen. 

Die Influenza der Pferde. 

Über das Auftreten der unter diesem Sammelnamen bekannten 
Krankheiten unter den Pferden (Pferdestaupe, Brustseuche, Skalma) 
liegen Berichte aus Preußen, Bayern, Baden nnd Braunschweig vor. 

In Preußen sind 256 Pferde als an Influenza gefallen gemeldet 
worden, gegen 310 im Vorjahre. In Bayern sind 7 Pferde als ge¬ 
fallen gemeldet, in Baden 12 und in Braunschweig 2 Pferde. In 
Bayern waren 31 Gemeinden und 42 Gehöfte betroffen, in Baden 
7 Gemeinden und 9 Gehöfte, in Braunschweig gleichfalls 
7 Gemeinden und 9 Gehöfte. Für Preußen läßt sich die Gesamt¬ 
zahl der betroffenen Gemeinden und Gehöfte nicht angeben, da 
die Zahl derselben für jeden Monat besonders angegeben ist. Die 
stärkste Ausbreitung hatte hier die Seuche im März, 60 Gemeinden 
und 96 Gehöfte, die geringste 19 bzw. 42 im Monat Oktober. 
Überhaupt war die Zahl der Seuchenausbrüche in den ersten 
sechs Monaten bedeutend höher wie in dem letzten Halbjahre. Die 
Durchschnittszahlen betragen für das erste Halbjahr 43 Gemeinden 
und 85 Gehöfte, für das zweite 25 Gemeinden und 51 Gehöfte. 

Nachweisung über den Stand der Tierseuchen in Deutschland am 15. August. 

Die Zahlen bedeuten dlo Krei.se und (eingeklammert) Gemeinden. 

Rotz. 

Preußen: In den Regierungsbezirken Potsdam, Breslau, 
Schleswig, Minden, Arnsberg und Kassel 1 (1); Reg.-Bez. Bromberg 

2 (3); Stadtkreis Berlin. Bayern: Schwaben 1 (1); Pfalz 2 (4); 
Niederbayern 2 (3). Württemberg 3 (3); Baden 2 (3); Mecklen- 
burg-Strelitz 1 (1); Lippe 1 (1); Unterelsaß 1 (2). Zusammen 
23 Kreise und 29 Gemeinden (gegen 25 Gemeinden am 15. Juli), 
wovon in Preußen 9 Kreise und 10 Gemeinden. 

Lungenseuche. 

Es besteht immer noch der eine Fall in einem Gehöft des 
Kreises Gnesen, Reg.-Bez. Bromberg. 

Maul- und Klauenseuche. 

Preußen: In den Regierungsbezirken Posen 2 (4); Arnsberg 
2 (2); Wiesbaden 2 (3); Koblenz 3 (in 5 Gemeinden 36 Gehöfte); 
Trier 1 (1). Oberbayern 1 (1); Schwaben 3 (4). Württemberg, 
Schwarzwaldkreis 2 (2); Unterelsaß 1 (1); Lothringen 1 (5). 
Zusammen 18 Kreise und 28 Gemeinden (gegen 27 Gemeinden 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 36. 



568 


am 15. Juli), wovon in Preußen 10 Kreise und 15 Gemeinden. 
Neu aufgetreten ist die Seuche in den preußischen Bezirken 
Arnsberg, Wiesbaden und Trier, wogegen sie erloschen ist in 
Köln, im württembergischen Neckarkreis und in Baden. 


Schweineseuche und Schweinepest 


Regierungs¬ 
bezirke etc. 

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Auf je 1000 
Gemeinden 
waren verseucht| 

Regierungs¬ 
bezirke etc. 

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0 

Preußen: 

299 

1069 


Sigmaringen . . . 

_ 

_ 

Königsberg. . . . 

12 

33 

8 

Waldeck. 

— 

— 

Gumbinnen .... 

10 

40 

10 

Bayern: 



Danzig. 

7 

13 

10 

Oberbayern .... 

8 

12 

Marienwerder . . 

16 

121 

53 

Niederbayern. . . 

— 

— 

Berlin. 

1 

1 

— 

Pfalz. 

3 

4 

Potsdam. 

11 

35 

13 

Oberpfalz. 

— 

— 

Frankfurt. 

13 

40 

14 

Oberfranken . . . 

— 

— 

Stettin. 

12 

52 

27,5 

Mittelfranken. . . 

— 

— 

Köslin. 

10 

24 

12 

Unterfranken. . . 

— 

— 

Stralsund. 

4 

12 

13 

Schwaben. 

3 

3 

Posen. 

21 

93 

28 

Württemberg . 

— 

— 

Bromberg. 

12 

68 

30,5 

Sachsen. 

1 

1 

Breslau. 

17 

77 

20 

Baden . 

8 

15 

Liegnitz . 

16 

64 

22,5 

Hessen . 

9 

17 

Oppeln . 

12 

23 

8 

Meckl.-Schwerin 

6 

16 

Magdeburg .... 

14 

24 

16,5 

Meckl.-Strelitz . 

— 

— 

Merseburg .... 

9 

39 

17 

Oldenburg . . . 

— 

— 

Erfurt . 

3 

6 

10 

Sachs.-Weimar . 

3 

10 

Schleswig . 

18 

97 

45 

Sach s.-Meiningen 

1 

2 

Hannover . 

4 

19 

30 

Sachs.-Alten bürg 

— 

— 

Hildesheim .... 

8 

13 

18 

Sachs.-Kob.-Got. 

1 

1 

Lüneburg . 

6 

15 

10 

Anhalt . 

1 

2 

Stade . 

9 

21 

29 

Braunschweig 

6 

23 

Osnabrück .... 

2 

7 

12,5 

Schwarzb.-Sond. 

— 

— 

Aurich . 

2 

2 

6 

Schwarzb.-Rud. 

— 

— 

Münster . 

4 

5 

18 

Reuß ä. L . 

— 

— 

Minden . 

1 

2 

4 

Reuß j. L . 

— 

_ 

Arnsberg . 

11 

22 

26 

Schaumb.-Lippe 

— 

— 

Kassel . 

10 

23 

14 

Lippe-Detmold . 

2 

3 

Wiesbaden .... 

6 

16 

17 

Hamburg .... 

2 

2 

Koblenz . 

2 

2 

2 

Lübeck . 

1 

2 

Düsseldorf .... 

9 

45 

104,5 

Bremen . 

— 

— 

Köln . 

4 

5 

16,5 

Elsaß . 

1 

1 

Trier . 

1 

5 

4 

Lothringen . . 

— 

— 

Aachen . 

2 

5 

13 

Waldeck .... 

3 

13 


Die Seuche hat in Preußen seit dem 15. Juli, wo sie in 1097 Ge¬ 
meinden bestanden batte, ihren Stand kaum verändert; dagegen 
hat sie in den übrigen Bundesstaaten eine kleine Zunahme, von 
112 auf 127 Gemeinden, erfahren. 

Maul- und Klauenseuche. 

In Verfolg der Deklaration vom 9. April 1896 (außerordentliche 
Beilage zu Nr. 16 des Amtsblatts für 1896) zur landespolizeilichen 
Anordnung vom 6. Dezember 1895, betreffend die Abwehr gegen 
die Einschleppung der Maul- und Klauenseuche in den diesseitigen 
Regierungsbezirk durch das aus anderen Reichsteilen stammende 
Vieh (außerordentliche Beilage zu Nr. 49 des Amtsblatts für 1895), 
bestimme ich, daß die Vorschriften der vorbezeichneten landes¬ 
polizeilichen Anordnung sich auf das aus nachbenannten Reichs¬ 
teilen — 1. aus den preußischen Regierungsbezirken Posen, Arnsberg 
und Koblenz, 2. aus den bayerischen Regierungsbezirken Ober¬ 
bayern und Schwaben, 3. aus dem württembergischen Kreise Schwarz¬ 
waldkreis, 4. aus den Reichslanden Unter-Elsaß und Lothringen — im 
Regierungsbezirk Bromberg zur Entladung mit der Eisenbahn ge¬ 
langende llindvieh bis auf weiteres beschränken. 

Bromberg, den 13. August 1903. Der Regierungspräsident. 


Schweineseuchen. 

Der Regierungspräsident in Posen hat unter dem 20. Mai er. 
eine neue landespolizeiliche Anordnung betreffs der Bekämpfung 
der Schweinekrankheiten erlassen. Dieselbe entspricht der An¬ 
ordnung des Regierungspräsidenten in Bromberg vom 14. Mai 1903, 
auf welche in dieser Wochenschrift schon hingewiesen worden ist. 


Fleischbeschau und Yiehverkehr. 

Red. von KOhnau. 

Fleischbeschauliches. 

Von 

Dr. Zeh 1-Trebbin, 

Tierarzt. 

Zu den treffenden Ausführungen des Herrn Prof.Dr.Schmaltz 
in Nr. 34 der B. T. W. möchte ich folgendes bemerken: 

Herr Prof. Dr. Schmaltz schildert in dem Kapitel „Stell- 
vertretnng bei Notschlachtungen“ zunächst die Nachteile, die 
dem Tierarzte entstehen, wenn Praxis- und Fleischbeschaubezirk 
sich nicht decken, sondern der letztere von einem Nachbar¬ 
kollegen oder Laien verwaltet wird. Um diese Unzuträglich¬ 
keiten zu beseitigen, rät Prof. Schmaltz dann, die Kollegen 
sollen sich auf Grund des § 7 der preußischen Ausführungs- 
be8timmungen vom 20. März 1903 an den Landrat bzw. den 
Regierungspräsidenten wenden und um das Recht nachsuchen, 
die Notschlachtungen solcher Tiere, die vorher von ihnen be¬ 
handelt worden sind, begutachten zu dürfen. 

Ich habe nun das Glück oder in vorliegendem Falle das 
Unglück, infolge der Lage meines Wohnsitzes in drei Kreisen 
praktizieren zu müssen. Ich petitionierte nun s. Z. an die drei 
in Frage kommenden Landratsämter um Übertragung der tier¬ 
ärztlichen und Ergänzungsbeschau in meinem Praxisbereiche. 
Von allen drei Ämtern wurde mir ein mehr oder minder großer 
Teil meines Bezirks genommen und, soweit die Fleischbeschau 
in Betracht kam, einem Kollegen oder Laienbeschauer gegeben. 
Um meine Praxis zu schützen (denn es kommen nicht nur die 
von Prof. Schmaltz angeführten Punkte in Betracht, sondern 
ein Teil der Landbevölkerung ist in dem festen Glauben be¬ 
fangen, daß nur der Tierarzt, der als Beschauer angestellt ist, 
in dem betreffenden Bezirke die Praxis ausüben darf), suchte 
ich die Erlaubnis zur Begutachtung der Notschlachtungen auf 
Grund des § 7 nach. Ein Landratsamt erklärte sich nicht für 
zuständig, teilte mir aber gleichzeitig mit, daß auch der Re¬ 
gierungspräsident vorläufig von seinem Recht der Erlaubnis¬ 
erteilung prinzipiell keinen Gebrauch mache. Und in der Tat 
erhielt ich auf mein eingehend begründetes Gesuch die Antwort: 
Die Erlaubnis zur Begutachtung der Notschlachtungen innerhalb 
Ihres Praxisbezirks kann Ihnen von Landespolizeiwegen nicht 
erteilt werden. 

Der § 7 ist da, es wird aber vorläufig von ihm kein Ge¬ 
brauch gemacht! Ob alle Regierungspräsidenten im gleichen 
Sinne entscheiden, entzieht sich natürlich meiner Kenntnis. 

Dagegen kann ich zum Kapitel „Stellvertretung bei Be¬ 
urlaubung“ nur günstiges berichten. 

Im Kreise Teltow, dem größten der preußischen Monarchie, 
ist 8. Z. eine mustergültige, nachahmungswerte Einteilung der 
Beschaubezirke getroffen worden, obgleich sich bei der Aus¬ 
dehnung des Kreises Schwierigkeiten genug der Einführung der 
Fleischbeschau auf dem Lande in den Weg gestellt haben. 
Im besonderen hat dieser Kreis im Gegensatz zu anderen das 
Laienelement nur dort, wo es ohne dasselbe unbedingt nicht 


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3. September 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 569 


ging, zugelassen and keinem seiner Tierärzte zugeinutet, den 
Stellvertreter des Laien zu machen. Die Folge dieser richtigen 
Auffassung des Fleischbeschangesetzes ist es aber dann, daß 
bei Beurlaubungen die Ausübung der Gesamtbeschau, nicht nur 
der tierärztlichen und Ergänzungsbeschau, dem approbierten 
Vertreter übertragen wird, wie es in diesem Sommer allgemein 
im Kreise Teltow geschehen ist. 

Herr Prof. Dr. Schmaltz hält dafür, daß diese Auffassung 
nicht überall geteilt wird, uni glaubt selbst, daß der ein für 
alle mal zum Vertreter bestellte Laienbeschauer auch während 
einer Beurlaubung des Tierarztes die Funktionen des letzteren 
zu übernehmen hat. 

Wie aber nun, wenn der empirische Beschauer (einer ist 
gewöhnlich in kleinen Landstädten nur angestellt) zeitweis be¬ 
hindert ist, wer soll den dann vertreten ? Der nächste Laien¬ 
fleischbeschauer wohnt zu weit entfernt, (hier z. B. 9 km) um 
eine größere Fleischbeschau ohne bestimmte Schlachtstunden 
von seinem Wohnort aus besorgen zu können. Man nimmt dann 
doch wohl seine Zuflucht zum Tierarzte, der vertretungsweise 
praktiziert! Derselbe avanciert dann zum Stellvertreter vom 
Stellvertreter! Gewiß kein wünschenswerter Zustand! 

Der LaieDfleischbescbauer hat nach meiner Meinung nur als 
Notbehelf zu dienen und daher nur dort einzuspringen, wo zeit¬ 
weis kein Tierarzt zu haben ist. In allen anderen Fällen, auch 
wenn der Tierarzt selbst nur vertritt, hat er sich mit der zweiten 
Stelle zu begnügen. 

So wird auch am leichtesten allen Unzuträglichkeiten des 
Vertretungssystems vorgebeugt, denn sicher wird sich der Laien¬ 
beschauer die Gelegenheit, sich in das rechte Licht zu setzen, 
nicht entgehen lassen, wenn er als einziger mit Übergehung 
des Tierarztes Fleischbeschau ausüben darf. 

Sind in einer Stadt zwei Tierärzte ansässig, die sich gegen¬ 
seitig vertreten, so wird doch sicher bei Beurlaubungen des 
einen oder anderen der approbierte Vertreter einen Teil der 
Beschau übertragen bekommen, da ein Tierarzt allein die letztere 
nicht zu besorgen imstande wäre! Weshalb sollen nun die 
Kollegen, die notgedrungen mit einem Laien zusammen arbeiten, 
im Nachteil sein gegen diejenigen Kollegen, die ohne empirischen 
Beschauer fertig werden? 

Jedenfalls muß im Interesse des tierärztlichen Standes mit 
allen Mitteln dahin gestrebt werden, daß die im Kreise Teltow 
geltende Auffassung die allgemeine wird! 

Wie bei Beurlaubungen verschiedene Meinungen wegen der 
Vertretung Platz gegriffen haben, so ist auch die Frage: Wer 
bezahlt die Gebühren für die tierärztliche oder Ergänzungsbe¬ 
schau, der Eigentümer oder die Amtskasse, noch nicht definitiv 
entschieden! Es ist daher vielleicht nicht ohne Interresse, wenn 
ich hier noch den Bescheid eines Landratsamtes auf eben erwähnte 
Frage mitteile. Der betreffende Amtsvorsteher, der um Auskunft 
bat, hatte gleichzeitig betont, daß die zu zahlenden Gebühren 
das Vermögen der Amtskasse bedeutend überstiegen. Das Land- 
ratsamt antwortete: „Hat der Besitzer den Tierarzt direkt mit 
Umgehung des zuständigen Laienbeschauers requiriert, so hat 
der Besitzer auch selbst zu zahlen, ist dagegen zunächst der 
Beschauer hinzugezogen worden und dieser hat sich nicht für 
kompetent erklärt, dann fallen die Kosten der tierärztlichen 
Untersuchung der Amtskasse zur Last“. 

In einem Amtsbezirke, wo ein Laienfleischbeschauer amtiert, 
ist hiermit die Sache klargelegt, und die Insassen des Bezirks 


werden hiernach die Reihenfolge der Requisitionen so einrichten 
können, daß nur die Amtskasse zahlt. Ist aber der Tierarzt, 
wie-es mehrfach geschieht, zugleich Fleischbeschauer und Er¬ 
gänzungsbeschauer, so haben die Bewohner eines solchen Amts¬ 
bezirks die Gebühren für Begutachtung von Notschlachtungen 
stets aus eigener Tasche zu bezahlen, da ja ein Laienfleischbe- 
Bchauer, der zuerst hinzngezogen werden kann, nicht vorhanden ist. 

Solcher offenen Fragen, wie die eben erörterten, enthält 
das Fleischbeschaugesetz noch sehr viele, und es wird längere 
Zeit vergehen, bis die Praxis alles geklärt und die richtige 
Antwort ausfindig gemacht hat. 

Stellvertretung in der Fleischbeschau bei längeren 
Beurlaubungen. 

In Nr. 34 der B. T. W. ist die Ansicht vertreten, daß bei 
längerer Abwesenheit eines als Fleischbeschauer bestellten Tier¬ 
arztes der für Behinderungsfälle ernannte Stellvertreter die 
Vertretung beanspruchen könnte. Sollte diese Ansicht zutreft'en, 
so müßte mit aller Energie eine Änderung dieses Zustandes 
angestrebt werden. Die Vertretung für längere Zeit ist in einem 
vielbietenden Bezirk von einem andern Beschauer gar nicht 
auszuführen. Andrerseits ist für den Abwesenden der Nachteil 
zu groß. Am Rhein besteht in den meisten Orten das tier¬ 
ärztliche Einkommen zu 3 / 4 — 4 /r, aus der Fleischbeschau, nur 
der kleine Rest aus Privatpraxis. Wird nun z. B. der Tierarzt 
zu einer achtwöchentlichen Übung eingezogen, so muß er für 
seine kleine Praxis einen Vertreter nehmen, der kaum das Essen 
verdient, während der mit der Fleischbeschau-Vertretung beauf¬ 
tragte Nachbar-Kollege die Einnahmen bat, aber die Arbeit neben 
der Besorgung seines eignen Beschaubezirkes wohl auf einige 
Tage, aber nicht auf Wochen leisten kann; deshalb ist es auch 
ganz ausgeschlossen, daß er etwa zugleich die Vertretung in der 
Privatpraxis mit übernehmen könnte. 

Die zweckmäßige Regelung dieses wichtigen Punktes wird, 
wenn nicht eher, jedenfalls von den Herren Departements-Tier¬ 
ärzten in dem Bericht erörtert werden können, den der Herr 
Minister über die Wirkung der Fleischbeschau-Gesetzgebung zum 
15. März 1904 eingefordert hat. S.-L. 

Anmerkung. 

Ich möchte betonen, daß ich die von dem Kollegen S. in L. 
eingangs erwähnte Ansicht nicht „vertreten“, d. h. verfochten 
habe, sondern nur konstatiert habe, daß diese Ansicht bei den 
Behörden, denen die Bestellung der Beschauer obliegt, vielfach 
besteht und auch in den gesetzlichen Bestimmungen eine Stütze 
findet. Daß dies dem betroffenen Tierarzt großen Nachteil 
bringt und eine günstigere Regelung erwünscht wäre, ist gewiß. 
Es ist das einer der Punkte, mit welchen sich die Zentral¬ 
vertretung in ihrer Frühjahrs Versammlung zu befassen haben 
wird. Im übrigen hat Herr Kollege S. nur den bestimmten Fall 
im Auge, daß der Fleischbeschauer eines Nachbarbezirkes Ver¬ 
treter ist. Gerade in diesem Falle wird sich aber die Regelung 
in seinem Sinne am leichtesten bewirken lassen, weil eben ein 
Beschauer zwei Bezirke so lange nicht versehen kann; mau 
wird daher dem Wunsche des zu beurlaubenden Tierarztes 
wahrscheinlich meistens nachkommen und seinen Vertreter in 
der Praxis auch zuin Vertreter in der Fleischbeschau bestellen. 
Erheblich anders und schwieriger liegt der Fall aber, wenn in 
dem Fleischbeschaubezirk des zu beurlaubenden Tierarztes ein 
Stellvertreter (meist wohl ein Laie) bestellt ist, der gar keinen 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. .‘16 


570 


eignen Bezirk hat, der also sehr wohl in der Lage ist, die Be¬ 
schau auszuftihren, der vielleicht bisher als Stellvertreter sehr 
wenig verdient hat und es nun natürlich bitter empfinden würde, 
wenn ihm die vorübergehend winkende reichlichere Einnahme 
durch Bestellung eines andern Stellvertreters entzogen würde. 

Schmaltz. 

Zum Schlachtviehyersicherungsgesetz. 

Von Dr. Kopp, 

Sudttierarzt und Schlachthauslnapektor ln Metz. 

Der Vorschlag durch die Schlachtviehversicherung, ein Korrektiv 
für die Folgen der Fleischbeschau allgemein einführen zu müssen, 
gewinnt immer greifbarere Gestalt. 

Landwirte und Viehhändler, Metzger und Kommissionäre sind 
sich längst des Nutzens dieser Versicherungsart bewußt, deren Vor¬ 
teile für mittel- und unmittelbar Interessierte ebenso sehr von der 
Regierung anerkannt sind. 

Die Schlachtviehversicherung muß allgemein eingeführt werden! 
Über diesen Punkt herrscht kein Zweifel. Nur über die Art und 
Weise der Organisation liegt man sich in den Haaren. Hier sieht 
man in der staatlichen, dort in der privaten Schlachtviehversicherung, 
hier in dem vorgeschriebenen Zwang, dort in der selbstauferlegten 
Verpflichtung ein Heil! So löst ein Wort das andere ab. Die Parteien 
stehen sich gegenüber, und doch liegt die Möglichkeit des Kompro¬ 
misses vor, der allen Teilen und Anforderungen gerecht werden dürfte. 

Auf diesen erlaube ich mir hiermit aufmerksam zu machen, haupt¬ 
sächlich aus dem Grunde, weil ein Teil der in meiner Arbeit über 
die Schlachtviehversicherung*) gegebenen Ausführungen in einer 
an das preußische Abgeordnetenhaus geschickten Eingabe als Be¬ 
gründung dienten, ohne den vollen Gedankengang zu wiederholen, 
der gerade auf die Möglichkeit des Kompromisses hinweist. 

Ausgehend von der Erklärung des Wesens und Nutzens der 
Schlachtviebversicherung im allgemeinen und weiterhin der ver¬ 
schiedenen Organisation der bestehenden privaten und staatlichen 
Einrichtungen dieser Art, gebe ich unter Betrachtung der den Wert 
dieser Institute beeinflussenden Momente mein Urteil in folgenden 
Worten ab: Das ist nun der Vorzug der lokalen Privatversicherungs- 
gesellschaften, daß sie bezüglich der relativ geringen Prämiensätze 
und besonders dem weitgehenden Entschädigungsmodus von keiner 
anderen Schlachtviehversicherung Ubertroffen werden, und dieses 
wird ihnen nur dadurch ermöglicht, daß sie, für einen begrenzten 
Wirkungskreis bestimmt, für ihre Mitglieder zu einer (sit venia verbo) 
freiwilligen Zwangsschlachtviehversicherung wird, an deren Weiter¬ 
bestehen jedes Mitglied arbeitet. Genaue tierärztliche Beurteilung 
der aufzunehmenden, versicherungspflichtigen Tiere, Ausscheidung 
aller derer besonders, deren Schlachtung an eine Notscblachtung 
erinnert, eine bis in die Einzelheiten streng durchzuführende Kontrolle 
und die auf Grund des lokalen Charakters ermöglichte Vereinfachung 
des ganzen Verwaltungsapparates, bilden die Hauptvorzüge dieser 
Privatversicherungsanstalten. Gründliche Kenntnis der lokalen 
Schlacht- und Handelsgebräuche und des sich gewöhnlich gleich¬ 
bleibenden Materials der aufgetriebenen Schlachttiere unterstützen 
weiterhin den soliden Aufbau dieser Versicherungen und wirken 
mit obigen Momenten auf die Höbe der Prämien und die Ent¬ 
schädigungsart günstig ein. 

Ich erkläre weiterhin, daß das Wesen und die Aufgaben der 
Schlachtviehversicherung überhaupt von so weittragender Bedeutung, 
so umfassender Art, so selbständiger Natur und so grundverschieden 
von denen der Lebensversicherung seien, daß von vornherein betont 
werden muß, daß eine Viehlebendversicherung selbst in besonderer 
Abteilung keine Schlachtviehversicherung betreiben kann, ohne 
durch die Verquickung beider Arten auf die Entwicklung der einen 
oder anderen schließlich hemmend einzuwirken. Dasselbe gilt für 
die staatlichen Institute in Baden und Bayern. Auch mit der 
sächsischen Einrichtung kann ich mich nicht befreunden, solange 
nicht, bis die Entschädigung notgeschlachteter Tiere gänzlich auB . 

*) Die Schlachtviehversicherung, ihre Bedeutung, Organisation 
und Verwaltung. — Im Kommissionsverlag von Richard C. Schmidt 
& Cie, Leipzig 1902. — 2 M. 


geschlossen ist. Denn die Schlachviehversicherung soll überhaupt 
nur zur Versicherung der für gewerbliche Schlachtung abgeführten 
Tiere dienen. Haus- und Notschlachtungen sind unter allen Um¬ 
ständen auszuschließen. Obwohl nun der dem preußischen Ab¬ 
geordnetenhause vorgelegte Entwurf eines Zwangsschlachtvieh¬ 
versicherungsgesetzes von einer Entschädigung der Notschlachtungen 
absieht und trotzdem diese staatliche Schlachtviehversicherung auf 
dem Prinzip der Schlachviehversicherungen auf Gegenseitigkeit 
beruhen würde, so sehe ich doch in den preußischen Provinzial¬ 
verbänden ausgehend gedachten preußischen staatlichen Zwangs- 
schlachtviehversicherung in der dem Entwurf entsprechenden Art 
durchaus nicht die richtige Lösung der ganzen Schlachtviehver- 
sicberungsfrage. 

Abgesehen von den bedenklichen Lücken des Entwurfes (ich 
erwähne als Schlagwörter: Fragliche Kontrolle des nicht ver¬ 
sicherungspflichtigen, ausländischen, d. h. nicht preußischen Viehes, 
fraglicher Begriff der Notschlachtungen, Doppelversicherungen), ist 
die in dem Entwurf vorgesehene Organisation der staatlichen 
Schlachtvieh Versicherungsanstalt mit ihrem Verwaltungsausschuß, 
bestehend aus den Fleischbeschauern, Ortspolizeibehörden, Kreis- 
verBicherungsausschüssen, mit ihren Kontroll- und Beschwerde¬ 
instanzen eine derartig umständliche, daß ich mir von dem Gesetze, 
sofern es angenommen würde, dieselbe Unpopularität verspreche, 
die das Invalidität s- und Altersversicherungsgesetz erfahren hat. 

Entgegen der Tendenz nach Einrichtung einer staatlichen 
Zwangsschlachtviehversicherung schlage ich daher die Gründung 
von lokal wirkenden Privatversicherungsanstalten vor und füge 
weiterhin an, daß, wenn auf diese Weise in einem Lande an den 
verschiedenen Orten Schlachviehversicherungsanstalten errichtet 
werden, diese unter Bildung eines Landesverbandes zur Besprechung 
und Vertretung gemeinschaftlicher Interessen zusammen gefaßt werden 
können, unter dem Namen: „staatliche Schlachtvieh Versicherung.“ 
Denn abgesehen davon, daß ich es als eine Pflicht der Regierung 
halte, zur Wahrung der Interessen der Landwirte, Viehzüchter, 
Händler, Metzger und des konsumierenden Publikums diese Anstalten 
einer fortgesetzten Kontrolle und Interessenvertretung zu unter¬ 
stellen, erkläre ich mit Prof. Siedamgrotzky, daß staatliche 
Schlachtviehversicherung nichts anderes bedeute, als daß der Staat 
selbst die Oberleitung übernimmt. Im übrigen kann die Sache 
verschieden organisiert werden, indem unter dieser staatlichen 
Leitung und durch staatlichen Zwang unterstützt, die Beteiligten 
selbst die Versicherung im einzelnen durchführen. 

Darin liegt gerade der Kernpunkt des Kompromisses! 

Von der Voraussetzung ausgehend, daß die Einrichtung der 
lokalen, selbständig arbeitenden, aber unter Gruppenbildung (Kreis-, 
Bezirks-, Provinzialverband) zu einem Ganzen (Landesverband) 
zusammengefaßten Schlaclitviehversicherungen als die zweckent¬ 
sprechendste der verschiedenen Schlachtviehversicherungsarten an¬ 
erkannt wird und überzeugt, daß die lokalen Schlachtviehver- 
sicherungen am geeignetsten von den Metzgern gebildet werden*), 
fasse ich nunmehr meine Vorschläge in folgende Sätze ein: 

1. In der Erkenntnis des allseitigen Nutzens der Schlacbtvieh- 
versichernng ist dahin zu wirken, daß die Regierung zunächst in 
allen Städten mit über 10000 Einwohner einen lokalen Schlachtvieh¬ 
versicherungsverein ins Leben ruft und desgleichen zur Versicherung 
der auf dem platten Lande (mit Einschluß kleinerer Orte) zur 
Schlachtung gebrachten Tiere für je einen oder auch mehrere, durch 
einen Fleischbeschauer versorgte, benachbarte Fleischbeschaubezirkc 
eine Schlachtviehversicherungsgesellschaft gebildet wird, wozu hier 
wie dort die Vereinigung der Metzger am geeignetsten erscheint. 

2. Die Mitglieder der Schlachtviehversicberungen müssen alle 
von ihnen zur Schlachtung gebrachten Tiere dem Fleischbeschauer 
resp. zuständigen Tierarzt vorführen. (Verfahren AusfÜhrgs.-Best. 
z. Fl.-B. G. § 1-15.) 

3. Alle hierbei krank befundenen, versicherungspflichtigen 
Tiere werden aus der Versicherung ausgeschlossen. Versicherung 

*) Siehe Kapitel IV der oben zitierten Arbeit, zu dem ich hinzu¬ 
fügen will, daß den örtlichen Verhältnissen angepaßt gegebenenfalls, 
ohne dem Ganzen Abbruch zu tun, die Schlachtviehversicherung 
von einer anderen Interessentengruppe gebildet werden kann. 


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3. September 1903. 

von not- oder hausgeschlachteten Tieren findet unter keinen Um¬ 
ständen statt 

4. Es bleibt sich nun gleich, ob die Versicherungsprämie, die 
bei der Anmeldung sofort zu entrichten ist, vom Verkäufer oder 
Käufer, vom Landwirt oder Metzger entrichtet wird, da dieser 
Betrag bei dem Kaufgeschäft von der einen wie der andern Partei 
im Angebot in Betracht gezogen wird und schließlich vom Kon¬ 
sumenten (zu dessen Nutzen die Fleischbeschau ja geschieht) in 
letzter Instanz vergütet wird. 

5. Ergibt sich nach dem Schlachten, daß das Fleisch des ab¬ 
geschlachteten, versicherten Tieres für den Genuß des Menschen 
ganz oder teilweise unbrauchbar ist, so geht mit der Beanstandung 
das betreffende Tier in den Besitz des Vereins über, in dessen 
Nutzen die etwaige weitere Verwertung erfolgt. Dagegen zahlt 
die Versicherung dem Versicherungsnehmer den Ankaufspreis des 
betreffenden Schlachttieres, sowie die für dasselbe erlegten Schlacht¬ 
gebühren zurück. Ergibt sich beim Schlachten die Unbrauchbar¬ 
keit einzelner Organe oder Fleischteile, so erfolgt die Entschädi¬ 
gung nach festgesetzten Sätzen. 

6. Für jede Schlachtviehversicherungsgesellschaft ist die Höhe 
der Prämien auf Grund der örtlichen Statistik (Verhältnis von 
Schlachtungszahl und Beanstandungsziffer) zu berechnen. Die 
Schlachtviehversicherungen eines Kreises, eines Bezirks treten zu 
einem Kreis- bzw. Bezirksverband, die verschiedenen Bezirks¬ 
oder Kreisverbände zu einem Provinzial-, die verschiedenen Pro¬ 
vinzialverbände zu einem Landesverband zusammen. Eine jede 
Schlachtviehversicbernngsgesellschaft arbeitet aber selbständig. 
Unter Berücksichtigung des Grundsatzes, daß jeder Gewinn für die 
einen wie für die andern vollständig auszuschließen ist, dürften 
die Einnahmen über ein gewisses Maß die Ausgaben nicht über¬ 
steigen; eventuell sind die Prämien herabzusetzen. Von den er¬ 
laubten Überschüssen ist, wenn diese vorhanden, ein Teil an die 
nächBtstehende Verbandsleitung abzuführen. Der Rest dient zur 
Bildung eines Reservefonds, dessen Höhe ebenfalls begrenzt ist. 
Jede Verbandsleitung besteht aus je einem Regierungsvertreter, 
Tierarzt, Landwirt, Metzgor und Händler, und ist für ihren Bezirk, 
ihren Kreis, ihre Provinz etc. zuständig. Ihre Aufgabe ist neben 
der Kontrollfühiung und Interessenvertretung der Anstalten ihres 
Verwaltungsbezirks wesentlich die zur Verhütung allzuschwankendcr 
Prämiensätze die momentan mit Unterbilanz arbeitenden Schlacht- 
viehversicherungcn ihres Bereiches aus der Verbandskasse zu unter¬ 
stützen und für einen möglichst einheitlichen Gebührensatz zu sorgen. 

In dieser Weise dürfte die Schlachtviehversicherungsfrage am 
praktischsten zu lösen sein und würden, so ausgeführt, die geringsten 
Anforderungen an die Regierung selbst gestellt werden, da es längst 
bewiesen ist, daß die lokal, selbständig arbeitenden Schlachtvieh¬ 
versicherungen auch ohne staatliche Subvention ihren Aufgaben 
gerecht werden, im übrigen gerade ihnen der Vorzug zukommt, am 
einfachsten organisiert zu sein, in der Entschädigungsart dem Ver¬ 
sicherungsnehmer am meisten entgegenzukommen und am billigsten 
arbeiten zu können. 

XI. Internationaler Congress für Hygiene und Demographie, Brüssel. 

2.-8. September 1903. 

II. Abteilung. Nahrungsraittelhygiene: Chemie und 
Veterinärwissenschaft in ihrer Anwendung auf die Hy¬ 
giene. 1. Welche Krankheiten der Schlachttiere machen das Fleisch 
derselben ungeeignet für die Ernährung? Welche von den be¬ 
treffenden Fleischsorten können zum Genuß zugelassen werden, 
nachdem sie sterilisiert sind? Welche Fleischsorten müssen unbe¬ 
dingt vernichtet werden? 2. Regelung des Verkaufs der für die 
Ernährung bestimmten Milch; Untersuchung der Ursachen, welche 
eine Veränderung der chemischen Zusammensetzung der Milch be¬ 
wirken; die Maßnahmen zur Verhinderung des Verkaufs minder¬ 
wertiger Milch; Organisation der Milchkontrolle; analytische Me¬ 
thoden. 3. Die Sterilisation der für die Ernährung bestimmten 
Konserven; Bedingungen, unter denen die Sterilisation ausznfübren 
ist; Nachweis der Sterilität Ist ein gewisser Gehalt antiseptischer 
Mittel in Konserven, die nicht sterilisiert werden können, znge- 
lassen? Im bejahenden Falle, welche Antiseptika dürfen verwandt 
werden? 4. Zu beobachtende Vorschriften und technische Ver- 


571 

fahren zum Zwecke der Vernichtung pathogener Mikroorganismen 
in der Milch, ohne daß die Qualität und Wert der lezteren ver¬ 
ringert wird. (Auszug aus dem Technischen Gemeindeblatt 
Nr. 20 vom 20. 1. 03). 

Betohlüsse der Vorstände der preussisohen Landwirtschaftskammern. 

In der am 7. und 8. Juli d. J. zu Danzig stattgefnndenen 
Konferenz wurden u. a. folgende Beschlüsse gefaßt: 

I. Die Vorstände der preußischen Landwirtschaftskammern 
erklären es für ein dringendes Bedürfnis, daß zur rascheren und 
besseren Orientierung über die Höhe des Fleischkonsums auf 
Grund der Ergebnisse der Schlachtvieh- und Fleischbeschau eine 
Statistik über die Anzahl der Schlachtungen in Deutschland fort¬ 
laufend angefertigt und dieselbe in regelmäßigen Zwischen¬ 
räumen, möglichst alle Vierteljahre, veröffentlicht wird. Mit der 
ersten derartigen Zusammenstellung, welche ausnahmsweise für 
die Zeit vom 1. April bis 1. Oktober 1903 anzufertigen wäre, 
würde zweckmäßig eine zahlenmäßige Zusammenstellung der Be¬ 
anstandungen und Verwerfungen auf Grund des. Fleischbeschau- 
gesetzes zu verbinden sein, um einen Überblick zu bekommen, 
in welchem Maße durch das Schlachtvieh- und Fleischbeschau¬ 
gesetz privates Eigentum im Interesse einer gesunden Volks¬ 
ernährung vernichtet bezw. entwertet wird. 

II. Die Konferenz spricht sich wiederholt dahin aus: 

1. daß der Erlaß des Schlachtviehversicherungsgesetzes 
in Preußen zu beschleunigen ist; 

2. daß unter Abänderung des preußischen Ansftihtnngs- 
gesetzes die Kosten der Fleischbeschau anf den Staat 
zu übernehmen sind. 

Die Stellung des XIV. oetpreussleohen Stfidtetagee zu § 5 und § 14 
des preiMsischen Ausführungsgesetzes vom 28. Juni 1902. 

Auf dem am 8. und 9. Juni d. Js. in Rastenburg abge- 
baltenen von über 100 Vertretern ostpreußischer Städte besuchten 
Stiidtetage sprach Herr Stadtrat Dr. Berg-Königsberg über die 
städtische Fleischbeschau nach dem neuen Fleischbeschaugesetz 
und empfahl die Annahme folgender Resolution: 

1. Die Freizügigkeit des Fleisches ist zu beschränken anf 
solches, welches durch Tierärzte untersucht worden ist, die mit 
voller Besoldung als Fleischbeschauer angenommen sind. Nur 
für dieses Fleisch soll die Nachuntersuchung auf Unverdorbenheit 
genügen, alles andere Fleisch aber wie bisher einer völligen 
Untersuchung durch Schlachthoftierärzte der Verbrauchsgemeinde 
unterliegen. 

2. Das auswärts geschlachtete, in Schlachthofsgemeinden 
eingeführte Fleisch darf nicht besser gestellt sein, als das anf 
dem Schlachthofe selbst geworbene Fleisch. 

Redner schloß mit dem Wunsche, daß die neuen Fleisch¬ 
beschaugesetze ihrer ursprünglichen Absicht gemäß eine allseitige 
Verbesserung der Volksernährung und der sanitären Zustände 
bringen werden, daß dabei aber die drohende Schädigung der 
Städte, insbesondere der Großstädte, noch abgewendet werden wird. 

, In der Diskussion führte Departementstierzarzt Dr. 
Mehrdorff aus, die von dem Referenten angeführten, durch den 
Fortfall der Gebühren hervorgerufenen materiellen Nachteile 
seien zwar vorhanden, aber doch nach seiner Meinung nur für 
die großen, nicht für die mittleren und kleinen Städte. Im 
übrigen herrscht auch an maßgebender Stelle bereits die Über¬ 
zeugung, daß die materielle Schädigung der großen Schlachthof¬ 
gemeinden repariert werden müsse. Sanitäre Bedenken könne 
er unter keinen Umständen zugeben. Für Ostpreußen werde die 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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572 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 36. 


Konsequenz des Gesetzes sein, dal) weniger lebendes Vieh und 
mehr geschlachtetes Fleisch exportiert werden würde. — Herr 
Oberbürgermeister Pohl-Tilsit stellte sich demgegenüber durch¬ 
aus auf den Standpunkt des Referenten, schon im Interesse 
einer genügenden Kontrolle. Er w'ürde höchstens ein Amendement 
dahin abzielend für wünschenswert erachten, daß nur dasjenige 
Fleisch freizügig sein soll, das in öffentlichen, von Tierärzten 
geleiteten Schlachthäusern untersucht ist. — Nach weiterer 
kurzer Diskussion, in der auch Herr Erster Bürgermeister Körte 
und Herr Bürgermeister Barkowski-Gumbinnen für die Thesen 
des Referenten eintraten, wurden diese unverändert und mit 
großer Mehrheit angenommen. 

Die Bestimmungen der §§ 5 I und 14 II des P. A. haben 
für die Städte mit öffentlichen Schlachthäusern Nachteile in 
sanitärer und wirtschaftlicher Hinsicht im Gefolge. Unter ihrer 
Einwirkung wird 1. die Kontrolle des Fleisch Verkehrs in den 
Schlachthausgemeinden leiden, weil das Ergebnis der außerhalb 
eines Schlachthauses vorgenommenen Untersuchung, auch wenn 
sie von approbierten Tierärzten ausgeführt wird, nicht der im 
öffentlichen Schlachthause geübten Beschau für gleichwertig er¬ 
achtet werden kann; 2. die Rentabilität der Schlachthäuser wird 
durch diese Bestimmung in Frage gestellt, weil den Städten 
nicht nur ein erheblicher Ausfall der Untersuchungsgebühren 
bevorsteht, sondern auch infolge der Zunahme der Einfuhr von 
gebührenfreiem Fleisch ein Rückgang in der Benutzung der 
Schlachthäuser zu erwarten ist. Die Neigung der Städte, öffent¬ 
liche Schlachthäuser zu errichten, wird infolgedessen abnehmen. 
Zur Verhütung dieser den allgemeinen Interessen wider¬ 
sprechenden Folgen ist es daher erforderlich, daß die Be¬ 
stimmungen der §§ 5 I und 14 II des preußischen Ausführungs¬ 
gesetzes abgeändert und den Gemeinden mit öffentlichen 
Schlachthäusern die ihnen im § 2 des jetzigen Schlachthaus- 
gesetzes erteilten Befugnisse zurückgegeben werden. K. 

Städtische Schlachtviehversicherung in München. 

Einen Schritt voiwärts auf dem Gebiete der Schlachtvieh¬ 
versicherung bedeutet der Beschluß, welcher am 12. Mai d. J. im 
Münchener Magistratskollegium gefaßt wurde. Man ging dabei 
von dem Grundsatz aus, daß nur die Gemeindeverwaltung die 
geeignete Stelle für Einführung einer Schlachlviehvereicherung 
im städtischen Schlachthofe sei, weil sie in demselben schon eine 
feste Organisation besitze, an welche sich < in alienfalsiges Ver¬ 
sicherungsunternehmen nur anzuglicdern brauche. Durch diese 
Angliederung können die Verwaltungskosten auf ein Mindestmaß 
reduziert, und die Abwickelung der Geschäfte bedeutend vereinfacht 
werden. 

Für die Form einer solchen Versicherung ist in Betracht zu 
ziehen, daß die Gemeinden berechtigt siud, die Kosten, welche ihnen 
durch Vornahme der Fleischbeschau erwachsen, durch Gebühren 
zu decken. Zwecks Durchführung der Schlachtviehversicherung 
wurde deshalb beschlossen, die Scbaugebtihren, welche bis¬ 
her 10 Pf. für ein Stück Großvieh und 5 Pf. für ein Stück 
Kleinvieh betragen, zu erhöhen und sie auf 1 M. für ein Stück 
Großvieh und 15 Pf. für ein Kalb oder Schwein festzusetzen. 
Die aus dieser Erhöhung resultierende Mehreinnahme soll nicht der 
Geraeindckasse zu Gute kommen, sondern dazu verwendet w r erden, 
um den im Schlachthof schlachtenden Gewerbetreibenden die Ver¬ 
luste zu entschädigen, welche sie dadurch erleiden, daß das Fleisch 
des geschlachteten Tieres von Gesundheitspolizei wegen ganz oder 
teilsweise als für den menschlichen Genuß untauglich oder im 
Nahrungs- und Genußwerte erheblich herabgesetzt erklärt wurde. 
Diese Art des Vorgehens des Münchener Magistrats ist ein Fort¬ 
schritt auf dem Gebiete der Fleischbeschau, der ernsteste Beachtung 
erheischt. Die Durchführung der Fleischbeschau in den Schlacht¬ 


höfen wird durch eine solche Regelung der Entschädigungsfrage 
ungemein erleichtert und vielfachen Streitigkeiten zwischen den 
die Fleischbeschau ausübenden Sachverständigen und den Inter¬ 
essenten vorgebeugt. K. 

Schächtverbot. 

In der B. T. W. ist bereits mehrfach des Streites um das 
zu Angermünde in Brandenburg durch die Schlachthof-Betriebs¬ 
ordnung ausgesprochene Schächtverbot Erwähnung getan worden. 
Der Bezirksausschuß hatte die gegen jenes Verbot angestrengte 
Kiage zurückgewiesen. (Vgl. B. T. W. 1902, pag. 358.) 

Das Oberverwaltungsgericht hat die Entscheidung des Be¬ 
zirksausschusses bestätigt (Deutsche Fleischer-Ztg. 1. 7. 03) und 
dabei ausgesprochen: Die Befugnis zum Erlaß von Normativ¬ 
bestimmungen über die im Schlachthaus anzuwendende Schlacht¬ 
methode . ergebe von selbst die Berechtigung zu einem Verbot 
des Schäcbtens und keine ein öffentliches Schlachthaus unter¬ 
haltende Gemeinde brauche das Schächten zn erlauben. 

Damit ist die Schächtfrage in Preußen der örtlichen Re¬ 
gelung überantwortet, was schließlich auch sachlich das beste ist. 
Wo diese Schlachtmethode bei der überwiegenden Majorität der 
Bevölkerung Ärgernis erregt, hat es die Stadtverwaltung in der 
Hand, dem Rechnung zu tragen, und die Bürgerschaft ist in der 
Lage, darauf einen Druck auszuüben. Wo das nicht der Fall 
ist, bleibt das Schächten eben unangefochten. 

Verstoss gegen die Triohinenschau-Bestimmungen. 

Zur vorsichtigen und peinlich gewissenhaften Ausübung der 
Fleischbeschau seitens der Tierärzte malmt folgender Fall. 
Der oldenburgische Amtstierarzt Feldhus war, wie die „Allgem. 
Fleischerzeitung (Nr. 114 v. 22. 7. 03) berichtet, von einem 
Händler denunziert worden wegen pflichtwidriger Ausführung 
der Trichinenschau. Die (gegen den Händler) angestrengte 
Gerichtsverhandlung hat angeblich erwiesen, daß F. durch 
seine Magd habe Proben entnehmen und Schweine abstempeln 
lassen, sowie daß er selbst Schweine gleich nach der Proben¬ 
entnahme als untersucht abgestempelt habe. 

Verbot der Einfuhr von mit Borsäure behandeltem Fleisch in Frankreich. 

In den Veröffentlichungen des Kais. Gesundheitsamtes wird 
der Wortlaut eines bereits unterm 30. März 1898 ergangenen Rund¬ 
schreibens des französischen Ackerbauministeriums mitgeteilt, 
wonach die Einfuhr von Fleisch, welches mit Borax oder Bor¬ 
säure behandelt ist, auf Grund des Gutachtens einer besonders 
eiugesetzten Kommission verboten wird. 

Vieh- und Fleischzölle in Frankreich. 

Das von den französischen Kammern angenommene Gesetz 
setzt für Vieh und Fleisch einen neuen Gcneraltarif mit Minimal¬ 
tarif fest, der folgende Zahlen ergibt, welchen die bisherigen Sätze in 
Klammern bcigefiigt sind: Für je 1(K) kg Lebendgewicht: Rinder aller 
Art 30—20(10), Kälber udö Schafe 40—25 (12 resp. 15,5), Schweine 
25 15 (8), Lämmer unter 10 kg und Spanferkel unter 15 kg pro 
Stück 4—2,25 (1,50). Frisches Fleisch Für je 100 kg vom Hammel 
50—35 (32), Schwein 40—25 (12), Rind 50—35 (25). Gesalzenes 
Fleisch für 100 kg vom Rind und Schwein 50—30 (30 resp. 25 1 . 

Der Londoner Viehmarkt. 

Im Jahre 1902 wurden an inländischem Vieh 86 608 Rinder, 
519 552 Schafe, 2710 Kälber, 2158 Schweine und 8790 andere Tiere 
aufgetrieben. Auf dem Auslandsmarkt wurden gehandelt 186473 Tiere 
und 72 032 Schafe. Wegen Rückgang der ausländischen Viehzufubr 
bat die Beschickung des inländischen Marktes zugenommen. 


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3. September 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


573 


Berlin: Auszug aus dem Fleischbeschaubericht für die Monate Mai und Juni 1903. 




A. 

Schlachthof 


B. Untersuchungsstationen 


Rinder 

Jung¬ 

rinder 

Kälber 

Schafe 

Schweine 

Rinder¬ 

viertel 

Kälber 

Schafe 

(Ziegen) 

Schweine 

Geschlachtet und untersucht. 

20 458 

2 551 

30 632 

72 166 

146 493 

39 698 

18188 

4 275 

25 206 

davon 1. tauglich ohne Einschränkung 

11 055 

2 307 

30 270 

69 345 

131 407 

39 607 

18149 

4 271 

25 184'., 

„ 2. teilweise beanstandet .... 

8 876 

198 

173 

2 805 

14210 

— 

— 

— 

— 

„ 3. minderwertig. 

143 

17 

69 

6 

393 

18 

1 

— 

— 

„ 4. bedingt tauglich. 

236 

11 

17 

— 

343 

30 

— 

— 

6 

„ 5. nur Fett bedingt tauglich . . . 

— 

— 

— 

— 

(9021, kg) 

— 

— 

— 

— 

„ 6. untauglich. 

148 

18 

103 

10 

140 

43 

38 

3 (1) 

15« 

Wegen Tuberkulose teilweise beanstandet . 

5 389 

91 

87 

4 

5 377 

— 

— 

— 

— 

„ „ minderwertig .... 

75 

3 

9 

— 

361 

2 

— 

— 

— 

„ „ bedingt tauglich . . . 

216 

7 

16 

— 

292 

28 

— 

— 

3 

„ „ nur Fett bedingt tauglich 

— 

— 

— 

— 

(327 kg) 

— 

— 

— 

— 

„ ., untauglich. 

98 

9 

5 

— 

30 

11 

’ — 


-- 

Wegen Finnen minderwertig. 

63 

10 

1 

— 

3 

— 

— 

— 

— 

„ „ bedingt tauglich. 

20 

4 

1 

— 

21 

2 

— 

— 

— 

„ „ nur Fett bedingt tauglich 

— 

— 

— 

— 

(2245$ kg) 

— 

— 

— 

— 

Wegen Trichinen bedingt tauglich .... 

— 

— 

— 

— 

8 

— 

— 

— 

— 

„ „ nur Fett bedingt tauglich 

— 

— 

— 

— 

(316« kg) 

— 

— 

— 

— 


Berlin, den 8. Juni 1903. Der Direktor der städtischen Fleischbeschau. 

Reißmann. 


Der Einfluss des Fleischbeschaugesetzes auf die Fleischeinfuhr. 

Die amtliche Handelsstatistik für den Mai d. J., den ersten 
Monat, in dem sich die neuen Verordnungen usw. voll bemerkbar 
machen konnten, berichtet: Es betrug in Doppelzentnern zu 100 kg 


die Einfuhr im Mai 

1903 1902 1901 

frisches Rind- und Kalbfleisch . . . 6 82(5 10 774 11 254 

einfach zubereitetes Rind- und 

Kalbfleisch. 4 156 9 886 4 918 

frisches Schweinefleisch. 1 485 2 953 2 083 

einfach zubereitetes Schweinefleisch . 1 174 7 326 5 530 

Schweineschinkon. 634 3 037 1490 

Schweinespeck. 1 166 11 071 8188 

Schweineschmalz. 35 620 74 728 85 222 


Die Einfuhr ist also bei allen Artikeln, auf die die neuen Vor¬ 
schriften betr. die Fleischuntersuchung vornehmlich Anwendung 
finden, wesentlich zurückgegangen. Zu bemerken ist jedoch, 
daß die Einfuhr 1902 einen ganz ungewöhnlichen Hochstand 
erreicht hatte. 

Erlass betr. Beurteilung „nüchterner“ Kälber in Mecklenburg - Schwerin. 

Nach § 40 Nr. 5 der Ausfübrungsbestimmungen A des Bundes¬ 
rats zum Reichefleischbeschaugesetz ist „Unreife oder nicht ge¬ 
nügende Entwickelung der Kälber“ ein Mangel, bei dessen Fest¬ 
stellung das Fleisch als in seinem Nahrungs- und Genußwert 
erheblich herabgesetzt zu erklären und entsprechend zu kenn¬ 
zeichnen ist. Der Vertrieb und die Verwendung solchen Fleisches 
ist durch § 11 der Ausführungsverordnung vom 22. Dezember 1902 
zum Fleischbeschaugesetz gewissen Beschränkungen unterworfen 
worden. 

Nach einer von den zuständigen preußischen Ministerien an 
den Regierungspräsidenten von Schleswig erlassenen Verfügung ist 
das Fleisch „nüchterner“, d. h. unmittelbar oder kurze Zeit nach 
der Geburt geschlachteter Kälber nicht ohne weiteres als in seinem 
Nahrungs- und Genußwert erheblich herabgesetzt zu bezeichnen, 
vielmehr soll die bei der Schlachtung festgestellte Beschaffen¬ 
heit des Fleisches für die Beurteilung maßgebend sein. Als minder¬ 
wertig im Sinne des § 40 Nr. 5 der Ausführungsbestimmungen A 
des Bundesrats soll nach obiger Verfügung nur solches Kalbfleisch 
erachtet werden, das sich, abgesehen von schlechter Entwickelung 
des Muskelfleisches als schlaff, stark durchfeuchtet und graurot 
verfärbt erweist, auch sollte die MinderwertigkeitBerklärung nur 
erfolgen, wenn diese Merkmale in stärkerem Grade hervortreten. 


Zwecks Beseitigung der durch die gegenwärtige verschieden¬ 
artige Auslegung und Anwendung der Vorschrift des § 40 Nr. 5 
der Ausführungsbestimmungen A des Bundesrats betreffend die 
Minderwertigkeit des Fleisches unreifer oder nicht genügend ent- 
! wickelter Kälber hervorgerufenen Unzuträglichkeiten sind die 
Unterzeichneten Ministerien damit einverstanden, daß bis auf 
weiteres bei der Anwendung der gedachten Vorschrift im hiesigen 
Lande in gleicher Weise verfahren wird und fordert die Ortsobrig¬ 
keiten hierdurch auf, die von ihnen bestellten Fleischbescbauer mit 
entsprechender Anweisung zu versehen. 

Besonderer Fall von Milzbrandvergiftung. 

Nach einer in der „Allgemeinen Fleischerzeitung“ enthaltenen 
Notiz verstarb im Dorfe Röddenau in Kurhessen ein Einwohner an 
Milzbrand, welcher seine beiden Hunde mit dem Fleisch einer an 
Milzbrand gefallenen Kuh gefüttert hatte. Ein Hund, welcher eine 
Wunde an der Schnauze, hatte verendete ebenfalls an Milzbrand. 
Die Infektion des Mannes soll dadurch zustande gekommen sein, 
daß dieser Hund die Hand des Mannes, an der sich eine offene 
Wunde befand beleckt hatte. 

Zur Pfu 80 herfrage. 

Nichts fordert so sehr die Wachsamkeit der praktizierenden 
Tierärzte heraus, als die Gefahr der Entstehung eines sozusagen 
offiziellen Pfuschertunis. In dieser Beziehung sind hinsichtlich 
der Laienfleischbeschauer große Befürchtungen gehegt worden. 
Dieselben sind wohl auch keineswegs schon als ganz erledigt 
zu betrachten; es muß aber doch anerkannt werden, daß nament¬ 
lich durch § 11 Abschnitt B, der Bestimmungen des Bundesrats 
und durch § 51 der preuß. Ausführungsbestimmungen, wonach 
Tierkurpfuscher weder als Fleischbeschauer noch als Trichinen¬ 
schauer angestellt werden können, Ausartungen wirksam vor¬ 
gebeugt ist. Es ist aber wünschenswert, die Befolgung und die 
Wirkung dieser Bestimmung im Auge zu behalten und letztere 
möglichst zu verstärken. 

In dieser Beziehung ist es beachtenswert, daß z. B. im 
Regierungsbezirk Stettin den Fleischbeschauern auch die Vor¬ 
nahme von Rotlaufimpfungen verboten worden ist. 


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574 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 36. 


Tierzucht. 

Bestimmungen über die Haltung von Zuchtstieren 
im Herzogtum Anhalt. 

Die Stierhaltnng im Herzogtum ist geregelt durch das 
Gesetz vom 9. April 1902, welches in den B. T.W. 1902, 
pg. 274 veröffentlicht ist. Zu diesem Gesetze sind nachstehende 
Ansführungsbestimmungen ergangen. 

I. Verordnung vom 17. Februar 1903. 

Zur Ausführung des Gesetzes vom 9. April 1902 — No. 1147 der 
Gesetzsammlung —, betreffend die Haltung von Zuchtstieren, wird 
verordnet, was folgt: 

§ 1. Gemäß § 5 Abs. 1 des Gesetzes dürfen sowohl zur Paarung 
mit eigenen wie auch zur Paarung mit fremden Kühen und Färsen nur 
solche Zuchtstiere verwendet werden, deren Zuchttauglichkeit laut 
Körschein festgestellt ist. 

§ 2. Wer Zuchtstiere zur Paarung mit fremden Rindern hält, 
hat eine Sprungliste nach anliegendem Formular A zu führen und 
auf dem laufenden zu halten. 

§ 3. Der zur Benutzung kommende Sprungplatz soll so an¬ 
gelegt sein, daß ein Einblick von außen tunlichst verhindert wird. 

§ 4. Sämtliche Zuchtstierbesitzer haben alljährlich ihre kör¬ 
pflichtigen Zuchtstiere bis zu einem nach Einvernehmen der Kör¬ 
kommission von der Kreisdirektion zu bestimmenden und auf ge¬ 
eignete Weise in allen Gemeinden bekannt zu machenden Zeitpunkte 
bei dem Gemeinde- oder Gutsvorstande anzumelden. 

Dieser trägt die Anmeldung in ein nach beiliegendem 
Formular B anzulegendes Verzeichnis ein und übersendet dasselbe 
alsbald dem Kreisdirektor. 

Letzterer setzt hierauf zum Zwecke der Vornahme der Körung 
für die einzelnen Gemeinden Zeit und Ort der alljährlich einmal 
stattfindenden allgemeinen Schauterraine (Hauptkörung) fest und 
macht diese wenigstens acht Tage vor deren Beginn öffentlich 
bekannt Die so festgesetzten Schautermine sind hiernach in den 
einzelnen Gemeinden durch die Gemeinde- und Gutsvorstände all¬ 
gemein und durch besondere Eröffnung an alle diejenigen Zucht¬ 
stierbesitzer, welche ihre Zuchtstiere zur Körung angemeldet haben, 
bekannt zu geben. 

§ 5. In den Schautorminen sind der KörkommiBsion alle kör¬ 
pflichtigen Stiere in geeigneter Weise zur Prüfung vorzuführen. 

§ 6. Die Körung ist der Regel nach am Orte der Aufstellung der 
zu körenden Stiere vorzunehmen. 

Dieselbe hat den Zweck, festzustellen, ob die Stiere für die 
Gemeinde oder den Bezirk, in welchem sie verwendet werden 
sollen, tauglich sind. 

Als in diesem Sinne taaglich sind nur solche Stiere anzu¬ 
erkennen, welche 

a) gesund, sprungfähig und von Fehlern, die sich zu vererben 
pflegen, frei sind, 

b) eine ihrem Alter und ihrer Rasse entsprechende Körper¬ 
entwickelung haben und der Regel nach nicht unter 15 Monate 
alt sind, 

c) der in der Gemeinde maßgebenden Zuchtrichtung entsprechen 
— sofern sie nicht ausschließlich nur zum Decken der eigenen 
Kinder des Besitzers verwendet werden — und 

d) mit den weiblichen Tieren, mit welchen sie gepaart werden 
Bollen, in keinem zu nahen Verwandtschaftsverhältnis stehen. 

§ 7. a) Die Feststellung der Zuchttauglichkeit — Körung — 
der körpflichtigen Stiere hat in jedem Kreise oder Kör¬ 
bezirke (§ 6 d. Ges.) durch die Körkommission zu erfolgen. 

b) Jede Körkommission besteht aus dem Kreisdirektor oder 
dessen Stellvertreter als Vorsitzenden, dem Kreistierarzt und 
drei bis fünf sachverständigen Landwirten. 

Die Wahl der letzteren erfolgt durch den Kreisausschuß 
auf die Dauer von drei Jahren. Die Landwirtschaftskammer 
ist berechtigt, in die Körkommissionen einen Vertreter mit 
beratender Stimme zu entsenden. 

c) Die gewählten Mitglieder sind für die Dauer ihrer Wahl¬ 
periode durch den Vorsitzenden ein für allemal durch Hand¬ 
gelübde auf gewissenhafte Erfüllung ihrer Obliegenheiten 
zu verpflichten. Mitglieder, welche in gleicher Eigenschaft 
früher bereits verpflichtet wurden, sind auf diese Verpflichtung 
lediglich hinzuweisen. 

d) Die Kommission ist beschlußfähig, sobald drei Mitglieder 
derselben einschließlich des Vorsitzenden oder seines Stell¬ 
vertreters anwesend sind. Ihre Beschlüsse faßt die Kom¬ 
mission nach Stimmenmehrheit; bei Stimmengleichheit ent¬ 
scheidet die Stimme des Vorsitzenden. 

Bei Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Be¬ 
urteilung von Erbfehlern — mit Ausschluß von Fehlern im 
Körperbau — steht die Feststellung der ersteren unter Zu¬ 
grundelegung des Gutachtens des Kreistierarztes dem Vor¬ 
sitzenden allein zu. 


e) Der Vorsitzende eröffnet dem Beteiligten oder dessen Ver¬ 
treter nach erfolgter Beschlußfassung sogleich das Ergebnis 
der Schau. 

§ 8. Über das Ergebnis der sämtlichen Schauen bei den all¬ 
gemeinen Schauterminen ist alljährlich nach anliegendem Formular C. 
von dem Vorsitzenden der Körkommission ein Protokoll zu führen, 
welches für jede Gemeinde am Tage der Schau abzuschließen und 
von den Mitgliedern der Kommission zu unterzeichnen ist. Eine 
etwa vorhandene wesentliche Meinungsverschiedenheit der Kom- 
missionsmitglieder ist im Protokoll zu erwähnen. 

§ 9. Für jeden als zuchttauglich befundenen Zuchtstier stellt 
die Kreisdirektion auf Grund des ihr vom Vorsitzenden der Kör¬ 
kommission einzusendenden Protokolls (§ 8) dem Besitzer einen 
Körschein nach anliegendem Formular D aus. 

§ 10. Der ausgestellte Körschein ist, wofern er nicht wegen 
eingetretener Untauglichkeit des Zuchtstieres früher von der Kreis¬ 
direktion zurückgezogen wird, bis znr nächstjährigen allgemeinen 
Schau (Körperioae) gültig. 

Wird der für einen Zuchtstier, der zur Paarung mit fremden 
Rindern zugelassen ist, ausgestellte Körschein vor Ablauf der Kör¬ 
periode zurtickgezogen, so ist dies von der Kreisdirektion im amt¬ 
lichen Kreisblatte und im beteiligten Bezirke auf ortsübliche Weise 
bekannt zu machen. 

§ 11. Die Kreisdiroktion kann nach Einvernehmen der Kör¬ 
kommission und mit Zustimmung des Kreisausschusses anordnen, 
daß die von der Körkommission als zuchttauglich bezeichneten 
(gekörten) Zuchtstiere des Kreises sowohl mit einem von ihr zu 
bestimmenden Kennzeichen (Brandzeichen etc.) als auch mit einem 
Nasenringe zu versehen sind. 

§ 12. Wird ein Zuchtstier tür zuchtuntauglich erklärt und des¬ 
halb zurückgewiesen oder abgekört, so ist dies im Protokoll unter 
kurzer Angabe der Gründe zu bemerken. 

§ 13. Die zur Paarung mit fremden Kühen oder Färsen für 
zuchttauglich erklärten Stiere werden unter Angabe ihre3 Auf¬ 
stellungsortes (Station) und der Namen sowie des Wohnortes der 
Besitzer im amtlichen Blatte der Kreisdirektion nach Beendigung 
des Körgeschäfts alsbald bekannt gemacht. 

§ 14. Tritt vor Ablauf der Gültigkeitsdauer eines Körscheins 
innerhalb seines räumlichen Geltungsbereiches ein Wechsel des 
Besitzers ein, so ist dies auf Ersuchen des letzteren durch die 
Kreisdirektion auf dem Körschein zu bestätigen und im Protokoll 
entsprechend zu vermerken. 

§ 15. Wird im Laufe der Körperiode die Körung eines Stieres 
erforderlich, so hat der betreffende Besitzer die Anmeldung, wie 
zu den allgemeinen Schauen durch Vermittelung des Geineinde- 
vorstandes bei der Kreisdirektion zu bewirken, welche hierauf das 
Erforderliche veranlaßt. Die Ankörung kann in solchem Falle anf 
Grund der Besichtigung (Nachkörung) nur eines vom Kreisdirektor 
zu bestimmenden Mitgliedes der Körkommission mit Gültigkeit bis 
zum nächsten allgemeinen Schautermine erfolgen (§ 6, Abs. 3 des 
Gesetzes). 

Das beauftragte Mitglied bat über die vorgenommene Schau 
an den Vorsitzenden der Körkommission zu berichten und sich 
dabei hinsichtlich aller unter § 6 bezeichneten Erfordernisse, welche 
zu dem Begriffe der Zuchttauglichkeit gehören, zu äußern. Fehlt 
eine der daselbst gedachten Voraussetzungen, so hat die Kreis¬ 
direktion die Ausstellung eines Körscheins zu versagen. 

§ 16. Wird während der Gültigkeitsdauer des Körscheins ein 
Zuchtstier in einer anderen Gemeinde behufs Verwendung znr 
Zucht aufgestellt, so ist durch Vermittelung des Gemeindevorstandes 
des neuen Aufstellungsortes der Kruisdirektion unter Vorlegung 
des Körscheins alsbald davon Anzeige zu erstatten. 

Wenn ein Zweifel darüber vorliegt, ob der betreffende Zucht¬ 
stier fiir die Zuchtrichtung der Gemeinde paßt, oder ob derselbe 
seine Tauglichkeit noch besitzt, so kann die Kreisdirektion eine 
Besichtigung (Nachkörung) durch ein Mitglied der Körkommission 
anordnen, welches über das Ergebnis der Schau wie unter § 15 
Abs. 2 zu berichten hat. Die Kreisdirektion trifft dann hiernach 
ihre Entscheidung. 

§ 17. Wegen der Versagung des Körscheins (§§ 7e, 15, 16) 
steht dem Zuchtstierbesitzer gemäß § 6 Abs. 4, des Gesetzes unbe¬ 
schadet der Vorschrift im § 5 Abs. 2 daselbst nur das Rechtsmittel 
der Beschwerde zu. Diese ist innerhalb einer 14 tägigen rechts 
ausschließenden Frist, gerechnet vom Tage des eröffneten Be¬ 
schlusses der Körkommission, durch Vermittlung der Kreisdirektion 
bei uns anzubringen. 

Ergibt sich bei Prüfung der Beschwerde, daß die Voraussetzung 
des § 5 Abs. 2 des Gesetzes vorliegt, so wird jene zur Entscheidung 
dem Kreisausschusse zugestellt. 

§ 18. Die Körung sowie alle hierauf bezüglichen Verhandlungen 
und Ausfertigungen, einschließlich der Körscheine, sind gebührenfrei. 

Vorbehaltlich der Bestimmungen in Abs. 3 und 4 sind die für 
die tierärztlichen Mitglieder der Körkommission erwachsenden Kosten 
von der Staatskasse, die Kosten für die vom Kreisausschusse ge¬ 
wählten Mitglieder von der Kreiskommunalkasse (§ 6, Abs. 5 des 
Gesetzes) und die Kosten für den von der Landwirtschaftskammer 
in die Körkommission entsandten Vertreter von jener (§6, Abs. 1 
des Gesetzes) zu tragen. 


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B. September 1903. 


Die Kosten dcrjen’gcn außerterminlichen Körungen (Nach- 
köruugen), welche notwendig wurden, um die Zuchttauglichkeit von 
Stieren festzustellen, deren Anmeldung und Vorführung zum allge¬ 
meinen Schautermin (Hauptkörung) der Besitzer ohne triftigen Grund 
unterlassen hatte, sind von dem betreffenden Besitzer zu tragen. 
(§ 6, Abs. 2 des Gesetzes). 

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen, wenn die Be¬ 
schwerde verworfen wird, dem Beschwerdeführer zur Last. 

§ 19. Wer den vorstehenden Bestimmungen zuwiderhandelt, 
wird mit Geldstrafe bis zu 30 M. oder, weun dieselbe nicht bei¬ 
getrieben werden kann, mit entsprechender Haft bestraft, sofern 
nicht die in § 8 des Gesetzes vom 9. April 1902 enthaltene höhere 
Strafbestimmung in Anwendung zu bringen ist. 

§ 20. Gegenwärtige Verordnung tritt gleichzeitig mit dem Ge¬ 
setze vom 9. April 1902 in Wirksamkeit. 

Gleichzeitig treten die von den einzelnen Kreisen erlassenen 
kreispolizeilichen Verordnungen über die Zuchtstierkörung außer 
Kraft. 

II. Bekanntmachung vom 17. Februar 1903. 

Zur Ausführung des Gesetzes vom 9. April 1902 — No. 1147 
der Gesetz-Sammlung —, betreffend die Haltung von Zuchtstieren, 
werden nachstehende Bestimmungen getrotfen: 

Zu § 1. a) Gemeinden, bezüglich welcher die Voraussetzungen 
des § 1 Abs. 1 des Gesetzes vorliegen, haben, unbeschadet der 
etwa durch besondere Rechtstitel zur Haltung von Zuchtstieren 
verpflichteten Dritter, die dem Bedürfnis entsprechende Zahl von 
Zuchtstieren auf ihre Kosten anzuschaffen und zu unterhalten. 

b) Die Zahl der von der Gemeinde aufzustellcnden Zuchtstiere 
ist nach den besonderen Verhältnissen des einzelnen Falles sowie 
mit Rücksicht einerseits auf die Zahl der sprnngfähigen weiblichen 
Rinder (Kühe und Färsen) und andererseits auf die Leistungs¬ 
fähigkeit der betreffenden Zuchtstiere zu bemessen. 

Im allgemeinen ist festzuhalten, daß einem Zuchtstiere auch 
unter günstigen Verhältnissen in der Regel nicht mehr als 100 weib¬ 
liche Tiere zuzuweisen sind. 

Bei Bemessung der Zahl der zu haltenden Gemeindezuchtstiere 
ist die Zahl derjenigen sprnngfähigen Kühe und Färsen maßgebend, 
für welche nicht durch die Privatzuchtstierhaltung Vorsorge ge¬ 
troffen ist. 

c) Zunächst ist es Sache der beteiligten Viehbesitzer, für eine 
entsprechende Zuchtstierbaltung zu sorgen und die Zahl der auf- 
zustellenden Zuchtstiere zu bestimmen. 

Ein zwangsweises Eingreifen seitens der Gemeinde-Verwaltung 
und Gemeinde-Aufsichtsbehörde hat erst dann einzutreten, wenn 
zwischen der Zahl der zu deckenden Kühe und Färsen einerseits 
und der Leistungsfähigkeit der Zuchtstiere andererseits ein offen¬ 
bares Mißverhältnis besteht und die Beteiligten sich weigern, frei¬ 
willig Abhilfe zu schaffen. 

Dem Gemeindevorstande liegt ob, sich zu vergewissern, ob in 
der Gemeinde für eine den gesetzlichen Vorschriften entsprechende 
Zuchtstierhaltung Sorge getragen ist. Verneinendenfalls muß dessen 
Bestreben zunächst darauf gerichtet sein, tunlichst durch freie Ver¬ 
einbarung oder auf genossenschaftlichem Wege eine sachgemäße 
Regelung horbeizuftihren. 

Gelingt dies nicht, so bat der Gemeindevorstand an die zu¬ 
ständige Gemeinde-Aufsichtsbehörde über die Sachlage zu berichten, 
welche dann ihrerseits nach Prüfung der gegebenen Verhältnisse 
wegen Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen darauf hinzu¬ 
wirken sucht, daß dem Bedürfnisse entweder durch Beschaffung 
eines weiteren Zuchtstieres oder durch Anschluß an eine bestehende 
Genossenschaft oder an eine benachbarte Gimeinde oder an einen 
benachbarten Gutsbezirk Rechnung getragen wird. 

Gelingt es auf dem einen oder anderen Wege nicht, eine sach¬ 
gemäße Regelung herbeizuführen, so ist auf Grund der gesetzlichen 
Bestimmungen von Aufsichtswegen einzugreifen. 

Zu § 2. a) Die mit Genehmigung des Kreisausschusses zu¬ 
lässige Vereinigung einer Gemeinde mit einer oder mehreren be¬ 
nachbarten Gemeinden oder einem oder mehreren benachbarten 
Gutsbezirken zu einem Zuchtstierhaltungsverbande wird sich zwecks 
gemeinschaftlicher Zuchtstierhaltung insbesondere dann empfehlen, 
wenn der Viehbestand der einzelnen Gemeinden für die Haltung 


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je eines eigenen Zuchtstieres zu klein ist, und beschränkte wirt¬ 
schaftliche Verhältnisse vorhanden Bind. 

b) Die Vereinigung ist zunächst den Beteiligten selbst anheim¬ 
zugeben. 

c) ln Ermangelung einer freien Vereinbarung derselben kann 
diese Vereinigung zwangsweise vom Kreisausschuß nach Anhörung 
der Körkommissiou angeordnet werden. Diese Maßregel findet, 
soweit selbständige Gutsbezirke in Betracht kommen, keine An¬ 
wendung. 

Zu § 3. a) Wenn zur Bestreitung der Unterhaltungskosten der 
nach § 1 des Gesetzes von der Gemeinde zu beschaffenden Zucht¬ 
stiere aus besonderen Rechtstiteln herrührende Mittel nicht oder 
nicht ausreichend zur Verfügung stehen, hat die Gemeinde über 
die Deckung des erforderlichen Aufwandes zu beschließen. 

b) Die Gemeinde ist befugt, nach Bedarf ein angemessenes 
Dockgeld für die Benutzung dieser Gemeindezuchtstiere festzusetzen 
und von den betreffenden Viehbesitzern zu erheben. 

c) Soweit der Aufwand für die Unterhaltung der Gemeinde¬ 
zuchtstiere in vorgedachter Weise nicht gedeckt wird, ist der 
übrige Teil je nach Beschluß der Gemeinde entweder als Gemciude- 
last zu behandeln und aufzubringen, oder auf alle Besitzer der 
sprungfähigen mehr als ein Jahr alten weiblichen Rinder der Ge¬ 
meinde umzulegen und einzuheben. 

d) Wird die letztgenannte Art gewählt, so ist für die Beitrags¬ 
pflicht und deren Umfang in der Regel der jeweilige Besitzstand 
vom 31. Dezember jedes Jahres (§ 3 des Gesetzes) lür das in Be¬ 
tracht kommende Jahr maßgebend. Es bleibt jedoch dem Gemeinde¬ 
oder Gutsvorstande unbenommen, für die Aufnahme des Besitz¬ 
standes statt des 31. Dezembers eineu andern Tag im Kalender¬ 
jahre zu bestimmen, oder auch zu beschließen, daß die Aufnahme 
des abgabepflichtigen Viehbestandes zweimal im Jahre — in der 
ersten und in der zweiten Hälfte desselben — stattfindet; letzterenfalls 
sind die Kosten der Unterhaltung nach der sich aus beiden Zählungen 
ergebenden Durchschnittszahl des über ein Jahr alten weiblichen 
Rindviehbestandes zu verteilen. 

Bei Aufnahme des Besitzstandes hat der Gemeindevorstand 
eine Liste aufzustellen, in welcher die Namen der beitrags¬ 
pflichtigen Viehbesitzer und die Zahl der im Besitze jedes einzelnen 
befindlichen über ein Jahr alten weiblichen Rinder aufzuführen sind. 

Als „beitragspflichtig“ gelten alle Viehbesitzer der Gemeinde, 
welche über ein Jahr alte weibliche Rinder besitzen, und zwar 
auch hinsichtlich solcher, die nicht zur Zucht, sondern nur zur 
Mast- und Milcbgewinnung bestimmt sind. 

Als „Besitzer“ im Sinne des Gesetzes sind alle diejenigen an¬ 
zusehen, welche, sei es, als Eigentümer oder als Pächter oder 
sonstwie, die tatsächliche Herrschaft über die betreffenden Rind¬ 
viehstücke haben. 

e) Die Beschlüsse über die Höbe des Deckgeldes sowie über 
die Kostenaufbringung durch Verteilung auf den weiblichen Rind¬ 
viehbestand unterliegen gemäß § 3 des Gesetzes der Genehmigung 
der Gemeinde-Aufsichtsbehörde. 

f) Für Gemeinden, welche nach § 2 Abs. 2 und 3 des Gesetzes 
durch Beschluß des Kreisausschusses zu einem Zuchtstierhaltungs¬ 
verbande vereinigt worden sind, finden vorstehende Bestimmungen 
über die Aufbringung der Unterhaltungskosten entsprechende An¬ 
wendung. 

Zu § 4. a) Die Vergebung der Gemeindezuchtstiere hat, wenn 
deren Wartung nicht durch eigene Angestellte erfolgt, nur an zu¬ 
verlässige und bewährte Viehzüchter auf Grund eines schrift¬ 
lichen Vertrages zu erfolgen, in welchem die näheren Be¬ 
stimmungen über die Art der Haltung und Fütterung zu treffen sind. 

Die dem Zuchtstierhalter zu gewährende Vergütung ist so zu 
bemessen, daß es demselben möglich ist, ohne Verlust die Tiere 
zweckmäßig zu füttern und zu pflegen. 

Der Vertrag ist vor endgültigem Abschluß im Entwurf der 
Gemeinde-Aufsichtsbehörde vorzulegen, welche ihn auch darauf 
prüft, ob den weiteren gesetzlichen Bestimmungen ausreichend ent¬ 
sprochen wird. 

b) Auf die von Zuchtstierbaltungsverbänden oder von Bullen- 
haltungsgemeinschafien (§ 4 Abs. 2 des Gesetzes) gehaltenen Zucht¬ 
stiere finden diese Vorschriften sinngemäße Anwendung. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


Personalien. 

Auszeichnungen: Es wurden verliehen der preuß. Rote Adler¬ 
orden IV. Kl. dem Kreistierarzt Kobel zu Volkmarsen, Kreis Wolf¬ 
hagen, der preuß. Kroneuorden IV. Kl. dem Gestütinspektor Long 
zu Dillenburg, das Ritterkreuz II. Kl. des sächs. Albrechtsordens 
dem Bezirkstierarzt Kommissionsrat Ilöbcrt zu Annaberg und das 
Albrechtskreuz den Tierärzten Schmidt in Döbeln und Trost in Dohna. 


Ernennungen, Versetzungen: Die Kreistierärzte Zugehür zu Schönau 
und Höhne zu Grtinberg gegenseitig, Kreistierarzt Bahr von Barten¬ 
stein nach Tönning versetzt. Tierarzt Fischer , bisher in Eupen, 
zum 2. Assistenten am Institut der Landwirtschaftskammer in 
Halle, Tierarzt Äo/A-Leipzig zum Schlachthofleiter in Annaberg und 
Tierarzt Seigel aus Feudenheim zum Sladttierarzt in Heppenheim 
ernannt. 


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576 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 36. 


Wohnsitzverfinderungen, Niederlassungen: Niedergelassen haben 
sich die Tierärzte Hermann Ilcnnig in Charlottenburg, Friedberg¬ 
strasse 25 und Richard Schmidt in Misdroy an der Ostsee. — Ver¬ 
zogen sind die Tierärzte Rhein von Berlin als Schlachthofiicrarzt 
nach Kottbus, I)r. GoUlbcrgcr von Strehlen nach Krojanke i. Westpr. 
und Dr. Lux von Gotha nach Neuhausen. 

Examina: Promoviert wurden in Zürich zum Dr. med. vet. 
Amtstierarzt Dcnnhardt aus Kötschenbroda und Assistent an der 
tiei ärztlichen Hochschule zu Stuttgart Kiesel. — Approbiert wurden 
in Stuttgart die Herren Karl Schulz aus Schwoigerhof, Xaver Solger 
und Karl Ungcrcr. 

In der Armee: Befördert: Herbst, Oberroßarzt und technischer 
Vorstand d. Militärlchrschmicde zu Hannover, zum Korpsroßarzt des 
VII. Armeekorps; Moll, Roßarzt v. 15. Ulan.-R. zum Oberroßarzt, 
Garloff, Unterroßarzt von dems. R., zum Koßarzt unter Vers, zur 
Mascbinengewehrabteilung 2. — Versetzt: Die Obcrroßärzte Gärte 
vom 15. Hus.-R. als technischer Vorstand d. Militärlehrschmiede nach 
Hannover, Kunze vom 15. Ulan.-R. z. 11. Ulan.-R., jedoch unter Be- 
lassung im Kommando beim kombinierten Jägerregiment zu Pferde, 
Ehlcrt v. 13. Hus.-R. z. 15. llus.-R., Franke v. 11.Ulan.-R. z. 13. Hus.-R.— 
In den Ruhestand versetzt: Oberroßarzt Fctcrscnv om Reraonte- 
depot Mecklenhorst. — Im Beurlaubtenstande: Unterroßarzt 
d. L. I Schumann (Pirna) z. Roßarzt d. B. befördert. 

TodesfBlle: Grenztierarzt a. D. Dr. Herrman- Ratibor. 


Vakanzen. 

Kreistierarztstellen : R.-B. Kassel: Fritzlar. — R.-B. Koblenz: 
Adenau. — R.-B. Stade: Kebldingen. — R.-B. Münster: Beckum. 

— R.-B. Oppeln: Rosenberg, Kreis- und Grenztierarztstelle; 900 M. 
Gehalt und 900 M. für die Grenzkontrolle. (Im Kreise nach der 
letzten Viehzählung 4750 Pferde, 23 000 Rinder und 18 000 Schweine.) 
Zu besetzen z. 1. Dezember. Bew. bis 30. Septb. an den Reg.-Präs. 

— R.-B. Posen: Gostyn; vom 1. Okt. ab. — Amtstierarztstelle in 
Vechta in Oldenburg. 600 M. Meldg. bis 1. Sept. a. d. Ministerium. 

An Hochschulen und Instituten: Bonn-Poppelsdorf: Assistent 
am tierhygienischen Institut. 1200 M. Wohnung, Licht, Heizung. 

Schlachthofstellen a) neu ausgeschrieben: Brandenburg: 
Assistenztieiarzt. 2000 M., Bew. an die Schlachthofverwaltung. — 
Dortmund: 2. Assistenztierarzt am Schlachthof. 2400 M. Bew. 
an Mag. — Grandenz: Assistenztieraizt. 1800 M.; freie Wohnung etc. 
Bew. bis 15. Septb. — Köslin: Inspektor. 2400 M. bis 3000 M. 
Wohnung etc. Meldg. bis 15. Sept. — Linden bei Hannover: 
2. Tierarzt. 2000 M. — Mühlheim a. Rh.: Ass. zum 1. Okt 1800 M. 
Meldg. a. d. Schl.-Direktion. — Stolp: Direktor. 2400—3000 M. 
Wohnung etc.; Pensionsberechtigung. Meldg. bis 10. Septb. — 
Zwickau: T. zum 1. Okt. 2100 M. Wohnung etc. Meldg. a. d. 
Rat der Stadt. 

b) nach Ablauf der Meldefrist noch unbesetzt): 
Baldenburg (Kr. Schlochau): Aufs, über Schlachth. u. Schweine¬ 
märkte. (Magistrat.) — Barmen: Sanitätstierarzt. 2400—4500 M. 

— Beuthen: Assistent. 2100—3000 M. — Bremen: 3. Tierarzt. 
Von 2400 M., alle 3 Jahre um 240 M. steigend bis 3600 M., 
gegen 5 Proz. Abzug freie Wohnung. — Briesen: Verwalter, 
Privatpraxis. Meldg. (Magistrat). — Dahlhausen-Linden a. d. Ruhr. 
Schlachthaus-Verwalter. 2400 M. Wohnung, Feuerung, Licht. 
Privatpraxis. Meldungen bis 1. September an den Amtmann. — 
Elbing: Hilfstierarzt 1800 M. (Magistrat). — Eschwege: Vor¬ 
steher. 2100— 3300 M. Freie Wohnung etc. Dreimonatl. Kündigung. 

— Garde legen: Inspektor. Pensionsberecht Gehalt 1800 M. Freie 
Wohnung und Feuerung. Privatpraxis. — Glückstadt: Inspektor. 
2000 M. Freie Wohnung etc. — Görlitz: Assistent 1800 M., 
steigend alle 3 Jahre um 300 M. bis 3600 M. Wohnung. Pension. 

— Hammerstein: Inspektor, verpflichtet Fleisch- und Trichinen¬ 
schau allein auszuführen. 1800 M. Privatpraxis. Probehalbjahr, 
darauf vierteljährl. Kündigung. — Kassel: Assistent, 2000M. Meldg. 


bis 25. Aug. a. d. Magistrat. — Kiel: Zwei Tierärzte. Gcha't 
je 2500 M. (Magistrat). — Krefeld: 2. Schlachtbofiierarzt. 2700 M. 
(Direkt.). — Langensalza: Direktor. 2000— 2700 M. Wohnung. 
Pensionsberechtigung. Probehalbjahr. 1000 M. Kaution. — 
Liegnitz: 2. Tierarzt 1800 M. Wohnung. — Limburg a. L.: 
Vorsteher. 1800—2400 M. Probehalbjahr. — Magdeburg: 
Tierarzt, 175 M. monatlich. — Neuenburg: Inspektor 1600 M. 
Wohnung. Probehalbjahr. — Schwiebus: Verwalter. 2400 M. 
Wohnung. — Wan ge rin: Sanitätstierarzt Privatpraxis (Magistrat). 

— Weißenfels: Assistent (Angabe der Ansprüche a. d. Direktor). 

— Wurzen: 2. Schlachthoftierarzt 2600 M. Keine Privatpraxis. 

Staatliche FlelschbeschaustellenfBewerbg. a. d. betreff. Reg.-Präsid.): 
Frankfurt a. M.: Tierarzt für die Zolleinlaßstelle. 3600 M. 

Stellen für ambulatorische Fleischbeschau und Privatpraxis. Anger¬ 
mund, Landkr. Düsseldorf: Fleischbeschau. Meid, an Biirgermstr. — 
Baruth: Niederlassung erwünscht. Ans Fleisch- u. Trichinenschau 
1200 M. (Mag.) — Buk: Niederlass, erwünscht. (Landratsamt Grätz in 
Posen).— Elze (Hann.): Fleischb., Ertrag 1400—1500M. 300 M.Jahres¬ 
beihilfe Für d. erst 3 Jahre. Privatpraxis (Bürgermstr). — Feuden¬ 
heim b. Mannheim: Meid. b. 21. Aug. an Gemeinderat. — Fiddichow 
a. Oder: Privatpraxis. (Bürgerm.) — Märkisch-Friedland: Fleischb. 
1800 M. (Magistrat.) — Gelsenkirchen: Fleischb., 8000 M. Keine 
Privatpraxis. (Bürgerm.) — Guttstadt: Schlachtholbeaufsichtigung, 
750 M. Privatpraxis. (Magist) — Heppenheim: Fleischb. 
1500 M. Privatpraxis. (Bürg.) — Heringen a. Helme: Nieder¬ 
lassung gewünscht. Voraussicht!. Fleischb. 1200 M. Städt Zuschuß 
300 M. Privatpraxis. (Magist.) — Heydekrug (Ostpr.): Privat¬ 
praxis im Niederungsteil des Kreises. Jährl. Zuschuß 600 M. (Kreis¬ 
ausschuß.) — Horst a. d. Emscher: Fleischb., 3000 M. Privatpraxis). 
(Amtmann.) — Kemberg: Privatpraxis. — Kirchheim: Fleischb. 
Bedeutende Privatpraxis. (Magist.) — Kietz ko (Kr. Gnesen: 
Deutscher Tierarzt Privatpraxis mit circa 2700 M. Event. Staatszu¬ 
schuß 750 M. (Magist.) — Klingenthal (Sachsen): Fleischbe¬ 
schauer. (Gemeinderat). — Kobylin (Posen): Deutscher Tierarzt 
Jährl. Staatszuschuß 750 M. (Landrat inKrotoschin.) — Königsberg: 
Tierarzt für die Herdebuchgesellschaft zur Tilgung der Tuberkulose. 
Anfangsgehalt 2000 M. Diäten für Untersuchungstage 12 M. nebst 
freier Station. Auskunft bei Tierarzt Dr. Müller, Königsberg i. Pr., 
Lange Reihe 3. — Königsteele: Fleischb., Privatpraxis. (Amt¬ 
mann.) — Krakow i. M.: Privatpraxis. Voraussichtl. Fleischb. 
(Magist.) — Laage i. M.: Privatpraxis. (Magist.) — Labiau: Niederl. 
erwünscht in Popelken bei L. 500 M. Zuschuß. (Landrat). — Langen¬ 
dreer: Fleischbeschau 1800 M. Fixum. Schlacbthausbau in Aus¬ 
sicht (Amtmann Schüler.) — Lindow: Fleischb., Privatpraxis. — 
Lübtheen: Fleischb., Privatpr. (Gemeindevorst.)—Lügumkloster: 
Fleischb., ca. 1000 M. Privatpraxis, (Bürgerm.) — Marxloh: Fleisch¬ 
beschau und Aufsicht über drei Laienfleischbeschauer (Bürgerm.) — 
Meissen: Niederl. erwünscht. (Ausk. b. Amtsliauptm.) — Naumburg 
bei Kassel: Niederlassung erwünscht. Gute Praxis. Stadt/.uschuß 
400 M. — Neckarbischofsheim: 1500 M. Fixum. (Bürgerm.) — 
Niemegk (Potsdam): Privatpraxis. —Ober peil: Privatpraxis, 500 M. 
Gemeindefixum. Fleischb., ca. 700—£00 M. (Bürgerin.) — Oster¬ 
feld: Fleischbeschau in vier Amtsbezirken. Gebühren für 0. allein 
1500 M. (Landrat in Weißenfels). — Plettenberg (Westfal.): 
Fleischb., ca. 1200 M. Privatpraxis. (Magist.) — Pollnow: Privat¬ 
praxis. 300 M. Fixum. Fleischbeschau 1200 M. (Ausk. bei Kreis¬ 
tierarzt Simmat in Schlawe. Meldg. a. d. Mag.) — Rendsburg: 
Zwei Tierärzte für Fleischbeschau, 3000 M. (Magist) — Rosko 
(Kr. Filehne). Fixum 600 M. Fleischb. Privatpr. (Landrat in F.) — 
Schköhlen i. Thür.: Privatpraxis. (Landwirtsch. Verein daselbst.) — 
Seeburg i.Ostpr.:Privatpr. Schlachtbofaufsicbt. (Magist) — Senden- 
horst (Westf.): Fleischbeschau für Stadt und umliegende Land¬ 
bezirke. Kommunalzulage 600 M. (Bürgerm.) — Tarnowo: 
Privatpraxis und ca. 750 M. Fixum. (Landratsamt Posen- 
West.) — Tiegenhof im Kreis Marienburg: Gute Privatpraxis, 
durch Übertritt des Inhabers in ein Amt orledigt. — Treffurt (im 
Werratal); Fleischb. (Magist) — Unruhstadt: Fleischbeschau. Ge¬ 
bühren ca. 2400 M. Privatpraxis (Mag.) — Vacha a. W.: 1200 M. 
Fixa aus Fleischbeschau und Zuschüssen. Privatpraxis. (Bürgern.) 


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Tierärztliche Wochenschrift 


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Prolea«or 

Landeatlerarzt *. Bayer» Kreiatlerant 



Danzig. 

Dresden. 

Freiburg i. Br. 

München. 

MUlhansen 1. E, 



Jahrgang 1903. 


*M. 37 , Ausgegeben am 10. September. 


In h a 11: Streit: Beitrag zur Kenntnis der Cerebrospinalmeningitis infectiosa der Pferde. — Referate: Jeß: Wochen¬ 
übersicht über die medizinische Literatur. — Tagesgesohlohte : Zur ÄIilitärveterin8rreform. — Verschiedenes. — Personalien 
— Vakanzen. 


Beitrag zur Kenntnis der Cerebrospinalmeningitis 
infectiosa der Pferde. 

Von 

Dr. Hans Streit, Tierarzt. 

Aaslstent der Bakteriologie am Ontario-Agrikultural-College ln Guolpb. 

Letzten Winter bot sich mir Gelegenheit einen Ausbruch 
von akuter infektiöser Cerebrospinalmeningitis zu beobachten 
und bakteriologisch zu bearbeiten. Am 5. Dezember 1902 brachte 
mir ein Tierarzt ans Gnelph ein Stück Milz eines 5jährigen 
Pferdes, dem Farmer C. in M. gehörend, das nach 18 ständiger 
rätselhafter Krankheit eingegangen war. Da ihm die (sicher 
sehr oberflächliche) Sektion keine Todesursache zeigte, so 
brachte er erwähntes Organstück, um auf Milzbrand untersuchen 
zn lassen. Die Milz war klein, Kapsel rnnzelig, Pnlpa ziemlich 
konsistent, dunkel. Mikroskopisch ließen sich keinerlei Bakterien 
nachweisen. Am gleichen Tag erkrankte ein weiteres Pferd 
des gleichen Bestandes unter ähnlichen Symptomen wie das erste 
and st&rb nach 24 Ständen. Da die Sektion anch dieses Mal 
keine Todesursache erbrachte, so wurde Vergiftung vermutet 
nnd der Magen mit Inhalt znr Untersuchung eingebracht. Der 
Magen war halb gefüllt mit ziemlich gut gekautem Heufatter, 
das stark saner roch. Die Magenwandnng war mit einer dicken 
Lage grauen Schleimes belegt, im Pylornsteil verdickt nnd sehr 
stark mit großen Gastrophilnslarven besetzt. Die Mncosa 
war an einzelnen Stellen mit kleinen fleckigen Rötungen ver¬ 
sehen, die möglicherweise der Wirkung von SpiritäB nitri dnlcis, 
der eingegeben worden war, zugeschrieben werden dürfte. Vom 
Mageninhalt wurde an Meerschweinchen nnd Kaninchen ver¬ 
füttert, ohne daß diese dadurch afflziert wurden. Nach der 
Aussage des Tierarztes war ein drittes Pferd seit einigen Stunden 
krank. Ich hatte am nächsten Tag, 7. Dezember, Gelegenheit, 
bei dem inzwischen umgestandenen Pferde Nr. 3 die Sektion 
zn machen, sowie bei zwei weiter erkrankten den Krankheits- 
befhnd anfznnehmen. 

Bevor ich auf diesen Sektionsbefand eingehe, will ich die 
klinischen Symptome and den Krankheitsverlanf be¬ 


sprechet, nm danach den pathologisch-anatomischen nnd bakterio¬ 
logischen Teil der Arbeit in besserem Zusammenhang wiedergeben 
zn können. 

Am 4. Dezember morgens bemerkte der Farmer C., daß 
eines seiner besten Pferde, eine fünfjährige schwere Clydesdale- 
stnte, nicht fressen wollte. Sie stand im Stande mit merk¬ 
würdig glotzendem Blick, berührte weder Futter noch Getränk 
und war gegen die ganze Umgebung höchst teilnahmslos. Der 
Tierarzt wurde gerufen; doch bevor dieser kam, fiel das Pferd 
nieder, machte einige Zucknngen und starb. Der Tierarzt 
machte die Sektion. Als einziges auffallendes Symptom nannte 
er mir die dunkle teerähnliche Beschaffenheit des Körperblntes. 
Dieses nnd der plötzliche Tod erweckten in ihm den Verdacht 
auf Milzbrand, was, wie oben angegeben, unbegründet war. 
Am Abend dieses nämlichen Tages wollte ein zweijähriges 
Stntfohlen, das durch drei andere Pferde (Nr. 3, 4, 5) von dem 
gefallenen getrennt war, nicht recht fressen. Als der Tierarzt 
am nächsten Morgen ankam, fand er folgendes Bild vor: Fohlen 
steht apathisch im Stande, meistens mit geschlossenen Angen, 
manchmal etwas schwankend "nnd dann anfwachend. Blick ist 
ausdrucklos. Körpertemperatur 38,5° C.; Puls pochend; Atmung 
geschieht sehr langsam, tief, ruhig, 6 Atemzüge in der Minnte. 
Manl ist mit Schleim and Fntterbestandteilen beschmiert. Der 
Tierarzt verabreichte etwas Spiritus nitri dnlcis. Zwei 
Stunden später fiel das Fohlen nieder und starb fast augen¬ 
blicklich. Die Sektion, die am nächsten Morgen von zwei Tier¬ 
ärzten gemeinschaftlich vorgenommen wurde, ergab ihnen auch 
keine genügende Todesursache. Als wiederum auffallend be¬ 
schrieben sie die halbgeronnene Beschaffenheit des sehr dunklen 
Blutes. Trotz der im Leben deutlichen Gehirnsymptome hielten 
sie eine genaue Untersuchung des Kopfes für überflüssig. Sie 
vermuteten als Todesursache eine Vergiftung. 

Seit Morgen früh des gleichen Tages zeigte ein drittes 
Pferd, das sich im Stande zunächst dem Pferd Nr. 1 be¬ 
fand, leichte Unrnheerscheinungen und sah sich öfters klagend 
nach dem Bauche um. Auch hier wurde Spirtus nitri dnlcis 


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678 


verabfolgt, worauf die Unruheerscheinungen verschwunden seien. 
Es wurde etwas Futter und Wasser aufgenommen. Doch bald 
entwickelte sich eine absolute Teilnahmslosigkeit gegen die 
Umgebung. Das Pferd sei für Stunden ruhig gestanden, den 
Kopf etwas gegen die Krippe zu gesenkt, mit glotzendem Blick 
vör sich hinstarrend. Manchmal habe es einige Kaubewegungen 
gemacht. Später habe es garnicht mehr schlucken können; 
mit Futterteilen vermengter Speichel floß aus Maul und Nase. 
Gegen den letalen Ausgang hin, der nach ca. 40stündigem 
Krankheitsverlaaf erfolgte, war die Zunge gelähmt und hing 
1 dm weit aus dem Maule heraus. Der Tod sei unter den 
Zeichen eines langsam fortschreitenden Comas erfolgt. 

Am 6. Dezember mittags hatte ein viertes Pferd leichte 
Kolikerscheinungen gezeigt. Als am Abend ein fünftes Pferd 
nicht mehr fressen wollte, wurden die noch gesunden fünf aus 
dem alten Stalle herausgenommen und in einem leeren Rindvieh¬ 
stalle untergebracht. 

Die klinischen Ergebnisse meiner Untersuchungen vom 
Morgen des 7. Dezember und der folgenden Tage gebe ich wie 
folgt wieder: 

Pferd Nr. 4. Hengstfohlen, zwei Jahre alt, gemischter 
Zucht, in sehr gutem Nährzustand, hatte am Mittag des 

6. Dezember leichte Unrnheerscheinungen gezeigt: Hih- und 
Hertrippeln, häufiges Umsehen nach dem Bauch wie ein Koliker. 
Gegen Abend stellten sich Schlingbeschwerden ein; doch wurde 
Futter und Wasser in kleinen Mengen abgeschluckt. 

7. Dezember mittagB. Das Fohlen liegt seit 10 Stunden 
auf der rechten Seite, schlafend, die Beine ausgestreckt, den 
Hals stark nach rückwärts gebogen, Kopf gestreckt, voll¬ 
kommen ruhig. Schwitzen über den ganzen Körper. In den 
Hals- und Schultermuskeln sind häufig fibrilläre Zackungen wahr¬ 
nehmbar. Sensibilität der Haut überall erhalten. Das Fohlen 
läßt sich leicht aufwecken und nimmt dann öfters für kurze Zeit 
die Haltung einer Kuh ein, die an Gebärparese leidet, d. h. 
der Kopf wird seitwärts auf die Brust zurückgelegt. Der Blick 
ist klagend. Temperatur 38,6° C., Atemzüge 24, Pulse 56 pro Min. 
Uonjnnktiven sind etwas vermehrt injiziert, feucht. Pulse regel¬ 
mäßig, kräftig, Herzschläge rein. Die Atmung geschieht tief 
und ruhig durch die Nase. Lippen sind geschlossen, mit Speichel 
und Futter beschmiert. Im Maul viel schleimiges gutgekautes 
Heu. Von Zeit zu Zeit werden einige träge Kaubewegungen 
gemacht und dann unter sichtlicher Mühe kleine Mengen ab- 
geBchlnckt. Auch Wasser kann in kleinen Schlücken auf¬ 
genommen werden. Die Schluckwelle läuft regelmäßig den Hals 
hinunter. Die sichtbare Schleimhaut der Maulhöhle ist blaß. 
Pharynxgegend verhält sich normal, ist weder geschwollen, noch 
vermehrt empfindlich auf Druck. Peristaltik rege, Darm¬ 
geräusche ziemlich laut. Kot wird öfters abgesetzt, ist von 
normaler Beschaffenheit. Harn sieht normal aus. Bewegungen 
des Kopfes lösen keinen Schmerz aus. Das Fohlen kann nicht 
selber aufstehen, und fällt, sobald es die Stütze verliert, wieder 
nieder. 

8. Dezember abends. Fohlen liegt an der gleichen Stelle 
wie gestern, auf der rechten Seite, schlafend. Beim Aufwecken 
werden meistens nur die Augenlider geöffnet; selten wird die 
Haltung des Kopfes geändert. Die Hinterbeine machen manch¬ 
mal einige pendelnde Bewegungen. Aufstehen ist absolut un¬ 
möglich. Hautempfindlichkeit überall erhalten. Temperatur 37,4° C., 
Pulse 72, Atemzüge 24 p. Min. Conjunktiven stark ikterisch. 


No. 37. 


Puls stark, etwas intermittierend. Herzschläge sind unregel¬ 
mäßig, drei bis vier laut, pochend, fühlbar; darauf folgen 10 
bis 15 schnelle schwache Schläge. Die Herztöne sind rein. 
In- und Exspiration erfolgen vollkommen ruhig. Die Nasen- 
schleimhaut ist blaß-rötlich. Aus beiden Nasenöffnungen fließt 
etwas graugelber Schleim. Das Maul enthält viel schleimigen 
Speichel und Fnttermassen. Schlucken scheint völlig unmöglich 
zu sein. Wenn die Zunge aus der Mundhöhle hervorgezogen 
wird, so scheint sie anfangs ganz gelähmt zu sein, wird aber 
doch langsam zurückgezogen. Die submaxillaren Lymphdrüsen 
sind etwas geschwollen, nicht vermehrt empfindlich. Beugen 
des Kopfes und Rotation werden nur sehr widerwillig ertragen 
und lösen augenscheinlich Schmerz aus. 

9. Dezember abends. Der Befund ist ähnlich wie gestern. 
Das Fohlen schläft einen sehr tiefen Schlaf, aus dem es nur 
mit Mühe und für kurze Zeit aufgeweckt werden kann. Wenn 
aufgeweckt, hebt es den Kopf etwas empor, sinkt aber sehr bald 
in die alte liegende Stellung zurück. Blick ist ausdruckslos, 
glotzend. Fibrilläre Zuckungen in den Schultermuskeln sind 
sehr häufig zu sehen. Die Sensibilität an den Hinterschenkeln 
ist bis über die Kniehöhe bedeutend herabgesetzt. Temperatur 
37,2° C., Atmung 24, Palse 84 p. Min. Der Puls ist schwach, faden¬ 
förmig, oft kaum fühlbar. Beidseitiger Jugularispuls am Brust¬ 
eingang; Herzschläge sind schwach, pochend, unregelmäßig, oft 
für kurze Zeit ganz aussetzend. Die Zunge ist völlig gelähmt, 
grau, uneben, hängt aus dem Maule heraus. Peristaltik ist fast 
gänzlich unterdrückt. Die kleinen, frisch gesetzten Kotballen 
sind mit starker Schleimschicht bedeckt. Der Harn ist schleimig, 
grau, trübe. Über Nacht ging das Fohlen ein. 

Pferd Nr. 5. 14 jähriger Wallach gemischter Zucht, von 

mittlerem Nährzustand, hatte am Abend des 6. Dezember 
nicht recht gefressen. 

7. Dezember, mittags. Pferd steht in etwas steifer 
Stellung, mit hochgehobenem Kopf im Stande. Von Zeit zu 
Zeit wird etwas Heu aufgenommen, träge gekaut und in kleinen 
Mengen abgeschluckt. Beim Führen schwankt das Pferd ziemlich 
stark, macht aber koordinierte Bewegungen mit den Gliedmaßen. 
Körpertemperatur 38,5° C, Atmung 14, PulBe 36 pro Min. Con¬ 
junktiven hellrot. Pulse kräftig, regelmäßig. Herzschläge regel¬ 
mäßig, normal. Atmung geschieht ruhig. Nasen- und Maul¬ 
schleimhäute sind blaßrot. Das Maul enthält ziemlich viel gut 
gekaute Futtermassen. Schlundkopfgegend ist augenscheinlich 
normal. Darmperistaltik ziemlich rege. Die Kotballen und der 
Harn haben normale Beschaffenheit. 

8. Dezember, abends. Patient steht im Stande, den Kopf auf 
die Krippe gestützt, und starrt mit glotzendem, teilnahmlosem 
Blick vor sich hin. Durch Zurufe oder Schläge läßt er sich für 
kurze Zeit aus seiner apathischen Stellung aufwecken, schnellt 
den Kopf empor, um aber bald in die alte Haltung zurückzusinken. 
Temperatur 38,7 o C, Atmung 14, Pulse 56 pro Min. Conjunktiven 
sind leicht ikterisch. Pulse, Herzschläge und Atmung ver¬ 
halten sich wie am Tag zuvor normal. Aus den Nasen¬ 
öffnungen fließt etwas grauer Schleim. Die Lippen sind stark 
mit Speichel und Futterbestandteilen beschmiert. Die Zunge 
hängt auf der linken Seite 5 cm zwischen den Lippen heraus 
und kann nur ganz geringgradig bewegt werden. Maul ist voll 
Futter und Speichel. Manchmal werden einige träge Kau- 
bewegungen gemacht; abgeschluckt wird nicht. Wenn Wasser 
vorgesetzt wird, so streckt Patient nur das Maul hinein, ohne 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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10. September 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 579 


etwas aufzunehmen. Die Peristaltik ist träge. Die selten und 
in geringer Menge abgesetzten Kotballen sind mit viel Schleim 
bedeckt. 

9. Dezember, abends. Zum gestrigen Befunde läßt sich 
heute folgendes ergänzen: Die Stellung des Pferdes ist eine steife, 
sägebockähnliche. Kopf und Hals werden hoch und gestreckt 
gehalten. Temperatur 36,5° C, Atmung 4, Pulse 72 pro Min. 
Conjunktiven sind gelbbraun, feucht. Palse unregelmäßig, faden¬ 
förmig. Herzschläge unregelmäßig, bald kaum hörbar, dann für 
kurze Zeit laut und pochend. Atmung langsam und sehr tief. 
Zunge hängt 10 cm aus dem Maule heraus, ist zwischen den 
Schneidezähnen eingebissen, blaugrau. Peristaltik fast voll- 
kommen unterdrückt. Kotballen klein, trocken. Patient wider¬ 
setzt sich dem Beugen und Drehen des Kopfes energisch. Die 
Nackenmuskeln sind hart, auf Druck aber nicht vermehrt 
empfindlich. Das Pferd kann langsam und vorsichtig im Stande 
umgewendet werden. Gang ist unsicher, schleppend, schwankend; 
Patient knickt oft ein, besonders in der Nachhand, und muß 
gestützt werden, um nicht niederzustürzen. Am folgenden Morgen 
wurde dieses Pferd vom Besitzer erschossen. 

An Hand der klinischen Symptome und gestützt auf die 
Sektionsergebnisse von Pferd Nr. 3 war die Diagnosis der Krank¬ 
heit am 7. Dezember auf akute, infektiöse Cerebrospinalmeningitis 
gestellt worden. Die ersten Schritte, d. h. Isolieren der gesunden 
Pferde, waren schon geschehen, und zwar so erfolgreich, daß 
später von diesen keines mehr erkrankte. Therapeutisch kamen 
bei Pferden 4 und 5 in Anwendung: Linimente, zur gehörigen 
Anregung der Hauttätigkeit; Bpäter, bei gestörter Darmtätigkeit, 
Seifenklystiere. Gegen den fortschreitenden Kräfteverfall und 
den drohenden Collaps Alkohol per rectum und Kampfer-Äther- 
injektionen subkutan. 

Sektionsbefund bei Pferd Nr. 3. Vier Jahre alte, gut¬ 
genährte Clydesdalestute, seit ca. zehn Stunden tot, war kurz 
nach dem Sterben nach dem nahen Walde geschleppt worden, 
um verbrannt zu werden. Tagestemperatur 15 bis 18° C. 
Beginnende Starre. In den Nasenöffnungen sind zwei kurze 
Stränge gelblich-grauen, schleimigen Sekretes. Lippen halb offen, 
mit schleimigen Futterresten beschmiert. Zunge ragt 1 dm 
aus dem Maule heraus, ist fest zwischen den Schneidezähnen 
eingebissen. Der hervorragende Teil ist blaurot. Schleimhaut- 
Überzug stark uneben. In der Maulhöhle ist etwas schleimdurch¬ 
setztes Futter. Die dorsale und beiderseitige Rachenwand, sowie 
die pharyngeale Fläche der Epiglottis sind dunkelbraunrot; die 
Schleimhaut ist verdickt, mit einer zähen, rötlichen Schleimlage 
Versehen. Die Lymphfollikel sind geschwollen und ragen als 
graue Höcker über die Umgebung hervor. Auf der Schnittfläche 
durch die Schleimhaut sammelt sich bald eine ziemliche Menge 
blutigen Serums an. Die Submucosa ist serös infiltriert. Die 
retropharyngealen Lymphdrüsen sind markig geschwollen. Der 
Ösophagus ist normal, die Mucosa blaß und faltig. Der Magen 
enthält eine geringe Menge Futter, die stark von Schleim durch¬ 
setzt ist. Die Därme enthalten wenig Futter. Leber normal. Milz 
klein. Kapsel runzlig, mit einigen weißen Fettablagerungen. 
Pulpa dunkel, von guter Konsistenz. Nieren und Uterus ver¬ 
halten sich normal. In der oberen Hälfte der Trachea sind 
einige kleine, fleckige Blutungen in der Mucosa. Die Lungen 
zeigen etwas Lungenödem, sind daneben normal. Die Herzbeutel¬ 
wandung ist an einigen Stellen fleckig getrübt. Im Pericardial- 
sack befinden sich ungefähr 5 ccm eines grauen, klaren Serums. 


Das Herz enthält viel Blut, schlecht koaguliert, dunkel, teer¬ 
ähnlich. Ähnlich ist das gesamte Körperblut halbflüssig, schwarz. 
Der Schädelteil des Kopfes wurde im zweiten Halsgelenk vom 
Rumpfe getrennt, wobei ca. 150 ccm hellgraues Serum aus dem 
Wirbelkanale abfloß. Der Kopf selber wurde in unser Labora¬ 
torium genommen und ca. eine halbe Stunde später als der Kadaver 
untersucht. Als das Rückenmark durch das Foramen orbitale 
freigelegt wurde, flössen noch ca. 50 ccm des genannten hell¬ 
grauen Serums ab. Die Schädelkapsel wurde nach bekannter 
Methode durch Abheben des Daches geöffnet. Die Hirnhäute 
waren sehr stark durchfeuchtet. An verschiedenen Stellen 
zwischen Dura mater und dem Knochen kleine Lymphräume 
mit hellgrauem Serum angefüllt. Die Dura mater ist, besonders 
deutlich an der Basis des Kleinhirnes, grau, verdickt, auf dem 
Schnitte serös. Im Subarachnoidalraum ist etwas graues Serum. 
Die Gefäße der Hirnhäute sind strotzend voll dunklen, nicht 
geronnenen Blutes. Das Wundernetz hat das Aussehen eines 
dunkel-rotbraunen Gefäßtumors, dessen Umgebung stark serös 
infiltriert ist. Die Pia mater zeigt entlang der Basis des Klein¬ 
hirns und der Medulla oblongata verschiedene fleckige, flache 
Blutextravasate. Auf der linken Seite an der Austrittsstelle 
des fünften Nerven aus dem Gehirn zwischen der Nervensubstanz 
und der umgebenden Hülle ein größerer Bluterguß, ca. 8 mm 
lang, 5 mm breit und 3 mm dick. Das Extravasat ist dunkel¬ 
braun, schlecht geronnen. Die Hirnkammern enthalten etwas 
graues Serum. 

Sektionsbefund bei Pferd Nr. 4. Sektion ca. 18 Stunden 
nach dem Tode. Die Ergebnisse der Sektion weichen in folgen¬ 
den Punkten von denen bei Pferd Nr. 3 ab: In der geschwollenen, 
blauroten Pharynxwand sind einige Lymphfollikel, besonders in 
den Tonsillartaschen, erweicht, und lassen sich kleine, graue 
Eiterpfropfe auspressen. Pharyngeale Seite der Epiglottis ist 
nur schwach vermehrt rot. Keine Blutungen in die Schleim¬ 
haut der Trachea. Beim Aufdecken der Medulla oblongata 
quellen an die 220 ccm einer rötlich-gelben, schleimähnlich 
zusammenhängenden Flüssigkeit vor, die kleine, graue Flocken 
enthält. Im Subarachnoidalraum befindet sich eine kleine 
Menge gleichbeschaffenen Exsudates. Hirnhäute entlang des 
Hirnhöhlenbodens grau, trübe, unter dem Pons mit einer 
dünnen Schicht grauen, in kleinen Strängen abhebbaren Ex¬ 
sudates belegt. Die maschigen Hohlräume zwischen Pia und 
Medullar8ubstanz sind mit trübgrauem, flockigem Exsudat 
und alle Gefäße sind mit dunklem, nicht geronnenem 
Blute strotzend angefullt. Keine Blutergüsse. Hirnkammern 
enthalten ca. 50 ccm eines grauen, homogen durchscheinenden 
Serums. Hirnsubstanz stark durchfeuchtet. 

Die mikroskopische Untersuchung ergibt folgendes: 
Milzsaft und Blut von Pferd Nr. 3 enthalten keine Mikro¬ 
organismen. Im Milzsaft von Pferd Nr. 4 sind in geringer 
Anzahl Diplokokken vorhanden, die sich nach Gram ziemlich 
intensiv färben. Das Exsudat aus dem Subarachnoidalraum 
von Pferd Nr. 3 enthält einige wenige Leukozyten und in 
bescheidener Anzahl Diplokokken, die sich nach Gram gut 
färben. Dasjenige von Pferd Nr. 4 enthält zahlreiche ein- bis 
vierkernige Leukozyten. Die Flocken bestehen aus schwach 
körnigem Fibrin und Eiterkörperchen. Die Gerinnsel sowohl 
als das freie Serum enthalten ziemlich zahlreiche Mono- und 
Diplokokken, die sich nach Gram sehr gut oder körnig färben 

und öfters, nach der Johneschen Kapselfärbmethode behandelt, 

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580 


BEUL IN KR TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


eine stark entwickelte Kapsel erkennen lassen. Öfters anch 
sind die Kokken in kleinen Häufchen zusammen. Nie fand ich 
sie in die Eiterkörperchen eingeschlossen. Der serösblutige 
Saft, der aus der angeschnittenen Pharynxwand hervorquoll, 
enthielt lange, fädige, schlanke Bazillen, kurze, plumpe, rund¬ 
endige, coliähnliche Stäbchen und in großer Anzahl einen 
stark körnig sich färbenden Streptokokkus. Die gleichen drei 
Mikroorganismen fand ich in den Eiterpfropfen in den Tonsillar- 
follikeln. 

Bakteriologische Ergebnisse. 

Zur Isolation des in beiden Fällen mikroskopisch nach¬ 
gewiesenen Mikroorganismus wurde etwas von dem subarachnoi¬ 
dalen Exsudat zu Agarplatten verarbeitet. Nach drei Tagen 
erschienen einheitliche, kleine, punktförmige Kolonien eines 
Kokkus. Sie ließen sich in andere Medien weiter impfen. Von 
dem frischgewonnenen Exsudat wurden auch je V4 bis 1 ccm 
intraspinal an Meerschweinchen und Kaninchen verimpft. Ich 
operierte unter Beobachtung der gebotenen Vorsichtsmaßregeln 
durch das Hinterhauptloch. Die Meerschweinchen starben alle 
nach 4 bis 8 Stunden, waren meistens schon vom Moment der 
Injektion an schwach und teilweise gelähmt. Die Sektion ergab 
in den meisten Fällen eine Blutung in den Spinalkanal, 
war im übrigen immer negativ. Die Kaninchen ertrugen die 
Operation gnt. 

Kaninchen 1. $ 1870 Gramm. 8. Dezember 1902. 1 ccm 
CerebroBpinalexsudat von Pferd No. 3 intraspinal veiiuipft. 
Beim Einführen der Nadel durch das Foramen orbitale wurde 
ein Schrei ausgestoßen. Nach der Operation war das Kaninchen 
für zwei Stunden träge, meistens liegend. Am nächsten Tag 
war es vollkommen munter, lebendig, fraß, aber nur sehr wenig. 
Früh morgens am 10. Dezember war es tot. Sektion 5 Stunden 
nach dem Tode. Stark entwickelte Totenstarre. Blut stark 
zersetzt, teerähnlich, nicht geronnen. Milz klein, Pulpa dunkel, 
von guter Konsistenz. An der Impfstelle ist die Muskulatur 
entlang des Stichkanals bräunlich verfärbt (kleine Blutung). 
Die Hirngefäße sind sehr stark injiziert, Blut ist dunkel. Pia 
in der Umgebung der Impfstelle grau, stark durchfeuchtet. 
Das Lumen des Rückenmarkkanals ist an der Impfstelle durch 
ein kleines, bräunliches Blutkoagulum verstopft. Mikroskopisch 
finden sich in der Subarachnoidalfeuchtigkeit einige vielkernige 
Eiterkörperchen und ziemlich viele Kokken und Diplokokken. 
Der Milzsaft enthält sehr viele Kokken und Diplokokken. Aus 
Milz und Medulla lassen sich die Kokken in Reinkulturen 
isolieren. 

Kaninchen 2. g'\ 2020 Gramm. 8. Dezember 1902. Ibis 
2 ccm Cerebrospinalexsudat von Pferd No. 3 intramuskulär in 
der Umgebung des Hinterhauptloches verimpft. Nach Operation 
völlig gesund. Nach drei Tagen Allgemeinbefinden getrübt, 
Futteraufnahme aufgehoben, beschleunigte Atmung, glotzender 
Blick. Tod am 12. Dezember. Sektion kurz nach dem Tode: 
Lokaler Befund negativ. Körperblut dunkel, teerähnlich. Milz 
vergrößert, Kapsel noch runzlig, Pulpa dunkel, ziemlich kon¬ 
sistent. Hirngefäße stark injiziert, vermehrte Feuchtigkeit im 
Subarachnoidalraum. In dieser Feuchtigkeit befinden sich einige 
Eiterkörperchen und ziemlich zahlreiche Kokken und Diplokokken. 
Milz und Blut enthalten zahlreiche Kokken, die oft auch in 
4- bis 5 gliedrigen Ketten auftreten und im Herzblut breite 
Kapseln aufweisen. Kulturversuche aus Milz, Blut und der 
Medulla ergeben Reinkulturen von einem Kokkus. 


No. 37. 

Kaninchen 3. cf- 1800 Gramm. 10. Dezember 1902. 
Mit V2 ccm Exsudat aus dem Subarachnoidal raum von Pferd 4 
intraspinal geimpft. Operation verläuft gut. Befinden des 
Kaninchens nach der Impfung ungetrübt Am Morgen des nächsten 
Tages ist es völlig munter. Gegen den Abend hin wird es 
träge, nimmt kein Futter auf; Atmung beschleunigt, Temperatur 
40,5° C. Tod erfolgt am nächsten Morgen um 10 Uhr (12. Dez.). 
Die Sektion ergibt den gleichen Befund wie bei Kaninchen 2. 
Neben diesen Impfversuchen mit Exsudat aus der Subarachnoidal¬ 
höhle wurden auch jeweilen Kaninchen, Meerschweinchen und 
Mäuse subkutan mit Preßsaft aus der veränderten PharyDxwand 
geimpft. Kaninchen starben von 1 ccm nach 36 bis 48 Stunden. 
Blut war stark zersetzt. Kokken und Kettenkokken waren in 
allen Organen mikroskopisch und kulturell nachweisbar, meistens 
rein. Lokal waren nie Veränderungen vorhanden. Bei Meer¬ 
schweinchen, mit V2 UQ d 1 ccm geimpft, traten ansgedehnte 
lokale Ödeme auf. Tod ei folgte nach 5 bis 6 Tagen. Auch 
hier waren alle Organe mit Kokken und Ketteukokken über¬ 
schwemmt. Im Ödemsaft fanden sich jeweilen auch zahlreiche 
Bakterien, die sich ähnlich verhielten wie die Bakterien der 
hämorrhagischen Septikämie. Mäuse starben an 1 bis 2 Ösen 
voll in 4 bis 8 Tagen. Lokal waren nie Veränderungen vor¬ 
handen. Alle Körperorgane waren mit Kokken und Kettenkokken 
überschwemmt. Isolation der Kokken gelang bei allen drei 
Tiergattungen mit Leichtigkeit. 

Der direkt aus dem Meningealexsudat der Pferde isolierte 
Mikroorganismus verhielt sich mit den indirekt durch Tier¬ 
passage aus Meningealexsudat und Pharynxwand erhaltenen 
Kokken in allen Eigenschaften gleich, und halte ich sie deshalb 
für absolut identisch. In folgendem gehe ich näher auf diese 
Eigenschaften ein. 

Morphologie. 

Die Form der Einzelindividuen unseres Mikroorganismus ist 
kreis- oder länglichrund. Im Meningealexsudat der Pferde und der 
Impftiere finden sie sich meist einzeln oder zu zweien zusammen, 
oft in kleinen Häufchen. In Blut, Milz und Leber treten sie 
meistens je zwei und zwei zusammen auf, doch werden auch 
kurze 5 bis 12 gliedrige Ketten beobachtet. In den Nieren von 
Kaninchen, Meerschweinchen und Mäusen, sowie in Bouillon, 
Milch und anderen zusagenden Nährmedien finden sie sich vorzugs¬ 
weise in langen Ketten. Die bevorzugte Teilung geschieht in 
einer Richtung. Die Einzelindividuen werden oval, gleich einem 
kurzen plumpen Stäbchen. Im Zentrum tritt dann bald eine 
kleine Lücke auf, die sich vergrößert, bis schließlich das Proto¬ 
plasma sich deutlich in zwei, durch eine helle Mittelzone zu¬ 
sammenhängende, Kokken getrennt hat. Bleiben verschiedene 
Individuen zusammen so bilden sich so Ketten. Neben dieser 
einen Teilungsrichtung tritt aber öfters auch eine zweite auf. 
So fand ich im Herzblut von Kaninchen und auf Gehirnbouillon¬ 
agar nicht selten kurze Ketten, in denen die Individuen alle V2 bi* 
1 mal so breit waren wie gewöhnlich, d. h. richtige Stäbchen 
darstellten. Diese Stäbchen lagerten sich in der Längenaus¬ 
dehnung einander an und bildeten so Kettenverbände von quer- 
gelagerten Stäbchen. Indem sich dann die Einzelindividuen im 
Zentrum einschnürten und teilten, entstanden allmählich zwei 
einander angelagerte Ketten von Kokken, die lange Zeit von 
einer gemeinschaftlichen Kapsel umgeben sein konnten (Herzblut 
von Kaninchen) In gut wachsenden Kulturen und im Blute von 
Impftieren lassen sich oft ganz eigentümliche Formen nachweisen: 


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große anregelmäßige Stäbchen mit angleichmäßig verteiltem, färb¬ 
barem Protoplasma. In einzelnen hat sich das Protoplasma an 
einem, meistens am breitem Ende in deutlich begrenzte Kokken 
getrennt. Wo diese Trennung noch nicht geschehen ist, verhalten 
sich diese stäbchenähnlichen Gebilde auffallend ähnlich Klebs- 
Löfflerschen Bazillen. Nach den gewöhnlichen Methoden lassen 
sich diese Kokken sehr gut färben; ebenfalls sehr gut nach der 
Gramschen Methode. Ältere, 6 bis 10 Tage alte Kulturen ent¬ 
halten oft Ketten, in denen sich nur noch einzelne verschieden 
große Körner der Einzelindividuen färben lassen. Ähnliche Bilder 
beobachtete ich auch in der Milz von Impftieren sowie in allen 
Körperorganen von solchen, wenn diese entweder zu faulen 
begannen oder für vier bis sechs Wochen gefroren gehalten worden 
waren. Gleich verhielten sich übrigens auch die Kettenkokken, 
die ich in der Pharynxwand der Pferde vorfand. Die Größe der 
ungefärbten Kokken beträgt 0,5 //; die sich vor der Teilung 
befindenden stäbchenähnlichen Formen erreichen eine Länge 
von 0,7 bis 0,8 /». In Schnittpräparaten aus Nieren von 
Kaninchen und Meerschweinchen, nach Gram gefärbt, sind 
die Größen gleich den angegebenen. In Leber und 
Milz aber erreichen die Einzelindividuen nur eine Aus¬ 
dehnung von 0,35 bis 0,4 //. Wo sich nur einzelne Körner 
färben lassen, sind diese 0,1 bis 0,3 /< groß. Im Meningeal- 
exsudat der Pferde und öfters im Blute von Kaninchen und Meer¬ 
schweinchen ließen sich Kapseln nachweisen. Diese wareD so 
breit wie die Kokken selber, ziemlich regelmäßig und scharf 
berandet. Sie färbten sich manchmal, wenn mit Kutschers 
Geatianaviolett gefärbt wurde, schwach rötlich. Bessere Bilder 
hingegen wurden mit der Johneschen Kapselfärbmethode erzielt. 
Ich fand nie Kapseln in Kulturen. Die Kokken und Ketten sind 
unbeweglich. Wachstum erfolgt aerob und anaerob (tiefe Agar- 
stichkultur). 

Reinkulturen. 

Bouillon. Wachstum erscheint von 24 bis 48 Stunden an. 
Anfänglich trat nie homogene Trübung auf. An der Gefäßwand 
und hauptsächlich auf dem Boden des Kulturgefäßes bilden 
sich kleine weißliche Körnchen und Flöckchen, die sich all¬ 
mählich als Sediment auf dem Boden ablagern. Beim Schütteln 
steigen diese Flöckchen in der Flüssigkeit empor, ohne sich 
aber aufzulösen. Bodensatz ist ziemlich reichlich. Wachstum 
verhält sich so in Rinder-, Schweine-, Hühner-, Molke- und 
Glyzerinbouillon. In Bouillon, die aus Hirnsubstauz vom Rinde 
dargestellt worden ist, ist nach 24 bis 36 Standen eine mittel¬ 
starke diffuse Trübung aufgetreten. Einige Stunden später er¬ 
scheinen Körnchen, die sich au Boden und Wandungen des 
Gefäßes ansammeln. Allmählich klärt sich dann die ganze 
Bouillonschicht auf und auf dem Boden erscheint eia ausgiebiges 
weißgraues flockiges Sediment. Nach 6 bis 8 Tagen ist die 
Bouillon jeweilen schwach sauer geworden. 

Milch. In Milch erfolgt ziemlich gutes Wachstum; das 
Aussehen derselben wird nicht verändert. Nach 14 Tagen ist 
die Reaktion ziemlich stark sauer geworden. 

Agarplatten. Am zweiten oder dritten Tag erscheinen 
die Kolonien als kleine weißliche Pünktchen. Die oberfläch¬ 
lichen sind flach und werden 1 bis iy 2 mm groß. Die tiefen 
Kolonien können bis 2 mm groß werden. Mikroskopisch sind 
die Kolonien rund, aus einem feinen unregelmäßigen Netzwerk 
bestehend. Die oberflächlichen Kolonien bleiben durchscheinend; 


die tiefen werden manchmal im Zentrum dunkel, bräunlich, 
während der Rand hell bleibt. 

Agarstrich. Entlang der Impfiinie entstehen vom zweiten 
Tage an kleinste, flache, graue Kolonien, die etwas um sich 
wachsen, mit den Nachbarkolonien aber nicht verschmelzen. Im 
Kondensationswasser bilden sich kleine weißliche Flöckchen, 
die sich am Boden ansammeln. 

Agarstich. Kein Oberflächenwachstum. Entlang des Impf¬ 
stiches entwickelt sich vom zweiten Tage an ein feinkörniges 
Band. Die einzelnen Körner werden etwas größer und ver¬ 
einigen sich oft zu einem homogenen grauen Bande. Am 
Rande treten später manchmal kleine rundbogige Schlingen auf. 
Agarstichkultur verhält sich genau gleich, wenu in frisch 
sterilisiertem Agar angelegt und durch eine übergelagerte zweite 
Agarschicht von der Luft abgeschlossen. 

Ich verwendete folgende verschiedene Agararten, ohne daß 
ich im Wachstum Unterschiede auftreten sah: Molkebouillonagar, 
Rinderbouillonagar, allein oder mit Dextrose, mit Glyzerin oder 
mit beiden zusammen. In Agar mit etwas Ackererde und in 
Gehirnbouillonagar verhalten sich die Kulturen insofern ver¬ 
schieden, als auf dem Strich die anfänglich aufgetretenen ein¬ 
zelnen Kolonien nach kurzer Zeit zu einem einheitlichen, flachen, 
dünnen, grauen Bande verschmelzen. 

Blutserum. In flüssigem Blutserum treten ähnlich wie 
in Bouillon kleine Flöckchen auf, die sich auf dem Boden zu 
einem weißlichgrauen Sedimente ansammeln. Auf festem Serum 
treten kleine punktförmige Kolonien auf, die sich später zu 
einem einheitlichen Bande vereinigen können. Kondenswasser 
wird leicht flockig getrübt. 

Löfflers Blutserum. Wachstum ist sehr spärlich. Nur 
einzelne, kleinste, punktförmige Kolonien erscheinen. Im Kondens¬ 
wasser treten einige kleine Flöckchen auf. 

Hühnerei, Eiweiß und Dotter vermischt, bei 74° 0 zur 
Gerinnung gebracht. Spärliches Wachstum, indem nur einzelne 
wenige Kolonien erscheinen. 

Kartoffeln. Die Stelle, die eingeimpft worden, wird nach 
vier bis fünf Tagen weißlich. Wachstum wird keines beobachtet. 

Gelatine. In Gelatine (Platten, Strich und Stich) erfolgt 
ofc gar kein Wachstum. Manchmal aber erscheinen nach 6 bis 
7 Tagen kleinste, mit nacktem Auge kaum sichtbare Kolonien. 
Keine Verflüssigung. 

In 1 prozeutiger Peptonlösung, allein oder mit Zusatz 
von 4Prozent Glyzerin oderSaccharose, erfolgt kein Wachstum. 

Iu 1 prozentiger Peptonlösung mit Dextrose oder 
Glukose oder Maltose (4 Proz.) erfolgt schwaches flockiges 
Wachstum. Die Reaktion aller dieser Medien wird allmählich 
schwach sauer. 

Weder Nitrite noch Indol werden gebildet. 

In Nährraedien mit l / 2 Proz. normal HCl und in solchen 
mit 1 Proz. normal NaOH erfolgt noch spärliches Wachstum, 
am besten aber in ganz neutralen Nährböden. 

Bestes Wachstum erfolgt bei 37,5 bis 38° C. Bei 42° C. 
tritt kein Wachstum ein. Bei 20 und 25° C erfolgt nur aus¬ 
nahmsweise spärliches Wachstum. 

Die Lebensdauer unserer Mikrokokken ist in Kulturen 
eine engbegrenzte. Die meisten Kulturen sind nach 8 bis 
12 Tagen tot. Milch- und Molkebouillonknlturen können bis 
3 Wochen lebend bleiben. In faulenden Organen von Impftieren 
konnte ich sie noch nach 8 Tagen lebensfähig vorfinden. Aus 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 37, 


Milz, Leber, Gehirn etc., die bei Temperaturen von —10 bis 
—24° C gehalten worden, ließen sie sich mit Leichtigkeit nach 
(> Wochen, 8 nnd 12 Wochen isolieren. 

Eingetrocknet bleiben die Mikrokokken 5 Tage lang 
keimungsfähig. 

Direktes Sonnenlicht tötete sie am 30. Januar 1903*) 
in zwei Stunden, wenn sie auf Reagensgläschen, trocken aus¬ 
gesetzt wurden. In Agarplatten, die alle mit einer gleich 
großen Öse der nämlichen Kultur geimpft und dann dem Sonnen- 


licht ausgesetzt worden waren, wuchsen 

nach einer Aussetzungszeit von V 2 Stunde 

200 Kolonien, 

m i> »> >» 

1 

120 

»» >• »• u 

IV2 »» 

1 

II II II » 

2 

0 

Die Kontrollplatte ergab 


400 


Erhitzen im Wasserbad auf 60° C tötet die Mikrokokken nach 

10 Minuten, 

Sublimatlösung 1 Proz. tötet die Mikrokokken nach 10 Sek., 
Karbolsäurelösung 5 Proz. tötet die Mikrokokken sofort, 

„ % Proz. tötet die Mikrokokken nach 

y 4 Stunde, 

Kreolinlösung 2V 2 Proz. tötet die Mikrokokken nach 3 Sek. 

Virulenz. 

Zur Untersuchung der Virulenz verwendete ich gewöhnlich 
48 6tündige Agarkulturen, die in einer gleich alten geschüttelten 
Bonillonkultur aufgeschwemmt worden waren. Ältere Kulturen 
erwiesen sich weniger virulent; über 12 Tage alte töteten 
nicht mehr. 

Kaninchen. Ich gebe die injizierte Kulturmenge hier in 
Prozenten des Körpergewichtes der Impftiere wieder, (sie be¬ 
trugen von */ 4 bis 3 / 4 ccm). Tödliche Mengen waren 0,03 Proz 
subkutan und intraspinal; 0,01 Proz. intravenös; 0,01 bis 0,04 
Proz. intraperitoneal oder durch Fütterung. Kleinere Mengen 
führten manchmal, aber nicht immer zum Tode. Dieser trat 
bei den oben genannten Dosen nach 36 bis 50 Stunden ein. 
Die Impftiere schienen die ersten 24 Stunden nach der Injektion 
gesund zu sein, versagten später die Futteraufnahme, wurden 
apathisch und nahmen manchmal unphysiologische Stellungen 
und Haltungen ein, wie Verdrehung von Hals und Kopf. Die 
Atmung war oft beschleunigt, die Temperatur bis 40,5° C. 
Die Augen traten gegen den letalen Ausgang hin förmlich aus den 
Höhlen hervor, der Blick war anfangs ängstlich, später aus¬ 
drucklos, glotzend. Die Conjunktiven wurden stark gerötet, 
später oft ikterisch oder rotbraun. Der Tod erfolgte oft plötz¬ 
lich, oft unter fortschreitender Lähmung. In letzterem Fall sank 
die Temperatur allmählich tief unter die Norm, bis zu 34° C., 
bevor der Tod erfolgte. In den Fütterungsversuchen wurden 
haibausgetrocknete Stückchen von Rüben in einer bestimmten 
Menge Kultur aufgeweicht, bis sie sich vollgesogen hatten. 
Diese Rübenstückchen wnrden dann verfüttert. Nach der 
Fütterung fraßen die Tiere gewöhnlich noch für einige Stunden 
recht gut. Die Sektion der gestorbenen Kaninchen zeigte 
sehr große Übereinstimmung. Körperblut dunkel, schlecht 
geronnen. Milz oft vergrößert mit sehr dunkler, aber ziemlich 
konsistenter Pulpa; manchmal aber ist die Milz sehr klein, 
Leber groß, gelblich, sehr brüchig. Nieren stark hyperämisch. 
Harn gelblich, schleimig. In den Nasengängen und, wenn 

*) Guelph liegt zwischen dem 43,5 und 44. Breitengrade. 


Weibchen verwendet worden waren, in der Vagina einige- 
male kleine Blutergüsse. In Herzbeutel, Pleuralsack und 
Subarachnoidealraum, seltener in der Peritonealhöhle, manchmal 
serös-hämorrhagische Exsudate. Bei den mit Reinkulturen 
gefütterten Kaninchen war der Magen immer strotzend voll 
feingekautes Heufutter. Die Schleimhaut war blaß, mit 
einer dicken Schicht zähen gran-rötlichen Schleims bedeckt. 
In der Mucosa der Därme fanden sich an einzelnen 
Stellen kleine Blutergüsse. Der Darminhalt war stark mit 
Schleim durchmischt. Das Blut und alle Organe der gefallenen 
Tiere enthielten die eingeimpften Kokken. In Leber, Milz und 
Nieren waren sie immer in ganz enormen Mengen vorhanden. 
Viele der Blutgefäße in diesen Organen sind mit den Mikro¬ 
kokken einfach vollkommen ausgefüllt, verstopft, wie dies bei 
Milzbrand vorkommt. Übrigens hat das mikroskopische Bild 
oft ein auffallend milzbrandähnliches Aussehen, besonders wenn 
frischer Nierensaft untersucht wurde. Darin fanden sich die 
Kokken zum größten Teil in auffallenden Kettenverbänden. Oft 
waren die Einzelindividuen einer Kette nicht differenziert und 
bildete der ganze Verband ein nach Gram gut färbbares Stäb¬ 
chen, das, wie oben erwähnt, stark entwickelte Kapseln besitzen 
konnte. 

Meerschweinchen. Diese Tiere sterben von 0,05 bis 
0,1% Reinkultur intraperitoneal, intrapleural oder intravenös 
in 30 bis 48 Stunden; von 0,2 bis 0,3% subkutan in 3 bis 10 
Tagen. Das Krankheitsbild und die Sektion verhalten sich 
gleich wie bei Kaninchen. 

Weiße Mäuse sterben von einer kleinen Platinöse voll 
Kultur subkutan in 3 und 4 Tagen. 1/10 ccm intraperitoneal 
verursacht Tod in 2 bis 3 Tagen. Kutane Impfung am Ohr 
führt manchmal in 8 bis 10 Tagen zum Tode. Die Krankheits¬ 
symptome sind ähnlich wie bei Kaninchen. Ich beobachtete 
öfters eine akute Conjunctivitis mit Verklebung der Augenlider, 
tonische Krämpfe der Muskel an den hinteren Extremitäten mit 
nachfolgender Lähmung der ganzen Nachhand. Die Sektion 
verhielt sich wie bei Kaninchen. 

Hühner und Tauben konnten durch unsere Mikrokokken 
nicht krank gemacht werden. 

Schlußbetrachtungen. 

Trotzdem ich keine Impfversuche an Pferden vornehmen 
konnte, geht meiner Ansicht nach aus den Ergebnissen meiner 
Untersuchung zur Genüge hervor, daß unser Mikrokokkus als 
Ursache des beobachteten Krankheitsausbruches angesehen 
werden muß. Ob er mit anderen, bereits als Ursache von 
Cerebrospinalmeningitis beschriebenen Kokken identisch ist, 
kann so leicht nicht entschieden werden. Vom Meningococcus 
intracellularis Weichselbaum, Jäger u. a., der auch in 
Kanada öfters als Ursache der infektiösen Cerebrospinalmeningitis 
unter den Menschen gefunden worden ist, unterscheidet er sich 
dadurch, daß er nicht intracellular vorkommt, sich mit Gram 
immer, sowohl in Schnitten als in Kulturen, gut färbt; daß 
Kulturen nur relativ schwach sich entwickeln und die einzelnen 
Kolonien sich meistens nicht mit einander vereinigen; daß er 
fast besser anaerob wächst als aerob, zu langen Ketten aus¬ 
wächst und im Tierorganismus Kapseln bildet, und daß er 
schließlich für Kaninchen, Meerschweinchen und Mäuse in allen 
Impfarten hochgradig virulent ist. 

Von dem Siedamgrotzky-Schlegelschen Mikrococcus 
der Bornaschen Pferdekrankheit weicht er in folgendem 


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ab: Er wächst in Kulturen und im Tierkörper oft in Ketten, 
ist nicht beweglich, im Durchschnitt nur 0,5 p groß, wächst 
sehr schlecht auf Gelatine und macht diese weder trüb noch 
verflüssigt er sie. Er bildet keinen Nagelkopf in Gelatine- oder 
Agarstichkulturen, wächst nicht auf Kartoffeln, meistens ziemlich 
gut in und auf Blutserum und ist endlich pathogen für Mäuse 
und Kaninchen. 

Da sich der von Johne beschriebene Diplococcus 
intracellularis equi mit dem Weichselbaumschen Coccus 
deckt, so ist mein Mikrococus auch von diesem in den 
angeführten Eigenschaften verschieden. 

Der Streptococcus, den Ostertag als Erreger der 
Bornaschen Krankheit der Pferde beschreibt, ist mit 
meinem auffallend ähnlich, vielleicht identisch. Ein reiner 
Streptococcus im Sinne Migulas ist dieser übrigens nicht, da 
er sich nach zwei Richtungen des Raumes teilt, wie auch mein 
Coccus. Immerhin unterscheidet er sich von meinem Coccus 
dadurch, daß er keine Kapseln besitzt, nach Gram sich nicht 
färbt, auf Gelatine relativ gut, auch bei Zimmertemperatur 
wächst, und endlich für die gewöhnlichen Laboratoriumstiere 
nicht pathogen ist. 

Von dem zuerst von Schütz beschriebenen Streptococcus 
der eitrigen Adenitis (Druse) der Pferde unterscheidet 
sich mein Mikrococcus in folgendem: er teilt sich in zwei 
Richtungen des Raumes, bildet in Agarstichkulturen keinen 
Nagelkopf, ist auf Agarkulturen nie schleimig, wächst aufKartoffeln 
nicht, ist viel empfindlicher gegen Hitze, Sonnenlicht und 
Trockenheit und erzeugt bei Impftieren immer Septikämie, sehr 
selten mit lokalen Veränderungen an der Impfstelle. 

Woher die Krankheitserreger ursprünglich kamen, konnte 
in unserem Fall nicht ermittelt werden. Der fragliche Pferde¬ 
stall ist geräumig, hoch, gnt ventiliert und belichtet. Die Pferde 
wurden zu der strengen Winterzeit wenig gebraucht, aber jeden 
Tag für y 2 bis 1 Stunde in den Stallhof gelassen. Sechs Tage 
vor dem Ausbruch der Krankheit sollen einige faule Futterrüben 
dorthin geworfen und zum Teil von zweien der Pferde gefressen 
worden sein. Fütterung mit diesen Rüben, von denen noch 
einige erhältlich waren, affizierte weder Kaninchen noch Meer¬ 
schweinchen. Mikroskopisch fanden sich in ihnen neben ver¬ 
schiedenen Schimmelpilzen zwei Bakterienarten. Das Trink- 
wasBer der Pferde stammte ans einem 34 Fuß tiefen Ziehbrunnen 
im Stallhof. Es war klar, bildete kein Sediment und enthielt 
100 bis 185 Bakterienkolonien auf 1 ccm. Darunter war 
keine einzige Kokkenart. Die Pferde wurden nur mit Heu 
und Hafer gefüttert. Ersteres war vorzügliches, duftendes, 
staub- und schimmelfreies Timothegrasheu. Der Hafer war von 
guter Qualität, schiramelfrei, zum großen Teil Weißhafer und 
etwas schwarzer, tartarischer. Er wurde kurz vor der Fütterung 
gebrochen. 

Die von uns beschriebene infektiöse Cerebrospinalmeningitis 
hat einen auffallend akuten Verlauf. Dabei ist eineB der auf¬ 
fallendsten Symptome das überall und verhältnismäßig frühzeitige 
Auftreten von Lähmungserscheinungen des Schlundes und der 
Zunge, ohne daß diesen Entzündungssymptome (vermehrte 
Wärme, Schwellung oder vermehrte Empfindlichkeit) vorans- 
gingen. Das zahlreiche Vorhandensein der Kokken in der in 
maximaler venöser Stauung sich befindenden Pharynxwand gibt 
uns wohl die direkte Eintrittsstelle dieser Krankheitserreger in 
den Organismus der Pferde an. Ich möchte hier nochmals kurz 


auf die Fütterungsversuche von Kaninchen mit Reinkulturen 
verweisen. Kleine Mengen von 0,01 bis 0,04 Proz. des Körper¬ 
gewichtes führten durch Fütterung so sicher zum Tode, wie 
wenn die gleiche Menge direkt in den Peritonealraum geimpft 
wurde. Die Schleimhäute des Digestionstraktus scheinen somit 
diesem Kokkus, wenigstens bei Kaninchen, keinen erheblichen 
Widerstand entgegenzusetzen. Das Vorhandensein der fraglichen 
Kokken auf und in der Pharynxwand der erkrankten Pferde 
erlaubt uns auch einen Einblick in das Umsichgreifen der 
Krankheit, nachdem sie einmal aufgetreten war. Mit den 
Speichel- und Futterbestandteilen, die von den kranken Pferden 
nicht verschluckt werden konnten und in der Krippe und deren 
Umgebung zerstreut wurden, wurden anch die Kokken verbreitet. 

Infektiöse Cerebrospinalmeningitis unter Pferden ist in 
Nordamerika eine ziemlich häufig angetroffene Krankheit und 
liegen über sie einige amerikanische Arbeiten vor. In Texas 
und Idaho sollen die Pferde nach Berichten, die ich dem Annual 
Report of the Bureau of Animal Industry für 1898 ent¬ 
nehme, zu Tausenden an dieser Krankheit zugrunde gehen. 
Nach diesen Berichten sollen alle befallenen Pferde nach einem 
Krankheitsverlauf von 2 bis 4 Tagen verenden. Wilson da¬ 
gegen gibt an, daß 50 bis 60 Proz. der erkrankten Tiere ein¬ 
gingen. Die einzige mir bekannte amerikanische Arbeit, die 
sich etwas eingehend mit der Ursache dieser Krankheit befaßt, 
ist die von Pearson. Er studierte die Krankheit in einem 
Ausbruch, in dem 7 Pferde erkrankten. 5 davon gingen schnell 
zugrunde, 2 genasen, nachdem sie isoliert und mit anderem Futter 
gefüttert worden waren. Der Ausbruch erfolgte ca. eine Woche 
nach der Verfiitterung von etwas schimmeligem Silofntter. Die 
Krankheitssymptome waren sehr ähnlich denen, die ich beschrieben 
habe. Er hebt besonders die frühzeitige Lähmung des Schlund¬ 
kopfes sowie große Muskelschwäche hervor. P. machte Fütterungs¬ 
versuche an zwei Pferden mit dem verdächtigen Futter. Beide 
Pferde starben nach einigen Tagen, nachdem sich zuvor die 
Symptome der besagten Krankheit und besonders Lähmung des 
Schlundkopfes eingestellt batten. An Hand seiner Versuchs¬ 
ergebnisse kommt P. zum Schlüsse, daß die von ihm beobachtete 
Krankheit, die mit der von amerikanischen Tierärzten als in¬ 
fektiöse Cerebrospinalmeningitis bezeichneten identisch sein soll, 
eigentlich gar keine Cerebrospinalmeningitis sei. 

Der von mir beschriebene Fall von Cerebrospinalmeningitis 
unter Pferden ist der erste, den ich in meinem zwanzigmonätlichen 
Aufenthalt am hiesigen landwirtschaftlichen College zu be¬ 
obachten Gelegenheit hatte. Es ist zugleich der erste, der seit 
Bestehen unseres bakteriologischen Instituts (es wurde im 
Jahre 1895 geschaffen) hier vorgewiesen wurde. Hingegen 
teilt mir der Tierarzt H. aus Guelph mit, daß er in den letzten 
7 Jahren seiner praktischen Tätigkeit 17 Fälle dieser Krankheit 
beobachtet hätte, die mit Ausnahme von 5 Fällen mit Tod aus¬ 
gingen. Die Krankheit sei immer als Enzootie aufgetreten und 
habe durchschnittlich von 5 bis zu 14 Tagen gewährt. 

Diese Arbeit wurde im bakteriologischen Institut des 
Ontario Agricultural College ausgeführt. Es ist mir eine an¬ 
genehme Pflicht, meinem verehrten Chef Prof. F. C. Harrison 
für seine vielseitigen Unterstützungen und das allezeit rege 
Interesse, das er an dieser Arbeit nahm, herzlichst zu danken. 

Literatur. 

1. Annual Report ot the Bureau of Animal Industry, 
Fifteentb. U. S. Department of Agriculture, 1898, pp. 537. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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2. Buckley, S. S. Special Investigation of the so-called ,.new 
horse disease“ in Maryland. Maryland Sta. Bulletin 53, pp 110 bis 
114. Nach U. S. Experiment Station Record, Bd. 10, 1898—99, 
pp. 394. 

3. F. Friedberger und E. Fröhner. Lehrbuch der speziellen 
Pathologie und Therapie der Haustiere, Bd. 1, 1900, pp. 799. 

4. Jäger H. Zur Ätiologie der Cerebrospinalmeningitis epi¬ 
demica. Zeitschrift für Hygiene, Bd. 19, 1895, pp. 35'. 

5. Johne A. Zur Kenntnis der seuchenartigen Cerebrospinal- 
raeningiti8 der Pferde. Deutsche Zeitschrift fiir Tiermedizin, 
Bd. 22, pp 369. 

6. Ostertag. Nach den Angaben in Friedbergers-Fröhners Lehr¬ 
buch der speziellen Pathologie und Therapie der Haustiere, 

1900, Bd. 1, pp. 808. 

7. Pearson L. A. Preliminary Report upon forage poisoning 
in horse’s (, 80 -called CerebroBpjnalraeniugitis). Journ. of Comp. 
Medecine and Vet. Arch. 1900, pp. 654—657. 

8. Schütz, über den Streptokokkus der eitrigen Adenitis (Druse) 
der Pferde. Archiv für wissenschaftl. und praktische Tierheil¬ 
kunde, 1888, Bd. 14, pp. 172. 

9. Siedamgrotzky 0. A. und Schlegel M. Zur Kenntnis der 
seuchenhaften Cerebrospinalmeningitis der Pferde. Archiv für 
wissenschaftliche und praktische Tie heilkunde, Bd. 22, pp. 287. 

10. Weichselbaum A. Über die Ätiologie der akuten Meningitis 
cerebrospinalis. Fortschritte der Medizin. Bd. 5, D87, No. 18 
und 19. 

11. Williams W. L. Enzootic Cerebrospinalmeningitis in horses 
and hog cholera in Idaho. U. S. Dept. of Agricult. Bureau of 
Animal Industry, 1897 pp 179—187. 

12. Wilson Cerebrospinalmeningitis. American Vet. Journal, Bd. 53, 

1901, pp. 34—37. 

Referate. 

Wochenübersicht über die medizinische Literatur. 

Von Dr. Jess-Charlottenburg, 

Krelatleraret 

Zcntralb/att fiir Bakteriologie, ParasHeilkunde und Infektionskrankheiten. 
I. Abteilung, ( riginalc. Band XXXIV, Nr. -/. 

Untersuchungen und Beobachtungen über die Biologie und 
Pathogenität des Bacillusprodigiosus; von Dr. Bertarelli. 

Das Bakteriengift des Prodigiosus ist eiu Zellgift. Das 
nach der Methode Koch ausgezogene Protein hat eine toxische 
Wirkung. Die Vergiftungsvorgänge des Prodigiosus sind nicht 
auf die Stoffwechselprodukte des Keimes zurückzofähren, sondern 
stehen mit dem Bakterienkörper im engeren Zusammenhang. 

Über eine Infektiöse Krankheit beim Genus Turdus; von Prof. 
Maggiora und Dr. Valenti. 

Im September 1901 sahen die Verfasser im Gebiete von 
Modena unter den Amseln (Turdus merula) eine Seuche auftreten. 
Die Untersuchung ergab, daß es sich um ein filtrierbares Virus 
handelt, und die Verfasser resümieren die Ergebnisse ihrer Ex¬ 
perimente wie folgt: 

1. Die lebend gefangene und dann in unserem Laboratorium 
zugrunde gegangene Amsel hatte eine Infektionskrankheit von 
der Gruppe der Septikämien. Wegen der Ähnlichkeit der 
Läsionen bei derselben mit denjenigen Läsionen, welche bei 
den tot aufgefnndenen und bei den experimentell infizierten 
Vögeln angetroffen wurden, kann man schließen, daß es sich 
um eine seuchenartige Infektion handelte. 

2. Das spezifische Virus, obwohl es im Blute bestimmt 
vorhanden war, konnte mit dem Mikroskop nicht nachgewiesen 
und auch nicht auf den künstlichen Nährsubstraten kultiviert 
werden; es geht jedoch durch den Berkefeldschen Filter hin- 


No. 37. 

durch und zwar nicht als toxische Substanz, sondern als wirk¬ 
liches Virus, das sich zu vermehren und prädisponierte Tiere 
zu infizieren vermag. 

3. Von den uns zur Verfügung gestandenen Tieren erwiesen 
sich ansteckungsfähig nebst der Amsel, der Falke und die Eule, 
weniger die Spatzen und die Tauben; das Huhn, das Kaninchen, 
das Meerschweinchen, die weiße Maus erwiesen sich refraktär. 
Auch ein Finke blieb trotz der Inokulation am Leben. 

4. Infolge der Passagen des Virus durch prädisponierte 
Tiere hindurch steigerte sich bei diesen die Virulenz desselben. 

5. Die Infektion kann experimentell durch Injektionen kleiner 
Quantitäten von Blut oder von Emulsionen, die man aus den 
Eingeweiden der infizierten Tiere bereitet, übertragen werden, 
aber auch auf dem Wege des Darmkanals, von der Mund¬ 
höhle aus. 

Studien über den Vaccineerreger, I.; von Professor Bon hoff, 
Marburg. Es wird auf das Original verwiesen. 

Bindungsverhältnisse bei der Präzlpitinreaktion; von Professor 
Dr. Frhr. von Düngern. 

Die umfangreichen Ausführungen des Verfassers eignen sich 
nicht zu einer extraktartigen Wiedergabe, es muß deshalb auf 
das Original selbst verwiesen werden. 

Nr. ö derselben Zeitschrift. 

Beiträge zur Kenntnis der anaeroben Bakterien des Menschen; 
von Dr. Anton Ghon und Dr. Milan Sachs. 

Die Verfasser haben speziell Versuche angestellt über die 
Ätiologie des Gasbrandes. Die Veröffentlichung ist jedoch 
noch nicht abgeschlossen. 

Weitere Bemerkungen zur Entstehung von Ratteneplzootien; 
von Dr. Wiener. 

Die Untersuchung des Verfassers ergab, daß die Ratten 
sehr wohl an Typhus erkranken können; es werden zwar durch 
vom Menschen stammende Typhuskulturen Rattenepizootien 
nicht liervorgerufjn werden, es ist jedoch nicht zu verkennen, 
daß die Ratten bei der Verbreitung des Typhus eine gewisse 
Rolle spielen können, indem sie nämlich in den Kanälen mit 
menschlichem Kot in Berührung kommen und durch ihre eignen 
Ausscheidungen Nahrungsmittel oder Trinkwasser infizieren. 

Über Immunisierung mit Diphtheriebazillen; von Dr. Lipstein. 
Die Verwendung von agglutinationsfähigem Immunserum zeigte, 
daß die Versuchstiere die Kontrolliere selbst nicht überlebten, 
und die Resultate des Verfassers sprechen dafür, daß ein bak¬ 
terizid wirksamer Ambozeptor bei der Immunisierung mit leben¬ 
den Diphtheriebazillen nicht entsteht. 

Deutungsversuch der Eigenschaften und Wirkungsweise der Immun¬ 
körper; von Prof. Zangger. 

Z. möchte die Wirkung der Antikörper nicht auf chemischem, 
sondern auf physikalischem Wege erklärt wissen. Er sagt, daß 
die Antikörper und die Fermente eine große Reihe von Eigen¬ 
schaften gemein haben, die einer bis heute von der Chemie stark 
vernachlässigten Klasse angehören, den Kolloiden. Die Anti¬ 
körper haben mit dem Kolloid z. B. gemein, daß sie nicht 
krystallisieren, schwer oder gar nicht dialysieren und sich 
gegenseitig in der Lösung beeinflussen; daß sie unter allen 
Bedingungen die Tendenz haben, in stabilere Formen über¬ 
zugehen, und zwar besonders im gequollenen und verdünnten 
Zustand. 

Eine Zusammenstellung der Parallelen zwischen Antikörpern 
und Fermenten ergab 1. daß die Fermente wie alle Antikörper 


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10 September 1903. 


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sich spontan schnell verändern. 2. daß sie alle nur unter 
großen Verlusten filtrierbar sind. Sie wirken nur innerhalb einer 
Temperaturgrenze und können durch Schädigungen in ihrer 
Wirkung vollkommen aufgehoben sein, sich jedoch wieder erholen. 

Aus diesen Parallelen zieht Z. für die klinische Medizin 
folgende wichtige Konsequenzen: 

1. Für die Behandlung der Sera in der Praxis. Die Er¬ 
kenntnis, daß die wirksamen Körper alle die Eigenschaften von 
Kolloiden haben, und daß ihre Veränderlichkeit durchaus parallel 
geht den kolloiden Eigenschaften, daß ihre Existenzbedingungen 
diejenigen der Kolloide sind, macht mit einem Male verständlich, 
warum die Sera empfindlich sind gegen erhöhte Temperatur, 
Licht, Sauerstoff; warum sie nicht lange anfbewahrt werden 
können in stark verdünntem Zustand; warum sie vor Elektrolyt¬ 
wirkungen und veränderter Reaktion geschützt sein müssen; 
warum langes Schütteln in großer Verdünnung sie verändern 
kann; warum sie subkutan und intravenös, nicht per os gereicht 
werden dürfen. 

2 a. Für die Darstellungs- und vor allem für Isolier¬ 
methoden sind wichtige Anhaltspunkte vorhanden. Die Methodik 
wird sich behelfen müssen mit rein physikalischen Mitteln, vor 
allem der Dialyse, der spezifischen Bindung und der Möglich¬ 
keit rein physikalischer Absorption. 

Vermieden werden müssen: Höhere Temperaturen, chemische 
Mittel, wie Säuren und Basen; auch die Ansfällungen schädigen, 
Krystallisation ebenfalls. 

Diese Gesichtspunkte müssen nicht nur bei den Sera 
beachtet werden, sondern vor allem auch bei der Darstellung 
der Produkte, die zur Immunisierung verwendet werden. So 
wird z. B. Abtötung der Bakterien durch Hitze, durch chemische 
Mittel nicht vorgenommen werden dürfen, sondern wenn möglich 
mechanisch. Deshalb verspricht die Darstellung der Immuni¬ 
sierungsprodukte nach Mac Fadayen, die vor kurzem in der 
Royal Society in London von Lister warm befürwortet wurde, 
neue Fortschritte, wenn die Methode zuverlässig, denn er will 
die gefrorenen, also nicht plastischen und leicht ausweichenden 
Bakterien mechanisch sicher zertrümmern können. Da die Kälte 
Kolloide nicht verändert, werden diese Bakterienbreie alles 
unverändert enthalten, gegen was man Gegenkörper wünscht 
(auf der andren Seite ist eine Methode, die auf isolierten, 
chemisch reinen Giftprodukten zu stehen vorgibt, wie die von 
Maragliano, an sich ein Fehlgriff). 

Da die Antikörper, durch veränderte Reaktion geschädigt, 
durch andre Kolloide absorbiert werden können, so ist eine 
Darreichung per os wohl immer problematisch, vor allem ab¬ 
hängig von dem Magen- und Danninhalt, b) Aus diesen Eigen¬ 
schaften der Antikörper lassen sich anch die Erfolge und Mi߬ 
erfolge der Immunisierung durch direktes Einspritzen der 
Immunkörper, also die sog. passive Immunisierung, im Gegensatz 
zu der natürlichen Immunisation, durch Überstehung einer 
leichten Erkrankung der spez. Art, erklären. 


Tagesgeschichte. 

Zur Militär-Yeterinärreiorm. 

Da die Allerhöchste Kabinettsorder vom 27. August erst nach 
Schluß der Redaktion der letzten Nummer der BTW. bekannt 
geworden war und daher nur noch in zusammengedrängter Form 
hatte Aufnahme finden können, so soll sie mit der begleitenden 


Bekanntmachung des Kriegsministers hier nochmals vollständig 
veröffentlicht werden. 

Änderungen im Militär-Veterinärwesen. 

1. Die Militär-RoßarztBchule führt fortan die Bezeichnung: 
„Militär-Veterinär-Akademie“. 

Ihr Dienstverhältnis zu den Vorgesetzten und anderen Behörden 
und der Dienstbetrieb wird dadurch vorläufig nicht verändert. 

Betreffs weiterer Ausgestaltung der Akademie hat Mir das 
Kriegsministerium Vorschläge zu unterbreiten. 

Die Eleven der Militär-Roßarztschule werden künftig „Studierende 
der Militär-Veterinär-Akademie“ genannt. 

2. Als „Veterinäraspiranten“ können unter den bisherigen Zu¬ 
lassungsbedingungen ant 1. Oktober — zuerst 1903 — neben Zwei- 
und Dreijährig - Freiwilligen auch Einjahrig-Freiwillige bei der 
Kavallerie, der Feldartillerie nnd dem Train eingestellt werden. 

Für die Berittenmachung der einjährig-freiwilligen Veterinär¬ 
aspiranten finden die für die Berittenmachung der einjährig-freiwillig 
dienenden approbierten Tierärzte gegebenen Bestimmungen An¬ 
wendung. 

3. D.e Veterinäraspiranten sind nach ßmonatiger Ausbildung 
im Truppendienst, Bofern sie für die Militär-Veterinärlaufbahn ge¬ 
eignet erscheinen, auf 6 Monate zur Militär-Lehrschmiede Berlin zu 
kommandieren. Nach dort bestandener Prüfung im Hufbeschlage sind 
sie am 1. Oktober auf den Etat der Militär-Veterinär-Akademie zu 
übernehmen und zum überzähligen Unteroffizier zu befördern. 

4. Nach bestandener tierärztlicher Facbprüfung sind die 
Studierenden unter Überweisung zu einem Truppenteil zum etats¬ 
mäßigen oder überzähligen Unterveterinär zu ernennen nnd gleich¬ 
zeitig zu einem 6 monatigen Lehrkursus zur Militär Lehrschmiede 
nnd Klinik in Berlin zu kommandieren. Der bisherige 4 wöchige 
Lebrschmiede-Kursus für Unterroßärzte fällt für diese fort. 

5. Das Militär-Veterinärpersonal besteht fortan bis auf 
weiteres aus: 

Korpsstabsveterinären (bisher Korpsroßärzte), 
Stabsveterinären (bisher Oberroßärzte), 

Oberveterinären (bisher Roßärzte), 

Unterveterinären (bisher Unterroßärzte). 

6. Betreffs Bildung eines Militär-Veterinär-Offizierkorps des 
aktiven Dienst- und des Beurlaubtenstandes sehe Ich den Vor¬ 
schlägen des Kriegsministeriums entgegen. 

Wilhelmshöhe, den 27. August 1903. 

Wilhelm. 

v. Einem. 


Berlin, den 29. AuguBt 1903. 


An das Kriegsministerium. 

Kriegsministeriuin. 

Nr. 429.8. 03. A. 3. 

Vorstehende Allerhöchste Kabiuettsorder wird mit folgendem 

zur Kenntnis der Armee gebracht: 

Zu 1. a) Zur Unterstützung des Inspekteurs des Militär-Vcterinär- 
\Ve8ens in seiner Eigenschaft als Leiter der Militär-Veterinär- 
Akademie werden neben dem Inspizienten 4 Hilfs-Inspizienten — 
Oberveterinäre — vom 1. Oktober 1903 ab kommandiert. Diese 
verbleiben auf dem Etat ihrer Truppenteile, bis anderweitige 
Regelung erfolgt. Zu dem Kommando sind nur unverheiratete 
Oberveterinäre vorzuschlagen Die Unterbringung erfolgt grund¬ 
sätzlich in der Militär-Veterinär-Akademie. 

Die bisher erfolgte Kommandierung eines Oberroßarztes als 
Ililfs-Inspizieut während der Wintermonate fällt fort. 

b) Die Kosten eines Dienstsiegels sind aus Kapitel 36, Titel 67s 
zu bestreiten. 

Zu 2. ai Die bei den Truppenteilen noch vorhandenen „Roßarzt¬ 
aspiranten“ führen fortan gleichfalls die Bezeichnung „Veterinär¬ 
aspirant“. 

b) Nach Ablauf ihrer aktiven Dienstzeit treten die Aspiranten, 
so lange sie noch nicht in die Akademie anfgenoramen sind, 
zu ihrem Truppenteil in ein Kapitulationsverhältnis, ohne 
dadurch Anspruch auf Handgeld und höhere Gebührnisse zu 
erwerben. 

e) Die einjährig-freiwilligen Veterinär-Aspiranten tragen während 
des ersten Dienstjahres das für Einjährig-Freiwillige allgemein 
vorgcschriebene Abzeichen. Im übrigen tragen die Veterinär- 
Aspiranten bis zur Aufnahme in die Militär-Veterinär-Akademie 
das Abzeichen, wie bisher für die Roßarztaspiranten vorge¬ 
schrieben (vergl. § 10,2 der Militär-Veterinärordnung). 

Zu 3. a) Die Veterinär-Aspiranten sind während der Cmonatigen Dienst¬ 
zeit mit der Waffe in den Truppenschmieden soweit im 
praktischen Hufbeschlag zu fordern, daß sie in der Lage sind, 


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586 


ein Hufeisen zu schmieden, einen Huf zuzurichten und zu 
beschneiden. Der Abhaltung einer besonderen Prüfung der 
Leistungen bedarf es nicht. 

b) Die Anmeldung zur Militär-Lehrschmiede sind der Inspektion 
des Militär-Veterinär-Wesens seitens der Truppenteile un¬ 
mittelbar zum 1. März jeden Jahres zu übermitteln. Im übrigen 
vergl. § 10 der Militär-Veterinärordnung. 

ei Mit Genehmigung der Inspektion des Militär-Veterinär-Wesens 
ist die Zulassung zu einem nochmaligen Ausbildungskursus 
auf der Lehrschmiede Berlin für diejenigen Veterinär-As¬ 
piranten, die die Prüfung im Hufbeschlag nicht bestanden 
haben, zulässig. 

d) Die zurzeit auf der Militär-Veterinär-Akademie Studierenden 
— ehemaligen Eleven — können, sofern ihr Verbleiben auf 
der Akademie gesichert erscheint, durch den Inspekteur des 
Militär-Veterinär-Wesens zu überzähligen Unteroffizieren be¬ 
fördert werden. 

o> Die beförderten Studierenden der Militär-Veterinär-Akademie 
tragen zu ihrer Uniform (§ 15 der Militär-Veterinärordnung) 
die Rangabzeichen der Unteroffiziere nach §§ 138 und 141„ 
der Bekleidungsordnung II. Teil. 

Zu 5. Eine Neuausfertigung der Bestallungen findet nicht statt. 

Deckblätter zu der Militär-Vetcrinärordnnng vom 3. Juni 1897 
worden nicht ausgegeben. Die Neubearbeitung dieser Dienst¬ 
vorschrift bleibt Vorbehalten. 

v. Einem. 

Obwohl durch die vorstehende Allerhöchste Kabinettsorder 
nicht die ganze Militär-Veterinärreform vollendet ist, die 
Regelung wichtiger Teile derselben vielmehr noch Vorbehalten 
bleibt, wird sie doch eine ungeteilte Freude erweckt haben. 
Denn was durch jenen Befehl Seiner Majestät geschaffen ist, 
trägt so unverkennbar das Gepräge der Großzügigkeit, daß die 
Besorgnis gar nicht aufkommt, es könnte der großartige Ein¬ 
druck des ersten Teiles der Reform durch engherzige Ab¬ 
messungen im zweiten Teil gefährdet werden. 

Die Militärveterinärreform betrifft, wie auch in den beiden 
Petitionen des deutschen Veterinärrates zum Ausdruck gebracht 
ist, zwei selbständige Gebiete, die Heranbildung der Veterinäre 
und die Veterinäre bei der Tmppe. Das erstere Gebiet hat 
die fundamentale Bedeutung. Würde hier Ungenügendes, Halbes 
geschaffen, so nützten selbst glänzende Äußerlichkeiten auf der 
andren Seite wenig. Hier war auch Eile geboten, weil es sich 
darum bandelte, für die, welche in die Laufbahn des Militär¬ 
veterinärs eintreten wollten, klare und angemessene Verhält¬ 
nisse zu schaffen und dadurch Ersatz anzuziehen. 

Die A. K. 0. trägt ersichtlich diesem Umstande Rechnung. 
Sie beschränkt sich darauf, die Grundzüge für das Dringendste 
festzulegen, und überläßt Einzelheiten ebenso, wie den ganzen 
zweiten Teil der Reform noch der späteren Regelung. Augen¬ 
scheinlich ist es für den jetzigen Herrn Kriegsminister noch 
nicht möglich gewesen, die ganze Materie vollständig zu be¬ 
arbeiten. Das ist weder befremdlich noch besonders bedauerlich, 
wenn es nun auch die Ungeduld noch weiter zügeln heißt. Es 
ist vielmehr sehr dankenswert, daß vor dem Herbst noch das, 
was sich bis dahin eben schaffen ließ, selbständig ins Werk 
gesetzt worden ist. 

Das jetzt vollendete Teilwerk ist an sich wahrlich groß 
und wichtig genug. Andrerseits ist das, was noch fehlt, weder 
ganz in der Schwebe gelassen, noch auf unbestimmte Zeit ver¬ 
schoben; die A. K. 0. gibt vielmehr ganz bestimmte Direktiven. 
Se. Majestät sieht Vorschlägen über die Bildung eineB Militftr- 
Veterinär-Offizierkorps, sowie über die weitere Ausgestaltung 
der Akademie entgegen. Damit ist die Schaffung eines Veterinär- 
Offizierkorps ebensogut eine vollendete Tatsache geworden, 
wie die Umwandlung der Roßarztschule in die Militärveterinär- 
Akademie; das Prinzip steht fest und nur die Einzelheiten 
sind noch auszuarbeiten. Daß aber die von Sr. Majestät be- 


No. 37. 

fohlenen Vorschläge nicht werden verzögert werden, versteht 
sich von selbst. 

Auch wir möchten heute nicht auf die Einzelheiten ein- 
gehen, sondern allein den Gesamteindruck ins Auge fassen. Wir 
glauben, daß alle Tierärzte, insbesondere alle Militärveterinäre 
und namentlich die, welche auf dreißig Jahre Dienst zurück- 
blicken können, jetzt nur das eine tiefe Gefühl empfinden werden: 
Gott sei Dank, jetzt wird die Bahn frei! Welch’ großartiger 
Fortschritt, welch’ eine Wirkung des Abiturientenexamens! 

Die Militärroßarztschule und ihre Angehörigen haben unter 
vergangenen Verhältnissen manches ertragen. Deshalb, so groß 
auch der Vorteil für den ganzen tierärztlichen Stand ist, 
bildet für sie der ehrenvolle Umschwung doch eine besondere 
Genugtuung. Der Königlichen Militär-Veterinär-Akademie und 
ihren Studierenden sei deshalb unser herzlichster Glückwunsch 
dargebracht. Der wärmste Dank aller Tierärzte aber gebührt 
dem Herrn Kriegsminister und denjenigen Offizieren und Vete¬ 
rinären, welche in ihrer Dienststellung entscheidend an der Reform 
mitgewirkt haben, durch die das preußische Militärveterinär¬ 
wesen aus seiner inferioren, bespöttelten Stellung heraus einer 
glänzenden Zukunft entgegengeführt wird. S. 

f 

Oberregierungsrat Ph. J. Ritter v. Göring ist am 
4. September im Alter von 71 Jahren im Sommeraufenthalt zu 
Seefeld sanft entschlafen. Er hat sich des otium cum dignitate 
nur wenige Monate erfreuen können. Aber er hat die Freude 
genossen, am Ende seiner dienstlichen Tätigkeit voll zu empfinden, 
wie hoch er in Ehren stand, ln dieser ihm gewiß wohltuenden 
Empfindung ist er hinübergeschlummert, verschont von den 
Leiden des Alters, das ihm, dem Rüstigen, anscheinend noch 
nichts hatte anhaben können. Wir freuen uns, daß er in voller 
Frische und mit gerechtem Stolz noch das Münchener Fest des 
Veterinärrates hat mitfeiern können, von dessen Ehren, wenn 
es auch nicht ausgesprochen wurde, ein gut Teil ihm mit ge¬ 
bührte. Die B. T. W. wird die Tätigkeit v. Görings noch ein¬ 
gehender würdigen. S. 

In Köln ist im AugUBt A. Jaeger, der Generaldirektor 
der rheinischen Vieh-Versicherungs-Gesellschaft verschieden. 
Der Verstorbene hatte sich mannigfache Verdienste um die 
reelle Organisation dieser schwierigen Versicherungsbranche 
erworben. 

Ehrungen. 

Seine Majestät der Kaiser hat anläßlich Seiner Anwesenheit 
in den Manöver-Provinzen zwei Männern der Wissenschaft außer¬ 
gewöhnliche Ehrungen zuteil werden lassen, die ja gewiß durch 
die Tagespresse schon allgemein bekannt geworden sind, aber 
auch hier noch hervorgehoben werden sollen. 

Der greise Führer der landwirtschaftlichen Wissenschaft 
undSchöpfer eines mustergültigen landwirtschafllichenUnterrichts, 
Professor Kühn zu Halle ist Exzellenz geworden. Und neben 
ihm ist diese Auszeichnung in verhältnismäßig sehr jungen 
Jahren einem ärztlichen Wohltäter der Menschheit, Professor 
v. Behring zuteil geworden. Diese Ehrung wahrer und großer 
praktisch-wissenschaftlicher Verdienste durch den Kaiser wird 
allenthalben freudig mitempfunden werden. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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10. September 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


587 


Zum Or. med. vet. 

Die am 17. Juli 1903 vom Königlichen Staatsministerium 
des Innern in Bayern erlassene die Führung ausländischer 
Doktortitel betreffende Verfügung (siehe Nr. 32 Seite 502) hat 
zu folgendem der „Augsburger Abendzeitung“ entnommenen 
Artikel Veranlassung gegeben: 

In der Begründung der Entschließung des Kultusministeriums, 
betr. Führung des vet.-med. Dokt«»rtitels, heißt es unter anderem: 
.... Da ferner bei allen Fakultäten ordnungsgemäße Fachstudien, 
eine wissenschaftlich beachtenswerte, in Druck gelegte Doktor- 
Arbeit und strenge mündliche Doktor-Prüfung unerläßliche Vor¬ 
bedingungen für die Promotion sind. Dieser Passus ist 

möglicherweise geeignet, bei Fernstehenden die irrige Meinung zu 
erregen, als ob die geringe Zahl der derzeit in Bayern zur Führung 
des genannten Titels Berechtigten denselben nicht rite. bzw. unter 
nicht zu billigenden Ausnahmebestimmungen und Erleichterungen 
verliehen erhalten hätten. Dem gegenüber sei folgendes festgestellt: 
Die vet.-med. Doktorwürde vergehen zurzeit die Universitäten 
Gießen, Bern und Zürich. Gi>-ßen hat den Titel von jeher nur an 
Tierärzte vergeben, die Absolventen eines humanistischen (seit 
kurzem auch Realgymnasiums) waren. Die beiden Schweizer Uni¬ 
versitäten verlangen von ihron eigenen Doktoranden die Maturität. 
Deutschen Tierärzten räumen sie, ausnahmsweise, wie es in den 
betr. Bestimmungen heißt, auch ohne Gymnasialabsolutorium das 
Recht der Promotion ein, was bisher insofern völlig zu rechtfertigen 
war, als nach den deutschen Bestimmungen die Vorbedingung zur 
Zulassung zum tierärztlichen Studium bis zum 1. April 1903 durch 
Beibringung des Reifezeugnisses für die 8 Gymnasialklasse erfüllt 
war. Im übrigen ist die Promotion abhängig gemacht: 1. von der 
Einreichung a) einer Dissertation von wissenschaftlichem Wert, 
gegründet auf experimentelle Forschung, auf Beobachtung oder 
kritische Bearbeitung bereits vorhandenen Materials, b) der Belege 
über die wissenschaftliche Vorbildung, naturwissenschaftliche und 
vetcriuär-medizinische Studien; 2. von dem Bestehen einer münd¬ 
lichen Prüfung; dieselbe umfaßt: Anatomie und Embryologie, 
Physiologie, pathologische Anatomie und allgemeine Pathologie» 
spezielle Pathologie und Therapie, Chirurgie und Hufbeschlag. 
Pharmakologie, Seucbenlehre und Bakteriologie, Tierzucht und 
Hygiene. Die Prüfung in einem Fache darf 20 Minuten nicht über¬ 
steigen. Die meisten jüngeren Doktoranden hatten noch ein oder 
zwei Semester, mit speriellen wissenschaftlichen Untersuchungen be¬ 
schäftigt, an der betr. Universität zngebracht oder anderwärts mit 
einer wissenschaftlichen Autorität zusammen gearbeitet. Mit den 
eingereichten Dissertationen wurde von seiten der Fakultät streng 
ins Gericht gegangen und Bewerber um die Doktorwürde keineswegs 
vereinzelt abgewiesen. Die verschiedenen Dissertationen, die sich 
das kgl. bayer. Staatsministerium stets vor Erteilung der Erlaubnis 
zur Führung des Doktortitels in Vorlage bringen ließ, stellen nach 
dem Urteil hervorragender Fachmänner durchaus wertvolle, 
einwandfreie und tüchtige, in vielen Fällen sogar vorzügliche 
Arbeiten dar und sind durchweg mit dem Namen der betreffenden 
Referenten in der Fakultät und mit Widmungen an wissenschaftlich 
anerkannte Männer gedeckt. Die Einführung der Maturität und 
tierärztlichen Approbation als Vorbedingung zur Erlangung der 
veterinär-medizinischen Doktorwürde ist unter den derzeitigen Ver¬ 
hältnissen nur zu begrüßen, und die vorliegenden Zeilen sind nur 
dazu bestimmt, den vielfach verbreiteten falschen Meinungen über 
den von Bayern geführten veterinär-medizinischen Doktortitel ans 
Bern und Zürich bzw. einer Bestätigung derselben durch falsche 
Deutung der ministeriellen Entschließung entgegenzutreten. 

Diesen Ausführungen kann man ohne weiteres beitreten, 
insbesondere muß dem Verfasser derselben darin Recht gegeben 
werden, daß die ministerielle Verfügung geeignet ist, in ferner¬ 
stehenden Kreisen die falsche Meinung au erzeugen, daß bisher 
der Doctor medicinae veterinariae der Schweizerischen Univer¬ 
sitäten unter nicht zu billigenden Erleichterungen und Aus¬ 
nahmebestimmungen erworben werden konnte und der ministerielle 
Erlaß hierauf als notwendige Folge zurückzuführen seL 


Iu anerkennenswerter Weise unterscheidet sich die Stellunga- 
nahme des bayrischen Staatsministeriums jedoch von der anderer 
Bundesstaaten, wie Preußen und Sachsen, indem denjenigen 
Tierärzten, die bereits unter großen Opfern an Zeit, Arbeit 
nnd Geld in der Bearbeitung einer Dissertation zur Erlangung 
der veterinärmedizinischen Doktorwürde der Schweizer Univer¬ 
sitäten Bern oder Zürich begriffen sind, die Anerkennung der 
Doktorwürde gesichert worden ist. Warum konnte dieser Weg 
nicht auch von den maßgebenden Ministerien der anderen ange¬ 
gebenen Staaten eingeschlagen werden? Vielleicht ist die 
bayrische Ministerialverfiigung der Verbote einer zu erwartenden 
einheitlichen Regelung der Dr. med. vet.-Frage für das ganze 
Deutsche Reich. Mögen dann die anderen Bundesstaaten dem 
Beispiele Bayerns folgen. Dr. Zobel. 

Pferdesterbe in Natai. 

Nach der Times hat die Regierung von Natal einen Bericht 
des Direktors der Veterinärabteilung, Pitchford, veröffentlicht, 
der neue Beiträge zur Ätiologie der Horse sickness wenigstens 
im Gebiete von Natal liefert. Auch die Ergebnisse der Versuche 
P.’s weisen überzeugend darauf hin, daß die Seuche wie die 
Malaria durch Stechfliegen übertragen wird. Versuchstiere, die 
in Ställen unter Gazeschutz oder mit Räuchervorrichtungen 
standen, blieben gesund, während daneben ohne diesen Schutz 
aufgestellte Kontrolipferde sämtlich Btarben. 

Mitteilung. 

Die Redaktion ist gebeten worden, folgendes mitzuteilen: 
Die Volkshochschule des Volksbildungsvereins zu Straßburg i. E. 
unter Leitung des preußischen Realschuldirektor a. D. Professor 
Bartholdy, übernimmt Voibereitung auch auf das Abiturienten¬ 
examen eines humanistischen oder Realgymnasiums bzw. einer 
Oberrealschule und ist zu diesem Zweck besucht u. a. von 
Studenten, Apothekern, Chemikern, Tierärzten, Offizieren etc. 

Deutsche Landwirtsohaftsgesellachaft. 

Die, wie alljährlich, so auch in Hannover hergestellten 
Photographien der mit ersten Preisen geklönten Ausstellungs¬ 
tiere, welche ein vorzügliches Demonstrationsmaterial bieten, 
sind bis zum 1. Oktober er. von der Deutschen Landwirtschafts- 
Gesellschaft zu dem Vorzugspreise von 0,70 M. für das Stück 
zu beziehen (später tritt Preiserhöhung ein). 

Die nächstjährige „Grosse landwirtschaftliche Woche“. 

Der Zeitpunkt für die nächstjährige „Große landwirtschaft¬ 
liche Woche“, d. h. für die Tagung der Deutschen Landwirtschafts- 
Gesellschaft nnd andrer großer landwirtschaftlichen Körper¬ 
schaften, ist auf die dritte Februarwoche, die Tage vom 15. bis 
20. Februar 1904, festgelegt. 

Zur Aufklärung. 

Der Verleger des „Empirischen Fleischbeschauer“, Herr 
Trichinenschauer Richard Reissmüller in Chemnitz, hat an 
die königl. preußischen Landratsämter gedruckte Rundschreiben 
versandt, in denen er wegen der Herbeiziehung von Auskünften 
über seine Zeitschrift auf unsere Personen verweist. 

Demgegenüber erklären wir, daß diese Berufung auf uns 
ohne unser Wissen und Willen erfolgt ist, und wir uns 
jede weitere Versendung der erwähnten Rundschreiben ver¬ 
beten haben. 

Berlin und Dresden, den 4. September 1903. 

Ostertag. Edelmann. 


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588 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 37. 


Berichtigung. 

In dem Bericht über den in Hannover stattgehabten Fort- 
bildnngskursus für Tierärzte sind bei Erwähnung des ge¬ 
selligen Abends künstlerische Darbietungen dem Herrn Assistenten 
Dr. Arndt zugeschrieben, der jedoch mitteilt, daß das Verdienst 
seinem Kollegen, Herrn Prosektor Beutler gebührt. 

Berichtigung. 

Die Mitteilung betr. angeblichen Verstoßes gegen Trichinen¬ 
schau Vorschriften seitens des Amtstierarztes Feldhus hat sich 
als im wesentlichen entstellt erwiesen. Wir halten uns für 
verpflichtet, die Richtigstellung, welche der genannte Kollege 
der Allgemeinen Fleischerzeitung hat zugehen lassen, auch hier 
abzudrucken, indem wir unsre Freude aussprechen, daß der 
Sachverhalt den Kollegen Feldhus in dieser Weise recht¬ 
fertigt. 

Herr F. schreibt an die Allgemeine Fleischerzeitung: 

Westerstede. Zu dem in Nr. 114 dieser Zeitung erschienenen 
Artikel, welche eine Gerichtsverhandlung gegen den Handels¬ 
mann Gerhard Eilers hierselbst zum Gegenstand hat, habe 
ich folgendes berichtigend zu erwähnen: 

1. Es ist nicht wahr, daß meine Dienstmagd als Zeugin 
bekundet hat, sie habe im vergangenen Winter auf meine Ver¬ 
anlassung Proben von geschlachteten Schweinen entnommen und 
nachher die Schweine abgestempelt. 

2. Es ist nicht wahr, daß ein andrer Zeuge ausgesagt 
hat, ich hätte selbst sofort nach der Probeentnahme die Schweine 
als untersucht abgestempelt. 

3. Es ist nicht wahr, daß ein weiterer Zeuge die Er¬ 
klärung abgegeben hat, er sei von mir seit längerer Zeit be¬ 
auftragt gewesen, die geschlachteten und untersuchten Schweine 
mit dem Brenneisen zu brennen, ohne dazu berechtigt gewesen 
zu sein. 

Im letztgedachten Falle handelt es sich um einen seit zwölf 
Jahren vom Gemeindevorstand bestellt gewesenen und ausdrück¬ 
lich verpflichteten Probenentnehmer, der diese Funktion also 
keineswegs gesetzwidrig ausgeübt hat (Instruktion für die Fieisch- 
beschauer vom 18. April 1882, Ziff. 1). 

Es sind offenbare Unrichtigkeiten und Entstellungen, die 
der Einsender des Artikels in gehässiger Weise gegen mich in 
die Öffentlichkeit gebracht hat. Nach der Vernehmung von 
7 Zeugen — auch hier hat der Einsender des Artikels falsch 
berichtet — wurde auf die Vernehmung weiterer Zeugen ver¬ 
zichtet und auf die Freisprechung des Angeklagten erkannt, 
weil das Fundament der Anklage, nämlich die Erstattung der 
Anzeige wider besseres Wissen, § 164, als nicht haltbar sich 
erwies, dahingegen lehnte das Gericht die Übernahme der er¬ 
heblichen Verteidigungskosten auf die Staatskasse ab, mit der 
Begründung, daß der Angeklagte die Anzeige nicht im allge¬ 
meinen oder öffentlichen Interesse, sondern aus Rache gegen 
mich erstattet habe. Ich war nämlich im vorigen Jahre genötigt, 
eine mir gegen Eilers ausstehende Forderung für Fleisch¬ 
beschau und tierärztliche Bemühungen einzuklagen und von der 
Zeit her datieren die von Eilers gegen mich ins Werk gesetzten 
falschen Anschuldigungen« 

Der Verfasser des betreffenden Artikels, — der in Zwischen¬ 
ahn und nicht in Oldenburg — zu suchen sein soll, wird übrigens 
strafrechtliche Verfolgung zu gewärtigen haben. S. Feldhus. 


Maul- und Klauenseucha. 

In Verfolg der Deklaration vom 9. April 1896 zur landespolizei¬ 
lichen Anordnung vom 6. Dezember 1895, betreffend die Abwehr gegen 
die Einschleppung der Maul- und Klauenseuche in den diesseitigen 
Regierungsbezirk durch das aus anderen Reichsteilen stammende 
Vieh, bestimme ich, daß die Vorschriften der vorbezeichneten landes¬ 
polizeilichen Anordnung sich auf das aus nachbenannten Reichs¬ 
teilen — 1. aus den preußischen Regierungsbezirken Posen, Arnsberg 
Wiesbaden, Koblenz und Trier, 2. aus den bayerischen Regierungs¬ 
bezirken Oberbayern und Schwaben, 3. aus dem württembergischen 
Kreise Schwarzwaldkreis, 4. aus den Reichslanden Unter-Elsaß und 
Lothringen — im Regierungsbezirk Bromberg zur Entladung mit 
der Eisenbahn gelangende Kindvieh bis auf weiteres beschränken. 

Bromberg, den 13. August 1903. Der Regierungspräsident. 

I. V.: 

Freiherr von Ltitzow. 


Personalien. 

Auszeichnungen, Ernennungen: Dem Veterinärassessor, Departe 
mentsticrarzt Lei*tikoic in Magdeburg wurde der rote Adlerorden 

4. Klasse verliehen. 

Bczirkstierarzt Adolf Weiler in Mosbach in Baden wurde etats¬ 
mäßig angestellt. Assistent Fritx Jiahnenführer (nicht Rönnefahrt, 
vgl. Nr. 35) an der tieräiztlicben Hochschule in Berlin wurde zum 
Kreistierarzt in York ernannt; Tierarzt Erich Silbersiejm zum 

1. Assistenten an der Poliklinik und Gottfried Albert zum 

2. Assistenten an der chirurgischen Klinik der Berliner tierärztlichen 
Hochschule; Josef Müller zum Assistenten an der tierärztlichen Hoch¬ 
schule in Stuttgart — Die Tierärzte Bemh. Holtmann in Billerbeck 
zum Sanitätstierarzt in Krefeld; Anton Damm zum Schlacbthofiierarzt 
in Piettenburg; Assistenziierarzt Heim Jaeger in Kassel zum Schlacht- 
hoftierarzt in Aachen. — Tierarzt Th. Stampa zum Assistenten am 
bakteriologischen Institut der Landwirtschaftskammer in Stettin; 
Hermann Walter zum Distrikts- und Stadttierarzt in Weikersbeim. 

Berichtigung: Bezirkstierarzt Robert in Annaberg ist nicht 
Kommissionsrat, wie in Nr. 36 fälschlich bemerkt wurde. 

Wohn8itzver&nderungen : Verzogen sind die Tierärzte Richard 
Boyc von Halle nach Berlin und Wilde von Euskirchen nach Neiße 
in Schlesien. 

Examina: Promoviert wurde Tierarzt Ucnnh&rdt in Kötzschen¬ 
broda zum Dr. phil. (nicht Dr. med. vet.). — Approbiert wurden 
in Gießen die Herren: Clemens Gcrharx und Brunningcr (nicht 
Gerhaat und Braninger); in Stuttgart die Herren: Eduard Kühner 
und Josef Müller. 

in der Armee: Versetzt wurden die Roßärzte: Brohmann vom 
Feld-Art.-Rgt. Nr. 40 zum Drag.-Rgt. Nr. 12; Quhrauer vom Feld- 
Art.-Rgt. Nr. 57 zum Kür.-Rgt. Nr. 2; Lottermoser vom Kür.-Rgt. 
Nr. 2 zum Feld.-Art.-Rgt. Nr. 17. 

Im Beurlaubtenstand: Die Roßärzte der Landw. 1. A.: 
Wienke (Bitterfeld), Schlichte (Höchst), Marschner (Breslau I) wurden 
zu Oberroßärzten befördert; Unterroßarzt Reineck (Berlin III) zum 
Roßarzt 

Todesfälle: Philipp, Ritter von Göring, Oberregierungsrat, 
kgl. bay. Landestieiarzt a. D. in München; Veterinärrat Bartholomäus 
Heitxmann in Messkirih in Baden; Kreistierarzt Wilhelm Trolldenier 
in Blankenburg i. H.; Tierarzt Walter Politx in Wunstorf. 


Vakanzen. 

(Siehe Nr. 36.) 

Neu hinzugekommen sind: Freiburg i. Br.: Assistent am. 
tierhyg. Institut der Universität vom 1. Okt. an. 1800 M. Meldg. 
bis 20. Sept. an Professor Schlegel. — Landsberg i. Ostpr.t 
Privalpraxis. Zuschuß von 495 für die beiden ersten Jahre. Meldg. 
sofort a. d. Magistrat. — Pulsnitz i. S.: Fleischbeschau mit 1800’ 
bis 2000 M jährlich. Meldg. a. d. Stadtrat. 

Besetzt sind die Stellen in Bremen, Krefeld, Gelsenkirchen, 
Horst a. d. EmBcher, Langendreer, Frankfurt am Main. 


VerantwortUch für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmaltz in Berlin. — Verlag und Eigentum ,-on Richard Schoetz ln Berlin. — Drnc* von W. Bflxeneteln, Berlin. 


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Dl* »Berliner Tlarlrxtllcha Wochenschrift* erscheint 
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fragen beliebe man su senden an Prof. Dr. Sohraalts, 
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Tierärztliche Wochenschrift 


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Profeasor 

Laadeatlerarst v. Bayer* Kreiatlerarst 


Danzig. 

Dresden. 

Freiburg i. Br. 

München. 

Mülhausen i. E. 


Jahrgang 1903. Jfä 38 . Ausgegeben am 17. September. 


Inhalt: Fock: Die nnverhältnismäßige Größe des Kalbes als Geburtshindernis und das in solchen Fällen erforder¬ 
liche geburtshilfliche Verfahren. — Schumann: Über eine neue Ohrmarke zum Zeichnen der Tiere, vom Ver¬ 
fasser nachstehender Zeilen und Herrn Uhrmacher Hammer in Greiz konstruiert. — Schwantes: Papillomatose 
bei einem Bullen. — Doret: Heilung von Rehe infolge Durcbschneidnng der Arteria digitalis lateralis. — 
Kleine Mitteilungen. — Referate: Nocard: Häufigkeit und Diagnose der Piroplasmose des Hundes. — Bach: Extra¬ 
abdominale Retorsion. Neue Heilmethode bei Uterustorsionen. — Dieckerhoff: Die Bezeichnung der Erbfehler in den Kör¬ 
ordnungen für Privathengste. — Jeß: Wochenübersicht Uber die medizinische Literatur. — Tageogesohiohte: XXIII. Sitzung des 
Vereins der ostpreußischen Tierärzte zu Königsberg i. Pr. — Verschiedenes. — Bücheranzeigen. — Personalien. — 
Vakanzen. 


Die unverhältnismässige Grösse des Kalbes 
als Geburtshindernis und das in solchen Fällen 
erforderliche geburtshilfliche Verfahren. 

Von 

H. C. Fock, weiland Tierarzt in Ahrensbök. 

(Aus einem nachgelassenen unvollendeten Manuskript). 

Wenn das Junge im Verhältnis za der Weite der Geburts- 
wege der Matter zu groß ist, so tritt jedesmal eine bedeutende 
Schwierigkeit im Geburtsakte ein oder es entsteht eine gänzliche 
Stockung. In der Regel ist die Lage des zu großen Kalbes 
gänzlich normal, entweder als Kopfendlage oder anch als 
Steißendlage. Letztere Lage kommt in diesen Fällen ebenso 
häufig vor wie die Kopfgeburt, jedoch rechne ich mit 
Prof. Dr. Bendz bei den Kühen auch die Steißgeburt zu der 
Normallage, insofern diese Lage nämlich keine grössere 
Schwierigkeit bietet. Aber eben dieser Umstand, die normale 
Lage, verursacht es, daß dem Tiefarzte die Hilfe so sehr 
erschwert wird. Weil nämlich die Lage normal ist, so versucht 
der Besitzer regelmäßig zuerst selbst zu helfen. Er läßt 
immer erst mit Gewalt ziehen, sehr oft von 12 Mann, ond erst 
wenn dnrch die äußerste Kraftanstrengung das Kalb auch 
keinen Zentimeter weiter herausbefördert wird, wird tierärztliche 
Hilfe gesncht. Jetzt hat sich aber der Zustand znm Schaden 
der Kuh geändert. Das Kalb ist ganz trocken, die Geburts- 
wege sind angeschwollen, die Kuh ist sehr geschwächt etc. 

Das in Rede stehende Gebortshindernis kommt in unserer 
Gegend häufig vor and die Hilfeleistung ist nicht leicht, 
erfordert namentlich viel Geduld und Umsicht. Da ich nun 
sehr viele Fälle dieser Art fast ohne Aasnahme mit Erfolg 
behandelt habe, so habe ich gemeint, dnrch Mitteilung meines 
Verfahrens nützen zu können, zumal die tierärztliche Literatur 
sehr wenig über diese tierärztliche Behandlung bietet. 

Die Ursache der zu großen Kälber beruht am häufigsten 
darauf, daß die Knh mit einem Stier gepaart wurde, der in 
Hinsicht der Körperform und Größe zu sehr abweicht. So finden 


sich relativ za große Kälber häufig bei kleinen Angeier Kühen, 
die mit großen Ballen der Breitenbarger Rasse gepaart wnrden. 
Anch habe ich beobachtet, daß dies Geburtshindernis am häufig¬ 
sten bei Erstgeburten vorkommt, wo die Geburtswege gewöhnlich 
noch enger sind. 

Es sind nun drei Stellen am Kalbe, wo die Stockungen 
Vorkommen: am Kopfe, am Schultergürtel und am Beckengürtel. 
In prophylaktischer Beziehung würden also diese drei Punkte 
bei Answahl des Deckstiers stets ins Ange zn fassen sein. 

Die Diagnose des relativ zn großen Kalbes ist gewöhnlich 
nicht so schwierig: man fühlt oder sieht die dicken Füße und 
den dicken Kopf und daneben die große Enge der Gebortswege. 
Wenn der Kopf schon hindurch ist und die Gebnrt stockt, so 
hat man jedenfalls zn untersuchen ob anch Baachwassersacht 
des Kalbes vorhanden ist. 

Das erste Einschreiten des Tierarztes maß nnn unter allen 
Umständen darin bestehen, die Gebnrtswege einzufetten, und 
dies geschieht am besten mit frischem, reinem Schweineschmalz. 
Man sacht bis znm vorderen Beckenrand einzndringen, was 
anch gewöhnlich gelingt; man reibt denselben sowie die ganze 
Scheide ein; ferner reibt man das Kalb ein, besonders anch 
den Kopf, wenn er vorliegt. Schleimige und Warmwasser¬ 
einspritzungen mittelst Gnmmi8chlanch können mitunter anch 
verwendet werden, haben aber bei weitem nicht den Nutzen 
wie Schmalzeinreibungen. Das fernere Verfahren des Tierarztes 
besteht in folgendem: a) bei Kopfendlagen: man versucht den 
Kopf durchzuziehen,' indem man zugleich an einem Vorderbein 
anziehen läßt. Man nntersnche genan das Lageverhältnis des 
Kopfes zn den Vorderbeinen and strebe dahin, den Kopf mög¬ 
lichst zwischen und über den Vorderbeinen zn halten. Man 
kann gewöhnlich mit der Hand hinter die Ohren des Kalbes 
kommen und auf diese Weise etwas nachhelfen. Daß man einen 
Reif um den Unterkiefer legt nnd daran ziehen laßt nützt in 
diesem Falle gewöhnlich nichts, weil bekanntlich bei einer großen 
Kraftentfaltnng der Unterkiefer aasreißt 


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590 


Will es jetzt noch nicht gelingen, so läßt man abwechselnd 
an den Vorderfüßen ziehen. Man versucht sobald als möglich 
den Reif, den man zuerst am Fesselgelenk hatte, über dies 
Gelenk hinwegzuschieben, um dann möglichst bald mit der 
Schlinge über das Vorderknie hinauf — an den Unterarm — 
zu kommen. Nun versucht man an beiden Vorderfüßen zu ziehen 
und zugleich am Kopfe. Dann Haken in die Augen und subkutane 
Abnahme des einen Vordergliedes. Dies gelingt immer; alsdann 
läßt sich auch immer der Kopf hervorziehen. Sobald der Kopf 
soweit herausgezogen ist, daß man hinter die Ohren gelangen 
kann, legt man sofort dicht hinter den Ohren eine Kette um 
den Hals herum. Wenn man jetzt an dieser Kette und an den 
Seilen der Vorderfüße zugleich ziehen läßt, so kommt das Vorder¬ 
teil mit leichter Mühe bis zum Schultergttrtel heraus; aber hier 
hapert es wieder, hier tritt stets eine Stauchung ein. Man muß 
deshalb gleich wenn man anziehen läßt alle verfügbaren Kräfte 
anwenden und keinen Stillstand eintreten lassen. Man läßt 
beide Vorderbeine um das Knie zusammenbinden, und der Geburts¬ 
helfer steckt einen Stab, z. 6. einen Besenstiel, zwischen die 
Unterarme der zusammengebundenen Vorderbeine, kommandiert 
zum Anziehen und dreht mittels des Besenstiels das Kalb. 
Wenn richtig gedreht und gleichzeitig kräftig gezogen wird, 
so gelingt es fast immer, den Schultergürtel hindurchzuziehen 
und der Stauchung vorzubeugen. Mitunter gelingt es auch, das 
Hinterteil, welches sich immer im Becken- oder Hüftgürtel 
festsetzt, unter beständigem Drehen seitens des Geburtshelfers 
hindurchzuzwingen; in den meisten Fällen aber setzt es sich 
eben fest, weil der Beckengürtel des Kalbes nicht hindurch 
kann, und zwar einfach deshalb nicht, weil sich die Hanken 
(äußere Darmbeinwinkel) des Kalbes vor den vorderen Bec^en- 
eingang des Muttertieres Btemmen. Der Durchmesser von einer 
Hanke zur anderen beim Kalbe ist in diesen Fällen nämlich 
tatsächlich größer als der obere Durchmesser des mütterlichen 
Beckens. Es ist selbstverständlich, daß sogar mit der größten 
Kraft das Kalb nicht herabzuziehen ist; die Folge ist stets nur, 
daß das Muttertier fortgeschleift wird, wenn es nicht befestigt 
ist. Ich habe einen Fall erlebt, wo man vor meiner Ankunft 
bei versuchter Selbsthilfe seitens des Besitzers mittels zwölf 
handfester Männer die Kuh zehnmal durch den langen Stall 
geschleift hatte. Fast unglaublich, aber wahr ist ein Fall, wo 
man zwei Pferde vor das Kalb gespannt hatte. 

Die einzige Rettung in dieser schwierigen Lage ist allein 
möglich durch Drehen des Kalbes bei gleichzeitigem 
starken Ziehen. Das Verfahren ist folgendes: Sobald das 
Becken des Kalbes sich mit den Hanken gänzlich vor den 
Beckeneingang gestemmt hat, versucht man zuerst eine noch¬ 
malige Einfettung, besonders des vorderen Beckenrandes. Nun 
muß man zuvörderst die Kuh befestigen, damit sie nicht fort¬ 
geschleift werde. Dies geschieht am einfachsten mittelst eines 
Sielens, den man von hinten umgekehrt auf die Kuh legt und 
zwar so, daß das Brustblatt hinter den Oberschenkeln etwas 
unterhalb des Wurfes zu liegen kommt. Mittels der Stränge 
(oder der Sielenhaken und Reife) befestigt man die Kuh vorn 
an den etwa vorhandenen Stallbäumen (Stallrögel) oder dergl. — 
Jetzt legt man eine starke Wagenkette um das Kalb und zwar 
eben hinter dem Schultergürtel, so daß die Rippen noch in der 
Kettenschlinge liegen. Der Geburtshelfer nimmt nun eine Stange 
zur Hand, steckt sie durch die Kettenschlinge unmittelbar auf 
die Rippen des Kalbes und kommandiert zum Anziehen der Kette. 


No. 38. 


Indem die Kette angezogen wird, dreht der Geburtshelfer mittels 
der Stange das Kalb, soviel in seinen Kräften steht, und die 
Operation gelingt alsbald. Selbstverständlich genügt hier keine 
geringe Kraft; unter 6 Mann an der Kette nützt es in der Regel 
nichts. Aber auch selbst 6—12 Mann genügen in einzelnen 
Fällen nicht, und hier ist es notwendig, die Kette mittels eines 
Hebels anzuziehen. (Wo der Raum es gestattet, ist es über¬ 
haupt in diesen Fällen immer besser, gleich von vornherein sich 
einer Hebelvorrichtung zu bedienen). Der Hebel muß je nach 
den Umständen verschieden hergerichtet werden, z. B. mittels 
eines langen Baumes (Windelbaum), der außerhalb der Stalltür 
angebracht wird. Die Kette wird durch die Stalltür geführt 
und um den Baum geschlagen; auch eine lange eiserne Stange 
kann man benutzen, die man in den Stallboden stemmt, ein 
Schiebkarrenrad u. ähnl. 

Durch das Drehen des Kalbes wird bewirkt, daß zuerst 
eine Hanke desselben in das mütterliche Becken ein tritt; sobald 
dies geschehen ist, folgt bei einer solchen Kraftanwendung leicht 
der Durchgang des ganzen vorgestemmten Beckengürtels. 
Indem das Kalbsbecken hierbei eine schräge Lage gegen den 
Beckeneingang einnimmt, ist Platz gewonnen, weil diese schräge 
Linie durch das mütterliche Becken etwas länger ist als die 
vorherige Querlinie. Nachdem die eine Hanke eingetreten ist, 
kommt ein zweiter Punkt ganz wesentlich zu Hilfe. Es ist 
bekannt, daß eine kleine Bewegung stattfinden kann, sowohl in 
der Mittelnaht des Beckens (Symphysis ossium pubis) als auch 
in dem Kreuzgelenke (dem Kreuzdarmbeingelenk). In der 
letzten Zeit der Trächtigkeit sind alle Bänder des Beckens 
etwas gelockert und namentlich auch die des Kreuzgelenkes. 
Das Kalbsbecken ist ja noch sehr beweglich, indem die Scham¬ 
beinfuge — die Symphyse — noch nicht verwachsen ist, sondern 
noch einen Zwischenknorpel hat; das Kreuzgelenk ist noch sehr 
beweglich. Nachdem nun der eine Darmbeinwinkel des Kalbes 
in das mütterliche Becken auch nur um die geringste Kleinigkeit 
eingetreten ist, so wird infolge des fortgesetzten Ziehens und 
Drehens das Becken des Fötus zusammengedrückt und 
das Becken der Mutter etwas erweitert, und zwar eben 
infolge der geringen Beweglichkeit in Mittelnaht und Kreuz¬ 
gelenk. Daß der günstige Erfolg bei meinem Verfahren mittelst 
Drehens und Ziehens tatsächlich auf dem eben geschilderten 
Vorgänge beruht, davon kann man sich leicht überzeugen, wenn 
man das Becken eines relativ zu großen Kalbes ganz frisch 
mit dem zugehörigen Kreuzbein präpariert und alsdann Versuche 
mit einem normalen Rinderbecken macht Man wird finden, daß 
beide Hanken in der Querlage vorstoßen, daß aber bei ein wenig 
Drehung die eine Hanke sich hineinpressen läßt Es beruht 
dies auf der fast rektangulären Form des Rinderbeckens. Daß 
eine Erweiterung in der Symphyse stattfinden kann, davon kann 
man sich ebenfalls sogar noch bei jedem ausgetrockneten Becken 
überzeugen. 

Daß das Geburtshindernis auf dem Vorstauchen der Darm¬ 
beinwinkel beruhte, das sieht man an dem Kalbe deutlich, wenn 
mau es gleich nach der Geburt untersucht: Man findet noch 
deutlich den Wulst und gleichsam einen Einschnitt an dieser 
Stelle. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


591 


11. septw&ber 1903. 


Über eine neue Ohrmarke zum Zeichnen der Tiere, 
vom Verfasser nachstehender Zeilen und Herrn 
Uhrmacher Hammer in Greiz konstruiert. 


Von 

Schunann-Oreiz, 

Landeatlerarxt. 

Es hat fär ans Tierärzte, für die Ökonomen, Viehhändler 
and Fleischer vielfach einen großen Wert, Tiere so zu kenn¬ 
zeichnen, daß man sie sicher wiedererkennt and eine Unter¬ 
schiebung anderer Tiere aasgeschlossen ist. Hierzu werden 
bekanntlich verschiedene Methoden, so namentlich das Brennen 
and Tätowieren angewandt. Auch das Zeichnen durch Stich¬ 
stempel, Haarschnitte, Plomben nnd Ohrmarken ist gang and 
gäbe; das letztere ist namentlich bei Viehzuchtvereinen und 
Schlachtviehversicherungsanstalten beliebt. Diese Methode hat 
aber den Übelstand, daß man zum Anlegen der Marken ein 
besonderes Hilfsinstrument, meistens eine Lochzange, notwendig 
hat. Ganz abgesehen davon, daß das MitfÜhren einer Zange 
lästig ist, ist das ganze Verfahren höchst umständlich und 
zeitraubend und für die Tiere recht schmerzhaft. Dazu kommt 
das Unangenehme, daß man bei Anwendung der Lochzange 
dann und wann recht starke Blutungen erhält. Beim Zeichnen 
der Zuchttiere, die die Marken zeitlebens tragen sollen, mag 
das nicht gut zu umgehen sein, weil hier das richtige Einlegen 
erwogen werden muß. Anders ist es beim Kennzeichnen von 
Schlachtvieh, von geimpften Tieren etc. Hier kommt es nicht 
so genau darauf an, an welcher Stelle die Marke eingesetzt 
wird, denn sie hat ja nicht lange, wenigstens nicht jahrelang, 
zu haften. Ich habe mich deshalb seit Jahr und Tag damit 
beschäftigt, hierzu eine Marke zu konstruieren, die ohne jedes 
Hilfsinstrument schnell und doch sicher, sowie in fär die Tiere 
möglichst schmerzloser Weise angebracht werden kann. Eine 
solche habe ich mit dem Uhrmacher Herrn P. Hammes hier 
zusammen erfunden. Dieselbe besteht aus einem federnden 
Bügel von Weißblech, an dessen einem Ende ein stählerner, 
sehr spitzer, mit stark ausgeprägtem Widerhaken versehener 
Stift eingestanzt ist, während sich am anderen Ende desselben 
ein Knopf befindet, welcher eine Spiralfeder einschließt, die 
beim Zusammendrficken beider Schenkel den Stift, der dabei 
eine Kontrollmembrane zu passieren hat, in jedem Falle arretiert 
und festhält. 


Die Handhabung beim Anbringen 
ist die denkbar einfachste: man er¬ 
faßt das Ohr des Tieres, schiebt die 
Marke, sie in der Weise haltend wie 
Fig. 2 zeigt, bis an die Umbiegung 
derselben in der Mitte der Ohr¬ 
muschel (Fig. 1) ein und drückt sie 
zusammen, wozu ein kräftiger, kurzer 
Druck genügt. Und so kann man 
denn, da man zirka 70 Stück solcher 
Marken in einer mittelgroßen Rock¬ 
tasche bei sich führen kann, in ganz 
kurzer Zeit eine große Anzahl Tiere 
zeichnen, selbst bei der schlechtesten 
Beleuchtung und an jedem Orte. 
Zum Anbringen derselben gehört auch gar keine große Übung, 
denn das beweist das Nachstehende: In der staatlichen Schlacht¬ 
viehversicherungsanstalt im Fürstentum Reuß ä. L. ist die Marke 



Fig. 2. 


Beit dem 1. April d. J. im Gebrauch; es muß jedes Tier mit 
derselben gekennzeichnet werden, da die Versicherung eine 
reine Schlachtviehversicherung ist und also nur gesunde Tiere 
aufnimmt. Es besteht die Bestimmung, daß in denjenigen 
Ortschaften, in denen keine Fleischbeschauer wohnen, welche 
in erster Linie die Vertreter der Anstalt sind, die Ortsrichter 
die Aufnahme der Tiere in die Versicherung zu bewirken und 
dieselben mit dieser Marke zu kennzeichnen haben. Hierzu 
zählen Leute aller Berufe, wie Leinweber, Schneider, Musiker etc. 
also Leute, die für gewöhnlich mit Tieren gar keinen Umgang 
haben. Dieselben sind mithin gezwungen, bei den wildesten 
Schweinen sowohl wie bösesten Bullen, die Marken einzuziehen 
und sie bringen es fertig. Jetzt, nach einiger Übung natürlich 
noch leichter als zu Anfang. In der ersten Zeit ist es vor¬ 
gekommen, daß sie die Marken an einer nicht gut gewählten 
Stelle z. B. zu nahe dem Ohrenrande angelegt oder auch 
gar nicht zum Verschluß gebracht hatten, so daß sie am Ohre 
gependelt haben und leicht abgerissen wurden. Jetzt zeichnen 
sie die Tiere fast durchweg gut. Die Marke findet neuerdings 
auch in der öffentlichen Schlachtvieh-Versicherungsanstalt im 
Fürstentum Reuß j. L. Verwendung, desgleichen unter anderem 
in einer großen Privat-Schlachtvieh-Versicherungsgesellschaft. 
Sie wird auch in verschiedenen Lackfarben dunkelrot, blau, 
grün und bronzefarbig hergestellt, wodurch sie recht praktisch 
ist insofern, als man auf ihr, gleichwie auf einem Täfelchen 
mittels eines spitzen Gegenstandes, wie Messer oder Nagel 
allerlei Zeichen, Namen, Buchstaben — Datum der Impfung oder 
Untersuchung — leicht eingravieren kann. Durch eine ein¬ 
gestanzte Sicke ist die Schreibfläche gegen das Abscheuern 
geschützt, so daß das Eingravierte an Marken, die monatelang 
im Ohre liegen, noch vollständig erhalten ist Wie lange sich 
die Farbe aü den Marken bei Tieren, die auf - die Weide ge¬ 
trieben werden, wo sie den Witterungsverhältnissen ausgesetzt 
sind, hält, habe ich nicht ausprobieren können. Durch die 
farbigen Marken ist es möglich, in Herden zusammengebrachter 
Tiere die gezeichneten auf den ersten Blick heraus zu finden. 
Es sind also dieselben auch in dieser Beziehung recht praktisch. 

Auf die Dauer haftet die Marke nicht, es ergeht ihr so, 
wie vielen anderen, denn während sie anfangs auf der Ohr¬ 
muschel fest aufsitzt, wird sie allmählich, nach Abheilung der 
Einstichstelle locker, bis sie nach Monaten — selten, wenn sie 
nicht gut eingesetzt ist, schon nach 4 Wochen — herausfällt. 
Es hinterbleibt jedoch eine charakteristische Narbe oder ein 
Schlitz, wodurch die Tiere immerhin, ohne verunstaltet zu sein, 
auf Jahre hinaus als mit der Marke gezeichnet gewesen 
erkennbar sind. Ich erwähne das, weil man durch die Narben 
dann immerhin wenigstens noch einen Anhalt dafür hat, daß 
das Tier mit dem identisch ist, welches man untersuchte, impfte 
und zeichnete. So verwende ich z. B. die Marke zum Zeichnen 
der gegen Rotlauf geimpften Schweine, für welche, wenn die¬ 
selben am Rotlauf eingehen, die Landwirtschaftskammer der 
Provinz Sachsen Entschädigung gewährt. Denn wenn die Marke 
auch später herausfällt, — die Besitzer suchen sie dann meistens 
in der Streu auf und nehmen sie zu sich — so ist doch 
wenigstens noch ziemlich sicher festzustellen, ob eB ein geimpftes 
oder untergeschobenes Tier ist. Dazu, das bestimmen zu müssen, 
bin ich allerdings noch nicht gekommen, weil ich noch keinen Ver¬ 
lust zu verzeichnen hatte, trotzdem ich schon eine große Anzahl 

Schweine impfte. Die Marke läßt sich bei diesen Rotlaufimpfangen 

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592 


BEBLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 38. 


ganz gut anbringen, weil ja die Schweine dabei sowieso fest ge¬ 
halten werden müssen. Hiesige Händler, welche mit sogen. 
Futterschweinen handeln und diese impfen lassen, wollen die Tiere 
nnr noch mit dieser Marke gezeichnet haben, vor allem, weil 
darnach die Ohren nicht bluten, wie nach dem Zeichnen mit 
Kerbzangen durch Einschnitte n. dgl., und die Tiere mit gold¬ 
bronzenen Marken gezeichnet recht hübsch geschmückt aussehen. 
Unter beißsüchtigen Schweinen kommt es allerdings vor, daß sie 
sich die Marken gegenseitig abreißen. Die Marke entspricht also 
in jeder Weise dem Zwecke, zu welchem sie geschaffen ist, denn 
man kann mit derselben Tiere schneller und leichter als nach 
jeder anderen Methode resp. Ohrmarke auf längere Zeit ganz sicher 
zeichnen, ohne die Tiere zu quälen, da das feine Stahlstiftchen 
im Nu durch die Ohrmuschel gedrückt, ist. Sie ist deshalb recht 
gut verwendbar, tierärztlicherseits zum Kennzeichnen geimpfter, 
zu versichernder oder krankheitsverdächtiger Tiere und seitens 
der Viehhändler und Fleischer zum Kennzeichnen von Handels¬ 
und Schlachtvieh. Dieselbe ist in mehreren größeren Staaten, 
wie Amerika, Frankreich etc. patentiert und auch vom Kaiserl. 
Deutschen Patentamte für patentfähig erklärt worden. Hier liegt 
sie jetzt noch aus. Ich mache noch Versuche, sie so herzustellen, 
daß sie länger noch als Monate am Tiere haftet. Denjenigen 
Herren Kollegen, welche sich für die neue Marke, die wir „Anker“ 
genannt haben, interessieren, wird Herr Paul Hammer, hier, 
Brückenstraße 35, der den Verkauf derselben übernommen hat, 
eine kleine Partie, 10 Stück, gegen Einsendung von 1 Mark in 
Briefmarken, zusenden. Der Preis stellt sich je nach der Größe 
der Bestellungen und Zahl der gewünschten Buchstaben auf 
6—8 Mark pro Hundert. 


Papillomatose bei einem Bullen. 

Von 

Sohwantes- Lohmen i. Sa. 

Tierarzt 

Einen außergewöhnlichen Fall von Warzenbildung hatte ich 
im April a. c. zu beobachten Gelegenheit. 

Der Fleischermeister A. in L. forderte mich am 7. April er. 
auf, die Schlachtviehbeschau an einem Bullen vorzunehmen, den 
der LaienfleischbeBchauer beanstandet hatte. Die von mir an 
demselben Tage vorgenommene Untersuchung hatte folgendes 
Ergebnis: 

Der s / 4 jährige, gering genährte Bulle ist über und über 
mit Warzen bedeckt, die z. T. die Größe einer Männerfaust 
haben. An den Brustseiten und am Halse stehen die Warzen 
so dieht zusammen, daß dieselben ein zusammenhängendes Ganzes 
bilden. Am übrigen Körper sind nur vereinzelte Stellen normaler 
Haut vorhanden. 

Die Oberfläche der Warzen ist z. T. trocken, z. T. feucht. 
Die letzteren sondern ein jauchiges, derart stinkendes Sekret 
ab, daß man den Geruch bereits beim Eintritte in den Stall, in 
dem der Bulle steht, wahrnimmt 

Der Appetit des Tieres ist im übrigen gut und wird vor¬ 
gelegtes Heu gern aufgenommen. Die Temperatur ist normal. 
Bei der Fleischbeschau mußte ich das Fleisch wegen Wässrigkeit 
als minderwertig (nichtbankwürdig im rohen Zustande) erklären. 
Die Fleischlymphdrüsen, besonders die Bugdrttsen, waren um 
das 3—5 fache vergrößert und stark durchfeuchtet. 

Dje Haut, die im normalen. Zustande ein Gewicht 


von 22 bis höchstens 25 Pfd. gehabt hätte, wog 76 Pfd., 
sodaß die Papillome allein ca. 50 Pfd. wogen. 

Da mich der Fall interessierte, ich auch von Herrn Kollegen 
Dr. Pflügge, Dresden, zur Veröffentlichung angeregt wurde, 
so begab ich mich gelegentlich zu dem Vorbesitzer und zog 
nähere Erkundigungen ein. 

Dieselben hatten folgendes Ergebnis: 

Der Bulle ist im Juli 1902 geboren und entwickelte sich 
sehr gut. Im November desselben Jahres bemerkte der Besitzer 
beim Putzen des Tieres, daß die Haut desselben über den ganzen 
Körper mit kleinen Knötchen bedeckt war. Diese Knötchen, 
von denen sich bald herausstellte, daß es Warzen waren, wuchsen 
sehr schnell, so daß sie innerhalb 4 Wochen die Größe eines 
Apfels erlangten. Später fingen einige derselben an zu bluten, 
da sich der Bulle an der Wand rieb, ihre Oberfläche wurde 
feucht und bald sonderten sie ein fauliges, stinkendes Sekret ab. 
Cirka vier Wochen vor dem Verkaufe fing der Bulle, trotz guten 
Fressens, an, geringer zu werden, sodaß sich der Besitzer, 
zumal auch der Geruch, den die Warzen verbreiteten, den ganzen 
Stall erfüllte, entschloß, das Tier zu verkaufen. (Beiläufig ge¬ 
sagt, erstand der Händler das Tier für 10 M.; was der Fleischer 
— der Bruder des Händlers — dafür gab, ist mir nicht bekannt.) 

Ätiologisch interessant hierbei ist nun folgender Umstand: 
Der Bulle war als Kalb — zugleich mit anderen Kälbern — 
mit einer Kalbe in demselben Kälberstalle untergebracht. Diese 
Kalbe, eine Schwester des Bullen, war mit vereinzelt über den 
Körper verteilten Papillomen behaftet. Nun hatte der Bulle, im 
Gegensätze zu den anderen Kälbern, die Angewohnheit, sich 
stets dicht an die Kalbe zu legen, so daß angenommen werden 
muß, daß die Krankheit von der Kalbe auf den Bullen 
übertragen sei, zumal die anderen Kälber gesund blieben. 

Eb könnte angenommen werden, daß die Anlage zu der 
Krankheit auch ererbt sein könnte, da auch die Schwester des 
Bullen daran litt; jedoch ist dieses nicht wahrscheinlich, da nach 
Aussage des Besitzers weder die Mutter, noch die beiderseitigen 
Väter irgendwelche Papillombildung gezeigt haben. 


Heilung von Rehe infolge Durchschneidung 
der Arteria digitalis lateralis. 

Von 

Dorst, 

UnterroS Arzt im II. Garde-Ul.-Regt. 

Ermutigt durch die Erfolge von Jo ly, mitgeteilt in der 
B. T.W. No. 27 pag. 426, nahm ich mit Herrn Kollegen Zeumer 
bei einem Pferde vorn rechts und links die Resektion der Arteria 
digitalis lateralis vor. 

Patient, Fuchs-Wallach, 7 Jahre alt, schweres Arbeitspferd, 
befand sich in sehr gutem Nährzustand und hatte im verflossenen 
Jahre wiederholt schwere Anfälle von Verschlag. Infolgedessen 
war ein derartig krankhafter Zustand eingetreten, daß Patient 
nur zu kleinen Dienstleistungen herangezogen werden konnte 
und diese sogar noch solche Schmerzen im Hufe hervorriefen, 
daß er tagelang am Boden lag und seine Nahrung im Liegen 
nahm; die letzten Wochen vor der Operation war Patient über¬ 
haupt nicht mehr zum Dienst zu verwenden. Mühsam aufgetrieben, 
war das unglückliche Pferd, mit vollständig gestreckten und weit 
Vorgesetzten Vordergliedmaßen, die ausschließlich auf den Trach¬ 
ten bezw. Ballen fußten, nur schwer von der Stelle zu bringen. 


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598 


n. September 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


Das Aufheben eines Vorderfaßes gelang nicht mehr, die Hufe 
waren wie am Boden festgeklebt. Der Huf selbst zeigte bereits 
alle Erscheinungen eines hochgradigen „Knollhufes“. 

Da alle therapeutischen Mittel ohne Erfolg geblieben, wurde 
Patient Ende Juli in der bei der Neurotomie üblichen Weise 
durch Resektion der Arteria digitalis lateralis beiderseits operiert. 
Auffällig und erfreulich war, daß das Pferd gleich nach der 
Operation ohne Aufforderung und ohne jegliche Hilfe aufaprang 
und anscheinend mit weniger Schmerzen behaftet, zum Stall und 
tags darauf zur Weide ging. 

Nach drei Tagen schon war klar ersichtlich, daß Patient 
bei der Bewegung in der Vorderfußwurzel freier geworden war. 
Nach 10 Tagen waren beide Wunden per primam geheilt, und 
der Gang in allen Gelenken freier. Nach im ganzen 14 Tagen 
ging Patient freiwillig neben einem Reiter Trab und Galopp. 
Der Auftritt war ebenfalls besser, indem nunmehr auch die Seiten¬ 
teile und die Zehe des Hufes mitbelastet wurden. 

Diesen sichtlich schnellen Erfolg bezüglich des Ganges 
möchte ich vorläufig zur Kenntnis bringen und zu weiteren 
Versuchen, besonders in mittelhochgradigen Fällen, wo es nur 
zur Ausbildung eines einfachen Reh- und nicht schon Knollhufes 
gekommen ist, raten. Ob die Operation auch auf die weitere 
Hornbildung und die Deformation des Hufes Einfluß hat und da¬ 
mit eine Beseitigung des Knollhufes eintritt oder aber wie beim 
Nervenschnitt zum Teil nachteilige Folgen eintreten, werden 
die nächsten Monate lehren, und ich werde mir erlauben, später 
darauf zurückzukommen. 

Kleine Mitteilungen. 

Von 

Knoll-Prenzlan. 

Ein Fall von Hatarrhalfleber. 

(Kopfkrankheit des Rindes.) 

In der großen Stallung einer hiesigen Zuckerfabrik mußten 
öfter Notschlachtungen vorgenommen werden, welche eine Er¬ 
krankung, hauptsächlich der Darmschleimhaut, ergaben, und bei 
der die Erkrankung der Schleimhäute des Kopfes mehr in den 
Hintergrund traten. 

In einem Falle hatte ich Gelegenheit, einen Ochsen lebend 
zu untersuchen. Ich fand das Tier auf dem Stallboden liegend. 
Die äußerliche Besichtigung ergab nichts besonderes; die Hunger¬ 
grube ist eingefallen. Die Atmung ist nicht besonders be¬ 
schleunigt. Auffällig aber ist die eigenartige Haltung des 
Kopfes und die Benommenheit des Sensoriums. Der Kopf wird 
gebeugt gehalten. Die Augenlider sind geschlossen, es besteht 
starke Lichtscheu mit Tränenabsonderung. Aus dem Maule 
fließt der Speichel in dicken Fäden und Strähnen ab. Die 
Nasenschleimhaut ist gerötet. Der ganze Zustand ist soporös. 

Der Befund nach der Schlachtung ergab besonders patho¬ 
logische Erscheinungen am Magen- und Darmtraktus, starke 
Schwellung, Faltenbildung und Rötung des ganzen Darmes, 
desgl. am vierten Magen. 

Die Gehirngefäße zeigen auffälligen Blutreichtum. Die 
Venennetze sind stark gefüllt, die Oberfläche des Gehirns ist 
feucht und glänzend. Die Hirnkammern enthalten noch etwas 
Wasser, Ependyme sind gerötet und blutreich. Untersuchung 
des Blutes auf Milzbrandbazillen fiel negativ ans. Es ist zu 
bemerken, daß in dem erwähnten, großen Stall der Zuckerfabrik 


häufiger derartige, sporadische Fälle zur Beobachtung gelangen. 
Bei früher erfolgten Notschlachtungen waren die Befunde an 
den Schleimhäuten des Kopfes mehr in den Hintergrund getreten, 
so daß man bei oberflächlicher Beobachtung glauben konnte, daß 
man es mit einer Darmentzündung zu tun habe. Die Schlachtung 
war in letzterem Falle bald nach der Erkrankung des Tieres 
vorgenommen. Das Fleisch als solches zeigte keine Veränderung. 

Bericht Aber ein praktisch erprobtes Hopierverfahren. 

Von Tierarzt R. in G. 

Wie wichtig es ist, von einer ausgedehnten Korrespondenz 
Kopie in Händen zu behalten, wird gewiß schon mancher 
Kollege, insbesondere bei streitigen Fällen, Gutachten, Attesten, bei 
der Steuereinschätzung, bei Bestellungen, Käufen, Zahlungen usw. 
erfahren haben. Leider findet man in Kollegenkreisen das 
Kopieren noch herzlich wenig verbreitet, und wenn man 
nach dem Grunde dieser Tatsache forscht, so ist einer zu 
bequem, ein anderer zu sparsam, — natürlich am falschen 
Ende —, ein dritter schreibt wohl noch alle wichtigen Schrift¬ 
stücke selbst ab, und wenn wir uns mal den Schaden besehen, 
bat schließlich in eiligen und in Notfällen keiner von allen eine 
sichere Ahnung von seinen Aussagen. 

Diesem Übelstande suche ich durch Hinweis auf ein von 
mir selbst praktisch erprobtes Kopierverfahren zu steuern. Es 
handelt sich um die Sönneckensche Kopierpresse in Buchform 
No. 8, mit Schnappschloß, Buch von 500 Blatt im Reichsformat, 
zum Gesamtpreise von 19,50 Mk. 

Die Bedienung dieser Presse, die infolge ihrer Buchform 
wenig Platz braucht, ist einfach. Das Kopieren geschieht sofort. 
Der Verschluß ist sicher, und man kann die elegante Presse in 
geschlossenem Zustande frei liegen lassen, ohne Einblicke von 
unberufener Seite befürchten zu müssen. 

Kurz, ich kann der Einfachheit halber allen sich dafür 
interessierenden Kollegen nur empfehlen, sich an einen Papier¬ 
händler zu wenden, der die Weltfirma F. Sönnecken-Bonn vertritt. 
Dieser wird allen gern den Spezialkatalog mit Abbildung, ev. 
die Presse selbst und ihre Bedienung zeigen. 

• 

Referate. 

Häufigkeit und Diagnose der Piroplasmose des Hundes. 

Von Prof. Nocard-Alfort. 

( 80 c. centr. do mäd. y 6 t, Dec. 1908) 

In der Zeit vom Mai bis Dezember 1902 hatte N. Gelegen¬ 
heit, fünfzehn neue Fälle von Piroplasmose des Hundes zu beob¬ 
achten, und zwar stets bei Tieren, die lange im Walde waren 
oder vorübergehend in Lokalen untergebracht worden waren, in 
welchen Zecken waren. In einem Falle handelte es sich um 
ein paar Brie-Hunde, welche längere Spaziergänge im Forst von 
Fontainebleau gemacht hatten. Nach einigen Wochen wurden 
beide Hunde traurig, faul und fraßen schlecht. Da die Ex¬ 
kremente einige Würmer enthielten, wurden Anthelminthica ver¬ 
abreicht; der Zustand verschlimmerte sich aber. Als N. den 
einen Hund zu sehen bekam, war das Tier schwach und sehr 
anaemisch, die Schleimhäute blaß und gelblich; in dbr Haut 
waren einige Zecken der Spezies Dermacentor reticulatus. Die 
Untersuchung des Blutes ließ feststellen, daß eine ziemlich große 
Anzahl von Blutkörperchen Parasiten enthielt. N. kann daher 
seine vorjährige Behauptung bestätigen, daß der Verdacht der 


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594 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 38. 


Piroplasmose aufzusteUen ist, wenn ein anaemischer, hämoglobi¬ 
narischer oder ikterischer Hand vorgefdhrt wird, auf welchem 
sich Zecken vorfinden oder vorfanden. Es gestatte aber nur der 
Nachweis des interglobulären Parasiten die Präzisierung der 
Diagnose; bleibt das Resultat der ersten Blutprobe negativ, so 
ist zwei oder drei Tage hintereinander die Probe zu wieder¬ 
holen, denn in der chronischen Form sind die Parasiten oft 
wenig zahlreich. Dieser vorjährigen Indikation fügt N. bei, daß 
die Diagnose Piroplasmose auch dann richtig sein kann, wenn 
die Untersuchung des Blutes mehrere Tage hintereinander 
negativ ausgefallen ist; es müsse dann Blut des verdächtigen 
Tieres entnommen werden und zu mehreren Kubikzentimetern 
einem ganz jungen Hunde inokuliert werden und zwar subkutan 
oder intravenös. Dadurch werde ziemlich oft ein Anfall von 
akuter Piroplasmose hervorgerufen, der gewöhnlich in einigen 
Tagen mit Tod endet. Das Blut des geimpften Tieres zeigt 
sehr bald eine große Anzahl endoglobulärer Parasiten. Die 
Piroplasmose verhält sich also wie die chronisch verlaufenden 
Trypanosomenkrankheiten; es ist äußerst selten möglich 
Trypanosomen im Blute der an Beschälseuche erkrankten Pferde 
zu sehen und doch bewirke dieses Blut nach der Inokulierung 
von einigen Kubikzentimetern, beim Pferde und beim Hunde, 
eine authentische Beschälseuche, deren spezifische Läsionen 
leicht nachzuweisende Trypanosomen enthalten. Dasselbe treffe 
zu bei den in Frankreich untersuchten an Nagana erkrankten 
Rindern. 

Die Technik der Operation ist folgende: In ein Reagens¬ 
glas werden zur Verhinderung der Blutgerinnung einige Tropfen 
einer 20prozentigen Lösung von Kalium citricum gebracht; 
die äußere Vene des Sprungelenks wird mit einer etwas starken 
Hohlnadel angestochen und das Blut in das Reagensglas auf¬ 
gefangen. Das mit dem Citrat vermengte Blut wird zu 5 — 10 
Kubikzentimetern subkutan oder in die Sprunggelenksvene 
eines jungen Hundes injiziert. Bei intravenöser Injektion ist 
der Verlauf rascher. Vom dritten bis fünften Tag sind in dem 
in sehr dünner Schicht ausgestreuten Blute die Parasiten leicht 
zu finden. Das Blut wird mit absolutem Alkohol fixiert und mit 
Borreis Karbolthionin gefärbt (Thionin 0,1; Acid. carbolic. 
puriss. ^,3; Spiritus (95%) 1 Kubikzentimeter, Aqua destillat. 
9 Kubikzentimeter). Zündel. 

Extraabdominale Retorsion. 

Nene Heilmethode bei Uterustorsionen. 

Von Kreistierarzt Bach-Thun. 

(Schweizer Archiv f. T. 45. B. 3. H. 8. 97—104.) 

Bach empfiehlt ein neues Verfahren zur Behebung von 
Uterustorsionen. Er verbindet mit dem Wälzen der Kuh den 
Versuch, den Fötus von der Flanke aus, extraabdominal also, 
zu verschieben und so den dieser Bewegung folgenden Uterus 
in seine normale Lage zurückzubringen. Für den Erfolg der 
Manipulation bezeichnet er es als Voraussetzung, daß aus dem 
Faltenverlauf der eingeschnürten Geburtswege die Art und 
Richtung der Uternstorsion zutreffend diagnostiziert, der Kopf 
der Kuh von ein bis zwei Personen auf dem Boden gehörig 
fixiert sei und daß nur in den Wehenpausen bei schlaffer 
Bauchdecke sowie auf geräumigem Platz operiert werde. Die 
Vorteile der Methode bestehen darin, daß sie die Eihäute intakt 
läßt, auch bei geschlossenem Muttermund anwendbar ist, ein 
nur etwa ein- bis zweimaliges Wälzen nötig macht, schließlich 
für den Fall einer Kombination der extraabdominalen Hilfe¬ 


leistung durch einen intelligenten Gehilfen mit der Fixierung 
des Fötas durch den Tierarzt besondere Kraftentfaltung gestattet. 

Das Verfahren wird folgendermaßen durchgeführt: Die 
Kuh wird bei Uterusdrehung nach rechts auf die rechte Seite 
niedergeschnürt, wenn möglich im Freien an einer Halde, den 
Kopf nach abwärts, damit der Uterus durch Verschiebung des 
Pansens nach vorn beweglicher wird. Der Kopf des Tieres 
wird von einem kräftigen Gehilfen fest auf den Boden gehalten, 
die Extremitäten bleiben frei, das Schnürseil wird gelöst und 
die Kuh alsdann von zwei bis drei Gehilfen sehr langsam über 
den Rücken gewälzt. Der Tierarzt gibt das Kommando dazu. 
Er steht neben der linken Flanke und befühlt in den Wehen¬ 
pausen die Bauchregion der Kuh. Der Fötus wird bei einer 
3 / 4 -Drehung in der linken Flanke, bei 1 / 2 ‘^ re ^ ün & der Linea 
alba fühlbar und, da die zum Rücken abfließenden Frucht¬ 
wässer den Bauch in den Flanken ausweiten, während der 
Wehenpausen gut greif- und verschiebbar. Während derselben 
drängt nun der Tierarzt den Fötus mit beiden Händen von der 
linken Flanke nach der Mitte des Bauches und darüber hinaus 
in die rechte Flanke, indessen die Gehilfen auf Kommando 
durch Angreifen an den Füßen die Drehung der Kuh auf die 
linke Seite und auf die Füße vollenden. — An der nun auf den 
Extremitäten liegenden oder stehenden Kuh überzeugt sich der 
Tierarzt durch Exploration, ob die Falteneinschnürungen be¬ 
seitigt und Uterus und Fötus in normaler Weise gelagert sind. 
Kleinere Abweichungen kann er mit der Hand korrigieren, 
größere durch Wiederholung des Verfahrens oder durch das 
gewöhnliche Wälzen unter Fixierung des Fötus. 

Der Verfasser fügt seinen Ausführungen eine skizzenhafte 
Kasuistik von 25 so erfolgreich behandelten Fällen als Belege bei. 

0. Albrecht. 

Die Bezeichnung der Erbfehler in den Körordnungen 
für Privathengste. 

Vortrag, geh. in d.Sitzg.d. Kgl. Landes-Ökon.-Kolleg. am 17.Feb. 1903 
von Prof. Dr. Dieckerhoff. 

(Zeitachr. f. Veterinärk. 1903, 8. 289-300.) 

Das Ziel der Pferdezucht wie aller Tierzucht geht dahin, 
die wertvollen Eigenschaften der Elterntiere auf deren Nach¬ 
kommen übergehen zu lassen und sie an den jugendlichen Tieren 
selbst durch Erziehung, Haltung, Fütterung, Pflege auszubilden. 
Sie kann im allgemeinen ganz besonders gefördert werden durch 
Beiziehung von Pferden der „natürlichen Rassen“, die dem Typus 
des ursprünglichen Wildpferdes nahestehen, wie z. B. das argen¬ 
tinische Pferd mit seinem kleinen, breiten Körper, tiefem Brust¬ 
kasten, kurzen Gliedmaßen. Während diese kleinen Rassen nicht 
leicht an Dummkoller oder Kehlkopfpfeifen erkranken, inklinieren 
unsere Pferde, bei denen man gerade eine immer bedeutendere 
Körpergröße herauszüchtet, damit auch immer mehr zu Krank¬ 
heiten und Unvollkommenheiten. 

Vererbt wird namentlich der Knochenbau und da er seine 
Gestaltung ein für allemal beibehält, während Mängel in der 
Muskulatur durch methodische Übung ausgeglichen und verbessert 
werden können, so ist seine Beschaffenheit für Zuchtpferde wichtig. 
Es sind also dünne Gliedmaßen, lange Fesselstellung, Platthufe zu 
beachten. Pferde mit auswärts gestellten Vordergliedmaßen 
vollends werden von den Remontekommissionen nicht angekauft! 

Wichtig ist ferner das Temperament für die Zucht. Durch 
dasselbe haben z. B. die frischen, frommen, lebhaften Percheron- 


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17. September 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 595 


pferde einen so guten Einfluß auf die amerikanische Zucht 
gewonnen. Ebenso leicht vererbt sich auch das boshafte Tem¬ 
perament. Gleiche Wichtigkeit hat eine edle Konstitution, wie 
die der Araber im englischen Vollblut fortlebt. Im Gegensatz 
zu dieser steht jene der Shire-Pferde mit ihrer groben Haut, 
ihren oft verfilzten Haaren, Tiere mit wenig Energie, deren 
neuerdings öfter erfolgende Einfuhr nicht zu begrüßen ist. Ihre 
Nachkommen degenerieren bald. Zur Verbesserung unserer 
Arbeitspferde würden sich mehr die belgischen Schläge eignen. 

Vom Dummkoller kann man nicht als von einem Erbfehler 
schlechthin sprechen, denn jedes Pferd kann an akuter Gehirn¬ 
wassersucht erkranken und in der Folge an Dummkoller leiden, 
der dann nicht als solcher vererblich ist. Wohl aber sind Pferde 
von großer Körperkonstitution, Shirepferde, Russen, Dänen mehr 
zu dieser Erkrankung veranlagt als andere. — Eben diese Rassen 
sind noch besonders für Herzdämpfigkeit prädisponiert, ohne daß 
man aber Dämpfigkeit überhaupt als einen Erbfehler bezeichnen 
dürfte. Noch weniger ist es die durch Lungenemphysem bedingte 
Form der Dämpfigkeit, wie sie sich durch besonders anstrengenden 
Reitdienst ausbildet und jetzt überdies seltener wird. 

Kehlkopfpfeifen oder Rohren, verursacht durch genuine 
Lungenentzündung, vererbt sich nicht. Langhalsige, große 
englische Pferde erkranken häufiger als gedrungene, kleine, 
orientalische. Bei Pferden, die erst in vorgerücktem Alter er¬ 
kranken, handelt es sich gewiß um ein erworbenes, bei jungen 
Rohrern möglicherweise um ein ererbtes Übel. Einen Hengst 
mit vorzüglichen Eigenschaften bei der Ankörung zu beanstanden, 
weil er einen „Ton“ hat, ist unrichtig. 

Kreuzlahmheit kommt nicht als Erbfehler in Betracht, 
denn kreuzlahme Pferde eignen sich zum Decken überhaupt nicht. 

Die periodische Augenentzündung wird am meisten 
und vor anderen als Erbfehler angesprochen. Sie ist übrigens eine 
Krankheit, die nur Tiere im 2. bis 6. Lebensjahr befällt und mög¬ 
licherweise durch mikroskopische Embryonen tierischer Parasiten 
verursacht wird, die ein Ernährungsgefäß im Auge verstopfen; 
auch die Finnenentwickelung beim Schwein, die Coenurus- 
ansiedelung beim Schaf wird ja nur bei jugendlichen Individuen 
beobachtet. Die Mondblindheit ist, wie viele Beobachtungen 
von Nachkommen mondblinder Pferde beweisen,nicht vererblich. 

Auch Spat ist kein Erbfehler, wie viele Beobachtungen 
namentlich in der Vollblutzucht beweisen. Eine Anlage zu dieser 
Erkrankung haben Pferde mit kleinen Sprunggelenken und dünnen 
Röhrenknochen, Pferde, die schwach auf den Gliedmaßen gebaut 
sind und flache Sprunggelenke haben, und solche Tiere, auch wenn 
sie nicht mit Spat behaftet sind, wird keine Körkommission zucht¬ 
tauglich befinden. — Ebenso kann Hasenhacke eines infolge 
heftiger Anstrengung damit behafteten, sonst gutgestelltenHengstes 
nicht als züchterisches Bedenken gelten; wohl aber erscheint 
ein Hengst mit säbelbeinigen Sprunggelenken zuchtuntauglich. 

Schale vererbt sich nicht. Sie wird von den Pferden oft 
bei jahrelanger Arbeitsleistung erworben, oft auch durch zufällige 
Verletzungen, und derartige mit Schale behaftete Pferde können 
sehr wohl angekört werden. Vererblich ist dagegen der dünneGlied- 
maßenbau, der zu den Verdickungen am Krongelenk prädisponiert. 

Von fehlerhaften Hufbildungen gilt Sprödigkeit und der 
Mangel an Glanz als Erbübel. Er ist indes nur ein Zeichen 
grober Konstitution, und derartige Pferde sind allerdings nicht 
für die Zucht geeignet. Rührt die Anomalie aber von einer Er¬ 
krankung an Rehe her, so ist sie belanglos. 


Daraus erhellt, daß man sich in der Körkommission bei 
der Prüfung der Fehler des einzelnen Hengstes auf ihre etwaige 
Vererbbarkeit unmöglich an ein allgemeines Schema halten, be¬ 
stimmte Mängel stets als Erbfehler ansprechen kann, sondern daß 
vielmehr eine Individualisierung, eine Entscheidung von Fall zu 
Fall notwendig ist. Aus diesem Grunde ist die Beseitigung der 
namentlichen Anführung von Erbfehlern aus den Körordnungen 
anzustreben, weshalb Prof. Dieckerhoff dem Landesökonomie- 
kollegiura die Annahme eines diesbezüglichen, dem Ministerium 
vorzulegenden Antrages empfiehlt. Das Kollegium beschließt 
darauf: „In Erwägung, daß die meisten bisher gefürchteten 
Erbfehler als solche nicht anzuerkennen sind, an den Herrn 
Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten die Bitte 
zu richten, dahin wirken zu wollen, daß an Stelle der nament¬ 
lichen Bezeichnung eines Erbfehlers in den Körordnungen ver¬ 
fügt wird: Als Beschäler sollen nur solche Hengste zugelassen 
werden, welche frei von vererblichen Fehlern sind, und unter 
Berücksichtigung des vorhandenen Stutenmaterials, sowie der 
vom Staate für den betreffenden Bezirk gebilligten Zuchtziele 
zur Gewinnung guter Gebrauchspferde tauglich erscheinen.“ 

0. Albrecht. 

Wochenübersicht über die medizinische Literatur. 

Von Dr. Jew-Charlottenburg, 

Kreta tieranL 

Münchener medizinische Wochenschrift Nr. 34. 

Über die Anwendung von Akoin-Kokaln zur Lokalanästhesie; von 
Dr. Krause. Die Anwendung der Lokalanästhesie hat sich in 
den, letzten Jahren außerordentlich schnell eingeführt. Der Ver¬ 
fasser hat die Verbindung von Akoin und Kokain speziell bei 
augenärztlichen Operationen angewendet und er benutzt eine 
Lösung von folgender Zusammensetzung: 

Akoin.0,025 

Kokain.0,05 

Sol. Natr. chlor. 0,75 proc. ad. . . 5,0 

Zu dieser Lösung setzt er noch einige Tropfen Adrenalin¬ 
lösung, meist 2 bis 3 Tropfen auf eine Pravazspritze. Diese 
Lösung ist nur wenige Tage haltbar. Zur Anästhesie werden 
an vier Stellen um das Operationsgebiet herum in etwa 1 cm 
Entfernung jedesmal etwa 0,2 ccm injiziert. Es tritt dann selbst 
bei sehr sensiblen Patienten fast vollständige Anästhesie ein. 
Die Wirkung erfolgt fast momentan. 

Toxin und Antitoxin. Eine Entgegnung auf den neuesten An¬ 
griff Grubers. Von Ehrlich. (Schluß.) 

Ehrlich führt an der Hand der einzelnen, von Gruber 
aufgestellten Schlußsätze nochmals eingehend alle seine Beweis¬ 
gründe ins Feld. Auf die Einzelheiten, welche den Lesern aus 
anderen Quellen bekannt sind, einzugehen, verbietet der be¬ 
schränkte Raum. Ehrlich fragt sich schließlich selbst, wozu 
eigentlich diese ausführliche Replik, und gibt als Grund an, daß 
er sich verpflichtet gefühlt habe, den Leserkreis durch die ver¬ 
schlungenen Pfade Grubers zu führen, die durch die Fülle von 
Mißverständnissen und irreführenden Deutungen geeignet sind, 
ein aussichtsreiches Forschungsgebiet in Mißkredit zu bringen. 
Deutsche medizinische Wochenschrift Nr. 35. 

Zur antitoxischen Tetanustherapie; von Prof. E. v. Behring. 
Soll an anderer Stelle eingehend referiert werden. 

Über eine neue Methode quantitativer Bestimmung von 
Zucker im Harn; vorläufige Mitteilung von Dr. Emil C. 


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596 


Behrendt -Berlin. In einem starkwandigen Reagenzglas, welches 
mit genauer Kubikmillimetereinteilung versehen ist, werden über 
10 ccm diabetischen Harns 10 ccm alkalisch basische Wismut- 
nitratlösung geschichtet. Das Ganze wird im Wasserbade % Stunde 
erhitzt, dann 15 bis 20 Minuten erkalten lassen und das 
Volumen des zu Boden gesunkenen Wismutoxyduls, welches 
sich in Form eines festen Niederschlags absetzt, abgelesen. 
Durch Vergleich dieser Zahlen mit den Resultaten der Fehling- 
schen Lösung konnte Verfasser feststellen, daß das Verfahren 
außerordentlich genau arbeitet. 

Versuche mit einigen neueren Arzneimitteln; von Dr. Wateff. 
Urotropin. Verfasser hat Urotropin, welches bei Cystitis und 
Pyelitis bereits erprobt ist, als Prophylaktikum gegen Nieren¬ 
erkrankung bei Scarlatina versucht. Die Versuchsresultate sind 
jedoch wegen des geringen Materials nicht dazu angetan, schon 
heute ein bestimmtes Urteil zu fällen. Sie ermutigen jedoch zu 
weiteren Versuchen. 

Saioehlnin wurde lediglich bei Typhuskranken verwendet, und 
zwar bewirkte es eine merkliche Abkürzung des typhösen Prozesses. 

Argurin zeigte namentlich bei Ödemen infolge von Herz¬ 
schwäche eine günstige Wirkung. 

Aspirin wirkte einmal bei akutem und chronischem Rheuma¬ 
tismus, ferner aber auch bei Lumbago recht günstig. 
Therapeutische Monatshefte. Heft 8. 17. Jahrgang. 

Klinische Erfahrungen mit Atoxyl; von Dr. Biringer. Atoxyl 
ist ein neues Arsenpräparat. Es ist Metaarsensäureanilid von 
der Formel C G H 5 NHAs0 2 . Es stellt ein weißes, krystallinisches, 
geruch- und fast geschmackloses, im warmen Wasser bis 20% 
lösliches Pulver dar. Die Untersuchung ergibt, daß das A(opyl 
ungefähr 40mal weniger giftig ist als die gebräuchlichen, .'an¬ 
organischen Arsenpräparate (Fowler-Lösung). Verfasser kommt 
auf Grund seiner Versuche zu dem Schluß, daß er sich von der 
Wirksamkeit des Atoxyl überzeugte. 

Über die Wirkung von Veronal; von Dr. Fischer. Veronal ist 
Diäthylmalonylharnstoff, ein bitter schmeckender, farbloser Stoff, 
welcher sich in 12 Teilen kochendem und in 145 Teilen Wasser 
von 20 Grad löst. Das Veronal wird verwendet als Mittel gegen 
Schlaflosigkeit, zur Verminderung von heftigem Juckreiz der 
Haut, beiTropho-Neurose, schließlich bei Morphiumentziehungskur, 
zur Behandlung der Epilepsie, der Hysterie, bei Neurasthenie usw. 
Die Patienten äußerten ihre höchste Zufriedenheit und be¬ 
kundeten, daß der Veronalschlaf dem natürlichen Schlafe gleiche 
und ebenso erquickend sei wie dieser. 

Beitrag zur therapeutischen Wirkung der Bierhefe; von Dr. Goliner. 
Der Pariser Dermatologe Brocq hat die Aufmerksamkeit der 
Ärzte auf die Bierhefe als ein wichtiges therapeutisches Agens 
bei der Behandlung der Furunkulose gelenkt. Man nimmt täg¬ 
lich einen Kaffeelöffel voll Bierhefe, in warmem Wasser ge¬ 
schüttelt. Die Schmerzhaftigkeit läßt nach 3—4 Tagen nach 
und nach acht Tagen waren die Furunkel vernarbt. Die wirk¬ 
same Substanz ist die Zymase. 

Cltarin. Citarin ist dargestellt durch Einwirkung von Formal¬ 
dehyd auf zitronensaures Natrium. Es wird verwendet zur Be¬ 
kämpfung von Gicht. Seine Wirkung besteht darin, daß im 
Körper Formaldehyd abgespalten wird, welches mit der Harn¬ 
säure eine Verbindung eingeht. 

Therapeutische Monatshefte Nr. 9. September. 

über einen neuen Sphygmographen; von Prof. Dr. G. Gaertner 
in Wien. G. hat einen Apparat konstruiert, welcher zur 


No. 38. 


Kontrolle des Pulses während der Narkose dienen soll. Der 
Verfasser beschreibt diesen Apparat. Allerdings sind von 
Maduling und auch von Fehldng im Unterelsassischen Ärzte¬ 
verein wesentliche Mängel dieses Apparates hervorgehoben, 
welche darin bestehen, daß während des Exzitationsstadiums 
der Narkose der Apparat sich von den Armen entfernt und 
auch eigentümliche Schwankungen anzeigt, welche gar nichts 
mit dem Puls zu tun haben. 

Pulmonale Narkose; von Dr. Kuhn. An Stelle der Masken¬ 
narkose empfiehlt Kuhn, die betäubenden Gase direkt in die 
Lunge zu führen, und zwar durch perorale Tubage. Es em¬ 
pfiehlt sich diese Art des Narkotisierens jedoch nur, wenn es 
sich um Operationen im Munde handelt; bei anderen Operationen 
tut die Maskennarkose nach wie vor gute Dienste. 

Etwas über Lysoform; von Prof. Galli-Valerio. Verfasser 
kommt zu dem Resultat, daß Lysoform zwar kein starkes Anti¬ 
septikum ist, wegen seiner Ungiftigkeit und seiner desodorierenden 
Kraft aber empfohlen werden könnte. 

Das Problem der geschlechtbestimmenden Ursaohen; von M. 
v. Lenhossek, Verlag von Gust. Fischer, Jena. — L. kommt 
zu dem Schluß, daß die Bestimmung des Geschlechts schon vor 
der Befruchtung im Ei vollzogen erscheint. Er führt die von 
Korschelt gefundene Tatsache an, daß bei Discophilusa patris 
das weibliche Tier zwei Gattungen von Eiern, nämlich männ¬ 
liche und weibliche, hervorbringt, welche in Form und Größe 
von einander verschieden sind, und daß aus den größeren Eiern 
nur weibliche Tiere hervorgehen. Ebenso auch die Tatsache, 
daß bei einzelnen Bienen und Wespen aus unbefruchteten Eiern 
nur Männchen, aus befruchteten nur Weibchen hervorgehen 
Es spricht dafür, daß es nicht nur der Einwirkung des Samen¬ 
fadens bedarf. Das Geschlecht ist also im Ei bestimmt. Durch 
Ernährung läßt sich bei niederen Tieren (Versuche von Nu߬ 
baum beim Hydatina) der mütterliche Organismus dazu ver¬ 
anlassen, überwiegend Eier eines Geschlechts zu bilden, und 
zwar bei Überernährung weibliche und bei Unterernährung männ¬ 
liche. Hierbei ist jedoch die Ernährung nicht von Einfluß auf 
das zu bildende Geschlecht selbst, sondern nur bei einer Art 
der Ernährung kommt es nicht zur Ausreifung männlicher und 
bei der anderen Art der Ernährung nicht zur Ausreifung weib¬ 
licher Eier. 

Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten. 44. Band, I. Heft. 

Untersuchung Uber die bakteriologisohe Cboleradiagaostik und Spezi¬ 
fität des Kooh8Chen Vibrios; von Prof. Kolle und Dr. Gott¬ 
schlick. — In der ausführlichen und zu einem kurzen Referat 
nicht geeigneten Arbeit beweisen die Verfasser die Spezifität des 
Kochschen Vibrio als des wahren und einzigen Choleraerregers. 

Stadien Uber die Pest; von Prof. Dr. Camillo-Therni. Wird 
auf das Original verwiesen. 

Fortsetzung aus Zentralblatt f. Bakt.- u. Parasitenkunde XXXIV, Nr. 5. 

Über die künstliche Immunität gegen Staphylokokken; von 
Dr. Pröscher, Hamburg. Verfasser hat ein Staphylokokken¬ 
serum hergestellt. Dasselbe ist von dem Serumlaboratorium 
„Ruete Enoch“ in Hamburg zu beziehen. 

Untersuchungen Uber natürliche und künstliche Milzbrandimmunität; 
von Dr. Bail und Dr. Petterson. Die Arbeit ist noch un¬ 
vollendet. 

Zur Theorie der natürlichen antlbakteriellen Immunität; von 
Dr. Müller. Die Veröffentlichung ist noch nicht abgeschlossen. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


597 


17. September 1903. 


Tagesgeschichte. 

XXIII. Sitzung des Vereins der ostprenßisehen Tier¬ 
ärzte za Königsberg i. Pr. 

im Theaterrestaurant am 7. Dezember 1902. 

Um 11 Uhr eröffnete der Vorsitzende Departementstierarzt 
Dr. Mehrdorf die Sitzung mit einem Willkommengrufi an die 
Mitglieder und Gäste und einem jubelnd aufgenommenen Hurra 
auf S. Majestät den Kaiser. Anwesend waren außer 33 Vereins¬ 
mitgliedern 21 Kollegen aus Königsberg und der Provinz, sowie 
als weitere Gäste die Herren: Regierungsrat Fetschrien-Königs- 
berg, Regierungsassessor Dr. Bollert-Gumbinnen, Generalsekretär 
der Landwirtschaftskammer Dr. Rodewald-Königsberg, sowie der 
Generalsekretär des landwirtschaftlichen Zentralvereins für Littauen 
und Masuren Dr. Tolkien. 

Entschuldigt haben sich die Herren: Regierungspräsident 
Hegel-Gumbinnen, Vorsitzender der Landwirtschaftskammer, Ge¬ 
heimer Regierungsrat Reich-Meyken, Generalsekretär des ost- 
preufiischen Zentralvereins Dr. Böhme, die Ehrenmitglieder, Ge-» 
heimer Regierungsrat Prof. Dr. Dieckerhoff, Prof. Dr. Malkmus 
Prof. Regenbogen und Departementstierarzt Dr. Fe lisch sowie die 
Mitglieder Migge, v. Gerhardt-Osterode, Gruencke-Rößel, 
Kir st-Tilsit und Sager-Langszargen. 

Alsdann gedenkt der Vorsitzende der beiden verstorbenen 
Mitglieder und Mitbegründer des Vereins, Oberroßarzt a. D. 
Schiermann-Königsberg und Grenztierarzt Reichel-Neidenburg 
sowie des früheren Mitgliedes, Oberroßarzt a. D. Sommer-Königs¬ 
berg. Zum Andenken an die Verstorbenen erhebt sich die Ver¬ 
sammlung von den Sitzen. 

Ausgetreten aus dem Verein ist wegen Übersiedelung nach 
einer anderen Provinz KreiBtierarzt Schlieper-Schmiegel. 

Zu Mitgliedern aufgenommen wurden in den Verein die Kol¬ 
legen: Dobrick-Margrabowa, Ewers-Arys, Jürgens-Braunsberg, 
Kulow-Königsberg, Litty-Rastenburg, Pfannenschmidt-Margra- 
bowa, Schaper-Labiau, Stadie-Ortelsburg und Taube-Allenstein. 

Zu Punkt 2 der Tagesordnung referiert der Vorsitzende über 
die Verhandlungen in der IX. Plenarversammlung des Veterinärrats 
in München, wobei er sich mit Rücksicht auf die in den Fach¬ 
zeitschriften erschienenen Sonderberichte vornehmlich auf die 
Schilderung seiner persönlichen Eindrücke beschränkte. 

Punkt 3 der Tagesordnung. Vortrag des Kollegen Sent- 
kowski-Soldau fällt wegen der Erledigung der Frage in der letzten 
Sitzung des deutschen Veterinärrats, nachdem der Vorsitzende 
hierzu mündlich einen eingehenden Kommentar gegeben hat, aus. 

Zu Punkt 4 referiert Grenztierarzt Kleinpaul über die Leck¬ 
seuche der Rinder im Kreise Johannisburg. Der Vortrag ist 
besonders veröffentlicht. In der darauf folgenden regen Diskussion, 
an welcher die Herren Dr. Tolkien, Dr. Rodewald, Berndt, 
Rupprecht, Fisch, Eisenblätter, der Vorsitzende sowie der 
Referent teilnahmen, wurde in erster Liuie die Ätiologie der 
Krankheit erörtert, wobei von den Vertretern der Landwirtschaft 
auf die Möglichkeit hingewiesen wurde, daß die erste Entstehungs¬ 
ursache vielleicht in gewissen Boden-Bakterien zu suchen sei. 
Das Ergebnis der Diskussion resümierte der Vorsitzende dabin 
zusammen: 

Zwar müssen wir Tierärzte in dieser Angelegenheit ganz all¬ 
gemein gegenwärtig noch an der Ansicht festhalten, daß die Ent¬ 
wickelung der Lecksucht auf einem Mißverhältnisse der in den 
Futtermitteln enthaltenen Nährstoffe zu einander bzw. in dem 
gänzlichen oder teilweisen Mangel eines von ihnen beruhe, die 
Krankheit mithin eine bloße Inanitionserscheinung sei; indes ist, 
nachdem es sich dähei zweifellos um anomale Stoffwechselvorgänge 
handelt, zumal bei dem über diese Krankheit herrschenden Dunkel, 
der Vermutung des Kollegen Berndt die Berechtigung zuzuer- 
kennen, daß bei derselben ebenfalls ein in dem Futter enthaltenes 
Plus an Stoffen — ein bestimmtes chemisches Gift — zu beschuldigen 
ist, dessen längere und nachhaltige Einwirkung das Leiden zur 
Entstehung bringen könne, wie es ähnlich auch bereits für die 
Lupinenkrankheit der Schafe erwiesen sei. Möge dem nun Bein, 
wie ihm wolle, immerhin müsse doch, wie in landwirtschaftlichen 


Kreisen vielfach angenommen wird, mit der Möglichkeit gerechnet 
werden, daß Bodenbakterien mit der Krankheit in ursächlichem 
Zusammenhänge stehen, indem sie die Pflanzenvegetation nach der 
physiologisch-chemischen Seite hin nachteilig beeinflussen. Böi 
der zeitlichen Sachlage aber bleibe den in den praktischen Ver¬ 
hältnissen stehenden Tierärzten nur übrig, die von der maßgebenden 
Zentralinstanz in die Wege geleiteten wissenschaftlichen und 
praktischen Versuche aufmerksam zu verfolgen. Hoffentlich werde 
durch die Ergebnisse derselben der über das Wesen der Krankheit 
und insonderheit Uber ihre Entstehungsursachen gebreitete dichte 
Schleier endlich gelüftet. Dann erst liege auch der Weg frei, auf 
welchem sich die Perspektive eröffnet, diese nicht nur den Kreis 
Johannisburg, sondern auch andere Teile der Provinz namentlich 
durch ihre jährliche Wiederkehr wirtschaftlich schwer schädigende 
Tierkrankheit mit Erfolg zu bekämpfen. 

Zu Punkt 5 der Tagesordnung referiert der Kreistierarzt 
Dr. Will erd ing über: das Fleischbeschaugesetz und seine Durch¬ 
führung in Ostpreußen. Nachdem Referent den Umfang der Fleisch¬ 
beschau und die nach dem Gesetze zu unterscheidenden Fleisch- 
sorten besprochen hatte, weist er auf die Wichtigkeit der Fleisch¬ 
beschau für Ostpreußen wegen der umfangreichen Tierzucht und 
Tierhaltung hin. Die Beurteilung des Fleisches wird, da eine 
Untersuchung auch vor dem Schlachten vorgeschrieben ist, Schwierig¬ 
keiten nicht bieten, wohl aber ist bei Notschlachtungen die größte 
Vorsicht geboten. In solchen zweifelhaften Fällen empfiehlt Referent 
die Anwendung des von Basenau zuerst angegebenen Verfahrens 
der bakteriologischen Fleischbeschau. Dieses Verfahren wird in 
der Praxis leicht Anwendung finden können; da cs jetzt schon 
zum Preise von 50 M. Brutschränke gibt, die mit Petroleum geheizt 
werden können. Der Korreferent Kreistierarzt Kegel ging auf 
die Begriffe der Notschlachtungen und Hausschlachtungen näher 
ein und besprach dann die bei Rotlauf zu unterscheidenden Formen 
dieser Krankheit, wobei er besonders hervorhob, daß bei Nessel¬ 
fieber auch im Blute Rotlaufbazillen nachgewiesen worden sind, 
und daher die vorgeschriebene Freigabe des Fleisches vom seuchen- 
polizeilichen Standpunkte aus bedenklich erscheinen müsse. 

An der sich hier anschließenden, sehr lebhaften Diskussion 
nahmen die Kollegen Kleinpaul, Wermbter, Lorenz, Micha- 
lick, Pitt, Rupprecht, Wiesner, Völkel, Paschlau sowie 
der Vorsitzende und die Herren Regierungsrat Fettschrien, Re¬ 
gierungs-Assessor Dr. Bollert und Generalsekretär Dr. Rodewald 
teil. Einer eingehenden Erörterung wurden zunächst die Begriffe 
Notschlachtungen, gewerbsmäßiges Schlachten und eigener Haushalt 
unterzogen. Alsdann wurde die Durchführbarkeit des Gesetzes 
und die hierbei von den Tierärzten, insbesondere beamteten Tier- 
ärztee zu erwartende Betätigung in eingehendster Weise besprochen 
und schließlich auch auf die Ausbildung der Laienbeschauer, die 
möglichst anzustrebende Seßhaftmachung von Tierärzten und Ein¬ 
führung von Schlachtviehversicherungen näher eingegangen. Der 
Vorsitzende faßt das Ergebnis der Diskussion dahin zusammen: 

In den Verhandlungen ist allgemein zum Ausdruck gekommen, 
daß bei der Einführung und noch mehr bei einer sachgemäßen 
Durchführung der Vorschriften des Fleischbeschaugesetzes nach 
verschiedenen Seiten hin Schwierigkeiten nicht zu vermeiden sein 
werden. Bedingt werde solches schon durch die Materie selbst, 
welche namentlich in Ostpreußen in die verschiedensten Ver¬ 
hältnisse wirtschaftlich sehr tief eingreife. 

Hier sei zunächst der Laienbeschau-Apparat ganz neu zu be¬ 
schaffen; die Behanptung, daß die erforderliche Zahl an Fleisch - 
beschauern dieser Art sich unschwer gewinnen lasse, findet zwar 
keinen Widerspruch, es wird aber gleichzeitig angezweifelt, ob die 
zuerst bestellten Beschauer sämtlich ihrer Aufgabe auf die Dauer 
gewachsen sein werden. 

Dagegen erblickt die Versammlung ein wesentliches Hindernis 
für den praktischen Vollzug der Fleischbeschau in Ostpreußen 
in dem tatsächlichen Mangel an Tierärzten auf dem platten 
Lande; hierdurch sowie durch die weiten Entfernungen, die die¬ 
selben bis zu den Beschaupflichtigen zurückzulegen haben und in¬ 
folge der hierdurch bedingten oft unverhältnismäßig hohen Be¬ 
schaukosten, würde eine ordnungsmäßige, den gesetzlichen Vor- 


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598 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 38. 


Schriften entsprechende Fleischbeschau zuweilen so lange in Frage 
gestellt bleiben, bis Tierärzte über die ganze Provinz derart ver¬ 
teilt sein werden, daß dieselben für die nach den Bundesrats¬ 
bestimmungen den Tierärzten ausschließlich vorbehaltenen Unter¬ 
suchungen und für die Ergänzungsfleischbeschau in Anspruch ge¬ 
nommen werden können. 

Von den zuständigen Behörden sei daher behufs Abhilfe die 
Seßhaftmachung einer Mehrzahl von Tierärzten und ihre Verteilung 
in den verschiedenen Teilen der Provinz je nach Bedarf mit allen 
Mitteln anzuBtreben. 

In hohem Maße erleichtert werde die Durchführung der Fleisch- 
beschaugesetzgebung durch die gleichzeitige Einführung der schon 
seit langem aus hygienischen Gründen dringend gebotenen obliga 
torischen Trichinenschau. Ja, diese erscheine sogar als Voraus¬ 
setzung für erstere angesprochen werden zu müssen. Der Vorsitzende 
verläßt den Gegenstand mit den Worten: Angesichts der Bedeutsam¬ 
keit der Sache glaube er es als selbstverständlich annehmen zu sollen, 
daß auch die ostpreußischen Tierärzte ihr ganzes Wissen und Können 
derselben weihen und unter Hintansetzung jeglicher Sonderinteressen 
ihre Kräfce wie überhaupt zum Wohle der Allgemeinheit, so speziell 
auch der Fleischbeschaugesetzgebung voll und ganz dienstbar 
machen werden. 

Andererseits dürfe man aber bei den in Ostpreußen obwaltenden 
besonders großen Schwierigkeiten für den Anfang nichts Unmögliches 
fordern; hierbei sei noch mehr, wie in anderen Dingen, der Wahl- 
spruch zu beherzigen: Wenn auch fortiter in re, so doch suaviter 
in modo. 

Obwohl die Notwendigkeit der Emanierung eines Schlachtvieh- 
versicherungsgesetzes anerkannt wird, verhehlt sich die Versamm¬ 
lung nicht die Schwierigkeiten, die eine Realisierung dieses Ver¬ 
langens mit sich bringt. 

Damit war die Tagesordnung erschöpft. 

An den an demselben Tage in Berlin tagenden Verein der 
Brandenburger Tierärzte wurde ein Begrüssnngstelegramm abge¬ 
sandt, das von letzterem alsbald erwiedert wurde, und ferner die 
Absendung eines solchen an den Ausschuß deB am 9. Dezember i902 
in Berlin stattfindenden Maturitätskommerses beschlossen. 

Zum Schlüsse wurde Herr Professor Dr. Schmaltz-Berlin in 
Anbetracht seiner hervorragenden Verdienste um die Hebung des 
tierärztlichen Standes einstimmig zum Ehrenmitgliede des Ver¬ 
eins ernannt und derselbe hiervon sofort telegraphisch benach¬ 
richtigt, worauf eine telegraphische Annahmeerklärung von dem 
neuernannten Ehrenmitgliede einlief. 

Nachdem den Referenten und sonstigen Rednern des Tages 
seitens des Vorsitzenden für ihre Mühewaltung der Dank der Ver¬ 
sammlung ausgesprochen war, schloß derselbe um 3 */ a Uhr die 
Sitzung. 

Nach derselben vereinigten sich die Mitglieder und Gäste unter 
zahlreicher Beteiligung von Damen zu einem festlichen, durch zahl¬ 
reiche, sinnige Toaste gewürzten Mahle. 

Hieran schloß sich ein wohlgelungenes, durch musikalische 
Aufführungen und andere freudig anregende Veranstaltungen unter¬ 
brochenes Tanzkränzchen, welches die Teilnehmer bis in die späten 
Nachtstunden zusaramenhielt, und am Schluß vereinigten sich noch 
zahlreiche Teilnehmer zu kleineren Kreisen, um bei einer Tasse 
Kaffee ihre näheren Beziehungen noch enger zu knüpfen. 

Der Vorsitzende Der Schriftführer 

gez. Dr. Mehrdorf. gez. Dr. Fischoeder. 

25 Jähriges tierärztliches Jubiläum. 

Am 30. August er. wurde in den Sälen der Oppelner Loge 
das 25 jährige Berufsjubiläum des Herrn Departementstierarztes 
Dr. Arndt zu Oppeln feierlich begangen. Auf den besonderen 
Wunsch des Jubilars — weil den 25 jährigen Jubiläen jeder 
offizielle Charakter abgehe — wurde die Feier von dem Komitee 
auf die Tierärzte Oberschlesiens beschränkt und konnte mit 
vollem Recht den Anspruch auf eine große Familienfeier machen. 
Der enge Zusammenschluß der Oberschlesier ist ja bekannt und 
wird seit Jahrzehnten gehegt und gepflegt; derselbe aber hat 


sich unter seiner jetzigen Leitung zu einer besonders schönen 
Blüte entwickelt. Deshalb fehlte auch an dieser Feier jede 
Mache. Man sah, daß sie von Herzen kam. 

Der Jubilar und seine Frau Gemahlin wurden von einer 
Deputation abgeholt und in die festlich geschmückten Räume 
der Loge geleitet, in welcher sich gegen 70 Personen, Damen 
und Herren, zum Empfange versammelt hatten. Nur wenige 
Kollegen fehlten wegen zwingender Hinderungsgründe. Ein 
jeder hatte es für eine seiner vornehmsten Pflichten erachtet, 
durch sein persönliches Erscheinen die Liebe und Verehrung 
für den Jubilar zum Ausdruck zu bringen. Bei dem um 
2y 2 Uhr beginnenden Festessen feierte der Senior der Schlesi¬ 
schen Tierärzte Kreistierarzt Riedel-Neiße den Jubilar mit 
tiefempfundenen, zu Herzen gehenden Worten. Insonderheit 
betonte er dessen selbstloses Eintreten für jeden Kollegen, sei 
er Privat-, Schlachthof- oder beamteter Tierarzt, ohne durch 
dieses kollegiale Entgegenkommen seiner amtlichen Stellung 
auch nur das Geringste vergeben zu haben. 

Dieses mannhafte Eintreten für jeden habe die Stellung 
der oberschlesischen Tierärzte besonders gehoben. Dasselbe, 
verbunden mit seinem reichen Wissen, seiner vornehmen Ge¬ 
sinnung und Denkungsart, habe ihm die Liebe und Verehrung 
seiner Kollegen für immer gesichert wie keinem zweiten. Der 
Name seines seligen Vaters habe bereits in Schlesien einen 
guten Klang gehabt, der Sohn habe das Andenken an denselben 
nicht besser ehren können, als einer der besten Vertreter des 
Standes seiner Vorfahren zu werden. Am Schlüsse seiner Rede, 
die in ein mit Jubel aufgenommenes Hoch auf den Jubilar aus¬ 
klang, enthüllte Kollege Riedel eine durch eine Dekoration 
von Pflanzengrün verdeckte Standuhr mit Musikwerk und über¬ 
reichte ein silbernes Kaffeeservice. Beide Dedikationen trugen 
die Inschrift: „Ihrem Dr. Arndt die Oberschlesischen Tierärzte“. 
Mit diesen wenigen Worten hatte das Komitee alles zu sagen 
geglaubt. 

Mit sichtlicher Rührung dankte der zu unserer Freude völlig 
überraschte Jubilar in herzlichen Worten mit dem Versuche, 
alle seine Verdienste von sich abzuwälzen und sie nur als Pflicht 
und Schuldigkeit hinzustellen. Alle Oberschlesier konnten aber 
keine schönere Genugtuung für ihr persönliches Verhältnis zum 
Jubilar finden als in dessen Schlußworten: daß er jeder Ver¬ 
suchung des Wegganges von Oppeln immer deshalb wider¬ 
standen habe, weil selten wahre Kollegialität so tief und all¬ 
gemein ausgeprägt sei, als in seinem jetzigen Wirkungskreise. 

Die Tafelmusik stellte die Oppelner Stadtkapelle. Zahl¬ 
reiche Telegramme liefen ein, von denen das des Herrn Prof. 
Dr. Schmaltz mit besonderem Beifall begrüßt wurde. Den 
gemütlichen Teil der Feier leitete die Aufführung von Laufs 
Schwank „Die Naturheilmethode“ ein, die zwerchfellerschütternde 
Erfolge zeitigte. Konzertvorträge, Reden, Gesänge wechselten 
mit einander ab, bis eine Gartenpolonaise den Ball eröffnete, 
der die Festteilnehmer bis zum Abgänge der letzten Züge im 
Industriegebiet gegen Mitternacht zusammenhielt. 

Auch an einer wissenschaftlichen Bereicherung sollte es 
nicht fehlen. Dr. Marks - Ohlau motivierte in humorvoller 
Weise seine Anwesenheit und die seines Leibfuchses Prof. 
Dr. Casper-Breslau, welche als die einzigen Gäste nur auf 
ihren persönlichen Wunsch hin an der Feier teilnahmen, in der 
Weise, daß sie mit dem Jubilar durch ein Ligamentum intercordiale 
verbunden seien, welches er als ehemaliger Prosektor sorglich 


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n. Sept et «ber 1903. 

präpariert und konserviert und welches sich mit der Zeit zu 
einer stattlichen Sehne entwickelt habe. 

Auch dieses war ein selten schönes Fest: Fiir einen 
Kollegen unter Kollegen ohne Trug und Fa’sch. So soll es 
auch immer bleiben. Wohl alle beseelte der Wunsch beim 
Abschiede, sich noch recht lange der Führung und Leitung des 
Jubilars zu erfreuen, hoffend, auch das 50jährige Jubiläum mit 
ihm feiern za können. Möchten ans noch viele Arndts er¬ 
stehen! Bischoff. 

Zur Abwehr. 

Herr A. Pfleger in Opladen hat zur Erlangung von 
Privatpraxis ein Verfahren eingeschlagen, dem der Vorzug einer 
ungewöhnlichen Originalität nicht abzusprechen ist. In mehreren 
Tagesblättern der Opladener Gegend erschien in letzter Zeit zu 
wiederholten Malen eine „Bekanntmachung“, deren Form einen 
amtlichen Charakter trug, deren Inhalt die privattier¬ 
ärztliche Taxe des Kreistierarztes enthielt. 

Wir wollen es nicht unterlassen, diese „Bekanntmachung“ 
im Abdruck folgen zu lassen, um auch weiteren Kreisen die 
Möglichkeit zu gewähren, aus dem Inhalt sich ihr Urteil zu bilden. 

Bekanntmachung. 

Die Landwirte vnd Viehbesitzer im Kreise Solingen seien 
darauf hingewiesen, daß mit dem Kreistierarzt Herrn Pfleger in 
Opladen folgende Taxe vereinbart worden ist: 

Fiir den einfachen Tagesbesuch incl. Korsultationsgeböhr nach 
Hitdorf, Monheim (ausschl. Katzberg), Baumberg Mk. 6.— ; Berg¬ 
hausen, Richrath, Landwehr und Steinbüchel Mk. 5.— ; Langenfeld, 
Immigrath, Katzberg, Schlebusch, Wiesdorf und Ohligs Mk. 4.— ; 
Reusrath, Neukirchen, Bürrig und Lützenkirchen Mk. 3.—. Für 
nach den Umständen erfoiderliche Besuche zur Nachtzeit wird das 
doppelte und für die Zwischenzeit abends und morgens das 
l%fache berechnet. 

Als Tageszeit gilt: vom 1. April bis 1. Oktober 6 Uhr vor¬ 
mittags bis 8 Uhr abends, vom 1. Oktober bis 1. April 8 Uhr vor¬ 
mittags bis 6 Uhr abends; und als Nachtzeit: vom 1. April bis 
1. Oktober 10 Uhr abends bis 4 Uhr vormittags, vom 1. Oktober 
bis 1. April 9 Uhr abends bis 6 Uhr vormittags. Maßgebend ist 
morgens der Weggang vom Hause, abends der Weggang vom Gehöft. 

Ara ersten Mittwoch im Monat wird der Kreistierarzt von 
2—3 Uhr nachmittags bei Steinkühler und von 3 /,—5 Uhr in der 
Post in Monheim sein; jeden ersten Donnerstag im Monat mittags 
von 12—1 Uhr in der Post in Schlebusch. 

Konsultationen an diesen Tagen in den genannten Orten 
werden nach Ortstaxe berechnet. 

Solingen, den 14. August 1903. Der Landrat L u c a s. 

In einem oder mehreren andern Blättern ist die Unterschrift 
zu finden: Der Landrat, I. V.: D r. S t e n z e 1. 

Wir gestehen, daß wir anfangs glaubten, daß diese Methode, 
die Konkurrenz der praktischen Tierärzte los zu werden, irgend¬ 
eines Kommentares nicht bedürfe. Indessen wir müssen daher 
an den alten Satz denken: Exempla trahunt. 

Es will uns fast scheinen, als ob zum Hohne des von 
Professor Schmaltz vor nicht langer Zeit veröffentlichten, 
wohlgemeinten Hinweises (vgl. pg. 221), die hier wiedergegebene 
Bekanntmachung erfolgt sei. 

Mit Rücksicht auf diese Erwägung, mit Rücksicht ferner 
auf die Interessen der Privattierärzte, nicht minder auch endlich 
mit Rücksicht auf das Ansehen der Kreistierärzte und des ge¬ 
samten tierärztlichen Standes sehen wir uns zu nachstehenden 
Äußerungen veranlaßt. 

Von dem Verfahren des Landrates sehen wir ab, da bereits 
Schritte getan sind, um durch den Regierungspräsidenten fest¬ 
stellen zu lassen, ob die amtliche Veröffentlichung einer 


599 


kreistierärztlichen Privattaxe zu den Funktionen eines Land¬ 
rates gehört. 

Um so mehr interessiert uns hier aber der geistige Urheber 
der famosen Bekanntmachung, der Herr Kreistierarzt Pfleger. 
Wir entsinnen uns unwillkürlich der recht bezeichnenden Worte, 
die seinerzeit, kurz nach der Niederlassung als Kreistierarzt, — 
vermutlich in der dunklen Vorstellung einer, durch die Anstellung 
dokumentierten geistigen Superiorität und anerkannten ge¬ 
steigerten Leistungsfähigkeit und Tüchtigkeit von Herrn Pfleger 
mit Bedacht ausgesprochen wurden: „Wenn die Kunden mich 
nicht bezahlen, wie es mir als Kreißtierarzt zukommt, dann 
können sie ja zu einem gewöhnlichen Tierarzt gehen,“ Da¬ 
mals liquidierte der Herr Kreistierarzt für die einzelnen Besuche 
etwa das doppelte der heute unter landrätlicher Ägide ver¬ 
öffentlichten Taxe! 

Leider hat sich in den letzten Jahren hüben wie dt üben 
Stoff genug angehäuft, um Verstimmungen zwischen Privat¬ 
tierärzten und Kreistierärzten zu veranlassen. Aber wohin soll 
es nur führen, wenn eine derartige Methode, durch öffentliche, 
behördlich sanktionierte Bekanntmachungen Praxis zu erlangen, 
Schule machte? Die unausbleibliche Folge wäre doch, daß der 
Kampf ums Dasein, daß der leidige Konkurrenzkampf die hä߬ 
lichsten Formen annähme, und daß infolge der ungleichen Waffen 
bald der letzte „gewöhnliche“ Praktiker vom Schauplatz ab¬ 
treten müßte. Nun, so weit sind wir ja vorläufig noch nicht. 
Für unsern Stand aber bildet es geradezu eine Lebensfrage, 
zu verhüten, daß sich die Kluft zwischen den Spezialberufen 
noch mehr vergrößert. 

Von berufenerer Seite ist oft genug die Bedeutung der 
praktischen Tierärzte geschildert, und kein billig denkender 
Mensch kann ihnen verübeln, wenn sie aus allen Kräften ihren 
Platz an der Sonne zu behalten, und wenn erforderlich, zu 
verteidigen suchen. Sie werden es auch fürderhin tun, ohne sich 
dabei solcher Waffen zu bedienen, wie Herr Pfleger. Was für 
jeden honorigen Stand gilt, gilt ganz besonders auch für uns 
Tierärzte: den unvermeidlichen Daseinskampf in ehrenhafter, 
taktvoller Weise unter Innehaltung des kollegialen Anstandes 
mit den Waffen des Geistes und der persönlichen Tüchtigkeit 
zu führen! 

Zum Schluß verwahren wir uns ausdrücklich dagegen, diesen 
„Fall Pfleger“ als typisch hinzustellen für das Verhalten der 
Kreistierärzte im allgemeinen; aber wir müssen ihn zu unserm 
Bedauern als ein extremes Beispiel solcher Bestrebungen auf¬ 
fassen, die in der Zurückdrängung und Beschränkung der Tätig¬ 
keit der praktischen Tierärzte das Heil der beamteten Tierärzte 
sehen und die zur Förderung ihrer Privatinteressen das un¬ 
gehörige Eingreifen und die Tätigkeit der unteren Behörden in 
Anspruch nehmen. 

Der Vorstand der Gruppe Rheinprovinz des Verbandes der 
Privattierärzte in Preußen. 

Dr. W. Flatten-Köln. C. Wigge-Düsseldorf. 

H. Neffgen-Mülheim a. Rh. Fr. Stähler-Frechen. 

Erklärung. 

Im Haiiptnerschen Ergänzungskatalog für das Jahr 1903 
wird unter Katalognummer 4047 ein fixierbares Dauertbermometer 
nach Malkmus angeboten. Die Art, wie dies geschieht, ist ge¬ 
eignet, den Leser zur irrtümlichen Annahme zu verleiten, daß es 
sich hier um ein geistiges Eigentum des Herrn Malkmus handelt 
Da dem aber nicht so ist, sieht sich der Unterzeichnete unangenehm 
veranlaßt, folgende Erklärung abzugeben: 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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600 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 38. 


Erstens ist nicht Herr Professor Malkmus der Urheber des 
Fixierens eines Thermometers durch Naht, sondern der Unter¬ 
zeichnete (cf. d. Th. W. Nr. 48, Jahrgang 1900.) 

Zweitens weicht die zum Malkmusschen Thermometer verwendete 
Hülse nur durch unwesentliche und überflüssige Zutaten von der 
nach meiner Idee verfertigten und gesetzlich geschützten Hülse ab, 
welch letztere tatsächlich als Vorbild benutzt wurde. 

Ich übergebe dieses auch deswegen der Öffentlichkeit, weil der 
hohe Preis des Malkmusschen Thermometers nicht geeignet ist, 
mein Meßverfahren bei der Tuberkulinimpfung populär zu machen. 

H. Frank, Gr. Bezirkstierarzt, 
Emmendingen i. Baden. 

Auszeichnung. 

Die Stadt Herborn im Dillkreis (Hessen-Nassau) hat dem 
Kaiser Wilhelm dem Großen ein Denkmal errichtet, welches am 
30. August unter festlicher Anteilnahme der Bevölkerung von 
fern und nah, namentlich der Kriegervereine, in Anwesenheit 
des kommandierenden Generals v. Lindequist und eines Ver¬ 
treters des Oberpräsidenten enthüllt worden ist. Vorsitzender des 
Denkmals-Ausschusses war Tierarzt Fr. Wenzel, der sich 
besondere Verdienste um das Zustandekommen des Denkmals 
erworben hat und sich auch bei der Feier durch seine schwung¬ 
volle, warmherzig-patriotische Rede auszeichnete. 

Herr Wenzel wurde mit dem Kronenorden dekoriert und 
wir gratulieren ihm zu dieser wohlverdienten Auszeichnung 
herzlich, denn es ist für uns alle erfreulich, wenn junge Kollegen 
sich in dieser Weise, wie Kollege Wenzel, hervortun. (W. war 
Angehöriger der ehemaligen „Militärroßarztschule“, von der er 
wegen Ausfechtens einer Mensur entfernt wurde. Sein Regiment 
gab ihn ohne Verzug frei, so daß er in Dresden weiterstudieren 
und 1895 die Approbation erwerben konnte; seither praktiziert 
er in Herborn.) 

Herbst-Versammlung des Vereins Rheinpreussischer Tierärzte 

am Sonntag, den 27. September er., Vormittags 11 Uhr 
im Hotel Deutscher Hof zu Königswinter. 

Tagesordnung. 

1. Geschäftliche Mitteilungen: a) Anträge betr. Schell-Stiftung. 

b) Eintragung des Vereins in das Vereinsregister; Erwerbung 
der Rechte einer juristischen Person; 

c) Aufnahme neuer Mitglieder. 

2. Antrag Strohe betr. Schaffung einer Standesordnung. Referent: 

Herr Tierarzt Strohe-Köln. 

3. Stellung der Tierärzte in der Milchkontrolle. Referent: Herr 

Schlachthofdirektor B o cke 1 mann-Aachen. 

4. Mitteilungen aus der Praxis. 

Um 2 Uhr gemeinschaftliches Mittagessen mit Damen und im 
Anschluß daran Ausflug nach Rosenau (Siebengebirge). 

Indem wir um recht zahlreiches Erscheinen bitten, bemerken 
wir, daß für die Unterhaltung der Damen in weitgehendster Weise 
gesorgt ist. Gleichzeitig wird gebeten, die Teilnahme an dem 
Mittagessen, wenn eben möglich unter Angabe der Teilnebmerzahl 
bis zum 24. d. Mts. dem Schriftführer Dr. W. Flatten, Köln- 
Ehrenfeld anzuzeigen. Die bereits am Samstag in Königswinter 
eintreffenden Teilnehmer versammeln sich am Abend im Hotel 
Mattem, daselbst 

Köln, 10. September 1903. 

Der Vorstand, I. A.: Dr. Lothes. 

NB. Anträge zur Aufnahme als Mitglied des Vereins sind, wenn 
möglich schriftlich, bei einem der Vorstandsmitglieder einzureichen. 

Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte In Kassel. 

Abteilung 30 „Tierheilkunde“ 

Realgymnasium Zimmer 11, Schomburgstr. 2. 

Montag, den 21. September, Nachm. 3 Uhr: 1. Eröffnung 
der Abteilungssitzung und Begrüßung der Gäste. 2. Geschäftliche 
Mitteilungen. 

Verantwortlich fOr den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmalta ln Berlin. 


Abends 8 Uhr: Zwanglose Vereinigung in der Festhalle. 

Dienstag, den 22. September, Vor- und Nachmittags: 
Besichtigungen. 

Mittwoch, den 23. September: Wissenschaftliche Aus¬ 
flüge. Abends: Zwanglose Zusammenkunft in dem Park der 
hessischen Aktienbrauerei. 

Donnerstag, den 24. Sept., Nachm. 3 Uhr: 1. Vortrag des 
Herrn Professor Dr. Kaiser in Hannover über „postpuerpurale 
Erkrankungen des Rindes. 

2. Vortrag des Herrn Kreistierarztes Dr. Storrh in Schmalkalden 
über „Asepsis und Antisepsis in der Geburtshilfe“. 

Abends 7 Uhr: Gartenfest im Park der Hess. Aktienbrauerei 
(Liedervorträge, Feuerwerk etc.) später Tanz. 

Freitag, den 25. Sept., Abends 8‘/, Uhr: Abschiedskommers 
dargeboten von der Stadt Kassel. 

Tietze, I. Einführender. 


BUcheranzeigen. 

Neue Eingänge. 

(Besprechung Vorbehalten.) 

Schmaltz: Deutscher Veterinärkalender für 1901, beraus- 
gegeben unter Mitwirkung von Hartenstein, Dr. Arndt, Dr. 
Töpper, Dr. Schlegel, Dr. Ellinger, Dr. Eschbaum, Dr. 
Steinbach und Koch. In zwei Teilen: I. Teil 312 Seiten Text, 
dazu zwei Beihefte (Gebührenordnungen) und ein einlegbares 
Tagesnotizbuch in 12 Monatsheften; II. Teil 240 Seiten Personal¬ 
verzeichnis und Anhang (Amtstätigkeit des preußischen Kreistier¬ 
arztes und Bureau des Schlachthoftierarztes.) Berlin 1903, bei 
Richard Schätz, Preis 5 Mark. 

Schmidt, Georg, Geheimer Finanzrat: Die Fleischbeschau, 
Zollordnung und die gesetzlichen Bestimmungen über die Aus¬ 
lands-Fleischbeschau. Berlin 1903, Carl Heymanns Verlag; 300 
Seiten, Preis 5 Mark. 

Nörner, Dr. C.: Anleitung zur Beurteilung des Rindes. 
Gemeinfaßliche Belehrung für Studierende der Landwirtschaft und 
der Veterinärmedizin, für Landwirte und Rindviehbesitzer. 220 
Seiten mit 70 Abbildungen. Stuttgart 1904, bei Eugen Ulmer, Preis 
5 Mark. 

Aibrecht, Oscar, Tierarzf in Berlin: Zur ältesten Geschichte 
des Hundes. Inaug.-Diss. (Bern). 63 Seiten, München bei Ernst 
Reinhardt. 

Personalien. 

Auszeichnungen, Ernennungen: Dem Stabsveterinär Graf im 
Ul.-Rgt. Nr. 16 -und dem prakt. Tierarzt F. Wenzel in Herborn 
wurde der preuß. Kronenorden 4. Kl. verliehen. 

Distriktstierarzt Max Madel in SchillingBfürst wurde zum 
Distriktstierarzt in Moosburg ernannt; die Tierärzte Franz Fürst 
in Freiburg und H Winzer in Perleberg zu Schlachthoftierärzten 
in Karlsruhe bezw. Elbing; Löwe in Berlin zum 2. Asssist. am Tier- 
spital in Gießen. 

Promotion: Bernhard Schubert , Assist, am Institut für exper. 
Therapie in Frankfurt a. M, zum Dr. med. vet in Gießen. 

In der Armee: Gegenseitig versetzt wurden der Oberveterinär 
Eberhardt von der Militärabteilung der tierärztl. Hochschule in 
Dresden und der Oberveterinär Wemnann vom Karab.-Regt 

Todesfälle: Kreistierarzt A. Dlugay in Filehne; Tierarzt Cohn 
in Parchim. _ 

Vakanzen. 

(Siehe Nr. 36). 

Neu hinzugekommen sind: Biber ach: Stadtierarzt 3000 M. 
Vierteljährl. Kündigung. Übernahme aller der Stadtgemeinde ob¬ 
liegenden tierärztlichen Verrichtungen und Beratungen: Kontrolle 
der Wochenviehmärkje, des Schlachthauses für Großvieh, der 34 
Schlachtstätten der Kleinviehmetzger etc. Privatpraxis innerhalb 
der Stadt. Meldungen bis 22. September an das Stadtschultheißamt. 
—- Culm: Schlachthoftierarzt 2100 M. steigend bis 3000 M. Privat¬ 
praxis innerhalb des Stadtbezirks, Pension. Meldung an den Magistrat. 
— Saulgau: 2 Distriktsärzte. Sitz in Mengen und Altshausen. 
1000 M. Wartegeld. Meldung bis 15. Oktober an das K. Oberamt. 

Besetzt: Elbing, Königsteele, Vacha. 


— Verlag und Eigentum von Richard Schoet* ln Berlin. — Druck von W. BOzenateln, Berlin. 


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Berliner 


Originalbelträge werden mit 60 Hk., ln Petitsata mit 
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Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man 
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Tierärztliche Wochenschrift 


Redaktion: 

Professor Dr. Schmaltz-Berlin 

Verantwortlicher Redakteur. 


De Bruln 

Dr. Jeee 

Kühnau 

Dr. Lothes 

Nevermann 

Prof. Dr. Peter Peter* 

Professor 

Kreistierarzt 

Schlachthofdirektor 

Departementstlerarst 

Kreiotierarzt 

Kreistierarzt Departementatierarzt 

Utrecht 

Charlottenburg. 

Cöln. 

Cöln. 

Bremervörde. 

AngermUnde. Bromberg. 


Preusse 

Dr. Roeder 

Dr. Sohlegel 

Dr. Vogel 

Zündel 


Veterinär a*se**or 

Professor 

Professor 

Landestierarzt v. Bayern Kreistierarzt 


Danzig. 

Dresden. 

Freiburg i. Br. 

München. 

Mülhausen i. E. 


Jahrgang 1903. 


JI2 39. Ausgegeben am 24. September. 


Inhalt: Hajnal: Die normale Temperatur des Rindes. — Referate: Vennerholm: Über die Resultate des Nervenschnittes. — 
Bouchard, Claude, Carnot und Josserand: Versuche über Adrenalin. — Darmagnac: Vererbung der arthritischen 
Diatbese auf drei Fohlen durch die Mutter. — Burton: Muskelkontraktion und der venöse Blutstrom. — Jeß: Wochen¬ 
übersicht über die medizinische Litteratur. — Tagesgeschichte: Protokoll der Frühjahrs-Generalversammlung des Vereins 
„Rheinpreußischer Tierärzte“. — Verschiedenes. — Personalien. — Vakanzen. 


Die normale Temperatur des Rindes. 

Vom Landesverein ungarischer Tierärzte mit 200 Kronen gekrönte 
Preis-Abhandlung. 

Von 

Josef Hajnal, 

kgl. ung. Munizipal-Tierarzt in Kaposvär. 

Die Bekämpfung der Tuberkulose teilt sich in zwei Aktionen. 
Die Aufgabe der einen ist es, den Viehbestand von der vorhandenen 
Tuberkulose zn reinigen, der Berut der anderen aber wäre es, dies ge¬ 
reinigte Material auch für die Zukunft rein zu erhalten. Erstere 
Aktion ist eine eminent staatliche, letztere aber bürdet den Land¬ 
wirten eine große Verpflichtung auf und involviert von seiten der¬ 
selben eine in gewissem Grade soziale Aktion. 

Ein großes Hindernis für die erste Aktion: die Säuberung des 
vorhandenen Materials, war es in der Vergangenheit, daß man die 
Tuberkulose bloß im entwickelten Zustande derselben zu konstatieren 
vermochte, so daß nach Entfernung and Vertilgung der klinisch 
krank befundenen Tiere noch zahlreiche tuberkulöse Tiere zurück¬ 
blieben, welche die noch gesunden infizierten. So kam es, daß die 
Krankheit trotz Beseitigung der offenbar kranken sich dennoch 
ausbreitete. Darüber sind wir heute hinaus; mit seinem Tnberknlin 
hat uns Koch ein Untersuchungsmittel an die Hand gegeben, ver¬ 
möge dessen man die allergeringsten tuberkulösen Veränderungen 
der Körpergewebe nachweisen und im Zusammenhänge damit die 
Züchtereien von den tuberkulösen Tieren vollständig säubern kann. 

Haben wir nun mit dem Tuberknlin in der Hand unseren Rind¬ 
viehbestand gesäubert, so treten wir in das zweite Stadium der 
Bekämpfung der Tuberkulose, welches darin besteht, daß man diesen 
Bestand in gesäubertem Zustande auch erhalte. Und hier entfällt 
die größere Verpflichtung auf die großen Züchter, denn die Tuber¬ 
kulose breitet sich gerade dort rapid aus, wo sich in geschlossenem 
Ranme viele Tiere auf halten. In kleinen Bauernwirtschaften, wo eins 
bis zwei Rinder beieinander stehen, breitet sich die Tuberkulose kaum 
aus, denn irgend ein tuberkulöses Tier kommt höchstens auf freier 
Weide mit vielen Tieren zusammen, wo indessen die Infektions¬ 
eventualitäten sehr gering sind. Der zweite Teil der Aktion be¬ 
steht mithin darin, daß hinsichtlich der Haltung und Zucht der Tiere 
eine radikale Veränderung einzutreten hat. Die Tiere sind von 
Jugend an bis zn ihrer Ausmusterung im Frühling, Sommer und 
Herbst möglichst Tag und Nacht auf freier Weide zu halten; im 
Winter aber sollen sie in gesunden, leicht rein zu haltenden, lichten 
Ställen mit guter Ventilation untergebracht, tagsüber aber, selbst 
bei kalter Zeit, so weit nur irgend möglich in freier Luft gehalten 
werden. 


Nach kurzer Berührung dieser Punkte gehe ich zu dem eigent¬ 
lichen Zweck vorliegender Zeilen über: zn der Schilderung der 
Bekämpfungsweise der Tuberkulose und im Zusammenhänge damit 
in erster Reihe zur Darlegung des Vorgangs mit dem Tuberkulin. 
Es ist bekannt, daß zufolge der Injektion deB Kochseben Tuber¬ 
kulins die Temperatur des tuberkulösen Rindes bedeutend steigt 
und man nach dieser Wärmesteigerung die geimpften Tiere in typisch, 
atypisch oder unbestimmt reagierende zu klassifizieren pflegt. Bei 
dieser Einteilung und Beurteilung spielt die in der Stunde der 
Impfung eingetretene Temperatur eine große Rolle, denn falls bei 
der Bestimmung dieser sogenannten Temperatur-Basis ein Irrtum 
obwaltet, oder man nicht vollständig darüber im reinen ist, wie 
hoch die normale Temperatur des Rindes eigentlich ist, so wird 
die richtige Bearteilung der Reaktion unmöglich und die daraus 
gezogene Schlußfolgerung falsch sein. Es kann somit dem inter¬ 
essierten Eigentümer ein unmotiviert großer Schaden zugefügt 
werden einerseits dadurch, daß man Tiere ausmustert, welche 
eigentlich nicht tuberkulös sind, andrerseits aber dadurch, daß man 
Tiere beläßt, die tatsächlich krank sind und den Infektionsstoff 
weiter verbreiten. 

Wie hoch aber ist eigentlich die normale Temperatur des ge¬ 
sunden Rindes? 

Diese Frage erscheint vielleicht einfacher, als sie es in Wirklich¬ 
keit ist, und ihre Beantwortung ist heute wohl schon eine leichte. 
Denkt man aber nur auf einige Jahre zurück, bevor die Tuberkulin¬ 
probe uns anf die Temperaturverhältnisse des Rindes aufmerksam 
gemacht hatte, so muß man gestehen, daß die endgültige Fest¬ 
stellung der normalen Temperatur des Rindes auf Grund von 
experimentellen Erfahrungen eine wichtige Sache ist, und daß der, 
welcher sich damit befaßt, keine überflüssige, sondern eine überaus 
wichtige Arbeit vollbringt, denn eine größere, auf ein ganzes Land er¬ 
streckte Aktion mit der Tuberkulinprobe läßt sich nicht inaugurieren 
and systematisch sowie gleichmäßig durchführen, ohne daß man über 
die normale Temperatur des Rindes vollkommen im klaren wäre. 

Es ist bekannt, daß man noch vor gar nicht langer Zeit eine 
Temperatur von 39 und sogar 40° C nicht für krankhaft, wohl 
nicht einmal für abnorm hielt, weil man sehr häufig anscheinend 
ganz gesunden Tieren, sogar recht feisten Mastochsen begegnete, 
welche diese höheren Temperaturgrade aufwiesen. Laut den Lehr¬ 
büchern und wissenschaftlichen Werken können in der Tat Fälle 
Vorkommen, in welchen man eine solche Temperatur für normal 
annchmen muß. In seinem Werke über die „Rinderkrankheiten“ 
äußert sich Harms über die normale Temperatur des Rindes 
folgendermaßen: „Die innere Temperatur wird außerordentlich 


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602 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 39. 


verschieden angenommen. Sie soll nach Krolben und Müller 38,8, 
nach Siedamgrotzky 38,9, nach Zündel 39,0, nach Lydtin 
38,0 bis 38,5 0 C betragen.“ Ferner legt er seinem Leser und sich 
die Frage vor: „Kann man beim Rinde in jedem Falle aus der Höhe 
der Masldarmtemperatur einen sichern Schluß auf die Stärke des 
Fiebers ziehen?“ Die Antwort lautet: „Nein!“ 

„Bei anscheinend ganz gesunden Rindern, bei Rindern, welche 
fressen, saufen und ruminiereo, auch einen normal hohen Puls haben, 
findet sich zuweilen eine abnorm hohe Temperatur im Mastdarm. 
Als ich während der Rinderpest-Invasion sämtliche auf der Eisen¬ 
bahn die Stadt Hannover passierenden Rinder auf Rinderpest unter¬ 
suchen mußte, fand ich das erstemal unter ca. 140 Rindern mehrere 
mit einer Mastdarmtemperatur von 40° C und darüber. Eine genügende 
Erklärung konnte ich den anwesenden Studierenden nicht geben.“ 

Laut der Untersuchung von Azary schwankt die normale Tem¬ 
peratur des Rindes zwischen 37,5 und 39,5 0 C, die der Schafe und 
Ziegen zwischen 38—40° C. 

Laut der Physiologie von Thanhoffer beträgt die normale 
Temperatur des Rindes 38—38,5 0 C. 

Recht erschöpfend befaßt sich mit dieser Frage Dr. Eber in 
seinem Werke: „Tuberkulinprobe und Tuberkulose-Bekämpfung beim 
Rinde.“ Behufs Feststellung der normalen Temperatur des Rindes 
hat Verfasser an 273 Rindern Versuche angestellt Diese Tiere 
waren, seiner Angabe nach, insgesamt anscheinend vollständig 
gesund, hatten das Alter von 1$ Jahren erreicht und waren bei 
beständiger Fütterung in Ställen gehalten worden. Eber nahm die 
Temperatur von morgens bis abends 9—10 Uhr alle zwei Stunden 
auf und gelangte dabei zu folgenden minimalen und maximalen 
Temperaturen: 

ein Minimum von 37,5—37,9° C beobachtet in 1 Falle 
„ „ „ 38,0-38,4 „ „ „ 155 Fällen 

„ 38,5-38,9 „ „ 108 „ 

» v .. - 39,5 „ „ „ 1 Falle 

ein Maximum von 38,1—38,5 „ „ „ 6 Fällen 

„ ,. „ 38,6-39,0 „ „ „ 176 „ 

„ • , „ 39,1 39.5 „ „ „ 71 „ 

u » *> 39,6—39,9 „ „ ., 14 „ 

,, „ „ 40,0-40,3 „ „ „ 6 „ 

Aus diesen beiden Gruppierungen ist es ersichtlich, daß die 
niedrigste Tagestemperatur des Rindes in der Regel 38,0—38,9 0 C 
(in 263 Fällen, d. i. 96 %), die höchste Temperatur aber 38,6—39,5 0 C 
(in 247 Fällen, d. i. 99 %) beträgt und daß die tägliche Schwankung 
keinen ganzen Grad Celsius ausmacht. Trotz dieser Schwankung 
kann man also die normale Temperatur der im Stalle ge¬ 
haltenen Rinder dennoch mit 38,0—39,5° C annehmen. Dem- 
ungeaebtet, erklärt Eber, kommen Fälle vor, in welchen man unter 
normalen Verhältnissen auch 39,6—39,9° C nicht als fieber¬ 
hafte Temperaturen betrachten kann, wie es jene 14 Fälle dar¬ 
tun, in welchen die Temperatur diese Höhe erreichte, ohne daß an 
diesen Tieren irgend welche krankhaften Symptome bemerkbar ge¬ 
wesen wären; unter einem aber bemerkt Verfasser dennoch, daß diese 
höheren Temperaturen eventuell doch durch Tuberkulose verursacht 
sein mochten, denn von den 14 Tieren reagierten 11 Stück, die bei 
der Abschlachtung als tuberkulös befunden wurden; er hält es daher 
für zweckmäßig, Temperaturen von 39,6—39,9° C als verdächtig 
zu betrachten. 

Von den sechs Tieren, deren Temperatur 40° C betrug, war 
bei zweien schlechter Appetit, infolge der Tuberkulinprobe aber 
bei allen eine starke Reaktion bemerkbar. Eber bezeichnet daher 
eine Temperatur von 40° C stets, also auch in solchen Fällen für 
krankhaft, wenn sonst am Organismus des Tieres keinerlei Ab¬ 
normität nachweisbar ist. 

Auf Grund meiner eigenen Experimente und der an einigen 
tausend Tieren bewerkstelligten Temperaturaufnahmen kann ich 
entschieden behaupten, daß die normale Temperatur des Rindes durch¬ 
schnittlich 38,6°C beträgt und daß ei ne Temperatur unter 
38° C abnorm, eine über 39° C aber entschieden krank¬ 
hafter Natur ist. 

Zur Erhärtung dieser Behauptung füge ich einige tabellarische 
Ausweise bei. Durch die Publikation derselben werden vorliegende 
Zeilen vielleicht etwas weitschweifig werden: allein mit Rücksicht 


darauf, daß zur Bewerkstelligung einer so großen Menge von 
Temperaturaufnahmen nicht alle Tage und nicht jedermann sich 
die Gelegenheit darbietet, sowie ferner, daß sonstige Beobachtungen 
und Experimente, welche durch Zusammenstellung dieser Tabellen 
und behufs Erhärtung obiger Behauptung bewerkstelligt w-erden, 
eventuell bei Veranstaltung fremder Experimente wissenschaftlichen 
Wert besitzen können, halte ich es für geboten, meine Beob¬ 
achtungen möglichst eingehend darzulcgen. 

Behufs Feststellung der normalen Temperatur des Rindes 
erachtete ich es für motiviert, die im großen bewirkte Temperatur- 
aufnabme an solchen Tieren vorzunehmen, die vollständig erwachsen, 
aber nicht alt, deshalb wahrscheinlich nicht nur anscheinend, son¬ 
dern auch tatsächlich vollkommen gesund waren. Ferner hielt ich 
es für notwendig, darauf zu sehen, daß diese Tiere an ein regel¬ 
mäßiges Leben gewöhnt seien, d. i. daß sie in der Fütterung und 
Haltung keinem Wechsel unterworfen sind, sowie daß auch die 
Temperatur des Stalles ersichtlich gemacht werde. 

Zu diesem Zweck boten sich als geeignetste Medien die in 
Mästungen befindlichen, durch die Feldarbeit noch nicht erschöpften 
jungen Ochsen dar, deren ich in acht Meiereien insgesamt 670 
Stück auf die Temperatur untersuchte. Das Resultat dieser Arbeit 
ist auf Tabelle I detailliert ersichtlich gemacht. 

Von den 670 Mastochsen hatten 150 Stück eine Temperatur 
von 38,6 0 C, bei den übrigen hatte die Temperatur größtenteils 
dieselbe Höhe; Temperaturen unter 38° C kamen überhaupt nicht 
vor, und bei den Tieren mit über 39° C ließ sich zumeist ein 
gewisser krankhafter Zustand oder irgend eine chronische Ent¬ 
zündung nachweisen; so pflegte ein Mastochse aus Gruppe 3 mit 
39,3 0 C sich häufig aufzublähen, ein anderer mit 39,3 0 C aber 
fraß schlecht. Aus der 4. Gruppe hatte ein Stück mit 39,3° C 
schwachen Appetit und gesträubtes Haar, das andere mit 39,3° C 
hatte im Unterkiefer Aktinomykose, während ein drittes mit 39,3 ° C 
vor zwei Wochen einen ganzen Tag lang gar nichts zu sich ge¬ 
nommen hatte, bei der Aufnahme aber litt es an Durchfall. Ein 
Tier mit 39,4 “ C hatte wenig Appetit, das mit 39,7 0 C pustete, das 
mit 40° C aber hatte mehrere Male tagelang nichts gefressen. 
Aus der 5. Gruppe hatte ein Stück mit 39,6 0 C im Schlund eine 
faustgroße aktinomykotische Geschwulst, dasjenige mit 39,5 ° C 
aber war im Verhältnis zu den übrigen mager. Ungerechnet dieser 
zehn Stück entfallen von sämtlichen 660 Stück auf die Gruppe mit 
einer Temperatur von 38,6° C: 150 Stück, d. i. 22,78%; in die 
Kategorie von 38—39 0 C aber gehörten 649 Stück, d. i. 83,33 %, 
wogegen bei elf Stück mit einer Temperatur von über 39° C sich 
der Grund der abnormen Temperaturgrade nicht nachweisen ließ. 

Gegenstand meiner Beobachtungen bildeten als zweite Gruppe 
die unter gleichartigen Verhältnissen lebenden gefleckten IunzeD, 
über deren Temperatur Tabelle II Aufschluß bietet. Bei den in 
Gruppe 3 und 2, besonders aber in Gruppe 1 befindlichen war die 
Temperatur eine geringe, weil sie in einem luftigen, kalten Stalle 
standen; der Stall mit 70° C. verursachte bei neun Tieren der 
Gruppe 1 das Sinken der Temperatur unter 38° C. Aus Gruppe 4 
war ein Tier mit 39,2° C. jüngst kastriert worden; aus Gruppe 6 
aber hatte einer mit 39° C. sich schlecht genährt. Von den 
445 Stück gehörten die meisten (87 Stück) in die Kategorie mit 
38,5° C., 9 Stück in die unter 38° C., 4 Stück aber in die über 
39° C., bei letzteren aber war bei einem eine krankhafte Veränderung 
(frische Kastration) nachzuweisen. 

Eine dritte Gruppe meiner Experimente bildeten die Zucht¬ 
tiere, bezw. die zu Milchwirtschaften gehörigen Melkkühe, Kalbinnen 
und Bullen. Die Temperaturmessungen wurden im Frühling des 
Jahres 1898, 1899, 1900 und 1901 an verschiedenen Orten bewerk¬ 
stelligt. Insgesamt wurde die Temperatur von 1590 Rindern auf¬ 
genommen, von welchen 253 Stück eine Temperatur von 38,6° C. 
aufwiesen, d. i. 15,91 Proz. aller Tiere (Tabelle III). Zieht man 
indessen die beiden Extreme der normalen Temperatur in Betracht, 
d. i. sieht man zu, wie viele der Tiere zu der Kategorie unter 
38° C. und wie viele zu der Kategorie der Uber den als normales 
Temperaturmaximum angenommenen 39° C. gehörten, so zeigt es 
sich, daß von 1590 Tieren 1433 Stück, d. i. 90,12 Proz. aller Tiere 
die normalen Temperaturgrade (38—39° C.) aufwiesen. 


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24. sep^ber 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. ’ 608 


Tabelle l. Die Temperatur gefleckter Mastochsen. 


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Durchschnittsgewicht 600 kg 

In Mast gestellt 1. Okt. 

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Durchschnittsgewihht 650 kg 
Eingestellt 1. Okt. 

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1900 

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6—7 Jahre 

16 

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Durchschnittsgewicht 850 kg 
ln Mast gestellt 4. Mai 

4 

1900 

XI/9. 

5 Jahre 

16 

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1 



Durchschnittsgewicht 700 kg 
Eingestellt 5. Mai 

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1900 

XI 19. 

5-6 Jahre 

16 

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105 

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Durchschnittsgewicht 800 kg 
Eingestellt Anfang Juli 1900 

6 

1900 
XI 22. 

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2 

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Durchschnittsgewicht 700 kg 
Eingestellt 1. Sept. 

7 

1900 
XI1/4. 

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15 

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Durchschnittsgewicht 665 kg 
Eingestellt 1. Sept. 

8 

1900 
XI1/5. 

3'/ a Jahre 

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— 

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— 

Durchschnittsgewicht 660 kg 
Eingestellt 4. Sept. 




Zusammen 

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Tabelle II. Pie Temperatur gefleckter Junzen. 


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vor 12 Tagen geschoren 


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vor 2 Wochen geschoren 


1900 

















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13 C° 

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am 4. Dezember beendigt. 

Zusammen 

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2 

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— 

— 


— 



Diese auf Tabelle III verzeichneten Temperaturen wurden in 
Verbindung mit der Tuberkulinprobe stets abends aufgenommen, 
wogegen die anf Tabelle I und III summierten Aufnahmen nicht 
behufs der Tuberkulinprobe, sondern bloß zur Feststellung der 
normalen Temperatur des Rindes, stets am Tage bewerkstelligt 
wurden. Ebenso wie hinsichtlich einiger, auf Tabelle I und II ver- 
zeichneten höheren Temperaturgrade gewisse abnorme Umstände 
nachweisbar gewesen sind, so sind auch zu den auf Tabelle III 
verzeichneten Daten in dieser Hinsicht einige erläuternde Worte 
beizufügen. Zunächst ist zu erwähnen, daß diese Temperaturen 
stets die höchste, d. i. die abendliche Körperwärme dartun; ferner 
daß die Aufnahme an nervöser gearteten Kühen, Kalbinnen und 
Bullen erfolgten, deren Unruhe und bei der Wärmemessung ein¬ 
tretende Aufregung zufolge die Temperatur um einige Zehntel 
Grade steigt, was bei den ruhiger veranlagten Mastochsen und 
Iunzen überhaupt nicht oder nur in sehr geringem Maße der Fall 
ist Daß auf diese Weise in der Tat eine Steigerung der normalen 
Temperatur eintritt, dafür liefern die auf Tabelle IV verzeichneten 
Daten den Beweis. 

Bei 44 Tieren war nämlich die Temperatur abends 39° C. und 
darüber, andern Tags aber, d. i. am Morgen nach der Injektion 
mit Tuberkulin, blieb die betreffende Temperatur von morgens bis 
abends beständig niedriger als bei der ersten Aufnahme, was ein 
klarer Beweis dafür ist, daß, nachdem die Wärmemessung un¬ 


gewohnt war, Aufregung oder sonst eine nicht nachweisbare Ursache 
es bewirkte, daß die Körperwärme momentan gestiegen ist. Daß 
diese Annahme wahrscheinlich ist, zeigt die auffallende Höhe der 
Temperatur des unter Nr. 42 verzeichneten Tieres, an welchem 
wegen seiner Unruhe und Furcht die Eigenwärme nur nach vor¬ 
heriger Stürtzung gemessen werden konnte, während es nächsten 
Tags, nachdem es mit dem Ungewohnten bekannt geworden, und 
seine Furcht geschwunden war, sich bei der Wärmemessung stets 
ruhig verhielt, zufolgedessen auch seine Temperatur die eigent¬ 
liche Norm zeigte. Hier sei erwähnt, daß die auf Tabelle IV 
verzeichneten niederen Temperaturen nicht etwa verschiedenen 
Thermometern zuzuschreiben sind, denn bei jedem einzelnen Tiere 
habe ich bei der Injektion mit Tuberkulin, sowie bei den späteren 
Beobachtungen stets ein und dasselbe Instrument angewendet. 

Infolge der Tuberkulinprobe traten mir jedoch nicht nur obige 
Abnormitäten entgegen, sondern ich machte auch die Wahrnehmung, 
daß Tiere mit hoher Temperaturbasis in der Regel reagieren, d. i. 
daß die bisher als normal betrachtete hohe Temperatur dieser an¬ 
scheinend klinisch gesunden Tiere daher rührt, daß dieselben tat¬ 
sächlich nicht gesund sind, sondern an Tuberkulosis leiden und 
i diese Krankheit, als mit chronischer Entzündung und Gewebe¬ 
bildung verbundenes Übel, gewöhnlich im Gefolge von höheren 
j Temperaturgraden auftritt. 

• Tabelle V. enthält auch anderweitige interessante Daten. Sie 


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604 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 39. 


Tabelle III. Die Temperatur von Zuchtrindern. 







38° C und 







39° C und 




40° C 
und 

s 

] 


und Geschlecht der Tiere 

0 

1 

2 

3 

4 5 

6 

7 

8 

9 

0 

1 

2 

3 

4 

5 


7 

8 

9 

0 

1 

2 

g 

1 

mm 











Zehnte 

Sr 

•i d 












1 

Kühe über 3 Jahre. 

1 

1 

18 

53 

86 131 

154 

166 136 

77 

44 

33 

17 

16 

5 

7 

5 

4 

3 

1 

1 

_ 

1 

960 

2 ^ 

2 

Kalbinnen über 2 Jahre . . . 

1 

1 

8 

12 

28 37 

44 

37 

34 

25 

23 

11 

6 

10 

3 


— 

— 

— 

1 

— 

— 

_ 

281 

cL U 

g 5* 

3 

„ „ 1 Jahr . . . 

2 

5 

9 

21 

28 44 

48 

42 

24 

25 

16 

14 

5 

1 

— 


1 

1 

— 

_ 

— 

— 

— 

286 


4 

Bullen über 2 Jahre .... 

— 

— 

— 

— 

2 3 

2 

1 

5 

1 

2 

1 

— 

— 

— 

— 

— 


_ 

— 

— 

— 

— 

17 

■® «r 

«'S 

5 

„ „ 1 Jahr .... 

— 

— 

— 

2 

1 5 

5 

5 

4 

10 

4 

7 

2 


1 

— 



— 


— 

_ 

_ 

46 

E H 
£ .¥ 


Zusammen 

Insgesamt nach Abzug der Tiere 
(108 Stück) mit abnormer 

4 

7 

35 

88 

145 220 253 

251 

203 

138 

89 

66 

30 

27 

9 

7 

6 

5 

3 

2 

1 


1 

1590 

__ © 

"5 ~ 
j= §g 


Temperatur. 

4 

7 

35 

88 

145 220 253 251 

203 

138 

67 

37 

14 

14 

4 

1 

1 

— 

— 

— 

— 


— 

1482 

3 i 


Tabelle IV. | Tabelle v . 

Abends aufgenomraene abnorm hohe Temperaturen, welche Die bei anscheinend gesunden Tiere» mit boher Temperatur vorgekommeoes 
andern Tags auf die normale Temperatur herabsanken. Krankheiten, deren Anwesenheit durch die spätere Beobachtung oder 







& 

bt) 

CO 

fcß 



Sektion nachgewiesen wurde. 

Nummer 

abends 
9 Uhr 

morgens 
5 Uhr 

In 

JA 

P 

CO 

11 Uhr 

2 Uhr 
nachmitta 

5 Uhr 
nachmitta 

8 Uhr 
nachmitta 

Anmerkung 

U 

o 

s 

s 

3 

fc 

Temperatur 

Art der Krankheit 

1 

39-0 

38 5 

38-4 

38-5 

38-0 

38-3 

— 


1 

39,0 

Auf Tuberkulin reagiert mit 41,5 Grad. 

2 

39 0 

38*8 

38*5 

38-7 

38-7 

39 0 

— 


2 

»1 

'i i> i> i> 41,0 ,, 

3 

39 0 

38-7 

38-6 

38-8 

38-5 

38-4 

— 


3 

n 

>» ?) ' » >> 40,5 ,, 

4 

39 0 

38-7 

38-6 

38-8 

38 5 

38*6 

— 


4 

yy 

n n ii ii 40,2 ,, 

5 

39 0 

38*7 

38-8 

38 6 

38-8 

38-8 

38-6 


5 

yy 

Nährt sich beständig schlecht. 

6 

39*0 

38-8 

38-8 

38 7 

38*9 

38-4 

38-4 


6 

yy 

Auf Tuberkulin reagiert mit 41,2 Grad. 

7 

39-0 

38-8 

38-7 

38-8 

38-9 

38-8 

— 


7 

yy 

41 1 

»i ii ii ii ^* 1 i A 

8 

39-0 

38-7 

38-8 

38-3 

38-4 

38-4 

— 


8 

n 

ii ii ii ii 40,3 ,, 

9 

39-0 

38*8 

38-9 

38-7 

38-8 

39 0 

— 


9 

,, 

n n n n 401 ,, 

10 

39-0 

38-8 

38-5 

38-4 

38-5 

38-7 

— 


10 

ii 

ii n ii ii 40,7 „ 

11 

39-0 

39 0 

38-6 

38-6 

38-6 

38-7 

— 


11 


ii ii n ii 40,6 ,, 

12 

39-1 

38-8 

38 • 9 

39-0 

38-7 

39 1 

— 


12 

39,1 

ii ii ii ii 41,7 ,, 

13 

39-1 

38*8 

38-8 

38-8 

38-7 

38-8 

— 


13 

>> 

40 0 

n n n ii ii 

14 

39-1 

38-9 

38*6 

38-8 

38-5 

38-7 

— 


14 

II 

ii ii n ii 40,6 ,, 

15 

39 1 

38-9 

38-7 

38-8 

38-9 

38-9 

— 


15 

II 

ii n ii ii 40,8 „ 

16 

39 1 

39 0 

38-0 

38-2 

38 • 5 

38-7 

— j. 

16 

1) 

41 1 

ii ii ii n ii 

17 

39-1 

38-9 

38*8 

38*7 

38-9 

38-8 

38-9 


17 

yy 

Beim Abschlachten zeigten sich Tuberkeln in den Gedärmen. 

18 

39 1 

38*7 

38*8 

38-5 

38-5 

38 6 

_ 


18 

yy 

„ „ „ „ Geschwüre in den Lungen. 

19 

39-1 

38*8 

38-7 

38*6 

38*5 

38*7 

— 


19 

»> 

Hochgradig trächtig; einige Wochen nach dem Kalben: 

20 

39-1 

38-8 

38*7 

38*6 

38-6 

38-7 

— 




38,5 Grad. 

21 

39 - 1 

39 3 

38*8 

38*5 

38 -8 

38-8 

— 


20 

n 

Hochgradig trächtig; einige Wochen nach dem Kalben: 

22 

39 1 

38*9 

38*8 

38-6 

38-9 

38-8 

— 




38,6 Grad. 

23 

39-2 

38-9 

38-7 

38*6 

38 7 

39-0 

38-7 


21 

i> 

Beim Abschlachten tuberkulös befunden. 

24 

39 2 

38-7 

38-9 

38-7 

38-8 

38-7 

38 3 


22 

yy 

Auf Tuberkulin reagiert mit 40,4 Grad. 

25 

39 2 

38-9 

38 3 

38*5 

39*0 

39-1 

38*9 


23 

yy 

n n n ii 40,1 „ 

26 

1 39 • 2 

38-9 

38-5 

38*7 

38-8 

— 

— 


24 

yy 

n H ii ii 40,1 ,, 

27 

,39-2 

38-6 

38-4 

38-4 

38*5 

38-4 

38-7 


25 

yy 

ii ii ii ii 41,3 ,, 

28 

39*2 

38-7 

39 0 

38-9 

39*0 

— 

— 


26 

,, 

Hustet, ist mager, frißt wenig, reagierte mit 39,7 Grad. 

29 

39-2 

38-7 

38-7 

38-5 

38-7 

38-7 

— 


27 

,, 

Hochgradig trächtig. 

30 

39*2 

39*1 

38-7 

38-8 

39-0 

38-7 

— 


28 

yy 

11 11 

31 

39.2 

38-9 

38-6 

386 

38*6 

38*8 

— 


29 

yy 

Hustet, ist sehr mager, reagierte mit 39,8 Grad. 

32 

39-2 

38*9 

38*8 

38-9 

39-0 

39-0 

— 

30 

39,2 

Auf Tuberkulin reagiert mit 40,2 Grad. 

33 

39-3 

39 2 

38-2 

38*5 

38-9 

38*9 

38*5 


31 


40 4 

11 11 11 11 j , 

34 

39*3 

38 * 8 

38-6 

38*7 

39-0 

— 

— 


32 


Akuter Darmkatarrh. 

35 

39 3 

38-9 

38-7 

38-7 

39*1 

— 

— 


33 


Beim Abschlachten tuberkulös befunden. 

36 

39-3 

38 6 

38-9 

38-5 

38-6 

386 

— 


34 

yy 

Auf Tuberkulin reagiert mit 40,7 Grad. 

37 

39*3 

39-4 

38-8 

38 4 

38-8 

38-5 

— 


35 


41 2 

II 11 11 II J, 

38 

39*4 

38 8 

38*9 

38 9 

38-9 

— 

— 


36 

39,3 

♦i ii ii ii 40,6 „ 

39 

39-4 

39 2 

385 

38-4 

38-7 

38 3 

— 


37 

II 

ii ii ii ii 41,8 ,, 

40 

39 5 

39-2 

39 0 

38-9 

38 6 

29-1 

— 


38 

II 

40 7 

ii ii ii yy * w y 1 n 

41 

39*5 

39-1 

38-7 

38-9 

38*7 

— 

— 


39 

39,3 

Beim Abschlachten tuberkulös befunden. 

42* 

43 

39-6 

39-6 

38*8 
39 3 

38*5 

38-9 

38-8 

38-7 

38-7 

38*7 

38-9 

38*7 

38-6 

38-7 

•Die erat« Meuang 
mit Werfen und 

40 

41 

II 

Hochgradig trächtig. 

44 

39 9 

39-5 

38-7 

38*6 

38-6 

39-0 

— ! 

Tiere*. 

42 

II 

Auf Tuberkulin reagiert mit 40,5 Grad. 


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24. September 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


605 



48 „ i Hochgradig trächtig. 

44 39,4 Anf Tuberkulin reagiert mit 41,1 Grad. 

^ >» »> »> »* » 40,9 ,, 

46 „ Hochgradig trächtig; eiuige Wochen nach dem Kalben: 

38.8 Grad. 

47 39,5 Beim Abschlachten tuberkulös befunden. 

48 „ [Hochgradig trächtig; einige Wochen nach dem Kalben: 

38,7 Grad. 

49 „ Hochgradig trächtig; einige Wochen nachdem Kalben: 

38.9 Grad. 

50 „ Hochgradig trächtig; einige Wochen nach dem Kalben: 

38.6 Grad. 

51 39,6 Auf Tuberkulin reagiert mit 41,0 Grad. 

52 „ Hochgradig trächtig; einige Wochen nach dem Kalben: 

88.6 Grad. 

53 „ Chronischer Hagen- und Darmkatarrh, auch durch die 

Sektion konstatiert. 

54 39,7 Auf Tuberkulin reagiert mit 41,3 Grad. 

55 „ Beim Abschlachten fremder Körper in der Netzhaut, Eiter¬ 

knoten in der Leber. 

56 „ Allgemeiner Gelenk-Rheumatismus. 

57 „ Auf Tuberkulin reagiert mit 41,1 Grad. 

58 „ Hochgradig trächtig; einige Wochen nach dem Kalben: 

I 89,1 Grad. 

59 39,8 i Beim Abschlachten in der Gebärmutter ein dreimonatliches 

maceriertes Kalb. 

<30 „ Hochgradig trächtig; einige Wochen nach dem Kalben: 

; 38,9 Grad. 

61 „ Beim Abschlachten fremder Körper in der Netzhaut ein¬ 

gekapselt. 

62 39,91 Hochgradig trächtig; einige Wochen nach dem Kalben: 

I 38,7 Grad. 

63 40,0 Bei der Sektion hochgradig tuberkulös befunden. 

64 40,2 Vor zwei Tagen gekalbt, die Nachgeburt zurückgeblieben; 

I einige Wochen nach der Heilung: 38,6 Grad. 

liefert z. B. den Beweis, daß die Temperatur von hochgradig 
trächtigen und längstens innerhalb eines Monats kalbenden Kühen 
eine höhere ist. Dies geht hervor aus der Temperatur der unter 
Nr. 19, 20, 46, 48, 49, 50, 52, 58, 60 und 62 verzeichneten Kühe, welche 
das erstemal vor dem Kalben, das zweitemal aber einige Wochen nach 
dem Kalben aufgenommen wurde; die erste Aufnahme zeigt eine 
abnorm hohe, die zweite eine normale, gesunde Temperatur. 

Außer den aufgefUhrten Fällen pflegt eine höhere Temperatur 
auch durch chronische Entzündungen verursacht zu werden, die 
gewöhnlich mit Gewebebildung verbunden sind und von den 
Sachverständigen am lebenden Tier sehr häufig nicht nacbgewiesen 
werden können. Bereits in den Bemerkungen zu den Daten auf den 
Tabellen I und II wurde erwähnt, daß aktinomykotiscbe Gebilde 
und sonstige, nicht näher konstatierbare, jedenfalls aber chronische 
und unwesentliche Übel eine gesteigerte Temperatur verursachen. 

Auf Tabelle V sind auch einige solche hohe Temperaturen 
ersichtlich gemacht, deren Ursache im Leben durchaus nicht nach¬ 
zuweisen war; die Tiere erschienen gesund, beim Abschlachten aber 
fand sich stets irgend eine chronische Entzündung und zumeist ein 
von Gewebebildung begleiteter Prozeß vor. So fand ich an den beiden 
unter Nr. 55 und 61 verzeichneten Kühen mit 87,7 und 39,8 0 C 
beim Abschlachten in der Netzhaut und in der Leber durch fremde 
Körper veruisachte, mit dicker Bindehauthülle umgebene Geschwüre 
vor. Bei der Kuh unter Nr. 59 befand sich in der Gebärmutter 
ein vollständig bis auf die Knochen mazeriertes dreimonatliches 
Kalb; die Wandung der Gebärmutter war fast zwei Finger dick, 
die Schleimhaut rauh und kalkig, die Oberfläche aber uneben 
und verdickt. 

Laut den Daten auf Tabelle V war mithin die Ursache der 
höheren Temperatur in 64 Fällen nachweisbar; konstatiert wurde 


dies teils beim Abschlachten durch die Sektion, oder auf Grund 
von klinischen Symptomen noch im Leben, teils aber zufolge der 
Tuberkulin-Reaktion. Daß die Temperatur tuberkulöser Kühe höher 
als die normale und außerordentlich schwankend sei, das ist seit 
der Anwendung des Tuberkulins allgemein bekannt. Vordem waren 
die Fachmänner, gerade zufolge der großen Verbreitung der Tuber¬ 
kulose unter den Rindern und der bei anscheinend vollständig 
gesunden Tieren gewonnenen hohen Temperaturgrade irregeführt 
worden, insofern sie erklärten, daß auch eine Temperatur von 
40 0 C als normal zu betrachten sei bei Tieren, an welchen 
keine krankhaften Veränderungen oder auf Krankheit hinweisende 
Symptome nachweisbar sind. Die Unrichtigkeit dieser Annahme wird 
durch die Tabellen III und V sehr entschieden dokumentiert. Unter 
1590 Aufnahmen gewann ich nämlich nur in einem einzigen Falle 
eine Temperatur von 40,2 °C.; bei dem betreffenden Tier aber, 
welches einige Tage vorher gekalbt hatte, war die Nachgeburt 
zurückgeblieben, und nach der Heilung, d. i. nach einem Monat, 
war die Temperatur wieder die normale von 38,6 0 C. Ferner er¬ 
langte ich bloß in einem Falle eine Temperatur von 40 0 C an einem 
anscheinend vollständig gesunden Tier, welches sich jedoch beim 
Abschlachten als hochgradig tuberkulös erwies. Bei einem großen 
Teil der Tiere mit einer Temperatur von 39,9, 89,8, kurz mit 
39,0° C und besonders darüber konnte irgend eine Abnormität 
nachgewiesen werden, und ich glaube, wenn es mir möglich gewesen 
wäre, derlei Tiere mit höherer Temperatur in großer Anzahl 
schlachten zu lassen, so würde sich, mit Ausnahme einiger weniger, 
bei allen irgend ein chronischer Prozeß haben vorfinden lassen. 

Summiert man nun die Daten der Tabellen I, II und III in der 
Weise, daß man die als krankhaft nachgewiesenen, größtenteils 
auf den Tabellen IV und V verzeichneten Fälle von höherer Tempe¬ 
ratur in Abzug bringt, bzw. bei den Schlußfolgerungen außer acht 
läßt, so gelangt man (Tabelle VI) zu folgendem Endresultat: Von 
2585 Temperaturaufnahmen gehören 478 Fälle (d. i. 18,10 % aller) 
in die Kategorie von 38,6 0 C. In die Kategorie der als normal 
angenommenen minimalen 38 0 C und der maximalen 89 0 C gehören 
von 2585 Fällen 2491 Stück, d. i. 96,36 °/o der Gesamtzahl, was 
die Richtigkeit meiner Behauptung unumstößlich darlegt, daß 
nämlich die normale Temperatur von über ein Jahr alten 
Rindern 38,6° C beträgt, bzw. daß die Temperatur¬ 
schwankung unter normalen Verhältnissen nicht unter 
38° C bleibt und 39° C nicht überschreitet. 

(Schluß folgt.) 

Referate. 

Über die Resultate des Neryenschnittes. 

Von Vennerholm-Stockholm. 

(Zeiuchr. f. Tlermed. VII. B. 8. u. 4. H. 8. *75—886.) 

Vennerholm führte in 13 Jahren 520 Nervenschnitte aus. 
Er suchte sich über die damit erlangten Resultate soweit 
möglich Kenntnis zu verschaffen, indem er bei den betreffenden 
Tierbesitzem jeweils Erkundigungen einzog. Die so erlangten 
Mitteilungen mögen allerdings vielfach unzutreffend sein, sei es, 
daß die Eigentümer den Zustand ihrer Pferde falsch beurteilten, 
oder das sie diese weiter verkauft und die an ihnen vollzogene 
Operation, sowie ihre wahre Meinung von deren Konsequenzen 
geheim zu halten ein Interesse hatten. Im ganzen aber konnte 
sich Vennerholm aus dieser Statistik immerhin ein einiger¬ 
maßen sicheres Urteil über die Erfolge und Mißerfolge des 
Nervenschnittes bilden. 

Die Medianusneurektomie ist indiziert durch chronische 
Tendinitis und Tendovaginitis in Krön- und Hufbeinbeugern 
und ihren Sehnenscheiden, sowie durch chronische Arthritis des 
FesBelgelenks. Über ihre Anwendbarkeit bei Karpalgelenksarthritis 
hat Verfasser noch nicht ausreichende Erfahrungen gemacht. 
Zuweilen bleibt die Lahmheit auch nach der Neurektomie be- 


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606 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 39 


stehen. Es empfiehlt sich deshalb die gleichzeitige Ulnaris- 
neurektomie. Das Risiko der Operation wird dadurch nicht 
erhöht, wohl aber ihr unmittelbarer Erfolg gesichert und das 
Tier wieder für geraume Zeit verwendbar gemacht. Freilich 
ist indes die Nervenleitung häufig im Verlauf einiger Jahre 
wieder hergestellt und die Lahmheit rezidiviert. Man nimmt 
die Operation deshalb überhaupt erst dann vor, wenn andere 
Behandlungsmethoden und namentlich das Kauterisieren erfolglos 
waren. 

Die Neurektomie des äußeren und inneren Zweiges 
des MedianuB am Fesselgelenk hat Vennerholm am häufigsten 
vollzogen und sie als dankbarste Form des Nervenschnittes be¬ 
funden. Die Operationsstelle wählt er stets oberhalb des Fessels. 
Wenn schon dabei ein etwas größeres Gebiet anästhesiert wird 
als im Einzelfall gerade nötig ist, sprechen doch topographische, 
technische, ätiologische Gründe dafür. Das Operationsresultat 
ist meist sehr befriedigend und das Pferd nach einer Schonzeit 
von 27a—4 Wochen teilweise und nach insgesamt 5 Wochen 
wieder völlig arbeitstauglich. Die hauptsächlichste Indikation 
für diesen Nervenschnitt gibt ab Podotrochilitis, Hufknorpel¬ 
verknöcherung mit symptomatischem Lahmen, Arthritis und 
Periarthritis des Krongelenks (Schale, Ringbein), Zwanghuf. 
In Erwägung der Erfahrungstatsache, daß die Neurektomie ver¬ 
stärkte Hornproduktion zur Folge hat, versuchte sie Vennerholm 
auch bei habituellen Steingallen und erreichte damit in der Tat 
das Wachstum eines sehr resistenten Hufhomes, womit die 
frühere Praedisposition zur Erkrankung an hämorrhagischer 
Pododermatitis beseitigt war. Auch einen Fall von Pododer- 
matitis purulenta verzeichnet er unter den so erzielten Heilungen. 
Dagegen war das Operationsresultat sehr ungünstig bei solchen 
Pferden, die an inveterierter Podotrochilitis litten und deren 
Hufbeinbeugesehne schon stark aufgefasert war. Die starke, 
nach der Operation völlig ungenierte Belastung führt zur 
völligen Zerreißung der Sehne oder auch zu Fraktur des Strahl¬ 
beins. Kontraindiziert ist die Neurektomie vollends bei Rehe 
und Vollhuf, wo sie Exungulation veranlassen kann. 

Die Tibialisneurektomie machte Vennerholm bei chro¬ 
nischer Tendosynovitis in den Beugern und der Sehnenscheide 
hinter dem Fesselgelenk, bei verschiedenen Tendinitisformen 
dieser Sehnen und Fesselgelenk8arthritis. Die Resultate waren 
im allgemeinen sehr günstige, außer in Fällen von sogen, 
chronischer Ruptur des Kronbeinbeugers am Fesselgelenk. Ein¬ 
mal traten nach vorübergehender anscheinender Besserung De¬ 
formitäten am Huf auf, ähnlich denen bei Rehe, sowie Podo¬ 
dermatitis gangraenosa mit konsekutiver tödlicher Septikämie. j 
In anderen Fällen dieses Leidens bildeten sich spulenförmige bis 
daumendicke Neurome aus; gleichzeitig rezidivierte die Lahmheit * 
und persistierte auch nach Exzission der Neurome. 

Die Doppelneurektomie am Tibialis und Peroneus 
profundus bei Spat führte in etwa 70 Proz. der Fälle zur 
anscheinend dauernden Beseitigung der Lahmheit. In manchen 
Fällen bleibt sie bestehen, ist dann aber zumeist wenigstens 
gemindert; nur in vereinzelten bleibt die Spatlahmheit gänzlich 
unbeeinflußt. Als ungünstige Folgen der Operation können sich 
gewisse Störungen bei der Bewegung der Extremitäten einstellen, 
verminderte Festigkeit und Präzision, selbst eine Art von 
Hahnentritt, ohne eigentliche Lahmheit. Oftmals heilt auch die 
beim Peroneusschnitt gemachte Wunde schlecht und gestattet 
erst nach 6—8 Wochen die völlige Benutzung des Pferdes. 


Nekrose der Huflederhaut und Exungulation beobachtete Ver¬ 
fasser nur in zwei bis drei Fällen, in denen von der Peroneus- 
wunde eine starke Schwellung ausging und dieses Ödem und 
Infiltrat, wie Vennerholm annimrot, im Verein mit den durch 
die Neurektomie bewirkten trophischen und Zirkulations¬ 
störungen die Ernährung der Extremitätenspitze erschwerte und 
zur Nekrose führte. 

Der Nervenschnitt ist somit im ganzen ein dankbarer Ein¬ 
griff, der namentlich wo es im Interesse des Tierbesitzers liegt, 
sein Pferd möglichst bald arbeitsfähig zu machen, behufs 
schneller Herbeiführung einer Entscheidung große Dienste zu 
leisten vermag. In jedem Falle aber ist Indikation und Kontra¬ 
indikation wohl zu erwägen. Die letztere liegt insofern gewisser¬ 
maßen stets vor, als der Tierarzt durch die Operation wider 
Wissen und Willen einem Betrug Vorschub leisten kann, wenn 
nun das behandelte Pferd als vollkommen gesund verkauft wird, 
denn die die vorgenommene Operation verratenden Narben lassen 
sich zuweilen nur bei peinlich genauer Palpation nachweisen. 

0. Albrecht. 

Versuche über Adrenalin. 

Von Bouchard und Claude; Von Carnot und Josserand 

(Acad6inle <lo» svionce», 1. 12. 1902). (doc. de biologic, 5. 12. 1902). 

(Ref. der Revue gän&rale de med. v6t., 1. 2. 1933.) 

Die bemerkenswerten vaso-konstriktorischen Eigenschaften 
des Adrenalins sichern dieser Substanz einen hervorragenden 
Platz unter den hämostatischen Mitteln. Da seine Verwendung 
in interner Medikation versucht wurde, haben B. und C. seine 
allgemeine physiologische Wirkung und seine Toxizität fest¬ 
stellen wollen. Aus den Versuchen ist zu schließen, daß 
die tödliche Dosis beim Kaninchen 0,0001 bis 0,0002 Gramm 
beträgt. Der Tod wird verursacht einerseits durch nervöse 
Störungen, die sich durch tonische und klonische Krämpfe und 
durch Mydriase äußern, andrerseits durch Störungen der 
Herzaktion und der Respiration (zuerst beschleunigte Atmung, 
dann sehr verlangsamte, Lungenödem etc.). Die Tiere gewöhnen 
sich rasch an Adrenalin. Die vorerwähnten Erscheinungen 
treten nach intravenöser Verabreichung auf; bei subkutaner oder 
intraperitonealer Applikation tritt an ihrer Stelle eine ausge¬ 
sprochene Glykosurie ein. 

C. und J. haben ferner durch Versuche festgestellt, daß 
Adrenalin, das als lokales Hämostatikum ausgezeichnet wirkt, 
bei visceralen Blutungen in nicht toxischen Dosen sehr wenig 
wirksam ist. Zündel. 

Vererbung der artbritischen Diathese anf drei Fohlen 
durch die Mutter. 

Von Darmagnac, Militärveterinär im Gestüt zu Tiaret 

(Revue gfen. de ined. vet. 1. 2. 1903.) 

Die Stute Orangine, arabisches Vollblut, ist 1892 im Gestüt 
geboren; sie neigt zu Koliken und ist wiederholt für bestimmt 
festgestellten Herpetismus behandelt worden. 

Von ihren drei Fohlen ist das erste (Abandon, arabisches 
Vollblut, von Kral el Hassern, arabisches Vollblut) 1898 geboren. 
Dieses Tier litt im ganzen Sommer 1899 an Eczema squamosum. 
1900 trat das Leiden mit den ersten warmen Tagen wieder auf; 
in den Fesseln wurde Mauke ohne sichtliche Ursache festgesteUt, 
die der Lokalbehandlung widerstand. Im Oktober erkrankte 
das Tier an heftiger Kolik nervöser Natur, die sehr leicht auf 
Morphium und Chloralhydrat wich. 1901 trat das Ekzem mit 


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24. September 1903. 

dem Sommer wieder ein, ebenso die Mauke; trotz strenger 
Hygiene litt das Tier häufig an Kolik, die ausschließlich mit 
stillenden Mitteln behandelt wurde und leicht zu heben war. 
Während der Dressur traten rheumatische Lahmheiten ein, die 
die Verwendung des Tieres unmöglich machten. 

Das zweite Fohlen (Badin, von Nuncio, Berber) ist 1899 
geboren. 1900 zeigte es einige Depilationen ekzematöser Natur. 
1901 und 1902 zeigte es während der Sommermonate gene¬ 
ralisiertes Ekzem und sehr hartnäckige Mauke. Kolik kam 
mehrmals vor unter Prädominiereng von Schmerzerscheinungen. 
Auch hier bedurfte es lediglich der Behandlung mit Morphium 
und Chloralhydrat. Im April 1902 traten Zirkulationsstörungen 
auf, gekennzeichnet durch Zweiteilung des zweiten Herztones 
und Ödem der Extremitäten. 

Das dritte Fohlen (Castor, ebenfalls von Nuncio, Berber) 
ist 1900 geboren. 1901 zeigte es dieselben herpetischen Er¬ 
scheinungen, Mauke, Koliken wie seine Brüder. 1902 wurden 
wiederum Ekzem und Mauke beobachtet. Zünde 1. 

Muskelkontraktion nnd der venöse Blntstrom. 

Von R. Burton-Opitz. 

Aus dem physiolog. Laboratorium der Columbia Universität. 

(American Journal of Physiology, Vol. IX, Nr. III, 1903.) 

Im Venenstrom werden zwei Gruppen von Veränderungen 
unterschieden. Die erste Gruppe umfaßt die Verschiedenheiten 
in der Blutmenge, die periodisch auftreten, entweder infolge 
Veränderungen des intraaurikulären Druckes während jeder 
Herzaktion, oder des intrathorakalen Druckes bei jeder Atmungs¬ 
phase. Die zweite Gruppe schließt alle diejenigen Verschieden¬ 
heiten ein, welche von akzidentellen oder mechanischen Ursachen 
abhängen und nicht in regelmäßigen Intervallen wiederkehren. 

Die vorliegende Arbeit handelt nun von der wichtigsten 
Klasse des letzteren Typus, nämlich von denjenigen Verschieden¬ 
heiten, die durch Kontraktion der Skelettmuskeln erzeugt werden. 

Die Messung des Blutstromes wurde an der Femuralvene 
von narkotisierten Hunden, zunächst unter normalen Bedingungen, 
sodann im Zustande der verschiedenen Stadien der Muskel¬ 
kontraktion vorgenommen. Die Femuralvene wurde gewählt, 
weil sie leicht isoliert werden kann, und weil dieselbe ihr Blut 
aus einer Masse von Muskeln erhält, deren Nerven für die 
Elektroden ohne Schwierigkeiten zugänglich sind. Die Blut¬ 
menge wurde mit Hilfe einer Hürthleschen Stromuhr gemessen. 

Das Resultat dieser Arbeiten ist in nachstehenden Sätzen 
zusammengefaßt: 

1. Der Wert des Blutstromes, der bei neun verschiedenen 
Hunden gemessen wurde, variierte von 0,50 ccm bis 1,20 ccm 
pro Sekunde. Im Mittel betrug derselbe 0,85 ccm pro Sekunde 
bei einem mittleren Gewicht der Hunde von 14,2 kg. 

2. Die Schnelligkeit des Blutstromes schwankte zwischen 
48,5 mm bis 74,7 mm, im Mittel 61,6 mm pro Sekunde. 

3. Kompression der Femnralarterie verursachte eine Ab¬ 
nahme des Blutvolumens um 63 bis 90, im Mittel 75 Proz. 

4. Durchschneidung der Nerven, die die hintere Extremität 
versorgen, hatte eine Vermehrung des Blutstromes um das 
2,6- bis 3,1-, durchschnittlich um das 2,8 fache des normalen 
Wertes zur Folge. 

5. Die Unterschiede im Venenblutstrom, die eine tetanische 
Muskelkontraktion begleiten, können in drei Perioden eingeteilt 
werden: 


607 


a) Periode der starken Strömung, synchron mit der Muskel¬ 
verkürzung. b) Periode der schwachen Strömung, welche 
während des kontrahierten Zustandes des Muskels besteht, 
c) Kurze Periode des vermehrten Stromes, die auf die Er¬ 
schlaffung des Muskels folgt. 

Differenzen in der Stärke der Muskelkontraktion alterieren 
den allgemeinen Charakter der Variation nicht, sondern ver¬ 
ursachen nur Änderungen in der Amplitüde ihrer einzelnen Teile. 

6. Wenn einzelne Induktionsschläge angewendet werden, 
bildet sich eine starke Vermehrung des Stromes in der Periode 
der ansteigenden Energie des Muskels aus. Zwischen den 
Muskelzuckungen kehrt der Blutstrom auf seine normale Be¬ 
schaffenheit zurück. 

7. Der Venendruck ändert sich während einer tetanischen 

Kontraktion in einer korrespondierenden Weise. Auf ein 
schnelles Ansteigen während der Muskelverkürzung folgt ein 
fast ebenso rapides Abfallen nach Erreichung der Maximal¬ 
kontraktion. Wälirend des ersten Teils der Tetanisation bleibt 
der Druck etwas unter normal, während derselbe im letzten 
Teil allmählich steigt nnd eine kurze Zeit nach der Erschlaffung 
des Muskels etwas über normal steht. Peter. 

Wochenübersicht über die medizinische Literatur. 

Von Dr. Jess-Charlottenburg, 

Kreiatierarst 

Deutsche inedixinische Wochenschrift Nr. 36. 

Über die Bildung von spezifischen Antikörpern nach kutaner 
Infektion; von Kasten. Von den Chemikalien ist es seit 
längerer Zeit bekannt, daß sie bei Applikation auf die Haut 
durch Eindringen in die Hautdrüsen resorbiert werden können, 
daß auch Bakterien durch die unverletzte Haut einzudringen 
vermögen, haben die Versuche mit Staphylokokken von Garr6 
und Schimmelbnsch ergeben. Auch Albrecht und Gohn 
konnten durch Einreibung auf die unverletzte Bauchhaut von 
Meerschweinchen eine tödliche Pestinfektion erzeugen. Hof¬ 
mann hat bei Kaninchen auf die unverletzte Bauchhaut eine 
Verreibung von lebenden Typhus- nnd Cholerabazillen vor¬ 
genommen und gefunden, daß im Blutserum derselben nach 
dieser kutanen Infektion Agglutinine auftreten. Verfasser hat 
die Hofmann sehen Versuche nachgeprüft nnd bestätigt ge¬ 
funden. Um zu ermitteln, ob die Anregung zur Agglntinin- 
bildung durch Eindringen der Bazillen in den Kaninchenkörper 
und durch Vermehrung dortselbst gegeben ist, hat der Verfasser 
eine Anzahl von Tieren in bestimmten Zeitabständen nach der 
Einreibung getötet und untersucht. In keinem Falle konnte er 
die Bazillen im Unterhautzellgewebe, in den Drüsen, im Blut, 
in dem Darminhalt aufweisen. Die eingeriebenen Bakterien 
gehen nachher in den oberflächlichen Schichten der Haut zu¬ 
grunde, und ihre Gifte bilden eine Anregung zur Antikörper¬ 
bildung. Verfasser hat deshalb abgetötete Bakterien einge¬ 
rieben und ebenfalls Agglutinationswerte im Blute der Tiere 
nachweisen können. 

Ein neues Verfahren zum kulturellen Nachweise der Typhus¬ 
bazillen in Fäcea, Wasser, Erde. Im ärztlichen Verein in Greifs¬ 
wald demonstrierte Löffler am 9. Mai 1903 ein Verfahren, 
welches darin besteht, daß dem Nährsubstrat ein Farbstoff zu¬ 
gesetzt wird, und zwar ein von den Höchster Farbwerken be¬ 
reitetes, mit Dextrin abgeschwächtes Malachitgrün. Auf der¬ 
artigen Platten gedeihen die Typhuskolonien in charakteristischen 
Furchen. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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608 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 89. 


Über Filarien and deren Vorkommen bei Krfthen; von Gehrke. 
G. teilte in der Sitzung des ärztlichen Vereins in Greifswald 
mit, daß er in dem Blute der Nebelkrähe (Corvns cornix) 
Blntkörperchen-Parasiten, (Blutfllarien) fand, welche im hängenden 
Tropfen noch nach acht bis zehn Stunden nach erfolgtem Tode 
sich in lebhafter Bewegung zeigten. Die Färbung der Filarien 
gelang mit Löfflerschem Methylenblau ausgezeichnet gut. 
Übertragungsversuche auf Kaninchen, Ratten und Tauben 
blieben erfolglos. 

Deutsche medizinische Wochenschrift Nr. 37. 

Über Immunisierung gegen Tuberkulose; von Dr. Neufeld, 
Assistent im Institut für Infektionskrankheiten (R. Koch). 
Verfasser gibt aD, daß er seine Versuche in den Jahren 1900 
bis 1902 unternommen habe und daß durch den von Koch ge¬ 
führten Nachweis der Nichtidentität der Rinder- und Menschen¬ 
tuberkulose der Weg gezeigt sei, auf dem eine Immunisierung 
gegen Tuberkulose stattfinden könne. Der Weg ist der, die¬ 
jenigen Tierarten, welche nur für die eine Art des Virus 
empfänglich sind, durch vorhergehende Behandlung mit der 
anderen Art zu immunisieren. Dieser Gedanke ist schon aus¬ 
geführt von Macfadyan und vor allem durch v. Behring. 
Neuerdings haben über derartige Versuche Pearson, Leonard 
und Gilliland berichtet. Die Versuche wurden nun in der 
Weise vorgenommen, daß zunächst mit abgetöteten Tuberkel¬ 
bazillen begonnen wurde und dann steigende Dosen lebender 
Kultur, zuerst von menschlicher Tuberkulose und schließlich 
von Perlsucht, appliziert wurden. Es stellte sich nun heraus, 
daß bei den verwendeten Tieren: Eseln, Ziegen und Rindern, 
alsbald eine Grenze erreicht wurde, welche nicht mehr über¬ 
schritten werden kann, da dann die zu immunisierenden Tiere 
an den Folgen der Giftwirkung der Kulturen schnell zugrunde 
gingen. Es gelang also, Ziegen, Esel und Rinder durch intra¬ 
venöse Injektion von lebenden, von Menschen stammenden 
Tuberkelbazillen gegen eine Infektion mit einer sicher tötenden 
Dosis von Perlsucht zu immunisieren. Allerdings sind der 
Immunisierung durch die Giftwirkung der Kultur bestimmte 
Grenzen zurzeit noch gestellt. 

Ari8toehln. Von Swoboda. Aristochin ist ein geschmack¬ 
loses Chininpräparat, welches nach der Angabe von S. mit 
gutem Erfolg angewendet werden kann. 

Urosln. Von Weiß wurde die Chinasäure mit Lithium 
kombiniert und unter dem Namen Urosin in den Handel ge¬ 
bracht, welches bei Gicht von vorzüglicher Wirkung sein soll. 

Helmitol. Von Paul Rosenthal. Die Wirkung des Hel- 
mitols beruht auf der Abspaltung von Formaldehyd. Es hat 
sich deshalb Helmitol als ein brauchbares Harnantiseptikum 
erwiesen. 

Die Uberimpfung von Syphilis auf Schimpansen. In der letzten 
Sitzung der Akademie stellten Metschnikoff und Roux einen 
Schimpansen vor, auf den sie mit positivem Erfolge Syphilis 
überimpft hatten. Bisher war die Überimpfang nicht gelungen, 
da die zur Verwendung gelangten Affen keine anthropoiden 
Affen waren. An der Inokulationsstelle im Klitorissack trat 
nach 25 Tagen ein Bläschen auf, das sich an den folgenden 
Tagen in ein induriertes Geschwür verwandelte. In beiden 
Leistenfalten stellten sich indolente, polyganglionäre Drüsen¬ 
schwellungen ein. 


Münchener medizinische Wochenschrift Nr. 35. 

Beiträge zur Leukozytenfrage; von Dr. Erich Meyer. Wird auf 
das Original verwiesen. 

Münchener medizinische Wochenschrift Nr. 36. 

Zur Entstehung der Tuberkulose vom Darm aus; von Dr. Sorger. 
S. hat ausgewachsenen Füchsen (Canis vulpes) wochenlang, Tag 
für Tag, frisches tuberkulöses Sputum gegeben, ohne das irgend¬ 
welche Ansteckung vom Verdauungstraktus aus eintrat. 
Deutsches Archiv für klinische Medizin. Heft 4 bis 6. 

Zur Frage des Tier- und Mensohenfavus; von WendeL Die 
Frage, ob Tier- und Menschenfavus identisch ist, kann zurzeit 
noch nicht als entschieden betrachtet werden. Der Verfasser 
ist nicht der Ansicht daß Menschen- und Tierfavus identisch 
sind. Er nimmt vielmehr an, daß der Favus der Maus leicht 
auf den Menschen übertragen werden kann, daß dagegen der 
Hundefavus auf den Menschen nicht übertragbar ist 
Arbeiten aus dem kaiserlichen Gesundheitsamte. 20. Band. 1. Heft 
1903. 

Über die Hämoglobinurie der Rinder In Deutschland; Von Kossel, 
Schütz, Weber, Mießner. Ausführliches Referat s. B. T. W. 
Nr. 36. S. 558. 


Tagesgeschichte. 

Protokoll der Frühjahrs-Generalversammlung 
des Vereins „Rheinpreußischer Tierärzte“ 
am 2. Mai 1903 im Hotel „Ewige Lampe“ zu Köln. 

Die Frühjahrs-Generalversammlung des Vereins Rheinpreußischer 
Tierärzte fand statutgemäß am ersten Sonnabend des Monates Mai 
in Köln statt Die gut besuchte Versammlung wurde um 11 l /a Uhr 
durch den Vereinsvorsitzenden eröffnet. Letzterer verlas die ein¬ 
gelaufenen Schreiben der Ehrenmitglieder des Vereins, der Herren 
Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Dieckerhoff und Prof. Dr. Kaiser, 
worin dieselben für die Einladung zur Versammlung dankten und 
ihr Bedauern aussprachen, an derselben nicht teilnehmen zu können. 

Von Vereinsmitgliedern hatten ihr Ausbleiben entschuldigt die 
Herren Departements-Tierarzt Koll-Koblenz und Kreistierarzt a. D. 
Hirschland-Essen. Der Vorsitzende erstattete den Jahresbericht, 
nach welchem sich im letzten Jahre die Zahl der Vereinsmitglieder 
um 12 vermehrt hat und gedachte sodann in anerkennenden Worten 
des dem Verein durch den Tod entrissenen Kreistierarztes 
Bollfraß. Zu Ehren des Verstorbenen erhoben sich die Teilnehmer 
an der Versammlung von ihren Sitzen. 

Das Protokoll der Herbst-Generalversammlung wurde, so wie 
es in den Zeitschriften veröffentlicht wurde, angenommen. 

Bei Erledigung der vom Vorstande zur Behandlung vorbereiteten 
Fragen wurde in Ansehung der besonderen Verdienste um die 
glückliche Durchführung der lang umstrittenen Frage der Vor¬ 
bildung der Tierärzte Herr Prof. Dr. Schmaltz-Berlin unter dem 
Beifall der Versammlung zum Ehrenmitglied gewählt. Die gleiche 
Ehrung wurde dem früheren Vorsitzenden des Vereins, Herrn De¬ 
partements-Tierarzt Dr. Schmidt-Aachen, zu teil. 

Neu aufgenommen wurden in denVerein: die Herren Heyden- 
Hermülheim, Knese-Köln, Rehmet-Köln, Resow-Köln, Sommers- 
Dormagen und Staudenmaier-Hennef. 

Bei der weiteren Erledigung der Vereinsangelegenheiten wies 
der Vorsitzende auf die mannigfachen .Bedenken hin, welche sich 
der seinerzeit beschlossenen Eintragung des Vereins in das Vereins¬ 
register entgegengestellt hatten, und riet, von dieser Eintragung 
vorerst Abstand zu nehmen. Neben einer Abänderung der Vereins¬ 
satzungen sei die wesentlichste Schwierigkeit darin zu suchen, 
daß zu allen rechtskräftigen Maßnahmen der Zusammentritt des 
Gesamtvorstandes notwendig sei. Auf der andern Seite müsse 
man berücksichtigen, daß die Hinterlegung des Kapitals der Schell- 
Stiftung und der Kassenbestände bei der Reichsbank erfolgen 
könne, nachdem der Verein die Rechte einer juristischen Person 
erworben habe. Würde dem Vorschläge des Vorstandes entsprechend 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


609 


24. Septe mber 1903. 


von der Erwerbung der erwähnten Rechte Abstand genommen, so 
müßten die genannten Gelder bei einer andern genügend sicheren 
Bank deponiert werden. Wessendorf-Elberfeld beantragt, da die 
Vorteile nur unerhebliche seien, auf die Eintragung im Vereins¬ 
register zu verzichten. 

Oellerich-Euskirchen schlägt vor, die Frage der Erwerbung 
der Rechte einer juristischen Person vorab zu vertagen bzw. in die 
Tagesordnung der Herbst-Generalversammlung als besonderen Punkt 
aufzunehmen, in gleichem Sinne äußert sich Wigge-DUsseldorf. 
Nachdem dieser Antrag angenommen, wird auf Vorschlag des Vor¬ 
sitzenden beschlossen, die vorhandenen Gelder und Wertpapiere 
vorläufig bei der Bergisch-Märkischen Bank niederzulegen. 

Dem Anträge des Vorstandes entsprechend beschloß die Ver¬ 
sammlung einen vorläufigen Beitrag von 200 M. zum Stipendien¬ 
fonds zu gewähren. 

Auf Vorschlag des Vorsitzenden machte die Versammlung einen 
früheren Beschluß, betreffend die Abhaltung der Herbstversammlungen 
in den einzelnen Regierungsbezirken, rückgängig. Bei dieser 
Gelegenheit empfahl Oellerich die Versammlung mit den Tier¬ 
schauen zu verbinden. Ebenso wünschte Bongartz eine Ver¬ 
einigung der Versammlung mit den Tierschauen oder der General¬ 
versammlung der landwirtschaftlichen Korporationen. 

Als Ort für die diesjährige Herbst-Generalversammlung wurde 
Königswinter bestimmt. Den Zeitpunkt festzusetzen sollte dem 
Vorstand anheimgegeben werden. Mit den Vorbereitungen zu der 
Versammlung wurde ein Vergnügungskomitee, bestehend aus den 
Herren: Brebeck-Bonn, Pfleger-Opladen und Richter-Siegburg 
beauftragt 

Über die Art der Einladung der Militärtierärzte, wie solche 
auf der Herbst-Generalversammlung 1902 beschlossen war, entspann 
sich eine längere Debatte, die zu dem Beschluß führte, die im 
Bezirk wohnenden rheinpreußischen Militärtierärzte in gleicher 
Weise einzuladen wie die Mitglieder des Vereins. Ein Antrag 
Strohe-Köln, betreffend das Annoncieren der Tierärzte, wurde, 
weil verspätet eingereicbt, auf die Tagesordnung der Herbst- 
Generalversammlung gesetzt. 

Als zweiter Punkt der Tagesordnung stand die Recbnungs- 
ablage des Kassierers zur Verhandlung. Nach Klarlegung der 
Kassen Verhältnisse durch den Kassierer wurden zu Revisoren der 
Kasse ernannt die Herren Otte-Essen und Just-Waldbröl. Die¬ 
selben erklärten die Buch- und KassenfUhrung als richtig, worauf 
dem Kassierer durch die Versammlung Decharge erteilt wurde. 

In Erledigung des Punktes 3 der Tagesordnung erstattete der 
Vorsitzende Bericht über die Plenarversammlnng des deutschen 
Veterinärrates in München, auf dessen Einzelheiten hier näher ein* 
zugehen nicht notwendig sein dürfte. 

Über die Tätigkeit der Tierärzte in der allgemeinen Schlacht¬ 
vieh- und Fleischbeschau wurden eingehende Referate erstattet 
von den Herren Kreistierarzt Bongartz-Bonn, Schlachthoftierarzt 
Resow-Köln und Privattierarzt Dr. Flatten-Köln, welche an¬ 
gesichts der Wichtigkeit der Frage ausführlich wiedergegeben 
werden sollen. 

1. Referat des Herrn Kreistierarztes Bongartz-Bonn: 

M. H.! Das Reichs-Fleischbeschaugesetz, welches nun seit dem 
1. April in Kraft getreten ist, hat auch an die Tierärzte große 
Aufgaben gestellt, sowohl an diejenigen, welche sich mit der Aus¬ 
übung der Fleischbeschau befassen, als auch an die beamteten 
Tierärzte, die eine fortlaufende Kontrolle über die Laienfleisch¬ 
beschauer ausüben sollen. In unserm Bezirk hat die Ausbildung 
und Prüfung der Fleischbeschauer mit dem Monat März abge¬ 
schlossen und konnte das Gesetz nach Vorschrift mit dem 1. April 
überall zur Ausführung gelangen. Es wäre verfrüht, sich heute 
schon ein abschließendes oder einigermaßen zutreffendes Urteil 
über die Wirkung des Gesetzes bilden zu wollen; vielmehr muß 
hervorgehoben werden, daß es voraussichtlich eine geraume Zeit 
dauern wird, ehe die bei der Ausführung in Betracht kommenden 
Behörden, Beamten und sonstigen Interessenten sich mit den viel¬ 
seitigen Bestimmungen vertraut gemacht haben. Ja ich möchte 
behaupten, daß auch das fleißigste Studium dazu nicht ausreichen 
dürfte, sondern daß erst die praktische Anwendung das erforder¬ 
liche Verständnis und Vertrautsein bringen wird. — Es ist durch 


das Gesetz viel erreicht worden auf dem wichtigen Gebiete der 
Nahrungsmittelkontrolle, daß nicht mehr erreicht werden konnte. 
Daß verschiedene nicht unerhebliche Lücken geblieben sind, lag an 
den Verhältnissen, die hindernd in den Weg getreten sind. Zunächst 
wird jeder Sachverständige bedauern, daß der § 2 des Gesetzes 
bezüglich der Hausschlachtungen so viel Konzessionen macht, alles 
in das Ermessen des Eigentümers stellt in bezug auf die Beurteilung 
des Schlachttieres, seines Gesundheitszustandes, der Fleisch¬ 
beschaffenheit. Die Sorge für die gesundheitliche Beschaffenheit 
der Fleischkost sollte sich in gleicher Weise auf jede Schlachtung 
erstrecken, um so mehr, als es nicht ausgeschlossen ist, daß auf 
Umwegen Fleisch von Hausschlachtungen in den Verkehr ge¬ 
bracht wird. 

Ferner gibt die Aufgabe der Schlachtviehbescbau bei 
Notschlachtungen zu erheblichen Bedenken Anlaß; man sagt, kann 
in solchen Fällen, wo die allerschwersten Erkrankungen, Ent¬ 
zündungen der verschiedensten Organe, Infektionskrankheiten etc., 
mit schwerer Alteration des Blutes und der Gewebe Vorkommen, 
die Besichtigung nach dem Tode (die Fleischbeschau) zur korrekten 
Beurteilung genügen, dann ist die Schlachtviehbeschau bei den 
gesunden Tieren, die doch die große Mehrheit bilden, nur schwer 
zu rechtfertigen! — Es steht zu befürchten, daß der Begriff Not¬ 
schlachtung eine weitgehende Auffassung in der Praxis erhalten 
wird, zu der der § 1 des Gesetzes selbst keine Veranlassung gibt, 
da er den Begriff der Notschlachtung dahin definiert, „der Fall der 
Notschlachtung liegt dann vor, wenn zu befürchten steht, dass das 
Tier bis zu der Ankunft des zuständigen Beschauers verenden, 
oder das Fleisch durch Verschlimmerung des krankhaften Zustandes 
wesentlich an Wert verlieren würde, oder wenn das Tier infolge 
eines Unglücksfalles sofort getötet werden muß.“ — In einer 
großen Zahl von sogenannten Notschlachtungen würde demnach 
die Zuziehung des Beschauers sich ermöglichen lassen, wenn 
frühzeitig der Entschluß zur Schlachtung gefaßt würde, anstatt 
schwer erkrankte Tiere tage-, oft wochenlang stehen zu lassen, 
um den letzten Lebensmoment zur Schlachtung zu benutzen! 
Solche Fälle bringen den tierärztl. Beschauer oft in eine unan¬ 
genehme Situation, besonders wenn er selbst behandelnder Tierarzt 
gewesen ist und vielleicht die Veranlassung zu der verzögerten 
Schlachtung gegeben hat Hier entsteht leicht ein Konflikt zwischen 
Mitgefühl und den Vorschriften des Gesetzes. Insofern dürfte es 
bei vielen derartigen Notscblachtungen erwünscht sein, wenn nicht 
der behandelnde Tierarzt, sondern ein solcher, der der Sache mehr 
objektiv gegenüberstebt, der nicht an der Behandlung beteiligt 
gewesen ist, die Fleischbeschau ausfuhrt Jedoch ist nicht zu be¬ 
streiten, daß der behandelnde Tierarzt vermöge seiner während der 
Erkrankung des Tieres gemachten Erfahrungen und Beobachtungen 
wertvolle Anhaltspunkte für die technische Beurteilung des Fleisches 
besitzen dürfte. Für die Tierärzte wird es sich empfehlen, den 
Notschlachtungen gegenüber ein wachsames Auge zu haben, und 
auch dazu beizutragen, daß bei solchen Patienten, die tagelang 
behandelt worden sind, die Schlachtviehbeschau ausgeübt wird, 
denn hier kann im Sinne des § 1 der Begriff der Notschlachtung nicht 
immer gefunden werden. Weiter ist vom tierärztlichen Standpunkte 
zu bedauern, daß das ausländische Fleisch nicht denselben Be¬ 
stimmungen unterworfen werden kann, wie das inländische; indessen 
anch hier liegt dies an den Verhältnissen, zur Zeit ist nicht alles 
zu erreichen gewesen. 

Was nun die Vorbereitungen zur Ausführung des Gesetzes 
betrifft, so haben die Tierärzte vielfach mitgewirkt, sowohl bei 
der Auswahl der Beschauer, wie auch bei deren Ausbildung und 
Prüfung. Im diesseitigen Bezirk sind soweit tunlich, die Trichinen¬ 
schauer auch als Fleischbeschauer ausgebildet worden, was sich 
besonders deshalb empfiehlt, weil es auch für die gewerbsmäßigen 
Schlachtungen erwünscht ist, daß eine Person beide Funktionen 
ausüben kann, und es viele ländliche Schaubezirke gibt, in denen 
so wenig Schlachtungen Vorkommen, daß die Fleischbeschau allein 
nicht lebensfähig ist. Als Beschaubezirke wurden die Ortspolizei¬ 
bezirke bestimmt, wodurch eine dem Publikum bekannte Einteilung 
entstand. 

Für die Ausbildung der Fleischbeschauer wurden im hiesigen 
Regierungsbezirke die Schlachthöfe in Köln, Mühlheim und Bonn 


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610 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 39. 


bestimmt. In die Ausbildung teilte sich der Schlachthofleiter oder 
sein Vertreter mit dem beamteten oder einem dazu bestimmten Tier¬ 
arzt. In der Regel übernahm der Schlachthoftierarzt die praktisch¬ 
technische Ausbildung, der andere Tierarzt den theoretischen 
Unterricht über das Gesetz, die Ausführungsbestimmungen über 
Senchen, Infektionskrankheiten, soweit die Fleischbeschau in Betracht 
kommt, Schlachtviehbeschau, Buchführung etc. Die vierwöchige 
Ausbildungszeit reichte kaum hin, um den ganzen Stoff zu be¬ 
wältigen. — Soweit sich übersehen läßt, sind die Prüfnngsergebnisse 
befriedigend. Die Fleischbeschauer sind, wenn auch mit einem 
bescheidenen Maße von Kenntnissen ausgerüstet in die Praxis ge¬ 
treten; an ihnen wird es sein, sich in der Ausführung des Berufs 
weiter fortzubilden. Die wissenschaftlichen Fleischbeschauer und 
die beamteten Tierärzte finden häufig Gelegenheit, sich von den 
Leistungen der ersteren zu überzeugen und sie durch Belehrungen, 
erforderlicbenfalles auch durch Mahnungen zur gewissenhaften 
Ausübung des Berufes zu veranlassen. Die erfreulicherweise 
nunmehr den Tierärzten überwiesene Nachprüfung der Fleisch- 
und Trichinenschauer setzt uns in den Stand die Befähigung der¬ 
selben zu kontrollieren und dazu beizutragen, daß ungenügende 
Elemente ausgeschieden werden. M. H., das Reichs-Fleischbeschau- 
Gesetz hat den Tierärzten eine Reihe wichtiger Funktionen über¬ 
tragen, suchen wir uns des bewiesenen Vertrauens würdig zu 
machen. 

2. Das Korreferat des Herrn Schlachthoftierarztes Re so w- Köln 
soll später event. in extenso veröffentlicht werden. 

3. Korreferat des Herrn Tierarztes Dr. W. Flatten-Köln: 

M. H. Schon bei frühem Anlässen habe ich wiederholt Gelegen¬ 
heit genommen, zu betonen, daß das Reichsfleischbeschaugesetz für 
die Privatpraxis ausübenden Tierärzte keineswegs die bedeutenden 
Vorteile zu bringen in der Lage sein würde, welche vielfach erhofft 
wurden. Es kann ja nicht geleugnet werden, daß vom sanitären 
Standpunkte aus die obligatorische Fleischbeschau von unschätz¬ 
barem Werte sein würde und sein mußte; auch kann nicht ge¬ 
leugnet werden, daß die Einführung des Gesetzes für eine große 
Reihe von Tierärzten existenztähige Stellen gewähren wird. 
Ebenso sicher steht aber auch fest, daß die bis dahin praktizie¬ 
renden Tierärzte, besonders die, welche eine umfangreiche Land¬ 
praxis betrieben, ganz erheblich werden geschädigt werden. Natur¬ 
gemäß erachten es alle größeren Gemeinden, in denen die Zahl 
der Schlachtungen eine erhebliche genannt werden muß, als zweck¬ 
entsprechend und notwendig, für ihren Bezirk einen besonderen 
Tierarzt anzustellen. 

Daß es demselben nicht schwer fallen wird, außer der Fleisch¬ 
beschau auch die Privatpraxis in dem fraglichen Bezirke zu er¬ 
werben, darüber dürfte ein Zweifel wohl nicht vorliegen. Das 
Nachsehen hat in solchen Fällen natürlich derjenige Tierarzt, 
welcher bis dahin die genannten Gemeinden zu seinem Praxis¬ 
bezirk nehmen durfte. 

Ob die Tätigkeit als Fleischbeschauer und die Anhäufung von 
Tierärzten auf verhältnismäßig kleinen Gebietsstrecken dazu bei¬ 
tragen werden, das Ansehen der Tierärzte zu heben, möchte ich 
für meine Person sehr in Frage stellen. Die Zeiten einer umfang¬ 
reichen Landpraxis, welche am allermeisten dazu angetan war, die 
Stellung der Tierärzte zu einer geachteten und hochgeschätzten 
zu machen, sind vorüber. Wenn ich zu der Ansicht neige, daß 
das Fleischbeschaugesetz nicht dazu angetan sein soll, Existenzen 
zu begründen zum Schaden derjenigen, welche durch ihren Fleiß 
und ihre Kenntnisse sich selbst mühevoll solche geschaffen haben, 
so glaube ich mit dieser Ansicht nicht isoliert dazustehen. Und 
doch schien das Gesetz auf diese Frage irgendwelche Rücksicht 
nicht nehmen zu wollen. 

Als recht bedenklich mußte es bezeichnet werden, wenn Tiere, 
welche wegen der einen oder andern Krankheit behandelt worden 
waren, nach der etwa erfolgten Abschlachtung einem andern Sach¬ 
verständigen als dem behandelnden zur Begutachtung überwiesen 
wurden. Die Privattierärzte und, ich bin überzeugt, auch alle be¬ 
amteten Tierärzte, wenigstens soweit sich dieselben mit der kura¬ 
tiven Behandlung befassen, waren eins in dem Bestreben, dje von 
ihnen behandelten Tiere möglichst auch nach dem Schlachten 
ntersuchen zu können. 


Wenn unter normalen Verhältnissen eine Untersuchung vor 
dem Schlachten für die spätere Beurteilung des Fleisches als ge¬ 
boten erscheint, so muß bei kranken Tieren dies in weit höherem 
Grade erwünscht sein; nicht selten sogar wird die Untersuchung 
zu Lebzeiten ausschlaggebend für die Bestimmung Uber die Taug¬ 
lichkeit des Fleisches sein. In den meisten Fällen werden Tiere 
tierärztlich behandelt und auf Anraten des Tierarztes, weil unheilbar 
oder weil die Kosten der Behandlung den Nutzeffekt nicht aufwiegen, 
abgeschlachtet 

Ist der behandelnde Tierarzt zugleich angestellter Fleisch¬ 
beschauer, so ist er in der Lage, nach der Abschlachtung ein richtiges 
Urteil zu fällen. Wie anders aber, wenn ein Sachverständiger an das 
ausgeschlachtete Tier zur Begutachtung des Fleisches herantritt, der 
das Tier bei Lebzeiten nicht gesehen, der über die Krankheits- 
Symptome nicht orientiert ist, der den Verlauf der Krankheit nicht 
kennt, der von verabreichten Arzneien nichts weiß, nicht weiß, ob 
Gifte oder Bonst schädliche Substanzen gegeben worden sind? 

Sollte in diesem Falle ein Beschauer in der Lage sein, ein 
zutreffendes Urteil zu rällen? Ich bin überzeugt, daß bei solcher 
Sachlage manches geschlachtete Stück Vieh dem Verkehr übergeben 
wird, welches besser vernichtet würde, manches auch vernichtet 
wird, das ohne Schaden als Nahrungsmittel zummenschlichen Genuß 
freigegeben werden könnte. Unter diesen Umständen haben die 
Privattierärzte es mit Freuden begrüßt, daß die Ausfiihrnngs- 
bestimmungen zu dem Gesetz im § 7 diese unsere Bestrebungen 
anerkennen und die erwähnte Möglichkeit bieten. Wir wünschen, 
daß von dem erwähnten Paragraphen möglichst ausgedehnter Ge¬ 
brauch gemacht werde, bezw. daß derselbe eine generelle Einführung 
finden möge. Ein triftiger Grund, dem behandelnden Tierarzt die 
Begutachtung der in seiner Praxis vorkommenden Notschlachtungen 
zu entziehen, ist bis dahin nicht angeführt worden. 

Wenn man einwenden würde, daß der behandelnde Tierarzt 
dem Besitzer gegenüber in irgendeiner Weise befangen sein würde, 
so muß ich darauf erwidern, daß eben dieselbe Befangenheit bei 
jedem Tierarzt vorliegt, der als ordentlicher Fleischbeschauer an¬ 
gestellt ißt und Praxis treibt. 

Wenn vorher Herr Kollege Resow auf Unregelmäßigkeiten 
hingewiesen hat, wenn er insbesondere betont, daß Tiere, welche 
beanstandet, bezw. unter Deklaration hätten verkauft werden 
müssen, draußen als vollwertig abgestempelt seien, wenn er ferner 
darauf hinweist, daß die im Gesetz vorgesehenen Schnitte usw. 
an den Organen nicht vorgenommen seien, so rechtfertigen diese 
Behauptungen keineswegs den Schluß, daß die auf dem Lande 
tätigen Tierärzte nicht qualifiziert sein würden zur Begutachtung 
geschlachteter Tiere, und daß eine Superrevision seitens der 
Schlachthaustierärzte für das nach den Städten einzuführende 
Fleisch erforderlich sei. 

Das Gesetz ist erst seit vier Wochen in Kraft und es ist jeden¬ 
falls notwendig, einen längeren Zeitraum der Tätigkeit der Tierärzte 
in der Fleischbeschau außerhalb der Schlachthöfe abzuwarten, ehe 
man zu einem bestimmten Urteil kommen kann. Wenn in früherer 
Zeit notgeschlachtete Tiere in die Schlachthäuser größerer Städte 
gebracht und dort durch die Schlachthoftierärzte der Freibank über¬ 
wiesen oder auch beanstandet wurden, obgleich der behandelnde 
Tierarzt das Tier gestempelt und ein Attest beigegeben hatte, so 
wundert mich dies unter Berücksichtigung der damaligen Verhält¬ 
nisse keineswegs. Es war allgemein üblich, daß notgeschlachtete 
Tiere bei ihrer Einfuhr in die Städte den dort tätigen tierärztlichen 
Beschauern vorgezeigt wurden, damit diese über die Qualifikation 
des Fleisches, über die Bedingungen, unter welchen dasselbe dem 
Verkehr übergeben werden sollte, entschieden. Die vorherige Be¬ 
sichtigung seitens der behandelnden Tierärzte war unter den 
damaligen Verhältnissen nichts weiter als eine Zwischenbesichtigung 
und hatte nur den Zweck, direkt gesundheitsschädliches Fleisch 
von der Einfuhr zum Schlachthaus auszuschließen; den Schlacht¬ 
haustierärzten selbst war häufig mit der Vorbesicbtigung ein wesent¬ 
licher Fingerzeig für die spätere Beurteilung gegeben. Ich bin 
überzeugt, daß die von Herrn Kollegen Resow vorher erwähnten 
Mängel mit der Zeit voll und ganz schwinden werden, denn es i»t 
klar, daß diejenigen Tierärzte, welche sich bis dahin sozusagen 
gar nicht mit der Fleischbeschau zu beschäftigen hatten, mit der 


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24. September 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


611 


Zeit dieselbe Gewandtheit erwerben werden, wie sie Scblachthaus- 
tierärzte auf Grund ihrer speziellen Tätigkeit besitzen und daß 
dieselben nachher mit derselben Zuverlässigkeit die im Gesetz an¬ 
gegebenen Organe und Fleischschnitte anlegen werden, wie sie die 
Schlachthaustierärzte heute nur mechanisch ausfübren. Auf mich 
hat es den Eindruck gemacht, als wenn Herr Kollege Reson mit 
der Erwähnung der mangelhaften Untersuchung lediglich das Be¬ 
streben der Kommunen zu rechtfertigen sucht, die Freizügigkeit des 
Fleisches zu erschweren, die Nachbesichtigung der Schlachtungen 
auf dem Lande durch die Schlachthofbearaten zu begründen. Ich 
bin überzeugt, daß alle in der Fleischbeschau auf dem Lande 
tätigen Tierärzte diesen Fingerzeig besonders beachten und sich 
bemühen werden, den Schlachthofbeamten, die jetzt eine gewisse 
Aufsicht führen, möglichst wenig Stoff zu solchen Vorwürfen zu 
geben, wie wir sie vorhin gehört haben. 

Einen besonderen Mangel, der mir aufgefallen ist, möchte ich 
nicht unerwähnt lassen. Dies betrifft die Art und Weise der 
Stempelung der besichtigten Tiere. Meines Erachtens ist es dringend 
notwendig, weniger Wert auf die Form der Stempel zu legen, als 
vielmehr den Stempel mit der Aufschrift der Qualifikation des 
Fleisches zu versehen. Die Laien, welche minderwertig abge¬ 
stempeltes Fleisch käuflich erwerben wollen, sind aus der Form 
des Stempels nicht in der Lage, die Qualifikation des Fleisches zu 
ersehen. Zu leicht kann ein solcher Stempel, der den Namen des 
Schaubezirkes, und meist auch den des tierärztlichen Beschauers 
führt, den Glauben erwecken, als handele es sich beim Verkauf 
um vollwertige Ware. 

Die an die Referate sich anschließende Debatte war sehr rege. 
Von Teilnehmern aus dem Reg.-Bez. Düsseldorf wurde es bemängelt, 
daß die beamteten Tierärzte keinen Einfluß auf die Ausbildung und 
die Bestellung der Laienfleischbeschauer hätten. Demgegenüber 
betonte der Vorsitzende, daß die gesetzlichen Bestimmungen die 
erforderlichen Handhaben zur Sicherung dieses Einflusses böten. 
Im Regierungs-Bezirk Köln seien die Tierärzte die hauptsächlichsten 
Träger der Maßregel. In demselben wurde kein Laienfleischbe¬ 
schauer bestellt, ohne daß vorher der Kreistierarzt gehört worden sei. 

Besonderes Interesse verursachten die Notschlachtungen. Der 
Begriff „Notscblachtung“ wurde von mehreren Seiten bemängelt. 
Auf eine diesbezügliche Anfrage von Pfleger-Opladen bemerkte der 
Referent Bongartz, daß seiner Ansicht nach zwei Fälle von Not¬ 
schlachtungen zu unterscheiden seien, 1. wirkliche Unglücksfälle 
und 2. solche Fälle, in denen die Tiere vor der Abschlachtung 
mehr oder weniger lange Zeit behandelt worden seien. 

Ewald-Köln betont, daß bei der ersten Klasse von Not¬ 
schlachtungen und insbesondere in den im Gesetz namhaft gemachten 
Unglücksfällen das Fleisch der Regel nach frei zu geben sei. Dieser 
einen Klasse von Notschlachtungen aber würden die meisten Fälle 
nicht zu unterstellen sein, die jetzt gemeinhin als Notschlachtungen 
bezeichnet werden. Nach seiner Ansicht sei die Schlachtung eines 
jeden Tieres, das krank sei, als Notschlachtung anzusprechen. 
Otte-Essen hält dafür, daß der Begriff Notschlachtung nur für 
Sachverständige festgelegt sei, nicht aber für Laien und somit 
seien Übertretungen seitens der Laien für eine strafrechtliche Ver¬ 
folgung nicht zugänglich. Eb sei dringend erwünscht, daß eine 
allgemeine verständliche Fassung und Definition gewählt werde. 

Hieran anschließend wurde die Frage der Untersuchung der 
Notschlachtungen sehr eingehend erörtert. 

Bongartz-Bonn spricht sich dafür aus, daß die Unter¬ 
suchungen notgeschlachteter Tiere, selbst solche, die bei Lebzeiten 
behandelt seien, überall den angestellten Fleischbeschauern vor¬ 
zubehalten seien. Dieser Ansicht wurde mehrfach widersprochen: 
Ewald und Flatten-Köln betonen übereinstimmend, daß die Be¬ 
urteilung des Fleisches kranker Tiere das schwierigste in der 
ganzen Fleischbeschau und daß eine sachgemäße Beurteilung nur 
möglich sei unter Berücksichtigung des Befundes am lebenden 
Tiere und der etwa eringeleiteten Behandlung. Es sei deshalb unter 
allen Umständen nicht nur wünschenswert, sondern sogar notwendig, 
daß das Fleisch notgeschlachteter Tiere, wenn solche behandelt 
sind, von dem behandelnden Tierarzt begutachtet werde. Für den 
Fall, daß dem behandelnden Tierarzt etwaige Bedenken aufstoßen 
würden, kann nach Ansicht Flattens derselbe leicht die Bear* 


teilung ablehnen, und die Überweisung an den für den Bezirk an¬ 
gestellten Beschauer bewerkstelligen. Levy-Brühl ist ebenfalls 
der Ansicht der beiden Vorredner und weist besonders noch darauf 
hin, daß cs eine ganze Reihe von Notschlachtungen gäbe, welche 
unter allen Umständen als vollwertig abzustempeln seien. 

Oellorich-Euskirchen klagt darüber, daß die gesetzlichen 
Vorschriften nicht weit genug gingen. Er vermißt Bestimmungen 
darüber, daß das Fleisch eines Tieres, das nicht ganz ausgeblutet, 
minderwertig sei, ebenso daß das Festliegen der Kühe Minderwert 
bedinge. Es gäbe auch keine Bestimmung, derzufolge das Fleisch 
von geschlachteten Tieren, die krank waren, als minderwertig zu 
bezeichnen wäre. 

Zu den Ausführungen Resow-Köln, daß am Schlachthofe in 
Köln vielfach Beanstandungen von Fleisch vorgekommen seien, das 
von Tierärzten vorher untersucht war, wurde von verschiedenen 
Seiten bemerkt, daß dies nicht Wunder nehmen könnte, da Köln 
als Absatzgebiet minderwertigen Fleisches für einen sehr weiten 
UmkreiB diene, bezw. gedient habe. 

Demgegenüber bemerkt Bongartz, daß in Bonn von jeher 
alle wegen Krankheit notgeschlachteten Tiere zurückgewiesen 
worden seien. 

Zur Beseitigung der bemängelten Zustände hält der Vorsitzende 
es für nützlich, wenn der untersuchende Schlachthoftierarzt im Falle 
einer späteren Beanstandung dem Tierarzt, der die erste Unter¬ 
suchung vorgenommen, unter Namhaftmachung des Grundes zur 
Beanstandung Nachricht zukommen ließe. 

Wigge-Düsseldorf ist der Ansicht, daß die Vorwürfe mangel¬ 
hafter Untersuchungen in den meisten Fällen dieselben Tierärzte 
treffe und hält es für notwendig, daß diejenigen, denen häufig 
mangelhafte bezw. fehlerhafte Untersuchungen nachgewiesen werden, 
öffentlich bekannt zu geben seien. 

Resow verfehlte nicht zu bemerken, daß in letzter Zeit die 
hier besprochenen Verhältnisse sich wesentlich gebessert hätten. 
Er hält im Gegensatz zu Pfleger die Untersuchungen im Schlacht¬ 
hofe für schwieriger als die in der Privatpraxis. Dieser Ansicht 
wurde von verschiedenen Seiten widersprochen. 

Rehmel-Köln betont, daß die Beurteilung der Notscblach- 
tungen ohne Untersuchung zu Lebzeiten schwierig, unter Umständen 
sogar unmöglich sei. Er wünscht, daß die Frage erörtert werde, 
wieviele Tiere der verschiedenen Gattungen ein Schlachthoftierarzt 
an einem Tage untersuchen könne. 

Auch Resow spricht sich für die Festsetzung von Maximal¬ 
ziffern aus. 

Knese-Köln betont, daß, wie bei der Festellung der gesetz¬ 
lichen Bestimmungen, so auch in der Ausführung die Interessen 
von Stadt und Land sich gegenüber ständen. Es wäre dahin zu 
streben, daß beide Teile möglichst zu ihrem Rechte kämen. Er 
hält es zur Verwertung des auf dem Lande als minderwertig ab- 
gesterapelten Fleisches für notwendig, daß mehrere Orte zu einer 
gemeinsamen Fleischverwertungsstelle sich zusammenschließen. Der 
Einrichtung derartiger Zentralen würden sich nach Pflegers An¬ 
sicht die Metzger an den betr. Orten entschieden widersetzen. 
Letzterer bemängelt auch die Gebühren für die wissenschaftliche 
Beschau. Der Vorsitzende bemerkt hierzu, daß die betr. Gebühren¬ 
ordnung eine Norm darstelle, die nach den jeweiligen örtlichen 
Verhältnissen abgeändert werden könne. 

Der Vorsitzende hebt nochmals hervor, daß eine Benachrichti¬ 
gung der Tierärzte, welche bei der ersten Untersuchung das Fleisch 
eines Tieres falsch beurteilt haben, unbedingt notwendig sei. Es 
ist dies nach seinem Dafürhalten das beste Mittel, um eine genaue 
Untersuchung herbeizufübren. Bei der Wichtigkeit der Schlachtvieh- 
und Fleischbeschau erachte er es für zweckmäßig, zumal da das 
erst kurze Zeit bestehende Gesetz in seiner vollen Wirkung heute 
nicht beurteilt werden könne, diese Frage auf der nächsten Früh¬ 
jahrs-Generalversammlung nochmals zu verhandeln. 

Diesen Vorschlag nahm die Versammlung einstimmig an. 

An die Versammlung schloß sich ein gemeinschaftliches Mittag¬ 
essen und ein Besuch des Zoologischen Gartens. 

Dr. Flatten, Dr. Lothes, 

Schriftführer. Vorsitzender. 


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612 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 39. 


Erwiderung. 

In der Nr. 38 der B. T. W. ist ein Artikel, betitelt: „Zur 
Abwehr“, erschienen, der sich in den schärfsten Angriffen anf 
meine Person ergeht. Dieser, wie ich nur annehmen kann, 
persönlichen Feindseligkeit gegenüber, werde ich mich bemühen, 
durchaus bei der Sache zu bleiben und bemerke dazu folgendes: 
In dem Artikel wird mir vorgeworfen, ich hätte, um Privatpraxis 
zu erlangen, in Tagesblättern eine Bekanntmachung veröffent¬ 
licht, die meine Taxe für privattierärztliche Leistungen enthält. 
Ich könnte mich ja einfach darauf beschränken, zu sagen, nicht 
ich habe das veröffentlicht sondern der Landrat, der gezeichnet 
hat, aber da ich ja ohne weiteres alB der geistige Urheber hin¬ 
gestellt worden bin, mit welchem Rechte ist mir unbekannt, so 
erkläre ich hiermit öffentlich, daß ich auch der nicht bin, wie 
aus einem Schreiben des Landrats an mich unzweifelhaft hervor¬ 
geht. Bei einer Besprechung wegen eines Kreiszuschusses, um 
den ich im Frühjahr d. J. eingekomraen war, erklärte mir der 
Landrat, daß die Landwirte des Kreises darüber Klage führten, 
daß meine Preise im Verhältnis zu denen der auswärtigen 
Kollegen, enorm hohe seien. Trotzdem mir diese Klage schon 
seit meinem Dienstantritt in Opladen häufig begegnet war, hatte 
ich mich bis dahin noch nicht dazu verstehen können, meine 
Taxe herunterzusetzen, da sie meines Erachtens durchaus nicht 
zu hoch war; (ich liquidierte beispielsweise für 10 km Landweg 
hin und zurück 8 M.) Auf das Zureden des Landrats hin ver¬ 
pflichtete ich mich jedoch als Äquivalent für einen Kreis- 
zuschuß meine Taxe herunterzusetzen. Ich bemerke nun ganz 
ausdrücklich, daß diese neue Taxe nicht etwa niedriger als die 
der auswärtigen Kollegen ist, sondern daß sie im Verhältnis 
der Entfernungen teils gleich, teils noch bedeutend höher ist. 
Zur Bekräftigung oder zum Beweise dieser Tatsache, kann ich 
ja die beiderseitigen Taxen veröffentlichen. 

In einem Schreiben vom 26. Mai d. J. schreibt mir der 
Landrat unter anderem wörtlich: „Ich halte es für erwünscht, 
daß die vereinbarte Taxe veröffentlicht wird. Besehen wir uns 
nun diese Veröffentlichung einmal näher, so werden wir finden, 
daß von einer Befürwortung meiner Person oder einer Propa¬ 
ganda für dieselbe absolut keine Rede ist. Es heißt einfach: 
Die Landwirte etc. seien darauf hingewiesen, daß mit dem Kreis¬ 
tierarzt Pfleger folgende Taxe vereinbart ist. Folgt Taxe. — 
Ein weiteres Wort ist in der Bekanntmachung nicht enthalten. 
Wo liegt denn da nun die Schädigung der Kollegen? Werden 
die Landwirte etwa ersucht, sich meiner Person zu bedienen, 
oder werden andere Tierärzte ausgeschlossen? Ja, wäre meine 
Taxe niedriger als die anderer Kollegen, dann wäre es etwas 
anderes! 

Worin liegt denn nun meine unlautere Handlung? etwa 
darin, daß ich schweren Herzens meine Taxe auf das Niveau 
deijenigen der anderen Kollegen hernntersetzte, oder darin, 
daß dieses veröffentlicht wurde? 

Habe ich auch für die Veröffentlichung die Verantwortung 
nicht zu tragen, so würde ich diese doch trotzdem übernehmen, 
denn ich sehe nicht das geringste Unlautere und Unkollegiale 
darin, aber eine Unkollegialität ohne gleichen ist es, den Namen 
eines Kollegen nm einer solchen Sache willen wie den eines 
Verbrechers der Öffentlichkeit preiszugeben und ihn an den 
Pranger zu stellen, ohne der Sache vorher auf den Grund ge¬ 
gangen zu sein. 


Es erübrigt nur noch, eine der hämischen Bemerkungen 
zurückzuweisen, deren der Artikel mehrere enthielt. Mir wird 
vorgeworfen, ich habe gesagt: „Wenn die Kunden mich nicht 
bezahlen wollen, wie es mir als Kreistierarzt zukommt, dann 
können sie zu einem gewöhnlichen Tierarzt gehen“. Diesen 
Vorwurf weise ich ganz energisch als eine direkte Unwahrheit 
zurück. Es ist mir nie eingefallen, den „Kreistierarzt in Gegen¬ 
satz zum prakt. Tierarzt zu bringen“. Wohl habe ich oft ge¬ 
sagt, wenn ich nicht anständig bezahlt werden soll, mögen sie 
zu einem anderen gehen, aber den mir unterschobenen Ausdruck 
von Kreistierarzt und gewöhnlichen Tierarzt habe ich nie ge¬ 
braucht. Ich glaube nicht, daß einer der mich näher kennenden 
Kollegen, und ich habe Gott sei Dank viele Freunde darunter, 
mich der Taktlosigkeit eines solchen Ausspruches für fähig hält. 
Ich bin sicherlich keiner von denen, die sich als Kreistierarzt 
„fühlen“, auf der anderen Seite tun mir aber die Kollegen herz¬ 
lich leid, auf welche der Titel Kreistierarzt wie das rote Tach 
auf den Bullen wirkt. 

Auch dagegen muß ich mich verwahren, als ob ich in der 
Zurückdrängung und Beschränkung der Tätigkeit der prakt. 
Tierärzte das Heil des beamteten Tierarztes suche, und möchte 
ich nur auf das vorzügliche Einvernehmen mit meinem nächsten 
Nachbarkollegen, Herrn Kühl in Burscheid, hinweisen. 

Damit ist für mich der „Fall Pfleger“ erledigt. 

Pfleger. 

Berichtigung. 

Die Versammlung des rheinpreussischen Vereins am 27. er. 
findet zu Königswinter im Düsseldorfer (nicht Deutschen) Hof statt. 


Personalien. 

Auszeichnungen, Ernennungen: Den Korpsstabsveterinären Müller 
vom XII. und Walther vom XIX. Armeekorps wurde der rote Adler- 
orden 4. Kl. bezw. der kgl. pr. Kronenorden 4. Kl. verliehen. 

Komm. Kreistierarzt Eilte in Wittmund wurde zum definitiven 
Kreistierarzt ernannt; Distriktstierarzt Alfred Salor in Ottobeureu 
zum Bezirkstierarzt in Höcbsladt a. d. Aisch; Dr. Paul Trolldenier 
zum Kreistierarzt in Blankenburg i. H. 

Wohnsitzverfinderungen, Niederlassungen: Verzogen sind Tierarzt 
A. Alberts von Rendsburg nach Hamburg, Tierarzt H. Pütx von 
Boccum als Schlachthoftierarzt nach Dortmund und Kurt Heidrieh 
von Dresden nach Meißen. — Niedergelassen haben sich Tierarzt 
Dr. Armin Feser in Moosburg bei Freising und Tierarzt Nicolaus 
in Elze. 

Examina: Approbiert wurden in Dresden die Herren: A. Paulitx r 
Wold. Kegler, Karl Haus seit, Arthur Schach tschabel. 

in der Armee: Forthuber, überzähl. Stabsveterinär im 1. Train¬ 
bataillon wurde zum Stabsveterinär im 3. Feld-Art.-Rgt befördert; 
Dr. van Bommel, Veterinär beim Rcmontedepot Fürstenfeld zum 
1. Trainbataillon; Brortold, Veterinär im 2. Chevaul.-Rgt. zum Re- 
montedepot Fürstenfeld versetzt. 

Todesfall: Schlachthofdirektor Tiircks in Hagen i. W. 

Vakanzen. 

(Siehe Nr. 36.) 

Neu hinzugetretene Sanitätstierarztstellen: Coblenz: Hilfstierarzt 
zum 1. Novbr. Monatlich 150 M. Bewerb, bis 10. Oktob. beim 
Bürgermeister. — Hagen i. W.: Direktor zum 1. Dezbr. 3300 M , 
steigend alle 3 Jahre um 300 M'. bis 4200 M. Keine Privatpraxis. 
Bew. bis 5. Oktob. an den ersten Bürgermeister. — Halle a. S.: 
Assistenztierarzt sofort. 2400 M. Bew. binnen 14 Tagen an den 
Schlachthofdirektor Reimers. 

Besetzt: Elze, Outt Stadt, Marxloh, Plettenberg, Lübtheen, 
Schköblen. 


Verantwortlich für den Inhalt (cxkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmaltz ln Berlin. — Verlag und Eigentum von Richard Schoetz in Berlin. — Druck von W. BQxenstetn, Berlln- 


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D\e Tlerinllicho Wochenschrift* erscheint 

v»6thenü»® ‘Qi Verlage yon Richard Schoetx In 
BeTUn,D u *eenstr.36. Durch jede« deutsche Postamt wird 
dieselbe «um Preise von M. 5 , — vierteljährlich (M. 4.SS für 
die Wochenschrift, 18 Pf. für Bestellgeld) frei Ins Hau« 
geliefert. (Deutsche Post-Zeitung«-Preisliste No. 1108, 
Oosterrelchlsche No. 510, Ungarische No. 90.) 


Berliner 


Originalbeltrige werden mit 50 Mk., ln Petitsatz mit 
60 Mk. Ar den Bogen honoriert Alle Mannskripte, 
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man 
zu senden an Prof. Dr. Sohmalts, Berlin, tierärzt¬ 
liche Hochschule, NW, Luisenstrasse 56. Korrekturen, 
Rezensions-Exemplare und Annoncen dagegen an die 
Verlagsbuchhandlang. 


Tierärztlich© Wochenschrift 


Redaktion: 

Professor Dr. Schmaltz-Berlin 

Verantwortlicher Redakteur. 


De Bruin 

Dr. Jess 

Kühnau 

Dr. Lothes 

Nevermann 

Prof. Dr. Peter 

Peters 

Professor 

Kreistierarzt 

Sehlachthofdirektor 

Departeraentitierarst 

Kreistierarzt 

Kreistierarzt 

Dapariemen tstierarzt 

Utrecht. 

Charlottenburg. 

Cöln. 

Cöln. 

Bremervörde. 

AngermUnde. 

Bromberg. 


Preusse 

Dr. Roeder 

Dr. Schlegel 

Dr. Voael 

Zündel 



Veterinärassessor 

Professor 

Professor 

Landestierarzt v. Bayern Kreistierarzt 



Danzig. 

Dresden. 

Freiburg i. Br. 

München. 

Mülhausen i. E. 


Jahrgang 1903. Jfä 40 . Ausgegeben am i. Oktober. 


Inhalt: Brauer: Die Fortpflanzung, Vermehrung und Entwickelung der Trypanosomen im Blut surrakranker Tiere. — 
Hajnal: Die normale Temperatur des Rindes. (Schluß). — Referate: Marie: Immunisierung gegen Tollwut.— Brimhall: 
Hkmorrhagische Scptikämie des Rindes. — Tabnsso: Ein Beitrag zum Studium des Entzündungsprozesses in den serösen 
Häuten mit speziellen Beobachtungen über das Verhalten der Deckzellen. — Gavard: Zur Behandlung der Sprunggelenks¬ 
galle durch Synovietomie. — Catilion: Löslichkeit des Jods in Glyzerin. — Jeß: Wochenübersicht über die medizinische 
Literatur. — Tagesgeschichte: Die Militär-Veterinär-Reform. — Was wird aus den preußischen Departementstierärzten? — Der 
Kampf um die Idee. — Verschiedenes. — Staatsveterinärwesen. — Fleischbeschau und Viehverkehr. — Bücheranzeigen und 
Kritiken. — Personalien. — Vakanzen. 


Die Fortpflanzung, Vermehrung und Entwickelung 
der Trypanosomen im Blut surrakranker Tiere. 

Von 

A. Brauer, 

(iouv.-Tierarzt. 

Die Angaben fast sämtlicher Autoren, welche bisher über 
Surra geschrieben haben, stimmen bei sonstigen Differenzen in 
einem Punkte überein, und zwar bezieht sich diese Überein¬ 
stimmung auf die Art der Vermehrung der Trypanosomen im 
Blnte surrakranker Tiere. Von allen sind übereinstimmend 
Gebilde und Vorgänge beobachtet worden, die in Wirklichkeit 
nicht existieren. Eine Ausnahme machen die beiden Amerikaner 
Salmon und Stiles, wie aus dem „Emergeney Report on Surra“ 
des „Bureau of Animal Industry“ ersichtlich ist 

Ich gebe es gern zu, daß die Vermehrung der Surrapara- 
siten im Tierkörper nicht leicht zu verfolgen ist; daher ist 
auch die bisher angenommene Vermehrung derselben durch 
Längsteilang nur ein Notbehelf nnd entschuldbar. Daß man bis 
jetzt an derselben festgehalten hat, sie teilweise noch als 
Dogma bestehen läßt, ist wohl nur eine Art der Pietät gegen 
die, welche dieses Dogma anfgestellt haben. Ich selbst habe 
stundenlang am Mikroskop gesessen nnd die Parasiten im 
hängenden Tropfen beobachtet; ich habe Hunderte von in jedem 
Krankheitsstadium entnommenen Blutpräparaten verschiedener 
Haustiere auf das genaueste untersucht, doch niemals ist es mir 
gelangen, die Längsteilung der Parasiten einwandfrei festzu¬ 
stellen. Wohl habe ich häufiger die Beobachtung gemacht, 
namentlich aber bei Gegenwart äußerst zahlreicher Parasiten, 
(laß Zufallsgebilde zustande kommen, welche eine Längsteilang 
Vortäuschen konnten. Diese Konstellationen von Trypanosomen 
lieferten einen willkommenen Beweis für die Vermehrung der 
Parasiten durch Längsteilnng. Im „Emergeney Report on 
Snrra“ schreiben Salmon and Stiles: 


„Formen (von Trypanosomen), welche anscheinend ans 
zwei eng nebeneinanderliegenden Parasiten mit freien Geißeln 
bestehen, sind in seltenen Fällen beobachtet worden. Nach 
längerer Beobachtung dieser Gebilde im lebenden Zustande 
haben wir keinen Grand anzunehmen, daß diese sich im Stadium 
der Längsteilung befinden.“ Der richtigen Lösang der Frage 
etwas näher gekommen ist der Tierarzt P. Schat auf Java. 
Der von ihm angenommene Modus der Entwickelung und Ver¬ 
mehrung der Parasiten im Blnte ist in Fig. 1 reproduziert. Er 
hat verschiedene Gebilde im Blute surrakranker Tiere gesehen, 
die er noch nicht recht zu deuten versteht und völlig als zum 
Entwickelungsgange der Trypanosomen gehörig anerkennen will. 
Hiermit sind die in Fig. 1 mit einem Fragezeichen versehenen 
Körperchen gemeint; also die Nr. 1, 6, 13 und 14. Nebenbei, 
im Zirkel 13, kann auch er noch nicht mit dem alten Branche 
brechen, die Parasiten sich dnrch Längsteilnng vermehren zu 
lassen. 

Nach meinen Untersuchungen bilden die Trypanosomen 
Sporen. 

Es ist mir hänfig aufgefallen, daß im Blnte ein nnd des¬ 
selben Tieres bald Trypanosomen mit Nuclens und Centrosoma, 
bald nur mit Nuclens, bald ohne beide aoftraten. Nuclens nnd 
Centrosoma färben sich mit alter Borax -Methylenblaulösung 
violett bis leuchtend rot. Die Färbung von Blotpräparaten mit 
dieser Lösung ziehe ich ihrer Einfachheit halber der nach 
Romanowsky vor. 

Am häufigsten traf ich Parasiten ohne Nuclens nnd Centro¬ 
soma an. An Gestalt und Größe differieren die ersteren ziemlich 
erheblich voneinander. Hierin decken sich meine Beobachtungen 
mit denen von Salmon nnd Stiles. Bald sind die Trypano¬ 
somen langgestreckt und spitz, bald ist das hintere Ende ab¬ 
gestumpft und ist ihre Gestalt eine mehr gedrungene; wieder 
andere Individuen sind ganz kurz und dick nnd haben eine nnr 
mäßig lange Geißel. Daß es sich hierbei nur um eine Art des 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 40. 



Fortpflanzung der Trypanosomen im Blut surrakranker Tiere. 

Erklärung der Figuren. 


Fig. 1. Schema der Entwickelung der Trypanosomen nach Schat. 

A. Asexueller Entwickelungsgang. 

B. Vermehrung durch Längsteilung. 

C. Vermehrung und Entwickelung in der Fliege. 

St. Stechwerkzeug der Fliege (P. Schat nimmt die Stomoxys 

caleitrans als Surrailberträger an'. 

Fig. 2. a) Einzelner fertiger Parasit ohne Nucleus und ohne 
Centrosoma. 

b) Mit ihren stumpfen Enden zusammenhängende Parasiten. 

Fig. 3. a) Parasiten, welche infolge der Einwirkung von Methylen¬ 
blau ihre Gestalt zu verändern beginnen; der Nucleus 
fängt an sich zu markieren. 

b) Durch endoglobuläres Schmarotzertum lädierte Blut¬ 
körperchen. 

c) Ringförmige, mit Band versehene Blutkörperchen. 


Fig. 4. Fertige Sporen, denen noch der Rest des Trypanosomenleibes 
anhaftet. 

Fig. 5. Freie, in der Vermehrung begriffene Sporen. 

Fig. 6. a) Aneinanderliegende große und kleine ausgewachsene 
Sporen. 

b) Einzelne große ausgewachsene Spore. 

c) Blutkörperchen mit durch Blaufärbung markierter aus¬ 
wachsender Spore. 

d) Kleine ausgewachsene Spore, im Begriff das Blutkörperchen 
zu verlassen. 

Fig. 7. Junge Trypanosomen. 


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1. o^ber 1908. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


615 


Parasiten handelte, bewies mir das gleichzeitige Vorherrschen 
der einen Gestalt mit nur verhältnismäßig wenigen Übergangs- 
formen. Am markantesten zeigte sich dies beim Vorhandensein 
einer mehr oder weniger großen Vacnole am stampfen Ende. 
Fand ich nämlich beim ersten Anblick eines Präparates einen 
Parasiten mit Vacnole, so konnte ich mit Sicherheit darauf 
rechnen, daß der weitaus größte Teil derselben mit Vacuolen 
versehen war. 

Bei Gegenwart zahlreicher Parasiten im Blute, etwa 10—40 
und mehr in einem Gesichtsfelde, bemerkte ich das auch von 
anderen Autoren gesehene und als Kopulation aufgefaßte An¬ 
einanderhängen von Trypanosomen mit ihren stumpfen Enden. 
Besonders hervorheben will ich an dieser Stelle, daß ich aus¬ 
schließlich Parasiten ohne Nucleus und ohne Centrosoma in 
Kopulation begriffen gesehen habe. Nach diesem Stadium 
trennen sich dieselben wieder voneinander, wie aus Blut¬ 
präparaten desselben Tieres am folgenden Tage ersichtlich war. 
Nunmehr zeigen die Parasiten auf Zusatz gewisser Reagentien 
ein äußerst interessantes Verhalten. Einigen Ösen parasiten¬ 
haltigen Blutes, dem zur Verhinderung der vollständigen 
Gerinnung etwa drei Teile 0,9 prozentiger Kochsalzlösung 
zugesetzt waren, wurde teils Methylenblau, teils Malachitgrün, 
teils Argentum colloidale zugesetzt, und zwar etwa 3—4 großen 
Ösen voll eine ganz kleine Öse einer einpromilligen Lösung 
obiger Reagentien. Diese Gemenge beobachtete ich hierauf im 
hängenden Tropfen. Diese Art der Beobachtung ist bei diesem 
Versuche der in der Kapillarschicht zwischen Objektträger und 
Deckgläschen vorzuziehen. Dadurch, daß man eine möglichst 
geringe Quantität auf möglichst große Flächen ausbreitet, er¬ 
leichtert man sich die Beobachtung bedeutend. In dieser dünnen 
Schicht sind die Parasiten in ihren Bewegungen nicht behindert, 
während in der Kapillarschicht zwischen Objektträger und Deck¬ 
gläschen es oft, ja fast immer den Anschein hat, als ob die 
Parasiten mit einem Teile ihres Leibes an das Deckgläschen 
angeheftet wären. Bei Beobachtung des Blutes, dem Methylen¬ 
blau zugesetzt worden war, sah ich zuerst noch die Trypano¬ 
somen in ihrer normalen Beweglichkeit durch das Gesichtsfeld 
dahinschwimmen. Bald aber ließ dieses muntere Treiben nach; 
die Bewegungen wurden langsamer, der Körper der meisten 
wurde zunächst etwas breiter, nahm dann eine rhomboide Form 
an und rundete sich schließlich vollends ab. Nun glich das 
ehemalige langgestreckte Trypanosoma, welches mittlerweile 
auch etwas Farbstoff aufgesogen und dadurch eine ganz blaß- 
blaue Färbung angenommen hatte, einem Lymphozyten. Bei 
einigen ragte die Geißel noch eine Zeitlang als starres, zu¬ 
gespitztes Stäbchen hervor. In Parasiten, in denen vorher ein 
Nucleus sich auch nur andeutungsweise markiert hatte, hat sich 
dieser zu einem kleinen, scharfkonturierten, etwas dunkler ge¬ 
färbten Bläschen konzentriert. In manchen Fällen nahm der 
Trypanosomenleib keine runde Gestalt an, sondern wurde schon 
in der rhomboiden und auch in der typischen Form starr und 
zeigte die blaßblaue Färbung. 

Eine ganz ähnliche Wirkung rief eine einpromillige Ma¬ 
lachitgrünlösung auf die Parasiten hervor. Hier wurde das 
Protoplasma noch schneller unbeweglich, sodaß die Parasiten¬ 
leiber mehr ihre längliche Form beibehielten. Schwächer war 
die Wirkung der Lösung von Argentum colloidale. Hier währte 
es geraume Zeit, bevor die Trypanosomen unbeweglich wurden. 
Die nachherige Färbung des so behandelten Blutes ergab in 


jedem einzelnen Falle mit größter Deutlichkeit die eben be¬ 
schriebene Verwandlung des Nucleus in einen mit einer Vacnole 
versehenen Kokkus von etwa 3 / 4 —1 y Durchmesser. 

Überließ ich eine größere Quantität eines Gemisches von 
trypanosomenhaltigem Blute mit physiologischer Kochsalzlösung 
und einer ganz geringen Menge eines der oben angeführten 
Reagentien eine kurze Zeit lang sich Belbst und fertigte dann 
hieraus Präparate, so fand ich hierin wie oben beschriebene, 
bezüglich der Form und des Nucleus veränderte Parasiten 
(Fig. 4) zu Haufen vereinigt. Die Leiber sind nur noch als 
blaßblau gefärbter Hauch erkennbar. Deutlich in die Augen 
fallend sind die dunkelblau gefärbten Sporen. An anderen 
Stellen des Präparates sah ich diese Sporen, ohne ihre ehe¬ 
maligen Leiber, allein, zu staphylokokkenähnlichen Kolonien 
konglomeriert (Fig. 5). Ich will noch hinzufügen, daß es 
äußerst wichtig ist, die Menge des zuzufügenden Reagens her¬ 
auszufinden. Nimmt man zuviel von den betreffenden Lösungen, 
so werden die Parasiten zu schnell abgetötet. Es kommt nur 
zu deutlicherem Hervortreten des etwa vorher vorhanden ge¬ 
wesenen Nucleus, und falls solcher überhaupt nicht vorhanden 
war, sieht man, wie die Granulation des Trypanosomenleibes 
sich zu einem Nucleus zu konzentrieren anfängt. Dieser im 
Entstehen begriffene Nucleus färbt sich mit alter Methylenblau¬ 
lösung blauviolett. Der Leib des Trypanosoma ändert auf Zusatz 
von zuviel Farbstoff seine Gestalt nur unbedeutend oder gar- 
nicht, indem das Protoplasma desselben durch zu schnelle 
Infiltration mit Farbstoff sehr bald unbeweglich wird. Die 
Wirkung des Farbstoffes auf trypanosomenhaltiges Blut ist 
treffend mit einer chemischen Reaktion vergleichbar, indem nur 
die Leukozyten und die Parasiten durch denselben gewisser¬ 
maßen alteriert, ausgefüllt werden. 

Das bei diesem Versuche beobachtete Verhalten der Try¬ 
panosomen erinnert übrigens lebhaft an dasjenige einiger 
Bakterien, welche, sobald für sie ungünstige Subsistenzbedingungen 
eintreten, schleunigst zur Erhaltung ihrer Art eine widerstands¬ 
fähigere Dauerspore bilden. 

Die zu Kolonien vereinigten Sporen lassen nun bald Teilungs- 
erscheinungen erkennen. Es ist mir jedoch nicht mit Sicherheit 
gelungen, namentlich da mir für diese Versuche ein heizbarer 
Objekttisch resp. ein Mikroskopthermostat fehlt, zu ermitteln, 
ob eine Spore sich in zwei, drei oder mehr kokkenähnliche Ge¬ 
bilde teilt. Nach der ins Ungemessene gehenden Vermehrung 
jedoch darf man wohl mit Recht annehmen, daß aus einer Spore 
eine große Menge von mikrokokkenähnlichen Gebilden hervor¬ 
gehen. Ferner liegt die Vermutung nahe, daß die Trypanosomen 
sich in dieser Gestalt künstlich werden züchten lassen. Das 
Verhalten der Sporen spricht wenigstens sehr dafür. Außer im 
Blute habe ich gleich anderen diese Kokken besonders zahlreich 
im Knochenmarke und in der Milz vorgefunden. Von der Mutter¬ 
spore unterscheiden sich die Tochtersporen durch ihre Färb¬ 
barkeit. Je nach dem Alter derselben nimmt ihr Aufnahme¬ 
vermögen mehr und mehr ab. Vom Dunkelblau des Ausgangs¬ 
gebildes verblaßt diese Farbe bei den jüngsten Generationen zu 
einem sehr hellen Blauviolett, bis sie schließlich ihr freies 
Dasein verloren haben; man findet sie nicht mehr im flüssigen 
Anteil des Blutes. Betrachtet man letzteres nun ungefärbt im 
hängenden Tropfen bei stark verkleinerter Zeisblende, so findet 
man die Gebilde auf und in den roten Blutkörperchen wieder. 
Man sieht sehr deutlich, wie ein bis fünf und mehr dieser 


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GIG 

kleinen Kokken sich zum Teil plastisch von der Blutscheibe ab¬ 
heben und welche Gestaltveränderungen letztere durch das 
Schmarotzertum derselben erleiden. Mit Methylenblau sind sie bis 
kurz vor Ende ihres endoglobulären Daseins nicht nachweisbar. In 
diesem Stadium habe ich in manchen Blntpräparaten eine ganze An¬ 
zahl von Blutkörperchen gesehen, welche in ihrem Meergrün ein 
blaßblaues Gebilde erkennen ließen. 

Diese nun eine Größe von etwa y 3 bis y 2 deB Durch¬ 
messers eines Erythrozyten erreicht habenden Schmarotzer 
sind mit amöboider Bewegung aus gestattet, wie an den 
durch sie verursachten Läsionen der roten Blutkörperchen 
sehr schön zu sehen ist. Erstere geben sich im gefärbten 
Präparate teils als scharf kontourierte, teils als ebenfalls 
scharf begrenzte, gewissermaßen völlig ungefärbte Defekte 
in den Blutkörperchen zu erkennen (Fig. 5 und 6). Auch 
erhebliche Abweichungen von der normalen Gestalt sind an 
den Blutscheiben infolge des Schmarotzens dieser Gebilde 
schön zu beobachten. Am häufigsten sieht man den Rand der 
Blutscheibe teilweise aus der Ebene gebogen; auch Formen, 
die der Radfahrer an seinem pathologischen Rade mit „Hut¬ 
krempe“ bezeichnet, sind nicht selten; ferner habe ich häufig 
eine näpfchenartige Gestalt der Blutscheiben gesehen und in 
dieser Vertiefung dann noch das blau gefärbte Gebilde ange¬ 
troffen. Im gefärbten Präparat geben die oben erwähnten 
Defekte Aufschluß über die Gestalt der auswachsenden Sporen. 
Vielfach sieht man, wenn nämlich zwei solcher Sporen gleich¬ 
zeitig sich ein Blutkörperchen als Wirt erkoren hatten, daß 
dasselbe nun einem Ringe gleicht, welcher von einem teils 
gerade, teils geschlingelt verlaufenden Bande durchzogen ist 
(Fig. 3 und 5). Diese Defekte sind nicht etwa, wie man 
anfänglich anzunehmen geneigt ist, durch das Fixier- und 
Färbeverfahren hervorgerufene Kunstprodukte; nein, man kann 
sie auch sehr Bchön im frischen Blute wahrnehmen und habe 
ich sie im Blute surrakranker Tiere, je nach dem Stadium der 
Erkrankung, in mehr oder minder großer Anzahl stets an¬ 
getroffen. 

Äußerst auffallend ist die Tatsache, daß in der ganzen 
Surraliteratur mit einer einzigen Ausnahme, dieser groben 
Läsionen der roten Blutkörperchen nicht Erwähnung getan 
worden ist. Rankin allein beschreibt dieselben im „Veterinary 
Journal“, London 1891, pp. 400—401. Er ist jedoch auf 
ganz falscher Fährte, denn er nimmt einen Bazillus als Er¬ 
reger der Surra an. Die kokkenähnlichen Gebilde in den 
roten Blutkörperchen hat auch er gesehen und auch er 
beschreibt ganz schön die an letzteren wahrgenommenen Ver¬ 
änderungen. 

Nachdem die zukünftigen Trypanosomen die Blutkörperchen 
verlassen haben, begegnet man ihnen in großen Mengen frei im 
Blute als Körpern von unregelmäßigen, unbestimmten Formen 
von etwa 2—4 n Durchmesser. Sowohl hinsichtlich der 
Größe als des färberischen Verhaltens kann man nun deutlich 
zweierlei verschiedene Arten von freien Parasiten erkennen. 
Die kleineren von etwa 2—3 n Durchmesser färben sich mit 
alter Methylenblaulösung violett und lassen zuweilen einen 
exzentrisch gelegenen kleinsten weißen Punkt erkennen. Die 
größeren von etwa 3—5 n Durchmesser, färben sich blaßblau, 
sind granuliert und haben einen etwas größeren hellen Fleck. 
Beide gemeinsam zeigen zuweilen poikilozytenähnliche Gestalt. 
Die hierbei auftretenden Ausläufer, Produkte der amöboiden 


No. 40 

Bewegung, liegen zuweilen einander diametral gegenüber und 
kommen dann Formen zustande, welche bei oberflächlicher 
Betrachtung und einiger Phantasie ein jugendliches Trypanosoma 
Vortäuschen können. Lagern sich nun ein kleines und ein 
großes dieser Körper aneinander (Fig. G), so beginnt das 
größere das kleinere gleich einem Phagocyten in sich aufzu¬ 
nehmen. Dieser Pseudophagozyt vergrößert sich dabei etwas. 
Der in ihm vorhandene helle Punkt nimmt gleichfalls an Umfang 
zu, er erreicht etwa die Größe des durch IntusBuszeption auf¬ 
genommenen kleinen, violetten Körperchens. Das Ganze hat 
nun etwa den Flächeninhalt eines roten Blutkörperchens. Nun 
beginnt das Gebilde sich in die Länge zu ziehen; an einem 
Ende ist die Vacuole und stumpft dasselbe ab; am anderen Ende 
zieht sich das blasse Protoplasma zu einer feinen, allmählich 
länger werdenden Geißel aus (Fig. 7). Das violette Körperchen 
liegt etwa dort, wo der zukünftige Nucleus seine Lage haben 
wird, und es ist von dem übrigen granulierten Parasitenleibe 
deutlich durch seine violette, diffuse Färbung differenziert. Ein 
Centrosoma ist zuweilen als sehr kleiner, schwarzblasser Punkt 
in der Nähe der Vacuole erkennbar. Was aus den sich nicht 
vereinigenden, gewissermaßen ledig bleibenden Gebilden wird, 
habe ich noch nicht mit Sicherheit ermitteln können und will 
ich daher auch meine Vermutungen nicht äußern. 

Je mehr sich nun das junge Trypanosoma in die Länge 
zieht, je schlanker der Leib desselben wird, desto kleiner wird 
die am stumpfen Ende befindliche Vacuole. Schließlich ver¬ 
schwindet die Vacuole vollständig, ebenso der violette, provi¬ 
sorische Nucleus. 

In dieser Gestalt habe ich die Parasiten am häufigsten 
im Blute angetroffen. Eine sogenannte „undulierende Membran“ 
hebt sich nicht besonders von dem übrigen Parasitenleibe ab; 
eine besondere Lagerung der dunkel gefärbten Granula in dem¬ 
selben kann jedoch den Anschein erwecken, als ob eine be¬ 
sondere Membran vorhanden wäre. Der ganze, flach gestaltete 
Parasit besteht eben aus einer, an der einen Längsseite etwas 
dickeren Membran, so daß ein Frontalschnitt eine spitzkeil¬ 
förmige, der Bruchfläche einer Messerklinge ähnliche Fläche 
ergeben würde. Das vordere, spitze Ende des Trypanosoma 
ist meist etwas dunkler als das hintere, stumpfe Ende gefärbt, 
während letzteres in gewissen Stadien gar keinen Farbstoff 
aufnimmt, sondern nur tiefblau gefärbte Konturen erkennen 
läßt. Der von diesen eingeschlossene helle Raum ist zu¬ 
weilen von einem groben Netzwerk feinster blauer Linien 
durchzogen. 

Der soeben geschilderte Entwickelungsgang der Surra- 
trypanosomen erklärt den Umstand, daß man stets vergeblich 
nach kleinen Trypanosömchen im Blute sucht, wie sie manche 
Autoren (siehe Fig. 1, Nr. 2, 3 und 12) gesehen haben wollen und 
auch zu Papier bringen. Der typische Parasit hat eben infolge 
seiner eigentümlichen Entwickelung eine nur verhältnismäßig ge¬ 
ringen Schwankungen unterworfene Größe und Gestalt, und müssen 
die kleinen, schmalen, angeblich durch Längsteilung entstandenen 
und überhaupt nicht existierenden Trypanosomen als Phantasie¬ 
gebilde angesehen werden, welche bis jetzt ihren Zweck erfüllt 
haben, nämlich über eine in der Vermehrung der Trypanosomen 
bestanden habende Lücke hinwegzuhelfen. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


617 


1. Oktober 1903. 

Die normale Temperatur des Rindes. 

Vom Landesverein ungarischer Tierärzte mit 200 Kronen gekrönte 
Preis-Abhandlung. 

Von 

Josef Hajnal, 

kgl. ung. Mnnlzlpal-Tierarzt in Kaposv&r. 

(Schluß.) 

Dem aufmerksamen Leser wird es nicht entgangen sein, daß 
ich bisher bei der Tempera!ur des Rindes immer nur mit der 
normalen Körperwärme der über ein Jahr alten Tiere mich befaßte 
und die unter einem Jahr alten außer Acht ließ. Hiezu war ich 
gezwungen, denn man kann die normale Temperatur der Wieder¬ 
käuer nur dann in einer gewissen Ziffer fcststellen, wenn man die 
Temperatur der unter und über ein Jahr alten Tiere gesondert 
konstatiert, denn wie es auch aus Tabelle VII hervorgeht, ist die 
normale Temperatur der unter einem Jahr alten Tiere mindestens 
um einen ganzen Grad höher als die der älteren. Während nämlich 
die normale Temperatur der über ein Jahr alten Tiere meist 38,6 0 C. 
beträgt, nicht unter 38° bleibt und 39° gewöhnlich nicht über¬ 
schreitet, schwankt die Temperatur der unter einem Jahr alten 
Tiere fast ausnahmslos zwischen 39 und 40 u C., überschreitet aber 
häufig auch 40 °C., wogegen eine Temperatur unter 39° kaum und 
nur an solchen Tieren vorkommt, welche dem Alter von einem 
Jahre nahe kommen. 


] Tabelle VII summiert sämtliche Daten und bietet ein sehr 
| interessantes Bild der Temperaturscbwankung des Rindes nach 
dem Alter. Während nämlich die Temperatur der einige Tage 
oder Wochen alten Tiere sich stets 40° nähert oder überschreitet, 
die der Mehrheit der halbjährigen zwischen 39 und 40° schwebt, 
die der drei vierteljährigen aber 38,8—39,5° beträgt, schwebt die 
Temperatur der über ein Jahr alten Tiere in 96—36 pCt. aller 
Fälle zwischen 38 und 39 0 C. Die Temperatur der unter einem Jahr 
alten Tiere sinkt mithin von der Geburt an immer tiefer, so daß 
man die normale Temperatur, jeden Zweifel ausschließend, nicht 
fcststellen kann, — eine Erscheinung, die bei anderen Tierarten 
überhaupt nicht vorkommt. Leider war ich nicht in der Lage, 
Experimente hinsichtlich der normalen Temperatur anderer Tier¬ 
arten anzustellen und in Ermangelung entsprechender Fachwerke 
vermochte ich auch die in der Literatur erwähnten Fälle nicht 
aufzuführen; laut meinen Erfahrungen aber herrscht in der Tempe¬ 
ratur der Pferde und Fohlen eine unbedeutende Schwankung; ein 
Gleiches behaupten die Ärzte auch hinsichtlich der Temperatur des 
Säuglings und des erwachsenen Menschen. Auch ist mir nicht 
bekannt, ob in der Literatur bezüglich der Temperatur der unter 
und über ein Jahr alten Rinder Versuche in größerem Stil mit¬ 
geteilt sind, oder ob die Beachtung der Fachkreise sich dieser 
hochwichtigen Frage erst in Verbindung mit der Tuberkinprobe 
zugewendet hat. Im Jahre 1890 vermutete Harms bloß, bzw. er 
i zog aus der Analogie den Schluß, daß die Temperatur der Kälber 


Tabelle VI. Summierung der Daten auf Tabelle I, II und III. 




37° 

C und 





38 ° 

Z und 







39° 

D und 






5 

6 

7 

8 

9 

0 

1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

0 

1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

Zusammen 













Zeh 

n t e 

1 g r a d 












Tabelle I . . . 

_ 


— 

— 


2 

2 

5 

20 

31 

133 

150 

133 

87 

41 

45 

4 

5 

1 

1 

_ 

_ 

_ 

_ 


660 

Tabelle II . . . 

1 

2 

— 

4 

2 

17 

5 

13 

20 

22 

87 

75 

61 

71 

27 

33 

2 

1 

— 

— 


— 

— 

— 


443 

Tabelle III .. . 

— 


— 

— 


4 

7 

35 

88 

145 

220 

253 

251 

203 

138 

67 

37 

14 

14 

4 

1 

1 

— 

— 


1482 


1 

2 


4 

2 

23 

14 

53 

128 

198 

440 

478 

18,10 

% 

445 

361 

206 

145 

43 

20 

15 

5 

1 

"7 




2585 


Tabelle VII. Die Temperatur im Verhältnis zum Alter der Tiere. 


Nummer 

Alter der Tiere 

38° C und 




39° C 

und 






40° C 

und 

• 


d 

© 

a 

rt 

S 

0 

1 

2 

3 

4 5 6 7 

8 

9 

0 

1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

0 

1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

Zehntelgrad 

1 

2 Tage. 




_ 

— | — _ — 

_ 

_ 


_ 

_ 



1 


_ 

2 





_ 

_ 

1 

_ 

_ 

4 

2 

3 .. 

— 

— 

— 

_ 

_ _ _ _ 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

1 

— 

— 

1 

— 

2 

3 

1 Woche .... 

— 

— 

— 

— 

— — _| _ 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

1 

1 

1 

— 

— 


— 

— 

1 

1 

— 

— 

— 

5 

4 

2 „. 

— 

— 



— — — — 


— 

— 

— 

2 

_ 

— 

3 

4 

— 

2 

3 


1 

1 

1 

— 

— 

1 

1 

19 

5 

3 .. 

— 

— 

_ 


— — — - 

— 

—' 


1 

— 

— 

2 

2 

1 

— 

— 

— 

2 

1 

— 


— 

1 

— 

— 

10 

6 

1 Monat. 

— 

— 

— 

— 

— — — 1 


ll 

1 

1 

4 

5 

3 

6 

1 

8 

7 

1 

1 

2 

1 

3 

1 

— 

1 

1 

52 

7 

2 .,. 

— 

— 

— 

— 

— — — — 


— 

1 

— 

_ 

3 

2 

6 

4 

1 

2 

3 

4 

1 

2 


2 

— 


— 

31 

8 

3 „. 

— 

— 

— 


— —| — — 


— 

2 

3 

5 

0 

2 

5 

7 

5 

1 

1 

1 

1 

3 



— 

— 

_ 

41 

9 

4 .. 

— 

— 

— 


—1 — 1 — 

— 

4 

5 

5 

4 

6 

7 

6 

3 

6 

3 

— 

1 

2 

1 

— 

— 

1 

— 

— 

55 

10 

5 .. 

— 

— 

— 

— 

— _ _ _ 

1 

3 

16 

4 

12 

5 

9 

8 

12 

14 

5 

3 

2 

5 

— 


3 

— 

— 

— 

102 

11 

6 .. 



— 

— 


3 

7 

17 

11 

13 

14 

11 

7 

13 

7 

6 

2 

1 

— 

4 

1 

1 

1 

1 

1 

121 

12 

7 .. 


— 

— 


_ — | _ _ 

2 

3 

11 

8 

9 

7 

7 

3 

3 

1 

1 

— 

— 

1 

— 

1 

— 

— 

— 

— 

57 

13 

8 .. 


— 

— 

— 

- - 1 1 

3 

3 

3 

8 

3 

4 

4 

2 

— 

1 

1 

— 

— 

— 

— 

— 

— 


— 

— 

34 

14 

9 .. 1 

— 

— 

— 

— 

— 1 — 1 

4 

5 

6 

6 

8 

2 

4 

1 

— 

— 

— 

_ 



_ 


— 


— 


38 

15 

8-11 „ gemischt . . 

_ 

— 

— 

1 

—1 2 1 3 

24 

12132 

35 

16 

10 

4 

1 

2 

2 

_ 

— 



— 

— 

— 


— 


145 

16 

10 .. 

— 

— 


— 

ll — 2 5 

10 

4 

8 

4 

3 

2 

2 

1 

— 

_ 


— 

— 

_ 

— 

_ 

— 

_ 

— 

— 

42 

17 

11 .. 

— 

— 

— 

— 

— 1 ll 2 

4 

5 

1 

4 

— 

1 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

_ 

— 

_ 

— 


— 

— 

19 

18 

1 Jahr . 

2 

5 

9 

23 

30 51 781 70 

68 

58 

48 

23 

8 

1 

1 

— 

1 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

_ 

- 

476 

19 

2 .. 

1 

1 

8 

12 

30 40 46 j 38 

39 

26 25 

12 

6 

10 

3 

— 

— 

— 

_ 

— 

— 

_ 



— 

— 

— 

_ 

297 

20 

Vollständig erwachsen 

23 

14 

53 

128 

197 438 453 422 

321 

183 

72 

8 

6 

4 

1 

1 


— 

— 

— 

— 

- 

— 

— 



- 

— 

2324 
























Endsumme 

3864 




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618 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 40. 


im Verhältnis eine weit höhere, als die alter Tiere sei. In seinem 
obengenannten Werke sagt er diesbezüglich blos folgendes: „Die 
Temperatur steht wahrscheinlich bei Kälbern höher als bei 
älteren Tieren. Ich nehme dies an, weil ich regelmäßig bei 
Lämmern die Temperatur höher gefunden habe, als bei den er¬ 
wachsenen Schafen.“ Es scheint also, daß diese Temperatur¬ 
anomalie eine charakteristische Eigenschaft der Wiederkäuer 
ist, weshalb dies aber gerade bei den Wiederkäuern der Fall ist, 
darauf vermag ich keine bestimmte Antwort zu erteilen; vom 
wissenschaftlichen Standpunkte aber halte ich es für eine sehr 
interessante, der Lösung harrende offene Frage. Der praktische 
Standpunkt hingegen erwartet Aufklärung darüber, ob bei Kälbern 
eine Temperatur von 40°C. nicht als abnorm zu betrachten sei? 
Hierauf ist ebenfalls schwer zu antworten, denn bei den auf Tabelle 
VII vereinbarten Tieren mit einer Temperatur von über 40° ver¬ 
mochte ich am lebenden Tiere keinerlei krankhafte Symptome 
wahrzunehmen; allein bei so jungen Tieren ist der kaum merkliche 
katarrhalische Zustand des Darmkanals so häufig, daß es wohl 
kaum ausgeschlossen sein kann, daß gerade dieses oder ein anderes 
kaum bemerkbares Übel die übermäßige Temperatursteigerung ver¬ 
anlaßt habe. Ein sicheres Resultat wäre in dieser Hinsicht nur 
in dem Falle zu erreichen, wenn eine große Anzahl von Kälbern 
und Jungrindern, nach vorheriger Temperaturaufnahme ab¬ 
geschlachtet und von tüchtigen Pathologen mit größter Aufmerk¬ 
samkeit seziert würden. Ich meinerseits halte eine Temperatur 
von 40 und über 40° stets für eine verdächtige Erscheinung und 
bezeichne sie immer als krankhaft, weil die normale 
Temperatur junger Tiere denn doch 39,9° nicht zu über¬ 
schreiten pflegt. 

In seinem oben erwähnten Werk gibt Dr. Eber der Voraus¬ 
setzung Ausdruck, daß die Temperaturverhältnisse von unter einem 
Jahre alten Rindern abweichend seien von jenen der über ein Jahr 
alten Tiere. Er hielte es daher für sehr weittragend, wenn die¬ 
jenigen Autoren, die in der Lage sind, junge Tiere in größerer 
Zahl der Tuberkulinprobe zu unterziehen, ihre Erfahrungen hin¬ 
sichtlich der normalen Temperaturverhältnisse dieser Tiere ver¬ 
öffentlichen und auf diese Weise zur Lösung dieser unendlich 
wichtigen Frage beitragen wollten. 

In der Literatur fand ich über die Temperatur junger Rinder 
bloß die eine Mitteilung von Dr. Pusch, Professor in Dresden, die 
in der Deutschen Tierärztlichen Wochenschrift 1898 Nr. 1 und 2 
erschienen ist In diesem Aufsatze weist der Verfasser bereits als 
sicher nach, was Harms vermutete, Eber aber für wahrscheinlich 
hielt: daß nämlich die Temperatur junger Tiere höher ist als die 
der alten Tiere, bzw. daß die Körperwärme bei jungen Rindern 
größeren Schwankungen unterworfen ist. Diese höhere Temperatur 
aber schreibt er großenteils dem Einflüsse äußerer Umstände (z. B. 
dem Transport auf der Eisenbahn) zu; es ist ihm nicht bekannt, 
daß die von der normalen abweichende höhere Temperatur nur 
bei unter einem Jahre alten Tieren vorkommt, und daß die 
Temperatur der neugeborenen mit der Entwicklung von Grad zu 
Grad sinkt, bis sie im Alter von einem Jahre die normale Höhe 
erreicht hat, mit andern Worten: daß die Temperatur der 
unter einem Jahre alten Tiere mit dem Alter und nicht 
mit dem Körpergewicht derselben im Kausalnexus steht. 

Dr. Pusch hat 5—18 monatliche Bullen geimpft, darunter aber 
auch solche, welche, über ein Jahr alt, bereits die normale Tempe¬ 
ratur besaßen und deshalb mit den jüngeren eigentlich nicht in 
eine Statistik zusammenzufassen gewesen wären. Das Alter der 
Bullen war nicht mit voller Sicherheit nach Monaten festzustellen, 
weil die Daten der Matrikel nicht zu Gebote standen. Insgesamt 
wurden 150 Simmenthaler und 70 Oldenburger Bullen geimpft, 
wobei sich folgende Temperaturen ergaben: 

Bei den 150 Simmenthalern war die Maximal-Temperatur vor 
der Impfung: 

38 5-38,9 0 C.bei 31 Tieren (20,7 %) 

39,0—39,4 ü C.„76 „ (50,7%) 

39,5-39,9 o C.„35 „ (23,3 %) 

40,0-40.4 0 C.„5 „ (3,3 %) 

40.5 °C und darüber . . . . „ 3 „ (2,0%). 


Bei den 70 Oldenburgern war die Maximal-Temperatur vor der 
Impfung: 

38.5- 38,9 0 C.bei 18 Tieren (25,7 %) 

39,0-39,4 °C.„21 „ (30,0%) 

39.5- 39,9 "C.„19 „ (27,1 %) 

40,0-40,4 oc.„8 „ (11,4%) 

40.5- 40,9 0 C.„ 1 Tier (1,4 %) 

41,0-41,1 °C.„ 3 Tieren (4,3%). 

Die Höhe und Schwankung dieser Temperaturen wurde be¬ 
einflußt durch das Alter, die äußere und Stalltemperatur, Futter¬ 
wechsel, durch die Lungenegelkrankheit, den Eisenbahn-Transport 
und durch den Geschlechtstrieb. Um den Einfluß des Alters zu 
illustrieren, teilt er die betreffenden Tiere nach dem Gewicht in 
drei Gruppen, voraussetzend, daß die schwereren Tiere zugleich 
auch älter seien. 

Zu der ersten Gruppe zählt er die Tiere von 400—600 Pfund 
lebendem Gewicht, und zwar: 

71 nichtreagierende Simmenthaler m. durchschnittl. Temp. v.39,2°C. 
10 reagierende „ „ „ „ „ 39,3° C. 

23 nichtreagierende Oldenburger „ „ „ „39,2°C. 

3 zweifelhaft „ „ „ „ „ „ 39,5° C. 

Zu der zweiten Gruppe zieht er die Tiere von 600—800 Pfund 
lebendem Gewicht, und zwar: 

44 nichtreagierende Simmenthaler m. durchschnittl. Temp. v.39,l°C. 

7 reagierende „ „ „ „ „ 39,3° C. 

30 nichtreagierende Oldenburger „ „ ,, „39,4°C. 

1 zweifelhaft „ „ „ „ „ „ 39,2° C. 

Zu der dritten Gruppe rechnet er die Tiere von 800—1000 
Pfund lebendem Gewicht, und zwar: 

15 nichtreagierende Simmenthaler m. durchschnittl. Temp. v.38,9° C. 

3 reagierende „ „ „ „ „39,1°C. 

13 nichtreagierende Oldenburger „ „ „ „38,9°C. 

Aus dieser Zusammenstellung ergibt sich: 1) daß, wie im 
ersten Teil dieses Aufsatzes bereits erwähnt und nachgewiesen 
wurde, die Temperatur der reagierenden Tiere in der Regel höher 
ist, als die der nichtreagierenden; 2) was im zweiten Teile dieser 
Publikation als Taxe aufgestellt wurde, daß die Temperatur der 
unter einem Jahre alten Tiere Uber 39,0° C, die der über ein 
Jahr alten Tiere aber unter 39,0° C steht 

Einen großen Einfluß auf die Höhe der Temperatur und 
besonders auf die Schwankung derselben schreibt Dr. Pusch dem 
Transport auf der Eisenbahn zu, denn die den Experimenten zur 
Basis dienenden Bullen langten insgesamt mit der Eisenbahn an 
und wurden einige Tage darnach auf die Temperatur untersucht 
und mit Tuberkulin behandelt. Ein großer Unterschied war auch 
zu bemerken, je nachdem die Temperaturaufnahrae bei kalter Winter¬ 
zeit oder an warmen Sommertagen erfolgte. Diese, sowie auch 
die früher erwähnten übrigen Ursachen kann ich meinerseits nicht 
für berechtigt anerkennen. Damit soll nicht gesagt sein, daß ich 
denselben keinerlei Einfluß auf die Veränderung der Temperatur¬ 
verhältnisse zuschreibe, wohl aber, daß diese hohen Tempe¬ 
raturen bei jungen Tieren unter einem Jahre auch unter normalen 
Verhältnissen, also unabhängig von irgend welchen Einwirkungen 
vorhanden sind, ebenso auch die Temperaturschwankungen, 
auf welche unter normalen Verhältnissen bloß das Alter der Tiere 
von Einfluß ist, wie dies aus Tabelle Vn klar und jeden Zweifel 
ausschließend hervorgeht. Die Schwankungen sind bei den Tieren 
unter einem Jahre natürlich nicht so groß (38,5—41,1° C), wie 
Dr. Pusch darstellt, denn bei seinen Experimenten figurieren auch 
18 Monate, also über ein Jahr alte Tiere, bei welchen die normale 
Temperatur eine geringere ist. 

Bei den summierten Daten auf Tabelle VII sind die Tem¬ 
peraturen von Bullen und Kalbinnen zusammen, d. i. nicht getrennt 
verzeichnet. Die Tiere unter zwei Monaten waren beständig im 
Stall gehalten, die älteren gingen im Sommer auf die Weide, im 
Winter aber brachten sie täglich einige Stunden in offenen Scheunen 
zu. Temperaturaufnahmen werden in jedem Teile des Jahres, in 
der Regel in den Abendstunden vorgenommen. Wenn die Jahres¬ 
zeit, die Stalltemperatur, der Futterwechsel bei einer oder der 
andren Gruppe auch eine Erhöhung oder Verminderung der Tempe- 


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1. Ofcto^r 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


619 


ratur verursachte, so war dies bei sämtlichen Individuen der Fall 
und folglich bleibt der Unterschied dennoch ein auffallender, z. B. 
zwischen der Temperatur von einmotatlichen und achtmonatlichen 
Tieren. Dadurch wird es offenbar, daß die Schwankungen der 
normalen physiologischen Temperatur der Rinder unter 
einem Jahre bloß mit dem Alter im Kausalnexus stehen. 
Von der Richtigkeit dieser von mir aufgestellten These 
haben meine Experimente mich Überzeugt und ich hoffe, daß die¬ 
jenigen Fachgenossen, welche diese Frage mitverfolgen und im 
Gefolge der Tuberkulinprobe diesbezüglich experimentieren, die 
Stichhaltigkeit dieses Satzes anerkennen werden. 

Zurückkehrend zu der Frage, was wohl bei Rindern von der 
Geburt bis zum Alter von einem Jahre die allmäliche Temperatur¬ 
verminderung verursachen mag, die sich in den statistischen Daten 
auf Tabelle VII recht augenfällig darstellt, sowie ferner weshalb 
diese Temperaturverminderung gerade bis zum Alter von einem 
Jahre andauert und bzw. weshalb das Rind seine normale Tem¬ 
peratur nicht erst mit dem völligen Erwachsen, z. B. im Alter von 
vier Jahren erreicht, und schließlich, weshalb diese Temperatur¬ 
anomalie bloß bei Wiederkäuern wahrzunehmen ist, — darauf kann 
ich mangels positiver Experimente keine sichere Antwort erteilen, 
Ich setze jedoch voraus, dass die höhere Temperatur der Kälber mit der 
im Vergleich zu den übrigen Organen rapiden Entwickelung des Wanstes 
im Zusammenhänge steht. 

Den Grund zu dieser Annahme schöpfte ich aus dem Umstande, 
daß ich in all jenen Fällen, in welchen ich anscheinend vollständig 
gesunde Tiere mit höherer Temperatur untersuchte und sezierte, 
stets irgend eine mit chronischer Entzündung der Gewebe und 
Wucherung verbundene Veränderung vorfand, und zwar entweder 
inkapsulierte fremde Körper, von dicker Gewebehülle umgebene 
gesebwürige Abzesse oder eine chronische Entzündung der Gebär¬ 
mutter mit verdickter Wandung oder aktinomykotische und tuber¬ 
kulöse Neubildungen. 

Die Gewebebildung kann also stets nur mit Entfaltung 
höherer Wärme stattfinden. Nun ist aber der Wanst des zur Welt 
gekommenen Kalbes, samt dem Netz- und Blättermagen im Ver¬ 
gleiche zum Labmagen so unbedeutend klein, beim entwickelten 
Tiere aber so groß, daß derselbe — im Verhältnisse zum Labmagen 
und den übrigen Organen — sich rieBig entwickeln muß bis zum 
Alter von einem Jahre, zu welcher Zeit die genannten drei Mägen 
ihre im Verhältnis zn den übrigen Organen relativ normale Größe 
erreichen. Die Gewebebildung ist somit beim Wanst, im Ver¬ 
gleiche zur derjenigen irgend eines andern Organs, eine unverhält¬ 
nismäßig große, was meiner Ansicht nach mit Entfaltung einer 
größeren Wärme verbunden sein muß. Diese Wärme ist am bedeu¬ 
tendsten bei dem Tiere bis zum Alter von einem Jahre, während 
welchem sich auch der Wanst am meisten entwickelt hat, wird dann 
geringer und schwindet gänzlich mit dem Alter von über einem 
Jahre, zu der Zeit, wo der Wanst, im Vergleiche zu den übrigen 
Organen, seine normale Größe erreicht hat, d. i. wo die abnorme 
Schnelligkeit seines Wachstums bereits aufhört und von da 
an Schritt hält mit dem normalen Fortschritt der Entwicklung der 
übrigen Organe, bzw. derjenigen des ganzen Körpers. 

Allerdings wird diese meine Theorie nicht gestützt durch die 
neuen Theorien des Fiebers, wonach das Fieber nicht durch Ent¬ 
zündung verursacht, sondern die Wärmesteigerung durch die Auf¬ 
regung der Entzündungsprodukte, der Toxine, hervorgerufen wird. 
Berücksichtigt man jedoch, daß jede Bildung von Geweben und 
sonstigen Gebilden in der Regel mit einer Wärmesteigerung ver¬ 
bunden ist, selbst dann, wenn es sich kaum beweisen läßt, daß 
Toxine entstehen und ins Blut gelangen, wie z. B. bei hochgradigen 
Sehnenausdehnungen und anderweitigen traumatischen Fiebern, sowie 
ferner, daß bei hochgradig trächtigen Kühen — und etwa auch nach 
dem Grade der Trächtigkeit — die Temperatur eine höhere ist ah 
die normale, — so kann man, ohne sich auf wissenschaftliche Ex¬ 
perimente stützen zu können, die Wahrscheinlichkeit meiner An¬ 
nahme nicht in Abrede stellen. Wenn man die relative Entwicklung 
des Wanstes, des Netz- und Blättermagens mit dem Alter des Tieres 
von Monat zu Monat vergleichen würde, d. i. wenn man es zum 
Gegenstände der Beobachtungen machen würde und könnte, um 
wieviel der Wanst im Vergleich zum Labmagen in einem Monat zu¬ 


nimmt und man diese Ziffern hintereinander setzte, so würde man 
wahrscheinlich eine laufende arithmetische Ziflfernreihe erhalten, d. i. 
es würde sich zeigen, daß die relativ rasche Entwicklung des 
Wanstes (Netz- und Blättermagens) mit dem Alter des Tieres immer 
geringer wird, ebenso wie auf Tabelle VII die Temperatur. 

Es ist dies eine wahrscheinliche Anuahme, allein wissenschaftlich 
hat sich meines Wissens noch niemand damit befaßt. Ich meiner¬ 
seits glaube meiner Pflicht genügt zu haben, indem ich diese Frage 
anrege. Die Lösung derselben muß ich den dazu berufenen Män¬ 
nern überlassen. 

Bevor ich schließe, erwähne ich noch, daß die auf Tabelle III 
und VII verzeichneten Temperaturen an Tieren aufgenommen 
wurden, welche in ca. 16 0 C. warmen Ställen untergebracht waren, 
sowie daß das Alter der auf Tabelle VII verzeichneten Tiere auf 
Grund der Matrikel genau bestimmt wurde, mit Ausnahme der unter 
15 gemischt aufgeführten 8—11-monatlichen Kälber, ferner daß ich 
die Daten nicht nach dem Geschlechte der Tiere getrennt 
mitteile, weil ich zwischen der Temperatur von Bullen und Kal- 
binnen keine wesentliche Verschiedenheit wahrgenommen habe. 


Re f er ate. 

Immunisierung gegen Tollwat. 

Von A. Marie. 

(Sori6t6 de Biologie, Dez. 1902. Kef. der Revue g6n. de m£d. vöt.) 

Das Serum der gegen Tollwut geimpften Säugetiere neu¬ 
tralisiert in vitro das Tollwntvims; eine Emulsion von virulentem 
Bulbus ist in einem solchen Serum ungefährlich, wenn sie in 
das Gehirn eines Kaninchens eingeimpft wird. M. hat unter- 
gesucht, ob ein Gemenge von Virus und von antirabischem 
Serum immunisierende Eigenschaften besitzt. Zu diesem Zweck 
injiziert U. seine Mischungen subkutan oder intraperitoneal an 
Kaninchen und Meerschweinchen. Es haben, sobald die injizierte 
Menge groß genug war, die geimpften Tiere, nach einer einzigen 
Einspritzung, Immunität gegen Tollwut gezeigt und zwar trat 
diese Immunität rasch ein. Die mit dem Gemische behandelten 
Patienten widerstanden der Einführung von Virus fixe oder 
Straßenvirns in die vordere Augenkammer schon am Tage der 
Impfung. Über die Dauer der Immunität ist festgestellt worden, 
daß Meerschweinchen, welche im Juli immunisiert worden waren, 
im Oktober noch der intraokulären Probe widerstanden, daß 
sie aber an Tollwut erkrankten, sobald ihnen Virus fixe oder 
Straßenvirus intracerebral injiziert wurde. 

Da es noch nicht gelang, Tiere gegen Tollwut durch die 
Inokuliemng von großer, selbst sehr großer Menge von normaler 
Nervensubstanz zn immunisieren, da ferner das Serum der nicht 
geimpften Tiere das Virus fixe nicht zerstört, da außerdem 
das antirabische Semm nicht gegen Tollwut schützt, sondern 
nur die Evolution der Krankheit verzögert, muß angenommen 
werden, daß die durch das von M. empfohlene Verfahren erzielte 
Immunisation die Folge der Verbindung des spezifischen Serums 
mit der rabischen Substanz ist. Jedenfalls steht fest, daß Tiere 
gegen Rabies immunisiert werden können durch eine einzige 
Injektion eines Gemisches von Virns fixe und antirabischem 
Serum. Zündel. 

Hämorrhagische Septikämie des Rindes. 

Von S. D. Brimhall V. M. D. Minnesota, Gesundheitsamt. 

(American Veterenary Review 190S. Vol. XXVII No. 2.) 

Im Staate Minnesota wurden in den Jahren 1900 und 1901 
im ganzen 80 Ausbrüche dieser Krankheit ermittelt, die bei 
551 Haupt Rindvieh tödlich verlief. Die Mortalitätsziffer er¬ 
reichte der Regel nach 100 Proz. In 8 Beständen betrag die 


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620 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 40. 


Zahl der Erkrankungen und Todesfälle 40—60 Proz. Der Ver¬ 
lauf der Krankheit endete in einigen Fällen schon in 6 Stunden 
mit dem Tode, meistens dauerte dieselbe 24 Stunden, selten 3 
oder 4 Tage. 

Die ersten Erscheinungen waren lustloses Verhalten, Auf¬ 
hören der Milchsekretion und der Freßlust. Einige wenige der 
erkrankten Rinder, die den Versuch machten, Wasser oder 
Futter aufzunehmen, zeigten Schluckbeschwerden. In diesen 
Fällen war auch die Atmung angestrengt. Zu diesen Symp¬ 
tomen gesellte sich Steifheit im Gang, zuweilen Lahmheit. 
Manche Rinder fielen in diesem Stadium zu Boden und starben 
in kurzer Zeit augenscheinlich schmerzlos, andere gingen unter 
Stöhnen mit großen Schmerzen und Muskelkrämpfen ein. Tiere, 
bei denen die Krankheit über 24 Stunden währte, magerten 
schnell ab. Die Temperatur stieg bis 40,5° C und fiel gewöhn¬ 
lich vor dem Tode ab. Schmerzhafte Schwellungen an den 
Beinen, den Schultern und im Kehlgang traten gewöhnlich bald 
nach dem Beginn der Krankheit hervor. Die Darmentleerungen 
waren oft mit blutigen Streifen bedeckt, während zu andern 
Zeiten schwarze, teerartige oder blutige seröse Massen ab¬ 
gesetzt wurden. In manchen Fällen waren blutiger Nasen¬ 
ausfluß und Urin nachzuweisen. Die Schleimhaut des Rektnms 
und der Vagina zeigten intensive Rötung. 

Die charakteristischen Läsionen bestanden in weit ver¬ 
teilten Hämorrhagien von der Größe eines Stecknadelkopfes bis 
zu mehreren Zoll im Durchmesser, die gewöhnlich von einem 
sero-fibrinösen Exsudat umgeben waren. Solche Veränderungen 
wurden beobachtet im subkutanen und intermusknlären Binde¬ 
gewebe, in der Umgebung des Pharynx und Larynx, weiter 
waren gewöhnlich Blntaustretungen an Pleura und Peritoneum, 
am Herzen new. nachweisbar. Die Lymphdrüsen zeigten häufig 
ödematöse oder hämorrhagische Schwellung. 

In den erkrankten Organen ließ sich allgemein die spe¬ 
zifische Ursache der Krankheit, der Bacillus bovisepticus, mit 
Hilfe der gebräuchlichen Untersuchungsmethoden ermitteln. 

Eine Verwechslung mit Milzbrand war hiernach aus¬ 
geschlossen. Peter. 

Ein Beitrag znm Stadium des Entzfindangsprozesses 
in den serösen Häuten mit speziellen Beobachtungen 
über das Verhalten der Deckzellen. 

Von Dr. A. P. Tabusso-Turin 1903. 

Verlag von Renzo Stregllo-Turln. 

Verf. hat seine Untersuchungen an Hunden, Kaninchen und 
Meerschweinchen in dem Laboratorium für vergleichende spezielle 
Pathologie von Prof. Brusasco ausgeführt. Er verfolgte dabei 
der Hauptsache nach zwei Gesichtspunkte. Erstens sollte der 
Inflammationsprozess an den Serösen in seinen ersten Anfängen 
je nach der Natur und Wirkung des ursächlichen Reizes studiert 
werden. Zweitens handelte es sich um die Nachprüfung der 
von einigen Forschern aufgestellten Schlussfolgerungen, nach 
welchen die Deckzellen der serösen Häute, insbesondere zum 
Schutz gegen die Infektion, abgestoßen werden, sich schnell 
isolieren, sphärische Gestalt gewinnen und das Aussehen großer 
mononukleärer Zellen annehmen sollen, deren Funktionen sie 
angeblich teilen nm später wahrscheinlich wieder zu ihrer 
Ursprungsform von prototypen Bindegewebszellen zurückkehren. 

Die von T. gewonnenen Resultate gipfeln in nachstehenden 
Sätzen: 


1. Die Deckzellen und die Bindegewebszellen überhaupt in 
den serösen Häuten reagieren immer auf einen entzündlichen 
Reiz mit einer Hypernutrition und einer Hyperaktivität wenn 
die phlogogene Ursache in bestimmten Grenzen gehalten wird. 

2. Die fibrinöse ev. seröse mit hämorrhagischem Charakter 
komplizierte Exsudation ist die häufiger beobachtete Form der 
Entzündung in den serösen Häuten bei gewöhnlichem Verlauf. 

3. Der Tod der Zellen durch Nekrose oder Nekrobiose wird 
in allen Fällen beobachtet, in denen das phlogogene Agens 
einen sehr intensiven Charakter besitzt. 

4. Die vorgenannten Momente sind in ihrer Entwicklung 
und in der Art ihres Auftretens mehr als von der Natur des 
phlogistischen Agens von dem Grade seiner Intensität abhängig. 

5. Wie beträchtlichen Veränderungen die Deckzellen in 
Form und Neubildungstrieb auch unterliegen können, so kann 
doch eine vitale Tätigkeit derselben nach Ablösung von der 
Unterlage nicht beobachtet werden. 

6. Die fraglichen Zellen sind zwar modifiziert, zeigen sich 

aber nicht nach Art der gewöhnlichen Phagocyten mit phago- 
cytären Funktionen ausgestattet. Peter. 

Zur Behandlung der Sprunggelenksgalle durch 
SynoYietomie. 

Von Tierarzt G. Gavard, Genf. 

(Schweiter-Archlv f. T. 45 B. S. 114.) 

Gavard behandelte bisher 140 Fälle von Sehnen- und 
Gelenkgallen erfolgreich mit Jodtinkturinjektionen. In einem 
Fall, in dem eine umfangreiche Sprunggelenksgalle nach scharfer 
Einreibung, Jodinjektion, Kauterisation hartnäckig rezidivierte, 
führte er die Synovietomie aus: 

Die Haut wird rasiert, eingeseift, mit Äter und Sublimat¬ 
lösung gewaschen, dann ein Längsschnitt von 7 cm durch die 
Haut und Gallenwand gelegt. Es entleert sich etwa ein Dezi¬ 
liter leicht rötlich gefärbte Flüssigkeit. Im übrigen ist der 
Hohlraum mit Fibringerinnsel angestopft, das mit der Hand ent¬ 
fernt wird. Die Gallenwandung wird mit dem scharfen Löffel 
ausgekratzt, der Raum mit Lugolscher Lösung ausgesptilt, ein 
Jodoformgazebausch eingeschoben und ein Deckverband angelegt 
Am nächsten Tag wird diese Waschung und Tamponade wieder¬ 
holt und die Wunde mit Jodoform bestreut. Weiterhin wird 
der Verband täglich erneuert, zur Waschung eine einpromillige 
Sublimatlösung benutzt. Nach 18 Tagen ist die Operationswunde 
geheilt, das ehemals vorhandene Hinken beseitigt, das Pferd 
wieder arbeitstauglich. 

Noch drei andere Synovietomien machte Gavard und hatte 
den gleichen Erfolg. Er hält die Operation bei hartnäckigen 
Gallen stets für indiziert. 0. Albrecht. 

Löslichkeit des Jods in Glyzerin. 

Von Catilion 

Bulletin gi-a. de th6r*peutique, 15. 1. 1903. 

(Ref. der Revue geu. de med. v6t. 15. 2. 1903.) 

Die französische Pharmakopoe läßt 1 Teil Jodtinktur mit 
4 Teilen Glyzerin vermischen, da sich Jod nicht direkt durch 
Mazeration in Glyzerin auflöst. Bringt man jedoch in Spiritus 
oder in Aceton aufgelöstes Jod in Verbindung mit Glyzerin 
und vertreibt dann das flüchtige Lösungsmittel, so bleibt das 
Jod in Glyzerin aufgelöst. Es gelingt auf diese Weise, 1 Gramm 
Jod in 2 Gramm Glyzerin aufzulösen. Im Gegensatz zu den 
Lösungen in Aceton ist in den Lösungen in Glyzerin keine 
Reaktion zu bemerken. 


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1. Oktober 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 621 


Es ist somit möglich Jodglyzerinlösungen in allen Kon- 
zentrationsstnfen herzustellen, ohne Anwendung von Jodkalium, 
und ist dieser Lösung der Vorzug zu geben, wenn man auf 
tieferliegende Teile einwirken und eine weniger heftige aber 
länger andauernde Wirkung erzielen will. Das Glyzerin ver¬ 
hindert die Evaporation und reizt nicht wie der Alkohol. 

Zündel. 

Wochenübersicht über die medizinische Literatur. 

Von Dr. Jess-Charlottenburg, 

KraUtierant. 

Deutsche Medixinal-Zeitung Ar. 74. 

Euchonin; Von Steckei. Euchonin ist ein Ersatzmittel des 
Chinins und stellt eine Verbindung von Chinin mit Aethyl- 
kohlensäure dar. Es leistet vorzügliche Dienste bei Keuch¬ 
husten. 

Zentralblatt für allgemeine Gesundheitspflege. 22. Jahrgang. 7. und 
8. Heft 1903. 

Trassmistlon ä l’homme, par inoculation accidentelle, de la tuber 
oulose bovine et riinocuiation experimentale au veau; von Spronk und 
Hoefnagel. Verfasser beobachteten einen Fall, in dem ein Ab¬ 
decker sich bei einer hochgradig tuberkulösen Kuh eine Wunde 
am kleinen Finger zuzog. Die Wunde heilte, jedoch allmählich 
entwickelte sich eine Schwellung und auch eine Vergrößerung 
der Lymphdrüsen. Die Überimpfung der exstirpierten Lymph- 
drüsen auf Meerschweinchen erzeugte hochgradig tuberkulöse 
Veränderung. Die Milz des Meerschweinchens wurde einem 
gesunden Kalbe unter die Haut gebracht, und dieses erkrankte 
an allgemeiner Tuberkulose. 

Fortschritte der Medix in. Band 21. Nr. 20. 

Zur ßerumdiagnose der Tuberkulose; von Ruitinga. Wie R. 
in der Zeitschrift für Tuberkalose und Heilstättenwesen Band 3 
Heft 6 1902 mitteilt, hat er Versuche mit dem Blutserum von 
neun geschlachteten Rindern angestellt, wobei er sich Arloingscher 
Originalkulturen bediente. Das Blutserum ergab in allen Fällen 
bei einer Verdünnung von 1 zu 20 bis 40 positive Resultate. 
3 dieser Tiere ließen keinerlei tuberkulöse Veränderungen er¬ 
kennen. 

Verfasser spricht der Arloingschen Serumreaktion jede 
Bedeutung für die Erkennung der Tuberkulose ab. 

Fortschritte der Medixin. Band 23. 

Die Arbeiten der Jahre 1900 bis 1902 über Milch und Säuglings- 
Ernährung; von Dr. Hauser, Kinderarzt in Berlin. Bezüglich 
der Einzelheiten des sehr umfangreichen Sammelreferates, 
welches am Schlüsse eine ausführliche Literaturzusammen¬ 
stellung enthält, muß auf das Original verwiesen werden. 
Fortschritte der Medixin. Band 24. 

Neuere Arbeiten über die Auswaschung des Körpers bei toxisch¬ 
infektlösen Zuständen; von Dr. Mamlock. Bereits Mosler hat 
1873 auf den Nutzen größerer Wassereinläufe in den Mastdarm 
hingewiesen. Später hat Cantani 1884 heißes, tanninhaltiges 
Wasser auch bei der Behandlung von Cholera in Italien ver¬ 
wandt. Monti hat Kochsalzlösung zu dem gleichen Zwecke 
benutzt und Sahli hat 0,07prozentige Kochsalzlösung bis zu 
zwei Liter in subkutaner Injektion zur Behandlung von Typhus und 
Urämie angewandt. Es wurde jedoch, namentlich von Ba¬ 
ginski, auf die Gefahren hingewiesen, welche nach subkutaner 
Injektion durch Herzdilatation entstehen. Wernitz hat dann 
rektale Salzwasserinfusion bei toxisch-infektiösen Zuständen in 
größerem Umfange angewandt und zwar läßt er eine bis ein¬ 


prozentige Kochsalzlösung möglichst langsam in den Mastdarm 
einlaufen. Zunächst wird der Kot entleert und damit die 
Darmschleimhaut resorptionsfähiger gemacht. Es wird ungefähr 
jede Stunde ein Liter resorbiert Wichtig ist, daß die Koch¬ 
salzinfusion möglichst langsam geschieht, um dem Organismus 
Zeit zu geben, die Flüssigkeit aufznnehmen. Bei dieser Methode 
gelingt es, schwere Infektionskrankheiten zur Besserung zu 
bringen. Verfasser empfiehlt, diese Kochsalzauswaschung des 
Körpers weiter zu verwenden. 

Tagesgeschichte. 

Die Militär-Veterinär-Reform. 

Ältere, ernste und behäbige Männer sogar konnte man ihre 
Verwunderung aussprechen hören darüber, wie kühl die Tier¬ 
ärzte das so heiß ersehnte Abiturientenexamen aufgenommen 
haben. Das ist wohl innerlich nicht ganz zutreffend, aber 
äußerlich mochte allerdings ein solcher Eindruck entstehen. 
Der ungeheuren Bedeutung des Ereignisses für uns hätte eben 
nur irgend etwas ganz Außergewöhnliches, Hinreißendes, Tolles, 
Elementares ebenbürtigen Ausdruck verleihen können, und etwas 
Derartiges gibt es ja nicht innerhalb der bürgerlichen Regeln. 
So entstand das Gefühl, daß alle Feste, Feierreden und 
Federleistungen eigentlich schwächlich zurückblieben hinter dem, 
was uns geschehen war, was man empfand und was man gern 
heransgejubelt hätte, wenn nur ein Ausdruck dafür zu finden 
gewesen wäre. Vielleicht kam auch noch eine unstreitige 
Abspannung hinzu. Es hatte etwas zu lange gedauert, die 
Rückschläge und Enttäuschungen, die Zweifel bis zum letzten 
Augenblick hatten das Gefühl mürbe gemacht, und es ging den 
Tierärzten wie einer siegreichen Truppe nach heißem Tage, 
bei der die Siegesfreudigkeit auch erst durchschlägt, wenn der 
Müdigkeit ihr Recht geworden. 

Bei der Militär-Veterinär-Reform, dieser ersten gewaltigen, 
praktischen Wirkung der Universitätsreife, wird auch vielleicht 
die Freude äußerlich hinter dem Ereignis Zurückbleiben. Die 
Bedeutung dieser glänzenden Metamorphose ist so groß, daß 
sie kaum ausgesprochen, sondern nur gefühlt oder heute erst 
geahnt werden kann, voll empfunden vielleicht nur von jenen 
Tierärzten der Linie und der Landwehr, welche aus dem 
herrlichen Feldzuge von 1870 nichts heimgebracht hatten, 
als das quälende Bewußtsein der unerträglichen Niedrigkeit 
der ihnen angewiesenen Stellung, welche inmitten des Jubelns 
eines ganzen Volkes nur von Bitterkeit erfüllt waren über eine 
Behandlung, die selbst im Feindesland sich nicht über kränkende 
Kleinlichkeiten zu einer Art von kameradschaftlichem Empfinden 
zu erheben vermocht hatte. Daß solche Erinnerungen jetzt mit 
Fug und Recht in Vergessenheit versinken, daß die angeborene 
deutsche Zuneigung zum Heere unter den Tierärzten nicht 
mehr beeinträchtigt werden wird durch Übelstände in der Lauf¬ 
bahn des Roßarztes, daß sie alle jetzt mit Stolz das zeigen 
können, was man früher im Hintergrund hielt, das ist die 
schönste unter den Erungenschaften, welche die Militär-Veterinär- 
Reform bringt. 

Es ist ja vom Gefühlsstandpunkt aus schade, daß nicht alles 
aus einem Gusse fertig geworden ist; es hat aber auch wieder 
den Vorteil, daß jedes neue Stück, das fertig wird, wieder neue 
Freude bringt. Wir sind ja gewiß, wir wissen es, daß alles gut 
werden wird. Das Veterinäroffizierkorps ist gesichert und sicher 


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622 

ist auch, daß seine Chargen in eine angemessene Stellung 
gelangen. Es ist allerdings wahrscheinlich, daß auch nach Fertig¬ 
stellung des Organisationsplanes noch Jahr nnd Tag vergehen, 
denn die Organisation ist doch mit pekuniären Folgen verknöpft, 
die erst der Reichstag zu genehmigen haben wird. 

Die Bezeichnungen, welche an die Stelle der bisherigen ge¬ 
treten sind, gelten zunächst nur bis auf weiteres. Unzweifelhaft 
werden sie auf das spätere Militärveterinärkorps übernommen 
werden; aber es ist ja nicht gesagt, daß dann nicht noch Chargen 
hinzukommen. Vorläufig hat man eben nur den vorhandenen 
Dienstgraden neue Namen gegeben, ohne damit der zukünftigen 
Einteilung der Dienstgrade irgendwie vorzugreifen. Deshalb ist 
auch nichts über den Umstand zu sagen, daß zurzeit zwischen 
Ober- und Unterveterinär die natürlich erscheinende Stufe des, 
Veterinärs fehlt, denn die kann ja noch eingefügt werden. Die 
Bezeichnung Unterveterinär ist eben lediglich die korrekte Über¬ 
tragung des „Unterroßarzt“, die man übrigens auch später 
schon wegen der Analogie mit dem Unterarzt, nicht wird ent¬ 
behren können. 

Die Heeresverwaltung hat vielleicht selbst nicht gewußt, 
wie außerordentlich wertvoll für uns gerade diese Titelver¬ 
änderung ist. Wenn in der politischen Presse stellenweise der 
Sprachreinigungs-Biedermeier sich darob erhitzt und jemand 
sogar geschrieben hat, daß Roßarzt doch viel schöner klänge, 
so kann man sich nur lächelnd ausmalen, was der Herr sogar 
sagen würde, wenn man ihm eine mit Roß vermischte Bezeichnung 
beilegen würde. Wir können nichts dafür, daß dem „Roß“ neben 
seinem poetischen Ansehen noch eine so fatale Nebenbedeutung 
innewohnt. Aber davon natürlich ganz abgesehen, „Korpspferde- 
arzt“oder gar „Korpstierarzt“ wäre auch nicht besser. Wir können 
uns auf unseren tierärztlichen Beruf gewiß jetzt etwas einbilden, 
aber eben deshalb können wir es offen aussprechen: es ist ein 
nicht zu unterschätzender Vorteil, daß gerade in der Armee das 
Tier aus dem Titel verschwindet, auch zur Überwindung des 
alten Vorurteils. Ein Titel muß übrigens auch sprachlichen 
Klang haben und der kommt dem Stabsveterinär zu, dem Ober¬ 
roßarzt nicht.*) 

Ich glaube, daß gerade die neuen Benennungen unter den 
Tierärzten einhellige große Freude hervorgerufen haben, die 
überdies noch einen ganz besonderen Grund hat. Wir freuen 
uns nämlich, daß es die bayerischen Bezeichnungen sind, welche 
man angenommen hat. Die bayerischen Militärveterinäre waren 
seit 1870 tief verstimmt, weil sie in ihrer Stellung gegen früher 
zurückgegangen waren. Wir haben es oft hören müssen, daß 
daran Preußen schuld sei, und das hat uns weh getan, weil wir 
es nicht bestreiten konnten. Der Vorteil einheitlicher Verhält¬ 
nisse im Veterinärkorps der ganzen deutschen Armee, ebenso 
wie im Sanitätsoffizierskorps, liegt auf der Hand. Es hätte aber 
bei den Bayern erneutes und berechtigtes Mißvergnügen hervor¬ 
gerufen, wenn sie deshalb ihre Bezeichnungen hätten wechseln 
müssen. Nun ist die Namenfrage zur allseitigen Freude unter 
uns geregelt. Der für die bayerischen Kollegen zeitweilig ein¬ 
getretene Rückschlag in der Stellung wird ebenfalls ausgeglichen. 

*) Etwas anderes ist es mit „Kreistierarzt“. Das klingt durchaus 
gut und ist ein Titel, der sich inmitten der landwirtschaftlichen Be¬ 
völkerung Bedeutung verschafft hat. Nachdem man überdies den Kreis- 
physikus in einen Kreisarzt verwandelt hat, wird man den Kreistierarzt 
nicht umgekehrt zum Kreisveterinär machen. 


No. 40. 


Auch hier verschwindet daher jetzt eine alte unangenehme Er¬ 
innerung und muß einer allgemeinen Zufriedenheit Platz machen. 

Daß die Armee ihr eignes Ausbildungsinstitut in Berlin bei 
behält, kann nur als zweckmäßig bezeichnet werden. Seine Um¬ 
wandlung in eine Militär-Veterinärakademie nach dem Muster 
der Kaiser-Wilhelm-Akademie ist nicht minder bedeutungsvoll, 
als seinerzeit die Erhebung der Tierarzneischulen zu Hochschulen 
es war. Hier hat es lang genug gedauert, bis der neue Name 
einen Inhalt bekam. So wird auch die Militär-Veterinärakademie 
einige Zeit brauchen zu ihrer vollen Entwicklung. Aber wir 
sind überzeugt, daß die Armeeverwaltung in verhältnismäßig 
kurzer Zeit ganze Arbeit machen wird. Daß sich die Akademie 
dabei eine ihrem militärischen Charakter entsprechende Eigenart 
bewahren muß, versteht sich von selbst. Der akademischen 
Freiheit braucht z. B. auch durch eine Hausordnung, wie sie 
selbstverständlich unentbehrlich ist, durchaus kein Abbruch zu ge¬ 
schehen. Die jetzigen Studierenden derMilitär-Veterinär-Akademie 
können sich nicht besser als echte Akademiker betätigen, wie wenn 
sie durch die Tat beweisen, daß Fleiß und gute Leistungen nicht 
erzwungen werden müssen. Dann werden die Stabs- und Ober¬ 
veterinäre, denen ihre Ausbildung und Leitung anvertraut ist, 
mit Freuden dem akademischen Geiste Rechnung tragen können. 
Die Vermehrung der Inspizienten durch vier Hilfsinspizienten ist 
übrigens eine vortreffliche Maßregel. Ein charakteristisches 
Merkzeichen früherer Zeit, der aufsichtfdhrende Wachtmeister, 
ist, so viel ich weiß, bereits verschwunden. Vermutlich wird 
wird auch die äußere Gestalt der neuen Akademie eine freundliche 
Veränderung erfahren durch umfangreiche Neubauten. Der Platz 
dazu würde sich wohl am besten freimachen lassen durch Ver¬ 
legung der ja nicht kostspieligen Gebäude der Militär-Lehr¬ 
schmiede, für welche dem Militärfiskus übrigens in nächster 
Nähe, auf dem Platz der kassierten Artillerie-Kaserne, Bauland 
zur Verfügung stände. Völlige räumliche Trennung der Akademie 
von der Lehrschmiede bei übrigens naher Nachbarschaft wäre 
in jeder Beziehung vorteilhaft. Durchaus mit Beifall zu begrüßen 
ist die Art, wie den Bedürfnissen des Hufbeschlages genügt ist. 
Die Zeit der Ausbildung ist kaum vermindert und dennoch ist 
unsern Wünschen Rechnung getragen. Der halbjährige Kursus 
nach dem Studium ist gewiß praktisch. Andrerseits ist es sehr 
erfreulich, daß der Besuch der Lehrschmiede vor dem Studium 
auf ein Halbjahr beschränkt ist und daß dazu das zweite Semester 
des einjährig-freiwilligen Jahres benutzt wird. 

Ein Punkt, der nicht genügend klar erscheint, ist die Zu¬ 
lassung Zwei- und Dreijährig-Freiwilliger neben Einjährig-Frei¬ 
willigen. Es ist bemerkenswert, wie vorsichtig die Verwaltung 
an den einjährig-freiwilligen Dienst herantritt. Beide Kategorien 
als dauernde Einrichtung neben einander bestehen zu lassen, 
würde sich durchaus nicht empfehlen. Es ist wohl die Annahme 
berechtigt, daß es sich nur um eine Übergangsmaßregel handelt, 
die aufhören wird, sobald die ganze Reorganisation abgeschlossen 
ist oder sobald die Ausgiebigkeit des Zuzuges von Einjährig- 
Freiwilligen sicher gestellt ist. Sollte dies aber wider Erwarten 
nicht beabsichtigt sein, so wird dennoch der Zwei- und Drey ährig- 
Freiwillige in nicht langer Zeit von selbst verschwinden. 

In einem österreichischen Blatte wurde bei Mitteilung der 
Reform besonders hervorgehoben, daß von einem Referenten im 
Ministerium nichts verlaute. Dies will mir als eine große Neben¬ 
sache erscheinen. Nicht auf eine einzelne Spitze kommt es an, 
sondern darauf, daß das Ganze vorwärtskommt. Schmaltz. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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1. Oktober 1903. 

Was wird aas den preußischen Departementstierärzteu? 

Daß das Ganze vorwärts kommt, das ist das Entscheidende. 
Dazu gehört, daß alle Teile gleichmäßig gefördert werden, daß 
keiner gegenüber anderen zurückbleibt. Dies gilt jetzt für 
das Zivilveterinärbeamtentum gegenüber den Militärveterinären. 
Würden die Departementstierärzte gegenüber den Korpsstabs¬ 
veterinären Zurückbleiben, so wäre das eine nachteilige Ungleich¬ 
mäßigkeit in der Entwicklung des Veterinärwesens überhaupt. 
Daß die dienstliche Tätigkeit des Departementstierarztes der 
des KorpsstabsveterinärB, sagen wir, vollständig gleicbkommt, 
das wird nirgends bezweifelt. Die Korpsstabsveterinäre aber 
werden unzweifelhaft wirkliche, nicht bloß charakterisierte 
Stabsoffiziere. Dann ist für die Departementstierärzte der 
Veterinärrat und die IV. Rangklasse nur angemessen. Wir 
wissen, daß dagegen Bedenken erhoben werden konnten und 
erhoben sind; die Departementstierärzte selbst haben sich diesen 
Einwendungen nicht verschlossen. Ob solche wirklich begründet 
waren, bleibe dahingestellt; gegenwärtig sind sie es jedenfalls 
nicht mehr. Damals tauchte irgendwo die Vermutung auf, es 
könne der Titel Veterinärinspektor gewählt werden. Es ist 
nicht zweifelhaft geblieben, daß dies allgemeiner Abneigung 
begegnen würde; es ist auch wohl davon keine Rede. 
Aber auch irgend eine deutsche Amtsbezeichnung wäre nicht besser. 
Es gilt dasselbe wie bei den ehemaligen Korpsroßärzten: Departe¬ 
mentstierarzt, Regierungstierarzt etc, das sind keine Titel, die 
klingen. Nicht in erster Linie den Departementstierärzten, 
sondern dem Publikum, den Regierungsmitgliedern gefallen sie 
nicht, denn man wendet sie einfach nicht an. Und wenn sich manche 
Departementstierärzte Veterinärassessor nennen lassen, wenn man 
über die Berechtigung dazu im Zweifel sein kann und es bei 
weißhaarigen Männern vielleicht sogar wunderlich findet, so 
können doch diese am wenigsten dafür; es wird ihnen aufge¬ 
zwungen. Es bleibt für die Departementstierärzte schlechter¬ 
dings nichts andres übrig als der Veterinärrat, selbstverständlich 
in Verbindung mit der IV. Rangklasse. Schon früher konnten 
wir zur Begründung dieses Wunsches auf die Stellung der 
Landestierärzte in den kleinen Bundesstaaten hinweisen. Wenn 
Medizinal- und Veterinärwesen Reichssache sind, dann dürfen 
auch keine Ungleichmäßigkeiten bestehen bleiben. Das preußische 
Veterinärwesen verdient auch äußerlich nicht, zurückzutreten. 
Die preußischen Departementstierärzte traten bisher zurück vor 
den Landestierärzten kleinerer Bundesstaaten, deren Dienstbereich 
im allgemeinen dasselbe sein dürfte. Jetzt entsteht die Frage, 
ob sie auch hinter den Korpsstabsveterinären zurücktreten 
werden. Soll dies vermieden werden, so muß eine Rang- und 
Titeländerung im obigen Sinne eintreten. Die Armeeveterinäre 
sind vorzüglich gefördert. Wenn die Kreistierarztreform ein¬ 
getreten ist, werden auch die Kreistierärzte zufrieden sein. Da 
wäre es traurig, wenn die Departementstierärzte allein beiseite 
stünden; und das würden sie tun. Jetzt wo die Angelegenheit 
wohl noch vor der Entscheidung steht, muß man das einmal aus- 
sprechen: sie würden sich für benachteiligt und znrtickgesetzt 
halten. Denn sie sind der Meinung, daß das, was der Herr Kriegs¬ 
minister für seine Veterinäre fordert, dem Herrn Minister für Land¬ 
wirtschaft für seine Beamten ebenfalls zustehe. Schmaltz. 

Der Kampf um die Idee. 

Von Dr. Schmitt-Cleve. 

Das Ringen des tierärztlichen Standes läßt sich nach zwei 
Gesichtspunkten verstehen: einmal die Anerkennung des Be- 


623 

rufes im Rahmen der bestehenden gesellschaftlichen Ordnung, 
und das andre Mal die Erwerbung einer dem Bildungsgrade 
entsprechenden Stellung der Tierärzte im allgemeinen und der 
beamteten im speziellen. 

Wir dürfen von dem historischen Verständnis der Leser 
wohl erwarten, daß sie begreifen, warum das erstrebte Ziel 
noch nicht erreicht sein kann: es ist, kurz gesagt, der un¬ 
fertige Zustand, in dem sich der Stand und sein innerer Aus¬ 
bau heute noch befinden. Auch hatten wir bis in die neuste Zeit 
nicht das große Glück, Männer in wissenschaftlich heroischem 
Sinne des Wortes zu den unsrigen zu zählen, die mit der Fackel 
des Genies uns den Weg zeigten, den wir zu begehen hätten, 
und die durch die Kraft ihres Geistes den Gegenstand so zu 
fassen und zu behandeln verstanden, daß sich die ferner¬ 
stehenden Menschen in den Bann ihrer geistigen Tätigkeit 
gezogen fühlten. Ich bin jedoch der Ansicht, daß von dem 
Gros der Tierärzte überhaupt nicht viel darüber nachge¬ 
dacht wird, worin bis heute der wahre Grund für die rück¬ 
ständige Bewertung unsres Berufes zu suchen ist. Man ver¬ 
weise mich nicht zum Gegenbeweis auf Männer in geachteter 
Lebensstellung, die, gleichwohl Tierarzt, über einen gewissen 
Einfluß verfügen; sie besehe man sich einmal mit der Lupe 
der Kritik, und man wird finden, daß ihr Einfluß auf die 
Macht der äußeren Verhältnisse (Mangel an geeigneten andern 
Personen) oder auf sonstige schlau angelegte Konstellationen 
zurückzuführen sein dürfte. Also, so folgere ich weiter, fehlt 
es dem tierärztlichen Berufe an sich an dem entsprechenden 
Zugmittel, die Aufmerksamkeit und die Rücksichtnahme auf den 
Tierarzt als solchen allein zu lenken. Und ich bin geneigt, 
den Grund darin zu suchen, daß wir selbst uns und unsern 
Beruf bis heute zu wenig über das Niveau der Alltagsmenschen 
zu heben gelernt haben. Der Stand der Ärzte, der in früheren 
Jahren eine so hochgeachtete Stellung (salus aegroti suprema 
lex) eingenommen hat, geht in der allgemeinen Wertschätzung 
zurück, wohl aus keinem anderen Grunde, als weil teils die 
Macht der äußeren Verhältnisse ihn mehr zu der Klasse der 
Gewerbtreibenden herabgedrückt hat, andernteils er selbst das 
Geschäftsmäßige zu sehr heranskehrt, während die Juristen 
klug hinter sich die ideale wuchtige Gestalt des Gesetzes mit dem 
strengen Antlitz sich emporrecken lassen können und den 
Orthodoxen die mystische Neigung der Menschen zu ihrem 
Vorteil verhilft. Nun könnte ja einer die eingangs erwähnte 
Schutzwaffe der natürlichen Entwicklung einer Sache gegen 
mich kehren wollen und mich auf die große Zahl unsrer 
wackeren Streiter hinweisen, die unbekümmert um die sinnenden 
Köpfe der objektiven Forschung sich widmen, um Baustein auf 
Baustein zu setzen, damit ein stolzes Gebäude einer wissen¬ 
schaftlich begründeten Tierheilkunde entstehe, das trotzig sein 
Haupt erhebt und mit offenen Toren der Besucher — harrt. 
Recht so! Alle Achtung! Aber die Ausstellung selbst! Was 
bietet sie? Was behandelt sie? Was ist ihr Objekt? Ist es 
das Tier? Ist es der Mensch? Nicht z« verkennen, das erstere, 
leider aber nur, indem es, bis heute wenigstens, fast ausschlie߬ 
lich in das materielle Interesse der Menschen gestellt ist. Wenn 
man also erwarten sollte, in unsrem Gebäude ein Gemälde zu 
sehen, dessen Figuren die Tiere sind, finden wir ausschließlich 
eine Apotheose des Menschen, der als Staffage die Tiere dienen, 
gleich 8tnmmen Anklägern gegen jene. Für sie aber einzutreten, 
das sollte die Pflicht eines jeden von uns sein. Ich erinnere 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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624 


hierbei an einen berühmten Ausspruch Jnhners, wonach die 
Sicherstellung, Fruchtbarkeit und Tiefe einer allgemeinen 
Ansicht überhaupt nicht am Allgemeinen hängt, sondern am 
Elementaren. Was ist nun das Elementare für uns? Zweifel¬ 
los das Tier und seine Wertschätzung. Also das, was wir 
Interesse nennen. Ja! Aber mit dem ausdrücklichen Hinweis, 
daß ich hier alles andre, nur nicht den Wert meine, den die 
Tiere als Handelsobjekt haben. Es liegt mir fern, auch jenen 
gegensätzlichen Standpunkt ganz unbeachtet zu lassen, ich bin 
vielmehr der Meinung, daß sich gerade aus der neuen erstrebten 
Kampfesstellung der Parteien, wobei Idealismus gegen Materia¬ 
lismus steht, der richtige Friede schließen läßt zwischen 
Theorie und Praxis, dort die erstrebte Besserung, hier das Un¬ 
abänderliche. Allein was und wer soll die Kämpfenden zu¬ 
sammenführen? Es fehlt bei uns an der treibenden Kraft und 
das wäre — die Idee, die uns beherrschen sollte. Der Jurist 
hat als solche die Gerechtigkeit (fiat justitia, pereat mundus), 
der Arzt, seinen Mitmenschen zu helfen, die Religiösen das 
Prinzip des Guten, der Stand der Lehrer die Erziehung der 
Jugend, der Soldat die Ehre und die Größe des Vaterlandes, 
der Tierarzt? Ich kenne keine, die als ausgemacht 
gilt. Die Leiden der Tiere mildern ? Nein! Denn es 
beteiligen sich noch viel zu viele zum Schaden von sich selbst 
und zum Nachteil ihres Standes ein großer Teil der Tier¬ 
ärzte an dem Schacher mit Tieren, bzw. was damit zusammen- 
hängt, und zu wenig an den Bestrebungen des Tierschutzes. 
Allein da doch, wie bekannt, die Idee metaphysisch oder 
anthropomorphistisch gedacht, das treibende Element in jeder 
Entwicklung ist, so muß eine solche doch auch für uns zu 
finden sein. Nach Lage der Dinge und da man guttut, Btets 
an die Gegenwart anzuknüpfen, so dürfte sich vielleicht 
empfehlen, die Tierheilkunde in das Zeichen des „ethischen 
Materialismus“ zu stellen und ihre Weiterentwicklung an ihn 
anzuknüpfen, zumal da ja doch ans ihm der moderne echte Fort¬ 
schritt entspringt und sich mit seiner Hilfe bei der noch herr¬ 
schenden Ansicht über die Stellung der Tiere im Reiche der 
Natur für diese am meisten erreichen läßt. Damit wäre zweierlei 
gewonnen: 1. daß in die Tierheilkunde ein neuer lebenskräftiger 
Begriff eingeführt wäre, und 2. daß wir als ideelles Endziel 
unsres Strebens klar ausgesprochen hätten, was jetzt so viele 
bewegt: die Förderung der gesamten Menschheit auf dem 
Gebiete der Ethik. Man wird fragen: Wozu das alles? Nun — 
aus Liebe zur Tierheilkunde, weil sie nach meiner Empfindung, 
wenn es auf dieser nüchternen Bahn weitergeht, bald ihre 
Selbständigkeit verlieren wird, wie das mit jeder Sache so 
kommt, der nicht neue Lebensquellen erschlossen werden. 
Dieses Gefühl hatte man zweifellos auch anderwärts, sonst 
würde der Gedanke an Anlehnung an die Landwirtschaft nicht 
erwacht sein. Er war zeitlich glücklich, das läßt sich nicht 
leugnen, aber er war mehr intuitiv, als geleitet durch eine klar 
erkennbare Idee. Denn so wie die Anlehnung hier betätigt 
werden soll, machen wir uns bloß zu Helfershelfern, geschweige 
denn, daß wir unsre Selbständigkeit bewahren. Zum Glück 
hat sich der V. b. T. vorläufig nur an die Zentralvertretung 
der deutschen Landwirtschaft angeschlossen, ein Institut, von 
dem eine einigermaßen gerechte, ideellere Würdigung unsrer 
Bestrebungen erwartet werden darf. Hoffentlich hält die Land¬ 
wirtschaft den dargebotenen Arm treu und fest, damit wir 
möglichst bald von dem Gefühl der Isolierung befreit sind, das 


No. 40. 


wie ein unheilvoller Fluch auf uns gelastet hat. Offen gestanden: 
die Anlehnung an die Medizin, speziell an die Hygiene, würde mir 
besser zugesagt haben. Dort wird die Tierheilkunde, so fürchte 
ich, wegen der Einseitigkeit des neuen Gönners zu wenig 
Beachtung finden, oder gar von dem Strudel des Interesses ver¬ 
schlungen; hier aber könnte sie sich auf vielen Gebieten 
betätigen, ohne daß die Landwirtschaft dabei zu kurz zu kommen 
braucht. — Wohin der Mangel einer uns alle gemeinsam 
begeisternden Idee führt, sehen wir mit überzeugender Klarheit 
an der jetzigen Zersplitterung des kaum mündig gewordenen 
tierärztlichen Standes. Einen Mangel an Idee beweist es, wenn 
unsre jungen Tierärzte in der überwiegenden Mehrzahl aus 
dem Studium kommen, ohne zu wissen, worauf es in unsrem 
Berufe eigentlich ankommt. Der Mangel an einer einenden 
Idee war es, der einigen streitbaren Köpfen des V. b. T. den 
zweifelhaften Mut gegeben hat, im Kampfe gegen einen 
Schmaltz, den wir Tierärzte mit Gold einfassen sollten, damit 
er uns erhalten bleibe, ihre Sporen zu verdienen. Mangel an 
Idee ist es, wenn bei den Reformbestrebungen der Ruf nach 
sog. Repräsentations - Stellungen (Militär: hie Offizier, hie 
Beamte) vor allem laut wird, während wir mehr danach 
streben sollten, daß uns möglichst viele Arbeitsgebiete er¬ 
schlossen würden, auf denen wir unsre Tüchtigkeit, unser 
Wissen, unsre Zuverlässigkeit und unsre Unentbehrlichkeit 
betätigen könnten. Zur „Repräsentation“ ist unser Stand nicht 
geeignet. Wir selbst sind hierzu auch noch nicht reif. 

Nicht umsonst mahnt unser Nestor Lydtin mit Worten 
und Taten zur Einigkeit. Allein es ist, als ob wir mit Blindheit 
geschlagen wären. Kaum bietet uns die Gesetzgebung einen 
Mittelpunkt, um den wir uns endlich einmal kristallisieren 
könnten, die Fleischbeschau, so splittern die Wünsche schon 
wieder auseinander. Gegen nichts wehren sich die fleisch¬ 
beschauenden Tierärzte mehr, als die prinzipielle Beaufsichtigung 
ihrer Tätigkeit durch den Staat mit Hilfe seiner Beamten, auf¬ 
steigend vom Kreis- bis zum Departementstierarzt. Ist es denn so 
schwer, einzusehen, daß gerade hierin ein Mittel gegeben ist, 
den gesamten tierärztlichen Stand beamtenmäßig zu formen und 
mit dieser Bildung keilförmig einen Vorstoß zu wagen für 
die Verstaatlichung der Kreistierärzte und ihren Verzicht auf 
privaten Erwerb? Warum stimmt man nicht freudig dem zu, 
was als Anfang einer geschlossenen Organisation geboten ist? 
Denn die Zustimmung unsrerseits würde in maßgebenden, 
leitenden Kreisen die Befriedigung über die geleistete Arbeit, 
den Ansporn für immer weitere Aufgaben abgeben. Wo wollen 
wir unser Heil denn anders suchen, als in staatlicher Organi¬ 
sation unter gesetzlicher Regelung der Materie, in dem Ein¬ 
gefügtsein in den Rahmen der Gesamtheit, von der wir nur 
so unsre Bewertung und Beachtung erzwingen können ? Keiner 
unsrer verschiedenen Spezialberufe verträgt heute mehr eine ober¬ 
flächliche, nebenher gehende Abwicklung seiner Geschäfte; jeder 
erfordert einen Mann ganz, um die einschlägigen Arbeiten gründ¬ 
lich durchzuführen. „In der Beschränkung zeigt sich der Meister.“ 

Und so wage ich es denn, die Frage nach Anerkennung 
einer leitenden Idee bei uns aufzurollen, und würde mich be¬ 
friedigt bescheiden, den Anstoß hierzu gegeben zu haben. 

f 

Am 4. September verstarb nach achttägigem Krankenlager 
an Lungenentzündung der Tierarzt Walter Pölitz in Wuns- 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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1. Oktober 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


625 


dorf. Der Dahingeschiedene war Vorstandsmitglied des Tier¬ 
ärztlichen Generalvereins für die Provinz Hannover und hat 
viele Jahre hindurch die Schriftführergeschäfte dieser Körperschaft 
mit sorgfältigem Fleiße und großer Gewissenhaftigkeit besorgt. 

Er gehörte nicht zu den Großen, welche die tierärztliche 
Wissenschaft bereichern oder der Praxis neue Wege öffnen. 
Niemand hat das weniger zu sein gemeint, als er. Treu war 
der Grundzug seines Wesens. Er war treu in seinem anspruchs¬ 
losen Arbeitsleben, treu in den Pflichten, die er übernommen hatte. 

Pölitz war geboren am 15. Juni 1856 in Magdeburg, hat 
in Berlin und Hannover studiert und sich im Jahre 1880 die 
Approbation als Tierarzt erworben. Nachdem er seiner Militär¬ 
pflicht genügt, führte er zunächst die Praxis seines verstorbenen 
Schwiegervaters in Wunsdorf weiter. Von 1889 bis 1891 war 
er als zweiter Schlachthaustierarzt in Hannover angestellt. 
Aber sein Interesse für die tierärztliche Praxis war zu groß, 
als daß er sich dauernd hätte in dieser Stellung glücklich 
und zufrieden fühlen können. Er zog es deshalb vor, im Jahre 
1891 nach seinem lieben Wunsdorf zurtickzukehren und sich der 
Praxis zu widmen. 

Als Tierarzt sehr gesucht und geschätzt, als Bürger hoch¬ 
geachtet, hat er hier glückliche Tage verlebt. Ein glänzendes 
Zeugnis für die allgemeine Beliebtheit und Achtung, deren sich 
der Verewigte erfreute, war der großartige Leichenzug, wie ein 
solcher in Wunsdorf wohl noch nie gesehen wurde. In demselben 
bemerkte man eine Abordnung der Loge, Deputierte der Korps 
Teutonia und Hannoverania, letztere in Wichs, die städti¬ 
schen Behörden, viele Landwirte aus der Umgegend. Während 
die Fahnen des Kriegervereins und Gesangvereins über dem 
Grabe rauschten, brachte letzterer dem entschlafenen Mitgliede 
den Abschiedsgruß. 

Mit der trauernden Witwe trauern alle Mitglieder des Tier¬ 
ärztlichen Generalvereins für die Provinz Hannover ob des 
Verlustes eines der treuesten Vereinsmitglieder. 

Ehre seinem Andenken! Esser. 

f 

Am 6. September ist in Parchim in dem hohen Alter von 
98 Jahren eine dort in allen Kreisen der Bevölkerung wohl- 
bekannte und beliebte Persönlichkeit aus dem Leben geschieden, 
der Tierarzt Cohn. Der Verstorbene war der älteste Tierarzt 
Deutschlands und hatte sich bis in sein höchstes Greisenalter 
hinein eine erstaunliche körperliche und geistige Rüstigkeit be¬ 
wahrt. Bis vor Jahresfrist sah man, wie die „Norddeutsche 
Post“ schreibt, den alten Herrn noch täglich seinen Spazier¬ 
gang machen, den er mit einem stillen Stündchen bei der ge¬ 
liebten Zeitungslektüre auf dem „Klub“ zu beschließen pflegte. 
An allen Ereignissen des politischen und wirtschaftlichen Lebens, 
wie an allen städtischen Interessen nahm der vielseitig gebildete, 
dabei überaus bescheidene Mann stets den lebhaftesten Anteil. 

Moses Cohn wurde am 1. Februar 1806 in Ludwigslust 
geboren, besuchte das Gymnasium zu Schwerin, verließ dasselbe 
1826 nach bestandenem Maturitätsexamen und bezog die Uni¬ 
versität in Berlin, um Medizin zu studieren. Pekuniäre Ver¬ 
hältnisse gestatteten ihm jedoch nicht, das Studium zu voll¬ 
enden. Er besuchte deshalb die damalige Tierarzneischule zu 
Berlin und bestand hier nach 2 Jahren sein Examen als Tier¬ 
arzt mit dem Zeugnis erster Klasse. Nachdem sich Cohn 


zunächst in Wittenberg als Tierarzt niedergelassen hatte, siedelte 
er nach Parchim über und praktizierte hier bis Ostern 1892. 
Wegen vorgerückten Alters legte er die Praxis nieder. Während 
des Krieges 1870/71 wurde ihm die Ersatz-Schwadron beim 
Großherzogi. Mecklenbg. Dragoner-Regt. Nr. 18 zugewiesen. 
Nach Beendigung des Krieges erhielt er die Medaille für 
Nichtkombattanten. Sch. 

Tierärztlicher Verein für den Reg.-Bez. Merseburg. 

Bei der am 24. Mai er. abgehaltenen zweiten Versammlung des 
Tierärztlichen Vereins für den Regierungsbezirk Merseburg waren 
41 Mitglieder und die Herren Professoren Dr. Disselhorst 
und Tierarzt Tormählen als Gäste anwesend. 

Der Vorsitzende Departements-Tierarzt Dr. Felisch er- 
öffnete die Versammlung um ll'i Uhr vormittags, begrüßte aufs 
herzlichste die erschienenen Kollegen und teilte zugleich mit, 
daß die Herren Pfeiffer, Gestüts-Inspektor in Repitz, sowie 
Kreistierarzt Enders-Weißenfels und Kreistierarzt Meramen- 
Hettstedt schriftlich dem Bedauern Ausdruck gegeben hätten, 
an der Sitzung nicht teilnehmen zu können. 

Zur Aufnahme, die ohne Widerspruch erfolgte, hatten sich 
folgende acht Herren gemeldet: Tierarzt Beck er-Osterfeld, Tier¬ 
arzt Burkhardt-Wittenberg, Tierarzt Conrad-Belgern, Tierarzt 
Düring-Teuchern, Oberroßarzt a. D. Fleischer-Halle a. S., 
Sanitätstierarzt Herbst-Sangerhausen, Kreistierarzt Hofherr- 
Herzberg und Tierarzt Messler-Jessen. Dieselben wurden als 
Mitglieder vom Vorsitzenden willkommen geheißen. Die Anzahl 
der Vereinsmitglieder beträgt nunmehr 69. 

Nachdem einige geschäftliche Angelegenheiten erledigt waren, 
wurde zu Punkt 1 der Tagesordnung: „Das Fleischbeschau- 
gesetz und seine Ausführung“ übergegangen. Der Referent, 
Departementstierarzt Dr. Felisch besprach in ausführlicher 
Weise die einzelnen Bestimmungen des Gesetzes unter spezieller 
Berücksichtigung der im Regierungsbezirk obwaltenden Ver¬ 
hältnisse und der für diesen erlassenen besonderen Bestimmungen 
und Anordnungen. Die sich hieran anschließenden Erörterungen 
fanden unter regster Beteiligung aller Anwesenden statt und 
dehnten sich derartig aus, daß sie die gesammte zur Verfügung 
stehende Zeit in Anspruch nahmen. Der zweite Punkt der 
Tagesordnung: „Differential-Diagnose der Schweineseuche“ mußte 
daher abgesetzt und bis zur nächsten Sitzung verschoben werden. 

Nachdem Herr Schlachthof-Direktor Reimers noch dem 
Vorsitzenden den Dank der Versammlung für die erschöpfenden 
und allgemein interessierenden Ausführungen ausgesprochen, 
wurde die Sitzung nm 2ü Uhr nachmittags geschlossen. 

Ein gemeinsames Mittagessen in den prächtigen Räumen des 
Grand-Hotel, sowie ein sich daran anschließender Spaziergang 
nach dem herrlich angelegten Zoologischen Garten vereinte die 
Mitglieder bis zum Abgänge der Abendzüge. Friedrich. 

Tierärztlicher Verein für den Regierungsbezirk Merseburg. 

Dritte Versammlung am Sonntag, den 4. Oktober 1903, vorm. 11 Uhr 
zu Halle a. S. im Grand-Hotel Bode. 

Tagesordnung: 

1. Vereins-Angelegenheiten. 

2. Die Differential-Diagnose der Schweineseuche. — Ref.: Herr 

Kreistierarzt Martens-Sangerhansen. 

3. Fleischbeschau. 

Nach der Versammlung gemeinschaftliches Essen (Gedeck 3 M.) 
unter erwünschter Teilnahme der Damen, wozu Anmeldungen bis 
zum 1. Oktober an Herrn Kreistierarzt Friedrich in Halle a. S., 


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626 


Ludwig, Wuchererstrasse 86, erbeten werden. Für auswärtige Damen 
sind Zimmer im Grand-Hotel Bode reserviert, auch ist. von dort aus 
ein gemeinsamer Spaziergang der Damen um 11 Ubr in Aussicht 
genommen. Gäste sind willkommen. 

Der Vorstand. I. A. Dr. Felisch. 

Staatsveterinärwesen. 

Redigiert von Preusse. 

Veterinärpoiizei und beamtete Ärzte in Sachsen-Weimar. 

In Nr. 36 der B. T. W. hatte ich mich gegen einen in Nr. 24 
erschienenen Artikel von Dr. E. N. „weitere Wünsche bei der 
Neugestaltung des Reichsviehsenchengesetzes“ gewendet. In 
diesem war unter anderm auch behauptet worden, daß es heute 
noch Staaten gebe, in denen es zngelassen sei, daß beamtete 
Ärzte in Behindernngsfällen des Tierarztes bei der Seuchen¬ 
bekämpfung eintreten können. Ich hatte dies im Hinblick auf die 
strikten Bestimmungen des Reichsviehseuchengesetzes für kaum 
denkbar gehalten, inzwischen habe ich mich aber überzeugen 
müssen, daß es in unsrem lieben deutschen Vaterlande wirklich 
noch Gegenden gibt, in denen unter Umständen auch der be¬ 
amtete Arzt in Tierseuchenangelegenheiten mitzureden hat. Das 
Ländchen, in dem dies der Fall ist, heißt Sachsen-Weimar- 
Eisenach. Dasselbe besitzt eine Medizinalordnung aus dem 
Jahre 1858, zu welcher unter dem 15. Mai 1889, also lange 
nach dem Inkrafttreten des Reichsviehseuchengesetzes, ein Nach¬ 
trag erschienen ist (Reg. Bl. S. 105). In diesem heißt es sub A 
„Der § 4 der Medizinalordnnng vom 1. Juli 1858 mit der Über¬ 
schrift „I. Von den Amtsphysikern“, ist aufgehoben. 

An dessen Stelle treten die nachfolgenden Bestimmunngen: 

I. Von den Bezirks- und den Landgerichts-Ärzten. 

§ 4 

a) pp. 

Endlich hat sich der Bezirksarzt, wenn Gefahr auf dem Ver¬ 
züge steht, bis zur Ankunft des herbeizurnfenden Bezirks¬ 
tierarztes oder eines anderen Tierarztes der Untersuchung und 
Beurteilung veterinärpolizeilicher Fälle zu unterziehen. 

Die Tierärzte in Sachsen-Weimar-Eisenach reichen also 
nicht aus, um in allen veterinärpolizeilichen Fällen stets schnell 
bei der Hand zu sein. Dabei kommen hier auf 3600 qkm 
26 Tierärzte. 

Man soll aber nun nicht glauben, daß die Bezirksärzte in 
Sachsen-Weimar nichts von der Veterinärpolizei verständen. 
Die Ministerialbekanntmachung betreffend Physikatsprüfung 
vom 20. November 1858, welche heute noch gültig ist, be¬ 
stimmt u. a., daß die Physikatsprüfung sich mit auf die zu jenem 
Zwecke — Untersuchung und Begutachtung veterinärpolizei¬ 
licher Fälle — erforderlichen Kenntnisse zu erstrecken hat und 
daß namentlich hierbei zu ermitteln ist, ob die Kandidaten mit 
den Kennzeichen des Milzbrandes in allen seinen Formen, der 
Pocken bei den verschiedenen Haustieren, der Rotzkrankheit, 
der Wutkrankheit, der Räude und der Lungenseuche des Rind¬ 
viehs, ingleichen mit der gegen jede dieser Krankheit dringendst 
nötigen Sicherheitsmaßregeln hinreichend vertraut sind. Das 
also, wozu wir Tierärzte ein siebensemestriges Studium, ein 
Approbationsexamen, 2—3 Jahre praktischer Tätigkeit und ein 
Kreistierarztexamen bedürfen, wird hier nebenbei in einer Physikats¬ 
prüfung abgemacht und auf Grund derselben sollen dann die 
Physiker befähigt und berechtigt sein, veterinärpolizeiliche 
Fälle, wenn auch nur vertretungsweise, ebenso untersuchen und 


No. 40. 


Verein beamteter Tierärzte Preussens. 

Die verehrten Mitglieder des V. b. T. werden gebeten, etwaige 
Vorschläge für die Tagesordnung der nächsten General-Versammlung 
— am 12. Dezember er. — bis zum 1. November an mich ein- 
zureichen. Tuneeke, Calbe a. S. 

beurteilen zu können, wie die Tierärzte. Hiermit ist’s aber noch 
nicht genug. Das weimarische Ausführungsgesetz vom 17. April 
1889 zum Reichsviehseuchengesetz enthält im § 6 folgende Be¬ 
stimmung: „Das tierärztliche Obergutachten im Falle der §§ 14 und 
16 des Reichsviehsenchengesetzes ist von einer durch den Medi¬ 
zinalreferenten des großherzoglichen Staatsministeriums und 
mindestens zwei vom Staatsministerium für jeden Fall zu bestim¬ 
mende Tierärzte gebildeten Kommission abzugeben.“ Also auch 
hier ein Mediziner für alle Fälle und mindestens zwei Tierärzte 
für jeden Fall. Ein rein tierärztliches Obergutachteu im Sinne 
des Viehseuchengesetzes kann die Entscheidung einer derartigen 
Kommission nicht genannt werden. Es ist zu bewundern, daß, 
trotzdem das Viehseuchengesetz ausschließlich Tierärzte als Sach¬ 
verständige in veterinärpolizeilichen Angelegenheiten gelten läßt, 
einzelne Staaten die Bevormundung der Tierärzte durch Ärzte 
und deren Mitarbeit in tierärztlichen Dingen nicht glauben ent¬ 
behren zu können. 

Der Reichsregierung mögen wohl diese Verhältnisse noch 
nicht genügend aufgefallen sein, vielleicht genügt dieser Hinweis, 
um auch hier einmal eine Änderung herbeizuführen. 

Es ist in Sachsen-Weimar aber nicht das Viehseuchengesetz 
allein, bei dessen Dorchfdhrung man Ärzten eine gewisse Mit¬ 
arbeit zugestanden hat, sondern auch die Ausführung des Reichs- 
fleischbeschangesetzes, welche, soweit die technische Seite in Frage 
kommt, doch wohl den Tierärzten Vorbehalten bleiben soll, ist 
hier der ärztlichen Kontrolle mit unterstellt. 

Eine Bekanntmachung des großherzoglich sächsischen Staats¬ 
ministeriums vom 8. Juli 1903 bestimmt folgendes: (Reg. Bl. 
S. 138) 

„Mit der Ausübung der technischen Aufsicht über die 
tierärztlichen Fleischbeschauer im Großherzogtum ist in Gemä߬ 
heit der §§ 60, Abs. 3 und 66 der Ausführungsverordnung vom 
31. März 1903 bis auf weiteres der Medizinalreferent im 
großherzoglichen Ministerialdepartement des Innern, Medizinal¬ 
rat Prof. Dr. Gumprecht in Weimar beauftragt worden.“ 

Der § 60, Abs. 3 der Ausführungsverordnung sagt: „Mit 
Ausübung der technischen Aufsicht über die tierärztlichen Be¬ 
schauer beauftragt das Staatsministerium einen Beamten oder 
Sachverständigen.“ 

Eine derartige Vorschrift, wie die hier gegebene, wider¬ 
spricht dem Sinne des Fleischbeschaogesetzes. Der § 48 B. B. A. 
bestimmt, daß die Tätigkeit der Beschauer nach Maßgabe der 
von den Landesregierungen zu erlassenden Vorschriften einer 
fachmännischen Kontrolle zu unterwerfen ist. Die Beauf¬ 
sichtigung durch einen Medizinalrat ist aber als eine fach¬ 
männische Kontrolle nicht zu bezeichnen. Das Reichsfleisch¬ 
beschaugesetz und seine Ausführungsbestimmungen versteht unter 
einem Fachmann in diesem Sinne eben nur den Tierarzt und 
nicht den Arzt. Soweit mir bekannt ist, ist auch in keinem 
andern deutschen Staate eine derartige Bestimmung enthalten, 
wie die vorstehend genannte. 

Ein Mangel an Tierärzten dürfte wohl kaum als Grund für 
dieselbe anzunehmen sein. 

Qoousque tandem etc. R. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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\. Oktober 1903. 

Gültigkeit landespoiizeilicher Anordnungen auf Grund des Viefaseuchengesetzes. 

Nachdem der Strafsenat des Kgl. Kammergerichts nnd in 
einem Falle auch das Keichsgericht die Auffassung geltend 
gemacht haben, daß die Genehmigung zum Erlaß landespolizei¬ 
licher Anordnungen auf Grund der Bestimmungen des Reicks- 
viehseuchengesetzes, wie sie der § 1 der Bundesratsinstruktion 
vom 27. Juni 1895 vorschreibt, nicht durch eine vorangehende 
Ermächtigung ersetzt werden kann, da sie begrifflich der Ab¬ 
fassung der Anordnung nachfolgen müsse, hat der Herr Minister 
für Landwirtschaft sich zu einer Änderung des bisherigen Ver¬ 
fahrens veranlaßt gesehen. Durch Erlaß vom 28. Juli d. Js. 
hat er bestimmt, daß künftig alle landespolizeilichen Anordnungen 
der gedachten Art, welche neu erlassen, abgeändert oder neu 
publiziert werden sollen, vor ihrer Veröffentlichung ihm zur 
Genehmigung einzureichen sind und die Erteilung dieser Ge¬ 
nehmigung in den Eingangsworten der Anordnung zum Ausdruck 
zu bringen ist. 

Rechtsprechung. 

Fristberechnung 

für die Festlegung der Hunde bei Tollwutgefahr. 

Nach einem Urteil des Reichsgerichts vom 11. Juni 1901 
darf die dreimonatige Frist, für welche bei Entdeckung der 
Tollwut eines Hundes die Festlegung aller in dem gefährdeten 
Bezirk vorhandenen Hunde anzuordnen ist, nicht von dem Zeit¬ 
punkte des Umherlaufens des wutkranken Hundes berechnet 
werden. Bei einer Berechnung der Frist in dieser Weise würde 
der Zweck, der mit der fraglichen Maßnahme erstrebt wird, 
gar nicht erreicht werden können. Durch die Festlegung der 
Hunde soll der Gefahr einer weiteren Übertragung der Tollwut 
vorgebeugt werden, und durch die Frist der Festlegung von 
drei Monaten soll eine gewisse Garantie dafür gewonnen werden, 
daß bei Hunden, welche während des freien Umherlaufens aller 
Hunde von einem wutkranken Tiere etwa schon gebissen worden 
sind, die Tollwut während der Festlegungsfrist zum Vorschein 
kommt. An dieser Garantie wird es in vielen Fällen fehlen, 
wenn die dreimonatige Frist von dem Zeitpunkte an zu be¬ 
rechnen wäre, in welchem zuerst ein wutkranker oder ver¬ 
dächtiger Hund umhergelaufen ist, besonders wenn im einzelnen 
Falle das Umherlaufen eines solchen Hundes erst verspätet zur 
Kenntnis der Polizeibehörde gelangt. 

Ungültigkeit von Polizeiverordnungen über die 
Einrichtung von Handelsställen. 

Das Kgl. Kammergericht hat unter dem 4. November 1901 
eine bemerkenswerte Entscheidung getroffen, wonach die Polizei¬ 
behörden nicht berechtigt sind, über die Einrichtung der Ställe 
der Viehhändler und der regelmäßig für Handelsvieh benutzten 
Gastställe Vorschriften zu erlassen. 

Der Regierungs - Präsident in Minden hatte unter dem 
15. Dezember 1898 eine Polizei-Verordnung, „betreffend die Ein¬ 
richtung der Ställe der Viehhändler und der regelmäßig für 
Handelsvieh benutzten Gastställe“, erlassen. Dieselbe enthält 
Vorschriften über Länge, Breite und Höhe der erwähnten Ställe, 
über die Beschaffenheit der Fenster, Fußböden, Wände und 
Decken, der Krippen und Streu. Ein Viehhändler hatte gegen 
diese Vorschriften verstoßen; er wurde deshalb vom Schöffen¬ 
gericht wegen Übertretung der vorerwähnten Verordnung ver¬ 
urteilt. Das Landgericht sprach ihn frei, indem es diese Ver¬ 
ordnung für materiell rechtsungültig erachtet. Letzterer Auf¬ 
fassung trat das Kammergericht bei. 


627 


Die Verordnung könne sich zwar an sich mit Recht auf 
die §§ 6 a und 12 des Gesetzes vom 11. März 1850 stützen, 
da die Polizei berechtigt sei, Gefahren durch geeignete Ma߬ 
nahmen abzuwenden, und es sich im vorliegenden Falle nm die 
Abwendung einer Gefahr, nämlich um die Abwehr von Vieh¬ 
seuchen handle. Die Maßregeln gegen Viehseuchengefahr seien 
jedoch bereits durch die Reichsgesetzgebung erschöpfend ge¬ 
regelt. Diese bezeichnet das Höchstmaß derjenigen Beschränk¬ 
ungen, welche dem einzelnen im Interesse der Abwehr und 
Unterdrückung der Viehseuchen auferlegt werden dürfen. Die 
Polizei sei demnach nicht berechtigt, im Wege der Verordnung 
zu dem erwähnten Zweck andre Maßregeln, als die durch die 
Reichsgesetzgebung zugelassenen, in andern Fällen als in den 
darin aufgeführten zu fassen. Es sei ausgeschlossen, daß die 
im Viehseuchengesetz enthaltenen, sehr eingehenden Einzel¬ 
vorschriften über die im Falle einer Seuchengefahr zulässigen 
Beschränkungen vorgeschrieben worden wären, wenn man den 
Polizeibehörden der Einzelstaaten es hätte überlassen wollen, 
viel weitergehende Maßregeln, und sogar auch dann zu treffen, 
wenn eine bestimmte Seuchengefahr nicht vorhanden sei. 

Die in der streitigen Polizeiverordnung enthaltenen Be¬ 
stimmungen gehen weit über die im Viehseuchengesetz auf¬ 
geführten Maßregeln hinaus. Letzteres gestatte nur die tier¬ 
ärztliche Beaufsichtigung der Gast- und Viehhändleretälle und 
die Desinfektion der von kranken und verdächtigen Tieren 
benutzten Ställe. Die betr. Verordnung enthalte aber Vor¬ 
schriften, welche, ohne eine bestimmte Seuchengefahr voraus¬ 
zusetzen, den Umbau oder gar Neubau der Mehrzahl dieser 
Ställe bedingen. Die Verordnung finde auch keine Stütze im 
§ 56 b, Abs. 3, Satz 2 der Gewerbeordnung. 

Vorstehendes Erkenntnis, welches dieselben Grundsätze 
vertritt, wie die bereits besprochene Entscheidung, betreffend 
die Untersuchung der Hausiererpferde, zeigt wiederum deutlich, 
wie notwendig eine Revision des Reichsviehseuchengesetzes ist. 
Vorausgesetzt, daß der bereits vorliegende Entwurf Gesetz 
wird, werden sich dann Maßnahmen, wie die hier in Rede stehenden, 
ohne Anfechtung leicht treffen lassen. 

Versagung der Entschädigung bei einem Milzbrandfall. 

Eine interessante Entscheidung hat der Bayerische Ver- 
waltungsgerichtshof unter dem 21. Oktober 1901 gefällt. Ein 
Ackerbürger hatte die staatliche Entschädigung für ein getötetes, 
zweifellos mit Milzbrand behaftet gewesenes Rind um deswillen 
verwirkt, weil er die als „blutige Operation“ sich darstellende 
„Ausschlachtung“ des Rindes auch dann noch vornehmen bzw. 
fortsetzen ließ, nachdem er durch seinen mit der „Ausschlachtung“ 
befaßten Bruder auf das ganz außergewöhnliche Aussehen der 
Milz des getöteten Tieres aufmerksam gemacht worden war. 
Der Gerichtshof hat nun zwar der Ansicht der Vorinstanz, daß 
es sich im vorliegenden Falle um eine „blutige Operation“ 
gehandelt hat, nicht beipflichten können, da derartige Operationen 
nur an noch lebenden Tieren, nicht aber an Tierkadavern 
betätigt werden können; gleichwohl hat er die Entscheidung 
der Vorinstanz auf Versagung der Entschädigung für begründet 
erachtet Das Milzbrandentschädigungsgesetz versagt die 
gesetzlich vorgesehene Entschädigung bei vorsätzlichen und 
fahrlässigen Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften des 
§ 32 des Viehseuchengesetzes allgemein. Der Kläger hatte 
sich insofern gegen § 32, Abs. 2 vergangen, als er die „Öffnung 
des Kadavers“ des Rindes durch eine andere Person als einen 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 40. 


628 


approbierten Tierarzt ohne polizeiliche Erlaubnis hat vornehmen 
lassen. Er war auf das bedenkliche Ansselien der Eingeweide 
and insbesondere der Milz ausdrücklich aufmerksam gemacht 
worden. Es mußte sich ihm dabei die Vermutung aufdrängen, 
daß das Kind an Milzbrand verendet sei, zumal in einer amtlich 
veröffentlichten, gemeinfaßlichen Belehrung die Vergrößerung 
der Milz als ein charakteristisches Kennzeichen des Milzbrandes 
hingestellt worden sei. Kläger handelte daher mindestens fahr¬ 
lässig, wenn er trotz dieses ihm bekannten Umstandes die 
weitere Öffnung des Kadavers vornehmen und dasselbe auch 
abhäuten ließ. Die Herausnahme der Innenteile stellt sich als 
eine Fortsetzung der „Öflfnnng des Kadavers“ im Sinne des 
§ 32, Abs. 2 a. a. 0. dar. Das Blut von milzbrandkranken 
Tieren sei der gefährlichste Träger des Ansteckungsstoffes. 
Dadurch, daß nun blutige Operationen sowohl, als auch die 
Öffnung der Kadaver nur Tierärzten erlaubt sind, welche mit 
den Gefahren genügend bekannt sind, soll der Verbreitung des 
Milzbrandes vorgebeugt werden. Es sei daher auch nicht 
zweifelhaft, daß unter Öffnung des Kadavers nicht nur die Offen¬ 
legung der inneren Teile, sondern auch alle weiteren darauf¬ 
folgenden Manipulationen zu verstehen sind, welche das Blut 
weiter verbreiten können. Kläger hat sich demnach durch die 
Fortsetzung der Öffnung des Kadavers, die Herausnahme der 
Eingeweide und die Abhäutung einer Zuwiderhandlung gegen 
§ 32, 2 a. a. 0. schuldig gemacht. Es war ihm daher die 
Entschädigung zu versagen. 

Verordnung 

betr. den Viehverkehr auf dem Magerviehhof zu Friedrichsfelde bei Berlin. 

In Betreff des Verkehrs mit Rindern, Schafen, Schweinen, 
Geflügel und Pferden auf dem Magerviehhof in Friedrichsfelde hat 
der Polizeipräsident in Berlin, als der Für den Amtsbezirk 
Friedrichsfelde bestellte Seuchenkommissar, unter dem 13. Juli d. J. 
eine landespolizeiliche Anordnung erlassen, welche die nachstehen¬ 
den Vorschriften enthält: 

Alles dem Magerviehhof zugeführte Vieh (Rinder, Schafe, 
Schweine, Geflügel und Pferde) darf nur nach amtstierärztlicher Unter¬ 
suchung in die Stallungen oder Verkaufsbuchten eingestellt werden. 

Die Untersuchung der bei Tage und bei Nacht ankommenden 
Eisenbahntransporte erfolgt bei der Ausladung. 

Die zu Fuß oder auf Fuhrwerken ankommenden Tiere sind 
von dem Pförtner an die zur Untersuchung bestimmte Stelle zu 
verweisen. 

Ausländisches Vieh darf nur mit Genehmigung der Veterinär¬ 
polizei, und zwar nur in die zu seiner Aufnahme bestimmten 
Räume eingestellt werden. 

Krank ankommende und krankheitsverdächtige Tiere sind vom 
Besitzer sofort der Veterinärpolizei zu melden und nach deren 
Anweisung in die für diese bestimmten Räume zu bringen. 

Die von der Veterinärpolizei als seuchenkrank oder seuchen- 
vcrdächtig befundenen Tiere sind in den Räumen des Seuchenhofes 
unterzubringen und unterliegen dortselbst der polizeilichen Beob¬ 
achtung oder Absperrung. 

Die Pflege und Wartung seuchenkranker und -verdächtiger 
Tiere, sowie die Hilfeleistung bei der Untersuchung, Fortschaffung 
und Absperrung hat nur durch von der Aufsichtsverwaltung ge¬ 
stellte Leute zu geschehen, welche während dieser Zeit nicht mit 
dem Viehhof in Berührung kommen dürfen. 

Den auf dem Seuchenhof dienstlich nicht beschäftigten Per¬ 
sonen ist der Zutritt zu demselben nur mit Genehmigung der 
Veterinärpolizei und unter strengster Beobachtung der von dieser 
angeordneten Vorsichtsmaßregeln gestattet. 

Das Überständervieh ist unmittelbar nach dem Marktschluß in 
die für dasselbe bestimmten Räume zu schaffen. Die Eigentümer 
desselben bezw. deren Beauftragte haben sofort ein Verzeichnis 
der überständigen Posten im Bureau der Viehhofsverwaltung ein¬ 


zureichen. Die Überständer dürfen nur mit Genehmigung der 
Veterinärpolizei aus den betreffenden Räumen entfernt bezw. zum 
nächsten Markt überführt werden. Sie sind täglich tierärztlich zu 
untersuchen. Die hierzu nötigen Hilfskräfte hat die Viehhofs¬ 
verwaltung zu stellen. 

Vor dem Verladen, bezw. vor dem Abtriebe sind sämtliche 
Tiere, außer Pferde und Geflügel, nochmals tierärztlich zu unter¬ 
suchen. Sie sind zu diesem Zweck vom Besitzer oder seinem 
Vertreter rechtzeitig bei dem Veterinärpolizeibeamten anzumelden. 

Die zum Abfahren bestimmten Fuhrwerke müssen sauber 
gereinigt und gewaschen sein; bereits benutzte Streu darf auf 
ihnen nicht wieder verwendet werden. 

Die Stallungen und Buchten des Viehhofs einschließlich der 
zugehörigen Wagen sind nach jedesmaliger Benutzung vor jeder 
Neueinstellung von Vieh gründlich zu reinigen und zu waschen. 

Nach Schluß jeden Marktes sind die Straßen auf dem Viehhof 
zu reinigen. 

Die veterinärpolizeilich angeordnete Desinfektion von ver¬ 
seuchten Ställen usw. ist durch die Viehhofsverwaltung zur Aus¬ 
führung zu bringen. 

Das Mitbringen von Futter und Stroh ist verboten. Dünger, 
benutzte Streu und Futterreste sind von der Viehhofsverwaltung 
oder nach deren Anweisung fortzuschaffen. 

Die Fortschaffung von Kadavern aus Eisenbahnwagen, Stallungen 
und Verkaufsbuchten darf nur nach Kenntnis der Veterinärpolizei 
und nach den von dieser zu treffenden Vorschriften geschehen. 

Im Anschluß daran hat der Polizeipräsident in Berlin angeordnet, 
daß die Ausladung von Schweinen, sowie von Geflügel aller Art 
in- und ausländischen Ursprungs auf der Viehladestation und dem 
Rangierbahnhof Rummelsburg, sofern die Tiere zu Handelszwecken 
bestimmt sind, vom 22. Juli d. J. ab verboten ist 

Übersicht Uber die im I. Quartel 1903 aus den Seequarantfiueanstaiten in 

öffentliche Schlachthäuser eingeführten Rinder und das Ergebnis 
der Fleischbeschau bei denselben. 

Im I. Quartal 1903 wurden 17839 Rinder in die Seequarantäne- 
anstalten eingeführt bezw. waren daselbst als Bestand vorhanden. 
Hiervon wurden 209 zurückgewiesen, 9 notgeschlachtet (bezw. 
verendeten), 15 915 nach Schlachthöfen (Barmen, Berlin, Biele¬ 
feld, Bochum, Bremen, Köln, Krefeld, Düsseldorf, Essen, Flens¬ 
burg, Hagen, Hamburg, Iserlohn, Kiel, Lübeck, Osnabrück, Rostock, 
Solingen, Stettin, Wanne) überführt, während 1706 als Bestand 
verblieben. 

Von den nach den Schlachthäusern überführten 15 915 
Rindern erwiesen sich nach der Schlachtung 12 858 als gesund, 
3057 = 19,2 Proz. tuberkulös (darunter 83 Stück mit allgemeiner 
Tuberkulose). 

Ergebnisse der Tuberkulinimpfungen in den Seequarantäneanstalten. 

Von Ende Dezember 1902 bis Ende März 1903 wurden in 
die Quarantäneanstalten zu Altona-Bahrenfeld, Apenrade, Flens¬ 
burg, Kiel, Lübeck, Rostock-Warnemünde 16 337 dänische Rinder 
eingeführt. Hierzu kam noch ein Bestand von 709 Stück, die 
vom Vorquartal her ungeimpft geblieben waren. 

Von diesen insgesamt 17 046 Stück wurden vor der Impfung 
2 zurückgewiesen, 7 notgeschlachtet, 5 fielen, während 1129 Stück 
ungeimpft verblieben. — Bei 15 903 Stück wurde die Tuberkulin¬ 
probe mit nachstehendem Resultat vorgenommen: 15 696 Stück 
waren frei von Tuberkulose und 207 = 1,3 Proz. erwiesen sich 
als tuberkulös. 

Nachweisung Uber den Stand der Tierseuchen in Deutschland am 
15. September 1903. 

Rotz.*) 

Preußen: In den Regierungsbezirken Potsdam, Frankfurt, Posen, 
Breslau, Merseburg, Schleswig, Arnsberg je 1 (1); im Regiernngs- 

*) Die Zahlen bedeuten die Kreise und (eingeklammert) Ge¬ 
meinden. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


629 


\. 0\£ l °t>er lf'03. 


Kassel tind Stadtkreis Berlin je 1 (2); Oppeln 3(4); Bromberg 4 (4). 

— Bayern: Schwaben 2 (2); Niederbayern 3 (4); Pfalz 4 (5). — Würt¬ 
temberg: 3 (3); Baden 2 (2); Mecklenburg-Strelitz 1 (1); Lippe 1 (1); 
Unterelsaß 2 (2). — Zusammen 34 Gemeinden und 39 Gehöfte (gegen 
23 bzw. 29 am 15. August), wovon in Preußen 16 Kreise und 19 
Gemeinden. 

Maul- und Klauenseuche. 

Preußen: In den Regierungsbezirken Bromberg, Osnabrück, 
Minden, Wiesbaden je 1 (1); Posen 2 (2); Koblenz 3 (in 15 Gemeinden 

14 Gehöfte). — Bayern: Mittelfranken 3(4). — Württemberg: 
Schwarzwaldkreis 6(18). — Sachsen: Leipzig 1 (1); Chemnitz 1 (5). 

— Zusammen 20 Kreise und 39Gemeinden (gegen 18 bzw. 28 am 

15 August). 

Lungenseuche herrscht z. Z. nirgends im Reich. 


Schweineseuche und Schweinepest. 


Regierungs¬ 
bezirke etc. 

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Auf je 1000 | 
Gemeinden 
waren verseuch^ 

Regierungs¬ 
bezirke etc. 

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Ö 

Preußen: 




Sigmaringen . . . 

_ 

_ 

Königsberg. . . . 

12 

40 

10 

Waldeck. 

3 

7 

Gumbinnen .... 

13 

38 

10 

Bayern: 



Danzig. 

5 

11 

9 

Oberbayern .... 

8 

14 

Marienwerder . . 

15 

119 

53,5 

Niederbayern. . . 

— 

— 

Berlin. 

— 

— 

— 

Pfalz. 

1 

1 

Potsdam. 

11 

39 

15 

Oberpfalz. 

— 

— 

Frankfurt. ... 

14 

46 

17 

Oberfranken . . . 

— 

— 

Stettin. 

12 

53 

28 

Mittelfranken. . . 

1 

2 

Köslin. 

10 

47 

24 

Unterfranken. . . 

— 

— 

Stralsund. 

2 

8 

9 

Schwaben. 

1 

1 

Posen. 

22 

98 

30 

Württemberg . 

1 

1 

Bromberg. 

12 

68 

30,5 

Sachsen. 

4 

4 

Breslau. 

17 

74 

20 

Baden. 

8 

15 

Liegnitz. 

17 

64 

22,5 

Hessen. 

5 

8 

Oppeln. 

12 

30 

14 

Meckl.-Schwerin 

6 

13 

Magdeburg .... 

10 

18 

12,5 

Meckl.-Strelitz . 

2 

3 

Merseburg .... 

10 

46 

20 

Oldenburg . . . 

1 

2 

Erfurt. 

3 

12 

20.5 

Sachs.-Weimar. 

3 

9 

Schleswig. 

18 

92 

43 

Sachs.-Meiningen 

1 

2 

Hannover. 

6 

29 

46 

Sach s.-Altenburg 

_ 

— 

Hildesheim .... 

4 

6 

8 

Sachs.-Kob.-Got. 

1 

1 

Lüneburg. 

6 

10 

6,5 

Anhalt. 

1 

2 

Stade . 

9 

20 

27,5 

Braunschweig 

5 

17 

Osnabrück .... 

2 

4 

7 

Schwarzb.-Sond. 

_ 

— 

Aurich. 

2 

2 

6 

Schwarzb.-Rud. 

_ 

— 

Münster. 

5 

8 

30 

Reuß ä. L. 

_ 

— 

Minden . 

2 

2 

4 

Reuß j. L. 

_ 

— 

Arnsberg . 

10 

30 

35 

Schaumb.-Lippe 

_ 

— 

Kassel . 

7 

26 

15,5 

Lippe-Detmold . 

2 

3 

Wiesbaden .... 

9 

15 

16 

Hamburg .... 

1 

1 

Koblenz. 

1 

1 

1 

Lübeck ..... 

1 

1 

Düsseldorf .... 

10 

47 

109 

Bremen. 

1 

1 

Köln. 

4 

4 

13 5 

Elsaß. 

1 

1 

Trier. 

3 

4 

3,5 

Lothringen . . 

— 

— 

Aachen. 

2 

5 

13 





Tuberkulose unter den Sohlachttieren in Bayern 1902. 

Geschlachtet worden in den öffentlichen Schlachthäusern 
91 807 Ochsen, 32 674 Bullen, 73 380 Kühe, 59 722 Jungrinder, 
zusammen 257 583 Rinder exkl. Kälber. Davon wurden tuber¬ 
kulös befunden 4656 (5,1%) Ochsen, 1568 (4,8%) Bullen, 
9600 (13,1%) Kühe und 1600 (2,7%) Jungrinder, zusammen 
17 424 Rinder, 6,8% der geschlachteten Rinder. Der Durch¬ 
schnitt 1895—1901 betrug 5,7% (bei den Kühen betrug im 
gleichen Zeitraum der Durchschnitt 11,9%). Es ist auch in 
Bayern ein stetiges Anwachsen zu konstatieren. 


Kälber wurden 500 268 geschlachtet, wovon 594=0,12% 
tuberkulös waren. Bei den Schweinen betrug die Zahl der ge¬ 
schlachteten 693 654 und der tuberkulösen 4550 = 0,66%, also 
einen sehr geringen Prozentsatz. Von 134 827 Schafen und 
Ziegen waren 55=0,04% tuberkulös. 

Von den tuberkulösen Tieren wurden 73,8% als bankwürdig 
erklärt (Darchschnitt von 1895—1901 nur 67,5%) und 2,8% 
(Durchschnitt 2,1%) als ganz untauglich. 

Tierseuchen im Ausland. 

Rußland 1902. 3. u. 4. Quartal. 

Die Zahl der Erkrankungsfälle belief sich in Finnland, den 
Ostsee- und Weichselprovinzen, in Groß-, West-, Klein- und Süd¬ 
rußland auf 9498 an Milzbrand, 313 Lungenseuche, 69 141 Schaf¬ 
pocken, 16187 Schweineseuche, 13 426 Schweinerotlauf, 761 794 Maul¬ 
und Klauenseuche. Sie belief sich in Ostrußland auf 15 666 an 
Milzbrand, 4249 Lungenseuche, 16 015 Schafpocken, 2309 Schweine- 
senche, 1091 Schweinerotlauf, 97 854 Maul- und Klauenseuche; in 
Nord- und Südkaukasien auf 9811 an Rinderpest, 29 Lungenseuche, 
1319 Milzbrand, 2591 Schafpocken, 705 Schweineseuche, 441 Schweine¬ 
rotlauf, 15 316 Maul- und Klauenseuche; — im asiatischen Rußland 
auf 3975 an Rinderpest, 8878 Lungenseuche, 5374 Milzbrand, 
5926 Schafpocken, 35 Schweinerotlauf, 19393 Maul- und Klauenseuche. 

Schweden 1903. 2. Quartal. 

Zahl der neu verseuchten Ställe: Milzbrand 29, 29, 22; Rausch¬ 
brand 2, 3, 6; Schweineseuche im Juni 1. 

Aufhebung des Einführverbots gegen Argentinien und Uruguay in England. 

Unter dem 3. Februar d. J. ist das im Jahre 1900 erlassene 
Verbot der Einfuhr von Rindern und Schafen aus Argentinien und 
Uruguay wieder aufgehoben worden. Die Wirkung der Aufhebung 
des Verbots dürfte sich auch für die kontinentalen Märkte bemerkbar 
machen. Argentinieu wird bald wieder voll in den Wettbewerb 
um den englischen Markt eintreten und die kontinentalen Länder, 
besonders Dänemark und Holland, aus der Position, welche diese 
infolge des Einfuhrverbots auf dem englischen Markte eingenommen 
haben, verdrängen. Müssen diese sich aber nach einem anderen 
Absatz für ihren Vieh- und Fleischüberschuß umseben, bo kommt 
in erster Linie Deutschland in Betracht. Es dürfte somit auch bei 
uns der Wegfall des Verbots der Einfuhr von Vieh aus Argentinien 
in England bald zu spüren sein. 

Bissverletzungen von Menschen durch tolle oder toliwutverdftchtlge Tiere 

im Jahre 1902. 

Im Jahre 1902 sind 250 Personen durch wutkranke bezw. wut¬ 
verdächtige Tiere verletzt worden, 174 männliche und 76 weibliche. 
Die meisten Bißverletzungen, 46, betrafen Kinder im Alter von 10 
bis 15 Jahren, 40 im Alter von 5 bis 10 Jahren, und 34 im Alter 
von 15 bis 20 Jahren. Verhältnismäßig viel Verletzungen, 31 bezw. 
30, betrafen Personen im Alter von 30 bis 40 und von 40 bis 
50 Jahren. Die übrigen Lebensalter sind weniger betroffen worden. 

Die Verletzungen wurden hervorgebracht durch 1 Mensch, 
159 Hunde, 3 Katzen, 5 Rinder, 2 Pferde und 1 Schaf. Der Mensch, 
welcher einen 16 jährigen Knaben in den Finger biß, war ein Arbeiter, 
der ira Juni von einem wutkranken Hunde gebissen worden war, 
und welcher am 5. Juli auf der Reise nach Berlin an Tollwut er¬ 
krankte und am 6. Juli starb. 

Von den vorgenannten 170 Tieren ist bei 142 im Institut für 
Infektionskrankheiten in Berlin Tollwut festgestellt worden, bei 18 
wurde nur Verdacht ermittelt, 1 Tier erwies sich als nicht wut¬ 
krank, 9 Tiere sind entlaufen. 

In 169 Fällen hatten die Verletzungen ihren Sitz an den oberen 
Gliedmaßen, also in 67 Proz. aller Verletzungen, 51 mal an den 
unteren Gliedmaßen, 11 mal am Rumpf, 10 mal am Kopf. Bei sieben 
Verletzten ist der Sitz der Verletzung nicht angegeben. Bei zwei 
Personen lag keine eigentliche Verletzung vor, doch hatten sie 
Fleisch eines wutkranken Rindes gegessen. 

Von den Provinzen Preußens kamen die meisten Bißverletzungen 
vor in Schlesien, 150, sodann in Ostpreußen 31, in Posen 24, in 
Westpreußen und Pommern je 28, in Sachsen 7, in Westfalen und 
der Uheinprovinz je 1. 


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630 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 40 


Die meisten Verletzungen, 46, fielen in den Monat August, die 
wenigsten, 8, in den Monat März. 90,8 Proz. der Verletzten unter¬ 
warfen sich der Schutzimpfung im Institut für Infektionskrankheiten 
in Berlin, 1901 waren es 78,1 Proz., 1900 82,3 Proz., 1899 80,5 Proz., 
1898 29,0 Proz. Von den nichtgeimpften Personen wurden 11 ärzt¬ 
lich behandelt, 12 ließen sich nicht durch einen Arzt behandeln. 
Bei 6 verletzten Personen brach die Tollwut aus, an der sie sämt¬ 
lich zugrunde gingen. Von diesen waren 3 ärztlich nicht behandelt, 
3 waren aber vorher nach Pasteur geimpft worden. Von diesen 
war die Schutzimpfung zweimal am 4. und einmal am 5. Tage nach 
der Verletzung begonnen worden. Der Tod erfolgte 3, 33 bezw. 
63 Tage nach Beendigung der Impfung. Der Prozentsatz der trotz 
der Impfung aufgetretenen Erkrankungen betrug demnach 1,34, der 
ohne Impfung 13,01, also zehnmal soviel. Die gefährlichsten Ver¬ 
letzungen sind die des Gesichtes, von diesen verliefen 28,6 Proz. 
tödlich, von den Verletzungen der Hände 3 Proz,, die Verletzungen 
an den übrigen Körperteilen hatten keine nachteiligen Folgen. 

Reinigung und Desinfektion der Gaststätte. 

Der Regierungspräsident in Marienwerder hat unter dem 13. März 
d. J. eine Polizeiverordnung erlassen, welche die Reinigung und 
Desinfektion der Gastställe zum Zwecke hat. Dieselbe schließt Bich 
an die in anderen Regierungsbezirken bereits bestehenden Polizei¬ 
verordnungen eng an. Die Reinigung und Desinfektion der Gast- 
ställe wird am ersten und dritten Sonnabend jeden Monats verlangt; 
für diejenigen (besonders bekannt zu machenden) Gastställe, in 
welchen Hausierpferde eingestellt werden, an jedem Sonnabend. 
Die Inhaber der Gastställe müssen auch Kontrollbücher führen. 


Fleischbeschau und Viehverkehr. 

Red. von Kühnau. 

Vereinfachung der Führung der Tagebücher in Schlachthöfen. 

Der Bundesrat hat in der Sitzung vom 28. Mai (§ 427 der 
Protokolle) beschlossen in Ergänzung des § 47 der Ausführungs¬ 
bestimmungen A zum Schlachtvieh- und Fleischbeschaugesetze, 
den Landesregierungen die Befugnis beizulegen, eine Verein¬ 
fachung der Tagebuchfnhrung in Schlachthöfen mit einem oder 
mehreren Tierärzten dahin eintreten zu lassen, daß die Ein¬ 
tragungen für nicht beanstandete Schlachttiere zusammen¬ 
fassend, jedoch mindestens allmonatlich und geordnet nach den 
einzelnen Schlachttiergattungen, vorgenommen werden und daß 
die Eintragungen in den Spalten 4, 5, 7 und 9 des Tagebuches 
regelmäßig und in der Spalte 6 unter der Voraussetzung, daß 
eine Beanstandung vor dem Schlachten nicht erfolgt ist, unter¬ 
bleiben dürfen. 

Infolge dieses Beschlusses haben der preußische Landwirt¬ 
schaftsminister und der Minister des Innern die Regierungs¬ 
präsidenten ermächtigt, unter den in der allgemeinen Verfügung 
vom 28. März d. J. angegebenen Voraussetzungen die genannten 
Erleichterungen zuzulassen. 

Zu diesen Voraussetzungen gehört, daß 1. die Schlachtvieh- 
und Fleischbeschau in den betreffenden Schlachthöfen unbedingt 
für sämtliche dort geschlachteten Tiere sicher gestellt ist, 
2. über die Zahl der sämtlichen geschlachteten Tiere und die 
Namen, sowie den Wohnort der Tierbesitzer besondere Nach¬ 
weisungen (beispielsweise zum Zwecke der Schlachtgebühren¬ 
erhebung) im Schlachthofe geführt werden, 3. in Schlachthöfen, 
in denen mehrere Beschauer bei der Beschau tätig sind, bei der 
Stempelung der untersuchten Tiere kenntlich gemacht wird, von 
welchem Beschauer die Untersuchung ausgeführt ist. 

Demnach ist es zulässig, daß in öffentlichen Schlachthöfen 
die Tiere, welche abgeschlachtet werden und einen Anlaß zu 
Beanstandungen nicht geben, allmonatlich summarisch, aber 
getrennt nach den einzelnen Gattungen: Pferd (und andere 


Einhufer), Bulle, Ochse, Kuh, Jungrind (über drei Monate alt), 
Kalb (bis zu drei Monaten), Schwein, Schaf, Ziege, Hund, 
innerhalb dieser Gattungen aber zusammengefaßt, also nicht 
nach Geschlechtern getrennt, nachzuweisen. 

Ferner kann in öffentlichen Schlachthöfen auf die Auf¬ 
zeichnung der Zeit, zu welcher die Tiere zur Schlachtung an¬ 
gemeldet worden sind und auf die Eintragung der Zeit, zu 
welcher die Untersuchung vor dem Schlachten vorgenommen 
worden ist und auf die Eintragung der Stunde, zu welcher 
die Untersuchung nach der Schlachtung stattgefunden hat, ver¬ 
zichtet werden. 

Praktische Bedeutung hat nur die Aufzeichnung des Tages, 
an welchem die Beanstandung eines Schlachttieres erfolgt ist. 

Durch die zugestandenen Erleichterungen ist die Führung 
des Tagebuches so vereinfacht, daß den diesbezüglichen Wün¬ 
schen der Schlachthoftierärzte in weitgehendstem Maß Rechnung 
getragen worden ist. K. 

Die Besteilang der Tierärzte zu Beschauern in Preussen. 

Wie ich aus mir gewordenen Zuschriften ersehen habe, 
herrscht in interessierten Kreisen noch Unklarheit über die Vor¬ 
gänge bei der Bestellung der tierärztlichen Beschauer. Darum 
möge der Gegenstand an dieser Stelle einer kurzen Erörterung 
unterzogen werden. 

Das Reichsfleischbeschaugesetz bestimmt im § 5 nur, daß 
zu Beschauern approbierte Tierärzte oder andere Personen, 
welche genügende Kenntnisse nachgewiesen haben, zu bestellen 
sind. In Ausführung des Reichsgesetzes ist vom Bundesrat im 
§ 3 der Ausfdhrungsbestimmungen A gesagt, daß die Bestellung 
der Beschauer durch die Landesbehörden zu erfolgen hat, daß 
für die den Tierärzten vorbehaltenen Zweige der Schlachtvieh- 
und Fleischbeschau Tierärzte zu bestellen sind und daß als 
Stellvertreter auch die Beschauer benachbarter Bezirke bestellt 
werden können. 

Im preußischen Gesetz zur Ausführung des Reichsgesetzes 
ist nun ausdrücklich im § 6 bestimmt, daß in Gemeinden mit 
Schlachthauszwang für die Schlachtvieh- und Fleichbeschau im 
öffentlichen Schlachthaus nur approbierte Tierärzte als Beschauer 
bestellt werden dürfen. Hülfspersonen dürfen nur zur Aus¬ 
führung der Trichinenschau und zur Unterstützung bei der 
Finnenschau verwandt werden. Ausnahmsweise dürfen in Ge¬ 
meinden mit weniger als 10000 Einwohnern mit Genehmigung 
der Landespolizeibehörde nichttierärztliche Fleischbeschauer 
bestellt werden. Indessen müssen auch in diesen Fällen für 
die den Tierärzten vorbehaltenen Zweige der Fleischbeschau 
approbierte Tierärzte bestellt werden. In Gemeinden ohne 
Schlachthauszwang mit mehr als 10000 Einwohnern kann die 
Anstellung von tierärztlichen Beschauern von der Landespolizei¬ 
behörde verlangt werden. In Gemeinden ohne Schlachtbaus¬ 
zwang mit weniger als 10000 Einwohnern können tierärztliche 
Beschauer durch Polizei-Verordnung auf Grund des § 13, Abs. 1 
A. G. ausschließlich zuständig für Ausübung der Scblachtvieh- 
und Fleischbeschau erklärt werden. Die Anstellungsbehörde 
hat die Ermächtigung für jeden Schaubezirk und für alle Zweige 
der Schlachtvieh- und Fleischbeschau Tierärzte zu bestellen 
Für die Übergangszeit haben nach § 20 A. G. die Minister 
die Ermächtigung, Bestimmungen zu treffen, inwieweit bereits 
bestellte nichttierärztliche Beschauer ihre Tätigkeit weiter 
ausüben dürfen. 

In den Ausfdhrungsbestimmungen, betreffend die Schlacht- 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


1. Oktober 1903. 


yieh- and Fleischbeschau, einschließlich der Trichinenschau, 
bei Schlachtungen im Inlande vom 20. März 1903 ist 
von den zuständigen Ministern angeordnet (§ 3), daß 
die Bestellung der Beschauer und ihrer Stellvertreter für 
die Schlachtvieh- und Fleischbeschau in öffentlichen Schlacht¬ 
häusern durch die Gemeindebehörden erfolgt. Nur für die in 
den Armeekonservenfabriken auszuführende Beschau können 
von der Militärbehörde besondere Beschauer bestellt werden. 
Sonst ist in Städten mit mehr als 10 000 Einwohnern und in 
den selbständigen Städten der Provinz Hannover die Orts¬ 
polizeibehörde für die Bestellung zuständig. In den übrigen 
Schaubezirken erfolgt die Bestellung durch die Landräte. 
In den von der Landespolizeibehörde gebildeten Schaubezirken 
durch diese. Die Landespolizeibehörde ist befugt, die Bestellung 
von ihrer Genehmigung abhängig zu machen oder sich ein Ein¬ 
spruchsrecht vorznbehalten. Auch kann sie dieses Recht nach- 
geordneten Behörden übertragen: Beschauer, die als Tierärzte 
approbiert sind, können nach § 6 A. B. J. auch gegen Kündigung 
und für längere Dauer bestellt werden, sonst erfolgt die Be¬ 
stellung unter Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs. Bei der Be¬ 
stellung ist darauf hinzuweisen, für welche Zweige der Schlacht¬ 
vieh- und Fleischbeschau die Tierärzte bestellt sind. Nach § 7 
A. B. J. können für bestimmte Fälle, beispielsweise für die 
Untersuchung solcher Tiere, zu deren Behandlung sie zugezogen 
sind, approbierte Tierärzte zu Stellvertretern der Beschauer 
bestellt werden. Dasselbe gilt für beamtete Tierärzte, wenn 
sie aus veterinärpolizeilichem Anlasse bei der Untersuchung von 
Tieren tätig sind. Die Namen der bestellten Beschauer sind 
zu veröffentlichen. 

Nach diesen Bestimmungen ist bei der Bestellung der Be¬ 
schauer zu verfahren. Es kann nicht gebilligt werden, daß die 
Bestellung der Tierärzte als Beschauer, namentlich mit Rück¬ 
sicht auf den § 7 A. B. J. von weiteren Bedingungen abhängig 
gemacht wird. In einem bekannt gewordenen Falle machte der 
zuständige Landrat die Bestellung der in dem Schaubezirk 
praktizierenden Tierärzte als Stellvertreter bei den Tieren, bei 
denen sie zur Behandlung zugezogen wurden, von der Bedingung 
abhängig, daß sie den als Ergänzungsbeschauer für diesen 
Schaubezirk bestellten Kreistierarzt in Behinderungsfällen ver¬ 
treten sollten. Ein solches Vorgehen kann nicht für zweck¬ 
mäßig erachtet werden, vielmehr hätte in diesem Falle eine 
Regelung dahin Platz greifen können, daß den praktizierenden 
Tierärzten allgemein die Ergänzungsbeschau für den betreffen¬ 
den Schaubezirk übertragen worden wäre. K. 

Städtische SchlachtviehVersicherungen. 

Die in München durch die Stadtgemeinde organisierte und 
seit dem 1. Juni d. J. eröffnete Schlachtviehversicherungskasse 
auf dem Münchener Vieh- und Schlachthofe hat zur vollsten 
Zufriedenheit der Fleischer funktioniert. Im ersten Betriebs¬ 
monat wurden für beanstandete 13 Ochsen, 8 Kühe, 6 Stiere, 
25 Kälber, 64 Schweine an Entschädigung seitens der Stadt¬ 
gemeinde an die Besitzer 13 801 M. 50 Pf. bezahlt. Von 
diesen Tieren wurden ganz verworfen und der Thermischen 
Tierleichenvernichtungsanstalt überwiesen: 1 Kuh, 7 Kälber, 
4 Schweine; außerdem noch 473 Großviehlungen, 13 575 kg 
Großviehlebern, 84 kg Zungen und Fleischteile, 24 Kalbslungen, 
35 Kalbslebern, 107 Schweinelebern mit einer Gesamt¬ 
entschädigungssumme in Höhe von 2073 M. 60 Pf. Die 
Verwaltungsspesen, die übrigens sehr gering sind, weil sie gleich 


mit der Fleischbeschaugebühr erhoben werden, mit hinzngerecbnet, 
erhält man eine Gesamtausgabe von 15 060 M. 18 Pf. Die 
Einnahmen beziffern sich auf 18 026 M. 45 Pf., so daß sich 
im ersten Betriebsmonat ein Überschuß von 2960 M. 27 Pf. 
ergibt. 

Auch in Augsburg wurde die Gründung einer gleichartigen 
Schlachtvieh Versicherung beschlossen. Die Summe, welche 
vierteljährlich als Entschädigung an die Besitzer gezahlt werden 
mußte, beziffert sich nach den Berechnungen des Schlachthof¬ 
direktors auf 22 000 M. Als Versicherungsgebühr sollen 
demnach bei Großvieh 90 Pf. und bei Kleinvieh 10 Pf. pro 
Stück erhoben werden. Die Versicherung tritt jedoch nur in 
Kraft, wenn der Geschädigte nicht schon vom Viehhändler 
Schadenersatz erhält. Teilnehmer der Versicherung können 
nur solche werden, die im dortigen Schlachthof schlachten. 

Gerichtsentscheidungen. 

1. Ungültigkeit der vor Erlaß des Reichs-Fleichbeschau- 
Gesetzes und der zugehörigen Landesbestimmungen ergangenen 
Ortsstatute. 

Die Wolfenbütteler Polizei-Verordnung vom Jahre 1883 
schreibt vor, daß eingeführtes Fleisch dem Fleischbeschauamte 
zur Untersuchung vorzulegen ist. Ein Schlächtermeister, welcher 
in Broistedt untersuchtes und vollwertig befundenes Fleisch in 
Wolfenbüttel eingeführt und nicht nochmals hatte untersuchen 
lassen, wurde wegen Vergehens gegen die Polizei-Verordnung 
unter Anklage gestellt. Der Gerichtshof kam aus folgender Be¬ 
gründung zu einem freisprechenden Erkenntnis: Es stehe fest, 
daß der Angeklagte an demselben Tage untersuchtes und voll¬ 
wertig befundenes Fleisch in W. eingeführt habe. Das Statut, 
gegen das er gefehlt haben soll, ist zu einer Zeit geschaffen, 
als es galt, für den Stadtbezirk Wolfenbüttel hygienische Ma߬ 
regeln zu schaffen, welche die Lieferung vollwertigen Fleisches 
verbürgen. Diese Bestimmungen und die darauf basierten Ein¬ 
richtungen seien erst durch Landesgesetz für das Land und 
später durch das Reichsgesetz für das Reich eingeführt wordon. 
Sollte das Ortsstatut neben den landes- resp. reichsgesetzlichen 
Bestimmungen in Kraft bleiben, so hätte es wieder neu geschaffen 
resp. in Kraft gesetzt werden müssen; das ist nicht geschehen, 
und das Statut hat mithin seine Gültigkeit verloren. 

2. Polizeiliche Bestrafung wegen Übertretung des § 5 des 
preußischen Ausführungsgesetzes zum R.F1.G. kann nicht erfolgen! 

Das Infanterie-Regiment No. 45 bezog in diesem Sommer 
während der Übungen in Arys den Fleischbedarf aus Lyck. 
Dem Lieferanten wurde von der Polizei-Verwaltung in Arys, 
unter Androhung einer Strafe von 15 M. für den Übertretungs¬ 
fall, aufgegeben, das in Arys eingeführte frische Fleisch vor der 
Ablieferung an das Regiment dem Schlachthofe in Arys zum 
Zwecke der Vornahme der im § 5 des preußischen Ausführungs¬ 
gesetzes vorgesehenen abermaligen amtlichen Untersuchung zu¬ 
zuführen. Der Lieferant befolgte die Anordnung nicht und wurde 
deshalb unter Anklage gestellt. Das Schöffengericht in Arys 
entschied, daß eine polizeiliche Bestrafung wegen Übertretung 
des § 5 des preußischen Ausführungsgesetzes zum Schlachtvieh- 
und Fleischbeschaugesetz überhaupt nicht erfolgen kann, da 
hierfür das Gesetz keine Strafbestimmungen enthält. Die Be¬ 
folgung von auf Grund dieses Paragraphen ergangenen An¬ 
ordnungen kann nur durch Verhängung von Exekutivmitteln 
erzwungen und letztere im Beschwerdeweg angefochten werden. 


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632 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 40. 


Diese Entscheidung steht im Einklang zn der Erläuterung, 
welche Schroeter zu dem § 20 des R. Fl. G. gegeben hat: 
„Reichsrechtliche Strafvorschriften sind für Zuwiderhandlungen 
gegen die nach Abs. 2 zulässigen Beschränkungen nicht gegeben. 
Es greift danach für Preußen die Strafvorschrift im § 14 des 
Schlachthausgesetzes vom 18. März 1868, 9. März 1881, 
29. Mai 1902 Platz. Diese Strafvorschrift bann aber nur Platz 
greifen, wenn das frische, von auswärts eingefdhrte Fleisch feil¬ 
geboten worden ist.“ 

Die Uebertragung der Fleischbeschau an die Stadtverwaltungen. 

Auf ministerielle Anweisung ist die Verwaltung der Schlacht¬ 
vieh- und Fleischbeschau in Charlottenburg dem Magistrat 
übertragen worden. Aus diesem Anlaß iBt zwischen der Polizei¬ 
direktion und dem Magistrat ein Vertrag abgeschlossen wor¬ 
den, nach welchem die Stadtgemeinde sämtliche durch die 
Ausführung des Gesetzes vom 3. Juni 1900 entstehenden Kosten 
übernimmt. Zum Ausgleich hierfür werden der Stadtgemeinde 
die gemäß § 14 des Ausführungsgesetzes vom 28. Juni 1902 
zu erhebenden Gebühren überwiesen. Letztere werden von der 
Landespolizeibehörde, wenn erforderlich, alljährlich mit der 
Maßgabe festgesetzt, daß sie zur Deckung der der Stadt¬ 
gemeinde erwachsenden Kosten genügen, ohne zu einer Ein¬ 
nahmequelle für die Stadtgemeinde zu werden. Eine Haftpflicht 
des Staates für den Fall, daß infolge unvorhergesehener Ver¬ 
hältnisse die erhobenen Gebühren zur Kostendeckung nicht hin¬ 
reichen, tritt nicht ein. Dagegen bleibt auch fernerhin den 
staatlichen Aufsichtsbehörden die Möglichkeit der Beauf¬ 
sichtigung der Einrichtungen und der Ausführung der Schlacht¬ 
vieh- und Fleischbeschau nach Maßgabe der gesetzlichen Be¬ 
stimmungen gewahrt. 

Auf gleicher Grundlage soll, wie die „Natlib. Korresp.“ mit¬ 
teilt, auch in allen übrigen größeren Städten Preußens die 
Verwaltung der Schlachtvieh- und Fleischbeschau an die Stadt¬ 
gemeinden übertragen werden. Es werden dadurch für den 
Staat Ersparnisse erzielt, die Gemeindeverwaltungen aber 
können die Fleischbeschau mit ihren Einrichtungen zur Prüfung 
der Nahrungsmittel verbinden. Dadurch kann die Fleischunter- 
suchung verbilligt werden. 

Dieser Standpunkt ist bereits in den Erörterungen, welche 
in diesem Blatt bei der Ausführung des Reichsfleischbeschau¬ 
gesetzes zum Ausdruck gekommen sind, vertreten worden. Die 
Fleischbeschau ist ein Zweig der Gesundheitspolizei; diese aber 
wird in den größeren Städten von den Gemeindeverwaltungen 
wahrgenommen und deshalb ist auch die Verwaltung der 
Fleischbeschau Sache der Gemeindeverwaltungen. Nicht nur 
aber die Inlandsbeschau sondern auch die Auslandsbeschau 
sollte wenigstens in den größeren Städten den Gemeinde¬ 
verwaltungen übertragen werden. Für die Durchführung einer 
einheitlichen Fleischbeschau in solchen Gemeinden würde dies 
von in die Augen springendem Nutzen sein. 

Es muß doch zugegeben werden, daß, wenn die Gemeinde 
imstande ist, die Nahrungsmittel, welche innerhalb der Stadt- 
grenzen hergerichtet werden, einer genügenden Kontrolle zu 
unterziehen, auch dasselbe der Fall sein wird bei den Nahrungs¬ 
mitteln, welche mehr oder minder hergerichtet von außen in 
die Stadt eingeführt werden. Die Stadtverwaltung hat aber 
weiter ein großes Interesse über die Arten der Nahrungsmittel, 
welche innerhalb der Stadtgemeinde zum Verzehr kommen ge¬ 
nau unterrichtet zu sein. Nun ist aber erwiesen, daß die nach 


den größeren Binnenstädten aus dem Auslande importierten 
Fleischwaren auch in diesen zum weitaus größten Teil ver¬ 
bleiben. Hier ist es nun nicht zu verstehen, daß in dem einen 
Falle eine städtische Kontrolle Platz greifen kann und in dem 
anderen Falle eine staatliche Kontrolle ausgettbt werden muß. 
Genügt die städtische Kontrolle in dem einen Falle, so muß sie 
auch in dem anderen genügen. Daß tatsächlich dieser Grund¬ 
satz zu Recht besteht, ergibt sich aus dem Umstande, daß 
einer Reihe von Städten die Kontrolle eines Teil der Auslands- 
einfuhren übertragen worden ist. Besteht dies tür einen Teil 
zu Recht, so ist ein stichhaltiger Grund dafür nicht aufzufinden, 
warum nicht die Kontrolle der gesamten in- und ausländischen 
Nahrungsmittel, wenigstens soweit es sich um Flehch handelt, 
den Gemeindeverwaltungen übertragen werden kann. Finanzielle 
Bedenken könnten in irgend einer Weise weggeräumt werden. 

Wie schon früher ausgeführt, würde bei einer derartigen 
Organisation die Schlachtvieh- und Fleischbeschau in den Ge¬ 
meinden ungemein vereinfacht und verbilligt werden. Jetzt 
muß ein vollständiges staatliches und ein vollständiges 
städtisches Personal und die dazu gehörigen Einrichtungen für 
die Zwecke der Untersuchungen zur Verfügung stehen. Das 
Personal und die Einrichtungen dürfen nicht zu wenig umfang¬ 
reich bemessen werden, weil die zu untersuchenden tierischen 
Nahrungsmittel nicht gleichmäßig anfallen, sondern recht un¬ 
gleichmäßig zur Untersuchung gelangen. Ist nun die Kontrolle 
in einer Hand vereinigt, so können die gestellten Aufgaben mit 
nicht einem viel umfangreicheren Apparat bewältigt werden, als 
jetzt der Staat sowohl als die Stadt zur Verfügung haben muß. 
Wird die gesamte Schlachtvieh- und Fleischbeschau in größeren 
Städten an die Stadtverwaltungen übertragen, so stehen da, wo 
öffentliche Schlachthäuser sind, genügendes Personal und Ein¬ 
richtungen zur Verfügung, um die tierärztliche Seite der ganzen 
Anslandsschau mitzuleisten. Im Interesse der Nichtverteuerung 
unserer Nahrungsmittel und der raschen, zweckentsprechenden 
Erledigung der Kontrolle sind daher die Schritte, welche der 
Staat nach der „Natlib. Korresp.“ jetzt durch Übertragung der 
Fleischbeschau an die Gemeinden einzuschlagen gedenkt, mit 
Genugtuung zu begrüßen und hoffentlich läßt die Durchführung 
zum Wohle unseres Volkshaushaltes nicht zu lange auf sich 
warten. K. 

Beschlüsse des Internationalen Kongresses für Gesundheitspflege und 
Volkskunde zu Brüssel über den Milchverkauf. 

Die Milchfrage Bpielte in den Verhandlungen des Kongresses 
eine wesentliche Rolle. Nach den Ausführungen des Professors 
Dr. Tjaden kann die Milch einmal gelegentlich mit Krankheits- 
keimen beladen werden (Scharlach, Diphtheritis und Typhus 
abdominales, sowie Schweineseuche und Schweinepest), das andre 
Mal kann die Milch dauernd mit Krankbeitskeimen beladen sein 
(Tuberkulose). Im ersteren Falle wird es schwer sein, den Infektions¬ 
modus nachzuweisen, im letzteren Falle wird auch dann noch 
der Infektionsmodus nachzuweisen sein, wenn von dem, bei dem 
erkrankten Menschen oder Tier, zur Aufnahme gelangten Material 
nichts mehr vorhanden ist. Die Tatsache, daß die Milch bei der 
Verbreitung ansteckender Krankheiten beteiligt ist, verlangt Vor¬ 
beugungsmaßregeln, zumal in den letzten Jahrzehnten die lokale 
Versorgung der einzelnen Familie zugunsten der zentralisierten 
zurückgetreten ist. 

Beim Molkereibetriebe wird durch Vermischung der Milch die 
Infektionsgefahr verringert werden, wenn die Milch mit geringer 
Menge Infektionsmaterial z. B. Typhusbazillen beladen ist Hat 
man dagegen die Milch einer eutertuberkulosen Kuh vor sich, die 
in jedem Tropfen eine grosse Zahl von Tuberkelbazillen enthält, 


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1. Oktober 1903. 


Fälle, die ja bekanntlich gar nicht selten sind, so vermag die 
Milch einer solchen Kuh, auch bei Vermischung mit der von 
tausend gesunden Kuben, die Gesamtmilch zu einer recht gefährlichen 
umzugestalten. Zur Unschädlichmachung der Milch ist man auf 
das Erhitzen angewiesen. Auf dem Lande und in den Molkereien, 
wo es darauf ankommt, die Milch möglichst rasch zu verwerten, 
wird man sich mit einer kurzen Erwärmungsdauer und Verwendung 
möglichst hoher Temperaturgrade (85° C) begnügen müssen. Dort, 
wo die einträglichste Verwertung der Milch stattfindet, d. h. dort, 
wo sie zum direkten Verbrauch als Vollmilch an das Publikum ab¬ 
gegeben wird, wie z. B. in den Großstädten, hat die Daucrerhitzung 
bei geringen Temperaturgraden (63 bis 65°) seine Berechtigung. 
Zur Erforschung der besten Art und Weise der Erhitzung werden 
die milchwirtschaftlichen Institute angeregt. Man wird bei einem 
solchen Vorgehen nicht bloß Vorteile erzielen für einen Teil der 
Agrarwirtschaft, der in Deutschland z. B. mit 1625 Millionen oder 
mit 21,8 Proz. am Gesamterträge der Landwirtschaft beteiligt ist, 
man wird auch die Seuchenbekämpfung fördern, weil die 
erforderlichen Maßnahmen, soweit sie Molkereien und ähnliche Be¬ 
triebe betreffen, leichter durchführbar sind und damit eher durch- 
geführt werden. Ebenso wesentlich wie die Erhitzung der Milch 
zwecks Seuchenbekämpfung sind die Bestrebungen der Seuchen¬ 
tilgung bei den milchproduzierenden Tieren und vor allem die 
Sorge für Sauberkeit an den Produktionsstätten. Letztere läßt sich 
durch gesetzliche Vorschrift nur in geringem Maße erzwingen, hier 
tritt die erzieherische Tätigkeit der Berufsgenossen unter sich in 
ihr Recht. Ist es dem einzelnen Landwit erst in Fleisch und 
Blut übergegangen, daß die Milch und ihre Produkte um so wert¬ 
voller werden, je größere Reinlichkeit beobachtet wird, so werden 
von selbst auch die Gefahren, welche der Genuß von Rohmilch 
mit sich bringen kann, wesentlich herabgesetzt. Bei allen Be¬ 
mühungen, die auf eine gesundheitliche Ausgestaltung des Milch¬ 
verbrauches hinzielen, sollte man als leitenden Satz oben hinstellen: 
Die Hygiene der Milch beginnt an der Produktionsstätte 
im Stall. 

Prof. Dr. Schaffer-Bern tritt der Defioition der Kuhmilch 
näher und glaubt, daß die gebräuchliche Definition als die aus dem 
Euter gewonnene Nährflüssigkeit zu weit gefaßt sei. Der Gehalt 
der Milch an den einzelnen Bestandteilen kann bedeutend schwanken. 
Aus diesem Grunde können auch je nach den Verhältnissen ver¬ 
schiedene Anforderungen an den Minimal- oder Durchschnittsgehalt 
der Milch gestellt werden. Die Verschiedenheit der Viehrassen, 
das Futter und die klimatischen Verhältnisse bedingen dies schon. 
Während sich z. B. der Fettgehalt der in der Schweiz produzierten 
Milch durchschnittlich auf 3,6 Prozent beläuft, beträgt er in Nord¬ 
deutschland an verschiedenen Orten nicht mehr als 3,2 Prozent, 
andererseits 3,4 Prozent. Als Mindestgehalt verlangen die Ver¬ 
ordnungen verschiedener Schweizerstädte (für Vollmilch) 3 Prozent. 
Die gleiche Anforderung besteht in Mannheim und in Frankfurt a. M., 
während in Mainz und Schwerin mindestens 2,8 Prozent in Berlin, 
Hannover, Hamburg 2,7 Prozent und in Lübeck sogar nur 2,5 Pro¬ 
zent Mindestfettgehalt gefordert werden. Dr. Schaffer empfahl den 
Viehzüchtern, nicht auf Vermehrung des Quantuums, sondern auf 
Verbesserung der Qualität hinzustreben. 

Einstimmig wurden nach zwei Sitzungen folgende Resolutionen 
gefaßt: 

1. Als Milch soll nur angesehen und verkauft werden die Voll¬ 
milch, d. h. eine Milch, die vom vollständigen Melken gesunder 
Kühe herrührt. 

2. Die Nebenprodukte des Milchgewerbes: abgerahmte Milch, 
halbabgerahmte, zentrifugierte und Magermilch dürfen zur Ernäh¬ 
rung von Säuglingen, Kranken und Greisen nicht verwendet werden. 

3. Um einem Betrug des Publikums vorzubeugen, soll die ab¬ 
gerahmte magere Milch durch eine leichte Färbung von der Voll¬ 
milch unterschieden werden. 

4. Die Inspektion der Kuhställe soll überall von Amts wegen 
vorgenommen werden. 

5. In den verschiedenen Landstrichen soll ein Minimum an 
Nährgehalt der Milch festgestellt werden. Die Milch, die den nor¬ 
malen Gehalt nicht aufweist, soll dem Verbrauch entzogen werden. 


633 


6. Es ist wünschenswert, daß der nächste Kongreß für ange¬ 
wandte Chemie die Vereinheitlichung der Milchanalyse anstrebe. 

K. 

Die Einwirkung der § 5 und 14 des P. A. G. auf die Errichtung 
öffentlicher Schlachthäuser. 

Ein neues Beispiel von der überaus hemmenden Wirkung der 
§ 5 und 14 des P. A. G. auf die Vermehrung der öffentlichen 
Schlachthäuser liefert die letzthin erfolgte Verhandlung in der 
Stadtverordneten-Versammlung zu Itzehoe. Seinerzeit war die Er¬ 
richtung eines öffentlichen Schlachthauses mit der Begründung ab¬ 
gelehnt worden, daß es bei dem Inkrafttreten der § 5 und 14 des 
P. A. G. nicht ausgeschlossen ist, daß die Metzger aus irgend 
einer Veranlassung das Schlachten im öffentlichen Schlachthause 
einstellen und auswärts schlachten. Das auswärts geschlachtete 
und nach Maßgabe der § 8 bis 16 durch approbierte Tierärzte 
untersuchte und tauglich befundene Fleisch kann nach dem 
1. Oktober 1904 ohne Gebührenbelastung in die Stadt eingeführt 
und verkauft werden. Die Stadtkasse wird alsdann im Falle der 
Nichtbenutzung des öffentlichen Schlachthauses erheblichen Schaden 
erleiden. Diese Voraussicht rechtfertige die Ablehnung des Schlacht¬ 
hausbaues. Obwohl nach Ansicht des Regierungspräsidenten die 
Rentabilität des Schlachthauses durch die erwähnte Bestimmung 
nicht nennenswert beeinflußt wird, beharrten die städtischen 
Kollegien doch auf ihrem Beschluß. 

Erkrankungen nach Fleischgenuss. 

Trichinosis. In dem bei Kassel belegenen Orte Homberg 
sind 120 Personen nach dem Genuß von trichinösem Schweinefleisch 
schwer erkrankt Auf einem Hüttenwerk erkrankten von den dort 
beschäftigten Arbeitern 50 Personen, so daß der Betrieb eingeschränkt 
werden mußte. Zahlreiche Erkrankte befinden sich in Lebensgefahr. 
Die Staatsanwaltschaft hat gegen den Viehhändler, Metzger und 
Trichinenschauer eine Untersuchung eingeleitet. 

Fleischvergiftung. In Meinersen hatte der Schlächter A. 
ein vom Fleischbeschauer untersuchtes und als genießbar bezeich¬ 
ntes Kalb zum Verkauf gebracht. Nach dem Genuß des Fleisches 
sind etwa 40 Personen nicht unbedenklich erkrankt. 

Bezeichnung amerikanischer Fleischwaren. Short clcar: Bauch 
mit Rückenspeck daran, ohne Knochen und ohne den größten Teil 
des Karbonadenfleisches. Long clear: Dasselbe, nur mit knochen¬ 
loser Schulter und Nackenspeck daran. Short fat backs: Kurzer 
fetter Rückenspeck. Long fat backs: Dasselbe mit Nackenspeck. 
Long fat Boston backs: Das vorige mit dem Blattfleisch im Nacken¬ 
speck. Boston Üutts: Schweinckämne mit einem Knorpel, Eckstiickc 
des Blattknochens. Pork in Barrels: Schulter, Bauch und Karbonade 
mit Speck, geschnitten in 4—5 Ptundstücke, 180 PfJ. im Faß (barrel). 
Skinned hams: Schinken ohne Schwarte, in ganz England viel ge¬ 
kauft. California shoulders: Viereckig geschnittene Schultern von 
kleinen Schweinen. Pic nie ham: Kurze, wie Schinken geschnittene 
kleine Schweineschuhern. (Deutsche Fleischer-Z. 29.8.03.) 

Viehmarktauftriebe In Chicago. 

Im Jahre 1902 wurden auf den Chicagoer Viehmarkt 2941559 
Rinder, 7895238 Schweine und 4515 716 Schafe aufgetrieben 
im Gesamtwert von über 1240 Millionen Mark. 

Das Schweinepackge8chäft in den Vereinigten Staaten. 

Nach dem Cincinnati Price-Current betrug die Anzahl der im 
letzen Jahre gepackten Schweine 20 605 000 gegen 25 411000 im 
vergangenen Jahre. Seit dem Jahre 1898 ist dies die geringste Zahl 
der gepackten Schweine. Das Durchschnittsgewicht der Schweine 
war indessen höher, als im vergangenen Jahre. Der Unterschied 
ist gleich etwa 900 000 Schweinen. Wenn demnach auch die Zahl 
der Schweine um 19% abgenommen hat, so hat die Gesamtmenge 
dem Gewicht nach nur 15% abgenommen. 

Maul- und Klauenseuche in Argentinien. 

Buenos Aires, 7. Mai. (Telegr.) Die Regierung verfügte ein 
Verbot der Ausfuhr von Ochsen, Hammeln und Schweinen wegen 
Ausbruchs der Maul- und Klauenseuche unter dem gegenwärtig 
nach dem Hafen von Buenos Aires gebrachten Vieh. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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634 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 40. 


Berlin: Auszug aus dem Flelechbeeehauberioht für die Monate Juli und August 1903. 




A. 

Schlachthof 


B. Untersuchungsstationen 

Rinder 

Jung¬ 

rinder 

Kälber 

Schafe 

Schweine 

Rinder¬ 

viertel 

Kälber 

Schafe 

(Ziegen) 

Schweine 

Geschlachtet und untersucht. 

20 366 

2 943 

26 211 

85 061 

144 088 

41 526 

11998 

6 577 

321 

Davon 1. tauglich ohne Einschränkung 


2 588 

25 911 

80 464 

127 387 

41457 

11983 

6576 

299 

„ 2. teilweise beanstandet .... 

8806 

291 

183 

4 574 

15 650 

— 

— 

_ 

_ 

„ 3. minderwertig. 

179', 

27'/ 

49 

5 

665 

19 

2 

— 

— 

„ 4. bedingt tauglich. 

195* 

16* 

14 

— 

231 

32 

— 

— 

7 

„ 5. untauglich. 

144 


54 

18 

155 

18 

13 

1 (Ziege) 

15 

„ 6. nur Fett bedingt tauglich . . . 

— 

— 

— 

— 

(790* kg) 

— 

— 

— 

— 

Wegen Tuberkulose teilweise beanstandet . 

5 628 

125 

71 

9 

6198 

— 

_ 

_ 

_ 

„ „ minderwertig .... 

81 

3 

5 

— 

602 

— 

— 

— 


„ „ bedingt tauglich . . . 

174 

7 

13 

— 

196 

9 

— 

— 

1 

„ untauglich. 

118 

10 

5 

— 

53 

2 

— 

— 

3 

„ „ nur Fett bedingt tauglich 

— 

— 

— 

— 

(455 kg) 

— 

— 

— 

— 

Wegen Finnen minderwertig. 

68 

22 

3 

— 

5 

4 

— 

— 

— 

„ „ bedingt tauglich. 

13 

9 

1 

— 

17 

— 

— 

— 

— 

„ „ nur Fett bedingt tauglich 

— 

— 

— 

— 

(293* kg) 

— 

— 

— 

— 

Wegen Trichinen bedingt tauglich .... 

— 

— 

— 

— 

7 

— 

— 

— 

— 

„ „ nur Fett bedingt tauglich 

— 

— 

— 

— 

(72 kg) 

— 

— 

— 

— 


Der Direktor der städtischen Fleischbeschau. Reißmann. 


Viehexport Englands im Jahre 1902. 

In welchem hohen Maße sich England an dem internationalen 
Znchtviehhandel beteiligt, zeigen folgende Zahlen. Es worden im 
Jahre 1902 ausgeführt 2528 Rinder im Werte von 1983 060 Mark 
(Durchschnittswert per Stück 800 Mark), 3604 Schafe im Werte 
von 581 920 M. (160 M. per Stück) und 512 Schweine im Werte von 
100 180 M. (Durchschnittswert 200 M. per Stück). 

Der Fleischverbrauch Englands. 

In welch hohem Maße England auf den Bezug von ausländischem 
Fleisch angewiesen ist, zeigt eine von Mr. R. E. Turnhull für 
das Jahr 1902 angestellte Berechnung. Nach dieser Berechnung 
betrug der gesamte Fleischverbrauch in diesem Jahre 43 072 830 Ztr., 
wovon für die ansgefübrten Tiere und Konserven etwa 1 000 000 Ztr. 
in Abzug zu bringen sind. Von der Gesamtmenge kommen nach 
Turnhull auf die inländische Produktion 23 629 800 Ztr., während 
vom Auslande 19 443 030 Ztr. eingefübrt worden sind. In letzteren 
sind 655 023 Ztr. nicht näher bezeichnetes Fleisch enthalten. An 
der Gesamtfleiscbmenge sind die einzelnen Fleischarten in folgender 


Weise beteiligt: 

Gesamtmenge 

inländisch 

ausländisch 


Ztr. 

Ztr. 

Proz. 

Ztr. 

Proz. 

Rindfleisch . . . 

18 592 940 

11458 640 

61,63 

7134 300 

38,37 

Hammelfleisch . . 

10 678 361 

6 704 720 

62,79 

3 973 641 

37,21 

Schweinefleisch . 

13146 506 

5 466 440 

41,58 

7 680 066 

58,42 

verschied. Fleisch 

655 023 

— 

— 

665 028 

— 

Gesamtmenge . . 

43 072 830 

23 629 800 

54,86 

19 443 030 

45,44 

Kaninchenfleisch, Geflügel 

und Wild 

sind 

in diesen 

Zahlen 


nicht einbegriffen. Nach dieser Berechnung ist England fast für 
die Hälfte seines Fleischbedarfs auf die ausländische Zufuhr an¬ 
gewiesen. Eine Stockung dieser Fleischzufuhr ist sicherlich ge¬ 
eignet, ernste Folgen heraufzubeschwären, und es ist verständlich, 
daß die Engländer Untersuchungen anstellen, wie diesem Übel¬ 
stande abzuhelfen ist. K. 

Massenvergiftung durch Fletsohgeituaa In Böhmen. 

Am 6. September 1902 wurde in Cermuc (Böhmen) ein sieben 
Tage altes Kalb notgeschlachtet. Das Kalb war durch die infolge 
Gebärmuttervorfalles geschwächte Kuh niedergedrückt worden und 
infolge der erlittenen Quetschungen dem Verenden nahe. Von der 
Frau des Pächters soll nach der einen Version die Einscharrung 
des Kalbes angeordnet worden sein, nach der anderen soll sie den 
Arbeitern, zumeist Slovaken, gestattet haben, das Fleisch nnter 
sich zu verteilen. Das Fleisch, welches nach Aussage der Leute 
von weißer Farbe war, wurde in der Tat zerlegt und verteilt; die 


Arbeiter legten das Fleisch in Töpfe, ließen es über Nacht und 
auch den folgenden Tag in einem warmen, dumpfigen Lokale lagern, 
und verzehrten es am 7. und 8. September. Die ersten Krankheits¬ 
erscheinungen sollen am 9. September aufgetreten sein. Im ganzen 
sind 22 Personen erkrankt, von denen am 10. September 2 Personen 
gestorben sind. Die Krankheitserscheinungen bestanden in heftigem 
Erbrechen, Durchfall, schwachem Pulse, kalten Händen und Füßen, 
Krämpfen in den letzteren, einer eigentümlich heiseren Stimme 
und auffallender Schwäche. Die übrigen 20 Kranken erholten sich 
langsam und genasen sämtlich biB 20. September 1. J. 

Tierärztliches Centralblatt 

£7 _ Folgen der Dürre In Australien. 

In welchem Maße die Dürre in Australien den Viehbestand 
beeinflußt, erhellt aus einem Bericht des Viehinspektors von Neu- 
Süd-Wales über die Lammsaison des Jahres 1902. Es wurden 
von 8115 527 Schafen nur 1661710 Lämmer gewonnen, gegen 
6 328 969 Lämmer von 9115147 Schafen im Jahre 1901. Der Ge¬ 
samtbestand an Schafen hat gegen das Voijahr um 8141 280 Stück 
abgenommen und betrug nur 33 715 819 Stück. Viele Lämmer gingen 
zugrunde, andere wurden getötet, um das Leben der Mutter zu 
retten. Bis in die Mitte des Oktober bat die Dürre angebalten und 
die Aussichten für den bevorstehenden Sommer in Australien sind 
sehr ungünstig. 

Die Viehausateilung und Milchkuhkonkurrenz in St Louis. 

Gelegentlich der Weltausstellung in St. Louis beabsichtigen 
die Viehzüchter Amerikas eine große Tierschau zu veranstalten. 
Der Abteilungschef Mr. F. D. Coburn hat bereits die Vorbereitungen 
in die Hand genommen. Alle bekannten Zuchten an Pferden, 
Rindern, Schafen, Ziegen, Schweinen und Geflügel sollen beran- 
gezogen werden. Vom Monat Mai bis November nächsten Jahres 
soll eine Milchkuhkonkurrenz stattfinden. Die verschiedenen 
Züchtervereinigungen sollen hier in Wettbewerb treten, um zu 
zeigen, wie unter bestimmten Verhältnissen Milch und Butter mit 
möglichst wenig Kosten produziert werden können. An dem Wett¬ 
bewerb können sich Herden aus fünfundzwanzig, aus fünfzehn und 
aus zehn Kühen bestehend, beteiligen. In letztgenannter Klasse 
sollen Devons, Brown Swiss, Red Polled und Dutch Belted breeds 
konkurrieren. 

Dem Auslande hat man nach Möglichkeit die Beschickung der 
Ausstellung zu erleichtern gesucht Canadische Rinder sollen zu- 
gelassen werden, wenn ein beamteter canadischer Tierarzt be¬ 
scheinigt, daß sie frei von Krankheiten sind. Pferde aus Groß- 


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1. Oktober 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


635 


britannien und Europa werden zugelassen, wenn sie bei der Landung 
von einem amerikanischen beamteten Tierarzt untersucht und 
gesund befunden werden. Rinder werden mit Erlaubnis des Land¬ 
wirtschaftsamtes zugelassen. Die Quarantäne für Vieh aus Gro߬ 
britannien, Irland und den Kanalinseln wird von dem Beginn 
der Verschiffung an 60 Tage betragen. Für andere Wiederkäuer 
und Schweine aus diesen Ländern ist die Quarantänezeit nach der 
Anknnft auf 15 Tage festgesetzt Für das Vieh, welches direkt zur 
Ausstellung geht, wird die Tuberkulinprobe nicht gefordert. K. 

Den Wert der Milchkuhkonkurrenzen, zu denen auch auf der 
milcbhygienischen Ausstellung in Hamburg ein schwacher Anlauf 
gemacht worden ist, haben die Amerikaner schon längst erkannt 
und rüsten sich dieselben jetzt, um auf der Weltausstellung in 
St Louis einen größeren Wettbewerb unter den verschiedenen 
Rassen in bezug auf Milch und Fleischproduktion zu veranstalten. 

Alle Anmeldungen zu diesem Wettbewerb mußten, soweit es 
die Zuchtgenossenschaften betrifft, bis 1. Juli 1903 an den Chef 
der Tierabteilung Mr. Cobum erstattet sein. Die Anmeldungen der 
Kühe haben bis zum 1. Dezember 1903 zu erfolgen. 

Der Wettbewerb wird in vier verschiedenen Klassen stattfinden: 

Klasse A besteht aus solchen Kühen, welche die billigste i 
Produktion von Butterfett und Butter zeigen sollen. 

Klasse B umfaßt Kühe, welche die billigste Produktion von 
Milch für alle Molkereizwecke zeigen sollen. 

Klasse C nimmt Kühe auf, bei denen sich der Wettbewerb auf 
alle Produkte d. s. Fleisch und Milch bezieht, sowie Kälber mit 
Rücksicht auf ihren Fleischwert. 

Klasse D enthält Kühe, welche sich bewerben um den größten 
Ertrag an Marktmilch, sowohl bezüglich der Quantität als auch 
Qualität bei gegebenem Fettgehalt. 

Für die beste Milchkuh, für die Kuh, welche sich am besten 
mästen und die Kuh, welche das beste Kalb an Fleischwert liefert, 
sind besondere Preise ausgesetzt. 

Für das Richten der Kühe ist eine bestimmte Skala aufgestellt. 
Die Milchleistung wird mit 40 Punkten, die Fleischleistung mit 
35 Punkten und der Fleischwert des Kalbes mit 25 Punkten bewertet. 

Die Landwirte haben nur die Kühe zu stellen. Alle soustigeu 
Ausgaben wollen die Züchtervereinigungen tragen. 

Über Viehmfi8tung. 

Id einer landwirtschaftlichen Versammlung in Amerika 
äußerte sich Professor H. W. Mumfond von der Illinois-Uni¬ 
versität über die Probleme der Viehmästung. Von den drei 
Punkten: kaufen, füttern und verkaufen, welche beim Vieh- | 
geschäft in Betracht kommen, ist entschieden die Mästung der | 
wichtigste. Die Hauptfrage ist: welche Sorte Vieh kann mit 
dem größten Nutzen gemästet werden? Zweitens, wie kann der 
Landwirt am besten sein Korn verwerten? Drittens, in welchem 
Stadium soll das Rind verkauft werden? Viertens, wie kann 
die Fleischproduktion im hochwertigen Landbesitz am besten 
betrieben werden? 


1. Die Art des Vieh ändert sich je nach den Markt¬ 
bedingungen und nach dem Wert des Futters, Körner- sowohl 
wie Rauhfutters. Bei hohen Futterpreisen sind die erstklassigen 
Rinder teuer und bei niedrigen Futterpreisen billig. Der Grund 
ist darin zu suchen, dass bei teuren Kornpreisen weniger Mäster 
Korn füttern. Infolge dieser weniger sorgfältigen Mästung 
kommen die Tiere nur halbausgemästet an den Markt. Je 
billiger das Futter ist, desto billiger ist es, die Tiere für den Markt 
vollkommen anszumästen. In diesen Zeiten halten dieMäster zurück 
und füttern billiges Futter, um bessere Märkte zu erwarten. 

Um erfolgreicher Mäster zu sein, muss der Landwirt mit 
den Marktkonjunkturen eingehend vertraut sein. Er muß den 
Preisänderungen der verschiedenen Viehsorten folgen. Tägliche 
Berichte sind unerläßlich und dieselben müssen aufmerksam 
verfolgt werden. Die Schwäche der Zeitungen und der Markt¬ 
berichte beruht in dem Mangel von bestimmten Angaben. 
Zwischen den Preisen wird zu viel Spannung gegeben, das ist 
geeignet, den Mäster irre zu führen. Der Mäster muß jede 
Gelegenheit zur Verbesserung seiner Kenntnisse wahrnehmen 
und die Qualität seiner Bestände durch rationelle Fütterung zu 
steigern suchen. 

Durch Zusatz geeigneter stickstoffhaltiger Nahrung wird 
der Mäster reichlich für die Auslagen bezahlt. Das Mastfutter 
wird zweckmäßig aus Fleischmehl, Klee, Erbsen nnd Alfalfaheu 
zusammengesetzt. Timotheeheu ist nicht das beste Futter um 
Rinder zu mästen. 

So schnell als möglich sollten die Rinder gemästet werden, 
da sie dann glatter und gleichmäßiger bemuskelt sind. Kon¬ 
zentriertes Mastfutter ist hierfür besser, als anderes. 

Die Futterrationen, welche dem Nährstoff entsprechend zu¬ 
sammengesetzt sind, werden die rascheste und größte Zunahme 
erzielen lassen. Korn und Kleeheu mit etwas Fleischmehl ist 
das beste Mastfatter. Die respektiven Preise dieser Futtermittel 
werden aber den Nutzen der Mästung bestimmen. Schweine 
nehmen am besten, zu wenn man ihnen Kleeheu gibt, aber sie 
müssen dabei gut gehalten und gepflegt werden. 

Für wachsende Rinder ist Weide, Korn und täglich 3 Pfand 
Baumwollensaatmehl am besten. 

Das Babyfleisch wird am besten im Frühjahr auf den Markt 
gebracht, deshalb wird der intelligente Mäster die jungen Rinder 
im Winter in warmen nnd bequemen Ställen halten, um sie für 
die Frtihjahremärkte zu haben. 

Kurz zusammengefaßt sind folgende Punkte fdr den Erfolg 
des Mästens maßgebend: intelligentes Kaufen, rationelles Füttern 
und rechtzeitiges Verkaufen. 


Biicher&nzeigen und Kritiken. 

The common oolics of the horse von H. Caulton Reeks F. R. C.V. S. 
London, Bailliöre, Tindall und Cox., 1903. 

Das vorliegende Werk hat Großoktavfonnat und verfügt über 
224 Seiten. Es handelt, wie der Titel besagt, von den gewöhnlichen 
Kolikformen des Pferdes. Der Inhalt zerfällt in 17 Kapitel, von 
denen für IX bis XI eine originelle Bearbeitung ln Anspruch 
genommen wird. Eb sind darin die subakute Obstruktion des 
Grimmdarms (double colon), seines Übergangsteils in den Mastdarm 
(single colon) und des Dünndarms beschrieben. Dieser Abschnitt 
des Buches ist teilweise schon früher Gegenstand eines Aufsatzes 
desselben Verf. im „Journal of comp. path. and therap.“ gewesen. Im 
Kap. IX nimmt Verf. Gelegenheit, die gegen Darmverstopfung 
gebräuchlichen Mittel einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. 


Hier finden sich der Reihenfolge nach angeführt: Aloe, Ammonium, 
insbesondere A.carbonicum, Nuxvomica, Terpentin und Physostigmin, 
während die bei uns mit Recht bevorzugten Drogen Chlorbiryum 
und Arecolin weder an dieser Stelle noch überhaupt erwähnt 
werden. Verf. ist vor allem ein Freund des Physostigmins und 
schätzt auch das Ammonium sehr hoch, weil es eine mächtige 
stimulierende Wirkung auf alle Körperdrüsen ausübe. 

Von den übrigen Kapiteln, welche eine kompilatorische Ent¬ 
stehung haben, ist noch von Interesse das Kap. XIII. Dasselbe 
enthält die chirurgische Behandlung der Kolik nach der Methode 
von Prof. Macqueen. Derselbe führt mit Erfolg die Laparo- 
Enterotomie in der rechten Flanke aus. 

Das Buch ist mit einer schönen roten Leinwanddecke versehen 
und von der Verlagsbuchhandlung auch sonst gut ausgestattet. In 
den Text sind acht Illustrationen eingefügt. 


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63»; 

Wenn das Werkchen von Reeks auch Neues und Originelles 
wenig bietet, so ist es immerhin für den Ausländer belehrend, den 
Standpunkt der Kolikbehandlung bei den Engländern kennen zu 
lernen. Peter. 

Reiter, Dr. Emil, Tierarzt zu Cannstatt-Stuttgart. Vergleichende 
Untersuchungen Uber die Skelettmuskulatur von Hirsch, 
Reh, Schaf und Ziege. 42 Seiten Groß-Oktav mit 4 Tafeln. 

HaacR, Dr. Karl, Tierarzt zu Höchst im Odenwald: Vergleichende 
Untersuchungen über die Muskulatur der Gliedmaßen und des 
Stammes bei Katze, Hase und Kaninchen, 56 Seiten Groß-Oktav 
init 3 Tafeln. 

Beide Studien aus dem anatomischen Institut der tierärztlichen 
Hochschule zu Dresden. Berlin 1903 bei Paul Parey. Preis 3 u. 4 Mk. 

Cornelius, Hermann, Tierarzt zu München: Untersuchungen Uber 
die therapeutischen und topikologischen Wirkungen des Septo- 
forma. Aus der Großh. sächs. Veterinärklinik zu Jena. Inaug.- 
Diss. (Bern). München 1903, gedruckt bei Franz Stein. 

Tellyesniczky, Adjunkt am anatomischen Institut der Universität 
zu Budapest: Fixation im Lichte neuerer Forschungen- 
Sonderabdruck aus „Ergebnisse der Anatomie und Entwickelungs¬ 
geschichte“. Von Merkel und Bonnet, Band XI. — Zur Kritik 
der Kernstrukturen. Sonderabdruck aus dem Archiv für 
mikroskopische Anatomie und Entwickelungsgeschichte. 

Russische medizinische Rundschau. Monatsschrift für die gesamte 
russische Wissenschaft und Literatur. Unter Mitwirkung hervor¬ 
ragender russischer Gelehrter und Ärzte. Deutsch herauBgegeben 
von Dr. Semjon Lipliawsky und Dr. S. Weißbein. Berlin, 
Verlag von Max Hirsch, Jahrgang 1902/03. 

Personalien. 

Ernennungen: Zu Sanitätstierärzten die Tierärzte R. Utendörfer 
in Frankfurt a. M. und 0. Reinentann in Hanau. 

Wohnsitzveränderungen, Niederlassungen: Bez.-T. Schoenlevo n Peg¬ 
nitz nach Gemiinden versetzt. — Tierarzt Karl Kühn von Ehren¬ 
hain S.-A. nach Osterfeld, Bez. Halle verzogen. — Niedergelassen 
hat sich Tierarzt Hans Krüger in Fiddichow; Kaseloic in Stargard i. P. 

Examina: Approbiert wurden in Berlin die Herren: Gustav 
lirennecke , Adalbert Gronoic, Fritx Haase , Oskar Klein, Paul Kobe, 
Ernst lAtubis. Wilhelm Pampcrin, Erich Warmbrunn. 

In der Armee: Unterveterinär Schonart im Feld.-Aril.-Regt. No. 23 
zum Oberveterinär befördeit. — In Ruhestand wurden versetzt die 
Oberveterinäre Hogrcfe im Feld.-Artl.-Regt No. 45 und Bath im 
IIus -Regt. No. 11. 

Todesfälle: Tierarzt Fritx Kniibcl in Fiddichow; Bez.-T. a. D. 
Jos. Win ekler in Grafenau. 

Y&kanzen. 

Kreistierarztstellen : R.-B. Kassel: Fritzlar. — R.-B. Koblenz: 
Adenau. — R.-B. Stade: Kebldingen. — R.-B. Münster: Beckum. 
— R.-B. Oppeln: Rosenberg, Kreis- und Grenztierarztstelle; 900 M. 
Gehalt u. 900 M. Air Grenzkontrolle. — R.-B. Posen: Gostyn. — Amts- 
tierarztstclle in Vechta in Oldenburg. 600 M. Meldg. a. d. Ministerium. 

Di8trikstierarzt8telien: Saulgau i. Wiirtt.: Zwei D.-T. mit d. Sitz 
in Mengen u Altshausen. 1000 M. Wartegeld. Meldg. a. d. Ober¬ 
amt. — Schillingsfürst i. Bayern. 

An Hochschulen und Instituten: Bonn-Poppelsdorf: Ass. am 
tierhyg. Institut. 1200 M. Wohnung, Licht, Heizung. — Freiburg 
i. B.: Ass. am tierhyg. Inst. 1300 M. 

Schlachthofstellen a) neu ausgeschrieben: Cnblenz: Hilfs-T. 
zum 1. Nov. 150 M. monatl. Bewerbg. bis 10. Okt. a. d. Bürgerm. — 
Culm: San-T. 2100 M. steig, bis 3U00 M. Privatpr. im Sradtbez. 
Pension. Meldg. a. d. Mag. — Hagen i. W.: Direktor zum 1. Dez. 
3 . 00 —4200 M. Meldg. bis 5. Okt. a. d. Bürgerm; — Halle a. S.: 
Ass.-T. sofort 2400 M. Meldg. an Direkt. Reimers. 

b) nach Ablauf der Meldefrist noch unbesetzt): 
Baldenburg (Kr. Schlochau): Aufs, über Schlachth. u. Schweine- 
miirkte. (Magistrat.) — Beuthen: Assistent. 2100—3000 M. — 
Brandenburg: Assistenztierarzt. 2000 M., Bew. an die Schlacbt- 
hofverwaltnng. — B riesen: Verwalter. Privatpraxis. (Meldg. Ma¬ 
gistrat). — Dahl hausen-Linden a. d. Ruhr. Schlachthaus-Ver- 


No. 40. 


walter. 2400 M. Wohnung, Feuerung, Licht Privatpraxis. (Meldg. 
bis 1.September an den Amtmann.) — Dortmund: 2.Assistenztierarzt 
am Schlachthof. 2400 M. (Bew. an Mag.) — Eschwege: Vorsteher. 
2100— 3300 M. Freie Wohnung etc. Dreimonatl. Kündigung. — 
Gardelegen: Inspektor. Pensionsberecht. Gehalt 1800 M. Freie 
Wohnung und Feuerung. Privatpraxis. — Glückstadt: Inspektor. 
2000 M. Freie Wohnung etc. — Graudenz: Assistenztierarzt. 
1800 M.; freie Wohnung etc. Bew. bis 15. Septb. — Görlitz: 
Assistent 1800 M., steigend alle 3 Jahre um 300 M. bis 3600 M. 
Wohnung. Pension. — Kassel: Assistent, 2000 M. (Meldg. bis 
25. Aug. a. d. Magistrat.) — Kiel: Zwei Tierärzte. Gehalt je 
2500 M. (Magistrat). — KöBlin: Inspektor. 2400 M. bis 3000 M. 
Wohnung etc. Meldg. bis 15. Sept — Langensalza: Direktor. 
2000— 2700 M. Wohnung. Pensionsberechtigung. Probehalbjahr. 
1000 M. Kaution. — Liegnitz: 2. Tierarzt 1800 M. Wohnung. — 
Limburg a. L.: Vorsteher. 1800—2400 M. Probehalbjahr. — 
Linden bei Hannover: 2. Tierarzt. 2000 M. — Magdeburg: 
Tierarzt, 175 M. monatlich. — Mühlheim a. Rh.: Assistent zum 

1. Oktober. 1800 M. (Meldg. a. d. Schl.-Direktion.) — Neuenburg: 
Inspektor. 1600 M. Wohnung. Probehalbjahr. — Schwiebus: 
Verwalter. 2400 M. Wohnung. — Stolp: Direktor. 2400—3000 M. 
Wohnung etc.; Pensionsberechtigung. Meldg. bis 10. Septb. — 
Wangerin: Sanitätstierarzt Privatpraxis. (Mag.). — Weißenfels: 
Assistent (Angabe der Ansprüche an den Direktor). — Wurzen: 

2. Schlachthoftierarzt. 2600 M. Keine Privatpraxis. — Zwickau: 
T. zum 1. Okt. 2100 M. Wohnung etc. (Meldg. a. d. Rat der Stadt.) 

Stellen für ambulatorische Fleischbeschau und Privatpraxis. Anger¬ 
mund, Landkr. Düsseldorf: Fleischbeschau. Meid, an Bürgermstr. — 
Baruth: Niederlassung erwünscht Aus Fleisch-n. Trichinenschau 
1200M.(Mag.) — Biberach: Stadttierarzt. 3000 M. Viertelj. Künd. 
Kontrolle der Wochenviehmärkte, d. Schlachth. f. Großvieh etc. — 
Buk: Niederlass, erwünscht. (Landratsamt Grätz in Posen). — 
Heydekrug (Ostpr.): Privatpraxis im Niederungsteil des Kreises. 
Jährl. Zuschuß 600 M. (Kreisausschuß.) — Kernberg: Privatpraxis. — 
Kirchheim: Fleischbeschauer. Bedeutende Privatpraxis. (Magist) 

— Kletzko (Kr. Gnesen: Deutscher Tierarzt Privatpraxis mit 
circa 2700 M. Event. Staatszuschuß 750 M. (Magist.) — Klingen- 
thal (Sachsen): Fleischbeschauer. (Gemeinderat). — Kobylin 
(Posen): Deutscher Tierarzt Jährl. Staatszuschuß 750 M. (Landrat in 
Krotoschin.) — Königsberg: Tierarzt für die Herdebuchgesellschaft 
zur Tilgung der Tuberkulose. Anfangsgehalt 2000 M. Diäten für 
Untersuchungstage 12 M. nebst freier Station. Auskunft bei Tier¬ 
arzt Dr. Müller, Königsberg i. Pr., Lange Reihe 3. — Krakow i. M.: 
Privatpraxis. Voraussicht!. Fleischb. (Magist) ■— Laage i. M.: 
Privatpraxis. (Magist.) — Labiau: Niederl. erwünscht in Popelken 
bei L. 500M. Zuschuß. (Landrat). — Landsberg i. Ostpr.: Privat¬ 
praxis. Zuschuß von 495 M. Für die beid. erst. J. (Magistr.) — 
Lindow: Fleischb., Privatpraxis. — Markneukirchen: Städr. 
Tierarzt für Fleischbeschau zum 1. Dezember 2400 Mark und 
jährlicher Staatszuschuß von 750 Mark. Privatpraxis. (Stadtrat.) — 

— Naumburg bei Kassel: Niederlassung erwünscht Gute Praxis. 
Stadtzuschuß 400 M. — Neckarbiscbofsheim: 1500 M. Fixum. 
(Bürgerm.) — Niemegk (Potsdam): Privatpraxis. — Oberpeil: 
Privatpraxis, 500 M. Gemeindefixum. Fleischb., ca. 700—800 M. 
(Bürgerm.) — Osterfeld: Fleischbeschau in vier Amtsbezirken. 
Gebühren Für 0. allein 1500 M. (Landrat in Weißenfels). — 

— Pollnow: Privatpraxis. 300 M. Fixum. Fleischbeschau 1200 M. 
(Ausk. bei Kreistierarzt Simmat in Schlawe. Meldg. a. d. Mag.) — 
Pulsnitz i Schl.: Fleischb. 1800—1000 M. (Stadtrat) — Rosko 
(Kr. Filehne). Fixum 600 M. Fleischb. Privatpr. (Landrat in F.) — 
Seeburg i.Ostpr.:Privatpr. Scblachthofaufsicht. (Magist) — Senden- 
hörst (Westf.): Fleischbeschau für Stadt und umliegende Land¬ 
bezirke. Kommunalzulage 600 M. (BUrgerm.) — Tarnowo: 
Privatpraxis und ca. 750 M. Fixum. (Landratsamt Posen- 
West.) — Tiegenhof im Kreis Marienburg: Gute Privatpraxis, 
durch Übertritt des Inhabers in ein Amt erledigt. — Treffurt (im 
Werratal); Fleischb. (Magist.) — Unruhstadt: Fleischbeschau. Ge¬ 
bühren ca. 2400 M. Privatpraxis (Mag.) — Zarrentin i. Meklb.: 
Niederlassung erwünscht. (Ausk. erteilt d. Komitee des landw. Ver.) 


Besetzt: Barmen, Hammerstein, Heringen, Heppenheim. 

Verantwortlich für «Int Inhalt (oxkl. Inseratenteil',: Prof. Dr. Schmaltz in Berlin. — Verlag und Eigentum von Richard Schoctz in Berlin. — Druck von W. Btlxenstein, Berlin. 


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Dresden. 

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Professor 

Freiburg i. Br. 

Dr. Vogel Zünde! 

Landestierarzt v. Bayern Kreistierarzt 

München. MUlbausen i. E. 

Jahrgang 1903. 


M 41 . 


Ausgegeben am 8. Oktober. 


In h al t: Jelkmann: Über Gurniin. — Perl: Therapeutische Beobachtungen bei einem Fall von Morbus maculosus. — 
Raebiger: Jahresbericht des Bakteriologischen Instituts der Landwirtschaftskammer für die Provinz Sachsen. 
— Schröder: Weidegang und Tuberkulose. — Referate: Fischooder: Die Milzbranddiagnose. — Therapeutische Mit¬ 
teilungen aus der Armee. — ^Rubay und Navez: Nervöse Störungen infolge Kompression des Rückenmarkes nach einer 
Luxation der Halswirbel. — Zur antitoxischen Tetanustherapie. — Tagesgeschlohte: Kgl. bayer. Landestierarzt a. D., Ober¬ 
regierungsrat Ritter von Göring f. — Zur Veterinärreform. — Verschiedenes. — Personalien. — Vakanzen. 


Über Gurmin. 

Von 

Dr. Jelkmann-Frankfurt a. M. 

Das im Serum-Institut der Höchster Farbwerke hergestellte 
und unter dem Namen „Gurmin“ in den Handel gebrachte Anti¬ 
streptokokken- oder Drnsensemm wurde zuerst bei den Pferden 
dieses Instituts in größerem Maßstabe erprobt und angewendet. 
So wurden alle seit April dieses Jahres für die Serumgewinnnng 
neu eingestellten Pferde, 78 an der Zahl, nach vorheriger tier¬ 
ärztlicher Untersuchung mit „Gurmin“ behandelt. Das Alter dieser 
größtenteils aus Dänemark stammenden Pferde schwankte mit 
wenigen Ansnahmen zwischen vier und fünf Jahren. Infolge 
der längeren Reise nnd der zeitweise sehr ranhen und ungünstigen 
Witterung fanden sich bei der Ankunft eines jeden Transports 
einige Pferde vor, die unter den Erscheinungen der Druse mehr 
oder weniger erkrankt waren. Sie zeigten eine erhöhte Körper¬ 
temperatur (39,2—39,8° C), mangelhafte Freßlust, Hustenreiz, 
Nasenausfluß and Anschwellung der Kehlgangsdrüsen. Sämtliche 
Pferde des Transports, ob gesund oder krank, wurden zusammen 
in zwei QaarantänestäUen untergebracht nnd jedem Pferde 
50 Gramm „Gurmin“ subkutan eingespritzt. Eine örtliche 
Reaktion im Bereiche der Impfstelle trat bei keinem Pferde ein. 
Ebensowenig konnten bei den gesunden Pferden nach der 
Impfung irgendwelche Störungen im Allgemeinbefinden festge¬ 
stellt werden. Dahingegen traten aber bei den drasenkranken 
Pferden bereits 24 Standen nach der Impfung ganz auffallende 
Veränderungen ein. Es zeigte sich bei allen Patienten nicht 
nur eine erhebliche Fieberabnahme nnd Besserung im Allgemein¬ 
befinden, sondern auch die lokalen Erscheinungen der Druse 
waren im Schwinden begriffen. Nach drei bis fünf Tagen waren 
der Hustenreiz, die Schwellung der Kehlgangsdrüsen wie auch 
der Nasenausfluß ganz geschwunden, nnd die Tiere zeigten 
wieder das Bild einer vollen und ungetrübten Gesundheit. 

Von den gesnnden, aber mit den drasenkranken in einem 
Stall nntergebrachten Pferden ist nach der Impfung nicht ein 


einziges mehr an Drnse erkrankt, auch selbst nach Verlauf von 
drei Monaten nicht. Dieses Nichterkranken der gesnnden Pferde 
erscheint um so anffallender resp. bemerkenswerter, als nach 
Aassage der Institntsleitnng vordem Erkrankungen an Druse 
unter den neu eingestellten Pferden stets in größerem Umfange 
auftraten, die fast immer zur Abszeßbildung in den benachbarten 
Lymphdrüsen und zu anderen Komplikationen führten. Dieser 
chronische Verlauf der Druse führte nicht allein tödliche Verluste 
herbei, sondern hatte auch noch den Nachteil, daß eine große 
Anzahl Pferde für längere Zeit zur Immunisierung nicht geeignet 
waren. 

Auf Grand dieser im Höchster Serum-Institut erzielten 
günstigen Resultate habe ich auch die Versuche mit „Gurmin“ 
in meiner Privatpraxis weiter fortgesetzt nnd bei zehn von mir 
behandelten drasenkranken Pferden nachstehende Resultate 
erzielt: 

Bei sechs Pferden schweren belgischen Schlages, im Alter 
von vier Jahren, die das charakteristische Bild der Druse zeigten, 
nnd wobei es sich neben einer katarrhalischen Erkrankung der 
ersten Luftwege zweifelsohne um eine reine Streptokokken¬ 
infektion handelte, hatte die Behandlung mit „Gurmin“ einen sehr 
raschen und durchschlagenden Erfolg. Bereits 24 Standen nach 
der Impfung zeigten sich die Patienten fieberfrei, hatten ein 
viel muntereres Aussehen nnd einen regen Appetit. Die bei allen 
sechs Pferden sich zeigenden Anschwellungen der Kehlgangs¬ 
drüsen waren innerhalb drei Tagen ganz verschwunden, und der 
schleimig-eitrige Nasenausfluß, in dem sich vorher große Strepto- 
kokken-Massen nachweisen ließen, zeigte bereits am dritten 
Tage nach der Impfung eine mehr serös-wäßrige Beschaffen¬ 
heit, und die mikroskopische Untersuchung ergab nur noch 
Spuren dieser pathogenen Keime. 

Auf den weiteren Verlauf der erkrankten Schleimhant- 
Oberfläche hat das „Gurmin“ meinen Beobachtungen nach nicht 
den geringsten Einfluß. Sind die Streptokokken zerstört resp. 
abgetötet, dann bleibt der serös-wäßrige Ausfluß noch vier 


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638 


bis fünf Tage weiter bestehen; die entzündete und gerötete 
Nasenschleimhaut blaßt von Tag zu Tag mehr ab, und hiermit 
erreicht auch die gesteigerte Schleimhautsekretion ihr Ende. 

Bei den weiteren vier mit „Gurmin“ behandelten drusen¬ 
kranken Pferden war der Verlauf insofern ein anderer, als zwar 
auch in den ersten Tagen nach der Impfung ein Abschwellen 
der entzündeten Kehlgangsdrüsen konstatiert werden konnte, 
dahingegen aber die Fiebererscheinungen, wie auch die sonstigen 
Störungen im Allgemeinbefinden keine Abnahme zeigten. In 
diesen vier Fällen von Druse handelte es sich, wie bald nach¬ 
gewiesen werden konnte, nicht um reine Streptokokkeninfek¬ 
tionen, sondern um das Vorhandensein verschiedener pathogener 
Keime, also um sogenannte Mischinfektionen. So waren es in 
drei Fällen gangränös-eitrige Prozesse in der Schleimhaut der 
Rachenhöhle, die das Fortbestehen des Fiebers und der sonstigen 
Störungen im Allgemeinbefinden verursachten, und in einem 
anderen Falle traten nach dem Schwinden der Druse plötzlich 
Erscheinungen von Morbus maculosus zutage. 

Auf Grund dieser Beobachtungen erscheint mir folgendes 
zweifellos: 

1. Das „Gurmin“ übt eine spezifische (bakterizide) Wirkung 
auf die Streptokokken der Druse aus. 

2. In all den Fällen von Druse, wo es sich um eine reine 
Streptokokkeninfektion handelt und noch keine umfangreiche 
Vereiterung der Lymphdrüsen besteht, wird die Behandlung 
mit „Gurmin“ stets von Erfolg begleitet sein. 

3. Es gewährt die Einspritzung von „Gurmin“ den gesunden 
Pferden einen gewissen Schutz (Immunität) gegen Erkrankung 
an Druse. Wie lange aber diese Immunität dauert, läßt sich 
zurzeit noch nicht mit Sicherheit feststellen. 


Therapeutische Beobachtungen bei einem Fall von 
Morbus maculosus. 

Von 

Perl-Lüneburg, 

UnterveterinXr. 

In meiner Landpraxis hatte ich Gelegenheit, folgende immer¬ 
hin interessanten Beobachtungen bei einem an Morbus maculosus 
leidenden Pferde zu machen. 

Nach dem Vorbericht litt fragliches Pferd — 8-jähriger 
Rappenwallach, schweres Ackerpferd — seit etwa 14 Tagen an 
Druse („Kropp“) und war seither mit einer Einreibung in der 
Parotisgegend und Verabreichung eines Drusepulvers vorbehandelt. 
Am ersten Tage meiner eingehenden Untersuchung stellte ich als 
wesentlich folgendes fest. Die Bluttemperatur betrug 40,2° C., 
die Frequenz des ziemlich kräftigen Pulses 72. Aus beiden 
Nasenöffnungen entleerten sich kontinuierlich reichliche Mengen 
vorwiegend eitrigen DejekteB. Die Futteraufnahme beschränkte 
sich auf das Verzehren einiger Hände voll Grünfutter und einiger 
Scheiben Brot im Laufe eines Tages; das Verlangen nach Wasser, 
dem etwas Kleie beigemengt wurde, war in geringem Grade er¬ 
höht. Ohrdrüsengegend ein wenig angeschwollen. Bewußtsein 
frei; das Pferd stand mit dem Kopfe meistens an der spaltförmig 
geöffneten Tür, bei Annäherung einer Person die Ohren spitzend. 

Da Lunge, Kehlkopf und Darm sich als völlig gesund er¬ 
wiesen, so beschränkte ich mich in den ersten 4 Tagen auf 
die Verabreichung von Sal. Carolin, factit. mit dem Trinkwasser 
und die Beachtung diätetischer Gesichtspunkte. Eine wesentliche 
Änderung in dem Befinden des Tieres trat innerhalb dieser 


No. 41. 

4 Tage nicht ein. Am 5. Tage zeigte das Pferd Anschwellung 
der Gliedmaßen, über Nacht entstanden, welche vor dem Karpal- 
gelenk und auf dem Fersenhöcker schlotterten, und der sichtbare 
Teil der Nasenschleimhaut war Sitz hämorrhagischer Herde. Der 
bis dahin heftige Nasenausfluß war fast gänzlich verschwunden. 
Der übrige Befand war derselbe wie in den ersten 4 Tagen; 
steifer Gang und Rückgang des bis dahin guten Ernährungs¬ 
zustandes ergeben sich von selbst. Die Behandlung des nach 
diesem Befunde an Petechialfieber leidenden Pferdes bestand bis 
zum 9. Tage in Fortsetzung der bisherigen, ferner täglich ein¬ 
maliger intravenöser Injektion von Collargol 0,5:45,0 und 
Waschung der Gliedmaßen mit Burowscher Lösung. Letztere 
wurden bis gegen Ende der Krankheit fortgesetzt. 

Am 6. Tage betrug die Körpertemperatur 41,8° C. Von der 
beabsichtigten stomachikalen Applikation von Jodvasogen (nach 
Straube) mußte Abstand genommen werden, da das Pferd zu 
jenen gehörte, denen flüssige Arzneien mit der Flasche einfach 
nicht beizubringen sind. Einige Brotschnitten, dünn mit Jod¬ 
vasogen bestrichen, wurden genommen. Am 7. Tage betrug die 
Körpertemperatur 39,8° C., am 8. und am 9. Tage 39,2° C. 
Während dieser 5 Tage war sonst eine Besserung in dem 
Befinden des Patienten nicht eingetreten. Die Anschwellung der 
Gliedmaßen batte etwas zugenommen. 

Am 10. bis 15. Tage setzte ich an Stelle des Collargol das 
Ichthargan (1,0:45,0), welches von Lange (B. T. W. S.925) bei 
Morbus maculosus mit Erfolg verwandt wurde. 

Am 11. Tage, also nach der ersten Injektion von Ichthargan, 
zeigte sich eine augenfällige Besserung nach zwei Richtungen 
hin: Die bis dahin auf 39,2° C. stehende Temperatur war auf 
37,7, also zur völligen Norm, gesunken, und der Appetit auf 
Grtinfutter und Brot hatte sich wesentlich gebessert. Am 
12. Tage setzte ich der Kontrolle halber mit der Anwendung von 
Ichthargan aus. T. 38,2. Am 13. Tage war die Temperatur 
wieder auf 39,2° C. erhöht. Injektion von Ichthargan. Am 

14. Tage betrug die Temperatur 37,8° C. Injektion von J. Am 

15. Tage: T. 38,0°, P 60. Injektion von J. Appetit hat täglich 
zugenommen. Dagegen ist die Anschwellung der Gliedmaßen 
nicht nur zurückgegangen, sondern sie ist so stark geworden, 
daß sich unterhalb der Knie- bzw. Ellenbogengelenke wulstige 
Absätze gebildet haben; dazu ist Geschwulst unterhalb der 
Vorderbrust, Anschwellung oberhalb der vorderen Brustapertur 
und auf dem Nasenrücken getreten. Da bis jetzt das Jod in 
kaum nennenswerter Menge zur Verwendung gelangt war, so 
verordnet» ich vom 16. Tage ab die tägliche Verabreichung von 
20,0 Jodkalium mit dem Trinkwasser (Rp. Kal. jodat. 100,0, 
Aq. jont. 500,0, mf. Sol. Täglich den 5. Teil mit dem Trink-, 
wasser zu geben). Der 17. Tag brachte eine Überraschung: 
sämtliche Anschwellungen waren sichtlich zurückgegangen. P 40. 
Dieser Rückgang und auch die sonstige Besserung machten dann 
solche Fortschritte, daß am 20. Tage das Pferd als geheilt zu 
betrachten war. 

Ich möchte mich so zusammenfassen: 

Das Collargol hat zwar die Innentemperatur um fast 1°C. 
erniedrigt, im übrigen aber ein befriedigendes Resultat nicht 
ergeben. 

Nach Anwendung des Ichthargan sank die Temperatur 
alsbald zur Norm, und der Appetit wurde sichtlich gehoben. — 
Eine wesentliche Anschwellung an der Injektionsstelle habe ich 
nicht wahrgenommen. 


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8 . O\ct°ber l903. 

Das Jodkali hat einen deutlichen rückbildenden Einfluß anf 
die Anschwellungen ansgeübt. Die Burowsche. Lösung hat sich 
gegen die Anschwellungen als wirkungslos erwiesen. 

Für die günstige Beeinflussung der krankhaften Prozesse 
durch die verwandten Arzneien spricht die Tatsache, daß von 
dem Tage an, wo ein Wechsel in der arzneilichen Behandlung 
eintrat (1.—4., 5.—9., 10—15., 16.—20. Tag), sich auch eine 
Besserung nach einer ganz bestimmten Richtung hin vollzog. 

Ob und in welchem Grade sich Jodipin als wirksames 
Bekämpfungsmittel des Petechialfiebers erweisen würde, müssen 
Versuche lehren. (Vergl. Z. f. V. 03, 3, Cbristiani.) 


. Weidegang und Tuberkulose. 

Von 

Schröder-Meldorf, 

* Tierarzt. 

- Nach Einführung der allgemeinen Fleischbeschau gelangten 
hier eine große Anzahl Ton Tuberkulosefällen bei Rindern und 
Schweinen zur Beobachtung. Bei den Jungrindern — Qninen und 
Ochsen — wurden, besonders 'oft nur ein oder , mehrere 
kleine, bis erbsengroße, käsig entartete Herde in den Bronchial¬ 
drüsen gefunden, während Lungen und andere Organe noch frei 
von Krankheitserscheinungen waren. 

Diese Formen waren in den Monaten April und Mai noch 
recht häufig, während sie jetzt im September fast gar nicht mehr 
gefunden werden. (In der Zwischenzeit übte ich acht Wochen 
in Potsdam.) 

Da nun nicht auffallend weniger junges Vieh geschlachtet 
wird wie im Frühjahr, sich andererseits auch die Fälle schwererer 
Tuberkulose nicht vermehrt haben, vielmehr eher zurückgegangen 
sind, so muß meines Erachtens daraus mit einiger Wahr¬ 
scheinlichkeit gefolgert werden, daß der hier übliche Weidegang 
und die dabei gegebene freie Bewegung in frischer Luft einen 
günstigen Einfluß auf diese Anfänge der Tuberkulose der Rinder 
auszuüben vermag, ja dieselben direkt zur Heilung bringt und 
zwar so, daß auffallende krankhafte Veränderungen nicht Zurück¬ 
bleiben. Es scheint also in solchen Fällen noch eine Restitutio 
ad Integrum erfolgen zu können. 

Ebenso ist die Zahl der Tuberkulosefälle unter den Schweinen 
während der späteren Sommermonate entschieden zurtickgegangen. 
Da Weidegang der Schweine hier nur selten ist, so scheint diese 
Verminderung auch zum größten Teil auf den Weidegang der 
mit erheblicherer Tuberkulose behafteten Kühe zurückzuführen 
zu sein, indem sich auch hier eine Besserung einstellt und 
weniger Tuberkelbazillen mit der Milch ansgescbieden werden, 
wenn nicht eben Eitertuberkulose vorliegt. (Leiden Schweine 
-doch meist an Fütterungstuberkulose!) 

Weitere Beobachtungen in Gegenden, in denen Weidegang 
üblich, dürften vielleicht meine Wahrnehmungen bestätigen. 


Jahresbericht des Bakteriologischen Instituts der 
Landwirtschaftskammer für die Provinz Sachsen. 

Erstattet von Tierarzt H. Rseblger-Halle a. S., Leiter des Instituts. 

(Aus dem Jahresbericht der Landwirtschaftskammer für 1902). 

Das im letzten Jahre bedeutend erweiterte Institut erstreckt 
seine Tätigkeit in erster Linie auf die Erforschung und Bekämpfung 
der Haustierseuchen. Für das Berichtsjahr sind hier die folgen¬ 
den besonders hervorzuheben: 


639 


1. Der ansteckende Scheidenkatarrh der Rinder. 

Es sind von Raebiger in Gemeinschaft mit Assistent 
P. Reimers 8591 weibliche Tiere und 207 Bullen untersucht, 
sodaß sich die Erfahrungen über das Wesen des ansteckenden 
Scheidenkatarrhs nunmehr (vergl. Berl. Tierärztl. Wochenschrift 
Nr. 2, 1902) über ein Material von 15 000 Stück Rindern er¬ 
strecken. In den von der Seuche betroffenen Beständen-zeigen 
sich durchschnittlich "90—98% der Tiere mit der Krankheit be T 
haftet. Die in den einzelnen Ortschaften sich verschieden 
äußernden wirtschaftlichen.Schädigungen bestehen in der Haupt¬ 
sache in dem Umrindern und dem Verkalben der Tiere. So 
bewegen sich z. B. die Prozentsätze derjenigen Tiefe, welche 
wiederholt umgerindert haben, zwischen ' 8 und 75% der 
zum Bullen geführten Tiere — in einem Falle rinderten 100% 
um —, derjenigen, welche verkälbteb, zwischen 8,5 und 68,5% 
der trächtigen Tiere. In dem Bestände, in welchem die er¬ 
wähnte höchste Prozentzahl des Umrinderns beobachtet wurde,, 
kalbte auch keine Kuh unter normalen Verhältnissen. 

Der ansteckende Scheidenkatarrh hinterläßt scheinbar keine 
Immunität. Der Ansteckungsstoff läßt sich leicht übertragen. 
So wurde z. B. beobachtet, daß getrennt liegende Stallungen 
lediglich durch Personenverkehr infiziert wurden. Die zwecks 
Therapie angestellten Heilversuche mit einer sterilen Dauerhefe, 
dem Zymin, die nach Ger et und Albert bei Zuckerzusatz 
durch ihre spezifische Gärwirkung beträchtliche bakterizide 
Wirkung entfalten soll, zeitigen keinerlei befriedigende Heil¬ 
erfolge; desgleichen die Irrigation von Chinosol in wäßriger 
Lösung (1:1000), wie die Tamponade mit demselben Mittel 
(1 :500). 

Ferner wurde zur Erzielung einer schnelleren Abheilung 
die erkrankte Schleimhaut in der Weise behandelt, daß geeignet 
erscheinende Pulver, z. B. feinpulverisierter Alaun, mittels 
Gummiballons in die Scheide eingeblasen wurden. Die Heil¬ 
erfolge waren zwar noch nicht völlig befriedigende, die Ver¬ 
suche werden aber fortgesetzt. 

Von neuem werden die günstigen Erfolge der Ichthargan- 
behandlung hervorgehoben und auch des Ichthyols wird Erwähnung 
getan. Dasselbe wurde nach Irrigation der Scheide mit 
W/o Bazillollösung in 5%iger wässeriger Lösung zur 
Durchtränkung der Wattetampons angewandt. 

Zur Bekämpfung der Seuche bei tragenden Tieren ist als 
eine besondere Behandlungsmethode, eine Salbentherapie, erfolg¬ 
reich ausgeführt worden. Nach Entschleimung der Scheide mit 
2%iger warmer Alaunlösung wird ein haselnußgroßes Stück 
einer 5—lO%igen Ichthargansalbe vorsichtig mit den Fingern 
in die Scheide eingebracht und verteilt. Wegen des hohen 
Preises empfiehlt sich die Salbenbehandlung jedoch nur bei 
tragenden Tieren. Das Verfahren ermöglicht es, eine gleich¬ 
zeitige Heilung des ganzen"Bestandes zu erzielen. 

Auf Grund gemachter Erfahrungen ist folgende Behandlung 
der Seuche zu empfehlen. Vor der eigentlichen Behandlung 
der Tiere: 

a) Trennung der gesunden Rinder von den kranken. Ist 
diese nicht durchführbar, wenigstens möglichste Absonderung 
der Tiere eines Stalles unter Vermeidung jeder direkten Berührung 
zwischen beiden Abteilungen. 

b) Isolierung und Mästung bzw. Abschlachtung der bereits 
mit dem Gebärmutterkatarrh behafteten Tiere. 


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Während der Behandlung stetige Nachuntersuchung der im 
Anfang der Behandlung gesund befundenen, sowie der im Laufe 
der Behandlung geheilten Tiere, bis zum völligen Erlöschen der 
Seuche. 

Die Behandlung selbst: 

a) Bei nichttragenden Tieren tägliche Ausspülungen mit 
einer 1—1 Va proz. wässerigen Bazillollösung im wöchentlichen 
Wechsel mit Lysol in 2^ proz. Lösung. Im Anschluß an die 
Irrigation eine sofortige Tamponade der Scheide (letztere ist 
bei tragenden Tieren zu unterlassen). 

b) Bei trächtigen Kühen, wie oben beschrieben. 

c) Bei Bullen täglich ein- bis zweimalige Ausspülung des 
Schlauches mit einer 1—1 ! / 2 proz. warmen Bazillollösung, nach¬ 
dem der Haarpinsel mit der Scheere entfernt ist (Lange Holz¬ 
kanüle am Gummischlauch des Irrigators.) 

Außer der geschilderten Behandlung sind wiederholt des¬ 
infizierende Waschungen der äußeren Geschlechtsteile und ihrer 
Umgebung bei allen Tieren, sowie Reinigung und Desinfektion 
des Stalles, besonders der Jaucherinnen, der Hände und Stiefel 
des Wärterpersonals sorgfältig durchzuführen. 

Bis zur erfolgten Heilung sind sämtliche Rinder von der 
Begattung auszuschließen. Alsdann sind die Stallungen und die 
Stallutensilien nochmals einer gründlichen Desinfektion zu unter¬ 
ziehen. 

Bei diesen Maßnahmen kann die Seuche innerhalb drei bis 
vier Wochen getilgt werden. Bestätigungen über die Heilbarkeit 
des Leidens liegen zahlreich vor. 

Um einen nachhaltigen Erfolg zu erzielen, ist die Beobachtung 
entsprechender Vorbeugungsmaßregeln von Wichtigkeit. 

a) Jede neu einzustellende Kuh ist sorgfältig auf ansteckenden 
Scheidenkatarrh zu untersuchen und, wenn erkrankt, zurück¬ 
zuweisen. 

b) Jeder aus einer seucheverdächtigen Gegend stammende 
Bulle ist einer dreiwöchentlichen Behandlung zu unterziehen, 
ehe er zum Sprunge zugelassen wird. 

c) Gesunde Zuchtbullen sind vor einer Ansteckung dadurch 
zu schützen, daß der Schlauch derselben vor und nach jedem 
Sprunge auch auf eine scheinbar gesunde Kuh mit einem Liter 
einer warmen 1—l^proz. Bazillollösung ausgespült wird. 

d) Die gefährdeten Viehbestände sind einer fortlaufenden 
Kontrolle zu unterwerfen. 

e) Der Bullenhalter hat jedes weibliche Rind vor dem Deck¬ 
akt eingehend zu untersuchen und die gesunden Zuchtbullen 
strengstens für alle krankbefundenen Kühe und Färsen zu sperren. 

Mißerfolge bei der Behandlung können hervorgerufen werden 
durch mangelhafte oder unterlassene Desinfektion, Fortlassung der 
Tamponade, Nichtbeachtung der vorgeschriebenen Konzentration 
der betr. Lösungen, unvorsichtiges Behandeln der tragenden 
Rinder, Unterbrechung der Behandlung, Unzuverlässigkeit des 
ausführenden Personals, unzureichende Hilfskräfte und vor allem 
in den Fällen, in welchen nicht alle kranken Bestände einer 
Ortschaft gleichzeitig behandelt werden. Mit dergleichen Übel¬ 
ständen muß, solange gesetzliche Maßnahmen nicht zu Gebote 
stehen, leider nur zu oft gerechnet werden. 

Die Ergebnisse über die gemachten Erfahrungen lassen 
sieb in folgenden Sätzen zusammenfassen: 

a) Der ansteckende Scheidenkatarrh der Rinder ist heilbar. 

b) Die zurzeit zweckmäßigste Behandlung besteht in Aus¬ 
spülungen und Tamponade der Scheide bei nicht tragerlden 


No. 41. 


Kühen und Färsen, in Salbenbehandlung bei trächtigen Tieren, 
sowie Reinigungs- und Desinfektionsmaßregeln. 

c) Die Behandlung erfährt eine wirksame Unterstützung 
durch geeignete Sperrmaßregeln (Bullensperre und Ausfuhr¬ 
verbot zu Zuchtzwecken). 

2. Infektiöse Kälberruhr. 

Von 29 untersuchten, aus fast allen Teilen der Provinz Sachsen 
stammenden Kälbern handelt es sich in 21 Fällen um eine 
Allgemeininfektion mit koliähnlichen Bakterien. 

Weder die bekannten Vorbeugungsmaßregeln noch alle bis¬ 
her zur medikamentösen Behandlung empfohlenen Mittel sind 
von nachhaltigem Erfolge gewesen. Dagegen haben zahlreiche 
Impfungen mit dem von Jensen-Kopenhagen als auch dem im 
Institute hergestellten Kälberruhrserum gezeigt, daß die Serum¬ 
therapie der richtige Weg zur Bekämpfung der Seuche sein wird. 
Die Impfversuche werden in größerem Maßstabe fortgesetzt. 

3. Bornasche Krankheit (Gehirn- und Rückenmarks¬ 
entzündung) der Pferde. 

Nach einer Veröffentlichung Fambachs-Glauchau (Deutsche 
Tierärztl. Wochenschr. Nr. 7, 1902) sollte, nachdem alle Heil¬ 
versuche bis jetzt ohne Erfolg geblieben waren, eventuell im 
Lecithin ein wirksames Mittel gefanden sein. Die unter Mit¬ 
wirkung der Herren Kollegen aus der Provinz Sachsen mit 
53 Pferden angestellten Heilversuche verliefen wie folgt: 25 Tiere 
verendeten trotz Behandlung, 9 wurden auf Veranlassung der 
Besitzer getötet, bei 4 trat eine Besserung, bei 15 eine Heilung 
ein = 28,3 %. Da in der Provinz Sachsen (Reg.-Bez. Merse¬ 
burg und Erfurt) nach Ausweis der Jahresberichte des Kaiser¬ 
lichen Gesundheitsamtes im Jahre 1900 von den ergriffenen 
Pferden 19,87 %, im Jahre 1901 14,19 % erhalten blieben, 
so ergibt sich, daß auch die Lecithinbehandlung wesentliche 
Erfolge bisher nicht gezeitigt hat. Die Versuche werden 
fortgesetzt. 

4. Lungenseuche des Rindviehs. 

Seit der Verfügung des Herrn Regierungspräsidenten zu 
Magdeburg vom 24. März 1902, betr. das Verbot der Abgabe 
von aus den Lungen lungeseuchekranker Rinder zu gewinnender 
Lymphe zu Privatimpfungen, ist es nicht mehr möglich gewesen, 
Sekundärlymphe herzustellen, weil zur Erzeugung derselben 
Lungenlymphe erforderlich ist. Der Herr Landwirtschafts¬ 
minister hat sich in einem Erlaß vom 20. November desselben 
Jahres mit der Madeburger Verfügung einverstanden erklärt. 
Es sind daher lediglich literarische Studien und statistische 
Arbeiten ausgeführt worden. Dieselben lieferten das Ergebnis, 
daß die Lungenseuche überall da hat erfolgreich getilgt werden 
können, wo Abschlachtungen der kranken und aller der Seuche 
und der Ansteckung verdächtigen Rinder angeordnet worden sind. 

5. Rotlaufseuche der Schweine. 

Zur Bekämpfung der Seuche (nach Lorenz) ist im Jahre 1901 
der Versand der Rotlaufimpfstoffe auf das Herzogtum Anhalt und 
die thüringischen Staaten ausgedehnt worden. Gleichzeitig wird 
die Entschädigung für Impfverluste auf alle Verluste an Rotlauf 
innerhalb der Schutzzeit, also von 5 bzw. 12 Monaten erweitert, 
sofern die Impfungen durch Tierärzte ausgeführt sind. (Vergl. 
Berl. Tierärztl. Wochenschrift, Nr. 23, 1903). 

Im Berichtsjahre sind etwa 165000 Impfungen (gegen 70000 
der vorjährigen Impfperiode) ausgeführt worden. Davon entfallen 
auf die Provinz Sachsen ca. 144 860 Impfangen (724,306 ccm 
Serum, 147,555 ccm Kulturen), auf das Herzogtum Anhalt 


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a. Ofc to W 1903. 


ca. 5770 Impfungen (28,855 ccm Serum, 7,845 ccm Kulturen) 
und auf die thüringischen Staaten ca. 14 380 Impfungen 
(71,926 ccm Serum, 13,165 ccm Kulturen). 

Von den 165 000 Impflingen sind auf Grund der amtlich 
gestellten Diagnosen und der bakteriologischen Untersuchung 
42 Schweine = 0,025 Proz. an Rotlauf zugrunde gegangen, 
und zwar an Impfrotlauf 14 Stück, an Rotlaufendokarditis 
9 Stück und an natürlichem Rotlauf trotz der Schutzimpfung 
19 Stück. Die Verluste sind in voller Höhe entschädigt; daneben 
sind zahlreiche freiwillige Unterstützungen gewährt. 

6. Schweineseuche. 

Seit Januar 1903 ist das polyvalente Serum (Ostertag- 
Wassermann) zu Schutzimpfungen 1—14 Tage alter Ferkel 
innerhalb der Prov. Sachsen kostenlos abgegeben worden. 

Das Serum ist seit dem 10. Dezember 1902 der staatlichen 
Prüfung unterstellt. 

Die Impfungen haben nach den Bekanntmachungen der 
Kammer durch approbierte Tierärzte zu erfolgen (vergl. eine 
diesbez. Veröffentlichung in Nr. 6, 1903, der Berl. Tierärztl. 
Wochenschrift). 

Seit dem 26. Januar 1903 bis 31. März 1903 sind 14100 ccm 
Serum abgegeben worden, davon 4070 ccm zu kostenlosen 
Impfungen. 

Nach den vom Hygienischen Institut der Berliner Tierärzt¬ 
lichen Hochschule zusammengestellten Berichten, welche durch¬ 
weg verseuchte Bestände betreffen, war das Impfergebnis 
folgendes: 


Von 7842 geimpften Ferkeln sind 
gefallen 8 %, 

notgeschlachtet 0,6 %, 

Kümmerer geblieben 5,4%, 
und genesen 86 %. 


Von 2215 geimpften älteren 
Schweinen sind 
gefallen 0,5 %, 

notgeschlachtet 2 %. 

Kümmerer geblieben 1,5 %, 
und genesen 96 %. 

in Nr. 33, 


Einer neueren Veröffentlichung H. Raebigers 


1903, der landwirtschaftl. Wochenschrift für die Prov. Sachsen 


läßt sich nachstehendes entnehmen: 


Nach den im Juni dieses Jahres eingegangenen Berichten 
über 2227 Ferkelimpfungen sind gesund geblieben 90,5 Proz., 
verendet 5,5 Proz., davon zur Zeit der Impfung heftig erkrankt 
47 Proz., Todesfälle trotz der Impfung 3 Proz., Kümmerer 
geblieben 3 Proz., davon tuberkulös 19,7 Proz., sodaß die wirk¬ 
liche Zahl der Kümmerer 2,4 Proz. beträgt. * 

Zur Bekämpfung der Schweineseuche wird unter Hinzuziehung 
eines Sachverständigen nachstehendes Verfahren empfohlen: 

1. Impfung der Ferkel in den ersten Lebenstagen. 

2. Nachimpfung beim Absetzen von der Mutter. (Leichte 
Infektionsgefahr bei veränderter Fütterungs- und Lebensweise). 

3. Impfung der Läufer. 

4. Schutzimpfung aller neu eingestellten gesunden Tiere. 

5. Abschlachtung aller offensichtlich und schwer kranken Tiere. 

6. Gründliche Reinigung und Desinfektion der Ställe, Stall- 
ntensilien etc., wenn sich keine Krankheitserscheinungen mehr 
zeigen. 

7. Unterbringung der geimpften gesunden Schweine in die 
nach 6 behandelten Räume. 

7. Geflügelcholera. 

Eine größere Anzahl gesunder Hühner und Tauben ist in 
Parallelversuchen mit dem Landsberger Septizidin und dem Jeß- 
Piorkowskischen Geflügelcholera-Serum vorbehandelt und nach¬ 
her durch Fütterung oder Impfung mit den Erregern der Geflügel¬ 


cholera infiziert worden. Diese Versuche ergaben, daß beiden 
Serumarten eine praktisch verwertbare immunisierende Wirk¬ 
samkeit vorläufig noch nicht beizumessen ist. Die Versuche 
sollen später wieder aufgenommen werden. 

8. Tilgung von Ratten und Mäusen durch Bakterien. 

Der Issatschenkosche Rattenbazillus zeigte anfangs eine 
ausgesprochene pathogene Wirkung und tötete Ratten durch die 
Fütterungsinfektion nach ca. 12—14 Tagen. Es sind zu Ver¬ 
suchen in der Praxis 405 ccm Bouillonkultur abgegeben worden. 
Seine Virulenz schwächte aber schon nach einigen Monaten so 
ab, daß er selbst bei intraperitonealer Einverleibung bezw. nach 
der Züchtung durch das rohe Ei weiße und graue Ratten nur 
noch vorübergehend krank machte. 

Dagegen haben sich die Löffler’schen Mäusetyphusbazillen 
gut bewährt, sodaß dieselben an die Landwirte der Provinz zur 
Mäusetilgung abgegeben worden sind. Diese Bazillen werden 
nach einem besonderen Verfahren direkt aus dem Herzblut von 
an der Fütterungsinfektion verendeten Mäusen versandmäßig 
hergestellt und in zugeschmolzenen Bouillonröhrchen verschickt. 
Im Berichtsjahre sind 577 Röhrchen ä 15 ccm Inhalt == 8655 ccm 
zur Anwendung gekommen. Aus den eingegangenen Mitteilungen 
über die erzielten Resultate ist zu entnehmen, daß dieselben im 
allgemeinen gute waren. 

Außer auf Seuchenforschung und Bekämpfang erstreckt sich 
die Tätigkeit des Instituts auch auf die Ausführung bakteriolo¬ 
gischer Untersuchungen. Das Untersuchungsmaterial (345 Objekte 
gegen 98 im Jahre 1901) wurde von Tierärzten, Landwirten 
und Geflügelzüchtern der Provinz Sachsen und den benachbarten 
Staaten eingesandt. 

Ferner wird das Verständnis für die Wichtigkeit der Seuchen¬ 
bekämpfung und das Interesse daran durch Vorträge in den 
landwirtschaftlichen Vereinen und durch eine rege publizistische 
Tätigkeit in den einschlägigen Zeitschriften angeregt. 

Dr. Rautmann. 


Referate. 

Die Milzbranddiagnose. 

Fortschritte der Vet.-Hygiene 1903 Heft 1—3 mit einer farbigen Tafel. 

Von Kreistierarzt Dr. Fisohoeder- Königsberg. 

Autoreferat. 

Der Milzbrand bat in den letzten 12 Jahren nicht nur wegen 
seines häufigeren Auftretens, sondern auch besonders durch die 
Einführung der Milzbrandentschädigung ein erhöhtes Interesse ge¬ 
wonnen. Durch letztere, namentlich aber durch die von den 
Provinzialverwaltungen eingefübrte eigne Feststellung zum Zwecke 
der Entschädigung hat die Diagnose des Milzbrandes eine 
wesentliche Förderung erfahren. In der Literatur begegnet man 
bezüglich der Milzbrandfeststellung den größten Differenzen, nnd 
in der Praxis stößt man auf Schwierigkeiten, von denen der 
Forscher im Laboratorium nicht betroffen wird. Schon die Not¬ 
wendigkeit der Obduktion milzbrandverdächtiger Tiere wird ver¬ 
schieden beurteilt: während die einen sie für überflüssig halten und 
nur das Ergebnis der mikroskopischen bzw. der bakteriologischen 
Untersuchung als entscheidend ansehen, halten andere wieder die 
Obduktion in jedem Falle für notwendig, weil bei notorisch an 
Milzbrand verendeten Tieren Milzbrandbazillen nicht immer nach¬ 
gewiesen werden können. 

In der Regel wird jedoch zur Sicherstellung des Milzbrandes 
der Nachweis der Milzbrandbazillen verlangt und zwar in erster 
Linie der mikroskopische Nachweis seiner morphologischen 
Merkmale, während auf den Nachweis seiner biologischen Eigen¬ 
schaften eigentümlicherweise nur wenig Gewicht gelegt wird, 
namentlich nach der Entdeckung der Kapsel, die man fürein spezifisches 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 41. 


Charakteristikum des Milzbrandbazillus hielt. Doch bald überzeugte 
man sich, daß es auch noch andere Bazillen gibt, die eine Kapsel 
besitzen; es wurde auch geltend gemacht, daß ähnlich wie Diphtherie-, 
Rotlauf- und andere Bazillen auch Milzbrandbazillen bei ganz gesunden 
Tieren Vorkommen können. 

Ferner wurde darauf hingewiesen, daß die Milzbrandbazillen 
nnter Umständen, besonders bei Schweinen und auch Pferden, nur 
in so spärlicher Anzahl auftreten können, daß ihr mikroskopischer 
Nachweis mißlingt; es werden auch bestimmte Fälle in der Literatur 
Uber den negativen Ausfall der mikroskopischen Untersuchung 
zwischen Blutproben von Kadavern aufgefülirt, in denen auf Grund 
anderer Umstände Zweifel über das Vorhandensein von Milzbrand 
nicht bestehen konnten. Schließlich hat man auch eingesehen, 
daß die Milzbrandbazillen in Kadavern uud Kadaverteilen Ver¬ 
änderungen erleiden und zugrunde geben, so daß der färberische 
Nachweis ihrer morphologischen Merkmale, insbesondere der Kapsel, 
trotz Anwendung der zahlreichen Färbemethoden, die von ver¬ 
schiedenen Autoren (Klett, Lüpke, Olt, Räbiger, Preuße) 
empfohlen worden sind, nicht mehr gelingt. Die Angaben über 
den Zeitpunkt, wann der färberische Nachweis der Kapsel in flüssigen 
Kadaverteilen nicht mehr gelingt, sind sehr verschieden (2—13 Tage) 
ebenso über die Vorteile, welche die eine Färbemethode vor der andren 
bietet; im allgemeinen wurden jedoch die Methoden von Klett und 
Olt bevorzugt. 

Von den Methoden zum biologischen Nachweise der Milz¬ 
branderreger wurde, wenn sie in der Praxis überhaupt Anwendung 
fanden, dem Tierversuch, und zwar in erster Linie der Impfung 
von weißen Mäusen eine entscheidende Bedeutung beigemessen. 
Bezüglich der Ausführung der Impfung wird bald die kutane, bald 
die subkutane, bald beide Methoden empfohlen, und der sicher ein¬ 
tretende Tod der Impfmäuse auf 24 —48 Stunden angegeben. 
Späteres Eintreten des Todes oder ein völliges Mißlingen der 
Impfung wird nur selten in der Literatur erwähnt. 

Auf den diagnostischen Wert des Plattenkulturverfahrens 
hat erst vor kurzem Fränkel und dann auch Bongert hingewiesen 
und betont, daß die Züchtung der Milzbrandbazillen ein feineres 
Reagens auf Milzbrand sei als die Impfung. 

Zur Probeentnahme wird Milzsaft; oder Blut (Ohrvenen-, 
Halsvenen-, Herz-) empfohlen, jedoch von keiner Seite ihre Auf¬ 
bewahrung in flüssiger Form befürwortet, sondern auf Kartoffeln 
(Olt) oder auf Objektträgern angetrocknet (Ritt, Steinbach, 
Trödter); in letzter Zeit wird auf langsames Eintrocknen in 
dicken Schichten großer Wert gelegt (Bongert, Hosang). 

Verfasser, welcher mit der bakteriologischen Untersuchung der 
in Ostpreußen zum Zwecke der Entschädigung angemeldeten Milz¬ 
brandfälle betraut ist, stellt einen Teil der während seiner drei¬ 
jährigen Tätigkeit gesammelten Erfahrungen und Versuche — 
darunter auch einen von ihm im hygienischen Institut der tierärzt¬ 
lichen Hochschule zu Berlin mit einem Schaf angestellten Ver¬ 
such — in zwei Tabellen zusammen. Tabello I soll den Einfluß 
der Tiergattung, der Todesart, der Temperatur, des Zeitraums 
zwischen Tod und Sektion sowie zwischen dieser und der Unter¬ 
suchung auf die Haltbarkeit der Milzbranderreger veranschaulichen 
und zeigen, welche Kadaverteile zur Probeentnahme und welche 
Art der Verpackung am geeignetsten sind, sowie schließlich auch 
einen vergleichenden Überblick über den diagnostischen Wert der 
mikroskopischen Untersuchung, der Impfung und der Plattenkultur¬ 
verfahren gewähren. Tabelle II enthält eine tabellarische Zu¬ 
sammenstellung von 14 wichtigeren Versuchen, welche im Texte 
unter Beifügung einer farbigen Tafel eingehend besprochen werden. 
Bezüglich dieses 26 Seiten umfassenden Teils der Arbeit muß auf 
das Original verwiesen werden. 

Anf Grund seiner Erfahrungen und Versuche kommt Verfasser 
zu dem Schlüsse, daß die Milzbranddiagnose in der Praxis 
sich keineswegs so einfach gestaltet, wie man häufig 
anzunehmen geneigt ist, sondern daß man hier auf 
Schwierigkeiten stößt, von denen der rein wissenschaft¬ 
liche Forscher im Laboratorium verschont bleibt. Bei der 
Feststellung des Milzbrandes in der Praxis darf daher 
kein Mittel unangewendet bleiben, welches uns die 


praktischen Erfahrungen und die Ergebnisse der Wissen¬ 
schaft an die Hand geben. 

Von der Ausführung der Sektion wird man in keinem Falte 
Abstand nehmen können, denn abgesehen von dem häufigen Nach¬ 
weise anderer Todesursachen bildet der Obduktionsbefund eine 
wesentliche Stütze für die Beurteilung des Falles und muß dort, 
wo der Nachweis der Milzbranderreger durch besondere Umstände 
oder Zufälle vereitelt wird, als eine gesetzliche Unterlage anr 
formellen Regelung der Entschädigungsfrage angesehen werden. 

In der Regel wird man aber zur Feststellung des Milzbrandes 
den Nachweis des Milzbranderregers verlangen müssen and 
beim gänzlichen Fehlen von Milzbrandbazillen in frischen Kadavern 
wird die Feststellung des Milzbrandes als Todesursache nicht als 
vollkommen einwandsfrei angesehen werden können. Die Anzahl 
der auftretenden Bazillen ist bei Rindern in der Regel groß, ebenso 
meist bei Schafen, spärlicher dagegen bei Pferden und noch 
geringer bei Schweinen. Die Tiergattung scheint auch nicht ohne 
Einfluß zu sein auf die Schnelligkeit des Unterganges der 
Milzbrandbazillen in Kadavern. Bei Schafen konnten sie in 2 bis 
3 Tagen nach dem Tode in der Milz nicht mehr nachgewiesen 
werden. Ähnlich liegen die Verhältnisse bei Pferden; bei Rindern 
konnten sie dagegen noch 8—8 Tage nach dem Tode nachgewiesen 
werden, und zwar auch in solchen Fällen, in denen die Sektion 
2—3 Tage nach dem Tode erfolgt war. In Kadaverteilen geben 
die Milzbrandbazillen unter Luftabschluß schneller zugrunde als 
bei Zutritt von Luft. Niedrige Temperaturen (—12 bis —18 °C) 
erschweren den morphologischen Nachweis auch in frischen 
Kadavern. Hohe Temperaturen sowie alle Umstände, welche die 
Fäulnis oder andre Zersetzungsvorgänge begünstigen, beschleunigen 
den Untergang der Milzbrandbazillen. Auch die sekundär sich 
ansiedelnden Bakterien sind auf die Zerstörung der Milzbrand¬ 
bazillen von Einfluß. 

Von den Untersuchungsmethoden müssen erforderlichen¬ 
falls sämtliche angewandt werden. Sicher nachgewiesen ist der 
Milzbrand, wenn die Übertragung auf andere Tiere (Impfung) ge¬ 
lingt, wohingegen das Vorhandensein einiger mit den morpho¬ 
logischen Eigenschaften der Milzbranderreger ausgestatteten Stäbchen 
oder einiger mednsenhauptähnlicher, weißer atlasglänzender Kolonien 
zum einwandsfreien bakteriologischen Nachweise des Milzbrandes 
noch nicht genügt. 

Der mikroskopische Nachweis der Milzbrandbazillen in 
frischen Kadavern ist einfach. Man erhält mit allen gebräuch¬ 
lichen Färbemethoden gleich gute Bilder. Es ist daher jedem die 
Methode zu empfehlen, die er selbst für die einfachste hält Bei 
alten Kadavern dagegen ist die Methode von Klett am besten. 
Im faulenden Blute konnten nach Klett noch 9 Tage, und in an¬ 
getrocknetem Blute noch 79 Tage nach dem Tode eines 13 Stunden 
nach dem Tode sezierten Ochsen Milzbrandbazillen nachgewiesen 
werden, dagegen nicht mehr nach Olt. Bei der Oltschen Methode 
werden außerdem noch leicht „Pseudokapseln“ vorgetäuscht, die 
bei altem Material zu Irrtümern Veranlassung geben können. Der 
Einschluß der Präparate in Kanadabalsam läßt zwar die Färbung 
matter erscheinen, doch lieferten gut angefertigte Präparate noch 
97 Tage nach dem Einschluß in Balsam noeh sehr deutliche 
Bilder. 

Zur Impfung dürfen nur junge, zu bakteriologischen Zwecken 
noch nicht benutzte Tiere verwendet werden. Die kutane Impfang 
von Mäusen läßt bei altem Material in der Regel im Stich. Aber 
auch bei subkutaner Impfung ist die Wirkung keineswegs so sicher. 
Die eine Maus bleibt leben, die andere stirbt; der Tod erfolgt bei 
der einen Maus an Milzbrand, bei der anderen aus anderen Gründen, 
und wenn die Maus wirklich an Milzbrand verendet, so geschieht 
dies keineswegs immer so prompt und schneit, sondern oft erst 
nach 72, 80, ja sogar erst nach 90 Stunden. Obgleich man bei 
erkrankten Impfmäusen in manchen Fällen schon 12—18 Stunden 
vor dem Tode Milzbrandbazillen im Blute nachweisen kann, so sind 
andererseits doch auch die Fälle keineswegs so selten, in denen 
die Milzbrandbazillen nur in ganz spärlicher Anzahl im Blute und 
in den inneren Organen auftreten, so daß sie nach dem Tode der 
Maus in der Regel nicht mikroskopisch, sondern nur vermittels 


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8. Oktober 1003. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


weiterer Verimpfung oder durch das Plattenverfahren nachgewiesen 
werden können. Recht häufig dringen die Milzbrandbazillen Über¬ 
haupt, nicht in die Blutbahn ein, sondern sie bleiben nur.auf die 
Impfstelle beschränkt. Bei gefallenen Impfmäusen genügt daher 
der negative Ausfall der mikroskopischen Untersuchung des Blutes 
oder der inneren Organe einer gefallenen Maus nicht, um das Vor¬ 
handensein von Milzbrand auszuschließen, sondern ob ist noch die 
Anwendung des Platten verfahrene bzw. der Weiterimpfung auf 
Teilen der Maus notwendig und zwar in erster Linie mit Material 
aus der Impfhöhle. Mit der Untersuchung der Impfhöhle darf 
jedoch nicht bis zum Tode der Maus gewartet werden, sondern sie 
ist schon 2—6 Stunden nach der Impfung vorzunehmen, weil sich 
schon in dieser Zeit in der Impfhöhle neue Milzbrandbazillen ent¬ 
wickeln, die später zu Grunde gehen können, so daß die Maus dann 
entweder überhaupt am Leben bleibt oder, falls sie eingeht, weder 
im Blute, noch in den inneren Organen, noch an der Impfstelle 
Milzbrandbazillen nachweisen läßt, trotzdem man bei ihr kurz nach 
der Impfung Milzbrandbazillen an der Impfstelle mit Leichtigkeit 
nachweisen konnte. Die neuentwickelten Milzbrandbazillen findet 
man in Verbänden bis zu 40 (!) Stück in einer Kapsel, welche ihrer¬ 
seits auch bedeutend breiter, dafür aber weniger regelmäßig und 
scharf begrenzt ist, als die Kapsel der in Kadaverteilen anzutreffenden 
Milzbrandbazillen. Die Kapsel zeichnet sich auch durch ihre leichte 
Tinktionsfähigkeit aus, so daß das Auffinden der Milzbrandbazillen 
in Ausstrichen aus der Impfstelle wenig Schwierigkeiten bietet 

Werden bei der Impfung von Mäusen die angegebenen Einzel¬ 
heiten beobachtet, so gelingt es in der Regel schon wenige Stunden 
nach der Impfung auch in älterem Material, in dem mikroskopisch 
Milzbrandbazillen nicht mehr aufiufinden waren, Milzbrand nach¬ 
zuweisen, und Verfasser hat »mit dieser Methode stets dieselben 
Resultate erzielt wie mit dem Plattenverfahren, über welches 
er sich weitere Mitteilungen vorbehält, insbesondere Uber die von ihm 
nach Fertigstellung der Arbeit gemachten Erfahrungen. Zur mög¬ 
lichsten Vermeidung von Irrtümern ist jedenfalls die Anwendung 
beider Methoden nebeneinander unbedingt erforderlich. 

Auswahl der Proben. Zur bakteriologischen Untersuchung 
sind die inneren Organe und demnach auch die Milz nicht ge¬ 
eignet, weil sie von den Zersetzungsvorgängen zuerst ergriffen 
werden. Die Probeentnahme aus der Milz erscheint nur zulässig 
bei notgescblacbteten bzw. sofort nach dem Tode zerlegten Tieren. 
Blut aus den peripheren Körpervenen, und zwar Halsvenenblut 
ist in erster Linie zu empfehlen. 

Die Aufbewahrung in flüssiger Form begünstigt die Zer¬ 
setzungsvorgänge und hat sich daher nicht bewährt. Die Milzbrand¬ 
bazillen gehen hier immer früher zugrunde als in angetrock¬ 
netem Blute, vorausgesetzt, daß das Antrocknen langsam und in 
genügend dicken Schichten erfolgt. Obgleich das Antrocknen auf 
Objektträgern bei Laboratoriumsversucben sich sehr gut bewährt 
hat, so verspricht sich Verfasser von der Einführung dieser Methode 
nicht den gewünschten Erfolg, weil nach seinen Erfahrungen aus 
verschiedenen rein praktischen Gründen ihre Durchführbarkeit in 
der Praxis auf Schwierigkeiten stößt, welche die Zusendung von in 
dünnen Schichten angetrocknetem Material zur Folge haben würden, 
dessen Wert für den biologischen Nachweis der Milzbrandbazillen 
sehr gering ist. Verfasser empfiehlt daher Tuben von 5—7 cm 
Länge und ca. 12 mm Durchmesser, in denen nach seinen Ver¬ 
suchen die Virulenz der Milzbranderreger sich mindestens ebenso 
lange erhält wie auf Objektträgern, und deren Beschickung — 
Einfüllen von Blut bis ca. 3 mm Höhe und leichtes Verschließen 
mit Watte — in der Praxis wohl kaum auf Schwierigkeiten Btoßen 
dürfte. Immerhin hätten aber noch beide Methoden behufs ihrer 
endgültigen Einführung die Feuerprobe in der Praxis zu bestehen. 

Bezüglich der zum Zwecke der Entschädigung in besonderen 
Laboratorien vorzunehmenden bakteriologischen Untersuchungen 
hebt Verfasser hervor, daß die bakteriologische Untersuchung nur 
eine Ergänzung des Sektionsbefundes und der übrigen begleitenden 
Umstände ist und umgekehrt. Soll der die bakteriologische Unter¬ 
suchung ausführende Sachverständige — der unter allen Umständen 
Tierarzt sein muß — die Entscheidung treffen, so darf er nicht 
nur an das Ergebnis seiner Untersuchungen gebunden sein, sondern 


643 


er muß auch den Sektionsbefund, sowie alle für die Beurteilung 
des Falles wichtigen Erhebungen berücksichtigen dürfen, und diese 
müssen ihm auch am zweckmäßigsten nach bestimmten Vordrucken 
mitgeteilt werden. Ferner ist es unbedingt notwendig, daß die 
Sektion sobald wie möglich nach dem Tode des Tieres vor¬ 
genommen wird, und daß die entnommenen und vorschriftsmäßig 
verpackten Proben unmittelbar im Anschlüsse an die 
Sektion abgesandt werden. 

Zur Beschleunigung der Sektion wäre die Anzeige von Milz¬ 
brandverdacht direkt an den beamteten Tierarzt zu richten. Außer¬ 
dem wären die Besitzer Uber die Notwendigkeit der frühzeitigen 
Anzeige eventuell unter Hinweis auf den Verlust des Entschädigungs¬ 
anspruches aufzuklären. 

Zur Beschleunigung der Zustellung der Proben. sind den 
beamteten Tierärzten die vollständig ausgerüsteten Versandkästchen 
vom Laboratorium aus zu liefern. Diese sind so einzurichten, daß 
sie als Brief versandt werden können. Der Versand als Paket ver¬ 
zögert oft die Ankunft um ein biB zwei Tage. Die Sendung soll gleich 
am Sektionsorte fertiggestellt und sofoit expediert werden. Um 
das zu ermöglichen, ist von der Einsendung fingierter Präparate 
Abstand zu nehmen, doch sind diese vom beamteten Tierarzt auf¬ 
zubewahren, um erforderlichenfalls nachgesandt werden zu können. 
Die Anfertigung guter tingierter Präparate ist am Sektionsorte in 
der Regel schwierig, und durch die Anfertigung der Präparate in 
der Wohnung des beamteten Tierarztes wird der Abgang der 
Sendung in der Regel verzögert. Es sind daher nur lufttrockene 
Präparate mitzuschicken. Der mit der bakteriologischen Unter¬ 
suchung betraute Tierarzt hat auf Grund seiner Untersuchung so¬ 
wie des Sektionsbefundes und der übrigen vom beamteten Tierarzt 
erhobenen begleitenden Umstände zu entscheiden, ob Milzbrand 
bezüglich der Entschädigungsfrage vorliegt oder nicht. Bei seinen 
Untersuchungen bat er in allen zweifelhaften Fällen sämtliche 
üblichen Untersuchungsmetboden anzuwenden. Auch bei negativem 
Ausfälle der bakteriologischen Untersuchung ist Milzbrand an¬ 
zunehmen, wenn aus dem Sektionsbefunde und den übrigen be¬ 
gleitenden Umständen nach dem besonders einzugehenden Gut¬ 
achten deB beamteten Tierarztes Milzbrand anzunehmen war, und 
die Ausführung der Sektion oder die Ankunft der Proben eine 
Verzögerung erfahren hat. 

Bei Beschwerden gegen das Gutachten des Laboratoriums ist 
das Gutachten des zuständigen Departementstierarztes einzuholen, 
und gegen dessen Entscheidung das endgültige Gutachten der 
technischen Deputation für das Veterinärwesen. 

Therapeutische Mitteilungen aus der Armee. 

(Zeitarhrift fUr Veterinftrknnde 1903, Heft 6.) 

Itrol. 

Roßarzt Beier behandelte einen Fall von umfangreicher 
Fesselgelenksverletzung mit Itrol (Argentum citricum) 
unter bestem Krankheitsverlauf. Ein Kavalleriepferd zog sich 
bei einem nächtlichen Ritt durch Heruntertreten an einem 
scharfkantigen Stein lateral am linken Vorderfessel eine taler¬ 
große Wunde der Haut und Unterhaut zu. Sie wurde sorg¬ 
fältig gereinigt, mit einem Sublimatverband bedeckt und zeigte 
schon nach zwei Tagen Tendenz zur Heilung, wobei gleich¬ 
zeitig das Allgemeinbefinden vorzüglich war, bis nach einer 
Woche ein völliger Umschlag eintrat, die Durchtränkung des 
Verbandes mit gelben, geronnenen Massen den Ausfluß von 
Synovia und einen Defekt in der Gelenkkapsel erkennen ließ, 
der am gelegten Tier auch aufgefnnden und bei der Entfernung 
des nekrotischen Gewebes zu einer Spalte von 2 l / 2 cm Länge, 
3 mm Breite erweitert wurde, durch die die Gelenkkapseln 
sichtbar waren und die schäumende Synovia ausfloß. Die 
Gelenkhöhle wurde nach einer einmaligen Desinfektion mit 
Itrolpulver ausgefüllt, das sich mit darüber gegossenem Jodoform¬ 
äther zu einer breiigen Masse verband. Darüber wurde 
Jodoformgaze und ein dicker Okklusivverband gelegt und der 


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644 


No. 41. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


Patient in einer Hängegurte suspendiert, die er benutzte, um 
das kranke Gelenk in Beugestellung zu halten. Vier Stunden nach 
der Operation sank die Temperatur von 39,2° auf 38,8°, die 
Zahl der Pulse von 72 auf 54. Wegen Steigens der Temperatur 
auf 39,2° wurde nach fünf Tagen der Verband gewechselt, der 
nur in der der Wunde nächstgelegenen Schicht durchfeuchtet 
war. Die eingetrocknete Synovia bildete eine feste, das Gelenk 
gewissermaßen fixierende Masse. Die Spalte ist völlig mit 
Granulationen bedeckt. Die Wunde wird eine Stunde lang mit 
warmer Bazillollösung und vier Tage später nach abermaliger 
Temperatursteigung mit 10-prozentigem Sublimatspiritus be¬ 
rieselt. Drei Tage später wird der Verband zum dritten Male 
gewechselt. Patient bleibt nun fieberlos, belastet die Extremität 
allmählich, wird in eine Boxe verbracht und die mit Granu¬ 
lationen ausgefüllte, noch etwa markstückgroße Wunde offen 
mit Pyoktanin behandelt Nach völliger Heilung und Beseiti¬ 
gung einer Umfangsvermehrung durch methodische Bewegung 
und Massage besteht jetzt nur noch eine geringe Lahmheit bei 
der Bewegung im Trabe. 

IcMhargan. lohthoform. 

Roßarzt Ließ verwendete mit gutem Erfolg Ichthargan bei 
einer heftigen, traumatischen Conjunctivitis mit sympto¬ 
matischem Ectropium. Das Auge wurde täglich mehrmals mit 
lauwarmem Wasser gereinigt, danach mit einproz. Ichthargan- 
lösung bepinselt und ein mit dreiproz. Borlösung angefeuchtetes 
Tuch aufgelegt. Nach fünf Tagen war restitutio ad integrum er¬ 
reicht. — Einen Fall von totaler Hornhauttrübung behandelte 
er mehrere Tage lang mit einproz. Höllensteinlösung erfolglos, 
Er machte nun zweimal täglich eine Instilation von 3—4 Tropfen 
einer dreiproz. Ichtharganlösung. Nach achttägiger Behandlung 
waren nur mehr schwache Nubeculae übrig. 

Ichthoform gebrauchte der Verfasser in mehreren Fällen 
von Fesselerosionen und Mauke, ßowie zur Behandlung 
frischer Wunden. Es wirkte stark austrocknend, verhinderte 
Tumeszens und sicherte Heilung per primam. Bei vernach¬ 
lässigten Wunden wurde es vorteilhaft als zehnproz. Salbe an¬ 
gewandt. — Innerlich gereicht, erwies es sich als gutes Anti- 
diarrhoicum. Es wurde Pferden in einmaliger Tagesdosis 
von 30,0 in einer Pille mit Pulv. rad. Gent, und Alth. gegeben. 
Bei einem Kalb sistierte starker Durchfall, der mit Tannalbin 
vergeblich behandelt wurde, nach Reichung von 10,0 Ichthoform 
in vier Dosen und in Zwischenräumen von zwölf Stunden. 

Jodvasogen. 

Von mehreren Militärveterinären wurde Jodvasogen gegen 
Morbus maculosus versucht, doch ohne jeden Erfolg. — Da¬ 
gegen hat es Oberroßarzt Korff mit Erfolg innerlich und 
äußerlich gegen Zungen- und Kieferaktinomykose bei 
einer Kuh angewandt, die dadurch geheilt wurde. Auch in 
einem Fall von purulenter Phlegmone der unteren Sehnen¬ 
scheide des linken Hinterfußes beobachtete er eine augenfällig 
günstige Wirkung. — Roßarzt Hack desgleichen in 14 Fällen 
von Sehnenverdickungen. Er ließ die verdickten Stellen täglich 
zwei Stunden nach dem Einrücken fünf Minuten lang kräftig mit 
Jodvasogen massieren und danach einen Prießnitzwickel an- 
legen. — Arndt und Loske rühmen die gute Wirkung des 
Mittels bei Widerrist- und Kieferfisteln. — Andere ver¬ 
zeichnen Mißerfolge bei Periostitis mit Überbeinbildung, Sehnen¬ 
verdickung, chronischer Mauke. 


Epittiol. 

Das Hoffmannsche Metallpulverpräparat Epithol wurde 
in einem Dragonerregiment in ausgedehntem Maße zur Wund¬ 
behandlung angewandt, wobei, wie die Oberroßärzte P. Christ 
und Becker berichten, die besten Erfahrungen gemacht wurden. 
Es wurde namentlich auf Oberflächenwunden appliziert (mit 
festem Wattebausch der Schachtel entnommen, dick auf die 
Wunde aufgetragen und mit einem Horaspatel über strichen). 
Einmal wurde die bei der Neurektomie der Volares gesetzte 
Operationswunde mit Epithol behandelt und Heilung per primam 
erreicht. Seine Vorzüge sind: beispiellose Haftfähigkeit, schnelle 
Schorfbildung, schönes Aussehen der Wundflächen, Bequem¬ 
lichkeit und Billigkeit der Anwendung. — Mit Rücksicht auf die 
Haarfarbe der Pferde wurde bei Füchsen das Goldepithol, bei 
andersfarbigen Pferden das Silberepithol benutzt. 

0. Albrecht. 

Nervöse Störungen infolge Kompression des Rücken¬ 
markes nach einer Luxation der Halswirbel. 

Von Prof. Rubay und Assistent Navez-Brüssel. 

(Anntles de mfed. v£t. Dez. 1902.) 

Ein sechs Monate altes Stutfohlen wird eines Morgens mit 
gesenktem Kopfe, schwankendem Gang im Stalle vorgefunden. 
Das Tier kann den Hals weder nach oben, noch nach der Seite 
bewegen. Dieser Zustand dauerte zwei Monate. Es trat Atro¬ 
phie der oberen Halsmuskulatur ein und man bemerkte im 
mittleren Teile des Halsansatzes einen auf beiden Seiten gleich 
stark hervortretenden, harten, schmerzlosen, schlecht um¬ 
schriebenen Tumor. Während eine gewisse Besserung in der 
Beweglichkeit des Halses eintrat, verschlimmerte sich der Gang 
ganz wesentlich. 

Das Tier bleibt meist auf der Seite liegen mit ausge¬ 
streckten Gliedmaßen; es ist ruhig, anscheinend ohne Schmerzen. 
Das Aufstehen geschieht mit sehr großer Anstrengung. Es 
wird dann der Hals nach abwärts gebogen, so daß der Kopf 
beinahe den Boden berührt; die Ohren ruhen auf dem Nacken, 
die Gliedmaßen sind abduziert, die Vordergliedmaßen sind weit 
auseinander gestellt, die Zehen ruhen alle auf, während die 
Ballen hochgehalten bleiben und die Fesseln nahezu überköten. 

Das gutgebaute Tier zeigt keinen Knochenfehler, außer dem 
vorerwähnten Tumor. Die Palpation zeigt, daß die mannskopf¬ 
große Geschwulst gebildet wird durch eine Verbiegung nach 
oben der unteren Krümmung des Halsteiles der Wirbelsäule. 
Die oberen Halsmuskeln sind stark atrophisch, die unteren hart 
und retrahiert; die Muskeln der Schulter und die vorderen 
Vorarmmnskeln sind weich und schlaff, die hinteren Vorarm¬ 
muskeln dagegen hart und beim stehenden Tier stets kontrahiert. 
Die Rückenmuskeln scheinen unverändert, doch zeigen sie bei 
der Perkussion starke spasmodische Kontraktionen. Das Gefühl 
iBt am Kopfe und am vorderen Teile des Halses normal, am 
übrigen Körper und an den Gliedmaßen wesentlich erhöht Die 
Fortbewegungen sind sehr erschwert; der Gang ist unordent¬ 
lich und schwankend; die Vorderfüße schleifen am Boden; die 
Hinterfüße werden nach außen und vorn gehalten, fast ohne 
Beugung des Sprunggelenks; im Kreise bewegt sich das Tier 
noch schlechter; Rückwärtsbewegung ist unmöglich. Die Haut¬ 
temperatur ist normal, trophische Störungen werden nicht be¬ 
merkt, auch keine vasomotorischen. Digestionsapparat, Haut- 
und Zirkulationsapparat sind ohne Änderung. Im Stande der 
Ruhe ist die Atmung langsam, etwas tief; die Inspiration endet 


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645 



mit einem deutlichen Doppelschlag, doch ist keine Störung in 
der Lunge zu konstatieren. Beide Pupillen, namentlich die rechte, 
sind erweitert. Das Wiehern geschieht in verändertem Tone. 

Die Diagnose lautete auf Myelitis oder Sklerose der Seiten¬ 
stränge des Rückenmarkes infolge langsamer Kompression dieses 
Organs. 

Die Obduktion ergab Atrophie der Muskulatur der oberen 
Halsgegend mit einigen älteren hämorrhagischen Herden. 
Alle übrigen Muskel waren intakt. Die Nerven der diversen 
Plexus sind unverändert; die Brustorgane sind absolut gesund, 
ebenso die Bauchorgane. Der Kehlkopf und die Nerven der 
unteren Halsgegend sind ebenfalls unverändert. 

Die Halswirbelsäule bildet zwischen dem vierten und sieben¬ 
ten Halswirbel einen nach unten geööneten Bogen; die Körper 
der verschobenen Wirbel sind ganz intakt, dagegen sind zwei 
ZwischenwirbelBcheiben zerbrochen. Die Meningen sind unver¬ 
ändert; die Rückenmarksflüssigkeit in normaler Menge vor¬ 
handen. Das Rückenmark ist an der abgebogenen Stelle leicht 
zusammengedrückt, von normaler Farbe und Konsistenz; die 
Querschnitte lassen keine Änderung wahrnehmen; die Unter¬ 
suchung der anderen Teile des Rückenmarks und des Gehirns 
ergab ebenfalls nichts Abnormes. Die Nervenwurzeln waren 
unverändert. Mikroskopisch untersucht wurden die Nerven¬ 
zellen unverändert befunden und frei von jeder degenerativen 
Läsion. 

Es handelte sich somit um eine einfache Kompression des 
Rückenmarkes, hauptsächlich der Seitenstränge und schließen 
R. und N., daß: 

1. die einfache Kompression des Halsstückes des Rücken¬ 
markes sehr schwere Störungen verursachen kann; 

2. die langsame Kompression des Rückenmarkes sich nicht 
immer durch Paraplexie äußert. Sie kann auch die 
Form der Paralyse mit Kontrakturen annehmen, wie 
sie beim Menschen vorkommt und Dexler sie bei 
einem Hunde beobachtet hat; 

3. ausnahmsweise der für Dämpfigkeit charakteristische 
Doppelschlag auch beobachtet werden kann, wenn der 
zentrifugale Teil des respiratorischen Reflexzirkels 
verletzt ist, unter Ausschluß jeder Alteration der 
Lungen; 

4. phonetorische Störungen bestehen, sobald die zentri¬ 

fugale zerebrale Partie an dem Emergierungspunkt der 
N. phrenici verletzt ist. Zündel. 

Zur antitoxischen Tetanustherapie. 

Professor von Behring teilt in der Deutschen medizinischen 
Wochenschrift Nr. 35 mit, daß er seine Tetanusheilsera nicht nur 
auf den Mischungswert, sondern auch auf den Schutzwert und 
Heilwert im Tierexperiment prüft. Diese Arbeit kann in den 
Höchster Farbwerken nicht geleistet werden, und deshalb hat 
v. B. die Produktion seiner Tetanusheilsera nach Marburg ver¬ 
legt und den geschäftlichen Vertrieb der Firma Dr. Siebert 
und Dr. Ziegenbein übertragen, v. B. weist darauf hin, daß 
erst dann, wenn in den Apotheken und Krankenhäusern das 
Tetanusheilserum vorrätig ist, der unwiederbringliche Zeitverlust 
durch die Bestellung und Absendung vermieden werden kann, 
und damit die Heilwirkung seines Tetanusmittels richtig aus¬ 
genutzt werden könnte. Jeß. 


Tagesgeschichte. 



Kgl. bayer. Landestierarzt a. D., Oberregierangsrat 
Ritter von Göring f. 

Der langjährige, hochverdiente Chef des bayerischen Zivil¬ 
veterinärwesens, Oberregierungsrat Ritter von Göring ist am 
4. September d. Js. in Seefeld am Pilsensee, wo er Erholung 
von anscheinend ungefährlicher Krankheit suchte, zur ewigen 
Ruhe eingegangen. Mit ihm ist ein Mann aus diesem Leben 
geschieden; dem es vergönnt war, über ein halbes Jahrhundert 
in seinem Berufe zu wirken, der alle Zeit ein leuchtendes Vor¬ 
bild unermüdlicher Pflichttreue und eine Zierde seines Standes 
gewesen. Seit 39 Jahren in amtlicher Stellung, hat von Göring 
den Kampf um die Entwicklung des tierärztlichen Standes, um 
seine Anerkennung und Selbständigkeit, stets in den vordersten 
Reihen mitgekämpft; in seiner bevorzugten Stellung war es dem 
Entschlafenen vergönnt, die hervorragendsten Verbesserungen, 
welche unser Stand und insbesondere das bayerische Zivil¬ 
veterinärwesen in den letzten Jahren erfahren, zur Durch¬ 
führung zu bringen. Im Jahre 1852 trat Göring hinaus ins 
praktische Leben. Nach 12 jähriger Tätigkeit als Distrikts¬ 
tierarzt in Göllheim in der Pfalz, wurde er im Jahre 1864 Be¬ 
zirkstierarzt in Homburg und 1865 in Neustadt a. H. Im Jahre 

1866 führte ihn eine Reise zum Studium der Rinderpest nach 
Holland und England, nachdem er bereits einige Jahre zuvor 
die Viehzucht in Süddeutschland, der Schweiz und in Schleswig- 
Holstein an Ort und Stelle kennen gelernt hatte. Im Jahre 

1867 wurde er zum Bezirkstierarzt in Speyer ernannt, 1868 zum 
Veterinärreferenten bei der königlichen Regierung der Pfalz, 
1870/71 erhielt er die Oberleitung bei der Bekämpfung der 
Rinderpest in der Pfalz und im Elsaß übertragen, und im Jahre 
1872 erfolgte seine Ernennung zum Kreistierarzt. Im Jahre 1877 


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646 _ BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 41. 


wurde Göring ins Ministerium des Innern als Landestierarzt lieren in Göring einen hervorragenden Fachgenossen, einen 


berufen, in welcher Eigenschaft er im Jahre 1879 zum Re¬ 
gierungsrat und 1891 zum Oberregierungsrat ernannt wurde. 

Hochwichtige, organisatorische Maßnahmen sind während 
Görings Amtsdauer zur Durchführung gekommen. Schon im 
Jahre 1872 hat sich Göring als Mitglied der Kommission zur 
Beratung der Reorganisation des Zivilveterinärwesens 
an dem Zustandekommen der das bayerische Zivilveterinärwesen 
erheblich fördernden organisatorischen Verordnung hervorragende 
Verdienste erworben. Wenn diese Verordnung im Laufe der 
Zeit auch manche Anfeindung erfuhr, so hat sie das bayerische 
Zivilveterinärwesen doch auf eine Höhe erhoben, um die uns 
die übrigen deutschen Tierärzte lange Zeit beneideten. 

Das Wohl der amtlichen Tierärzte zu fördern und deren 
Stellung zu festigen, war Görings stete Sorge. Die im Jahre 
1894 begonnene Pragmatisierung der Bezirkstierärzte, 
die allseitig begrüßt wurde, sichert dem Entschlafenen den 
dauernden Dank der bayerischen Tierärzte. Seine Mitwirkung 
bei Erhebung der Zentraltierarzneischule zur Hoch¬ 
schule, besonders aber bei Erreichung der Maturität als 
Vorbedingung zum Studium der Tiermedizin, verknüpfen den 
Namen Göring aufs engste mit der wichtigsten Errungenschaft 
eines langersehnten Zieles aller deutschen Tierärzte. 

Die Rangerhöhung der bayerischen Kreistierärzte, die Auf¬ 
stellung der bayerischen Zuchtinspektoren sind Görings Verdienst. 
An den Beratungen der modernen land- und volkswirtschaftlichen 
Gesetzgebung hat Göring regen Anteil genommen. Das Reichs¬ 
viehseuchengesetz, das bayerische Körgesetz und das Reichs¬ 
fleischbeschaugesetz sind unter Görings Mitwirkung entstanden. 

Obwohl ihn sein Referatsdienst, zu welchem- auch die ge¬ 
samte landwirtschaftliche Tierzucht mit Ausnahme der Pferde¬ 
zucht gehörte, voll in Anspruch nahm, oblagen ihm noch eine 
Reihe von Verpflichtungen als Vorsitzender der Prüfungs¬ 
kommission für amtliche Tierärzte, Mitglied des bayerischen 
Obermedizinalausschusses und des bayerischen Landwirtschafts¬ 
rates, des Reichsgesundheitsrates und Reichsgesundheitsamtes, 
denen er mit unermüdlicher Schaffensfreude nachkam. Auf dem 
Gebiete der landwirtschaftlichen Tierzucht, der Göring vom 
Beginne seiner Tätigkeit bis an sein Lebensende stets das 
größte Interesse entgegenbrachte, hat der Verstorbene sich un¬ 
gewöhnliche praktische und wissenschaftliche Erfahrungen ge¬ 
sammelt, welche der bayerischen Tierzucht zunutze kamen und 
deren rasches Vorwärtsschreiten zur Folge hatten. 

Die Auszeichnungen, welche Göring erhielt, dio goldene 
Vereinsdenkmünze des landwirtschaftlichen Vereins, die Ehren¬ 
mitgliedschaft verschiedener tierärztlicher Vereine, der Verdienst¬ 
orden vom hl. Michael I. Kl. ä. 0., der österreichische Orden 
der eisernen Krone bildeten eine wohlverdiente Anerkennung 
seines unvergeßlichen Wirkens. Besonders erfreut war v. Göring, 
als ihn Se. Königliche Hoheit Prinz Ludwig anläßlich seines 
70. Geburtsfestes persönlich in seiner Wohnung beglückwünschte, 
sowie über die Verleihung des Kronenordens, mit welchem der 
persönliche Adel verbunden ist, anläßlich seines Ausscheidens 
aus dem aktiven Dienste. 

Kaum drei Monate genoß der Verstorbene den wohlverdienten 
Ruhestand, da raffte ihn ein Leiden, das schon länger in ihm 
schlummerte, das er aber im Vollgefühle treuer Pflichterfüllung 
stets niederrang, rasch dahin. 

•; Die bayerischen, aber auch die deutschen Tierärzte ver- i 


vornehmen Repräsentanten ihres Standes. Er wird uns stets 
ein leuchtendes Vorbild treuester Pflichterfüllung, wissenschaft¬ 
licher Fortbildung und wahrer Standesachtung sein. Die baye¬ 
rischen Tierärzte aber werden ihm für alle Zeiten ein dank¬ 
bares Andenken bewahren. Er ruhe in Frieden! 

Attinger, k. Landesinspektor für Tierzucht. 

Znr Yeterinärreform. 

Im Anschluß an eine Betrachtung der Militärveterinär- 
reform wirft Prof, Schmaltz in der vorigen Nummer der 
B.T. W. die Frage auf: „Was wird aus den preußischen 
Departementstierärzten? Diese Frage ist zweifellos ^ine 
sehr zeitgemäße und bedarf gerade jetzt umsomehr der Er¬ 
örterung, als die Königliche Staatsregierung durch die in Angriff 
genommene Militärveterinärreform gezeigt hat, in welchem 
Umfange sie. eine Förderung 4hrer Veterinärbeamten für not¬ 
wendig hält. Mit Schmaltz werden die preußischen Tierärzte 
wohl, ausnahmslos der Ansicht sein, daß die Militärveterinäre 
yorzüglich gefördert worden sind. Die Bildung eines Veterinär¬ 
offizierkorps und die Änderung der Titulatur lassen erkennen, 
daß die Militärbehörde bei der Reform ganze Arbeit tun 
wilL Bei näherer Betrachtung dieser Umwälzungen drängt sich 
einem unwillkürlich die Frage auf, wird die Reform des Zivil¬ 
veterinärwesens eine ebenso weitgehende sein? Der Bescheid 
des Ministeriums für Landwirtschaft, Domänen und Forsten 
vom 7. August d. J. (Nr. 35 d. B. T. W.) spricht dafür. Der 
Schlußsatz desselben sagt ausdrücklich, daß die Ordnung der 
Rangverhältnisse der - Kreistierärzte der Allerhöchsten Ent¬ 
schließung Vorbehalten bleibt. Man wird nicht fehlgehen in der 
Annahme, daß die Regelung dieser Verhältnisse bald erfolgen wird. 

Schmaltz sagt nun in dem angezogenen Artikel, daß die 
Kreistierärzte zufrieden sein werden, sobald die in dem 
ministeriellen Bescheid angekündigte Reform eingetreten ist. 
Das dürfte zutreffen, denn den beamteten Tierärzten in ihrer 
Gesamtheit wohnt ein solches Maß von Bescheidenheit inne, 
daß sie jede Verbesserung ihrer Verhältnisse dankbar hinnehmen. 
Für die Allgemeinheit der Tierärzte entsteht aber die Frage, 
ob eine Reform ohne Regelung der Titelfrage den berechtigten 
Forderungen unseres Standes entsprechen würde. Diese Frage 
ist meines Erachtens zu verneinen. 

Ich glaube, daß die Mehrzahl der beamteten Tierärzte auf 
die Verleihung des Ratstitels mindestens ebensoviel Gewicht legt, 
wie auf eine Gehaltserhöhung und die Pensionsberechtigung. 
Sie sind heute unter den höhern technischen Lokalbeamten die 
einzigen „Rathlosen und haben naturgemäß das Bestreben aus 
dieser Vereinsamung möglichst bald herauszukommen. Das kann 
nur dadurch geschehen, daß man ihnen ebenso wie den Bau¬ 
inspektoren, Gewerbeinspektoren, Kreisärzten etc. nach Absol¬ 
vierung einer gewissen Dienstzeit den Ratstitel verleiht. Daß 
hierbei nur der „Veterinärrat“ in Frage kommen kann, liegt 
auf der Hand. Nachdem die Armee den Veterinär akzeptiert 
hat, wird ein derartiger Vorschlag kaum irgendwelchen Bedenken 
begegnen. 

Bei dem. jähen Anschwellen der Veterinärdezernate bei den 
Bezirksregierungen dürfte die Zeit nicht mehr fern sein, in der 
namentlich bei den größern derartigen Behörden Hilfskräfte 
zur Erledigung der Geschäfte herangezogen werden müssen. 
Auch diesen würde der Veterinärratstitel zu verleihen sein. 


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8. Oktober 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


647 


Was schließlich die Departementstierärzte anbelangt, so 
habe ich bereits in Nr. 34 der B. T. W. des Vorjahres ans¬ 
geführt, daß nur der „Regierungs- und Veterinärrat“ der¬ 
jenige Titel ist, welcher den Verhältnissen in vollem Umfange 
Rechnung trägt. Kein anderer Titel ist in so hervorragender 
Weise geeignet die letzten Unterschiede, die zwischen dem 
Departementstierarzt einerseits und den übrigen technischen 
Dezernenten der Präsidialabteilung der Bezirksregierungen 
andererseits derzeit noch bestehen, zu beseitigen, wie gerade 
dieser. Das dürfte insbesondere auch durch den von Schmaltz 
empfohlenen Veterinärratstitel nicht erreicht werden. Derselbe 
würde die Departementstierärzte auf eine Stufe mit den 
Steuerräten bringen. Bei aller Hochachtung vor diesen 
Beamten kann ich jedoch nicht unterlassen, darauf hinzu¬ 
weisen, daß dieselben sich durch ihren nichtakademischen 
Bildungsgang wesentlich von den Angehörigen unseres Standes 
unterscheiden. Dabei glaube ich nun und nimmer, daß 
der Veterinärrat den Tierärzten die auch von Schmaltz als 
so dringend wünschenswert bezeichnete IV. Rangklasse bringen 
würde. Das wäre im Vergleich zum Gewerberat, Baurat, 
Medizinalrat etc. ein Unikum. Will man die Departements¬ 
tierärzte in die IV. Rangklasse versetzen, so dürften ihrer 
Ernennung zu Regierungs- und Veterinärräten Hindernisse 
kaum mehr entgegenstehen. Sie würden damit den übrigen 
technischen Dezernenten in ihrer Abteilung gleichgestellt und 
in eine Position gebracht, die der Wichtigkeit des ihnen an¬ 
vertrauten Verwaltungszweiges entspricht. 

In dem oben erwähnten Artikel habe ich bereits darauf 
hingewiesen, daß die Titel- und Rangfrage für die beamteten 
Tierärzte von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist. Reformen 
auf diesem Gebiete pflegen in Preußen nicht für Jahre, sondern 
mindestens für Jahrzehnte gemacht zu werden. Ich hielt, als 
ich im Voijahre in dieser Sache das Wort ergriff, die Erlangung 
der vorbezeichneten Titulatur für die Zivilveterinärbeamten zu¬ 
nächst für ebenso unerreichbar wie die Bildung eines Veterinär- 
offlzierkorps in der Armee. Die Entwicklung der Dinge hat 
mir in dieser Frage, wie ich gern bekenne, unrecht gegeben. 
Die Titel der Militärtierärzte haben eine durchgreifende Ände¬ 
rung erfahren, und die Bildung eines Veterinäroffizierkorps ist 
gesichert. Nach dieser überaus günstigen Einleitung der Militär- 
Veterinärreform dürfen die preußischen beamteten Tierärzte 
jetzt auch zuversichtlich hoffen, daß die Reform ihrer Titel- und 
Rangverhältnisse in Bälde kommt und ihnen die Gleichstellung mit 
den übrigen akademisch gebildeten technischen Beamten der ver¬ 


schiedenen staatlichen Verwaltungszweige bringt. L. 

VIII. Qolttung Ober die zum preusslschen Stipendienfonds eingegangenen 

Beiträge 

bis zum 30. September er. 

Transport vom 31. August er. 6037,06 M. 

Verein knrhessischer Tierärzte 100,— „ 

Verein rheinprenßischer Tierärzte 200,— „ 

Oestreich, Kreistierarzt, Kattowitz 30,05 „ 


Summe 5367,10 M. 

* * 

* 

An die obige Quittung knüpfe ich noch einmal einen Hin¬ 
weis auf diese Sammlung, welche eine auch nur einigermaßen 
repräsentable Höhe noch nicht erreicht hat, aber im Laufe 
dieses Jahres unbedingt zum Abschluß gebracht werden muß. 

Die preußischen Vereine haben großenteils über eine Bei¬ 
tragsleistung noch nicht verhandelt. Die in den nächsten 
Monaten stattfindenden Herbstversammlungen bieten die letzte 


Gelegenheit dazu, und die Vereine werden daher gebeten, soweit 
dies noch nicht geschehen, einen Beitrag zu beschließen. 

Vor allem aber soll noch einmal ein persönlicher Appell an 
die Einzelnen hier Raum finden. Nur wenige preußische Tier¬ 
ärzte haben bisher sich beteiligt, viele haben aber schon ge¬ 
legentlich ihre Bereitwilligkeit dazu erklärt, auch wohl Un¬ 
schlüssigkeit betreffs der Höhe des Beitrages geäußert. Diese 
Kollegen werden gebeten, nicht länger zu zögern; der kleine 
Beitrag ist nicht minder willkommen, als der größere, und an¬ 
gemessen ist ein jeder. Es wird nochmals darauf hingewiesen, 
daß die Verlagsbuchhandlung von R. Schoetz, Berlin NW., 
Luisenstraße 56 sich zur Einkassierung freundliclist bereit 
erklärt hat und daß alle Beiträge mit Vermerk der Bestimmung 
an diese Stelle einzusenden sind. Schmaltz. 

* * 

* 

Zur Steuer der Wahrheit. 

Einem fein fühlenden Menschen sind persönliche Reibereien 
mit dem obligaten Rattenschwanz von Erwiderungen, Be¬ 
richtigungen, Aufklärungen usw. im allgemeinen wenig sym¬ 
pathisch, denn nur selten hat jemand das Talent, gleich Lessing 
einen Anti-Goeze zu schreiben. 

Auch Herrn Pflegers „Erwiderung“ (in Nr. 39 des B.T.W.) 
überließen wir sicherlich sich selbst, wenn uns nicht der 
schwere Vorwurf der Unwahrheit zu einer Antwort heraus¬ 
forderte. Mit der Person des Herrn Kreistierarztes Pfleger 
hatten wir uns nur insoweit befaßt, als es zur Abwehr 
der prinzipiellen Angelegenheit notwendig erschien. Und 
um dem Einwand einer Animosität, geschweige denn einer persön¬ 
lichen Feindseligkeit vorzubeugen, war der Abwehr-Artikel ab¬ 
sichtlich nicht etwa von interessierten Kollegen, sondern von nns 
als dem „Vorstand der Gruppe Rheinprovinz des Verbandes der 
Privattierärzte“ verfaßt und unterzeichnet. 

Über das von Herrn Pfleger angeführte „vorzügliche“ Ein¬ 
vernehmen mit seinen Kollegen wollen wir uns nicht äußern. 

Lediglich zur Charakteristik sei kurz bemerkt, daß Herr 
Pfleger in seiner Nachbarstadt Solingen, wo seit langen Jahren 
ein angesehener Kreistierarzt ansässig ist, Sprechstunden (!) 
abhält. Ob Herr Pfleger hierzu auch „berechtigt“ ist, weil 
ihm bei seiner Anstellung in Opladen die spätere Versetzung 
nach Solingen versprochen wurde, lassen wir dahingestellt. 

Die Ansicht des Herrn Kreistierarztes aber über die „gewöhn¬ 
lichen“ Tierärzte ist seit langem bekannt. In getreuem Wort¬ 
laut hat Herr Pfleger die betr. Bemerkung vor längerer Zeit 
dem Unterzeichneten Vorstandsmitglied Wigge gegenüber ge¬ 
äußert und auf dessen energischen Protest auch noch des näheren 
verteidigt! Wigge ist auf Wunsch erbötig, Zeit, Ort, Inhalt und 
Verlauf der gepflogenen Unterhaltung anzugeben. Jedes Mißver¬ 
ständnis ist vollständig ausgeschlossen. Zu Herrn Pflegers 
Bestem nehmen w'ir an, daß es sich um Vergeßlichkeit und als Folge 
derselben um eine „normale psychologische Unwahrheit“ handelt, 
wenn er die absolute Richtigkeit jener „hämischen Bemerkung“ 
— wie er sich unfreiwillig selbst glossiert — bestreitet. Darum: 
quidquid agis, prudenter agas ac respice finem. 

Im übrigen warten wir den Erfolg unserer Beschwerde ab. 

Der Vorstand der Gruppe Rheinprovinz des Verbandes 
der Privattierärzte in Preußen. 

Dr. W. Flatten-Köln. C. Wigge-Diisseldorf. 

H. Neffgen-Mühlheim a. Rh. Fr. Stähler-Frechen. 


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648 


Verantwortlichkeit der Redakteure für Pfuscheranzeigen auf Grund des 
Gesetzes betr. Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs. 

Daß auch Zeitungsredakteure sich eines Vergehens gegen 
das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs durch 
Aufnahme von Kurpfnscherinseraten schuldig machen können, 
lehrt eine kürzlich gegen den Redakteur der „Deutschen Tages¬ 
zeitung“ ergangene Gerichtsentscheidung. In dieser Zeitung 
war das Inserat eines gewissen Z. veröffentlicht worden, nach 
welchem sich Z. für befähigt erklärte, Schwindsucht, Wasser- 
sacht und alle Krankheiten gründlich zu heilen. Die Ärzte¬ 
kammer hatte nun Strafantrag gegen den betr. Redakteur gestellt, 
weil durch jenes Inserat eine wissentlich unwahre Behauptung 
verbreitet werde. Selbst ein wissenschaftlich gebildeter Arzt 
könne nicht alle Krankheiten heilen, das Inserat sei daher ge¬ 
eignet, das Publikum irre zu führen. Das Landgericht, welches 
sich dieser Ansicht der Ärztekammer anschloß, verurteilte den 
Redakteur zu einer Geldstrafe. In der hiergegen eingelegten 
Revision stritt der Angeklagte der Ärztekammer das Recht ab, 
Strafantrag zu stellen; das erwähnte Gesetz könne hier keine 
Anwendung finden. Das Kammergericht erkannte auf Zurück¬ 
weisung der Revision. Die Ärztekammer sei zur Stellung des 
Strafantrages berechtigt gewesen. In der Behauptung des Z., 
alle Krankheiten heilen zu können, sei eine Angabe tatsächlicher 
Art zu erblicken, welche wissentlich unwahr und zur Irreführung 
geeignet gewesen sei. 

„Oer Tierarzt im Hause.“ 

Auf den Vertrieb der famosen Broschüre älteren Stils „Der 
Tierarzt im Hanse“ durch Apotheker werden jetzt doch die 
Behörden aufmerksam. Der Regierungspräsident von Liegnitz 
hat einem Apotheker die Verteilung an das Publikum verboten, 
freilich mit einer Begründung, die den für nns wesentlichen 
Kern des Mißbrauches unberührt läßt, nämlich, weil in dem 
Schmierbüchlein auch Mittel gegen Seuchen angepriesen werden, 
die der freien Behandlung entzogen sind. Immerhin aber wird 
doch dem Treiben der Kolportageapotheker die Aufmerksamkeit 
zugewendet und das ist doch ein Anfang. 

"" Königliche Tierärztliche Hcchschule in München. Verzeichnis der 
Vorlesungen und praktischen Übungen im Winter-Semester 1903/04. 
Harz: Allgemeine Botanik, 4 Std ; Gramineen, 1 Std. — Hofer: 
Zoologie, I. Teil. (Allgemeine Zoologie und Naturgeschichte der 
Wirbellosen) 3 Std.; Fischkunde, 2 1 /* Std. — Ebert: Physik, 6 Std. 
— Muthmann: Unorganische Experimental-C’hemie, 6 Std. — Stoß: 
Anatomie und Histologie 1 (Knochen, Muskeln, Eingeweide und 
Gefäße, 77a Std.; Zootomische Übungen, 10 Std.; Arbeiten im 
Laboratorium für Geübtere. — E. Voit: Physiologie II, (Veget. 
Funktionen), 6 Std.; Physiologische Übungen, 4 Std.; Arbeiten im 
Laboratorium für Geübtere. — Brandl: Arzneimittellehre und 
Toxikologie II, 3 Std.; Rezeptierkunde, 1 Std.; Chemische Übungen, 

6 Std.; Pharmazeutische Übungen, 6 Std.; Arbeiten im Laboratorium 
für Geübtere. — Kitt: Spezielle pathologische Anatomie, 6 Std.; 
Sektionsübungen und patbol.-anatomische Demonstrationen, 2 Std.; 
Arbeiten im Laboratorium für Geübtere. — Albrecht: Allgemeine 
Tierzuchtlebre und spezielle Tierzucht I. Teil, 6 Std.; Exterieur 
des Pferdes und der übrigen Haustiere, 2 Std. — Schl am pp: 
Spezielle Pathologie und Tnerapie I, 4 Std.; Medizinische Klinik, 

7 Std.; Augenheilkunde, 2 Std.; Arbeiten im Laboratorium für 
Geübtere. — Imminger: Chirurgische Klinik für große Haustiere, 
7 Std.; Spezielle Chirurgie, 4 Std. — Mayr: Gerichtliche Tier- 
arzneikunde, 3 Std.; Veterinärpolizei, 2 Std.; Übungen im An¬ 
fertigen von schriftlichen Gutachten urd Berichten, 2 Std.; Ambu¬ 
latorische Klinik: chirurg. Klinik für kleine Haustiere. — Guten¬ 
äcker: Theorie des Beschlages gesunder Hufe, 2 Std.; Theorie der 
Hufkrankheiten mit Demonstrationen, 2 Std.; — J. Magin: Ani¬ 
malische Viktualienbeschau, 2 Std. 

Satzungen, Lehrplan, Prüfungsvorschriften und Jahresbericht 
sind gegen Einsendung von 90 Pfg. vom Sekretariate der Hoch¬ 
schule zu erlangen. Beginn: 15. Oktober. 

Maul- und Klauenseuche. 

In Nürnberg ist die Seuche auf dem Viehhofe unter 
Schweinen den 22. September ausgebrochen und am 26. Sep¬ 
tember erloschen. 


No. 41. 


XXXVII. Generalversammlung des tierärztlichen Provinzialvereins für Posen 

am 18. Oktober 1903, vorm. 117a Uhr, in Mylius Hotel 
„Stadt Dresden“ zu Posen, Wilhelmstr. 23. 

Tagesordnung: 

1. Geschäftliche Mitteilungen. 

2. Die Bekämpfung der Rindertuberkulose. Ref.: Herr Kreis¬ 
tierarzt Huth-Same. 

3. Über die diagnostische Wutimpfung. Ref.: Herr Kreis¬ 
tierarzt Dr. Bauer-Schwerin a. W. 

4. Mitteilungen aus der Praxis der Schlachtvieh- und Fleisch¬ 
beschau. 

Nach der Sitzung findet ein gemeinsames Mittagessen statt, 
zu welchem die Herren Kollegen und deren Damen mit der Bitte 
eingeladen werden, gefälligst die Zahl der gewünschten Kuverts 
bis spätestens den 14. Oktober d. J. dem Unterzeichneten angeben 
zu wollen. Posen, im September 1903. neyne, Veterinärassessor. 

Personalien. 

Der Geheime Regierungs- und Vortragende Rat im Ministerium 
für Landwirschaft Schröter ist zum Geheimen Oberregierungsrat 
ernaunt worden. 

Auszeichnungen: Für allgemeine u..d besondere Leistungen auf 
dem Gebiete der Landwirtschaft erhielt die goldene Vereinsdenk¬ 
münze Dr. Leonhard Vogel, kgl. bayer. Landestierarzt, München; 
ferner K Markgraf, k. Kreistiorarzt in Speyer und Ant. IJengen, k. 
Zuchtinspektor in Kaiserslautern. Die große silberne Vereinsdenk¬ 
münze Emst Nopitsch, k. Zuchtinspektor in Traunstein; die Bezirks¬ 
tierärzte Joh. Ad. Hamm in Roding, Dom in Waldmüncben, 
A. Brachingc.r in Schweinfurt, Fr. Wucher in Neuburg; die kleine 
silberne Vereinsdenkmünze die Distriktstierärzte Ed. Höffle in Dahn, 
Peter Loos in Volkach, G. Euch in Altdorf. — Der kgl. Bezirks- 
tierarzt Max Vincenti in Miesbach wurde wegen zurückgelegten 
70. Lebensjahres auf Ansuchen in Ruhestand versetzt und ihm 
hierbei in Anerkennung seiner langjährigen mit Treue und Eifer 
geleisteten ersprießlichen Diinste der Titel eines kgl. Kreistier¬ 
arztes verliehen. — Veterinärrat Braun in Baden wurde zum Ehren¬ 
mitglied des Vereins württemb. Tierärzte ernannt. 

Ernennungen: Zu Kreistierärzten wurden ernannt: J. Wieler in 
Xanten definitiv; kommitsarisch Gestütsoberveterinär Fuchs in 
Beberbeck für Fritzlar; Dr. Johann in Berlin für Beckum. — Zum 
Bezirkstierarzt Heinrich Krotier in Gernsbach für St. Blasien. — 
Tierarzt Bemh. Schubert in Frankfurt a. M. zum Vorsteher des 
bakteriol. Laboratoriums der Serumgesellschaft in Landsberg a. d. W.; 
Zorner in Frankfurt a. M. zum Schlachthoftierarzt in Köln; Rühme- 
korf in Simmern zum Assistenten am tierhygieniBchen Institut der 
Universität Freiburg. 

Wohnsitzveränderungen, Niederlassungen: Versetzt wurden die 
Kreistierärzte Iicimsfeld von Anklam nach Glciwitz; Brause von 
BartenBtein nach Tönning; Kendxiorra von Tönning nach Anklam 
und Bezirkstierarzt F. Meltxer von St. Blasien nach Donaueschingen. 
— Die Tierärzte Alfred Telle von Waldmichelbach nach Feudenheim; 
Adalbert Doll von Bretten nach Karlsruhe. — Die Tierärzte Fauss 
von Freudenstadt und Nobbe von Bielefeld als Einj.-Freiw. nach 
Canstatt zum Art.-Reg. Nr. 13 bzw. nach Berlin zum 1. Garde- 
Feld Art.-Reg. — Niedergelassen hat sich Tierarzt Eberhard in 
Caymen in O.-P. 

In der Armee: Oberveterinär Moll im Ulan.-Reg. Nr. 15 in Saar¬ 
burg zum Stabsveterinär befördert. — Tierarzt und Unterveterinär 
der Landwehr Wenstrup zur Scbutztruppe für Südwestafrika ein¬ 
berufen. — Verabschiedet Oberveterinär d. L. Voß (Soest). 

Todesfälle: Bezirkstierarzt Robert Möbius in Plauen i. V.; Bezirks¬ 
tierarzt Karl Ostcald in Donaueschingen. 

Vakanzen. 

(Siehe Nr. 40.) 

Neu hinzugekommen: Kreistierarztstelle in Fi lehne: Bew. binnen 
4 Wochen a. d. Reg.-Präs. in Bromberg. — Distriktstierarztstelle 
in Neukirchen - Hl. Blut: 850 Mk. Fixum. Fleischbeschau im 
Ort 100 Mk. Nebeneinnahmen. Mldg. bis 10. Okt. a. d. Bezirksamt 
Kötzting. — Besetzt: Fritzlar, Beckum, Freiburg. 


Verantwortlich für den Inhalt (cxkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmaltz ln Berlin. — Verlag nnd Eigentum von Richard Schoetz in Berlin. — Druck von W. BOxensteln, Berlin. 

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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


Dl* *®,?r ! ner Tleriiritllcbe Wochenschrift* erscheint 
wBota.oUlcn ira Verlage tob Richard Sehoetz in 
Bsrll», Lulaenatr. 86. Durch Jedes deutsche Postamt wird 
dieselbe «nm Preise ron M. 5 ,— vierteljährlich (M.4,88 fttr 
die Wochenschrift, 1* Pf. für Bestellgeld) frei ins Haas 
geliefert (Deutsche Post-Zeitungs*Preisliste Ho. 110 t, 
Oosterreichische No. BIO, Ungarische So. 90.) 


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Original hoi träge werden mit 60 Mk., in Petitsatz mit 
00 Mk. für den Bogen honoriert Alle Mannskripte, 
Mitteilungen nnd redaktionellen Anfragen beliebe man 
zu senden an Prot Dr. Sohmalts, Berlin, tleränt- 
11 ehe Hochschule, NW, Lotsen'trasse 66. Korrekturen, 
Rezension*-Kzemplare und Annoncen dagegen an die 
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Tierärztliche Wochenschrift 


De Bruln 

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Redaktion: 

Professor Dr. Schmaltz-Berlin 

Verantwortlicher Redakteur. 


Dr. Jes» 

Kühnaii 

Dr. Lothes 

Nevermann 

Prof. Dr. Peter 

Peters 

Krctstlorarzt 

8chlachthofdirektor 

Departem entsti erarxt 

Kreistlerarzt 

Kreistierarxt Departementaüerarst 

Charlottenburg. 

Cöln. 

Cöln. 

Bremervörde. 

Angermünde. 

Broraberg. 

Preusse 

Dr. Boeder 

Dr. Schlegel 

Dr. Vogel 

Zündet 


Veterinftrasaeaaor 

Professor 

Professor 

Landestierarzt v. Bayern Kreistlerarxt 


Danzig. 

Dresden. 

Freiburg i. Br. 

München. 

Mülhausen i. E. 



Jahrgang 1903. 


iM. 42 . Ausgegeben am 15. Oktober. 


Inhalt: Jess: Grundsätze für die Gewinnung von Kinder- und Kurmilch. — Referate: Glage: Über die Tierkörpermehle. — 
Besnoit: Hodentumor bei einem durch Abdrehon kastrierten Ochsen. — Aibrecht: Zur Kasuistik der Leiden des Nerven¬ 
systems beim Hunde. — Therapeutische Mitteilungen aus der Armee. — Jeß: Wochenübersicht Uber die medizinische 
Literatur. — TageagMOhlohte: Ein vergessenes Häuflein. — Verschiedenes. — Personalien. — Vakanzen. 


Grundsätze für die Gewinnung von Kinder- und Kurmilch. 

Von 

Dr. Jesa-Charlottenburg. 

Vortrag, gehalten am Donnerstag, dem 7. Mai, in der zweiten Ver¬ 
sammlung der Tierärzte anläßlich der allgemeinen Ausstellung für 
hygienische Milchversorgung in Hamburg vom 2. bis 10. Mai 1903. 

An dieser Stelle hat Herr Geh.-Rat Heubner gestern auf 
die Notwendigkeit, eine gesnnde Kindermilch zn produzieren, mit 
beredten Worten hingewiesen, indem er zeigte, wie die Fähig¬ 
keit der Mütter, ihre Kinder selbst zu nähren, von Jahr zn Jahr 
in erschreckender Weise abnimmt. Wir haben an anderer Stelle 
gehört, wie unter der Zahl der Kinder, welche vor Erreichung 
des ersten Lebensjahres sterben, nahezu 50Proz. an Erkrankung 
des Darmes gelitten haben und wir gehen nicht fehl, wenn wir 
einen großen Teil dieser Darmerkrankungen in einen ursächlichen 
Zusammenhang mit der genossenen Tiermilch als Säuglings¬ 
nahrung bringen. 

Es ist mir bekannt geworden, daß man die Gewinnnng von 
Kinder- and Karmilch als ein ausschließlich ärztliches Gebiet 
bezeichnet wissen möchte and ich sehe mich dadurch veranlaßt 
auf diesen Punkt zuerst noch einzugehen. In genau derselben 
Weise wie der Arzt als Berater des Patienten für den die Milch 
bestimmt ist, die erforderliche Beschaffenheit vorschreibt, so ist 
der Tierarzt der berufene Berater des Produzenten, welcher 
diese Kurmilch herstellt; nur durch ein Hand in Hand gehen 
ist die Schaffung eines allen Ansprüchen der Hygiene gerecht 
werdenden Produkts zn erwarten. 

Die Milch nnd Molkereiprodukte überhaupt sollen, so fordert 
Löffler, wenn sie in die Hand des Menschen kommen, frei 
sein von gesundheitsschädlichen Stoffen nnd sie sollen von nor¬ 
maler Beschaffenheit sein. Diese Forderung bezieht sich anf 
die Milch im allgemeinen. Wie viel mehr aber müssen Mängel 
der Milch die Säuglinge nnd Rekonvaleszenten treffen, welche 
schon den Erwachsenen Störungen der Gesundheit verschaffen 
können. Erwachsene Personen selbst mit gesundem Magen und 
Darmtraktns sind nicht über die Gefahren ans dem Milch- 
genusse erhaben. Es ist längst bekannt, daß eine große Anzahl 


von Infektionskrankheiten, ich erinnere an Typhus, Cholera, 
Scharlach, Masern etc., durch die Milch als Trägerin verbreitet 
werden können, aber Erwachsene sind doch widerstandsfähiger 
gegen die große Anzahl von Mikroorganismen, welche sich in 
der Milch, man kann sagen, von dem Augenblick an ansiedeln, 
wo sie das Euter verlassen hat. Der Körper kranker nnd rekon¬ 
valeszenter Menschen, der Magen- nnd Darmkanal der Säuglinge 
ist gerade gegen diese zu der Gruppe der Heu- nnd Kartoflfel- 
bazillen gehörigen Pilze außerordentlich empfindlich. Man soll 
nicht glauben, wie vielfach verbreitet die Ansicht ist, daß es nicht 
so sehr wesentlich wäre, in welcher Weise man eine Milch ge¬ 
winnt, wenn man sie nnr nachher kocht. Es ist mir mehrfach 
begegnet, wenn ich die Gefahren schilderte, welche durch un¬ 
saubere Milchgewinnung dem Säugling erwachsen, daß mir der 
Molkereibesitzer antwortete: Die Kinder trinken ja die Milch 
nicht roh, sie wird erst gekocht. Solche Ansichten sind völlig 
irrig, es gibt unendlich viele Stoffe, auf welche ich später noch 
eingehen möchte, welche durch das Kochen gar nicht verändert 
werden und dann muß man bedenken, daß das Kochen der Milch 
in der Hanshaltnng, welches gewohnheitsmäßig nnr in einem 
ganz kurzen Anfkochen beruht, auch widerstandsfähigen Bakterien 
kaum erheblichen Schaden zuzufügen vermag. 

Anläßlich seines Vortrages über die Barlo wache Krankheit 
in der Berliner Medizinischen Gesellschaft in den letzten 
Wochen hat Geheimrat Heubner die rohe Tiermilch, wenn 
man eine gute Milch hat, für die geeignetste Nahrung der 
Kinder erklärt. 

Jene glücklichen Säuglinge, denen das Schicksal die Mutter¬ 
brast, den Lebensborn, nicht versagt hat, erhalten die Milch im 
natürlichen sterilen, aber natürlich nicht gekochten Zustande. 
Durch das Kochen erleidet die Milch wesentliche Veränderungen, 
welche der Sängling meist überwindet, die ihm aber sein Dasein 
wesentlich erschweren. Leistet er doch, wie schon Wasser¬ 
mann betonte, durch die Umwandlung des artfremden Kuh¬ 
albumins in arteigenes eine wesentlich erhöhte Arbeit gegen¬ 
über dem Brnstkinde. 


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650 


Die Grundsätze nun, welche für die Gewinnung einer solchen 
Milch maßgebend sein sollen, welche auch im rohen unge¬ 
kochten und unsterilisierten Zustande an Säuglinge, Kinder, 
Kranke und an Rekonvaleszenten als Nahrungsmittel ver¬ 
abreicht werden kann, das ist der Gegenstand meiner Aus¬ 
führungen. 

In den großen Städten spielt die Milchversorgung mit 
Kinder- und Kurmilch eine hervorragende Rolle und wenn auch 
nicht seit sehr langer Zeit, so doch seit längerer Zeit haben 
die Behörden größerer Städte und frequentierter Kurorte diesem 
wichtigsten menschlichen Nahrungsmittel ihr besonderes Interesse 
gewidmet. Zunächst ist jenem unheilvollen Treiben ein Ende 
gemacht, welches in den Großstädten darin bestand, daß jeder 
nach seinem Belieben seine Molkerei als Sanitätsmolkerei, alB 
Milchkuranstalt, als unter tierärztlicher Kontrolle stehend be¬ 
zeichnen konnte, ganz gleich, ob die innere Einrichtung dieser 
sogenannten „Sanitätsmolkereien“ selbst den einfachsten hygie¬ 
nischen Anforderungen Hohn sprach. Es sind speziell für 
Kinder- und Kurmilch Verordnungen erlassen worden, welche mit 
vollem Recht verlangen, daß diese Bezeichnung der Milch auch 
tatsächlich durch besondere hervorragende, im nachstehenden 
näher zu erörternde Eigenschaften berechtigt ist. 

Vor allen Dingen muß gefordert werden, daß die Kühe, 
welche zur Kinder- und Kurmilch-Gewinnung verwendet werden 
sollen, vor ihrer Einstellung in derartige Molkereien einer 
genauen tierärztlichen Untersuchung unterzogen werden. 
Diese Untersuchung ist meines Erachtens außerordentlich 
wesentlich, und sie muß auch geschehen mit allen Hilfsmitteln 
der modernen Technik, denn der untersuchende Sachverständige 
hat eine ganz besonders hohe Verantwortung. 

Von solchen Kühen ist zu verlangen, daß sie besonders 
sorgfältig geputzt sind. Es ist experimentell festgestellt, daß 
sorgfältig gepflegte Kühe einen erhöhten Milcbertrag liefern. 
Es geschieht somit die Hautpflege im ureigensten Interesse der 
Besitzer. 

Kühe eignen sich zur Gewinnung von Kinder- und Kurmilch 
nicht mehr, wenn sie bereits das 9. Lebensjahr überschritten 
haben. Bekanntlich hat die Milch den größten Fettgehalt nach 
dem dritten und vierten Kalbe. Das spezifische Gewicht ist am 
niedrigsten nach dem ersten und am höchsten nach dem sechsten 
Kalbe. Jedenfalls vom vierten Kalbe ab nimmt die Qualität und 
der Fettgehalt der Milch allmählich ab. Es gibt allerdings 
Kühe, welche noch in höherem Alter eine gute Milch geben, es 
gibt aber noch weit mehr alte Kühe, deren Milch völlig 
unbrauchbar ist; deshalb sollten so alte Kühe nicht in Sanitäts¬ 
molkereien eingestellt werden. Vor dem sechsten Tage nach dem 
Kalben ist die Einstellung zu vermeiden, weil die Kolostral¬ 
milch nach den Untersuchungen von Albrecht (Wochenschrift 
für Tierheilkunde 1900) selbst bei Tieren eine abführende 
Wirkung hervorruft und deshalb völlig ungeeignet ist für die 
Kindermilchgewinnung. 

Bei der Einstellung ist darauf besonders zu achten, daß 
die Kühe keinen Ausfluß aus der Scheide haben, auch nicht mit 
Durchfall behaftet sind. Das Haarkleid der Kühe muß glatt und 
glänzend erscheinen. Ungeeignet sind z. B. Kühe, welche mit 
HerpeB in größerem Umfange behaftet sind, wie ich sie mehrfach 
gesehen habe. Es ist in der Literatur nicht festgelegt, daß 
Herpes durch die Milch übertragen wird, jedoch ist eine solche 
Milch als Kindermilch nicht unbedenklich. In den ersten 


No. 42. 


24 Stunden nach der Einstellung ist die Milch nicht als Kinder¬ 
milch zu verwenden, um die Schädlichkeiten, welche das früher 
den Tieren verabreichte Futter der Milch mitteilen könnte, der 
Kindermilch nicht zu teil werden zu lassen. Eine ganz besonders 
genaue Inspektion erfordert die Untersuchung der Kühe auf 
Tuberkulose. 

Ich möchte an dieser Stelle nicht die Fragen der Tuberkulose¬ 
bekämpfung und der Identität vonRinder- undMenschentuberkulose 
tangieren. Ich würde, trotzdem diese Frage für die Kindermilch 
von erhöhtem Interesse ist, mich zu weit von meinem Thema 
entfernen. Wir haben zur Stunde nicht den Beweis erhalten 
dafür, daß die Möglichkeit der Infektion von Menschen durch 
die Milch oder Butter perlsüchtiger Rinder nicht höher zu 
schätzen ist, als die Möglichkeit auf dem Wege der Vererbung 
tuberkulös zu werden, wie Koch in London auf dem Kongreß 
am 22. Juli 1901 erklärte. — Der Kongreß selbst hat sich trotz¬ 
dem dafür ausgesprochen, daß die Behörden alle Mittel anwenden 
sollten, um die Verbreitung der Tuberkulose durch Milch etc. 
wirksam zu bekämpfen und das geschieht ja auch in aus¬ 
gezeichneter Weise, wie Sie dies eben von Herrn Dr. Müller- 
Königsberg hier gehört haben. 

Die Tuberkulinisierung der Kindermilchkühe ist m. E. 
nicht dringend erforderlich, denn Kühe, welche klinisch den 
Verdacht der Tuberkulose erwecken, sind von vornherein, auch 
wenn sie nicht tuberkulös wären, für die Einstellung in Milch¬ 
kuranstalten nicht geeignet. Kühe, welche irgendwelche Ver¬ 
änderungen am Euter haben, sind zurückzuweisen. In Fällen, 
in denen Kühe, welche sonst ausgezeichnete Milchkühe sind, 
Knotenbildung im Euter während ihres Aufenthaltes in den 
Molkereien erwerben, empfiehlt sich die Harpunierung nach 
OBtertag und die Verimpfung von Milch auf Meerschweinchen. 

Von besonderer Wichtigkeit für die Gewinnung von Kinder- 
und Kurmilch ist nun die Beschaffenheit des Futters und es 
sind auch hier behördlicherseits genaue Anweisungen gegeben, 
welche Futtermittel gestattet und welche nicht gestattet sind. 
Die Fabrikrückstände, wie Schlempe, Melasse, Schrotmehl, frische 
Biertreber, Schrot von Bohnen, Wicken und Lupinen, Rüben und 
rohe Kartoffeln, Küchenabfälle, verschimmelte und ranzige, faulige 
Futtermittel sind als Futtermittel für Kindermilchkühe verboten. 
Gerade durch die Fütterung solcher Fabrikrückstände aus der 
Branntwein- und Zuckerfabrikation, welche schon durch die fabrik¬ 
mäßige Verarbeitung ganz unkontrollierbare Futtermittel darstellen 
und eine wässerige Milch liefern, können außerordentlich leicht 
Stoffe in die Milch übergehen, welche bei ihrem Zweck als Kinder 
und Krankenkost zu dienen von besonderem Nachteil wären. 
Rohe Kartoffeln und namentlich solche Kartoffeln, wie Löffler 
zeigt, welche an einzelnen Stellen zu faulen beginnen, sind als 
Nahrungsmittel für Kindermilchkühe zu verwerfen. Weil hat 
in dieser Richtung ausserordentlich interessante Versuche an¬ 
gestellt. Er konnte beobachten, daß gerade die faulen Stellen 
der rohen Kartoffeln sehr reich an Solanin wären. Als W. 
diese faulen Stellen näher untersuchte, fand er, daß in ihnen 
eine große Anzahl von Bakterien vorkamen. Er versuchte 
diese Bakterien in Reinkultur zu gewinnen, was ihm auch 
gelang. Er stellte sich nunmehr eine Kartoffelbrühe her und 
verimpfte die reingezüchteten Bakterien auf diese Kartoffel¬ 
brühe und sah dann das sehr interessante Ereignis eintreten, 
daß in dieser Kartoffelbrühe die Bakterien Solanin erzeugten. 
Es ist also nicht der Solaningehalt der Kartoffeln an und für 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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15. Oktober 1903. 


sich, sondern es ist die BakterienwirkuDg, dnrch welche das 
Solanin, namentlich in solchen Kartoffeln entsteht, welche schon 
an einzelnen Stellen faulen. 

Löffler hat auch in seinem Vorträge noch auf eine andere 
Einwirkung der Futterstoffe hingewiesen. Es war aufgefallen, 
daß eine gewisse Übereinstimmung zwischen der Säuglings¬ 
sterblichkeit und dem Vorkommen von Kalkboden stattfand. 
Es ist jedoch wahrscheinlich, daß es weniger der Kalkboden 
ist, welcher hier das schädigende Moment darstellt, als die auf 
ihm wachsenden schädlichen Futterpflanzen. Die Wiederkäuer 
können bekanntlich selbst giftige Pflanzen in grösserer Menge 
konsumieren, ohne daß sie dabei irgendeine erhebliche Störung 
ihres Allgemeinbefindens erkennen lassen, dagegen wird mit 
dem Euter (es wird dies angenommen z. B. von dem Gift der. 
Herbstzeitlosen) das giftige Alkaloid ausgeschieden, denn die 
Milchdrüse ist nicht nur ein Sekretionsorgan, sondern auch ein 
Exkretionsorgan. In gewissen Teilen Bayerns hat man denn 
auch, ob mit Recht steht noch dahin, die große Kinder¬ 
sterblichkeit auf die Vergiftung mit Colchicin zurückgefiihrt. 
So ist es verständlich, daß man nicht den Weidegang von 
Kindermilchkühen überhaupt verbietet; aber in unseren Gegenden 
ist leider die Weidewirtschaft nicht in genügender Weise auf 
die Entfernung der Unkräuter bedacht gewesen. Während 
z. B. die Alpenwiesen Unkräuter fast gar nicht erkennen lassen, 
sind die Weiden in unserem Landstriche mit Unkraut dicht 
besät. Es sollte deshalb auch der kontrollierende Tierarzt in 
Milchkuranstalten sein Augenmerk darauf richten, daß nur 
solches Heu verwendet wird, welches aus guten und geeigneten 
Gräsern besteht. Es ist dies in den Verordnungen ganz be¬ 
sonders hervorgehoben, es darf nur Wiesenheu verfüttert werden; 
dasselbe muß gut gewonnen sein, frische Farbe, aromatischen 
Geruch besitzen und sauber und nicht mit Befallpilzen über¬ 
zogen sein. Dem wäre hinzuzufügen, das Heu darf nicht in 
erheblicher Menge giftige Futterpflanzen erkennen lassen. 

Sonnenberger hat auf der Naturforscherversammlung 1899 
speziell auf diese Verhältnisse hingewiesen. Er führt eine ganze 
Anzahl von solchen Milchintoxikationen an, welche durch Futter¬ 
stoffe bedingt sein können. Die hierbei in Betracht kommenden 
Stoffe sind besonders Sinapin und Colchicin. Er weist darauf hin, 
daß solange die Wiesenwirtschaft nicht eine unkrautfreiere wird, 
die behördliche Kontrolle unserer Milchkuranstalten sich auch 
besonders auf die zur Verwendung kommenden Futtermittel 
zu erstrecken hat. 

Das Schrot von Lupinen, Wicken und Erbsen und Bohnen¬ 
stroh eigne sich deshalb nicht zur Fütterung von Knrmilch- 
kühen, weil darnach einmal die Milch sehr oft einen eigentüm¬ 
lichen Geruch und Geschmack bekundet und weil zweitens die 
Milch blähend wirkt. Daß Küchenabfälle, wie Obst, Kartoffel¬ 
schalen, Rübenblätter nicht verfüttert werden dürfen, ist wohl 
selbstverständlich, weil dieselben zu denjenigen Futtermitteln 
gehören, welche außerordentlich reich an Zersetzungsprodukten 
sind. Es wird deshalb für die Kindermilchkühe vorgeschrieben, 
daß nur Stroh von Halmfrüchten, welches frei von dumpfem 
Geruch und von Befallpilzen ist, verfüttert wird, daß ferner den 
Kühen gute und unverfälschte Roggen- und Weizenkleie gegeben 
werden darf, daß gutes, unverdorbenes Hafer- und Roggenschrot, 
Leinsamenmehl und getrocknete Biertreber, beide nur in vor¬ 
züglicher Qualität, zur Fütterung gelangen dürfen. Bei der 
Verwendung von Leinsamenmehl ist die Futterbeurteilung nicht 


651 


leicht und erfordert eine genaue Untersuchung. Doch ist Lein¬ 
samen für Kühe sehr bekömmlich und liefert eine gute Milch. 
Diese Anforderungen müssen erfüllt werden, einmal um der Milch 
an sich eine Zusammensetzung zu geben, d. h. einen Fettgehalt 
von mindestens 3 Proz., eventuell mehr, zu erzielen, dann aber 
auch die Beschaffenheit der Milch in bezug auf Bekömmlichkeit, 
Aussehen, Geruch und Geschmack so zu regulieren, daß sie ein 
einwandfreies und brauchbares Nahrungsmittel für Kinder und 
Kranke darstellt. Die Beigabe erhöhter Mengen phosphorsaurer 
Salze hat keinen Erfolg, wie Untersuchungen Neumanns 
(Mi^chzt. 93) ergeben haben. Es wäre gewiß in manchen Fällen 
von Rhachitis im Kindesalter erwünscht, mit der Milch Phosphate 
dem Kinde zuführen zu können, jedoch hat sich dies bisher 
durch Fütterung nicht ermöglichen lassen. 

Soxhlet hat in der Münchener med. Wochenschrift Nr. 31 
für eine Säuglings- und Krankenmilch folgende 3 Forderungen 
aufgestellt: 

1. sie soll von gesunden Tieren stammen, 

2. sie soll von Tieren stammen, die mit Trockenfutter 
gefüttert sind und 

3. sie soll unverfälscht sein. 

Die zweite Forderung Soxhlets würde sich nach meinen 
Ausführungen besser dahin formulieren lassen: Kindermilch 
soll von Tieren stammen, welche mit geeignetem Trockenfutter 
gefüttert sind; sie soll auch von gesunden Tieren stammen. 

Gesund sind aber solche Tiere nicht, bei denen der unter¬ 
suchende Tierarzt aus irgendwelchen Gründen nur den leisesten 
Verdacht einer Krankheit in sich aufsteigen läßt. Die Frage, 
ob es zweckmäßig ist, die Tiere, wie es in den Großstädten 
geschieht, festaufzustallen, oder ob es rationeller wäre, den 
Tieren Bewegung zu geben, ist dahin zu beantworten, daß eine 
geringe Bewegung den Tieren nur dienlich sein kann, daß da¬ 
gegen angestrengte Arbeit, also Zngdienst die Zusammensetzung 
der Milch ungünstig beeinflußt. 

Aber nicht allein die zur Verfügung kommenden Futter¬ 
mittel sollen aufmerksam geprüft werden, sondern auch das zur 
Verwendung kommende Wasser, ist hin und wieder, etwa alle 
Vierteljahr zu untersuchen, denn auch Schädlichkeiten, welche 
im Wasser enthalten sind, können unter Umständen außer 
ordentlich leicht zu Schädigungen der Gesundheit Veranlassung 
geben. Das Wasser spielt bei dem Reinigen der Euter, der 
Reinigung der Ställe, der Hände der Melkenden eine so große 
Rolle, daß man wohl behaupten kann, wenn z. B. in einer 
Kindermilchmolkerei der Brunnen mit irgendwelchen Ansteckungs¬ 
krankheiten verseucht ist, z. B. Typhus, es gar nicht lange 
dauern kann, bis auch die Milch, welche in der Molkerei ge¬ 
wonnen wird, trotz sorgfältiger Isolierung der Kranken den 
Ansteckungsstoff in sich birgt. 

Die Räume, in welchen Kindermilchkühe aufgestallt sind, 
sind geräumig und luftig zu fordern, denn wir wissen ja, daß 
kaum ein Stoff so sehr geeignet ist, Geruchsstoffe in sich auf¬ 
zunehmen, wie die Milch. Man kann dieses direkt an einem 
Beispiel demonstrieren. Wenn man Milch aus Stallungen, die 
wenig sauber und eng sind, erhitzt, so kann man sehr bald 
einen unangenehmen, an Schwefelwasserstoff erinnernden Geruch 
wahrnehmen. 

Rieland fand ferner auch, daß der Rübengeschmack dann 
der Milch nicht anhaftet, wenn die Kühe die Rüben im Freien 
genießen und wenn auch die Kühe auf der Weide gemolken 


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No. 42. 


werden. Es ist deshalb zn fordern, daß die gewonnene Milch 
nicht im Stalle selbst durchgeseiht und gesammelt wird, sondern 
in einen besonders luftigen und kühlen Raum gebracht wird, sobald 
der Milcheimer so weit gefüllt ist. Daß die Euter stets besonders 
ptinüih sauber gehalten werden müssen, ist nicht eine Forderung 
für die Kindermilchanstalten allein, sondern diese Forderung gilt 
für sämtliche Milchwirtschaften. Durch die Arbeiten von 
Schmelk, Schulz u. a. ist festgestellt, daß der Gehalt an 
Milchschmutz 10 (Berl'n) und 14 (Halle) Milligramm Trocken¬ 
gewicht in 1 Liter Milch betrug. Es ist völlig unverständlich, 
w'eshalb die Besitzer von Kühen diese Tiere sehr oft gerade 
mit einem Panzer von getrocknetem Kot an den Hinterbeinen 
und Unterbauch bedeckt stehen lassen und auch an dem Euter 
Förmliche Kotkrusten von steinhai ter Konsistenz sich ansammeln 
lassen. Die Milch, welche von solchen Kühen gewonnen wird, 
verdient nicht mehr die Bezeichnung Milch, wie ich auch mehr¬ 
fach vor Gericht ausführen mußte, sondern sie ist ein Aufguß 
von Kuhmist und sie bleibt dies auch, wenn man sie noch so 
oft durchseiht oder kocht. Wenngleich die zahlreichen Unter¬ 
suchungen des Euterinhalts frisch geschlachteter Kühe, so 
namentlich von Simon (In.-Diss.), ergaben, daß die Milch im 
Euter keimfrei ist, so ist andererseits festgestellt, daß die 
erste im Strichkanal befindliche Milch außerordentlich bakterien¬ 
reich genannt werden muß (Schulz, Archiv für Hygiene, 
Band 14). Würde man diese erste Milch in die gesamte Milch¬ 
menge hinein gelangen lassen, so würde man dies Gesamt¬ 
quantum sogleich infizieren, denn in der warmen Milch würde 
alsbald ein üppiges Wachstum beginnen. Es ist deshalb 
namentlich der Stallboden und die Streu so einzurichten, daß 
die Kühe sich möglichst wenig beschmutzen. In vielen städtischen 
Molkereien werden Hobelspähne oder Sägespähne als Streumittel 
verwendet. Für Kuranstalten ist ein derartiges Streumaterial 
ausgeschlossen, denn es ist unvermeidlich, daß die kotdurch- 
tränkten Spahnpartickelchen, nachdem sie kaum getrocknet 
sind, bei der Bewegung der Kühe, bei dem Schlagen mit dem 
Schwänze, wieder aufgewirbelt werden und in den Milcheimer 
hineinfallen. Es ist deshalb nur gutes Stroh als Streumaterial 
zu verwenden. Geeignet als Stallboden ist eine Klinkerpflasterung, 
auf welcher ein Bohlenbelag liegt, derart, daß zwischen dem 
festen Steinpflaster und den Bohlen selbst ein handhoher Raum 
bleibt, welcher ausgespült werden kann. Durch eine derartige 
Einrichtung wird namentlich das Lager der Kühe besonders 
trocken gehalten, der Besitzer spart an Streu .und wenn am 
Tage mehrmals der Raum unterhalb der Bohlen ausgespült 
wird, so erhält man in dem Stall auch eine Luft, welche nahezu 
frei ist von unangenehmen Gerüchen. Aus vorhin schon an¬ 
gegebenen Gründen empfiehlt es sich, die Euter der Kühe, 
namentlich die Zitzen, vor dem Melken mit abgekochtem Wasser 
zu reinigen. Diese Reinigung dreimal täglich vorznnehmen, 
oder auch dann zu vollziehen, wenn ein erhebliches Beschmutzen 
der Euter nicht stattgefuuden hat, ist nicht immer nötig. Herr 
Prof. Ostertag hat an dieser Stelle auf ein in der Schweiz 
geübtes Verfahren hingewiesen, welches darin besteht, die 
Euter mit einem fettigen Tuch leicht vor dem Melken abzureiben. 
Dadurch werden feinste Schmntzpartikel fixiert und können 
nicht in den Melkeimer fallen. Das Putzen der Milchkühe soll 
nicht kürzere Zeit als eine Stunde vor dem Melken erfolgen. 
Es hat täglich zu geschehen und nach dem Putzen ist durch 
ausgiebiges Lüften dafür zu sorgen, daß die staubgeschwängerte 


Luft entfernt wird. Die Haarbüschel am Schwanzende sind 
abzuschneiden. Das Abwaschen der Euter und etwa frisch mit 
Kot beschmutzter Körperteile hat so lange vor dem Melken zu 
geschehen, daß zur Zeit des Melkens die Tiere nicht mehr 
feucht sind. Als besonders geeignet möchte ich nun das auch 
in amerikanischen Molkereien geübte VerfaLren empfehlen, die 
Kindermilchkühe nicht in dem Stalle selbst zu melken, sondern 
zu dem Melkgeschäft die Tiere in einen besonderen, mit 
Zementfußboden oder Asphalt versehenen Raum zu führen und 
sie dort abzumelken. Es ist unvermeidlich, daß durch die Be¬ 
wegung der Nachbartiere, durch die Bewegung der mit dem 
Melken beschäftigten Personen getrockneter staubförmiger Kot 
oder Staub ars der Streu doch noch in die Milch gelangt und 
derselben die Eigenschaft raubt, welche ich zu Anfang dieser 
Ausführungen als grundlegendes Erfordernis bezeichnete, nämlich 
daß die Milch roh von Kindern und Kranken genossen werden kann. 

Es ist auch bereits von Soxhlet (1. c.) darauf hingewiesen 
worden, daß die Verunreinigung durch Kot, Futter, Staub, 
Streuteilchen ganz besonders verschlechternd auf die Milch 
wirkt. Gerade durch derartige Beimischungen werden in die 
Milch anaerobe peptonisierende Bakterien eingebracht, welche 
außerordentlich widerstandsfähige Sporen bilden. R. Flügge 
hat bei seinen Untersuchungen gefunden, daß die Sporen dieser 
anaeroben peptonisierenden Bakterien einer drei- bis vierstündigen 
Erhitzung auf 100 Grad Widerstand leisten. Er gibt auch an, 
daß die Sterblichkeit bei Säuglingen bei künstlicher Ernährung 
20 mal so groß ist, als die Sterblichkeit der Brustkinder und 
zum großen Teil trägt dabei nur der Bakteriengehalt der Milch, 
namentlich der Gehalt an Heubazillen, Kartoffelbazillen und an 
den Sporen in hervorragendem Maße bei. Eb soll aber nicht 
vergessen werden, daß nicht allein die Milch als ursächliches 
Moment für die Kindersterblichkeit herangezogen werden kann, 
sondern daß die sozialen Verhältnisse hierbei eine wesentliche 
Rolle mitspielen; was nützt die beste Kindermilcb, wenn sie 
im Haushalt unsachgemäß behandelt wird. Die ärmere Be¬ 
völkerung kann die Kinderkurmilch gar nicht erwerben. 

Die erste Milch, welche in dem Strichkanal sich angesammelt 
hat, wird nicht in den Milcheimer gemolken. Sie auf den 
Boden zu melken, halte ich gleichfalls nicht für hygienisch 
richtig, denn sie stellt eine sehr bakterienreiche Milchmenge 
dar, nach den Untersuchungen von Simon. Würde man nun 
andauernd täglich dreimal die erste Milch auf den Stallboden 
melken, so würde man damit den Keimgehalt des Bodens 
unnötig vermehren. Es würde rationeller sein, für diese erste 
Milch ein besonderes Gefäß bereit zu halten und die Milch 
nachher fortzugießen, oder in gekochtem Zustande zur Fütterung 
von Schweinen etc. zu verwenden. 

Über die Anzahl der täglichen Melkezeiten kann man ver¬ 
schiedener Ansicht sein. Gewöhnlich findet das Melkgeschäft 
3 mal täglich statt. Je öfter das Melken stattfindet, um so 
fettreicher ist die produzierte Milch. Die Morgenmilch ist dann 
am wenigsten fettreich. Ich halte deshalb ein Verfahren, wie 
es die große und in jeder Beziehung musterhafte Kur-Kinder- 
milch-Molkerei von Grub-Viktoriapark in Berlin übt, für recht 
geeignet. Hier wird morgens und nachmittags 3 Uhr gemolken 
und so eine gleichmäßige Milch erzeugt. 

Daß Personen, welche krank sind, namentlich tuberkulöse 
Personen bei dem Melkgeschäft nicht verwendet werden dürfen, ist 
wohl selbstverständlich. Ebenso selbstverständlich ist es, daß, 


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15. Oktober 1903. 

wenn in dem Hausstände eines derartigen Milchproduzenten 
Infektionskrankheiten, wie Scharlach, Masern, Ruhr, Diphtheritis 
ausbrechen, dies sofort angezeigt werden muß, damit die Be¬ 
hörde Vorkehrungen trifft, daß keine derartigen Iufektions- 
keime in die Milch gelaDgen. Eventuell würde der Verkauf der 
Milch für Kinder- und Kurzwecke, falls eine Isolierung nicht 
möglich ist, zu untersagen sein. Eine ganz besondere Auf¬ 
merksamkeit erfordern nun in den Milchkuranstalten die zur 
Melkaufnahme verwendeten Gefäße. 

Nur tadellos emaillierte Eimer dürfen vi rwendet werden und 
zwar halte ich diejenigen, welche mit einem Trichter versehen 
sind und nicht die ganze Oberfläche frei stehen lassen, für die 
geeignetsten. 

Die Seihtücher sind nicht nur in der Üblichen Weise durch 
Waschen zu reinigen, sondern da sie eben besonders mit einem 
bakterienreichen Material imprägniert sind, so müssen sie 
längere Zeit im Wasser gekocht werden. Sie sind dann nicht 
in den Kuhställen selbst zu trocknen, sondern in einem anderen 
geeigneten Raum. In dieser Ausstellung können Sie einen sehr 
praktischen Ersatz der Seihtücher sehen. Es sind zwei Siebe 
zwischen welche Watte gelegt wird, welche man nach Be¬ 
nutzung fortwirft. Die Reinigung der Siebe bietet keine hygie¬ 
nischen Bedenken. Ich halte die Doppelsiebe mit Watteschicht 
für sehr berufen, die Seihtücher zu ersetzen. 

Die frisch gewonnene Milch hat die Körpertemperatur oder 
nur wenige Grade unter derselben. Bei dieser Temperatur ver¬ 
mehren sich in sie hineingefallene Bakterien ganz besonders 
gut. Es ist deshalb erforderlich, daß sie sofort nach dem 
Melken auf eine Temperatur gebracht wird, welche für das 
Wachstum der Bakterien ungeeignet ist und daß sie auf dieser 
niedrigen Temperatur bis zur Abgabe gehalten wird. Es ist 
längst festgestellt, daß die hier in Betracht kommenden Bak¬ 
terien außerordentlich schlecht einen jähen Temperaturwechsel 
vertragen können. Plötzliche Abkühlung wirkt in allen Fällen 
hemmend auf das Wachstum. Es ist deshalb zu verlangen, 
daß die Kindermilch sofort nach dem Melken auf mindestens 
10 Grad abgekühlt wird. Bei den heute vorhandenen vorzüglichen 
Milchkühlern und Sohlekühlern für den Kleinbetrieb ist eine der¬ 
artige Forderung keine harte. — Ich will an dieser Stelle nicht 
weiter ausführen, welche Krankheiten speziell durch die Milch auf 
den Menschen übertragen werden können. Bezüglich dieser Frage 
daif ich Sie nur auf die ausgezeichnete Arbeit von Baum in 
dem Archiv für wissenschaftliche und praktische Tierheilkunde 
hinweisen, welche speziell die Gefahren des Milchgenusses für 
den Menschen eingehend erörtert. 

Siedamgrotzky sowie Feser (die polizeiliche Kontrolle 
der MelkmilchJ sahen, daß Menschen nach dem Genüsse von 
Milch, welche von Kühen stammte, deren Stall mit Karbolsäure 
desinfiziert worden war, Erbrechen bekamen. Es sind also stark 
riechende Mittel als Desinfizienten zu vermeiden; das heiße 
Sodawasser ist das beste Reinigungs- und Desinfektionsmittel 
in Molkereien. Namentlich ist dauernd darauf zu achten, daß 
jede Kuh bei einer Veränderung des Euters und sei sie noch 
so unbedeutend, ebenso jede Kuh, welche in der Futteranfaahme 
zurückbleibt oder Störungen in der Darmtätigkeit zeigt, sofort 
isoliert wird. Es ist längst bewiesen, daß gerade Kühe mit 
Erkrankungen des Darms zu bedenklichen Milchinfektionen Ver¬ 
anlassung gegeben haben. Professor Gaffky teilt in der Dtscb. 
Vierteyahrschr. f. öffentl. Gesundheitspflege 1893 im ersten Heft 


653 


einen derartigen Fall mit. Kühe mit Durchfall, abgemagerte 
Tiere und solche, deren Euter mit Erkrankungen irgendwelcher Art 
behaftet sind, sind von vornherein als ungeeignet zu bezeichnen. 

Wir wissen auf der einen Seite nach der neuen Erfahrung 
in der Säuglingsernährung, daß die dauernde gleichmäßige Er¬ 
nährung von Säuglingen mit sterilisierter Kuhmilch zu Bedenken 
Anlaß geben kann. Es ist nach den Untersuchungen auch an 
Tieren sehr wahrscheinlich, daß durch den Sterilisationsprozeß 
wertvolle Stoffe der Milch sich umsetzen, und daß auch die 
Barlowsche Krankheit, welche in den Großstädten, namentlich 
in Berlin unter den Säuglingen der besser situierte:i Bewohner 
in Form einer skorbutähnlichen Erkrankung auftritt, wahr¬ 
scheinlich auf die gleichmässige Ernährung mit sterilisierter 
Milch zurückzuführen ist. Es kann heute noch nicht entschieden 
werden, ob es sich um eine Schädigung der E.weißstoffe der 
Milch handelt oder ob es sich um eine Zerstörung des in der 
Milch enthaltenen Calciumzitrats (in 1 Liter Milch sind ca. 
1 g citrons. Salze enthalten) handelt. Jedenfalls ist es sicher, 
daß Kinder mit Barlowscher Krankheit, sobald man mit der Ver¬ 
wendung sterilisierter Milch aussetzt und rohe Milch gibt und 
eine mehr abwechselungsreiche Nahrung, namentlich Fruchtsäfte 
verabreicht, sehr bald gebessert werden und sich erholen. Man 
kann aber auch auf die Sterilisierung nur dann verzichten, 
wenn es gelingt, eine Milch zu gewinnen, welche unbedenklich im 
rohen Zustande an Kinder und Kranke verabreicht werden kann. 
Eine derartige Milch wird gewonnen, wenn die von mir im vorher¬ 
gehenden ausgefübrten Grundsätze peinlichst gewahrt werden. 

Ich möchte diese Grundsätze kurz noch einmal dahin zu 
sammenfassen: 

In Milchkuranstalten dürfen nur Kühe eingestellt werden, 
welche nicht über 9 Jahre alt sind, welche mindestens 6 Tage 
vorher gekalbt haben, welche frei von irgendwelchen Krank¬ 
heitserscheinungen sind und welche peinlichst sauber gehalten 
werden. Die Kühe sind trocken zu füttern, wobei alle Fabrik¬ 
rückstände, namentlich Schlempe, ReibBel, etc., auch diejenigen 
Futtermittel, welche der Milch eine blähende Eigenschaft zu¬ 
legen, wie Bohnenstroh, Wicken und ferner Rüben, Kartoffeln 
uud Küchenabfälle zu vermeiden sind. Die verwendeten Futter¬ 
mittel, namentlich das Heu, die Kleie und das Stroh, sind des 
öfteren auf die Beimengung schädlicher Gräser und Pflanzen zu 
untersuchen. Das in der Molkerei zur Verwendung gelangende 
Wasser ist vierteljährlich sowohl chemisch wie bakteriologisch 
zu untersuchen. Es sind Personen mit ansteckenden Krankheiten 
von der Beschäftigung ausgeschlossen. Bei dem Melken ist 
besonders darauf zu achten, falls nicht ein besonderer Melkraum 
vorhanden ist, daß jede Staubentwickelung vermieden wird. 
Die Milch ist sofort nach dem Melken und nachdem sie durch 
sterilishte Seihtücher oder geeignete Wattesiebe gegossen ist, 
auf mindestens 10—12 Grad abzukühlen und auf dieser Tempe¬ 
ratur bis zur Abgabe zu halten. Auch bei dem Abfüllen der 
Milch ist zu vermeiden, daß dieselbe mit den Händen der dabei 
beschäftigten Personen in Berührung kommt. Wb nicht Abfüll¬ 
apparate zur Verfügung stehen, sind deshalb die Schöpfgefäße 
mit langen Stielen zu versehen und die Trichter mit geeigneten 
Henkeln. Eine auf diese Art gewonnene Kinder- und Kurmilch 
wird man in der ersten Zeit nach ihrer Gewinnung unbedenklich 
Kindern und Kranken im rohen und ungekochten Zustande als 
Nahrungsmittel verabreichen können. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 42. 


Referate. 

Über die Tierkörpermehle. 

Von Polizeitierarzt G läge-Hamburg. 

(Monntsh. f. prnkt Tierlii'ilk., 14. B., S. 25—42.) 

Glage hat feine eingehenden Untersuchungen über Tier¬ 
körpermehle unter besonderer Berücksichtigung der Frage, ob 
solche, nach dem System Podewils aus faulem oder infiziertem 
Fleisch hergestellt, beim Verfüttern an Schweine giftig wirken, 
nunmehr abgeschlossen. Er beantwortet auf Grund derselben 
die gestellte Frage dahin: 

Die Verfütterung von Tierkörpermehl auB faulem Fleisch 
ruft bei Schweinen keine Pt omain Vergiftung hervor. — Auch 
eine Gesundheitsschädigung durch die Toxine der verschiedenen 
Krankheitserreger ist ausgeschlossen. Sie erweisen sich wohl 
in Kulturen sehr wirksam, sind in diesen aber auch in einer 
Konzentration enthalten, wie sie für das Fleisch niemals in 
Frage kommt, und auch die Beimischung von Kochschem Tuber¬ 
kulin und Fothschem Mallein zu den Futterrationen hat keiner¬ 
lei Gesundheitsstörung zur Folge. — Ebenso ist auch das 
infektiöse Material selbst, zu Mehl verarbeitet, ungefährlich, 
und ein Futtergemisch, das fast zur Hälfte ans Tierkörpermehl 
besteht, welches von den gefährlichsten Fleischarten gewonnen ist 
und von Tieren stammt, die mit Pyämie, Septikämie, Ruhr, den 
verschiedenen Formen der Taberkulose behaftet waren, hat auf 
die damit gefütterten Schweine keine gesundheitsschädigönde 
Wirkung. Es nimmt im Gegenteil ihr Körpergewicht dabei zu, 
und ihr Allgemeinbefinden ist sehr gut. — Bei der Verfütternng 
faulen Fleisches dagegen sinkt die Produktion, und der Gesund¬ 
heitszustand läßt zu wünschen übrig. 

Die Verwendung der Abfälle zur Darstellung des Tier- 
körpermehles nach einem Vei fahren, bei welchem die unschäd¬ 
liche Beseitigung der Infektionsstoffe verbürgt ist, und die 
Verwertung desselben als Futtermittel stellen, sagt Verfasser, 
sowohl in veterinärpolizeilicher wie in allgemein hygienischer 
und volkswirtschaftlicher Hinsicht eine Lösung der Ab¬ 
deckereifrage dar, wie man sie besser kaum wünschen kann. 

Im einzelnen faßt Glage seine Untersuchungsergebnisse 
so zusammen: 

1. Gerstenschrot hat den Prodnktionswert von 0,2 kg 
Lebendzuwachs nach 1 kg Verfütterung bei jungen und er¬ 
wachsenen Schweinen gleichmäßig. 

2. Tierkörpermehl, selbst aus schlechtestem Rohmaterial, 
ist an Prodnktionswert dem Gerstenschrot überlegen. 

3. Junge Schweine verwerten T. höher wie ältere. 

4. Schweine fressen T. gern. 

5. Das Fleisch der Schweine nimmt nach der Verfütterung 
selbst großer Mengen T. keinen üblen Geruch oder Geschmack an. 

6. Es ist bei der Verfütterung von T. nicht notwendig, eine 
Schloßmast ohne Mehlgaben durchzuführen. 

7. Das Miteintrocknen der keimhaltigen Fleischbrühe bewirkt 
nicht, daß das T. bei der Verfütterung an Schweine Darm¬ 
erkrankungen hervorruft. 

8. Der Gehalt des T. an Holzfaser und eventuell an Haaren 
und Sand ist bei der gewöhnlichen sorgfältigen Darstellung so 
gering, daß nachteilige Folgen bei der Verfütterung nicht er¬ 
wachsen. 

9. Durch Verfüttern selbst großer Mengen faulen Fleisches 
sind tödliche Vergiftungen durch Ptomaine bei Schweinen nicht 
zu erzeugen. 


10. Tierkörpermehl, welches ausschließlich aus faulem 
Material gewonnen wird, ist ein dem Gerstenschrot überlegenes 
Kraftfuttermittel. 

11. Tierkörpermehl, welches aus Seuchekadavern hergestellt 
wird, ist ebenfalls ein bedeutendes KrafifuttermitteL 

12. Tierkörpermehl, welches aus Pökelwaren gemacht wird, 
kann nur nach Vermengang mit andern Mehlen nutzbringend 
und ohne schädliche Folgen verwertet werden. 

13. Vergiftungen durch Ptomaine und Toxine sind in der 
Praxis bei der Verfütterung von T. nicht zu befürchten. 

14. Bei der gewöhnlichen Darstellungsmethode des T. im 

Po de wilsapparat werden selbst Sporen von erheblicher Re¬ 
sistenz vernichtet. 0. Albrecht. 

Hodentnmor bei einem dnrcli Abdrehen 
kastrierten Ochsen. 

Von Prof. Besnoit-Toulouse. 

(Ilfivue v6t, Dez. 1902.) 

Ein sechsjähriger, seit einigen Jahren durch Abdreben 
kastrierter Ochse zeigt seit einigen Wochen in der Hoden¬ 
gegend einen voluminösen Tamor. Das Tier ist sehr mager, 
kachektisch, ohne Appetit; Wiederkauen besteht nicht. Der 
Tumor hat seinen Sitz im rechten Hoden; er reicht nach unten 
bis zum Sprunggelenk und nach oben weit in den Leistenkanal 
hinein. Er ist hart, schmerzlos, feBt an der normalen Haut 
adhärierend; die Oberfläche ist uneben, jedoch ohne Geschwüre, 
außer einer infolge einer explorativen Punktion veranlaßten 
Eiteransammlmg. Der Tumor erschwert den Gang, sonst ist 
aber das Tier gesund, denn die Tuberkulinprobe fällt negativ 
aus; der Zirkulations-, der Respirations- und der Harnapparat 
sind normal; die Untersuchung der zugänglichen Lymphdrüsen 
ist ohne Ergebnis. 

Das Tier wurde operiert und war nach Verlauf eines 
Monats geheilt. Der entfernte Tumor wog 8'/ 2 kg. Die mikro¬ 
skopische Untersuchung ergab, daß es sich stellenweise um ein 
reines Myxom, stellenweise um ein Myxofibrom handelte, somit 
um eine Geschwulst rein bindegewebiger Natur. B. glaubt, daß 
es sich nur um eine lezente, zufällige, auf dem Wege der Blutbahn 
entstandene Infektion des Bindegewebes des abgedrehten Hodens 
gehandelt habe und daß solche Tumoren Btets operiert werden 
sollten; daß die Operation auch dann vorzunehmen sei, wenn 
eine karzinomatöse Natur der Geschwulst festgestellt sei, denn 
auch in einem solchen Falle ist ihm die Heilung gelungen. 

Zündel. 

Zar K&saistik der Leiden des Nervensystems beim Hunde. 

Von Prof. Dr. Albrecht. 

(Woehensehr. f. T. u. V. 1903, 8. 329-338.) 

Ein etwa zehnjähriger Pinscher, bisher völlig gesund, zeigt 
seit zwei Monaten täglich mehrmals spontan oder bei der Futter- 
und Getränkeaufnahme oder in der ihn beängstigenden Gegen¬ 
wart fremder Hunde Anfälle, während deren ihm gleichzeitig 
die Streckmuskeln der Vorder- und Hinterextremitäten sowie 
der Kaumuskeln versagen. Namentlich in den Knie- und Tarsal¬ 
gelenken bricht das Tierchen stark ein, so daß Bein Hinterteil 
den Boden fast berührt. Einen gerade in der Maulhöhle befind¬ 
lichen Bissen vermag es nicht zu kauen, wohl aber unbehindert 
abzuschlucken. Gerade die mit dem Ergreifen der Nahrung ver¬ 
bundene Senkung des Kopfes und Halses und die Aufnahme des 
ersten Bissens leiten häufig die Anfälle ein. Sie dauern etwa 


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15. Oktober 1909. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 655 


eine Minute. Der Patient hält dabei die Augen halb geschlossen; 
die Pupille ist unverändert, Empfindung und Bewußtsein bestehen 
fort. Am Kopf, der Wirbelsäule, im Digestions- und Respirations- 
apparat sind Anomalien nicht aufzufinden. Die Zahl der Herz¬ 
schläge ist niedrig und beträgt 70 —80; die 20 Atemzüge sind 
während der Anfälle höchstens um 2—4 vermehrt. Bei der 
Auskultation des Herzens ist ein systolisches Nebengeräusch 
wahrnehmbar. 

Die Anfälle können durch ein kräftiges orokaudales Streichen 
oder Klopfen über den Rücken des Tieres sistiert und ein etwa 
in der Maulhöhle verbliebener Bissen kann während dieser 
Manipulation gekaut und abgeBchluckt werden. In den nächsten 
vier Wochen werden die Anfälle häufiger, können durch die 
beschriebene Behandlung nicht mehr beseitigt werden und werden 
so stark, daß das Tier völlig nmfällt und mit geöffnetem Munde 
einige Zeit liegen bleibt. Es erhebt sich dann ohne Beihilfe 
wieder, ist munter, gegen seinen Herrn zutraulich, hat regen 
Appetit, biB es alsbald wieder einen neuen Anfall bekommt. 
Schließlich persistiert die Muskelinsuffizienz, und der Patient 
vermag sich nur noch mit den noch nicht völlig versagenden 
Vorderextremitäten vorwärts zu bewegen, das Hinterteil dabei 
auf dem Boden nachschleppend. 

Therapeutisch wurden Bromsalze, Bromipin, Jodipin und 
der Induktionsstrom ohne Erfolg angewandt. Der Patient wurde 
mit Chloroform getötet. Bei der Sektion fiel die Behr blasse 
Färbung der Dalle auf. An der Mitralis fanden sich mehrere 
verruköse Wucherungen. Das Gehirn erwies sich blutarm, 
leicht ödematös, sonst ohne Besonderheiten; das Tentorium 
cerebelli erschien mäßig verdickt, die Vierhügel etwas abge¬ 
plattet. Der Verfasser bringt das Leiden mit keinem dieser 
Befunde in einen Kausalnexus, namentlich weil Herdsymptome 
fehlten. Er spricht es als eine rein funktionelle Neurose an, 
als eine psychische Erkrankung mit ausgesprochenen Hemmungs¬ 
erscheinungen, Störungen im Gebiete der Willenssphäre, und 
hält die beschriebene Wirkung des Beklopfens für eine suggestive. 

0. Albrecht. 

Therapeutische Mitteilungen aus der Armee. 

(Zeitachr. f. Wterinärkd. 1903. Heft 6). 

Jodtinktur; Eisenchlorid. 

Häufig und mit gutem Erfolg wurden infizierte Wunden, 
solche mit mangelnder Heiltendenz, Quetschwunden, Kronentritte 
und besonders Mauke mit Jodtinktur behandelt. Roßarzt 
Zöllner heilte mit dem 20proz. Präparat einen eitrigen Luft- 
sackkatarrb. 

Roßarzt Jarmatz empfiehlt die Jodtinktur neben Eisen- 
cblorid zur Behandlung sog. Sommerwunden, das sind Wunden 
z. B. an den unteren Teilen der Extremitäten, die in den heißen 
und trockenen Sommermonaten schlecht heilen. Bei solchen 
bewährte sich die Jodtinktur als mildes Kaustikum und gleich¬ 
zeitiges Antiseptikum, der Liquor ferri sesquichl. wegen seiner 
Abgabe von Chlor als wertvolles Desinfiziens, wobei er gleich¬ 
zeitig eine ergiebige und andauernde, mählich in die Tiefe 
dringende Ätzwirkung entfaltet. Namentlich in zwei Fällen, in 
denen sich auf kleineren, durch Streichen bzw. Verletzung an 
einem Stacheldrahtzaun entstandenen Wunden, stark wuchernde 
und juckende, eretlnsche Granulationen bildeten, überzeugte sich 
der Verfasser nach vergeblicher Anwendung von Jodoform, 
Tannin und dem Glüheisen von den Vorzügen dieser FHUsig- 
keitstherapie. 


Alaun. 

Oberroßarzt Hanke behandelte zahlreiche Fälle von Fessel-, 
Karpal-, Tarsal-Gelenkwunden mit Bädern in 10—20proz. 
Alaunlösung nach 4—8 Tagen. — vonParpart undSchefer 
ling machten mit Alaunpulver bei Sehnenscheidenwunden gleich¬ 
gute Erfahrungen. — Ebenso Dernbach mit lOproz. Alaun¬ 
spiritus bei Fisteln und Kanalwunden. — Saar u. a. kombi¬ 
nierten zur Behandlung von Sommerwunden mit Vorteil Alaun 
mit Tannoform (2—3 : 1). 

Glyzerin. 

Die Oberroßärzte Schmidt und Richter empfehlen 
Glyzerin als gutes Salbenkonstituens zur Behandlung von 
Mauke und geben dafür zwei Magistralformeln als besonders 
bewährt an: 

R. Tinct. Jodi 4,0 R. Tinct. Aloes 4,0 

Glycerin! 16,0 m. d. s. Glycerini 2,0 m. d. s. 

Plumbum nltrioum. 

Roßarzt Spring findet das Plumbum nitricum besonders 
geeignet zur Behandlung der Strahlfäule. Er reinigt den 
zerklüfteten Strahl zuerst mit einem flach zugeschnitzten Holz¬ 
stäbchen und einer gedrehten Wergschnur und bringt dann mit 
eben diesen Instrumenten das Pulver in feiner Schicht in die 
Vertiefungen. Es wird durch die dort haftende Flüssigkeit 
gelöst und wirkt dadurch stark austrocknend. Dem farblosen 
Pulver kann eventuell Bolus rubra (2: 1) zugesetzt werden. — 
1 kg Plumb. nitr. kostet 1,20 M., 2 kg Bol. rub. pulv. 0,50 M., 
also 3 kg der Mischung 1,70 M., wovon zur Behandlung eines 
Berittes etwa 60—100,0 also höchstens 5 3 /3 Pfennige erforder¬ 
lich sind. 

Oberroßarzt Hanke empfiehlt ein Wundstreupulver von 
gleichen Teilen Plumb. nit., Acid. bor. und Carb. veget. pulv. 

0. Albrecht. 

Wochenübersicht über die medizinische Literatur. 

Von Dr. Jeaa-Charlottenburg, 

Krelatlerarst 

Deutsche medizinische Wochenschrift Nr. 38. 

Über das Verhalten der Typhusbazillen in der mich und deren 
Produkten von Oberstabsarzt a. D. Dr. Bas senge. 

Ausgehend von der Bekämpfung des Typhus durch R. Koch 
hat B. Veranlassung genommen, die Frage zu studieren, in 
welchem Maße mangelhaft erwärmte und mit Typhusbazillen 
infizierte Milch an der Verbreitung des Typhus beteiligt sein 
könnte, und ob die für gewöhnlich im Haushalt geübte Er¬ 
wärmung der Milch bis zum Aufwallen genügend sei. Bezüglich 
der eingehenden Versuche muß auf das Original verwiesen 
werden. Es ergab sich, daß eine drei Minuten lange Ein¬ 
wirkung von 67° nicht sicher Typhusbazillen abtötet. Bei 
Temperatureinwirkung von über 70° gingen sie jedoch aus¬ 
nahmslos zugrunde. In tönernen Gefäßen bleibt die Temperatur 
längere Zeit konstant, falls sie nicht künstlich abgekühlt wird. 
Es empfiehlt sich daher die Verwendung von Tongefäßen, zu¬ 
mal auch in eisernen und emaillierten Blechgefäßen die Milch 
leicht anbrennt. Die Veröffentlichung ist noch nicht ganz 
vollendet. — 

Über Rhenmasan von Dr. Köbisch. 

RheumaaanwirdvonDr.Reiß, BerlinN.4, Invalidenstraße 101, 
hergestellt. Es ist eine überfettete Seifencreme, welche 10 Prozent 
freie Salizylsäure enthält. Die Creme wird in dünner Schicht 


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056 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


anf die vorher gereinigt* Haut aufgetragen und mit Watte 
bedeckt. Die Erfolge des Verfassers sind ermutigende. 
Münchener medizinische Wochenschrift Nr. 37. 

Über die Kalkabsorption tierischer Gewebe und über die 
Grundlagen einer modernen Rhachitistheorie von Professor 
Pfaundler. Verfasser Btellte folgenden Versuch an: Er nahm 
die Epiphyse eines Röhrenknochens vom Kalbe unmittelbar 
nach dem Schlachten, zerkleinerte sie mechanisch und brachte 
sie in eine Lösung von Kalziurachlorid, welche dem Blutserum 
der Tierspezies isosmotisch bereitet war. Nach kurzer Zeit 
verschwand aus dieser Lösung Kalzium bei gleichbleibendem 
Chlorgehalt. Dieselben Resultate erhielt Veifasser auch bei 
EiBschrank-, Zimmertemperatur und Brutwärme. Spülte er durch 
das Blutgefässystem der abgebundenen Ex'remität eines lebenden 
Versuchstieres nach vorhergehender Blutleerwaschung mit 
isotonischer Kochsalzlösung eine isotonische Chloikalziumlösung, 
so enthielt die ablaufende Spülflüssigkeit weniger Kalzium als 
die Berechnung aus dem Chlorgehalte erwarten läßr. 

Die Angabe, daß Rhachitis oder eine ihr im Wesen 
verwandte Erkrankung durch kalkarme Fütteiung bei Tieren 
hervorgerufen werden könne, beruht auf In tum, denn er konnte 
bei der Durchspülung lebenswarmer, rhachitischer Leichen 
feBtstellen, daß die Fähigkeit in Absorption von Kalziumionen 
bei Rhachitis nicht vermindert ist. 

Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten. 44. Band. II. lieft. 

23. September 1303. 

Über Immunität und Agglutination bei Streptokokken von Dr. Neu¬ 
feld. Aus seinen Versuchen zieht N. folgende Schlußfolgerungen: 
1. Es gelingt leicht, Kaninchen nach derselben Methode wie 
gegen Pneumokokken auch gegen relativ hohe Dosen von hoch¬ 
virulenten Streptokokken zu immunisieren. 2. Das Serum solcher 
Tiere enthält schon nach kurzer Vorbehandlung sowohl immuni¬ 
sierende, als auch agglutinierende Stoffe in erheblicher Kon¬ 
zentration. 3. Beide Arten spezifischer Stoffe sind nicht nur 
gegen denselben Streptokokkus gerichtet, mit welchem das be¬ 
treffende Tier immunisiert wurde, sondern ebensogut gegen 
andere Streptokokken verschiedener Herkunft. 4. Avirulente 
Streptokokken werden außerordentlich viel stärker agglutiniert 
als virulente. 5. Ein Beweis für die Spezifität der aus Scharlach- 
fällen isolierten Streptokokken ist durch Immunisierungs- und 
Agglutinationsversuche bisher nicht erzielt worden. 

Über Rotz; von Stabsarzt Dr. Kleine. K. hat Aggluti- 
nationsversuche angestellt, und zwar hat er das Verfahren 
benutzt, welches R. Koch gebraucht. Dasselbe sei hier kurz 
erwähnt. 

Drei bis vier gut gewachsene Agarkulturen werden im Brut¬ 
schrank bei 00° abgetötet; dann gießt man je 2 ccm Phenolkoch¬ 
salzlösung (0,5 Proz. Phenol, 0,85 Proz. Chlornatrium) darauf 
und kratzt die Bazillen mit einer Platinöse ab, gießt die Auf¬ 
schwemmung in einen Meßzylinder und füllt so lange Phenol¬ 
kochsalzlösung nach, bis ein schwach milchiger Farbenton ent¬ 
steht. Darauf wird rasch durch ein dünnes Filter filtriert und 
diese „Testlösung“ mit Serum versetzt, und zwar werden die 
Reagenzgläschen mit höchstens 3 ccm Flüssigkeit angefüllt. 

Bei stark agglutinierenden Sera ist es praktisch, eine Ver¬ 
dünnung mit Bouillon 1:10 oder 1:100 vorher vorzunehmen. Ist 
das Serum der Testlösung hinzugesetzt, so kommen die Reagenz¬ 
gläschen auf 20 Stunden in einen Bmtschrank von 37°. Nach 
dieser Zeit sind die agglutinierten Röhrchen wasserklar. Die 


No. 42 

Bazillen liegen in einem Häutchen mit unregelmäßigen, stern¬ 
förmigen Grenzen am Boden. Charakteristisch für Rb. sind 
die sternenförmigen Grenzen des Bodensatzes. Ein spezifisches 
Rotzserum enthält man von Ziegen oder Eseln, wenn man ihnen 
abgetötete Agarkulturen in die Vena jugularis injiziert, und zwar 
zweimal, in Zwischenräumen von acht Tagen. Die Ergebnisse 
der Versuche Kleines sind: 1. Es ist durchaus nötig, jede Rotz¬ 
kultur, die inbezug auf Morphologie oder Pathogenität von 
dem typischen, von Löffler gegebenen Bild irgendwie ab weicht, 
auf ihre Identität durch ein hoch agglutinierendes Serum zu 
prüfen, nachdem man sich mit den üblichen Methoden von der 
Reinheit der Kultur überzeugt hat. 2. Eine Immunisierung der 
Meerschweinchen gegen echten Rotz gelingt vorläufig nicht. 
Alle entstehenden Ergebnisse sind mangelnder Virulenz des zur 
Infektion benutzten Materials znzuschreiben. 

Über die Serumtherapie des Milzbrandes; von Dr. Jürgelunas. 
J. hat ein Serum hergestellt und empfiehlt dasselbe zu thera¬ 
peutischen Versuchen beim Menschen. 

Fortschritte der Medizin Nr. 25. 

Über die hämostatlsche Wirkung der Gelatine bei innerer und rek¬ 
taler Anwendung; von Dr. Pfeiffer. Bei der Bubkutanen Ver¬ 
wendung der Gelatine bat sich die Gefahr der Tetanusinfektion 
als nicht stets vermeidbar erwiesen. Veifasser hat nun fest¬ 
gestellt, daß die hämostatische Wirkung der Gelatine bei 
rektaler Anwendung die gleiche ist wie bei hypoderraatischer 
Injektion. 

Deutsche Medizinal-Zeitung Nr. 70. 

Beobachtung über den Befund gewisser Monaden in den so¬ 
genannten Miescherschen Schläuchen von Dr. Lindner. 

L. hat Kulturversuche mit tierischem Muskelfleisch, welches 
zahllose Raineysche Körperchen enthielt, angestellt. Nach zwei bis 
drei Tagen zeigten sich kleine runde, seltener längliche, anfangs 
ruhende Mikroben, welche ein paar Tage später Eigenbewegung 
erhielten und sich durch einfache Teilung zahlreich vermehrten. 
Verfasser benutzte zu seinen Fleischkulturen eine Lösung von 
Liebigs Fleischextrakt in kochendem Wasser, eine Messerspitze 
auf 100 gr. Aus dem Raineyschen Körperchen entwickeln sich 
nach dem Verfasser jene ruhenden Zoosporeen, wie es scheint, 
Mikrogonidien von Polytoma. Verfasser schließt seine Aus¬ 
führungen damit, daß er darauf hinweist, daß die massenhafte 
Einwanderung solcher großenteils lebensfähigen Monaden in den 
menschlichen Körper aus rohem Fleisch nicht als indifferent 
ohne weiteres angesehen werden könnte. — (? D. Ref.) 

Deutsche Medizinal-Zeitung Nr. 76. 

Trypanosoma des Dromedars im französischen Sudan; von 
C a z a 1 b o u - Tombuktu. 

In dem französischen Sudan sind die Dromedare einer 
parasitären Krankheit ausgesetzt, welche man mit maladie de la 
mouche (Fliegenkrankheit) bezeichnete. In dem Blute der kranken 
Tiere findet man ein Trypanosoma. Nach Ansicht von Laveran 
handelt es sich um die Nagana oder die TsetseflLgenkrankhelt, die 
man in Afrika mit maladie de la mouche, gewöhnlich die Nagana 
bezeichnet. Die Anzahl der Trypanosomakrankheiten hat eine 
wesentliche Vermehrung erfahren. Vor zehn Jahren kannte man 
nur die Surra in Indien; jetzt kennt man die Nagana (Afrika), 
die Dourine (Algerien), das „Mal de caderas“ (Südamerika), den 
„Galziekte“ (Südafrika) und die Schlafkrankheit der Neger, bei 
denen man in der CerebroBpinalflüssigkeit Trypanosomen fand. 


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15. Oktober 1903. 

Tagesgeschichte. 

Ein vergessenes Häuflein. 

Man kann der tierärztlichen Standesvertretung das Zeugnis 
nicht versagen, daß sie ihr Angenmerk gleichmäßig auf alle 
Teile des tierärztlichen Standes gerichtet nnd deren Förderung 
angestrebt hat. Das ist wahrlich nicht zuletzt geschehen hin¬ 
sichtlich der Militär-Veterinäre, deren Verhältnisse jetzt zu unser 
Aller Freude eine so glänzende Veränderung ei fahren sollen. 

Aber bei all’ den Versammlungen, bei allen Eingaben nnd 
sonstigen Schritten zugunsten der Kollegen im Bereiche der 
Heeresveiwaltung haben wir eine kleine Gruppe gänzlich ver¬ 
gessen, die sich in besonderen nnd keineswegs beneidenswerten 
Verhältnissen befindet — die Remontedepot-Roßärzte. 

Es ist allen Eingeweihten lange bekannt, daß die Remonte¬ 
depot-Roßärzte ihre Lage mit Recht als eine mißliche und ge¬ 
deckte ansehen. Aber bei ihrer kleinen Zahl hat das nicht 
Aufsehen genug erregt, um die öffentliche Meinung zu engagieren, 
an welche jene Kollegen selber niemals appelliert haben. So 
anerkennenswert diese geduldige Bescheidenheit ist, so wäre es 
doch jetzt nicht mehr richtig, noch länger stillzuschweigen, weil 
die Militär-Veterinärreform nicht bloß die Gelegenheit bietet, 
sondern es unumgänglich macht, daß anch die Verhältnisse der 
Remontedepot-Roßitrzte revidiert werden, und weil es daher jetzt 
an der Zeit ist, unter Klarlegung der vorhandenen Übelstände 
Wünsche za äußern. Dabei soll besonders betont werden, daß 
das Verlangen nach einer Verbesserung der Stellung dieser 
Veterinäre nicht etwa erst durch die Militär-Veterinärreform er¬ 
zeugt worden ist, sondern schon lange bestand und auch in den 
Eigentümlichkeiten jener Stellung vollauf begründet ist. 

Die Dienstverhältnisse der Remontedepot-Oberroßärzte und 
-Roßärzte, welche vielen Kollegen noch nicht genau bekannt sein 
dürften, sind folgende: 

Die preußischen Remontedepots stehen direkt unter der 
Remonte-Inspektion des Kriegsministeriums. Der Betrieb ist 
geregelt durch die Dienstanweisung für die Remontedepot- 
Administrationen vom 12. Juni 1897 (Mittler & Sohn, Berlin). 
Die oberen Depotbeamten sind: 1. die Administratoren, 2. die 
Sekretäre, 3. die Wirtschaftsinspektoren, 4. die Oberroßärzte und 
Roßäizte. Dieselben gehören sämtlich zu den Zivilbeamten 
der Militär-Verwaltung und rangieren übrigens in obiger 
Reihenfolge. 

Der Administrator des Remontedepots, der nach ent¬ 
sprechender Dienstzeit den Charakter als Amtsrat erhält, ist der 
Remonte-Inspektion direkt unterstellt. Er seinerseits ist der Vor¬ 
gesetzte aller übrigen Depotbeamten, also auch der Veterinäre. 
Er hat die Befugnis, bis zu 14 Tagen zu beurlauben, Verweise 
und Ordnungsstrafen bis zu 9 M. zu verhängen, und erstattet 
die Qualifikationsberichte über die übrigen Beamten. Er bestimmt 
z. B. auch, ob ein gefallenes Pferd obduziert werden soll; 
inwieweit er etwa in die Behandlung der erkrankten Pferde 
einzugreifen in der Lage wäre, ist mir nicht bekannt. Das 
Höchstgehalt des Administrators beträgt 3900 M., der pensions¬ 
fähige Wert der Naturalbezüge 1200 M. Die Administratoren er¬ 
gänzen sich durch Aufrücken aus den Wirtschaftsinspektoren. 
An letztere werden folgende Anforderungen gestellt: Höhere, als 
elementare, Schulbildung nnd mindestens fünfjährige praktische 
Beschäftigung mit der Landwirtschaft — weiter nichts. Tat¬ 
sächlich haben freilich Jdie meisten,^namentlich die'jüngeren 


657 

Administratoren — aber keineswegs alle — das Zeugnis zum 
einjährig-freiwilligen Dienst erworben; einige sind auch Reserve¬ 
offiziere. 

Die Zahl der Veterinäre in den 18 preußischen Remonte¬ 
depots beträgt 27. Etatsmäßig sind alle Stellen für Ober¬ 
roßärzte vorgesehen, doch sind zurzeit einige mit Roßärzten 
besetzt. Die Inhaber ergänzen sich durch Eintritt von Zivil¬ 
tierärzten und durch Versetzung von bisherigen Militärroßärzten. 
Diese Versetzung kann auf Wunsch resp. mit Einverständnis des 
Betreffenden geschehen; sie konnte bisher aber anch zwangs¬ 
weise erfolgen. Vor einer Reihe von Jahren wurde in der 
Zeitschrift für Veterinärkunde einmal offiziös darauf hingewiesen, 
daß Roßärzte, welche sich nicht für felddienstfähig hielten, statt 
der eistrebten Verabschiedung eventuell die Versetzung zu 
einem Remontedepot gewärtigen müßten. Ein Rücktritt in den 
Truppendienst ist in Preußen so gut wie ausgeschlossen und meines 
Wissens bisher erst einem Oberroßarzt gelungen, während er 
in Württemberg offen gehalten ist. Die Versagung dieser 
Möglichkeit ist von schwerwiegendster Bedeutung, denn oft 
genug lernt der betreffende Veterinär die Verhältnisse erst 
klar erkennen, wenn er den verhängnisvollen Schritt getan hat, 
und muß dann in seiner Lage verharren, so bedrückt er sich 
in derselben auch fühlen mag. Selbst wenn er aber diese 
Empfindung nicht hat, können ihm die Umstände eine Rttck- 
versetznng dringend wünschenswert machen, namentlich das 
Heranwa'.hsen der Kinder und die Notwendigkeit, diese in der 
Stadt erziehen zu lassen, was einem vermögenslosen Remonte- 
veterinär bei seinen beschränkten Einnahmen kaum möglich ist. 
Die Einnahmen aus der Privatpraxis in der Umgegend sind bei 
den einzelnen Depots ganz verschieden nnd können nicht all¬ 
gemein in Rechnung gezogen werden. Das Höchstgehalt be¬ 
trägt 3300 M., der pensionsfähige Wert der Naturalbezüge 
809 M.; das Gesamteinkommen ist also nm etwa 1000 M. ge¬ 
ringer a’s das des Administrators. Der Oberroßarzt hat auch 
nur ein Dienstpferd zur Verfügung, während dem Administrator 
deren drei, den Wirtschaftsinspektoren je zwei zustehen. 

Der Hauptübelstand, welcher schwer empfanden wird, ist 
die Unterordnung unter den Administrator und die Einordnung 
hinter allen übrigen oberen Depotbeamten. Man kann sich ohne 
Übertreibung wohl vorstellen, wie die andern Beamten nicht 
versäumen werden, den Roßärzten dieses Verhältnis recht fühl¬ 
bar zu machen, und das Bicher um so mehr, je mehr sie selbst 
fühlen, daß der Veterinär auch mit seiner bisherigen Bildung, 
mit seinem siebensemestrigen Studium ihnen doch eigentlich 
anzweifelhaft voransteht. Namentlich kann man sich denken, 
wie zam großen Teil die Wirtschaftsinspektoren, indem sie sich 
schon als künftige Administratoren und Vorgesetzte dünken, den 
Veterinären gegenüber anftreten mögen. Das Unterpersonal 
wird daraus wohl auch seine Folgerungen ziehen. Die Veterinäre 
sind den sich ergebenden, teilweise recht unerquicklichen 
Verhältnissen gegenüber bei ihrer Unterordnung unter die 
Administratoren, die über sie berichten, natürlich völlig ohnmächtig. 
Bemerkenswert ist, daß die Dienstvorschrift von 1897 diese 
Unterordnung erst geschaffen, mindestens wesentlich verschärft 
und die Lage der Roßärzte verschlechtert hat. 

Die Stellung der Remontedepot-Veterinäre entstammt und 
entspricht noch der Kurschmiede-Zeit. Wenn sie zu einer 
der Gegenwart angemessenen gestaltet werden soll, muß ihr in 
erster Linie eine größere Selbständigkeit gegeben werden. Der 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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658 


Administrator ist nicht der geeignete Vorgesetzte 
für den Veterinär. Das muß ganz unumwunden ausgesprochen 
werden und ist begründet ebensowohl durch die persönlichen 
Qualitäten beider Beamten wie durch ihre Tätigkeit. An die 
Ausbildung des Administrators werden geringere Anforderungen 
gestellt als an die des Tierarztes. Der letztere hat einen 
akademischen Studiengang zurückzulegen, der erstere hat ein¬ 
fach die Landwirtschaft gelernt. So hoch er als Landwirt ge¬ 
schätzt zu werden verdient, so kann er doch als solcher nicht 
beanspruchen, mehr zu sein als der Tierarzt. Die Unterordnung 
des Tierarztes unter den Landwirt entspricht nicht der Stellung 
der tierärztlichen Wissenschaft; die Vertreter von Tiermedizin 
und Landwirtschaft müssen gleichberechtigt, mindestens selb¬ 
ständig nebeneinander stehen. Es ist auch gar nicht erforderlich, 
daß einer von beiden das Ganze dirigiert, weil beider Funktionen 
voneinander grundverschieden und ganz unabhängig sind. Der 
Administrator mag den Wirtschaftsbetrieb leiten, und der Veterinär 
habe die Verantwortung für die Hygiene der Pferde; dieser 
braucht bo wenig in den Wirtschaftsbetrieb, wie jener in die 
Pferdepflege hineinzureden. 

So wie die Verhältnisse jetzt liegen, können sie keinesfalls 
bleiben. Schon früher machte sich gelegentlich Mangel an 
Depotroßärzten geltend. Das würde in Zukunft noch ganz 
anders werden. Der Abstand, der zwischen den aktiven Militär¬ 
veterinären und den derzeitigen Remonteroßärzten sich aufgetan 
hat, die Kreistierarztreform, die zunehmende Auswahl guter 
Sanitätstierarzt8tellen — das alles schließt es nahezu aus, daß 
künftig Tieiärzte sich freiwillig der Bemontekarriere, wie sie 
jetzt ist, zuwenden. Zwangsweise Versetzungen künftiger 
Veterinäroffiziere zu den Remontedepots sind aber entweder 
untunlich oder müssen so erfolgen, daß den Versetzten ihre 
Kompetenzen in keiner Weise geschmälert werden, d. h. diese 
Versetzungen würden eben mit einer Veränderung der Dienst¬ 
verhältnisse der Remontedepotveterinäre sich verbinden müssen. 
Deshalb versteht es sich eigentlich ganz von selbst, daß die Heeres¬ 
verwaltung die Remontedepotveterinäre in die Reorganisation 
des ganzen Militärveterinärwesens mit einbeziehen wird, und es 
bleibt nur die Frage, in welcher Art die Änderung der Remonte- 
depotstellen vorgenommen werden sollte. 

Umwandlung der Zivilbeamtenstellen in Stellen für 
Veterinäroffiziere und Aufhebung des Vorgesetzten¬ 
verhältnisses der Administratoren — das dürften die 
beiden Maßnahmen sein, welche volle Befriedigung schaffen 
und zugleich die Lösung aller Schwierigkeiten am besten 
ermöglichen würden. 

Diese Umwandlung der Depotveterinärstellen wird Bich gar 
nicht umgehen lassen, weil sonst, wie schon oben erörtert, 
nicht abzusehen ist, mit wem man die Stellen besetzen wollte. 
Den bisherigen Roßärzten konnte es ziemlich gleich sein, ob 
sie aus einer Militärbeamtenstelle in eine Zivilbeamtenstelle der 
Militärverwaltung übertraten. Bei den Veterinäroffizieren ist 
ein solcher Austausch ausgeschlossen, wenn nicht eben die 
27 Depotstellen zu Veterinärofflzierstellen gemacht werden. 
Letzteres hätte übrigens die Aufhebung des Vorgesetzten¬ 
verhältnisses des Administrators zur selbstverständlichen Folge, 
da der Zivilbeamte gar nicht Vorgesetzter des Veterinäroffiziers 
sein könnte und auch der Rang des Stabsveterinärs dem ent¬ 
gegenstehen würde. 

Das einfachste wäre jedenfalls, die Depotveterinäre irgend¬ 


No. 42. 


wie der Remonte-Inspektion direkt zu unterstellen. Was bei 
den Administratoren möglich ist, kann bei den Veterinären keine 
Schwierigkeiten machen. Es gäbe freilich noch einen anderen 
Weg, der allerdings zu einer Abänderung der ganzen Organisation 
der Remontedepots führen würde. Man könnte nämlich, unter 
Fortfall der Administratoren, Remontedirektorenstellen 
schaffen und mit Stabsoffizieren z. D. besetzen. Diesen 
könnten dann ebensowohl die Veterinäre als auch alle Beamten 
unterstellt werden. Die Wirtschaftsleitung kann von den 
Wirtschaftsinspektoren ausgeübt werden, ron denen übrigens 
je einer ja zum Oberinspektor ernannt werden könnte. Sachlich 
änderte sich dadurch in der Wirtschaftsführung ja gar nichts; 
es fiele eben nur das Avancement der Inspektoren zu Admini¬ 
stratoren fort. 

Die Besetzung der Depotveterinärstellen würde sich unter 
solchen Umständen leicht und einfach vollziehen, denn es würden 
sich jederzeit Veterinäroffiziere finden, die den Dienst bei der 
Truppe gern mit dem in einem Depot vertauschen würden. 
Immerhin würde es sich aber auch dann empfehlen, den Rück¬ 
tritt in den Truppendienst offen zu halten, denn namentlich 
Kindererziehung etc. können die Rückkehr in städtische Ver¬ 
hältnisse dringend wünschenswert machen. Ja, es könnte 6ogar 
nach einer Reihe von Jahren ein gewisses Anrecht auf Ver¬ 
setzung zugestanden werden, und endlich wäre überhaupt zu 
erwägen, ob die Veterinärstellen in den Remontedepots künftig 
nicht einfach auf dem Wege der Kommandierung (natürlich 
auf mehrjährige Dauer) zu besetzen wären. 

Was man aber auch wählen möge, so viel steht fest: Die 
Remontedepotstellen können bei der Reorganisation des Militär¬ 
veterinärwesens unmöglich beiseite gelassen werden. Es darf 
zwischen ihnen und den Veterinärchargen bei der Truppe nicht 
eine Kluft entstehen, und es muß vor allem die Unterordnung 
unter die Administratoren in Fortfall kommen. 

Geschieht dies, so werden diese Stellen so begehrt sein, 
wie sie es verdienen, da sie wichtig sind und Gelegenheit zu 
vielen wissenschaftlichen Beobachtungen bieten können. 

Schmaltz. 

Zur Veterinftrreform. 

Der in Nr. 41 der B. T. W. veröffentlichte mit L. Unter¬ 
zeichnete Artikel nimmt auf meine in Nr. 40, pag. 623 unter der 
Überschrift „Was wird aus den preußischen Departementstier¬ 
ärzten“ niedergelegten Äußerungen Bezug. Die Ausführungen 
geben mir in zwei Punkten zu einigen Anmerkungen Anlaß: 

Er befürwortet die Ernennung der Departementstierärzte 
zu Regierungs- und Veterinärräten und erklärt „den von Schmaltz 
empfohlenen Veterinärrats titel“ für ungenügend. Dem stimme 
ich ganz bei, bemerke aber, daß auch ich den bloßen Rats- 
titel für die Departementstierärzte keineswegs empfohlen habe, 
vielmehr den Amtsrang der IV. Klasse unter gleichzeitiger Be¬ 
zeichnung als Veterinärräte, wenn ich auch den Ausdruck 
„Regierungs- und Veterinärrat“ nicht gebraucht habe. Daß ich 
nicht einen Titel oder eine Charakterisierung meinte, diese viel¬ 
mehr für ungenügend halte, geht schon daraus hervor, daß ich 
es als notwendig bezeichnete, die Departementstierärzte gleich¬ 
zustellen mit den Landestierärzten kleinerer Bundesstaaten, 
welche Regierungsräte sind, und mit den Korpsstabsveterinären, 
welche „wirkliche, nicht bloß charakterisierte Stabsoffiziere“ 
werden. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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15 . Oktober 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 659 


Zweitens hatte ich geschrieben: „Wenn die Kreistierarzt¬ 
reform eingetreten ist, werden auch die Kreistierärzte zufrieden 
sein“. Der Autor macht dazu die Glosse, „das dürfte zutreffen, 
denn den beamteten Tierärzten in ihrer Gesamtheit wohnt ein 
solches Maß von Bescheidenheit inne, daß sie jede Verbesserung 
ihrer Verhältnisse dankbar hinnehmen“. Demgegenüber kann 
ich nur sagen, daß ich von dem vermutlichen Inhalt der 
Kreistierarztreform eine bessere Meinung habe. Ich bin bis 
auf weiteres des Glaubens, daß mit derselben die Kreistierärzte 
nicht bei außergewöhnlicher Bescheidenheit, sondern bei nor¬ 
malen Ansprüchen werden zufrieden sein können. Dabei gehe 
ich allerdings von der Voraussetzung aus, daß in erster Linie 
die Rangstellung befriedigend geregelt und der bisherigen „Rat- 
Losigkeit“ auch für die Kreistierärzte abgeholfen werden wird. 

Im übrigen stimmen die durchaus zutreffenden Bemerkungen 
des Autors vollkommen überein mit den betreffenden Aus¬ 
führungen in der (übrigens von mir verfaßten) Petition der 
Zentralvertretung, die in Nr. 35 der B. T. W. veröffentlicht 
worden ist. Schmaltz. 

Von der Veterinärakademie. 

In Nr. 40 der B. T. W. hatte ich geschrieben, das Wahr¬ 
zeichen der vergangenen Epoche, der aufsichtführende Wacht¬ 
meister, sei schon verschwunden, „soviel ich wisse“. Diese An¬ 
nahme wird durch eine Mitteilung in dem letzten Heft der 
„Zeitschrift für Veterinärkunde“ bestätigt. Die Ausübung einer 
Aufsicht über die jetzigen Studierenden durch die an die ehe¬ 
malige Militärroßarztschule kommandierten Wachtmeister ist 
grundsätzlich aufgehoben worden. S. 

Aufhebung resp. Veränderung der Medizinalkollegien. 

Wie verlautet, besteht die Absicht, die Medizinalkollegien 
in den preußischen Provinzen aufzuheben oder wenigstens der¬ 
artig zu verändern, daß die Funktion eines Departementstier¬ 
arztes als Veterinärassessor beim Medizinalkollegium in Fortfall 
käme. Es würden dann bloß gelegentlich den Medizinern andere 
Techniker beigeordnet werden. 

Vom tierärztlichen Standpunkt aus wäre diese Änderung zu 
bedauern und es empfiehlt sich daher, ihr tunlichst entgegen¬ 
zuarbeiten. Je weiter das Veterinärwesen sich (namentlich in 
der sanitären Richtung) entwickelt, umsomehr scheint es an¬ 
gezeigt, daß es einen ständigen Vertreter in der Leitung des 
Medizinalwesens der Provinzen habe. 

Einladung zur 54. Generalversammlung des tierärztlichen Zentralvereins 
für die Provinz Sachsen, die anhaitischen und thüringischen Staaten 

am Sonntag, dem 1. November 1903, vormittags 11 Uhr 
zu Magdeburg im Magdeburger Hof, Alte Ulrichstr. 4/5. 

Tagesordnung: 

1. Vereinsangelegenheiten. 

2. Die Differentialdiagnose der Schweineseuche. Ref.: Herr Kreis¬ 

tierarzt Marten s-Sangerbausen. 

3. Über die Führung der Tagebücher. Ref.: Herr Schlachthof¬ 

direktor Reimers-Halle a. S. 

4. Über Tötungsarten der Schlachttiere. Ref.: Herr Schlachthof¬ 

direktor Menzel-Aschersleben. 

5. Erfahrungen über den diagnostischen Wert des Malleins. Ref.: 

Herr Veterinärassessor Pirl-Dessau. 

Nach Schluß der allgem. Sitzung wird Herr Schlachthofdirektor 
Colberg-Magdeburg die Herren Mitglieder der Gruppe der Schlacbt- 
hoftierärzte des Z.-V. zu einer kurzen Besprechung versammeln. 

Nach der Versammlung gemeinschaftliches Mittagessen, wozu 
die Damen der Mitglieder willkommen sind. 


Anmeldungen (Gedeck 3 Mark) bis spätestens zum 28. Okt. er. 
an Herrn Kreistierarzt Gundelach, Magdeburg, Breiteweg 229a, 
erbeten. 

Halle a. S., den 12. Oktober 1903. 

Disselhorst, H. Raebiger, 

Vorsitzender. Schriftführer. 

Tierärztlicher Verein für die Provinz Brandenburg. 

Der Verein wird seine 67. Generalversammlung am Sonntag, 
dem 8. November er., im anatomischen Institut der tierärztlichen 
Hochschule zu Berlin abhalten. 

Tagesordnung: 

1. Geschäftliches. Rechnungsbericht. Aufnahme neuer Mitglieder. 

Zur Aufnahme haben Bich gemeldet, Schlachthofverwalter 
Dr. Bauermeister in Friedeberg N.-M., Tierarzt Goßlau 
in Gransee, Schlachthofdirektor Hafenrichter in Lands¬ 
berg a. W., Kreistierarzt Liesenberg in Zielenzig. 

2. Mitteilungen aus der Praxis. Dieser Gegenstand ist auf Beschluß 

der vorigen Versammlung als erster Punkt auf die Tagesordnung 
gesetzt und es wird im voraus um Beiträge für denselben 
gebeten. 

3. Erfahrungen über die Fleischbeschau. 

4. Projektion histologischer Präparate (wenn Zeit frei bleibt). 

Die Gruppe der Schlachthoftierärzte wird außerdem 
über die „Einwirkung der neuen Fleischbescbaugesetzgebung“ be¬ 
sonders verhandeln und die Wahl eines Obmannes vornehmen. 

Nach der Sitzung zwanglose Vereinigung. Ein Festmahl 
findet diesmal nicht statt. Den Mitgliedern werden noch besondere 
Einladungen zugehen. Schmaltz. 

Tierärztliche Gesellschaft Berlin, elngetr. Verein. 

Einladung 

zur Sitzung am Montag, den 19. Oktober 1903, 8 Uhr abends 
im Restaurant „Zum Spaten“ Friedrichstr. 172. 
Tagesordnung: 

1. Vereinsangelegenheiten: Verschiedenes; 

2. Vorträge: 

a) Herr Dr. Zchl: Zur Therapie des Kalbefiebers, 

b) Herr Prof. Dr. Eberlein: Die Prüfungsordnung für 
Tierzuchtinspektoren; 

3. Mitteilungen aus der Praxis. 

Gäste willkommen. Der Vorstand: 

Prof. Dr. Eberlein, Vorsitzender. 

Verein Pfälzer Tierärzte. 

Die 61. ordentliche Generalversammlung des Vereins Pfälzer 
Tierärzte findet am 31. Oktober d. J., vorm. 9 Uhr im Hotel zum 
Löwen in Neustadt a. H. Btatt. Aus der Tagesordnung ist zu ent¬ 
nehmen, daß außer den Verhandlungen über Vereinsangelegenheiten 
(Bericht über das Vereinsleben, Ehrung von Mitgliedern, Rechen¬ 
schaftsbericht und statutenmäßige Wahlen) ein Referat über die 
Novelle znm Reichsviehseuchengesetz erstattet wird und die bei 
der Ausführung des Reichsfieischbeschaugesetzes gemachten Er¬ 
fahrungen ausgetauscht werden. Bei dem allgemeinen Interesse 
dieser beiden Gegenstände ist eine rege Beteiligung der Vereins¬ 
mitglieder zu erwarten; Gäste sind sehr willkommen. Nach der 
Versammlung findet ein gemeinschaftliches Mittagsmahl statt, zu 
welchem Anmeldungen an das Hotel zum Löwen rechtzeitig erbeten 
werden. H. 

Aus Posen. 

Anläßlich der Einweihung des Bismarckdenkmals in Posen 
weilten bekanntlich auch Fürst und Fürstin Herbert Bismarck 
einige Tage dort. Der Fürst, der im übrigen nur Besuche mit 
den Ehrengästen austauschte, empfing den Kreistierarzt Dr. 
Kampmann, der ihm als ehemaliger Kreistierarzt von Genthin 
bekannt war. Der Fürst und auch die Frau Fürstin erinnerten 
sich auf das freundlichste der Tätigkeit K’s. in Genthin, nament¬ 
lich im landwirtschaftlichen Verein, dem auch der Fürst angehörte. 
Der letztere unterhielt sich dann noch des längeren über die 
Frage der Reichs-Vieh-Versicherung. 


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660 


Veterinär-Assessor WoHTsche Stlpendien-Stlftung. 

An einen Studierenden der Tierheilkunde ist am 2. Januar |ß04 
für zwei Semester ein Stipendium von 300 M. zu vergeben. Be¬ 
rücksichtigt werden nur solche Studierende, welche daB Abiturienten¬ 
examen auf einem Gymnasium oder Realgymnasium abgelegt und 
sich moralisch gut geführt haben. Bei der Verteilung kommen 
vorzugsweise Studierende in Betracht: 

a) die eine Blutsverwandtschaft mit der Familie des Stifters 
nachzuweisen vermögen; 

b) Nachkommen folgender Freunde des Stifters: 

1. des in Göhren auf Rügen verstorbenen Hotelbesitzers 
Borgmeier, 

2. des zu Wusterhausen geborenen Rentiers Otto Gericke, 

3. des zu Finkenstein i. Westpr. geborenen Chemikers Wilhelm 
Lindner, 

4. des zu Calcar geborenen und verstorbenen Tierarztes 
Gustav Siebert; 

c) Söhne von Tierärzten. 

Den bis zum 15. Dezember 1903 an den Vorstand z. H. des 
Geheimen Regierungsrats, Professor Dr. Schütz, Luisenstr. 56 
einzureicbenden Bewerbungen sind beizufügen: 

a) beglaubigte Abschrift des Maturitätszeugnisses. 

b) Führungsattest. 

c) vorkommendenfalls der Nachweis der Zugehörigkeit zu den 
unter a bis c bezeichneten Kategorien. 

Der Vorstand. 

Mastvlehausstellung In Hamburg. 

Am 16., 17. und 18. Oktober d. J. findet in Hamburg auf dem 
Viehmarkt, Heiligengeistfeld, eine Mastviehausstellung statt, die mit 
annähernd 1500 Stück Vieh beschickt werden wird. DaB Eigen¬ 
artige dieser Ausstellung ist darin zu suchen, daß unter den etwa 
450 ausgestellten Rindern die Weidemast hauptsächlich zur An¬ 
schauung gebracht werden wird. Es ist noch immer eine strittige 
Frage, in welcher Art und Weise die Mästung ausgefilhrt werden 
soll, um den Bedürfnissen des Marktes Rechnung zu tragen. Dabei 
ist nicht außer acht zu lassen, daß die Bedürfnisse der ver¬ 
schiedenen Märkte nicht überall in gleicher Weise zu befriedigen 
sind. Mittel- und Süddeutschland stellt ganz andere Ansprüche als 
Norddeutschland. Vornehmlich beruht dies wohl darin, daß die 
Zubereitung des Fleisches in den einzelnen Gebietsteilen Deutsch¬ 
lands eine ganz verschiedene ist. Für unsere viehzüchterischen 
Kreise ist es aber Grundbedingung, das wirkliche Bedürfnis des 
Marktes zu kennen, wenn sie ihre Viehprodukte mit Vorteil ab- 
setzen wollen. 

Die in nächster Zeit an verschiedenen Orten, Hamburg, Köln, 
Berlin stattfindenden Schlachtvieh- und Mastviehausstellungen bieten 
hierfür eine vorzügliche Gelegenheit und sollten auch die tierärzt¬ 
lichen Kreise diesen Ausstellungen besondere Aufmerksamkeit 
widmen. Der Besucher dieser Ausstellungen wird Bich um so mehr 
orientieren können, als die Tiere nicht nur lebend, sondern auch 
ein Teil in geschlachtetem Zustande ausgestellt und beurteilt 
werden. Nicht nur Rinder, sondern auch Kälber, Schafe und 
Schweine werden so behandelt werden. In Hamburg sind außer 
den Rindern etwa 170 Kälber, 400 Schafe und 400 Schweine zur 
Ausstellung augemeldet und steht nach den bisherigen Berichten 
zu erwarten, daß der Besucher eine große Anzahl von gut aus¬ 
gemästeten Tieren zu Gesicht bekommen wird. K. 

Tierseuchenstand in Deutschland am 30. September. 

Die Zahlen bedeuten die Kreise und (eingeklammert) Gemeinden. 

Rotz: In den preuß. Regierungsbezirken Potsdam, Frank¬ 
furt, Breslau, Oppeln, Merseburg, Schleswig, Arnsberg, Düssei- [ 
dorf, Trier je 1 (1), dazu der Stadtkreis Berlin im Reg.-Bez. 
Bromberg 3 (3) zusammen in Preußen 13 (13); ferner in , 
Niederbayern 1 (2), Pfalz 2 (4), Schwaben 1 (1), Würtemberg 
4 (4), Lippe 1 (1), Unterelsaß 1 (2). Zusammen waren ver- ! 
seucht in 23 Kreisen 27 Gemeinden gegen 34 am 15. September. I 

Die Lungenseuche ist erloschen. — 

Die Maul- und Klauenseuche herrschte in je einem Kreise j 
bzw. einer Gemeinde der preuß. Regbezirke Potsdam, Bromberg, 


No. 42. 


Osnabrück, Koblenz, und in 11 Gemeinden, 119 Gehöften von 
zwei Kreisen des R.-B. Wiesbaden, zusammen in 15 Gemeinden; 
ferner sind befallen in Mittelfranken 5 (16), Schwaben 1 (1), 
Leipzig 1 (1), Chemnitz 1 (3), Würtbg. Neckarkreis 1 (1), 
Schwarzwaldkreis 8 (36 Gern, und 109 Gehöfte). Zusammen 
waren verseucht 34 Gemeinden gegen 39 am 15. September. 

Die Schweineseuche und Schweinepest herrschte in 1168 
Gemeinden (gegen 1225 am 15. September), darunter in 1066 
preußischen. 

Berichtigung. 

In Nr. 40 der B. T. W. S. 624, linke Spalte, oberste Zeile, 
ist in dem Artikel von Dr. Schmitt zu lesen: an einen berühmten 
Ausspruch Büchners. 

Personalien. 

Auszeichnungen, Ernennungen: Dem Stabsveterinär/5e*7s zu Magde¬ 
burg wurde das Ritterkreuz 2. Kl. des kgl. bay. Verdienstordens 
vom hl. Michael verliehen. 

Schlachthofdirektor Simon- Görlitz wurde zum komm.Kreistierarzt 
von Gostyn, Tierarzt Dr. med. vet. Bernhard Schubert, bisher Assistent 
am kgl. Institut für experimentelle Therapie in Frankfurt a. M., zum 
Vorsteher des bakteriolog. Laboratoriums der Serumgesellschaft in 
Landsberg a. d. W., Dr. med. vet. Peters, bisher Assistent am veterinär¬ 
anatomischen Institut in Gießen, zum Assistenten am gleichen 
Institut in Berlin; die Tierärzte Loire aus Berlin und Blasse aus 
Meiningen zum 1. bzw. 2. Assistenten am Tierspital in Gießen. 
Einj.-freiw. Unterveterinär Paul Schmidt in Danzig zum Schlachthof- 
tierarzt in Brandenburg ernannt. 

Wohn8ltzveränderungen, Niederlassungen: Sanitätstierarzt Doruheim 
von Meißen nach Zwickau; Schlachthausverwalter Pütx von Borkum 
als 2. Assistent an den Schlachthof in Dortmund; Srhlachthof- 
assistent Erich Flieger von Brandenburg als kreistierärztl. Assistent 
nach Memmen-Hettstedt; Tierarzt Edxards, bisher Assistent am 
anatomischen Institut in Berlin, als Einjährig-Freiwilliger nach 
Rastatt in Baden, Tierarzt .1. Krüger von Perleberg als Polizei¬ 
tierarzt nach Hamburg verzogen. — Niedergelassen hat sich Tierarzt 
Biertragen in Pollnow in Pommern. 

Examina: Veterinär Pfeiffer in Kiautscbou hat die zweite Stufe 
des chinesischen Dolmetscherexamens mit Überspringung der ersten 
Stufe bestanden. 

In der Armee: Zu Oberveterinären wurden befördert die Unter¬ 
veterinäre Mertx vom Hus.-Rgt. Nr. 7 im Ulan.-Rgt. Nr. 4; B\ Schmidt 
vom Garde-Kür.-Rgt. im Ulan.-Rgt. Nr. 7 und Oräbenteich im Feld- 
Art.-Rgt. Nr. 40. — Versetzt wurden die Oberveterinäre Dr. Rüther 
vom Ulan.-Rgt. Nr. 7 zum Hus.-Rgt. Nr. 8; Uohdc vom Drag.-Rgt. 
Nr. 21 zum Feld-Art.-Rgt. Nr. 45; die Unterveterinäre Bieser vom 
Kür.-Rgt. Nr. 7 zum Hus.-Rgt. Nr. 11; Kuhn vom Leib-Garde-Hus.- 
Rgt. zum Garde-Kilr.-Rgt.; Abendroth vom Hus.-Rgt. Nr. 15 zum 
Feld-Art.-Rgt. Nr. 55; Hoffmann vom Hus.-Rgt. Nr. 14 zum Drag.- 
Rgt. Nr. 21. — Kommandiert wurden als Hilfsinspizienten zur Militär- 
Veterinär-Akademie die Oberveterinäre Stürxbecher vom Feld-Art.- 
Rgt. Nr. 35; Sturhan vom Ulan.-Rgt. Nr. 4; Reichart vom Feld-Art.- 
Rgt. Nr. 5; Hitxe vom Feld-Art.-Rgt. Nr. 22 und zum Remontedepot 
Jurgaitschen Oberveterinär Dernbach. 

Todesfälle: Roßarzt a. D. K. H. Schimpff in Brandenburg; 
Kreistierarzt Karl Hocke in Frankenstein in Schl.; Bezirkstierarzt a. D. 
Strobel in Uffenheim. 


Vakanzen. 

(S. Nr. 40). 

Besetzt: Brandenburg, Dortmund, Pollnow, Zwickau 

Fragebogen betreffend die Veterinäre des Beurlaubtenstandes. 

Die erste Seite des Inseratenteils enthält einen Fragebogen, 
der bestimmt iBt, die Dienstverhältnisse der Veterinäre des 
Beurlaubtenstandes zu ermitteln. Um die Benutzung desselben 
nach Maßgabe der dort gegebenen Hinweise wird auch an dieser 
Stelle gebeten. 


Verantwortlich fOr den Inhalt (exkl. Ineemtenteil): Prof. Dr. Scbmalts in Berlin. — Verlag nnd Eigentum von Richard Schoetx in Berlin. — Druck von W. Büxenstein, Berlin. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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Dis »Berliner Tierärztliche Wochen*ehr!ft* eracheint 
w»«h®oUlch lm Verlage von Richard Seboets in 
Berlin, Lulsenstr.36. Durch Jede* deutsche Postamt wird 
dieselbe mm Preise ron M. 5,— vierteljährlich (M. 4,88 für 
die Wochenschrift, 18 Pf. für Bestellgeld) frei ins Haas 
geliefert (Deutsche Post-Zeitung*-Preisliste No. 1108, 
Oesterreicbisehe No. 610, Ungarische No. 90.) 


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Originalbeltrtge werden mit 60 Hk., ln Petitsatz mit 
00 Mk. für den Bogen honoriert Alle Manuskripte, 
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man 
an senden an Prof. Dr. Schmaltz, Berlin, tierärzt¬ 
liche Hoohsohule, NW, Lui»en«tra*se 56. Korrekturen, 
Rezension*-Exemplare und Annoncen dagegen an die 
Verlagsbuchhandlung. 


Tierärztliche Wochenschrift 


Redaktion: 

Professor Dr. Schmaltz-Berlin 

Verantwortlicher Redakteur. 


De Brula 

Dr. Jese 

KDhnau 

Dr. Lothes 

Nevermann 

Prof. Dr. Peter 

Peter« 

Professor 

Kreistierarzt 

Sohlacbthofdlrektor 

Departe menuti erarzt 

Kreintiersnt 

Kreistier* rxt 

Departementstierarzt 

Utrecht. 

Charlottenburg. 

Cöln. 

Cöln. 

Bremervörde. 

Angermünde. 

Bromberg. 


Preusse 

Dr. Boeder 

Dr. Schlegel 

Dr. Vogel 

Zündet 



Vete ri n är assessor 

Professor 

Professor 

Landestierarzt v. Bayern Kreistierarzt 



Danzig. 

Dresden. 

Freiburg i. Br. 

München. 

Mülhausen i. E. 


Jahrgang 1903. J|£ 43 . Ausgegeben am 22. Oktober. 


Inhalt: Woiffhüget: Stilesia hepatica nov. spec. ein Bandwurm auB den Gallengängen von Schafen und Ziegen Ost¬ 
afrikas. — Referate: Heyl: Über Feinde der Haustiere in der Pflanzenwelt und ein giftiges Prinzip einiger Delphinium- 
arten (Delphocurarin'. — Udriski: Operative Heilung einer UrachaBfistel beim Fohlen. — Der Wutmikrobe. — Baldoni: 
Mastitis bei der Kub, verursacht von Micrococcus tetragenus. — Meynard: Hohes Alter eines Pferdes. — Glage: Zur 
Kenntnis der Parasiten bei den Zebras Ostafrikas. — Jeß: Wochenübersicht über die medizinische Literatur. — Tages¬ 
geschichte: Edmund Nocard. — Verschiedenes. — Bücheranzeigen und Kritiken. — Personalien. — Vakanzen. 


Stilesia hepatica nov. epec. ein Bandwurm aus den 
Gallengängen von Schafen und Ziegen Ostafrikas. 

Ans dem 

Hygienischen Institut der Tierärztlichen Hochschule Berlin. 

Von 

Tierarzt Dr. K. Wolffhflgel.* 

Von Regierungstierarzt Brauer in Deutsch-Ostafrika erhielt 
das Hygienische Institut am 31. Jan. 1903 acht in Alkohol konser¬ 
vierte Plattwürmer mit der Bezeichnung „ans den Gallengängen 
von Ziegen und Schafen am Kilimandscharo.“ Der platten, lang¬ 
gestreckten Form nach erwiesen sich die Parasiten schon als 
Cestoden. Sie sind spiralig gedreht und zusammengeknäult. 
Es fällt sofort am größten Teil des Wurmes der Mangel einer 
deutlichen Segmentierung auf, wie wir sie von der Mehrzahl 
der Bandwürmer her kennen. Die Ränder sind fein eingekerbt 
und es gelingt mit Hilfe der Lnpe doch eine Gliederung zu 
erkennen. Nur am hinteren Endstück, das schmaler ist als der 
übrige Wurm, zeigt sich eine makroskopisch deutliche Gliederung 
(S. Fig. 1.). Durch Kontraktion der Würmer ad maximnm bei 



der Konservierung werden wohl die Glieder (mit Ausnahme in 
der erwähnten Endstrecke des Wurmes) ihre größtmögliche 
Kürze erreicht haben. Hierauf läßt der stark geschlängelte 
Verlanf der dorsalen Längsexkretionsstämme schließen. 

Das längste Exemplar mißt 8,4 cm. Vorn ist es 2,5 mm breit 
und ausgerandet wie in Fig. 1. Der Warm nimmt, bis auf ein 


kurzes Endstück, welches rasch auf 1 mm Breite sich verschmälert, 
kaum an Breite ab wie Fig. 1. 

Ein anderes Exemplar war 4 cm lang, am Vorderrande 2 mm 
breit und auch ausgerandet. Eine durchgehende Segmentierung 
ist für das unbewaffnete Auge nicht erkennbar, sondern bloß eine 
feine Randeinkerbung. Die Glieder sind 0,07—0,08 mm lang. Die 
hintersten 2 mm Betzen sich scharf von der übrigen Strobila ab, 
indem sie sich plötzlich anf 1 mm Breite verschmälern. Sie be¬ 
stehen aus 7 Gliedern von 0,25 mm Länge. Zu beiden Seiten in 
der Nähe der Ränder läßt sich deutlich bei Lupenvergrößerung je 
ein kugeliges Gebilde erkennen, der Uterus. 

Ein 7,5 cm langes Exemplar ist vorn >/a mm breit und wird 
allmählich bis zum Hinterende 2 mm breit. Die Glieder sind alle 
sehr kurz. 

Das Königl. Museum für Naturkunde in Berlin überließ mir 
zur Untersuchung drei Fläschchen mit Cestoden aus Ostafrika. 
General-Katalognummern: 3321, 4283 und 4284. Die mikro¬ 
skopische Untersuchung dieser Parasiten hat die Identität der¬ 
selben mit unseren vom Kilimandscharo stammenden ergeben. 

Nr. 3321. Cestoden. Ovis aries, hepar. Lydenburg, Transvaal. 
Dr. Wilms, Sammler 1894. (?) 

Ein Exemplar, das in Fig. 1 abgebildete, ist 25 cm lang (die 
Abbildung ist also etwas vergrößert). Am breiten, ausgerandeten 
Vorderende, wo die Proglottiden wegen ihrer Kürze mit bloßem 
Auge schwer zu erkennen sind, ist der Cestode 2 mm breit, in der 
Mitte der Strobila beinahe 2,5 mm. Die deutlich sichtbaren Glieder 
am Hinterende, welche reife Oncospbaeren enthalten, sind 1 mm breit 
und 0,3 mm lang. 

Nr. 4283. Cestoden. Ovis aries, hepar. Bagamoyo VII. 1894. 
Dr. Schwesinger, Sammler. 

Es finden sich unter dieser Nummer bis 6 mm lange, gedrehte 
und zusammengeknäulte Exemplare resp. Stücke von solchen. Sehr 
wertvoll ist diese Probe, weil sie als einzige einen Scolex enthielt. 
Dieser war nicht in Zusammenhang mit einer fertilen Strobila. 
Weil aber sonst keine anderen Parasiten in dem Fläschchen sich 
befanden, das Material alles aus der Leber stammt, weil Quer¬ 
schnitte des hinter dem Scolex sich findenden Wurmkörpers eine 
Muskulatur zeigten, die mit derjenigen der Strobilen übereinstimmt, 
und weil ein mit unserem Wurm sehr nahe verwandter Parasit 
Stilesia globipunctata (Riv.) (1) auch einen derartigen Scolex besitzt, 
darf ohne Zögern dieser Kopf als zu den Strobilen gehörig an¬ 
gesehen werden. Wir hätten demnach in all den vorliegenden 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 48. 


Exemplaren keine vollständigen Cestoden vor uns. Der erwähnte 
Scolex ist mit einem & mm langen Stück unsegmentiertem, 0,24 mm 
breitem Wurmkörper (Hals) in Zusammenhang. In Figur 2 ist 
derselbe abgebildet. Der Scolex besitzt kein Rostellum (keine 
Haken) und hat vier starke Saugnäpfe. Größte Breite des Scolex 
= 0 66 mm. Länge 0,49 mm. Saugnapf oval, 0,39 mm lang und 
0,29 mm breit. 

Nr. 4284. Cestoden. Capra domestica, hepar. Pangani-Fälle, 
Ostafrika, von der Marwitz, Sammler. Eingegangen am 
16. Mai 1898. 

Ein stark kontrahiertes, 3,2 cm langes Exemplar am Vorder- 
und Hinterende ausgerandet (wie in Fig. 1 vorn), überall ziemlich 
glei b bn-it = 2,5 mm. — Ein anderes Exemplar 6 cm lang, vorn 
2 mm breit, hinten, wo auch noch undeutliche Segmentierung, 
1,5 mm breit. — Ein Exemplar 12,5 cm lang. Vorn 2 mm breit 
Im letzten Viertel seiner Länge allmählich auf 1 mm, am Ende sich 
verschtnälernd. Endstrei ke deutlich gegliedert. — Exemplar 8 cm 
lang. Vorn 2 mm breit. Bis vor dem 4 mm langen Endstück sehr 
wenig schmaler geworden, hier aber plötzlich eingezogen, so daß 
die deutlich gegliederte Endstrecke bloß 1 mm breit ist. Reife 
Glieder finden sich von der Form wie sie Stiles (1), Plate (XIV, 
Fig. 9) für Stilesia globipunctata (Riv.) abbildet. 

Zusammengefaßt ist folgendes die Beschreibung der äußeren 
Form des in der Leber (Gallengängen) von Schaf und Ziege in 
Deutsch-Ostafrika und Transvaal gefundenen Bandwurmes: 

Scolex 0,7 mm breit und 0,5 mm lang (Canadabalsam- 
präparat). Ohne Rostellum (und Haken). Saugnäpfe oval 
0,4 mm lang und 0,3 mm breit. Wurm hinter dem Scolex (es 
war bloß ein 5 mm langes Stück mit demselben in Zusammen¬ 
hang) unsegmentiert (Hals) 0,24 mm breit. Längste vorliegende 
Strobila 25 cm lang (da letztere aber am Vorderende Bchon 
2 mm breit ist, muß in Anbetracht, daß der Wurm hinter dem I 
Scolex bloß 2 mm Breite besitzt, auf eine viel bedeutendere 
Länge intakter Exemplare geschlossen werden.) Die nicht 
mit Scolex in Zusammenhang sich findenden (in Alkohol kon¬ 
servierten) Exemplare, sind vorn ausgerandet, ebenso auch am 
Hinterende, wenn dieses noch keine deutliche Gliederung besitzt 
und keine reifen Oncosphaeren enthält. Die größte Breite des 
Wurmes beträgt 2,5 mm, gewöhnlich 2 mm. Diese Breite wird auf 
große Strecken beibehalten, dabei sind die Glieder wegen ihrer 
Kürze für das unbewaffnete Auge schwer erkennbar. 0,07 mm 
lang. Die Ränder erscheinen gekerbt, der Margo jeder Proglottis 
halbkreisförmig oderhöchstens mit einer Andeutung einer gerundeten 
Hinterecke. Da die dorsalen LängsexkretionsBtämme sehr ge¬ 
schlängelt verlaufen, ist anzunehmen, daß die Glieder durch starke 
Kontraktion des Wurmes ihre größtmögliche Kürze zeigen. Wo 
der Wurm reife Oncosphaeren enthält, wird er — öfters durch 
plötzliche Einziehung — schmäler, 1 mm breit, und die Pro- 
glottiden dann deutlich, bis 0,3 mm lang. Die Form der Glieder 
ist dann trichterförmig. Den Scolex und den 
Habitus einer Strobila geben Fig. 1 und Fig. 2 
vergrößert wieder. Manche Ketten waren 
auch spiralig gedreht und die Abbildungen, 
die Stiles von Stilesia globipunctata (Riv.) 

Fig. 2. gibt, C 1 ) Plate XIV, Fig. 1, könnten ebenso¬ 
gut für unseren Wurm gegeben sein. In 
Form und Größe ist unser Cestode der Stilesia globipunctata 
(Riv.) sehr ähnlich, die nahe Verwandschaft auch in anatomischer 
Hinsicht werden die folgenden mikroskopischen Untersuchungen 
ergeben. Diese stützen sich auf Serienschnitte vou Material 
des Hygienischen Institutes und von solchem des Museums für 
Naturkunde. 


Ein Querschnitt einer 1,4 mm breiten Proglottide hatte eine 
Dicke (Dorsoventralabstand) von 0,17 mm. Das Markparenchym 
(dorsoventral) eine Mächtigkeit von 0,1 mm; es nimmt also 
8 /ö der Dicke der Proglottide ein. Im Rindenparenchym und 
noch seltener im Markparenchym findet man flache, runde, kon¬ 
zentrisch geschichtete Kalkkörperchen von 0,01 mm bis 0,06 mm 
Durchmesser. Die Längsmuskulatur besteht aus einer starken 
Lage von gleichmäßig verteilten, ziemlich gleich großen Muskel¬ 
bündeln, welche direkt unter der Subcuticula liegen. In dem 
1,4 mm breiten Gliede hatte die Längsmuskelschicht 0,03 mm 
Mächtigkeit; sie nimmt also je dorsal und ventral Vo der Dicke 
des Wurmes ein. Diese Längsmuskellage begrenzt nach dem 
Markparenchym zu ein Transversalmuskelstrang von 0,002 mm 
Stärke. Wenig Dorsoventralmuskelfasern durchziehen das 
Parenchym. 

Zwei dorsale, starkwandige und zwei ventrale schwach- 
wandige Hauptexkretionsstämme laufen längs durch die Strobila. 
In der 1,4 mm breiten Proglottide hatten dieselben (auf Quer¬ 
schnitten) ovale bis spaltförmige Form, waren also komprimiert. 
Das dorsale wohl schräg getroffen wegen seines geschlängelten 
Verlaufes. Der Querschnitt des ventralen ist 0,08 mm lang und 
hat 0,02 mm größte Breite, der des dorsalen Gefäßes 0,04 mm 
lang und 0,02 mm breit. JedeB dorsale Gefäß ist 0,45 mm vom 
Rande, beide dorsalen voneinander 0,5 mm entfernt. Jedes dor¬ 
sale ist vom ventralen Stamm etwa 0,2 mm, jedes ventrale vom 
seitlichen Gliedrande 0,17 mm entfernt Die dorsalen Haupt¬ 
exkretionsstämme sah ich nie miteinander kommunizieren. Da¬ 
gegen treten die ventralen Hanptlängswassergefäßstämme am 
hinteren Gliedrande regelmäßig durch eine längs der ventralen 



Transversalmuskulatur verlaufende bloß 0,005 mm starke Quer- 
anastomose in Verbindung (Fig. 3 Q. A.). Auch dorsal sah 
ich noch feinere Äste vom ventralen Hauptstamm abgehen, die 
sich bis in die Mitte der Proglottis längs der Transversal¬ 
muskulatur verfolgen ließen. Von der ventralen Querkommissur 
ging in Mitte der Proglottis ein im Bogen zurückkehrender Ast 
ab. Auch von der Querkommissur aus schräg marginal nach 
den weiblichen Geschlechtsdrüsen zu laufen oft Äste. Ferner 
gehen vom ventralen Hauptstamm Äste nach dem Margo, um 
bisweilen im Bogen wieder zu ersterem zurückzukehren. 

Der Cestode ist doppelporig. Alle Geschlechtsorgane sind 
doppelt in jedem Gliede vorhanden und zwar liegt je ein Sexual¬ 
organkomplex in dem marginalen Drittel der Proglottis, welches 
nach innen durch das dorsale Längswassergefäß (Fig. 3 d. W.) 
begrenzt ist. In dem Raum zwischen dorsalem und ventralem 
Längswassergefäß (Fig. 3 v. W.) liegen die Keimdrüsen, Ovar 
(Fig. 3 0.), Uterus (Fig. 3 U.) und das mit dem Uterus in Be¬ 
ziehung tretende stempelförmige Gebilde (Fig. 3 E.). Marginal 
von dem ventralen Längswassergefäß liegen die Testikel, Vas 
deferens, Vagina und die Kopulationsorgane. Das mittlere 
Drittel der Proglottide, also das Markparenchym zum größten 
Teil, bleibt frei von Generationsorganen. 

Männliche Geschlechtsorgane. Die Testikel (Fig. 3, T.) liegen 
in einer Anzahl von 9—11 auf jeder Seite derPröglottis dorsal längs 



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22 . Oktober 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


663 


der TranBversalmuskulatur. Sie reichen vom ventralen Wasser¬ 
gefäß bis in die Höhe des Hauptnervenstammes. Wenn die 
Proglottis durch Kontraktionswirkung der Muskeln von den 
Rändern aus zusammengeschoben erscheint, sind die Hoden bis 
zum dorsalen Wassergefäß verschoben. Die Testikel sind oval 
und messen in stärkster Funktion in den beiden Durchmessern 
0,04 mm und 0,02 mm; 0,04 mm und 0,04 mm; 0,05 mm und 
0,03 mm. 

Der Cirrusbeutel (Fig. 3 C.) liegt in der vorderen Hälfte 
der Proglottis, — je nach der Form der Proglottis in der 
Mitte oder dorsal über der Mitte des Dorsoventralabstandes 
der Proglottis, — direkt über dem Hauptnervenstamm. Der 
Cirrusbeutel hat, wenn der Cirrus nicht ausgestreckt in seinem 
Innern mehrere Knickungen erleidet, kugelige Form von 0,04 
bis 0,05 mm Durchmesser. Cirrus und Vagina münden in einen 
geräumigen Genitalsinus von 0,03 mm Breite und 0,04 mm 
Tiefe. Letzterer ist in seiner hinteren Wandung mit feinen 
Stacheln besetzt. Stülpt sich der Cirrus aus, bo bildet sich rings 
um ihn und die Ausmündung der Vagina eine bestachelte Rinne. 
Vom Cirrusbeutel aus verläuft das Vas deferens (Fig. 3 V. d.) 
(gefüllt von 0,07 mm Durchmesser) dorsal vom ventralen Wasser¬ 
gefäß zunächst etwas ventral. Es bildet keine Vesicula semi- 
nalis, dagegen mehrfach Schlingen; bei in der Querachse kontra¬ 
hierten Gliedern verläuft das Vas deferens vom Cirrusbeutel aus 
stark ventral mit bis zum ventralen Wassergefäß sich er¬ 
streckenden Schleifen. Das Vas deferens zieht dann dorsal 
nach dem Vorderand des Gliedes, um in der Höhe des ventralen 
Wassergefäßes (Fig. 3 v. W.) diesen zu erreichen; es läuft dann 
dorsal über Ovar (Fig. 3 0.) und Uterus (Fig. 3 U.). Weiter 
konnte ich das Vas deferens bloß bis zum dorsalen Wasser¬ 
gefäß nach der Mitte zu ziehend verfolgen. Jedenfalls zieht es auch 
quer durch die Proglottis, wie es Stiles bei Stilesia globi- 
punctata (Riv.) beobachtet hat, um Sperma von der gegenüber¬ 
liegenden Hodengruppe oder vielleicht bloß von einem Hoden auf- 
zunehmen. Ich Bah nämlich einmal von dem innersten (am wei¬ 
testen) der Gliedmitte zu gelegenen Testikel ein Vas efferens 
auf eine kurze Strecke geradlinig, parallel der Gliedquerachse 
direkt in der Richtung nach der Mitte verlaufen. Die Vasa 
efferentia der dorsalen Hodengmppe habe ich nicht in das 
zugehörige Vas deferens mündend getroffen, dagegen glaube 
ich aus ihrer Verlaufsrichtung schließen zu dürfen, daß die 
Mehrzahl der Testikel ihr Sperma an das Vas deferens ihres 
Gebietes abgibt. 

Weibliche Geschlechtsorgane. Etwas dorsal und hinter dem 
Cirrusbeutel (dem Hinterrande der Proglottis zu) liegt diesem 
das starkwandige Endstück der Vagina (Fig. 3 V.) an. Es ist 
0,04 mm lang, hat 0,02 mm Querdurchmesser und trägt im 
Innern einen Besatz von 0,005 mm langen Borsten. Die Vagina 
verläuft nun, feinwandig geworden (gefüllt von 0,007 mm Durch¬ 
messer), dorsal vom ventralen Wassergefäß nach dem Ovar 
zu. In, durch Kontraktion margo-marginal zusammengeschobenen 
Gliedern ist die Vagina geschlängelt und schlägt bis zum Ovar 
eine schräg ventrale Richtung ein. In der Höhe des ventralen 
Wassergefäßes, 0,13 mm vom Ovar entfernt, erweitert sich die 
Vagina zu einem schwachen, spindelförmigen Receptaculum 
seminis von 0,05 mm Länge und 0,014 mm Durchmesser. Das 
Receptaculum scheint aber nicht konstant zu sein. Kurz vor 
dem Ovar, 0,05 mm entfernt, erweitert sich die Vagina zu 
einer ovalen, etwas stärkerwandigen (0,03 mm langen und 


0,02 mm dicken) Anschwellung, dem Befruchtungshof. Von 
hier aus gehen zwei Gänge ab. Der eine geht ventral unter 
das kugelige Ovar und führt aus demselben die Eier ab; es ist 
der Ovidukt. Der andere Gang (Uteringang), (Fig. 3, U g.), 
zieht dorsal über dem Ovar vorbei und führt die Eier in den 
Uterus. Dieser liegt dorsal und mehr der Mitte der Proglottis 
zu, hinter dem Ovar. Etwas dorsal vom Uterus, direkt hinter 
demselben gegen die Mitte des Gliedes zu, bis in die Nähe des 
dorsalen Wassergefäßes findet sich, bald nach der Füllung des 
Fruchthälters mit Eiern, eine strangförmige GewebsVerdickung, 
deren Umwandlung wir später noch weiter verfolgen werden 
(Fig. 3 E.). Trotz allen Suchens war es mir nicht möglich, einen 
Dotterstock und eine Schalendrüse zu finden. Denselben Mangel 
hat schon Stiles für Stilesia globipunctata (Riv.) festgestellt. — 
Das Ovar ist ein kugeliges Gebilde von 0,04 mm Durchmesser 
oder, mehr oval, von 0,07 mm Längen- und 0,04 mm Breiten- 
durchmesser. Die Eier im Ovar haben, wenn rund, 0,005 mm 
Durchmesser, der Eizellkern 0,0017 mm bis 0,002 mm Durch¬ 
messer. Die Eizellen liegen stets zu zwei bis drei in einer 
Protoplasmamasse zu einem ovalen Eiballen von 0,014 mm 
Länge und 0,012 mm Durchmesser im Ovar zusammen. Die 
einzelnen Eiballen stoßen nicht zusammen, sondern sind durch 
Zwischenräume getrennt. Bis 15 Eiballen sind auf einer Schnitt¬ 
fläche des Eierstocks zu zählen. Der Uterus besitzt eine so 
feine Wandung, daß er erst erkenntbar wird, wenn er sich mit 
Eiern füllt. Auf dem Proglottidenflächenschnitte zeigt er sich 
anfänglich mehr eiförmig und zugespitzt (mit medial gerichteter 
Spitze und parallel zur Proglottidenachse gerichteter Längs¬ 
achse) von 0,07 mm Länge und 0,05 mm Breite. Auf einer 
solchen Schnittebene finden sich bis 35 Eier. Anfänglich scheint 



der Uterus platt zu sein; er wird höchstens 40—50 Eier ent¬ 
halten. Nach und nach mit der Embryonalbildnng rundet sich 
der Fruchthälter, wird kugelförmig, hat 0,087—0,096 mm 
Durchmesser; dann findet man auf einer Schnittebene bloß 
sieben bis neun Oncosphären (s. Fig. 4), die rosettenförmig 
um eine Oncosphäre im Zentrum angeordnet sind. Die Kugel¬ 
form des Uterus wird bloß an einer Stelle gestört, wo sie eine 
Einbuchtung erfährt, durch ein gebogenes, kolbiges Gebilde (s. 
Fig. 4), welche ein Bild über dessen Lage geben soll, in einem 
marginalen Drittel eines Gliedquerschnittes. In der Nähe des 
ventralen Längsexkretionsstammes liegt das Ovar. In dem¬ 
selben liegen 7 in Entwicklung begriffene Oncosphären von 
0,017 mm Durchmesser. Zu dem, das Ovar stempelartig ein¬ 
drückenden Gebilde (Fig. 4), das dorsal eingeknickt ist, hat sich 
die schon erwähnte Parenchymverdickung entwickelt. Anfangs 
hatten wir es mit einer Anhäufung von Zellkernen, wie wir sie 
im Parenchym finden, zu tun. Die Zellkerne waren mehr kugel- 


* 


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rund, sind dann mehr oval geworden und orientierten sich alle 
mit ihrer Längsachse parallel zur Dorsoventralachse des Gliedes, 
in dem anscheinend ihr Zelleib zu Fasern wurde, die auch wie 
die Kerne orientiert sind. Auf dem Querschnitt des fraglichen 
Gebildes, der kreisrund ist, findet man schließlich bloß noch 
einen Knäuel feinster Fasern, so daß derselbe einem solchen 
eines ganz reifen Hodens wirklich ähnlich sieht. In der, 
der Fig. 4 zugrunde liegenden Proglottis hat das faserige Ge¬ 
bilde einen größten Durchmesser von 0,04 mm und eine Länge 
von etwa 0,09 mm. Das merkwürdige Gebilde rundet sich 
immer mehr zu einer Kugel ab und sitzt dem Ovar auf; es er¬ 
hält eine deutliche Kontur, die in die des Ovars übergeht. 
Man kann nun verfolgen, wie der Faserknäuel aus dem frag¬ 
lichen Organe in das Ovar sich hineinzwängt. Was dabei für 
mechanische Kräfte wirken, ist mir nicht erklärlich. An Gliedern 



,5. ö. $ o. 


Fig. 5. Fig. 6. 

unserer vorliegenden Cestoden konnte ich Bilder wie in Fig. 5 
dargestellt sehen. Die Oncosphären sind im Ovar in einer 
Hälfte zusammeDgedrängt Ein weiteres Entwicklungsstadium 
sah ich an einem Totalpräparat von Stilesia globipunctata (Riv.), 
das mir das Museum für Naturkunde zur Einsicht überließ. 
Wie Fig. 6 es wiedergeben soll, war der FaBerknäuel (der von 
der Kontur des fraglichen Organes und der des Ovars wie 
auch in Fig. 4 zurückgetreten ist) so weit ins Ovar getreten, 
daß er symmetrisch in beiden Organen liegt. 

Hier konnte ich im Ovar keine Oncosphären mehr finden. 
Da ich auf einigen Querschnitten das Fasergewebe mit einem 
Lumen im Zentrum sah, so darf man wohl annehmen, daß die 
Oncosphären in dasselbe eintreten. 

Die endgültige Ausbildung der die Oncosphären umhüllenden 
Organe ist höchst wahrscheinlich noch nicht erreicht und werden 
erst vollständig reife Proglottiden die Verhältnisse ganz klar 
legen. Nach Analogie verschiedener anderer Cestoden aus 
Säugern: Mesocestoides und Idiogenes, dann mehrerer neuer¬ 
dings anatomisch bekannter Vogelbandwürmer, können wir 
schliessen, daß die Eier auch bei unserem Cestoden schließlich 
in eine Eikapsel eingeschlossen werden. Eine solche wird bei 
jenen Bandwürmern als schließliches Umbildungsprodukt eines 
Parenchymgebildes, wie wir es bei unserem Bandwurm fanden, 
ausgebildet. Wir wollen zum Vergleich nur einen, beim zahmen 
Truthahn in Nordamerika gefundenen Bandwurm, Metroliasthes 
lucida Ransom heranziehen. Auch hier tritt nach Ransom (2) 
ein ähnliches Organ „cone-shoped organ“ auf, das ebenso, wie 
wir in unserem Fall sehen, ans verdicktem Parenchymgewebe 
entstand und im Inneren sich in ein feines Faserwerk um¬ 
wandelte, nachdem es vorher zylindrische Form angenommen 
hatte. Im engen Konnex mit dem Uterus wandern schlie߬ 
lich durch das Fasergewebe des fraglichen Organes in letzteres 
aus dem Uterus Eigruppe um Eigruppe ein. Die Fasern ver¬ 
dickten sich endlich und bilden um die eingewanderten Eier 
eine dicke EikapBel, während der Uterus sich ganz zurück- 


No. 43. 

gebildet hat. Die Bildung einer Eikapsel wird höchst wahr¬ 
scheinlich auch in dem von uns beschriebenen Cestoden statt¬ 
finden. An der Spitze des „cone-shaped organ“, des Stempel¬ 
oder kolbenförmigen Organes, wie wir es nannten, oder an 
entsprechender Stelle der ausgebildeten Eikapsel fand nun 
Ransom eine dreieckige Parenchym Verdichtung, deren Funktion 
er sich nicht zn deuten weiß. Etwas mit diesem Gebilde zu 
identifizierendes fand ich auch bei unserem Bandwurm. 

In Gliedern, in denen das kolbenförmige Organ schon etwa 
auf dem Entwicklungsstadium steht, wie es Fig. 4 zeigt, er¬ 
streckt sich auf 0,26 mm in der Mitte des Markparenchyms von 
einem dorsalen Wassergefäß zum gegenüberliegenden ein 0,008 
bis 0,01 mm starker Strang verdichteten Parenchyms. Letzteres 
scheint mit der Parenchymverdichtung, die mit dem Uterus in 
Beziehung tritt, auch in Zusammenhang zu stehen. Auch ich 
vermag diesem Gebilde keine Deutung in Bezug auf seinen 
Zweck zu geben. Ausführlicher hat das ganz gleich gebaute 
Gebilde schon Stiles für Stilesia globipunctata (Riv.) be¬ 
schrieben und abgebildet (1). Auch Stiles vermochte für 
dasselbe keine Deutung zu finden. 

Die Oncosphären, die ich nicht intakt isolieren konnte 
(weshalb vielleicht in frischem Material etwas andere Maße 
gefunden werden), fand ich mit einer feinen äußeren ovalen 
Schale von 0,026 mm Länge und 0,016 mm Querdurchmesser 
umgeben, den kugeligen Embryo im Innern von 0,012 mm 
Durchmesser. Der Embryo enthält 3 Paar Haken. So viel zu 
ersehen war, weicht ihre Form nicht von der, wie sie die 
Taenien im allgemeinen besitzen, ab; ich fand dieselben aber 
nicht so günstig gelagert, um eine Abbildung geben zu können. 
Das mittlere Embryonalhakenpaar ist 0,012 mm lang, das äußere 
0,008 mm. 

Vergleichen wir unseren Cestoden mit Stilesia globipunctata 
Riv. (1), so finden wir eine sehr große Ähnlichkeit zwischen 
den beiden Parasiten, die sogar in manchen Einzelheiten bis 
auf die Übereinstimmung von Maßangaben sich erstreckt. Der 
Hauptunterschied der beiden Cestoden besteht darin, daß Stilesia 
globipunctata unregelmäßig abwechselnde Genitalpori besitzt, 
während unser Bandwurm doppelporig ist. Denken wir uns bei 
letzterem unregelmäßig abwechselnd aus einem Sexualorgan¬ 
komplex eines Randdrittels je einer Proglottide den Cirrus¬ 
beutel und Vas deferens, Vagina und Ovar weggenommen, so 
daß bloß noch die Testikel, der Uterus und das vermutlich 
später zur Eikapsel werdende Organ verbleiben, so haben 
wir eine Anordnung der Genitalorgane ganz so, wie 
sie von Stiles für seine Stilesia globipunctata (Riv.) (1) 
beschrieben wurde. Für Stiles ergaben sich nun aus diesem 
(angeblichen) Fehlen von männlichen und weiblichen Organen in 
dem einen Glieddrittel große Schwierigkeiten in der Erklärung, 
wie in dem Drittel ohne Porus genitalis der Uterus mit Eiern 
gefüllt werde. Stiles mußte dabei zu höchst gewagten Hypo¬ 
thesen greifen. Derselbe Autor konnte — er hatte ob mit 
schlecht konserviertem Material zu tun — den von uns bei 
unserem Cestoden als Uteringang erwiesenen Kanal bei Stilesia 
globipunctata nicht in den Uterus mündend nachweisen. In¬ 
dessen schien es ihm über allen Zweifel erhaben, daß die Eier 
durch den Ovidukt gehen und befruchtet werden. Ferner glaubt 
er, daß ein Teil der Eier dann in der Nähe des Ovars in den 
Uterus treten müsse, während die übrigen Eier das Segment 
durchqueren und in den UteruB der gegenüberliegenden Seite 


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22 . Oktober 1903. 


eintreten. Dabei nimmt Stiles eine aktive Wanderung der Eier 
durch das Markparenchym an, die in ihrer Jugend, so wie er sie 
auf der Wanderung inmitten der Proglottis gefunden habe, ohne 
bestimmte „definite“ Form und so zu amöbenartiger Bewegung 
befähigt seien. Ich glaube wohl mehr Anhänger zu haben, die 
mit mir eher die Vermutung teilen, Stiles habe an schlechtem 
Material fibersehen, daß Stilesia globipunctata doppelporig ist, 
als Stiles Anhänger, die mit ihm die aktive Wanderung der 
Eizellen nach Art der Amöben durchs Parenchym annehmen, 
gefunden hat. Für den Fall, daß Stilesia globipunctata (Riv.) 
wirklich doppelporig ist, muß die Frage nach der Identität unseres 
CeBtoden mit ersterem aufgeworfen werden. Da immerhin noch 
wichtige Angaben über anatomische Einzelheiten der Stilesia 
globipunctata fehlen, z. B. Angaben über die Muskulatur, 
so könnten sich dann immer noch Verschiedenheiten bei 
beiden Cestoden ergeben, welche die ArtselbBtändigkeit unseres 
Cestoden sicherten. Deshalb will ich doch den in den 
Gallengängen von Schaf und Ziege Deutsch-Ostafrikas und 
Transvaals gefundenen Cestoden als neue Spezies anführen 
und ihn zunächst in das Genus Stilesia einreihen. Selbst wenn 
sich wirklich die Angabe, daß der Typus dieses Genus unregel¬ 
mäßig abwechselnde Genitalporen besitze, bestätigen sollte, so 
würde ich trotzdem, wegen der sonstigen großen Übereinstimmung 
in der Anatomie, unseren Cestoden in dem Genus belassen. In 
letzterem gäbe es dann eben Vertreter mit Pori genitales irre- 
gulariter alternantes und solche mit Pori genitales oppositL 
Unsere Stilesia nenne ich hepatica wegen ihres Sitzes 
Dieser ist deshalb sehr interessant, weil in allen vier bisher 
vorliegenden Fällen Stilesia hepatica in (der Leber) den Gallen¬ 
gängen gefunden wurde. Von Veränderung der Leber durch 
den Parasiten haben die Sammler desselben nichts erwähnt; 
ebenso fehlen Angaben, ob der Darmtraktus der Wirttiere unter¬ 
sucht worden war. Leider, denn es wäre recht wichtig zu er¬ 
fahren, ob auch geschlechtsreife Exemplare von Stilesia hepatica 
zu gleicher Zeit in Leber und Darm vorhanden waren. Daß 
Stilesia hepatica zuvor den Darm passiert, darüber ist kein Zweifel. 
Hingegen ist es bei unserer Unkenntnis der Anoplocephalen- 
larvenstadien unmöglich, selbst nur Vermutungen anzustellen, 
wie und wann die Parasiten in die Gallengänge gelangen. 
Ausnahmsweise sind auch schon andere Cestoden in den Gallen¬ 
gängen gefunden worden, aber sehr selten. So wurde von 
Boele (5) nach Braun (4) Taenia solium oder Bothriocephalus 
latus in den Gallengängen des Menschen gefunden. Von 
Sieb old (6) fand in dem abnorm erweiterten Ductus chole- 
dochus von Mus musculus in Berlin und in Heilsberg eine Taenia. 
Ein anderer Fall interessiert uns aber besonders, weil er auch 
das Schaf betrifft. Faville (3) fand beim Schaf in Colorado 
in den Gallengängen Würmer, welche er als Taenia expansa 
anspricht; wegen ihrer Länge ist Stiles (1) geneigt, sie als 
Thysanosoma actinoides Dies, zu betrachten. Curtice (8) fand 
bei Schafen des Westens Nordamerikas im Darm, in den Gallen¬ 
gängen und selbst im Ausführungsgang des Pankreas Taenien, 
von denen er annimmt sie seien nicht indigen, sondern erst mit 
Schafen importiert. Aus der Fundstätte darf daher von vorn¬ 
herein auch noch kein Widerspruch für die eventuelle Identität 
der Stilesia hepatica mit Stilesia globipunctata erhoben werden. 

Immerhin ist das häufige Vorkommen von Stilesia hepatica in 
der Leber sehr beachtenswert und laßt die Vermutung zu, daß die 
Gallengänge der normale einzige Sitz des Cestoden, wenigstens in 


einem bestimmten Entwicklungsstadium, seien. Stilesia globi¬ 
punctata ist bisher im Darm von Schafen in Italien und Indien be¬ 
obachtetworden. Daß unser Parasit in Afrika gefunden wurde, würde 
ja, inbezug auf seine eventuelle Identität mit Stilesia globipunctata 
bei unserer geringen Kenntnis der tropischen Parasitenfauna 
wenig besagen, ist doch kürzlich das Vorkommen eines anderen 
Schaf- und Ziegenparasiten, Stilesia centripunctata (Riv.), bisher 
aus Italien und Nordafrika bekannt, auch beim Schaf in Indien 
gefunden worden (7). Die Tatsache, daß Stilesia globipunctata 
bloß beim Schaf bisher gefunden wurde und nicht auch bei der 
Ziege, würden wir nicht so hoch bewerten wie Marotel (7). 

Meinen Dank für die Ermöglichung der Gewinnung der 
vorliegenden Untersuchungsergebnisse durch Einsendung der 
Parasiten spreche ich meinem Kollegen Herrn Brauer, 
Gouvernementstierarzt in Deutsch-Ostafrika, aus; ebenso Herrn 
Geheimrat Professor Dr. Möbius und Herrn Dr. A. Collin für die 
Bereitwilligkeit, mit der mir die Herren das einschlägige Material 
des königl. Museums für Naturkunde zur Verfügung stellten. 

Literaturangabe. 

1. Stiles, C. W. and Hassall, A.: A revision of the adult cestodes 
of cattle, sheep, and allied animals. U. S. Departement of 
agriculture Bureau of animal industry. Bulletin Nr. 4. 
Washington 1893. 

2. Ransom, B. H.: A new avian cestode-Metroliasthes lucida. 
Reprint from transactions american microscopical society. 

3. Faville: Report veterinary Dept. of the Colorado State agri- 
culturel College, Jannary 1885, citiert nach Stiles (1.) pag. 56. 

4. Braun, M.: Cestodes in Bronn’s Klassen und Ordnungen. 

5. Boele, A.: De vermibus intestinalibus in viis biliferis repertis. 
Dis. Trajecti ad Rhen. 1828. 

6. Siebold, C. Th. von: Hclminthologische Beiträge. (Arch. 
flir Naturgesch. I. Jahrg. 1. Bd. Berlin 1835 pag. 45—83.) 

7. Marotel, M. G.: Contribution & l’6tude zoologique du „Stilesia 
centripunctata“ (Rivolta). Journal de m6decine v6t6rinaire 5e. 
86. T. VII. 31. 1. 1903. pg. 24. 

8. Curtice, C.: The tape-worm in sheep, Science. Vol. XI, New- 
York 1888 I. pag. 261—262. (Citiert nach Braun, M.: Cestodes 
in Bronn’s Klassen und Ordnungen des Tierreichs. IV. Bd. 
Vermes. Abt. I., pag. 1094). 

Eingegangen am 26. Vni. 1903. 


Referate. 

Über Feinde der Haustiere in der Pflanzenwelt 
und ein giftiges Prinzip einiger Delpliiniumarten 
(Delphocurarin). 

Von Dr. Georg Heyl. 

(Mitteilung aus dem chem. Institut der Tecbn. Hochschule xu Darmstadt.) 

Im Jahre 1901 erschien in Washington unter dem Titel: 
The Stock-poisoning Plants of Montana eine Broschüre, die im 
Aufträge des Ackerbauministeriums der Vereinigten Staaten 
herausgegeben worden war. Die Veranlassung hierzu hatten 
die Klagen der Viehzüchter — besonders im Staate Montana — 
über die Verluste an Haustieren gegeben, welche durch Ver¬ 
giftungen mit wildwachsenden Pflanzen zugrunde gegangen 
waren. In der genannten Schrift werden als besonders giftig 
hervorgehoben: Zygadenus venenosus S. Wats., Delphinium 
glaucum S. Wats., Delphinium bicolor Nutt., Cicuta occiden- 
talis Greene, Aragallus spicatus (Hook), einige andere Ara- 
gaüusspezies und verschiedene Lupinenarten. Außerdem 
wurden noch zahlreiche andere Pflanzen als weniger giftig bez. 
verdächtig bezeichnet. Nach der Ansicht des H. erscheint es 
nicht ausgeschlossen, daß die bei uns vorkommenden und den 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 43. 


obengenannten Arten verwandten Spezies auch giftig sein 
können und vielleicht schon manchmal den Tod von Tieren 
hervorgerufen haben. Bei Besprechung derartiger Fälle passiert 
allerdings dem Autor eine arge Entgleisung, indem er nämlich — 
jedenfalls aus Unkenntnis unserer Seuchenpolizei — behauptet: 
„auch bei uns hört man vielfach Klagen, daß unsere Haustiere 
von oft tödlich verlaufenden Krankheiten befallen werden, deren 
wahre Ursachen nicht aufzuklären sind. Da dieselben oftmals 
eine größere Anzahl von Individuen gleichzeitig befallen, so 
spricht man von Epidemien, ohne jedoch den Beweis 
erbringen zu können, daß hierbei Infektionskrankheiten, nament¬ 
lich pathogene Mikroorganismen, im Spiele sind, denn viel¬ 
fach bleibt die Ausbreitung des Übels nur auf wenige Indi¬ 
viduen ein und derselben Herde beschränkt.“ Auf den Wert 
dieser Behauptung in unserem Fachblatt näher einzugehen, 
dürfte sich erübrigen! 

H. benutzte zur chemischen Untersuchung Wurzeln von 
Delphinium bicolor, Menziesii, Nelsonii und scopulorum var. 
stachydeum, von letzterem auch noch den Samen. Als Resultat 
ergab Bich in diesen Präparaten das Vorhandensein eines Al¬ 
kaloids, das nach den Prüfungen durch A. Loh mann-Marburg 
eine curare-ähnliche Wirkung entfalten soll. Daher hat auch 
die Firma E. Merck-Darmstadt die Verarbeitung von amerika¬ 
nischen Delphiniumwurzeln übernommen und bringt die Alkaloide 
als Hydrochlorid unter dem Namen „Delpliocurarin“, ein Ersatz¬ 
mittel des Kurare, in den Handel. Das gewonnene Alkaloid ist 
kein einheitlicher Körper, sondern besteht aus einem Gemenge 
mehrerer Basen. Mit ziemlichen Schwierigkeiten gelang es, 
einen krystallisierenden Teil zu isolieren, der in Benzol, Chloro¬ 
form, Azeton, Äther, Methyl- und Äthylalkohol leicht löslich, in 
Petroleumäther schwer löslich ist und keine besonderen Farb¬ 
reaktionen zeigt. 

Weiterhin wurde eine kleine, aus Kalifornien stammende 
Probe von Zwiebeln einer Zygadenusspezies der chemischen 
Untersuchung unterworfen und in ihr ein Alkaloid festgestellt, 
welches an Versuchstieren zwar Symptome einer Vergiftung, 
aber ohne typischen Charakter hervorrief. 

H. weist ferner auf die Giftigkeit der Cicutaarten hin 
und erwähnt hierbei den auch bei uns stark verbreiteten 
Wasserschierling (Cicuta virosa), dessen wirksames Prinzip 
bis jetzt noch nicht ausfindig gemacht worden sein soll. Ebenso 
erzeugen Lupinen Vergiftungsfälle, welche sich nach H. da¬ 
durch ereignen, daß der Samen der genannten Pflanze auf¬ 
genommen wird. 

Zn den rätselhaftesten Erkrankungen gehört die sogen.„Loko- 
krankheit“ (loco=verrückt). Sie wird durch Aragallus- und Astra- 
gallusspezies hervorgerufen, die oftmals ungeheure Strecken des 
nordamerikanischen Weidegebietes bedecken. Die Einwirkung 
des bisher noch nicht bestimmten Giftstoffes betrifft zunächst das 
Gehirn. Es soll folgendes Symptomenbild Zustandekommen: 
Die Tiere können nicht mehr gut sehen, sie gehen tastend wie 
auf Eiern. Über Gegenstände, die am Boden liegen, können 
sie nicht hinwegschreiten. Beugende Bewegungen des Kopfes 
werden oft vorgenommen. Aus Nase und Maul wird zuweilen 
eine gelbliche jauchige Flüssigkeit abgesondert. In der Um¬ 
gebung der Maulspalte zeigen sich häufig Entzündungen der 
Haut. Die Erregung des Sensoriums wird zuerst erhöht, später 
tritt Abstumpfung bis zur völligen Lähmung ein. Betroffen 
werden Pferde, Rinder und Schafe. Ein einziges erkranktes Tier 


soll angeblich die Geschmacksverirrung, Lokopflanzen mit un- 
bezwinglicher Gier .aufzusuchen und zu fressen, auf die Mit¬ 
glieder der ganzen Herde übertragen. Diese Art der An¬ 
steckung erinnere an die Morphiumsucht des Menschen. Koch¬ 
salzmangel soll den Verlauf verschlimmern. Der durch die ge¬ 
nannte Pflanze erzeugte Schaden ist ein ganz bedeutender; er 
läßt sich nur durch Vermeiden von gefährlichen Landstrichen 
als Weiden mildern bzw. verhüten. 

Besonderes Interesse verdienen die Gegenmittel, die sich 
in Amerika bei Vergiftungen durch Pflanzen bewährt haben. 
Es sind dies bei Aufnahme von Delphinium oder Lupinen Ka¬ 
liumpermanganat für sich oder in Verbindung mit Aluminium¬ 
sulfat. Die günstige Wirkung beruht auf der Abgabe von 
Sauerstoff, welcher die Pflanzengifte, Bolange sie sich im Magen 
befinden, durch Oxydation zerstört. In ähnlicher Weise läßt 
sich wahrscheinlich auch Wasserstoffsuperoxyd verwenden. 
Atropin erwies sich ebenfalls als brauchbares Gegenmittel. Bei 
Vergiftungen mit Cicuta occidentalis schienen Morphium und 
Chloralhydrat einigermaßen brauchbar zu sein. Für die Loko- 
krankheit konnte kein Gegenmittel und keine wirksame Thera¬ 
pie gefunden werden. Dr. J. Schmidt-Dresden. 

Operative Heilung einer Urachnsfistel beim Fohlen. 

Von Professor Udriski, Bukarest. 

(Monatahefte f. prakt. Tlerheilk. 14. B. 8. 2*9—872.) 

Ein zwölf Tage altes Hengstfohlen zeigt nach der Anamnese 
auffallende, zunehmende Vergrößerung des Nabels. Aus diesem 
treten Eitertropfen und beim Harnen ein Strahl gelber Flüssig¬ 
keit Das Tier saugt sehr viel, nährt sich aber schlecht und 
magert ab. 

Die Untersuchung ergibt: Der Nabel ist 15 cm lang, hat 
an der Basis einen Durchmesser von 6—8 cm, am freien Ende 
eine nnßfarbige, mit Eiter bedeckte Wunde, von der von Zeit 
zu Zeit gelbliche, klare Flüssigkeit abtropft Bei der Be¬ 
wegung des Tieres pendelt dieser Anhang nach allen Seiten 
und gleicht einem kräftigen Penis. Harn wird nur in geringer 
Menge und in doppeltem schwachem Strahl zugleich durch 
Urethra und den Anhang abgegeben. — Am vorsichtig in 
Rückenlage gebrachten Tier wird die Nabelschnur verdickt, ge¬ 
schwollen, rot, schmerzhaft, warm gefunden. Sie ist bis an 
das geschwürige Ende von Haut bedeckt, mit ihr verwachsen 
und an der Eiter entleerenden Stelle wie eine Fistel einge¬ 
zogen. Eine Metallsonde kann senkrecht 12 cm weit eingeführt 
werden; eine elastische, 14 cm lange, stößt in oro-kaudaler 
Richtung eingeschoben, auf keinen Widerstand. Die Sonden 
zeigen sich von rahmiger Masse bzw. gelber urinös riechender 
Flüssigkeit überzogen. Durch die Sondierung werden zwei 
Gänge festgestellt, die sich in der Medianlinie, der eine nach 
vorne, der andere nach hinten, öffnen. 

Daraus ergibt sich die Diagnose: Fortbestand des Urachus- 
kanales und fistulöse Entzündung der Nabelvene. 

Es wird sofort die Operation in vollständiger Rückenlage 
des Tieres vorgenommen: Die Haut wird in der Umgebung 
des Orifiziums und der Nabelbasis rasiert, gewaschen, des¬ 
infiziert, die Fistel mit Karbollösung ausgespült. Mit dem ge* 
ballten Bistouri wird die Basis des Tumors mittels zweier 
Inzisionen melonenscheibenförmig Umschnitten, unter Beschrän¬ 
kung auf die Hautdecke und Zurücklassung eines Teiles der¬ 
selben an der Basis, und die Haut von dem darunter gelegenen 


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22. Oktober 1903. 


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Gewebe, mit dem sie stark verwachsen ist, unter starker 
Blutung losgetrennt. Mit den Fingern werden die den Stiel an 
der Basis umgebenden Gewebsmassen anf stumpfem Weg gelöst 
und dieser selbst frei gelegt, wobei ein Gehilfe den Strang 
halt und schwach anzieht. An der Basis des Stranges wird 
eine starke elastische Ligatur gelegt und die Operationswunde 
gründlich desinfiziert. — Das Fohlen steht auf und springt so¬ 
gleich munter umher. 

Die Nachbehandlung besteht in einer täglich fünf- bis sechs¬ 
maligen Waschung der Umgebung der Ligatur und der Ope¬ 
rationswunde mit fünfprozentiger Kreolinlösung. Nach Verlauf 
von sechs Tagen wird der unterhalb der Ligatur befindliche 
abgestorbene Teil abgeschnitten. Nach Lösung der Ligatur 
bleibt ein kurzer, dicker, harter, resistenter Stiel zurück. Es 
wird eine gründliche Waschung und hernach eine täglich zwei- 
•bis dreimalige Bepinselung mit Kreolin-Glyzerin vorgenommen. 
— Das Befinden des Tieres' ist während derselben zufrieden¬ 
stellend und bei einer zufälligen Begegnung nach zwei Monaten 
ist das muntere Füllen nicht wiederzuerkennen und von dem 
ganzen Krankheitsprozeß ist nur ein farbiger Streifen in der 
Medianlinie verblieben, den es Mühe macht, aufzufinden. 

0. Albrecht. 

Der Wutmikrobe. 

(Clinica rat. 1903, Nr. 22.) 

In Nr. 6 dieses Jahrganges der vorstehend genannten Zeit¬ 
schrift wurde ein neuer Mikroparasit als Erreger der Hundswut 
beschrieben, welchen sein Entdecker Dr. F. Levy, Assistent am 
hygienischen Institut der Universität Pavia, Blastomyces aureus 
lyssae nannte (B. T. W. S. 364). Bald darauf, am 16. April, 
veröffentlichte Dr. Adelchi Negri seine ätiologischen Unter¬ 
suchungen über die Tollwut, welche, wie die vorliegenden Mit¬ 
teilungen dartun, ebenfalls in dem Nachweis eines Mikroben 
gipfeln (B. T. W. S. 335, 451). 

Derselbe wurde angetroffen in den Ammonshörnern, den 
Purkinjeschen Fasern des Kleinhirns, in den Nervenzellen der 
Großhirnrinde, des Pons und der Medulla oblongata von Hunden, 
welche der subduralen Inokulation von Straßenwutvirus in 15 
bis 16 Tagen erlegen waren. 

Der Mikrobe gehört vermutlich zur Klasse der Sporozoen. 
Seine Darstellung gelingt am besten mit der Mannschen Färbe¬ 
methode (Methylenblau und Eosin). Hiernach erscheint er ent¬ 
weder in Form rundlicher oder ovaler Körperchen von 1,1 /< 
oder in elliptischer oder bimförmiger Gestalt mit einem Längen¬ 
durchmesser bis zu 25 /« und mehr. Zwischen diesen Größen 
gibt es zahlreiche Abstufungen. Im Innern der größern Formen 
sind rötlich glänzende gut begrenzte Körnchen zu erkennen. 

In den Zellen der Spinalganglien und des Rückenmarkes 
war das Vorkommen des Parasiten inkonstant. 

Bei Kaninchen, welche an künstlich eingeimpfter Straßen¬ 
wut eingingen, waren die Mikroben, außer in den genannten 
Teilen, auch in den Nervenzellen der Gasserschen Knoten und 
der Spinalganglien vorhanden und zeichneten sich bei diesen 
Tieren darch eine besonders kleine Gestalt aus. 

Es gelang, die Parasiten auch bei wutkranken Katzen und 
in einem Fall von menschlicher Lyssa nachzuweisen. 

Ob nun der wahre Wuterreger in einem der gedachten 
Mikroparasiten gefunden ist, bedarf freilich erst noch anderer 
Nachweise als die sind, mit denen sich die beiden jungen 
Forscher begnügt haben. Peter. 


Mastitis bei der Knh, verursacht von Microeoccus 
tetragenns. 

Von Dr. Alfredo Baldoni, Assistent im Institut für allgemeine 
Pathologie und Hygiene an der Universität Parma. 

(Clinica vet. 1903 Nr. 34 u. 36.) 

Nach dem Hinweis, daß die infektiöse Euterentzündung 
der Kuh von verschiedenen Organismen verursacht werden könne, 
gibt Verf. eine kurze literarische Übersicht über die bereits 
bekannten Formen dieser Euteraffektion und beschreibt dann 
einen Fall, den er im obengenannten Institut untersucht hat. 
Das kranke Kuheuter war vom öffentlichen Schlachthofe in 
Parma geliefert worden. Es war mit einer eiterigen Mastitis 
behaftet. Auf Plattenkulturen, die aus den Entzündungs¬ 
produkten gezüchtet wurden, entwickeln sich neben zwei chromo- 
genen Saprophyten größtenteils Kolonien des Micrococcus tetra- 
genus. Derselbe war massenhaft und fast in Reinkultur in den 
eiterigen Absonderungsprodukten des kranken Euters vorhanden. 
Verf. glaubt sich daher berechtigt, den Mikroparasiten als die 
Ursache dieser Euterentzündung betrachten zu können umsomehr, 
da derselbe nachweislich pyogene Eigenschaften besitzt und 
auch bei der Frau die Ursache einer Mastitis sein kann. 

Peter. 

Hohes Alter eines Pferdes. 

Von Meynard, Tierarzt in Carbon-Blanc. 

(Revue g6n. de m6d. v6t. 15. 2. 03.) 

Direktor Degive - Brüssel berichtete über eine Stute 
„Grand Mere“, die im Alter von 42 Jahren starb. M. hat in 
seiner Klientel eine Stute (Dulcin^e), deren Besitzer, Marqnis 
de la Terronays, nicht weiß, wann sie geboren ist. Es steht 
jedoch fest, daß das Pferd im Jahre 1864 bei Jagden geritten 
wurde; es kann angenommen werden, daß sie hierzu nicht vor 
ihrem vierten Jahre verwendet wurde; als Geburtsjahr kann 
somit 1860 betrachtet werden. Das Tier ist ganz gesund, lebt 
auf der Weide und hat zahlreiche Fohlen gebracht. Die letzten 
sind von 1890 (1. Mai: Hengstfohlen), 1895 (9. Mai: Stutfohlen), 
1896 (9. November: Hengstfohlen) und sind gut ausgefallen. 
Der Besitzer sagte, daß das Tier nicht den Anschein habe, als 
ob es sterben wolle. Zündel. 

Zar Kenntnis der Parasiten bei den Zebras Ostafrikas. 

Von Tierarzt G läge-Hamburg. 

(Deutsche tiertrztl. Wochenschrift 1903. 8. 342.) 

In einer im Kilimandscharogebiet gefangenen Herde von 
29 Zebras brach auf dem Wege nach Europa eine Seuche aus, 
der fünfzehn Tiere, unter allgemeiner Hinfälligkeit und Schwäche 
bei gutem Appetit, erlagen. Vier erst in Hamburg verendete 
wurden vom Verfasser und drei Kollegen seziert Der Befund 
war im ganzen negativ. Auffällig waren die starke Abmagerung, 
bei zwei Tieren eine Anzahl punktförmiger und etwas größerer 
Blutungen in der Schleimhaut der Blase und bei einem auch 
vereinzelte, kleine Blutungen im Lungenparenchym. Die Ery¬ 
throzyten zeigten sich in erheblicher Prozentzahl mit rundlichen, 
kleinen Parasiten, ähnlich wie beim Texasfieber, besetzt Vollends 
aber erwiesen sich die Tiere als wahre Herbergen von Makro¬ 
parasiten. 

Von Parasiten des Pferdes fanden sich, makroskopisch und 
mikroskopisch bestimmt, folgende: Larven von Gastrophilus 
equi waren bei jedem Zebra weit über 100 vorhanden. Sie 
saßen in bereits ausgewachsenen Exemplaren genau wie beim 
Pferd an der Magenschleimhaut, namentlich in ihrer kutanen 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 43. 


Region festgehakt bzw. tief eingebohrt. — Ascaris mega- 
locephala fand sich bei einem Zebra in 3 Exemplaren im 
Zwölffingerdarm. — Filaria papillosa saß bei zweien in 3 
bzw. 5 Exemplaren im Cavnm peritonei. — Sclerostomnm 
armatnm fand sich bei allen vieren. Jedes Zebra beherbergte 
mehr als 30 Exemplare an der Schleimhaut des Blind- und 
Grimmdarmes, and jedes war anch mit einem regelrecht aus- 
gebildeten Aneurysma der Arteria ileo-coeco-colica behaftet, 
wobei sich im Thrombus reichlich die Larven des Parasiten 
fanden. — Spiroptera megastoma fand sich bei einem Zebra 
in 12 Exemplaren als Inhalt einer Zyste in der Schleimhaut der 
rechten Magenhälfte. — Außer diesen wurden noch andere, bei 
unseren Haustieren in Deutschland nicht vorkommende, aber 
anscheinend zur Gattung Strongylus gehörige Schmarotzer ge¬ 
funden, und zwar in solchen Massen im Inhalt des Grimm- und 
Blinddarms, daß der Verfasser ihre Zahl mit einigen Hundert¬ 
tausenden eher zu gering als zu hoch einzuschätzen glaubt. 
(Dr. Wolffhtigel wird sie noch genauer studieren.) 

Aus seiner Untersuchung folgert Glage, daß die fünf ge¬ 
nannten Parasiten des Pferdes nicht nur auch bei den Zebras 
Vorkommen, sondern daß sie auch in Afrika heimisch sind. 

0. Albrecht. 

Wochenfibersicht Aber die medizinische Literatur. 

Von Dr. Jess-Charlottenborg, 

KreUtlsraret. 

Münchener medixinische Wochenschrift Nr. 37. 

Das Problem der Vererbung in der Pathologie von Dr. 
Ernst Schwalbe. 

In der Pathologie muß man drei große Abschnitte bezüglich 
der Vererbung trennen: 

1. die Vererbung auf dem Gebiete der Infektionskrank¬ 
heiten, 2. die Vererbung der Geistes- und Nervenkrankheiten 
und 3. die Vererbung der Mißbildung. 

Allgemein erwähnt der Verfasser noch die Vererbung der 
Geschwülste, der Blutkrankheit, der Farbenblindheit, Myopie. 
Bei der Vererbung auf dem Gebiete der Infektionskrankheiten 
interessiert uns zunächst die Vererbung der Tuberkulose. 
Ban mg arten vertritt mit aller Energie die Ansicht, daß auch 
eine Übertragung des Bazillus auf den Fötus stattfindet und 
zwar plazentare oder germinale. 

Eine echte Vererbungserscheinung ist die Vererbung der 
Disposition der Tuberkulose. Da man jedoch über die Dis¬ 
position im allgemeinen bei der Tuberkulose noch nicht in ge¬ 
nügender Weise unterrichtet ist, so kann die Frage nach der 
Vererbung der Dispositon in diesem Falle noch nicht mit 
Sicherheit entschieden werden. Es ist möglich, daß die 
Disposition zur Tuberkulose in einer geringeren Menge an 
Bakteriolysinen oder Antitoxinen beruht, ob aber Antitoxine 
vererbt werden, kann nicht mit Sicherheit entschieden werden. 

Nach den Versuchen Ehrlichs muß man annehmen, daß 
bei Ricin und Abrin keine Antitoxine vererbt werden, sondern 
daß die Jungen die Antitoxine mit der Milch erhalten. 

Als zweite vererbbare Krankheit muß die Syphilis be¬ 
zeichnet werden. Die Vererbbarkeit der Syphilis ist von 
Fournier erforscht Es ist anzunehmen, daß die Infektion 
des Keimlings erfolgt Es kann jedoch auch echte Vererbung 
bei Syphilis Vorkommen, wenn es sich um „Dystrophien“ handelt 
welche als Folge der elterlichen Syphilis bei den Kindern auf- 
treten. Ganz sicher ist diese Art der Vererbung noch nicht 


nachgewiesen. Sehr häufig wird man statt Lues hereditaria 
besser sagen Lues congenita; denn die Infektion ist zumeist 
plazentar oder germinativ. 

Als dritte vererbbare Infektionskrankheit wäre die Malaria 
zu nennen. Man kann an eine Vererbung der Widerstands¬ 
fähigkeit gewisser Menschenrassen gegen die Malaria deshalb 
denken, weil in den Malariagegenden nur gewisse Rassen zu 
leben vermögen. R. Koch hat bei seinen Untersuchungen in Neu- 
Gninea festgestellt daß die Malaria eine echte Kinderkrankheit 
ist Die Kinder unter zwei Jahren hatten zum allergrößten 
Teile Malariaparasiten im Blute. Bei den Kindern in dem 
Alter von 6 bis 10 Jahren waren die Parasiten nicht mehr zu 
finden. Koch schließt daraus, daß sämtliche in Malariagegend 
geborene Kinder für die Krankheit empfänglich sind, sie durch¬ 
machen und nach dem Überstehen unempfänglich sind. Von einer 
Vererbung der Immunität ist nichts sicheres bisher nachgewiesen. 
Bezüglich der Vererbung von Geisteskrankheiten und Nervenkrankheiten 
resümiert Verfasser dahin, daß die Vererbung der Anlage 
zur Nerven- und Geisteskrankheit allgemein angenommen wird, 
und daß man über die Häufigkeit dieser Vererbung sehr ver¬ 
schiedener Meinung ist ob zudem zweifelhaft erscheinen muß, 
ob wir bei unserer heutigen Wissenschaft schon berechtigt sind, 
ein Urteil zu fällen. 

Die Veröffentlichung ist noch nicht abgeschlossen. 


Tagesgeschichte. 

Wann werden die Kreistlerftrzte peosloasbereohtlgt? 

An die Redaktion der B. T. W. ist eine Postkarte folgenden 
Inhalts gelangt: „In Kollegenkreisen wird erzählt und immer 
bestimmter behauptet, daß die Kreistierarztvorlage auch für das 
nächste Jahr werde zurückgestellt werden müssen und zwar 
wegen der Belastung des Etats durch die Hochwasservorlage. 
Es erzeugt dies lebhafte Beunruhigung und es wäre daher er¬ 
wünscht, wenn Sie eine authentische Auskunft geben könnten.“ — 

Dies kann ich natürlich nicht, weil diese Angelegenheiten 
ja geheim zu sein pflegen and sich daher meiner Kenntnis ent¬ 
ziehen. Ich kann mir auch nicht denken, daß jenem Gerücht 
eine Tatsache zugrunde liegt Immerhin kann man es ja nicht 
ohne weiteres in das Bereich der Unmöglichkeiten verweisen; 
schon der Gedanke aber an eine solche Möglichkeit muß ein 
Gefühl tiefen Bedauerns erwecken. 

Die Kreistierärzte wissen, daß das ihnen Vorgesetzte 
Ministerium die Notwendigkeit der Aufbesserung und namentlich 
der Pensionsberechtigung anerkennt und längst dafür arbeitet 
Sie blicken überdies auf die Medizinalreform und sagen: was 
jenen recht war, ist uns billig. Jahrelang wurden sie damit 
vertröstet, daß die Medizinalreform vorangehen müsse; sie sahen 
das ein und warteten. Die Medizinalreform ist längst fertig, 
der Herr Minister hat die Kreistierarztreform in nahe Aussicht 
gestellt, der Landtag hat sie verlangt — und immer kam das 
nächste Jahr heran. Wenn nun wieder aus finanziellen Gründen 
eine Hinausschiebung erfolgen sollte, so würden, fürchte ich, 
die Kreistierärzte das nicht mehr verstehen. Es würde sich 
ihrer eine tiefe Bitterkeit bemächtigen; die würde sich nicht 
äußern, denn es handelt sich ja um Beamte, aber sie würde da 
sein. Ihre gallige Nachwirkung würde auch nicht verschwinden, 
wenn dann schließlich nach weiterem Harren die Reform käme, 
und diese würde die Wirkung einbttßen, welche sie jetzt in 


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22. Oktober 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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vollem Maße entfalten würde; dafür zeigt die Erfahrung ander¬ 
weitige Beispiele. 

Man würde jenes Gefühl auch kaum unberechtigt finden 
können. Denn nichts ist schwerer zn ertragen, wie das Warten 
anf Erfüllung eines Rechtes. Und daß die Kreistierärzte ein 
Recht auf Pension namentlich, wie andere Beamte, haben, das 
ist ja längst anerkannt. Diesem Recht gegenüber können irgend¬ 
welche finanzielle Gegengründe nicht wohl mehr aufkommen. 
Gebäude können warten und manche andere Sachen auch, aber 
Menschen sollten nicht so lange warten müssen auf das, 
was ihnen znkommt, namentlich nicht Menschen, die nicht mehr 
viel vom Leben vor sich haben. Um solche aber handelt es 
sich hier! Unsere alten Kreistierärzte werden durch jede 
Hinausschiebung, auch bloß wieder um ein Jahr, außerordentlich 
hart getroffen. Seit Jahren schwebt vor ihnen die Pensions¬ 
berechtigung wie eine Fata morgana. Um deren Verwirklichung 
noch zu erreichen, strengten sie ihre letzten Kräfte an; er¬ 
lahmend schleppen sie sich weiter Jahr um Jahr, zu ihrer Qual 
und nicht zum Vorteil des königlichen Dienstes. Und wer wäre 
andrerseits hart genug, diese alten Leute jetzt unmittelbar vor 
dem Ziel wegen mangelhafter Dienstfähigkeit hinauszustoßen 
in die Armut, der ohne einen Pfennig Pension viele wenigstens 
sicher verfielen. Es ist nicht minder dringlich, Greise vor des 
Hungers Not wie Menschen vor Wassersnot zu schützen. Des¬ 
halb würde es als stichhaltiger Grnnd niemandem einleuchten, 
wenn wegen der Hochwasservorlage die unverhältnismäßig 
geringe Summe nicht bewilligt würde, welche die Gehalts- und 
Pensionsregelung der Kreistierärzte allenfalls erfordern könnte. 

Im schlimmsten Falle könnte unverzüglich die Pensions- 
fähigkeit für sich allein gesetzlich festgelegt werden. Wenn 
der Pensionsberechnung ein fingiertes Einkommen zugrunde 
gelegt wird, so ist sie von der faktischen Neuregelung der 
Gehälter und Gebühren ja vollkommen unabhängig. 

Der tierärztliche Stand ist jetzt auf dem besten Wege, 
eine Gesellschaft zufriedener und glücklicher Menschen zu werden, 
in welcher vereinzelte Nörgler durch die Meinung der übrigen 
einfach erdrückt werden würden. Möchte, das ist unser herz¬ 
licher Wunsch, nichts geschehen, was die Entwicklung dieser 
gesunden Stimmung zerstört. Schmaltz. 

Edmond Nocard. 

Biographische Notizen: Revue g£n6rale de mödecine vit6rinaire et Recueil de 
midecine v6t6rinalre. 25. Okt 1903. (VergL B.T.W. Nr. 32). 

Nocard ist am 29. Januar 1850 in Provins (Seine-et- 
Marne) geboren. Sein Vater war Holzhändler. Seine Vor¬ 
bildung erlangte er auf dem Gymnasium seiner Vaterstadt, das 
er mit dem Absolutorium (bachelier en lettres) verließ. 

Provins ist Kavalleriegarnison; dieser Umstand war für 
Nocards Berufswahl entscheidend: er wollte Militärtierarzt 
werden. Er mußte jedoch, da er das für das Studium der 
Veterinärmedizin vorgeschriebene Alter noch nicht hatte, sich 
bis Oktober 1868 bei einem Notar als Clerc (Notariatsgehilfe) 
beschäftigen. Als der Krieg 1870/71 ausbrach, war Nocard 
am Ende des zweiten Studienjahres. Im August 1870, nach 
den ersten unglücklichen Gefechten, verließ er Alfort, um als Frei¬ 
williger in das 5. Lanciersregiment einzutreten, bei welchem er am 
1. November 1870 zum Brigadier (Unteroffizier), am 1. Januar 
1871 zum Mar£chal des logis (Sergeant) befördert wurde.*) 

*) Das 5. Lanciersregiment gehörte ursprünglich zum 5. Armee¬ 
korps und nahm an den Gefechten von Bugancy, Bois de Dames 


Nach dem Friedensschlüsse kehrte Nocard nach Alfort 
zurück, wo er im August 1873 die Approbationsprüfung bestand. 
Beim Klassement erhielt er die Nummer 1, mit welcher als 
besondere Auszeichnung eine Instrumententasche von hohem 
Werte verbunden ist. 

Die Erfolge, welche Nocard während seiner Studienzeit 
erzielt hatte, erregten die Aufmerksamkeit seiner Lehrer, und 
namentlich der damalige Leiter von Alfort, Direktor Reynal, 
drang in ihn, sich dem Lehrfache zu widmen. Am 6. November 
1873 wurde Nocard nach abgelegter Konkurrenzprüfung zum 
Assistent (Chef de Service) für die Klinik ernannt. Fünf Jahre 
später bewirbt er sich um den neugegründeten Lehrstuhl für 
chirurgische Pathologie und Klinik und wurde am 25. November 
1878 nach einem brillanten Konkurs zum Professor ernannt. 



en souvenir du congr6a de Baden 1899. 


1883 wurde er von Pasteur bezeichnet, um mit Roux 
Straus8 und Thuillier eine Kommission zu bilden, welche 
zum Studium der Cholera nach Ägypten ging. Bei seiner Rück¬ 
kehr erhielt er das Ritterkreuz der Ehrenlegion. 

Am 17. August 1887 wurde Nocard zum Direktor von Alfort 
ernannt; er tauschte hierauf seinen bisherigen Lehrstuhl und 
übernahm den Lehrstuhl für ansteckende Krankheiten, Sanitäts¬ 
polizei und gerichtliche Tierheilkunde, welcher eher seinen 
Neigungen und Studien entsprach. Am 3. Januar 1891 ver¬ 
zichtete er freiwillig auf die Direktion und beschränkte sich, 
trotz des Drängens des damaligen Landwirtschaftsministers 
Develle, auf seinen Unterricht und seine Lieblingsstudien. 

Nocard war seit Gründung des Pariser Instituts Pasteur 
Abteilungschef in diesem Etablissement; er war Mitglied des 

und an den Schlachten von Beaumont und Sedan teil. Der Ka¬ 
pitulation von Sedan entzog sich das Regiment durch rechtzeitiges 
Durchschlagen. Es wurde dann dem neugebildeten 15. Armeekorps 
zugeteilt, kämpfte zunächst an der Loire, später im Osten mit, wo¬ 
bei es an den Gefechten von Toury, Artenay, der Schlacht von 
Coulmiers, den Gefechten bei Cercottes (Orleans), von Dun, Sainte 
Marie, Sainte Sujanne, der Schlacht an der Lisaine und dem Gefecht 
von Montb61iard beteiligt war. (Anmerkung des Übersetzers). 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 43. 


Französischen Gesundheitsrates, des LandwirtschaftBrates, des 
Seuchenaasschusses, des Conseil de perfectionnement der tier¬ 
ärztlichen Lehranstalten, des Pariser Gesundheitsrates, des 
Internationalen Bureaus zur Bekämpfung der Tuberkulose etc. 

Der Acaddmie de mddecine gehörte Nocard seit 1886 an; 
er war Generalsekretär der Soci6t6 centrale de m6decine 
v6t6rinaire, Mitglied der Soci6t6 de biologie, Präsident der 
Association centrale des Vüterinaires de France (allgemeiner 
Unterstötzungsverein der französischen Tierärzte), Mitglied und 
Ehrenmitglied zahlreicher in- und ausländischer Akademien, 
tierärztlicher Vereine und sonstiger wissenschaftlicher Ge¬ 
nossenschaften. 

Offizier der Ehrenlegion, Offizier der Instruction publique, 
Komtur des Landwirtschaftlichen Verdienstordens im Heimatlande, 
war Nocard vom Ausland mit dem Komturkreuz des belgischen 
Leopoldordens, dem Komturkreuz des italienischen Mauritins- 
und Lazarusordens, dem Komturkreuz des Medschid^jeordens etc. 
ausgezeichnet worden. 

Von einem wunderbaren Arbeitstrieb und einem unermüd¬ 
lichen Pflichteifer beseelt, genügte Nocard einer erdrückenden 
Arbeitslast. Ohne seinen Unterricht je zu vernachlässigen und 
bei gleichzeitiger Verfolgung der zahlreichen Probleme, erfüllte 
er häufige Missionen in Frankreich und nach dem Ausland, hielt 
ganze Kampagnen von belehrenden Vorträgen, wohnte allen Kon¬ 
gressen bei und beteiligte sich im höchsten Maße an den Arbeiten 
der Ausschüsse und Körperschaften, deren Mitglied er war. 

Lange Jahre hindurch ertrug Nocard anscheinend mit 
Leichtigkeit diese schwere Last. Seinen Freunden, die ihn 
dringend baten, sich etwas Ruhe zu gönnen, opponierte er 
seine offenbare Gesundheit und den absoluten Zwang, seine 
seiner Ansicht nach nicht aufschiebbaren Verpflichtungen zu er¬ 
füllen. Im vorigen Jahre jedoch hatte er sich bei einer Mission 
nach Algerien eine sehr schwere Diphtherie zugezogen, die seine 
Gesundheit augenfällig untergraben hatte; er dachte wohl etwas 
Urlaub zu nehmen, verschob aber auf später einen Entschluß, 
der ihm das Leben erhalten hätte. Nocard ist an Überarbeitung 
gestorben. Am 6. Juli, bei der Rückkehr von Paris, hatte er 
in der Straßenbahn einen Anfall von Angina pectoris. Nach 
einigen Tagen erneuerte sich der Anfall, nach vierwöchentlicher 
Krankheit raffte ihn der Tod hinweg. 

Nocard hatte sich 1875 mit der Schwester des Dr. med. 
Josias, Mitglied der Acaddmie de medecine, verheiratet; er verlor 
jedoch seine junge Frau nach kaum einjähriger Ehe. Eine Tochter 
ist dieser Ehe entsprossen, die bis zur letzten Stunde bei ihrem 
.Vater verblieb. Z. 

Die Begräbnisfeier Nocards fand am 5. August in Saint- 
Maurice bei Paris statt. Nach den vorliegenden französischen 
Berichten nahmen mehr als zweitausend Personen an der¬ 
selben teil. 

Die französische Regierung war durch den Generalinspektor 
der Veterinärschulen Chauveau, den Chefveterinär der Armee 
Francois, den Direktor der Landwirtschaft Vassili^re und 
den Polizeipräsidenten Lupine vertreten. Die Academie de 
medecine war nahezu vollzählig, die Akademie der Wissen¬ 
schaften durch ihre hervorragendsten Mitglieder vertreten. Die 
Veterinärschulen von Lyon und Toulouse hatten ihre Direktoren 
Arloingund Laulaniü entsendet; von Alfort waren das gesamte 
Professorenkollegium, die Studierenden und das Personal an¬ 


wesend. Das Institut Pasteur beteiligte sich in corpore an der 
Feier, der nicht nur alle Zivil- und Militärtierärzte von Paris 
und Umgebung, sondern noch eine große Zahl von Offizieren 
und Ärzten der Armee, Militärbeamte, zahlreiche Mitglieder 
des Parlaments, hohe Persönlichkeiten der Pariser Welt, der 
französischen Kunst und Literatur anwohnten. Die dem Offizier 
der Ehrenlegion gebührenden militärischen Ehren erwies eine 
Batterie des 12. Artillerieregiments. 

Am Grabe sprachen Generalinspektor Chauveau im Namen 
der Regierung, Tierarzt Saint Yves Mdnard im Namen der 
Academie de mddecine, Direktor Barrier im Namen von Alfort, 
Cand. med. vet. Deslicus im Namen der Studenten von Alfort, 
Prof. Railliet im Namen der Socidtd centrale, Tierarzt 
Hollard im Namen der Sociüte de m6d. v6t. pratique, Tierarzt 
Rossignol im Namen der Association centrale des vdtärinaires 
de France, Dr. Moissan, Mitglied der Akademie der Wissen¬ 
schaften, im Namen des Gesundheitsrates, Generalrat Chenal 
im Namen des Generalrats des Seine-Departements, Dr. Roux 
im Namen des Instituts Pasteur, Direktor Degive-Brttssel und 
Militärtierarzt Petrides-Athen im Namen der belgischen und 
griechischen Tierärzte, endlich Prof. Ligni£res im Namen der 
Schüler des Verstorbenen. Z. 

Nocard-Denkmal. 

Ein Kollege aus Schlesien, dessen Name nichts zur Sache 
tut, hat an die B. T. W. und die Zeitschrift für Fleisch- und 
Milchhygiene einen Aufruf gesandt, welcher die deutschen 
Tierärzte zur Beteiligung an der Errichtung eines Nocard- 
Denkmales auffordert. 

Da der Aufruf, dem Folge zu geben ich abgelehnt habe, 
vermutlich an alle Zeitschriften gesandt ist, so halte ich mich 
für verpflichtet, für die B. T. W. die Gründe meiner Stellung 
darzulegen. 

Von grundsätzlicher Abneigung gegen die Beteiligung an 
der Ehrung eines Ausländers ist bei mir keine Rede; ich habe 
mich z. B. nach Aufforderung an einer Ehrung für Chauveau 
beteiligt. Noch weniger wird meine Verehrung für Nocard 
dadurch berührt; ich finde übrigens, daß die dem Toten in der 
deutschen Presse gewidmeten Worte vielleicht wertvoller für 
sein Gedächtnis sind, als deutsche Beteiligung an einem Denkmal 
Ich möchte auch die Erwägung nicht in den Vordergrund schieben, 
daß wir zur Zeit in unsrer Heimat anderen Anforderungen, die 
uns immerhin näher stehen, zu genügen haben. Ich will anch 
nicht der Furcht Raum geben, daß die Beteiligung, welche all¬ 
gemein sein müßte, wenn sie ihres Zweckes würdig werden soll, 
vielleicht angesichts zahlreicher anderer Beanspruchungen kein 
so vollkommenes Resultat haben würde. 

Aber das muß ich aussprechen: Als eine unerläßliche Vor¬ 
bedingung irgendwelcher Sammlung für ein Nocard-Deokmal in 
Deutschland erachte ich, daß von kompetenter französischer 
Seite an eine kompetente deutsche Stelle eine Aufforderung dazu 
oder wenigstens die Mitteilung gelangt, daß ein Denkmal er¬ 
richtet wird und daß die Beteiligung auch des Auslandes genehm 
sei. Ohne einen solchen Vorgang kann ich ein deutsches 
Vorgehen nieht für richtig halten. Die französischen Kollegen 
setzen vielleicht eine Ehre darein, ihren Nocard allein zu ver¬ 
herrlichen. Daß sie dazu allein Manns genHg sind, ist gewiß- 
Eine ungebetene Sammlung in Deutschland könnte sogar un¬ 
angenehm empfunden Xverden. Schmaltz- 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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22.. Oktober 1903. 


Protokoll der XXXIX. Generalversammlung de« Vereins der Tierärzte 
des Regierungsbezirks Wiesbaden 

am 14. März 1903 im Hotel Drexel in Frankfurt a. M. 

Anwesend sind als Mitglieder die Herren: Dr. Arnold-Idstein, 
Dr. Aug st ein-Wiesbaden, Berdel-Frankfurt a. M., Dr. Casper- 
Höcbst a. M., Emmel-Hachenburg, Emmerich-Weilburg, Heckel- 
mann-Rennerod, Kaiser-Homburg v. d. H., Kl ein-Homburg, 
Lederhose-Königstein, Lang-Dillenburg, Lu ft-Homburg, Dr. 
Mül ler-Biebrich, Nöll-Kirberg, Pitz-Eltville, Rem y-Limburg, 
Schlichte-Usingen, Simmermacher-Langenscbwalbach, Steuer¬ 
wald-Nastätten, Thon-Frankfurt a. M., Dr. T h o m s - Frankfurt 
a M., Dr. Voirin-Frankfurt a. M., Wenzel-Herborn, Werner- 
Dietz, sowie als Gäste: Herr Korpsroßarzt Beck, die Herren Ober¬ 
roßärzte Christiani, Hönke, Schneider, Reinecke, Thor¬ 
mann und die Herren Kollegen Dr. Melchers, Ochs, v. Sande 
und Dr. Sticker. 

Sein Ausbleiben hat entschuldigt das Vereinsmitglied Staupe- 
Biedenkopf. 

Der Vorsitzende Dr. Augstein eröffnet um 12 Uhr die Ver¬ 
sammlung, begrüßt herzlich die Anwesenden und konstatiert mit 
besonderer Genugtuung, daß zu der diesmaligen Tagung des Ver¬ 
eins auch eine größere Anzahl Militärkollegen der Einladung Folge 
geleistet haben. 

Hierauf teilt der Vorsitzende mit, daß die Kollegen Eberle 
und Friedemann ihren Austritt aus dem Verein angemeldet haben. 

Es wird nunmehr zur Vorstands wähl, als erstem Punkt der 
Tagesordnung, geschritten. 

Departementstierarzt Dr. Augst ein-Wiesbaden wurde zum 
Vorsitzenden, Dr. Voirin-Frankfurt a. M. zum Kassierer und Dr. 
Thoms-Frankfurt a. M. zum Schriftführer gewählt. Die Genannten 
nahmen die Wahl dankend an. 

Bei der darauffolgenden Delegierten wähl schlägt der Vorsitzende 
vor, statt wie bisher einen, künftighin zwei Delegierte für die 
Zentralvertretung zu ernennen, bei deren Auswahl zweckmäßig 
Vertreter der verschiedenen Zweige unseres Berufs ins Auge zu 
fassen seien. Diesem Vorschläge entsprechend wurden auf Antrag 
des Kollegen Emmerich, Departementstierarzt Dr. Augstein und 
Sanitätstierarzt Dr. Voirin per acclamationem zu Deligierten ge¬ 
wählt. 

Der derzeitige Vereinskassierer Dr. Voirin erstattet hierauf 
den Kassenbericht. Nachdem die Rechnungslage von den zu Revi¬ 
soren der Kasse ernannten Herren Pitz und Luft geprüft und 
richtig befunden wurde, wird dem Kassierer Decharge erteilt. Der vom 
Kassierer erstattete Bericht, welcher sich durch sorgfältige Anferti¬ 
gung und klare Übersichtlichkeit auszeichnete, wurde von der Ver¬ 
sammlung mit besonderer Befriedigung entgegengenommon. 

Hierauf erhebt sich der Vorsitzende, um dem seitherigen 
Schriftführer Dr. Casper bei seinem Scheiden aus Frankfurt herz¬ 
liche Worte höchster Anerkennung zu zollen. In längerer R.de 
wies er auf die großen Verdienste hin, welche sich der Scheidende 
um den Verein während seiner langjährigen Tätigkeit als Mitglied 
des Vorstandes erworben hat. Er bezeichnet den Fortgang Dr. 
Caspers als einen für den Verein fast unersetzlichen Verlust und 
bittet die Anwesenden, sich zum Zeichen des Dankes von ihren 
Sitzen zu erbeben, was geschieht. 

Zur Aufnahme in den Verein haben sich die Herren Diffine, 
Dr. Jelkmann, Dr. Melchers, v. Sande und Dr. Sticker ge¬ 
meldet. Sie werden ohne Widerspruch aufgenommen. 

Des weiteren wird dem Verein vom Vorsitzenden über die 
beabsichtigte Gründang eines Stipendiums für Studierende an tier¬ 
ärztlichen Hochschulen Mitteilung gemacht. 

Der Antrag, einen Beitrag für diesen Zweck zu bewilligen, 
wird nach kurzer Debatte mit großer Majorität abgelehnt. 

Die nunmehr erfolgende Besprechung über das neue Reichs- 
Fle'schschaugesetz wird durch ein Referat des Vorsitzenden Dr. 
Augstein eingeleitet Dasselbe befaßt sich mit den Beschlüssen 
einer unter dem Vorsitz des Herrn Oberpräsidenten am 12. Februar 
dieses Jahres in Kassel stattgefundenen Beratung, zu welcher auch 
die Herren Departementstierärzte aus Wiesbaden und Kassel zu¬ 
gezogen waren. Da die Ergebnisse dieser Konferenz die Grund¬ 


lage für die Neueinrichtung der Fleischbeschau in der Provinz 
Hessen-Nassau abgeben sollten, so beanspruchte dieser Gegenstand 
der Tagesordnung das größte Interesse der Versammlung, welche 
den wichtigen Ausführungen des Referenten mit gespannter Auf¬ 
merksamkeit folgte. Nach Erstattung des umfangreichen Referates, 
dessen Inhalt sich mit den später herausgegebenen „Ausfdhrungs- 
bestimmungen betreffend die Schlachtvieh- und Fleischbeschau vom 
20. März 1903“ im wesentlichen deckt, wurde von seiten zahlreicher 
Vereinsmitglieder an den Vorsitzenden eine Menge, die Neuregelung 
der Fleischbeschau betreffende Fragen, gerichtet, durch deren sach¬ 
gemäße Beantwortung viele irrige Anschauungen zerstreut wurden. 

Da durch nichttierärztliche Mitglieder der Kasseler Konferenz 
bekannt geworden war, daß unser Vorsitzender während der Dauer 
der Beratung mit Energie und Geschick in ganz hervorragender 
Weise die Interessen des tierärztlichen Standes vertreten hatte, so 
forderte hierauf Kollege Dr. Casper die Anwesenden auf, sich zu 
Ehren des Vorsitzende» von ihren Sitzen zu erheben, welchem 
Vorschläge unter allseitiger Zustimmung Folge geleistet wird. 

Als Versammlungsort für die nächste im Herbst stattfindende 
Sitzung wird Wiesbaden festgesetzt und hierauf die Versammlung 
um 3 Uhr geschlossen. 

Zu Ehren des scheidenden Kollegen Professor Dr. Casper 
fand nunmehr im Anschluß an die Vereinsversammlung im festlich 
hergerichteten Saale des Hotel Drexel eino Abschiodsfeier statt, 
deren Verlauf so recht zeigte, wie groß die Beliebtheit war, welche 
sich der Gefeierte in der Zeit seines Hierseins bei allen Kollegen 
erworben hatte. Außer den bereits genannten Gästen waren eine 
Menge Freunde des Scheidenden und des Vereins, so u. a. die 
Professoren Dr. Olt und Dr. Pfeiffer aus Gießen zu dem Feste 
erschienen, welches durch die Teilnahme einer größeren Anzahl 
Damen erst die rechte Weihe erhielt. 

Nach dem vom Vorsitzenden mit zündenden Worten aus- 
gehrachten Kaisertoast eiledigte sich Dr. Voirin seiner Aufgabe, 
den erschienenen Gästen den Dank des Vereins auszusprechen, in 
bester Weise. 

In äußerst wirkungsvoller Rede betonte er unter Hinweis auf 
die zahlreich erschienenen Kollegen vor allem die Notwendigkeit 
des Zusammenhaltens aller Tierärzte unter Hintansetzung jeglicher 
S'-nderinteressen. Reicher Beifall belohnte den Redner, dem Herr 
Korpsroßarzt Reck im Namen der Gäste mit herzlichen Worten 
erwiderte. 

Nunmehr erhob sich der Vorsitzende Dr. Augstein, um dem 
scheidenden Prof. Dr Casper namens des Vereins für die ihm 
geleisteten Dienste herzlich zu danken. In großen Zügen entwarf 
er ein anschauliches Bild von der vielseitigen Tätigkeit, die 
Dr. Casper im Interesse des ihm lb-bgewordenen Vereins mit so 
gutem Gelingen ausgeübt batte. Er vergaß es nicht, hierbei auch 
auf Frau Prof. Casper binzuweisen, welche die Bestrebungen des 
Gemahls um unseren Verein stets unterstützt und sich somit um 
unseren Verein große Verdienste erworben habe. Hierauf bittet 
er nunmehr den Gefeierten, das Geschenk des Vereins aus seiner 
Hand entgegennehmen zu wollen. Auf wirkungsvollem Postament 
ward eine Vase, echt Meißener Arbeit, sichtbar, welche von ge¬ 
schmackvoll arrangierten Blattdekorationen umgeben war. 

Mit bewegten Worten sprach der Gefeierte dem Verein in 
seinem und seiner Frau Namen seinen Dank aus. 

Nachdem noch Kollege Wenzel mit gewohnter Meisterschaft 
den Damentoast ausgebracht hatte, wurde die ganze Versammlung 
zur bleibenden Erinnerung photographiert. 

Im weiteren Verlauf der Feier wich bei Tanz und Becherklang 
allmählich die wehmütige Abschiedssiimmung. Eine große Zahl 
der Festteilnehmer verblieb noch längere Zeit, um noch einige 
schöne, unvergeßliche Stunden mit Familie Casper zu verleben. 

Dr. Thoms, Schriftführer. 

VIII. Internationaler tierärztlicher Kongress ln Budapest, 1905. 

Die Vorbereitungs-Ausschüsse des im Jahre 1905 in Budapest 
abzuhaltenden Kongresses haben das Programm der zur Verhandlung 
gelangenden Fragen und die Reihenfolge der Verhandlungs-Gegen¬ 
stände im folgenden festgestellt. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 43. 


I. Veterinär-Sanitäts-Polizei. 

1. Viehversicherung. (Staatliche, private und Schlachtviehver¬ 
sicherung.) 

2. Einheitliches Schema für die periodischen Veterinär-Sanitäts- 
Ausweise. 

?. Feststellung einheitlicher Grundsätze für die Beurteilung der 
Tuberkulin- und Malleinreaktion. 

4. a) Bekämpfung der Tuberkulose der Haustiere. 

b) Schutzimpfung gegen die Tuberkulose der Rinder. 

5. Schutzimpfung gegen die Maul- und Klauenseuche. 

6. Bekämpfung der Schweineseuche und Schweinepest; Schutz¬ 
impfungen. 

7. Ausdehnung der Verkebrsbeschränkungen beim Auftreten der 
nicht unmittelbar kontagiösen Infektionskrankheiten, namentlich 
des Milzbrandes. 

8. Bekämpfung und Tilgung der Wutkrankheit. 

II. Sektion: Biologie. 

1. Die Milch und deren Behandlung, mit besonderer Rücksicht 
auf die Reform des Melkens, entsprechend den hygienischen 
Anforderungen. 

2. Nährwert der abgerahmten Milch für Mast- und Jungvieh, mit 
besonderer Berücksichtigung der einzelnen Schweinerassen. 

3. Verfälschung des Fleisches und der Fleischprodukte und die 
zu deren Nachweis dienenden neueren Untersucbungsmethoden. 

4. Die Melasse-Fütterung. 

5. Hygiene des Stalles und der Streu; Kritik der verschiedenen 
Streuen. 

6. Stallfütterung und Weidegang vom biologischen Gesichtspunkte. 

III. Pathologische Sektion. 

1. Beziehungen zwischen der Tuberkulose des Menschen, des 
Rindes, des Geflügels und anderer Haustiere (hauptsächlich Hunde). 

2. Über die Art der Infektion bei der Tuberkulose der Haustiere. 

3. Die Milch und die Molkereiprodukte als Verbreiter der Tuber¬ 
kulose. 

4. Die Bedeutung der säurefesten, den Tuberkel-Bazillen ähnlichen 
Bakterien bei der Beurteilung der Untersuchungen auf Tuber¬ 
kulose. 

5. Die Serotherapie der infektiösen Krankheiten bei den Haustieren. 

6. Der Krebs bei Haustieren. 

7. Die Rotzkrankheit der Lunge und die mit derselben verwechsel¬ 
baren Knotenbildungen andern Ursprungs. 

8. Tropische Krankheiten der Haustiere. 

9. Die Protozoen als Krankheitserreger bei Tieren. 

10. Die durch tierische Parasiten erzeugten toxischen Stoffe. 

11. Neuere Erfahrungen über die Infektion der Menschen mit Tier¬ 
krankheiten (mit besonderer Rücksicht auf einzelne Gewerbe¬ 
treibende). 

12. Ätiologie und Therapie der Gebärparese. 

Nach dem bisherigen Plane werden die Fragen der ersten 
Sektion in Hauptsitzungen, die Fragen der anderen zwei Sektionen 
in Sektionssitzungen zur Verhandlung kommen. 

Die mitgeteilte Reihenfolge der Gegenstände kann, wenn 
sich auch inzwischen geringe Modifikationen notwendig er¬ 
weisen können, als definitiv betrachtet werden, und werden darin 
nicht aufgenommene sonstige Vorträge oder Fragen nur insofern 
in Betracht kommen, als dies die für die Beratungen festzustellende 
Zeit gestatten wird. Das Exekutiv-Komitee des Kongresses be¬ 
absichtigt, für jede der festgeetellten Fragen mehrere Referenten 
ehestens aufzufordern. Prof. Dr. St. v. Rätz, 

_Generalsekretär. 

Bücheranzeigen und Kritiken. 

Operationskursus für Tierärzte und Studierende. Von Or. W. Pfeiffer, 

ordentl. Professor der Tierheilkunde an der Universität Gießen. 

III. Auflage. Berlin 1903. Verlag von Richard Schoetz. 

Die vorliegende dritte Auflage des Pfeifferschen Werkes, 
welches 104 Druckseiten stark und mit 57 Abbildungen versehen 
ist, bringt wie die vorhergegangenen Auflagen eine eingehende 
und klare Beschreibung der hauptsächlichsten, vom praktischen 
Tierarzte ausführbaren Operationen. Eine Vermehrung des Inhalts 


hat durch die Aufnahme der verschiedenen Methoden der Kryptor- 
chiden-Kastration und der operativen Behandlung der habituellen 
Luxation der Kniescheibe stattgefunden. Dementsprechend sind 
auch die Abbildungen vermehrt worden. Mit dem gediegenen Text 
des Werkes ist allerdings die wenig künstlerische Ausführung eines 
Teiles der Abbildungen nicht in Einklang zu bringen. 

Die Ausstattung ist dieselbe einfache geblieben, wie bei den 
früheren Auflagen. Das Werk, welches in den Kreisen der Stu¬ 
dierenden und der Tierärzte von jeher in gutem Ansehen steht, 
kann auch in seiner neuen Auflage bestens empfohlen werden. 

Röder. 


Neue Eingänge. 

(Besprechung Vorbehalten.) 

Struska, Dr., Professor an der Tierärztlichen Hochschule in Wien: 
Lehrbuch der Anatomie der Haustiere. 830 Seiten. Gro߬ 
oktav mit 164 Abbildungen. Wien und Leipzig bei Braumüller 1903. 

Martin, Dr., Professor zu Gießen: Lehrbuch der Anatomie der 
Haustiere. Stuttgart 1903 bei Schickhardt & Ebner. Lieferung 11. 

Postolka, Dozent und Amtstierarzt in Wien: Lehrbuch der 
allgemeinen Fleischhygiene, nebst einer Sammlung der ein¬ 
schlägigen Normalien. 544 Seiten Großoktav mit 41 Abbildungen. 
Derselbe Verlag. Preis 12 M. 


Jensen, Professor an der Tierärztlichen Hochschule in Kopenhagen. 
Grundriß der Milchkunde und Milchhygiene. 228 Seiten 
Kleinoktav mit 22 Abbildungen. Stuttgart 1903, bei Ferdinand Enke. 
Preis 4,80 M. 

Keuten, Dr., Kreistierarzt zu Geldern. Gesetzliche Bestimmungen 
für den Trichinenschauer. 57 Seiten. Verlag von L. N. Scbaffrath 
in Geldern. Preis 0,60 M. 

Deutsche Fleischbeschauer-Zeitung. Herausgegeben, unter Mit¬ 
wirkung der Landestierärzte Beißwaenger, Feist, Hafner, 
Dr. Lorenz und Dr. Vogel, von Dr. Ostertag, Dr. Edelmann 
und Glage. (Alle Sendungen zu richten an Professor Dr. Ostertag- 
Berlin.) Verlag von Richard Schoetz. 

Die Zeitung erscheint in Monatsheften zum Preise von 1,50 M. 
vierteljährlich. Das erste Heft ist Anfang Oktober erschienen in 
Stärke von 16 Seiten, im Format der Zeitschrift für Fleisch- und 
Milchhygiene. Inhalt: Zur Einführung des neuen Schlachtvieh- und 
Fleischbeschaugesetzes, von Beißwaenger; Winke für die Fleisch¬ 
beschauer, von Ostertag; der § 30 der Ausführungsbestimmungen 
vom 3. 6. 1900, von Glage; unschädliche Beseitigung beanstandeten 
Fleisches, von Dr. Stödter-Hamburg; Verkalkungen in der Mus¬ 
kulatur, von Trichinenschauer Müller; zur Tuberkulose, von Prof. 
Heller-Kiel, Dr. Tr oje, Dr. Köhler-Bremen; Übertragung der 
Maul- und Klauenseuche auf Menschen, von Russi; übelriechendes 
Kalbfleisch als Folge von Spulwürmern, von Matbis; Auskunftei 
und Meinungsaustausch; Rechtsprechung; Amtliches; Bücherschau; 
Kleine Mitteilungen; Tagesgeschichte. — 


Personalien. 

Auszeichnung : Dem Tierarzt und Roßarzt a. D. Schümm in Naum¬ 
burg a. d. Saale ist der Kronenorden IV. Klasse verliehen worden. 

Wohn8ltzveränderungen : Tierarzt Dobrick von Pr.-Holland nach 
Marggrabowa, Fritz Solger als stellvertretender Stadttierarzt nach 
Bietigheim (Württ.) Eduard Rose von Pollnow nach Ilmenau verzogen. 

Examina: Approbiert wurden die Herren Joseph Diix, Friedrich 
Kuntxc, Paul Liepe in Berlin. 

Vakanzen. 

(Siehe Nr. 40.) 

Neu hinzugekommen: Aken: Tierarzt sofort. Aus Fleischb. 
etwa 2500 M. Bewerb, an die Polizeiverwalt. — Braunschweig: 

3. Schlachthoftierarzt. 2700 M. Bew. bis 1. Nov. a. d. Schlachthofdeput» 

— Bremen: 2. Tierarzt bei der Beschaustelle für ausländ. Fleisch. 
Bewerb, bis Ende Oktober an das Medizinalamt. — Daber: Nieder¬ 
lassung erwünscht, Bewerb, bis 25. Oktober an die Polizeiverwaltung. 

— Hagenau i. E.: Städt Tierarzt zum 1. November. Bewerb, bis 
22. Oktober an das Bürgermeisteramt. — Norenberg: Tierarzt 
sofort. Meldg. a. d. Mag. 

Besetzt: Die Stelle in Rendsburg. 


Verantwortlich fUr den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmaltz ln Berlin. — Verlag und Eigentum von Richard Schoetz in Berlin. — Druck Ton W. BQzeniteln, BerU®. 


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Dto' Tierärztliche Wochenschrift* erscheint 

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Berlin , Lulsenstr. 36. Darcb Jedes deutsche Postamt wird 
dieselbe tarn Preise »on M. 5,— TlerteljÄhrllch (M. 4,88 fttr 
die Wochenschrift, 11 Pf. fUr Bestellgeld) frei ins Hans 
geliefert (Deutsche Post-Zeitung»-Preisliste No. 1101, 
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Berliner 


Orlginalbeltrige werden mit GO Hk., ln Petitsatz mit 
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Tierärztliche Wochenschrift 


Kedaktion: 

Professor Dr. Schmaltz-Berlin 

Verantwortlicher Redakteur. 


De Bruln 

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Prof. Dr. Peter Peters 

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Kreistierarzt 

Schlacbthofdlrcktor 

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KreUtierarzt 

Kreistierarzt Departemenutlerarzt 

Utrecht 

Charlottenburg. 

Cöln. 

Cöln. 

Bremervörde. 

Angermünde. Bromberg. 


Preusse 

Dr. Roeder 

Dr. Schlegel 

Dr. Vogel 

Zünde! 


Veterln&rassessor 

Professor 

Professor 

Landestlerarzt y. Bayern Kreistierarzt 


Danzig. 

Dresden. 

Freiburg i. Br. 

München. 

Mülhausen i. E. 


Jahrgang 1903. 


Jfä 44 . Ausgegeben am 29. Oktober. 


Inhalt: Baum: Schädelhalter für Sektionszwecke. — Arnout: Zwei Blasensteine bei Hunden. — Claussen: Bemerkungen 
zu dem Artikel Woidegang und Tukerkulose. — Referate: v. Behring: Über Lungenschwindsuchtentstehung und 
Tuberkulosebekämpfung. — Jeß: Wochenübersicht über die medizinische Literatur. — Tagesgeschlohte: Verschiedenes. — 
Staatsveterinärwesen. — Personalien. — Vakanzen. 


Schädelhalter für Sektionszwecke. 

Von 

Prof. Dr. Baum. 

Aus dem anatomischen Institut der Tierärztl. Hochschule zu Dresden. 

Zum Fixieren der Köpfe von lebenden Tieren, insbesondere 
von Hunden und Katzen, bei operativen Eingriffen, physiologischen 
Versuchen usw. sind bekanntlich verschiedenartige und z. T. auch 
recht praktische Apparate konstruiert worden. Dieselben eignen 
sich jedoch nicht zum Fixieren von toten Köpfen, wenn es sich 
um Eröffnung irgend einer Kopfhöhle durch Meißel, Säge usw. 



handelt, weil in diesen Fällen der Kopf sehr gut befestigt und 
von den verschiedenen Seiten aus zugänglich sein mnß. Ein für 
diese Zwecke geeigneter Apparat fehlt bis jetzt meines Wissens, 
und es wird gewiß schon jeder Anatom, Physiologe, Tierarzt, 
pathologische Anatom usw. diese Lücke unangenehm empfunden 
haben, weil die Eröffnung der Kopfhöhlen immer mit gewissen 
mechanischen Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten und anch 
für den Operierenden mit einer gewissen Gefahr der Verletzung 
und dadurch mit Gelegenheit zur Infektion (Wut!) verbunden 
ist. Diese Übelstände empfand ich besonders vor zwei Jahren, 
als in meinem Institut gewisse Arbeiten ausgeführt werden 
sollten, in deren Verfolg sehr oft die Kopfhöhlen der Haustiere 
geöffnet werden mußten. Ich setzte mich deshalb mit dem 


Mechaniker des physiologischen Instituts unserer Hochschule, 
Herrn Albrecht, in Verbindung zwecks Konstruktion eines 
Apparates, der folgende Bedingungen erfüllen sollte: Er sollte 
ein Einspannen bzw. Fixieren von Köpfen aller Größe, vom 
kleinsten Katzen- bis znm größten Pferdekopf, so ermöglichen, 
daß der Kopf von allen Seiten zugänglich nnd dabei so fest ein¬ 
gespannt ist, daß er sich beim Manipulieren an demselben und 
insbesondere bei Eröffnung irgendeiner Kopfhöhle nicht ver¬ 
schiebt bzw. bewegt, daß er, mit anderen Worten, das Eröffnen 
von Kopfhöhlen in bequemer und für den Operierenden un¬ 



gefährlicher Weise ermöglicht. Herr Albrecht hat daraufhin 
einen Apparat konstruiert, der tatsächlich allen den erwähnten 
Anforderungen genügt and der sich im Verlaufe der letzten 
zwei Jahre in meinem Institut sehr gut bewährt hat; ich glaube 
deshalb, denselben mit Recht weiteren Kreisen empfehlen zn 
können. 

Die Konstruktion des Apparates selbst, der sich natürlich 
anch zum Einspannen von menschlichen Schädeln eignet, ist 
folgende: 

Anf der Grundplatte a, welche mit dazugehöriger Schraub¬ 
zwinge auf dem Tisch befestigt wird, befindet sich die Schiene b. 
Auf dieser bewegt sich schlittenartig der Halter c mit der 
Schraube d, welcher in jeder beliebigen Entfernung festgespannt 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 44. 


werden kann und so gestattet, gegen den mit Spitzen versehenen 
und in schwacher Kurve gebogenen Halter e Köpfe jeder Größe 
und jeder Form zu fixieren. 

Zu jedem Kopfhalter gehören zwei Spitzenköpfe (für große 
und kleine Köpfe) l, welche nach allen Seiten drehbar sind und 
sich dadurch jeder Kopfform anpassen. 

Außerdem wird bei kleinen Köpfen der Halter f an die 
mittelste Säule des Halters e geschraubt, welcher dem Kopf die 
gewünschte Höhe und feste Unterlage gibt. 

Der Apparat kostet 60 Mark. 

Zwei Blasensteine bei Hunden. 

Von 

J. B. Arnous. 

Ein Mopsbastard, männlich, 3 Jahre alt, 6,75 kg schwer, 
wurde mir wegen Harnverhaltung zugeführt. Die nähere Unter¬ 
suchung ergab als Ursache des Leidens eine starke Ansammlung 
von Harnsteinen in der Harnröhre. Das Übel wurde durch die 
Urethrotomie schnell beseitigt. Ich hatte Gelegenheit diesen 
Hund fünf Jahre hindurch zu behandeln. Der Harnröhrenschnitt 
wurde in dieser Zeit noch dreimal notwendig. Der Patient litt 
dauernd an einem chronischen Blasenkatarrh, dessen Ursache 
zunächst auf die Harngriesbildungen zurückgeführt wurde. Ge¬ 
legentlich der letzten Urethrotomie, die ich drei Jahre vor dem 
Ableben des Hundes ansführte, konnte ich jedoch einen Blasen¬ 
stein nachweisen, dessen Entfernung aber wegen der Größe des 



Steines nicht möglich war. Ich mußte mich darauf beschränken, 
durch Blasenauspülungen und Harndesinfizientien die gewünschte 
Behandlung des Leidens durchzuführen. Als sich nun endlich 
das Grundleiden des Patienten durch epileptische Krämpfe kom¬ 
plizierte, wurde der Hund vergiftet. Bei der Obduktion fand 
sich in der Blase der vorstehend abgebildete Stein. Derselbe 
sieht grauweiß aus und hat eine teils glatte, teils höckerige 
Oberfläche; seine Gestalt ist eiförmig. Die Durchschnittsfläche 
zeigt poröse Stellen, weist aber kein besonderes Zentrum auf. 
Der Längsdurchmesser beträgt 60, der Querdurmesser 39 mm; 
der Stein ist 78,5 g schwer. 

Noch eigenartiger ist ein zweiter Fall. Es handelt sich um 
eine kleine Mopsbastardhündin, 10 Jahre alt. Dieses Tier wurde 
drei Jahre hindurch von mir wegen Blasensteines behandelt. 

Die Diagnose war hier eine zufällige. An gastrischen Störun¬ 
gen (?) erkrankt, wurde mir die schon jahrelang bekannte Hündin 
zugeführt. Als nach geeigneter Behandlung das Erbrechen und 
die häufigen Durchfälle aufgehört hatten, wurde von weiterer 


Medikation abgesehen. Sechs Wochen später suchte mich 
der Besitzer wieder mit dem Tiere auf. Dasselbe war stark 
abgemagert und stöhnte bei dem Harnabsatz. Durch die Pal¬ 
pation konnte ich nun mit Leichtigkeit einen sehr harten Tumor 
in der Beckenhöhle nachweisen, der sich jedoch bei näherer 
Untersuchung als Blasenstein dokumentierte. Unter leidlichem 
Wohlbefinden, mit den Erscheinungen eines Blasenkatarrhs lebte 
das Tier noch drei Jahre hindurch, bis es gelegentlich einer 
hämorrhagischen Gastroenteritis zugrunde ging. 

Bei der Obduktion ergab es sich, daß die Blase der Hündin 
vollkommen durch Steinbildungen ausgefüllt war. Um eine vier¬ 
seitige Pyramide mit abgerundeten Ecken, deren Seitenflächen 
leicht konkav, waren vier flache, länglichrunde Steine derart 
gelagert, daß eine eiförmige Masse entstanden. Die Pyramide 
ist 35 mm hoch. Die einzelnen Steine sind an ihren Berührungs¬ 
flächen vollkommen glatt geschliffen und zeigen einen perlmutter¬ 
artigen Glanz. Die Steine sind ziemlich hart, von weißgrauer 
Farbe und haben einen geschichteten Bau; ihr Gewicht be¬ 
trägt 65,0 g. 

Bemerkungen zu dem Artikel Weidegang und 
Tuberkulose. 

Von 

Claussen-Itzehoe, 

städt. Tierarzt. 

In Nr. 41 der B. T. W. führt Herr Kollege Schroeder, 
Meldorf, aus, daß die Tuberkulosebefunde, hauptsächlich die nur 
kleinen Herde in den Bronchialdrüsen ohne weitere Verbreitung 
in den Lungen selbst und in anderen Organen bei Jungrindern 
(Ochsen und Qnieen), welche seit Einführung der obligatorischen 
Fleischbeschau in den ersten Monaten (April und Mai) so häufig 
beobachtet seien, in späterer Zeit in hiesiger Gegend bedeutend 
abgenommen hätten, ohne daß die Zahl der Schlachtungen von 
Jungrindern weniger geworden sei. 

Die Erklärung für diese Erscheinung, die ich in meinem 
Wirkungskreise, wo die wirtschaftlichen Verhältnisse dieselben 
sind wie in M., bestätigen kann, glaubt nun Herr Kollege S. 
darin zu finden, daß der Einfluß des Weideganges die gering¬ 
gradigen Tuberkulosefälle zur Heilung gebracht hätte, und zwar 
in der Weise, daß die ursprünglich in den Bronchialdrüsen vor¬ 
handen gewesenen tuberkulösen Herde sich vollständig zurück¬ 
gebildet hätten und nun in den späteren Sommermonaten bei 
der Schlachtung in den betreffenden Drüsen keine wahrnehmbaren 
Erscheinungen ihres einstigen Vorhandenseins zu konstatieren 
seien. Die Ursachen hierfür glaube ich jedoch anderswo suchen 
zu müssen, wie ich in folgendem kurz erwähnen möchte. 

Die in den Monaten April und Mai zur Schlachtung ge¬ 
kommenen Jungrinder sind während ihres Stallaufenthaltes im 
letzten Winter für die Schlachtung gemästet worden und haben 
m. E. sich die Infektion mit Tuberkulose während dieser Zeit 
zugezogen. Im Laufe des Vorsommers wird dieses Stallmast¬ 
vieh sämtlich abgeschlachtet und erklären sich hieraus die zahl¬ 
reichen Befunde von Erkrankungen an geringgradiger Tuberkulose 
während dieser Zeit. (Fälle von hochgradiger Tuberkulose 
scheiden aus dem Rahmen dieser Betrachtungen aus). 

Von jetzt an kommen die ersten sogenannten „Grastiere“ 
zur Schlachtung, und wenn jetzt die betreffenden Krankheiten 


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29 Oktober 1903. 


weniger häufig beobachtet werden, bo erkläre ich mir diese 
Tatsache dadurch, daß das Anfangs Mai, wie in Holstein üblich, 
auf die Weide gebrachte Magervieh noch größtenteils frei von 
Infektion war, und, da die Gefahr einer Aufnahme von Tuber¬ 
kuloseerregern während des WeidegangeB bedeutend verringert 
ist, so sind die Tiere auch tuberkulosefrei geblieben. Bei der 
Schlachtung erweisen sich deren Lymphdrüsen dann auch völlig 
tuberkulosefrei, weil sie bisher überhaupt noch nicht ei krankt 
gewesen sind. 

Daß dieses Vieh während seines Stallaofenthaltes im Winter 
weniger empfäoglich für die Tuberkulose sich gezeigt hat, wie 
seine Stallgenossen, die gemästet wurden, und ohne die Keime 
einer Erkrankung zur Weide gekommen ist, dürfte seinen Grund 
haben in der durch die intensive Fütterung der letzteren zwecks 
ihrer Mästung erzeugten geringeren Widerstandsfähigkeit gegen 
die Krankheitskeime. Kommt dieses durchweg noch völlig ge¬ 
sunde Magervieh nun auf die Weide, so ist die Möglichkeit 
sich zu infizieren für dieses, da ihm täglich freie Bewegung in 
frischer Luft zu Gebote steht, doch ganz wesentlich geringer 
als für Tiere, die in warmen oft dumpfigen Ställen Zusammen¬ 
leben müssen und deren Widerstandskraft gegen äußere schäd¬ 
liche Einflüsse noch außerdem durch Mastfütterung und gleich¬ 
zeitigen Mangel an freier Bewegung unzweifelhaft geschwächt ist. 

Weidevieh, das gesund ausgetrieben wird, muß sich dem¬ 
nach bei der Schlachtung im Spätsommer fast immer tubeikulose- 
frei erweisen; eine restitutio ad integrum bei Tieren, deren 
Lymphdrüsen schon bis erbsengroße tuberkulöse Herde enthalten 
haben, ist jedoch m. E. nicht anzunehmen. Die Herde können 
wohl so veikalken oder einschrumpfen, daß man den tuberkulösen 
Prozeß als vollständig abgeheilt ansprechen kann, jedoch müssen 
immer sichtbare Residuen in einmal tuberkulös veränderten 
Lymphdrüsen bestehen bleiben. Der Weidegang der Rinder 
kann demnach keine vollständige Heilung einmal vorhanden ge¬ 
wesener tuberkulöser Prozesse bewirkt haben, sondern das be¬ 
treffende Tier, dessen Lymphdrüsen völlig intakt befunden 
werden, ist eben tuberkulosefrei zur Weide gekommen. Wohl 
können durch Einwirkung des Weideganges geringfügige Tuber- 
knloseerkrankungen zum Stillstand gebracht werden, wahrnehm¬ 
bare Spuren müssen diese jedoch immer hinterlassen. 

Sollten sich im Verlaufe des nächsten Jahres dieselben 
Beobachtungen machen lassen, so dürften diese vielleicht für 
die Richtigkeit meiner Ansicht sprechen. 


Re fer at e. 

Über Lnngenschwindsachtentstehung und Tuberkulose¬ 
bekämpfung. 

Vortrag, gehalten am 25. September 1903 auf der Naturforscher- 
Versammlung in Kassel, 

von Wirkl. Geheimen Rat Prof. Dr. E. v. Behring Exzellenz, 
Marburg a. d. L. 

(Deutsche medisinische Wochenschrift. Nr. 89. 1903.) 

Die Zahl der an Schwindsucht leidenden Menschen ist eine 
erschreckend große. Erst seit allerneuester Zeit sind hierüber 
bestimmte Aufzeichnungen vorhanden. Ohne die Entdeckung 
des Tuberkelbazillus und des Tuberkulins durch Robert Koch 
wäre es ausgeschlossen gewesen, über die außerordentlich große 
Ausbreitung der Tuberkulose unsere heutige Kenntnis zu er- 
angen. Selbst Virchow war nicht imstande, trotzdem er 


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während fünfzig Jahren sich bemüht hat, differential-diagnosti¬ 
sche Merkmale zur Feststellung der Tuberkulose an der Leiche 
herauszufinden, anzugeben, was zur Tubeikulose gehört. Erst 
durch die Untersuchung Kochs konnte man dann sehen, welche 
pathologische Veränderungen durch die Tuberkelbazillen hervor¬ 
gerufen wurden. 

Dr. Naegeli in Zürich hat, unter Zugrundelegung des Koch- 
schen Stäbchen-Befundes, ermittelt, daß keine Leiche eines 
Menschen, welcher im Alter von mehr als 30 Jahren gestorben 
war, ohne Zeichen einer stattgehabten Infektion mit Tuberkulose- 
Virus gefunden wurde. Im Alter von 18 bis 30 Jahren waren 
96 Proz., im Alter von 14 bis 18 Jahren 50 Proz., im Alter 
von 5 bis 14 Jahren 33 Proz., im Alter von l bis 5 Jahren 
17 Proz. mit tuberkulösen Herden behaftet, während kindliche 
Leichen bis zu einem Jahre durchweg deutliche tuberkulöse 
Erkrankungen vermissen ließen. 

Darnach ist, wie selbst v. Behring angibt, nahezu jeder 
Mensch tuberkulös. Aber auch die Untersuchungen an lebenden 
Menschen lassen keinen Zweifel darüber, namentlich in dicht¬ 
bevölkerten Gegenden, daß die Naegeli sehen Angaben all¬ 
gemeine Gültigkeit haben. Namentlich werden die Naegeli- 
schen Angaben unterstützt, wenn man das Tuberkulin als 
diagnostisches Hilfsmittel verwendet. Die Tuberknloseinfek- 
tion bedeutet nun glücklicherweise nicht stets Tuberkulose¬ 
schwindsucht und gerade, so hebt von Behring hervor, 
die ausserordentliche Verbreitung der Tuberkulose spricht 
doch dafür, daß dieselbe in vielen Fällen in Heilung übergeht, 
daß sie überhaupt heilbar ist. Es gilt bei der Tuberkulose 
derselbe Satz, wie bei der Diphtherie: „Die leichte Infektion 
geht in Heilung über und die schwere Infektion führt 
zum Tode“, und es fragt sich nun, ob es möglich ist, schwere 
Infektionen zu verhüten. Zunächst gibt v. Behring an, daß es 
nirgends erwiesen ist, daß die Lungenschwindsucht des Menschen 
infolge einer epidemiologisch entstandenen tuberkulösen Infektion 
bei einem erwachsenen Menschen vorgekommen ist. Alle die¬ 
jenigen Fälle, wo Leichendiener, Schlächter, Laboratoriumsarbeiter 
den Erreger der Tuberkulose in das Untei hautbindegewebe ein¬ 
geführt haben, können nicht als Beweis dafür dienen, daß 
auf diese Weise bei einem von ihnen Lungenschwindsucht 
entstanden wäre. 

v. Behring verhehlt sich nicht, daß die neueren Unter¬ 
suchungen, namentlich an Bewohnern von Häusern, in welchem 
notorische Phthisiker wohnten, ferner an den Insassen von 
Gefangenanstalten, ferner die Beobachtungen über die Ein¬ 
atmung tuberkelbazillenhaltigen Staubes oder tuberkelbazillen¬ 
haltiger Tröpfchen, eine erhebliche Beweiskraft zu haben 
scheinen, andererseits aber muß auch die schon berichtete Ver¬ 
breitung der Tuberkulose berücksichtigt werden, und man kann 
den Einwand nicht ohne weiteres zurückweisen, daß diese Per¬ 
sonen möglicherweise schon vor der neuen Infektion tuberkulöse 
Herde in ihren Lungen gehabt haben. 

v. Behring führt zum Beweis einen Arzt an, der während 
seiner 40jährigen Praxis eine sehr große Anzahl tuberkulöser 
Kehlköpfe untersucht hat, ohne daß weder er, noch einer seiner 
Assistenten an Tuberkulose erkrankt wäre. Auch die erbliche 
Übertragung der Tuberkulose zieht v. Behring in Zweifel, in¬ 
soweit, als sie für die Verbreitung der Tuberkulose erheblich 
wäre. v. Behring sagt jedoch, daß er sich der Ansicht nicht 
verschließen möchte, daß, wenn jemand auf Tuberkulin reagiert, 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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676 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 44. 


in dessen Verwandtschaft tuberkulöse Todesfälle bekannt sind, 
die festgestellte Tuberkuloseinfektion prognostisch ungünstig zu 
beurteilen ist. In der Regel entsteht die Tuberkulose jeden¬ 
falls postgenital und v. Behring stellt die neue Regel auf: 
die S&uglingsmilch Ist die Hauptquelle für die Schwindsuehtsentstehung. 

Der Verdanungsapparat des menschlichen Säuglings entbehrt 
namentlich derjenigen Schutzeinrichtungen, welche bei dem er¬ 
wachsenen Menschen das Eindringen von Krankheitserregern in 
die Gewebe verhindert. Durch Römer war festgestellt, daß 
genuine Eiweißkörper die Intestinalschleimhaut neugeborener 
Fohlen durchdringen können. Das Diphtherie- und Tetanus¬ 
heilserum enthält die Antikörper in Form von genuinem Eiweiß. 

Von B. konnte nun feststellen, daß bei Erwachsenen bei 
stomachaler Einverleibung keine Spur in das Blut übergeht, 
während bei Neugeborenen das antitoxische Eiweiß im Blute 
nachgewiesen werden konnte. Weiterhin hat v. B. dann ver¬ 
sucht festzustellen, ob nicht auch Bakterien ungehindert durch 
die Schleimhaut neugeborener Tiere hindurchgehen können und 
nahm zu diesem Zwecke virulente Milzbrandbazillen, welche 
mit Milch zusammen stomachal verabreicht wurden. Er sah 
Meerschweinchen im Alter bis zu 8 Tagen bei Bazillenfdtterung 
ebenso schnell zugrunde gehen wie bei der subkutanen Infektion. 
Auch bei der Fütterung abgeschwächter Milzbrandbazillen wurde 
das Blut bazillenhaltig gefunden, ohne daß die Tiere an Milz¬ 
brand zugrunde gingen; hierbei wurde festgestellt, daß die 
Milzbrandbazillen besondere Beziehungen zu den Endotlielien 
deB Herzens und der Gefäße haben. 

Schließlich wurden dann Tuberkelbazillen an neugeborene 
und ausgewachsene Meerschweinchen verfüttert und auch hier 
festgestellt, daß die neugeborenen Tiere tuberkulös wurden. 

Aus diesen Versuchen geht unschwer hervor, daß alle 
Milchbakterien bei den Neugeborenen in die Blutbahn über¬ 
gehen können. In dem Blinddarm finden die dort in geringer Zahl 
eingedrungenen Bakterien genügend Gelegenheit, sich zu ver¬ 
mehren, und so kann auch eine keimarme Milch die Quelle einer 
schweren Infektion werden. Bei Brustkindern ist die Gefahr 
nicht so groß, da aus dem Innern des menschlichen Körpers 
lebende Keime nur ausnahmsweise in die Milch übergehen. Da¬ 
gegen können bei käuflicher Kindermilch Keime durch die vielen 
Manipulationen, welche mit der Milch vorgenommen werden, 
ehe sie in die Hand des Konsumenten kommt, Keime in großer 
Zahl hineingelangen. 

Es ist deshalb auch die Sterblichkeit der Milchkinder eine 
außerordentlich große. So starben in Stettin innerhalb des 
gleichen Zeitraums 161 mal mehr Kinder im Alter bis zu 1 Jahre, 
als Kinder bis zu 10 Jahren. 

v. B. sagt nun weiter: Ein wesentlicher Fortschritt 
in der Milchhygiene könnte übrigens schon jetzt an¬ 
gebahnt werden, wenn man sich zur Pasteurisierung 
schon am Produktionsort der Milch und nicht erst an der 
großstädtischen Sammelstelle entschließen wollte. Dieses Vor¬ 
gehen hat sich bei der Kälberzucht ganz vortrefflich bewährt. 

Eine wirkliche Bekämpfung der menschlichen Tuberkulose 
ist jedoch nur durch die Schutzimpfung, welche nach 
v. Behrings Ansicht nicht zur Unmöglichkeit gehört, zu er¬ 
zielen und die Bekämpfung der Rindertuberkulose sieht v. B. nur 
als eine Etappe an auf dem Marsche gegen die Menschen- 
tuberknlose. 

Bei Rindern hat v. Behring einen Impfstoff angegeben, 


dessen Einverleibung unschädlich ist und welcher bei zweimaliger 
Einspritzung einen für das ganze Leben andauernden Schutz 
bietet. An einem größeren Material in der Provinz Hessen-Nassau, 
ferner in der Bolle sehen Besitzung in Köpenick, in den Be¬ 
sitzungen des Prinzen Ludwig von Bayern, in den ausgedehnten 
Herrschaften des Erzherzogs Friedrich von Österreich hat 
v. B. sein Verfahren geprüft, v. Behring hofft, daß es auch beim 
Menschen möglich sei, die isotherapeutische Schutzimpfung an¬ 
zuwenden, wenn die Tierversuche zeigen sollten, daß man durch 
Verfütterung eines geeigneten Tuberkulosevirus an tierische 
Säuglinge ebensogut Tuberkuloseschutz erwirken kann wie durch 
seine direkte Einbringung in die Blutbahn. 

Wenn jedoch die Milch hochimmunisierter Kühe Schutzstoffe 
enthalten sollte, wie v. Behring zuversichtlich hofft, dann 
würden die Aussichten auf eine baldige Immunisierung der Menschen 
gegen Tuberkulose weit günstiger stehen. Wenn auch diese 
passive Immunisierung durch die Milch keine langdauernde wäre, 
so würde ja durch die gleichzeitige Einverleibung von Virus 
ein Weg offen stehen, den passiv erworbenen Schutz in einen 
langdauernden umzuwandeln. 

Zum Schluß geht dann von B. auf die Frage der Identität 
der Menschen- und Rindertuberkulose ein und erklärt, 
wie er dazu gekommen ist, die Lehre Kochs von der Art¬ 
verschiedenheit der beiden Tuberkelbazillen zu bezweifeln und 
schließlich für uurichtig zu erklären. 

K. hatte erklärt, daß es Tuberkelbazillen gibt, welche von 
Menschen stammen und die nicht imstande sind, beim Rinde 
Perlsucht zu erzeugen. Das ist kein Beweis für die Art¬ 
verschiedenheit. Der Jennersche Pockenvaccin erzeugt beim 
Menschen keine Variola und dennoch spricht man nicht von 
einer Artverschiedenheit der menschlichen Variola und der Kuh¬ 
pocke. Abgeschwächte Milzbrandbazillen töten Schafe nicht, 
sondern verleihen ihnen Immunität, und gerade deshalb behaupten 
wir ja, daß sie artlich zusammengehören. Der Umstand, daß 
menschliche Tuberkelbazillen Rinder gegen echtes Perlsuchtvirus 
zu immunisieren vermögen, ist für von Behring gerade ein 
Beweis dafür, daß es sich um eine Artgleichheit handelt. 

Es handelt sich nach B. nicht um eine Artverschiedenheit, 
sondern um eine Varietätenbildung. 

Koch hat ferner behauptet, daß die Rindertuberkelbazillen 
für den Menschen unschädlich sind und diese Behauptung ge¬ 
stützt auf statistisches Material. Durch die Angabe von 
Behrings über die infantile Tuberkuloseinfektion ist auch diese 
Behauptung Kochs erschüttert. 

Drittens, so fährt von B. fort, hat K. behauptet, daß die 
Sanitätspolizei ohne Schaden verzichten könne auf die kost¬ 
spielige Überwachung des Milch- und Fleischverkehrs, 
soweit dabei die den Menschen seitens der Rindertuberkelbazillen 
bedrohende Tuberkulosegefahr maßgebend sei. 

Auch von Behring steht auf dem Standpunkt, daß die 
Gefahr der Tuberkuloseerkrankungen durch von tuberkulösen 
Rindern stammendes Fleisch oder Milch für herangewachsene 
Menschen, die normaler Weise von Seiten des Darmes einen 
wesentlichen Schutz genießen, nicht allzu groß ist. Nicht 
genug zu betonen ist dagegen die Infektionsgefahr, 
welche dem Säugling nach dem Genuß von tuberkel- 
bazillenlialtiger Milch droht, mögen die Tuberkel¬ 
bazillen vom Menschen oder vom Rind herstammen!“ 

D r. J e ß - Charlottenburg. 


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29. Oktober 1903. 

Wochenübersicht über die medizinische Literatur. 

Von Dr. Jess-Charlottenburg, 

Kreiitierarzt. 

Deutsche medizinische Wochenschrift Nr. 39. 

Uber Lungenschwindsuchtentstehung und Tuberkulosebekämpfung 
von Wirkl. Geheimen Kat Prof. Dr. E. v. Behring, Exzellenz. 
(Siehe das vorstehende ausführliche Referat). 

Über das Verhalten von Typlmsbaziilen in der Milch und deren 
Produkten von Oberstabsarzt a.D.Dr. Bassenge (s. B. T. W. S. 655). 

Die Ergebnisse der Versuche B’s sind folgende: 1. eine Er¬ 
wärmung der Milch auf 60° C für die Dauer von fünf Minuten 
genügt, um etwa in der Milch enthaltene Typhusbazillen mit Sicher¬ 
heit abzutöten; 2. für diesen Zweck sind tönerne Gefäße ge¬ 
eigneter, als eiserne oder Emailleblechgefäße; 3. das Zugrunde¬ 
gehen der Tyhusbazillen in roher Milch ist durch Bildung von 
Säuren (Milchsäure, Buttersäure, Ameisensäure und a. m.) bedingt, 
sobald diese Säurebildung einen Prozentgehalt von 0,3 bis 0,4 
überschreitet und länger als 24 Stunden eingewirkt hat; 4. in 
Buttermilch, Molke und Butter gehen die Typhusbazillen beim 
Eintreten derselben Bedingung zugrunde; 5. bei der Rahm- 
gewinnung für den Butterungsprozeß durch Zentrifugieren gehen 
die in der Milch enthaltenen Typhusbazillen größtenteils in den 
Rahm über und halten sich in demselben bis zum Eintreten 
der in Schlußsatz 3 mitgeteilten Bedingungen, können also 
noch zu einer Zeit darin enthalten sein, in welcher der Wohl¬ 
geschmack der Butter noch nicht beeinträchtigt ist. 

Der Negrische Erreger der Tollwut. Von Stabsarzt Dr. 
Schüder. Leiter der Wutschutzabteilung am Institut für 
Infektionskrankheiten in Berlin. Negri hat in seiner Arbeit 
„Beitrag zum Studium der Aetiologie der Tollwut“ (Zeitschrift 
für Hygiene und Infektionskrankheiten, Bd. XLHI, S. 525) ein 
Protozoon als den Erreger der Tollwut beschrieben. Die Größe dieses 
Protozoons ist außerordentlichen Schwankungen unterworfen. 
Bald ist es 1 bis l'/ 2 p gross, bald erreicht es Dimensionen 
von 22—23 p. Der Erreger der Tollwut ist nicht imstande, 
wie längst festgestellt ist, die gewöhnlichen Bakterienfilter zu 
passieren, etwa wie der Erreger der Maul- und Klauenseuche. 
Nach der Angabe Sch.’s gibt es jedoch ein Filter, welches der 
Erreger der Tollwut passiert, denn es gelang mit dem Filtrat 
jedesmal Tollwuterscheinungen zu erzeugen. Dieses Filter ver¬ 
mag nicht die Choleravibrio zu passieren, demnach muß der Er¬ 
reger der Tollwut kleiner wie der Vibrio der Cholera asiatica 
sein, welcher 0,4 p im Durchmesser hat. Die Größe des Er¬ 
regers der Tollwut bleibt demnach unter der mit unserem 
heutigen Mikroskope erkennbaren Form. Es ist deshalb aus¬ 
geschlossen, daß die Gebilde, welche Negri gesehen hat, die 
Erreger der Tollwut sein können. 

Über die therapeutische Verwendung des Chlorbaryums von 
Dr. von Tabora. Bereits Schedel hatte darauf hingewiesen, 
daß die Wirkung des Chlorbaryums in Fällen von Herzinsuffizienz 
selbst da, wo Digitalis versagt hatte, eine eklatante war. Der 
Blutdruck wurde gesteigert, ebenso die Diurese; der Puls ver¬ 
langsamt, Cyanose und Oedeme verschwanden. Auch Verfasser 
konnte beobachten, daß das Chlorbaryum eine erhebliche Steige¬ 
rung des Blutdrucks erzielt, und zwar ist es zunächst die 
Kontraktion der Gefäße, die den Blutdruck steigert, und dann 
erst tritt durch den Vagusreiz eine Verlangsamung der Herz¬ 
tätigkeit ein. Die therapeutische Verwendung des Chlorbaryums 
ist deshalb bei leichteren Herzinsuffizienzen rationell, namentlich 


677 

bei Kompensationsstörungen, welche mit Sinken des arteriellen 
Drucks verbunden sind. 

Das Chlorbaryum verhindert die Blutdrucksenkung; deshalb 
ist bei hohem arteriellen Druck seine Anwendung direkt kontra¬ 
indiziert. 

Identität der Erreger der Tuberkulose und der Perlsucht. Auf 
dem internationalen Kongreß für Hygiene und Demographie, 
Brüssel, 2.—8. September 1903, sprachen sich deJong, Fibiger 
und Arloing für die Identität beider Tuberkuloseerreger ans, 
während Löffler, Wassermann und Kossel den Kochschen 
Standpunkt vertraten und über die Versuche im Gesundheitsamt 
berichteten. Es wurde eine Resolution gefaßt, dahingehend, 
daß menschliche Tuberkulose in der Regel durch Ansteckung 
von Mensch zu Mensch übertragen wird, der Kongreß aber nichts 
destoweniger Maßnahmen, durch welche die Ansteckung durch 
Fleisch oder Milch p erlsüchtiger Rinder nach Möglichkeit 
ausgeschlossen werden könnte, für geboten erachtet. 

Säuglingsernfihrung und Säuglingssterblichkeit. Ebenfalls auf dem 
internationalen Kongreß in Brüssel sprachen Heubner und 
Budin über diesen Gegenstand, und man war darüber einig, 
daß keine künstliche Ernährung die Mutterbrust ersetzen könne 
und daß unter allen Umständen das Selbststillen als Volkssitte 
gefördert werden müsse. Heubner legte besonderen Wert auf 
die Beschaffung einer guten Kindermilch und betonte, daß das 
Helmsche Verfahren der Abkühlung neben der Sterilisierung 
gute Aussichten böte. 

Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmakologie 49. Bd(S. lieft. 

Untersuchungen über den Tetanus von Meyer und Ransom 
Marburg. Die Verfasser geben in ihrer Veröffentlichung eine 
neue Theorie der Tetanusvergiftung an. Die Veröffentlichung 
ist auch deshalb von Bedeutung, weil von Behring in seiner 
an anderer Stelle referierten Arbeit über die antitoxische 
Tetannstherapie auf diese Veröffentlichung mehrfach zurück¬ 
greift. Bei der Impfung mit Tetanusgift gelangt das Toxin 
ans den Lymphspalten in die marklosen Endigungen der 
motorischen Nerven, steigt weiter empor durch das Fibrillen¬ 
plasma und gelangt von hier aus nach den motorischen Rücken¬ 
marksganglien, welche durch das Gift übererregt werden, wo¬ 
durch ein gesteigerter Muskeltonus hervorgerufen wird. Es 
kommt zu lokalem Starrkrampf an dem befallenen Gliede. 
Dadurch nun, daß überschüssiges Gift durch die Fasern der 
vorderen Kommissur weiterschreitet, kommt es zur Erkrankung 
des korrespondierenden Gliedes. Erst später dringt das Gift in 
die taktilen Apparate des Reflexbogens im Rückenmark. 

Die Verfasser trennen lokalisierten Tetanus und sensible 
Vergiftung (Reflex-Tetanus). Injiziert man das Gift in die 
sensiblen Wurzeln des Rückenmarks, zwischen Ganglion spinale 
und Rückenmark, so tritt wie Hans Meyer nachwies, eine 
Gesundheitsstörung ein, welche den Namen doloroser Tetanus 
führt, da die von dem Tetanus ausgeführte Reizwirkung nicht 
zu Muskelkrampf führen kann. Bezüglich der Tetanusheilnng 
geben Verfasser an, daß dasselbe Gift, welches bereits in die 
NervenBubstanz eingedrungen ist, weder durch subkutane noch 
intravenöse Antitoxininjektion neutralisiert werden kann, wohl 
aber dasjenige Toxin, welches sich noch in den Gewebssäften 
befindet. Ist also bereits eine tödliche Menge Gift in die Nerven- 
masse übergegangen, ohne daß sie bereits nach dem Rücken¬ 
mark gelangt ist, so bietet nur eine Antitoxin-Injektion in das 
Rückenmark selbst Aussicht auf Heilerfolg. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 44. 


Gaxetta dcyli osped. 1903. Nr. 62. 

Der Kampf und die Immunisierung des Körpers gegen Tuberkulose 
von Maragliano (ß. T. W. S. 4G3). 

Durch Impfung von Tieren mit Tnbeikeltoxin und auch mit 
Tuberkelbazillen selbst kann in dem Blute dieser Tiere ein 
Schutzstoff von sehr hoher Wirksamkeit erzeugt werden. M. 
hat in dem Institut in Genua ein Heilserum hergestellt. Be¬ 
züglich der Wirksamkeit seines Serums hat M. folgenden Versuch 
gemacht. Eine Mischung von Tubeikelbazillen und Heilserum 
wird in die Bauchhöhle von Meeischweinchen gebracht. Nach 
24 bis 36 Stunden wird die Bauchhöhle eröffnet, ein Teil der 
Bauchhöblenflüssigkeit wird anderen Meerschweinchen intraperi¬ 
toneal injiziert, ein anderer Teil als Kultur ansgeBät. Das 
Resultat war, die Kultur blieb steril und die Meerschweinchen 
gesund. M. fand auch in der Milch immunisierter Kühe Schutz- 
stoffe, welche durch den Milchgenuß übertragen werden konnten. 

Monographien. 

Die Seuche unter den Agoni des Lago di Lugano (Coli- 
baoillosis Alosae flntae); von Tierarzt Otto E. Vogel, Kreuznach. 

Unter den Agoni, einer dem Maifisch verwandten Art, des 
Lago di Lugano war eine Epizootie ausgebrochen, und Vogel 
hatte Gelegenheit, Versuche mit diesem Material anzustellen, 
sowohl zwecks Isolierung des Krankheitserregers, als auch zur 
Überimpfang etwaiger isolierter Bakterien. Die Wiedergabe der 
eingehenden Veröffentlichung im Extrakt ist nicht möglich. Es 
sei aber auf die außerordentlich interessante Arbeit hier besonders 
hingewiesen. 

Über das Absterben von Bakterien beim Kochen unter erniedrigtem 
Druck; von Dr. J. Schut jr. Verf. kommt zu nachstehenden 
Schlußsätzen: 

1. Durch bloße Erhitzung sterben in einer Flüssigkeit 
suspendierte Bakterien und Sporen weniger schnell ab, als durch 
Kochen bei derselben Temperatur. 2. Innerhalb gewisser Grenzen 
nimmt bei Erhitzung die Dauer des Absterbens der vegetativen 
Formen ziemlich gleichmäßig mit steigender Temperatur ab. 
3. Darch Kochen bei erniedrigtem Druck sterben die Bakterien 
sogar innerhalb der physiologischen Temperaturgrenzen ab. Die 
Dauer des Absterbens nimmt mit steigender Temperatur erst 
schnell, danach langsamer ab. 4. Die letzterwähnte Form der 
Kuive resultiert für Sporen sowohl bei bloßer Erhitzung als beim 
Kochen. 5. Gesättigter Dampf übertrifft bei jeder Temperatur 
das Kochen in tötender Wirkung; von der höchsten Temperatur 
an gerechnet, fällt die Kurve erst steil herab, ein Grad Unter¬ 
schied hat da wenig Einfluß auf die Dauer des Absterbens; bei 
niederer Temperatur nimmt dieser Einfluß stark zu. 6. Großen 
Einfluß auf die Resistenz haben: die Temperatur, wobei die 
Mikroben gezüchtet wurden, das Medium, in welchem sie suspen¬ 
diert sind; für Sporen nimmt bis zu einem gewissen Maße die 
Resistenz mit dem Alter der Kultur zu. 7. Zur Vernichtung 
der vegetativen Formen, speziell der pathogenen Keime, ist eine 
Erhitzung während einer halben Stunde bis zu 60° sicherlich 
genügend, bei Milch unter der Bedingung, daß das Gefäß ge¬ 
schlossen sei. 8. Gesättigter Dampf von 90° steht in Wirkung 
praktisch nicht hinter gesättigtem Dampf von 100° zurück. 
9. Die Erklärung des nachteiligen Einflusses, den das Kochen 
auf die Keime ausübt, beruht vielleicht auf dem Entstehen von 
Dampfblasen innerhalb des Bakterienkörpers. Jedenfalls hat die 
mechanische Wirkung des Kochens chemische Umsetzungen zur 
Folge. 10. Es ist wahrscheinlich, daß Wasserdampf dadurch j 


ungleich viel schneller abtötend wirkt als kochendes Wasser 
von gleich hoher Temperatur, daß die getrockneten Sporen bzw. 
Bakterien im Dampf einen höheren Wärmegral erreichen, als 
der Dampf selber besitzt. 

Tagesgeschichte. 

Einfluss der Universltätsrelfe auf den Zugang zu den tierärztlichen 
Hochschulen. 

Zahl der Hörer an der kgl. ung. tierärztl. Hochschule in 
Budapest seit Einführung der Universitätsreife. 


Studienjahr 1899/1900 1900/1901 1901/1902,1902/1903,1903/1904 
(I. Semester) * ** | *** | *** | *** 

Zahl der Hörer. 490 384 318 333 1 428 

Davon neu in¬ 
skribiert . . . 212 92 64 109 190 

* Vorbildung: 6 Klassen eines Gymnasiums od. einer Realschule 

** 7 

• ff ff ff ff ff ff 

*** „ Maturität „ „ „ „ „ 

Der Rektor der tierärztlichen Hochschule, welcher diese 
Aufstellung eingesandt hat, bemerkt daza: Wir werden bald 
auf Mittel sinnen müssen, den Zuzug wieder einzudämmen. 

Tierärztliche Hochschule zu Wien. 

Die Zahl der Neaimmatrikulierten an der tierärztlichen Hoch¬ 
schule za Wien betrug nach Mitteilung des tierärztlichen Zentral¬ 
blattes Nr. 36, ebenfalls eine erkleckliche Ziffer (darunter 2 Arzte). 

Mit Recht bemerkt dazu das genannte Blatt, diese Zahl 
beweise, daß die frühere, nach Einführung der Universitätsreife 
eingetretene stavke Verminderung des Zuganges ihren Grand 
nicht in der Erhöhung der Vorbildung gehabt habe, sondern darin, 
daß noch die Voraussetzung für diese Vorbildung, nämlich eine 
angemessene Organisation der tierärztlichen Stellung, gefehlt 
habe. Nachdem letztere im Zivilveterinärwesen eingetreten, 
im Militärveterinärwesen sogar erst angebahnt sei, habe sich 
sofort die Zahl der eintretenden Studenten, wie obige Ziffer 
zeigt, so gehoben, daß die Gefahr eines Mangels an Tierärzten 
auch in Österreich völlig beseitigt sei. 

Die in Aussicht gestellte Verbesserung im Militär veterinär¬ 
wesen soll die Beseitigung des Kurschmiedetums bringen. 
Es 80 llen künftig auch in die Armee nur Abiturienten als Tierärzte 
eingestellt werden. Damit wird Österreich dann ebenfalls ein 
vollwertiges und ebenmäßiges Veterinärwesen erhalten. 

• 

Diese Zahlen von Budapest und Wien sind hochinteressant, 
sogar überraschend. Sie beweisen schlagend, wie recht diejenigen 
hatten, welche in kritischer Zeit die felsenfeste Überzeugung 
vertraten, daß die Forderung der Universitätsreife keinen 
Mangel an Tieräizten herbeiführen werde. Damals drohte uns 
die einer Kalamität gleichkommende Verödung der Wiener 
Hochschule gefährlich zu werden. Und heute nach wenigen 
Jahren schon ist völliger Ausgleich vorhanden. 

So geschehen in Ungarn, wo das Veterinärwesen noch so 
jung ist, und in Österreich, wo organisatorische Mängel der 
Hochschule und schwere Übelstände im tierärztlichen Stande 
wohl nur abschrecken, nicht anziehen konnten. Die Beseitigung 
des Hanptübelstandes, des Kurschmiedetums, ist erst ver¬ 
sprochen, aber schon diese Aussicht läßt die Frequenz in 
die Höhe schnellen. 

Und da sollten wir in Deutschland bange sein? Lächerlich. 

S. 


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29. Oktober 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


679 


Militärisches. 

1. Die in den Remontedepot« Angestellten Veterinäre sind 
bekanntlich Zivil-Beamte der Militärverwaltung und dadurch 
von den Truppenveterinären, die (wenigstens zur Zeit noch) 
Militär-Beamte sind, unterschieden. Gldchwohl ist durch Ver¬ 
fügung der Remonte-Inspektion vom 21. September er. bis auf 
weiteres angeordnet worden, daß die bisherigen Remontedepot- 
Oberroßärzte und -Roßärzte die durch die allerhöchste Kabinetts¬ 
order vom 27. August 1903 bestimmten Titel zu führen haben, 
also Stabsveterinäre und Oberveterinäre heißen. Hoffentlich ist 
dies ein Zeichen dafür, daß die Absicht besteht, die Remonte¬ 
depot-Veterinäre dem Veterinär-Offizierkorps anzugliedern. 

2. Die Bezirkskommandos, welche mit den Roßärzten der 
Reserve, seit deren Überführung unter die höheren Beamten, 
vielfach anscheinend nicht recht etwas anzuf&ngen gewußt haben, 
wenden diesen ihren Angehörigen neuerdings erhöhte Auf¬ 
merksamkeit zu (wie von vielen Seiten zugleich mitgeteilt wird). 
Diese Aufmerksamkeit zeigt sich zunächst darin, daß die bisher 
vielfach gebrauchte Anrede „hochwohlgeboren“ plötzlich in 
„wohlgeboren“ nmgewandelt wird; auf einigen Adressen ist 
sogar in dem geschriebenen „hochwohlgeboren“ das „hoch“ 
wieder abgestrichen worden. Erstaunt fragen die von ihrer „Höhe“ 
Gestüizten: „Was hat denn das zu bedeuten? Wir dachten, wir 
sollten mehr werden und nun werden wir anscheinend nach 
unten abgeschoben!“ — Nun, m. E. ist dieser geheimnisvolle 
Vorgang nur so zu deuten, daß die betreffenden Beziiks- 
kommandos sich bisher überhaupt nicht darum bekümmert haben, 
wie die bisherigen Roßärzte anzureden seien, und daß daher die 
Schreiber, wie sie wollten, also nach Gewohnheit wie an Offiziere, 
geschrieben haben. Jetzt plötzlich sind, durch Allerhöchste 
Kabinettsorder nnd durch die begonnene Reorganisation, die Ro߬ 
ärzte, bisher quantite negligeable, in die Sonne der allgemeinen 
Beachtung gerückt und nun wird auch sofort dafür gesorgt, daß 
sie korrekt rangiert werden. Korrekt aber ist unzweifelhaft das 
— „wohlgeboren“. Denn das hochwohlgeboren steht, vom Adel 
abgesehen, wohl allen Offizieren zu, nicht aber den Zivilbeamten. 
Diesen gab es Bismarck bis zu den Räten 11. Klasse abwärts, 
der mildere allgemeine Usus gewährt es noch bis zur IV. Klasse. 
Aber von da abwärts ist alles ohne Gnade wohlgeboren. Mithin 
können sich die bisherigen Roßärzte bzw. Oberveterinäre durch 
diese Anrede durchaus nicht beschwert fühlen. Wenn sie aber 
erst Veterinäroffiziere sein werden, sind sie unzweifelhaft hoch¬ 
wohlgeboren. Der momentanen Erniedrigung wird also die 
W'iedererhöhung auf dem Fuße folgen. Darum getrost! 

3. Die Beziikskommandos veranstalten ferner eine Umfrage 
bei den Veterinären d. B., ob diese zur Führung des Doktortitels 
berechtigt sind, und fordern die Diplome zur Einsicht. Auch 
dies hängt unzweifelhaft mit der bevorstehenden Neuregelung 
der Verhältnisse der Veterinäre d. B. zusammen. 

4. Endlich fragt ein Kollege, ob denn die neuen Titel auf die 

Roßärzte der Reserve und Landwehr keine Anwendung fänden; das 
Bezirkskommando habe an ihn als an denRoßarzt geschrieben. 
Das hat nur ein Schreiber vei sehentlich verbrochen. Roßärzte 
gibt es auch im Beurlaubtenstande nicht mehr, sondern nur 
noch Oberveterinäre. S. 

25 jähriges Jubiläum. 

Anläßlich des 25jährigen Berufsjubiläums des Departements- 
tierarztes nnd Veterinärassessors Herrn Koschel zu Breslau, 


fand am 3. d. M. im Konzerthause eine Feier statt, zn der 
außer den Kreistierärzten eine große Anzahl Tierärzte des Be¬ 
zirkes und fast sämtliche Kollegen der Stadt Breslau, darunter 
Professor Dr. Caspar, mit ihren Damen, im ganzen über 
70 Personen, erschienen waren. 

Nach dem ersten Gange begrüßte Herr Kreistierarzt Becker 
den Jubilar mit herzlichen Worten. Wenngleich 25jährige 
Jubiläen offiziell nicht gefeiert würden, sei es doch eine schöne 
Sitte, sie im Kreise der Berufsgenossen, gewissermaßen in der 
Familie, zu begehen. Aus der großen Anzahl der Erschienenen 
möge der Gefeierte ersehen, daß alle dem Rufe zu diesem Feste 
gern und freudig Folge geleistet hätten. Er könne versichern, 
daß alle von dem Wunsche beseelt seien, Herrn Koschel noch 
lange Jahre an der Spitze des Veterinärwesens für den Re¬ 
gierungsbezirk Breslau zu sehen. Namens seiner Kreistier¬ 
ärzte und einer Anzahl Privattierärzte bäte er ihn, zur Er¬ 
innerung an diesen Tag ein Ehrengeschenk — zwei prachtvolle 
fünfarmige silberne Leuchter — entgegenzuuehmen. Das Hoch 
auf den Jubilar fand freudigen Widerhall. Dieser erwiderte 
darauf in formvollendeter Weise, daß er es nie so lebhaft be¬ 
dauert habe, kein Meister des Wortes zu sein, als am heutigen 
Tage, an welchem er seinem tiefgefühltesten Danke so recht 
von Herzen nnd in beredten Worten Ausdruck geben möchte. 
Die große Anzahl der Festteilnehmer, die Überzeugung, daß 
alle gern erschienen seien, mache ihm diesen Ehrentag zur 
schönsten Erinnerung seines Lebens. Sein Handeln sei stets 
von dem Gedanken beseelt gewesen, das Ansehen des tierärzt¬ 
lichen Standes zu heben und dem Ganzen zu dienen, wenn dabei 
auch der einzelne hier und da habe zurückstehen müssen. Wie 
bisher mögen die Kollegen ihm treue Helfer sein an der Arbeit, 
das Blühen und Gedeihen unseres Standes zu fördern, dem auch 
sein Hoch gelte. 

Sodann toastete der Unterzeichnete auf die Familie nnd 
speziell auf die Gattin des Jubilars. Wenn seine Worte sich 
auch in humoristisches Gewand hüllten, so galten sie doch im 
ernstesten Sinne der Feier einer echt deutschen Frau, die es 
versteht und ihren Ehrgeiz darein setzt, ihrem Mann eine treue 
Kameradin zu sein. Wenn dieser zu einem guten Ziel gelangt 
sei, so verdanke er dieB unzweifelhaft nicht bloß seiner eigenen 
Tüchtigkeit, sondern zum großen Teil seiner Frau, die ihm in 
einem idealen Familienleben die beste Grundlage zu erfolg¬ 
reichem Arbeiten geschaffen und gewiß oft die amtlichen 
Sorgenfalten anf seiner Stirn geglättet habe. Und wenn der 
Gatte hier als ein Bild frischer Gesundheit sitze, so habe auch 
daran seine Gattin das größte Verdienst, die ihn in schwerer 
Krankheit bewunderungswürdig gepflegt habe. 

Herr Korps-Stabsveterinär Schlake und Herr Tierarzt 
Dr. Hepke brachten namens der Veterinäre des 6. Armeekorps 
und der Privattierärzte ihre Glückwünsche dar, wobei Herr 
Schlake im Aufträge der Veterinäre Breslaus ein herrliches 
Blumenarrangement überreichte. Es folgte noch eine lange 
Reihe humorvoller Reden, von denen besonders die des Kollegen 
Huch auf die anwesenden Damen und die des Kollegen 
Angenheister hervorzuheben sind. Dieser konstatierte dabei, 
daß Herr Koschel ihm in erster Linie seine Karriere zu ver¬ 
danken habe, da er ihn vor fast dreißig Jahren im Hufbeschlag 
zu prüfen gehabt hätte, bei welcher Gelegenheit der Jubilar 
sich als ein Meister am Amboß allerdings nicht erwiesen hätte, 
trotzdem von ihm aber nicht gesenkt worden sei. Von nah 


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680 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


und fern waren Glückwunschschreiben und Telegramme einge¬ 
laufen, von denen besonders eines Zeugnis davon ablegt, wie es 
Herr Eoschel verstanden hat, sich das Vertrauen seines 
früheren, kürzlich aus dem Staaadienst geschiedenen Regierungs¬ 
präsidenten zu erwerben. 

Es lautete: „Wenn auch 25jährige Jubiläen amtlich nicht 
berücksichtigt werden, so spricht der Privatmann doch dem 
tüchtigen und praktischen ersten Veterinärbeamten des Regierungs¬ 
bezirkes Breslau von Herzen seinen Glückwunsch zum heutigen 
Ehrentage aus. von Heydebrandt. 

Da die Versammelten in dieser überaus großen Liebens¬ 
würdigkeit Sr. Exzellenz des Wirkl. Geheimen Ober-Regierungs¬ 
rates, von Heydebrandt und der Lasa, von dem es längst 
bekannt ist, welch' reges Interesse er uns Tierärzten entgegen¬ 
bringt, nicht nur eine Ehrung des Jubilars, sondern des gesamten 
tierärztlichen Standes erblickte, wurde ihm sofort ein Dankes¬ 
und Begrüßungstelegramm übersandt, und selten ist wohl von 
Tierärzten in ein Hoch mit freudigerer Begeisterung eingestimmt 
werden, als in das auf Exzellenz von Heydebrandt. 

Nach Beendigong des offiziellen Teiles wurde von jung 
und alt in echter Fröhlicheit bis in den frühen Morgen getanzt, 
woran sich noch ein Plauderstündchen in einer bekannten 
Weinstube schloß. Man schied endlich von einander in der 
Überzeugung, ein herrliches, durch keinen Mißton getrübtes 
Fest verlebt zu haben. Wenn diese Überzeugung, woran ich 
nicht zweifle, auch bei dem Jubilar und seiner Familie Platz 
gegriffen hat, so ist unser Zweck erfüllt und ich schließe mit 
einem „Glück auf“ für die nächsten 25 Jahre. Rust. 

Auszeichnung. 

Seine Majestät der König hat dem Professor Dr. FrÖhner 
wegen hervorragender chirurgischer Leistungen an Pferden des 
Königlichen Marstalles den Königlichen Kronenorden IH. Klasse 
verliehen. Diese Auszeichnung ist um so bemerkenswerter, als 
Professor FrÖhner erst vor nicht langer Zeit in der Dienst- 
tonr den Roten Adlerorden IV. Klasse erhalten hatte. 

t 

Departemenstierarzt Wolff zu Berlin ist nach langen 
schweren Leiden gestorben. 


Amtstier ärztliche Prüfung Ir Bayern für das Jahr 1903. 

Von 61 zugelassenen approbierten Tierärzten haben 48 an 
der Prüfung teilgenommen und 44 bestanden; 2 Kandidaten er¬ 
hielten die I., 19 die H. und 23 die HI. Note. 

SUpeadlenfondo. 

Die Provinzialvereine für Posen und Westfalen haben je 
300 M., die tierärztliche Gesellschaft von Berlin hat 100 M. 
für den Stipendienfonds bewilligt. 

Reiohsvlehverslohening. 

Nach Zeitungsmeldungen sollen in Berlin demnächst Be¬ 
ratungen unter Vertretern aller Bundesstaaten stattflnden mit 
dem Zwecke ein Reichsviehversicherungsgesetz vorzubereiten. 

48. Sitzung des tierärztlichen Vereine in Westpreuesen 

am Sonntag, dem 15. November 1903, vormittags 11 Uhr 
in Danzig (Friedrich Wilhelm-SchUtzenhans). 
Tagesordnung: 1. Geschäftliches. 

2. Bericht über die Änderung des Statuts der Sterbekasse. 

3. Vortrag des Herrn Prof. Dr. Ostertag-Berlin. „Zur Diagnose 
und Bekämpfung der Schweineseuche.“ 

4. Besprechung Uber die Ausführung des Fleischbeschaugesetzes. 
Um 2 Uhr Diner unter erbetener Teilnahme der Damen. An¬ 
meldungen zum Diner erbittet bis spätestens den 13. November er. 

Der Vorsitzende. Preuße. 

Herbst-Versammlung des Vereins Sohiesisoher Tierärzte 

in Breslau (Palast-Restaurant, Schweidnitzerstraße) am 8. Novbr. d. J., 
vormittags 11 Ubr. 

Tagesordnung: 

1. Vereinsangelegenheiten. — Statutenänderung: Antrag Rieck. 

2. Die Stellungnahme der Tierärzte zu den Viehversicheruugs- 
gesellschaften: Kreistierarzt Wittlinger. 

3. Der Ergänzungsfleischbeschauer: Tierarzt Siemßen. 

4. Das Motorrad im Dienste des Tierarztes: Kreistierarzt 
Schirmeisen. 

Um 2 Uhr Diner unter Teilnahme der Damen. (Kuvert 8 M.). 
Gäste gern gesehen. Der Vorstand. 

Verein der Soblachthoftierärzte der Rheinprovinz. 

XXlil. Versammlung 

am Sonntag, dem 15. November 1908, vormittags 11 Uhr, 
zu Köln, im Alten Präsidium, Schildergasse 84. 
Tagesordnung: 

1. Geschäftliche Angelegenheiten. 2. Kassenbericht. 3. Regelung 
des Freibankwesens. Referent: Krings-Kalk. 4. Einheitliche 
Fassung der Ortsstatut- und Fleischbeschauregulative in Schlacht¬ 
gemeinden. Referent: Kühnau-Köln. 5. Mitteilungen aus der Praxis. 
6. Ort und Tag der nächsten Versammlung. 7. Verschiedenes, 

Nach der Sitzung gemeinschaftliches Mittagsmahl. Gäste will¬ 
kommen. 

Trier, den 17. Oktober 1903. Der Vorstand. 

I. A.: Dr. Biitzler, I. Schriftführer. 


Staatsveterinärwesen. 

Allgemeine Verfügung Nr. 64/1903 vom 7. Oktober 1903. 

Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten. 

Bekämpfung der Beflügeiseuchen. 

4 Anlagen. Gesch. Nr. I. Ga. 7666. 

An sämtliche Herren Regierungspräsidenten 
und an den Herrn Polizeipräsidenten hier. 

1. Durch Bekanntmachung des Herrn Reichskanzlers vom 
16. Mai d. J. (R. G. Bl. S. 223) ist auf Grund des § 10 Abs. 2 des 
Reichsviehseuchengesetzes für die neuerdings von der Wissenschaft 
mit dem Namen „Hühnerpest“ belegte Geflügelseuche, die nament¬ 
lich im Frühjahr und Sommer 1901 in Deutschland Verbreitung ge¬ 
wann und seitdem niemals ganz erloschen ist, die Anzeigepflicht 
eingefühit worden. Eine gemeinfaßliche Belehrung über die 
Kennzeichen, den Verlauf und die Ursachen der Hühnerpest füge 
ich mit dem Aufträge bei, diese Belehrung unter Hinweis auf die 
erwähnte Bekanntmachung zur Kenntnis der beteiligten Behörden 
und durch geeignete Veröffentlichungen auch des geflügelhaltenden 
Publikums zu bringen. 


2. Die veterinärpolizeiliche Bekämpfung der „Hühner¬ 
pest“ hat im allgemeinen nach denselben Grundsätzen wie diejenige 
der „Geflügelcholera“ zu erfolgen (vergl. den Schluß der gemein¬ 
faßlichen Belehrung). Einige Abweichungen sind dadurch veranlaßt, 
daß die erstere Seuche im Gegensatz zur letzteren auf Tauben 
überhaupt nicht übertragbar ist und daß sio Wassergeflügel nur 
selten ergreift. Auch ist für die Methoden einer sicheren Fest¬ 
stell ung der Seuchen zu berücksichtigen, daß der Erreger der 
Hühnerpest nicht in gleicher Weise wie derjenige der Geflügel- 
cbolera bekannt ist. Diese Verschiedenheiten sind jedoch so un¬ 
erheblich, daß sie die aus praktischen Gründen wünschenswerte 
Zusammenfassung der zur Bekämpfung beider Seuchen zu er¬ 
lassenden Vorschriften nicht hindern. Da sich ferner die älteren 
Anordnungen zur Bekämpfung der Geflügelcholera, für die übrigens 
nunmehr durch Bekanntmachung des Herrn Reichskanzlers vom 
17. Mai d. Js. (R. G.-Bl. S. 224) im ganzen Reichsgebiete die 
Anzeigepflicht eingeführt ist, auf Grund der inzwischen gemachten 
Erfahrungen in einigen Punkten als verbesserungsbedürftig erwiesen 
haben, so ist in Anlehnung an ein von dem Herrn Reichskanzler 
empfohlenes Muster ein neuer Entwurf einer landespolizeilicben 


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29. Oktober 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 681 


Anordnung, betreffend die Geflügelcholera und die Hühnerpest, 
ausgearbeitet worden, von dem ich einen Abdruck beifüge. 

Zu einigen in diesem Entwürfe vorgesehenen Bestimmungen 
bemerke ich folgendes: 

a) Unter den in § 3 erwähnten „üblichen bakteriologischen 
Methoden“ ist gegebenenfalls namentlich die diagnostische 
Impfung zu verstehen. Eine Untersuchung in Ausstricb- 
präparaten wird zur Entscheidung in Verdachtsfällen nicht 
immer genügen. Bei der Hühnerpest wird regelmäßig eine 
Impfung erforderlich sein, weil die Bakterien nicht sichtbar 
sind, und bei der Geflügelcholera wird sie sich vielfach 
empfehlen, weil in faulenden Geflügelkadavern Fäulnis- 
bakterien Vorkommen können, die in den Ausstrichpräparaten 
nicht sicher von den Geflügelcholerabakterien zu unter¬ 
scheiden sind. 

b) Die Bestimmungen in § 10 des Entwurfes sind von be¬ 
sonderer Bedeutung für Geflügel, das mit der Eisenbahn ver¬ 
sandt wird. Ich behalte mir vor, in bezug auf die Erfüllung 
der darnach den Eisenbahnverwaltungen obliegenden Pflichten 
eine besondere Anweisung zu erlassen. 

c) In § 13 sind nach der im Entwürfe gegebenen Anleitung die¬ 
jenigen Vorschriften zu bezeichnen, die neben der neuen An¬ 
ordnung weiter bestehen bleiben, sowie diejenigen, die durch 
letztere ersetzt werden sollen. Für die Aufhebung werden 
im wesentlichen nur die Anordnungen in Betracht kommen, 
die im Anschluß an den Runderlaß vom 22. August 1897 
I. G. 6968, 6992 ergangen sind, wohingegen die unter a bis d 
des § 13 des Entwurfs erwähnten Vorschriften weitere Geltung 
zu behalten haben werden. Inwieweit diese letzteren Vor¬ 
schriften einer Ergänzung in bezug auf die gegen die Hühner¬ 
pest zu ergreifenden Maßnahmen bedürftig erscheinen, ist in 
jedem einzelnen Falle zu prüfen. Nötigenfalls ist zu einer 
Abänderung meine Genehmigung einzuholen. 

Durchlaucht 

Euere _Hocbgeboren wollen nach Maßgabe des an- 
Hochwohlgeboren 

liegenden Entwurfes eine neue Anordnung zur Bekämpfung 
der Geflügelcholera und der Hühnerpest erlassen. 

Sofern besondere Verhältnisse des dortigen Bezirkes eine 
Abweichung von dem Muster angezeigt erscheinen lassen 
sollten, ist darüber vor Erlaß der Anordnung an mich zu 
berichten. 

3. Die in meinem Erlasse vom 24. Juni 1901, I. Ga. 3010 an¬ 
geordneten Bestimmungen über die veterinärpolizeiliche Beauf¬ 
sichtigung der Geflügelausstellungen sind gleichfalls einerseits 
wegen der Einführung der Anzeigepflicht für die Hühnerpest, 
andererseits auf Grund der inzwischen gewonnenen Erfahrungen 
einer Abänderung, namentlich einiger Erleichterungen in bezug auf 
die Beibringung von Ursprungszeugnissen tür Ausstellungsgeflügel, 
sowie überhaupt in bezug auf Brieftauben- und auf Geflügel- 
ausstellungen von örtlich beschränktem Umfange bedürftig. 

Ich ersuche daher, die dort geltenden Vorschriften durch eine 
neue landespolizeiliche Anordnung unter Zugrundelegung des bei¬ 
folgenden Entwurfes zu ersetzen, der hier gleichfalls unter Be¬ 
nutzung von dem Herrn Reichskanzler allen Bundesregierungen 
mitgeteilter Grundsätze aufgestellt ist 

4. Schließlich bestimme ich im Anschluß an meine Erlasse vom 
27. September und 8. Oktober 1897, I. G. 7569, 7897, betreffend 
statistische Naohweisungen Uber die Geflügelcholera, daß die Kreis- 
(Bezirks-)Tierärzte vom 1. Januar 1904 ab bis auf weiteres dem 
zuständigen Departementstierarzte mit dem Berichte zur Vieh- 
seuchenstatistik eine Tabelle über das Auftreten der Hühnerpest 
vierteljährlich zu übersenden haben. Zu der erstmalig für das vierte 
Vierteljahr 1903 aufzustellenden Tabelle ist das Formular A des 
beiliegenden Musters zu benutzen. Sollte in einem Bezirke die 
Hühnerpest im Berichtsvierteljahre nicht aufgetreten sein, so ist 
eine Fehlanzeige zu erstatten. 

Die Departementstierärzte haben die ihnen zugehenden Nach¬ 
weisungen nach dem Formular B des Musters zusammenznstellen 
und die Generaltabelle mit jenen Nachweisungen und den sonstigen 
Berichten zur Viehseuchenstatistik der Technischen Deputation für 


das Veterinär wesen einzureichen. Ich ersuche hiernach, die be¬ 
amteten Tierärzte mit der erforderlichen Anweisung zu versehen. 

I. A.: Hermes. 

Gemeinfasaliohe Belehrung Ober die Kennzeichen, den Verlauf und die 
Ursaohen der Hühnerpest 

Zahlreiche Beobachtungen Uber eine Geflügelseuche, die nament¬ 
lich im Frühjahr und Sommer 1901 aus einer Geflügelausstellung 
in Braunschweig verschleppt und auch sonst durch Einschleppung 
aus Italien in Deutschland weit verbreitet worden war, machten 
es wahrscheinlich, daß man es nicht mit der unter dem Namen 
„Geflügelcholera“ bekannten und bereits seit mehreren Jahren der 
Anzeigepflicht unterstellten übertragbaren Krankheit des Haus¬ 
geflügels, sondern mit einer neuen, in ihren Merkmalen der Geflügel- 
cholera zwar verwandten und mindestens ebenso gefährlichen, aber 
nicht durch denselben Erreger hervorgerufenen Geflügelseuche zu 
tun habe. 

Für die nouo Seuche ist die Bezeichnung „Hühnerpest“ ein- 
geführt worden. Die Hühnerpest ist nach den angestellten Unter¬ 
suchungen eine Krankheit, deren Ansteckungsstoff im Blute, sowie 
im Kot und Nasenschleim enthalten, aber seinem Wesen nach bisher 
noch nicht festgestellt ist. Die Seuche führt in wenigen Tagen 
zum Tode und kann in kurzer Zeit ganze Hühnerbestände weg¬ 
raffen. Die Verbreitung der Krankheit erfolgt durch die Abgänge 
(Kot, Nasenschleim) kranker, durch das Blut und die Eingeweide 
notgeschlachteier, sowie durch die Kadaver verendeter odor not- 
gescblachteter Tiere. 

Der Ansteckungsstoff ist erst durch eine Erhitzung auf 70 u C 
zerstörbar. 

Die Seuche äußert sich durch Nachlassen der Munterkeit der 
Tiere, Sträuben des Gefieders, Schlafsucht und Lähinungs- 
ersebeinungen. Außerdem sind vielfach Rötung und Schwellung der 
Augenbindebaut zu beobachten. — Der Tod tritt gewöhnlich in 
zwei bis vier Tagen nach erfolgter Ansteckung, selten später ein. 

Bei der Sektion findet man Schleim in den Nasenhöhlen und 
in der Rachenhöhle, Trübung der Leber, Blutungen in den Schleim¬ 
häuten der Verdauungsorgane, der Luftwege und des Eileiters, 
unter der Herzüberkleidung und in der die Leibeshöble ans¬ 
kleidenden Haut. Außerdem können Rötung und Schwellung der 
Augenbindehaut, oberflächliche Rötungen der Dünndarmschleimbaut, 
Trübung des Herzbeutels, Flüssigkoitsansammlungen im Herzbeutel 
und in der Bauchhöhle, wässerige Ergießungen unter die Haut des 
Kopfes, Halses und der Brust, ausnahmsweise auch eine Entzündung 
der Lungen, sowie der dio Leibeshöhle auskleidenden Haut be¬ 
stehen. Die Hühnerpest hat mit der Geflügelcholera das seuchen¬ 
artige Auftreten, den rasch tödlichen Verlauf und die Erscheinung 
von Fieber, Schwäche und Schlafsucht gemein. Jedoch führt die 
Hühnerpest gewöhnlich nicht so rasch zum Tode wie die Geflügel* 
cholera, an welcher die Tiere nach ein bis dreitägigem Krank¬ 
sein, nicht selten aber auch ganz plötzlich sterben. Die Hühnerpest 
ergreift vom Hausgeflügel vorwiegend die Hühner, während von 
der Geflügelcholera gleichmäßig auch anderes Geflügel, namentlich 
Gänse, Enten und Tauben befallen werden. 

Die Geflügelcholera ist ferner durch das Auftreten eines Durch¬ 
falls während des Verlaufs der Krankheit und durch dunkelrote 
Färbung des Darms, besonders des Dünndarms (Darmentzündung) 
nach dem Tode gekennzeichnet Außer der Darmentzündung kann 
eine Entzündung der Lungen und des Herzbeutels bestehen. Ferner 
finden sich im Blute der an Geflügelcholera erkrankten Tiere die 
dieser Krankheit eigenen Bakterien, welche mikroskopisch und 
durch Züchtung unschwer nachweisbar sind. Endlich läßt sich die 
Geflügelcholera leicht auf Tauben Uberimpfen, welche binnen 
12 bis 48 Stunden mit charakteristischem Befund (abgestorbenes 
Gewebe — Nekrose — an der Impfstelle und Vorhandensein zahl¬ 
reicher Bakterien im Blute) zugrunde gehen. Alle diese Merkmale 
der Geflügelcholera fehlen der Hühnerpest 

Aus den Feststellungen, die an verschiedenen Orten über die 
Hühnerpest gemacht worden sind, geht hervor, daß die Seuche 
einen wechselnden Krankheitsverlauf und ein verschiedenes Sektions- 
biid darbieten kann. Ständig vorhandene Merkmale der Hühnerpest 
sind nur die hohe Ansteckungatähigkeit, das Fehlen eines durch 
Mikroskop und Züchtung nachweisbaren Ansteckungsstoffes, sowie 


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682 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 44. 


die Nichtübertragbarkeit auf ältere Tauben. Aub den Mitteilungen 
italienischer Forscher ist zu entnehmen, daß die Seuche in Italien 
schon seit Jahren in starker Verbreitung herrscht 

Da die Hühnerpest hinsichtlich der Art ihrer Verschleppung 
und der Widerstandsfähigkeit ihres Anstecknngsstoffes mit der 
Geflügelcholera im wesentlichen übereinstimmt, so ist sie in 
veterinärpolizeilicher Beziehung ähnlich wie die letztgedachte 
Seuche zu behandeln. 

Entwurf einer landespolizeilichen Anordnung, betreifend die Geflügelcholera 
und die Hühnerpest. 

Nachdem durch die Bekanntmachungen des Herrn Reichskanzlers 
vom 16. und 17. Mai 1903 (Reichsgesetzblatt S. 223 und 224) die 
Anzeigepflicht für die mit „Geflügelcholera“ und „Hühnerpest“ be¬ 
zeichnten Geflügelseuchen eiDgefübrt worden ist, ordne ich zugleich 
im Hinblick auf die zurzeit bestehende Gefahr der Verbreitung dieser 
Seuchen und auf Grund der §§ 18 bis 29 des ReichsgeBetzes, be¬ 
treffend die Abwehr und Unterdrückung der Viehseuchen, vom 
23. Juni 1880/1. Mai 1894 (R. G. Bl. S. 153/409), des § 1 des preußischen 
AusfUhrungsgesetzes zu diesem Gesetze vom 12. März 1881 (G. S. 
S. 128) sowie des § 1 der Bundesratsinstruktion vom 30. Mai/27. Juni 
U93 (R. G. Bl. S. 395) mit Genehmigung des Herrn Ministers für 
Landwirtschaft, Domänen und Forsten bis auf weiteres folgendes an. 

§ 1. Bricht in einem Geflügelbestande die Geflügelcholera oder 
die Hühnerpest aus, oder zeigen sich bei Geflügel Erscheinungen, die 
den Ausbruch einer dieser Seuchen befürchten lassen, so hat der 
Besitzer oder dessen Vertreter (vgl. § 9 Abs. 1 und 2 des Reichs- 
viehseuchengesetzes) sofort davon der Ortspolizeibehörde Anzeige 
zu erstatten und schon vor der amtlichen Feststellung der Seuche 
das gesamte Geflügel des Bestandes (Gänse, Enten, Tauben, Hühner 
aller Art einschließlich Truthühner, Pfauen, Fasanen) von öffentlichen 
Wegen und Wasserläufen, sowie von Orten, die für fremdes Geflügel 
zugänglich sind, fernzuhalten. 

Auch hat er verendetes oder getötetes Geflügel des Bestandes 
durch Anwendung hoher Hitzegrade (Kochen bis zum Zerfall der 
Weichteile, trockene Destillation, Verbrennen) oder nach Bestreuen 
mit frischgelöschtem (Ätz-)Kalk durch Vergraben in Gruben, die 
von einer mindestens ’/a m starken Erdschicht bedeckt sein müssen, 
unschädlich zu beseitigen. Jedoch sind einige Kadaver zur Fest¬ 
stellung der Todesursache in einem verschlossenen Behälter auf- 
zubewabren, sofern die Seuche in der betreffenden Ortschaft noch 
nicht festgestellt ist (vgl. § 4). 

Die Anzeigepflicht liegt auch den in § 9 Abs. 3 des Reichs¬ 
viehseuchengesetzes bezeichneten Personen ob. 

§ 2. Die Ortspolizeibehörde hat, sobald sie durch die Anzeige 
(§ 1) oder auf anderem Wege von dem Ausbruche der Geflügelcholera 
oder der Hühnerpest oder von dem Verdachte des Ausbruchs einer 
dieser Seuchen Kenntnis erhalten hat, sofort den beamteten Tierarzt 
zur Feststellung der Seuche zuzuziehen (vgl. jedoch § 4). 

In eiligen Fällen kann der beamtete Tierarzt schon vor polizei¬ 
lichem Einschreiten die sofortige vorläufige Einsperrung und Ab¬ 
sonderung des erkrankten und verdächtigen Geflügels anordnen. 
Die getroffenen vorläufigen Anordnungen Bind dem Besitzer der 
Tiere oder dessen Vertreter entweder zu Protokoll oder durch schrift¬ 
liche Verfügung zu eröffnen; auch ist der Ortspolizeibehörde davon 
Anzeige zu machen. 

§ 3. Die gutachtliche Erklärung des beamteten Tierarztes über den 
Ausbruch der Seuche iBt tunlichst auf das Ergebnis einer unter An¬ 
wendung der üblichen bakteriologischen Methoden vorgenommenen 
Untersuchung zu gründen. 

Auf die gutachtliche Erklärung des beamteten Tierarztes, daß 
der Ausbruch der Seuche festgestellt sei, hat die Ortspolizeibehörde 
die in den nachstehenden Paragraphen vorgeschriebenen Schutz¬ 
maßregeln anzuordnen und für die Dauer der Gefahr wirksam 
durchzuführen. 

§ 4. Ist der Ausbruch der Geflügelcholera oder der Hühnerpest in 
einem Orte festgestellt, so kann die Ortspolizeibehörde, falls die 
Seuche auf andere Bestände des Ortes übergreift, ohne Zuziehung 
des beamteten Tierarztes die polizeilichen Schutzmaßregeln an¬ 
ordnen. 

In solchen Fällen ist jedoch dem beamteten Tierarzt unter 
Angabe der Art und der Stückzahl des von der Seuche befallenen 


Geflügelbestandes sowie der erkrankten Tiere von der Ortspolizei¬ 
behörde kurze Mitteilung zu machen. 

§ 5. Der Ausbruch der Geflügelcholera oder der Hühnerpest in 
einer bis dahin Beuchenfreien Ortschaft iBt sofort auf ortsübliche Weise 
und durch Bekanntmachung in dem für amtliche Veröffentlichungen 
bestimmten Blatte (Kreis-, Amtsblatte) zur öffentlichen Kenntnis 
zu bringen. 

§ 6. In dem Seuchengehöft ist das gesamte Geflügel (§ 1) abzu¬ 
sondern, und zwar unter Trennung des kranken von dem übrigen 
Geflügel. 

Der Absonderungsraum ist derart einzurichten, daß er für 
fremdes Geflügel und in Freiheit lebende Vögel, insbesondere 
Tauben und Sperlinge, unzugänglich ist. 

Das abgesonderte Geflügel ist namentlich von öffentlichen 
Wegen und Wasserläufen, die das Seuchengehöft berühren, fern¬ 
zuhalten. 

§ 7. Das Seuchengehöft ist am Haupteingang oder an einer 
sonstigen geeigneten Stelle in augenfälliger und haltbarer Weise 
mit der Inschrift „Geflügelcholera“ oder „Hühnerpest“ zu versehen. 

§ 8. Aus dem Seuchengehöfte dürfen bei Geflügelcholera lebendes 
oder geschlachtetes Geflügel, sowie Teile von solchem, bei Hühner¬ 
pest lebendes Geflügel und geschlachtete Hühner aller Art ein¬ 
schließlich Truthühner, Pfauen, Fasanen, sowie Teile von solchen 
nicht entfernt werden. Für geschlachtetes Geflügel, bei Hühnerpest 
auch für lebende Gänse, Enten und Tauben können Ausnahmen 
von diesem Verbote von der Ortspolizeibehörde zugelassen werden, 
Bofem eine Weiterverbreitung der Seuche dadurch nicht zu 
befürchten ist 

Kot, Dünger und sonstiger Abfall (Federn), sowie Futterreste 
von Geflügel dürfen aus einem Seuchengehöfte nicht entfernt werden; 
auch ist der Besitzer oder dessen Vertreter anzuha’ten, Geflügel¬ 
händlern den Zutritt zu dem Gehöfte nicht zu gestatten. 

§ 9. Besteht die Gefahr einer größeren Seuchenausbreitung nicht 
nur für die betroffene Ortschaft, Bondern auch für ein weiteres 
Gebiet, so sind neben den besonderen, auf die einzelnen Seuchen¬ 
gehöfte bezüglichen Maßnahmen der §§ 5 bis 8 noch folgende 
Maßregeln anznordnen: 

1. Aufstellung von Tafeln mit der Inschrift: „Geflügelcholera“ 
oder „Hühnerpest“ an allen Eingängen des Seuchenortes; 

2. Verbot der Ausführung von für die Seuche empfänglichem 
lebendem Geflügel aus dem Seuchen orte; 

3. Verbot des Durchtreibens von Geflügel durch den Seuchen¬ 
ort. Lebendes Geflügel, das sich im Besitze von Geflügel¬ 
händlern befindet, darf auch in Wagen durch den Seuchen¬ 
ort nur durebgefübrt werden, wenn jeglicher Aufenthalt im 
Orte vermieden wird; 

4. Verbot der Ausstellung von Geflügel im Seuchenorte. Bei 
größeren Ortschaften kann die Anwendung aller oder 
einzelner Vorschriften dieses Paragraphen auf Ortsteile 
beschränkt werden. 

§ 10. Treten unter Geflügel, das sich auf dem Transporte befindet, 
Todesfälle ein, die sich nicht mit Sicherheit auf andere Ursachen 
als Geflügelcholera oder Hühnerpest zurückfuhren lassen, so hat 
derjenige, unter dessen Obhut Bich die Tiere befinden, dafür zu 
sorgen, daß die verendeten sowie auch die etwa getöteten Tiere, 
bis auf einige zum Zwecke der Feststellung der Seuche zu ver¬ 
wahrende Kadaver, entweder unterwegs oder am nächsten Stand¬ 
orte in der im § 1 Abs. 2 bezeichneten Weise unschädlich beseitigt 
werden. Zugleich ist dpr Ortspolizeibehörde unverzüglich Anzeige 
zu erstatten. Schon vor der amtlichen Seuchenermittlung ist die 
Abgabe von Geflügel aus solchen Transporten verboten und eine 
Berührung der Transporte mit anderem Geflügel, sowie eine Ver- 
streuung von Kot, Dünger, sonstigem Abfall (Federn) und Futter- 
resten zu verhindern. 

Wird bei Geflügel, das sich anf dem Transporte befindet, die 
Geflügelcholera oder die Hühnerpest festgestellt, so hat die Orts¬ 
polizeibehörde die Weiterbeförderung zu verbieten und die Ab¬ 
sperrung des Transports anzuordnen. Die Räumlichkeiten, Fahr¬ 
zeuge und sonstigen Behältnisse, in denen das Geflügel unter- 
gebraebt oder transportiert worden war, sowie die mit ihm in 
Berührung gekommenen Gerätschaften sind zu reinigen und zu 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


683 


2ä. Oktober 1903. 


desinfizieren. Im Falle die Tiere binnen 24 Standen einen Stand¬ 
ort erreichen können, wo sie durchseuchen oder abgeschlachtet 
werden sollen, kann die Ortspolizeibehörde die Weiterbeförderung 
unter der Bedingung gestatten, daß die Tiere mit der Eisenbahn, 
zu Wagen oder Schiff befördert werden und fremde Gehöfte nicht 
berühren. Vor Erteilung der Erlaubnis zur Überführung in einen 
anderen Polizeibezirk ist bei der Ortspolizeibehörde des BeBtimmungs- 
oites anzufragen, ob die Aufnahme der Tiere möglich ist. Wird die 
Erlaubnis zur Überführung in einen anderen Polizeibezirk erteilt, 
so ist die Ortspolizeibehörde des Bestimmungsortes von der Sachlage 
in Kenntnis zu setzen. Ausnahmsweise kann von vorstehender Be¬ 
stimmung auch Gebrauch gemacht werden, wenn der neue Standort 
nur in einer 24 Stunden übersteigenden Frist erreicht werden kann. 

Im übrigen gelten auch für die Behandlung von Seuchenfällen 
unter Geflügeltransporten die allgemeinen Vorschriften. 

§ 11. Die Räumlichkeiten, Fahrzeuge und sonstigen Behälinisse, 
in denen krankes oder verdächtiges Geflügel untergebracht war, sind 
gründlich zu reinigen und zu desinfizieren. Der Kot, der Dünger, 
die Futterreste und der zusammengekehrte Schmutz sind zu ver¬ 
brennen. Fußböden, Türen, Wände, Sitzstangen, Futter- und Tränk- 
gescbirre sowie sonstige Geräte Bind mit heißer Sodalaage (3 Raum¬ 
teile Soda auf 100 Raumteile Wasser) gründlich abzuwa9cben. 
Schadhafte und geringwertige Holzgegenstände sind zu verbrennen. 

Von Erd- und Sandböden sind die obersten Schichten auszu¬ 
heben und unschädlich zu beseitigen. 

Kadaver und Schlachtabfälle sind in der in § 1 Abs. 2 bezeich- 
neten Weise unschädlich zu beseitigen. 

Nach Trocknung und Lüftung der gereinigten Räumlichkeiten 
sind der Fußboden, die Wände und Türen mit Kalkmilch (ein Raum¬ 
teil frisch gelöschten (Ätz-) Kalkes auf 20 Raamteile Wasser) zu 
übertünchen. 

Wird die Desinfektion kleiner Schwimmbecken erforderlich, so 
empfiehlt es sieb, dem Wasser Chlorkalk, etwa ein Raumteil auf 
100 Raumteile Wasser, zuzusetzen und darin zu verteilen. Nach 
12 Stunden ist das Wasser abzulassen und das Becken zu reinigen. 

Die ordnungsmäßige Ausführung der Desinfektion ist durch die 
Ortspolizeibehörde und, sofern Bestände von Geflügelhändlern in 
Betracht kommen, durch den beamteten Tierarzt zu überwachen. 
Im letzteren Falle hat der beamtete Tierarzt der Ortspolizeibehörde 
eine Bescheinigung über die ordnungsmäßige Ausführung der Des¬ 
infektion einzureichen. 

§ 12. Die Geflügelcholera und die Hühnerpest gelten als erloschen 
und die Sperrmaßregeln sind aufzubeben: 

wenn seit Ablauf des letzten Seuchenfalles 14 Tage verflossen 
sind, oder wenn der ganze Geflügelbestand, bei der Hühnerpest 
mit Ausnahme von Tauben, verendet, getötet oder geschlach¬ 
tet ist, 

und wenn das Seuchengehöft vorschriftsmäßig gereinigt uud 
desinfiziert ist (§ 11). 

Das Erlöschen der Seuchen ist in gleicher Weise wie der Aus¬ 
bruch (§ 5) amtlich bekannt zu machen. 

§ 13. (Aufrechterhaltung älteior, bestimmt zu bezeichnender 
Vorschriften: 

a) betreffend das Verbot des Treibens von Geflügel (vgl 
Runderlaß vom 11. Juni 1898 I. G. 7706), 

b) betreffend Beschränkungen oder Verbote des Handels mit 
Geflügel im Umherziehen auf Grund des § 56 b Abs. 3 der 
Gewerbeordnung in der Fassung des Gesetzes vom 6. August 
1896 (R. G. Bl. S. 685), 

C) betreffend amtstierärztliche Untersuchung der zur Entladung 
gelangenden oder sonst eingeführten Geflügelsendungen, 

d) betreffend Maßnahmen zur Verhütung der Einschleppung von 
Geflügelseuchen aus dem Auslande (vgl. insbesondere den 
Runderlaß vom 20. Juli 1901 I. Ga. 5170). 

Ferner Hinweis auf die Regelung der Beaufsichtigung von Ge- 
flügelausBtellungen durch besondere Anordnung; endlich Aufhebung 
älterer, gleichfalls genau zu bezeichnender Anordnungen.) 

§ 14. Zuwiderhandlungen gegen diese landespolizeiliche An¬ 
ordnung unterliegen den Strafvorschriften in § 328 des Straf¬ 
gesetzbuches sowie in § 65 Nr. 2, § 66 Abs. 3 und 4, § 67 deB 
Reichsviehseuchengesetzes. 


§ 15. Die Aufhebung oder Abänderung dieser Anordnung wird 
erfolgen, sobald die eingangs gedachte Gefahr der Verbreitung der 
Geflügelcholera und der Hühnerpest nicht mehr besteht. 

Entwurf einer landespolizeiliehen Anordnung, betreffend die Überwachung 
von Geflügelausstellungen. 

Im Hinblick auf die zurzeit bestehende Gefahr der Verbreitung 
von Geflügelseuchen, namentlich der Geflügelcholera und der Hühner¬ 
pest, ordne ich auf Grund der §§ 17 bis 29 des Reichsgesetzes, be¬ 
treffend die Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen, vom 
23. Juni 1880/1. Mai 1894 (R. G. Bl. S. 153/409) und der §§ 1 und 7 des 
preußischen AuBfübrungsgesetzes zu diesem Gesetze vom 12. März 1881 
(G. S. S. 128), sowie des § 1 der Bundesratsinstruktion vom 30. Mai/ 
27. Juni 1895 (R G. Bl. S. 357) mit Genehmigung des Herrn Ministers für 
Landwirtschaft, Domänen und Forsten bis auf weiteres folgendes an: 

§ 1. Alle Ausstellungen von Geflügel (Gänse, Enten, Tauben, 
Hühner aller Art, einschließlich Truthühner, Pfauen, Fasanen) mit Aus¬ 
nahme der Brieftaubenausstellungen und solcher Ausstellungen, die 
ausschließlich mit Geflügel aus dem Ausstellungsorte selbst oder ans 
einem Umkreise von höchstens 10 km um diesen Ort beschickt 
werden, sind nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen amts¬ 
tierärztlich und veterinärpolizeilich zu beaufsichtigen. 

§ 2. Das für eine Geflügelausstellung bestimmte Geflügel muß bei 
seinem Eintreffen am Ausstellungsorte mit Ursprungszeugnissen ver¬ 
sehen sein, die eine Bezeichnung der einzelnen Tiere und die polizei¬ 
liche Bescheinigung enthalten müssen, daß der Herkunftsort der 
Tiere zurzeit seuchenfrei ist und daß in dem Gehöft, aus dem das 
Geflügel stammt, seit sechs Wochen weder die Geflügelcholera noch 
die Hühnerpest geherrscht hat. 

Ausnahmsweise darf Geflügel aus solchen größeren Orten 
zugelassen werden, in denen vereinzelt eine der vorgenannten 
Seuchen herrscht. 

§ 3. Das für die Ausstellung eingehende Geflügel ist amts¬ 
tierärztlich zu untersuchen. Diese Untersuchung hat tunlichst beim 
Ausladen, jedenfalls vor dem Verbringen in den Ausstellungsraum 
zu erfolgen. 

$ 4. Die zur Unterbringung des Geflügels auf der Ausstellung 
dienenden Käfige und sonstigen Behälter müssen vor dom Gebrauche 
gehörig gereinigt und desinfiziert werden. Die Art der Reinigung 
und Desinfektion bestimmt der überwachende beamtete Tierarzt. 

Getrennt von dem Ausstellungsraum ist ein zur Untersuchung 
und Absonderung kranken und verdächtigen Geflügels geeigneter 
Raum bereit zu halten. 

§ 5. Das Geflügel ist während der Dauer der Ausstellung fort¬ 
laufend durch die Ortspolizeibehörde oder deren Beamte und durch 
den beamteten Tierarzt zu beobachten. 

§ 6. Bricht in einer Ausstellung die Geflügelcholera oder die 
Hühnerpest aus, oder wird der Verdacht einer dieser Seuchen durch 
den beamteten Tierarzt festgestellt, so sind die erkrankten und die 
seuchenverdächtigen sowie die nach Lage der Umstände als an- 
steckungsvcrdächtig anzusehenden Tiere sofort in dem zu diesem 
Zwecke vorgesehenen Beobacbtungsraume (§ 4, Abs. 2) abzusondern 
und zn bewachen. Das Betreten dieses Raumes ist außer dem 
beamteten Tierarzte nur den mit der Pflege der Tiero betrauten 
Personen zu gestatten; der Zutritt zu den anderen Ausstellungs¬ 
räumen ist den letzteren zu verbieten. 

Diejenigen Plätze, an denen das kranke oder verdächtige 
Geflügel gestanden hat, oder von denen nach den Umständen anzu¬ 
nehmen ist, daß sie durch Kot, Futterreste usw., die von solchem 
Geflügel herrühren, verunreinigt wurden, sind sofort nach Anweisung 
des beamteten Tierarztes zu reinigen und zu desinfizieren. 

Die auf Grund eines Seuchenverdachtes getroffenen vorläufigen 
Maßregeln sind aufzuheben, sobald durch die in jedem Falle unter 
Anwendung der üblichen bakteriologischen Methode vorzunehmende 
amtstierärztliche Untersuchung der Verdacht nicht bestätigt wird. 
Zur Feststellung der Hühnerpest hat stets eine Impfung von Ver¬ 
suchstieren stattzufinden. Bei der Geflügelcholera empfiehlt sie 
sich in allen nicht zweifelfreien Fällen. 

§ 7. Solange der Verdacht einer Beuchenartigen Erkrankung be¬ 
steht, darf auch gesundes Geflügel, das sich auf der Ausstellung befindet, 
aus dem Ausstellungsorte nicht entfernt werden; dasselbe gilt, 
wenn der Seuchenausbruch durch den beamteten Tierarzt fest- 


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684 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 44. 


gestellt ist, für die Dauer von mindestens fünf Tagen nach dem 
letzten Erkrankongsfalle, der sich außerhalb des Beobachtungs¬ 
raumes unter dem Ausstellungsgeflügel ereignet hat. Die Unterbrin¬ 
gung des Geflügels kann auch in anderen Räumen am Ausstellungsort 
erfolgen, sofern damit die Gefahr einer Seuchenverschleppung nach 
dem Gutachten des beamteten Tierarztes nicht verbunden ist. 

Geschlachtetes, gesundes Geflügel darf unter der gleichen Vor¬ 
aussetzung auch aus dem Ausstellungsort ausgeführt werden. 

§ 8. Die Seuche gilt auch innerhalb der Ausstellungs- und 
Beobachtungsräume als erloschen und die Sperrmaßregeln sind 
aufzuheben, wenn alle kranken oder verdächtigen Tiere verendet 
oder getötet sind, oder wenn die Unverdächtigkeit des überlebenden 
Geflügels durch das Gutachten des beamteten Tierarztes festgestellt 
und wenn außerdem in allen Fällen eine Reinigung und Desinfektion 
der verseuchten Käfige, Behälter etc. und Räumlichkeiten nach 
Anweisung des beamteten Tierarztes ausgeführt und dies von ihm 
bescheinigt worden ist. 


§ 9. Für die nach § 1 von den vorstehenden Vorschriften ausge¬ 
nommenen Ausstellungen haben die Ortspolizeibehörden je nach 
Lage des Falles die zur Verhütung des Ausbruches und der Ver¬ 
schleppung sowie zur Unterdrückung von Geflügelseuohen erforder¬ 
lichen Anordnungen unter Berücksichtigung der allgemeinen Be 
Stimmungen über die Bekämpfung dieser Seuchen zu troffen. Jedoch 
ist regelmäßig von den in den §§2 und 3 vorgesehenen Beschränkungen 
(Beibringung von Ursprungszeugnissen und amtstierärztliche Unter¬ 
suchung vor dem Verbringen nach dem Ausstellungsraum) abzusehen. 

§ 10. Bezeichnung der außer Kraft tretenden älteren Anordnungen. 

§ 11. Zuwiderhandlungengegen diese landespolizeiliche Anord¬ 
nung unterliegen den Strafvorschriften in § 328 des Strafgesetzbuches 
sowie in § 66 Abs. 3 und 4, § 67 des Reichsviehseuchengesetzes. 

§ 12. Die Aufhebung oder Abänderung dieser Anordnung wird 
erfolgen, sobald die eingangs gedachte Gefahr der Verbreitung von 
Geflügelseuchen, insbesondere der Geflügelcholera und der Hühner¬ 
pest nicht mehr besteht 


Tabelle über die Verbreitung der Hühnerpest Formular A. 




Zahl der von der Hühnerpest im-Vierteljahre 19.... betroffenen 




Gehöfte j 

Tiere 




Bei Beginn 

Im Laufe | 

Am Schlüsse 

Im Laufe des Vierteljahres sind 



Gemeinden 


des Vierteljahres 


erkrankt 

gefallen oder getötet 

Bemerkungen 

Laufende N 

(Gutsbezirke) 

waren 

verseucht 

Gehöfte 

wurden von : 
der Seuche 
betroffen 
Gehöfte 

ist die 
Seuche 
erloschen in 
Gehöfte 

blieben ver¬ 
seucht 
Gehöfte 

Hühner 
aller Art 

Anderes 
Geflügel 
(nach 
Arten zu 
benennen) 

Hühner 
aller Art 

Anderes 
Geflügel 
(nach 
Arten zu 
benennen) 

1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

10 

11 


Generaltabelle über die Verbreitung der Hühnerpest. Formular B. 





Zahl 

der von der Hühnerpest 

im . . . 

Vierteljahre 19 . 

. . betroffenen 




Gemeinden (Gutsbezirke) und Gehöfte 

Tiere 


Verwaltungs- 

Bei Beginn 


Im Laufe 
des Vierteljahres 


Am Schlüsse 

Im 

Laufe des Vierteljahres sind 


bezirk 

waren 

verseucht 

wurden von der ist die Seuche 
Seuche betroffen erloschen 

blieben 

verseucht 

erkrankt 

gefallen oder 
getötet 

a 

<2 

s 

CS 


Ge¬ 
meinden Ge- 
(Guts- höfte 
bezirke) 

Ge¬ 
meinden 
(Guts¬ 
bezirke) j 

Ge- 

Ge- meinden 
höfte (Guts¬ 
bezirke) 

Ge¬ 

höfte 

Ge¬ 

meinden 

(Guts¬ 

bezirke) 

Ge¬ 

höfte 

Hühner 
aller 1 
Art 

Anderes Ge¬ 
flügel 

(nach Arten 
zu benennen) 

Hühner 
aller 
i Art 

Anderes Ge¬ 
flügel 

(nach Arten 
zu benennen) 

1 

2 

3 | 4 

5 

6 7 

8 

9 

10 

11 

12 

13 

14 


Personalien. 

Auszeichnungen: Der Königlich preußische Kronenorden dritter 
Klasse wurde verliehen dem Professor an der Tierärztlichen Hoch¬ 
schule zu Berlin Dr. FrÖhner. 

Ernennungen: Bezirkstierarzt Wilhelm Müller in Waldshut zum 
Zuchtinspektor des Verbandes der oberbadischen Zucbtgenossen- 
schaften in Radolfzell; Stadttierarzt Vicari in Giengen a. Br. zum 
Distriktstierarzt in Schillingsfürst; Tierarzt Kaspar laicht von Gau¬ 
stadt zum Distriktstierarzt in Neunkirchen bei Heiligen Blut in 
Niederbayern unter Übertragung des tierärztlichen Kontrolldienstes 
an der Grenzeingangsstelle Rittsteig. 

Wohnsitzverfinderung: Dr. Fauerbach aus Offenbach als Einj.-Freiw. 
zum 2. Feld-Art.-Regt. nach Würzburg. Die Tierärzte Seiffert von 
Pr.-Holland nach Marggrabowa und Dr. Müller von Straßburg i. E. 
als Volontärassistent an das tierhygienische Institut der Universität 
Freiburg i. Br. 

Examina: Promoviert wurde Tierarzt Ixdermann von der philos. 
Fakultät Berlin. 

In der Armee: Dem Stabsveterinär der Landw. 2. A. Dr. Stein¬ 
bach wurde der Abschied bewilligt. 

Todesfälle: Bezirkstierarzt a.D. Eimcächter in Konstanz. —Tierarzt 
Tribcrs in Plathe. — Departementstierarzt Hermann Wolff in Berlin. 


Vakanzen. 

(S. Nr. 40). 

Neu hinzugekommen: Bischofswerder: Schl.-Inspekt. 2000 M. 
Meldg. bis 15. Nov. a. d. Mag. — Briesen (Westpr.): Schl.-Ver- 
walter sofort, spätestens bis 1. Jan. 1500 M. Meldg. a. d. Mag. — 
Görlitz: Schl.-Direktor. 3000 M., von 3 zu 3 Jahren um 400 M. 
steigend bis 4600 M., Dienstwohnung mit 600 M., pensionsberechtigt 
Meldg. bis 5. Nov. a. d. Mag. — Mülheim a. Rhein: Hilfs-T. 
am Schlachthof. 2100 M. Meldg. a. d. Schl.-Direktor Arens. 

Besetzt: Magdeburg. 

In einer Privatangelegenheit bedarf ich eines Jahrganges 
des „tierärztlichen Zentralanzeigers“ aus der Zeit von 1896—1899» 
welchen ich in Berlin und durch den Buchhandel nicht erhalten 
kann. Sollte ein Kollege im Besitze. eines solchen sein, so 
würde er mir einen persönlichen Gefallen tun, wenn er mir 
denselben leihweise für kurze Zeit überlassen wollte. Auch 
eine Anzahl von Nummern aus jener Zeit würde mir schon ge¬ 
nügen, wenn ein vollständiger Jahrgang nicht aufzutreiben sein 
sollte. Ich bitte um baldige Antwort. Schmaltz. 

^Berlin. 


Verantwortlich fttr den Inhalt (exkL Inseratenteil): Prof. Dr. Schmaltz ln Berlin. — Verlag und Eigentum von Richard Schoetz ln Berlin. — Druck von W. B dienst ein 


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DU # Barllnar Tiertrstllche Wochenschrift* erscheint 
wöchentlich Im Verlage toi Richard Schoets in 
Berlin, Lnleenctr.86. Durch Jede« deutsche Postamt wird 
dieselbe tum Preise von M. 5 ,— vierteljlhrllch (M. 4,88 für 
die Wochenschrift, 19 Pf. für Bestellgeld) frei Ins Hat» 
geliefert (Deutsche Post-Zeltungs-Preisliste No. 1109, 
Oestarreichische No. 610, Ungarische No. 90.) 


Berliner 


Originalbelträge werden mit 60 11., in Petltsats mit 
•0 Mk. für den Bogen honoriert Alle Manuskripte, 
Mitteilungen and redaktionellen Anfragen beliebe man 
au senden an Prof. Dr. Schmalts, Berlin, tierint* 
liehe Hochschnl«, NW, Lulsennrasse 56. Korrektoren, 
Reseoslons-Exemplare and Annoncen dagegen an die 
Verlagsbuchhandlung. 


Tierärztliche Wochenschrift 


Redaktion: 

Professor Dr. Schmaltz-Berlin 

Verantwortlicher Redakteur. 


De Bruln 

Dr. Jess 

Kühnan 

Dr. Lothes 

Nevermann 

Prof. Dr. Peter 

Peters 

Professor 

Krelstierarst 

Schlechthofdirektor 

Departementstlerarst 

Krelstierarst 

Krelstierarst 

Departementstlerarst 

Utrecht 

Charlottenbnrg. 

Cöln. 

Cöln. 

Bremervörde. 

Angermünde. 

Bromberg. 


Preusse 

Dr. Roeder 

Dr. Schlegel 

Dr. Vogel 

Zünde! 



Veterinäre ss essor 

Profeseor 

Professor 

Lendestleraret r. Beyern Krelstierarst 



Danzig. 

Dresden. 

Freibarg i. Br. 

München. 

Mülhausen i. E 



Jahrgang 1903. Jfä 45 . Ausgegeben am 5. November. 


Inhalt: Friederich: Rachitische Veränderungen am Kopfe eines Schweines. — Evers: Erfahrungen über die Behandlnng 
des Kalbefiebere mit Luftinfnsion in das Enter. — Schmitt: Nochmals die Kontrollvereine etc. — Plattschek: 
Über Brechung de r Zehenachse. — Referate: Imminger: Zur Kastration der Kryptorchiden. — Fauerbach: Unter¬ 
suchungen über die Arthritis purulenta traumatica des Pferdes. — Bostrom: Eine Rinderkrankheit im südlichen Zentral- 
Nebraska während der Jahre 1899 und 1900. — Therapeutische Mitteilungen aus der Armee. — Vall6: Die histologische 
Diagnose der Tollwut. — Jeß: Wochenübersicht über die medizinische Literatur. — Tagesgeschichte: Nocards Werke. — 
Verschiedenes. — Staatsveterinärwesen. — Fleischbeschau und Viehhandel. — Bücheranzeigen und Kritiken. — Personalien. 
— Vakanzen. 


Rachitische Veränderungen am Kopfe eines Schweines. 

Von 

Friederich - Hersfeld. 

SchlachthofVerwalter. 


Die anbei veröffentlichten 
photographischen Aufnahmen geben 
ein Bild von den umfassenden Ver¬ 
änderungen, welche auf rachiti¬ 
scher Grundlage am Kopfe eines 
einjährigen Schweines hervorge¬ 
bracht waren. 

Nach dem Vorbericht waren 
die ersten Krankheitserscheinnngen 
ein halbes Jahr vor der Schlach¬ 
tung anfgetreten. Das Atmen war 
mit starkem, schniebendem Ge¬ 
räusch verbunden gewesen, nnd 



bei stärkerer Atemnot war die 
Ausatmung teilweise durch das 
Maul erfolgt. Die Fntteraufnahme 
war dagegen trotz der Defor¬ 
mation der Kieferknochen nnd des 
Gaumens leidlich geblieben. 

Die erkrankten Kopfknochen 
erwiesen sich bei der Unter¬ 
suchung als weich-elastisch, von 
fast knorpelartiger Konsistenz. An 
den Knochen des Rumpfes nnd der 
Extremitäten bestand keine rachi¬ 
tische Erkranknng. 



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686 

Erfahrungen Uber die Behandlung des Kalbefiebers 
mit Luftinfusion in das Euter. 

Von 

Evere -Waren, 

Bezirkstierarzt. 

Die teilweise mangelhaften Erfolge, die einige Kollegen mit 
meiner in Nr. 32 der Berliner Wochenschrift 1902 veröffent¬ 
lichten einfachsten Behandlung des Kalbefiebers seit einem 
Jahre gemacht haben, geben mir Veranlassung, meine allerdings 
noch etwas verbesserte Behandlungsmethode nochmals zu be¬ 
schreiben. 

Ich darf bemerken, daß ich vom Monat Mai 1902 bis 
16. Oktober 1903 66 Kühe an Kalbefieber in den ver¬ 
schiedensten Stadien behandelt habe und nur zwei 
Todesfälle verzeichnen kann. Nicht unerwähnt darf ich 
lassen, daß nach vollständigem Verschwinden der Kalbefieber¬ 
symptome weitere vier Kühe wegen Lungenentzündung (Fremd¬ 
körperpneumonie) geschlachtet worden. 

Von den beiden Krankheitsfällen starb ein Tier (I) an 
typischem Kalbefieber iy 2 Stunde nach Einleitung der Behandlung 
und 14 ständiger Krankheitsdauer, die andere Kuh (II) 8y 2 Stunden 
nach der Behandlung an Erstickung infolge von eingetretenem 
schwerem Lungenemphysem. 

Die Kuh I, dem Gutspächter S. in L. gehörend, war eine 
schwarzbunte, 4 Jahre alte Ostfriese, sehr gut genährt. Das 
Tier hatte am 5. Oktober 1902, abends 11 Uhr sehr leicht 
gekalbt. Die Eihäute waren unmittelbar nach der Geburt ab¬ 
gegangen. Die ersten Erscheinungen des Kalbefiebers sollen 
am 6. Oktober, abends 9 Uhr aufgetreten sein. Requisition am 
7., morgens 9 Uhr. Behandlung 11 Uhr morgens. Die bewußt¬ 
los, breit auf der Seite liegende Kuh hatte eine Temperatur von 
36,2° C. Der Puls war nicht zu fühlen; die Atmung geschah 
oberflächlich und ruhig. Der Augapfel liegt tief zurück und 
ist, ohne Empfindung zu äußern, mit dem Finger zu berühren. 
Während der Behandlung wurde von dem Tier nicht die ge¬ 
ringste Bewegung, weder des Kopfes noch der Extremitäten 
ausgeführt. Das Tier erhält sofort 5 g Coffein in 40 g Wasser 
subkutan am Halse. Das Euter wird nach gründlicher Reinigung 
und Entleerung der Milch stramm voll Luft gepumpt. Nachdem 
die Behandlung beendet, wird das Tier etwas unruhig, versucht 
den Kopf zu heben und macht Bewegungen mit den Beinen. 
Bei diesen Bewegungen strömt unter starkem Geräusch ziem¬ 
lich viel Luft heraus, doch war noch eine ziemliche Spannung 
des Enters vorhanden. Ohne erhebliche Unruhe gezeigt zu 
haben, starb das Tier unter komatösen Erscheinungen 12y 2 Uhr. 

Die Kuh II, dem Rittergutsbesitzer v. W. S. in Schw. ge¬ 
hörend, war eine 6 Jahre alte, rote Angeier. Das gut genährte 
Tier hatte mit einer zweiten, gut genährten, ebenfalls 6 Jahre 
alten, roten Angeierkuh am 29. September 1903, nachmittags 
1 Uhr leicht gekalbt. Bei beiden Tieren waren die Eihäute 
kurz nach der Geburt abgegangen. Beide Tiere erkrankten am 
30. September mittags 11 Uhr an schwerem Kalbefieber. Bei 
meiner Ankunft in S., 3 Uhr nachmittags, lag die eine Kuh auf 
der rechten, breiten Seite ruhig. Temperatur 36,4 0 C. Körper¬ 
oberfläche kühl. Puls 84, sehr schwach fühlbar. Atmung tief, 
oberflächlich und ruhig. Das Tier legte sich 30 Minuten nach 
der Behandlung normal hin. Das bis dahin auffallend trockene 
Flotzmaul wurde feucht; es bildeten sich förmliche Perlen auf 
demselben. Die allgemeine Körpertemperatur war angenehm 


No. 45 


warm. Nach weiteren 15 Minuten trank das Tier Wasser, fing 
an wiederzukäuen, soll wenige Zeit darauf aufgestanden sein 
und ist heute noch gesund. 

Die andere Kuh (Kuh II) war sehr unruhig. Das Tier lag 
bald auf den normal untergeschlagenen Füßen mit hinterwärts 
hängendem, auf den Fußboden gestütztem Kopfe, bald aber 
auf der breiten rechten oder linken Seite. Das Tier 
wälzte sich förmlich und hielt dabei den Kopf mit den 
Nasenöffnungen häufig senkrecht nach oben. Dabei bestand 
reichliche Speichelabsonderung. Die Temperatur war 37,2 C; 
Puls schwach fühlbar. Bei der Unruhe des Tieres konnte die 
Zahl nicht genau festgestellt werden; dieselbe wurde auf 120 bis 
140 geschätzt. Die Atmung war beschleunigt, 65 mal in der 
Minute. Eine halbe Stunde nach der Behandlung wird das Tier 
ruhiger und liegt dauernd auf der rechten Seite. Um 5 Uhr 
soll in dem Befinden des Tieres eine Besserung insofern ein¬ 
getreten sein, als dasselbe sich in die normale Lage, mit unter¬ 
geschlagenen Schenkeln, gelegt und etwas Wasser getrunken 
habe. Das Tier soll aber hochgradige Atemnot gezeigt, sehr 
beschleunigt geatmet und häufig matt gehustet haben. In der 
Nacht 4 Uhr ist der Tod eingetreten, ohne daß das Tier auf¬ 
gestanden ist. Die am 1. Oktober ausgeführte Sektion ergab 
hochgradiges Lungenemphysem und Ödem mit beginnender 
Lungenentzündun g. 

Während der Fall I das typische Ende des Kalbefiebers 
darstellt, kann man das Ende des zweiten Falles wohl kaum 
als typisch bezeichnen; vielmehr muß zugegeben werden, daß 
die normale Lage und das selbständige Trinken eine ent¬ 
schiedene Besserung, wenn nicht Heilung des ursprünglichen 
Leidens darstellten. Der Tod ist mit Sicherheit auf das durch 
die große Unruhe bedingte Lungenemphysem und die Fremd¬ 
körper-Lungenentzündung zurückzuführen. 

Somit bleibt von den 66 an Kalbefieber behandelten 
Kühen nur ein letaler Ausgang übrig, der wahrscheinlich 
auch nur auf die zu spät eingeleitete Behandlung zurückzuführen 
ist. Andererseits muß ich gestehen, daß ich nach diesem töd¬ 
lichen Falle 11 gleiche Fälle sah, die gleichfalls 14—20 Stunden 
alt waren und dennoch zu vollständiger Genesung führten. Den 
günstigen Ausgang dieser schweren und sehr spät behandelten 
Fälle glaube ich darauf zurückzuführen, daß ich nach be¬ 
sonders starkem Vollpumpen des Euters sofort einen 
Verschluß der Zitzen durch einen Gummiring vornehme. 

Wer es gesehen hat, wie große Mengen Luft bei der 
geringsten Bewegung des Tieres dem Euter entströmen, wenn 
die Zitzen nicht zugehalten werden, der kann sich nicht wundern, 
wenn das stramm gefüllte Euter wenige Minuten später fast 
zur Norm zusammengefallen ist. Auch das Zusammendrücken 
der Zitzen mit der Hand ist nicht in allen Fällen möglich, ja 
bei der häufig großen Unruhe der Tiere vielfach unmöglich. 
Und wenn die den Verschluß der Zitze ausführende Hand nur 
für einen Augenblick fortgenommen werden muß, so kann ein 
solches Quantum Luft entweichen, daß der Erfolg verzögert 
wird oder überhaupt nicht eintritt. Ich muß es offen lassen, 
ob der letale Ausgang des Falles I auf die spät eingeleitete Be 
handln ng oder auf das vielleicht zu reichliche Entweichen der 
Luft zurückzuführen ist. 

Nach diesen Erwägungen besteht meine Behandlung des 
Kalbefiebers heute in folgendem: Das Tier erhält sofort 5 g 
Coffein, natr. bencoic. in 40 g Wasser subkutan. Das Tier 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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5. November 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 687 


wird auf die breite Seite gelegt; ein Mann drückt den Kopf 
nieder derart, daß die Nase möglichst niedrig liegt, die Hörner 
hoch. Zwei Männer halten den oben liegenden Hinterschenkel 
hoch. Nnn wird das Enter ansgemolken und gnt gereinigt. 
Nachdem ein reiner Sack unter das gereinigte Euter geschoben, 
trockne ich das Enter, besonders die Zitzen, mit einem reinen 
Handtnch ab und pnmpe das Euter voll Luft. Sobald das 
Enterviertel stramm gefüllt ist, lasse ich die Zitzen hoch oben 
fest zusammendrücken nnd schiebe auf das untere Ende, ziemlich 
dicht über dem Schließmuskel, einen Gummiring. Damit der 
Gummiring auch den richtigen Verschluß hervorruft und nicht 
zu fest oder zu lose liegt, ist über denselben ein enger Metall¬ 
oder Glasring gezogen. Darch Verschiebung dieses Ringes 
kann dem Gummiringe jede passende Weite gegeben werden. 
Diese Ringe werden nach den ersten Erscheinungen der Besserung, 
spätestens aber nach l 1 ^—2 Stunden abgenommen, um nicht 
ein Absterben der Zitzen zu erzeugen. Die Ringe sind bei 
Hauptner zu haben. 

Während ich in meinem ersten Artikel in Nr. 32 1902 
empfahl, das Tier 2—3 Stunden nach dem Aufstehen wieder 
melken zu lassen, so empfehle ich heute dringend, das Tier erst 
24 Stunden nach der Behandlung zu melken. Durch zu 
frühes Melken entstehen Recidive. 

Wer diese Behandlung genau macht, der wird oft schon 
nach 30 Minuten eine vollständige Wiederherstellung des früher 
unheilbaren Tieres sehen. Ich glaube, mit Sicherheit anzunehmen, 
daß nicht der Sauerstoff der Luft die günstigen Erfolge in der 
Kalbefiebertherapie zeitigt, sondern einzig und allein die 
durch die starke Ausdehnung der Milchkanäle etc. 
zurtickgedrängte gewaltige Blutzufuhr zum Enter. Ob 
Luft oder Sauerstoff genommen wird, ist im Erfolge vollständig 
gleich, wenn nur eine starke, bis zu den ersten Symptomen der 
Besserung anhaltende Füllung des Euters mit einem indifferenten 
Gase erfolgt. 

Nochmals die Kontrollvereine etc. 

Von 

Schmitt-Cleve, 

Krelatlerarzt. 

In der Nr. 37 der „Deutschen landwirtschaftlichen Tierzucht“, 
übrigens einem empfehlenswerten Blatt, beschäftigt sich ein ano¬ 
nymer Leitartikel am Schlüsse mit meinem kleinen Aufsatz über 
den gleichen Gegenstand: Kontrollvereine etc., der in Nr. 33 der 
B. T. W. erschienen war. Anscheinend erfährt sein Inhalt eine 
etwas abfällige Kritik. Wer aber die beiden Aufsätze aufmerksam 
überdenkt und in dem des landwirtschaftlichen Blattes zwischen 
den Zeilen zu lesen versteht, wird sich sagen müssen, daß ich 
recht hatte, auch vom tierärztlichen Gesichtspunkte aus die 
Angelegenheit einmal zu beleuchten. Sind doch alle die Bedenken, 
die ich geäußert habe, wie es sich jetzt zeigt, auch schon von 
anderen gedacht worden. Natürlich gehört, um meine Initiative 
und die Tragweite der Angelegenheit richtig zu begreifen, ent¬ 
sprechende Begabung dazu, nicht rücksichtlich von Eigenschaften 
des nackten Verstandes, sondern wobei auch das Gemüt zu 
seinem Rechte kommt. Daran aber fehlt es in landwirtschaft¬ 
lichen sowohl als auch selbst in tierärztlichen Kreisen. Wer 
einzig rechnerisch zu Werke geht — und dieses Gefühl haben 
Außenstehende heute von der Art des landwirtschaftlichen Be¬ 
triebes — trägt sicher dazu bei, die Tierzucht in ihren Funda¬ 


menten zu untergraben. Anders aber wo Lust und Liebe besteht, 
vor allen Dingen zu dem Tierindividuum selbst. Ich vermisse 
aber diese beiden Faktoren bei der Durchführung unserer Zucht¬ 
bestrebungen sehr. Die Statistik kann mit bloßen Zahlen, 
Stücken rechnen; dem Züchter aber muß jedes einzelne Tier 
ans Herz gewachsen sein, er muß mit ihm fühlen. Das liebe¬ 
volle Verständnis für die Tiere muß die belebende Sonne werden, 
durch deren milde Strahlen allein die kümmerliche Pflanze der 
Hygiene auf landwirtschaftlichem Boden gedeihen kann. 

Wohl wird heute — ein Fortschritt gegen noch vor 30 Jahren 
— schon viel Gewicht auf körperliche Pflege der Tiere gelegt, weil 
man gefunden hat, daß diese den Habitus und die Ertragsfähig¬ 
keit verbessert. Daß die gemütvolle Pflege eines Tieres aber 
auch ihre Früchte tragen würde, ist nach meiner Ansicht zweifellos. 
Doch ich übersehe wahrscheinlich, daß das Tier keine Seele hat!? 
Wie wohltuend wirkt es, wo „Ben Hur“ mit Kosenamen den 
Ehrgeiz seines Rennpferdes stachelt statt mit der Peitschei 
Tierzucht lehren und Tiere erzeugen kann jeder, aber Tiere 
verstehen, erziehen und seinen Bestand gesund erhalten nur 
selten jemand; das wird sich bessern, je mehr die Begriffe vom 
Tier von ihrer empirischen Roheit verlieren. 

Den Ausfall auf meine Unkenntnis von Namen beachte ich 
nicht weiter; denn ich habe ja geschrieben: u. a. — daß ich 
ungerechtfertigt zu einem prinzipiellen Gegner der Kontroll¬ 
vereine gestempelt werde, ist leicht zu erkennen, wenn man 
gef. lesen will, was ich gesagt habe: „Die Wirkung der ersteren 
wird hoffentlich recht bald nach allen Seiten hin wissenschaftlich 
und praktisch gründlich durchgearbeitet“. Wie sehr aber meine 
Warnung vor der allgemeinen Anwendung des Hegelundschen 
Melkverfahrens angebracht war, bestätigt der Verfasser jenes 
Artikels selbst. Denn wie weit schwenkt das darin Gesagte ab 
von jener Propaganda, wie sie zurzeit bereits von Landwirt¬ 
schaftslehrern für das Verfahren betrieben wurde. Es wird mir 
niemand abstreiten können, daß die Einführung des Verfahrens 
so gedacht war, als sollte von jetzt ab gar nicht mehr anders 
gemolken werden, war doch schon ausgerechnet, wie viel 
Millionen der deutschen Landwirtschaft mehr in den Schoß 
fallen würden, heute aber gibt man schon zu, daß das Hege¬ 
ln ndsche Melkverfahren eigentlich mehr medizinische oder doch 
diätetische Bedeutung haben solle, denn der Schreiber jenes 
Artikels sagt selbst: daß es eigentlich nur dort am Platze sei, 
wo die Milchdrüse ungenügend arbeite. Wann ist es aber genug? 
Was ist ungenügend? Es tut mir heute wohl, daß mich mein 
Gefühl richtig geleitet hat, als ich eine helle Freude hatte beim 
Ausspruch einer Magd, die sich das Hegelundsehe Verfahren 
zurzeit der Erlernung ansehen sollte: Der kann mich (1J doch 
nichts lehren. — Die Frage, ob es dem Menschengeschlecht 
etwas geschadet habe, wenn heute mehr Anforderungen in 
geistiger oder körperlicher Beziehung an es gestellt werden, 
betrachte ich als nicht ernsthaft gemeint, verweise aber auf die 
kürzlich erfolgten Ausführungen des Herrn Prof. Alsberg in 
Kassel. 

Über Brechung der Zehenachse. 

Von 

Platschek-Schrimm. 

Vom mathematischen Standpunkte kennt man nur die 
Brechung einer Linie ohne Angabe ihrer Richtung. Ob die 
Brechung nach vorn oder nach hinten etc. erfolgt., ist demnach 


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688 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 45 


vielfach Ansichtssache, in vielen Fällen auch vom Sprach¬ 
gebrauch abhängig, der dnrch die Lage der Winkelschenkel zur 
ursprünglich geraden Linie bestimmt wird. Die Zehenachse ist eine 
gedachte gerade Linie und besteht wie jede Gerade aus einer 
großen Zahl nebeneinander und in derselben Ebene liegender, 
sich berührender Punkte. Dadurch, daß die gerade Linie bei 
der Brechung an einem dieser Punkte durch 
bestimmte Einwirkungen einen Winkel 
bildet, z. B. bei x, glauben wir diesen 
Punkt x an einer anderen Stelle (tiefer 
oder höher, außerhalb oder innerhalb der 
Geraden) zu sehen, während er in Wirklich¬ 
keit auf ihr verbleibt und durch die Drehung 
v der Linie xA um den fixen Punkt x nur 
eine Verschiebung, eine Verlagerung 
der Linie x A in die Richtung der 
Linie xA t nach vorn und der Linie 
x A 2 nach hinten ubw. erfolgt. Streng mathematisch ist das 
gar keine Brechung, sondern eine Verlagerung, und die nur so 
zustande gekommene Winkelbildung täuscht unserem Auge eine 
wesentliche Lageveränderung der Geraden und des Winkel¬ 
scheitels vor. 

Hiernach unterliegt es keinem Zweifel, daß die Zehenachse 
des Pferdes bis zu dem Punkte, wo die sogenannte Brechung 
erfolgt, in ihrer Lage verbleibt, daß also bei der Bildung des 
Winkels eine Verlagerung der Bruchstelle überhaupt nicht oder 
in nur ganz unbedeutendem Grade stattfindet. Und deshalb ist 
hierbei „das in die Augen springendste“ nicht, wie Herr Schiel 
annimmt, die Verlagerung der Bruchstelle, sondern gerade die 
Verlagerung des Winkelschenkels, und sie muß für die 
Bezeichnung der Brechung nach der dem Winkelscheitel ent¬ 
gegengesetzten Richtung maßgebend und entscheidend sein. 
Dann muß man logischerweise von einer Brechung nach vorn 
und umgekehrt von einer solchen nach hinten im Sinne 
Prof. Eberlei ns sprechen. 

Die weitere Benennung nach vorn und oben halte ich für 
überflüssig, weil sich aus der Verschiebung nach vorn oder 
hinten die Richtung nach oben oder unten von selber ergibt. 
Wenn ein Baum bricht und der gebrochene Teil nach der 



in eiDer anderen Achse als der brechende Körper selber befindet 
und deshalb zum Vergleich für den strittigen Fall nicht heran¬ 
gezogen werden kann. Nur will mir Fricks Begründung nicht 
einleuchten. Frick meint, daß der Stab bricht „durch den 
Druck, welchen das Knie an der besagten Stelle auf den Stab 
ausübt“. Das ist nicht richtig. Der Stab bricht vermöge dieses 
Druckes und durch den Kraftaufwand beider Hände. Hierbei 
wirken nach physikalischem Gesetz beide Kräfte gleich¬ 
mäßig und in entgegengesetzter Richtung. Für die Ent¬ 
scheidung der Frage, nach welcher Richtung der Stab gebrochen 
wird, kann demnach bei dem gewählten Beispiel der Druck allein 
nicht ausschlaggebend sein. 

Die Beurteilung und Erklärung vieler solcher Beispiele er¬ 
folgt weniger nach dem Sprachgebrauch als nach persönlichem 
Empfinden und daher in vorliegender Frage die Meinungsver¬ 
schiedenheiten, welche wie immer nur im Wege wissenschaft¬ 
licher Forschung und praktischer Erfahrung beigelegt werden 
können. Sollte man sich über die Brechung mit der Zeit doch 
nicht einigen, so ist Prof. Schmaltz’ Vorschlag, die bisherige 
Bezeichnung fallen zu lassen und die Verlagerung der Zehen- 
achse nach der Richtung der Winkelspitze anzugeben, an¬ 
nehmbar, denn er schließt unter allen Verhältnissen jede 
Unklarheit, jeden Zweifel auB. Die Bezeichnungsweise 
„gewinkelt“ ist auch praktisch, weil man sich aus der anzu¬ 
gebenden Winkelgröße über den Grad der Verlagerung alias 
Brechung der Zehenachse eine richtige, den natürlichen Ver¬ 
hältnissen angepaßte Vorstellung machen kann, was für die Be¬ 
gutachtung gewisser unheilbarer Zustände mit Brechung der 
Zehenachse von erheblicher Bedeutung ist. 

Zum Schluß noch eins: Eine sachliche Kritik liegrt gewiß 
im Interesse der Wissenschaft; sie muß ihre Pointe in einer 
sachgemäß begründeten Erörterung erblicken und das Persönliche 
vollständig aus dem Spiele lassen, sonst verliert sie ihren Wert 
und ihre Wirkung. Dabei braucht sie die Bahnen vornehmer, 
liebenswürdiger Offenheit nicht zu verlassen. 


Referate. 


Straße zu fällt, so sagt man, der Baum ist nach der Straße zu 
gebrochen, also auch hier in der dem Winkelscheitel entgegen¬ 
gesetzten Richtung. 

Von einem mit dem Oberkörper nach vorn geneigten 
Menschen sagt man, er geht nach vorn gebückt, obwohl der 
Oberkörper dabei mit dem Unterkörper einen Winkel bildet, 
dessen Scheitel nach hinten, also nach der entgegengesetzten 
Seite zeigt, und obwohl eine Winkelung der Wirbelsäule, ja 
sogar eine Verlagerung des Bruchwinkels zweifellos erfolgt. 

Alle diese und ähnliche Beispiele sprechen für Eberl eins 
Auffassung, daß wir die Richtung der Brechung nach der 
Richtung der eingetretenen Verlagerung bezeichnen. 

Im übrigen Bind die beiden Worte „gebrochen und ein¬ 
geknickt“ begrifflich nicht identisch. 

Man streitet darüber, ob ein vor und über dem Knie ge¬ 
brochener Stab nach vorn oder nach hinten gebrochen ist. 
Prof. Frick (s. D. T. W. Nr. 37) und Schiel sagen nach vorn, 
Prof. Eberlein spricht sich in entgegengesetzem Sinne aus. Ich 
will die Berechtigung der einen oder der anderen Auffassung 
nicht erörtern, weil sich der Stab bei der gedachten Prozedur 


Zur Kastration der Kryptorchiden. 

Von Prof. Imminger, München. 

(ZeiUcfar. f. Tlerraediiln. VII. B. 2. H. 8. 139—152.) 

Professor Imminger unterzieht die Kryptorchidenoperation 
einer eingehenden Besprechung nach Vorbereitung und Aus¬ 
führung, um ihr, wie er sagt, dadurch den Nimbus einer 
großartigen Operation zu nehmen und so vielleicht einiger¬ 
maßen zur mehr allgemeinen Durchführung zu verhelfen. 

Vorausgehen muß der Operation die Feststellung, welcher 
Hoden retiniert wird, ob beide oder ob einer, ob etwa ein 
Hoden durch Kastration entfernt ist und welcher, auf welcher 
Seite also der andere, retinierte Hoden zu suchen ist. Diese 
Feststellung kann mit Sicherheit nur durch rektale Unter¬ 
suchung geschehen. Um die Exploration zu vereinfachen und 
eventuell auch die Konstatierung des genaueren Sitzes des 
Hodens zu ermöglichen, sorge man für eine Verminderung der 
Füllung der Gedärme und lasse deshalb das Tier zuvor einige 
Tage auf halbe Ration Hafer und Heu setzen, Häcksel über¬ 
haupt nicht füttern und, um auch einer Aufnahme von Stroh 
aus der Streu vorzubeugen, einen Maulkorb anlegen. Am Vor- 


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5. November 1903. 

abend der Operation wird nur etwas Kleienschlapp gereicht, am 
folgenden Morgen gar nichts. 

Die Untersuchung, die im Interesse exakter Asepsis nicht 
erst am Tage der Operation, sondern schon früher ansgeführt 
wird, hat nnn zunächst zu ermitteln, ob es sich am inguinale 
oder abdominale ßetention handelt. Man sucht also den Leisten- 
kanal auf. Dabei ist es wichtig zu wissen, daß der innere 
Leistenring verschiedene Lage und Weite hat. Er liegt bei 
edlen Pferden höher als bei kaltblütigen; bei letzteren häufig 
im Niveau des vorderen Beckenrandes. Außerdem liegt beim 
gleichen Individuum der linke zumeist weiter unten als der 
rechte. Seine Weite ist bei kaltblütigen Pferden bedeutender 
als bei warmblütigen und beim gleichen Tier wieder links größer 
als rechts. Auch die Entfernung des Bauchringes vom vorderen 
Beckenrand ist verschieden groß und man muß über die ge¬ 
wöhnliche Entfernung von etwa 3 cm oft noch weit nach vor¬ 
wärts suchen. Liegt abdominale Retention vor, so ist der innere 
Leistenring nur durch einen schwachen Wulst angedeutet. Bei 
inguinaler ist er ebenso weit wie der äußere. Bei letzterer 
Form findet er sich häufiger links als rechts. Zuweilen steckt 
dabei auch nur der Nebenhoden samt dem rankenförmigen Ge¬ 
flecht im Leistenkanal, während der Hoden in der Bauchhöhle 
liegt. 

Für die Aufsuchung des Hodens in der Bauchhöhle ist zu 
wissen, daß der retinierte Hoden gewöhnlich kleiner als nor¬ 
mal, schlaff und weich ist und bald an einem ganz kurzen, bald 
einem ganz langen Gekröse hängt.' Er könnte etwa mit der 
Blase oder einem Faecesballen verwechselt werden, weshalb 
man Becken und Blase zweckmäßig entleert. Sehr häufig liegt 
er neben letzterer. Wird er bei horizontaler Stellung des 
Tieres nicht gefunden, so läßt man dieses mit den Vorderfüßen 
höher stellen. Hängt nämlich der Hoden an langem Gekröse, 
so fällt er nun in die Beckenhöhle und kann durch Streichen 
mit der Hand von vorne nach rückwärts gefohlt oder an seinem 
Gekröse erkannt werden. Hängt er umgekehrt an kurzem Ge¬ 
kröse, so kann er leichter bei Hochstellung des Hinterteils aus¬ 
findig gemacht werden. 

Die Operation soll der Praktiker stets im Freien vor¬ 
nehmen und bei ungünstiger Witterung lieber verschieben, als 
im geschlossenen Raume ausführen. Als Lager benutze er eine 
gut ausgeklopfte, mit Wasser etwas angenetzte und so staub¬ 
frei gemachte Strohstreu. Vor dem Abwerfen sind dem Tiere 
die Hufe peinlich zu säubern und eventuell auch noch mit einem 
Handtuch zu umwickeln, sodaß bei Abwehrversuchen kein 
Schmutz auf die Operationsfläche fallen kann. Abzuwerfen ist 
das Tier nach der dem einzelnen geläufigen Methode — be¬ 
sondere Vorteile der dänischen bestreitet Imminger — so, 
daß die vermutlich den Hoden bergende Seite nach oben kommt. 
.Zur Narkose darf bei ausgehungerten Pferden nur wenig Chloro¬ 
form verwendet werden; 40—50,0 reichen zumeist aus. Her¬ 
nach wird der obere Hinterfuß mit dem Hauptfessel hoch¬ 
gezogen, sodaß der Huf auf den gleichseitigen Vorarm zu liegen 
kommt und nach der Methode von Dägive das Sprunggelenk 
dadurch in starke Flexion gebracht, daß man ein dickeB, ge¬ 
schmeidiges Seil, nicht eine Leine, die einschneiden könnte, in 
8er Touren von der Röhre zum Unterschenkel und wieder zurück 
führt. Dabei wird gleichzeitig die Skrotalgegend nach Merk¬ 
malen abgesucht, die die Seite verraten könnten, auf der even¬ 
tuell schon früher ein Hoden entfernt wurde. Zeigt sich, daß es 


689 


die untere Seite ist, so wird das Pferd über den Rücken ge¬ 
wälzt. Bleiben Zweifel bestehen, so wird in Rückenlage operiert, 
die der Verfasser überhaupt stets wählt. Er stellt sie so her, 
daß eine platte -longe oder ein Seil um die Fessel des unteren 
Hinterfnßes angelegt und von hinten her unter das Tier herein 
und dnrch ein paar Mann, die am Kreuze stehen, unter den 
Körper hervorgezogen wird, sodaß sich der gefaßte Hinter¬ 
faß und die mit ihm durch die Fesselriemen verbundenen 
Vorderbeine gegen den Bauch einschiagen. Um diese Stellung 
zu fixieren, wird dann das freie Ende der platte - longe 
unter dem ausgebundenen, oberen Hinterfuß hindurchgeführt 
und ein paar Mal um den schon mit der Schleife ihres anderen 
Endes gefaßten Fessel herumgewickelt. Dann werden noch um 
den Unterschenkel dieser Extremität und um die beiden Unterarme 
SträDge gelegt und an diesen, sowie am Hauptseil, den Enden 
von platte-longe und D6give-Seil das Pferd auf den Rücken 
gewälzt, wobei der Kopf auf das Genick zu stehen kommt, und 
hier festgehalten. Der Schweif ist von einer Person durch 
Därauftreten fixiert. Das Operationsfeld wird wiederholt gründ¬ 
lich abgeseift, die Skrotalgegend mit Schwefeläther abgerieben 
und die nächste Umgebung des Operationsfeldes mit in Sublimate 
wasser angefeuchteten größeren Gazestücken überdeckt. 

Die Operationstechnik beschreibt Imminger folgender¬ 
maßen: Unter Aufheben einer Falte über dem äußeren Leisten¬ 
ring wird 2—3 cm von der Medianlinie entfernt ein 10—12 cm 
langer Hautschnitt gemacht, das darunter liegende Gewebe mit 
Daumen und Zeigefinger beider Hände bis zur äußeren Leisten- 
öffhung getrennt und die Hand unter Bedeckthaltung des 
Armes mit feuchten Gazebinden unter schwach drehenden Be¬ 
wegungen im Leistenkanal vorgeschoben, bis sie die Rücken¬ 
wirbelsäule erreicht hat. Die Hand dringt dabei, je nach der 
wechselnden Biegung des Leistenkanals, mehr gerade oder 
förmlich um die Ecke von außen nach innen vor, möglichst 
mit dem Schenkel Fühlung haltend, geht, ohne auf den Banch- 
ring Rücksicht zu nehmen, am hinteren Rande des inneren 
schiefen Bauchmuskels vor und durchstößt dann das Peritoneum 
möglichst nahe der Wirbelsäule unter nicht zu starkem Kraft¬ 
aufwand, namentlich bei Tieren, die viel Fett im Leistenkanal 
haben und deren Bauchfell brüchig zu sein pflegt. Ob die 
Perforation bei Inspiration geschieht oder nicht, ist gleichgültig. 
Von Belang ist aber, daß man in der Richtung von oben nach 
unten, d. h. dorso-ventral, gegen das Bauchfell drückt, um eine 
zu ausgedehnte Ablösung desselben von der Unterlage zu ver¬ 
hüten. — Durch diese Öffnung geht man mit zwei Fingern ein, 
fühlt dann den Hoden eventuell schon, falls er an langem 
Gekröse hängt, ihn am rankenförmigen Geflecht erkennend, und 
sacht ihn außerdem zunächst am Rücken, zieht weich und klein 
sich anfühlende Gebilde, die sowohl Darmschlinge als retinierter 
Hoden sein könnten, ruhig ans Licht, die Asepsis wahrend, ver¬ 
senkt dasselbe wieder, wechselt, wenn nötig, die Hand, die 
Wundöffnung mit Gaze überdeckt haltend. Ist der Hoden ge¬ 
funden, so ist das Gekröse in allen Fällen lang genug, daß der 
Emaskulator angesetzt und der Samenstrang durchschnitten 
werden kann. Hierauf wird das Instrument geöffnet. Der 
Samenstrangstumpf bleibt sich selbst überlassen. Die Haut¬ 
wunde wird vom hinteren Winkel aus unter langsamer Zurück- 
schiebung der Gaze mit der Hand geschlossen und vernäht. 
Die Nähte werden in Zwischenräumen von je 1—l 1 /* cm an¬ 
gelegt. Das Pferd wird alsdann auf die Seite niedergelassen 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 45. 


and, wenn die Chloroformwirkung schon verflogen ist, sogleich 
ganz entfesselt oder es wird bis znm Erwachen nur die platte- 
longe und das Dögive-Seil entfernt. Einstweilen und während 
des AufstehenB bleibt die Operationswunde durch ein Handtuch 
bedeckt. 

Nach der Operation wird das Pferd mit dem Hinterteil 
hoch gestellt, je nachdem die Peritonealperforation«höher oder 
tiefer ausgeführt wurde, 3—5 Tage lang, und bleibt nach Ent¬ 
fernung der Erhöhungsvorrichtung noch weitere 3—4 Tage 
hochgebunden. Die Nähte bleiben bei fieberlosem Verlauf 
ebenso lange liegen. Stellt sich Fieber ein, werden die an der 
tiefsten Stelle liegenden Seidenfäden entfernt und das Wund¬ 
sekret abgelassen, die Wunde selbst in üblicher Weise be¬ 
handelt. Ein vielleicht während des Aufstehens erfolgender 
Darmeintritt in den Leistenkanal ist völlig unbedenklich, wenn 
nur die Nähte eng und gut liegen, denn in der horizontalen, 
namentlich aber hinten erhöhten Stellung des Pferdes und 
vollends, wenn dasselbe wieder gefüttert wird und der Darm 
größeres Volumen erhält, gleiten die Schlingen von selbst 
wieder zurück. — Eine Temperaturerhöhung während der 
ersten 24 Stunden um nur wenige Zehntelgrade und ein Hinauf¬ 
gehen der Körperwärme in den nächsten 10—20 Stunden bis 
auf 41 Grad ist ein auch bei bestgelungener Asepsis zuweilen 
eintretendes Ereignis, das sich aus der Verletzung von Gefäßen 
beim Durchdringen des Leistenkanals erklärt, die Resorption 
von pyogenen Zerfallsprodukten des stagnierenden Blutes zur 
Folge hat. Ein septisches Fieber dagegen setzt schon nach 
12 Stunden mit einer Temperaturerhöhung um 2—3 Grad ein. 
Zur Feststellung der einen oder andern Fieberform ist deshalb 
jeder Patient fleißig zu messen. — Die ersten sechs Tage nach 
der Operation wird nur halbe Ration gefüttert; sobald sich das 
Tier wieder legen darf und geführt werden kann die ganze 
Ration. Anfangs magern die Tiere ab und erst nach etwa 
zwei Monaten erreichen sie den früheren Leibesumfang wieder. 

0. Albrecht. 

Untersuchungen über die Arthritis purulenta traumatica 
des Pferdes. 

Von Assistent Dr. Fauerbach, Gießen. 

(Monatshefte f. prakt T. 14 B. 8 u. 9 H. 8. S37— 366.) 

Eine zu erheblichen, umfangreichen Gelenksveränderungen 
führende Arthritis purulenta von chronischem Verlauf kommt 
bei den Haustieren wohl nur selten zur Beobachtung, denn die 
Gelenkseiterung verursacht den Tod des Patienten zumeist schon 
nach kurzer Zeit, und ein protrahierter Verlauf wird bei der 
schlechten Prognose nicht abgewartet. Auf besonderen Wunsch 
des Besitzers wurde in der Gießener Veterinärklinik ein Pferd 
46 Tage lang an einer chronischen eitrigen Hufgelenksentzündung 
bis zum Exitus letalis behandelt. So fand Fauerbach Gelegen¬ 
heit, die pathologische Anatomie dieses Leidens im Endstadium 
und durch Vergleich mit drei entsprechenden, vom Pferd und 
Rind stammenden Gelenkspräparaten, sowie unter kritischer 
Verwertung der literarischen Vorarbeiten, deren er 76 anmerkt, 
auch nach dem Verlauf des Prozesses zu studieren. 

Die Veränderungen setzen, wie seine Untersuchungen lehrten, 
nach erfolgter Gelenksperforation mit einer Entzündung der 
Synovialis ein. Die Synovia ist graugelb verfärbt und eingedickt, 
und verbreitet die hinzu gelangten Mikroorganismen in der 
ganzen von ihr benetzten Gelenkhöhle, so daß gleich das Gelenk 
in toto von der Entzündung ergriffen wird. Die Synovialzotten 


sind vergrößert und ihre prall gefüllten Gefäße neigen bei der 
starken Anhänfung von Leukocyten zu Thrombosierung und 
eitrigem Zerfall. Einzelne Zotten wuchern auch wohl die 
Gelenksenden entlang, ein Gewebe formierend, vergleichbar dem 
für die Ceratitis pannosa charakteristischen. Weiterhin hat die 
Gelenkseiterung Parasynovitis suppurativa und Phlegmone zur 
Folge mit schwartiger Verdickung des lockeren Bindegewebes 
und Bildung von Abszessen in der Umgebung des Gelenks, die 
sich entweder abkapseln oder fistulös nach außen durchbrechen. 
Sekundär wird der Knorpel in den entzündlichen Prozeß herein- 
gezogen, die Knorpelzellen vermehren und vergrößern sich 
unter Einwirkung der Stoffwechselprodukte der Eiterreger, 
die Grundsubstanz lockert sich und zerfällt, einzelne 
Knorpelpartien stoßen sich ab und die Entzündung greift 
dann direkt oder bei intaktem Knorpel durch Vermittelung der 
Synovialis auf den Knochen über und kann hier eine Ostitis 
rarefaciens mit nachfolgender Ostitis condensans bedingen. Hieran 
kann sich endlich noch Ankylose des Gelenks schließen; so in 
dem von Fauerbach beschriebenen Fall, in dem die gelenkige 
Verbindung zwischen Strahl-, Huf- und Kronbein verschwunden 
und die Zwischenräume durch eine schwielige Gewebsmasse aus¬ 
gefüllt waren. Der Knochen war außen leicht schneidbar, innen 
schwammig. Die Vorderfläche des Kronbeins und Hufbeins, die 
Hufbeinkappe und die Hinterfläche des Hufbeins trugen ver¬ 
schieden gestaltete Exostosen, riff- und zottenartige Knochen¬ 
vorsprünge. Die Huf beinstrecksehne war nicht mehr zu erkennen; 
von der Hufbeinbeugesehne' waren nur einige Sehnenbündel am 
hinteren Strahlbeinrand übrig geblieben. 

Von den Symptomen, die die eiterige Gelenksentzündung 
begleiten, kann der Ausfluß eiteriger Synovia bei schiefem Ver¬ 
lauf oder zufälliger Verstopfung des Wundkanales fehlen. Die 
Synovia selbst zeigt sehr einförmige Beschaffenheit und keine 
spezifischen Differenzen zu etwaiger Unterscheidung der einzelnen 
Krankheitsfälle z. B. solcher mit oder ohne Beteiligung der 
Sehnenscheiden oder Schleimbeutel. Wichtig ist das Symptom 
der ringförmig das Gelenk umgebenden heißen, schmerzhaften 
Anschwellung, die bei chronischem Verlauf mehr und mehr auf 
einen scharf abgegrenzten zirkulären Wulst reduziert wird. 
Außerdem können von den Wunden ausgehende periarticuläre 
Phlegmonen mit konsekutiver Abszeß- und Fistelbildung auf- 
treten. — Die Belastung des kranken Fußes ist in der Regel 
schlecht. Er wird meist nach vorn, etwas seitwärts oder auf 
die Zehe gestellt, auf dem Höhepunkt der Eiterung gor nicht 
belastet und in stark abgebeugter Stellung gehalten. Beuge-, 
Streck- und namentlich Rotationsbewegungen lösen Schmerzen 
aus, doch durchaus nicht heftiger als andere Gelenkserkrankungen. 
Die Körpertemperatur ist in allen Fällen von akuter oder chro¬ 
nischer Gelenkseiterung fieberhaft gesteigert. 

Die Therapie hat in peinlichster Desinfektion der Wunde, 
des Wundkanals und der Umgebung der Wunde zu bestehen. 
Am besten wird die Haut rasiert, die oberflächlichste Gewebs- 
schicht der Wunde abgetragen, Wunde und Wundkanal mit 
dem scharfen Löffel ausgekratzt und desinfiziert, bei Auffindung 
der Kapselwunde die Gelenkhöhle irrigiert. Die Wundränder 
der Kapsel und der Haut werden wenn möglich durch dichte 
Knopfhähte vereinigt. Ist die Eiterung einmal vorgeschritten, 
so hat keine Behandlung mehr Erfolg; kommt es nicht zum Tod 
des Patienten, so bildet sich eine Gelenksankylose aus. 

0. Albrecht. 


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5. November 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


691 


Eine Rinderkrankheit im südlichen Zentral-Nebraska 
während der Jahre 1899 und 1900. 

Von Dr. A. Bostrom, Minden, Nebraska. 

(Americ. Vct. Review, Juli 1903. Vol. XVII, Nr. 4.) 

Verf. berichtet über die ihm unbekannte Krankheit, daß 
sie sehr rasch erscheine und in Herden von 100 Haupt ge¬ 
wöhnlich 10 fcis 15 zugleich befalle. In kleinen Beständen von 
2 bis 10 Stück erkrankt etwa die Hälfte der Tiere. In den 
Anfangstadien sind entweder zu beobachten: Steifheit und 
Empfindlichkeit der Füße oder Veränderungen am Maul und 
entzündete Augen ohne Steifheit. Die Symptome eines typischen 
Falles nach etwa fünftägiger Krankheitsdauer werden wie nach¬ 
stehend beschrieben: Das Tier liegt gewöhnlich am Boden. 
Aus dem Maul fließt Speichel in großen Mengen ab. Beide 
Nasenöffoungen entleeren eine dicke schleimige Masse, von der 
ein Teil eintrocknet und an den Nasenrändern haften bleibt. 
Die Augen sondern ein eiteriges Dejekt ab, die Augenlider sind 
geschlossen. Die Haut des Flotzmaules ist gerötet, trocken, 
rissig und hebt sich allmählich von ihrer Unterlage ab. Zahn¬ 
fleisch geschwollen; das Epithel desselben und der Lippen wird 
abgestoßen und hinterläßt einen sehr schmerzhaften Schleim¬ 
hautdefekt. In einer Anzahl von Fällen führt dieser Zustand zum 
Verlust der Zähne. Gewöhnlich sind alle Füße erkrankt; sie zeigen 
vermehrte Wärme, Schmerz und Schwellung. Die Haut des 
Euters und der Zitzen ist mit einem Ausschlag von kleinen 
Bläschen bedeckt, die in kurzer Zeit trockene Krusten bilden, 
und die dünne Haut in der Medianlinie zwischen den Schenkeln 
bis zur Schweifwurzel ist in ähnlicher Weise affiziert. Tempe¬ 
ratur 40,5 0 C., Respiration 30, Puls 80. Freßlust ist nicht vor¬ 
handen, dagegen ein starkes Durstgefdhl. Das kranke Tier ver¬ 
senkt den Kopf in den Eimer mit Wasser, ist aber nicht imstande 
zu schlucken und durch das Öffnen des Maules scheint sich der 
Schmerz nur zu vermehren. 

Kälber erkranken augenscheinlich nicht, auch wenn die 
Mütter derselben affiziert sind. Alle Rinder, die über 6 Monate 
alt sind, können hingegen von der Krankheit ergriffen werden. 

Die Dauer derselben beträgt 2 bis 3 Wochen. 98 Proz. der 
erkrankten Rinder werden bei gewöhnlicher Pflege ohne medi¬ 
kamentöse Behandlung gesund. Peter. 

Therapeutische Mitteilungen ans der Armee. 

(Zeitschrift für Vet. rinärkundc 1903 Heft 5.) 

Roborin. 

Roßarzt Ackermann ließ (im November 1901) acht in 
schlechter Kondition stehenden, sog. schlecht zu erfütternden 
Artilleriepferden zu der üblichen Hafer-, Heu- und Strohration 
eine Zulage von Roborinkraftfutter geben. Sie erhielten es in 
täglich gesteigerter Dosis bis zu einer Höchstmenge von zwei 
Pfund und nahmen es von Anfang an gerne auf. Alle acht 
Tage wurden sie gewogen und zeigten vom 1.—29. Tag eine 
Gewichtszunahme von 11—33, durchschnittlich von 19,5 kg. 
Von da an erhielt sich das Körpergewicht ungefähr auf gleicher 
Höhe. Bei dem Pferd, das die stärkste Zunahme zeigte, trat 
auch ein wohltätiger Einfluß auf das Temperament zu tage. 

Diese Fütterungsversuche wurden im nächsten Jahr (Februar 
1902) an 30 Pferden fortgesetzt. Die Erfahrungen waren die 
gleich günstigen. Sämtliche Pferde zeigten hierbei überdies 
glattes, glänzendes Haar, ertrugen die Strapazen gut und 
fielen nicht im Gewicht ab, auch als die Zulage mit Beginn 
der Exerzierperiode reduziert und schließlich ganz weggelassen 


wurde. — Krankheitszufälle, Koliken oder dergL wurden während 
der Roborinfütterung nicht beobachtet, dagegen konstatiert, 
daß die Pferde gegen das konzentrierte Präparat im Gegensatz 
zum gewöhnlichen eine Abneigung haben. Verfasser folgert, daß 
Beimischungen von Roborin zur täglichen Futterration die Assi¬ 
milation der Nahrung günstig beeinflussen. 

Roßarzt Richard Krüger verwendete das konzentrierte 
Roborinkraftfutter bei zwei Pferden zur Aufbesserung ihres 
Nährzustandes. Dieselben erhielten sechs Wochen lang täglich 
50,0 unter das Körnerfutter gemischt. Das eine, eine fünfjährige 
Stute, hat schlechten Appetit, verdaut Hafer schlecht, zeigt auf¬ 
gezogenen Hinterleib; es nimmt Roborin sofort gern auf, nimmt 
an Körpergewicht um 9 kg zu. — Das andere Pferd, acht¬ 
jähriger Wallach, ohne Störung des Appetits und Allgemein¬ 
befindens, aber im NährzuBtand sehr heruntergekommen, mit 
glanzlosem, rauhem Haarkleid, verschmäht das Roborin während 
der beiden ersten Tage, nimmt es dann gern, nimmt um 19 kg 
zu, erhält glänzendes, glattes Deckhaar, größere Leibesfülle. 

Phosphorsaurer Kalk. 

Oberroßarzt Steinhardt beobachtete bei Remonten nach 
Ablauf von Druse und schwereren anderen Krankheiten, sowie 
während des Haarwechsels, wie im März dieses Jahres, einen 
gewissen Erdhunger, der vermutlich einem jeweils gesteigerten 
Verbrauch salzig-erdiger Stoffe im Organismus bzw. einem 
verminderten Gehalt des Rauhfutters an denselben entspreche. 
Er empfiehlt als Prophylacticum gegen diesen Erdhunger und 
damit gegen Sandkoliken die versuchsweise Anwendung des 
phosphorsauren Kalks. 

Sauerstofflnhalationen. 

Roßarzt P6e wendete die von Professor Eberlein 
empfohlenen Sauerstoffinhalationen bei einem an einseitiger 
Brustseuchenpneumonie erkrankten Pferde an, das völlig 
kraftlos war und mehrmals zusammenbrach. Dem Patienten 
wurde eine Maske aufgesetzt, die durch einen Schlauch mit dem 
Sauerstoffbehälter verbunden ist. Durch zwei an diesen an¬ 
gebrachte Manometer wird der Druck und die verbrauchte 
Sauerstoffmenge kontrolliert. Patient erhielt bei jeder der an 
fünf aufeinander folgenden Tagen je zweimal vorgenommenen 
Inhalation innerhalb 10 Minuten 100 Liter. Die Herztätigkeit 
wurde dadurch angeregt, der Puls wurde fühlbar größer und 
der Patient völlig wiederhergestellt. 

Aderlass bei Lungenentzündung. 

Roßarzt Sturhan versuchte den Aderlaß, der zufolge der 
neueren medizinischen Kasuistik bei Lungenentzündung mit 
Nutzen angewandt wird, bei der Brustseuche des Pferdes, die 
er für eine der des Menschen besonders ähnliche Form der 
Pneumonie hält. Er nahm ihn sofort bei Beginn der Krankheit 
vor, den er leicht wahrnehmen konnte, da zur Zeit eines 
Seuchenganges in der Eskadronsstallung tägliche Temperatur¬ 
aufnahmen stattfinden. Er entzog seinen Patienten am 1., am 
3. und 7. Tag je 3—4 Liter Blut. 

In einer tabellarischen Übersicht verzeichnet der Verfasser 
den Stand der Temperatur und der Pulsfrequenz, wie er sie 
bei einer Anzahl von Pferden jeweils an den Aderlaßtagen be¬ 
obachtete und zur Kontrolle die entsprechenden Befunde bei 
einem ohne Aderlaß kurierten Pferd. Er folgert aus diesen 
ziffermäßigen Angaben, daß das Resultat seiner Behandlung 
durchaus günstig war. Bei sämtlichen zur Ader gelassenen 
Patienten war der Krankheitsverlauf normal und das Fieber 


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692 


nur von kürzer Däner; keiner starb, obwohl die Prognose bei 
einigen, die gleich am ersten Tage hohes Fieber nnd sehr 
frequentierten Puls hatten, ungünstig war. 

Bezüglich der Aderlaßwirkung bemerkt der Verfasser, die 
Entziehung des leicht gerinnbaren Blutes übe einen günstigen 
Einfluß auf Herz und Lunge ans, indem die an sich schon ge¬ 
schwächte Herzkraft die Gesamtmenge des Blutes nicht mehr 
durch das teilweise thrombosierte Venen- und Kapillargebiet der 
Lunge treiben brauche. Ferner sei infolge der Herabsetzung 
des Blutdruckes in den zuführenden Arterien die Gefahr einer 
Blutung in die Alveolen und das intraalveoläre Bindegewebe, 
einer hämorrhagischen Infarzierung, nicht mehr so groß. 

0. Albrecht. 

Die histologische Diagnose der Tollwut. 

Von Valide. 

(Rfic. tle Mid.-VH. Sitzung der Societe Centralo de Mid.-Vct. 12 Febr. 1903.) 

Van Gehuchten und Ndlis haben im Januar 1900 bei 
an Tollwut verendeten Hunden mikroskopisch festgestellt, 
daß es schon mikroskopisch vergrößerte, gerötete und ge¬ 
schwollene obere Halsganglien des Vagus und Sympathicus 
eine stark endotheliale Zell Wucherung der Kapseln, die jede 
Ganglienzelle umgeben, aufweist. Durch diese Proliferation 
werden die Nervenzellen zerstört (s. Kitt, path. Anat.). 

Diese Angabe ist von den verschiedensten Seiten nach- 
geprtift und zum Teil bestätigt worden. 

Allein und auch zusammen mitCuille hat Val de Versuche 
angestellt. 

A. 

4 Hunde sind mit^Tollwutvirus geimpft; 

Nr. 1, 2, 3 werden im Anfänge der Krankheit getötet. 
Befund fast negativ. Es finden sich einige sehr kleine, peri- 
kapsuläre, infiltrierte Herde, die sehr wenig charakteristisch sind; 

Nr. 4 verendet an Tollwut. Er zeigt den oben erwähnten 
sehr schönen, charakteristischen, histologischen Befund. 

B. 

Einige Wochen später findet V. dieses Ergebnis durch die 
Untersuchung dreier Hunde, die während der Tollwut getötet 
waren, bestätigt. Bei allen dreien zeigten die Plexus nodos, 
keine Veränderungen. 

Nocard tötete einen Schäferhund im Verlaufe eines Toll¬ 
wutanfalles. Plexus nodosus normal, während die Impfung 
von Kaninchen bewies, daß das Tier an Tollwut gelitten hatte. 

Von H£brant unternommene Experimente hatten das 
gleiche Ergebnis. (An. de mdd. V£t. 1900 p. 559.) 

C. 

Auf Veranlassung von Nocard hat Valide Versuche bei 
Bindern gemacht, um festzustellen, in welchem Stadium der 
Tollwut sich beim Rinde eine Anomalie des Plexus nodosus vorfindet. 

Rind Nr. 1, getötet nach 24 Stunden, als sich die ersten, 
sicheren Symptome zeigten (Wutanfälle, Brüllen, Speichelfluß 
— Stadium prodromale); 

Rind Nr. 2, getötet 16 Stunden nach dem Auftreten der 
ersten Wutanfälle; 

Rind Nr. 3, getötet am 3. Tage der Krankheit im stad, 
paralyticum. 

Bei keinem dieser Versuchstiere hat V. eine Alteration der 
betreffenden Ganglien gefunden; die Anomalien scheinen 
sich bei Rindern zu einem späteren Zeitpunkte ein¬ 
zustellen als bei Hunden. 


No. 45. 


D. 

Seit drei Jahren hat V. an der Schule von Alfort und 
Toulouse alle an Tollwut getöteten und gestorbenen Hunde in 
bezug auf die erwähnten Anomalien der Ganglien untersucht. 
Er ist dabei zu folgendem Ergebnisse gekommen: 

I. Von 42 gestorbenen, tollwutkranken Hunden zeigten 
sämtliche Tiere die betreffenden Veränderungen; 

II. von 40 getöteten tollwntkranken Hunden zeigten nur 25 
diese Veränderungen. 

Ein wichtiger Punkt ist vor allem festzustellen: sind 
diese Anomalien, die man beständig bei an Tollwut ge¬ 
storbenen Hunden trifft, für die Tollwut spezifisch, oder 
treten sie noch bei anderen Leiden auf? 

In der Humanmedizin hat man gleiche Anomalien angetroffen 
bei: a) Tabes dorsalis (Stroebe), b) Krupp (Crorg), c) Krebs 
(Spiller), d) Gebärparese (Spiller u. Schrimann), e)Karzinoma- 
tose (Landy, Buck und Moor) — der Patient war an einem 
Karzinom des Mastdarmes operiert worden; f) Typhus (Biffi), 
g) Polynephritis (Babes). 

Demzufolge hat V. die Ganglien von 35 Hunden untersucht, 
die an den verschiedensten Leiden gestorben oder wegen dieser 
getötet waren: 

a) verdächtige Bißwnnden ... 6 


b) Ekzem.4 

c) Räude.3 

d) Tumoren .4 

e) Epilepsie.4 

f) Enteritis.3 

g) Tuberkulose.5 


h) Chorea (sehr schwere) .... 6. 

Im Gegensätze zu den Beobachtungen der Human¬ 
medizin hat V. bei Tieren, die an den verschiedensten 
Krankheiten litten, keine Veränderungen der Ganglien 
festgestellt, die denen der Wut glichen. 

Jedoch hat er solche Veränderungen, die mit denen der 
Wut fast ganz übereinstimmen, bei alten Hunden, die über 
10 Jahre alt waren, beobachtet 

Diese Beobachtungen von V. stimmen mit der Theorie von 
Metschnikoff überein, die die Phagozythen als die wirksamsten 
Kräfte der seronilen Atrophie betrachtet. 

Aus seinen Versuchen und Beobachtungen folgert V.: 

1. die von van Gehuchten und Ndlis beschriebenen 
Anomalien der Ganglien sind konstant bei denHunden, 
die an Tollwut sterben. Ist aber der verendete Hund 
alt, so können bei der Abwesenheit aller anderen Toll* 
wutzeichen diese Veränderungen als nicht beweisend 
für die Diagnose angesehen werden; 

2. die erwähnten Veränderungen fehlen häufig bei 

Hunden, die der Tollwut wegen getötet sind. Der 
negative Befund beweist aber nicht, daß die Tiere 
nicht an Tollwut gelitten haben. Goedecke. 

Wochenübersicht über die medizinische Literatur. 

Von Dr. Jess-Charlottenburg, 

KraUtlerarzt. 

Münchener medizinische Wochenschrift , Nr. 39, 1903. 

Nach welcher Richtung hin bedürfen unsere derzeitigen 
Massnahmen zur Bekämpfung der Tuberkulose der Ergänzung? Von 
Professor Dr. Gaffky-Gießen. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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5. November 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


693 


G. hielt in der 28. Jahresversammlung des Dentschen 
Vereins für öffentliche Gesundheitspflege zu Dresden vom 17. 
bis 19. September 1903 einen Vortrag, in welchem er betonte, 
daß zuerst auf die frühzeitige Sicherung der Diagnose be¬ 
sonderer Wert zu legen sei. Es müßten öffentliche Unter¬ 
suchungsstellen in hinreichender Zahl geschaffen werden, um 
die Absonderungen tuberkuloseverdächtiger Kranker unentgeltlich 
auf das Vorhandensein von Tuberkelbazillen untersuchen zu 
lassen. 

Dann hält er auch die Anzeigepflicht für geboten. Die 
Anzeigepflicht müßte sich beschränken auf: 

a) jeden Todesfall an Lungen- oder Kehlkopfschwindsucht; 

b) jeden Fall, in welchem ein an vorgeschrittener Lungen¬ 
oder KehlkopfschwindBUcht Erkrankter in Rücksicht auf 
seine Wohnungsverhältnisse oder unsauberen Lebens¬ 
gewohnheiten seine Umgebung hochgradig gefährdet; 

c) jeden Fall, in welchem ein an vorgeschrittener Lungen¬ 
oder Kehlkopfschwindsucht Erkrankter aus seiner Wohnung 
verzieht oder in einer Heilanstalt untergebracht wird. 

Von jedem Zwange bei der Anzeigepflicht ist abzusehen, 
daher auch von Strafbestimmungen. 

Bei den Fällen a und c empfiehlt G. die Desinfektions¬ 
pflicht. Als dringende Aufgabe bezeichnet er ferner die weitere 
Schaffang von Heimstätten. 

Die gesundheitliche Überwachung des Verkehrs mit Milch; von 
Professor Dr. Dunb ar-Hamburg. Vortrag, gehalten im Deutschen 
Verein für öffentliche Gesundheitspflege in Dresden. 

Die Überwachung des Milchverkehrs muß nach D. schon 
im Kuhstall beginnen. Gute Lagerung der Kühe, sauberer 
Stall, sauberes Melken, Reinhalten der Eater und der melkenden 
Hände, sofortige Milchkühlung sind Forderungen, welche un¬ 
bedingt gestellt werden müssen. Die Untersuchung von Milch¬ 
proben, wie sie heute üblich ist, hat zwar den Nutzen, daß 
durch sie einer erheblichen Herabsetzung des Nährwertes der 
Milch und namentlich auch einer Anwendung von Konservierungs¬ 
mitteln erfolgreich entgegen getreten werden kann, aber einen 
hygienischen Wert haben diese Milchproben nicht. Ebensowenig 
wie man aus der chemischen Untersuchung einer Brunnenwasser¬ 
probe auf die etwaige Gesundheitsschädlichkeit des Brunnens einen 
Schluß ziehen kann, ebensowenig hat die chemische Unter¬ 
suchung der aus dem Verkehr entnommenen Milchproben einen 
hygienischen Vorteil oder auch nur Bedeutung. Die Schwierig¬ 
keiten, welche einer einheitlichen Überwachung der ganzen 
Produktion, Transport- und Verkehrsverhältnisse der Milch ent¬ 
stehen, sind nach Ansicht D.’s nur durch eine reichBgesetzliche 
Regelung zu bekämpfen, und er empfiehlt, hierzu Kommissionen 
einzusetzen, welche aus Mitgliedern der Regierung, der Land¬ 
wirtschaftskammern, Vertretern der Städte bestehen, zu denen 
ferner noch ein Landwirt und ein Tierarzt und ein Arzt ge¬ 
hören müßten. 

Münchener Medizinische Wochenschrift Nr. 40. 

Führt die Hygiene zur Entartung der Rasse? Von Prof. 
Max Gr über. G. hat über diesen Gegenstand vor der General¬ 
versammlung des Deutschen Vereins für Volkshygiene zu Dresden 
am 31. Juli 1903 einen Vortrag gehalten, in dem er zu dem 
Resultat kommt, daß die Hygiene nicht nur dem Individuum, 
sondern auch der Rasse nützt und den menschlichen Organismus 
im ganzen nicht zu einer Entartung führt. 


Einige Versuche über Blutlmmunislening gegen 6eflügelseptikämie; 
von Prof. Kitt. In den Beiträgen zur pathologischen Anatomie, 
einer Festschrift zu Ehren des Obermedizinalrats Prof. Dr. 
Bollinger, hat Kitt mitgeteilt, daß seine Versuche noch zu 
keinem praktischen Erfolge geführt haben. Es gelang ihm wohl, 
Kaninchen zu immunisieren, auch die Jungen solcher immuni¬ 
sierter Eltern wiederstanden einer Fütterungsinfektion, erlagen 
jedoch einer Wundinfektion. 

Die Prinzipien der städtischen Kindermilchversorgung; von Sperk- 
Wien. Sp. sprach über diesen Gegenstand auf der 75. Ver¬ 
sammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Kassel und be¬ 
tonte die Notwendigkeit städtischer Kindermilchversorgung durch 
Errichtung städtischer Molkereianlagen. 

Dieselbe Zeitschrift Nr. 41. 

Weitere Untersuchungen über alimentäre Albuminurie; von 
Dr. M. Ascoli und cand. med. A. Bonfanti. Die Verfasser 
kommen zu folgenden Resultaten: Bei den Veränderungen 
denen das menschliche Blutserum nach Genuß gebratenen Rind¬ 
fleisches unterliegt, sind demnach folgende Fälle zu unter¬ 
scheiden: 1. Das Serum ist vorher durch RIs (Rinderserum¬ 
immunserum) nicht fällbar: dann kann es in gewissen Momenten 
des Verdauungsaktes nicht fällbar bleiben oder aber fällbar 
werden. 2. Das Serum ist schon vorher durch RIs (Rinder¬ 
serumimmunserum) fällbar: dann kann seine Präzipitierbarkeit 
durch dasselbe entweder zunehmen oder unverändert bleiben 
oder abnehmen und sogar vollständig verschwinden. 

Bezüglich des Harnes ergibt sich: 1. Nach dem Genuß 
von Rindfleisch kann bei gesunden Individuen, auch in liegender 
Stellung, der durch Rinderserumimmunserum und Menschen¬ 
serumimmunserum vorher nicht fällbare Harn durch dieselben 
fällbar werden und dabei Eiweiß mitunter auch chemisch 
(Jolles Reagens) in demselben nachgewiesen werden. 2. Des¬ 
gleichen wird sehr oft bei Nierenkranken, nach Einnahme von 
Rindfleisch, der Harn durch Rinderserumimmunserum prä- 
zipitabel. 3. In anderen Fällen kann der im nüchternen Zustande 
abgelassene, durch Rinderserumimmunserum fällbare Harn 
diese Fähigkeit nach Einverleibung vonRindfleisch einbüßen, wobei 
gleichzeitig die vorher positive Probe (Jolles ReagensJ negativ 
ausfallen kann. Nach Genuß gebratenen Rindfleisches gehen 
beim Menschen präzipitable Anteile desselben in die Säfie über. 
Bei gesunden Individuen, in denen es dabei zu alimentärer 
Albuminurie kommt, wird ein Teil jener eiweißartigen Komplexe 
durch die Nieren ausgeschieden, wobei dieselben auch für die 
Eiweißkörper des Blutes durchgängig werden. Auch bei Nieren¬ 
kranken findet ein Übergang jener resorbierten präzipitablen 
Gruppen in den Harn sehr oft aber nicht immer statt In 
anderen Fällen kann bei der Resorption von präzipitablen 
Bestandteilen des Rindfleisches der Gehalt des Serums an ähnlichen 
präexistierenden Komplexen verringert sein, und dabei auch eine 
bestehende, geringfügige, biologisch und chemisch nachweisbare 
Albuminurie abnehmen und verschwinden. 

Über den Einfluß des Alkohols auf die Herzgrösse; von 
Dr. Bickel. Beim Tiere läßt sich nach Verabreichung von 
Alkohol keine Verbreiterung des Herzens konstatieren. 

Die Hornberger Triohinoslsepidemie und die für Trichinosis 
pathognomonische Eosinophilie von Schleiß-Freiburg. Verfasser 
hat 60 Personen anläßlich der Hornberger Trichinosisepidemie 
untersucht und bei sämtlichen Erkrankten bis auf vier eine 
Eosinophilie im Blute in einer Höhe von 10—60 Proz. kon- 


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694 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 45. 


statiert. Für die Differentialdiagnose gegen Typhus ist dieser 
Befand besonders wichtig. 

Deutsche medizinische Wochenschrift. Nr. 41 — 1903. 

Bemerkung zu v. Behrings Vortrag „Uber Lungenschwindsucht- 
entstehung und TuberkulosebekBmpfung“; von Weigert in Frank¬ 
furt a. M. Bezüglich der Angabe B.s, daß der menschliche 
Säugling, gleich allen tierischen Säuglingen, in seinem Ver¬ 
dauungsapparat der Schutzeinrichtungen entbehrt, die im er¬ 
wachsenen Zustande normalerweise das Eindringen von Krank¬ 
heitserregern verhindern, weist W. darauf hin, daß er bereits 
diese Tatsache vor 20 Jahren auf der Freiburger Naturforscher¬ 
versammlung hervorgehoben hat. W. hält dafür, daß nicht nur 
die Darmschleimhaut und die von ihr abhängenden Drüsen, 
sondern auch die Bronchien, die Lunge, der Mund und vielleicht 
auch die Haut im Säuglingsalter der obenbenannten Schutzein¬ 
richtungen entbehren. 

Über die Abtötung pathogener Bakterien im Wasser mittelst 
Ozon nach dem System Siemens und Halske; von Proskauer 
und Schtider. Wie die Verfasser in der Zeitschrift für Hygiene 
und Gesundheitspflege mitteilen, haben sie die Arbeiten von 
Ohlmüller und Prall aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte 
über denselben Gegenstand nachgeprüft und gefunden, daß 
einige pathogene Keime trotzdem noch in dem ozonisierten 
Wasser enthalten waren. Sie füllten daher den Wasserturm mit 
kleinkörnigem Material und boten dem Ozon eine größere Angriffs¬ 
fläche; hierdurch erreichten sie, wenn sie 3—4 gr Ozon auf ein 
Kubikmeter Luft in Anwendung brachten, ein Absterben aller Keime. 
Dieselbe Zeitschrift, Nr. 42. 

Pharynxtuberkulose bei Kindern; von Dr. P. Schoetz in 
Berlin. Das Vorkommen von Tuberkeln im Rachen der Kinder 
gilt in der Literatur als selten. Sch. teilt Fälle mit, in denen 
zunächst die Diagnose Diphtheria faucium gestellt wurde und 
sich erst später herausstellte, daß es Tuberkulose war. 
Therapeutische Monatshefte Oktober 1903. 

Über Trlferrln; von Dr. Kramm. Triferrin ist das Ferri- 
salz der Paranuklelnsäure. Es ist eine rotbraune, pulver¬ 
förmige, im Wasser anlösliche Substanz und enthält 21,87 pCt 
metallisches Eisen und 2,55 pCt. Phosphor. Verfasser teilt 35 
Krankheitsgeschichten mit, aus denen hervorgeht, daß Triferrin 
selbst bei krankhaften Magenverändernngen gut vertragen 
wurde. Auch die positive Wirkung des Triferrins wird von 
dem Verfasser lobend hervorgehoben. » 

Zentralblatt für Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrankheiten. 

Originale. XXXIV. Band. Nr. 7. Oktober 1903. 

Beiträge zur Biologie des Milzbrandbazillus und sein Nachweis 
im Kadaver der großen Haustiere; von J. Bongert, städtischem 
Tierarzt, Berlin. Die Arbeit ist noch nicht abgeschlossen ver¬ 
öffentlicht. Verfasser kommt jedoch bezüglich des Nachweises 
der Milzbrandbazillen durch Ansstrichpräparate zu dem Schlüsse, 
daß dieselben sowohl dadurch, daß eine Formveränderung der 
Milzbrandbazillen unter dem Einfluß von Fäulniserregern zustande 
kommt, als auch dadurch, daß die Zahl der Milzbrandbazillen 
im Blute eine sehr geringe sein kann, leicht zu Fehlresnltaten 
führen könne. 

Über die Ätiologie von „Ekiri“, einer eigentümlichen, sehr 
akuten, ruhrartigen, epidemischen Kinderkrankheit in Japan; von 
Dr. Sukehiko Ito aus Fukuoka (Japan). 

Verfasser wies einen koliähnlichen Bazillus als Ursache 
dieser Kinderkrankheit nach. Allerdings meint Verfasser gewisse 


Unterschiede, namentlich in bezug auf die Agglutination mit dem 
Kolibazillus ermittelt zu haben, so daß es sich nicht um eine 
echte KolibazillosU handelt, vielmehr um eine Krankheit, welche 
durch einen spezifischen Erreger, den Ekiribazillus, wie ihn Ito 
nennt, hervorgerufen wird. 

Die Abschwächung der Slugetiertnberkulosebazilien im Kalt¬ 
blüterorganismus; von Dr. Herzog. Der Säugetiertuberkel- 
bazillas wird durch Einverleibung in den Kaltblüterorganismus 
abgeschwächt und zwar zeigt sich diese Abschwächung dadurch, 
daß die Meerschweinchen um so später der Infektion erliegen, 
je länger der Tuberkelbazillus in dem Kaltblüterorganismus ge¬ 
wesen war. 

Tagesgeschichte. 

t 

Der langjährige, hochverdiente technische Vorstand der 
Berliner Veterinärpolizei, Polizeidepartementstierarzt Hermann 
Wolff, ist nach längerem Leiden am 25. Oktober zur Ruhe 
gegangen. Am 4. September 1836 zu Berlin als Sohn des am 
ehemaligen Stadtgericht amtierenden Kanzleirats Wolff geboren, 
erlangte er im Jahre 1858 hierselbst die Approbation mit dem 
Prädikat „sehr gut“. Ausgerüstet mit einer sorgsamen Er¬ 
ziehung und mit den vorzüglichsten Kenntnissen, die er sich 
besonders als Assistent eines Gerlach erworben hatte, widmete 
er sich sofort nach abgelegter Staatsprüfang, wie dies zu jener 
Zeit nicht anders ging, der Privatpraxis in der kleinen Stadt 
Reetz in der Neumark. Die Schwierigkeiten, die sich damals 
einem jungen Tierarzt in weit höherem Maße als jetzt ent¬ 
gegenstellten und von denen der Verstorbene oft und gern be¬ 
richtete, überwand er um so leichter, als er hier sein Lebens¬ 
glück, die heißgeliebte Gattin fand. Im Jahre 1863 übernahm 
der Verstorbene nach Ablegung des kreistierärztlichen Examens 
mit dem Prädikat „sehr gut“ die Verwaltung der Kreistierarzt¬ 
stelle in Nimptsch und wurde im Jahre 1865 zum Kreis- und 
Grenztierarzt in Pleß ernannt. Hier verlebte er wohl seine 
besten Jahre und fand auf dieser Grenzwacht diejenige Tätig¬ 
keit, die ihm am meisten zusagte. Im Jahre 1882 als Departe¬ 
mentstierarzt nach Berlin berufen, durfte er hier 21 Jahre hin¬ 
durch tätig sein. Wie er hier gearbeitet und was er während 
der langen aufreibenden Tätigkeit geschaffen, kann nur denen 
bekannt sein, die mit ihm und unter ihm gewirkt haben. Die Aus¬ 
zeichnungen, die ihm verliehen worden sind (Kronenorden und 
Roter Adlerorden) bilden eine wohlverdiente Anerkennung 
seiner mühevollen Arbeit. Er war kein Mann, wie man die 
Männer heute im Durchschnitt zu finden gewohnt ist. Streng 
gottesfürchtig, von hoher, gründlicher allgemeiner und wissen¬ 
schaftlicher Bildung, zartbesaitet nach jeder Richtung, stets 
hilfsbereit, hochgeehrt und hochgeachtet von jedermann, dabei 
ein echter altprenBischer Beamter von vornehmem, peinlich ge¬ 
wissenhaftem Charakter, so steht er und so wird er stets vor 
unseren Augen stehen. 

Von der Hochachtung und Verehrung, die dem Verstorbenen 
bei allen, die ihm nahe gestanden haben, zuteil geworden war, 
legte auch das Leichenbegängnis beredtes Zeugnis ab. Dasselbe 
begann mit einer erhebenden Feier in der Samariterkirche, zn 
deren Kirchen Vertretung der Verstorbene gehört hatte und vor 
deren Altar die Leiche aufgebahrt war. An dieser Feier, welche 
durch die trefflichen Worte des Pfarrers Köster, des Haus¬ 
freundes der Familie, eine ganz besondere Weihe erhielt, 


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695 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


f>. November 1903. 


beteiligten sich der Polizeipräsident mit vielen Beamten des 
Polizeipräsidiums, der Polizeioberst, den eine zahlreiche Ver¬ 
tretung der Schutzmannschaft begleitete, die Geheimen Ober- 
regiernngsräte Küster und Schröter vom Landwirtschafts- 
ministerium und Dr. Kautz vom Reichsamt des Innern, früher 
beim Polizeipräsidium, Vertreter der Stadt, die meisten Professoren 
der Tierärztlichen Hochschule, mit welchen zusammen der Ver¬ 
storbene Mitglied der Königl. technischen Deputation fdr das 
Veterinärwesen gewesen ist, Vertreter anderer Institute und 
sehr viele Fachgenossen und Freunde. Der S. C. der Tierärzt¬ 
lichen Hochschule, darunter das ganze Korps Franconia, dessen 
Alter Herr der Verstorbene gewesen ist, geleitete mit Fahnen 
und Farben den Trauerwagen. 

Was er uns gewesen ist? Ein zwar strenger, nicht selten 
hohe Anforderungen stellender, um das Wohl jedes einzelnen von 
uns jedoch stets besorgter, väterlicher Vorgesetzter und Freund. 
Sein unermüdlicher Fleiß, sein Pflichtgefühl kannte keine Grenze 
und ließ ihn in den Sielen sterben. Nun ist er von uns gegangen, 
und wir stehen trauernd am Grabeshügel unseres unvergeßlichen, 
geliebten und hochverehrten Kollegen und Freundes mit dem 
Gelöbnis im Herzen, ihm nachzueifern in Treue und Pflichtgefühl. 
Unserer Verehrung und innigen Dankbarkeit für alles, was er 
für uns gearbeitet und geschaffen hat, ist er noch über das 
Grab hinaus gewiß. Wir können sein Andenken nicht anders 
kochhalten, als daß wir uns seine trefflichen Eigenschaften zu 
eigen und sein nie erlahmendes Pflichtgefühl zur Richtschnur 
unserer ferneren Arbeit machen werden. Den Frieden, den er 
sich gewünscht, hat er an der Seite seiner vor drei Jahren ihm 
vorangegangenen Gattin nunmehr gefunden. 

Für die Tierärzte des Königlichen Polizei-Präsidiums Berlin: 

Claus. 

. Nocards Werbe*). 

(Vgl. Nr. 38 und 43.) 

Es ist sehr schwer durch eine gedrängte Übersicht eine aus¬ 
reichende Vorstellung zu geben von einer so umfassenden und 
vielseitigen Tätigkeit, wie Nocard sie entfaltet hat. Wir 
müssen uns darauf beschränken, an seine wichtigsten Arbeiten 
zu erinnern. 

Mit seinem Eintritt in die Lehrtätigkeit dem Lehrstuhl 
der Klinik zu Alfort attachiert (1873), danach Professor der 
Pathologie und Vorstand der chirurgischen Klinik (1878), hat 
Nocard zahlreiche Beobachtungen und interessante Aufsätze 
aus diesen Gebieten veröffentlicht. Wir brauchen da nur zu 
denken an seine Untersuchungen über Beckenbrüche beim Pferde 
(1876), die Zählung der roten Blutkörperchen (1876), die Ver¬ 
drehung der Halswirbelsäule beim Pferde (1876—1879), die 
operative Behandlung des Nageltrittes (1879), die Neurectomie 
bei Behandlung des Leist (1883), die Lymphangitis (1883), 
die Anaesthesie durch intravenöse Injektion von Ckloral 
(1884). 

Wenn Nocard dieser zuerst eingeschlagenen Bahn weiter 
gefolgt wäre, so hätte er bald einen hervorragenden Platz 
unter den besten tierärztlichen Pathologen eingenommen; aber 
sein reger Geist fühlte sich bereits nach einer anderen Richtung 
hin angezogen. Beteiligt an den ersten Arbeiten Pasteurs 

* Obige Mitteilungen verdanke ich der Güte eines französischen 
Kollegen und erlaube mir dieselben hier in Übersetzung zn ver¬ 
öffentlichen. S. 


über den Milzbrand, begeisterte sich Nocard für diese neue 
Lehre. Er errichtete in seinem Institut zu Alfort das erste 
tierärztliche Laboratorium für Bakteriologie und widmete seine 
ganze Zeit, seine ganze Seele diesen Studien. 

Im Jahre 1883 gehörte er zu der französischen Kom¬ 
mission, welche zum Studium der Cholera nach Egypten gesandt 
wurde. Im folgenden Jahre publizierte er zusammen mit 
Mo Ile re au seine schöne Denkschrift über die kontagiöse Mastitis 
der Milchkuh. Er begann dann eine ganze Reihe von experi¬ 
mentellen Untersuchungen, welche fast alle tierischen Infektionen 
betrafen und über alle Gegenstände neua Aufschlüsse brachten. 

Im Jahre 1886 entdeckt er den Mikroben der brandigen 
Euterentzündung (araignee) des Schafes, 1887 lehrt er uns, 
im Verein mit Roux, ein neues Verfahren zur Kultivierung 
des Tuberkelbazillus; die Hinzufügung des Glyzerin zu den 
verwendeten Medien bewirkt mit einem Male die reichlichste und 
leichteste Entwicklung, sie gestattet zugleich die Gewinnung 
von Kulturen mit Bazillen aus den verschiedenen tierischen 
Produkten. Im selben Jahre gibt er eine Reihe von Versuchs¬ 
resultaten über den Milzbrand. 

Im Jahre 1888 entdeckt Nocard den pathogenen Strepto- 
thrix des farcin du boeuf (Hautwurmes des Rindes). Mit Roux 
erzielt er die Immunisierung der Herbivoren gegen die Wut 
durch intravenöse Injektion virulenter nervöser Substanz. Er 
zeigt, daß das Verfahren mit Nutzen angewendet werden kann 
nach dem Biß und eine Möglichkeit der Behandlung darstellt. 
1890 erweist er die Virulenz des Speichels der tollwütenden 
Tiere während 24—36 Stunden vor Auftreten der ersten 
Symptome und damit die eventuelle Gefahr des Bisses scheinbar 
gesunder Tiere. 

Im Jahre 1892 gelang Nocard die Isolierung des Bazillus 
der Psittacosis, 1896 differenzierte er die ulceröse Lymphangitis 
von Rotz und bestätigte den von Dieckerhoff und Grawitz 
gefundenen Bazillus. 

Inzwischen unternahm er Untersuchungen über die Virulenz 
des Fleisches und der Milch tuberkulöser Tiere, studierte die 
Beziehungen der verschiedenen Tuberkulosen und erreicht die 
experimentelle Umwandlung der verschiedenen Typen ineinander. 
Er zeigte die Vorgänge der Infektion in den Schafpocken, die 
Rolle der Verdauungswege bei der Übertragung des Rotzes usw. 

In seinen letzten Lebensjahren war seine wissenschaftliche 
Produktion noch intensiver geworden. Mit Roux isolierte und 
kultivierte er das Virus der Lungenseuche, eine höchst bedeut¬ 
same Entdeckung, welche den direkten Beweis erbrachte fdr eine 
bisher unkontrollierbare Annahme: die Anwesenheit ultra¬ 
mikroskopischer Mikroorganismen. Zur selben Zeit betrieb er 
Untersuchungen über die Pasteurellosen, die Kälberruhr, die 
durch Trypanosomen erzeugten Krankheiten, die Piroplasmosen, 
die Horse-sicknesB in Afrika, die Maul- und Klauenseuche und 
die Tuberkulose. 

Zu dieser, hier lediglich skizzierten literarischen Tätigkeit 
kommt noch sein großes Werk „Les tnberculeuses animales" 
und „Le traitö des maladies microbiennes“, von welchem einige 
Monate vor seinem Tode die 3. Auflage erschienen ist. 

Wie er ein Gelehrter ersten Ranges war, so besaß Nocard 
zugleich in unvergleichlichem Maße die Fähigkeit des Unter¬ 
richtens und der gemeinverständlichen Darstellung. Außer seinen 
Kursen in Alfort hielt er zahlreiche Vorlesungen im Institut 
Pasteur zu Paris und eine Reihe von öffentlichen Vorträgen 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 46. 


an allen Plätzen des Landes, um die Kenntnis der nenen 
Methoden der Prophylaxe ansznbreiten. Man verdankt ihm die 
fortlanfende Anwendung des Tetanus-Serum in Frankreich und 
die Nutzbarmachung des Mallein und Tuberkulin als diagnostische 
Hilfsmittel. 

Der Augenblick ist freilich noch nicht gekommen, um ein ab¬ 
schließendes Urteil über Nocards Tätigkeit zu fällen, aber 
man darf gewiß sein, daß diese die Zukunft nicht zu scheuen 
braucht; denn Nocard war der allergewissenhafteste Arbeiter. 
Niemals hat man von ihm eine vorzeitige Veröffentlichung un¬ 
vollendeter Arbeiten erlangt, und viele sensationelle Entdeckungen 
hätten ihm gebührt, wenn er sich hätte dazu verstehen wollen, 
unverzüglich Forschungsergebnisse zu veröffentlichen, welche 
alle seine Mitarbeiter schon als gesichert ansahen. 

Als Mensch und Mann der Wissenschaft gereichte Nocard 
seinem Vaterlande wie seinem Berufe zu hoher Ehre. Die Tier¬ 
ärzte der ganzen Welt werden pietätvoll bewahren, das Andenken 
dieses Meisters, welcher (comme le disait si bien ici meine le 
professeur Schmaltz) gezeigt hat, daß man zu gleicher Zeit 
ein großer Gelehrter und ein treuer Tierarzt sein kann. 

Nooard-Denkmal. 

Anläßlich meiner Äußerung in Nr. 43 der B. T. W. habe 
ich aus Frankreich von einem befreundeten Kollegen einen Brief 
erhalten, den ich nicht verfehle nachstehend der Öffentlichkeit 
zu übergeben: 

Mon eher Collegue. 

Je viens de lire dans le Berliner Wochenschrift l’entre- 
filet relatif ä la participation des vötörinaires allemands ä la 
souscription Nocard. 

Notre intention ütait, des le premier jour, de faire appel 
ä nos confreres d’Allemagne qui ont donnd ä Nocard des 
marques si cordiales et si touchants de leur Sympathie. 

Mais le comitü seul pouvait prendre une döcision et on ne 
pouvait soyer ft le convoquer pendant les vacances. 

II se rdunit demain et je pars pour Paris ce soir. Je suis 
certain qu’il acceptera avec reconnaissance le concours des 
ütrangers et qu’il vous adressera l’invitation attendue. S. 

Schädigung der Tierärzte durch die heutige Art der Rotlauf-Impfung. 

Eine wenig erfreuliche Tatsache für uns Tierärzte ist die Hand¬ 
habung der Schweineimpfungen mit Susserinkulturen, welche die 
Landwirtschaftskammern auf Lager halten und verkaufen. 

Die gefährlichen Rotlaufkulturen werden jedem verabfolgt, und 
die Impfungen infolgedessen von jedermann ausgeftlhrt 

Noch bedauerlicher ist die Tatsache, daß eine Landwirtschafts¬ 
kammer Wanderschmiede zu Impfern ausbildet, und zwar unter der 
scheinbaren Begründung, hierdurch den ganz armen Leuten eine 
Wohltat angedeihen zu lassen, und zweitens für uns Tierärzte 
Propaganda zu machen. 

Wenn man nun aber genau die Fährte der Laienimpfer ver¬ 
folgt, so läuft diese Uber den Rahmen des Erlaubten hinaus. 

Mir selbst sind Fälle bekannt, in denen seit einem halben 
Jahre infolge Impfungen durch solche Laien einige Besitzer 
bedeutenden Schaden erlitten. 

Die geimpften Schweine erkrankten 4—6 Wochen nach der 
Impfung an Rotlauf und gingen zum Teil ein. 

Es ist daher dringend erforderlich, daß die Tieräizte diesem 
Gebahren der Landwirtschaftskammem nicht länger mehr zusehen, 
sondern an geeigneter Stelle veranlassen, daß dieser schwunghafte 
Handel mit Rotlaufkulturen an jedermann aufhört, und der Impf¬ 
stoff nur gegen Rezept eines approbierten Tierarztes verabfolgt 
werden darf. Einer von Vielen. 


Hilf Dir selbst I 

Die vorstehende Zuschrift habe ich auf Wunsch veröffent¬ 
licht, obwohl der darin gemachte Vorschlag von den Ereignissen 
ja überholt ist. Dem Einsender ist nicht bekannt, daß der 
Entwurf zu dem neuen Seuchengesetz einen Paragraphen enthält, 
welcher bestimmt ist, „den Handel mit Rotlauf kulturen“ zu regeln. 
Im übrigen aber möchte ich hieran eine andere Bemerkung knüpfen. 

Ich bin ein absolut überzeugter Anhänger der Ansicht, daß 
die Interessen der heimischen Landwirtschaft auch uns Tier¬ 
ärzten vor anderen am Herzen liegen müssen, und daß die 
Tierärzte mit den Landwirten gehen sollen. Aber ich muß 
auch sagen, daß möglichst Gegenseitigkeit dabei erwünscht ist. 
Anläßlich der Rotlaufimpfungen zeigt sich eine solche freilich 
nicht: die Landwirtschaft verdankt dieser tierärztlichen Er¬ 
findung außerordentlich viel, ist aber im allgemeinen dagegen, 
daß bei der Fruktifizierung derselben auch die Tierärzte irgend¬ 
einen Nutzen haben. 

Die Tierärzte sind aber ganz im Recht, wenn sie verlangen, 
daß, wenn die Tiermedizin eine wertvolle Errungenschaft zeitigt, 
ihnen wenigstens die ärztliche Ausführung derselben verbleibt. 
Hoffentlich sorgt dafür das neue Seuchengesetz, und hoffentlich 
greift auch in der Landwirtschaft in diesem Punkte eine ge¬ 
rechtere Auffassung Platz. 

Aber die Tierärzte könnten auch selber etwas tun, um 
teilzunehmen an der pekuniären Ausnützung jener Erfindung 
und anderer, die hoffentlich die Zukunft der tierärztlichen 
Forschung noch beschert. 

Wer zieht denn den Nutzen aus dem Rotlaufserum? Nicht 
allein Landwirtschaftskammern haben aus demselben bedeutende 
Einnahmen, sondern auch Personen, die weder Landwirte noch 
Tierärzte sind. Warum sehen die Tierärzte dem denn ruhig 
zu? Liegt denn der Gedanke so fern, daß Tierärzte eine 
Gesellschaft bilden zur Errichtung eines Seruminstitutes, dessen 
Erträge dann Tierärzten zufließen würden ? Wäre es, abgesehen 
von der rein materiellen, übrigens durchaus berechtigten Seite, 
nicht ein großer Vorteil, wenn ein solches Institut sich zu all¬ 
gemeinem Nutzen auch die Aufgabe stellen würde, zukünftige 
tierärztliche therapeutische Entdeckungen aufzunehmen, zu 
prüfen und „marktfähig“ zu machen? Hätte wohl die Rotlauf¬ 
impfang und ihr Ertrag den Tierärzten so aus der Hand ge¬ 
nommen werden können, wenn ein solches tierärztliches Institut 
seinerzeit die Lorenz sehe Erfindung in die Hand genommen 
hätte? Das Institut könnte seine Tätigkeit übrigens noch auf 
manches andere Gebiet ausdehnen. 

Die Gründung eines solchen Institutes, zunächst für Serum- 
Gewinnung, durch eine ans Tierärzten bestehende Gesellschaft 
ist ein Gedanke, der vielleicht ernster und schleuniger Erwägung 
wert wäre. Schmaltz. 

Zur Kurpfuscherei. 

Von Kreistierarzt Dam mann-Gr. Strehlitz. 

Wie vielen Kollegen bekannt sein wird (vgl. Nr. 26 dieser 
Zeitschrift), machte im Frühjahr d. J. die Hohenlimburger 
Federnfabrik von Herrn. Ruberg eine umfangreiche Reklame, 
indem sie an Interessenten, insbesondere auch Tierärzte ihre 
Prospekte über Pferdeschoner verschickte. In den Prospekten 
war als Lockvogel jedem Käufer eine Gratisbeigabe in Form 
eines „preisgekrönten“ Tierarzneibüchleins in Aussicht gestellt; 
außerdem wurde darin ein Geheimmittel „Antispat“ als einzig 
sicheres Mittel gegen Spat, Galle, Verrenkungen usw. angepriesen. 


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697 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


5. November 1903. 


Als die Prospekte auch in hiesige Gegend verschickt wurden, 
stellte ich Strafantrag wegen öffentlicher Ankündigung von 
Geheimmitteln und wegen unlauteren Wettbewerbs. Das war 
der Firma anscheinend äußerst peinlich, denn sie bat mich 
wiederholt, den Strafantrag zurückzuziehen. Dem mehrfachen 
Ersuchen habe ich entsprochen und den Strafantrag, soweit 
dies angängig war (unlauterer Wettbewerb) zurückgenommen, 
mir dafür jedoch von der Firma die strikte Erklärung abgeben 
lassen, fortan weder Geheimmittel, noch Tierarzneibüchlein oder 
dergleichen anzupreisen oder zu vertreiben. Neuerdings wird 
nun den Pferdeschonern nicht mehr das Tierarzneibüchlein, 
sondern ein patentierter Türschließer gratis beigefügt. Auch 
ist seitens der Firma die Ankündigung und der Vertrieb des 
„Antispat“ eingestellt. Es dürfte damit eine weitere Geheim¬ 
mittelquelle verstopft sein. 

UnterstOtzungsverein für Tierärzte. 

Der Unterstützungsverein für Tierärzte, welcher zurzeit 
bereits 409 Mitgliedskarten ausgegeben hat, ist in diesem Jahre 
schon sehr stark in Anspruch genommen worden. Es wurden 
bis jetzt 13 Unterstützungen im Gesamtbetrag von 975 M. aus¬ 
gezahlt, einige Gesuche stehen noch aus. Hierdurch konnte so 
manche Träne getrocknet, so manche, wenn auch nur vorüber¬ 
gehende Hilfe gewährt worden. Es bleibt aber noch viel zu 
tun; das Elend in manchen Familien verstorbener, selbst auch 
noch lebender Tierärzte ist groß. Der Unterstützungsverein 
hält es für seine vornehmste Aufgabe hier so viel wie möglich 
helfend und lindernd einzugreifen. Hierzu bedürfen wir aber 
der tatkräftigen Mitwirkung möglichst aller Tierärzte, die es 
nur irgend möglich machen können, 5 M. jährlich dem guten 
Zwecke zu opfern. Es wird so viel Geld unnötig ausgegeben, 
also warum nicht auch einmal für einen Verein, welcher es sich 
zum Ziel gesetzt hat, unglücklichen Kollegen bzw. deren Witwen 
und Waisen aus größter Not zu helfen. Ich bitte daher um 
recht zahlreichen Beitritt zu unserem Verein. Anmeldungen 
nimmt der Unterzeichnete Vorsitzende, sowie auch der Schatz¬ 
meister Herr Veterinärassessor Heyne in Posen entgegen. 


Staatsveterinärwesen. 

Red. von KBhnan. 

Die Bekämpfung des Rotlaufs. 

Als im Jahre 1894 in Preußen die Anzeigepflicht für den 
Rotlauf der Schweine und im Anschluß daran eine Reihe veterinär¬ 
polizeilicher Maßnahmen angeordnet wurden, geschah dies aus 
dem Grunde, weil nachgerade diese Seuche eine Kalamität für 
die Schweinezuchten und Schweinehaltungen zu werden anfing, 
welche die Erzielung einer wesentlichen Rente, aus diesem so 
wichtigen Teile der Viehzucht Ulusorisch zu machen drohte. 
Eine im Jahre 1891 für die drei Sommermonate seitens des 
preußischen Ministers für Landwirtschaft veranstaltete Enquete 
über die Verbreitung des Rotlaufs hatte damals erschreckende 
Zahlen ergeben. Die im Jahre 1894 zur Bekämpfung des Rot¬ 
laufs angeordneten Maßnahmen bestanden außer in der Anzeige¬ 
pflicht, in Stall- und Gehöfts- eventueU auch Ortssperren, 
Beschränkungen im Verkehr mit ansteckungsverdächtigen 
Schweinen, in Vorschriften über die Beseitigung der Kadaver, 
die Behandlung von Fleisch kranker Schweine und die Des¬ 
infektion der StäUe. Über die Frage, ob bzw. wie diese Ma߬ 
nahmen, welche nunmehr seit fast 10 Jahren in Kraft sind, in 


Es wird sodann noch gebeten, Unterstützungsgesuche zur 
Vermeidung von Verzögerungen direkt an den Unterzeichneten 
Vorsitzenden einzureichen. Preuße-Danzig, 

Departementstierarzt. 

IX. Quittung Ober die zum preussischen Stipendienfonds eingegangenen 

Beiträge 

bis zum 31. Oktober er. 

Transport vom 30. September er. 6367,10 M. 


Klebba, Departementstierarzt, Neubabelsberg.20,— „ 

Ulrich, Schlachthofinspektor, Neumarkt (Schles.). . . . 10,05 „ 

Tierärztlicher Verein der Provinz Westfalen. 300,— „ 

Enders, Kreistierarzt, Weißcnfels.10,05 „ 

Tierärztlicher Provinzialverein für Posen. 300,06 „ 

Tierärztliche Gesellschaft zu Berlin.100,— „ 

Hesse, Kreistierarzt, Neidenburg (Ostpr.).20,— „ 

Fischer, GestUtstierarzt, Trakehnen.10,— „ 

Ostfriesischer Tierärztlicher Verein.100,— „ 


Summa 6237,25 M. 

64. Versammlung des Vereins Thüringer Tierärzte. 

Sonntag, den 8. d. M., Anfang 10'/j Uhr, im Hotel zum Ritter, 
Johannesstraße. 

Tagesordnung: 

1. Geschäftliches (Aufnahme neuer Mitglieder etc.). 

2. Vorlage und Prüfung der Jahresrechnung. 

3. Vortrag des Herrn Kollegen Hepke-Weimar: „Die Band- 
wurmBeuche der Schafe“. 

4. Fleischschaufragen und Mitteilungen aus der Praxis (das 
Motorrad im Dienste der Praxis mit Demonstration). 

Zwei Uhr gemeinschaftliches Essen mit Damen. 

Angabe der Anzahl der gewünschten Kuverts erbeten. 

Erfurt, den 1. November 1903. I. A.: 

Wallmann. 

Tierärztlicher ProvinziaJverein für Posen. 

Der Tierärztliche Provinzialverein fiir Posen ernannte Herrn 
Professor Schmaltz in Ansehung und Würdigung seiner großen 
und vielfachen Verdienste um die Hebung des tierärztlichen 
Standes am 18. Oktober er. einstimmig zum Ehrenmitgliede. — 
Die Ernennung wurde Herrn Professor Schmaltz sogleich 
telegraphisch übermittelt 

Während des sich an die Sitzung anschließenden Festessens 
erging, ebenfalls telegraphisch, die dankende Zusage des neuen 
Ehrenmitgliedes an den Verein, die mit ihrem Schlußsatz „es lebe 
die Ostmark“, allgemeinen Beifall hervorrief. Prieur. 


bezug auf die Bekämpfung des Rotlaufs gewirkt haben, gibt 
uns die Statistik Auskunft. Für Preußen werden statistische 
Nachrichten über die Verbreitung des Rotlaufs erst seit dem 
Jahre 1897 veröffentlicht. Aus den bekannt gegebenen Zahlen 
ergibt sich folgendes Bild: 1897 waren in Preußen 17899 
Gehöfte vom Rotlauf betroffen worden und es erkrankten 32698 
Schweine,. 1898: 18950 Gehöfte und 36627 Schweine, 1899: 
22438 Gehöfte und 40441 Schweine, 1900 : 20964 Gehöfte und 
38184 Schweine und 1901: 17722 Gehöfte und 29711 Schweine. 
Wir sehen hieraus ein allmähliches Anschwellen der Krankheits¬ 
fälle und eine darauf folgende Abnahme derselben. Aus dieser 
auf- und absteigenden Kurve könnte man entnehmen, daß die 
anfängliche Zunahme der Erkrankungen dadurch hervorgerufen 
wurde, daß zuerst der Anzeigepflicht nur unvollkommen genügt 
wurde und durch die bessere Durchführung derselben später mehr 
Fälle zur Anzeige kamen als anfangs, und daß ferner die 
Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen sich erst vom Jahre 
1899 an mehr geltend machte. Neuerdings macht sich jedoch 
wieder eine recht bedenkliche Zunahme der Zahl der Rotlauf¬ 
fälle bemerkbar. 

Diese Zunahme begann bereits im Sommer 1902; sie zeigt 


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698 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


sich aber ganz besonders in dem gegenwärtigen Jahre. Da 
mir ans den Jahren 1902 und 1903 die Zahlen aus den übrigen 
Regierungsbezirken noch fehlen, bo kann ich dies nur in betreff 
des Regierungsbezirks Danzig darlegen. Ich habe jedoch Grund 
anzunebmen, daß Danzig in dieser Beziehung keine Ausnahme¬ 
stellung einnimmt. Im Bezirk Danzig verseuchten 1895: 803 Ge¬ 
höfte und erkrankten 2566 Schweine, im Jahre 1896: 641 Ge¬ 
höfte und 2007 Schweine, 1897: 664 bzw. 1627, 1898: 741 bzw. 
2133, 1899: 676 bzw. 1981, 1900: 470 bzw. 1393, 1901: 625 
bzw. 1352, 1902: 791 bzw. 1628. Io den ersten drei Viertel¬ 
jahren 1903 verseuchten 1116 Gehöfte und erkrankten 2321 
Schweine. Die Zahl der verseuchten Gehöfte hat daher schon 
jetzt die bisher höchste Zahl im Jahre 1895 um ca. 300 über¬ 
schritten. Wenn auch die Zahl der erkrankten Schweine jetzt 
schon viel höher ist, als wie in den Vorjahren, so ist dieselbe 
doch nicht in demselben Verhältnis gestiegen, wie die der 
Seuchengehöfte. Im Gegenteil, dieselbe hat im Verhältnis zu 
letzterer äUmählich abgenommen. Dies sehen wir aus folgender 
Zahlenreihe. Im Jahre 1895 kamen auf je ein verseuchtes Ge¬ 
höft 3,19 Erkrankungen, 1896: 3,13, 1897: 2,46, 1898: 2,87, 
1899: 2 93, 1900: 2,96, 1901: 2,16, 1902: 2,05 und 1903: 2,08. 
Die Zahl der Erkrankungen in «inem verseuchten Gehöft ist 
also um über 30 Proz. zurückgegangen. Ein Ähnliches geht 
auch aus den für den ganzen Staat Preußen ermittelten Zahlen 
hervor; 1897 kamen hier 1,85 Erkrankungen auf je ein ver¬ 
seuchtes Gehöft, 1898: 1,93, 1899: 1,80 und 1900: 1,82 und 
1901: 1,66, also auch hier ein Rückgang um 10 Proz. innerhalb 
der fünf Jahre von 1897 bis 1901. 

Wenn nun somit auch die Seuchenfälle an sich sehr zu¬ 
genommen haben, so ist immerhin in bezug auf die Verluste in 
den einzelnen Seuchengehöften eine Besserung eingetreten. Es 
ist jedoch nicht allein hierin eine Besserung eingetreten, sondern 
auch in bezug auf die Mortalität. 

Früher galt der Rotlauf als eine fast absolut tödliche 
Krankheit; heute ist dies nicht mehr der Fall, wie folgende 
Zahlen für Preußen beweisen: 1897 betrug die Mortalität noch 
94,7 Proz., 1898: 93,4 Proz., 1899: 92,1 Proz., 1900: 90 Proz., 
1901: 87,5 Proz.; in den letzten beiden Jahren dürfte sie wohl 
noch geringer geworden sein. Die Mortalität ist also hiernach 
gradatim zurückgegangen. Es hat demnach den Anschein, als 
ob der Rotlauf sich in bezug auf sein epidemiologisches Ver¬ 
halten innerhalb der letzten Jahre geändert hätte, insbesondere 
die Virulenz des Rotlaufkontagiums eine Abschwächung erfahren 
hätte; das Vorkommen des Rotlaufs an sich hat eine Ver¬ 
minderung nicht erfahren; wie aus den mitgeteilten Zahlen 
hervorgeht, ist im Gegenteil die Ausbreitung dieser Seuche eine 
größere geworden. Fragen wir nun nach den Ursachen des 
vermehrten Auftretens des Rotlaufs einerseits und der an¬ 
scheinenden Änderung in seinem epidemiologischen Verhalten 
andererseits, so muß man hierfür dreierlei verantwortlich machen: 

1. die Identifizierung der Backsteinblattern mit dem Rotlauf, 

2. das Fleischbeschaugesetz, 3. die Schutzimpfungen. 

1. Wenngleich es schon lange wissenschaftlich feststand, 
daß die Backsteinblattern (Nesselfieber, Urticaria) der Schweine 
eine abgeschwächte, harmlosere Form des Rotlaufs darstellten, 
so wurde doch diese Krankheit veterinärpolizeilich nicht als 
Rotlauf behandelt, die einzelnen Fälle derselben kamen daher 
überhaupt nicht zur behördlichen Kenntnis. Der Erlaß des 
preußischen Landwirtschaftsministers vom 11. März 1902 ordnete 


No. 45. 


an, daß die Vorschriften der zur Bekämpfung des Rotlaufs er¬ 
gangenen landespolizeilichen Anordnungen auch auf die Back¬ 
steinblattern Anwendung zu finden haben, da nach einem Gut¬ 
achten der Technischen Deputation für das Veterinärwesen diese 
beiden Krankheiten durch die gleichen Erreger verursacht 
werden und demgemäß in veterinärpolizeilicher Hinsicht gleich 
zu erachten sind. Die Folge dieser Anordnung war, daß die 
Zahl der Anzeigen von Rotlauffällen gleich sehr erheblich zu¬ 
nahm. Im Regierungsbezirk Danzig wurden im ersten Viertel¬ 
jahr 1902 45 neuverseuchte Gehöfte und 85 Erkrankungen, im 
zweiten Vierteljahr 128 bzw. 272 und im dritten Vierteljahr 
479 bzw. 934 ermittelt. Obgleich sich die Rotlauffälle im 
dritten Vierteljahr gewöhnlich zu häufen pflegen, so ist die 
Zunahme im Sommer 1902 doch eine besonders starke gewesen. 

Die Zahl der neuverseuchten Gehöfte überstieg im dritten 
Vierteljahr 1902 die des zweiten Quartals fast um das vierfache, 
während .Storni so viel Einzelerkrankungen zur Kenntnis kamen. 
Die Zahl der Einzelerkrankungen ist nicht ganz in demselben 
Verhältnis gewachsen, wie die Zahl der neubetroffenen Gehöfte. 
Im zweiten Vierteljahr kamen 2,1 Erkrankungen auf ein ver¬ 
seuchtes Gehöft, im dritten Vierteljahr 1,9. Es hat dies zweifellos 
auch in der Mitberücksichtigung der Backsteinblattern seinen 
Grund, da letztere in den betreffenden Gehöften meist nur ver¬ 
einzelt aufzutreten pflegen. Aber auch die Mortalität hat sich 
im Laufe des Jahres 1902 geändert. Im ersten Vierteljahr 1902 
betrug dieselbe noch 93,4 Proz., im zweiten 92,6 Proz., im 
dritten 91,7 Proz. und im vierten 90 Proz.; im Jahre 1903 
hat die Mortalität eine weitere nicht unwesentliche Besserung 
erfahren, sie betrug in den ersten drei Vierteljahren 87,6 Proz. 
Dieses Zurückgehen der Mortalitätsziffern hat auch zweifellos 
mit seinen Grund in der Aufnahme der Backsteinblattern als 
eine anzeigepflichtige Rotlaufform, wenngleich auch die Schutz¬ 
impfungen hierbei eine wesentliche Rolle mitspielen dürften, 
worauf ich später noch zu sprechen komme. 

2. Was nun das Fleischbeschaugesetz anbetrifft, welches ich 

hier mit erwähnt hatte, so muß dieses insofern als Mitursache für 
die Zunahme der Zahl der Rotlauffälle in der Statistik heran¬ 
gezogen yerden, als infolge der allgemeinen Regelung der 
Schlachtvieh- und Fleischbeschau eine größere Zahl von Rotlauf¬ 
und Nesselfieberfällen zur amtlichen Kenntnis gelangen, als wie 
dies vor Inkrafttreten dieses Gesetzes geschehen war. Namentlich 
die Anfangsstadien der genannten Krankheiten, welche häufig 
zur schleunigen Schlachtung des betreffenden Tieres führten, 
blieben bisher zum größten Teil den beamteten Tierärzten und 
den Polizeibehörden verborgen. Es ist daher nicht zu ver¬ 
wundern, wenn die Rotlaufzahlen seit dem 1. April d. J. so er¬ 
heblich in die Höhe gegangen sind. Im Regierungsbezirk Danzig 
betrug die Zahl der neubetroffenen Gehöfte im ersten Viertel¬ 
jahr 58, im zweiten 400, also 7 mal so viel und im dritten 
Vierteljahr 658, 11 mal so viel. Die Zahl der Einzel¬ 
erkrankungen stieg von 158 im ersten Vierteljahr auf 858 im 
zweiten und 1307 im dritten, also um das 572 8fache. 

Wenn somit in diesem Jahre die Statistik eine erheblich größere 
Zahl von Rotlauffällen aufweist, so braucht der Grund hierzu 
noch nicht in einer tatsächlichen größeren Ausbreitung dieser 
Seuche gesucht zu werden. 

3. Die Schutzimpfungen gegen Rotlauf haben nachgerade jetzt 
einen ganz enormen Umfang erreicht; es gibt wohl jetzt kaum 
noch ein Dorf, wenigstens hier in den östlichen Landesteilen, 


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5. November 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


699 


in dem nicht ein Teil der Besitzer seine Schweine impft oder 
impfen läßt. Von den jetzt üblichen Methoden kommt fast nur 
noch die Lorenzsche Methode, die Einspritzung von Immun- 
sernm und Kultur in Betracht. Der Pasteursehe Impfstoff und 
das Porkosan werden jetzt nurnoch ausnahmsweise verwendet. Es 
ist ja nun nicht zu leugnen, daß auch nach den Lorenzschen 
Impfstoffen, wozu eigentlich auch das Susserin zu rechnen ist, hin 
und wieder Impfverluste Vorkommen, und daß diese nicht in 
allen Fällen absolut sicher die gewünschte Zeit hindurch schützen, 
der durch sie erzeugte Schutz ist jedoch wirksam genug, um die 
mit ihnen vorgenommenen Impfangen als ein vorzügliches, bis 
jetzt wohl auch als das einzige Mittel zu erklären, welches im¬ 
stande ist einen wesentlichen Einfluß auf die Bekämpfung des 
Rotlaufs auszuüben. 

Den Schutzimpfangen ist es mitzuverdanken, daß sich das 
Verhältnis der Zahl der Erkrankungen zu der der verseuchten 
Gehöfte zugunsten der ersteren geändert hat, denn dort, wo 
bei Rotlaufausbrüchen von vornherein die Impfung der noch 
gesunden Tiere ausgeführt wird, pflegen die Erkrankungen 
meistens sofort zu sistieren. Da die Impfungen mit den 
Lorenzschen Impfstoffen aber nicht nur Schutz- sondern auch 
Heilwirkungen aasüben, so sind sie auch mit Ursache an dem 
Zurückgehen der Mortalitätsziffer beim eigentlichen Rotlauf, von 
den Backsteinblattem dürfte hierbei abzusehen sein. So könnten 
wir denn in den Schutzimpfungen mit den Lorenzschen Impf¬ 
stoffen ein ideales Verfahren zur Bekämpfang des Rotlaufs er¬ 
blicken, wenn diese nicht auch ihre üble Seite hätten. Diese 
üble Seite ist die Notwendigkeit der Mitbenutzung virulenter 
Rotlaufknlturen, wenn man einen länger dauernden Schutz erzielen 
will. Die injizierten Rotlaufbazillen gehen bekanntlich nicht 
alle im Tierkörper zugrunde, sondern sie werden teilweise 
durch die Abgänge wieder ausgeschieden und die Impfungen 
können so Veranlassung zur Weiterverbreitung des Rotlauf- 
kontagiumB abgeben, sie arbeiten also gewissermaßen der 
Veterinärpolizei entgegen. Diese unerwünschte Wirkung werden 
die Impfangen besonders dann haben, wenn sie von ungeübten 
Personen ausgeführt werden, welche keine Kenntnis von dieser 
Wirkung haben, und welche es natürlich auch verabsäumen, für 
eine unschädliche Beseitigung der wieder ausgeschiedenen Rot¬ 
laufkeime durch eine angemessene Stalldesinfektion Sorge zu 
tragen. Ich habe vorhin erwähnt, daß zurzeit die Rotlauf- 
schutzimpfungen bereits eine enorme Ausdehnung angenommen 
haben. Die meisten Schweinebesitzer lassen sie heute ausführen, 
ganz gleichgültig, ob ihre Bestände durch Rotlauf bedroht werden 
oder nicht. Die Rotlaufschutzimpfungen sind heute sozusagen 
modern, denjenigen, der sie nicht ausführen läßt, wird womöglich 
mangelnde Intelligenz oder ein Nichtmitgehen mit den Errungen¬ 
schaften der Kultur und Wissenschaft vorgeworfen, das ganz 
mit Unrecht. Wenn Bestände, die bisher nie durch Rotlauf zu 
leiden gehabt haben mit Serum und Kulturen geimpft werden, 
so werden in dieselben die Rotlaufkeime hineingetragen, Stall¬ 
desinfektionen werden nach bloßen Schutzimpfungen nur selten 
ausgeführt und daher kommt es, daß in solchen bisher rotlauf- 
freien Beständen oft plötzlich der Rotlauf ausbricht, sobald 
einmal ungeimpfte Schweine in dieselben hineingebracht werden. 

Es gibt jetzt schon eine ganze Menge früher seuchefreier 
Ställe, in welche ohne Gefahr der Erkrankung ungeimpfte 
Schweine nicht eingestellt werden dürfen. Zur Vermeidung von 
Verlusten muß daher jedes in diese Ställe einzubringende 


Schwein, selbstredend auch die darin geworfenen Ferkel bald 
nach der Geburt geimpft werden. Hierdurch wird natürlich 
eine immer weitere Konservierung der Rotlanfkeime in diesen 
Ställen bewirkt. Wenn wir erst einmal ein länger wirkendes 
Schutzimpfverfahren ohne Mitbenutzung lebender und virulenter 
Bazillen haben werden, so mag ja jeder nach Herzenslust seine 
Schweine impfen und impfen lassen wie er will, so lange wir 
aber die virulenten Kulturen brauchen, muß das jetzige sinn- 
und planlose Impfen aufhören, wenn wir verhindern wollen, daß 
jeder Schweinestall durch Rotlaufkeime infiziert wird. Die 
Rotlaufkulturen sind heute vogelfrei, jeder Schuster, Schneider, 
Barbier, Schmied, Fleischbeschauer, Amtsdiener und dgl. kann 
sich solche leicht verschaffen nnd den Schweinen von Bekannten 
und Unbekannten einverleiben, gegen oder ohne Entgelt. 

Ist es unter solchen Umständen ein Wunder, wenn die Zahl 
der durch Rotlauf verseuchten Gehöfte rapide wächst und die 
Verbreitung dieser Seuche immer mehr zunimmt? Ist es denn 
so Unrecht, wenn ich behaupte, die Rotlaufschutzimpfungen in 
ihrer jetzigen Ausdehnung sind mit schuld an der Zunahme der 
Rotlauffälle. Man beschränke die Rotlaufimpfungen auf die 
Ställe, in denen Rotlauf ausgebrochen ist bzw. welche unmittel¬ 
bar durch diese Seuche bedroht werden, sowie auf die Handels¬ 
schweine, und diese Impfungen werden für die Schweinezucht 
und Schweinehaltung von unschätzbarem Segen sein, aber jetzt 
in dieser sinn- und planlosen Ausdehnung, noch dazu in der 
Hand von Laien, bilden sie ein Danaergeschenk, welches sich 
noch einmal sehr unangenehm fühlbar machen dürfte. In dieser 
Beziehung verspricht der neue Entwurf zu einer Novelle zum 
Viehseuchengesetz einige Besserung. 

Der § 8b läßt die Anordnung von Beschränkungen des 
Verkehrs mit den Erregern übertragbarer Krankheiten der Haus¬ 
tiere zu. Der § 52 b regelt die Fälle, in denen die Rotlauf- 
schutzimpfungen polizeilich angeordnet werden können. Es wäre 
wünschenswert, noch Bestimmungen aufzunehmen, welche die¬ 
jenigen Fälle regeln, in denen nicht geimpft werden darf, 
wenigstens nicht mit Kulturen. Ich erinnere hierbei nur an das 
Beispiel der Schafpocken. Dasselbe mag ja wohl nicht ganz auf 
Rotlauf der Schweine anzuwenden sein, aber es ist lehrreich 
genug, um auch für die Bekämpfang dieser Seuche nicht ganz 
unbeachtet zu bleiben. Solange die Schutzimpfungen gegen 
Schafpocken ganz allgemein zngelassen waren, nahmen dieselben 
kein Ende, sie wurden im Gegenteil durch die Impfungen kon¬ 
serviert. Das Verbot der Schutzimpfangen gebot mit einem 
Male dieser Seuche ein energisches Halt, während die Not¬ 
impfangen sich zur Bekämpfang der Proben nach wie vor not¬ 
wendig erwiesen. Seitdem haben die Schafpocken für unsere 
Schafzucht uhd Haltung ihre frühere Bedeutung gänzlich ver¬ 
loren. Ich bin weit entfernt davon, dasselbe Prognostikon für 
den Rotlauf aufzustellen, aber obiges Beispiel lehrt uns doch 
wohl deutlich genag, wie wir am wirksamsten den Schweine¬ 
rotlauf bekämpfen können. 

Von veterinärpolizeilichen Maßnahmen: Beschränkungen 
des Verkehrs mit kranken Tieren, Vorschriften über Stalldesin¬ 
fektion, Beseitigung der Kadaver und Behandlung des Fleisches etc., 
ferner eine planmäßige Schutz- und Notimpfung in allen solchen 
Fällen, in denen sie sich notwendig erweist, dürften vollkommen 
genügen, um die Rotlaufseuche der Schweine in solchen Schranken 
zu halten, daß sie für die Landwirtschaft die Bedeutung verliert, 
welche sie gegenwärtig noch in hohem Maße besitzt. Pr. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 46. 


Beseitigung des Aufsichtsrechtes der Kreisärzte Ober die Trichinensohauer. 

Durch § 80 der Dienstanweisung für die Kreisärzte war 
denselben auch die Pflicht auferlegt worden, Prüfungen und 
Nachprüfungen von Trichinenschauern vorzunehmen, soweit 
dieselben seiner Aufsicht unterstehen. Letztere Voraus¬ 
setzung trifft jetzt nicht mehr zu, nachdem durch die Neu¬ 
regelung der Trichinenschau in den Ausführungsbestimmungen 
zum Fleischbeschaugesetz diese Aufsicht den Kreisärzten ent¬ 
zogen und den beamteten Tierärzten übertragen worden ist. 
Durch Erlaß vom 1. Juli d. J. haben die Herren Medizinal- 
und Landwirtschaftsminister darauf hingewiesen, daß die Vor¬ 
schriften im § 80 der Dienstanweisung ohne weiteres ihre 
praktische Bedeutung verloren haben, ein Bedürfnis für die 
formelle Aufhebung desselben liegt daher nicht vor. 

Tierseuchen in Deutschland im II. Quartal 1903. 

An Rauschbrand verendeten in den nachbenannten Staaten: 
Preußen 133 Rinder (wovon 39 Fälle im R.-B. Münster, 17 in 
Schleswig, 15 in Düsseldorf, 11 in Trier, 10 in Stade, je 6 in 
Kassel und Sigmaringen, je 5 in Wiesbaden und Aachen, 3 in Minden, 
je 2 in Breslau, Hannover, Arnsberg,Koblenz, je 1 in Königsberg, 
Danzig, Marienwerder, Stettin, Posen, Liegnitz, Osnabrück, Auricb); 
Bayern 58 Rinder; Württemberg 16 Rinder; Baden 11 Rinder; 
Hessen 8 Rinder, 7 Schafe, 1 Ziege; Sachsen-Meiningen 4, Elsaß- 
Lothringen 2, Sachsen, Sachsen-Weimar und Sachsen-Altenburg je 
1 Rind. Zusammen 1 Pferd, 235 Rinder, 7 Schafe, 1 Ziege. 

Von der Tollwut wurden im ganzen 311 Gemeinden betroffen: 
Preußen 242 (wovon 71 Fälle im R.-B. Gumbinnen, 32 in Königsberg, 
27 in Bromberg, 21 in Oppeln, 20 in Posen, 18 in Marienwerder, 
16 in Düsseldorf, je 6 in Stettin und Liegnitz, 5 in Breslau, je 4 
in Fraukfurt und Münster, 2 in Merseburg, je 1 in Danzig, Potsdam, 
Magdeburg, Erfurt, Minden, Arnsberg, Kassel); Bayern 27; Sachsen- 
Weimar 12; Sachsen und Sachsen-Altenburg je 4; Schwarzburg- 
Sondershausen und Schwarzburg-Rudolstadt je 2. 

Von Lungenseuche wurde der preuß. R. B. Bromberg ip 
1 Gemeinde betroffen, die auch am Schluß des Vierteljahres ver¬ 
seucht blieb. 

Die Schafräude war in 298 Gemeinden verbreitet mit einer 
Stückzahl der neubetroffenen Herden von 15628. Davon kamen 
auf Preußen 191 Gemeinden mit 11 916 Stück (108 Gemeinden in 
Hannover mit 5591 Stück, 45 in Hessen-Nassau mit 2697, 14 in der 
Provinz Sachsen mit 387, 12 in Westfalen mit 1685, 7 in der Rhein¬ 
provinz mit 389, je 2 in Brandenburg und Hohenzollern-Sigmaringen 
mit 440 bzw. 572, 1 in Pommern mit 155); Bayern 37 Gemeinden 
mit 979 Stück; Württemberg mit 31 bzw. 1879; Braunschweig mit 
7 bzw. 248; Elsaß Lothringen mit 6 bzw. 116; Baden mit 4 bzw. 
150; Hessen mit 2 bzw. 340; Sachsen-Weimar und -Meiningen mit 
je 4 Gemeinden; Königreich Sachsen, Sachsen-Altenburg und Koburg- 
Gotha mit je 1 Gemeinde. Am Quartalsschluß blieben verseucht 
197 Gemeinden, davon in Preußen 144, Bayern 21, Sachsen 1, 
Württemberg 20, Baden 2, Hessen 1, SachBen-Weimar 3, Braun¬ 
schweig 1, Elsaß-Lothringen 4. 

Die Pferderäude befiel 95 Tiere, von denen 82 auf 
Preußen, 6 auf Bayern, 4 auf Baden, je 1 auf Mecklenburg-Strelitz, 
Sachsen-Meiningen, Elsaß-Lothringen kamen. 

Schweinerotlanf kam in folgender Verbreitung vor: Es 
erkrankten im Deutschen Reiche in 6634 neubetroffenen Gemeinden 
(13 295 Gehöften) 22 071 Stück, von denen 19 526 fielen oder getötet 
wurden. Auf Preußen kamen davon in 5843 Gemeinden (11865 
Gehöften) 19 475 Erkrankungsfälle, darunter die R.-B. Posen 
und Königsberg mit 832 und 749 Gemeinden, Oppeln mit 516, 
Marienwerder mit 417, Bromberg mit 416, Gumbinnen mit 399, 
Breslau mit 378, Liegnitz mit 230, Potsdam mit 229, Danzig mit 209 Ge¬ 
meinden; Bayern in 151 Gemeinden (243 Gehöften); Sachsen 179 
(278); Württemberg80(107); Baden67(87); Hessen49(71); Mecklen¬ 
burg-Schwerin 33 (241); Sachsen-Weimar 22 (46); Mecklenburg- 
Strelitz 10 (17); Oldenburg 7 (9); Braunschweig 45 (8P; Sachsen- 
Meiningon 18 (22); Sachsen - Altenburg 16 (18); Sachsen - Koburg- 
Gotha 18 (19); Anhalt 15 (27); Waldeck 13 (27); Schaumburg-Lippe 


7 (8); Lippe 11 (23); Hamburg 8 (14); Elsaß-Lothringen 27 (73). In 
den anderen Bundesstaaten (beide Schwarzburg und Reuß) waren 
weniger als 5 Gemeinden betroffen; einige (Lübeck, Bremen) blieben 
überhaupt verschont. 

Von Geflügelcholera wurden nachstehende Verlustziffern 
festgestellt: Preußen 5441; Bayern 2257; Sachsen 367; Württem¬ 
berg 4070; Baden 1310; Hessen 509; Sachsen-Weimar 1; Mecklen¬ 
burg-Strelitz 1; Braunschweig 10; Sachsen-Meiningen 79; Sachsen- 
Altenburg 20; Waldeck 3; Hamburg 19; Elsaß - Lothringen 3176. 
Die übrigen Staaten blieben von der Seuche verschont. 

Schafpocken und Rinderpest sind nicht aufgetreten. 


Staaten 

bzw. 

Landesteile 

Schweineseuche 
u. Schweinepes 

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Prov. Ostpreussen . . 

196 

1083 

— 

— 

15' 19 1 


4 

8 

„ Westpreu8sen 

227 

3 646 

1 

181 

16 221 — 

— 

4 

7 

„ Brandenburg . . 

264 

1343 

— 

— 

74; 82 

2 

11 

29 

61 

„ Pommern . . . 

199 1331 

1 


14 

15 

i 

4 

10 

20 

„ Posen .... 

369 3 080 

7 

748 

6G 

90 

5 


4 

3 

„ Schlesien . . . 

823 

3497 

3 

513 

55 

60 7 

23 

32 

63 

„ Sachsen . . . 

112 

592 

1 

571, 63. 71 

1 

6 

25 

124 

„ Schleswig . . . 

143 

1 734 

— 

— 

38 

69 

1 

2 

48 

120 

„ Hannover . . . 

135 

711 

— 

— 

68 

64 

1 

1 

32 

87 

„ Westfalen . . . 

87 

300 

1 

16 

77 113 

4 

4 

11 

42 

„ Hessen-Nassau . 

62 

663 

— 

— 

69 | 63 

— 

— 

94 

627 

Rheinprovinz .... 

100 

537 

9 

969 

93 113 

2 

4 

66 

817 

Hohenz.-Sigmaringen . 

— 

— 

— 

— 

3 

4 

— 

— 

7 

34 

Preußen zusammen . 

2706 

18 417 

23 

3005 

620 

785 

25 

68,361 

1418 

Bayern. 

17 

71 

34 

755 

55 

73 

12 

15151 

889 

Sachsen . 

53 

128 

— 

— 

82 

84 

2 

21 

18 

67 

Württemberg. . . . 

6 

19 

20 

251 

28 

29 

2 

21 

163 

467 

Baden . 

6 

28 

3 

32 

30 

23 

— 

— 

71 

208 

Hessen. 

76 

772 

2 

5 

8 

8 

— 

— 

87 

147 

Mecklenburg-Schwerin 

41 

387 

1 

6 

2 

10 

1 

2 

2 

86 

Sachsen-Weimar . . 

8 

95 

— 

— 

14 

16 

— 

— 

6 

80 

Mecklenburg-Strelitz . 

4 

8 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

Oldenburg . 

5 

19 

1 

45 

9 

8 

— 

— 

3 

6 

Braunschweig . . . 

20 

321 


— 

13 

18 l 

— 

—■ 

1 

8 

Sachsen-Meiningen. . 

2 

15 


— 

2 

3 

— 

— 

11 

27 

Sachsen-Altenburg 

3 

6 

— 

— 

10 

10 

— 

— 

10 

26 

Sachsen-Koburg-Gotha 

2 

2 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

8 

2 

Anhalt. 

5 

55 

— 

— 

14 

21 

— 

— 

— 

— 

Schwarzburg-Sondersh. 

1 

1 

— 

— 

1 

1 

— 

— 

— 

— 

Schwarzburg-Rudolst. 

2 

13 

— 

— 

4 

5 

— 

— 

3 

28 

Waldeck. 

7 

34 

— 

— 

4 

4 

— 

— 

4 

8 

Reuß ä. L. 

— 

— 

— 

— 

1 

1 

— 

— 

— 

— 

Reuß j. L. 

1 

2 

— 

— 

5 

5 

— 

— 

2 

1 

Schaumburg-Lippe. . 

1 

4 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

Lippe-Detmold . . . 

17 

65 

— 

— 

6 

15 

1 

3 

— 

— 

Lübeck. 

1 

5 

— 

— 

1 

3 

— 

— 

— 

— 

Bremen. 

3 

11 

— 

— 

3i 

7 

— 

— 

— 

— 

Hamburg. 

3 

24 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

Elsaß-Lothringen . . 

7 

23 

22 

911 

21 

14 

— 

— 

17 

45 


Deutsches Reich 


(2997; 20 525; 106 50109251143; 43130;858^897 


‘) Die gefährdeten, d. h. auf den neubetroffenen Gehöften be¬ 
findlichen Bestände betrafen von den einzelnen Tiergattungen für 
das Deutsche Reich berechnet: 2450 Rinder, 1487 Schafe, 
76 Ziegen, 997 Schweine. Davon kamen auf Preußen 
1435 Rinder, 721 Schafe, 71 Ziegen und 778 Schweine. 

*) Unter den erkrankten Tieren befanden sich: 32 Pferde, 
1026 Rinder, 45 Schafe, 36 Schweine, 4 Ziegen. Hiervon entfielen 
auf Preußen: 28 Pferde, 687 Rinder, 41 Schafe, 28 Schweine, 1 Ziege. 

®) Am Beginn des Quartals waren verseucht 13 Gemeinden 
(davon in Preußen 9, Bayern 3, Sachsen 1). Am Schluß des 
Quartals blieben verseucht 17 Gemeinden (davon in Preußen 
und Bayern je 8; in Lippe 1). 

4 ) D. h. gefallene oder getötete Tiere. 

5 ) Darunter befanden sich 162 Pferde, 2735 Rinder. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


701 


5 . November 1903. 


Nachwel8ung Ober den Stand der Tierseuchen in Deutschland am 
15. Oktober 1903. 

Schweineseuche und Schweinepest 
Die Zahlen bedeuten die Kreise (Okeramtsbezirke) etc. 
_eingeklammert Gemeinden.__ 


Regierungs¬ 
bezirke etc. 

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Auf je 1000 
Gemeinden 
waren verseucht' 

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bezirke etc. 

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Preußen: 




Sigmaringen . . . 

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Königsberg. . . . 

12 

37 

9 

Waldeck. 

2 

6 

Gumbinnen .... 

9 

28 

7 

Bayern: 



Danzig. 

5 

11 

9 

Oberbayern .... 

8 

14 

Marienwerder . . 

14 

137 

60,5 

Niederbayern. . . 

— 

— 

Berlin. 

— 


— 

Pfalz. 

1 

3 

Potsdam. 

9 

30 

11,5 

Oberpfalz. 

— 

— 

Frankfurt. 

13 

33 

12 

Oberfranken . . . 

— 

— 

Stettin. 

12 

46 

24,5 

Mittelfranken. . . 

— 

— 

Köslin. 

9 

39 

20 

Unterfranken . . . 

— 

— 

Stralsund. 

3 

5 

5,5 

Schwaben. 

— 

— 

Posen . 

21 

96 

29 

Württemberg . 

— 

— 

Bromberg. 

13 

79 

35,5 

Sachsen. 

6 

7 

Breslau. 

18 

68 

17,5 

Baden . 

6 

10 

Liegnitz. 

17 

66 

23,5 

Hessen . 

5 

9 

Oppeln. 

13 

26 

9 

Meckl.-Schwerin 

7 

16 

Magdeburg .... 

11 

18 

12,5 

Meckl.-Strelitz . 

1 

1 

Merseburg .... 

11 

38 

16,5 

Oldenburg . . . 

1 

2 

Erfurt. 

4 

17 

29 

Sachs.-Weimar. 

3 

9 

Schleswig. 

17 

87 

40,5 

Sachs.-Meiningen 

1 

2 

Hannover. 

4 

14 

22 

SachB.-Alten bürg 

— 

— 

Hildesheim .... 

6 

11 

13,5 

Sachs.-Kob.-Got. 

1 

1 

Lüneburg. 

8 

11 

7,5 

Anhalt. 

1 

2 

Stade. 

6 

17 

23,5 

Braunschweig 

4 

14 

Osnabrück .... 

3 

6 

10,5 

Sch warzb.-Sond. 

_ 


Aurich. 

2 

2 

6 

Schwarzb.-Rud. 

_ 

— 

Münster. 

5 

12 

44,5 

Reuß ä. L. 

_ 

— 

Minden . 

2 

2 

4 

Reuß j. L. 

_ 

— 

Arnsberg . 

9 

18 

21 

Schaum b.-Lippe 

1 

1 

Kassel . 

8 

19 

11 

Lippe-Detmold . 

1 

1 

Wiesbaden .... 

8 

14 

15 

Hamburg .... 

2 

2 

Koblenz. 

1 

1 

1 

Lübeck . 

1 

1 

Düsseldorf .... 

9 

33 

76,5 

Bremen. 

1 

1 

Köln. 

4 

5 

16,5 

Elsaß. 

1 

1 

Trier. 

2 

2 

2 

Lothringen . . 

— 

— 

Aachen . 

2 

3 

7,5 







Rotz 





Preußen: In den Regierungsbezirken Potsdam, Frankfurt, 
Schleswig, Arnsberg Düsseldorf, Trier je 1 (1); im Stadtkreis Berlin 
1(3); Oppeln 3(4); Bromberg 4 (4). — Bayern: Schwaben 1 (1); 
Niederbayern 2 (3); Pfalz 4 (5). — Württemberg: 4 (4); Lippe 1 (1); 
Elsaß-Lothringen 2 (2). — Zusammen 28 Gemeinden und 33 Gehöfte. 

Maul* und Klauenseuche. 

Preußen: In den Regierungsbezirken Potsdam, Posen, Brom¬ 
berg, Koblenz je 1 (1); Sigmaringen 1 (3); Wiesbaden 2 (in 7 Ge¬ 
meinden 55 Gehöfte). — Bayern: Schwaben 1 (1); Oberbayern 2(2); 
Mittelfranken 5(12). — Württemberg: Neckar- und Jagstkreis 1 (1); 
Schwarzwaldkreis 7 (in 19 Gemeinden 14 Gehöfte). 

Lungenseuche erloschen. 

Maul- und Klauenseuche. 

Infolge Abnahme der Maul- und Klauenseuche wird in Ab¬ 
änderung meiner Bekanntmachung vom 16. Dezember 1901 (A. Bl. 1902 
S. 6) unter Bezugnahme auf die landespolizeiliche Anordnung vom 
4. März 189G (A. Bl. S. 72) das Verzeichnis derjenigen verseuchten 
Reichsteile, bezüglich deren für das hierher eingeführte Vieh die 
tierärztliche Untersuchung angeordnet ist nachstehend, wie folgt 
abgeändert und erneut veröffentlicht: Preußen: Regierungsbezirk 
Posen, Bromberg, Wiesbaden, Koblenz. Bayern: Regierungsbezirk 


Mittelfranken Sachsen: Kreishauptraannschaft Chemnitz. Würt¬ 
temberg: Verwaltungsbezirk Schwarzwaldkreis. 

Danzig, den 25. September 1903. Der Regierungspräsident. 

Maul- und Klauenseuche. 

In Verfolg der Deklaration vom 9. April 1896 zur landespolizei¬ 
lichen Anordnung vom 6. Dezember 1895, betreffend die Abwehr 
gegen die Einschleppung der Maul- und Klauenseuche in den dies¬ 
seitigen Regierungsbezirk durch das aus anderen Reichsteilen 
stammende Vieh, bestimme ich, daß die Vorschriften der vorbezeich- 
neten landespolizeilichen Anordnung sich auf das aus nachbenannten 
Reichsteilen: 1. aus den preußischen Regierungsbezirken Potsdam, 
Posen, Wiesbaden, Koblenz und Sigmaringen, 2. aus den bayerischen 
Regierungsbezirken Oberbayern, Mittelfranken und Schwaben, 3. aus 
den württembergischen Kreisen Neckarkreis, Schwarzwaldkreis und 
Jagstkreis — im Regierungsbezirk Bromberg zur Entladung mit 
der Eisenbahn gelangende Rindvieh bis auf weiteres beschränken. 

Bromberg, den 21. Oktober 1903. Der Regierungspräsident. 

Tierseuchen Im Ausland 1903. 

Frankreich. 1. Quartal. 

Von Lungenseuche wurden betroffen im Januar 1, im März 
5 Gemeinden, als ansteckungsverdächtig wurden 26 Rinder ge¬ 
schlachtet. Milzbrand trat auf in 27, 31, 26; Rotz in 78, 66, 
79 Ställen. Wegen Rotz getötet wurden 66, 58, 75 Pferde. Die 
Zahl der wutkranken Hunde belief sich auf 195, 255, 344. Maul¬ 
und Klauenseuche herrschte ln 252, 258, 137 Gemeinden. Die 
Schafpocken brachen aus in 18, 15, 20, Schafräude in 51, 19, 
8 Herden. Rauschbrand kam in 65, 65, 53 Ställen vor; Schweine¬ 
rotlauf in 27, 20, 21 Beständen von je 13, 14, 11 Departements. 
Ansteckende Lungen- und Darmentzündung der Schweine wurden 
aus 17, 14, 22 Beständen von 11, 11, 8 Departements gemeldet. 

Frankreich. 2. Quartal. 

Wegen Erkrankung an Lungenseuche wurde im Juni ein Rind 
geschlachtet, außerdem 12 ansteckungsverdächtige. Milzbrand trat 
auf in 27, 32, 28, Rotz in 60, 58, 63 Ställen. Wegen Rotz getötet 
wurden 62, 67, 57 Pferde. Die Zahl der wutkranken Hunde belief 
sich auf 310, 219, 291. Maul- und Klauenseuche herrschte in 
60, 14, 28 Gemeinden. Schafpocken brachen aus in 29, 45, 75; 
Schafräude in 12, 26, 11 Herden. Rauschbrand kam in 51, 67, 
58 Ställen vor. Schweinerotlauf trat in 12, 17, 13 Departements 
auf, ansteckende Lungen- und Darmentzündung der Schweine in 
10, 12, 8 Departements. 

Italien. 1. Quartal. 

Milzbrand wurde festgestellt bei 246; Rauschbrand bei 58 Tieren. 
An Tollwut erkrankten 63 Hunde und 9 andere Haustiere. Rotz 
wurde in 121; Maul-und Klauenseuche in 972; Schafräude in 8321; 
Schweineseuche in 1440 Fällen angezeigt. 

Italien. 2. Quartal. 

Milzbrand wurde festgestellt bei 395, Rauschbrand bei 106 Tieren. 
An Tollwut erkrankten 95 Hunde und 19 andere Haustiere. Rotz 
wurde in 98, Maul- und Klauenseuche in 828, Schafpocken in 95, 
Pferderäude in 3, Schafräude in 4329, Ziegenräude in 400, Schweine¬ 
seuche in 3128 Fällen festgestellt. 

Dänemark. 2. Quartal. 

Zahl der verseuchten Tierbestände: Milzbrand 14,11,4; Schweine¬ 
rotlauf 147, 134, 331; chronische Schweinediphtherie 2, 6, 1; Rücken¬ 
markstyphus der Pferde 5, 3, 2; Rotz im Mal 2; bösartiges Katarrhal¬ 
fieber des Rindes 13, 8, 8. 

Norwegen. 2. Quartal. 

Zahl der Erkrankungsfälle: Milzbrand 52, 88, 24; bösartiges 
Katarrhalfieber 25, 40, 21; Schweincrotlauf 60, 81, 85; Rausch¬ 
brand 2, 2, 0; Schweinediphtherie 1 im April; Brasot 0, 11, 3. 

Großbritannien. 2. Quartal. 

An Milzbrand erkrankten bei 219 Ausbrüchen 354 Tiere, wovon 
273 auf England, 5 auf Wales, 76 auf Schottland kamen. An Rotz 
erkrankten in England 508, in Schottland 15 Pferde. Die Zahl der 
wegen Schweinefiebergeschlachteten, erkrankten nnd der ansteckungs¬ 
verdächtigen Tiere betrug 2466, wovon 2418 auf England, 33 auf 
Wales, 15 auf Schottland kamen. Die Schafräude ist in der Berichts¬ 
zeit anfgetreten in England in 21 Grafschaften mit 65 Ausbrüchen, 
in Wales in 7 mit 80, in Schottland in 10 mit 17. 


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702 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 45. 


Belgien. 2. Quartal. 

Erkrankungsfälle: Milzbrand 59, 56, 44; Rauscbbrand 12, 19, 16; 
Wut 6, 3, 4; außerdem wurden als wntverdächtig getötet 3 Hunde 
und 1 Katze im April, 1 Hund im Mai; Rotz 1, 5, 8; außerdem 
wurden in Schlachthäusern 7 Pferde im April, 4 im Mai und je 1 
zu gleicher Zeit beim Transport in Häfen rotzkrank befunden, die 
sämtlich aus England stammten; Maul- und Klauenseuche herrschte 
im Mai und Juni in je 1 Gemeinde. 

Österreich. 2. Quartal. 

Zahl der verseuchten Ortschaften: Milzbrand 18, 12, 14; Rausch¬ 
brand 2, 2, 6; Tollwut 119, 107, 129; Rotz 30, 35, 64; Maul- und 
Klauenseuche 53, 30, 35; Bläschenausschlag 205, 154, 250; Räude 
348, 315, 409; Schweinerotlauf 81, 140, 355; Schweinepest und 
Schweineseuche 452, 688, 911. 

Ungarn. 2. Quartal. 

Zahl der verseuchten Ortschaften: Milzbrand 57, 114, 127; Wut 
318, 303, 333; Rotz 207, 232, 215; Maul- und Klauenseuche 356, 307, 
577; Blattern 20, 25, 24; Bläschenausschlag 185, 289, 405; Räude 
2136, 2224, 1984; Schweinerotlauf 217, 439, 933; Schweineseuche 
972, 1272, 2166. 

Schweiz. 2. Quartal. 

Zahl der Erkrankungställe: Milzbrand 55, 56, 49; Rauschbrand 
31, 34, 102; Wut im Mai und Juni je 1; Rotz im Mai 5, Juni 8; 
Maul- und Klauenseuche im April 7; Schafräude —, 1, 31; Schweine¬ 
rotlauf und Schweineseuche 105, 174, 275. 


Fleischbeschau und Viehhandel. 

Denaturierung von Fett und Untersuchung zubereiteten Fleisches. 

Allgemeine Verfügung Nr. 65 für 1903. 

Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten. 

Berlin W. 9, den 7. Oktober 1903. 

Leipzigerplatz 7. 

Gcgeh.-Nr. 1 Ga. 7313 M. f. L. M. 8581 M. d. g. A. III. 13 210 F. M. 

Hb. 8270 M. f. H. 

An die Herren Regierungspräsidenten in Königsberg, Gumbinnen, 
Danxig, Maricmcerdcr, Stettin, Stralsund, Posen, Bromberg, Breslau, 
Liegnitz, Oppeln , Magdeburg, Merseburg, Krfurt, Schleswig, Stade, 
Aurich, Osnabrück, Münster, Minden, Arnsberg, Wiesbaden, Düsseldorf, 
Köln, Aachen, Trier und den Herrn Polizeipräsidenten hier. 

I. Da die in § 29 Absatz 1 der Ausführungsbestimmungen D 
zum Fleischbeschaugesetze zugelassenen Mittel zur Danaturierung 
von Fett eine schädigende Wirkung auf Leder ausiiben, kann mit 
diesen Stoffen behandeltes Fett zu Gerbereizwecken nicht verwendet 
worden. Infolgedessen hat der Herr Reichskanzler gemäß § 29 
Absatz 2 a. a. 0. als Denaturierungsmittel für Fett nunmehr auch 
den sogenannten Gerbertran zugelassen, der durch das Kochen der 
Rückstände von Fischlebern mit Wasser gewonnen wird. Der Trau 
muß so beschaffen sein, daß er einen brenzlichen Geruch aufweist 
und in einer 2 cm dicken Schicht völlig undurchsichtig und braun 
erscheint. Auch muß das Mittel bo reichlich zugesetzt werden, 
daß das denaturierte Fett deutlich nach dem Tran riecht 

II. Zum Zwecke der nach § 2 Nr. 2 der Anlage a zu den 
Ausführungsbestimmungen D vorzunebmenden Prüfung, ob das in 
das Zollinland eingehende zubereitete Fleisch die Eigenschaften 
frischen Fleisches auch in den inneren Schichten verloren hat und 
durch entsprechende Behandlung nicht wieder gewinnen kann, ist 
nach § 13 Absatz 1 a. a. 0. an einer der dicksten Stellen ein tiefer 
Einschnitt anzulegen. Soweit sich dies mit den Rücksichten auf 
die Zuverlässigkeit der Untersuchung vereinbaren läßt, ist darauf 
zu achten, daß bei der Ausführung des Schnitts eine Beschädigung 
und Entwertung der untersuchten Fleischstücke, namentlich von 
Schinken, möglichst vermieden wird. Es empfiehlt sich daher, den 
Einschnitt beim Schinken in die Einwärtszieher des Hinterschenkels, 
dicht unterhalb der Gesäß-Schambeinfuge und parallel mit dieser, 
derart vorzunehmen, daß auf beiden Seiten des Schnittes eine 
Fleischwand stehen bleibt. 

Die Bestimmung im § 13 Absatz 2 a. a. 0., wonach bei Einzel¬ 
sendungen, die mit der Poet eingehen oder nachweislich nicht zum 
gewerbsmäßigen Betriebe bestimmt sind, die Untersuchung in 
anderer Weise als mittelst tiefen Einschnitts an einer der dicksten 
Stellen vorgenommen werden kann, wird hierdurch nicht berührt. 


Die Beschaustellen sind mit entsprechender Anweisung zu 
versehen, wozu die nötige Zahl von Abdrücken dieses Erlasses 
beigefügt wird. 

Die Herren Provinzialsteuerdirektoren haben besondere Mit¬ 
teilung erhalten. 

Der Minister der geistlichen, Unterrichts- Der Finanx- 

und Medizinalangelegenheilen. minister. 

Der Minister für Landwirtschaft, . Der Minister 

Domänen und Forsten. für Handel und Gewerbe. 


Die Zuständigkeit der Fleischbeschaner. 

In der Fachpresse gehen die Erörterungen über die Zu¬ 
ständigkeit der nichttierärztlichen Beschauer hin und her, so 
daß es angezeigt erscheint, auch an dieser Stelle die Frage 
der Zuständigkeit der nicht tierärztlich vorgebildeten Beschauer 
bei den verschiedenen Schlachtungen zu beleuchten. 

1. Die Zuständigkeit der nichttierärztlichen Be¬ 
schauer bei gewerbsmäßigen Schlachtungen. In erster 
Linie muß der Beschauer für den betreffenden Bezirk als Be¬ 
schauer bestellt sein. Ist er nur Stellvertreter, so darf er au 
ihn herantretende Anträge auf Ausführung der Beschau nur 
annehmen, wenn der Hauptbeschauer durch einen Grund ver¬ 
hindert ist, welcher die Vertretung rechtfertigt. Unter allen 
Umständen aber wird der nicht auf dem Wege des § 25 A. B. Z., 
sondern unmittelbar vom Tierbesitzer zugezogene Stellvertreter 
pflichtmäßig zu prüfen haben, ob er der Aufforderung nach- 
kommen darf, ohne in die Rechte des Hauptbeschauers ein¬ 
zugreifen (vergl. Schroeter S. 443). Alle Anträge auf Aus¬ 
führung der Beschau bei Pferden, Eseln, Maultieren, Mauleseln, 
sowie bei den Tieren, die nach Angaben des Besitzers mit 
einer Krankheit behaftet sind, deren Beurteilung dem tier¬ 
ärztlichen Beschauer Vorbehalten ist (vgl. § 11 B. B. A), hat 
der Fleischbeschauer abzulehnen und ohne weiteres an den znm 
Beschauer bestellten Tierarzt zu verweisen. 

In allen übrigen Fällen darf der Fleischbeschauer bei 
lebenden Tieren die Schlachtviehbeschau vornehmen. Indessen 
darf er die Erlaubnis zur Schlachtung nur dann erteilen, wenn 
das Schlachttier Erscheinungen einer Krankheit überhaupt nicht 
oder lediglich von solchen Krankheiten aufweist, welche nur 
unerheblich sind und das Allgemeinbefinden nicht wesentlich 
stören, ferner bei Knochenbrüchen und sonstigen schweren Ver¬ 
letzungen, bei Vorfall der Gebärmutter, sofern derselbe im 
unmittelbaren Anschluß an die Geburt eingetreten ist, Geburts¬ 
hindernissen, Aufblähen nach Aufnahme von Grünfutter oder 
bei drohender Erstickung, in diesen Fällen jedoch nur dann, 
wenn nach dem Eintreten des Schadens höchstens zwölf Standen 
verstrichen sind und nur unter der Bedingung, daß die Schlachtung 
sofort vorgenommen wird. In allen anderen Fällen ist die 
Lebendbeschau dem tierärztlichen Beschauer Vorbehalten, ins¬ 
besondere bei Krankheiten infolge der Geburt mit Störungen 
des Allgemeinbefindens, krankhaften, namentlich blutigen oder 
mit Fieber verbundenen Durchfällen, mit Störung des Allgemein¬ 
befindens einhergehenden Euterentzündungen, Nabelerkrankungen 
junger Tiere, sofern sich Gelenkanschwellungen oder fieberhafte 
Allgemeinleiden anschließen, Allgemeinerkrankungen, welche sich 
an Wunden und Geschwüre anschließen. 

Steht beim Befände dieser Krankheiten aber zu befürchten, 
daß sich der Zustand des Schlachttieres bis zum Erscheinen des 
tierärztlichen Beschauers erheblich verschlechtern wird, so hat 
der Fleischbeschauer auch in diesen Fällen die Genehmigung 
zur sofortigen Schlachtung zu erteilen. Er muß dann nur dafür 


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5. November 1903. 


sorgen, daß die Ergebnisse der Schlachtviehbeschan bei der noch 
folgenden Fleischbeschau geprüft werden. 

Diese Nachprüfung kann in erster Linie dnrch den Fleisch- 
beBchauer vorgenommen werden. Ergibt sich bei dieser Prüfung, 
daß die Annahme einer schweren Erkrankung auf einem Irrtum 
beruhte, so ist der Fleischbeschauer zuständig, auch die Fleisch¬ 
beschau vorzunehmen, sofern nicht wichtige Teile vor der Unter¬ 
suchung entfernt worden Bind und einer der Fälle des § 30 B. B. A. 
vorliegt. Bestätigt sich die Annahme der schweren Erkrankung, 
so darf der Fleischbeschauer nur in den im § 33 Abs. 1 Nr. 12, 
13, 16, 17 nnd Abs. 2 bezeichneten Fällen der Genußuntauglich¬ 
keit des Fleisches, sowie in allen anderen Fällen, in welchen 
der Besitzer oder dessen Vertreter mit der unschädlichen Be¬ 
seitigung deB von dem Beschauer für genußuntauglich erachteten 
Fleisches einverstanden ist, die Fleischbeschau vornehmen. 
Verzichtet der Besitzer auf die Verwendung des Fleisches als 
Nahrungsmittel für Menschen, so findet eine weitere Beschau 
überhaupt nicht statt. Haben die Beschauer in diesen Fällen 
Erscheinungen einer Seuche festgestellt, für welche die Anzeige¬ 
pflicht besteht, so haben sie Anzeige zu erstatten und die Ver¬ 
pflichtung, den Besitzer darauf aufmerksam zu machen, daß er 
die Tiere fern von Orten hält, wo die Gefahr der Ansteckung 
für andere Tiere besteht. 

In allen anderen, vorstehend nicht genannten Fällen, ist zur 
Vornahme der Schlachtvieh- und Fleischbeschau nur der tier¬ 
ärztliche Beschauer zuständig. Insbesondere ist ihm Vorbehalten 
die Schlachtvieh- und Fleischbeschau bei Pferden, Eseln, Maul¬ 
tieren und Mauleseln, sowie bei den Tieren, welche nach den 
Angaben des Besitzers mit einer Krankheit behaftet sind, deren 
Beurteilung dem tierärztlichen Beschauer Vorbehalten ist. Auch 
in den Fällen des § 11 B. B. A., in denen der Fleischbeschauer 
die Genehmigung zur Schlachtung erteilt hat, muß er zur Vor¬ 
nahme der Fleischbeschau hinzugezogen werden, wenn wichtige 
Teile vor der Untersuchung entfernt sind und nicht einer der 
Fälle des § 30 B. B. A. vorliegt. 

2. Die Zuständigkeit der nichttierärztlichen Be¬ 
schauer bei Hausschlachtungen. Wird der Fleischbeschauer 
zur Vornahme der Beschau bei Hausschlachtungen gerufen, so 
ist er nur in den Fällen, für welche die Anmeldung vor¬ 
geschrieben ist, verpflichtet, dem Ersuchen Folge zu leisten. 
Nur wenn das Tier entweder bereits vor der Schlachtung oder 
erst nach der Schlachtung Merkmale einer die Genußtauglichkeit 
des Fleisches ausschließenden Erkrankung zeigt, ist dem Be¬ 
sitzer aufgegeben, die Anmeldung zur Schlachtvieh und Fleisch¬ 
beschau zu erstatten. Ergibt sich hierbei schon aus den Be¬ 
kundungen des Besitzers, daß es sich um eine Krankheit handelt, 
deren Beurteilung dem tierärztlichen Beschauer Vorbehalten ist, 
so ist der Fleischbeschauer nicht zuständig. Läßt sich aus den 
angegebenen Merkmalen nicht schließen, daß die Beurteilung 
dem tierärztlichen Beschauer Vorbehalten ist, so ist er nur in 
den Fällen des § 11 zuständig, die Schlachtviehbeschau, und in 
den Fällen des § 30 zuständig, die Fleischbeschau vorzunehmen. 
Da hiernach die Zuständigkeit des Fleischbeschauers bei den 
anmeldepflichtigen Hausschlachtungen nur in seltenen Fällen in 
Frage kommen dürfte, ist der Standpunkt einzunehmen, daß bei 
den anmeldepflichtigen Hausschlachtungen der tierärztliche Be¬ 
schauer in erster Linie zuständig ist. 

3. Die Zuständigkeit des nichttierärztlichen Be¬ 
schauers bei Notschlachtungen. Notschlachtungen können 


703 


bei den gewerbsmäßigen Schlachtungen und bei den Haus¬ 
schlachtungen sich ereignen. Bei der Notschlachtung kommt 
die Ausübung der Schlachtviehbeschau nicht mehr in Frage. 
Die Fleischbeschau regelt sich nach den Ausfrihrungsbestimmungen 
des Bundesrats, wenn die Landesregierungen nicht von dem 
Vorbehalt des § 24 des Reichsgesetzes Gebrauch machen. 
Wenn nun auch Ostertag in seinem Leitfaden sagt: „Der nicht¬ 
tierärztliche Beschauer darf bei Tieren, bei welchen die Schlacht¬ 
viehbeschau wegen Notschlachtung unterblieben ist, die Fleisch¬ 
beschau nicht ausüben, weil es sich hierbei immer um erhebliche 
und das Allgemeinbefinden wesentlich störende Erkrankungen 
handelt, so kann dieser Standpunkt als zutreffend doch nicht 
bezeichnet werden. Wenn auch Johne im allgemeinen auf 
dem gleichen Standpunkt steht, so hält er es doch für zulässig, 
den Fleischbeschauern bestimmte Fälle von Notschlachtungen, 
wo feststeht, daß das Fleisch keine gesundheitsschädliche Be¬ 
schaffenheit annimmt, zur Beurteilung zu überlassen. So ist 
denn auch in der sächsischen Ausführungsverordnung zu dem 
Gesetze vom 1. Juni 1898 bestimmt, daß bei einer Reihe von 
Notfällen die Untersuchung durch den Tierarzt nicht unbedingt 
geboten sei. Im Gegensatz zu Ostertag weisen Wallmann 
(Rundschau d. J., Nr. 13 u. 14), Rößle-Eßlingen (Zeitschrift 
f. Fl. u. M-, Nr. 1 1903) und Hinrichsen-Münster i. W. (Rund¬ 
schau Nr. 20) darauf hin, daß der nichttierärztliche Beschauer 
auch bei Notschlachtungen in einer Reihe von Fällen für die 
Ausübung der Fleischbeschau zuständig ist. Nach den Aus- 
führungsbestimmungen des Bundesrats kann dies auch nicht 
zweifelhaft sein, denn der § 30 B. B. A. enthält die Fälle, in denen 
der Fleischbeschauer die selbständige Beurteilung des Fleisches 
übernehmen darf. 

Diese Fälle können aber auch bei den Notschlachtungen 
Vorkommen. Denn schon aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 3 des 
Reichsgesetzes ergibt sich, daß eine Notschlachtung vor¬ 
genommen werden darf, wenn zu befürchten steht, daß das Tier 
bis zur Ankunft des zuständigen Beschauers verenden oder das 
Fleisch durch Verschlimmerung des krankhaften Zustandes 
wesentlich an Wert verlieren werde oder wenn das Tier in¬ 
folge eines Unglücksfalles sofort getötet werden muß. Nicht 
immer handelt es sich hierbei um erhebliche und das Allgemein¬ 
befinden wesentlich störende Erkrankungen. Indessen wird 
es nur eine sehr geringe Zahl von Notfällen sein, wo der nicht 
tierärztliche Beschauer zuständig ist, denn er hat nur die 
Berechtigung das Fleisch tauglich oder untauglich und nur in 
einem Falle bei Rotlauf das Fleisch als bedingt tauglich zu er¬ 
klären. Alle Fälle, in denen das Fleisch im Nahrungs- und 
Genußwert herabgesetzt ist, stehen dem tierärztlichen Beschauer 
zur Beurteilung zu. Bei der Beurteilung des Fleisches not¬ 
geschlachteter Tiere wird, sofern die Verwertung derselben in 
Frage kommt, mit Ausnahme deijenigen Fälle, in denen es sich 
um Knochenbrüche und Verletzungen handelte, ein unvoll¬ 
kommenes Ausbluten und Abweichungen in bezug auf Haltbarkeit 
vorhanden sein, so daß das Fleisch als minderwertig erklärt 
werden muß. Diese Beurteilung gehört aber zum Geschäftskreis 
des Tierarztes und deshalb muß die Frage der Zuständigkeit 
bei Notschlachtung dahin entschieden werden, daß für die Beur¬ 
teilung des Fleisches notgeschlachteter Tiere fast ausschließlich 
der Tierarzt zuständig ist. Nur die wenigen Fälle, wo die 
Tiere wegen einfacher Knochenbrüche und wenig umfangreicher 
Verletzungen notgeschlachtet worden sind, können von dem 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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704 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 45. 


Dichttierärztlichen Beschauer auch hinsichtlich der Beurteilung 
des Fleisches selbständig behandelt werden. Abgesehen hier¬ 
von nur diejenigen Fälle, wo die Untauglichkeit des Fleisches in 
Frage kommt (§ 30 Abs. 2 B. B. A) und die Fälle bei Schweinen, 
wo es sich um leichte Form des Rotlaufs handelt. Aus 
diesen Gründen scheint es nicht unbedingt geboten, daß 
die Bundesratsvorschriften dahin ergänzt werden, daß die Not¬ 
schlachtungen ausdrücklich dem Zuständigkeitsbereich des tier¬ 
ärztlichen Beschauers überwiesen werden. Kühn au. 

Missglückter Metzgerstreik. 

Der zu Bayern gehörige Teil der Pfalz steht von jeher in 
dem Rufe, große Quantitäten minderwertigen Fleisches zu 
konsumieren; auch ist die Metzgerschaft in letzter Zeit in 
unrühmlicher Weise bekannt geworden durch die Verarbeitung 
von Tierhäuten zu Wurst etc. Ich brauche dabei nur auf die 
diesbezügliche Gerichtsverhandlung hinzuweisen, die in einer 
größeren Stadt der Vorderpfalz sich abspielte und die bis 
an die höchste Instanz in München mit Verurteilung endigte, 
trotzdem von dem Beklagten geltend gemacht wurde, diese 
Gepflogenheit sei allenthalben in der Pfalz eingeführt. Um so 
größere Anerkennung verdient es, hier konstatieren zu können, 
daß die Sanitätstierärzte sich die redlichste Mühe geben, diese 
„Gepflogenheiten“ den Metzgern abzugewöhnen und sie ver¬ 
anlassen, bessere Qualitäten Fleisches in den Handel zu bringen, 
wozu ihnen endlich die Schaffung des Reichsfleischschaugesetzes 
den Rückhalt gegeben hat. Wohltuend berührt hierbei auch 
die Unterstützung der städtischen Behörden, die nicht allent¬ 
halben im Deutschen Reiche dazu zu bringen sind, die Sanitäts¬ 
tierärzte in ihrer verantwortungsvollen Stellung zu unterstützen, 
sondern oft dem Drucke der Metzger folgen zu müssen glauben 
und womöglich den Tierarzt entlassen, wie wir das ja in letzter 
Zeit erlebt haben. In dem hier inkriminierten Falle handelt es 
sich um die Metzger der Stadt Landau i. Pf. (Garnisonsstadt 
mehrerer Regimenter). Die seit Bestehen des Reichsfleisch¬ 
schaugesetzes sich mehrende Verweisung tuberkulöser Kühe auf 
die Freibank bestimmte die Zentralsehlachtviehversicherung zu 
einer Erhöhung der Schlachtprämie von 7 auf 21 M. in dieser 
Stadt. Das brachte die Metzger aus dem Häuschen, die vorher 
gewöhnt waren allen Schund zu verarbeiten und der ganze 
Zorn richtete sich daher gegen die städtische Schlachthof¬ 
direktion, die Urheberin der Prämienerhöhung, die doch nur 
ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit tat. Man drohte, 
schimpfte, denunzierte auf alle mögliche Weise — man wollte 
Äuf alle mögliche Art die früheren Zustände wieder herstellen. 
Petitionen wurden eingereicht, die Stadtverwaltung mobil gemacht, 
Flugblätter ausgegeben, die Regierung interpelliert, der Bürger¬ 
meister Hofrat M. dort angeschwärzt. Da alles dies nichts 
half und die Regierung den bösen Bürgermeister samt Schlacht¬ 
hofbeamten nicht absetzen wollte, half ein neuer Trick, der ja 
so zeitgemäß wie möglich war — der Streik. Man wollte die 
Verwaltung schon klein kriegen, wenn sie, die Metzger, kein 
Fleisch liefern wollten uDd weidete sich an dem Anblick er¬ 
bitterter Frauen, die keinen Mittagsbraten mehr auf den Tisch 
bringen könnten. Zuvor versicherte man sich aber auch der 
Viehhändler. Diese durften kein Vieh mehr auf den Landauer 
Markt (der größte aller pfälzischen Märkte) bringen und auch 
für die Nachbarstadt Neustadt an der Haardt sollten die ent¬ 
sprechenden Sperrmaßregeln verhängt werden. Zum Überfluß 
erklärte sich außerdem die pfälzische Metzgerinnung (Vor¬ 


sitzender Ri ehm-Neustadt an der Haardt) für solidarisch mit 
seinen Landauer Kollegen und auch der bäuerlichen Bevölkerung 
der Umgebung wurde bange gemacht, damit sie nicht ge¬ 
schlachtetes Vieh in die Stadt einbringe. 

Nachdem alles zur größten Zufriedenheit klappte, schloß 
man die Läden und das Publikum mochte sehen, wie es ohne 
Fleisch fertig wurde. 

Doch nichts von allen den gehofften Zuständen trat ein. 
Die Stadtverwaltung, unbeirrt durch die Machinationen der 
Metzger, ließ auf ihre Rechnung Vieh auswärts einkaufen und 
schlachten. Der Verkauf geschah zum Selbstkostenpreis und 
die Einwohnerschaft Landaus fühlte sich wohl dabei; die Fleisch¬ 
kontrolle erhielt vorsichtigerweise ein Korpsstabsveterinär. 

Das Ende vom Liede war, daß die erhoffte Unterstützung 
der Bürgerschaft ausblieb, und daß die Metzger, die bekanntlich 
„nur mit Verlust arbeiten“, einsahen, daß sie selbst den kürzeren 
gezogen hatten. Sie beschlossen daher, letzten Freitag 4 Uhr 
nachmittags wieder ihre Läden zu öffnen. Pro forma wurden 
natürlich die obligaten Flugblätter wieder ausgegeben, deren 
letztes wegen Beleidigung der Schlachthofdirektion polizeilich 
inhibiert wurde. Ja, man schente sich nicht, nachts in den 
Schlachthof einzubrechen und nach Mitteilung der „Pfälzischen 
Rundschau“ die städtische Waage zu verunreinigen, nachdem 
man einige Fleischviertel gestohlen hatte. 

Schließlich reduzierte die Zentralschlachtviehversicherung, 
die wohl so ganz unschuldig an dem Streik nicht sein mochte, 
ihre Prämie von 21 auf 7 Mark und der allgemeine Waffen¬ 
stillstand trat ein. 

Und die Quintessenz der Geschichte? Eine Mahnung an 
den Sanitätstierarzt, sich nicht durch ungesetzliche Manipulationen 
in das Boxhorn treiben zu lassen, mögen diese seine Absetzung 
beschließen wollen oder nicht oder sonst gegen ihn intriguieren, 
zugleich aber auch eine Mahnung an die Schlachthofdirektoren 
größerer Städte, ihre unterstellten Tierärzte gegen Willkür und 
Voreingenommenheit der Interessenten zu verteidigen; eine 
Mahnung ferner an die Stadtverwaltungen, die nicht ausbleibenden 
Anfechtungen gegen die Sanitätstierärzte ohne Voreingenommen¬ 
heit und Ängstlichkeit zu führen und vor allem eine Mahnung 
an die Stadtverwaltungen, sämtliche Innungsschlachtböfe, deren 
eine ganze Anzahl sich im Deutschen Reiche befinden, anfeu- 
heben und durch die Städte selbst verwalten zu lassen. X. 

Auswahl geeigneter Sachverständiger. 

Infolge der Beschwerden, daß auf Grund unzutreffender Begut¬ 
achtungen Anklagen wegen Verfälschung von Nahrungsmitteln er¬ 
hoben oder richterliche Strafbefehle erlassen wurden, deren Grund¬ 
losigkeit sich später bei Vernehmung geeigneter Sachverständiger 
ergab, bat der preußische Justizminister wegen der nachteiligen 
Folgen solcher Anklagen für die Gewerbetreibenden auch im Falle 
der Freisprechung die Staatsanwaltschaften auf die Wichtigkeit der 
Auswahl tüchtiger Sachverständiger hingewiesen. Der Justiz¬ 
minister empfiehlt in dem Erlaß den Beamten der Staatsanwaltschaft, 
in denjenigen Fällen, wo nicht von vornherein Sachverständige von 
unzweifelhafter Befähigung zur Verfügung stehen, die Benennung 
solcher Sachverständiger zu veranlassen. 

Ist der Tierarzt berechtigt, beanstandetes Fieisoh selbst za 
beschlagnahmen? 

In einer Klagesache gegen einen Schlächtergesellen wegen 
Beleidigung und Widerstands gegen einen Tierarzt hat die 134. 
Schöffengerichtsabteilung zu Berlin entschieden, daß der Tierarzt, 
als er eine beanstandete Leber selbst aus einem Schlachtraum mit¬ 
nehmen wollte, welches gewöhnlich duroh dazu bestimmte Arbeiter 


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5. November 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


705 


geschieht, bei der Ansichnabme der verworfenen Leber nicht in 
Ausübung des ihm zustehenden Amtes sich befunden habe. Der 
Fleischergeselle, welcher die Leber .dem Tierarzt aus der Hand 
gerissen hatte, wurde deshalb von der Anklage wegen Widerstands 
freigesprochen; das Gericht erblickte aber in dem Umstande, daß 
der Geselle dem Tierarzt die Leber aus der Hand gerissen hatte, 
eine tätliche Beleidigung und verurteilte den Angeschuldigten des¬ 
wegen zu 10 Mk. Geldstrafe. 

Unprfipariertes Fett — frisches Fleisch. 

(Kammergerichtsentscheidung.) 

Eine Fleischermeistersfrau war wegen Übertretung des Ge- 
meindebeschlusses der Stadt Linden, welcher die Untersuchung des 
eingeführten frischen Fleisches vorschreibt, bestraft worden, weil 
sie Flohmen (Fett) ohne Untersuchung feilgeboten hatte. Die 
Strafkammer verwarf die gegen das Urteil eingelegte Berufung. 
Die beim Kammergericht eingelegte Revision wies der Strafsenat 
desselben mit der Begründnng zurück, daß auch Flohmen zum 
Fleisch gehören; zum Fleisch seien alle eßbaren Teile von warm¬ 
blütigen Tieren zn rechnen. 

Wer ist als der „Einbringer“ von frischem Fleisch anzusehen. 

(Kammergerichtsentscheidung.) 

Nach einem letzthin vom Strafsenat des Kammergerichts 
gegen den Metzgermeister Beer in einem nahe bei Frankfurt a. M. 
belegenen Nachbarorte ergangenen Urteil, ist als Einbringer des 
in eine Stadt eingeführten frischen Fleisches, der „Versender“ 
anzasehen, und kann derselbe wegen eines Vergehens gegen das 
für die Untersuchung des eingeführten frischen Fleisches von 
der Polizeibehörde erlassenen Regulativs mit Strafe belegt werden. 

Denaturierungsmittel für Därme. 

Der Bundesrat hat bestimmt, daß für getrocknete Scbafdärme, 
die zu technischer Verwertung aus dem Auslande bezogen werden, 
als Mittel zur Unbrauchbarmachung für den menschlichen Genuß 
auch Kampfer und Naphthalin zugelassen werden. ' 

Gegen da» Schächten. 

Die Stadtverordnetenversammlung in Perleberg beschloß, daß 
im Schlachthause dem Schlachten jedesmal die Betäubung vorauf¬ 
geben soll. 

Verwendung von Fesselhäuten zur Wurstbereitung strafbar 1 

Der Metzgermeister 0. aus Zweibrücken war vom Landgericht 
wegen Verwendung von Fesselhäuten zur Blutwurstbereitung auf 
Grund des § 10 Abs. 1 und 2 des Nabrungsmittelgesetzes zu 
50 Mark Geldstrafe eventuell 10 Tage Gefängnis verurteilt worden. 
Die gegen dieses Urteil vom Angeklagten eingelegte Revision ist 
vom obersten Landesgericht in München verworfen worden. In der 
Begründung ist ausgeführt, daß Fesselhäute kein normaler Bestand¬ 
teil von Blutwurst seien. 

Verfügung betr. Feststellung des Schiachtgewichts. 

In dem Ministerialerlaß vom 9. Juli 1900 betreffend die Ein¬ 
führung von Notierungskommissionen an größeren Schlachtvieh¬ 
höfen sind bestimmte Normen für die Feststellung des Schlacht¬ 
gewichte gegeben. Im Schlachthofe zu Hannover sind diese Normen 
bei der Ausschachtung und dem Vorwiegen der Tiere nicht be¬ 
achtet worden. Es wurde mehr als vorgeschrieben von dem aus- 
gescblachteten Tiere entfernt und mehr Warmgewicht abgezogen. 
Versuchsfeststellungen ergaben, daß bei neun Ochsen sich zuungunsten 
des Verkäufers eine Gewichtsdifferenz von zweimal 37s, einmal 
3 3 / 4 , einmal 4 1 / 4 , einmal 47* einmal 57 4 und zweimal 67 4 kg er¬ 
geben hatte. Die Königliche Regierung zu Hannover hat aus diesem 
Grunde mittels Erlasses vom 21. Juni d. J. angeordnet, daß vom 
1. Oktober ab die Feststellung deB Schlachtgewichts nach Maßgabe 
der ministeriellen Bestimmungen zu erfolgen habe. 

Feststellung des Schlaohtgewlchts bei kranken Tieren. 

Nach einer Verordnung des Königl. sächsischen Ministeriums 
des Innern vom 25. März 1903 können als zum „Schlachttier“ 


gehörig nur diejenigen Teile betrachtet werden, welohe bei gesunden 
Tieren als zur menschlichen Nahrung geeignet gelten, die also 
normale verwertbare Teile des gesunden Schlachttieres sind. Nicht 
normale Teile, insbesondere krankhafte Neubildungen und Auflage¬ 
rungen z. B. bei Tuberkulose dürfen nicht als Gewicbtsteile des 
Schlachttieres gerechnet werden und sind demzufolge von der Fest¬ 
stellung des Schlachtgewichtes, abgesehen von den zwingenden 
gesundheitspolizeilichen Gründen zu entfernen. 

Trichinenschau für Hausschlaohtungen. 

Eine Polizeiverordnung des Regierungspräsidenten von Düssel¬ 
dorf verfügt, daß die Bestimmungen des preußischen AusfÜhrungs- 
gesetzes und der dazu ergangenen Ausführungsbestimmungen über 
die Trichinenschau auch auf solche Schweine Anwendung finden, 
deren Fleisch ausschließlich im eigenen Haushalte des Besitzers 
verwendet werden soll. 

Unschädliche Beseitigung untauglichen Fleisches. 

In Husum ist durch Polizeiverordnung bestimmt, daß jeder 
Schlächter zur Aufnahme der vom Tierarzt als untauglich zum 
Genüsse für Menschen verworfenen Fleischteile in seinem Schlacht¬ 
raume oder auf seinem Hofe eine dichte, mit fest anschließendem 
Deckel versehene Tonne oberirdisch aufzustellen hat. Die Tonne 
ist zur Hälfte mit 95 Teilen Wasser und fünf Teilen Karbolsäure 
oder Kresol zu füllen. Der Inhalt der Tonne ist mindestens 
einmal wöchentlich 1 m tief im Verscharrungsplatze unter polizei¬ 
licher Aufsicht zu verscharren. 

Gegen die Aufstellung der Tonne im Schlachtraume selbst 
dürften doch Bedenken abwalten, weil frisch geschlachtetes Fleisch 
sehr leicht den Karbolsäuregeruch annimmt. Die Red. 

Gerbertran zur Fettdenaturierung. 

Nach einer Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 28. August 
1903 ist auf Grund des § 29 Abs. 2 der Ausführungsbestimmungen D. 
zum Schlachtvieh- und Fleischbeschaugesetz als Mittel zur Un¬ 
brauchbarmachung ausländischer, zu technischer Verwertung 
bestimmter Fette für den menschlichen Genuß auch Gerbertran zu¬ 
gelassen worden. 

Übertragung der Auslandsfleischbeschau an die Stadt Aachen. 

In der letzten Stadtverordneten-Versammlung teilte der Ober¬ 
bürgermeister mit, daß der Landwirtschaftsminister entsprechend 
dem Anträge der Stadt Aachen, dieselbe ermächtigt habe, vom 
1. November ab, die Fleischbescbaustelle zu übernehmen und die 
Fleischbeschau durch städtische Organe ausführen zu lassen. Diese 
Entschließung des Ministers ist für die einheitliche Durchführung 
der Fleischbeschau in den Städten von großem Wert und sollte 
auch in den übrigen Städten die Fleischbeschau eine Regelung auf 
gleicher Grundlage erfahren. 

Fieischeinftihr aus Sibirien. 

Politische Zeitungen wissen von einem von Berlin aus ins Werk 
gesetzten Unternehmen zu berichten, wodurch die Fleischeinfuhr aus 
Sibirien in Schwung gebracht werden soll. Man beabsichtigt, ge¬ 
pökeltes Rindfleisch, natürlich in Stücken von über 4 kg und in 
Waggonladungen ä 10 000 kg einzuführen und es auf dem Engros- 
markt in der Berliner Zentralmarkthalle IA zum Verkauf zu bringen. 
Es soll nur besseres Vieh (sicher?) geschlachtet werden, und zwar 
durch hingeschickte Berliner Fleischer. Die Spesen (Zoll, Trans¬ 
port etc.) werden auf 3500 M. pro 10 000 kg veranschlagt 

Der Aussenhandel der Vereinigten Staaten von Nordamerika 1901. 

Nach dem vom Departement of Agriculture herausgegebenen 
Bericht über den Aussenhandel in dem am 30. Juni 1901 abge- 
laufenen Jahre hat die Ausfuhr von lebendem Vieh beträchtlich 
zugenommen. Der Werth des exportirten Viehs belief sich auf 
Uber 52 Millionen Dollars, 8 Millionen mehr als im Vorjahre. Die 
Ausfuhr von Rindern betrug 459218 Haupt im Werthe von 
37 506 980 Doll. Der durchschnittliche Werth pro Rind berechnete 
sich auf 81,81 Doll., gegen das Voijahr 4,70 DolL mehr. Im Jahre 
1901 sind 61932 Rinder mehr ausgeführt worden. Pferde wurden 
82 250 (-j- 17 528) Stück exportirt, im Werthe von 8 873 845 Doll. 


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706 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 45. 


Oer Durchschnittswert!! fiel von 117,62 anf 107,89 Doll. Schafe 
wurden 297 925 Stück im Werthe von 1933 000 Doll, gegen 
125 772 Stück im Werthe von 733,477 Doll, versandt. 

Die Vieheinfuhr ist beträchtlich zurückgegangen. Die Zahl 
der eingeführten Rinder ist seit dem Jahre 1897 von 328 977 auf 
146 022, der Pferde von 6998 auf 3785 und Schafe von 405 633 auf 
331488 gefallen. 

Die Fleischausfuhr hat im Berichtsjahre den höchsten Stand 
erreicht. Der Werth des ausgeführten Fleisches beziffert sich auf 
186103 037 Doll. Besonders ist die Ausfuhr von frischem Rind¬ 
fleisch ein stärkerer gewesen, dagegen bat die Ausfuhr von zu¬ 
bereitetem Fleisch abgenommen. 


Der Vieh- und Fleischexport Amerikas 1902. 

ln dem am 30. Juni 1902 beendeten Rechnungsjahre wurden 
nach einem Bericht von Mr. Frank, H. Hitchcock, Sekretär des 
Landwirtschaftsamts für 117 492 216 Dollars Fleisch exportiert 
(+ 116 625 Dollars gegen 1901). Die nach dem Auslande ge¬ 
handelten Fleischprodukte haben einen Wert von 78 404 646 Dollars 
erreicht und lassen eine Zunahme von 4 187 823 Dolla r s ei kennen. 

An frischem Fleisch wurden 301824473 Pfund exportiert 
(Abnahme 49 923 860 Pfnnd). Der Preis für frisches Fleisch stellte 
sich auf 9,6 Cents per Pfund gegen 9,1 Cents im Vorjahre. Lebende 
Rinder wurden 892884 Stück versandt (Abnahme 66 334 Stück). 
Der Preis pro Haupt stellte sich auf 76 Dollars gegen 82 Dollars 
Im Vorjahre. Pferde wurden 103020 Stück ausgefübrt (Zunahme 
20 770 Stück). Der Durchschnittspreis stellte sich anf 98 Dollars 
gegen 108 Dollars im Vorjahre. 

In die Vereinigten Staaten eingeführt wurden 94 099 Rinder 
(Durchschnittswert 13,11 Dollars das Stück). Im Vorjahre betrug 
die Einfahr 144 773 Stück zum Durchschnittswerte von 11,45 Dollars 
pro Stück. Nicht eingeschlossen hierin sind 1928 Stück Zuchtvieh 
mit einem Durchschnittswerte von 194,55 Dollars (1901 1249 Haupt, 
durchschnittlicher Wert 219,16 Dollars pro Stück). Die Zahl der ein¬ 
geführten Pferde betrug 4832 Stück, Durchschnittswert 326,41 Dollars 
(1901 3785 Stück, im Wert von 260,43 Dollars). Zur Verarbeitung 
auf Hammelfleisch wurden eingeführt 264 894 Schafe, im Durch¬ 
schnittswert von 3,44 Dollars pro Stück (1901 329 456 Stück im 
Wert von 8,60 Dollars pro Stück). Zucht zweckehalber wurden 
2059 Schafe im Durchschnittswert von 22,66 Dollars eingeführt 
(1901 2032 im Durchschnittswert von 24,11 Dollars pro Stück. 

K. 


Versicherungsbeiträge und Entschädigungssätze in Reuss ältere Linie. 

Von der Fürstlichen Regierung sind die Einheitssätze wie folgt 
festgesetzt. 

Versicherungsbeiträge für 

männliches Rind über 300 Mark Wert .... 5,00 Mark 
weibliches „ „ „ .... 7,00 „ 

männlichen Rind bis einschl. 300 Mark Wert 


1 
1 
1 

1 weibliches 


4,00 

6,00 

0,40 

0,60 

0,50 


1 Kalb. 

1 Schwein über 100 Maik Wert. 

1 „ bis einschl. 100 Mark Wert . . . 

Entschädigungssätze per kg Fleisch von Rindvieh bester Qualität: 
untauglich 1,30 M., bedingt tauglich 0,75 M., minderwertig 0,40 M. 
Rindvieh guter Qualität: untauglich 1,20 M., bedingt tauglich 0,70 M., 
minderwertig 0,40 M. Rindvieh geringerer Qualität: untauglich 0,80 
Mark, bedingt tauglich 0,55 M., minderwertig 0,30 M. Kälbern 
1,20, bezw. 0,75, bezw. 0,40 M. Schweinen 1,10, bezw. 0,70, bezw. 
0,40 Mark. 


Sächsische Schlachtviehversicherung. 

Gemäß § 14 des Gesetzes, die staatliche Schlachtviehversicberung 
betreffend, vom 2. Juni 1898 sind von dem Verwaltungsausschusse 
der Anstalt für staatliche Schlachtviehversicherung hinsichtlich der 
in der Zeit vom 1. Oktober bis 81. Dezember 1903 statt- 
findenden Schlachtungen die der Ermittelung der Ent¬ 
schädigungen nach § 2 des angeführten Gesetzes zugrunde zu 
legenden Durchschnittspreise für die einzelnen Fleischgattungen für 
je 60 kg Schlachtgewicht wie folgt festgesetzt worden: 


A. Ochsen: 

1. vollfleischige, ausgemästete, höchsten Schlacht¬ 
wertes bis zu 6 Jahren. 70,50 M. 

2. junge fleischige — ältere ausgemästete. . . 67,00 „ 

3. mäßig genährte junge — gut genährte ältere 63,00 „ 

4. gering genährte jeden Alters. 58,50 „ 

5. a) abgemagerte. 44,00 „ 

b) länger kranke, bzw. durch Krankheit ab- 

‘ gemagerten). 35,00 „ 

B. Kalben und Kühe: 

1. vollfleischige, ausgemästete Kalben höchsten 

Schlachtwertes*). 67,00 M. 

2. vollfleischige, ausgemästete Kühe höchsten 
Schlachtwertes bis zu 7 Jahren**) .... 65,00 „ 

3. ältere ansgemästete Kühe und gut entwickelte 

jüngere Kühe und Kalben.61,50 „ 

4. gut genährte Kühe und mäßig genährte Kalben 57,00 „ 

5. gering bzw. mäßig genährte Kühe und gering 

genährte Kalben.51,50 „ 

6. a) abgemagerte dergl. 38,00 „ 

b) länger kranke, bzw. durch Krankheit ab¬ 
gemagerte Tiere ff) . 30,00 „ 

C. Bullen: 

1. vollfleischige höchsten Schlachtwertes . . . 65,50 M. 

2. mäßig genährte jüngere und gut genährte ältere 63,00 „ 

3. gering genährte.59 ; 00 „ 

4. a) abgemagerte...43,00 „ 

b) länger kranke, bzw. durch Kraokheit ab¬ 
gemagerte ff) . 40,00 „ 

D. Schweine: 

1. vollfleischige der feineren Rassen und deren 

Kreuzungen im Alter bis zu l»/ 4 Jahren***) . 56,50 M. 

2. fleischige!). 54,00 „ 

3 gering entwickelte Mastschweiue, sowie aus¬ 
gemästete Schnitteber (Altschneider) und 
Sauen***).50,50 „ 

4. nicht ausgemästete Sauen, sowie Zuchtsauen 

und Zuchteber. 38,00 „ 

5. a) magere, bzw. im Ernährungszustände 

zurückgebliebene dergl. 30,00 „ 

b) länger kranke, bzw. durch Krankheit ab¬ 
gemagerte Tiere ft) . 27,00 „ 

Dresden, den 25. September 1903. 


Anstalt für staatliche Schlachtviehversicherung. 
Dr. Bonitz. 


(i k r 

demnach) 

1,41 M. 
134 „ 
1,26 „ 
1,17 „ 
0,88 „ 

0,70 „ 


1,34 M. 

130 „ 

1,23 „ 
1,14 „ 

1,03 „ 
0,76 „ 

0,60 „ 


1,31 M. 

1,26 „ 
1,18 „ 
0,96 „ 

0,80 „ 


1,13 M. 
1,08 „ 


1,01 „ 
0,76 „ 
0,60 „ 
0,54 „ 


Von der bakteriologischen Untersuchung des Fleisches in den Läden 
und Fleischbänken von Lodz. 

(Zeitschrift f. Hygiene n. Infektionskrankheiten XXVII *.) 

A. Tumpowski berichtet über Fleischuntersuchungen, welche 
im chemisch-bakteriologischen Laboratorium von Dr. Serkowski 
in Lodz ausgeführt worden sind. Die vom Verf. angestellten Unter¬ 
suchungen erstrecken sich auf die Prüfung der in den Schlacht- 
und Verkaufsräumen herrschenden Luft und des znm Verkaufe be¬ 
stimmten Fleisches. Bei acht Fleischuntersuchungen während des 

*) Unter Kalben sind weibliche Rinder zu verstehen, welche 
noch nicht geboren haben. Länger als 5 Monate trächtige Kalben 
gehören nicht zu Gruppe B 1. 

**) Langer als 5 Monate trächtige Kühe, sowie Kühe, welche 
kurze Zeit nach dem Kalben, oder wegen einer im Anschlüsse an 
das Kalben eingetretenen Krankheit geschlachtet werden, gehören 
nicht zu Gruppe B 2. 

***) Zu diesen Gruppen gehören nur Schweine, welche noch 
nicht zur Zucht verwendet worden sind. 

t) Hochträchtige, sowie solche Sauen, welche erst geferkelt 
haben, bzw. noch ihre Jungen ernähren, gehören in der Regel nicht 
zu Gruppe D 3, sondern D 4. 

ff) Hierunter gehören vor allem auch solche Tiere, welche sich 
bei der Fleischbeschau als so tuberkulös und abgemagert erweisen, 
daß ihr Fleisch als völlig genußuntauglich erachtet werden muß. 
Es ist ohne Belang, ob die Krankheit, welche die Abmagerung be¬ 
dingt hat, eine offensichtliche war oder nicht. 


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5. November 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


707 


Winters konstatierte er vier mal pathogene Bakterien und in der 
Schlachthausluft den Diplococcus pneumoniae Fraenkel. 

Sodann führt der Verf. über den bei diesen Untersuchungen 
drei mal isolierten Proteus vulgaris einige Literaturangaben an, 
welche beweisen, dass die erzeugten Toxine während des Kochens 
des Fleisches nicht verschwinden; in letzter Zeit hat man vielmals 
auf Proteus vulgaris als Hauptursache der Fleischvergiftungen hin- 
gewiesen. So haben auch Levy, Fager, Wesenberg, Silber¬ 
schmidt und Glücksmann die durch Mikroorganismen bervor- 
gerufenen Epidemien beschrieben und Le sage fand häufig in dem 
Stuhle von Säuglingen, bei welchen Fleiscbgenuss nachgewiesen 
werden konnte, den Proteus vulgaris. — Auch der vom Verf. hier¬ 


bei aufgefnndenen Micrococcus tetragenus Gafffcy ist nicht un¬ 
bedenklich. 

Am Schlüsse weist Verf. auf die in den Fleischbänken von 
Lodz und Warschau herrschenden schauderhaften Zustände hin. 
So war in einem Laden der mit Verkauf und Fleischhacken be¬ 
schäftigte Besitzer mit Gonorrhoe und die im Nebenzimmer be¬ 
findlichen Kinder mit Ophthalmia blennorrhoica behaftet Im Neben¬ 
zimmer eines anderen Ladens lag die in den letzten Stadien der 
Tuberkulose befindliche Frau. Verf. hofft, dass ein beabsichtigter 
Schlachthausbau Besserung bringt und dass eindringliche 
Belehrung in Öffentlichen Blättern von dem häufig üblichen Genüsse 
von rohem oder nur halb gekochtem Fleisch abhält K. 


Berlin: Auszug am dem Fleisehbesohauberioht für den Monat September 1903. 




A. 

Schlachthof 



B. Untersuchungsstationen 

Rinder 

Jung¬ 

rinder 

Kälber 

Schafe 

Schweine 

Rinder¬ 

viertel 

Kälber 

Schafe 

(Ziegen) 

Schweine 

Geschlachtet und untersucht. 

11124 

2106 

11642 

36 851 

74 434 

21 941 

7 072 

2 253 

11997 

Davon 1. tauglich ohne Einschränkung . 

6 930 

1884 

11 481 

33 723 


21 874 

7 055 

2 250 

11 991 

'» 

2. teilweise beanstandet .... 

3 958 

193 

88 

3114 

7 845 

— 

— 

— 

— 

ff 

3. minderwertig.. 

68 

16 

18 


9 

342 

30 

9 


1 

11 

4. bedingt tauglich. 

84 

7 

4 

— 


107 

11 

— 

— 

1 

>» 

5. untauglich. 

55 

5 

50 


5 

59 

26 

8 

3 

4 

11 

6. unter verschiedener Beurteilung 












der einzelnen Fleischviertel . . 

29 

1 

1 

— 


— 

— 

— 

— 

— 

11 

7. nur Fett bedingt tauglich . . . 


— 

_ 

— 


(522v kg) 

— 


— 

— 

Wegen Tuberkulose teilweise beanstandet . 

2 584 

90 



7 

2 683 

— 

— 

— 

— 

f» 

„ minderwertig .... 

28 

4 


— 


264 

— 

— 

— 

— . 

11 

„ bedingt tauglich . . . 

66 

4 


— 


94 

11 

— 

— 

1 

»j 

., untauglich. 

31 

1 



1 

17 

3 

— 

— 

— ; 


„ unter verschiedener Be- 












urteilung der einzelnen 












Fleischviertel beanstandet 

29 

1 

1 

— 


— 

— 

— 

— • 

— 

11 

„ nur Fett bedingt tauglich 

— 

— 

— 

— 


(304 kg) 

— 

— 

— 

— 

Wegen Finnen minderwertig. 

38 

11 

— 

— 


2 

— 

— 

— 

— 

11 

„ bedingt tauglich. 

18 

3 

— 

— 


9 

— 

— 

— 

— • 


„ nur Fett bedingt tauglich . 

• — 

— 

— 

— 


(100 kg) 

— 

— 

— 

' — 

Wegen Trichinen bedingt tauglich .... 

— 

— . 


— 


— 

— 

'— 

— 

— 

” 

„ nur Fett bedingt tauglich 

— 

— 

— 

— 


(72 V, kg) 

— 

— 

— 

— ' 


Berlin, den 6. Oktober 1903. Der Direktor der städtischen Fleischbeschau. Reiß mann. 


Bücheranzeigen und Kritiken. 

Der staatliche Schutz gegen Viehseuchen. Ein Buch für die Praxis 
von Bernhard Plebn, Ökonomierat. Berlin 1903. Verlag von 
August Hirschwald. 

Unter obigem Titel hat der auch auf anderen Gebieten rübmlichst 
bekannte Verfasser ein Buch herausgcgeben, welches, wenn nicht 
bereits andere Werke Uber die Viebseuchengesetzgebung existierten, 
als eine recht gute Bereicherung der tierärztlichen Literatur an¬ 
gesehen werden könnte. 

Dasselbe enthält eine Zusammenstellung einer Reiho von 
deutschen, preußischen und auch außerpreußischen Veterinärgesetzen 
und Verordnungen, sowie als Anhang eine von dem Kreistierarzt 
Dr. Froehner in Fulda verfaßte Belehrung über die wichtigsten 
Viehseuchen. Ein eigentlicher Kommentar, wie es z. B. das Buch 
von Beyer „Viehseuchengesetze“ ist, dürfte das vorliegende Werk 
wohl kaum genannt werden; nach dem Vorwort des Verfassers 
macht es hierauf auch keinen Anspruch. Das Beyerscbe Buch, 
von welchem übrigens im Jahre 1897 bereits die vierte Auflage 
erschienen ist, was dem Verfasser anscheinend nicht bekannt ist, 
dürfte auch für alle diejenigen, welche sich eingehend über die 
preußische Viebseuchengesetzgebung unterrichten wollen, nach wie 
vor unentbehrlich sein. Nun befaßt sich das vorliegende Werk nicht 
nur mit der Wiedergabe preußischer Gesetze, sondern auch derjenigen 
einiger andern deutschen Bundesstaaten. Es enthält die AusfUbrungs- 
gesetze von Preußen, Bayern, Württemberg, Hessen, Oldenburg, 


Mecklenburg-Schwerin, Hamburg, Sachsen und Baden, sowie die 
Reglements für Aufbringung der Entschädigung für die an Milz¬ 
brand gefallenen Tiere für 8 preußische Provinzen etc., für Bayern, 
Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen. Weitere: außerpreußische 
Gesetze, Verordnungen etc. betr. Viehseuchen sind in dem vor¬ 
liegenden Werke nicht enthalten. Man findet daher in demselben 
lange nicht alle im deutschen Reiche und den Einzelstaaten 
geltenden Veterinär-Gesetze und Verordnungen, wie man vielleicht 
nach dem Vorwort annehmen könnte. 

Aber auch die preußischen Bestimmungen sind durchaus nicht 
vollständig, es fehlen z. B. die Verordnungen betr. die Gefltigel- 
seuchen. Die Bekanntmachungen des Reichskanzlers aus den Jahren 
1897, 1898, 1899 betr. die Einführung der Anzeigepflicht für Ge¬ 
flügelcholera sind nicht einmal erwähnt, desgl. für die Gehirn- 
RUckenmarksentzündung der Pferde. Eine vollständige Orientierung 
für Landwirte, Amtsvorsteher, höhere Behörden und Tierärzte 
über die deutsche Viehseuchengesetzgebung wie sie das Vorwort 
verspricht, kann daher das vorliegende Werk nicht bieten. Meines 
Erachtens nach ist es auch ein sehr schwieriges Unternehmen, die 
gesammte deutsche Viebseuchengesetzgebung vollständig in einem 
einzigen Buche zusammenzufassen, so wünschenswert ein solches 
auch für gewisse Zwecke wäre. Für die Landwirte und Amts¬ 
vorsteher genügt es, die Gesetze und Verordnungen ihres eigenen 
Landes kennen zu lernen, diese haben an denjenigen anderer 
Bundesstaaten kein Interesse. Für die Orientierung über die 


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708 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 45. 


Gesetzgebung in den einzelnen Bundesstaaten ist aber wohl 
bereits genügend gesorgt. Ein besonderes Bedürfnis zu dem 
vorliegenden Werk lag also meiner Ansicht nach nicht vor und 
zwar jetzt um so weniger, als eine Änderung und Vervollständigung 
des Reichsviehseuchengesetzes beabsichtigt ist 

Im besonderen mochte ich noch erwähnen, daß Verfasser mit 
der Wiedergabe einzelner Verordnungen ira Rückstände geblieben 
ist. Seite 221 wird die Bekanntmachung betr. die Einführung der 
Anzeigepflicht für Schweineseuchen vom 2. April 1894 erwähnt 
Dieselbe ist* bereits ersetzt durch die Bekanntmachung vom 8. Sep¬ 
tember 1898, welche für den ganzen Umfang des Deutschen Reiches 
gilt. Das ostpreußische Entschädigungsreglement für an Milzbrand 
gefallene Tiere hat unter dem 27. Februar 1900 einen sehr wichtigen 
Nachtrag erhalten, welcher hätte erwähnt werden müssen. Die 
neusten Entschädigungsreglements für Westfalen und die Rhein¬ 
provinz datieren vom 14. Februar 1896 bezw. 27. März 1901. 

Außer der Wiedergabe der Gesetze und Verordnungen enthält 
das Buch in der Einleitung noch einen kurzen geschichtlichen 
Überblick über die Entwicklung der Tierheilkunde, in welchem 
allerdings das letzte Jahrhundert etwas kurz fort gekommen ist, 
eine Abhandlung über die Rinderpest, sowie einen einleitenden 
Aufsatz über die neueren Viehseuchen - Gesetze, in welchem 
auf die Bedeutung der einzelnen durch das Gesetz eingeführten 
Bekämpfungsmaßregeln hingewiesen wird. Dieser Abschnitt verrät 
eine gute Sachkenntnis. Besonders bervorzuheben ist, daß der 
Verfasser darauf hin weist, daß die Impfungen nur durch Tierärzte 
ausgeführt werden sollten. Derselbe betont ganz richtig, daß die 
befriedigenden Ergebnisse, welche oft die durch Landwirte und 
ihre Inspektoren ausgeführten Impfungen haben, mehr ein „Glücks¬ 
fall“ sind, da der Landwirt z. B. meistens nicht beurteilen kann, 
ob die Impfflüssigkeit, ganz abgesehen von ihrer Stärke, unver¬ 
ändert oder verdorben ist. 

Verfasser plaidiert auch für die Einrichtung bakteriologischer 
Institute außerhalb der tierärztlichen Hochschulen. Diesem 
Wunsche ist bereits durch den preußischen Etat von 1908 wenig¬ 
stens teilweise Rechnung getragen worden. 

Der vom Kreistierarzt Dr. Froehner-Fulda verfaßte Anhang 
behandelt das Wesen, die Bestimmungen und die Bekämpfung der 
wichtigsten Tierseuchen in sachgemäßer Weise. 

Das vorliegende Werk enthält demnach für den Tierarzt nichts 
wesentlich Neues, zur Belehrung für den Landwirt mag es immer¬ 
hin von Vorteil sein. Pr. 


Personalien. 

Auszeichnung: Dem Unterveterinär Witte im Kür.-Regt. No. 6 
wurde die Rettungsmedaille am Band verliehen. 

Ernennungen: Zu etatsmäßigen Bezirkstierärzten wurden ernannt 
Otto Bauer in Pfullendorf; Dr. Alois Hauger in Neustadt; Dr. Her¬ 
mann Maenner in Stockach; Adolf Maier in Konstanz; Otto Schropp 
in Bonndorf; zum definitiven Kreistierarzt für den Kreis Löbau in 
W. Pr. mit dem Sitz in Neumark Kreistierarzt A. Möller. — Tier¬ 
arzt Meyer in Hameln zum Schlachthausinspektor in Schwiebus; 
Kurt Stange in Hannover zum Tierarzt an der Beschaustelle für aus¬ 
ländisches Fleisch. 

Wstmsitzverlndeningen, Niederlassungen: Verzogen sind Remonte- 
stabsveterinär a. D. Reinbacher von Wahrse als Sanitätstierarzt nach 
Böjanowo, Kreis Rawitsch; Tierarzt Arthur Holzhauer von Langen¬ 
brücken nach Gernsbach; Josef Welte, bisher in Lahr; Adolf Oötzinger 
von Hüngheim, Rudolf Gasse und Eduard I^eh als bezirkstierärztl. 
Assistenten nach Waldkirch bzw. Weilburg (Provinz Hessen-Nassau), 
bzw. Füssen; J. JAlcking von Wilhelmshaven als Einj.-Freiw. zum 
7. Fel<L-Art.-Regt. nach München. — Distriktstierarzt Adam Schaich 
in Göllheim hat sich in Mengede bei Dortmund niedergelassen. 

Prüfungen: In Berlin wurden approbiert die Herren Walter 
Kubascheicski, Herrmann Reisch und Paul Steinhauf. 

Todesfall: Veterinärrat Heinrieh Berner in. Pforzheim. 


Vakanzen. 

Kreistlerarztstellen: R.-B. Koblenz: Adenau. — R.-B. Stade: 
Kehldingen. — R.-B. Oppeln: Rosenberg, Kreis- und Grenztier 
arztstelle; 900 M. Gehalt u. 900 M. für Grenzkontrolle.— R.-B. Brom¬ 
berg: Filehne. 

Schlaehthof8telleu a) neu ausgeschrieben: Biscbofswerder: 
Schl.-Insp. 2000 M. (Meldg. bis 15. Nov. a. d. Mag.) — Braun¬ 
schweig: 3 Schl.-T. 2700 M. (Bew. a. d. Schlachtb.-Deputation.)— 
Briesen: Schl.-Verw. sofort od. bis 1. Jan. (Mag.) — Görlitz: 
Schl.-Dir. 3000 M.; von 3 zu 8 J. nm 400 M bis 4600 M. Wohnung. 
Pension. (Mag.) — Haspe i. W.: Schl.-Insp. 2400 M., steigend bis 
3600 M. Wohnung, Licht, Brand. (Meldg. sofort a. d. Bürgerm.) — 
Mülheim a. Rhein: Schl.-Hilfs-T. 2100 M. (Direktor). 

b) nach Ablauf der Meldefrist noch unbesetzt 
(nähere Angaben über diejenigen Stellen, von denen hier nur der Name 
angeführt ist, siehe Nr. 40/: Baldenburg (Kr. Schlocbau). — 
Beuthen. — Briesen. — Culm: San.-T. 2100 M., steig, bis 
3<)00 M. Privatpr. im Stadtbez. Pension. (Mag.) — Dahlhausen- 
Linden a. d. Ruhr. — Eschwege. — Gardelegen. — Glück¬ 
stadt — Graudenz. — Görlitz. — Hagen i. W.: Direktor 
zum 1. Dez. 3300—4200 M. (Bürgerm.) — Halle a. 8.: Ass.-T. 
sofort. 2400 M. (Meldg. a. d. Direktor.) — Kassel. — Kiel. — 
Koblenz: Hilfs-T. zum 1. Nov. 150 M. monatl. (Bürgerm.) — 
Köslin. — Langensalza. — Liegnitz. — Limburg a. L. — 
Linden bei Hannover. — Magdeburg. — Mülhoim a. Rh. — 
Neuenburg. — Stolp. — Wangerin. — Weißenfels. — 
Wurzen. 

Stellen für ambulatorische Fleischbeschau und Privatpraxis. Aken: 
Tierarzt für sofort. Aus Fleiscbb. ca. 2500 M. (Polizeiverwaltung.) 

— Angermund, Landkr.Düsseldorf: Fleischbeschau. (Bürgermstr.) 

— Baruth: Niederlassung erwünscht Aus Fleisch- u. Trichinenschau 
1200M. (Mag.) — Biberach: Stadttierarzt. 3000 M. Viertelj. Künd. 
Kontrolle der Wochenviehmärkte, d. Schlachth. f. Großvieh etc. — 
Bremen: 2. Tierarzt für Auslandsfleischbeschau. (Medizinalamt) — 
Brockau bei Breslau: Fleischbeschau ca. 3000 M. Privatpraxis. 
Auskunft bei Kreistierarzt Rust, Breslau. (AmtB- und Gemeinde¬ 
vorsteher.) — Buk: Niederlass, erwünscht. (Landratsamt Grätz in 
Posen.) — Daher: Niederes, erwünscht (PolizeiVerwaltung.) — 
Giengen i. Br.: Stadttierarzt 1800 M. Wartegeld. Fleischbeschau. 
Privatpraxis. (Meid, an das Stadtschultheißamt) — Hagenau i. E.: 
Städt. Tierarzt. (Bürgermeister.) — Heydekrug (Ostpr.): Privat- 
praxiB im Niederungsteil des Kreises. Jährlicher Zuschuß 600 M. 
(Kreisausschnß.) — Kemberg: Privatpraxis. — Kirchheim: 
Fleischbeschauer. Bedeutende Privatpraxis. (Magist) — Kletzko 
(Kr. Gnesen): Deutscher Tierarzt Privatpraxis mit ca. 2700 M. 
Event Staatszuschuß 750 M. (Magist.) — Klingenthal (Sachsen): 
Fleischbeschauer. (Gemeinderat) — Kobylin (Posen): Deutscher 
Tierarzt Jährl. Staatszuschuß 750 M. (Landrat in Krotoschin.) 

— Königsberg: Tierarzt für die Herdbuchgesellschaft zur 
Tilgung der Tuberkulose. Anfangsgehalt 2000 M. Diäten für 
Untersuchungstage 12 M. nebst freier Station. (Auskunft bei Tier¬ 
arzt Dr. Müller, Königsberg i. Pr., Lange Reihe 3.) — Krakow i. M.: 
Privatpraxis. Voraussichtl. Fleischb. (Magist.) — Laage i. M.: 
Privatpraxis. (Magist.) — Labiau: Niederl. erwünscht in Popelken 
bei L. 500M. Zuschuß. (Landrat.) — Landsberg i. Ostpr.: Privat- 
praxis. Zuschuß von 495 M. für die beid. erst J. (Magistr.) — 
Lindow: Fleischb., Privatpraxis. — Markneukirchen: Städt 
Tierarzt für Fleischbeschau zum 1. Dezember. 2400 Mark und 
jährlicher Staatszuscbuß von 750 Mark. Privatpraxis. (Stadtrat) — 

— Naumburg bei Kassel: Niederlassung erwünscht Gute Praxis. 
Stadtzuschuß 400 M. — Neckarbischofsheim: 1500 M. Fixum. 
(Bürgerm.) — Niemegk (Potsdam): Privatpraxis. — Norenberg: 
Tierarzt sofort. (Magist.) — Oberpeil: Privatpraxis. 500M. Ge¬ 
meindefixum. Fleischbeschau, ca. 700—800 M. (Bürgermeister.) — 
Osterfeld: Fleischbeschau in vier Amtsbezirken. Gebühren 
für 0. allein 1500 M. (Landrat in Weißenfels.) — Pulsnitz 
i. Schl.: Fleischbeschau (Stadtrat) — Rosko (Kr. Filehne): 
Fixum 600 M. Fleiscbb. Privatpr. (Landrat in F.) — See bürg 
i. Ostpr.: Privatpraxis. Schlachthofaufsicht. (Magist) — Senden- 
hörst (Westf.): Fleischbeschau für Stadt und umliegende Land¬ 
bezirke. Kommunalzulage 600 M. (Bürgerm.) — Tarnowo: 
Privatpraxis und ca. 750 M. Fixum. (Landratsamt Posen- 
West.) — Tiegenhof im Kreis Marienburg: Gute Privatpraxis; 
durch Übertritt des Inhabers in ein Amt erledigt — Treffurt (im 
Werratal): Fleischb. (Magist) — Unruhstadt: Fleischbeschau. Ge¬ 
bühren ca. 2400 M. Privatpraxis. (Mag.) — Zarrentin i. Mekl».: 
Niederlassung erwünscht. (Ausk. erteilt d. Komitee des Landw. Ver.) 



Meine Bitte in voriger Nummer betreffs eines Jahrganges 


des tierärztlichen Zentralanzeigers hat ihre Erledigung gefunden. 
Verbindlichsten Dank. Schmaltz. 


YsrantwortUch für den Inhalt (exkL Inseratenteil): Prot Dr 1 . SchmaUa ln Berlin. — Verlag nnd Eigentum -on Richard Schoetz ln Berlin. — Druck von W. BOanuteln, Berlin. 


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Dl« »Bwllmi Tierärztliche Wochen «ehrt ft* erscheint 
wöchentlich Im Ytrltge tob Richard Sehoets 1 b 
B erlin, Laisenstr. 36. Durch jede* deutsche Poatemt wird 
dieselbe »um Preise ron M. 5,— rioneljthrllch (M.4.S8 für 
die Wochenschrift, II Pf. für Bestellgeld) frei ln* Hans 
geliefert. (Deutsche Post-Zeitung*-Preisliste No. 1101, 
Oeaterreichlsche No. 610, Ungarische No. 90.) 


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Orlglnalbeltrige werden mit 60 Bk., in PetlUat» mit 
00 Hk. für den Bogen honoriert. Alle Mannskripte, 
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man 
•u senden an Prof. Dr. Sehmalts, Berlin, Uerirxt- 
11 che Hochschule, NW, Lulsen«trasse 69. Korrektoren, 
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Tierärztliche Wochenschrift 


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Danzig. 

Dresden. 

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München. 

Mülhansen i. E. 


Jahrgang 1903. J|£ 46 . Ausgegeben am 12. November. 


Inhalt: Abderhalden: Bau der Retina bei einer zwei Monate alten blindgeborenen Katze. — Schmidt: Bericht über die 
75. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte, Kassel, 20.—26. September a. c. — Referate: Dagouet: 
Übertragung des Krebses. — Die Bereitung des Antivenin. — Fumagalli: Meningo-Encephalitis enzootica bei Hübnern. — 
Gunningham: Punktur des Colons per rectum. — Thigenol, Airol und Asterol. — Albrecht: Eigentümlichkeiten im Ge¬ 
schlechtsleben und interstitielle Nephritis bei einem Hund. — Jeß: Wochenübersicht über die medizinische Literatur. — 
Tagesgeschichte: Verschiedenes. — Bücheranzeigen und Kritiken. — Personalien. — Vakanzen. 


Bau der Retina bei einer zwei Monate alten 
blindgeborenen Katze. 

Von 

Dr. med. Emil Abderhalden, Berlin. 

Bei der mikroskopischen Untersuchung der Retina einer 
zwei Monate alten blindgeborenen Katze ergab sich, daß die 
Retina in allen Teilen durchaus normal gebant war, nnr fehlten 
die Stäbchen und Zapfen vollständig. Die makroskopische 
Betrachtung ergab vollständig normal gebaute ßulbi. Von den 
Nervi optici war nichts vorhanden. Ein fibröser Strang 
repräsentierte die offenbar bei einem intra nterum durchgemachten 
Krankeitsprozesse zugrunde gegangenen Sehnerven. Bei den 
Katzen entwickeln sich die Stäbchen und Zapfen erst nach der 
Geburt. (Falchi, C.: Archiv f. Ophthalmologie. Bd. XXXIV. 
II. Abt. 1888.) Es wirft der geschilderte Fall vielleicht einiges 
Licht auf die Entwicklung der genannten Sinnesepithelien. 
Außer dem Defekt der Sehorgane wies die Katze noch eine 
weitere Anomalie anf. Vom Schwänze fanden sich nnr zwei 
rudimentäre Wirbel vor. 

Von Interesse war, die junge Katze in ihren Bewegungen 
zn verfolgen. Trotz ihrer gänzlichen Blindheit orientierte sie 
sich sehr rasch. Sie bewegte sich ohne anzustoßen, selbst an 
ihr gänzlich unvertrauten Orten. Bei jedem Schritte befand 
sich der Kopf in fortwährenden pendelnden Bewegungen. 


Bericht Uber die 75. Versammlung deutscher Natur¬ 
forscher und Ärzte, Kassel, 20.-26. September a. c. 

Erstattet von 

Dozent Dr. J. Schmidt-Dresden, 

Bexirkstlersrzt 

Nachdem im vergangenen Jahre Karlsbad den deutschen 
Naturforschern and Ärzten Versammlungsort gewesen war, öffnete 
Kassel, die schöne nnd von der Mutter Natur so reichlich be¬ 
dachte Stadt, den Fremden die gastlichen Mauern. Regen 
Anteil zeigten der ganzen Veranstaltung die Börger nnd die 
Behörden, reicher Flaggen- nnd Blumenschmuck hieß die An¬ 


kömmlinge herzlich willkommen. Stand doch dieses Fest unter 
dem Zeichen des Jnbilänms; bereits vor 25 Jahren hatten die 
Naturforscher in Kassel getagt, und gar manche von den 
damaligen Gästen and Bewirtenden gaben sich diesesmal ein 
Stelldichein zur großen Freude der Beteiligten. Rühmend maß 
auch des Ausschusses gedacht werden, der alles in großartiger 
Weise zu veranstalten verstanden hatte. Wohnungsnachweis, 
praktisch angelegte nnd verwaltete Geschäftsstelle, Führer in 
Gestalt höherer Schüler nsw. standen dem Ankömmling znr Ver¬ 
fügung, so daß es einem jeden gelingen mußte, sich binnen 
kurzem völlig einheimisch zn fahlen. Welche Arbeit zn be¬ 
wältigen war, geht daraus hervor, daß nach dem offiziellen 
Ausweis über 1450 männliche und gegen 600 weibliche Personen 
gezählt wurden, die teils als wirkliche Mitglieder der Gesell¬ 
schaft, teils anf Grand gelöster Teilnehmerkarten als persönliche 
and geistige Mitarbeiter der diesjährigen Versammlung zn 
rechnen waren. Am schwächsten war wohl der tierärztliche 
Stand vertreten. Hatte bereits der voijährige Berichterstatter 
über die geringe Beteiligung seitens der Kollegen geklagt, so 
war heuer noch mehr Grund vorhanden ein Klagelied anzu¬ 
stimmen. Doch hierüber später! 

Den Beginn der Festwoche bildete am Sonntag, dem 
20. September ein allgemeiner Begrüßongsabend in der großen, 
schön geschmückten Festhalle an der Wilhelmshöher Allee. Am 
Montag vormittag fand der offizielle Eröffnnngsakt statt. Ein 
nach Tausenden zählendes Publikum füllte den weiten Raum 
der Festhalle. Die Spitzen der staatlichen nnd städtischen Be¬ 
hörden, sowie der kommandierende General von Wittich Exz. 
waren zugegen. 

Professor Dr. Hornstein-Kassel eröffnete den 75. Kongreß, 
hieß die Erschienenen herzlich willkommen, betonte, daß drei 
ehemalige Kasseler Einwohner (Geh. Sanitätsrat S tili in g, 
Georg Ludwig Pfeiffer und Amadäns Philipp!) ganz be¬ 
sonderes anf dem Gebiete der Naturwissenschaft nnd Medizin 
geleistet hätten, nnd schilderte, wie Se. Majestät der Deutsche 
Kaiser während seiner Jugendzeit in Kassel am Gymnasium 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 46. 


gelernt und gearbeitet habe. Ihm, der jederzeit reges Interesse 
der geistigen Arbeit zugewandt habe, der alles Streben in der 
Wissenschaft und Praxis nach Kräften unterstütze, solle die 
Festversammlung die erste Huldigung darbringen. Nach Ver¬ 
klingen des begeisterten Hochrufens wurde an den Kaiser ein 
Telegramm abgesandt, auf welches den nächsten Tag eine huld¬ 
volle Dankesantwort einlief. 

Als zweiter Redner ergriff der Regierungspräsident von 
Trott zu Solz das Wort und begrüßte die Teilnehmer im 
Auftrag der Regierung. Nach ihm sprach der Oberbürgermeister 
Müller begeisterte Worte'der Bewillkommnung. Ihm schlossen 
sich an Dr. Weber als Vertreter des Vereins für Naturkunde 
und Med.-Rat Dr. Schotten namens der Ärzte zu Kassel. 

Nunmehr dankte den Vorrednern der Vorsitzende der Ge¬ 
sellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte, Geh. Rat Prof. 
Dr. J. H. van’t Hoff-Berlin, und referierte über die Ent¬ 
wickelung der Gesellschaft, ihre Statuten, ihre Kämpfe gegen 
Konkurrenzvereinigungen und ihre Mitgliederzahl, die jetzt 2250 
beträgt. Zur Ehrung des Andenkens der verstorbenen Mitglieder, 
darunter Wislicenus, Schwaner, Lucius, Sachse u. a. m. 
erhob sich die Versammlung. Hierauf wurde in die Tagesordnung 
eingetreten. 

An erster Stelle hielt Prof. Ladenburg-Breslau einen 
Vortrag über den Einfluß der Naturwissenschaften auf 
die Weltanschauung. Da die Ausführungen dieses Redners 
viel Stoff zu erregten Debatten in Tageszeitungen geliefert haben 
und auch jetzt noch liefern, so mögen an dieser Stelle einige 
der Betrachtungen Platz finden. L. leitete zunächst seinen 
Vortrag mit einem geschichtlichen Rückblick auf die Entstehung 
der verschiedenen Religionen ein und schildert, wie der Glaube 
an Gott oder an eine Mehrheit von Göttern im Zusammenhang 
mit dem damaligen Wissen über die Natur gestanden habe. 
Unsere heutige Kultur wurzelt nicht im Christentum allein, sehr 
vieles danken wir den Heiden, zumal den Griechen. Wer könnte 
dem Zauber des Griechentums widerstehen. Sie waren das 
auserlesene Volk der Erde und haben doch niemals einen Jehova 
gekannt Wie vieles haben sie nicht geleistet; welch berühmte 
Namen haben sie nicht hinterlassen! Jeder kennt wohl die 
Namen eines Pythagoras, Archimedes, Aristarch, Aristoteles u.a.m. 
Der Niedergang des römischen Reiches und die Völkerwanderung 
brachten den Verlust der wissenschaftlichen Fortschritte. Das 
Mittelalter breitete überall Finsternis aus. Unwissenheit und 
Aberglaube sind die herrschenden Mächte, sie erzielen Intoleranz, 
Inquisition, Hexenverfolgung, religiösen Wahnsinn. 

Fast ein Jahrtausend vergeht, bis die Stimme der Vernunft 
wieder hörbar wird; der Humanismus, d. h. das Wiederaufleben 
der alten griechisch-römischen Literatur und Wissenschaft, ver¬ 
schafft sich Geltung, bis ca. 200 Jahre nach Geburt des ersten 
Humanisten die Erforschung der Natur anfängt wirklich vorwärts 
zu schreiten, damit beginnt in Deutschland das Zeitalter der 
Naturwissenschaften. Columbus, Copemikus, Keppler, Newton 
sind einige der glänzendsten Namen in der neuen Epoche. 

Was ist nun die Stellung des Menschen in der Welt? Er ist 
ein Bewohner eines der vielen Trabanten der Sonne, wie es deren 
im Weltall eine unendliche Zahl gibt, er ist ein Nichts in dieser 
Unendlichkeit, die sein Geist kaum fassen kann. Ein vermessener 
Traum war es, der ihm den Schöpfer als sein Ebenbild vor¬ 
spiegelte. Er vermag sich nicht eine richtige Vorstellung zu 
machen von einem Wesen, das unsere Welt geschaffen hat. 


Uns gebührt es nur, Bewunderung zu fühlen für diese Schöpfung, 
zu danken demjenigen, die uns zur Kenntnis der Natur geführt 
haben und uns bescheiden in die Stelle zu finden, die uns in 
dieser Welt zugedacht ist. 

Die Bibel ist keine Offenbarung eines übernatürlichen 
Wesens. Das alte Testament ist das Werk phantasiereicher 
Menschen und das neue Testament hat sicherlich keinen göttlichen 
Ursprung. 

Die Kirche hat wohl zuerst die Gefahren, welche ihr durch 
Znnahme des naturwissenschaftlichen Strebens entstehen können, 
erkannt. Warum hätte sie sonst Giordano Bruno verbrannt, 
warum hätte sie Galilei, den Entdecker der Bewegungsgesetze, 
des Fernrohres, des Thermometers und vieler anderer wertvoller 
Instrumente ins Gefängnis geworfen? 

Nicht nur gegen die katholische Kirche allein richten sich 
die Vorwürfe, die protestantische handelte nicht viel besser. 
Noch im Jahre 1612 richtet das Stuttgarter Konsistorium an 
Keppler die Mahnung: „er möge seine fürwitzige Natur be¬ 
zähmen und sich in allen Dingen nach Gottes Wort regulieren 
und dem Herrn Christus sein Testament und Kirche mit seinen 
unnötigen Subtilitäten, Skrupeln und Glossen unverwirrt lassen.“ 

Die Naturwissenschaft hat aber seitdem große Fortschritte 
gemacht, zur Astronomie gesellten sich Physik, Chemie, Biologie. 
Vieles ist erklärt, vieles geschaffen worden, aber noch große 
Aufgaben harren der erlösenden Forschung. Trotzdem können 
wir schon jetzt sagen, daß der Wunderglaube in ein Nichts 
zerfällt, daß niemals ein Wunder geschehen ist, noch je ein 
solches geschehen kann. Alles, was in der Natur geschieht, ist 
natürlich, und das Übernatürliche entspringt dem Gehirn von Un¬ 
wissenden und Phantasten oder der schlauen Berechnung. 

Aber auch die Vorstellung eines persönlichen allmächtigen 
Gottes ist mit der Ansicht von dem gesetzmäßigen Verlauf aller 
Erscheinungen nicht vereinbar. Irgendwo und wann müßte seine 
Allmacht in Erscheinung treten. Wenn wir auch zugeben müssen, 
daß wir von der Entstehung der Welt nur eine unklare Vor¬ 
stellung haben, die auf der geistvollen Kant-Laplaceschen 
Hypothese beruht, wenn wir auch nicht verstehen, woher die 
weltbeherrschenden Gesetze kommen können, wenn wir auch 
immer noch berechtigt sind uns einen Weltenschöpfer zu denken, 
so kann dieser doch nicht über den Gesetzen stehen, wir 
müssen ihn als die Verkörperung dieser Gesetze denken, wenn 
uns das zu denken überhaupt möglich ist. Ich glaube hierin 
nicht zu weit zu gehen. Jedenfalls bin ich in Übereinstimmung 
mit David Friedrich Strauß, dem Theolog und Philosoph, zu 
ähnlichen Schlußfolgerungen gelangt. In seinem alten und neuen 
Glauben sagt er folgendes: Die Idee des Universum kann und 
wird uns mit allem demjenigen erfüllen und bereichern, was 
wir in der natürlichen wie in der sittlichen Welt als Kraft und 
Leben, als Ordnung und Gesetz erkennen werden; über sie hinaus- 
znkommen aber wird uns niemals möglich sein, und wenn wir 
es dennoch versuchen und uns einen Urheber des Universum 
als absolute Persönlichkeit vorstellen, so sind wir durch alles 
bisherige zum voraus belehrt, daß wir uns lediglich mit einem 
Phantasiegebilde zu schaffen machen. Freilich bleibt jedem in 
solchen Dingen noch ein großer Spielraum der Auffassung, so 
daß Erziehung, Studiengang, Geschlecht, Gewissen, Nationalität, 
Gesellschaftsklasse und vieles andere sehr wesentlich in Betracht 
kommen kann und der individuellen Neigung eine große Freiheit 
bleiben sollte. Um so mehr muß es befremden, daß gerade 


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12. November 1908. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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diese, für einzelne Menschen wichtigsten Fragen, nach ganz be¬ 
stimmten Normen and vorgezeichneten Schemata behandelt 
werden und jeder in seiner Jagend geradezu gezwungen wird, 
sich für ein solches Schema zu entscheiden and dies sein Leben 
lang beizabehalten. 

Gerade hier gibt es noch viel za reformieren. Der Anfang 
dazu kann aber erst gemacht werden, wenn die allgemeine Bil- 
_dang nicht wie jetzt eine formale ist and Sprachkenntnisse 
(namentlich toter Sprachen) bedeutet: Die allgemeine Bildung 
maß aaf die Kenntnis der Natar and ihrer Gesetze aafgebant 
werden. (Beifall.) 

Vor allem maß die übertriebene Vorstellung von der dem 
Menschen in der Natur angewiesenen Stellang beseitigt werden. 
Wenn aach der Mensch vor allen Tieren die Sprache voraas 
hat, and wenn auch seine Intelligenz and seine Seele aaf einer 
viel höheren Stofe steht, so kann doch nicht geleugnet werden, 
daß auch die Tiere Verständigungsmittel besitzen, and daß viele 
ihrer Handlangen aaf gewisse seelische Vorgänge schließen lassen. 
Wir können nicht mehr an dem Seelenleben der Tiere zweifeln. 

Dies ist aber von Wichtigkeit, wenn wir ans jetzt einer 
der interessantesten Fragen der Weltanschauung, der Unsterb¬ 
lichkeitsfrage zuwenden. Keine Frage schneidet so tief in 
unser ganzes Denken und Empfinden ein wie gerade diese, and 
es wird mir als Nichtpsychologen daher nicht leicht, hier vor 
einem solchen urteilsfähigen Publikum darüber zu sprechen. 
Aber mein Thema verlangt, daß ich anch diese Frage berühre. 

Ich meine non, daß wenn man die Unsterblichkeit für die 
menschliche Seele fordert, es sehr schwer fällt, den Tieren dies 
vollständig abzusprechen. Wohin aber sollte es führen, wenn 
man auch der tierischen Seele Unsterblichkeit zuerkennen wollte? 
Dies erscheint mir nicht angänglich, und das ist einer der vielen 
Gründe, die es mir leider unmöglich machen, jenen schönen und 
trostreichen Gedanken als der Wirklichkeit entsprechend anzu- 
nehmen. Ich sage ausdrücklich einer der vielen Gründe und 
möchte hinzusetzen, keiner der schwerwiegendsten. 

Gibt es denn ein Substrat der Seele? Wir kennen keins. 
Was also soll unsterblich sein? Könnten wir uns nur irgend¬ 
eine Vorstellung von der Art dieses Fortlebens machen? Ich 
glaube aber nicht, daß eine solche mit wissenschaftlichen 
Prinzipien im Einklang stehende Möglichkeit bekannt ist. 

Die Erkenntnis, daß im Jenseits kein Ersatz gefanden 
werden kann, mußte dazu führen, das Diesseits besser zu ge¬ 
stalten. 

Die Aufklärungsphilosophie, die Enzyklopädisten und Männer 
wie Rousseau und Voltaire haben Ende des vorvorigen Jahr-' 
hunderte dazu geführt, die Menschenrechte zu verkünden und 
Lafayette hat den Antrag in der französischen Kammer gestellt, 
die Formulierung derselben in die Verfassung anfzunehmen. Viele 
der blutigen Kämpfe undGreuel der französischen Revolution stehen 
mit der Durchführung dieses Prinzips in direktem Zusammen¬ 
hang, und umsonst ist das viele Blut in jener Zeit nicht ge¬ 
flossen. Der Feudalstaat fällt und ein Geist der Brüderlichkeit 
unter den Nationen ersteht, den man vorher nicht kannte. Und 
welche praktische Konsequenzen von unendlicher Tragweite hat 
die Aufstellung jeneB Prinzips der Gleichheit, Freiheit und 
Brüderlichkeit gefunden! Ich nenne nur eins, welches allein 
genügen wird: Die Aufhebung der Sklaverei und Leibeigenschaft. 
Was das Christentum allein nicht hat erreichen können, das 
ist mit Hülfe der Aufklärung, welche wir besonders den Natur¬ 


wissenschaften verdanken, möglich geworden. (Lebhafter Beifall.) 
Das ist ein großartiges Resultat, dem kaum eine andere Tat 
des Menschengeschlechts an die Seite gestellt werden kann, 
de$n hierdurch sind Millionen von Menschen einem menschen¬ 
würdigen Dasein zurückgegeben worden. Aber damit nicht 
genug: alle Bestrebungen, das soziale Elend zu verringern, die 
ganze soziale Gesetzgebung entspringen denselben Quellen. 
Und sehen wir nicht alle Kulturstaaten, Deutschland voran, 
n*it derartigen Aufgaben beschäftigt, sich gegenseitig in der 
Erreichung dieser hohen Ziele überbietend! Und wenn auch 
von Zeit zu Zeit der Fortschritt auf diesem Weg zurückgehalten 
wird durch anarchistische Bestrebungen, welche reaktionäre 
Maßregeln im Gefolge haben, so können wir doch aus den ge¬ 
wonnenen Resultaten mit Sicherheit die Zuversicht entnehmen, 
daß man, auf dem begangenen Wege fortschreitend, dem Ziele 
immer näher kommen wird. Und ist es nicht des Lebens wert, 
durch Beine eigene Arbeit an der Erreichung dieses Zieles mit¬ 
gewirkt zu haben? Ich glaube doch. Viel wichtiger aber 
ist, daß die naturwissenschaftliche Auffassung der 
Welt zu einem Geist der Toleranz, der Brüderlichkeit 
und der Friedensliebe führt, und daß wir es als eine 
ernste Pflicht betrachten müssen, den Armen und 
Elenden in dieser Welt beizustehen, ihr Schicksal zu 
erleichtern und sie nicht auf ein ungewisses Jenseits 
zu vertrösten. Werktätige Menschenliebe sei deshalb 
unser Wahlspruch! so schloß der Redner unter stürmischem 
Beifall seinen bis zum Ende mit größter Spannung von den An¬ 
wesenden verfolgten Vortrag. 

Im Anschlnß hieran sei bemerkt, daß selbstverständlich 
die soeben geschilderten Ausführungen L.s besonders in kirch¬ 
lichen Kreisen auf Widerspruch stießen. Noch während der 
Kongreßwoche erschienen in den verschiedensten Blättern An¬ 
griffe gegen den genannten Forscher. Auch die Kasseler Stadt¬ 
synode beschäftigte sich erst vor kurzem mit dem Vortrage 
und faßte folgende Resolution: 

„Die Stadtsynode spricht ihr tiefstes Bedauern über die 
Art und Weise aus, in der nach den bisher unwidersprochenen 
Berichten der Tagesblätter auf der 75. Jahresversammlung 
deutscher Naturforscher und Ärzte zu Kassel durch den Er- 
öffhungs vortrag des Geheimrats Ladenburg aus naturwissen¬ 
schaftlichen Voraussetzungen unberechtigte, das Gebiet dieser 
Wissenschaft überschreitende Folgerungen gezogen worden sind, 
die gegen die christliche Weltanschauung Sturm laufen und 
jedes religiöse Empfinden verletzen. Die Synode bekennt sich 
aufs neue freudig zu der durch keine Wissenschaft zu er¬ 
schütternden Wahrheit des Evangeliums.“ 

Daraufhin erließ L. in der Kasseler AUgem. Zeitung 
folgende Erklärung: 

„Die Resolution der Kasseler Stadtsynode nötigt mich zu 
folgender Gegenerklärung. Meine Rede war rein wissenschaft¬ 
lich und hat in keiner Weise die Grenzen überschritten, welche 
durch logische Deduktionen und wissenschaftliche Ergebnisse 
festgelegt Bind. Eine Verletzung des religiösen Empfindens 
habe ich streng zu vermeiden gesucht und in dieser Hinsicht 
vor meiner Rede eine darauf bezügliche Erklärung an den Vor¬ 
stand und die Geschäftsführung der Gesellschaft deutscher Natur¬ 
forscher und Ärzte abgegeben. Nur ungenaue, tendenziös ge¬ 
färbte Auszüge einiger Tagesblätter konnten zu den veröffent¬ 
lichten Folgerungen Veranlassung geben. Jedenfalls hätte die 

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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 46. 


Stadtsynode mit der Resolution warten müssen, bis eine 
authentische Wiedergabe meiner Rede vorlag.“ 

Diese Entscheidung darüber, ob die Angriffe auf Ladenburg 
gerechtfertigt oder nötig waren, sei dem Leser überlass«®; 
für die Beurteilung dieser Fragen und auch des ganzen Vortrages 
möge aber nochmals auf den Kern der L.schen Ausführungen — 
werktätige Menschenliebe und Verminderung des sozialen Elends 
sind erstrebenswerter und darum besser als die Vertröstung auf 
ein ungewisses Jenseits — hingewiesen werden. 

An zweiter Stelle sprach Professor Dr. Ziehen-Utrecht 
über die physiologische Psychologie der Gefühle und 
Affekte und führte hierbei, kurz erwähnt, aus, daß es auf dem 
Gebiete der Affekte dreierleizu beachten gibt, nämlich: Reiz — 
Hirnrindenerregung — sichtbarer bzw. hörbarer Affekt. Alle 
Affekte sind an die Hirnrinde gebunden, nirgends begegnen sie 
uns losgelöst von Empfindungen und Vorstellungen, sie sind 
also keine selbständigen Prozesse. Mannigfaltige Experimente 
können hierfür den Beweis liefern. Nicht die Empfindung und 
die Erregbarkeit ist die Hauptsache, sondern die Entladung 
(Reaktion). Hervorzuheben bleibt, daß die negativen Affekte 
zahlreicher als die positiven sind, demgemäß hat z. B. die 
deutsche Sprache mehr Worte für Unlustgefühle als für freudige 
Erregungen. Wie weit alle diese Untersuchungen mit der Be¬ 
schaffenheit der Hirnzelle zusammen hängen, liege außerhalb 
unserer Untersuchungen. 

Am Nachmittag begannen die Abteilungssitzungen. Um 
3 Uhr versammelte sich in einem für die Kongreßwoche uns 
zugewiesenen Klassenzimmer des Realgymnasiums die 30. (tier¬ 
ärztliche) Sektion. Zugegen waren: Departementstierarzt 
Tietze, Kreistierarzt Schlitzberger, Schlachthofdirektor 
Dr. Grote, Tierarzt Bokemüller, sämtlich aus Kassel, so¬ 
dann Oberveterinär Schmidt-Tempelhof, Tierarzt Schweitzer- 
Linz a. Rh., Bezirkstierarzt und Dozent Dr. Schmidt-Dresden. 
Herr Tietze eröffhete als erster Einführender die Sitzung, be¬ 
grüßte die Erschienenen und publizierte vorerst verschiedene 
geschäftliche Angelegenheiten. Des weiteren betonte er die 
Schwierigkeiten, die ihm die Vorbereitungen für die tierärzt¬ 
liche Abteilung wider Erwarten bereitet hätten, und teilte mit, 
daß Herr Dr. Storch-Schmalkalden einen Vortrag über 
„Asepsis und Antisepsis in der Geburtshilfe“ angemeldet 
hätte, während Herr Professor Dr. Kaiser-Hannover über 
„postpuerpurale Erkrankungen des Rindes“ sprechen 
werde. Zum Vorsitzenden für die Montagssitzung wurde 
Dr. Schmidt-Dresden gewählt. Derselbe brachte noch ver¬ 
schiedenes zur Sprache und schlug vor, den Dienstag-Vormittag 
zu einer gemeinsamen Besichtigung des städtischen Schlacht¬ 
hofs zu verwenden, des nachmittags aber die medizinisch-natur¬ 
wissenschaftliche Ausstellung zu besuchen. Als weitere Vorträge 
meldete er an: „unser jetziges Wissen über die wichtigsten 
Geflügelseuchen“ sowie „neuere tierärztliche Instrumente“. 

Am Montag abend fand zu Ehren der anwesenden Gäste 
große Festvorstellung im Königlichen Theater statt. Gespielt 
wurde die Oper Tannhäuser. Der Zudrang zu der Vorstellung 
war ein großer, die Plätze waren zumeist von den Gästen und 
ihren Damen besetzt. Auch die Spitzen der Behörden ehrten 
uns durch ihr Erscheinen. Die Vorstellung nahm einen aus¬ 
gezeichneten Verlauf nnd fand reichsten Beifall, der den 
Künstlern gegenüber noch in Blumenspenden seinen Aus¬ 
druck fand. 


Der Dienstag-Vormittag versammelte die tierärztlichen Teil¬ 
nehmer in den Räumen des Schlachtbofes, dessen gesamte 
Räumlichkeiten unter der liebenswürdigen Leitung des Herrn 
Kollegen Dr. Grote einer eingehenden Besichtigung unterzogen 
wurden. Über das Etablissement sei kurz folgendes erwähnt.*) 
Im Jahre 1881 bereits wurde der Schlachthof an seiner jetzigen 
Stelle errichtet. Dem weitausschanenden Blick der damaligen 
maßgebenden Kreise war es zu danken, daß gleich von vorn¬ 
herein für genügend Platz gesorgt wurde, so daß auch jetzt 
trotz verschiedener Erweiterungsbauten noch große Terrain¬ 
flächen zur Verfügung stehen. Die Anlage umfaßt das Ver¬ 
waltungsgebäude, drei Schlachthallen (Großvieh, Kleinvieh, 
Schweine), Stallungen, Maschinenhaus, Düngerhaus, Schlacht¬ 
halle für Pferde, Schlachthaus für kranke Tiere, Restaurations¬ 
gebäude. Im Jahre 1892 wurde sodann eine Kühlanlage nach 
dem Lind eschen System (Ammoniak -Kompressionssystem mit 
Berieselungsluftkühlern) und ein Eiserzeugungsapparat errichtet, 
die beide im Vorjahre eine Erweiterung erfuhren. Zur Ver¬ 
meidung von Schwankungen in den Kühlhallen ist noch eine 
Vorkühlhalle (418 qm Fläche) erbaut worden, die ebenso wie 
der für sich abgeschlossene Pökelraum (410 qm Bodenfläche) 
wegen ihrer zweckmäßigen Einrichtung unserer aller Beifall fand. 

Die Verwaltung des Schlachthofes liegt von seiner Eröffnung 
an in den Händen eines Tierarztes, die Fleischbeschau wird 
lediglich von Tierärzten ausgetibt. 

Beim Besuch der Schweineschlachthalle demonstrierte Herr 
Kreistierarzt Schlitzberger an mehreren Konflskaten das 
Vorkommen von chronischer Schweineseuche, deren in der Lunge 
hervorgerufene geringfügige Veränderungen wegen ihrer 
scheinbaren Bedeutungslosigkeit unstreitig oft übersehen werden 
dürften, während sie jedoch den Beweis für die große bisher 
noch ungenügend bekannte Verbreitung dieser Seuche zu liefern 
imstande sind. 

Weiterhin besichtigten wir noch das in der genannten An¬ 
lage befindliche Königliche Impfinstitut, welches zur Herstellung 
animaler Lymphe dient und die Provinzen Hessen-Nassau, West¬ 
falen und die Hohenzollernschen Lande mit Impfstoff versorgt. 
Zum Schluß unseres Besuches ließ es sich Kollege Dr. Grote 
nicht nehmen, uns durch ein schnell improvisiertes Frühstück 
von der Güte der Kasseler Fleischnahrung zu überzeugen, 
welcher Versuch ihm glänzend gelang. 

Am Nachmittag trafen sich verschiedene Kollegen in der 
schon erwähnten Ausstellung, die von einer Anzahl hervor¬ 
ragender Firmen inszeniert worden war und vier Abteilungen 
umfaßte. Dieselben bestanden in: physikalisch-naturwissen¬ 
schaftlicher, medizinisch-chirurgischer, chemisch-pharmazeutischer 
und der Lehrmittelgruppe. In allen war eine Fülle von Gegen¬ 
ständen und Neuheiten vorhanden, die große Anziehungskraft 
auf das Publikum ausübten und auch uns Tierärzte veranlaßten, 
noch mehrmals die Ausstellung zu besuchen. 

Gegen Abend fand in der großen Festhalle das Festmahl 
der Kongreßteilnehmer statt. Gegen 900 Damen und Herren 
batten sich hierzu eingefunden und verlebten bei vorzüglicher 
Speise und Trank einige recht angenehme Stunden. Diejenigen 
Kollegen, welche dem Mahle ferngeblieben waren, trafen sich 

*) Festschrift der Stadt Kassel zu Ehren der 75. Versammlung 
Deutscher Naturforscher und Ärzte, Abteilung: Nabrungspolizei, 
bearbeitet von Dr. phil. Grote. 


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12. November 1903. 


mit ihren Damen im Kasseler Hof. Anch ihnen bot sich genügend 
Unterhaltung gepaart mit Frohsinn, sodaß die paar vergnügten 
Stunden wie im Fluge verschwanden. (Schluß folgt). 


Referate. 

Übertragung des Krebses. 

Von Dr. Dagonet. 

(Ref. do Revue g6n. de möd. v6t aus 8ocl6tfc de Biologie, 11. Okt. CS.) 

Am 23. Januar 1902 operierte Dr. Picquö einen Kranken 
wegen Krebs des Penis, der recidiviert und sehr rasch fort¬ 
geschritten war. Die Untersuchung ergab, daß es sich um ein 
Pflasterepitheliom epidemischen Ursprungs handle, das sich auf 
dem Wege der kerato-hyalinen Degeneration befand. Auf den 
Schnitten waren Strange von großen epithelialen Zellen zu 
sehen, die durch neugebildetes Bindegewebe getrennt waren und 
noch die Mucinreaktionen zeigten; die Krebszellen hatten einen 
blasigen, eiförmigen Kern und waren auf dem Rande gezackt. 
Zahlreiche Zellenstränge waren in Keratinisation begriffen und 
zeigten in ihrem zentralen Teil sphärische oder ovoide aus auf¬ 
gelagerten epithelialen Zellen gebildete Massen. Einzelne sehr 
große degenerierte Zellen zeigten alle Erscheinungen der kerato- 
hyalinen Degeneration. 

Alsbald nach der Operation wurde einer 320Gramm wiegenden 
weißen Ratte eine Zerreibung eines cancerösen Ganglion intra¬ 
peritoneal injiziert. Das Tier reagierte nicht, blieb mehrere 
Monate gesund, magerte später ab und ging fünfzehn Monate 
nach der Inoculierung ein. 

Bei der Sektion wog das Tier 230 Gramm. Das Netz 
enthält voluminöse, harte und adhärierende Massen, die beim 
Anschneiden eine graue Farbe zeigen und nach Krebs aussehen. 
Die Milz enthält drei ziemlich große, weißliche Krebsknoten, 
auch die Leber enthält zahlreiche ähnliche Herde. Das parietale 
Blatt des Bauchfells und die anderen Eingeweide sind nomal. 
Die histologische Untersuchung ergab ein Pflasterepitheliom 
epidemischen Ursprungs, identisch dem inoculierten Material. 

Dieser Fall dürfte die Möglichkeit der Übertragung des 
Epithelioms deutlich beweisen; es liegt hier keine Transplan¬ 
tation des Krebsgewebes vor, sondern eine Behr aktive bösartige 
Proliferation, wie die zahlreichen metastatischen Herde zeigen. 
Die Fom des Krebses ist die des inoculierten; dabei sind die 
Tegumente des Versuchstieres absolut intakt, so daß sie nicht 
als Ausgangspunkt des Prozesses bezeichnet werden können. 
Die in die Peritonealhöhle injizierten Krebszellen haben sich 
unter Wahrung ihrer Charaktere vermehrt und haben die 
metastatischen Herde erzeugt, deren Zahl der Bösartigkeit des 
ursprünglichen humanen Carcinoms zu entsprechen schien. 

Zündel. 

Die Bereitung des Antirenin. 

(Vcterinary Journal. Neue Folge. Vol. VI, Nr. 36). 

Antivenin ist ein $erum, welches die schädlichen Wirkungen 
des Schlangengiftes unschädlich macht, wenn es den von Schlangen 
gebissenen Personen oder Tieren auf subkutanem Wege ein¬ 
verleibt wird. Das Gift aller giftigen Tiere ist von der 
gleichen Natur und unterscheidet sich nur in der Stärke. Daher 
schützt das Serum gegen den Biß jeder Spezies, wofern das 
Tier, welches dasselbe geliefert hat, mit Gift von größerer 
Stärke immunisiert worden ist. So z. B. wird das Serum eines 


713 


Tieres, das mit dem Gift von Trigonocephalus vorbehandelt 
worden ist, den Biß der gewöhnlichen Natter unschädlich 
machen, dagegen würde das Serum eines Tieres, welches mit 
Nattergift immunisiert worden ist, keine Wirkung gegen das 
Trigonocephalusgift ausüben. 

Das zur Bereitung des Serums dienende Gift wird direkt 
den Giftschlangen abgenommen. Es ist dies eine ziemlich 
gefährliche Operation und erfordert Mut, Geschicklichkeit und 
Kenntnis von den Gewohnheiten der Schlangen. Calmette vom 
Pasteurinstitut in Lille hat die Methode nachgeahmt, welche die 
Eingeborenen im Umgang mit Giftschlangen anwenden, indem 
sie dieselben im geeigneten Moment dicht hinter dem Kopfe am 
Halse erfassen und festhalten. C. bemächtigt sich der Schlangen 
mit großen Zangen, deren Branchen entsprechende Vertiefungen 
haben und mit Gummilagen versehen sind. Sobald eine Schlange 
gut festgenommen ist, nimmt die Hand des Operateurs den 
Platz der Zange ein und hält den Kopf des Tieres so, daß er 
sich nicht bewegen kann. Der Schlange wird alsdann eine 
Uhrschale vorgehalten, auf die sie wütend einbeißt, sodaß das 
Gift in die Höhlung derselben abfließt. Um dies zu beschleunigen, 
kann auch die Giftdrüse durch einen Gehilfen gepreßt werden. 
Wenn das so erhaltene Gift eine Zeit lang auf bewahrt werden 
soll, muß es im Vacuum getrocknet werden. Es kann auch 
das Gift von Schlangen benutzt werden, welche zu Sektions¬ 
zwecken getötet wurden, sofern die Drüse unmittelbar nach 
dem Tode entleert wird. 

Das Pasteurinstitut empfängt aus allen tropischen Ländern 
eine verhältnismäßig große Quantität verschiedener Gifte in ge¬ 
trocknetem Zustande. Gleichzeitig ist daselbst eine Abteilung 
mit zehn Käfigen, in denen einige 30 Schlangen gehalten werden. 
Die Käfige sind innen mit Glasscheiben belegt, damit sich die 
Schlangen die Köpfe nicht verletzen können, auch enthalten sie 
Wasserbehälter und Steine, an welchen sich die Schlangen 
scheuern können, sobald sie sich häuten. Giftschlangen nehmen 
in der Gefangenschaft nur Wasser, dagegen keine Nahrung an. 
Wird eine Ratte oder ein Frosch in den Schlangenkäflg ge¬ 
worfen, so werden sie erregt und töten den Eindringling, aber 
fressen ihn nicht. Die Beibringung von Nahrung wird daher 
gewaltsam bewerkstelligt. Nachdem die Schlange in der ge¬ 
wöhnlichen Weise ergriffen worden ist, wird ihr ein Gummi¬ 
schlauch in den Schlund geführt nnd ihr so der Inhalt von 
zwei Eiern beigebracht Dieses Verfahren wird alle 14 Tage 
wiederholt. 

Als Serumlieferant wird das Pferd benutzt. Dasselbe erhält 
zunächst alle vier bis fünf Tage eine Einspritzung des frag¬ 
lichen Giftes unter die Haut am Halse bzw. hinter der Schulter 
in allmählich steigender Dosis. Die Intervalle werden vergrößert 
wenn die lokale Reaktion zu Btark wird. Gewöhnlich nach 
etwa acht Wochen ist das Pferd imstande eine Dosis reinen Giftes 
zu ertragen, die 35 Kaninchen töten würde. Von dieser Zeit 
an sind die lokalen Veränderungen nach den Injektionen weniger 
schwer. Sechs Monate muß mindestens fortgefahren werden, ehe 
das Serum zum therapeutischen Gebrauch genügend aktiv ist 
Es muß hierbei langsam und vorsichtig vorgegangen werden, 
da die Pferde das Gift anfänglich sehr wenig vertragen und 
leicht zugrunde gehen können. Das Serum wird als wirksam 
betrachtet, wenn 1 ccm desselben ein Kaninchen gegen eine 
Dosis Gift schützt, welche ein nicht immunes Kaninchen in 
20 Minuten töten würde. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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714 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 46. 


Der prophylaktische Effekt des Serums verschwindet bald 
und ist daher ohne Bedeutung. Die Heilwirkung steht dagegen 
außer allem Zweifel und es könnten viele Fälle als Beweis¬ 
stücke hierfür angeführt werden. Erwähnt sei nur, daß der 
Chef von Calmettes Laboratorium im Anfang der Versuche 
zweimal von Klapperschlangen gebissen und in beiden Fällen 
durch die Serumbehandlung von jedem Schaden bewahrt wurde. 

Zwei Anammiten in Cochinchina waren fast gleichzeitig 
von derselben Schlange, einer schwarzköpfigen Cobra gebissen. 
Einer der Gebissenen wurde zwei Stunden nachher mit Serum 
behandelt und genaß, der audere wollte sich die Injektionen nicht 
gefallen lassen und starb in der darauffolgenden Nacht. 

Das Pasteurinstitut verschickt jedes Jahr 25 000 Dosen 
ä 10 Zentigramm. Peter. 

Meningo-Encephalitis enzootica bei Hühnern. 

Von Dr. A. Fumagalli. 

(Clin. vot. Nr. 35, 1903.) 

Die Krankheit trat seuchenartig in einem Bestände von 
100 Stück auf. Bei den kranken Hühnern wurden im wesent¬ 
lichen nachstehende Erscheinungen beobachtet: Temperatur¬ 
steigerung, äußerste Schwäche, Schwanken, vollständiges Versagen 
des Fntters; später stellte sich Diarrhöe ein. Besonders charak¬ 
teristisch waren die im Bereich des Nervensystems liegenden Er¬ 
scheinungen: Krankhafte Bewegungen mit dem Kopfe und mit dem 
Halse; bei einigen Hühnern wurde Emprosthotonus, bei andern 
Pleurothotonus beobachtet. Einige stützten den Kopf auf den 
Boden und gingen im Kreise. Diese Zwangsbewegungen dauerten 
einige Minuten und traten nach einiger Zeit der Ruhe von 
neuem auf. Der Tod wurde entweder durch einen lauten 
scharfen Schrei oder durch eine Art Saltomortale angekündigt. 

Bei der Obduktion waren nur im Zentralnervensystem deut¬ 
liche und ausgesprochene Veränderungen nachweisbar: Intensive 
Hyperämie der Meningen; zahlreiche Blutaustritte im Hirn 
und Kleinhirn; Erweiterung der Hirnsubstanz, abnorme An¬ 
häufung von Flüssigkeit in den Ventrikeln. 

Verf. läßt es unentschieden, ob es sich im vorliegenden 
Fall um eine selbständige Krankheit handelt. Da in der frag¬ 
lichen Gegend die Hühnercholera herrschte, so ist es nicht aus¬ 
geschlossen, daß die Todesfälle auf diese Seuche zurückzuführen 
sind. Eine mikroskopische Untersuchung des Blutes etc., die 
ev. Aufschluß hätte geben können, wurde nicht vorgenommen. 

Peter. 

Punktur des Colons per rectum. 

Von Cunningham. 

(Vet Rekord 1903, Nr. 787). 

Ein kolikkrankes Pferd war 16 Stunden lang ohne jeden 
Erfolg mit den gewöhnlichen Laxantien, Sedativen, Anodynen, 
mit Klystieren, mit intravenösen und subkutanen Injektionen von 
Eserin usw. behandelt worden. 

Es zeigten sich die Symptome einer Anschoppung der Ingesta 
des Colons mit teilweiser Verlagerung dieses Darmteiles. Da 
brachte endlich die künstliche Entfernung der Gase aus dem 
Colon sofort die erwünschte Besserung und baldige Heilung. 
C. wählte zu der obengenannten Operation den durch den Mast¬ 
darm fühlbaren Teil des in Mitleidenschaft gezogenen Darmes, 
weil er daselbst eine starke Füllung desselben mit Gas kon¬ 
statieren konnte. Der benutzte Trokar war 18 Zoll lang und 
derselbe ließ sich leicht handhaben. Jedenfalls ist eine weit 


geringere Kraftanstrengung erforderlich, als wenn der Dann¬ 
stich in der rechten Flanke ausgeführt wird, wo die Haut und 
die Bauchmuskulatur mit durchstoßen werden muß. Etwa ein 
halbes Dutzend Fälle wurden nach dieser Methode vom Verfasser 
behandelt. Schlimme Folgen wurden nie beobachtet. Zwei dieser 
Pferde blieben noch jahrelang unter Kontrolle; sie sind immer 
gesund gewesen. 

Die Punktur des Colons per rectum würde insbesondere als 
letztes Mittel in den Fällen zu empfehlen sein, in denen 
Drehungen und andere Lageveränderungen des Darmes ver¬ 
mutet werden. Peter. 

Thigenol, Airol and Asterol. 

Die chemische Fabrik von F. Hoffmann — La Roche & 
Cie. hat unter der Bezeichnung Thigenol ein Schwefel-Prä¬ 
parat in die Therapie eingeführt. Thigenol stellt eine konzen¬ 
trierte Lösung der Natriumverbindung der Sulfosfture, eines 
synthetisch dargestellten Sulfoöls dar. Es ist eine dunkelbraune, 
sirupdicke Flüssigkeit, geruch- und fast geschmacklos, sowohl 
im Wasser wie im verdünnten Alkohol und Glyzerin vollkommen 
löslich. Von Dr. Saalfeld in Berlin sind Versuche angestellt, 
speziell bei der Behandlung von Hautkrankheiten, Dermatiten, 
Ekzemen etc. S. hat Thigenol mit sehr gutem Erfolge an¬ 
gewandt. 

Unter dem Namen Airol, welches im Jahre 1895 durch 
Fahrn und Hägler in die Chirurgie eingeführt ist, versteht 
man bekanntlich ein Wismutoxyjodidgallat Das Urteil, welches 
Le88er über Airol fällt (Deutsche medizinische Wochenschrift 
Nr. 1, 1899), lautet: 

Von allen Ersatzmitteln des Jodoforms ist allein Airol als 
wirklich brauchbar erprobt. Es zeichnet sich aus durch seine 
sekretionsbeschränkende, trocknende und granulationsbefördernde 
Wirkung bei völliger Reizlosigkeit. Im Tierversuch hat sich 
das Airol als ungiftig erwiesen. 

Die Indikationen für die Anwendung des Airols sind in der 
Chirurgie bei allen Operationen und frischen Wunden gegeben. 
Es wird angewendet bei Nähten in Form von Airolpaste 10 bis 
20 %. Ferner empfiehlt sich seine Anwendung von außen bei 
Hornhautgeschwüren, Abszessen und Hypopyonkeratitis. Hier 
stäubt man das Airol 1 bis 2 mal täglich ein oder tupft das 
Airolpulver mit Watte auf. In der Dermatologie ist Airol mit 
Erfolg angewendet worden. Es seien hier noch einige Rezept¬ 
formeln für die Anwendung des Airols genannt: 

Airol als Streupulver mit Tale, vermischt. 

Rp. Airol „Roche“ 10 bis 15 g. — Tale, venet. 90 bis 85 g. 
— D. ad scatulam. S. Streupulver, äußerlich. Hervorragendes 
Mittel bei Wundsein der Kinder, Wolf etc. 

Airolsalbe 5 Proz. und 10 Proz. 

Rp. Airol „Roche“ 2,5 g. resp. 5 g. — Vaselin alb. 47,5 g. 
resp. 45 g. m. f. u. d. ad oll. S. Salbe, äußerlich. 

Überall da anzuwenden, wo Airolstreupulver der Reibung 
wegen nicht angewendet werden kann, z. B. für Augensalben. 
Auch eignet sich dieselbe zur Behandlung vernarbender Wunden 
vortrefflich. __ 

Airolpasta nach Prof, von Bruns. 

Rp. Airol „Roche“ 5,0 — Mucil. gumm. arab. — Glyzerin 
ää 10,0. — Bol. alb. q. s. ut fiat pasta mollis. 


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12 . November 1903. 


Airolpasta nach Herrnheiser. 

Rp. Airol „Roche“ 5,0 — Linim. exsiccant. Pick. — Bol. 
alb. ää 10,0. — M. f. pasta. S. Airolpasta. 

Die Pasta wird über die genähte Wunde mit dem Finger 
gestrichen, dann erspart man jeden weiteren Verband. 

Unter dem Namen Asterol „Roche“ hat ebenfalls die Firma 
Hoffmann-La Roche & Cie. in Basel ein Quecksilbersalz in den 
Handel gebracht, welches bestimmt ist, an Stelle des Sublimats 
zu treten. Nach seiner chemischen Zusammensetzung stellt das 
Asterol das Para-Sulfophenol-Quecksilber-Ammonium-Tartrat dar. 
Asterol ist ein weißes Pulver, welches in heißem Wasser löslich 
ist Die Lösung von 4 bis 5 % bleibt nach dem Erkalten völlig 
klar und haltbar. Dadurch, daß das Asterol Eiweiß nicht fällt, 
behält es seine Wirksamkeit in bezug auf die Abtötung der 
Bakterien auch in eiweißreichen Flüssigkeiten. Eine Aetzwirkung 
übt Asterol nicht aus. Ein besonderer Vorzug vor dem Subli¬ 
mat ist der, daß die Instrumente, ohne angegriffen zu werden, 
längere Zeit mit Asterollösung in Berührung kommen können. 
Dabei ist es geruchlos, durchsichtig und wirkt nicht zerstörend 
auf Kautschuk. Da von den Untersnchern der Asterollösung 
eine besonders tiefe Wirkung nachgerühmt wird, so eignet es 
sich speziell für die Behandlung von Erysipelen, Lymphangitiden, 
Panaritien und schweren Phlegmonen. Dr Jeß. 

Eigentümlichkeiten im Geschlechtsleben und inter¬ 
stitielle Nephritis bei einem Hnnd. 

Von Prof. Dr. Alb recht, München. 

(Wochenschr. f. T. u. V. 1903. Nr. 23 u. 24.) 

Eine russische Windhündin, acht Wochen alt angekauft 
und in einem Zwinger gehalten, zeigte in ihrem Geschlechts¬ 
leben ein unphyBiologisches Verhalten. Bei sorgiältiger Beobachtung 
wurde festgestellt, daß sie erst mit drei Jahren erstmals hitzig 
wurde. Sie wurde gedeckt und brachte fünf Puppies. Erst 
nach Ablauf eines Jahres wurde sie wieder brünstig und 
brachte wieder fünf Junge. Wieder erst nach einem Jahr 
trat die dritte Brunst ein. Die Hündin konzipierte, abortierte 
diesmal aber hochträchtig. In den nächsten beiden Jahren wurden 
überhaupt keine Brunsterscheinungen an ihr wahrgenommen; 
nach einem weiteren Jahr waren sie nur gering und Blutungen 
fehlten. Erst am Tag, an dem sie gedeckt wurde, trat eine 
erhebliche Blutung auf, die einige Tage anhielt, dann siBtierte 
und sich nochmals einstellte. Wie jedesmal in der Brunst zog 
sich die Hündin dauernd in ihre Hütte zurück und war appetit¬ 
los. Diesmal nahm sie sechs Tage lang überhaupt nichts zu 
sich, weshalb der Verfasser konsultiert wurde. 

Das Tier war stark abgemagert, traurig, hatte 120 Pulse, 
eine Temperatur von 38,5, die auch in der Folge nur zweimal 
auf 43 Grad anstieg, pochenden Herzschlag, war völlig appetitlos, 
hatte dagegen starken Durst. Die Fäces waren hart und hell¬ 
gelb, der Hinterleib stark zusammengefallen, die Nierengegend 
gegen Druck empfindlich; Scheidenausfluß bestand nicht. Der 
Harn war hellgelb, hatte ein spezifisches Gewicht von nur 1,01, 
enthielt 0,5 Prozent Eiweiß, im Sediment des zentrifugierten 
Harnes fanden sich in geringer Zahl Hyaline, einige Körnchen¬ 
zylinder. 

Die Diagnose lautete auf interstitielle Nephritis. Die Hündin 
erhielt zunächst zwecks Darmentleerung Colomel, sodann ab¬ 
wechselnd Tinct. Digitalis und Tinct. Strophanti. Um den Hinter¬ 
leib wurden Wickel mit heißen Tüchern gemacht. Zur Er¬ 
nährung wurde öfters Wein mit Eiern und Fleischextrakt oder 


715 


Hämatogen oder Hämalbumin gegeben. Wegen Sträubens gegen 
Eingüsse erhielt die Hündin später Nährklystiere aus Milch, 
Eiern, Rotwein. Täglicher Wasserbedarf 1260 ccm. Einmal 
traVErbrechen ein; zwei Tage später erfolgten heftige Blutungen 
aus den Geburtswegen, die sieben Tage anhielten. Das zur 
Hebung des Appetits gegebene Orexin blieb wirkungslos. All¬ 
mählich schwand die Apathie, der Eiweißgehalt des Harns, der 
täglich 0,5—1,0 betragen hatte, wurde geringer, desgleichen 
der Durst. Nachdem der Patient so 42 Tage lang fast nur mit 
Nährklystieren erhalten worden war, erholte er sich nun auf¬ 
fallend rasch und wurde munterer als je zuvor, ein Beweis für 
die Widerstandsfähigkeit der Hunde. 0. Albrecht. 

Wochenübersicht über die medizinische Literatur. 

Von Dr. Jess-Charlottenburg, 

Kreta tlerant 

Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten, Bd. XXXXIV, 
3. Heft, 1903. 

Beitrag zur Lebensdauer der Miizbrandsporen; von Dr. von 
Sz^kely. S. kommt auf Grund seiner Versuche zu folgenden 
Resultaten: 1. In einer Nährgelatine, welche mit Sporen des 
Milzbrandbazillus geimpft und bei Zimmertemperatur difasem 
Licht ausgesetzt unter Verhältnissen aufbewahrt worden war, 
welche ein verhältnismäßig rasches AuBtrocknen ermöglichen, 
fanden sich noch nach 18 l / 2 Jahren vermehrungsfähige und — 
wenigstens für weiße Mäuse — virulente Sporen des Milzbrand¬ 
bazillus. 2. Unter den vorerwähnten Umständen aufbewahrte 
Sporen des Bacillus oedematis maligni erwiesen sich ebenfalls 
nach 1872 Jahren noch vermehrungs- und infektionsfähig. 
3. Die Sporen der Bazillen des Milzbrandes und des malignen 
Ödems können sehr lange Zeit (1872 Jahre) gleichzeitig bei¬ 
sammen sein, so daß die einen die andern in Hinsicht auf ihre 
Infektionsfähigkeit wesentlich beeinflussen würden. 

Beiträge zur Ätiologie der Tuberkulose; von Mitulescu. 
Bezüglich der Einzelheiten wird auf das Original verwiesen. 

Zur Frage der Differenzierung einzelner Hefearten mittels der 
Aggiutinine; von Dr. Albert Schütze, Assistent in dem Institut 
für Infektionskrankheiten zu Berlin. Verfasser hat Kaninchen 
mit Emulsionen aus frischer, obergäriger, untergäriger, Getreide- 
und Kartoffelhefe behandelt und mit dem Serum derartig vor¬ 
behandelter Kaninchen Versuche zur Differenzierung der einzelnen 
Hefearten angestellt. Es zeigte sich jedoch, daß die Röhrchen 
mit Hefeemulsion sowohl bei Zusatz mit homologem als auch 
mit heterologem Kaninchenserum agglutiniert waren. Es gelang 
also nicht, mit Hilfe der Aggiutinine eine sichere Differenzierung 
der untersuchten obergärigen, untergärigen, Getreide- und Kar¬ 
toffelhefe zu treffen. 

Zur Frage der Erdbestattung vom Standpunkte der öffent¬ 
lichen Gesundheitspflege. Von Dr. Matthes, Assistent am 
8taat8-hygienischen Institut zu Hamburg. Selbst bei einer jähr¬ 
lichen Belegung der Friedhöfe mit 12 000 Leichen ist nach den 
Untersuchungen nicht anzunehmen, daß eine Verunreinigung der 
Grundwasserströme stattfindet. Die Filtrierwirkung und die 
Absorptionskräfte der umgebenden Erdschicht sind so stark, 
daß sie alle bei der Fäulnis entstehenden schädlichen Produkte 
vernichten. 

Zur Ätiologie der Tollwut. Die Diagnose der Tollwut auf 
Grund der neuen Befunde; von Dr. Negri. N. hat in der 
Socidta Medico Chirurgien in Pavia am 14. Juli 1903 mitgeteilt, 
daß er in dem Nervensystem wutkranker Tiere einen zu den 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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716 


Protozoen gehörigen Mikroorganismus festgestellt habe. In¬ 
zwischen sind diese Versuche von anderer Seite kritisch be¬ 
leuchtet und es ist vor allen Dingen nachgewiesen (vgl. Wochen¬ 
äbersicht vom 29. Oktober d. J.), daß auf Grund der Verauehe 
mittels Filtration der Erreger der Tollwut unmöglich ein Pro¬ 
tozoon sein kann; deshalb sei bezüglich der Einzelheiten dieser 
Arbeit auf das Original verwiesen. 

Deutsche medizinische Wochenschrift Nr. 40. 

Über die Vorgeschichte des Menschen; von Prof. Dr. Schwalbe- 
Straßburg. Vortrag, gehalten auf der Natnrforscherversammlung 
zu Kassel, 20. bis 26. September. (Siehe den Bericht über diese 
Versammlung). 

Über das Vorkommen und den Nachweis von intracellulären 
Toxinen; von Prof. Macfadyen. Vortrag gehalten auf der 
Natnrforscherversammlung 1903, 20. bis 26. September. Die 
intracellulären Bestandteile zu gewinnen, gehört zu den 
schwierigsten Unternehmungen, und dennoch ist gerade die 
Gewinnung von Zellglften etc. auch für die Immunisierung von 
hoher Bedeutung. Die intracellulären Stoffe, seien es Toxine 
oder seien es Enzyme, sind außerordentlich empfindlich gegen 
chemische Stoffe wie auch gegen Wärme usw. Deshalb hat 
Macfadyen unter Benutzung flüssiger Luft die Zellen im 
gefrorenen Zustande (190°) zertrümmert, und zwar hat er nicht 
nur Hefe und Schimmelpilze mittelst flüssiger Luft gefrieren 
lassen, sondern auch Bakterien und die gefrorenen zerbrech¬ 
lichen Bakterien zerkleinert. Auf diese Weise gewann er die 
frischen Zellsäfte von Typhus-, Diphtherie- und Tuberkelbazillen. 
Injiziert man Zellstoffe, welche auf diese Weise aus Typhus¬ 
bazillen gewonnen sind, so treten sogleich toxische Erscheinungen 
hervor. Es gelang also auf diese Weise, das in dem Typhus¬ 
bazillus festgehaltene Gift frei und unverändert zu gewinnen. 
Ebenso gelang es bei den Staphylokokken und den Strepto¬ 
kokken. Mit dem Typhuszellsaft hat M. Affen behandelt und 
gefunden, daß das Serum derartig vorbehandelter Tiere sowohl 
gegen die virulenten Bazillen als auch gegen das intracelluläre 
Toxin schützt. Das Serum hatte sowohl spezifisch antibakterielle 
als auch antitoxische Wirkung. 

Deutsche medizinische Wochenschrift Nr. 43. 

Über Akoin; vonDaconto. Akoin dient zur Anästhesierung 
bei kleineren Operationen. Veifasser wendet das Akoin in 
folgender Zusammensetzung an: 

Rp. Acoin. ... 1,0 

Natr. chlorat. 0,8 

Aq. dest. . . 100,0 

Das Akoin entfaltet als Anästheticum eine andauerndere 
und auch mehr in die Tiefe gehende Wirkung. Bei Riß- und 
Quetschwunden, welche genäht werden sollen, legt D. nnr mit 
Akoin getränkte Kompressen auf. 

Münchener medizinische Wochenschrift Nr. 42. 

Über Beziehungen zwischen dem Blutserum und den Körper¬ 
zellen; von Dr. Karl Landsteiner. Verfasser geht speziell 
auf die Frage der Autoagglutination ein, nachdem bereits 
Ascoli und Klein beobachtet hatten, daß das Serum vom 
Menschen in manchen Fällen die Fähigkeit hatte, nicht nur die 
Blutkörperchen anderer Menschen, sondern auch die eigenen 
Blutkörperchen zu agglutinieren. K. hatte diese Beobachtung 
bei Pferden gemacht. 

Eine modifizierte Bürette als Zentrifugenröhrchen; von Dr. 
Carl Klieneberger. Verfasser hat ein Zentrifugenröhrchen 


No. 46. 


konstruiert, welches an seinem spitzen Ende einen Glashahn 
trägt, welcher eine Bohrung aufweist. Es gelingt durch Öffnen 
und Schließen des Glashahns, die in dem spitzen Teil der 
Bürette angesammelten Harnzylinder etc. sehr leicht zur Unter¬ 
suchung zu entnehmen. 

Toxin und Antitoxin. Eine Replik auf Herrn Ehrliche Ent¬ 
gegnung; von Max Gruber. Es würde an dieser Stelle zu 
weit führen, die Entgegnung Grubers eingehend zu referieren. 
Diejenigen, welche sich für das Für und Wider der Seiten- 
ketten-Theorie interessieren, seien auf das Original verwiesen. 
Zentralblatt für Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrankheiten. 

Originale. XXXIV. Bd. Nr. 7. 

Über Differenzen der Blutbesohaffenheit in verschiedenen Lebens¬ 
altern; von Dr. Hans Sachs. Wird auf das Original verwiesen. 

Zur Theorie der natürlichen antibakterieilen Immunität; von 
Dr. Paul Theodor Müller. 

Die Nahrungsentziehung und vermutlich auch andere 
schädigende Eingriffe in den normalen Ablauf der tierischen 
Stoffwechselvorgänge vermögen die Produktion der Antikörper, 
welche sich an die Einverleibung bakterieller Substanzen an¬ 
schließt, deutlich zu beeinflussen. Die Richtung dieser Beein¬ 
flussung ist ceteris paribus, d. h. bei gleichbleibender Tierspezies 
und gleichbleibender Art des störenden Eingriffes abhängig von 
den Eigenschaften der einverleibten Stoffe und daher sowohl 
für die verschiedenen Bakterienspezies als auch — wie man 
wohl annehmen darf — für die verschiedenen Substanzen, die sich 
in den Kulturen einer und derselben Spezies vorfinden, verschieden. 

Zur Agglutination der Streptococcen; von Dr. Moser und 
Dr. Freiherrn von Pirquet. 

1. Streptococcen aus Scbarlachblut, welche längere Zeit auf 
künstlichen Nährböden gezüchtet sind, werden durch ein mit 
solchen Streptococcen hergestelltes Immunserum, sei es mono- 
oder polyvalent, in der überaus größten Mehrzahl der Fälle in 
spezifischer Weise agglutiniert. 2. Die mikroskopische Agglu¬ 
tinationsmethode ist bei Streptococcen ebenso typisch als die 
makroskopische. 

Dasselbe Nr. S. 

Das Verhältnis der Milchsäurebakterien zum Streptocoocus 
ianceolatus (Pneumoniecoccus, Enterococcus usw.). (Aus dem 
hygienischen Institut in Bonn). Von Prof. Kruse. Das Milch¬ 
säurebakterium Hueppes ist identisch mit dem Esch er ich sehen 
Bact. lactis aerogenes. Dasselbe nennt K. Bacillus aerogenes. 
Dieser Bacillus färbt sich nicht nach Gram und die Angaben, 
daß der B. acidi lactici von dem B. aerogenes dadurch zu unter¬ 
scheiden sei, ist hinfällig. Der gewöhnliche Erreger der Milch¬ 
säuregärung ist ein Mikroorganismus, welcher zu den nächsten 
Verwandten des Streptococcus Ianceolatus, d. h. des Pneumonie¬ 
coccus, gehört. Der Unterschied beider liegt darin, daß das 
Milchsäurebakterium auch bei niederer Temperatur wächst und 
weder für Menschen noch für Tiere pathogen ist. K. schlägt deshalb 
vor, das Milchsäurebakterium als Streptococcus lacteus zu bezeichnen. 

Upon the intracellulär constituents of the typhoid bacillus; 
von Dr. Macfadyen. M. gibt hier in ausführlicher Weise seinen 
Apparat an, vermittelst dessen es ihm gelang, unter Zuhilfe¬ 
nahme der flüssigen Luft bei außerordentlich niederer Temperatur 
(—190°) die Bakterienleiber zu zertrümmern und die in diesen 
zurückgehaltenen Toxine unverändert zu gewinnen (cf. Ref. D. 
m. W. 40. 1903). 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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12. November 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


717 


Tagesgeschichte. 

Gerüchte. 

Zwei Aussichten versetzen zurzeit die tierärztliche Welt 
in Spannung, das ist die Aussicht auf die Vollendung der 
Militärveterinärreform und auf die Kreistierarztreform in Preußen. 
Die Spannung äußert sich in Gerüchten der verschiedensten Art, 
optimistischen und vorwiegend pessimistischen. 

Hinsichtlich der Kreistierärzte wurde am Sonntag bei der Ver¬ 
sammlung des Brandenburger Vereins in Gesprächen wieder mit 
aller Bestimmtheit behauptet, die Vorlage sei verschoben. Dieses 
Gerücht kann so schädlich wirken, daß es geboten erscheint, 
ihm entgegenzutreten. Gewiß war angesichts der Finanzlage 
eine gewisse Bangigkeit vor der Entscheidung nicht unberech¬ 
tigt. Aber diese letztere ist jetzt erledigt, denn die Etats- 
beratnngen sind abgeschlossen. Nach bestem Wissen und 
Gewissen kann versichert werden, daß keinerlei Grund zu der 
Befürchtung besteht, daß die Entscheidung ungünstig ausgefallen 
sei. Es ist vielmehr als bestimmt anzunehmen, daß dem neuen 
Landtage sogleich eine die Kreistierärzte betreffende Vorlage 
zugehen wird. Auf was dieselbe sich erstrecken wird, geht ja 
ans dem vom Herrn Minister der preußischen Zentralvertretung 
erteilten Bescheide (B. T. W. Nr. 35, pg. 550) klar hervor.*) 

Ebenso sicher ist, daß die dem neuen Reichstag zugehende 
Heeresvorlage die notwendigen Forderungen für die Chargen 
des Militär veterinär-Offizierkorps enthalten wird. Da die 
Schaffung desselben im Etat ihren Ausdruck findet, so muß der 
OrganisationBplan vor der Feststellung der Etatsvorlage fertig 
sein. Es ist daher gar kein Zweifel, daß auch dessen Be¬ 
arbeitung im Kriegsministerium längst abgeschlossen und die 
Genehmigung an Allerhöchster Stelle schon eingeholt ist Zu 
einer Bekanntmachung der Organisation, bevor der Reichstag deren 
finanzielle Basis bewilligt hat, wird kaum ein Anlaß sein. 

Mithin sind auf dem zivilen und dem militärischen Gebiet 
die Würfel gefallen. Erörterungen irgendwelcher Art kommen 
jedenfalls post festum und sind daher ganz nnnütz. Alle 
Mitteilungen über Einzelheiten des Inhaltes der Vorlagen 
können nur auf unkontrollierbaren Gerüchten beruhen, deren 
Erörterung also ebenfalls vollkommen zwecklos ist. Die Prin¬ 
zipien sind festgelegt, von einem Aufschub ist keine Rede, in 
längstens drei Monaten wissen wir auch alle Einzelheiten. Da 
wollen wir doch, ich möchte sagen: soviel Männlichkeit be¬ 
wahren, um nun ruhig abzuwarten. Schmaltz. 

Immatrikulation und Frequenz in Berlin. 

Die Zahl der immatrikulierten Zivilstudierenden in Berlin 
belief sich zwei Tage vor Schluß der Immatrikulation auf 328. 
Neu immatrikuliert sind 24 von anderen Hochschulen gekommene 
Studierende (gegen 16 von Berlin nach anderen Hochschulen 
gegangene) und 8 das Studium erst beginnende Abiturienten. 
Dazu kommen 34 neu ein tretende Studierende der Militär-Veterinär- 
Akademie, sodaß das erste Semester rund 45 Stndenten zählt. 
Im Sommersemester war die Zahl der immatrikulierten Zivil¬ 
studierenden I. Semesters doppelt so groß. Da die Mehrzahl der 
Abiturienten Ostern das Gymnasium zu verlassen pflegt, dürfte 
künftig überhaupt deren Zugang zur Hochschule im Sommer¬ 
semester größer sein als im Winter. 

*) Auch die deutsche tierärztliche Wochenschrift teilt in ihrer 
letzten Nummer mit, dafi die Einbringung der Vorlage gesichert sei. 


Beförderung der städtischen Tierärzte in Münehen. 

Magistrat und Gemeindekollegium von München haben mit 
Rücksicht auf die stets wachsende Geschäftslast der städtischen 
Tierärzte und auf die Erhöhung der tierärztlichen Vor¬ 
bildung beschlossen, die städtischen Tierärzte nach ent¬ 
sprechender Dienstdauer unter die höheren Beamten einzureihen. 
Die drei dienstältesten Tierärzte werden Beamte erster Klasse. 

Bayerisches Militär-Veterinärwesen. 

Im Finanzausschuß der bayerischen Kammer ei suchte der 
Referent des Militäretats um eine Auskunft über die Stellung des 
Kriegsministers zu dem von Veterinär Val. Göbel in der B. T. W. 
dargelegten Wunsche der Militär-Veterinäre und zu der in Preußen 
zu erwartenden Schaffung eines Militär-Veterinär-Offizierkorps. 

Kriegminister ^Frh. v. Asch erwiderte, daß die bayerischen 
Militär-Veterinäre ohnehin schon eine bessere Stellung hätten 
als die preußischen. Bevor in Bayern weitere Schritte unter¬ 
nommen werden, sei die Reorganisation in Preußen abzuwarten. 

Englisches Milltärveterinärwesen. 

Das königlich englische Veterinärkollegium hat offiziell die 
Abiturienten gewarnt als Veterinäre in die Armee einzutreten, 
es sei denn, daß das Militärveterinärwesen eine Neuorganisation 
erfahre. Die sämtlichen tierärztlichen Vereine Englands haben 
sich dieser Warnung angeschlossen, gleichzeitig das Kriegs¬ 
ministerium davon in Kenntnis gesetzt und unter Hinweis auf 
den seit Jahren fühlbaren Nachlaß des Zugangs zn dieser 
Karriere um eine Reorganisation der Militärveterinärverhältnisse 
petitioniert. Darauf hat das Kriegsministerium, wie Ministerial- 
sekretär Brodrick auf Interpellation eines Abgeordneten hin 
im Unterhause mitteilt, geantwortet, es habe jene Forderungen, 
namentlich die einer Rangsregulierung undurchführbar befunden. 
(Nach d. böhm. Nachr. f. Tiermed. 1903, Nr. 19.) 

Aus Österreich. 

Wie in Nr. 44, pg. 678 der B. T. W. mitgeteilt ist, steht in 
Österreich eine Reorganisation des Militärveterinärwesens bevor, 
die vor allem die Beseitigung des Kurschmiedetums bringen soll. 

Der Rektor der tierärztlichen Hochschule zu Wien hat den 
Zivilstudierenden (wie im österreichischen tierärztlichen Zentral¬ 
blatte mitgeteilt ist) amtlich Mitteilung gemacht. Danach wird 
nach dem Muster der Wiener Militärakademie ein Internat für 
Militärstudierende errichtet werden und letztere rekrutieren sich 
künftig, wie die Zivilstudierenden, aus Abiturienten. Bei den 
Regimentern werden Stabstierarztstellen errichtet. 

So groß der Fortschritt sein wird, wenn das österreichische 
Veterinärwesen sich endlich von seinem veralteten Kurschmiede- 
system losreißt, so schwere Arbeit wird es noch haben, ehe die 
namentlich auch in der Landbevölkerung tiefeingefressenen Wir¬ 
kungen jenes Systems einigermaßen zurückgedrängt sein werden. 

Das zeigt eine Verhandlung des niederösterreichischen Land¬ 
tages vom 21. Oktober, welche das tierärztliche Zentralblatt 
(Nr. 31) mitteilt. Beim Lesen der Reden, die ebenso glühend 
die Kurschmiede und Pfuscher preisen, als sie giftig gegen die 
Tierärzte sind, kann man sich eines leisen Fröstelns nicht er¬ 
wehren bei dem Gedanken, welche Bitternisse ein Tierarzt 
beim Arbeiten unter solchem Volke zu überwinden haben mag. 
Andererseits kann man wieder nicht umhin sich zu ergötzen 
an der echt österreichischen Harmlosigkeit, mit der die ein¬ 
zelnen Fälle verhandelt werden. Ein Abgeordneter beklagt sich 
z. B., daß der Tierarzt in einem anständigen Rock und mit 


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718 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 46. 


Handschuhen angetan ins Hans gekommen sei; da müsse der Bauer 
sich doch sofort sagen, der kann nnmöglich eine Operation 
machen (!) etc. etc. Das sachliche Beweismittel fdr die Not¬ 
wendigkeit „ÜDstndierter“ ist der angebliche Mangel an Tier¬ 
ärzten. Was es aber damit auf sich hat, das wird ausgezeichnet 
illustriert durch einen Abgeordneten, der es unerhört findet, daß 
in einzelnen Bezirken anf 2000 Pferde und 5000 Rinder nur 
ein Tierarzt komme, während dahin 4—5 Kurschmiede gehörten. 
Der Herr möchte also einen Tierarzt für 1500 Köpfe — 
ein Patientenkreis, der selbst für den großstädtischen Arzt recht 
klein sein würde und der einem Tierarzte wahrscheinlich 
noch lange nicht 300 Gulden jährlich bringen würde. Der Tier¬ 
arzt wird wohl sogar unter den 7000 Stück Großvieh knapp 
soviel Gelegenheit zur Tätigkeit finden, daß er bescheiden da¬ 
von leben kann. Die österreichischen Landwirte, in deren 
Namen solche Reden gehalten werden, stecken selber noch zu 
sehr im Kurschmiedetum; nicht der Mangel an Tierärzten, 
sondern die Vorliebe für das Nichtstudieren läßt sie sich für 
das Pfuschen begeistern. Deshalb wurde denn auch die vor¬ 
geschlagene Resolution angenommen, welche lautet: 

Der hohe LandesausBchuß wird aufgefordert, der Tierärzte¬ 
frage, resp. der Heranbildung von Praktikern in niederen 
Kursen (!) der Knrschmiede seine volle Aufmerksamkeit zuzu¬ 
wenden und in kürzester Zeit mit geeigneten Vorschlägen an 
den hohen Landtag heranzutreten. S. 

Viehversicherung. 

Der hessische Landwirtschaftsrat, der zur Begutachtung 
über den ihm von der großherzoglichen Staatsregierung vor¬ 
gelegten Gesetzentwurf bezüglich der Errichtung einer staat¬ 
lichen Schlachtvieh Versicherung aufgefordert worden war, 
hat sich grundsätzlich fdr die Einführung einer allgemeinen 
obligatorischen Viehversicherung als die einfachere nnd weniger 
kostspielige Maßnahme ausgesprochen. Für den Fall aber, daß 
die Regierung an der Vorlage eines Schlachtvieh Versicherungs- 
Gesetzentwurfs festhalten wolle, beantragt der Landwirtschafts¬ 
rat wesentliche Abänderungsvorschläge, so namentlich die Fest¬ 
setzung gleicher fester Beitragsleistungen fdr alle Versicherten, 
die Übernahme eines Teiles der Entschädignngskosten durch 
den Staat, die Ausschließung der Hausschlachtungen aus dem 
Versieherungsgesetze. Die Hansschlachtungen Bollen ausge¬ 
schlossen werden, weil der Landwirtschaftsrat furchtet, daß, 
wenn dies nicht geschehe, die Ausdehnung des Beschauzwanges 
auf die Hansschlachtungen die Folge sein könnte. 

Nach Zeitungsmeldungen hat die kürzlich in Berlin zu- 
Bammengetretene Konferenz von Vertretern der Bundesstaaten 
zur Beratung über ein Reichsviehversicherungsgesetz kein 
positives Ergebnis gehabt, insofern als keine Basis gefanden 
wurde, anf welcher eine Vereinigung der von einander stark 
abweichenden Ansichten und Interessen tnnlich erschien. 

Erlass des bayerischen Staatsministeriums gegen den Handel mit 
Viehpulvern. 

Das bayerische Staatsministerinm hat nach Mitteilung der 
Wochenschr. f. T. u. V. folgendes verfügt: Nach Mitteilung des 
bayerischen Landwirtschaftsrates werden durch den Handel mit 
sogenannten Vieh-, Frost-, Milch- und Mastpulvern viele, ins¬ 
besondere kleinere Landwirte stark geschädigt, insofern der 
Wert dieser Futterzusätze nach dem Gutachten der kgl. land¬ 
wirtschaftlichen ZentralversuchBstation in gar keinem Verhältnis 


zu den meist hohen Preisen steht. Insofern diese Mittel Ge¬ 
menge von Salzen oder zerkleinerten Snbst&nzen sind, dürfen 
sie (Ziffer 4, Verzeichnis A der Kaiserlichen Verordnung vom 
22. Oktober 1901 und § 1 dieser Verordnung) nur in Apotheken 
feilgehalten werden. (Urteil des Oberlandesgerichts München 
vom 15. Oktober 1892.) Außerdem sind nach der Reichsgewerbe¬ 
ordnung (§ 56) Arznei- nnd Geheimmittel, auch Futtermittel, 
vom Feilbieten im Umherziehen ansgeschlossen. Die Polizei¬ 
behörden werden angewiesen, jedem danach ungesetzlichen 
Vertrieb mit Entschiedenheit entgegenzutreten und eventuell 
strafgerichtliches Einschreiten zu bewirken. Der bayerische 
Landwirtschaftsrat beabsichtigt, an die Gemeindebehörden auf¬ 
klärende Druckschriften zn versenden. 

Die Einrangierung der Kurpfuscher unter die Medizinalpersonen. 

Fehlwirkung der Maßregel. 

Die in vielen Regierungsbezirken getroffene Bestimmung, 
wonach Pfuscher sich beim Kreisarzt (Tierpfuscher beim Kreis¬ 
tierarzt) melden müssen, ist von vornherein einer sehr ver¬ 
schiedenen Beurteilung begegnet. Statt die Pfuscherei zu 
bekämpfen und an den Pranger zu stellen, gewähre diese Be¬ 
stimmung den Pfuschern eine Art von amtlicher Anerkennung; 
mindestens könne sie mißverständlich so gedeutet werden. 

Daß diese Befürchtung vollständig zutreffend war, und zwar 
nicht bloß hinsichtlich mißverständlicher Deutung, sondern tat¬ 
sächlicher, amtlicher Ausführung, das erhellt ans einer Mitteilung 
der Berl. Klin. Woch., wonach in einem (nicht genannten) 
Regierungsbezirk die Pfuscher offiziell als „Krankenheiler“ 
bezeichnet nnd unter die Medizinalpersonen hinter den Zahn¬ 
ärzten vor den Apothekern listenmäßig einrangiert sind. 

Das Blatt macht dazu folgende treffende satyrische Glossen: 

In der Bekämpfung der Kurpfuscher ist ein erfreulicher Fortschritt 
zu verzeichnen; mindestens in einem preußischen Regierungsbezirk sind 
sie überhaupt verschwunden! Es gibt dort keine Kurpfuscher mehr 
— vielmehr heißen sie jetzt offiziell „Krankenheiler“, als solche werden 
sie registriert, haben über ihre Tätigkeit genau Buch zu führen und 
sind als Medizinalpersonen anzusehen —, in der Liste der letzteren 
rangieren sie hinter Ärzten und Zahnärzten, vor Apothekern! In dieser 
Rangordnung finden wir eine Ungerechtigkeit; denn einen höheren 
Titel als „Krankenheiler“ kann doch eine Medizinalperson gar nicht 
beanspruchen — es ist dies die vornehmste Anerkennung, die einem 
Heilbeflissenen amtlich ausgesprochen werden kann. Es ist schade, 
daß dieser Titel nun vergeben ist — er hätte sonst sehr hübsch das 
halbe Fremdwort „Sanitätsrat“ ersetzen können; vielleicht zieht man 
in einem anderen Regierungsbezirk die weitere Konsequenz und beglückt 
nun, wenn die Pfuscher die Krankenheiler sind, die Ärzte mit der Be¬ 
zeichnung „Krankmacher“. 

Rechtsgültigkeit der betreffenden Verordnungen. 

In einer Strafsache unterlag eine derartige Verordnung der 
Prüfang der Gerichte. Das Landgericht hatte den betreffenden 
Kontravenienten zu einer Geldstrafe verurteilt. Die hiergegen 
eingelegte Revision wies das Kammergericht durch Entscheidung 
vom 28. Mai 1903 zurück. Die Verordnung stehe mit dem 
Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes nicht im 
Widerspruch, letzteres wolle den Gewerbetreibenden vor un¬ 
lauteren Machenschaften anderer Gewerbetreibenden schützen; 
die Polizei-Verordnung wolle nicht den Gewerbetreibenden, 
sondern das Publikum überhaupt schützen, damit es an seiner 
Gesundheit nicht geschädigt werde. Letztere finde daher in 
§ 6 des Polizeiverwaltungsgesetzes vom 11. März 1850 die 
rechtliche Grundlage. 

Verein Pfälzer Tierärzte. 

Die 61. Jahresversammlung des Vereins wurde am 31. Oktober 
d. J. im Hotel „Zum Löwen“ in Neustadt a. H. abgehalten. Anwesend 
waren 31 Mitglieder, und zwar: D’Alleux-Homburg, Avril-Speyer, 


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12 . November 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


719 


Bitsch-Landau, Braß-Schönenberg, Engel Kaiserslautern, Feil- 
Landan, Fenzel-Oberhauaen, Frank-Kusel, Hauck-DUrkheim, 
Hengen-Kaiserslautern, Heuberger-Kirchheimbolanden, Hirsch- 
Herxheim, Löffler-St. Jngbert, Louis - Neustadt, Mahler-Offen¬ 
bach, Marggraff-Speyer, Markart-Bergzabern, Mattern-Mutter- 
stadt, May er-Landstuhl, MQller-Rockenhausen, Öhl-Dürkheim, 
Rohr - Speyer, Sauer - Edenkoben, Schröder - Frankenthal, 
Semmler-Zweibrttcken, Thomas-Ludwigshafen, F. Weigand- 
Zweibrücken, L. Weigand und 0. Weigand - Kaiserslautern, 
W. Weigand-Weingarten, Witzigmann - Haßloch; als Gäste: 
Steiger-Neustadt und Scheidt- Hermersberg. Ihr Ausbleiben 
haben entschuldigt: Bau werker - Zweibrücken, Feist - Straßburg, 
Eckart-Landau, Eckhardt-Annweiler, Kritzer-Blieskastel und 
Spörer-Wolfstein. 

Gegen 10 Uhr eröffnete Vorstand Thomas die Versammlung 
mit einer herzlichen Begrüßungsansprache und teilte mit, daß von 
der Regierung der Pfalz der k. Kreistierarzt als Kommissär ab¬ 
geordnet sei. Vor Eintritt in die Tagesordnung widmete der Vor¬ 
stand dem am 4. September 1. J. verstorbenen Ehrenmitgliede des 
Vereins, Oberregierungsrat Ritter von Göring, einen warmen 
Nachruf und forderte zum Schlüsse seiner Ausführungen die An¬ 
wesenden auf, dem Verstorbenen zu Ehren durch Erheben von den 
Sitzen ein stilles Gedenken zu weihen. 

Nach dem Referat Uber die Vereinstätigkeit im abgelaufenen 
Jahre wurde über den Vereinsbestand berichtet, daß ein Mitglied, 
Weiler-Alsenz, durch Wegzug nach Baden ausgetreten und 
Otto Weigand-Kaiserslautern eingetreten ist, so daß der Verein 
wie im Vorjahre 49 Mitglieder zählt. Neu eingetreten sind heute: 
Steinbrenn er-Lauterecken und Scheidt-Hermersberg, wodurch 
sich der Bestand auf 51 Mitglieder erhöht, der höchste Bestand, der 
seit Gründung des Vereins (1842) erreicht worden ist. 

Auf Vorschlag der Vorstandschaft wurden die bisherigen Mit¬ 
glieder Hauck-Dürkheim und Louis-Neustadt anläßlich des von 
ihnen zu rück gelegten 70. Lebensjahres in Anerkennung der dem 
Verein allzeit bewiesenen Treue und der Direktor des k. Land- 
und Stammgestütes Zweibrücken, Karl Bauwerker, anläßlich seines 
40jährigen Jubiläums als Tierarzt in Anerkennung der großen 
Verdienste, die sich derselbe um die Veterinärwissenschaft sowohl, 
als auch um den tierärztlichen Stand und den Verein erworben hat, 
einstimmig zu Ehrenmitgliedern ernannt. 

Hierauf wurde zur Vornahme der statutenmäßigen Wahlen 
geschritten. Da die langjährigen Vorstandsmitglieder Thomas und 
Engel eine Wiederwahl entschieden ablehnten, ein Beschluß, der 
allseitig bedauert wurde, gingen aus der Wahl zum Vorstand der bis¬ 
herige Schriftführer Heuberger, zum Schriftführer Müller und zum 
Kassierer Ro hr hervor. Hierauf übernahm der nengewählte Vorstand 
den Vorsitz, widmete den beiden bisherigen Vorstandsmitgliedern 
warme Worte der Anerkennung für die dem Verein geleisteten 
erfolgreichen Dienste und ersuchte die Anwesenden, ihren Dank 
durch Erheben von den Sitzen zum Ausdruck zu bringen. Hierauf 
sprach Herr Kreistierarzt Marggraff als Regierungskommissär den 
beiden Herren im Namen der Regierung für ihr ersprießliches Wirken 
als Vorstandsmitglieder in längerer Ausführung Dank und An¬ 
erkennung aus. 

In den ständigen Ausschuß wurden außer den drei Vorstands¬ 
mitgliedern gewählt: Thomas und Engel, und als Ersatzleute: 
Hengen und Feil. 

In den Obermedizinalausschuß wurden Marggraff und als 
dessen Stellvertreter Thomas gewählt. 

Nach Bekanntgabe der Vereinsrechnung, die als richtig befunden 
wurde, erstattete Kreistierarzt Marggraff ein ausführliches Referat 
über die Novelle zum Reichsviehseuchengesetz, an welches sich 
eine lebhafte Debatte, insbesondere über das Verfahren bei Milz¬ 
brandfällen knüpfte. 

Der nächste Punkt der Tagesordnung: „Erfahrungen Uber die 
Ausführung des Reichsfleischbeschaugesetzes“, rief einen lebhaften 
Meinungsaustausch hervor, wobei besonders die Behandlung finniger 
und tuberkulöser Tiere, des Blutes geschächteter Tiere und die 
Gebflhrenfrage in den Kreis der Betrachtungen gezogen wurden; 
insbesondere war es das ausführliche Referat von Feil über die 


Ursache und den Verlauf des bekannten Landauer Metzgerstreikes, 
das allgemeines Interesse hervorrief, wobei die Anwesenden mit 
den Ausführungen Feils völlig einverstanden waren. 

Hervorgehoben wurde, daß besonders die fleischbeschauliche 
Behandlung finniger Tiere den Anstoß zu diesem eigenartigen 
Streik gegeben hatte, und weiter wurde anerkannt, daß die Vor¬ 
schriften hinsichtlich der Zerlegung einfinniger Tiere in 2 1 /, kg 
schwere Stücke außerordentlich einschneidend und zu streng sind, 
besonders im Hinblick auf die süddeutschen Verhältnisse, da ja hier¬ 
zulande das Rohessen des Fleisches nicht üblich ist. Aber nach¬ 
dem einmal diese Maßnahmen gesetzlich festgelegt sind, bat der 
Tierarzt keine Veranlassung, von denselben abznweichen und seine 
eigne Haut auf den Markt zu tragen; denn nur durch das strikte 
Befolgen der bestehenden Vorschriften könne sich der tierärztliche 
Beschauer jederzeit gegen ungerechte Vorwürfe schützen. 

Leider konnte infolge der vorgerückten Zeit die Debatte über 
die Erfahrungen in der Fleischbeschau nicht weiter ausgedehnt 
werden. Desgleichen mußte auch auf die weiteren Punkte der 
Tagesordnung verzichtet werden. 

Gegen 2 Uhr schloß der Vorsitzende mit Worten des Dankes 
für sämtliche Vorträge die Versammlung. 

Bei dem sich darauf anschließenden Mittagessen, an welchem 
sich sämtliche Anwesende beteiligten, toastete der neue Vorstand 
Heuberger auf die heute ernannten Ehrenmitglieder Bauwerker, 
Hauck und Louis. Bauwerker, der am Erscheinen leider dienstlich 
verhindert war, wurden telegraphisch die herzlichsten Grüße der 
Versammlung übermittelt. Den Ehrenmitgliedern wurde eine Ehren¬ 
gabe, bestehend in einer künstlerisch angetertigten Mappe, über¬ 
reicht. In seinem und der andern Jubilare Namen sprach Kollege 
Louis den herzlichsten Dank aus. 

Eine stattgefundene photographische Aufnahme wird allen 
Teilnehmern die Freude ermöglichen, recht oft dieser würdig ver¬ 
laufenen Versammlung sich zu erinnern, welche, von herzlichster 
Kollegialität getragen, in einem fröhlichen Abschiedstrunk in der 
altdeutschen Weinstube ihren nur zu frühen Abschluß fand. 

Nur ungern trennten sich die Kollegen mit dem aufrichtigsten 
Wunsche: „Auf frohes Wiedersehen im nächsten Jahre.“ 

Erklärung. 

In Nr. 38 der B. T. W. hat Herr Bezirkstierarzt Frank 
eine Erklärung bezüglich des fixierbaren Thermometers, 
Hanptner-Katalog 1903, Seite 5, veröffentlicht, aus der ent¬ 
nommen werden kann, daß Herr Professor Dr. Malkmus dem 
HerrnBezirkstierarzt Frank ein geistiges Eigentum geraubt hätte. 

Ich erkläre hierdurch, daß die Benennung des Thermometers im 
Hauptner-Katalog „Thermometer nach Malkmus“ ohne Wissen 
des Herrn Professor Malkmus erfolgt und das Nichterwähnen 
des Namens des Herrn Frank ein Versehen meinerseits ist, das 
ich lebhaft bedaure. — In der Folge wird das erwähnte Thermo¬ 
meter die Bezeichnung „Fixierbares Thermometer nach Frank, 
modifiziert nach Malkmus“ tragen. — 

Was den praktischen Wert des nach den Angaben des 
Herrn Professor Dr. Malkmus gefertigten Thermometers betrifft, 
so muß ich es Herrn Professor Dr. Malkmus überlassen, hier¬ 
über zu berichten; der Preis des von dem Frankschen Thermo¬ 
meter wesentlich abweichenden neuen Instrumentes ist durch die 
Mehrarbeit gerechtfertigt. Hauptner. 


Bücheranzeigen und Kritiken. 

Prfiparterflbungen am Pfbrde. Eine ausführliche Anweisung zur 
Anfertigung sämtlicher für das Studium der Anatomie des Pferdes 
erforderlicher Präparate nebst anatomischen Repetitionen. Von 
Dr. med. vet. R. Schmaltz. 

III. Teil. Situs viscerum und Sektlonstechnlk; Eingeweidepräparate. 

Mit 6 Tafeln und 25 Abbildungen im Texte. Berlin 1903. Rieh. 
Schoetz. Preis 10 M. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 46. 


In dem vorliegenden dritten Teil der PräparierQbnngen kommt 
ein durchaus originelles Werk znm Abschluß, welches in seiner 
Eigenart erfaßt und gebraucht werden muß. Es verfolgt den Zweck, 
dem Studenten ein ausführlicher Ratgeber beim selbständigen 
Arbeiten an der Leiche zu sein, und es darf wohl gesagt werden, 
daß dieser Zweck erreicht ist. 

Unter Voraussetzung der Kenntnis der systematischen Anatomie, 
welche die natürliche Grundlage der topographischen Anatomie und 
der PräparierUbungen bilden muß, hebt S chm alt z als Einleitung 
der einzelnen Abschnitte nochmals da.. Wichtigste über Bau, Lage 
und Verbindung der zu präparierenden Teile und Gegenden hervor, 
so daß das Werk nach dieser Richtung als topographisch-anatomisches 
Lehrbuch gelten kann. Anschließend an diese Einleitungen wird die 
Technik der Exenteration und Präparation erörtert. Sowohl die wissen¬ 
schaftlichen Darstellungen, als auch die technischen Angaben atmen 
Frische und Originalität. Dabei sind sie genau und anschaulich, 
durchaus geeignet, das An ge des Studierenden stets wieder auf 
das Präparat zu lenken und seine Aufmerksamkeit wach zu erhalten. 
Oberflächliches Auswendiglernen ist bei dieser Art des Studiums 
nicht möglich. Für den Fachmann wird das Durchlesen des Werkes 
durch eine Reihe eingestreuter neuer Beobachtungen anziehend. 

Eine Anzahl teils schematischer, teils nach der Natur ge¬ 
zeichneter, guter Abbildungen unterstützen die Schilderung nament¬ 
lich dort, wo die textliche Beschreibung schwierig wird, sehr 
vorteilhaft. Bei fleißigem und eingehendem Gebrauche des Werkes 
auf dem Präpariersaale wird der Studierende daher den größten 
Nutzen aus demselben ziehen. 

Vom wissenschaftlichen Standpunkte aus darf das Buch als 
ein schöner Baustein an dem mit Riesenschritten wachsenden 
Gebäude der Veterinäranatomie bezeichnet werden. Martin. 

Anleitung zur Beurteilung der Rinder. Gemeinfaßliche Belehrung 
für Studierende der Landwirtschaft und der Veterinärmedizin, für 
Landwirte und Rindviehbesitzer. Von Dr. C. Nörner. Stuttgart 
1904. Verlagsbuchhandlung Eugen Ulm er. Preis 5 M. 

Es handelt sich um eine Anleitung zur Beurteilung der Rinder 
für Anfänger. 

Dies mag wohl auch der Grund gewesen sein, daß der Ver¬ 
fasser die zur bezeichneten Beurteilung als nötig erachteten Vor¬ 
kenntnisse sehr ausführlich behandelt, die Gewebe des Körpers 
eingehend bespricht und hierauf, sowie auf Skelett, Muskeln, Haut 
und Lebensvorgänge fast die Hälfte des Buches verwendet Die 
eigentliche Beurteilung bewegt sich in den bekannten Richtungen, 
ist gemeinverständlich und gut abgebandelt. Vogel. 

Neue Eingänge. (Besprechung Vorbehalten.) 

Röder, Dr. Oskar, Professor der Chirurgie an der tierärztlichen 
Hochschule zu Dresden: Chirurgische Operationstechnik für Tier¬ 
ärzte und Studierende. 154 Seiten Kleinoktav mit 67 Abbildungen. 
Berlin 1903 bei Paul Parey. Preis 5 M. 

Ellenberger, Schütz und Sticker. Jahresbericht Uber die Leistungen 
auf dem Gebiete der Veterinärmedizin. Neunundzwanzigster Jahr¬ 
gang, für das Jahr 1902. Berlin 1903 bei August HirBchwald. 

Kaiserliches Gesundheitsamt: Jahresbericht Uber die Verbreitung 
von Tierseuohen im Deutschen Reiche. Siebzehnter Jahrgang, für 
das Jahr 1902. Berlin 1903, bei Julius Springer. Preis 10 M. 

Gerstenberger: Österreichischer Kalender für Tierärzte für 1904. 
Wien 1903. Hofverlagsbuchhandlung von Carl Fromme. 

Ostertag: Die sanitätspolizeiliche Regelung des Milchverkehrs. 
Sonderabdruck aus der Zeitschrift für Fleisch- und Milcbhygiene. 
Verlag von Richard Schoetz. Preis 20 Pf. 

Wassermann und Ostertag: Bisherige Ergebnisse der Bekämpfung 
der Schweineseuche mit Hilfe des polyvalenten Serums. Sonder¬ 
abdruck aus den Monatsheften für praktische Tierheilkunde. 

Joest, Dr. E., Tierarzt und Vorsteher des bakteriologischen 
Instituts für Tierseuchen in Kiel. Separatabdruck aus dem Hand¬ 
buch der pathogenen Mikroorganismen, von Rolle und Wassermann. 
15. und 16. Lieferung. Verlag von Gustav Fischer in Jena. 

Sieber, Prosektor an der Tierärztlichen Hochschule in Dresden: 
Eine Modifikation der Teichmannschen Injektionsspritze. Abdruck 
aus dem Anatomischen Anzeiger Bd. 24, Nr. 1. Verlag von 
Gustav Fischer in Jena. 


Albrecht, Oskar: Zur ältesten Geschichte des Hundes. Studien 
zur Geschichte seiner Zähmung, Verbreitung und Rassengliederung. 
München 1903, bei Ernst Reinhardt. Preis 1,50 M. 

Meyer, Wilhelm, Militärveterinär: Beitrag zur motorischen 
Trigeminus-Paralyse. Aus dem Institut für ambulatorische Klinik der 
tierärztlichen Hochschule zu München. Inaug.-Dissertation (Zürich). 
Mit 7 Abbildungen, Stuttgart 1903, Union, Deutsche Verlagsgesellschaft. 

Musterle, Friedrich, Tierarzt aus Burgan: Zur Anatomie der 
umwallten Zungenpapillen der Katze und des Hundes. 

Riederer, Theodor, Tierarzt aus Altstätten: Über den Bau der 
Papilla mammae des Rindes. 

Beide Arbeiten ans dem veterinär-anatomischen Institute tfer 
Universität Bern. Inaugural-Dissertationen (Bern). Berlin 1903. 
Gedruckt bei L. Schumacher. 

Gadola, Dott Arnaldo: La pressione osmotico del sangue nei 
solipedi nei cani in condizioni pathologische, rioerche sperimentali. 
Caserta 1903. 

Pace und Gadola: Ulteriori ricerche tulia pressione osmotica del 
sangue in condizioni fiscologische. Napoli 1903. 

Angermann, Direktor der Fleischbeschau: Bericht über die Schlacht¬ 
vieh- und Fleischbeschau in Dresden. Sonderabdruck aus dem 
Verwaltungsbericht des Rates für das Jahr 1902. 


Personalien. 

Auszeichnungen, Ernennungen: Zum außerordentlichen Mitglied der 
kgl. preußischen technischen Deputation für das Veterinärwesen 
wurde ernannt Rittergutsbesitzer Nentse auf Großenenglis bei 
Borken (Hessen-Nassau). — Der pragmat. Bezirkstierarzt extra 
statum und kgl. bayer. Zuchtinspektor Anton Rötxer in Miesbach 
wurde zum Bezirkstierarzt für den Verwaltungsbezirk Miesbach in 
Oberbayern ernannt; Distriktstierarzt Gustav Schmidt in Gemünden 
zum Bezirkstierarzt in Pegnitz in Oberfranken; zu Bezirkstierärzten 
extra statum, unter Belassung in ihrer dermaligen Verwendung, die 
Zuchtinspektoren F. X. Öttle in Immenstadt, Chr. Eckart in Landau 
in der Pfalz und G. Stautner in Weiden in der Oberpfalz. — Ober¬ 
roßarzt a. D. L. Conxe definitiv zum Kreistierarzt für den Stadt- 
und Landkreis Mühlhausen in Thüringen. — Schlachthofinspektor 
Clausen in Haspe zum Schlachthofdirektor in Hagen i. W. Tier¬ 
arzt Denner in Tübingen zum Assistenztierarzt, Hilfstierarzt Ostertag 
in Karlsruhe zum Hilfstierarzt beim städt Fleischbeschauarat in 
Stuttgart. Assistenztierarzt Ganzenmüller in Stuttgart zum Schlacht¬ 
hoftierarzt in Frankfurt a. M. 

Wohnsitzveränderungen, Niederlassung«: Tierarzt Otto von Mirow 
nach Neubrandenburg; Hilfstierarzt Allmann von Stuttgart als Ein¬ 
jährig-Freiwilliger nach Berlin. — Tierarzt Werner hat eich in 
Vorsfelde niedergelassen. 

In der Armee: Befördert wurden zu Unterveterinären die 
Studierenden der Militärveterinärakademie Brennecke im Hus. Regt. 
Nr. 7; Gronow im Kür.-Regt Nr. 7; Haase im Ulan.-Regt. Nr. 7; 
Klein im Feld - Art - Regt. Nr. 73; Kobe im Hus.-Regt. Nr. 15; 
Pamperin im Ulan.-Regt Nr. 4; Warmbrunn im Hus.-Regt Nr. 14. 
— Versetzt: Oberveterinär Glaesmer von der ostasiat. Besatzungs¬ 
brigade zum Garde - Kür. - Regt. — Der Abschied bewilligt* dem 
Oberveterinär Oppel vom Bez.-Kommando in Erfurt 

Im Beurlaubtenstand: Zu Stabsveterinären befördert: ,die 
Oberveterinäre Professor Dr. MaUemus in Hannover; Feldbaus in 
Hannover; Uhl in Könitz. Zum Oberveterinär der Unterveterinär 
Förster in Braun schweig. 

Vakanzen. 

(S. Nr. 45). 

Neu hinzugekommen: Graudenz: Schlachthof - Assistent. Be- 
werbg. a. d. Mag. — Koburg: II. Schlachthoftierarzt Meldg. bis 
1. Dez. unt. Ang. der Gehaltsanspr. a. d. Mag. — Parchwitz 
(R. - B. Liegnitz): Tierarzt als Fleischbeschauer. 150 M. monatlich. 
Privatpraxis. Meldg. bis 15. Dez. a. d. Polizeiverwaltung. — Ratze- 
buhr (Kreis Neustettin): Niederlassung erwünscht. Für Fleisch 
und Trichinenschau 900 M. mit Zuschuß fürs erste Jahr in Summa 
1500 M. Auskunft beim Magistrat 

Besetzt: Schlachthofdirektorstelle zu Hagen i. W. 

— Druck Ton W. Bflxenitein, Berlin. 


Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmaltz In Berlin. — Verlag und Eigentum von Richard Schoetz In Berlin. 


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Dl« .Berliner Tlerimllobe Wochenschrift* erscheint 
wöchentlich Im Verlag« ton Richard Behoeta in 
Berlin, Laleenatr. 36. Durch jedea deutsche Postamt wird 
dieselbe mm Preise eon M. 5,— rlerteljÄhrllch (M. 4,88 fQr 
die Wochenschrift, IS Pf. für Bestellgeld) frei Ins Haus 
(«liefert. (Deutsche Post-Zeitung»-Preisliste No. 110S, 
Oesterrelchlsche No. 610, Ungarische No. 90.) 


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Originalbeltrlge werden mit 60 Hk., in Petltsata mit 
60 Hk. für den Bogen honoriert Alle Manuskripte, 
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man 
au senden an Prot Dr. Schmält«, Berlin, tierSrat- 
liohe Hochschule, Nff, Lulsenstrasse 66. Korrekturen, 
Rea e nsl ons-Kxemplare und Annoncen dagegen an dl« 
Verlagsbuchhandlung, 


Tierärztliche Wochenschrift 


Kedaktion: 

Professor Dr. Schmaltz-Berlin 

Verantwortlicher Redakteur. 


Oe Britin 

Dr. Jess 

Kiihnan 

Dr. Lothes 

Nevermann 

Prof. Dr. Peter 

Peters 

Professor 

Kreistierarzt 

Sehlachthofdirektor 

Departements tlerarmt 

Kreistierarzt 

Krelltierarzt 

DepartemenUtlerarzt 

Utrecht 

Charlottenburg. 

Cöln. 

Cöln. 

Bremervörde. 

Angermünde. 

Bromberg. 


Preusse 

Dr. Roeder 

Dr. Schlegel 

Dr. Vogel 

Zflndel 

Vete rl nftrasseseor 

Professor 

Professor 

Landestierarzt ▼. Bayern 

Kreistierarzt 

Danzig. 

Dresden. 

Frei bürg i. Br. 

München. 

Mülhausen i. EL 


Jahrgang 1903. 47 . Ausgegeben am 19. November. 

I n h a 11: Schmidt: Bericht über die 75. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte, Kassel, 20.—26. Sep¬ 
tember a. c. (Schluß'. — Gröning: Zur Bezeichnung der Brechungen der Zehenachse. — Referate: Therapeutische 
Mitteilungen aus der Armee. — Gilruth: Pseudo Tuberkulosis bei Schafen (Lymphadenitis). — Stenström: Beitrag zur 
Frage über das Vorkommen von Tuberkelbazillen in der Milch von reagierenden Kühen. — Stenström: Die Tuberkulose des 
Menschen und des RindeB. — Arloing: Über die Wirkung der starken kontinuierlicbeu elektrischen Ströme auf das Pferd. — 
Jeß: Wochenübersicht über die medizinische Literatur. — Tagesgesohiohte: Apothekerisches von jenseits der Grenze. — 
Verschiedenes. — Personalien. — Vakanzen. 


Bericht Uber die 75. Versammlung deutscher Natur¬ 
forscher und Ärzte, Kassel, 20.-26. September a. c. 

Erstattet von 

Dozent Dr. J. Schmidt-Dresden, 

Bezirkstierarzt. 

(Schluß.) 

Der Mittwoch-Vormittag brachte reiche Geistesarbeit durch 
drei für die Allgemeinheit gehaltene Vorträge. Professor 
Dr. Schwalbe-Straßburg sprach über die Vorgeschichte des 
Menschen. Er hebt zunächst hervor, daß die jetzt lebenden 
Menschen, ebenso wie die der neolithischen Kultnrperiode trotz 
ihrer Gliederung in Rassen doch einheitlich organisiert sind und 
sich soweit von allen jetzt lebenden Affen unterscheiden, daß 
man ihnen einen einheitlichen Ursprung zuerkennen muß. In 
der Diluvialzeit finden wir außer dieser Menschenart eine 
besonders in der Bildung des Schädels vollständig verschiedene 
Form, die nach ihrer ersten Fundstelle als Neandertalmensch 
bezeichnet worden ist. Charakteristisch für letzteren war der 
auffallend niedrige Schädel, stark vorspringende Angenbrauen¬ 
wülste, nach hinten fliehende Stirn. Zn derselben Menschenart 
gehören noch die Skelette von Spy in Belgien, Unterkiefer¬ 
fragmente von La Nanlette, Schipka etc. nnd die bei Krapina 
in Kroatien gefundenen Reste. Residuen des tertiären Menschen 
sind noch nicht gefunden, während in diese Zeit der Pithecan- 
thropns erectus fällt. Die jetzt lebenden menschenähnlichen 
Affen (Orang, Schimpanse, Gorilla) können nicht in die znm 
Pithecanthropus und znm Menschen führende Entwicklungsreihe 
gebracht werden. Der im Miocän lebende Dryopithecns kann 
möglicherweise an die Wurzel der einerseits za den jetzt 
lebenden Menschenaffen, andererseits zu dem Pithecanthropus 
und Menschen führenden Reihe gestellt werden. Mit Sicherheit 
maß man aber behaupten, daß homo sapiens, h. primigenius und 
Pitbec. in eine durch das gemeinsame Band des aufrechten 
Ganges gekennzeichnete große Klasse gehören. Die bisherige 
Unvollkommenheit in der Geschichte des menschlichen Ent¬ 
wicklungsganges erheischt noch viele paläontologische Funde. 


Als zweiter sprach Sanitätsrat Dr. Alsberg-Kassel über 
erbliche Entartung infolge sozialer Einflüsse Seine 
Ausführungen boten zwar viel Interessantes, gehörten aber für 
den belesenen Hörer durchaus nicht zu den Neuigkeiten, sodaß 
ich auf einen kurzen Auszug des Inhaltes Verzicht leisten kann. 
Daß der Alkoholismns als Hanptorsache der sozialen Entartung 
hingestellt wurde, dürfte bei der jetzigen Zeitströmung selbst¬ 
verständlich sein. Im übrigen soll noch erwähnt werden, daß 
der Vortrag wegen der häufigen Nennung von Geschlechtskrank¬ 
heiten n. a. m. nicht recht glücklich in den Rahmen einer auch 
von Damen massenhaft besuchten allgemeinen Versammlung 
paßte. 

Der dritte Vortrag des Herrn Penk-Wien über die geo¬ 
logische Zeit mußte wegen Behinderung des Redners aus- 
fallen; dafür trug Professor Dr. Conventz-Danzig das Thema 
der Erhaltung der Naturdenkmäler vor. Zn den letzteren 
gehören denkwürdige Bäume, Felsen, Grotten, Berge, Pflanzen 
nnd Tiere. Dieselben sind einer steten Zerstörung ansgesetzt, 
indem zwei Ursachen: Mangel an Verständnis nnd die Gewinn- 
sacht des Menschen keine Schonung der Natar kennen. Der 
völligen Aasrottang muß mit aller Energie entgegengetreten 
werden. 

Wie kann man helfen? Wenn man das Volk für die Denk¬ 
mäler interessiert nnd Schutzvorrichtungen trifft, wenn man sich 
der freiwilligen Mithilfe einzelner wie ganzer Vereine versichert. 
Gerade die natnrforschenden, die Verschönerungs-, Tonristen- etc. 
Vereine haben ein großes Interesse daran. Aber auch die Ver¬ 
waltung der Gemeinde muß durch polizeiliche Bestimmungen 
mithelfen, wie z. B. London, ferner das Kultusministerium, dem 
ja auch die Scholen unterstellt Bind. So hat unser Minister 
erklärt, daß zunächst bei ans in Preußen die landschaftlichen 
Schönheiten zn erhalten seien nnd erst in zweiter Linie das 
finanzielle Interesse in Frage komme. Amerika hat fünf National¬ 
parks, von denen der größte so groß ist, wie das Großherzog¬ 
tum Hessen. Zum Schluß empfiehlt der Redner die Schaffung 
einer Zentralstelle, der Sachverständige zur Seite stehen. 


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722 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 47. 


Von der Heimatskunde und der Heimatskenntnis kommen 
wir zur Heimatsliebe, zur Liebe für unser Vaterland. (Reicher 
Beifall.) 

van t'Hoff drückt den Dank der Versammlung aus und 
verliest eine Resolution: Die deutsche Naturforscher-und Ärzte¬ 
versammlung begrüßt dankbar die Bestrebung des preußischen 
Kultusministers, erklärt sich damit einverstanden und hegt die 
Zuversicht, daß diese bald zur Durchführung gelange. Diese 
Resolution wurde angenommen. 

Der Nachmittag diente den Kollegen zum Besuche der 
Kasseler Naturschönheiten (Auetal und Wilhelmshöhe). 

Am Donnerstag vormittag wurden in der medizinischen 
Hauptgruppe drei sehr interessante Vorträge gehalten: 1. Pro¬ 
fessor Dr. Macfadyen-London über das Vorkommen und 
den Nachweis von intracellulären Toxinen; 2. Dr. 
Jensen-Breslau, die physiologischen Wirkungen des 
Lichtes und 3. Professor Dr. Rieder-München, die bis¬ 
herigen Erfolge der Lichttherapie. Hieran schloß sich 
die gemeinsame Sitzung der naturwissenschaftlichen Hauptgruppe 
an. In derselben sprachen Professor Dr. Schwarzschild- 
Göttingen über astronomische Mechanik; Professor Dr. 
Sommerfeld-Aachen über technische Mechanik und Pro¬ 
fessor Dr. Fischer-Leipzig behandelte die physiologische 
Mechanik. 

Des Nachmittags fand die zweite Abteilungssitzung der 
Tierärzte statt. An derselben beteiligten sich außer den be¬ 
reits früher genannten Kollegen noch die Herren: Departements- 
tierarzt Blome-Arnsberg, Kreistierarzt Collmann-Hanau, Kreis¬ 
tierarzt Dr. Grimme-Melsungen, Tierarzt Hornthal-Kassel, 
Tierarzt Hoexter-Treysa, Gestütsinspektor Mieckley-Beber- 
beck, Kreistierarzt Nutt-Brakel. Zum Vorsitzenden wurde 
Herr Mickley gewählt, das Protokoll führte Herr Dr. Grote. 
Herr Tietze machte die Mitteilung, daß beide znerst ange¬ 
meldeten Vorträge wegen Behinderung der betreffenden Redner 
ausfallen müßten. Hierauf nahm der Berichterstatter Dr. Schmidt- 
Dresden das Wort und behandelte das Thema: Unser jetziges 
Wissen über die wichtigsten Geflügelseuchen. Als be¬ 
sonders bedeutungsvoll für die Geflügelbestände bezeichnete der 
Vortragende die Geflügeldiphtherie, die mykotische Darm¬ 
entzündung, die Geflügelcholera und die Hühnerpest, besprach 
deren Wesen, Symptome, Verlauf, Behandlung und ging dann 
des Spezielleren noch auf die Geflügelcholera und die Hühner¬ 
pest ein. Auf die wörtliche Wiedergabe kann wohl an dieser 
Stelle verzichtet werden, die Publikation findet ebenso wie die 
des zweiten Vortrages in den später erscheinenden sogenannten 
Verhandlungen Deutscher Naturforscher nnd Ärzte statt. Bei 
Besprechung der Ätiologie der Hühnerpest wurden die Resultate 
der verschiedenen Forscher wie Klee, Jeß, Lüpke, Joest 
u. a. m. erwähnt und in Vorschlag gebracht, zurzeit die 
OBtertagsche Definition als zweckmäßig zu erachten, welche 
folgendes besagt: „Der Erreger der Hühnerpest ist mit unseren 
jetzigen optischen Instrumenten nicht nachweisbar. Er ist im 
Blute, Kot nnd Nasenschleim der erkrankten Vögel enthalten 
und wird bei Erhitzung auf 70° C getötet. Seine krank¬ 
machende Wirkung entfaltet er nur auf die Angehörigen der 
echten Hühnerarten.“ 

Betreffs der differentiellen Diagnose wurde betont: 

1. Die Geflügelcholera kann alle Geflügelarten befallen; die 
Hühnerpest kommt fast ausschließlich nur bei Hühnern vor. 


2. Bei Geflügelcholera haben wir einen positiven, bei Hühner¬ 
pest einen negativen bakteriologischen Befund. 

3. Unter den klinischen Erscheinungen der Geflügelcholera 
herrscht das Sympton des Durchfalls vor, bei Hühnerpest die 
Schlafsucht nnd anderweitige Nervenirritationen. 

4. Der Sektionsbefund bei Geflügelcholera läßt besonders 
Enteritis und event. Pneumonie erkennen, die Hühnerpest zeigt 
Injektion der Innenhaut der Leibeshöhle und Exsudat zwischen 
den Hinterleibsorganen. 

5. Bei Geflügelcholera führt der Impfversuch an Tauben 
in 12—48 Stunden zum Tode, das Material der Hühnerpest er¬ 
zeugt keine tödliche Reaktion. 

Vom veterinärpolizeilichen Standpunkt erscheint es gerecht¬ 
fertigt, beide Seuchen gleichartig zu bekämpfen und insbesondere 
die Beaufsichtigung der Geflügelausstellungen streng durch¬ 
zuführen. 

An den mit Beifall aufgenommenen Vortrag schloß sich 
eine lebhafte Debatte an. 

Als zweiten Vortrag veranstaltete der Berichterstatter noch 
eine Demonstration neuerer tierärztlicher Instrumente 
und erläuterte des näheren unter Betonung der praktischen Er¬ 
fahrungen nachbezeichnete, durch die auf der Ausstellung mit 
anwesende Firma Hauptner-Berlin bereitwilligst zur Verfügung 
gestellten Instrumente: Kettensäge nach Persson, Embryotom 
nach Pflanz, Drahtsäge nach van Staa, Hautmesser nach 
deBruin, Koiranskysches Besteck für Embryotomie, Geburts¬ 
zange nach Röder und nach Walch, Blümescher keulen¬ 
förmiger Halter, Luftfilter nach Evers u. a. m. 

Auch diesem beifällig begrüßten Vortrag schloß sich eine 
längere Aussprache an. Hiermit war die Tagesordnung erledigt 
und der erste Einführende, Herr Tietze, schloß die Sitzung 
mit Dank gegen die Erschienenen sowie den Vortragenden und 
verlieh dem Wunsche Ausdruck, daß die zukünftigen Natur¬ 
forscherkongresse sich eines zahlreicheren Besuches und regerer 
Beteiligung seitens der Tierärzte erfreuen möchten. 

Des Abends vereinte ein von der Stadt Kassel veranstaltetes 
Gartenfest im Park der Hessischen Aktienbrauerei und in der 
darin gelegenen Festhalle Tausende von Teilnehmern. Für 
Unterhaltung sorgte die Kapelle des Infanterie-Regiments Nr. 167, 
ferner der Kasseler Liederverein, welcher seine besten und 
schönsten Gaben bot, und das originelle, 36 Mann starke 
Trommler- und Pfeiferkorps des Realgymnasiums. Auch die 
Mitglieder des Turnvereins ließen es sich nicht nehmen, ihre 
tatsächlich prächtigen Leistungen zum besten zu geben. Das 
Fest verlief in vorzüglicher Stimmung und endete erst zu sehr 
vorgerückter Stunde. 

Am Freitag morgen referierte Professor Dr. Kräpelin- 
Heidelberg über die Verbesserung des biologischen 
Unterrichtes auf den höheren Schulen. Von seinen auf¬ 
gestellten Thesen interessieren uns folgende am meisten: 

Die Biologie ist eine Erfahrungswissenschaft, die zwar bis 
zur jeweiligen Grenze des sicheren Naturerkennens geht, aber 
dieselbe nicht überschreitet. Für metaphysische Spekulationen 
hat die Biologie als solche keine Verantwortung und die Schule 
keine Verwendung. 

In formaler Hinsicht bildet der naturwissenschaftliche Unter¬ 
richt eine notwendige Ergänzung der abstrakten Lehrfächer. 
Im besonderen lehrt die Biologie die sonst so vernachlässigte 
Kunst des Beobachtens in konkreten, durch den Lebensprozeß 


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19. November 1903. 


ständigem Wechsel unterworfenen Gegenständen und schreitet, 
wie die Physik und Chemie, induktiv von der Beobachtung der 
Eigenschaften und Vorgänge zur logischen Begriffsbildung vor. 

In ethischer Beziehung weckt der biologische Unterricht 
die Achtung vor den Gebilden der organischen Welt, das 
Empfinden der Schönheit und Vollkommenheit des Naturganzeu, 
und wird so zu einer Quelle reinsten, von den praktischen 
Interessen des Lebens unberührten Lebensgenusses. Gleichzeitig 
führt die Beschäftigung mit den Erscheinungen der lebenden 
Natur zur Einsicht von der Unvollkommenheit menschlichen 
Wissens und somit zu innerer Bescheidenheit. 

Eine solche Kenntnis der organischen Welt muß als not¬ 
wendiger Bestandteil einer zeitgemäßen allgemeinen Bildung 
betrachtet werden: Sie kommt nicht etwa nur dem zukünftigen 
Naturforscher und Arzt zugute, dem sie den Eintritt in sein 
Fachstudium erleichtert, sondern sie ist in gleichem Maße für 
diejenigen Abiturienten der höheren Schnlen von Wichtigkeit, 
denen ihr späterer Beruf keinen direkten Anlaß zum Studium 
der Natur bietet. 

Der gegenwärtige naturgeschichtliche Unterricht kann dieses 
Ziel nicht erreichen, weil er von der Oberstufe ausgeschlossen 
ist, und weil die Lehre von den Lebensvorgängen und den Be¬ 
ziehungen der Organismen zur umgebenden Welt erfahrungs¬ 
gemäß nur von Schülern reiferen Alters verstanden wird, 
denen die physikalischen und chemischen Grundlehren bereits 
bekannt sind. 

Aus diesen Gründen ist es dringend notwendig, daß der 
biologische Unterricht an den höheren Lehranstalten — mit 
etwa zwei Stunden wöchentlich — durch alle Klassen geführt 
werde, wie es früher am Realgymnasium der Fall war. 

Hierauf sprach Sir Ramson-London über das periodische 
System der Elemente, ferner Professor Dr. Griesbach- 
Mühlhausen über den Stand der Schulhygiene. Redner be¬ 
handelt die Dienstobliegenheiten, den Zweck und Nutzen der 
Schulärzte. Er vermißt eine einheitliche Dienstanweisung für 
diese. Überall lauten die Instruktionen anders. Eingehend 
werden die Anforderungen, die an Schulgebäude zu stellen sind, 
erörtert, ebenso die Hygiene des Unterrichtes. Bei letzterem 
Kapitel wird warm für eine Verminderung des Lehrstoffes in 
den toten Sprachen eingetreten. Redner streift noch eine Reihe 
anderer Punkte und schließt mit einem Appell an die Ver¬ 
sammlung, die Bestrebungen der Schulhygiene kräftig zu unter¬ 
stützen. 

Den letzten Vortrag in der Allgemeinen Abteilung hielt 
Excellenz von Behring über die Tuberkulose-Bekämpfung. 
Wenn ich auch der festen Überzeugung bin, daß bis zur Ver¬ 
öffentlichung vorstehenden Berichtes schon ein ausführliches 
Referat über diesen Vortrag in der Fachpresse erscheinen 
wird, so kann ich mir doch bei der Wichtigkeit des Materiales 
nicht versagen, wenigstens in Kürze das Hauptsächlichste hier 
anzuführen: 

B. hat sich seit einer Reihe von Jahren damit beschäftigt, 
ein Rinderschutzimpfungsverfahren auszuarbeiten und praktisch 
zu erproben. Seine Erfolge seien derartige, daß er in der Be¬ 
kämpfung der menschlichen Tuberkulose voraussichtlich noch so 
weit kommen werde, daß die soviel Raum und Kosten bean¬ 
spruchende Anstaltsbehandlung nach und nach eingeschränkt 
werden könne. Grundbedingung für sein ganzes System sei 
aber die Annahme, daß tierische und menschliche Tuberkulose 


72 $ 


mit einander identisch ist, d. h. daß das tuberkulöse Virus der 
einen Art unter Umständen Tnberkulose der anderen Art her- 
vorrufen kann. Man solle aber nicht den Fehler begehen und 
bei jeder tuberkulösen Infektion sofort an Schwindsucht denken. 
Tuberkulose ist nur ein ätiologischer Begriff, nur die Definition 
der betreffenden Ursache, die veranlaßte Wirkung ist eine ganz 
verschiedene. Tuberkulose eines Gelenkes, eines inneren Organes, 
einer Halsdrüse, eines Knötchens im Gesicht, eines Hautaus¬ 
schlages etc. sind der Ursache nach dieselben, der Bedeutung 
nach himmelweit von einander verschiedene Dinge. Darum 
solle man sich ja hüteD, Tuberkulose und Schwindsucht zu ver¬ 
mischen und mit der Diagnose einer tuberkulösen Infektion 
immer gleich die Anwartschaft auf unvermeidliches Siechtum 
und ein qualvolles Ende mitzugeben. Es ist selbstverständlich, 
daß die Infektionsgefahr für den Intestinaltraktus des er¬ 
wachsenen Menschen nicht sehr groß ist. Nicht genug zu be¬ 
tonen istdagegen die Infektionsmöglichkeit, welche den 
Sänglingen bei dem Genuß von tuberkelbazillenhaltiger 
Milch droht, mögen die Tuberkelbazillen vom Menschen 
oder vom Rind herstammen. Es entbehrt der Säugling, 
gleichviel ob Mensch oder Tier, in seinem Verdauungsapparat 
derjenigen Schutzeinrichtungen, die beim Erwachsenen zugegen 
sind und ein Eindringen von Krankheitserregern in die Gewebs- 
säfte unmöglich machen. Versuche an jungen Meerschweinchen 
haben ergeben, daß die Bakterien durch die Schleimhäute der 
neugeborenen oder ganz jugendlichen Individuen ungestört hin¬ 
durchpassieren können. Die Milch als Nahrungsmittel über¬ 
nimmt durch ihren häufigen Gehalt an Tuberkelbazillen die In¬ 
fektion der Säuglinge. Dies beweist die große Kindersterblich¬ 
keit im ersten Lebensjahr und die enorme Ausbreitung der 
Tuberkulose. Nach B. soll dagegen die Einatmung bazillen¬ 
haltigen Materials unschädlich sein (dieser Ansicht kann, soweit 
wenigstens Tiere in Betracht kommen, nicht ohne weiteres bei¬ 
gestimmt werden; es sei hier nur an das häufige Vorkommen 
primärer Kehlkopftuberkulose beim Rinde erinnert, auf welches 
ich*) bereits 1897 hingewiesen habe). 

Wenn jemand die Schwindsucht akquiriert, so ist dies ein 
Beweis dafür, daß der Betreffende in frühester Jugend eine 
tuberkulöse Herderkrankung besessen hat, die dann im Laufe 
vieler Jahre infolge hygienischer Mißbräuche oder erworbener 
Krankheiten zur Entstehung von Schwindsucht direkten Anlaß 
gibt (also ähnliche Theorie wie die bisherige über die Ent¬ 
stehung maligner Geschwülste in höherem Alter). 

Bei natürlich genährten Kindern ist die Gefahr der An¬ 
steckung mit Tuberkulose viel geringer als bei künstlich ge¬ 
nährten Säuglingen. Die Schuld hieran trägt die so häufig 
infizierte Kuhmilch. Werden Kühe nach dem Verfahren von B. 
der Schutzimpfung unterworfen, dann gehen nach B.’s Ansicht 
die in dem betreffenden Tierkörper erzengten Schutzstoffe in 
die Milch über. Gelingt es nun, die letzteren wirksam zu er¬ 
halten und mit der Milch dem jugendlichen Menschen einzu¬ 
verleiben, so wird dessen Organismus nicht nur nicht infiziert, 
sondern sogar im Tuberkuloseschutz befestigt. Das künftige 
Verfahren der Bekämpfung der menschlichen Tuber- 
knlose wird also darin bestehen, daß die in der Kuh¬ 
milch durch Impfung erzeugten Schutzstoffe konserviert 
und nach Bedarf dem Menschen einverleibt werden, 

*) Schmidt, Kehlkopftuberkulose des Rindes, Dtsch. Tierärztl. 
W. 1897, 48. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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724 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 47. 


damit er vor Tuberkulose geschützt oder, wenn er 
bereits an letzterer erkrankt ist, wieder geheilt wird. 
Über das Schutzimpfangsverfahren beim Menschen machte B. 
nur einige allgemeine Andeutungen. Im übrigen wies er darauf 
hin, daß, solange noch kein Heilserum gegen die Tuberkulose 
gefunden sei, es nötig sei, gegen die Schwindsucht vor allem 
in hygienisch-diätetischer Hinsicht vorzngehen. Ein wesent¬ 
licher Fortschritt in der Milchhygiene könnte schon durch 
Pasteurisierung der Milch an der Produktionsstätte erzielt 
werden. Auf die Ernährung des Säuglings und Fernhalten 
desselben von Stätten tuberkulösen Giftes (Umgebung hustender 
Personen) sei der größte Wert zu legen. 

Nachdem Professor von Behring unter lebhaftem Beifall 
geendet hatte, folgten die Schlußansprachen. Am Nachmittag 
fanden dann die letzten Abteilungssitzungen statt Hiermit 
war der geschäftliche Teil des Kongresses zu Ende. Am Abend 
des 25. September gab die Stadt ihren Gästen noch einen 
Kommers als Abschiedsfest, welches ebenfalls in allen Be¬ 
ziehungen vorzüglich verlief und der liebenswürdigen Wirtin 
Kassel das Lob aller Beteiligten eintrug. 

Der Sonnabend diente zu Ausflügen in die nähere und 
weitere Umgebung. So wurden zu Stndienzwecken Marburg 
(inklusive Behrings Institut), Göttingen, Bad Wildungen usw. 
besucht. 

Mit Wehmut, aber auch dankerfüllten Gemütes schieden die 
Teilnehmer von dem gastfreundlichen Kassel und seinen Be¬ 
wohnern. Freudig gedachten sie der schönen gemeinsam ver¬ 
lebten Stunden und von gerechtem Stolz erfüllt über das Resultat 
der 75. Versammlung kehrten die Jünger der Naturwissenschaft 
und der Medizin wieder zum heimischen Herd zurück. 

Denjenigen Kasseler Kollegen im Speziellen, welche in so 
liebenswürdiger Weise keine Mühe scheuten, zum Gelingen des 
Festes beizutragen, und ebenso ihren Damen sei hierdurch noch 
einmal der Dank der von auswärts gekommenen Tierärzte 
ausgesprochen. 

Zum Schlüsse mögen noch einige allgemeine Bemerkungen 
hier Platz finden. Betrachtet man das vom 20. bis mit 
25. September bewältigte Arbeitsmaterial, so erstaunt man einfach 
über die Leistungen, die allerdings nur durch die seit Jahren 
übliche, praktische Arbeitsteilung ermöglicht wurden. Außer 
den in den beiden Hauptgruppen gehaltenen allgemeinen Vor¬ 
trägen sind in den 30 Sektionen ca. 540 Vorträge und 
Demonstrationen gehalten worden. Welche geistige Anregung 
für die Zukunft, welche Bereicherung des Wissens hierdurch 
erzielt worden ist, läßt sich zwar nicht angeben; es kann aber 
ohne Übertreibung behauptet werden, daß die alljährlich statt¬ 
findenden Zusammenkünfte deutscher Naturforscher und Ärzte 
eine geistige Produktion aufweist, wie wohl kein anderes ähn¬ 
liches Unternehmen. Es muß daher der aufrichtige Wunsch 
eines jeden Teilnehmers sein, daß auch die Zukunft so Er¬ 
sprießliches leiste wie die vergangenen Jahre. 

Was nun im speziellen die 30. Abteilung, Tierheilkunde, 
anlangt, so muß ich leider gestehen daß dieselbe diesmal recht, 
recht sehr allgemeine Enttäuschung hervorrief. Gerade nach¬ 
dem man im vorigen Jahre durch die erhöhten Ansprüche an 
die zukünftigen Jünger der Veterinärmedizin und in diesem 
Jahre durch die begonnene Neuorganisation des Militärveterinär¬ 
wesens auf die Entwicklung unserer Disziplin aufmerksam ge¬ 
macht worden war, mußte eine so geringe Beteiligung seitens 


unserer Kollegen allgemeines Erstaunen erregen. Den Ausfluß 
des letzteren habe ich auch während der Festwoche selbst von 
Fremden genügend zu hören bekommen. Welches die Ursache 
dieser Nachlässigkeit unsererseits gewesen ist, ob sie der Aus¬ 
fluß persönlichen Empfindens war, oder ob andere Gründe Vor¬ 
lagen, vermag ich nicht anzugeben. Viel Schuld mag auch der 
Versammlungsmüdigkeit beizumessen sein, die durch die vielen 
Vereinssitzungen infolge der Fleischbeschaugesetzgebung usw. 
erzeugt wurde. Das eine ist mir und jedem Berufsgenossen, 
der Kassel noch nicht kannte, allerdings aufgefallen, daß nämlich 
von den dortigen zahlreich wohnhaften Militärkollegen nicht 
einer an dieser Vereinigung geistiger Arbeiter sich beteiligt, 
und unserem Standesbewußtsein dieses kleine Opfer, welches 
durch die gebotenen Annehmlichkeiten überreichlich aufgewogen 
wurde, gebracht hat. 

Die nächste Versammlung wird in Breslau tagen. Wir 
haben dann Gelegenheit, die diesjährige Scharte auszuwetzen. 
Wie ich die schlesischen Kollegen, sei es in praktischer, sei es 
in theoretischer Hinsicht kennen zu lernen Gelegenheit gehabt 
habe, werden sie es nicht versäumen, unseren Stand voll und 
ganz zu vertreten. Vielleicht auch beehren viel auswärtige 
Tierärzte die Zusammenkunft mit ihrem Besuche und tragen 
dadurch zu unserer Rehabilitation bei. Das schönste wäre es 
allerdings, wenn sich ein schon durch äußere Ehrung aus¬ 
gezeichneter Standesvertreter fände, der entweder in der 
medizinischen oder naturwissenschaftlichen Hauptgruppe oder 
sogar in der allgemeinen Hauptversammlung coram publico die 
Schleusen seiner Beredsamkeit öffnete und durch seinen Vortrag die 
Aufmerksamkeit der so zahlreichen Zuhörer aus den gebildeten 
Kreisen auf unsere Tätigkeit lenken würde. Doch so lange 
dieser Wunsch noch nicht verwirklicht wird, wollen wir be¬ 
scheiden uns möglichst intensiv in der Sektion beschäftigen und 
dafür Sorge tragen, daß zu solchen Vorträgen, welche auf 
andere Gebiete, wie z. B. Anatomie, Physiologie usw. hinüber- 
spielen, die hiozugehörigen Sektionen eingeladen werden. Es 
wird auf diese Weise kostbares Material genügend ausgenutzt, 
die zur Arbeit aufgewendete Mühe hinreichend belohnt und 
unserem Stande ein großer Dienst erwiesen. Mit vorstehenden 
Vorschlägen sei der Bericht über die 75. Versammlung Deutscher 
Naturforscher und Ärzte beendet. 

Zur Bezeichnung der Brechungen der Zehenachse. 

Von 

Dr. Grünina-Hamburg. 

Seit dem Erscheinen des Leitfadens des Hufbeschlages von 
Prof. Dr. Eberlein wogen über die Bezeichnung der Brechungen 
der Zehenachse zwei Meinungsverschiedenheiten hin und her. 
Nach der älteren von Fambach begründeten Anschauung wird 
die Achse nach derjenigen Richtung gebrochen genannt, nach 
welcher der Winkelscheitel der gebrochenen Linie 
zeigt (Fig. 1, Pfeilrichtung), während Eberlein vor¬ 
geschlagen hat, die Richtungsabweichungen der Zehenacbse 
nach der Richtung zu bezeichnen, die das gebrochene, untere 
Ende der Achse nimmt (Fig. 2, Pfeilrichtung), d. h. nach 
der dem Winkelscheitel entgegengesetzten Richtung. 

Zäh halten viele an der älteren Ansicht fest. Die ältere 
Auffassung ist sozusagen wie das Vaterunser eingepaukt, so daß 
sich die jahrelangen Eindrücke nicht im Handumdrehen ändern 


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19. November 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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lassen. Trotzdem ist es mir nicht zweifelhaft, daß, wenn die 
von Prof. Eberlein im Beschlagschmied 1903, Nr. 5 mit¬ 
geteilten Gründe vorurteilsfrei und objektiv geprüft werden, 
man auch dessen Schlußfolgerungen beitreten muß. 
Keinesfalls kann aber hierbei die Tatsache, daß die ältere An¬ 
schauung sich „eingebürgert“ hat, irgendwie entscheidend sein. 


Fig. J. 



Fig. 2. 


■< 


In neuerer Zeit haben zu der in Rede stehenden Frage 
auch Prof. Dr. Schmaltz (B. T. W. Nr. 34) und Prof. Frick 
(D. T. W. Nr. 37) beachtenswerte Äußerungen gebracht. Es 
sei mir als Lehrer des Hufbeschlages der Hamburger Lehr¬ 
schmiede gestattet, meine diesbezügliche Auffassung hierunter 
gleichfalls mitzuteilen. 

Prof. Dr. Schmaltz schlägt vor, die Benennung „gebrochen“ 
durch „gewinkelt“ zu ersetzen. Gewiß ist die Bezeichnung 
„gebrochen“ nicht einwandfrei, sondern recht unglücklich. Be¬ 
züglich des Ausdruckes „gewinkelt“ ist aber zu beachten, daß 
wir bereits von einem stumpf- und einem spitzgewinkelten Hufe 
sprechen, wobei die Richtung der Zehenwand des Hufes zum 
Erdboden einen spitzeren oder stumpferen Winkel als normal 
bildet*). 

Prof. Frick stellt sich auf den Boden der älteren Anschau¬ 
ung und gibt zwei Beispiele an, an welchen man erkennen soll, 
daß die alte Bezeichnung richtig ist und dem Sprachgebrauch 
entspricht. Derselbe vergleicht die gebrochene Zehenachse mit 
einer durch übermäßige Belastung nach unten gebrochenen 
Brücke (Fig. 3) und mit einer durch Eindrücken zertrümmerten 
Fensterscheibe (Fig. 4) oder Türfüllung. 


Fig. 3. 

b 

’f 

/>' 


Fig. 4. 



Diese Beispiele treffen für die Brechung der Zehenachse 
durchaus nicht zu, denn dort werden die Formveränderungen 
durch Druck auf die Bruchwinkel herbeigeführt (Fig. 3 u. 4 bei b) 
und es findet demnach eine Verlagerung des Bruchwinkels statt 
(b—b 1 ). Außerdem haben wir bei der Zertrümmerung einer 
Fensterscheibe in einer Ebene nicht einen, sondern drei Bruch¬ 
winkel (Fig. bei a, b, c), die ganz verschiedene Richtungen 
haben. Demgegenüber ist bei der Brechung der Zehen¬ 
achse eine Verlagerung des Bruchwinkels wissen- 

*) Hierzu sei mir eine Anmerkung gestattet: Da die Winkelung 
des Hufes und die Winkelung der Zehenaxe nichts miteinander zu 
tun haben und nicht verwechselt werden können, so sehe ich in 
der Winkelung der Hufwand keinen Grund, nicht auch von 
Winkelung der Zehenachse zu sprechen, wenn schon zugegeben wird, 
daß die Bezeichnung „gebrochen“ jedenfalls recht unglücklich ist. 

Schmaltz. 


schaftlich überhaupt noch nicht nachgewiesen und 
ganz besonders ist zu beachten, daß die Brechung der 
Zehenachse niemals durch Druck auf den Bruchwinkel 
(Krön- oder Hufgelenk) zustande kommt. 

Ich fasse auch den von Prof. Eberlein angeführten Vergleich 
der Zehenacbse mit einem zu brechenden Stabe ganz anders 
auf als Prof. Frick. Hierbei hat nämlich der Stab vor dem 
Knie seinen festen Punkt (Fig. 5 bei a). Die Kraft wirkt 
durch den Druck der Hände an beiden Enden (Fig. 5 in der 
Pfeilrichtung bei b und c) und muß demnach auch den Stab 
nach hinten biegen und brechen. 

Fig. 5. 

] b a c | 

Y ~ X ' “ Y 


Noch klarer geht die Richtigkeit der von Prof. Eberlein 
vorgeschlagenen Nomenklatur der Brechung der Zehenachse aus 
folgendem Vergleich hervor: Wir lehren bekanntlich, daß der 
Vorderschenkel des Pferdes den Körper bei der regelmäßigen 
Stellung senkrecht stützt. Die Kraft wirkt bei der Belastung 
von oben durch die Last des Pferdekörpers und von unten durch 
den Gegendruck des Bodens auf das untere Ende der Achse, 
aber niemals auf die Mitte direkt gegen den Bruch¬ 
winkel. Im Fesselgelenk weicht nun der Schenkel normaliter 
von seiner senkrechten Richtung nach vorn ab. 

Vergleicht man die Schenkel- und die Zehenachse mit einer 
Senkrechten en miniatur in Form eines Streichholzes und denkt 
sich dasselbe so zwischen zwei Fingern gehalten, daß das eine 
Ende nach unten hervorragt, so kann man die untere Spitze 
mit der anderen Hand erfassen und z. B. nach vorn brechen. 
Das untere Ende des Streichholzes wird die in der Fig. 6 an¬ 
gegebene Richtung bekommen (Schenkelachse und Zehenachse). 
Fixiert man dann in derselben Lage die Bruchstelle a und 
bricht das untere Ende nochmals nach vorn, so wird man das 
in der Fig. 7 skizzierte Bild vor sich sehen. Ebenso kann das 
unterste Ende nach hinten gebrochen werden, um dadurch die 
in Fig. 8 dargestellte Form zu erhalten. Auch die Entstehung 
der nach innen oder nach außen gebrochenen Zehenachse 
kann ähnlich versinnbildlicht werden. 


Fig. 6. 



Fig. 8. 



Das sind Vorgänge, die man auch am Pferdefuß beobachten 
kann. 

Wie schon erwähnt, weicht der Schenkel im Fesselgelenk 
von seiner senkrechten Richtung nach vorn ab und wird (event. 
auch wie in Fig. 7) bei der Belastung durch den Druck von 
beiden Enden noch weiter nach vorn gebrochen! 

In der Regel wird die Zehe des Pferdes unter dem Eisen 
wegen der fehlenden Reibung länger. Langsam verlängert sich 


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No. 47. 


das Horn an der Zehe, treibt sie nach vorn nnd oben nnd ruft 
dadurch oberhalb der Krone eine Abweichung von der Geraden 
hervor oder bricht, wie wir sagen, die Zehenachse nach vorn. 
In anderen Fällen können auch die Trachten, die eine oder 
andere Zehenwand zu hoch werden und den Bruch nach hinten, 
nach innen oder nach außen herbeiführen. 

Jeder wird nun in bezug auf die in derselben Weise aus¬ 
geführte Brechung eines Streichhölzchens nach diesem Beispiele 
sagen, es ist nach vorn, nach hinten, nach innen, nach 
außen gebrochen. Ebenso wird auch niemand im Zweifel 
sein, daß die Abweichung im Fesselgelenk nach vorn erfolgt. 
Wenn aber diese Abweichung oberhalb der Krone durch eihen 
abnormen Druck der zu langen Zehe noch weiter nach vorn 
erfolgt, so soll diese Abweichung oder Brechung 
nach alter Anschauung plötzlich nach hinten vor sich 
gehen!?? 

Wir müssen stets im Auge haben: Wo wirkt die Kraft? 
Niemals wirkt dieselbe bei der Brechung der Zehenachse 
direkt als Druck auf die Mitte des Bruch winkeis, sondern stets 
auf das Ende der Achse oder des Schenkels und treibt oder 
bricht die Achse nach dem zu lang gewordenen Huf¬ 
abschnitt, den der Schmied gewöhnlich durch das 
Entfernen des Hornes kürzen und dadurch in die 
normale Lage bringen muß. 

Will man die Bezeichnung „Brechung“ der Zehenachse 
ändern, so möchte ich in Vorschlag bringen, das unglückliche 
Wort „brechen“ vollständig fallen zu lassen, um dafür das 
Wort ab weichen zu setzen. Ich bin der Meinung, daß man 
nicht mißverstanden wird, wenn man sagt: Die Zehenachse 
weicht in der Krone von der geraden Richtung nach 
vorn, nach hinten, nach innen oder außen ab. Wir 
tragen dadurch dem natürlichen Verhältnisse Rechnung, weil 
wir unter den erörterten Bedingungen gar keine Brechung, 
sondern nur eine Abweichung der Zehenachse nach irgend¬ 
einer Richtung haben. 

Referate. 

Therapeutische Mitteilungen aus der Armee. 

(Zeitschrift ftlr Veterinärkunde 1903, Nr. 5.) 

Jodkalium bei periodischer Augenentzündung. 

Das Jodkalium wurde, wie schon früher (vgl. B. T. W. 1901, 
S. 621), auch im letzten Jahre mehrfach gegen die periodische 
AngenentzünduDg versucht. Die Resultate dieser Therapie be¬ 
zeichnen von vierzehn Berichterstattern drei als ungünstig, drei 
als zweifelhaft, acht als günstig. 

Oberroßarzt Kröning z. B., der es in 16 Fällen ver¬ 
wendete, verzeichnet nur günstige: Sämtliche Pferde waren 
jung und hatten den ersten Krankheitsanfall; 11 erkrankten auf 
einem Auge, 3 auf beiden nacheinander, 2 auf beiden gleich¬ 
zeitig. Die auf einem Auge erkrankten erhielten an zwei, die 
gleichzeitig auf beiden Augen erkrankten an drei Tagen je eine 
Gabe von 25 bis 30,0 Jodkali innerlich. Außerdem wurden die 
Patienten in dunkle Boxen eingestellt und die Augen mit einem 
kühlenden Leinwandlappen bedeckt. Nach zwei bis drei Tagen 
waren sämtliche Krankheitssymptome verschwunden. Die Augen 
wurden völlig geöffnet. Die Lichtscheu, die Corneatrübung, die 
Fibrinablagerung in der vorderen Augenkammer war beseitigt. 
Der Verfasser hält das Mittel für durchaus zuverlässig. 


Roßarzt Moll hat in einem Fall, über den er indes seine 
Beobachtungen noch nicht ganz abgeschlossen hat, das Jodkali 
gleichfalls mit gutem Erfolg angewandt. Er gab 60,0 innerhalb 
14 Tagen innerlich. Nach zehn Tagen waren sämtliche Symp¬ 
tome der periodischen Augenentzündung, Lichtscheu, Tränenfluß, 
Hornhauttrübung, Augenkammerexsudat, verschwunden. Ein 
Recidiv auf dem andern Auge, das zuvor mit Atropin behandelt 
worden war, ist nach fünftägiger Jodkalikur jetzt anscheinend 
behoben. Korpsroßarzt Poetschke beobachtete einen sehr 
schweren Fall des Leidens, in dem die vordere Augenkammer 
von einem seroflbrinösen Exsudat vollkommen ausgefüllt war. 
Der Patient erhielt 60,0 Jodkali mit dem Erfolg, daß das Exsudat 
langsam bis zur Hälfte resorbiert wurde, doch eine dauernde 
Linsentrübung zurückblieb. 

Pilocarpin. 

Unterroßarzt WaschulewBki fand das Pilocarpin in einem 
Fall von Dummkoller sehr wirksam. Ein vierzehnjähriger 
Wallach zeigte, nachdem er zweimal kurz nacheinander an 
akuter Gehirnwassersucht gelitten, alle Erscheinungen des 
Dummkollers. Das Pferd sollte ausrangiert werden, erhielt 
aber zuvor noch versuchsweise eine Pilocarpininjektion von 0,7. 
Nach vierzehn Tagen war eine deutliche Besserung wahrnehmbar. 
Es wurde noch eine zweite Injektion gemacht, und der ge¬ 
besserte Zustand hält seither an. Das zuvor völlig unbrauch¬ 
bare Pferd ist jetzt jedenfalls bedingt brauchbar. — Dagegen 
widerrät Roßarzt Bock die Anwendung des Mittels in Fällen 
von akuter Hirnhautentzündung. Er injizierte einem 
Patienten nach 36 ständiger Krankheitsdauer 0,1 Pilocarpin. 
Das Pferd erwachte darauf aus seinem soporösen Zustand, fing 
fürchterlich zu toben an und verendete nach vier Stunden. 

Morphium. 

Roßarzt Degner empfiehlt das Morphium gegen Kolik nicht 
nur als Sedativum, sondern direkt als Heilmittel und schreibt 
die Genesung eines von ihm an verzögerter Kolik nacheinander 
mit Arekolin, Chlorbaryum und Morphium behandelten Patienten 
allein diesem Medikament zu. Seine Wirkung bestehe darin, 
daß es durch die zunächst herbeigeführte Schmerzlinderung und 
Ruhe dem Tiere Widerstandsfähigkeit verleihe, die bisher ober¬ 
flächliche Atmung werde vertieft, die Herztätigkeit* gestärkt, 
so daß nun auch der Darm reichlicher mit Blut versorgt, in 
seiner Peristaltik angeregt und etwaige Hindernisse zu über¬ 
winden befähigt werde. 

Baldrian. 

Roßarzt Doliwa empfiehlt die Anwendung des von ihm 
bei Koliken bewährt gefundenen Baldrians nach der Formel: 
Infus, rad. Valerian. 50,0:500,0; Spirit. 200,0; Aeth. sulf. 25,0 
als Einguß. Die beruhigende Wirkung tritt nach etwa zehn 
Minuten augenfällig hervor. 

Argentum colloidale. 

1. Bei morbus maculosus wurde Collargol in fünf Fällen 
angewandt. Ein Patient ist verstorben, vier sind genesen. In 
einem von Unterroßarzt Laabs nach seinem Verlauf genau ver¬ 
folgten und beschriebenen Fall wurden am 1. Tag 40,0 einer 
einprozentigen Lösung injiziert, am 2. Tag die gleiche Dosis. 
Am 3. Tag sind die Symptome zurückgegangen; die Applikation 
unterbleibt, es werden 7,0 Kal. jodat. im Trinkwasser gegeben. 
Am 5. Tag tritt ein Rückfall ein. Es wird eine neue Collargol- 
injektion gemacht. Nach jeder Injektion stieg die Körper- 


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19. November 1903. 


temperatar, Pols- and Atemfrequenz innerhalb 5 Standen an 
and sank dann bis zur 20. Stande ab. Am 5. Tag war die 
Temperatnrsteigerang besonders hoch; sie machte fast 3 Grade 
aas. Damit war anscheinend eine Krisis überwanden. Es unter¬ 
blieb eine weitere medikamentöse Behandlung and der Patient 
war am 10. Tag völlig wieder hergestellt. 

2. Bei Pneumonie mit septikämischem, von Anfang an 
schwerem Charakter, an der ein vier Tage zuvor wegen einer 
Beugesehnenerkrankang scharf eingeriebenes Pferd erkrankte, 
wurde mit der Reichung von Jodkali und täglicher Injektion 
von 1,0 Collargol, die neben Isolierung und sorgfältiger lokaler 
Desinfektion vorgenommen wurde, eine Besserung nicht erreicht. 
Patient verstarb. 

3. Bei Abszessen in inneren Organen. Patient mit 
linksseitiger Pneumonie, der diätetisch-hydrotherapeutisch be¬ 
handelt wird und Ätherinjektionen erhält, hat neun Tage währendes 
konstantes Fieber, das nach dreitägiger Remission nochmals 
zwei Tage lang auftritt und dann verschwindet, während sich 
ein stinkender, mißfarbener, eiteriger, beiderseitiger Nasen¬ 
ausfluß einstellt, so daß ein Lungenabszeß diagnostiziert wird. 
Der Patient erhält eine Collargolinjektion, die keine merkliche 
Temperaturschwankung zur Folge hat. Nach der zweiten In¬ 
jektion nimmt der unangenehme Geruch der Exspirationsluft ab, 
verschwindet nach der vierten völlig und das Tier ist am 
zwanzigsten Tage der Krankheit völlig genesen. — Ein Pferd, 
bei welchem ein Abszeß von der Lunge nach der Luftröhre 
durchbrach, wie durch die Sektion erwiesen wurde, und dessen 
Zustand außerordentlich wechselte, so daß man es mehrmals 
schon für genesen halten wollte, bis nach einstündiger Arbeits¬ 
leistung wieder die schwersten Symptome hervortraten, wurde 
vergebens mit Collargol behandelt. Die nach der Injektion be¬ 
obachtete Temperatursteigung machte nach fünf Stunden 1,6°, 
nach vierzehn Stunden 2,1 0 aus und sank dann wieder. Tags 
darauf verendete der Patient plötzlich zusammenbrechend. 

4. Bei Phlegmonen hatte die Collargolinjektion nach den 
bisherigen Erfahrungen wenig Nutzen gebracht. Neuere Be¬ 
richte der Veterinäre Dr. Rüther, Rathje und Breitenreiter 
verzeichnen indes befriedigendere Resultate. 

5. In der Wundbehandlung wurde das Collargol vielfach 

und mit bestem Erfolg angewandt, namentlich bei fistulösen 
Wunden am Genick, ‘Widerrist, Brustbein, Hufknorpel, bei 
Nageltritten, Sehnenscheiden-, Gelenk- und Schleimbeutelwunden. 
Es wird ihm hervorragende sekretions- und eiterungsbeschrän¬ 
kende Wirkung nachgerühmt. — Roßarzt Biesterfeld be¬ 
handelte die offene Wunde, die sich ein Pferd durch Scheuern 
an einem Strick über Nacht am Metakarpus zugezogen hatte, 
zunächst mit warmen Creolinbädern und legte dann einen Ver¬ 
band an. Bei der Abnahme desselben am dritten Tage zeigten 
sich die zwischen den Strangulationslinien gelegenen Hautstücke 
ausgefallen; in etwa Talergröße lag der Knochen frei und an 
der hinteren Seite waren die Beugesehnen sichtbar. Die Ex¬ 
tremität wurde zwei Stunden lang in einer Sublimatlösung ge¬ 
badet und dann eine mit Collargol 1:100 imprägnierte Watte¬ 
schicht auf die Wunde und ein weiterer Verband darübergelegt. 
Anfangs täglich, dann zweitägig wurde der Verband erneuert 
und die Konzentration der Lösung von 1:100 allmählich auf 
1:500 abgeschwächt. Nach vier Wochen war die Wunde im 
wesentlichen geheilt. 0. Albrecht. 


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Pseado-Tnberkolosis bei Schafen (Lymphadenitis). 

Von J. A. Gilruth, M. R. C. V. S., ChefveteriDär und Bakteriologe, 

Ncu-Seeland. 

i (Journal of Comp. Path. and Therap, Vol. XV., TI. 4.) 

Die häufigste Ursache der Beanstandung von Schafen in 
den großen Export-Schlachthäusern Neuseelands ist eine Affektion, 
die anfänglich ihren Sitz in den Lymphdrüsen hat und sich später 
auf Lungen und Pleura ausbreiten kann. Die Krankheit ist 
anderweitig unter den Namen Lymph-Adenitis (Norgaardund 
Hohler) und Adenitis caseosa (Cherry und Bull) beschrieben 
worden. Verf. zieht die Bezeichnung Pseudo-Tuberkulosis vor 
wegen der Ähnlichkeit sowohl der makro- und mikroskopischen 
Veränderungen als auch des Sitzes der Läsionen mit der 
Tuberkulose. 

Am häufigsten affiziert sind die Schenkelbug- und Kniekehlen¬ 
drüsen. Weiter können dann die anderen Lymphdrüsen erkranken; 
in keinem Falle wurde jedoch eine Veränderung in den pharyn¬ 
gealen, parotidealen und sublingualen Lymphdrüsen angetroffen. 

Von den Eingeweiden werden nach den bisherigen Er¬ 
fahrungen außer Lunge und Pleura keine anderen Teile in Mit¬ 
leidenschaft gezogen. 

Bei natürlicher Infektion verläuft die Krankheit niemals letal, 
höchstens entsteht in veralteten Fällen ein kachektischer Zustand. 

Alle Teile der Kolonie scheinen mehr oder weniger von 
dieser Schafkrankheit betroffen zu sein. Je mehr sich die 
Zuchten den Merinos nähern, desto größer ist der Prozentsatz 
der affizierten Individuen. Es wurden hier bis zu 3Y 2 Prozent 
Erkrankungen nachgewiesen. Alle Klassen von Schafen werden 
befallen, gelegentlich auch Lämmer. 

Als Ursache der Krankheit führt Verf. einen kurzen un¬ 
regelmäßig gestalteten Bazillus an, den er aus dem Eiter einer 
kranken Lymphdrtise isoliert hat. Derselbe hat eine Länge von 
0,5 bis 1 ft und eine Breite von 0,3 ft. 

Die Krankheit nimmt ihren Ausgang mit der Ansiedlung 
des spez. Bazillus in einer Lymphdrüse, welcher Nekrose ihrer 
Zellen erzeugt. 

Das Zentrum des nekrotischen Herdes degeneriert in einer 
eitrigen oder käsigen Masse und nimmt eine grünliche Farbe an. 
In den Lungen bilden sich die ersten Veränderungen in Form 
von Knötchen in der Regel in der Nähe der Pleura. Sie können 
so klein wie ein Hirsekorn sein und besitzen einen leicht grün¬ 
lichen Schimmer, der selbst durch die darüberliegende Pleura 
zu erkennen ist. Allmählich wird diese in Mitleidenschaft ge¬ 
zogen, ein fibrinöses Exsudat entsteht und später, vorausgesetzt 
daß der Prozeß nicht unter Entwicklung einer leichten Adhäsion 
zum Abschluß kommt, bildet sich an dieser Stelle eine Quantität 
Eiter oder käsiges Material, das immer mehr oder weniger durch 
einen dicken fibrösen Wall lokalisiert wird. 

Mit den Kulturen des vom Verf. isolierten Bazillus wurden 
Infektionsversuche gemacht, die bei Schafen, Ziegen, Meer¬ 
schweinchen und Kaninchen positiv ausfielen. Rinder scheinen 
immun zu sein. Nach subkutaner Verimpfung sehr virulenter 
Kulturen gingen Schafe in 36 Stunden, Meerschweinchen in 
2—3 Tagen und Kaninchen in 36—71 Stunden ein. Bei der 
Passage durch Kaninchen verminderte sich die Virulenz. Auch 
bei den Versuchstieren zeigte sich das allmähliche Fortschreiten 
der Krankheit von Lymphdrüse zu Lymphdrüse und schließlich, 
wenn sich der Eintritt des Todes verzögerte, die Ausbreitung 
des Prozesses auf die Lunge, ähnlich wie im Verlauf der echten 


BERLINER TIERÄRZTLICHE. WOCHENSCHRIFT. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 47. 


Tuberkulose. Selbst wenn an den entferntesten Körperteilen 
die Impfung stattgefunden hatte, erkrankte später die Lunge. 

Bemerkenswert sind noch die kulturellen Übereinstimmungen 
des gefundenen Mikroben mit dem Dyphtheriebazillus namentlich 
was das gelbliche Aussehen der Kulturen auf Rinderserum, das 
Wachstum derselben auf Agar und Bouillon anlangt. 

In Amerika scheint die Krankheit nach den Berichten in 
gleicher Ausdehnung unter den Schafen zu herrschen, obwohl die 
Lungen-Brustfellaffektion nicht so allgemein Vorkommen dürfte. 

Der Prozentsatz an Beanstandungen bei Schafen in den 
Vereinigten Staaten erreicht etwa die gleiche Höhe wie in 
Neu-Seeland. Peter. 

Beitrag znr Frage über das Vorkommen von Tuberkel¬ 
bazillen in der Milch von reagierenden Kühen. 

Von Tierarzt Olof Stenström-Hamra (Schweden). 

(ZelUchr. f. Tiermed. VI. Band, 4. Heft.) 

Zu seinen Versuchen benutzte Verfasser Milch von Kühen» 
die teils mit latenter, teils mit klinisch hochgradiger Tuberkulose, 
keinesfalls aber mit Eutertuberknlose behaftet waren. Von 
50 solchen Kühen, von denen der klinische und pathologisch¬ 
anatomische Befund am Schlüsse der Arbeit mitgeteilt wird, 
wurden die Milchproben in der Weise entnommen, daß vorher 
ein Teil der Milch ausgemolken und dann zunächst das Euter 
und dessen Umgebung gereinigt und desinfiziert wurden. Diese 
Proben dienten zu Injektionen bei 83 Versuchstieren. 

Das Resultat dieser Impfungen war dasselbe wie bei den 
Ostertagschen Versuchen und, im Gegensatz zu den Ergebnissen 
von Rabinowitsch und Kempner, ein durchaus negatives. 
Sämtliche Versuchstiere blieben frei von Tuberkulose. 

Hiernach scheint die Gefahr des Übergehens von Tuberkel¬ 
bazillen in die Milch sehr gering zu sein. Sie liegt, wie Nocard 
und Bang zuerst angaben, nur bei Eutertuberkulose und in 
äußerst seltenen Ausnahmen bei Kühen mit ausgebreiteter 
Tuberkulose vor. 

Trotzdem kann nicht geleugnet werden, daß die Tuberkel¬ 
bazillen ein ganz gewöhnlicher Befund in der Milch sind. Dieser 
scheinbare Widerspruch findet seine Erklärung zunächst darin, 
daß jedenfalls die Eutertuberkulose häufiger vorkommt, als man 
bisher angenommen hat, denn sie ist in ihren Anfängen am 
lebenden Tier schwierig zu diagnostizieren. Andrerseits gelangen 
jedoch, was bisher viel zu wenig beachtet ist, die Tuberkel¬ 
bazillen bei den reagierenden Kühen von außen in die Milch, 
und zwar für gewöhnlich erst während des Melkens. Sie 
stammen aus dem Kote der tuberkulösen Tiere, mit dem sie am 
Euter und dessen Umgebung hängen geblieben bzw. eingetrocknet 
sind. Daß Tuberkelbazillen in den Exkrementen lungentuber¬ 
kulöser Kühe Vorkommen, hat Ostertag nachgewiesen. 

Die Garantie dafür, eine Milch zu bekommen, die frei von 
Tuberkelbazillen ist, hat man nach Ansicht des Verfassers nur 
bei solchen Viehherden, in denen die Bekämpfung der Tuber¬ 
kulose mit Zuhilfenahme des Tuberkulins rationell betrieben und 
die peinlichste Sauberkeit beim Melken der Kühe beobachtet 
wird. Francke. 

Die Tuberkulose des Menschen und des Rindes. 

Referat von Olof Stenström in Tumba (Schweden). 

(Zeitichr. f. Tiermed. C. Band. 4. lieft.) 

Gemeinsam mit Prof. Svensson hat Stenström acht Kälber 
mit tuberkulösem Sputum von Phthisikern auf verschiedene 


Weise infiziert. Drei Kälber starben vorzeitig, die übrigen 
wurden ein halbes Jahr nach Beginn der Versuche obduziert. 
Dabei ergab sich, abweichend von den Kochschen Versuchs¬ 
resultaten, daß bei drei Kälbern die Tuberkulose sich von 
den Infektionsstellen aus auch auf innere Organe und 
deren Lymphdrüsen und selbst über seröse Häute 
ansgebreitet hatte. 

Hiernach behauptet Stenström, daß es ganz leicht ist 
Rinder mit menschlicher Tuberkulose zu infizieren, jedoch sei 
zuzugeben, daß die Virulenz der Tuberkelbazillen vom Menschen 
relativ geringer für das Rind ist. Francke. 

Über die Wirkung der starken kontinuierlichen 
elektrischen Ströme auf das Pferd. 

Von Prof. Arloing-Lyon. 

(Journal de Lyon nnd Journal de Physiologie und de Pathologie g6n£rale. 

Dezember 1902.) 

Aus seinen sehr ausführlichen Versuchen schließt A.: 

1. Pferde können durch einen kontinuierlichen Strom von 
400 bis 500 Volt getroffen und niedergeworfen werden, wenn 
sie einen beschlagenen Fuß auf den positiven Pol setzen und 
wenn der Boden um diesen Pol ein ausgezeichneter Leiter ist 

2. Niedergeworfene Pferde gehen nur dann ein, wenn der 
Strom den Organismus 60 bis 80 Sekunden lang durchläuft 
Nach 20 Sekunden stehen die Tiere wieder auf und genesen. 

3. Ströme von 450 bis 520 Volt wirken energisch auf das 
Nervensystem ein, wie es die tonischen Krämpfe der sämtlichen 
Muskeln zeigen. 

4. Beim Abnehmen der Reizbarkeit des Nervensystems 
werden die tonischen Krämpfe durch clonische ersetzt. 

5. Nach dem Tode ist die neuro-muskuläre Reizbarkeit 
nicht ganz erschöpft, denn sie äußert sich durch eine generali¬ 
sierte Zuckung im Moment der Unterbrechung des Stromes. 

6. Die tonischen Krämpfe suspendieren die Atmung. Diese 
tritt wieder ein, wenn die Elektrisierung von nur kurzer 
Dauer war. 

7. In den Versuchen konnte die Untersuchung des Herzens 
nicht in genügender Weise stattfinden, es kann daher nicht 
berichtet werden, ob in den mit Tod ausgegangenen Fällen, die 
Herztätigkeit vor oder gleichzeitig mit der Atmung stillsteht. 
Es erscheint jedoch wahrscheinlich, daß die Zirkulation während 
der tonischen Krämpfe mehr oder weniger gut unterhalten bleibt. 

8. Das Pferd kann nicht als das für kontinuierliche Ströme 
empfindlichste Tier bezeichnet werden; die Empfindlichkeit der 
Hunde ist viel größer. Namentlich das Herz wird bei dieser 
Spezies durch Ströme von relativ geringer Spannung stark be¬ 
troffen. 

Bezüglich der praktischen Anwendung bei Unfällen fügt 
A. bei: 

9. Ein auf einer elektrischen Bahn niedergewonenes Pferd 
hat die größten Chancen, den tödlichen Folgen seines Kontakts 
mit dem Strome zu entgehen, wenn man rasch seine Berührung 
mit dem positiven Pole aufhebt (also von der Leitung weg* 
zieht). 

10. Bei permanenter Elektrisation der Deckel der unter¬ 
irdischen Leitung erhöhen sich die Gefahren, wenn der Boden 
der Umgebung weich und feucht ist; sie vermindern sich bei 
Steinpflaster; sie sind minimal bei Holzpflaster oder wenn die 
Straße trocken ist. 


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19. November 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


729 


11. Der Tod infolge Elektrisierung durch Hochströme hinter* 
läßt keine absolut charakteristischen Läsionen; die Koexistenz von 
stellenweisen kongestiven Erscheinungen auf dem Darm, der 
Lunge, im Bindegewebe, der Färbung des Blutes, von mehr 
oder weniger ausgedehnten Brandwunden auf einem Pferde, das 
beim Passieren einer elektrischen Bahn plötzlich getroffen 
wurde, gestatten jedoch die Affirmative. Zftndel. 

Wochenübersicht über die medizinische Literatnr. 

Von Dr. Jess-Charlottenburg, 

KreUtlerarst. 

Zentralblatt für Bakteriologie. Bd. XXXIV, Nr. 8. 

Über die Einwirkung von Glykogen auf hämolytische Vorgänge; 
von Wendelstadt. Das Resultat dieser Arbeit ist folgendes: 
Das Glykogen übt einen Einfluß auf die Komplemente aus und 
kann dadurch hemmend auf hämolytische Vorgänge einwirken. 
Diese Einwirkung tritt nur dann zutage, wenn in einem Serum 
im Verhältnis zur Menge der Komplemente wenig Ambozeptoren 
vorhanden sind. Eine Verschiebung des Verhältnisses der 
Mengen zugunsten der Ambozeptoren hebt die hemmende 
Wirkung des Glykogens immer mehr und schließlich ganz auf. 
Aus diesem Grunde wirkt das Glykogen hemmend bei Normal¬ 
serum, nicht hemmend bei Immunserum. Denn in dem ersteren 
sind weniger Ambozeptoren als in dem letzteren im Verhältnis 
zu der Komplementmenge. 

Ein Normalserum läßt sich von einem Jmmunserum durch 
dies verschiedene Verhalten gegenüber dem Glykogen unter¬ 
scheiden. 

Die Wirkung des Glykogens ist in weiten Grenzen unab¬ 
hängig von der zugesetzten Menge. Sie tritt nur ein, wenn 
das Glykogen dem Serum zugesetzt wird, ehe die passenden 
Blutkörperchen zugefügt sind. Die Verbindung Rezeptor und 
Ambozeptor wirkt so stark anziehend auf das Komplement, daß 
bei gleichzeitigem Zusammenbringen von Komplement, Ambo¬ 
zeptor, roten Blutkörperchen und Glykogen eine Verbindung 
von Komplement und Glykogen nicht stattfindet oder wenigstens 
nicht bemerkbar wird. 

Über die Bindung des Bakteriohämolysins an die roten Blut¬ 
körperchen; von Dr. Volk. 

1. Die Bindungsgröße der Bakteriohämolysine ist abhängig 
sowohl von der Menge des Lysins als auch von der der Blut¬ 
körperchen, wobei die absolute Höhe des gebundenen Lysins 
mit der Zunahme der beiden Faktoren wächst, während die 
relative abnimmt. 2. Die Größe der Bindung wechselt sowohl 
je nach dem Individuum derselben Spezies, als auch beim selben 
Individuum nach der Art des Lysins. 3. Die Temperatur hat 
einen Einfluß auf die Schnelligkeit der Bindung. 4. Die Re¬ 
aktionsgeschwindigkeit wächst mit der Menge des zugegebenen 
Lysins. 5. Das Gesetz der Massenwirkung erklärt die Eigen¬ 
tümlichkeiten der Bindungsverhältnisse. 

Zur Lehre von den antitoxlschen Seris; von Dr. Friedrich 
Weichsberg. Verfasser hat die Frage studiert, ob die 
Toxine als einheitliche Körper aufzufassen sind, oder ob wir 
eine Reihe von Toxinen annehmen und er kommt zu dem 
Schluß, daß die Toxine aus einer großen Anzahl von Partialtoxinen 
zusammengesetzt sind und dementsprechend bei der Immunisierung 
auch ein Gemisch von Partialantitoxinen produziert werden muß. 
Deshalb bezeichnet schließlich Verfasser als Ziel der Serum¬ 
therapie die Erzeugung möglichst polyvalenter antitoxischer 


Heilsera gegen die verschiedenen Partialtoxine der Krankheits¬ 
erreger. 

Münchener medizinische Wochenschrift Nr. 43. 

Über eine bisher unbekannte Wirkung der Röntgenstrahlen 
auf den Organismus der Tiere; von Dr. med. Alb er s-Schönberg. 
A. beobachtete, daß infolge der Bestrahlung bei männlichen 
Meerschweinchen und Kaninchen Sterilität eintrat durch Nekro¬ 
spermie, welche schließlich in absolute Azoospermie übergeht. 

Die Streptokokkenserumbehandlung der Tuberkulosemisch¬ 
infektion; von Stabsarzt Dr. Menzer. M. hat Tnberkulose- 
patienten mit Streptokokkenserum behandelt und zwar in Fällen, 
in denen eine Mischinfektion von Streptokokken- und Tuberkel¬ 
bazillen vorlag. Er konnte beobachten, daß zunächst das Fieber 
als Zeichen der Reaktion anstieg und erst in einigen Tagen 
zur Norm zurückkehrte. Das Allgemeinbefinden der Kranken, 
besonders die Eßlust, besserte sich wesentlich. Die Erfahrungen 
gestatten jedoch noch nicht ein abschließendes Urteil. 

Beitrag zur Immunisierung mit Eierstock; von K. Skrobansky 
in St. Petersburg. Um die Frage nach der Bedeutung des 
Eierstocks und des Corpus luteum zu klären, hat Verfasser den 
Versuch gemacht, entweder die Tätigkeit des Eierstocks oder 
die Wirkung des Corpus luteum auszuschalten. Er hat, nachdem 
bereits von Düngern mit Echinodermeneiern Spermatozoon 
agglutinierende Sera hergestellt hatte, durch Vorbehandlung mit 
Spermatozoen ein Serum gewonnen, mit welchem es ihm gelang, 
in allen Eierstöcken alle Eier, sowohl die jungen, wie auch die 
der Graafsehen Follikel abzutöten. 

Deutsche medizinische Wochenschrift Nr. 44. 

Die Morphologie und Chemie der fettigen Degeneration; von 
Professor Ribbert. Die Erklärung des Zustandekommens der 
fettigen Degeneration kann in verschiedener Weise gegeben 
werden, einmal unter Zugrundelegung chemischer Untersuchungs¬ 
methoden, so von Rosenfeld und Kraus, zweitens aber auch 
auf der Basis morphologischer Studien, so von Ribbert. Von 
den ersteren wird angenommen, daß bei Vergiftungen die Fett¬ 
entartung auf einer Fettwanderung, einer Zufuhr des Fettes aus 
den Fettdepots, vor allem aus dem Panniculus adiposus beruht. 
Bei der lokalen Degeneration ist das Fett abzuleiten aus den 
bereits vorhandenen, fettverwandten Stoffen, wie Lecithin, Pro¬ 
tagon oder auch daraus, daß das Fett im Zellsaft außerordentlich 
fein emulgiert ist und unter der Einwirkung der Schädlich¬ 
keiten körnig ausfällt. R. steht auf dem Standpunkt, daß die 
fettige Degeneration nicht auf dem Hervortreten bereits vor¬ 
handenen Fettes beruht, sondern daß es eine Infiltration von 
Fett in geschädigte Zellen ist. Wir kennen hierin einen 
physiologischen Vorgang, das ist eine Aufspeicherung von Fett 
in die normalen Zellen des Fettgewebes und einen pathologi¬ 
schen Vorgang, das ist die Infiltration von Fett in kranke 
Zellen. 

Über Schneilhärtung und Sohnelieinbettung; von Dr. Arthur 
Stein. Das Verfahren der von Gutmann und Lubarsch an¬ 
gegebenen Schnelleinbettung ist kurz zusammengefaßt folgendes: 

1. Einlegen in 10 Proz. Formalin bis 5 Minuten 

2. Übertragen in 95 Proz. Alkohol bis 5 Minuten im Brut- 

3. Übertragen in absoluten Alkohol bis 10 Mi- schrank 

nuten (einmal wechseln) bei 

4. Übertragen in Anilinöl, bis zur vollkommenen 50 bis 52° 
Durchsichtigkeit, 15 bis 20 Minuten 


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780 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 47 


5. Xylol zwei- bis dreimal wechseln, circa im Brut- 
15 Minaten schrank 

G. Parafin, 10 Minuten bis V 2 Stunde, je nach bei 
Größe der Stücke 58 bis 60° 

Diese Methode hat den Vorteil, daß sie bereits in l 1 ^ Standen 
znm Ziel führt, während bei dem früheren langsamen Verfahren 
mehrere Tage erforderlich waren, bis die Blöcke zam Schneiden 
fertig gegossen waren. 

Die Fehler der Darwinschen Theorie; von Prof. A. Fleisch¬ 
mann in Erlangen. F. hält es für erforderlich, die Darwinsche 
Theorie in die Rumpelkammer zu befördern. Er ist aber aller¬ 
dings nicht in der Lage, an deren Stelle eine andere zu setzen. 
Nachdem er eingehend auf die Darwinschen Grundgedanken ein¬ 
gegangen ist, bemängelt er zunächst die Begriffe der bewußten 
und unbewußten Zuchtwahl. Vor allen Dingen bemängelt er 
den von Darwin geschaffenen neuen Begriff des Kampfes ums 
Dasein, in welchem er eine unbewußte Zuchtwahl sah, und eine 
derartig unbewußte Zuchtwahl hält er nicht für möglich. Er 
greift einige ihm besonders beweisend erscheinende Abschnitte 
heraus. So z. B. den Abschnitt über die Giraffe. „Die Giraffe 
ist angepaßt für das Abweiden hoher Baumzweige, eine zu Zeiten 
der Hungersnot vorteilhafte Eigenschaft. Giraffen, welche 2,5 
bis 5 cm höher reichten als andere, werden oft erhalten ge¬ 
blieben sein. Diese haben sich gekreuzt und Nachkommen mit 
derselben Eigenschaft, oder wenigstens der erblichen Neigung 
dazu hinterlassen. Die durch Körperlänge weniger begünstigten 
Giraffen sterben aus.“ Dauerte der Prozeß lange, so könnte 
ein hoch hinaufreichender Wiederkäuer in eine Giraffe ver¬ 
wandelt worden sein. In derselben Weise hält sich F. über die 
von Darwin über die Entstehung der Fledermäuse etc. ge¬ 
machten Angaben auf. Es mnß jedoch wegen der Einzelheiten 
dieser Veröffentlichung auf das Original verwiesen werden. 

Die Lysolverfliftunfl; von Kays er. K. beschreibt zwei Ver¬ 
giftungen, bei denen es sich um sehr große Dosen handelte. 
Die Erscheinungen waren lokale Verätzungen, langdauerndes 
Coma, Cyanose, Atemnot, hochgradige Herzschwäche, beginnendes 
Lungenödem und vorübergehende Nierenentzündung. 

Beitrag zur Behandlung von Ernährungsstörungen im Sfiugiings- 
alter. In der Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte in 
Kassel sprach Re in ach über diesen Gegenstand und über seine 
Erfolge mit Pegninmiicb. Rein ach hatte keine Vorteile der 
Pegninmilch gegenüber gewöhnlicher Milch gesehen. 

Deutsche Medizinische Wochenschrift Nr. 45. 

Über die durch die Schwerverdauiichkeit der Kuhmilch ver- 
anlaßten Gesundheitsstörungen des Säuglings und die Wege zu 
ihrer Verhütung oder Beseitigung; von Edlefsen. E. sprach 
über diesen Gegenstand in der Sitzung des ärztlichen Vereins 
in Hamburg am 5. Mai 1903. Die Ausführungen E.s gipfeln 
darin, daß er empfiehlt, bei Kuhmilchernährung täglich drei- 
bis viermal, unmittelbar vor der Verabreichung der Flasche, 
0,25 bis 0,30 g deutsches Pepsin-Witte in wenig Wasser gelöst zu 
geben. 

Das Trypanosoma Castellani, der Erreger der Schlafkrankheit 
der Neger. In der Niederrheinischen Gesellschaft für Natur- und 
Heilkunde in Bonn sprach am 16. Mai 1903 Kruse über diesen 
Gegenstand und betonte, daß Castellani im Aufträge der 
Royal Medical Society in Uganda festgestellt hat, daß die 
Kranken schon während des Lebens in dem durch Punktion 
entleerten Liquor cerebrospinalis Trypanosomen erkennen lassen, 


welche bei einer ganzen Reihe von Tierkrankheiten (Surra, 
Mal de caderas, Nagana) eine wesentliche Rolle spielen. 

Über Bazillenbefunde bei Syphilis. Auf dem achten Kongreß 
der Deutschen dermatologischen Gesellschaft in Serajewo am 
21. bis 23. September 1903 teilte Waelsch in Prag mit, daß 
er zweierlei Bazillenformen sowohl bei Luetikern als auch bei 
Gesunden gefunden hat und zwar glaubt W., daß es sich nicht 
um den Erreger der Syphilis handelt. Es sind Bakterien, welche 
der Gruppe der Diphtheroiden angehören und welche mit den 
von von Nießen, Pfeifer, Joseph-Piorkowski gefundenen 
identisch sind. Bei Tierversuchen riefen diese Bakterien ein 
papulöses Exanthem hervor, welches tierärztlich als Urticaria 
gedeutet wurde. 

I ’irchoirs Archiv. Bd. 174, Heft 1. 

Experimentelle Tuberkulose; von J. de Haan. Die in Java 
lebenden Rinder, Pferde und auch Ziegen galten bisher deshalb 
als rasseimmun gegen Tuberkulose, weil man bei ihnen tuber¬ 
kulöse Veränderungen noch nicht beobachtet hatte. Verfasser 
hat nun diese Tiere künstlich infiziert und gefunden, daß sie 
der Infektion leicht zugänglich sind. Auch Affen erkranken 
besonders leicht an Tuberkulose und vor allem sind es die 
Lungen, welche bei diesen Tieren zuerst angegriffen werden. 
Archir für Hygiene. Bd. 4S, Heft 2, 1903. 

Die Konservierung des Hackfleisches mit neutralem sohweflig- 
saurem Natrium; von Altschüler. Die Versuche des Verfassers 
bilden eine weitere Stütze zu der bekannten Tatsache, daß das 
neutrale, schwefligsaure Natrium das Hackfleisch nicht zu kon¬ 
servieren vermag, dagegen ihm ein Aussehen gibt, welches die 
Käufer über die wahre Beschaffenheit täuschen muß. Das 
Fleisch hat noch ein gutes Aussehen zu einer Zeit, in der bereits 
die Zersetzungsvorgänge vorgeschritten sind. 

Tagesgeschichte. 

Apothekerisches von jenseits der Grenze. 

Eine Annonce in Nr. 34 der B. T. W. sucht einen Tierarzt 
mit theoretischem Wissen zur Begutachtung eines neuen Präparates. 

Pferdeschoner mit obligatem Freiexemplar, oder 2 M. 
Barverdienst pro Paar, ziehen bei mir nicht — ich hatte 
derzeit zur Bereicherung meiner Kenntnisse auf die Annonce 
mit dem kleinen Nebenverdienst reagiert —, theoretisches Wissen 
setzt unbedingt höhere Ziele voraus, dachte ich, schrieb sub 
I. L. 5399 an Rudolf Mosse, Berlin S. W. und harrte der Dinge, 
die da kommen sollten. 

Und sie kamen in Form eines eingeschriebenen Briefes 
mit Rückschein, Poststempel Esz<*k (Osiek). Schon der Firmen¬ 
aufdruck Apotheke Dr. Victor David Essegg, brachte eine Ent¬ 
täuschung, denn im ersten Augenblick hatte ich noch gehofft: 
Donnerwetter! das halbe Los, von der ung-. 

Lesen wir also, was Herr Apotheker Dr. Victor David in 
Essegg unterm 1. September 1903 (buchstäblich) schreibt: 

Sehr geehrter Herr! 

Ich bestätige bestens dankend den Erhalt Ihres Briefes, 
durch R. Mosse und erwidere mit folgendem: 

Ich möchte wünschen die Begutachtung meines Präparates, 
des „Antigrins“, welches schon unzählige Male mit bestem Er¬ 
folge angewendet wurde (dies sei ganz unparteiisch gesagt). — 
Das „Antegrin“ wurde als Stomachicum und Laxans von der 
hohen königlichen Kroat. Slavon. Dalmatinischen Landesregierung 


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19. November 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


731 


konzessioniert, auf Grund des Gutachtens des königl. Chem. 
Analyt. Landesinstitutes. 

Das „Antegrin“ ist ein Gemenge von vegetabilischen Pul¬ 
vern, organischen und anorganischen Salzen, deren hervor¬ 
ragende Güte strengsten europäischen Pharmacopöen entspricht. 
Die Zusammensetzung ist nach empyrisch erprobten Mengen¬ 
verhältnissen normiert; die pharmakodynamische Wirkung in¬ 
diziert es als wertvolles und vorzügliches Stomachicum und 
Laxans (Antelminticum), Tonicum, Expectorans und Cardiacum, 
bei symptomatischer Behandlung interner Erkrankungen. 

Ich möchte bitten Ihr Gutachten auf die Anwendung bei 
Schweinen, Pferden und Hornvieh zu erstrecken und selbes der¬ 
art zu verfassen, daß selbes dem Tierarzte und dem intelligenten 
Landwirte verständlich sein. — Mein Anliegen ist, Ihr Referat, 
welches in einem ixbeliebigen durch Sie zu bestimmenden 
deutschen Fachblatte zu publizieren wäre, ins Ungarische 
übersetzt hierzulande in einem tierärztlichen Blatte zu re¬ 
produzieren. — Das Referat möge sich auf etwa 2—2 l / 2 Oktav 
Druckseiten erstrecken. — 

Ich bitte höflichst mir gütigst bekannt zu geben, was Sie 
für Ihre Mühe beanspruchen, weiters wieviel Sie von „Antegrin“ 
benötigen (Dosen sind, nach Alter und Größe des Tieres, 3 bis 
4 mal täglich 2 bis 3 Eßlöffel voll), endlich, in welchem Zeit¬ 
raum das Elaborat dort publiziert erscheinen könnte; Letzteres, 
nämlich die Übermittlung der Redaktion ersuche ich Sie zn be¬ 
werkstelligen. 

Denigne, wenn Sie zur Ihrer Orientirung über mich Refe¬ 
renzen haben wollen, so bitte sich zu wenden: an Dr. Leo Lieber¬ 
mann, ö. o. Univers.-Prof. der Hygiene in Budapest; an Franz 
Wilhelm & Co., Droguen-Großisten in Wien, an Constantin 
Gr aff, königl. Rat, Bürgermeister der Stadt Esseg. 

Ich erbitte mir baldigst Ihren gütigen Bescheid und zeichne 
mit vorzüglicher Hochachtung 

folgen 4 Reihen Firmenstempel 
gez. Dr. Victor (unleserlich von ? ?) David. 

Jetzt war mein theoretisches Wissen wiedermal um eine 
Erfahrung reicher. Also ein von einer hohen königlichen Croat. 
Slavon. Dalmatinischen Landesregierung konzessioniertes Sto¬ 
machicum und Laxans (ja, diese hohe Regierung wird schon 
wissen was not tut), das daneben noch Antelminticum (Nb. die 
Abschrift ist buchstäblich genau) Tonicum, Expectorans und 
Cardiacum ist, will die Apotheke „zum Hl. Stephan König in 
Esseg“ auf die Anwendung bei Schweinen, Pferden und Horn¬ 
vieh begutachtet haben, derart daß selbes dem Tierarzte and 
dem intelligenten Landwirte verständlich sein. 

Der Rest ist Schweigen! Postwendend ging an Herrn Dr. 
Victor David die Antwort: 

Sehr geehrter Herr! Auf Ihr Schreiben vom 1. er. die er¬ 
gebenste Mitteilung, daß ich befürchte, mein „theoretisches 
Wissen“ dürfte den Anforderungen, welche Sie stellen, nicht 
entsprechen. 

Um nun Ihrem jedenfalls ganz vorzüglichen Stomachicum, 
Laxans, Antelminticum (sic) Tonicum, Expectorans und Cardiacum 

— Nb. wie klingt statt „Antegrin“ „Slatec“ — nach den An¬ 
fangsbuchstaben vorstehender Eigenschaftsbezeichnungen? — in 
keiner Weise zu nahe zu treten, möchte ich doch lieber die 
Finger davon lassen, denn Sie wissen wohl: Semper aliquid haeret 

— namentlich bei so staubigen Sachen! 

Hochachtungsvollst. 


Jedenfalls verdient die Geschichte etwas niedriger gehängt 
zu werden. 

Greversmtihlen, den 6. September 1903. 

Carl Angerstein, pr. Tierarzt. 

Tierärztlicher Verein für die Provinz Brandenburg. 

Der Verein hielt am 8. November seine Herbstversammlung 
ab, welche von 63 Mitgliedern besucht war. Nach Verlesung 
des Protokolls der letzten Versammlung nnd geschäftlichen 
Mitteilungen erstattete der Rendant Kreistierarzt Clans den 
Kassenbericht über das Vereins vermögen und dasjenige der 
Sterbekasse, welche letztere im abgelaufenen Kassenjahr nicht 
einen einzigen Sterbefall zu verzeichnen gehabt hat. 

Neu aufgenommen in den Verein wurden durch Ballotage 
Schlachthofverwalter Dr. Bauermeister in Friedeberg, Schlacht¬ 
hofdirektor Hafenrichter in Landsberg a. W., Kreistierarzt 
Liesenberg in Zielenzig und Vorsteher am Serum-Institut 
Dr. Schubert in Landsberg &. W., während die Kreistierärzte 
Dr. Keller-Greifenhagen und E. Siebert-Osterbnrg wegen 
Umzuges ihren Austritt erklärt haben. Der Verein zählt nach 
diesen Veränderungen 132 Mitglieder. Zur Aufnahme gemeldet 
haben sich die Tierärzte Goßlau-Gransee, Sahn-Finsterwalde 
und Lasch-Templin, über deren Aufnahme statutengemäß erst 
in der nächsten Sitzung ballotiert werden kann. 

Entsprechend einer Anregung der letzten Versammlung war 
davon abgesehen worden, größere Vorträge auf die Tagesordnung 
zu setzen, um den „Mitteilungen aus der Praxis“, welche seit 
langer Zeit zugunsten von Vorträgen stiefmütterlich behandelt 
worden waren, diesmal die erste Stelle einzuräumen. Diese 
Mitteilungen wurden von Herrn Tierarzt Meier-Ketzin in 
sehr anregender Weise eröffnet durch eine Besprechung zahl¬ 
reicher Beobachtungen über „Kalbefieber ohne Kalben“, über 
die Entstehung solcher Affektionen und ihre Behandlung mit 
Luftinfiltration des Euters. Diese Beobachtungen, welche in der 
B. T. W. werden veröffentlicht werden, riefen eine lebhafte und 
ergibige Besprechung hervor, an welcher sich 15 Redner be¬ 
teiligten, so daß die verfügbare Zeit überraschend schnell ver¬ 
strichen war. Der Wunsch, den „Mitteilungen aus der Praxis“ 
größeren Raum zu gewähren, hat sich damit als sehr berechtigt 
und glücklich erwiesen und wird auch ferner alle Beachtung finden. 

Der zweite Gegenstand der Tagesordnung waren „Er¬ 
fahrungen über die Einführung der Fleischbeschau“. Zu einer 
Erörterung allgemeiner Gesichtspunkte kam es jedoch dabei 
nicht; die Besprechung beschränkte sich auf einzelne lokale 
Klagen. Es entstand der Eindruck, als ob diese für die Tier¬ 
ärzte so sehr wichtige Materie erst noch etwas ausreifen müsse, 
ehe sie mit Nutzen einer Betrachtung unterzogen werden kann. 
Die zu erwartende Plenarversammlung der Zentralvertretung 
wird voraussichtlich diese Frage in größerem Stile behandeln. 

Um 3 Uhr wurde die Vereinssitzung geschlossen und der 
größte Teil der Mitglieder fand sich zu zwangloser Tafelrunde 
zusammen, an welcher es sehr fröhlich und angeregt zuging, 
bis die Abend- und Nachtzüge die Teilnehmer in ihre Heimat 
entführten. Von einem Diner oder sonstigen Festlichkeiten war 
mit Rücksicht auf das Ballfest im vorigen Jahre abgesehen worden. 

Verband der Privattierärzte in Preussen. 

Die diesjährige General-Versammlung des V. d. P. T. 
findet in der zweiten Hälfte des Monats Januar 1904 in Berlin 
statt. Etwaige Wünsche und Anträge von seiten der einzelnen 


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732 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 47. 


Verbandsgruppen bezüglich der Tagesordnung sind bis znm 
10. Dezember d. J. dem Unterzeichneten zu unterbreiten. 

Dr. Jelkmann, I. Vorsitzender. 

Verein Kurhessischer Tierärzte. 

Einladung zur 38. Generalversammlung, 

Sonntag den 29. November er., vormittags 10 1 /» Ubr (präc), im 
Hotel „Kasseler Hof 1 in Kassel. 

Tagesordnung: 1. Geschäftliche Mitteilungen. 2. Beschaffung 
von Ehrendiplomen. 3. Bericht über den Bestand der Vereinskasse, 
4. Über Anti- und Asepsis in der Geburtshilfe. Referent: Kreis¬ 
tierarzt Dr. Storch-Schmalkalden. 5. Die Schlachtvieh- und Fleisch¬ 
beschau (einschließlich Trichinenschau) nach den neuen gesetz¬ 
lichen Bestimmungen. Referent: Departementstierarzt Tietze- 
Kassel. 6. Wahl von Delegierten zum deutschen Veterinärrat und 
zur Zentral Vertretung. 7. Neuwahl des Vorstandes. 8. Aufnahme 
neuer Mitglieder. Nach der Sitzung (gegen 2 Uhr) findet im „Kasseler 
Hof“ gemeinsames Mittagmahl mit Damen statt, wozu noch besonders 
einladct Tietze, Vorsitzender, Parkstr. 9. 

München. 

An der tierärztlichen Hochschule zu München sind für das 
laufende Wintersemester 20 Studierende I. Semesters imma¬ 
trikuliert. 

Institut Behring. 

Nach einer Mitteilung der Münchener medizinischen Wochen¬ 
schrift Nr. 44 d. Js. und nach Veröffentlichung der Tagespresse 
beabsichtigt die preußische Regierung ein dem Institut Pasteur 
ähnliches „Institut Behring“ zu errichten. Die Aufgabe 
dieses neuen Institutes soll es sein, Fragen auf dem Gebiete 
der Serumforschung zu lösen, dann die kunstgerechte Her¬ 
stellung von Serie aller Art zu betreiben und namentlich die 
Preise der verschiedenen Sera wesentlich zu verbilligen. (?) 

Dr. Jeß. 

Aus dem ärztlichen Stande. 

Entscheidungen des ärztlichen Ehrengerichtshofes. 

1. Die Verweigerung ärztlicher Hilfeleistung in Fällen 
dringender Lebensgefahr, sei es durch plötzliche schwere Er¬ 
krankung oder durch plötzliche Verschlimmerung einer Krank¬ 
heit, enthält einen Verstoß gegen die ärztlichen Standespflichten 
(1. Dezember 1902). 

2. Abfällige Kritik der Berufstätigkeit eines anderen Arztes 
in einem behördlich geforderten Gutachten, soweit sie über die 
Bahnen sachlicher Kritik und die Widerlegung des Gegengut¬ 
achtens hinausgeht, begründet einen Verstoß gegen die ärztllöjje 
Standesehre (2. Dezember 1902). 

3. Das häufige Annoncieren enthält eine vom Standpunkte 
der ärztlichen Standesehre zu starke Betonung des gewerblichen 
Momentes, welches geeignet ist, das Ansehen des Standes in 
den Augen der Bevölkerung herabzusetzen. Die Untersagung 
des häufigen und reklamehaften Annoncierens steht weder mit 
den Bestimmungen der Reichsgewerbeordnung, noch mit dem Ge¬ 
setze zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes im Wider¬ 
spruch. Anpreisungen, welche Flaschen und Gebrauchsanweisungen 
aufgedruckt sind, sind marktschreierisch, trotzdem sie nur zur 
Kenntnis eines beschränkten Kreises (der Käufer) kommen. 
Die an die Laienwelt sich wendende Reklame auch zwecks Ver¬ 
öffentlichung eines angeblich dem Wohle der Menschheit dienenden 
Heilmittels ist eines Arztes unwürdig (2. Dezember 1902). 

4. Vermöge der Freizügigkeit ist jeder Arzt berechtigt, sich 
behufs Ausübung der Praxis in jedem beliebigen Orte nieder¬ 
zulassen. Der Umstand, daß die ärztliche Praxis an einem 


Orte nur einen Arzt zu ernähren im stände ist, steht auch aus 
dem Gesichtspunkte der ehrengerichtlichen Beurteilung der 
Niederlassung eines zweiten Arztes an diesem Orte nicht ent¬ 
gegen (1. Dezember 1902). 

(Ministerialblatt für Medizinal- und medizinische Unterrichts- 
Angelegenheiten 1903, No. 11.) 

Ärztekammern. 

Der Ausschuß der preußischen Ärztekammern hat be¬ 
schlossen, der Regierung einen Antrag auf Abänderung der 
Ehrengerichte und des Umlagerechts einzureichen. Die erstere 
bezieht sich nur auf die Kostenfrage. Bezüglich des letzteren 
ist das Wesentliche, daß approbierte Ärzte, welche eine Praxis 
nicht ausüben und dem Vorstande der Ärztekammer eine schrift¬ 
liche Erklärung darüber einreichen, von der Beitragspflicht be¬ 
freit sein sollen. Dies ist in der Tat eine Forderung der Ge¬ 
rechtigkeit, denn es kann doch der Umstand, daß jemand einmal 
die Approbation als Arzt erworben hatte, ihn nicht zwingen, 
diesem Stande lebenslang anzugehören. 

Dr. phll. u. Dr. med. Ein approbierter Arzt, welcher nicht als 
Dr. med., sondern als Dr. phil. promoviert ist, muß sich aus¬ 
drücklich als Dr. phil. unterzeichnen, nicht schlichtweg als Dr., 
weil dadurch nach einer Entscheidung des Kammergerichtes vom 
2. November 1891 und des Oberverwaltungsgerichtes vom 25. Fe¬ 
bruar 1897 das Publikum zu der Annahme gebracht würde, daß er 
als Dr. med. promoviert sei (Ministerial-Erlaß vom 27. April 1803). 

Personalien. 

Ernennungen: Grenztierarzt Alfred Neimeier in Basel unter Be- 
lassung in seinem Amt zum etatsmäßigen großh. badischen Bezirks¬ 
tierarzt ernannt. Tierarzt Ixtuis Meyer zum Schlachthofassistenten 
in Neunkirchen (Reg.-Bez. Trier) 

Wohnsitzveränderungen, Niederlassungen: Verzogen ist Distrikts¬ 
tierarzt Josef Hartl von Neukirchen-Heil. Blut nach Ottobeuren; 
Tierarzt F. Carl von Wittstock nach Brandenburg; Adolf Waldeck 
von Zierenberg nach Heringen. 

Tierarzt Sasky bat sich in Eisleben niedergelassen. 

Examina: Die amtetierärztliche Prüfung bestanden in München 
die Tierärzte: Dr. Arthur Köhler in Kahla (S.-A.); Chr. Facklet in 
Püttlingen; II. Lindner in München; Herrn. Weel in Freising; 
P. Speiser in München; W. Eilhauer in Nördlingen; L. Bierling in 
München; O. Schrüfer in Schöllkrippen; Matth. Miller in Wörth; 
St. Schmidt in München; Fr. Steinmaier in Neumarkt a. Rh.; 
0. Rciseneder in Landshut; Clothar Kohlet- in Krüt im Elsaß; 
Ant. Kircher in Egling; Jos. Luginger in München; II. Hatxold fn 
Baunach; P. Wittmann in Regenstauf; Jos. Strauß in Hamburg; 

H. Scherg in Isen; A. Metsch in Kraiburg; J. Seidl in Schwab- 
mlinchen; Ouido Boehme in Starnberg; J. Riebel in Landshut; 
Her. Köhl in Schweinfurt; A. Junker in Dresden; Lud. Schmitt in 
Neustadt a. S.; Ed. Dictsch in Hof; J. Roesch in Erbendorf; 
Fr. Durst in Kulmbach; Al. Hamberger in Penzberg; W. löllner 
in Wildeshausen (Oldenb); Th. Mayr in Hollfeld; K. Greiner in 
München; K. Matt in Glanmünchweiler; J. Heigenlechncr in München; 
K Bertelmann in Dillingen; Dr. Cornelius in München; Dt. Zellhuber 
in München; E. Dick in Dieuzc; Luferseder in Klingenberg a. M.; 
Dr. Musterte in Memmingen; W. Franz in Ebeleben (Schw.-Sond.); 
Nor. Metz in Scheßlitz; Heinr. Blume in München. 

Todesfall: Tierarzt Sturtz, Assistent am Tierspital in Gießen. 

Vakanzen, (s. Nr. 45.) 

Neu hinzugekommen: Hohnstein (Sächs. Schweiz): Tierarzt für 

I. Januar 1904, Staatsbeihilfe bis Ende 1905 500 M. Gemeindebeihilfe 
jäbrl. 250 M. Einkommen des jetzigen Inhabers mindestens 4000 M. 
Auskunft bei Tierarzt Fiedler. Meldungen an den Gemeinderat. 

Besetzt: Braunschweig, Königsberg. 


Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmaltz ln Berlin. — Verlag and Eigentum von Richard Schoetz ln Berlin. — Druck von W. Bdxenitein, Berlin. 


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DU TUrftrstUelM Woohonaehrift* «neluU 

wöchentlich Im Vorlage von Richard Sehoeta in 
Berlin, Lnlaenatr. 36. Durch Jede« deutsche Poatamt wird 
dlaaelbe aum Prelae Ton M. 5,— rierteljährlich (M. 4,88 för 
die Wochenschrift, 11 Pf. fflr Bestellgeld) frei Ina Hau» 
geliefert (Deuteebe Poat- Zeitung» - Prelaliate No. 110t, 
Oeeterreiohlaohe No. 610, Ungarlache No. 00.) 


Berliner 


Original beltrlge werden mH 60 ILt in Petitants aalt 
•0 Hk. für den Bogen honoriert Alle Mannakrlpte, 
Mitteilungen and redaktionellen Anfragen beliebe man 
an aenden an Prot Dr. Schmält«, Berlin, tierirat- 
Uohe Hoobaohnle, NW, Luisen°traaae 66. Korrektoren, 
Reaanalona-Exemplare and Annoncen dagegen an die 
Verlagabuchhandlong. 


Tierärztliche Wochenschrift 


Redaktion: 

Professor Dr. Schmaltz-Berlin 

Verantwortlicher Redakteur. 


De Brohl 

Dr. Jen 

Kühnaii 

Dr. Lothes 

Nev ermann 

Prof. Dr. Peter 

Peters 

Professor 

Kreistlerarxt 

8chlaohthofdlrektor 

Departemenutlerarst 

KreUtierarst 

Krelatlerarzt 

Departemenutlerarst 

Utrecht 

Charlottenburg. 

CöJn. 

Cöln. 

Bremervörde. 

AngermQnde. 

Bromberg. 


Preusse 

Dr. Boeder 

Dr. Schlegel 

Dr. Vogel 

Zündet 



Veterin&rasaesaor 

Profeaaor 

Professor 

Landestlerarat v. Bayern Krelstierarst 



Danzig. 

Dresden. 

Freibarg L Br. 

München. 

Mülhausen I. 

E. 


Jahrgang 1903. Jfä. 48 . Ausgegeben am 26. November. 


Inhalt: Lorenz: Die Bekämpfung derRindertuberkuloae und das v. Behringsche Immunisierungsverfahren. — Referate: 

Moore: Ein Versuch mit der Benutzung der Luft und des Sauerstoffs zur Hemmung der tuberkulösen Prozesse bei reagierenden 
Rindern. — Vivien: Über die Verwendung des Lysols in der Behandlung der Hufkrankheiten. — Je6: Wochenübersicht über 
die medizinische Literatur. — Tagesgeschichte: Ein vergessenes Häuflein. — Verschiedenes. — Personalien. — Vakanzen. 


Die Bekämpfung der Rindertuberkulose und das 
v. Behringsche Immunisierungsverfahren. 

Vortrag gehalten in der Generalversammlung des tierärztlichen 
Vereins der Provinz Starkenburg am 31. Oktober 1903. 

Von 

Dr. Lorenz, 

Obermedizinalrat 

Bei keiner Krankheit sind die Ansichten der Forscher in 
bezng auf Entstehungsursachen und Bekämpfungsmethoden in 
verhältnismäßig kurzen Zeitabschnitten so oft gewechselt worden, 
als bei der Tuberkulose von Mensch nnd Rind. 

Die Rindertnberkulose, kurzer Hand Perlsucht genannt, 
wurde bis zum Jahre 1782 für Syphilis gehalten nnd wie diese 
mit dem Namen „Franzosenkrankheit" bezeichnet. In erwähntem 
Jahr widerlegte Kreisphysikns Heym in Spandau die syphilitische 
Natur der Perlsucht. Dies hatte zur Folge, daß die bis dahin 
erlassenen Verbote, das Fleisch perlsüchtiger Tiere als Nahrungs¬ 
mittel für Menschen zu verwerten, aufgehoben wurden. 

Bis in die siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts wurde 
nun die Perlsucht als eine spezifische Rinderkrankheit angesehen, 
welche mit dem Menschen nichts zn tun habe. Manche hielten 
die perlsüchtigen Neubildungen für Sarkome. Die allgemeine 
Ansicht über die Ätiologie war die, daß die Perlsucht eine ver¬ 
erbliche Krankheit des Rindes sei. Diese Ansicht, welche man 
auch bezüglich der Lungenschwindsucht des Menschen hatte, 
vertrat namentlich auch Gerl ach in seinem Buch über die 
Fleischkost des Menschen 1875. Daß man das Fleisch perl¬ 
süchtiger Tiere als für den Menschen unschädlich erachtete, 
geht aus den verschiedenen in jenen Zeiten erlassenen Vor¬ 
schriften hervor, in denen der Genuß hochgradig perlsüchtigen 
Fleisches nur als der einer ekelerregenden Nahrung verboten 
wurde. 

Gerl ach trat in dem erwähnten Buche für eine radikale 
Beseitigung aller perlsüchtigen Tiere ein, nicht aber etwa 
Wegen der Gefahr für den Menschen, auch nicht um die kranken 
Tiere wegen der Ansteckungsgefahr für die anderen unschädlich 


zu machen, sondern nm sie der Möglichkeit zu entziehen, die 
Krankheit zn vererben. Er verlangte daher auch Ausschluß 
der von perlsüchtig befundenen Kühen stammenden Tiere von 
der Nachzucht. Seiner Ansicht nach aber würden die Land¬ 
wirte eine Ausmerzung der Krankheit unter den Rindern mit 
aller Energie durchsetzen, wenn ihnen die Möglichkeit be¬ 
nommen würde, perlsüchtige Tiere auf der Schlachtbank zu 
verwerten. Er betrachtete also das Verbot des Fleischgenusses 
als ein Mittel nm den erwähnten Zweck zu erreichen. Schon 
in diesem Buche ist auf die Zunahme der Perlsucht in den 
Rindviehbeständen hingewiesen. In den Vorschlägen Gerlachs 
müssen wir den ersten Bekämpfongsversuch erblicken, welcher 
gegen die Perlsucht des Rindes empfohlen wurde. Zur Ausführung 
ist er übrigens nirgends gelangt; denn trotz des Ansehens, das 
Gerl ach genoß, folgte man ihm nicht. Indessen schritt die 
Zunahme der Perlsuchtfälle unter dem Rindvieh rapid weiter. 

Da kam im Jahr 1882 die Entdeckung des Tuberkel- 
bazillus durch Koch und bald darauf der Nachweis, daß die 
Perlsucht auf demselben Erreger beruhe. Im H. Band der 
Mitteilungen aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamt sagt Koch 
auf Seite 84—85: „Wenn man aber bedenkt, daß hei den ver¬ 
schiedensten Tierarten (Katzen, Kaninchen, Meerschweinchen, 
Feldmäusen) durch Verimpfung von Perlsachtmassen und den 
daraus gewonnenen Reinkulturen mit der größten Regelmäßigkeit 
eine Krankheit erzeugt wird, welche der bei diesen Tieren durch 
die Impfung mit Tuberkelmassen (vom Menschen) entstandenen 
Krankheit nicht allein anatomisch vollkommen gleich ist, sondern 
die Tiere mit derselben Sicherheit tötet, wie letztere, dann läßt 
sich wohl nicht erwarten, daß der Mensch diesem Krankheitsgift 
gegenüber eine Ausnahme macht. Sollte sich also auch wirklich 
noch im Laufe weiterer Untersuchungen wieder eine Differenz 
zwischen Tnberkel- und Perlsuchtbazillen herausstellen, welche 
uns nötigen würde, dieselben nur als nahe Verwandte, aber 
doch als verschiedene Arten anzusehen, dann hätten wir gleich¬ 
wohl alle Ursache, die Perlsuchtbazillen für im höchsten Grade 
verdächtig zu halten.* 4 


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734 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 48. 


Ich habe hier diese Stelle ans Kochs Abhandlung vom 
Jahr 1884 wörtlich angeführt, weil gerade Koch es war, der 
15 Jahre später öffentlich die von ihm angenommene Identität 
der Menschen- and Bindertuberkalose in Zweifel zog und dies 
za einer Zeit, als gerade das Fleischbeschaagesetz in Vorbe¬ 
reitung war. Wie auch aus dem jüngst in Kassel von v. Behring 
gehaltenen Vortrag hervorgeht, tritt dieser jenem erhobenen 
Zweifel ganz entschieden entgegen und ich glaube, daß ihm 
hierbei wohl die Mehrzahl der Forscher zur Seite steht. 

Wie bekannt, ist Kochs Zweifel an der Identität beider 
Krankheiten hervorgerufen durch die Schwierigkeit, Menschen¬ 
tuberkulose auf Rinder zu übertragen. Ich muß gestehen, daß 
ich es für einen Mangel in der Forschung ersehe, daß erst 
15 Jahre seit jener Äußerung Kochs, die ich vorhin anführte, 
vergehen mußten, um die fragliche Schwierigkeit nachznweisen, 
und ich kann nicht umhin zu erwähnen, daß ich jenen Zweifel 
von vornherein für sehr mangelhaft begründet ansah; denn 
Beispiele, daß ein Erreger durch Passagen in einer Tierart 
in der Virulenz für diese zu-, für andere aber abnimmt, sind 
zu häufig, um nicht Anregung zu geben, mit dem Tuberkel¬ 
bazillus ein gleiches Experiment zu machen. Es ist aber noch 
nicht geprüft worden, ob nicht vom Menschen stammende, für 
das Rind nur ganz schwach virulente Tuberkulosekeime nicht 
durch eine größere Zahl von Passagen durch Rinder an Virulenz 
für diese Tierart zunehmen. Neuerdings Bind übrigens darauf 
hinzielende Versuche im Reichsgesundheitsamt geplant. Als 
Pasteur sein Schutzimpfungsverfahren gegen den Schweinerot¬ 
lauf veröffentlichte, wies er darauf hin, daß der Erreger dieser 
Seuche für Kaninchen nicht so virulent sei und diese Tiere 
meist nur vorübergehend krank mache, daß er jedoch auch für 
sie durch eine gewisse Anzahl Kaninchenpassagen eine solche 
Virulenz erlange, daß sie von ihm sicher getötet werden. Über¬ 
trage man nun den Erreger wieder auf Schweine, so zeige er sich 
derart abgeschwächt, daß er die Schweine nicht mehr krank 
mache, wohl aber geeignet sei, sie zu immunisieren gegen die 
ursprüngliche virulente Form 

Ich bin hier abgeschweift von dem geschichtlichen Fort¬ 
gang der Ansichten über die Bekämpfung der Rindertuberkulose, 
doch nicht ganz ohne Absicht; denn Sie werden gerade in dem 
zuletzt angeführten Beispiel einen Vorgänger von v. Behrings 
Verfahren finden, Rinder gegen Tuberkulose zu immunisieren. 

Die Entdeckung Kochs im Jahre 1882 konnte natürlich 
nicht ohne Einfluß auf die Bekämpfung der Rindertuberkulose 
bleiben. Es würde zu weit führen, wollte ieh die Resultate 
der vielen Beratungen in Kongressen und Vereinen erwähnen, 
welche in den nächsten Jahren veröffentlicht wurden. Darauf 
fand der planmäßige Vorschlag zu einer Bekämpfung der Rinder¬ 
tuberkulose in einem Rundschreiben des Reichskanzlers vom 
24. August 1888 Ausdruck, nachdem im vorhergehenden Jahre 
statistische Erhebungen unter den in Deutschland geschlachteten 
Rindern stattgefunden hatten, welche zu einem fast erschreckenden 
Ergebnis geführt hatten. 

In dem erwähnten Rundschreiben war in Aussicht genommen: 

1. die Anzeigepflicht für die bei der Schlachtung tuberkulös 
befundenen Rinder; 

2. das Erfordernis polizeilicher Genehmigung zur Ver¬ 
wertung des Fleisches von perlsüchtigen Tieren und die 
Beseitigung der von der Krankheit ergriffenen Fleischteile; 

3. die Anzeige seitens der Behörde des Schlachtorts an 


die Behörde des Aufzucht»- oder Herkunftsortes; letztere wäre 
zu ermächtigen, die Desinfektion der Stallungen etc. anzuordnen, 
die vorhandenen lebenden Tiere untersuchen und im Falle des 
dringenden Seuchenverdachts töten zu lassen, sowie sonstige 
Schutzmaßregeln vorzuschreiben; 

4. die Gewährung einer Entschädigung für jedes tuberkulös 
befundene Schlachttier. 

Zur gesetzlichen Durchführung ist dieses Bekämpfungs¬ 
verfahren bis jetzt nicht gekommen. Zwar wurden, wie ich 
später anführen werde, von einzelnen Großgrundbesitzern Ver¬ 
suche gemacht, durch Beseitigung der kranken Tiere, welche 
durch tierärztliche Untersuchung ermittelt wurden, die Tuber¬ 
kulose, wenn auch nicht vollends zu tilgen, so doch zn vermindern. 
Bevor es aber noch zn eingehenderen Erwägungen über dieses 
Verfahren gekommen war, wurde dasselbe durch die im November 
1890 bekannt gegebene nene Koch sehe Entdeckung des Tuber¬ 
kulins überholt. Die Anwendung desselben als Heilmittel ist 
allgemein bekannt, ebenso seine Bedeutung als Reagens, um 
Erkrankungen an Tuberkulose sowohl bei Menschen, wie bei 
Tieren zu ermitteln. Gerade in letzterer Hinsicht wurde es 
bald überall geprüft und seine Bedeutung als höchst feines 
diagnostisches Mittel festgestellt. Es ergab sich dabei auch 
noch eine Entdeckung, welche namentlich auf die Vertreter der 
Landwirtschaft höchst deprimierend wirkte, nämlich das Bekannt¬ 
werden des Umstandes, daß unsere Rindviehbestände, insbesondere 
aber die Milchviehbestände, so sehr von Tuberkulose durchseucht 
sind, daß eine Ausmerzung aller tuberkulöser Tiere mit viel zu 
großen pekuniären Opfern verbunden wäre, um sie allgemein 
dnrehführen zu können, ganz abgesehen von den sonstigen wirt¬ 
schaftlichen Nachteilen, die sich daraus ergeben würden. Aus 
diesen Gründen mußte wenigstens in Deutschland der Gedanke 
an eine Tuberkulosebekämpfung mit Hilfe der Tuberkulinreaktion 
gänzlich zurücktreten. Nicht so in anderen Ländern, wo man 
noch länger daran dachte, wie z. B. in Frankreich, ohne daß es 
jedoch dort zur Ausführung einschneidender Maßnahmen gekommen 
wäre. Nur in Dänemark kam es durch die energischen und 
zielbewußten Bestrebungen des Professors Dr. Bang in Kopen¬ 
hagen im Jahre 1892 zur Ausführung von Versuchen, welch« 
bereits im Jahre 1893 zu dem dänischen Tuberkulingesetz 
führten. Unter Aufwendung von jährlich 50 000 Kronen wurde darin 
die kostenfreie Tuberkulinprobe solchen Besitzern zngestanden, 
welche eine Garantie dafür boten, daß sie die gesunden Tiere 
von den reagierenden isolierten, um die letzteren allmählich zum 
Schlachten zu verwerten. Dies ließ sich in Dänemark ausführen, 
welches eine bedeutende Überproduktion und folgeweise einen 
bedeutenden Export an Vieh hat. Die Landwirtschaft Dänemarks 
widerstrebte daher der Durchführung des Bangschen Verfahrens 
nicht, zumal sie die Aussicht auf eine nach und nach zu er¬ 
reichende Beseitigung der Tuberkulose aus ihren Viehbeständen 
und die dadurch ihr bei ihrem bedeutenden Export nach dem 
Auslande erwachsenden Vorteile im Auge hatte. 

Auch in Deutschland wurde an einigen Gütern das Bangsche 
Verfahren erprobt, z. B. auf Gütern der württembergischen 
Krone. Hier hatte man jedoch keinen Erfolg damit, depn trotz 
aller Vorsichtsmaßregeln blieben die durch die Tuberkulinprobe 
als tuberkuloserein befundenen und isolierten ViehabteUungen 
nicht von der Seuche verschont, sondern es reagierte in ihnen 
bei jeder später wiederholten Probe stets von neuem wieder ein 
recht erheblicher Teil der Tiere. 


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26. November 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 735 


Tatsächlich denkt man zurzeit nicht mehr an eine all- Es läßt sich nicht leugnen, daß in jenen Vorschlägen vieles 


gemeine Durchführung des Bangschen Verfahrens in Deutsch¬ 
land. Dagegen ist man neuerdings wieder auf den bereits im 
Jahre 1888, also vor Entdeckung des Tuberkulins, gefaßten 
Plan zurückgekommen, die erheblich an Tuberkulose erkrankten 
Tiere aus den gesamten Viehbeständen zu beseitigen. 

Nicht unerwähnt soll bleiben, daß bereits am 1. Februar 1894 
der Abgeordnete von Tiedemann-Bomst im preußischen Land¬ 
tag bei Gelegenheit der Etatsberatung hervorhob, daß die Be¬ 
kämpfung der Tuberkulose, als derjenigen Seuche, welche die 
Landwirtschaft mehr schädige, als alle anderen Seuchen zu¬ 
sammen, einer Aufnahme in die Gesetzgebung bedürfe. Tiede- 
mann schlug damals vor: Anzeigepflicht und Entschädigung für 
Beseitigung der tuberkulosekranken Tiere. Zur Begründung 
führte er an: „In meiner Rindviehherde fing die Tuberkulose 
an in bedenklichem Maße zuzunehmen. Ich habe dann mit 
einem tüchtigen Tierarzt darüber verhandelt und bin schließlich 
zu dem Ergebnis gekommen, daß ich durch alljährliche Unter¬ 
suchungen seitens eines tüchtigen Tierarztes die kranken Tiere 
aussuchte und möglichst schnell beseitigte. In dem ersten 
Jahre, als ich dies Verfahren einschlug, habe ich im ganzen 
17 Proz. meines Rindviehs ausrangiert. Das ist ein großer 
Prozentsatz und ein großer Verlust. Ich bin aber im Laufe 
der Jahre dahin gekommen, daß im letzten Jahre nur noch 
1 Proz. kranke Tiere vorgefunden sind, also ein ganz deutlicher 
Beweis, daß auf diesem Wege man zum Ziele kommen kann; 
und, wenn man das kann, meine ich auch, dann muß damit 
vorgegangen werden. — Auf anderer Seite ist vorgeschlagen 
worden, das Koch sehe Tuberkulin als diagnostisches Hilfsmittel 
zu benutzen. Damit habe ich aber gar keinen Erfolg gehabt. 
Es hat sich dabei gezeigt, daß ganz leicht erkrankte Tiere, 
bei denen Gründe gar nicht Vorlagen, sie wegzuschaffen, auf 
das Tuberkulin sehr stark reagierten, während schwer erkrankte 
Tiere darauf gar nicht reagierten. Mit Hilfe dieses Mittels 
kommen wir nicht zum Ziele, denn das können wir nicht, daß 
wir sämtliche kranken Tiere, gleichviel wo der Sitz der 
Krankheit ist, ausrangieren; das würde die vorhandenen Mittel 
übersteigen. — Es ist eingewendet, die Tuberkulose sei beim 
lebenden Vieh nicht leicht zu erkennen. Nach den Erfahrungen, 
die ich gemacht habe, ist aber bis jetzt bei mir dem Tierarzt, 
der die Untersuchung vornimmt, noch kein Irrtum vorgekommen.“ 

Der Minister für Landwirtschaft etc. von Heyden verwarf 
damals die Vorschläge wegen der schweren Erkennbarkeit der 
Tuberkulose an lebenden Tieren. 

Später hat Professor Ostertag ähnliche Untersuchungen 
in den Beständen der Herdbuchgesellschaften von Pommern und 
Westpreußen vornehmen lassen und nunmehr sehen wir diesen 
Bekämpfungsplan in den vom Kaiserlichen Gesundheitsamt ans¬ 
gearbeiteten vorläufigen Vorschlägen zu einer Novelle des 
Reichsviehseuchengesetzes zum Ausdruck gebracht. Er gipfelt 
in der Beseitigung aller an sogenannter offener Tuberkulose 
erkrankter Rinder, da diese besonders geeignet sind, andere 
Tiere zu infizieren. Es handelt sich hier um vorgeschrittene 
Lungentuberkulose, namentlich aber auch um Tuberkulose des 
Euters, des Darmes und der Geschlechtsorgane. Zur Ermittelung 
der Fälle soll die Anzeigepflicht und, soweit erforderlich und durch¬ 
führbar, die Anordnung von Stallrevisionen dienen. Hieran knüpft 
sich die Anordnung der Tötung und Verwertung der krank oder 
verdächtig befundenen Tiere und die Entschädigung des Besitzers. 


Gute liegt. So z. B. wurden die Behörden ermächtigt, die 
sichtbar an Tuberkulose, insbesondere die an Eutertuberkulose 
erkrankten Kühe aus den Milchviehbeständen zu entfernen. Es 
wird dadurch auch den Besitzern größerer Bestände die Ge¬ 
legenheit geschaffen, mit Unterstützung aus öffentlichen Mitteln 
auf die angegebene Art einer stärkeren Verbreitung der Tuber¬ 
kulose unter ihren Tieren entgegenzuwirken. Daß aber in 
unseren kleinbäuerlichen Verhältnissen dadurch die Tuberkulose 
getilgt werden könne, daran kann wohl nicht gedacht werden, 
und offen gestanden: ich bedaure meine Kollegen, wenn sie ge¬ 
zwungen werden sollten, eine solche Danaidenarbeit zu ver¬ 
richten, wie diejenige wäre, welche ihnen aus der geplanten 
Gesetzgebung erwachsen würde. 

Nunmehr sind alle anderen Verfahren, die Tuber¬ 
kulose der Rinder zu bekämpfen, durch das v. Behring- 
sche übertroffen worden. Die Durchführbarkeit und ver¬ 
hältnismäßige Billigkeit der Anwendung desselben wird eben¬ 
sowenig in Frage zu ziehen sein, als die Leichtigkeit, einen 
Plan zu entwerfen, nach dem eine vollständige Beseitigung der 
Tuberkulose aus unseren Rindviehbeständen in absehbarer Zeit 
zu ermöglichen wäre. 

Die Möglichkeit, Rinder gegen Perlsucht immun zu machen, 
konnte nicht bestritten werden, wenn auch der Umstand, daß 
wir es mit einer Krankheit zu tun haben, welche meist einen 
schleichenden Verlauf nimmt, und Tiere erfahrungsgemäß lange 
damit behaftet sein können, ohne, wie dies bei anderen an¬ 
steckenden Krankheiten der Fall ist, den Patienten selbst zu 
immunisieren, eigentlich wenig Aussicht erweckte, daß es ge¬ 
lingen würde. Exzellenz von Behring hat das Problem» 
nun gelöst. Bereits am 12. Dezember 1901 widerlegte er in 
Stockholm die von Koch erhobenen Zweifel an der Identität der 
Menschen- und Rindertuberkulose mit der Behauptung, daß es 
ihm gelungen sei, Rinder mit von Menschen stammenden 
Tuberkulosebazillenkulturen gegen die Rindertuberkulose immun 
zu machen. Seine erste Veröffentlichung über das Verfahren 
erfolgte im 5. Heft der Beiträge zur experimentellen Therapie 
im Mai 1902. Im Sommer vorigen Jahres hielt v. B. bereits 
einen Kursus in seinem Institut in Marburg ab, in welchem er 
den Teilnehmern sein Verfahren vorführte und sie mit der Aus¬ 
führung desselben näher bekannt machte. An diesem Kurse 
beteiligten sich mehrere deutsche und außerdeutsche Tierärzte. 
Die Großherzoglich hessische Regierung hatte den Kreisveterinär¬ 
arzt Schmidt zu Gießen dazu entsendet und ließ durch diesen 
schon im September vorigen Jahres das Verfahren auf einem 
oberhessischen Zuchtviehhofe in der Nähe von Grtinberg zur 
Anwendung bringen. Auf diesem Hofe wird seitdem die Nach¬ 
zucht der Immunisierung unterzogen. Dieselbe besteht darin, 
daß den Tieren eine kleine Menge getrockneter Tuberkelbazillen 
ans einer vom Menschen stammenden von B. zu gedachtem 
Zweck besonders ausgewählten Kultur, mit physiologischer 
Kochsalzlösung zerrieben, in die Blutbahn injiziert wird. Eine 
zweite intravenöse Injektion der fünffachen Dosis erfolgte auf 
v. Behrings Weisung früher vier Wochen nach der ersten. 
Jetzt hat er vorgeschrieben, daß damit zwölf Wochen zu 
warten sei. 

Um auch anderwärts durch Kontrollversuche den 
Erfolg der Impfung prüfen zu lassen, ersuchte v. B. außer 
den Professoren Dr. Eber in Leipzig und Dr. Schlegel in 

•* 


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736 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 48. 


Freiburg i. B., auch mich um Vornahme solcher Kontrollversuche. 
v. B. lieferte zu diesem Zwecke jedem der Genannten zwei von 
ihm vorher immunisierte Rinder und zwar je eines, das mit 
Menschentuberkulose, und je eines, das mit abgeschwächter 
Rindertuberkulose immunisiert war. In Beinern Vortrag in Kassel 
hat v. B. diese Versuche erwähnt. Ich will mich hier auf die 
Mitteilung der dabei von mir gemachten Beobachtungen be¬ 
schränken. Die Versuche wurden im April 1. J. begonnen. 
Nachdem sich die beiden Rinder, ein Simmenthaler und ein 
Vogelsberger, in einer Stallung in Darmstadt etwaB eiogewöhnt 
hatten, wurde ein Kontrollrind angeschafft und dieses sofort der 
Tuberkulinprobe unterzogen, wobei sich nicht die mindeste 
Reaktion einstellte. Darauf wurde die erste Infizierung vor¬ 
genommen. Dieselbe bestand in der subkutanen Injektion einer 
Aufschwemmung von 0,15 frisch aus einer geschlachteten Kuh 
entnommenen Tuberkelmasse in physiologischer Kochsalzlösung. 
Dieselben waren scheinbar frisch entstandene graurote Knötchen 
mit unbedeutenden kleinen Verkäsungsherden. Tuberkelkeime 
ließen sich darin nachweisen. Von dieser Aufschwemmung 
wurden nun den drei Rindern gleiche Mengen unter die Haut 
hinter der linken Schulter eingespritzt. In den ersten Tagen 
zeigte sich außer einer unbedeutenden Schwellung des Einstich¬ 
kanals eigentlich nichts. Die täglich mehrmals vorgenommenen 
Temperaturmessungen ergaben bei keinem der Tiere eine Er¬ 
höhung der Körpertemperatur. Während nun bei den v. B.schen 
Rindern die Schwellungen an der Impfstelle allmählich ver¬ 
schwanden, fing sie nach etwa 10 Tagen bei dem Kontrollrind 
zu wachsen an. Die erste Erscheinung zeigte sich darin, daß 
das Tier die Impfstelle häufig beleckte, was auf einen Juckreiz 
oder Schmerz schließen ließ! Nun traten bei diesem Tier auch 
zeitweise Temperatursteigerungen ein. Nach einiger Zeit konnte 
man die angeschwollene Bugdrüse auf der linken Seite fühlen 
und es wurde öfters bemerkt, daß das Tier hustete. Vierzehn 
Tage flach der Infektion wurden die drei Rinder der Tuberkulin¬ 
probe unterzogen. Dabei zeigte das eine v. B.sche Rind, das 
Simmenthaler, gar keine, das andere, das Vogelsberger, welches 
mit Rindertuberkulose immunisiert war, eine Temperatursteigerung 
bis nicht ganz 40° C, welche übrigens nicht als eine typische 
Reaktion anzusehen war. Eine solche zeigte dagegen das 
Kontrollrind, bei welchem eine Steigerung bis zu 41,6° C be¬ 
obachtet wurde. Bei dieser Stelle will ich auf eine Erscheinung 
hinweisen, die v. B. konstant beobachtet hat, nämlich die, daß 
Rinder, welche mit abgeschwächter Rindertuberkulose immunisiert 
sind, tuberkulinempfindlich bleiben, was bei Rindern, die mit 
Menschentuberkulose immunisiert sind, nicht der Fall ist. Drei 
Wochen nach der Infektion wurde das Kontrollrind geschlachtet. 
Die frühe Abschlachtung geschah lediglich aus Sparsamkeit, 
damit das Fleisch des Tieres nicht wegen vorgeschrittener 
Tuberkulose sollte beseitigt werden. Bei der Sektion zeigte 
sich die Umgebung des Stichkanals als ein Strang von der Dicke 
eines Daumens und gegen 6 cm lang. Die Bugdrüse und die 
Achseldrüse der linken Seite waren stark geschwollen, erstere 
etwa hühnereidick. In diesen Drüsen sowohl, wie in der 
beschriebenen Schwellung des Stichkanals fanden sich jenetiefgelben 
Tuberkelmassen, wie sie fast immer in den erkrankten Organen 
tuberkulöser Rinder gefunden werden. Es waren darin deutliche 
Verkalkungen nachzu weisen, ein Moment, welches von 
Wichtigkeit für die Beurteilung des Alters tuberkulöser 
Prozesse bei Rindern in forensischer Beziehung ist, 


hat man doch seither angenommen, daß bei bereits eingetretener 
Verkalkung die Prozesse wenigstens ein Vierteljahr alt seien. 
Weitere tuberkulöse Veränderungen fanden sich in der Lunge des 
Rindes, in den Bronchial- und Mediastinaldrüsen. Der Nachweis 
der Tuberkelbazillen in den Veränderungen wurde mikroskopisch 
erbracht. — Hierauf wurde ein zweites Kontrollrind eingestellt 
und der Tuberkulinprobe unterzogen. Dieselbe verlief wiederum 
reaktionslos, wie beim ersten Kontrollrind. Diesmal erfolgte 
die Infektion mittels einer Reinkultur, die mir von B. gesandt 
worden war. Von dem kranken Tuberkelbazillenbelag — es 
war eine Kultur auf erstarrtem Blutserum — wurde 0,01 mit 
10 ccm physiologischer Kochsalzlösung zerrieben. Davon er¬ 
hielten die beiden B.schen Rinder je 3,75, das Kontrollrind 
2,5 ccm an der rechten Halsseite subkutan eingespritzt. Die 
Injektionen wurden aus der die ganze Aufschwemmung enthaltenden 
10 grm. haltenden Spritze gemacht, die vor jedesmaligem Ein¬ 
stechen der Hohlnadel umgeschwenkt wurde um eine gleichmäßige 
Verteilung der Tuberkelkeime herbeizufuhren. Verlauf und 
Erscheinungen, sowie die nach 14 Tagen vorgenommene Tuber¬ 
kulinprobe lieferten dasselbe Ergebnis, wie beim ersten Versuch, 
nur bei dem Kontrollrind etwas weniger intensiv, als beim 
vorigen. Auch das zweite Kontrollrind wurde nach drei Wochen 
geschlachtet. Es hatte am Stichkanal und in der Bugdrüse 
deutliche tuberkulöse Veränderungen aber keine Lungentuber¬ 
kulose. In diesem Falle fehlten auch die tiefgelben Verkäsungen 
in den tuberkulösen Gebilden. Dieselben zeigten mehr ein hell¬ 
graues Aussehen mit nur blaßgelben Verkäsungen, aber noch 
keine Verkalkungen. Es dürfte dies seinen Grund darin haben, 
daß hier eine Reinkultur vom Rindertuberkulosebazillus, beim 
ersten Versuch aber ein Tuberkelmaterial benutzt worden war, 
welches zu einer Mischinfektion führte. 

Einen vollständigen Abschluß werden die Kontrollversuche 
erst haben, wenn auch die von B.schen Rinder geschlachtet und 
genau durchsucht sein werden. Auf das Allgemeinbefinden dieser 
Tiere, soviel ließ sich schließen, haben die Einspritzungen einen 
nachteiligen Einfluß nicht ansgeübt. Die Rinder haben stets 
gut gefressen, sind frei von Krankheitserscheinungen gewesen 
und haben nach den alle 14 Tage vorgenommenen Wägungen 
eine stete, dem aufgewandten Futter entsprechende Körperzunahme 
gezeigt. Sie wurden im August 1. J. in vorzüglichem Zustande 
Herrn v. B. zurückgesandt. Die Rücksendung wurde beschleunigt, 
da ich wahrnahm, daß das eine (das Vogelsberger) Rind nahe 
am Kalben stand und v. B. mit der Milch dieses Tieres Ver¬ 
suche anstellen wollte. 

Sowohl aus der Publikation v. B.s in den Beiträgen 
zur experimentellen Therapie, wie aus seinem Vortrag 
in Kassel, insbesondere aber ans wiederholten privaten 
Äußerungen v. B.s und durch Einsichtnahme der Auf¬ 
zeichnungen über seine Anstaltsversuche habe ich er¬ 
fahren, daß diese Versuche auf eine Reihe von Jahren 
zurückreichen und sämtlich positive Resultate geliefert 
haben. Auch trifft dies für eine Anzahl in der Praxis ausge¬ 
führte Versuche zu. Auf einem Gute in Mecklenburg-Strelitz 
(Gören) sind vor 3 / 4 Jahren 100 Stück Jungvieh geimpft worden, 
auf dem Gute Sarvar in Ungarn, dem Prinzen Ludwig von 
Bayern gehörig, vor l J / 4 Jahren ebenfalls 100, auf dem Gute 
Wolfshagen in Mecklenburg-Schwerin vor 3 / 4 Jahren 60 und auf 
einem Nebengute des letzteren 30 Jungrinder. Mit Ausnahme 
der Rinder auf diesem Nebengute waren alle die Bestände, in 


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737 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


26. November 1903. 


denen die hier erwähnten Impfungen stattfanden, stark verseucht. 
Die bis jetzt erfolgten Schlachtungen von geimpftem Jungvieh, 
haben alle ein Freisein von Tuberkulose ergeben und die Ent¬ 
wickelung der Impftiere ist eine wesentlich bessere, als die der 
nichtgeimpften Tiere in den erwähnten Gätern. 

Nach dem allen, was ich bis jetzt gesehen, habe 
ich die Überzeugung gewonnen, daß wir es hier mit 
einem Verfahren zu tun haben, das einschlagen wird, 
und daß es in bezug auf die Bekämpfung der Rinder- 
tnberknlose von ganz immensem Wert sein und anBillig- 
keit und Leichtigkeit der Durchführung alle bisher 
vorgeschlagenen Bekämpfungsmethoden weit über¬ 
treffen upd überflüssig machen wird. Ich bin daher, ge¬ 
stützt auf meine Überzeugung und auf das Vertrauen auf die 
Autorität und Genialität des Entdeckers bemüht gewesen, die 
Großherzogliche Regierung zu veranlassen, alles zu tun, was 
geschehen kann, um möglichst bald völlige Gewißheit über das 
Verfahren zu erhalten. Die Großherzogliche Regierung hat 
dann auch zugesagt, daß auf Kosten der Staatskasse die An¬ 
wendung des Verfahrens bei dem Jungvieh deijenigen Landwirte 
erfolgen soll, welche die wenigen an sie gestellten Bedingungen 
zu erfüllen bereit sind. Diese bestehen darin, daß die Besitzer 
die erforderlichen Temperaturmessungen und zeitweise Wägungen 
der geimpften Tiere vornehmen. Ich kann jetzt noch hinzufdgen, 
daß v. B. neuerdings nicht für alle Fälle auf der Vornahme 
dieser Temperaturmessungen und Wägungen und der Ausfüllung 
besonderer dazu gelieferter Schemata besteht, daß diese viel¬ 
mehr nur da vorgenommen werden sollen, wo Einrichtungen 
und Personal dazu zur Verfügung stehen. 

Anmeldungen sind bereits aus den verschiedensten Gegenden 
des Landes eingelaufen und, wie mir bekannt, stehen noch eine 
Menge solcher bevor, so daß nächstens mit den Schutzimpfangen 
im großen Maßstabe begonnen werden kann. 

v. B. schlägt neuerdings vor, nur junge Tiere im Alter von 
drei Wochen bis zu vier Monaten zu impfen, während seither 
Rinder bis zu zwei Jahren und auch noch ältere dem Verfahren 
unterzogen wurden. Nach der von mir erst vor einigen Tagen 
eingeholten Information werden jedoch ältere als vier Monate 
alte Rinder nicht gänzlich ansgeschlossen. Der Grund für die 
Auswahl in bezug auf die Altersgrenze ist folgender. Die Ein¬ 
spritzungen, welche zum Zweck der Immunisierung gemacht 
werden, erzeugen bei Tieren, die mit tuberkulösen Herden 
behaftet sind, Reaktionen, gleich dem Tuberkulin, nur noch 
intensiver. Obgleich nun darin für die Tiere eine Gefahr nicht 
besteht, so ist doch der Erfolg in bezug auf die Immunisierung 
bei solchen Tieren fraglich. Wenn nun auch v. B. annimmt, 
es könne durch das Immunisierungsverfahren zur Ausheilung 
kleiner tuberkulöser Herde kommen, so ist dies doch nicht 
sicher. In den ersten vier Monaten zeigen Rinder aber nur 
selten tuberkulöse Herde, wie aus den Schlachtergebnissen nnd 
auch aus dem Ergebnis der in Jungviehbeständen vorgenommenen 
Tuberkulinproben entnommen werden kann. Dies schließt aller¬ 
dings nicht aus, daß die Tiere doch bereits tuberkulös infiziert 
sind. Ist dies der Fall, so zeigt sich nach der Einspritzung der 
zur Impfung verwandten Tuberkulosekulturen eine Reaktion. 

Gefährlich ist also auch für ältere und mit tuberkulösen 
Herden behaftete Tiere das Immunisierungsverfahren nicht. 
Sie können höchstens starke Reaktionen zeigen, auch einmal 


einige Tage krank sein, aber der Eintritt der Immunität bleibt 
bei vielen solcher Tiere aus und deshalb sollen ältere Tiere 
in der Regel nicht, insbesondere aber dann nicht geimpft 
werden, wenn es sich um einen verseuchten Bestand handelt. 
Machen es nun aber die Verhältnisse wünschenswert, doch 
ältere Tiere zu impfen, so ist es nötig, daß sie vorher einer 
scharfen Probe mit Tuberkulin unterzogen werden, nnd daß nur 
dann, wenn diese negativ ausfällt, die Impfung vorgenommen 
wird. Es können also von drei Wochen bis vier Monate 
alte Rinder in allen Beständen, auch in verseuchten, 
ohne vorhe rgehende Tuberkulinprobe geimpft werden, 
ältere Tiere aber nur dann, wenn eine vorher¬ 
gegangene scharfe Tuberkulinprobe bei ihnen reak¬ 
tionslos verlaufen ist. 

M. H. Zunächst gilt es die große Masse, ins¬ 
besondere die Vertreter der Landwirtschaft, von dem 
Wert des Verfahrens zu überzeugen. Um dies schnell 
zu erreichen, sind nun die Verhältnisse ungünstig. Fassen wir 
unsere landwirtschaftlichen Betriebe ins Auge, so finden wir 
da vielfach eine Arbeitsteilung, die geradezu unserem Ziel 
entgegensteht. Einesteils haben wir es mit Betrieben zu tun, 
die nur Nachzucht, andernteils mit solchen, die nur Milchwirt¬ 
schaft treiben. In letzteren finden wir überhaupt kein Jungvieh. 
In ersteren aber können wir die jungen Tiere, die wir immu¬ 
nisiert haben, nicht verfolgen. Ein Teil wird ja zur Zucht 
behalten und der bleibt dann oft jahrelang stehen. Ein anderer 
Teil und zwar die Mehrzahl wird verkauft und zerstreut nach 
allen Richtungen hin. Es wird nns daher nur vereinzelt mög¬ 
lich sein, das Schicksal unserer Impflinge zu verfolgen, und 
wir werden jahrelang hinziehen müssen, bis wir eine genügende 
Anzahl anf der Schlachtbank kontrolliert haben. Der einzige 
Weg, auf welchem wir schneller zum Ziel kommen, ist nun 
folgender: Wir müssen suchen, sobald als tunlich zwischen 
Züchtern und Besitzern von Milchwirtschaften Vereinbarungen 
herbeizuführen, welche die Aufstellung von Milchviehbeständen 
zum Gegenstand haben, die nur durch immunisierte Tiere 
ergänzt werden. Ist dies erreicht, so werden wir in wenigen 
Jahren Aufzeichnungen machen können, welche einen genauen 
Einblick in den Wert des Verfahrens gewähren. Wir werden 
über jedes in diese Milchviehbestände eingestellte Tier ein 
Register aufnehmen, in welchem Herkunft, Tag der Geburt, 
Tag der Impfang und Nachimpfung, Milcherträge und zuletzt 
Obduktionsbefnnd bei der Schlachtung anfgeführt sind. Wenn 
wir jetzt beginnen, wird es drei Jahre dauern, bis wir solche 
Milchviehbestände haben. Dann werden wieder wenigstens zwei 
Jahre daraufgehen, bis eine gewisse Zahl der immunisierten Kühe 
zur Schlachtung gekommen ist. Wir müssen also immerhin mit 
fünf Jahren rechnen, bis der Erfolg sicher steht und an eine 
allgemeine Durchführung auf gesetzlichem Wege gedacht 
werden kann. 

Um nun schon etwas früher in den Besitz von aus immuni¬ 
sierten Kühen bestehenden Milchviehbeständen zu gelangen, müßten 
wir suchen, auch ältere als vier Monate alte Rinder zu immunsieren. 
Es kann dies, wie bemerkt, bei einiger Vorsicht und genauer 
Auswahl von Tieren, die auf eine verschärfte Tuberkulindosis 
nicht reagieren, wohl geschehen. Wenn wir dabei im Alter bis 
zu zwei Jahren und selbst darüber steigen, können wir schon 
in einem Jahre Bolche Milchviehbestände haben. Es wird dies 
allerdings nur in einzelnen Betrieben, z. B. in Milchknranstalten 


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738 


durchzuführen sein, da immerhin etwas erhöhte Ausgaben da¬ 
durch entstehen werden, deren Deckung in gewöhnlichen Milch¬ 
wirtschaften nicht gewährleistet werden kann. 

Ich möchte Ihnen nun noch darlegen, welch hoher Wert in 
dem Verfahren liegt. Es würde nicht allzu schwer fallen es so 
einzurichten, daß alle Rinder bis zum Alter von 4 Monaten der 
Schutzimpfung unterzogen werden können. Dazu wäre allerdings 
ein gesetzlicher Impfzwang nötig, ähnlich dem für die Pocken¬ 
impfung bei den Kindern. Es müßten in den einzelnen Orten 
viermal im Jahr Impftermine abgehalten werden. Dies wäre 
nicht unschwer durchzuführen, auch nicht zn kostspielig. Wir 
würden dann innerhalb 10—12 Jahren fast vollständig tuber¬ 
kulosereine Rindviehbestände erhalten, denn über diesen Zeitraum 
hinaus leben nur wenige Rindviehstücke. Alle sonstigen Ma߬ 
nahmen, wie Desinfektion der Ställe, Isolierungen der Tiere in 
den Viehbeständen, können gespart werden, denn immunisierte 
Tiere können ohne Bedenken der Infektion ausgesetzt 
werden, ja die Immunität wird, wie v. B. behauptet und 
es sich eigentlich von selbst versteht, bei ihnen durch 
eine auf natürlichem Weg erlangte Infektion nur ver¬ 
stärkt. Auch was die Kosten anlangt, so läßt sich bereits 
heute schon eine Übersicht aufstellen. Wir haben in Hessen 
rund 300000 Rinder. Bei einem Dnrchschnittsalter von zehn 
Jahren kommen auf dieselben 30000 impfbare junge Tiere. Diese 
würden je in zwei Impfterminen einzuspritzen sein und zwar 
würde es sich einrichten lassen, daß in jedem Termin die Zweit¬ 
impfung der vorausgegangenen und die Erstimpfung der neuen 
Serie vorzunehmen wäre. Es würden demnach in Hessen 
jährlich 60 000 Einspritzungen zu machen sein, welche sich auf 
vier Termine verteilen, so daß auf jeden Termin 15 000 Ein¬ 
spritzungen kommen, welche von den Tierärzten des Landes in 
etwa 900 Orten vorzunehmen wären. Nehmen wir eine Aus¬ 
gabe von 2 M. für den Impfling an, so werden 60 000 M. 
Jahresausgaben erwachsen. Diesen Ausgaben gegenüber würden 
die pekuniären Vorteile stehen, die unseren Viehhaltern durch 
den Wegfall der Verluste an Tuberkulose erwachsen. Dieselben 
zu berechnen ist schwer, ja eigentlich kaum möglich, denn ab¬ 
gesehen von dem tatsächlich nachweisbaren Schaden durch Ver¬ 
enden und durch Minderwert auf der Schlachtbank, kommt auch 
der Schaden in Betracht, der dem Viehhalter dadurch erwächst, 
daß tuberkulöse Tiere vielfach sich schlechter entwickeln und 
in Milchertrag und Arbeitskraft weniger leisten, kurz, daß sie 
schlechtere Futterverwerter sind, als gesunde Tiere. Legen 
wir aber nur die Kosten einer Versicherung zugrunde, die wir 
in bezug auf die Tuberkulose zurzeit wohl auf 1 Proz. des 
versicherten Kapitals jährlich annehmen können, so würde, 
wenn wir für die 300 000 Rindviehstücke einen Durchschnitts¬ 
wert von je 160 M. unterstellen, der vorerwähnten Ausgabe 
ein Vorteil von 480 000 M. gegenüberstehen. Sicher aber würde 
der reine pekuniäre Vorteil, der aus einer vollständigen Tilgung 
der Tuberkulose aus unseren Rindviehbeständen sich ergibt, 
noch ein weit größerer sein. Unsere Landwirtschaft 
würde dadurch tatsächlich von einer Last befreit, 
welche zurzeit wie eine harte Steuer auf ihr lastet. 
Aber auch die Menschen würden von einer Gefahr befreit, 
die wir nicht ermessen können. — Koch bat seinerzeit 
gesagt: „In dem Genuß von Milch und Fleisch tuber¬ 
kulöser Tiere besteht für den Menschen eine Gefahr, 
die, sei sie so groß oder so klein wie sie wolle, be¬ 


No. 48. 


seitigt werden müßte.“ Sie wissen ja zwar, daß er seine 
Ansicht geändert hat. Sie wissen, daß das Fleischbeschaugesetz 
mit seinen Ausfübrangsbestimmungen sich auf die letzte Ansicht 
Kochs stützt. Sie wissen aber nicht, ob diese Stütze nicht 
eines Tages zusammenbricht nnd dann die Menschheit verlangen 
kann und muß, daß die vorhandene Gefahr beseitigt werde. Ich 
berühre hier den Ausspruch v. B.s in Kassel: „Die Säug¬ 
lingsmilch ist die Hauptquelle der Schwindsucht¬ 
entstehung“. Dieser Anspruch wird von vielen angefochten 
werden, steht ihm doch die auch von v. B. angeführte Tuber- 
kulosestastitik in den verschiedenen Altersstadien der Menschen 
scheinbar entgegen. Wir finden hier, daß im ersten Lebens¬ 
jahr die Tuberkulose beim Menschen äußerst selten ist, daß sie 
dann allmählich zunimmt und bis ins hohe Alter vorhanden ist. 
Wenn also die Behauptung v. B.s richtig ist, dann muß die in 
den menschlichen Körper anfgenommene Tuberkuloseinfektion 
jahrelang schlummern, latent sein wenigstens für die Wahr¬ 
nehmung durch den Diagnostiker. Aber ist dies nicht möglich? 
Mindestens nicht ebenso möglich, als daß alle bemerkbaren Tuber- 
kuloserkrankungen erst kurz entstanden sind. v. B. weist nach, 
wie in der ersten Zeit nach der Geburt die Durchlässigkeit der 
Schleimhäute den Tuberkulosekeimen eine gute Eingangspforte 
gewährt. Über die Art nnd Weise, wie und wo die auf¬ 
genommenen Tnberkelkeime im jungen Körper schlummern, hat er 
sich allerdings noch nicht ausgesprochen. Bei dieser Gelegenheit 
möchte ich Sie aber auf etwas hinweisen, was wohl geeignet ist, den 
Ausspruch v. B.s zu unterstützen, nämlich das häufige Fehlschlagen 
der Bang sehen Tuberkulosebekämpfung. Wie bereits erwähnt, 
ist die Erfahrung gemacht worden, daß selbst bei sorgfältigster 
Trennung der auf Tuberkulin nicht reagierenden Rinder von den 
reagierenden bei den nächsten Proben unter den erstgenannten 
immer wieder von neuem Tiere reagieren, und Bang hat schon 
verlangt, daß die Kälber von der Geburt ab der Mutter 
entzogen und mit sterilisierter Milch ernährt werden. Dafür nun, 
daß selbst bei bester Isolierung in den mit Tuberkulin sanierten 
Beständen immer wieder neue Verseuchungen beobachtet werden, 
gibt es zwei Erklärungen. Entweder die Krankheit ist bei 
einzelnen Tieren latent gewesen und erst später zur Ent¬ 
wicklung gekommen, oder es haben trotz der Isolierung neue 
Infektionen stattgefunden. Wäre letzteres der Fall, so müßten 
wohl alle Tiere und Menschen infiziert sein. Da dies aber nicht 
der Fall ist, so müssen wir auch an dieser Erklärung zweifeln. 
Auch beim Menschen findet sich eine Erscheinung, die für ein 
längeres Latentsein der Tuberkulose spricht. Wie bereits er¬ 
wähnt, ist die Tuberkulosesterblichkeit in den ersten Lebens¬ 
jahren selten, nimmt dann zu und gelangt in den Pubertäts¬ 
jahren zur höchsten Prozentzahl, um dann später wieder abzu. 
nehmen. Es läßt sich aber nicht erklären, warum gerade in 
den Pubertätsjahren die Infektionsgefahr eine größere sein sollte. 

Wie Sie sehen, gibt es in der Tuberkuloselehre noch eine 
Menge dunkle Punkte, die ihrer Aufklärung warten. Daß diese 
Rätsel alle einmal gelöst werden zum Wohle der Menschheit, 
wollen wir hoffen. Jetzt aber wollen wir freudig an das Nächst¬ 
liegende herantreten und die v. B.sche Schntzimpfang in der 
Praxis prüfen! — Wenn es mir gelungen ist, Sie dabei alle zu 
Mitarbeitern zu gewinnen, so ist der Zweck meines heutigen 
Vortrages erreicht. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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26. November 1903. 

Referate. 

Ein Yersuch mit der Benutzung der Luft und des 
Sauerstoffs zur Hemmung der tuberkulösen Prozesse 
bei reagierenden Rindern. 

Von Verarme A. Moore M. D. New York State Veterinary College, 

Ithaca, N. Y. 

(Americ. Veterinary Review, Juli 1903, Vol. XXVII, Nr. 4.) 

Der eigenartige Versuch gründet sich anf Erfahrungen über 
die günstige Beeinflussung der menschlichen Tuberkulose nach 
der Laparotomie und auf die Resultate Dr. Cortons betreffend 
die Wirkung von Gasen, welche von mucösen Membranen ab¬ 
sorbiert wurden, auf gewisse Neubildungen. 

Im März 1902 wurden dem Dr. Ambier im Landwirtschafts¬ 
departement des Staates von einem Besitzer 20 Kühe, die auf 
die Tuberkulinprobe reagiert hatten, zu experimentellen Zwecken 
bei der Behandlung der Tuberkulose übergeben. Ein Tier wurde 
wegen stark vorgerückten Stadiums der Krankheit getötet. 
Die übrigen 19 Stück wurden in einem gut erleuchteten und 
ventilierten Raume aufgestellt, wo sie bis zum 1. August ver¬ 
blieben und dann auf die Weide kamen. Während der ersten 
Zeit konnten sie tagsüber in einer an den Stall angrenzenden 
Koppel frei umhergehen. Die Kühe erhielten als Nahrung Heu 
und wenig Körnerfutter. Keines der von diesen Kühen gefallenen 
Kälber wurde bei der Schlachtung als tuberkulös befunden. 

Die Rinder wurden in drei Gruppen, zwei zu je sieben und 
eine Gruppe zu fünf Haupt eingeteilt. Letztere enthielt die 
Kontrolltiere. Von den beiden anderen Abteilungen wurde die 
eine mit Sauerstoff, die andere mit Luftinfusionen behandelt. 
Die Applikation erfolgte in der Weise, daß die Abdominalhöhle 
und der rechte und linke Pleurasack abwechselnd mit Hilfe einer 
in die fraglichen Hohlräume eingestoßenen feinen Trokarhülse 
mit den Gasen gefüllt wurden. Zum Anfüllen mit Luft diente 
eine große Fahrradluftpumpe, deren Gummischlauch auf die 
Kanüle gezogen wurde. Die Infusion des Sauerstoffgases geschah 
durch Verbindung der letzteren mit dem Sauerstoffzylinder. Die 
Infusionen wurden in Zwischenräumen von zwei bis vier Wochen 
innerhalb der Zeit vom 7. Mai bis 5. September wiederholt. 
Alle Rinder wurden am 16. Oktober geschlachtet und sorgfältig 
untersucht. 

Der unmittelbare von der Behandlung erzeugte Effekt bestand 
in einer starken Vermehrung des Pulses und der Atmung. In 
einigen Fällen trat auch eine geringe Temperatursteigerung ein. 
Diese Erscheinungen gingen in wenigen Stunden vorüber. 
Eine Kuh starb am 10. Juni 10 Minuten nach der Luftinfusion. 
Das Tier war sehr stark abgemagert, obwohl die Autopsie ergab, 
daß die tuberkulösen Veränderungen nur leicht und in geringer 
Ausdehnung vorhanden waren. Am 4. September verendete in¬ 
folge dieser Behandlung eine zweite Kuh so schnell als wäre 
sie durch einen wohlgezielten Flintenschuß getroffen worden. 
Auch hier waren nur geringgradige tuberkulöse Läsionen vor¬ 
handen. Weitere böse Zuiälle kamen bei der Behandlung nicht vor. 

Untersuchungen der Kühe mit Tuberkulin fanden noch zwei¬ 
mal am 28. Juli und 14. Oktober statt. Am ersten Termin 
fiel bei sieben und am zweiten bei 12 Kühen die Reaktion aus. 
Bemerkenswert ist, daß bei der letzten Tuberkulinprobe von 
den Kontrolltieren ebenfalls nur zwei Stück reagierten. Die mit 
Sauerstoff behandelten Kühe zeigten den besten Nährzustand 
von sämtlichen Versuchstieren. Dieselben wurden alle am 


739 


16. Oktober geschlachtet und sorgfältig untersucht. Hierbei 
wurde ermittelt, daß die tuberkulösen Veränderungen begrenzt 
und chronisch waren. Nur in einem Falle ließen sich am Netz 
akute Prozesse nachweisen. In einer Anzahl von Fällen machte 
sich eine zellige Infiltration um die tuberkulösen Herde vermut¬ 
lich als Zeichen der beginnenden Kapselbildung und Heilung 
auffallend bemerkbar. Durch die Untersuchung des erkrankten 
Gewebes war es jedoch nicht möglich, die reagierenden von den 
nichtreagierenden Tieren zu unterscheiden. Auch die Verimpfung 
des zelligen Materials aus den tuberkulösen Herden auf Meer¬ 
schweinchen von fast allen Kühen ergab in der nachfolgenden 
Entwicklung der Krankheit keine wesentlichen Unterschiede. 
Alle Impftiere starben an generalisierter Tuberkulose. 

Obwohl hiernach die Tuberkelbazillen sich noch infektions¬ 
fähig erwiesen, ist Verf. der Meinung, daß die erlangten Resultate 
im allgemeinen zugunsten der beschriebenen Infusionsversuche 
sprechen. Denn alle mit Luft und 50 Proz. von den mit Sauer¬ 
stoff behandelten Rindern zeigten später keine Reaktion auf die 
Tuberkulinprobe mehr. Die Tatsache, daß bei drei Kontrollieren 
derselbe Fall eintrat, wird durch die bekannte Erfahrung erklärt, 
daß ein Teil des infizierten Viehs gesundet, wenn es in günstige 
hygienische Verhältnisse gebracht wird. Sollte dieser Faktor 
nicht auch bei den anderen nichtreagierenden Tieren eine erheb¬ 
liche Rolle bei der Besserung des Krankheitszustandes gespielt 
haben? Der therapeutische Wert des Verfahrens bedarf daher 
noch sehr eingehender Prüfung. Peter. 

Über die Verwendung des Lysols in der Behandlung 
der Hufkrankheiten. 

Von Vivien, Veterinär II. Kl. in Saumur (Kavallerieschule). 

(Revue g6n. de mf-d. v6t. 1, April 1903). 

Das Lysol ist in der Veterinärmedizin allgemein und mit 
Nutzen angewandt worden. Es erscheint jedoch von Vorteil, eine 
besondere, weniger bekannte Verwendungsweise bekanntzugeben. 

Läßt man auf einem Hufe, durch festen Verband, einen 
mit konzentriertem Lysol stark durchtränkten Werg- oder Tuch¬ 
bausch liegen, so ist nach vierundzwanzig bis achtundvierzig 
Stunden das Horn in seinen Eigenschaften verändert. Es ist 
geschmeidig, weich und elastisch geworden und läßt sich mit 
der größten Leichtigkeit schneiden. Diese Veränderung zeigt 
sich nur an den mit dem lebenden Podophyll in Verbindung 
gebliebenen Hornteilen, denn totes Horn erleidet keine Ver¬ 
änderung auch bei lange andauernder Immersion in Lysol. 

In Saumur ist deshalb seit mehreren Jahren dem Lysol der 
Vorzug gegeben worden bei der Behandlung der Nageltritte. 
Bei solchen wird nach oberflächlicher Verdünnung ein Lysol¬ 
verband angelegt; diese Applikation bewirkt das Eindringen der 
Flüssigkeit bis zum Grunde der Wundfistel, die dadurch des¬ 
infiziert und kauterisiert wird; durch die Erweichung des Hornes 
wird der Druck vermindert und gleichzeitig eine vorzügliche 
Vorbereitung des Operationsfeldes geschaffen, für den Fall, daß 
eine größere chirurgische Intervention nötig wäre. 

Bei Hornspalt erweicht die Anwendung eines Lysolverbandes 
die Spaltränder, beseitigt die Klemmungen, ätzt das erkrankte 
Podophyll und erleichtert die beim stehenden Pferde oft delikaten 
Verdünnungen. 

Sollen schwere Operationen am Huf vorgenommen werden, 
so empfiehlt V. die Anlegung eines Lysolverbandes 48 Stunden 
vor der Operation; dadurch wurde ein vollkommen aseptisches 
Operationsfeld erzielt, das Horn ist ohne Mühe zu behandeln. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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740 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 48. 


Ia Saamnr wird seit einigen Jahren das Lysol in be¬ 
schriebener Weise verwendet zur vollkommenen Zufriedenheit 
der Operateure, die weniger andauernde Lahmheiten, geringere 
Eiterungen, weniger häufige schwere Operationen zu verzeichnen 
haben. Zündel. 

Wochenübersicht über die medizinische Literatur. 

Von Dr. Jets-Charlottenburg, 

KreUtlwant. 

Zentralblatt für allgemeine Gesundheitspflege. Ziceiundxicanxigster Jahr¬ 
gang 9. und 10. Heft. 

Weitere Mitteilungen über die Prophylaxe der Sommersterb¬ 
lichkeit der Säuglinge; von Dr. Pfaffenholz. Aus den ausführ¬ 
lichen Angaben dieser umfangreichen Veröffentlichung, welche 
sich auch namentlich auf die Verhältnisse anderer Länder ein¬ 
gehend bezieht, sei folgender Satz als besonders wesentlich und 
wichtig hervorgehoben. Die mangelhafte Beschaffenheit der 
Milch, wie sie dem Konsumenten ins Haus geliefert wird und 
ihre fehlerhafte Behandlung im Haushalte, ist die eigentliche 
Ursache der Sommererkranknngen und damit zwar nicht derSäug- 
lingssterblichkeit überhaupt, wohl aber der hohen Sterblichkeit. 
Deutsche Medizinal-Zeitung Nr. 70, 1903. 

Beobachtungen über den Befund gewisser Monaden in den 
sogenannten Miescherschen Schiluchen. 

Lindner veröffentlicht Beobachtungen, welche er bei der 
Kultur der Raineyschen Körperchen machte. Er züchtete die 
Körperchen in Fleischextraktlösung. Nach zwei bis drei Tagen 
sah er kleine, runde, kommaformig gekrümmte mit Eigen¬ 
bewegungen begabte Mikroben. Bei zunehmendem Wachstum 
der Individuen bildeten sich vier bis acht Teilmonaden, welche 
sich immer weiter vermehren. In hygienischer Beziehung, so 
fügt L. hinzu, hält er die massenhafte Einwanderung lebens¬ 
fähiger Monaden in den menschlichen Körper aus rohem 
Fleisch nicht für indifferent. (Vom grünen Tische aus 
betrachtet mag das richtig sein, die Praxis jedoch ergibt, 
daß die Beanstandung derartigen Fleisches Unsinn ist. D. Ref.) 
Deutsche Medix inal x eitung Nr. 79. 

Ermittelung des Nährwertes der Milch auf schnellstem Wege 
mittels der Zentrifuge; von Dr. Fabre-Lyon, M 6 dic. 25/1903. 

Die Milch wird mit einigen Tropfen Indigolösung an¬ 
gefärbt, fünf Minuten zentrifugiert, dann ist die gelbe Sahne 
scharf von der blauen Milch abzulesen. Zur Bestimmung des 
Kaseins wird die Milch mit einigen Tropfen Essigsäure-Pikrin¬ 
säure versetzt und zentrifugiert. Zur Bestimmung des Milch¬ 
zuckers wird mit Fehlingscher Lösung gekocht, um die Kupfer- 
oxydulansscheidung sich absetzen zu lassen. (Die Methode 
erscheint weder neu noch praktisch. D. Ref.) 

Über die Behandlung des Gelenkrheumatismus mit Menzersohem 
Antistreptococcenserum. Auf der Naturforscherversammlung in 
Kassel sprach Schmidt in Dresden über die Behandlung des 
Gelenkrheumatismus mit Menzerschem Serum und teilte mit, 
daß er keinerlei Wirkung des Serums habe beobachten können. 
Deutsche Medizinal-Zeitung 87. 

Tuberkelbazillen und Brot; von Tron. Wie T. in der Rivista 
Veneta di Scienze Mediche 9, 1903 mitteilt, hat er dahin zielende 
Versuche gemacht, indem er dem zum Brotbacken benutzten 
Wasser Tuberkelbazillen zusetzte, teils aus einer Reinkultur, 
teils bazillenhaltiges Sputum. Nach dem Backen enthielt das 
Brot keine lebensfähigen, virulenten Bazillen mehr. 


Tagesgeschichte. 

Ein vergessenes Häuflein. 

Von Remontedepotveterinär Woiü-Benediktbeuren. 

Unter diesem Titel hat Herr Professor Dr. Schmaltz in 
Nr. 42 dieser Wochenschrift die Verhältnisse der Remontedepot- 
veterinäre zur allgemeinen Kenntnis gebracht und dargelegt, 
wie dringend notwendig auch hier eine gründliche Reorganisation 
Platz greifen müßte, um ein altes „Kurschmiedesystem“ eines 
vergangenen Jahrhunderts dem neuen Zeitgeiste anzupassen. 

Die bayerischen Remontedepotveterinäre hatten schon seit 
längerer Zeit die Absicht, auf dem Dienstwege eine ent¬ 
sprechende Neuregulierung ihrer Dienstverhältnisse zu ver¬ 
anlassen; doch sah man wieder davon ab, weil zu hoffen war, 
daß die bevorstehende Reorganisation des Veterinärwesens auch 
nach dieser Seite hin ihre bessernde und neugestaltende Hand 
ohnehin bemerkbar machen müßte, zumal in Bayern die Depot¬ 
veterinäre zu den Truppenveterinäreu zählen. 

Nachdem nun aber doch die Lage und Dienstverhältnisse 
der Depotveterinäre in der Fachpresse zur Sprache gekommen 
sind, so sei auch von Bayern aus, wo ja noch ungleich bessere 
Verhältnisse vorherrschen, ein kleiner Beitrag hierzu gebracht, 
welcher, auf hauptsächlich selbst gemachte Erfahrungen und 
Beobachtungen gegründet, darlegen soll, daß allein das dienstliche 
Interesse schon dringendst eine Neuregelung der Dinge erfordert. 

Die Remontedepots haben bekanntlich den Zweck, als 
Sammelreservoirs für die zukünftigen Truppenpferde zu dienen, 
welche aus den verschiedensten Landesgegenden zum Ankäufe 
gelangt waren. Damit diese Remonten noch frisch und un¬ 
gebraucht, d. h. nicht durch allzufrühe Dienstleistungen in ihrer 
Entwicklung oder Konstitution geschädigt zur Truppe kommen, 
werden hierzu in der Regel dreijährige Tiere angekauft, um 
dann durch entsprechende Fütterung, Haltung und Pflege auf 
den Depots für den intensiven Truppendienst vorbereitet zu werden 
4 72 jährig werden sie dann in möglichst gleichmäßiger Weise und 
ihrer besonderen Gebrauchsfähigkeit entsprechend seitens der 
Remonteinspektion an die einzelnen Truppenteile abgegeben. 

Es bilden aber auch die Remontedepots zugleich eine vor¬ 
zügliche Quarantänestation in Rücksicht auf die vielen anstecken¬ 
den Krankheiten, welche den alienthalben angekauften Tieren 
mehr oder weniger anhaften, damit die Truppenteile nicht, wie 
es bei direkter Ablieferung an dieselben der Fall wäre, durch 
Seuchenausbrüche in ihrer Ausbildung und Schlagfertigkeit beein¬ 
trächtigt werden. Druse, Skalma, Rotlaufseuche, ßrnstseuche, 
auch Rotz sind die Krankheiten, welche auf den Depots, die 
einen mehr, die anderen weniger häufig, zum Ausbruch bzw. zur 
Beobachtung kommen. Aber gerade hier in Beziehung auf 
solche Seuchen müßte der Zweck der Depots noch viel weiter 
gehen. Da aber die Truppenteile trotz aller Vorsicht durch 
Ansteckung von außen her von solchen Krankheiten oft monate¬ 
lang heimgesucht sind und dadurch in ihrer Ausbildung und 
Schlagfertigkeit in hohem Maße Einbuße erleiden, so wäre anzu- 
streben, daß die Pferde schon auf den Depots durch künstlicheDurch- 
seuchung, gegen diese Krankheiten immunisiert werden könnten, 
da einmaliges Überstehen der Seuche in der Regel dem Pferde¬ 
körper Immunität verleiht. Freilich müßte diese künstliche 
Durchseuchung in gemilderter Form stattfinden und gerade die 
Remontedepots wären es, wo man Hand in Hand mit den 
wissenschaftlichen Forschern Wege aufsuchen sollte, auf welchen 
man zu diesem Ziele gelangen könnte. 


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26. November 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


741 


Wie die Kubpockenimpfang beim Menschen die Blattern¬ 
krankheit znr Seltenheit gemacht hat, wie der Rotlanf der 
Schweine hintangehalten werden kann, wie die Pasteursche 
Impfung den Kampf gegen den Ausbruch der Wut erfolgreich 
aufgenommen hat usw., so dürfte es wahrscheinlich den Sach¬ 
verständigen durch eingehende Studien in Zukunft gelingen, ein 
Mittel zu finden, durch welches man den influenzaartigen 
Krankheiten der Pferde begegnen könnte. 

Außer der Behandlung der übrigen vielen Krankheiten, die 
bei den jungen, in der Entwicklung begriffenen Tieren Vor¬ 
kommen, hat der Veterinär die zweckentsprechende Fütterung 
einzuteilen und zu überwachen, desgl. die Haltung und Pflege 
der Remonten. Damit ist seine Aufgabe noch nicht erschöpft. 
Er muß den Tieren eine entsprechende Bewegung und Führung 
angedeihen lassen, damit sie an Gängigkeit gewinnen und so 
auf ihren künftigen Beruf vorbereitet werden. Es müssen die 
Remonten wiederholt gemustert und hinsichtlich ihrer Gebrauchs¬ 
eigenschaften beobachtet und qualifiziert werden. 

Eb ist somit der Depotveterinär für die Remonten 
nicht nur Hygieniker und Arzt, er ist auch gleichsam 
ihr Erzieher. Alle die Aufgaben, die bei der Truppe in ver¬ 
schiedenen, zum Teil sehr autoritativen Händen liegen, sind 
auf den Depots in der Hand des Veterinärs vereinigt. Die 
Gefährlichkeit, Wichtigkeit und Verantwortlichkeit 
seines Dienstes, der für die Truppe von weittragendster 
Bedeutung ist, erfordert aber auch, daß ihm die nötige 
Autorität und Aktionsfreiheit eingeräumt werde und 
ihm das entsprechende Personal zur Verfügung stehe. 

Fragen wir uns aber heute, ob die derzeitige Organi¬ 
sation der Depots ihrem Zwecke entspricht, ob dem Veterinär 
dortselbst die zur Erreichung seiner Aufgabe nötige Aktions- 
freiheit und Autorität gewährt ist, ob ihm das entsprechende 
Personal zu Gebote steht, so müssen wir diese Fragen mit 
einem entschiedenen Nein beantworten. 

Abgesehen von den Verhältnissen in Norddeutschlaud, wo 
der Veterinär auf den Depots eine unglaublich niedere und un¬ 
genügende Stellung einnimmt, die längst vergangenen Zeiten 
vielleicht genügt hat, müssen auch die bayerischen Verhältnisse, 
die ja dank der Fürsorge und Einsicht der Vorgesetzten 
Dienstesstellen ungleich besser sind, die aber trotz allem eine 
Angleichung an norddeutsche Verhältnisse erfahren hatten, als 
vollständig unzureichend bezeichnet werden. 

In Bayern ist der Veterinär der Remonte-Inspektion direkt 
unterstellt und dem Administrator, welcher der erste Beamte 
und Vbrstand des Depots ist, als technischer Beirat beigegeben. 
Es ist also der Beamte, welcher dem eigentlichen 
Zwecke des Depots dient, nur technischer Beirat, 
während der Landwirt, der nur dem Nebenzweck der 
Depots zu dienen hat, erster Beamter und Vorstand 
des Ganzen ist. 

Schon auf den ersten Blick muß die unlogische Stellung, 
die hierdurch den beiden zugewiesen wird, anffallen und diese 
unnatürliche Diensteinteilung bringt viele Mißhelligkeiten und 
Übelstände mit, an die man, wenn man einfach die nackten Be¬ 
stimmungen liest, wohl nicht denkt, die sich aber bei der prak¬ 
tischen Dienstführung vielfach und oft recht unangenehm nach 
beiden Seiten hin, am meisten aber nach der Seite des Dienst¬ 
betriebes des Veterinärs hin, bemerkbar machen. 


Dieses Dienstverhältnis ist aber auch ein un¬ 
billiges zu nennen in Anbetracht des Bildungsganges der 
beiden Beamtenkategorien. Schon vor der Einführung des 
Maturums hatten die Veterinäre einen bedeutend höheren, 
längeren, genau präzisierten Bildungsgang zu absolvieren, wie 
er von den übrigen Depotbeamten, was auch Herr Professor 
Dr. Schmaltz betont, nicht annähernd gefordert wird. Jetzt 
nach Einführung der Maturitas ist dieser Unterschied noch viel 
erheblicher geworden. Doch will ich darauf nicht näher ein- 
gehen, da hauptsächlich bewiesen werden soll, daß die Neu¬ 
regelung der DepotverhältniBse einzig und allein im 
dienstlichen Interesse dringend erforderlich ist Des¬ 
halb sollen auch die pekuniären Verhältnisse nicht zur Sprache 
gebracht werden, z. B. daß in bezug auf das Naturaldeputat 
der Veterinär nur dem Sekretär und Wirtschaftsassistenten, 
aber nicht dem Administrator gleichgestellt ist. 

Also zum Thema zurück! Der Landwirt ist Vorstand, der 
Veterinär der technische Beirat! — Die dienstlichen Interessen 
beider Beamten stehen sich häufig gegenüber. Während der 
Administrator auf einen möglichst günstigen Rechnungabschluß 
bedacht sein muß, was ihn zur äußersten Sparsamkeit in jeder 
Hinsicht veranlassen wird, trachtet der Veterinär z. B. darnach, 
daß nur das beste Futter den Remonten in hinreichendem 
Maße zukommt, indem er sich sagt, daß es der Hauptzweck 
des Depots ist, in erster und einziger Linie auf das möglichste 
Gedeihen der Remonten Bedacht zu nehmen. Produzent und 
Konsument stehen sich hier feindlich gegenüber, woraus leicht 
Reibereien entstehen können. Es gibt aber auch anderweitige 
Veranlassungen zu Meinungsverschiedenheiten im Interesse der 
Remonten. Bei derartigen Vorkommnissen ist jedoch der 
Veterinär der benachteiligte. Man kann nicht jede Kleinigkeit 
weitere dienstliche Kreise ziehen lassen und da hat dann der 
Veterinär dem Landwirt gegenüber, welcher der Vorstand ist, 
den schwierigeren Standpunkt. 

Alle schriftlichen Meldungen und Anträge des Veterinärs 
werden zwar direkt an die kgl. Remonte-Inspektion adressiert, 
da sie aber behufs Weiterleitung durch die Hand des Ad¬ 
ministrators gehen müssen, so lernt derselbe ihren Inhalt kennen 
und kann so jederzeit zu demselben und zwar ohne Wissen 
des Veterinärs Stellung nehmen. Auch Dienstschreiben persön¬ 
lichen Inhalts gelangen erst durch seine Hand an ihre Adresse, 
selbst die der Stabsveterinäre, obwohl dieselben als „wirklich 
höhere Beamte“ im Range über dem Administrator, der Titular- 
rat geworden ist, stehen. 

Die Remonteknechte werden vom Administrator eingestellt 
und entlassen. Von ihm werden sie dem Veterinär zur Dienst¬ 
leistung zugewiesen, der ihr Vorgesetzter in Ausübung des 
Dienstes ist, der sie aber weder bestrafen noch belohnen kann, 
wenn er letzteres nicht aus eigener Tasche zu tun willens ist. 
Recht und Macht hierzu liegt wieder in der Kompetenz des 
Administrators; auch untersteht seiner Machtbefugnis, allerdings 
im Einvernehmen mit dem Veterinär, die Verteilung der Leute 
auf die einzelnen Vorwerke. 

Durch diese Verhältnisse ist die Aktionsfreiheit 
des Veterinärs beeinträchtigt und niemand wird be¬ 
haupten können, daß hierdurch die Autorität des 
Veterinärs nach oben und unten hin besonders ge¬ 
hoben wird. Aber auch nach außen hin erleidet sie 
mancherlei Einbuße. 


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742 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 48. 


So hat z. B. Herr Professor Dr. Schmaltz in seinem 
Artikel erwähnt, daß dem Veterinär nnr 1, dem Administrator 
2—3 Pferde znr Verfügung stünden. 

Von den vier bayerischen Depotveterinäreu haben zwei ein 
Doppelgespann in Anbetracht der vielen znm Depot gehörigen 
verstreuten Vorwerke. Es möchte fast kleinlich erscheinen, 
diesen Pankt zu erwähnen, ist es aber tatsächlich nicht 
in bezug auf das Ansehen des Veterinärs nach außen hin. Wenn 
man den Administrator stets im Zweispänner mit dem Kutscher 
in Livree sieht, den Veterinär aber im Einspänner, womöglich 
selbst kutschierend, so wird nicht nnr vor den Dienstlenten des 
Depots, sondern allgemein offenkundig der Abstand zwischen 
beiden Beamten dokumentiert. Die Leute, und man braucht da 
durchaus nicht nur das weniger gebildete Publikum im Auge zu 
haben, ziehen hieraus ihre Schlüsse und beurteilen darnach die 
Wertigkeit beider Beamten und Beamtenkategorien. Es wird 
alBO hierdurch der Veterinär und sein Stand unbilligerweise dem 
anderen Stande hintangesetzt, trotzdem der Veterinär eine ganz 
bedeutend höhere vorschriftsmäßige Vorbildung aufweist und 
sein Dienstzweig bezüglich des Zweckes der Remontedepots der 
ungleich wichtigere ist. 

In Anbetracht der Bedeutung des Dienstes der Depot¬ 
veterinäre schon allein wäre es angezeigt, daß auf den Depots 
der Veterinär das erste Wort zu sprechen hätte. Daß sein 
Dienstzweig der wichtigere ist, geht auch daraus hervor, daß 
hauptsächlich sein Dienstbetrieb, seine Dienstleistungen aufs 
eingehendste seitens des Remonte-Inspekteurs mehrmals deB Jahres 
inspiziert werden. Auch ist es der Veterinär, der durch 
die Beziehungen, welche die Remonten mit den Truppenteilen 
herbeiführen, in den verschiedensten Angelegenheiten in erster 
Linie zur Verantwortung gezogen wird, trotzdem er eigentlich 
nur „technischer Beirat“ ist. So ist er z. B. verantwortlich 
für die Einträge in den Nationalen, die der ihm nicht unter¬ 
stellte Depotschreiber anfertigt und der Administrator unter¬ 
schreibt. Soll der Veterinär in bezug auf die Remonten die 
Verantwortung tragen — und welcher Veterinär trägt sie nicht 
gerne! — so gebe man ihm auch die notwendige Autorität, man 
weise ihm die ihm gebührende Stellung an und mache ihn ohne 
Verklausulierung vollständig selbständig in seinem Dienstbetriebe! 

Was das Personal anbelangt, das ihm zu Gebote steht, 
so ist dasselbe in Anbetracht der vielen Arbeiten und der An¬ 
sprüche, die heute an den Depotveterinär gestellt werden und 
die sogar, wie zum Teil schon angedeutet, noch gesteigert werden 
könnten und sollten, ein unzureichendes zu nennen. 

Die Zahl der Remontewärter — auf 30 Pferde circa ein 
Mann — würde schließlich noch genügen. Es genügen aber 
diese Leute nicht alle in qualitativer Hinsicht. Zum Teil ist 
das Material ein sehr guteB, zum Teil ein minderwertiges. 
Einen Hauptübelstand bildet der häufige Wechsel der Leute, 
welcher immer der Pferdewartung znm Nachteil gereicht und 
welcher vielfach in dem geringen Lohne der Anfangsstellung be¬ 
gründet ist. Es besteht da kein Unterschied zwischen dem Lohne 
der Remontewärter und dem der Ökonomieknechte, trotzdem erstere 
einen gefährlicheren, arbeitsreicheren und verantwortungsvolleren 
Posten inne haben. Da kommen z. B. im Herbste nach Ab¬ 
leistung ihrer Militärpflicht in Ermangelung anderer Beschäftigung 
Leute zur Einstellung, zum Teil von Bezirkskommandos herge¬ 
wiesen, welche sich ganz gut anlassen; sie bleiben den Winter 
über da, vielleicht noch den Sommer, sobald aber der zweite 


Winter naht und die geringeren Winterlöhne zur Auszahlung 
kommen, haben sich gerade die tüchtigeren nach lukrativeren 
Stellungen umgesehen. Man war aber auch schon darauf an¬ 
gewiesen, Leute von der Landstraße weg anzustellen. Darunter 
befinden sich nun auch Individuen, welche im Winter die warmen 
Stallungen als Unterschlupf ausnützen, die aber, sobald die 
Frübj ahrssonne ihre ersten warmen Strahlen sendet, wieder 
Ränzel und Wanderstab ergreifen, nachdem sie mit Pferde¬ 
wartung und Pflege kurz vorher erst vertraut geworden sind. 

Solchen Leuten gegenüber tut man sich in disziplinärer 
Hinsicht an und für sich nicht leicht, hierzu kommt aber noch 
das schon erwähnte Moment, daß der Veterinär keine Disziplinar¬ 
gewalt über diese Leute hat. So viel vorläufig hierüber! Weiter 
unten soll erörtert werden, welches Hilfspersonal dem Depot¬ 
veterinär noch zuzuweisen wäre. 

Naturnotwendigerweise sollte dem Veterinär die 
Vorstandschaft über das Remontedepot übertragen 
sein und der landwirtschaftliche Beamte wäre ihm 
als Beirat beizugeben. Das wäre das einzig Richtige, weil 
zweckentsprechendste. Jeder Veterinär muß soviel allgemeine 
landwirtschaftliche Kenntnisse besitzen, die genügen, um die 
VorstandsBtelle mit Unterstützung eines tüchtigen landwirt¬ 
schaftlichen Beirates, der in seiner Dienstsphäre möglichst selbst¬ 
ständig bliebe, zu übernehmen. Keinem Landwirt aber, möge 
er noch so gut in Pferdezucht und Rassekunde bewandert sein, 
ist damit eine Grundlage gegeben für das Verständnis der 
speziellen Erziehung des Militärpferdes. 

Es ist und bleibt der Veterinär die einzig richtige Persön¬ 
lichkeit für die Vorstandschaft und daß die Veterinäre eine 
solche auch zu führen wissen, das beweisen die Institute, an 
denen ein Veterinär Vorstand ist. Es sei hier an die Gestüte 
Zweibrücken und Achselschwang und an die unserem Thema 
am nächsten liegende Remonteanstalt Nenmarkt i. 0. erinnert. 
Die Wichtigkeit des veterinärärztlichen Dienstzweiges, die 
Dienstleistungen deB Veterinärs, seine Verantwortlichkeit und 
seine Vorbildung hätten ihm schon längst die erste Stelle auf 
den Depots sichern sollen. 

Freilich heute kann man nicht plötzlich die Administratoren 
ihrer Würde entkleiden und diese in Bayern ihrem bisherigen 
technischen Beirat und in Preußen dem am untersten Ende der 
Depotbeamten rangierenden Veterinär umhängen. Von diesem 
Gefühle geleitet scheint auch Herr Professor Dr. Schmaltz 
den Vorschlag gemacht zu haben, man könne ja einen Stabs¬ 
offizier z. D. als „Remonte-Direktor“ über beide Beamtenkate¬ 
gorien setzen. Diesseits kann man dem Remonte-Direktor keinen 
Geschmack abgewinnen. Der betr. Herr würde sich mit der 
landwirtschaftlichen Seite weniger befassen können; sein Haupt¬ 
augenmerk wäre der Veterinärdienst als der wichtigere Dienst¬ 
zweig und auch besonders deswegen, weil er mit demselben von 
der Truppe her schon vertrauter wäre. Sicherlich würde das 
militärische Interesse, das beide Herren verbände, dazu führen, 
daß sie stets Seite an Seite ständen und so würde der Veterinär 
eine große Stütze gewinnen. Aber der künftige Vetorinär- 
offizier bedarf einer solchen nicht und so würden ans einem 
derartigen Vorgesetztenverhältnis für ihn nur Schwierigkeiten 
erwachsen. Denn ließe der Direktor dem Veterinäroffizier, wie 
es des Dienstes Interesse fordert, freie Hand, so wäre er über¬ 
flüssig, suchte er aber, um nicht umsonst auf dem Depot zu 
sein, einzelne Teile des Depotdienstes zu dirigieren, so müßten 


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26. November 1908. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


748 


Schwierigkeiten entstehen; denn der Veterinär dienst auf den 
Depots läßt sich bei seiner Mannigfaltigkeit und infolge der 
verschiedensten Zwischenfälle nie genau von hente auf morgen 
festlegen nnd mnß oft genng unvorhergesehenerweise modi¬ 
fiziert werden. Wie oft muß der Veterinär zu seinem Leidwesen 
Arbeiten wie Augenuntersuchungen, Mustern, Visitationen der 
Remonten unterbrechen und später wieder beginnen oder gar 
auf den nächsten und übernächsten Tag verschieben. Hier 
würde ein tätiger Direktor hemmend wirken. Die Einheit¬ 
lichkeit der Dienstfährung wäre durch einen Direktor gestört 
und man sollte sich hier von dem alten wahren Wort des Volks¬ 
mundes warnen lassen, welches besagt, daß zwei Köche den 
Brei verderben. 

Aber die Neuregelung der Dinge wäre ja ganz 
einfach auf die Weise vorzunehmen, daß man alles, 
was mit den Remonten zusammenhinge, von landwirt¬ 
schaftlichen Betrieben trennte, so daß das heutige 
Remontedepot in zwei Anstalten gegliedert wäre: in 
die „Kgl. Remontenanstalt“ und in das „Kgl. Land¬ 
wirtschaftsgut“; die Vorstandschaft über erstere fiele 
dem Veterinär zu, die über letzteres verbliebe dem 
Administrator! 

Die Remonteanstalt bezöge die Fourage vom Landwirt¬ 
schaftsgute in ähnlicher Weise, wie dies seitens der Truppen¬ 
teile von den Magazinen geschieht. Die Remontewärter wären 
vom Veterinär anzustellen und hätten in ihren Bezügen besser 
gestellt zu werden. Die Bezüge der Remontewärter sollten das 
ganze Jahr hindurch die gleichen bleiben, nachdem auch der 
Dienst derselben das ganze Jahr hindurch ein gleicher bleibt 
und derselbe eher im Winter etwas schwieriger wird, wo das 
dicke Haarkleid der Pferde, die schmutzigeren Tummelplätze 
und die Kürze der Tage den Dienst intensiver gestalten. Es 
ließe sich hierdurch ein größerer Bestand an tüchtigen, ständigen 
Wärtern heranziehen, was im Hinblick auf den hohen Wert der 
Remonten, welche diesen Leuten anvertraut sind, als sehr not¬ 
wendig bezeichnet werden mnß. Einfacher und billiger wäre 
es freilich und in bezug auf Disziplin ungleich besser, würden 
dem künftigen Veterinäroffizier überhaupt nur verlässige Soldaten 
als Wärter abgestellt, nachdem auf diese doch nicht ganz ver¬ 
zichtet werden kann. Die Truppenteile könnten nur bei der erst¬ 
maligen Durchführung dieser Maßregel eine Belästigung fühlen, 
wenn der eventuelle Ausfall an Mannschaften durch Erhöhung des 
Mannsohaftsetats um einen Mann pro Eskadron gedeckt würde. 

Fernerhin wäre es sehr empfehlenswert^ dem Veterinär 
außer dem Futtermeister noch einen Fahnenschmied 
zu unterstellen. Bei einem Bestand von 600 Pferden im Sommer 
und 300 im Winter wäre der Fahnenschmied hinreichend be¬ 
schäftigt. 

Besonders soll aber noch auf einen Punkt hingewiesen 
werden, der nebenbei für die Heranbildung des Veterinärpersonals 
von großem Nutzen wäre. Eb sollte den jetzigen Depot¬ 
veterinären, welchen übrigens in Anbetracht ihrer 
Verantwortung und der Wichtigkeit ihrer Dienstes- 
stelle durchweg die Kompetenzen eines Stabsveterinärs 
einzuräumen wären, ein jüngerer Veterinär als Assistent 
beigegeben werden. Wenn man bedenkt, daß z. B. bei einem 
jeden Artillerieregiment, welches ca. 250 Pferde zählt, zwei 
Veterinäre in Tätigkeit sind, während die meisten Depots einen 
weitaus höheren Pferdestand das ganze Jahr über aufweisen, so 


ist diese Forderung gewiß keine unbillige. Diese jüngeren 
Veterinäre würden jeweils auf 2—3 Jahre zu den Depots zu 
kommandieren sein und es käme dabei die alljährliche Komman¬ 
dierung von Veterinären während der Dauer der vermehrten 
Remontenaufstellung in Wegfall. Diese Assistenzveterinäre 
hätten dadurch Gelegenheit, den Depotdienst in seinem ganzen 
Umfange und nicht nur teilweise kennen zu lernen. Sie selbst 
und in weiterer Linie die Truppe hätten davon nicht unbedeutenden 
Nutzen, denn die Mannigfaltigkeit des Depotdienstes, Vorkomm¬ 
nisse der verschiedensten Art wirken, hier auf die Weiter- 
ausbildung des jüngeren Veterinärs ungemein anregend und 
fördernd. Auch bedarf der selbständig gewordene Depotveterinär, 
dem ein großer Teil schriftlicher Mehrarbeit zufallen wird, un¬ 
bedingt einer Hilfskraft. 

Selbstverständlich müssen bei solcher Neuge¬ 
staltung der Dinge die Depotveterinäre in Preußen, 
wie dies in Bayern bereits der Fall ist, zu den 
Truppenveterinären gezählt werden und die Auswahl der 
Remonte-Depotveterinäre dürfte in Hinsicht auf deren wichtige 
DiensteBstellung nicht vom Standpunkte der Felddienstuntauglich¬ 
keit getroffen werden, sondern von ganz anderen Gesichtspunkten 
aus. Der Dienst auf den Depots ist nicht so leicht, auch fehlen 
vielfach die Annehmlichkeiten der Garnison, der Dienst ist viel¬ 
seitig und häufig sehr anstrengend, sodaß er eines vollständig 
gesunden Mannes bedarf, der in allen Zweigen der Veterinär¬ 
wissenschaft bewandert ist. Ein jeder Depotveterinär sollte in 
einem hygienischen Institut, einer Seuchenversuchsstatiou oder 
einem bakteriologischen Institut speziell ausgebildet sein, damit 
er in engster Anlehnung au die wissenschaftliche Forschung mit 
der Zeit auf den Weg gelangen könnte, welcher zur energischen 
Bekämpfung der Pferdeseuchen führte. 

Im vorliegenden wurde versucht, streng sachlich und objektiv 
darauf hinzuweisen, wie und wo bei der dringenden Neu¬ 
organisation der Remontedepots, welche unmöglich noch lange 
auf sich warten lassen kann, die bessernde Hand anzulegen 
wäre. Ob dies gelungen ist, muß dem Urteil des Lesers über¬ 
lassen bleiben. Es sollte mir aber eine große Genugtuung sein, 
wenn die maßgebenden Stellen meine im Interesse des könig¬ 
lichen Dienstes, sowie zur Wahrung berechtigter Standesinteressen 
gegebenen Vorschläge der Beachtung und Berücksichtigung für 
wert finden sollten. 

Aus Hamburg. 

Im Anschluß an die erfreuliche, in der Nr. 46 der B. T. W. 
befindliche Nachricht aus München sei darauf hingewiesen, daß 
auch aus Hamburg ein Fortschritt auf tierärztlichem Gebiete 
gemeldet werden kann. Der Senat hat am 14. Oktober d. J. 
in Übereinstimmung mit der Bürgerschaft beschlossen, den 
Staatstierarzt und die etatsmäßigen Polizeitierärzte unter die 
technischen Beamten des höheren Verwaltungsdienstes einzu¬ 
reihen. Die Tragweite dieses Beschlusses erhellt aus der 
Tatsache, daß zu den technischen Beamten des höheren Ver¬ 
waltungsdienstes in Hamburg neben den beamteten Ärzten 
(Medizinalrat, Physici, ärztlichen Direktoren der Krankenhäuser 
und Irrenanstalten usw.) nur Beamte mit voller akade¬ 
mischer Bildung gerechnet werden. 

Hoffentlich findet das von München und von Hamburg ge¬ 
gebene Beispiel bald Nachahmung! 

Vivant sequentes! St. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 48. 


Verein der Privattlerlrzte In Preussen; Gruppe „Brandenburg" 

Zu einer Versammlung ladet hierdurch der Vorstand des 
V. d. P. T. „Gruppe Brandenburg" ein auf Sonntag, den 
29. November 3 Uhr, Spatenbräu, Berlin Friedrich¬ 
straße 172. 

Tagesordnung: Vorberatung über die bei einer dem¬ 
nächst abzuhaltenden Generalversammlung des V. d. P. T. zu 
gebenden Aufträge und zwar in bezug auf: a) Fleischbeschau, 
b) tierärztliche Taxe, c) Kurpfuschertum. 

Gäste willkommen! J. B. Arnous, Vorsitzender. 

40. Generalversammlung des Vereins der Tierärzte des Reg.-Bez. Wiesbaden 

am Samstag, den 28. November 1903 im „Rhein-Hotel“ zu Wiesbaden. 
Beginn der Versammlung vormittags 11 Uhr. 

Tagesordnung: 1. Vereinsangelegenheiten (Aufnahme neuer 
Mitglieder etc.). 2. Vortrag: „Allgemeines über Pferdezucht", Referent 
Herr Long-Dillenburg. 3. Besprechungen über das neue Reichs- 
Fleiscbbeschau-Gesetz. 4. Vorschläge für die nächste Versammlung. 

Um 2 Uhr gemeinsames Mittagsmahl im „Rhein-Hotel“. 

Gäste sind herzlich willkommen. Anmeldung der Gedecke (Preis 
3 M.) bis spätestens den 26. November an Herrn Depart-Tierarzt 
Dr. Augst ein, Wiesbaden, Moritzstraße 21, erbeten. 

I. A.: Dr. Thoms, Schriftführer. 

- Herbstversammlung des Vereins der Tierärzte des Regierungsbezirks 

Düsseldorf 

am Sonntag, den 29. November 1903, vormittags 11 Uhr 
in Düsseldorf im Hotel Heck (Blumenstraße). 

Tagesordnung: 1. Jahresbericht. 2.Kassenbericht. 3.Beschluß- 
lassnng über ev. Auflösung der Sterbekasse. 4. Reisefieber des 
Rindviehs (Referent Kreistierarzt Eckardt). 5. Eine neue Geflügel¬ 
krankheit und Demonstrationen einiger bakteriologischer Präparate 
(Referent Tierarzt Martin). 6. Aufnahme neuer Mitglieder. 7. Mit¬ 
teilungen aus der Praxis. 

Nach Schluß der Sitzung gemeinschaftliches Mittagessen, bei 
dem die Teilnahme der Damen erwünscht ist. 

Der Vorstand. I. A.: Fr. Bettelhaeuser, Schriftführer. 

Landwirtsohaftskammer und Pflisoherschole. 

Ein wenig von oben herab haben wir neulich (B. T. W. Nr. 46, 
pg. 717) die Expektorationen niederösterreichischer Volksvertreter 
betrachtet, weil sie vom Staate die Ausbildung von Pfuschern 
verlangten. Es scheint jedoch, daß wir in Deutschland nicht all¬ 
zuviel voraushaben und vor solchen landwirtschaftlichen Rück¬ 
ständigkeiten auch nicht sicher sind. Ja, wenn sich das hier 
wiederzugebende Gerücht bestätigt, dann ist es für uns noch 
schlimmer, als jene österreichischen Bestrebungen. Denn in 
Österreich hat man ein Jahrhundert lang privilegierte Pfuscher 
gehabt und der Staat will sie jetzt abschaffen, in Deutschland 
aber wäre diese Institution ein Erzeugnis des zwanzigsten Jahr¬ 
hunderts. 

InderLandwirtBchaftskammer der Provinz Schlesien 
•eil angeregt sein, offizielle Schritte zu tun, um die 
Ausbildung „männlicher Geburtshelfer 41 zu erlangen 
und zwar soll die Ausbildung erfolgen durch die — 
Kreistierärzte.C?) 

- Dann würden also zu den Laien-Fleischbeschauern und zu 
den Laien-Impfern noch die Laien-Geburtshelfer treten. 

Man möchte der Hoffnung noch nicht entsagen, daß diese 
Mitteilung sich nicht bestätigen möge. Sollte jene Absicht aber 
ausgeführt werden, so müßte eine ganz entschiedene Gegen¬ 
wehr begonnen werden. Daß die Kreistierärzte diese neue Zu¬ 
mutung (auch die Ausbildung von Laien-Impfern wurde in Schlesien 
den Kreistierärzten zugemutet) zurückweisen würden, ist ja nicht 
zweifelhaft. Aber auch die Gesamtheit der Tierärzte müßte 
endlich zu dieser immer drohender werdenden Gefahr eines 
offiziellen, protegierten und privilegierten Pfuschertums Stellung 
nehmen, wozu die 1904er Versammlung der Zentral Vertretung 
Gelegenheit geben wird. 


Es fällt uns nicht ein, über das Pfhschertum zu greinen. 
Die Pfascher und ihre Kunden werden niemals „alle werden“. 
Aber wenn die staatliche Organisation der Landwirtschaft in 
dieser Weise die Fortbildung des Pfuschertums betreiben sollte, 
dann müßte das eine Rückwirkung ausüben anf die Stellung der 
Tierärzte zur Landwirtschaft überhaupt, die wir nur aufii Tiefste 
beklagen könnten. Man kann es dann den Tierärzten nicht 
verdenken, wenn sich bei Ihnen ein Mißtrauen einnistet und sie 
in jeder das Veterinärwesen berührenden Einrichtung, die unter 
landwirtschaftlicher Führung zustande kommt, eine Gefahr 
wittern. Eine solche Gefahr besteht dann leider auch, wenn die 
Landwirtschaftskammern die Erzeugung von Impfstoffen noch 
mehr als bisher in die Hand bekommen, nämlich die, daß der 
Betrieb nicht mit den Tierärzten, sondern gegen die Tierärzte 
erfolgen möchte. An den Tierärzten und an ihrer Vertretung 
hätte es aber wahrhaftig nicht gelegen, wenn dieser Gegensatz 
sich auftäte. Schmaltz. 

Vorläufige Beschlagnahme von Flelsoh. 

In Nr. 45, S. 704 wurde eine Entscheidung eines Berliner 
I Schöffengerichts mitgeteilt, die einen Schlächtergesellen von der 
Anklage des Widerstandes gegen die Staatsgewalt freisprach, 
welcher gewaltsam verhindert hatte, daß der die Beschau aus¬ 
übende Tierarzt eine kranke Leber selbst aus dem Scblachtraum 
entferne. Diese Entscheidung läuft, wie an maßgebender Stelle 
betont wird, den klaren Bestimmungen des Fleischbeschan- 
gesetzes zuwider; denn dessen § 9 besagt ausdrücklich, daß 
untaugliches Fleisch vom Beschauer vorläufig zu beschlagnahmen 
sei. Gegen die Entscheidung ist denn auch schließlich Berufung 
eingelegt worden. 

Maul- und Klauenseuche. 

In Verfolg der Deklaration vom 9. April 1896 zur landespolizei- 
licben Anordnung vom 6. Dezember 1895, betreffend die Abwehr 
gegen die Einschleppung der Maul- und Klauenseuche in den dies¬ 
seitigen Regierungsbezirk durcb das aus anderen Reichsteilen 
stammende Vieh, bestimme ich, daß die Vorschriften der vorbezeich- 
reten landespolizeilichen Anordnung sich auf das aus nachbenannten 
Reichsteilen: 1. aus den preußischen Regierungsbezirken Potsdam, 
Oppeln, Hildesheim, Wiesbaden, Siumaringen, 2. aus den bayerischen 
Regierungsbezirken Oberbayem, Niederbayern, Mittelfranken, Schwa¬ 
ben, 3. aus den württembergischen Kreisen Neckarkreis, Schwarz¬ 
waldkreis und Jagstkreis im Regierungsbezirk Brombergzur Entladung 
mit der Eisenbahn gelangende Rindvieh bis auf weiteres beschränken. 

Bromberg, den 21. Oktober 1903. Der Regierungspräsident 


Personalien. 

Auszeichnungen: Der „Verein Münchener Tierärzte“ ernannte 
zu Ehrenmitgliedern: Direktor Dr. Albrecht, Korpsstabsveterinär a. D. 
J. Krümle , Schlachtbofdirektor Magin , Korpsstabsveterinär von Wolf, 
Bezirkstierarzt Wunder , Landgestütstierarzt Zeüingcr, sämtlich in 
München; ferner den Ehrenpräsidenten, den Präsidenten und den 
Schriftführer des Deutschen Veterinärrates Geheimrat Dr. Ijydtin in 
Baden - Baden, Geheimrat Dr. Esser in Göttingen, Professor 
Dr. SchmaUx in Berlin. 

Ernennungen: Amtstierarzt Dehne in Oelsnitz i. V. zum Bezirks¬ 
tierarzt in Schwarzenberg; — Tierarzt Richard Biermann in Berlin 
zum Schlachtbausverwalter in Briesen (W.-Pr.); — Tierarzt Fiedler 
in Hohnstein zum Schlacbthoftierarzt in Braunschweig; — Städt 
Tierarzt Dr. O. Lichtenheld in Leipzig zum Assistenten am patholog. 
Institut der tierärztlichen Hochschule zu Berlin. 

Wohn8ltzveränderungen, Niederlassungen: Verzogen ist Bezirks- 
tierarzt Freitag von Schwarzenberg nach Plauen i. V.; Einjähr. 
Unterveterinär K. Ooldmann von Fulda als prakt Tierarzt nach 
Neukircben (Kr. Ziegenhain; Bez. Kassel). 

Todesfall: Schlachthausdirektor F. Albert in Iserlohn. 


Vakanzen, (s. Nr. 45.) 

Neu hlnzugekomnen : Elbing: Schlachthof-Hilfstierarzt 2000M. 
Schriftl. Bew. innerhalb 14 Tagen an den Mag. — Düren (Rbeinl.): 
Schl.-Assistenztierarzt bis 1. Februar 1904. 2300 M. Meldg. bis 
10. Dez. an die Schlachthausdirektion. — Oberpleis (Bez. Köln): 
Privatpraxis. 500 M. Fixum; ca 1000 M. für Fleischbeschau. 
Meldg. an den Bürgermeister. — Rostock: Hilfstierarzt sofort 
2100 M. Bew. an die Schlachtbofverwaltung. 

Besetzt' Braunschweig. Briesen. 


Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prot Dr. Schmält* ln Berlin. — Verlag and Eigentum von Richard Schoets in Berlin. — Druck von W. BtUenitein, Berlin. 


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Ule * Berliner Tierärztliche Wochenschrift“ ereoheint Originelbeitrige werden mit SO Hk., ln PeHteetz mit 

wöchentlich Im Verlage von Richard Schoets in — .■ ^ — — 80 Hk. fUr den Bogen honoriert Alle Mannskripte, 

Bert in, Lnleenstr.88. Durch Jedes deutsche Postamt wird ■ B I ® Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man 

dieselbe zum Preise von M. 5,— vieneljihrlich (M. i,K8 für H-C /kff I 1 Y1 All au senden an Prof. Dr. Schmält*, Berlin, tierirxt- 

die Wochenschritt, 18 Pf. für BestellKeld) frei ins Hans ■ B ■ j I I I I I I j I liehe lloobscbule, NW, Lulsen«trasse 66. Korrekturen, 

geliefert (Deutsche Post-Zeitungs-Preisliste No. 1108, ^ -M—*--*--*- Reieasions-Rxemplare und Annoncen dagegen an die 

Oosterrelchlscbe No. 610, Ungarische No. 90.) Verlagsbuchhandlung, 

Tierärztliche Wochenschrift 


Redaktion: 

Professor Dr. Schmaltz- Berlin 

Verantwortlicher Redakteur. 


De Bruln 

Dr. Jess 

KOhnau 

Dr. Lothes 

Nevermann 

Prof. Dr. Peter 

Peters 

Professor 

Kreiatlerarzt 

Schlachtbofdirektor 

Departementstierarzt 

KreUtlerarzt 

Kreis tlerarzt 

Departementatlerarat 

Utrecht 

Charlottenburg. 

Cöln. 

Cöln. 

Bremervörde. 

Angerm Unde. 

Bromberg. 


Preusse 

Dr. Roeder 

Dr. Schlegel 

Dr. Vogel 

Zünde! 



Veteri närmsseaso r 

Professor 

Professor 

Laudestierarzt v. Bayern Kreistierarzt 



Danzig. 

Dresden. 

Freiburg i. Br. 

München. 

MUlhansen i. E. 


Jahrgang 1903. JW. 49 . Ausgegehen am 3. Dezember. 

Inhalt: Schlegel: Zur Tuberkulose-Schutzimpfung. — Referate: Valleo und Carre: Surra und Nagana, nach Nocards Versuchen. 

— Dr. Kochs Bericht über Behandlung des Blutharnens der Rinder. — Hutcheon: Virulent Redwater in Transvaal. — 
Joest: Untersuchungen über Kälberruhr. — Mörkeberg: Die Resultate des Nervenschnitts beim Spat der Pferde. — 
Selmer: Das „Überbein“ der Pferde. — Rossi: Ein Fall von Übertragung der Aphthenseuche auf den Menschen. — 
Stockmann: Experimentelle Tuberkulose beim Esel. — Stroh: Über die fleckige Capillarektasie in der Leber der Wieder¬ 
käuer. — Jeß: Wochenübersicht über die medizinische Literatur. — Tagesgeschlohte: Protokoll der am 27. September 1903 zu 
Königswinter abgehaltenen Herbstgeneralversammlung des „Veroins Rheinpreußischer Tierärzte“. — Zur Kreistierarztvorlage. — 
Kolonialtierärzte. — Zur Versicherungsfrage. — Verschiedenes. — Staatsveterinfirwesen. — Fleischbeschau und Viehhandel. — 
Personalien. — Vakanzen. 

Zur Tuberkulose-Schutzimpfung. 

Von 

Prof. Dr. N. Schlegel. 

(Au» ilem tiorhygionix'hcn Institut der Universität Freilmrg i. Br.) 

In den verschiedenen Staaten sind seit dem Bangschen 
Tilgnng8verfahren eine ganze Reihe von Tuberkulosebekämpfungs- 
plänen zur Anwendung gelangt, welche sich alle mehr oder 
weniger bewährt and gezeigt haben, daß mit Hilfe derselben 
selbst der schädlichsten aller Rinderseuchen wirksam begegnet 
werden kann. Die Anforderungen an die Wirksamkeit einer 
Tilgungsmethode sind aber gemäß den landwirtschaftlichen Ein¬ 
richtungen and Betrieben eines jeden Landes verschieden; anch 
fragt es sich dabei vornehmlich, welche Mittel müssen zur Er¬ 
reichung der gesteckten Ziele anfgewendet werden. Bei den 
gedachten Tilgnngsmethoden sind diese Aufwände z. T. ganz 
immense, unerschwingliche; eine sicher wirkende, unschädliche 
Schutzimpfung würde fraglos alle bisherigen Bekämpfangsweisen 
an Billigkeit and leichter Durchführbarkeit mit einem Schlage 
überholen, bzw. in Verbindung mit jenen zur Erzielung der 
Senchentilgung große Dienste leisten. Experimentelle Unter¬ 
suchungen über die v. B ehr in gsche Tuberkulose-Schutzimpfung kurz dauernde Fieberreaktion: 
haben daher ein öffentliches, aktuelles Interesse. Am 7. XII. 01: 0,025 g Tb. ders. Knltur iv. 

Auf Veranlassung des Großh. bad. Ministeriums des Innern Am 11. XII. 01: 0,05 g Tb. ders. Kultur iv. 

worden im Verlaufe dieses Jahres, um das v. Behringsche Ver- Am 14. XII. 01: 0,1 g Tb. ders. Kultur iv. 

fahren der Immunisierung gegen die Rindertnberknlose zu prüfen, Am 17. XII. 01: 0,2 g Tb. ders. Kultnr iv. 

im diesseitigen Institute an zwei gegen Tuberkulose immuni- Am 21. XII. 01: 0,4 g Tb. ders. Knltur iv. 

sierten Rindern und drei Kontrollrindern Versuche angestellt, Am 8. I. 02, am 28. I. 02 und 17. II. 02: Prüfungen mit 

welche zunächst zur Aufklärung und selbständigen Beurteilung 0,2 ccm Tuberkulin ergaben positive Reaktionen. Am 27. V. 02: 

der v. Behringschen Behauptung führen sollten, daß es möglich Prüfang mit 0,25 ccm Tuberkulin negativ. Am 16. VII. 02: 
sei, Rinder gegen eine absichtliche, künstliche Tuberkulose- 0,04 g Tb. derselben Kultur vom Menschen iv., mäßige Fieber- 
Infektion za schützen.*) Zn diesem Zwecke stellte Exzellenz reaktion. 

Wirkl. Geh.-Rat v. Behring dem Institute zwei immunisierte Stierrind Nr. 40 — rot, ca. H/ 2 Jahre alt, kastriert, der 

Rinder bereitwilligst znr Verfügung. Vogelsberger Rinderrasse angehörig — bestand am 22. XII. 01 

*) v. Behring, Beiträge zur experim. Ther., Heft 5, Tuber- *) Die Mitteilung über die Vorbehandlung dieses Rindes ver- 

kulose, S. XIV und 28. — Derselbe, Zeitschr. f. Tiermcd., 1902, danke ich Herrn Dr. Römer, 1. Assistent am hygienischen Institut 

S. 324 und 325. in Marburg. 


kurze 

Reaktionen, 

Gewichts¬ 

zunahme. 


I. Vorbehandlung der beiden Marbnrger Rinder. 

Die Vorbehandlung dieser beiden immunisierten Rinder war 
folgende: 

Knhrind Nr. 14 — rot, ca. V/ 2 Jahre alt, der Vogels¬ 
berger Rinderrasse angehörig — wurde Ende August 1901 
einer Tuberkulinprobe unterworfen, welche eine Temperatur¬ 
erhöhung om 1 Grad durch mehrere Tage anhaltend ergab, wes¬ 
halb die Reaktion für verdächtig gehalten wurde.*) Am 9. IX. 01 
erhielt dasselbe 0,001 g abgetöteter Tuberkelbazillen intravenös 
ohne Folgeerscheinungen, am 14. IX. 01: 0,5 g Milzemulsion 
eines Meerschweinchens intravenös, welches mit sehr virulenter 
Rindertuberkelbazillenkultur infiziert war. Nach dieser Infektion 
erkrankte das Rind an wochenlangem Hasten and Fieber, welches 
durch eine Taberknlinprobe von 0,2 ccm Tuberkulin (mit darauf¬ 
folgender lebhafter Reaktion) ansgelöst schien. Nach 9 bis 
10 Wochen hatte sich das Rind vollkommen erholt. Am 21. XI. 01: 
0,005 g Tuberkulin, vom Menschen herstammend intravenös, 
hierauf mäßige Fieberreaktion. Am 29. XI. 01: 0,01 g Tuber¬ 
kulin derselben Knltur intravenös, keine Reaktion. 

Am 2. XII. 01: 0,02 g derselben Knltur intravenös, starke 


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746 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 49. 


die Tuberkulinprobe. Am 24. XII. 01 erhielt dasselbe 0,025 g 
Tb. einer sehr virulenten, vom Menschen stammenden Kultur 
intravenös, worauf eine heftige, über 7 Wochen dauernde Fieber¬ 
reaktion und Husten, alsdann Erholung folgten.*) 

Das Kuhrind wurde für stärker tuberkuloseimmun bezeichnet 
als wie das Stierrind. 

Beide vorbehandelte Rinder ans Marburg sollten gleichzeitig 
mit Kontrollrindern einer absichtlichen, künstlichen Austeckung 
mit Rindertuberkulosevirus unterworfen werden, wobei gemäß der 
Behring8cken Behauptung zu erwarten stand, daß die beiden 
immunisierten Rinder aus Marburg diese Ansteckung ohne wesent¬ 
liche Störungen ihrer Gesundheit überstehen würden, während 
die in gleicher Weise infizierten, nicht immunisierten Kontroll- 
rinder an der Ansteckung schwer erkranken oder gar an tödlich 
verlaufender Tuberkulose erliegen würden; hierüber wurden 
folgende zwei Versuchsreihen angestellt. 

II. Ausführung und Verlauf des ersten Versuches. 

Nachdem diese beiden Rinder aus Marburg den Transport 
hierher gut überstanden und sich durch einige Zeit hindurch an 
die hiesigen Verhältnisse angewöhnt hatten, wurden dieselben 
am 13. Februar d. J. erstmals mit einem Kontrollrind einem 
Infektionsversuch unterworfen. Vor der Ausführung desselben 
wurden alle drei Versuchsrinder auf das Vorhandensein oder 
Nichtvorhandensein tuberkulöser Herde vermittelst der Tuber¬ 
kulinprobe geprüft. Zn diesem Zwecke wurde jedem der beiden 
Marburger Rinder, welche im übrigen mäßig gut genährt waren 
und keine anderweitigen nachweisbaren Erscheinungen einer 
Krankheit zeigten, am 4. Februar d. J. 0,4 ccm Tuberculinii 
Kochii subkutan eingespritzt. Auf diese Impfung hin reagierte 
das eine der beiden Marburger Rinder, Kuhrind 14 mit 2,3° und 
Stierrind 40 mit 2,2° C typisch. Beide Marburger Rinder ge¬ 
hören, wie schon betont wurde, der Vogelsberger Rinderrasse 
an. Dieser Reaktion war zu entnehmen, daß beide Rinder trotz 
der Immunisierung nicht ausgeheilte, kleine, tuberkulöse Herde 
beherbergten. Für diesen Infektionsversuch wurde das Kontroll¬ 
rind I — ein V 2 altes, rotscheckiges Farrenkalb, der 
Simmenthaler Landschlagkreuzung (aus Heitersheim, Amt Frei¬ 
burg) angehörig — verwendet, welchem am 12. Februar d. J. 
0,3 ccm Tuberculinii Kochii subkutan eingespritzt wurden, und 
welches daraufhin nicht reagiert hat; mithin war dasselbe als 
frei von Tuberkulose zu betrachten. Alle drei Versuchsrinder 
wurden vom 13. Februar d. J. ab in demselben Stallraum des 
Instituts in der gleichen Weise zusammengehalten, gefüttert 
und gepflegt; namentlich wurden sowohl die immunisierten Mar¬ 
burger Rinder wie auch das Kontrollrind mit dem gleichen 
Futter während der ganzen Versuchszeit gefüttert, wie man 
gemeinhin Nntztiere zu füttern pflegt. Der projektierte In¬ 
fektion sversuch wurde darauf am 13. II. 03 in folgender Weise 
vorgenommen: 

Nachdem mehrere Rindertuberkulosefälle vom hiesigen 
Schlachthof untersucht worden waren, wurde von einem Schlacht¬ 
rinde aus einer tuberkulösen Lymphdrtisen - Schnittfläche geeig¬ 
netes Infektionsmaterial entnommen, welches in Riesenzellen ge¬ 
legene, mäßig zahlreiche Tb. enthielt; 0,1 g dieser Lymphdrüsen- 
substanz wurde mit 15 ccm steriler Bouillon fein zerrieben und 
jedem der drei bezeichneten Versuchsrinder sofort frisch in die 
linke Halsvene eingespritzt; sonach erhielt jedes der 3 bezeich- 

*) v. Behring, Beitr. z. experim. Ther., Heft 5, S. 27, 28 u. 
Kurventafel, Rd. 40. 


neten Versuchsrinder 5 ccm der Lymphdrüsenemulsion, bzw. 
0,033 g der ursprünglichen Lymphdrüsensubstanz intravenös. 

Ingleichen wurden sodann mit derselben Lymphdrüsen¬ 
substanz drei Meerschweinchen (mit je 0,033 g: 1 ccm Bouillon) 
intraperitoneal infiziert. Diese drei Meerschweinchen verendeten 
nach 5, 8 bzw. 12 Wochen post infectionem und litten an 
generalisierter Tuberkulose der Impfstelle und deren regionären 
Lymphdrüsen, des Netzes, Gekröses, Leber, Milz, Lungen nebst 
zugehörigen Lymphdrüsen. Das benutzte Infektionsmaterial er¬ 
wies sich demnach als virulent. 

Auf einer Reihe von geeigneten Nährböden, welche mit 
demselben Infektionsmaterial besät wurden, ist Tuberkelbazillen¬ 
wachstum ausgeblieben. 

Die drei Versuchsrinder wurden nun in der Folgezeit 
tagtäglich beobachtet und namentlich in Hinsicht des Allgemein¬ 
befindens, der Futter- und Getränkaufnahme, des allgemeinen 
Ernährungszustandes, der Beschaffenheit des Haarkleides und 
der Haut, des Körpergewichts, einer etwa auftretenden Lungen- 
erkrankung (Husten, Perkussion und Auskultation etc.). Nament 
lieh wurde während der ganzen Versuchszeit die Körpertempe¬ 
ratur aller Versuchsrinder regelmässig morgens und abends ge¬ 
messen und in fortlaufenden Temperaturkurven auf Temperatur¬ 
tabellen registriert. 

In den ersten drei Wochen nach der Ansteckung zeigten 
sich bei keinem der drei Versuchsrinder wesentliche Krank¬ 
heitserscheinungen. Beim Kontrollier I trat sodann vom 
5./6. März d. J. eine instruktive, akute Fieberreaktion bis 
41,1° C auf, welche binnen neun Tagen unter geringen Re¬ 
missionen auf die Norm zurückging. Die Körpertemperatur des 
vorbehandelten Kuhrindes 14 hingegen blieb stets unter 39° 
und diejenige des vorbehandelten Stierrindes 40 betrug am 
3. März 39,3°, am 6. April 39,8° und am 16. April 39,4» C. 
In der übrigen Zeit aber wies dieses Rind Temperaturen bis 
höchstens 39,0° C auf. Während schon hinsichtlich der 
Temperaturkurven zwischen den vorbehandelten Rindern und 
dem Kontrollrind I diese instruktiven Differenzen hervortraten, 
zeigte sich auch ein unterschiedliches Verhalten der beiden 
vorbehandelten Rinder und des Kontrollrindes I im Allgemein¬ 
befinden und in der Futteraufnahme. Futteraufnahme und All¬ 
gemeinbefinden nämlich der beiden vorbehandelten Rinder waren 
stets gut, während das Kontrollrind I, namentlich durch die 
neuntägige Fieberreaktion hindurch weniger munter war, die 
Haare sträubte und geringere Futteraufnahme zeigte. Das 
Körpergewicht aller drei Versuchsrinder, welche in der ganzen 
VersuchBzeit regelmäßig alle sechs Tage gewogen wurden, 
schwankte nicht bemerkenswert. Nach Ablauf von neun Wochen 
nach der Infektion und nach Konstantbleiben der Körper¬ 
temperaturen des Kontrollrindes I durch fünf Wochen hindurch 
— wo sohin eine Ausheilung der gesetzten, tuberkulösen Läsionen 
möglich erschien — wurden alle drei Versuchstiere der Tuber¬ 
kulinprobe unterzogen, und zwar wurden jedem der drei Rinder 
0,5 ccm Tuberculinii Kochii subkutan injiziert. Alle drei 
Versuchsrinder reagierten aber auf diese Prüfling hin heftig 
und typisch. (Das Kuhrind 14 mit 1,5, das Stierrind 40 mit 2,1 
und das Kontrollrind I mit 3,9° C.) 

IIT. Ausführung und Verlauf des zweiten Versuches. 

Es wurde daraufhin beschlossen, daB Kontrollrind I nicht 
zu schlachten, sondern einen erneuten Infektionsversuch mit 
noch virulenterem Material, eventuell mit einer Tuberkulose- 


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3. Dezember 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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reinkultur gleichzeitig mit den beiden immunisierten M&rburger 
Rindern vorzunehmen und hierzu noch zwei weitere tuberkulose- 
freie Kontrollrinder einzustellen. Obwohl der Sektionsbefund 
des Kontrollrindes I nach Ablauf dieser ersten Infektion sehr 
lehrreich gewesen wäre, so interessierte doch vor allen Dingen 
die Frage, ob das Überstehen der ersten Infektion die Wider¬ 
standsfähigkeit dieses Rindes gegenüber einer zweiten An¬ 
steckung erhöhen oder herabsetzen würde, d. h. ob das Über¬ 
stehen dieser Infektion dem Kontrollrind I einen gewissen Grad 
von Immunität verliehen habe. Es stand dabei zu erwarten, 
daß bei der später stattfindenden Erhebung des Sektionsbefundes 
des Kontrollrindes I die Veränderungen der ersten Infektion an 
ihrer Beschaffenheit, Alter etc. nachträglich neben jüngeren 
Infektionsherden heranszufinden seien. 

Es wurden daher ein Kontrollrind II — eine l 3 / 4 Jahre 
alte, weißscheckige Kalbin, dem Vorderwälder-Rinderschlag an¬ 
gehörig, aus Eschbach bei Kirchgarten, Amt Freiburg — sowie 
ein Kontrollrind ID — eine 13 Monate alte, gelbscheckige 
Kalbin, der Hinterwälder-Rinderrasse zugehörig, auB St. Wilhelm, 
Amt Freiburg — am 4./5. Mai d. J. mit 5 ccm 10 proz. Tuber¬ 
kulin aus Marburg geimpft. Beide Kontrollrinder haben diese 
Impfprobe bestanden und waren somit als frei von Tuberkulose 
anzusehen. Nachdem diese beiden Kontrollrinder sich durch 
einige Zeit, während welcher sie separat gehalten wurden, an 
die hiesigen Verhältnisse angewöhnt hatten, wurden sie am 
26. Mai in einen Stallraum mit den übrigen drei Versuchs¬ 
rindern zusammengestellt und dem gedachten Infektionsversuche 
unterworfen. Als Infektionsmaterial wurde eine hochvirulente, 
vom Rinde stammende Tuberkulosekultur aus Marburg, Nr. 18, 
verwendet, von welcher 0,01 g trockene Tuberkelbazillen in 
zweckentsprechender Weise abgewogen und auf 100 ccm Bouillon 
zu einer gleichmäßigen Emulsion verrieben wurden. 5 ccm 
derselben enthielten demnach 0,0005 g Tb., welche Dosis jedem 
einzelnen der fünf Versuchsrinder intravenös eingespritzt wurde. 

Von der gleichen Emulsion wurden an diesem Tage zwei 
Meerschweinchen mit 5 ccm subkutan bzw. 2,5 ccm intraperitoneal 
infiziert, von denen das letztere nach 4 und das erstere nach 
5 Wochen an Tuberkulose der Impfstelle und der umliegenden 
Lymphdrüsen, sowie des Netzes und der Milz verendet sind. 
Das Infektionsmaterial zeigte demnach starke Virulenz. 

Während nun auf diese Infektion hin das Kuhrind 14 und 
das Stierrind 40 nur an den beiden folgenden Tagen Fieber¬ 
reaktionen zeigten (Kuhrind 39,4 und 39,6, Stierrind 39,3 und 
39,7° C), verhielt sich auch das Kontrollrind II ähnlich gut, 
indem es nur am 6. (39,3), am 13. (39,3) und am 27. (39,7) 
und am 41. Tage nach der Ansteckung (39,3° C) Temperatur¬ 
erhöhungen bekundete. In Hinsicht des Allgemeinbefindens, der 
Futteraufnahme und des Körpergewichtes erwies sich das 
Kontrollrind II am widerstandsfähigsten, dann folgte das Stier¬ 
rind 40, während das Kuhrind 14, welches schon eine Reihe 
von Infektionen mit Rindertuberkulosevirus durchgemacht hatte, 
nach dieser Ansteckung in Futter- und Getränkeaufnahme, in der 
Hautbeschaffenheit und im Körpergewicht sukzessive schlechter 
und marantisch wurde. Körpergewicht des Kuhrindes am 
4. II. 03: 269 kg; am 26. V. 03: 266,8 kg, am 15. VH. 03: 
245,1 kg, am 1. VIH, 03: 225,5 kg. Das Kuhrind 14 und das 
Stierrind 40 wurden sodann am 8. August d. J. zwecks 
Schlachtung und bakteriologischer Untersuchung der vermutlich 
von verschiedenen Infektionen herstammenden Herderkrankungen 


nach Marburg zurückgeholt, nachdem dieselben am 2./3. August d.J. 
gemeinschaftlich mit den drei Kontrollrindern mit je 5 ccm 10% 
Tuberkulin aus Marburg subkutan eingespritzt worden waren 
und daraufhin mit 1,2° bzw. 1,6° C typisch reagiert hatten. 
Das Kontrollrind H reagierte mit 2,2° und am 23./24. September 
mit 2,1° C. Bis zu der am 6. X. 03 erfolgten Schlachtung 
verhielt sich das Kontrollrind n wie ein anderes, gesundes 
Rind, namentlich traten keine Temperaturerhöhungen auf, das 
Körpergewicht nahm stetig zu, Futteraufnahme gut, nur war 
das Haarkleid zuweilen gesträubt. 

Im Gegensatz zum Kontrollrinde II und dem vorbehandelten 
Marburger Stierrind 40 reagierten das Kontrollrind I nnd HI 
im allgemeinen auf die Infektion vom 26. Mai heftig und durch 
längere Zeit hindurch, sie zeigten insbesondere ein struppiges 
glanzloses Haarkleid und trockene, harte Haut, zeitweise Appetits¬ 
verminderung und Abmagerung, Erscheinungen, welche dann bei 
diesen zwei Kontrollrindern, namentlich von der neunten Woche 
nach der Infektion ab verschwanden. Im speziellen zeigten 
dieselben am Tage nach der Infektion (27. Mai 1903) Temperatur¬ 
steigerungen von 40,8° bzw. 40,3° C, welche weiterhin mit 
stark schwankenden Remissionen (beim Kontrollrind I nach 
vier Wochen 40,7° und nach weiteren drei Wochen 39,9°, beim 
Kontrollrind HI nach ebenfalls vier Wochen 40,8° und nach 
weiteren drei Wochen 40,8°) verliefen. Von der neunten Woche 
nach der Infektion ab waren die Temperaturen der beiden 
Kontrollrinder I und IU normal, am 2.—3. August d. J. rea¬ 
gierte das Kontrollrind I auf die Tuberkulinprüfung hin mit 
2,9°, das Kontrollrind in mit 2,3°. Auf die am 23.-24. Sep¬ 
tember d. J. vorgenommene Tuberkulinprobe hin reagierte das 
Kontrollrind I mit 1,6° und das Kontrollrind HI mit 2,1°. Im 
Körpergewicht stellten sich bei diesen zwei Kontrollrindern 
wärend der ganzen Versuchszeit keine erheblichen Schwankungen 
ein, dagegen bekundeten dieselben, wie schon erwähnt, in 
wechselnden Zeitabschnitten schlechtere Futteraufnahme, Mattig¬ 
keit, Abgeschlagenheit und gesträubtes, glanzloses Haarkleid. 
Das Kontrollrind I wurde 25. IX. 03 und das Kontrollrind IH 
am 13. X. 03 geschlachtet, seziert und bakteriologisch unter¬ 
sucht. Da das Kontrollrind HI vom 6. X. 03 ab (nach erfolgter 
Schlachtung der Kontrollrinder I und H) allein stand, so stellte 
sich infolge fortwährenden Brüllens und Aufgeregtseins bei dem¬ 
selben eine Temperaturerhebung auf 39,8° ein, welche am 
anderen Tage, nachdem es sich mit der Einstellung anderer 
Tiere beruhigt hatte, wieder abfiel. 

Husten wurde bei dem Kuhrind 14 und dem Kontrollrind H 
während der ganzen Versuchszeit nur einmal vorübergehend 
konstatiert, hingegen hustete das Stierrind 40, sowie die 
Kontrollrinder I und HI von Zeit zu Zeit im geringen Grade. 
An der Injektionsstelle der linken Halsseite entstand beim 
Kuhrind 14, dem Stierrind 40 und dem Kontrollrind H je eine 
wallnußgroße, derbe Impfgeschwulst beim Kontrollrind I eine 
haselnußgroße und beim Kontrollrind ID eine apfelgroße Impf¬ 
geschwulst; im Verlaufe der Versuchszeit nahmen diese Ge¬ 
schwülste nur wenig ab und führten zu erheblicher, tuberkulöser 
Hyperplasie der gleichzeitigen Bugdrüsen, welche beim Abtasten 
bis hühnereigroß erschienen. 

IV. Befund der geschlachten Versuchsrinder. 

a) Sektionsbefund*) des in Marburg am 10. VIII. 03 ge¬ 
schlachteten Kuhrindes 14: 

*) Die Mitteilung desselben verdanke ich Herrn Dr. Römer. 


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748 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 49. 


Milzkapsel fibrös verdickt; Tuberkelbazillen in der¬ 
selben nicht nachweisbar. In den unteren Teilen der Pleuren 
flach aufsitzende, fibröse Wucherungen (Tb. nicht nachweisbar), 
an einigen Stellen gestielt aufsitzende, verkalkte, warzenförmige 
Exkreszenzen, in welchen Tb. nicht nachweisbar sind. Am 
unteren Lungenrand finden sich vier subplenral gelegene, linsen¬ 
große, graugelbe Knötchen, welche nicht verkäst sind (mäßig 
zahlreiche Tb. nachgewiesen.) Mediastinaldrüsen vergrößert und 
mit vereinzelten stecknadelkopfgroßen, gelblichen Knötchen 
(Tb. spärlich nachgewiesen). Rechte Niere mäßig vergrößert; 
an der Grenze zwischen Rinde und Markschicht vereinzelte, 
eben erkennbare, kleine Herde, welche Tb. spärlich enthalten. 

Demnach hat Kuhrind 14 an geringgradiger, aber generali¬ 
sierter, embolischer Tuberkulose gelitten. 

b) Das Stierrind 40 hat sich nach Angabe des Heim 
Dr. Römer Mb zum 21. September 1903 gut erholt, sein früheres 
Maximalgewicht erheblich überschritten und wird zwecks weiterer 
Beobachtung vorläufig nicht geöffnet. 

c) Sektionsbefund des am 28. Oktober 1903 geschlachteten 
Kontrollrindes I: 

An der Injektionsstelle der linken Halsseite ein linsengroßer 
Tuberkel mit sehr zahlreichen Tb. Linke Bugdrüse hühnerei- 
groß ohne tuberkulöse Herde. Die rechtsseitige Schamdrüse 
enthält einen stecknadelkopfgroßen, verkalkten Tuberkel mit 
mäßig zahlreichen Tb. Portaldrüsen enthalten sehr zahlreiche 
bis linsengroße, verkalkte Tuberkel. Serosa der Milz verdickt, 
in der Pulpa einige bis linsengroße Tuberkel (Tb. nicht nach¬ 
weisbar). In zwei Gekrösdrüsen einige bis wickenkorngroße, 
käsig-kalkige Tuberkel mit spärlichen Tb. In beiden Nieren 
viele frische, Stecknadelkopf- bis linsengroße, embolische Knötchen 
in der Grenzzone mit mäßig zahlreichen Tb. In allen Lungen¬ 
lappen finden sich vorwiegend subplenral, aber auch in der 
Tiefe des Parenchyms gelegene, teils erbsengrosse, graugelbe, 
käsig-kalkige, mit fibröser Kapsel umschlossene, embolische 
Tuberkel, teils wickenkorngroße, glasige bis graurote, embolische 
Tuberkel. Diese größeren, käsig-kalkigen und älteren Tuberkel 
sind mäßig zahlreich, die wickenkornkleinen, glasigen bis 
nekrotischen, jüngeren Tuberkel sind sehr zahlreich. Die 
Bronchial- und Mediastinaldrüsen bis hühnereigroß, enthalten 
bohnengroße, verkalkte mit fibröser Kapsel umgebene Herde 
ohne nachweisbare Tb.; die jüngeren Knötchen enthalten Tb. 
mäßig zahlreich. 

Demnach hat Kontrollrind I an generalisierter, embolischer 
Tuberkulose gelitten. 

Die Krankheit schickte sich hinsichtlich der älteren von 
der Infektion am 13. II. 03 herrührenden tuberkulösen Prozesse 
zu merklichen Heilungsvorgängen an, während die von der 
Infektion am 26. V. 03 veranlaßten jüngeren tuberkulösen Herde 
noch frisch sind. 

d) Sektionsbefund des am 6. X. 03 geschlachteten Kontroll- 
rindes II: 

An der Injektionsstelle der linken Halsseite ein taubenei¬ 
großer, verkäster und verkalkter, von dicker Bindegewebskapsel 
umschlossener Herd mit zahlreichen Tb. Die vergrößerte, links¬ 
seitige Bugdrüse enthält auf einer bohnengroßen Stelle viele 
stecknadelkopfkleine, verkalkte Herdchen mit spärlichen Tb. 
Auf rechtsseitiger Pleura mehrere graurote, zottige Granulationen, 
welche mit der korrespondierenden Lungenpleura etwas verlötet 
sind (Tb. nicht nachweisbar). In der rechten hinteren Lungen¬ 


spitze drei wickenkorngroße, verkalkte Tuberkel mit spärlichen Tb. 
In hinterer Mediastinaldrüse mehrere stecknadelkopfkleine, ver¬ 
kalkte Herdchen (Tb. nicht nachweisbar). 

Demnach hat das Kontrollrind H an geringgradiger Tuber¬ 
kulose der Impfstelle und der regionären Bugdrüse sowie an 
geringgradiger Tuberkulose der Brusthöhle gelitten. 

Die Krankheit zeigte deutliche Heilungsvorgänge (starke 
Kapselbildung, starke Verkalkung, spärliche Tb., wenig Neigung 
zur Ausbreitung, keine Generalisation). 

e) Sektionsbefund des am 13. X. 03 geschlachteten Kontroll¬ 
rindes HI: 

An der linken Halsseite drei zusammenliegende, kastanien¬ 
große, eitrige, von dicker Bindegewebskapsel umschlossene Herde 
mit zahlreichen Tb. In der linken Bugdrüse 2 linsengroße, 
käsig-kalkige Herdchen mit spärlichen Tb. In der rechten Bug¬ 
drüse 2 kleinste, kalkige Herdchen mit spärlichen Tb. In linker 
Kniefaltendrüse ein kleinstes, kalkiges Knötchen (Tb. Behr selten). 
In rechter Kniekehlendrüse 2 stecknadelkopfkleine, kalkige 
Knötchen mit sehr spärlichen Tb. 

Demnach hat das Kontrollrind III an tuberkulösem Impf¬ 
abszess nebst geringgradiger Bugdrüsentuberkulose sowie an 
geringgradigster Tuberkulose der linken Kniefalten- und der 
rechten Kniekehlendrüse gelitten. Auffallenderweise sind sämt¬ 
liche inneren Organe und alle serösen Häute völlig intakt ge¬ 
blieben. 

Die Krankheit zeigte unverkennbare Heilungsvorgänge 
(dicke Kapselbildung, Verkalkung, spärlich Tb., wenig Neigung 
zur Ausbreitung). 

V. Die Konsequenzen der Vorbehandlung beider Mar- 
burger Rinder. 

Die beiden Marburger Rinder enthielten von der Vor¬ 
behandlung herrührende, nicht ausgeheilte Tuberkuloseherde, wie 
die hierselbst am 4./5. II. 03 vorgenommenen Tuberkulin- 
prüfungen ergeben haben. Berücksichtigt man nnn beim Kuh¬ 
rind 14 die zahlreichen (10 mal), z. T. schweren (am 
14. XI. 01:0,5 g sehr virulenter Rd. Tb.) Infektionen mit Tuber¬ 
kulosevirus, welchen das damals ca. Vs Jahr alte Kuhrind 14 
unterworfen worden war, so ist die Gegenwart von Tuberkulose¬ 
herden in diesem Versuchsrind verständlich. Während eines 
Zeitraumes von 7 Monaten (vom 16. VII. 02 bis 4. H. 03) je¬ 
doch heilten die zurückgebliebenen Tuberkelherde nicht ab 
(Tuberkulinreaktion vom 4./5. H. 03). 

Das vor der Vorbehandlung von Tuberkulose freie, damals 
ca. ein halbes Jahr alte Stierrind 40 Überstand am 24. XH. 01 
bei der Immunisierung eine ziemlich starke Infektion mit 
0,025 g Menschen-Tuberkelbazillen, deren Virulenz zufolge je 
einer Passage durch den Ziegen- und Rinderkörper erheblich 
gesteigert worden war. Auch bei diesem vorbehandelten Stier¬ 
rind heilten während eines Zeitraumes von mehr als 13 Monaten 
(vom 24. XH. 01 bis 4. II. 03) die zurückgebliebenen Tuber¬ 
kulosereste nicht aus, und sollte immerhin bei einem vor so 
langer Zeit immunisierten Rinde im Interesse einer praktischen 
Verwertung der Impfmethode ein Verschwinden der durch den 
Impfakt gesetzten tuberkulösen Läsionen zu erwarten sein. 
Ausdrücklich sei jedoch hervorgehoben, daß diese beiden 
Marburger Rinder mit starken Dosen von Tuberkulosevirus, 
nicht aber mit den für das Rind durch Fortzüchtung auf künst¬ 
liche Nährböden oder durch Eintrocknung im Vacuum ab- 
geschwächten Menschen-Tuberkelbazillen (s. S. 1 u. 2) vor- 


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Dezember 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 749 


behandelt worden waren, welch letztere bekanntlich Exzellenz 
v. Behring für sein Jennerisierungsverfahren in Anwendung 
bringt*); sohin kann von den Erfahrungen der beschriebenen 
Versuchsreihen nicht ohne weiteres auf die Schädlichkeit resp. 
Unschädlichkeit der Behringschen Immunisierung geschlossen 
werden, bei welcher nach Ablauf der Impfreaktion, wie Behring 
berichtet**), die Tuberkulinempfindlichkeit und event. Tuberkulose¬ 
herde verschwinden. 

VI. Die Konsequenzen des ersten Infektionsversuches. 

Durch den ersten Infektionsversuch scheint unzweideutig 
festgestellt, daß die zwei vorbehandelten Marburger Rinder gegen¬ 
über den in die Blutbahn eingespritzten 0,033 g lebendigen 
Rindertuberkulosevirus eine effektiv höhere Widerstandsfähigkeit 
(Immunität) bekundeten als das Kontrollrind I. Während näm¬ 
lich das Kuhrind 14 diese künstliche Ansteckung ohne jede 
Reaktion vertrug und auch das Stierrind 40 nur einige geringe 
Temperaturerhöhungen (39,3°, 39,8°, 39,4° C) zeigte, entstand 
bei dem Kontrollier I eine sehr instruktive, akute Fieber¬ 
reaktion bis auf 41,1° C, welche nach Umfluß von 9 Tagen 
unter geringen Remissionen abgeklungen war. Desgleichen 
blieben Futteraufnahme und Allgemeinbefinden der beiden Mar¬ 
burger Rinder stets gut im Gegensatz zum Kontrollrinde I, 
welches in der Reaktionszeit offensichtlich krank war, sich aber 
relativ rasch erholte. In der Folgezeit blieben bei allen drei 
Versuchsrindern tuberkulöse Herderkrankungen zurück (posi¬ 
tive Tuberkulinprüfungen am 18./19. II. 03), obwohl seit dieser 
Infektion ein Zeitraum von 9 Wochen und seit dem Verschwinden 
der Fieberreaktion beim Kontrollrind I 5 Wochen verstrichen 
waren. 

VII. Die Konsequenzen des zweiten Infektions¬ 
versuches. 

Dieser zweite Infektionsversuch trägt im Vergleich zum 
ersten Versuch kein typisches, instruktives Gepräge an sich. 
Als Infektionsmaterial wurden jedem der fünf Versuchsrinder 
0,0005 g einer hochvirulenten, vom Rinde stammenden Tuber¬ 
kulosekultur intravenös eingespritzt. Nicht nur das Kuhrind 14 
und Stierrind 40 zeigten auf die Infektion hin bloß vorüber¬ 
gehende Temperaturerhöhungen bis 39,6° (Kuhrind) und 39,7° 
(Stierrind), sondern auch das Kontrollrind II verhielt sich, ab¬ 
gesehen von einer eintägigen Temperaturerhöhung auf 39,7° 
ähnlich gut. Bezüglich des Allgemeinbefindens, der Fntter- 
aufnahme und des Körpergewichts erwies sich dieses Kontroll¬ 
rind II sogar am widerstandsfähigsten, dann folgte das 
Stierrind 40; das Kuhrind 14 hingegen, welches die vielen 
Tuberkuloseinfektionen durchgemacht hatte, wurde nach dieser 
Ansteckung in der Hautbeschaffenheit und im Körpergewicht 
schlechter und offensichtlich marantisch. Im Gegensatz zum 
Kontrollrind II und den beiden Marburger Rindern reagierten 
das Kontrollrind I und III auf diese Infektion hin heftig und 
andauernd mit Temperatursteigerungen bis 40,8°, welche unter 
stark schwankenden Remissionen beim Kontrollrinde I erst nach 
neun Wochen und beim Kontrollrind III nach acht Wochen auf 
die Norm abgefallen waren. Während der Reaktionszeit zeigten 
sich die Kontrollrinder I und HI außerdem sichtbar krank. 
Alle fünf Versuchsrinder reagierten auf die am 2./3. VIII. 03 
vorgenommene Tuberkulinprüfung positiv; ingleichen zeigten 

*) v. Behring, Zeitschr. f. Tiermed., 1902, S. 321. 

**) Derselbe, Beitr. z. experim. Ther., Heft 5, S. VIII, XIV u. 28. 
Derselbe, Zeitschr. f. Tiermed., 1902, S. 325 u. 326. 


alle drei Kontrollrinder bei der Tuberkulinprobe vom 23./24. IX. 03 
positive Reaktionen. Das Körpergewicht blieb bei allen Ver- 
suchsrindern, abgesehen vom Kuhrind 14, bei dem das Gewicht 
von 266,8 kg auf 225,5 kg (um ca. 40 kg) abnahm, ziemlich 
konstant. 

VIH. Die Konsequenzen der Leichenbefunde. 

Obwohl die beiden vorbehandelten Marburger Rinder, wie 
deren Verhalten während der beiden Infektionsversuche ergeben 
hat, eine markante höhere Widerstandsfähigkeit bzw. Immunität 
bekundeten, bestätigte der Sektionsbefund des Kuhrindes 14, 
wie schon au den lebenden vorbehandelten Marburger Rindern 
durch die Tuberkulinproben festgestellt wurde, daß Kuhrind 14 
an geringgradiger, aber generalisierter Tuberkulose gelitten hat; 
nach dem äußeren, tuberkulösen Habitus des Kuhrindes 14 würde 
man das Vorhandensein hochgradiger Taberkuloseveränderungen 
erwartet haben. Auch notorisch tuberkulose-immune Rinder 
halten demnach starke Tuberkuloseinfektionen nicht durchweg 
aus und können marantisch werden. Eine augenfällige Differenz 
der Sektionsbefunde des vorbehandelten Kuhrindes 14 und der 
Kontrollrinder besteht übrigens nur bei dem Kontrollrinde I, 
welches an einer älteren und einer jüngeren, hochgradigeren, 
frischeu Lungentuberkulose und an beiderseitiger Nierentuber¬ 
kulose usw. erkrankt war. Wennschon die der älteren Infektion 
ungehörigen Lungentuberkel und die Herde der Lungenlymph- 
drüsen eingeleitete Prozesse zur Heilung erkennen ließen, so 
hat doch diese ältere Tuberkuloseinfektion vom 13. II. 03 dem 
Kontrollrind I keine merkliche Widerstandsfähigkeit gegen die 
zweite, bei demselben von allen Versuchsrindern am stärksten 
ausgeprägte Tuberkuloseinfektion vom 26. V. 03 verliehen. Der 
Sektionsbefund des Kontrollrindes II rechtfertigte die am 
lebenden Tiere beobachtete geringe Tuberkuloseerkrankung, in¬ 
dem dasselbe an geringgradiger Tuberkulose der Impfstelle und 
regionären Bugdrüse sowie an geringgradiger Brusthöhlen¬ 
tuberkulose gelitten hat. Die tuberkulösen Veränderungen des¬ 
selben zeigten Heilungsvorgänge, wie starke Kapselbildung, 
starke Verkalkung, spärliche Tb., wenig Neigung zur Aus¬ 
breitung, keine Generalisation. Überraschend hingegen war das 
Sektionsergebnis des im Versuche längere Zeit offensichtlich 
kranken Kontrollrindes IU, bei welchem umfangreichere Tuber¬ 
kuloseherde erwartet werden mußten; dem war aber nicht so, 
da dasselbe bloß an tuberkulösem Impfabszeß nebst gering¬ 
gradiger Bagdrüsentuberkulose, sowie an geringgradiger Tuber¬ 
kulose der linken Kniefalten- und der rechten Kniekehlendrüse 
gelitten hat, und auffallenderweise sind Bämtliche inneren 
Organe und alle serösen Häute völlig intakt geblieben. Auch 
zeigten die tuberkulösen Prozesse Heilungsvorgänge (dicke 
Kapselbildung, Verkalkung, spärliche Tb., wenig Neigung zur 
Ausbreitung). 

Auffällig waren die ausgeprägten Lungen- und Lungen- 
lymphdrüsen-Veränderungen des Kontrollrindes I, welche nach 
rein hämatogener Infektion entstanden sind (nach der Ein¬ 
spritzung der Tb. in das Jugularvenenblut wurden sie in den 
Endarterien der Lungen großenteils abfiltriert). Wer viele 
Tuberkulosefälle der Schlachttiere gesehen hat, dem würden bei 
Unkenntnis dieser InfektionsweiBe die Lungenveränderungen des 
Kontrollrindes I nach ihrer Größe, Aussehen und Beschaffenheit 
und im Vergleiche zu den geringen Prozessen der übrigen 
Organe als eine respiratorische Ansteckung imponiert haben; 

dies hängt mit dem Prädilektionssitz der Lungen für tuber- 

*• 


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750 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 49 


kulöse Erkrankungen und mit dem großen Sauerstoffbedürfnis 
der Tb. zusammen, und dieser Fall beweist im Institutsexperiment, 
wie wenig bei vorwiegenden Lungentuberkuloseprozessen auf 
den Infektionsmodus geschlossen werden kann. In gleicher 
Weise sind nach meiner Überzeugung die meisten Lungen¬ 
tuberkulosefälle auf eine im Verlaufe des Darmrohres in das 
Blut gelangte Infektion znrückzufdhren.*) 

Richtet man sein Augenmerk auf allgemeine Verhältnisse 
der RinderraBsen, so läßt sich bei Beurteilung der Versuchs¬ 
reihen die Behauptung nicht von der Hand weisen, daß die 
natürliche Resistenz (Disposition für Tuberkuloseerkrankung') 
bei den verschiedenen Rinderrassen sehr ungleich ist. So sind 
das Kontrollrind H und in, welche Gebirgsrassen, dem Vorder¬ 
wälder- und Hinterwälder-Rinderschlag entstammen, an der 
Tuberkulosinfektion vom 26. Mai 03 an sichtbar geringgradigen 
Veränderungen erkrankt; das Kontrollrind n verhielt sich so 
widerstandsfähig wie die vorbehandelten Marburger Rinder. 
Das Kontrollrind I hingegen, welches der Simmenthaler Land¬ 
schlagkreuzung aus der hiesigen Ebene angehört, erkrankte 
an akutem, hochgradigem Infektionsfieber nach beiden Taber- 
kuloseinfektionen und an generalisierten Organerkrankungen. 
Die Rinder-Gebirgsrassen besitzen offenbar eine vermehrte 
natürliche Resistenz gegen Tuberkuloseerkrankung. 

Alles in allem genommen, muß betont werden, daß in dem 
von Behringschen Immunisierungsverfahren eine vortreffliche 
Errungenschaft liegt, und daß es vermittelst desselben in über¬ 
raschender Weise gelingt, Rinder gegen Infektionsdosen von 
Tuberkulosevirus, welche Kontrollrinder tuberkulosekrank machen, 
zu schützen. Weitere sorgfältige experimentelle und praktische 
Untersuchungen aber sind vor einer allgemeinen Einführung 
dieser Schutzimpfang zur dringlichen Aufklärung einer Reihe 
einschneidendster, bedeutungsvollster Fragen erforderlich, wie 
über die Tuberkulosedisposition der verschiedenen Rinderrassen 
und der Rinder verschiedenen Alters, über die Art und Weise 
der epidemiologischen Infektion bis zu deren Entfaltang zur 
aperten Tuberkulose, ferner über die tatsächliche Unschädlich¬ 
keit des Impfverfahrens in der Praxis bei allen Rinderschlägen 
und Rindern verschiedenen Alters, des weiteren über die Dauer 
und den Grad des Impfschutzes gegenüber Spontaninfektionen. 
Einige Jahre gründlichster Arbeit können dies leisten! 

Referate. 

Harra and Nagana, nach Nocards Versuchen. 

Von ValI6e und Carr6-Alfort. 

(Revue g6n. de m6d. v£t. 1. 11. 03.) 

Die Trypanosomenkrankheiten gewinnen bezüglich der 
humanen und Veterinärnosologie der Tropenländer täglich an 
Bedeutung. Beschälseuche und Mal de Caderas haben aber nicht 
die ökonomische Wichtigkeit der Surra und der Nagana. An 
letzterer gehen die Pferde in der ganzen Ausdehnung von 
Gambien in hoher Prozentzahl ein, während die Mortalität an 
Surra auf der Insel Mauritius seit einigen Monaten 25% der 
Rinder und 100% der Pferde beträgt. 

Das Vorhandensein der Nagana ist festgestellt in Kamerun, 
im Togogebiet, in Gambien, im Flußgebiet des Chari; die Mittel¬ 
meergebiete scheinen noch frei zu sein; Surra besteht endemisch 

*) Cf. meinen Vortrag: Zur Bekämpfung der Rindertuberkulose. 
Mittcil. d. Ver. Bad. Tierärzte, 1903, S. 20. 


in Indo-China, wo sie Carongean in Annam, im Laos und im 
oberen Tonking studierte; die Philippina und Java sind verseucht, 
Mauritius seit 1902. 

Beide Seuchen befallen Pferde und Rinder und hat die 
mikroskopische Untersuchung nur geringe Differenzen iu der 
Morphologie der betreffenden Parasiten erkennen lassen. Laveran 
und Mesnil haben durch Versuche bei der Ziege die Nicht¬ 
identität der Trypanosomen der Nagana und der Surra nach¬ 
gewiesen; von Nocard ist dasselbe beim Rinde festgestellt 
worden. 

Einer Kuh wurden am 7. Juni 1902 zwei Kubikzentimeter 
an Nagana-Trypanosomen reichen Rattenblutes injiziert Am 
10. Juni wurden, während einer heftigen febrilen Reaktion, einige 
Trypanosomen im Blut mit Leichtigkeit gefunden. Bereits am 
folgenden Tage fiel die Temperatur und waren keine Parasiten 
im Blute zu finden. Der Zustand deB Tieres besserte sich 
progressiv. 

Dem Tiere wurden hierauf folgende Dosen an trypanosomen¬ 
reichen Rattenblutes ipjiziert: 

22. Juni 1902 25 Kubikzentimeter. 

6. Juli „ 45 

21. Juli „ 35 

14. Aug. „ 50 „ 

17. Aug. „ 50 „ 

29. Aug. „ 600 „ 

Im ganzen wurden, subkutan und intraperitoneal 805 Kubik¬ 
zentimeter Blut injiziert, wobei das Tier keine anderen Störungen 
als einige intermittierende Fieberanfälle zeigte. 

Die injizierten Parasiten worden im Organismus so schnell 
zerstört, daß fünf Tage nach der letzten Injektion inokulierte 
Mäuse nicht mehr infiziert wurden. Die Kuh war somit geheilt 
und gegen Nagana geimpft. 

Ein Jahr später (6. Juli 1903) wurde derselben Kuh 
74 Kubikzentimeter Blut von einer Maus injiziert, die mit Surra 
von der Insel Mauritius geimpft worden war; gleichzeitig wurde 
ein noch zu keinem Versuch verwendeter Ochse geimpft. Acht 
Tage nach der Injektion erkrankten die mit einem einzigen 
Tropfen der Kuh entnommenen Blutes geimpften Mäase augen¬ 
scheinlich an Surra und nahm die Krankheit bei der Kuh genau 
denselben Verlauf wie beim Ochsen, bei beiden unter relativ 
gelinder Form. Noch jetzt, nach drei Monaten, genügt die 
Impfang mit fünf Tropfen Blut der gegen Nagana immunisierten 
Kuh, um bei der Maus sicher Surra hervorzurufen. Zündel. 

Dr. Kochs Bericht Aber Behandlung des Blath&rnens 
der Rinder. 

Nach einem Telegramm aus Bulawayo (Rhodesia) empfiehlt 
Prof. Dr. R. Koch zur Immunisierung gegen Blutharnen die 
Impfang der gesunden Tiere mit dem Blute von Rindern, welche 
die Krankheit überstanden haben. Der Bericht fügt indessen 
hinzu, daß die Untersuchung noch nicht abgeschlossen ist und 
daß von der vorgeBchlagenen Methode nicht zu viel erwartet 
werden soll. 

Virulent Redwater in Transvaal. 

Von D. Hutcheon, M. R. C. V. S. 

(Vet. Record 1903, Nr. «87). 

Diese vom Kolonialtierarzt Hutcheon in Verbindung mit 
Theiler beobachtete Krankheit der Transvaalrinder ist dieselbe 
Seuche, welche Koch in den Küstenstrichen von Deatsch-Ost- 


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3 . Dezember 1903. 


berliner Tierärztliche Wochenschrift. 


751 


afrika untersucht hat und ist mit dem Texasfieber identisch. 
Die gemeinsame Ursache der Krankheit bildet das Pyrosoma 
bigeminnm, welches bekanntlich Smith und Kilborne zuerst 
beschrieben haben. Der vorliegende Bericht gibt eine ein¬ 
gehende Darstellung der verschiedenen Formen des Parasiten 
und der pathologisch-anatomischen Veränderungen, die derselbe 
bei den erkrankten Rindern erzeugt. Alsdann werden weiter 
geschildert das Auftreten der Krankheit in Transvaal, die an¬ 
gewendeten Schutz- und Quarantäuemaßregeln gegen infizierte 
Gegenden, die Behandlung und künstliche Inokulation der Krank¬ 
heit. Peter. 

Untersuchungen über Kälberruhr. 

Von Tierarzt Dr. Joest, Kiel. 

(Zeitschrift für Tiermedizin VH. Bd., 5. u. 6. H., S. S77— 413.) 

Der Terminus „Kälberruhr“ bezeichnet nicht eine einheit¬ 
liche, spezifische Infektionskrankheit, sondern er ist ein Sammel¬ 
name für mehrere, ätiologisch differente Krankheitsprozesse. 
Joest stellte sich die Aufgabe, dieselben zu sondern und sezierte 
und studierte 23 wegen Erkrankung an Kälberruhr teils not¬ 
geschlachtete, teils daran spontan verendete Kälber, die aus 21 
verschiedenen Beständen Pommerns jeweils schleunigst in das 
bakteriologische Institut zu Stettin befördert wurden. 

Der pathologisch-anatomische Befand lautete in 20 Fällen 
auf Kälberruhr, in je einem auf hämorrhagische Enteritis, Polyar¬ 
thritis oder Kälberlähme, katarrhalische Pneumonie. Die beiden 
letzteren spricht der Verfasser auf Grund seiner ergänzenden 
bakteriologischen Untersuchung als Folgen einer MiBchinfektion 
mit Kolibakterien an, die Enteritis als einen Fall von vermutlich 
toxischer Kälberruhr. — Bei den 20 anderen Kälbern fanden 
sich als wesentlichste Veränderungen: katarrhalisch-entzündliche 
Erscheinungen im Magen und Darm, entzündliche Schwellung 
der zugehörigen Lymphdrüsen, parenchymatöse Degeneration 
von Leber, Nieren, Herzmuskel, Blutungen unter sämtlichen 
serösen Häuten und dem Endocard — alles Begleiterscheinungen 
Beptikämischer Krankheiten im allgemeinen, nichts pathoguo- 
monisches. 

Der bakteriologische Befund waren in allen Fällen dieselben 
Bakterien, die namentlich auf dem Peritoneum, in den Organen 
der Bauchhöhle sowie im Herzblut in zumeist großer Zahl vor¬ 
handen waren, in ihrem morphologischen und biologischen Ver¬ 
halten dem Bacterium coli gleichen und vom Verfasser als 
Kälberruhrbakterien benannt werden. Sie sind mit den von 
Jensen bzw. von Poels gefundenen, auch nach den Impf¬ 
resultaten, identisch. 

Impfversuche mit den isolierten, in geeigneten Medien ge¬ 
züchteten Bakterien machte Joest zunächst an kleineren Tieren. 
Meerschweinchen sterben bei intraperitonealer Impfang alsbald; 
auf subkutane reagieren sie kaum. Weiße Mäuse sterben 
zumeist sowohl bei subkutaner wie intraperitonealer Impfung. 
Kaninchen werden durch intravenöse Injektion entsprechend 
hoher Dosen getötet. — Au§ den Versuchen an Kälbern ergab 
sich: neugeborene gesunde Kälber gehen nach Einverleibung 
von Kulturen mit Milch an einer klinisch und pathologisch sich 
als Kälberruhr qualifizierenden Krankheit zugrunde. Kälber, 
deren Magen und Darm durch Nahrungsaufnahme bereits in 
Funktion gesetzt ist, sind weniger empfindlich, woraus sich die 
prophylaktisch wichtige Tatsache ergibt, daß die Verabreichung 
von Muttermilch unmittelbar nach der Geburt dem Entstehen 
der Kälberruhr vom Verdauungstraktus aus entgegenwirkt. Als 


Infektionsatrium kommt außer dem Digestionsapparat der Nabel 
des neugeborenen Tieres in Betracht. Eine Nabelinfektion mit 
tödlichem Verlauf einer typischen Kälberruhr kann sogar noch 
bei 12 Stunden alten Tieren nach bereits erfolgter Thrombose 
der Nabelgefäße zustande kommen. Intravenöse Einverleibung 
kleiner Kulturmengen der Bakterien tötet Kälber unter den 
schwersten Erscheinungen einer Allgemeininfektion. Bei den 
beiden letzteren Arten der Infektion waren die schweren Darm¬ 
störungen als sekundär und die Kälberruhr ist ihrem Wesen 
nach nicht als Darmerkrankung, sondern als Septikämie auf¬ 
zufassen, die allerdings zumeist durch Infektion des Darmes 
verursacht wird, für die nüchterne und Tiere mit einer geringen 
Verminderung der Widerstandsfähigkeit ihrer Darmschleimhaut 
besonders disponiert sind. 

Agglutinationswirkung acquiriert das Serum der Kälber 
während der meist sehr kurzen Kälberruhrerkrankung nicht oder 
nur unbedeutend. Das Serum nicht vorbehandelter Kaninchen 
agglatiniert Kälberruhrkolibakterien in Verdünnungen von 
1:5—10. Das Serum mit einem bestimmten Kolistamm vor¬ 
behandelter Kaninchen agglutiniert eben diesen Stamm sehr 
stark (1:500—1000), besitzt dagegen mehreren anderen Koli- 
stämmen gegenüber keinen höheren Agglutinationswert wie dem 
gewöhnlichen Bacterium coli gegenüber. Ein differential¬ 
diagnostisches Mittel zur Unterscheidung gewöhnlicher Koli¬ 
bakterien von Kälberruhrkolibakterien ist dasselbe also nicht. 

Schutzwirkung gewährt das Serum eines mit einem Kälber- 
ruhrkolistamm immunisierten Kaninchens im Serum-Kultur- 
Mischungsversuch einem Meerschweinchen bei intraperitonealer 
Einverleibung gegen eine sicher tödliche Dosis des zur Immuni¬ 
sierung benutzten Stammes in der Menge von 0,1 ccm. Dagegen 
schützt es gegen mehrere andere Kälberruhrkolistämme nicht. 
Für praktische Immunisierungszwecke müßte deshalb unter 
Zuhilfenahme möglichst vieler verschiedener Kälberruhrkoli¬ 
bakterienstämme die Herstellung eines „polyvalenten“ Kälber¬ 
ruhrserums — analog dem polyvalenten Schweineseucheserum — 
versucht werden. 

Der Verfasser ist gegenwärtig auch noch mit Versuchen 
prophylaktischer und therapeutischer Anwendung des Serums 
beschäftigt, über deren Ausfall er in einer späteren Publikation 
berichten wird. 0. Alb recht. 

Die Resultate des Nervenschnitts beim Spat der Pferde. 

Von Lektor Mörkeberg. 

(Vortrag, gehalten auf dem nördlichen tierärztlichen Kongreß ln Kopenhagen. 

Maanedsskrift for Dyrlaeger 1902, Heft 8) 

Mörkeberg behandelt obiges Thema auf Grund eines sehr 
umfangreichen klinischen Materials. M. hat die Erfahrung 
gemacht, daß der Nervenschnitt beim Spat durchweg ein besseres 
Resultat zeitigt, als bei anderen Leiden. Bo sie Spatoperation 
hat nach M. ihre volle Berechtigung und hat zweifelsohne eine 
nicht zu unterschätzende ökonomische Bedeutung. 

Dr. Stödter. 

Das „Überbein“ der Pferde. 

Von J. H. Selmer-Odense. 

(Maanediikrift for Dyrlaeger 1903, Heft 7.) 

Verf. widmet der Entstehung des sog. Überbeins der Pferde 
eine sehr eingehende, vom dänischen Jubiläumsfonds preis¬ 
gekrönte Abhandlung. Selmers Ausführungen zugunsten von 
Dieckerhoffs Ansicht, die bekanntlich dahin geht, daß das 
„Überbein“ der Pferde meistens durch staike Anspannung der 


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752 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 49. 


Vorarmfascie bedingt wird. Um die Richtigkeit dieser An¬ 
schauung zn beweisen, macht Selmer n. a. auf Lanbs Krankheit, 
die bekannte, dnrch Mnskelzng bedingte Schienbeinperiostitis 
der Infanteristen aufmerksam und bemerkt hierbei, daß diese 
Krankheit dem gewöhnlichen Überbein der Pferde hinsichtlich 
der Ursachen, der Symptome und des Verlaufes in allen Teilen 
entspricht. Dr. Stödter. 

Einen Fall von Übertragung der Aphthenseuche auf 
den Menschen 

merkt Dr. Antonio Rossi in der Clinica vet. 1903, Nr. 18 an. 
Bei einem Ansbruch der genannten Seuche in einem Kuhbestande, 
beteiligte sich der Besitzer eigenhändig an der Behandlung der 
kranken Kühe. Er rauchte dabei seine Zigarre weiter, die er 
wiederholt mit den von dem Maulspeichel der Kühe beschmierten 
Fingern aus dem Mund nahm und wieder dahin zurückführte. 
Die Warnung des anwesenden Berichterstatters vor der Gefahr 
einer Ansteckung wurde nicht genügend beachtet und so geschah es, 
daß der Besitzer nach einigen Tagen an Aphthenseuche erkrankte. 
Fünf oder sechs Tage nach der mutmaßlichen Infektion wurden 
folgende Erscheinungen festgestellt: An der Innenfläche der 
Lippen, am Zahnfleisch, am Gaumen, an der Backenschleimhaut 
zahlreiche Aphthen vom Durchmesser kleiner Linsen, welche 
häufig in Koufluenz begriffen waren. Schluckbeschwerden, 
Pulsfrequenz, Temperatur 41 0 C, Kopfschmerzen und Schwäche. 
Patient genas langsam erst nach mehr als vier Wochen von 
diesem schweren Leiden und fühlte sich noch Monate hindurch 
schwach und kraftlos. Peter. 

Experimentelle Tuberknlose beim Esel. 

Von Stewart Stockmann, M. R. C. V. S. 

(Journal of Coinp. Path. and Therap. Vol. XV. Teil 2.) 

Chauveau erzeugte durch intravenöse Injektion von tuber¬ 
kulösem Materi^Q beim Esel tuberkulöse Läsionen. Dieselben 
waren aber nur nachzuweisen, wenn die Esel innerhalb 30 Tagen 
nach der Inokulation getötet wurden, später waren die Lungen¬ 
knoten verschwunden. Gleiche Resultate hatte Stockmann bei 
früheren Versuchen. Diese Beobachtung bestimmte ihn mit 
Chauveau anzunehmen, daß der Esel einen gewissen Grad von 
Resistenz gegen die Tuberkulose besitzt. Galtier aber kam 
durch seine im Februar 1900 in dieser Frage vorgenommenen 
Versuche zu einer entgegengesetzten Schlußfolgerung, denn von 
zehn mit tuberkulösem Material vom Rind intravenös geimpften 
Eseln starben acht Stück an Tuberkulose. St. machte deshalb 
1901 ein neues Experiment. Am 12. November wurde einer 
Eselin, welche mit Tuberkulin am 1. November vorgeprtift worden 
war, in die rechte Jugularis Material von der tuberkulösen Niere 
einer Kuh injiziert. Die Eselin erkrankte schwer unter starker 
Abmagerung und wurde am 7. Januar 1902 getötet. Bei der 
Obduktion fand sich Miliartuberkulose der Lungen vor. Nach 
dieser Erfahrung erklären sich die früheren negativen Resultate 
dadurch, daß das verwendbare Material nicht genügend virulent 
war. Peter. 

Über die fleckige Capillarektasie in der Leber der 
Wiederkäuer. 

Vom städt. Amtstierarzt Dr. Stroh-Augsburg. 

(Monatsh. f. prakt. Tierhellk. U. B. S. 183-187). 

Dr. Stroh machte die fleckige Capillarektasie der Leber 
zum Gegenstand einer umfassenden Arbeit. Er definiert sie als 


bisher nur beim Rind beschriebene, einzeln oder multipel in der 
Leber desselben auftretende, blauschwarze, bei längerem Liegen 
violett werdende Flecken, die unter normal glatter Kapsel seicht 
vertieft gelegen sind und die sich, ohne scharf konturiert zu 
sein, von der normal braunrot etc. gefärbten Lebersubstaz gut 
abheben. Dieser Zustand, in Schlachthäusern nicht selten be¬ 
obachtet, zur Beanstandung des Organs aber nicht Veranlassung 
gebend, war bisher wenig beschrieben und verschieden gedeutet 
worden. 

Die Untersuchungen, welche Dr. Stroh an dem ihm im 
Augsburger Schlachthof verfügbaren Material anstellte, führten 
zu folgenden Ergebnissen: 

1. Die fleckige Capillarektasie ist eine nur der Leber der 
Wiederkäuer eigentümliche Bildung. 

2. Die fraglichen Herde in der Leber entstehen in der 
Regel durch Kompression des Bauchstückes der hinteren Hohl¬ 
vene, eine Kompression, die direkt und indirekt durch den 
pathologisch vergrößerten oder passiv abnorm verlagerten 
Wiederkäuermagen hervorgerufen wird. 

3. Die fleckige Capillarektasie kommt außer in der Leber 
von Rindern jeden Alters und Geschlechts (inkl. der Kälber) 
auch in der Leber des Schafes vor. 

4. Die Mehrzahl der capillarektatischen Herde ist im 
Größenwachstum noch nicht zum Stillstände gekommen; die 
Hohlräume sind vielmehr in ständiger, wenn auch langsamer 
Vermehrung und Vergrößerung begriffen. 

5. Es kommen in der Rindsleber, wenngleich selten, 
typische „carvernöse Angiome“ vor. 

6. Die Rinds- und Menschenlebercavernome sind in gewisser 

Beziehung verwandte, nicht aber identische Bildungen. Die 
Identität der fleckigen Capillarektasie in der Rindsleber mit 
den Schrohesehen Funden capillarektatischer Herde in der 
menschlichen Leber ist wahrscheinlich. 0. A. 

Wochenübersicht über die medizinische Literatur. 

Von Dr. Jets-Charlottenburg, 

Kreiatlermrat 

Deutsche medizinische Wochenschrift Nr. 46. 

Zur Ätiologie der Ruhr; von Stabsarzt Dr. Jürgens. J. weist 
darauf hin, daß manche Ruhrepidemieen durch den in Deutsch¬ 
land zuerst von Kruse gefundenen Bazillus bedingt werden. 
Der Beweis, daß dieser Bazillus aber bei allen Ruhrepidemieen 
eine ätiologische Rolle spielt, ist noch nicht erbracht worden. 
Es ist vielmehr anzunehmen, daß die unter dem klinischen 
Bilde der Ruhr verlaufenden Erkrankungen keine ätiologische 
Einheit bilden. 

Über Trypanosoniasis. Man so n teilt mit, daß die Ein¬ 
geborenen keine Krankheitssymptome zeigen, während die 
Europäer unregelmäßiges Fieber, Ödeme, Erytheme, Muskel¬ 
schwäche, Vergrösserung der Milz usw. acquirieren. Castellani 
fand bekanntlich in der Cerebrospinalflüssigkeit ein Trypanosoma, 
das er als Ursache der Schlafkrankheit betrachtete. Sambon 
fand in den Schlammfischen Trypanosomen und glaubt, daß der 
Genuß dieser Fische, sowie Verletzungen mit Fischgräten eine 
Übertragung des Trypanosoma bedingen. Low, der von der 
Regierung nach Afrika zur Erforschung der Schlafkrankheit 
geschickt war, bekämpft die Anschauung der Vorredner, indem 
er angibt, daß die Parasiten auch bei ganz gesunden Menschen 
angetroffen werden, daß sie dagegen bei Kranken zuweilen ver¬ 
mißt werden. 


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3. Dezember 1908. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


758 


Demonstration von Fällen von boviner inpftuberkuiose. Pro¬ 
fessor Lassar demonstrierte in dem Verein für innere Medizin 
am 19. Oktober 1903 zwei Patienten, welche auf dem Berliner 
Schlachthofe ausschließlich mit tuberkulösinfiziertem Rinder¬ 
material zu tun hatten. Der eine, ein Oberaufseher, hatte eine 
typische, mit solitären Tuberkeln auftretende, leicht granu¬ 
lierende Geschwulst am Finger, der andere eine skrophulöse 
Paronychie. 

Therapeutische Monatshefte. Heft II. November 1903. 

Über die therapeutische Verwendung des Cltrophen; von 
Dr. Fuchs. 

1. Das Citrophen hat eine spezifische, antirheumatische 
Wirkung ohne Schädigung selbst des erkrankten Herzens. 

2. Es ruft keine unangenehmen Nebenerscheinungen hervor, 
kann daher längere Zeit angewandt werden. 

3. Es bewirkt bei fieberhaften Krankheiten in der Dosis 
von 0,5—1,0 g einen Temperaturabfall von 1—1,5°, der einige 
Stunden anhält und niemals von Kollapserscheinungen begleitet ist. 

4. Es ist infolge seiner schmerzstillenden Wirkung bei 
Neuralgien verschiedenster Art mit Erfolg anzuwenden. 
Therapeutische Notixen. 

Wlsmol. Für die Wundbehandlung ist Wismol als Ersatz des 
Jodoforms und des teureren Wismutsubnitrates geschaffen worden. 
Es ist Magne 80 -Bismutum alcalinum oxygeniens. Es stellt ein 
feines, weißes, geruch- und geschmackloses Pulver von stark 
alkalischer Reaktion dar. 

Neuere Thyalanpriparate. Nachdem das Pertussin bei der 
Behandlung von Keuchhusten, von Katarrhen der Reeplratloneorgane 
hervorragenden Erfolg gezeigt hatte, hat man die Herstellung 
andrer Thymianpräparate in die Hand genommen und zunächst 
folgende geschaffen: 

1. Extractum Thymi alcoholica» Saur. Es übertrifft an Thymian¬ 
gehalt das Taeschnersche Pertussin um das sieben- bis zehn¬ 
fache. Das Präparat ist von hellbrauner Farbe, klar, mit einem 
Gehalt von 19 Proz. Alkohol und schmeckt herbe, zusammen¬ 
ziehend. Es wird am besten in Zucker- oder Honiglösung ver¬ 
ordnet, und zwar für Kinder in der Dosis von drei bis sechs 
Kaffeelöffel pro die, für Erwachsene in doppelter Dosis. 

2. Extraotum Thymi saccharatum Müller oder Solvln ist dem 
Pertussin ähnlich und enthält 8,1 Proz. Alkohol, sowie eine 
Beimischung von Bromsalz. 

3. Serothymin (Extractum Thymi alcoholloum Roth), eine braune, 
klare, mild und angenehm schmeckende Flüssigkeit mit 10 Proz. 
Alkoholgehalt Für Kinder unter einem Jahr zwei bis drei 
Kaffeelöffel, für größere ansteigend bis zu zehn Kaffeelöffel am 
Tage; für Erwachsene zweistündlich ein Eßlöffel in Zucker¬ 
oder Honigwasser. 

4. Extractum Thymi Kern I conoentratum ist ein reines, hoch¬ 
konzentriertes (1:1) Fluidextrakt von herbem Geschmack. Es 
ist nur für Erwachsene bestimmt. Dosis fünf bis sechs E߬ 
löffel pro Tag in Kaffee, Zucker- oder Honiglösung. 

Extractum Thymi Kern II, mit 15,2 Proz. Alkohol, enthält 
75 Proz. von I und 25 Proz. Zuckersirup. Schmeckt an¬ 
genehmer als I und wird zu sechs bis acht Eßlöffel täglich 
verordnet 

Extractum Thymi Kern III, süß, mit 10 Proz. Alkoholgehalt 
und von drei- bis vierfacher Konzentration des Pertussin. Es 
ist für Kinder bestimmt, die drei bis acht Kaffeelöffel pro Tag 
je nach dem Alter erhalten. 


5. Als Ersatzmittel für Pertussin gibt die „Pharmaceutische 
Zeitung 44 (IT, S. 657, 1900) folgende Formel an: 


Extracti fluidi Thymi compos. . . . 600,0 

Spiritus (90 proz.). 300,0 

Aquae destillatae. 300,0 

Kalii bromati. 25,0 

Flüssiger Fruchtzucker ad ... . 4500,0 


Das Fluidextrakt ist ein Perkolat aus Herba Thymi vulg. 
subtil, pulverat 

Herba Serpylli. 

Spiritus (50—60 Proz.) q. s. 

6. Thymobromal Bloch ist sirupförmig und enthält Extraotum 
Castaneae vesoae, Extraotum Thymi frigide paratum sine aplrltu und 
Bromalhydrat. 

Über die Beziehungen der Tuberkulose der Kinder zu der 
des Rindviehs; von Dr. Nathan Raw in Liverpool. R. ver¬ 
öffentlicht in dem British medical journal 1903, 29. August seine 
Erfahrungen über die Übertragung der Rindertuberkulose auf 
die Kinder. Er steht nicht auf dem Standpunkt Kochs und hält 
auch die Übertragung der Tuberkulose durch die Milch als 
hauptsächliche Übertragungsform. Die Abdominaltuberknlose ist 
die Erkrankung, welche bei den Kindern häufig ist, während 
im späteren Lebensalter meist die Lungen erkranken. 

Über die Übertragung menschlicher Tuberkulose auf Rinder; von 
Prof. Dr. Hamilton in Aberdeen. Im British medical journal 
12. September 1993 veröffentlicht H. seine Versuche. Er hat 
genau dieselbe Anzahl von Tieren wie Koch und Schütz be¬ 
nutzt, fand jedoch, daß von jenen 19 Kälbern fünfzehn zweifel¬ 
los tuberkulös wurden, während zwei gesund blieben und zwei 
an interkurrenten Krankheiten zugrunde gingen. 

Beobachtungen über die Wirkung von Professor Dunbars 
Antitoxin beim Heufleber; von Sir Felix Semon. 

S. veröffentlicht im British medical journal 1903 18. Juli 
seine Erfahrungen mit Dunbars Antitoxin. Er kommt zu dem 
Resultat, daß eine ausgesprochene Wirkung nicht zu bemerken 
war. Es hat zwar in einigen Fällen wohltuend gewirkt, in 
anderen Fällen jedoch jede Wirkung vermissen lassen. 

Zentralblatt für Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrank¬ 
heiten. Originale. XXXV. Bd. Nr. I. 

Über Enzyme bei Bakterien und Schimmelpilzen; von Pro¬ 
fessor Eijkmann. Bezüglich der Einzelheiten wird auf das 
Original verwiesen. 

Zur Frage vom Verhalten verschieder Gewebe des tierischen 
Organismus gegen das Tetanusgift; von Dr. Ignatowsky. 

1. Die einzelnen Organe besitzen nicht im gleichen Maße 
die Fähigkeit, das Gift zu „binden“, d. h. sich ein zu verleiben. 
2. Die giftbindende Kraft kann den einzelnen Organen in 
gleichem Maße innewohnen, die Intensität dieser Bindungen 
verschieden sein (z. B. Rückenmark gibt das Gift viel 
leichter wieder ab als das Gehirn. 3. Die einzelnen Organe 
binden das Gift in gleichem, neutralisieren es aber in ver¬ 
schiedenem Grade. 

Beiträge zur Biologie des Milzbrandbazillus und sein Nachweis 
im Kadaver der großen Haustiere; von J. Bongert. Fortsetzung. 

Versuche, die Mäuse mittelst des von mir aus Zieselmäusen 
ausgeschiedenen Bazillus in Scheunen und Schobern zu vertilgen; 
von S. Mereshkowsky. 

Bezüglich der Einzeilheiten wird auf das Original verwiesen. 

*** 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 49. 


?o4 


Beitrag zum Studium der Natur der Hflhnerseuchen; von Dr. 
Calamida. 

Die Veröffentlichung bringt keine bedeutungsvollen Neue¬ 
rungen; es erübrigt sich daher sie hier zu referieren. 

Untersuchungen über natOrliobe und künstliche Mllzbrandimmunltftt; 
von Dr. Bail und Dr. Petterson. 

Die Arbeit ist noch nicht vollendet veröffentlicht. 

Deutsche Medizinal-Zeitung 84. 

Die Post als Vermittlerin bei der Weiterverbreitung von Krankheiten. 

Wie Med.-Rat Dr. Müller-Ohrdruf in der Zeitschrift für med. 
Beamte 9, 1903 mitteilt, konnte er in einem Ort, in dem Scharlach 
nicht vorgekommen war, die Wahrnehmung machen, daß ein 
Kind erkrankte, das acht Tage zuvor von der Post einen Brief 
abgeholt hatte, in dem aus einem 28 km entfernten Orte jemand 
die Erkrankung seines Kindes an schwerem Scharlach berichtete. 


Tagesgeschichte. 

Protokoll der am 27. September 1903 zu Königswinter 
abgehaltenen Herbstgeneralversammlung des „Vereins 
Rheinpreußischer Tierärzte“. 

Die Versammlung rheinpreußischer Tierärzte wurde 11 Uhr 
vormittags von dem Vorsitzenden Departementstierarzt Dr. Lothes 
eröffnet. 

Gegen 80 Mitglieder und Gäste hatten sich in dem Sitzungs¬ 
lokal, dem Hotel „Düsseldorfer Hof", eingefunden. 

Der Vorsitzende verliest zunächst die von den Ehrenmitgliedern 
Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Dieckerhoff, Geb. Reg.-Rat Dr. Lydtin, 
Prof. Dr. Sch maltz, Prof. Dr. Kaiser und Departementstierarzt 
Dr. Schmidt eingelaufenen Schreiben, in welchen dieselben ihr 
Bedauern ansdrücken, an der heutigen Versammlung nicht teilnehmen 
zu können. Außerordentlich freudig wurde es begrüßt, daß Prof. 
Dr. Schmaltz für die nächste Herbst Versammlung sein Erscheinen 
bestimmt in Aussicht stellte. 

Ihr Fernbleiben hatten ferner schriftlich bzw. telegraphisch ent¬ 
schuldigt die Herren: Bächstedt-Dentz, Blunk-Wesel, Dr. Flatten- 
Köln, Homp-Neuwied, Mtihlfahrt-Jtilich. 

Mit Bezug auf die Absagen der Militärtierärzte weist der Vor¬ 
sitzende daranf hin, daß diese Herren ausnahmslos den an sie er¬ 
gangenen Einladungen wohl deshalb nicht Folge geleistet hätten, 
weil die Herbstversammlong gerade in die Manöverzeit fällt. Er 
beantragt daher, die Militärkollegen nur zur Frühjahrsversammlung 
einzeln einzuladen. 

Der Antrag wird ohne Debatte angenommen. 

Es folgt nunmehr die Verhandlung des Punktes I der Tages¬ 
ordnung: Anträge znr Schellstiftnng. 

Auf einen Antrag des Vereins zur Hinterlegung des Geldes der 
Schellstiftung bei der Reichsbank, hatte diese einen abschlägigen 
Bescheid erteilt mit der Begründung, daß nur Gelder eingetragener 
Vereine angenommen werden könnten. 

Aus dieser Veranlassung war bereits in der Frühjahrs Versamm¬ 
lung die Frage angeschnitten worden, ob es vorteilhaft sei, den 
Verein in das Vereinsregister eintragen zu lassen, bzw. für denselben 
die Rechte einer juristischen Person zu erwerben. In dieser Sitzung 
konnte sich der Verein nicht schlüssig werden und vertagte daher 
die Angelegenheit bis zum Herbst. 

Dr. Lothes teilt zu dieser Frage einleitend mit, daß sich die 
Reichsbank inzwischen auf eine erneute Vorfrage bereit erklärt habe, 
das Geld der Schellstiftung dann zu übernehmen, wenn die drei 
Vorstandsmitglieder der Schellstiftnng als Depositäre für den Verein 
eintreten. Da der Vorstand der genannten Stiftung sich mit dieser 
Art der Regelung einverstanden erklärt hat, so ist nach Ansicht 
des Vorsitzenden kein dringender Grnnd mehr für die Eintragung 
des Vereins vorhanden. Die Versammlung ist gleicher Ansicht und 
beschließt einstimmig, vorläufig auf die Eintragung in das Vereins¬ 
register zu verzichten. 


Punkt II der Tagesordnung: Aufnahme neuer Mitglieder. 

Es wurden folgende Herren durch Ballotage in den Verein 
aufgenommen: 

Sladeszeck-Brohl, Giesen-Köln, Jakobs-Porz, Grupe- 
Malmedy, Bettkober-St. Goar, Irrgang-Koblenz, Baehr-Hilden, 
Schneider - Köln, Seifert - Kaldenkirchen, Harloff - Bendorf, 
Schlath öl ter-Siegburg, Bongartz-Godesberg, Braselmann- 
Düsseldorf, Graf-Waldt, Dick-Zülpich. 

Die Mitgliederzahl ist dadurch auf 106 gestiegen, eine Zahl, die 
seit Gründung des Vereins noch nicht erreicht worden ist. 

Die Aufnahme jedes neuen Mitgliedes muß nach § 8 der 
Statuten durch Ballotage erfolgen. 

Da angesichts der stark besuchten Versammlung diese Formalität 
sehr viel Zeit in Anspruch nimmt, stellt Nehrhaupt-Köln den 
Antrag, auf der nächsten Versammlung einen Beschluß herbeizu- 
führen, welcher die Aufnahmeformalitäten vereinfacht. 

Zu Punkt III der Tagesordnung referiert Strohl-Köln über 
die Schaffung einer tierärztlichen Standesordnnng und 
führt ungefähr folgendes aus: 

Nicht immer ist die Regierung auf unsere berechtigten 
Forderungen, welche auf die Hebung des tierärztlichen Standes 
abzielten, so bereitwillig eingegangen, wie in letzter Zeit. 

Wir müssen anerkennen, daß uns wiederholt von seiten der 
höchsten Behörden Zeichen des Wohlwollens zuteil geworden sind. 
Ich erinnere dabei nur an die Gewährung unserer langjährigen 
Forderung des Abiturientenexamens für den Eintritt in das tier¬ 
ärztliche Studium und an die kürzlich in Angriff genommene 
Militärveterinärreform. 

An uns ist es nun, diese Aufmerksamkeiten der Regierung 
richtig zu verstehen und insbesondere das uns entgegengebrachte 
Vertrauen zn rechtfertigen. Deshalb müssen wir auch an unserem 
Teile bemüht sein, unserem Stande das Ansehen zu erringen, welches 
ihm als nunmehr ebenbürtigem Glied in der Reihe der akademischen 
zukommt Zn diesem Ende müssen wir uns einig in dem Bestreben 
zusammenfinden, sämtliche Angehörige unseres Standes dahin zu 
bringen, daß sie sich in ihrem Bernfe zu einander und znm Publikum 
so verhalten, wie es nach den heutigen Anschauungen der ma߬ 
gebenden Kreise Sitte und Pfiiobt ist Dies erreichen wir am 
sichersten und schnellsten durch die Schaffung einer tierärztlichen 
Standesordnung. 

Nun liegt zweifellos in dem Worte Standesordnung eine 
gewisse Härte, vor der mancher zurückschreckt. Indes handelt 
schon die große Mehrzahl der Kollegen nach den Satzungen einer 
ungedruckten Standesordnung. Ihnen diktiert schon das eigene 
Gefühl die richtigen Grundsätze, nach denen die berufliche Tätig¬ 
keit einzurichten ist, wenn sie zur Hebnng des Ansehens unseres 
Standes beitragen soll. Für diese Kollegen wäre eine Stahdes- 
ordnung überflüssig. Allein wir dürfen nns nicht verhehlen, daß 
wie alle anderen Bernfe, so auch der unsere, Mitglieder in seinen 
Reihen hat, welche bewußt oder unbewußt gegen obige Grundsätze 
verstoßen. Damit wir auch diesen Kollegen den richtigen Weg 
für die Ausübung ihres Berufes weisen können, brauchen wir eine 
Standesordnung. Die Schaffung einer solchen ist uns dadurch 
erleichtert, daß uns hierin die Ärzte mit nachahmungswürdigem 
Beispiel vorangegangen sind. 

An der Hand der ärztlichen Standesordnung und der Erfahrungen, 
welche die Ärzte seit Bestehen derselben gemacht haben, können 
wir uns eine tierärztliche Standesordnung aufbauen, und zwar ist 
es meines Erachtens notwendig, daß wir unverzüglich an die Ver¬ 
wirklichung dieses Gedankens herantreten. 

Ich stelle daher den Antrag: 

Die heutige ordentliche Versammlung des „Vereins 
Rheinpreußischer Tierärzte" wolle eine Kommission 
ernennen zwecks Ausarbeitung einer Standesordnung, 
welche der nächsten ordentlichen Versammlung zur 
event Annahme vorzulegen ist. 

ln der an das Referat sich anschließenden Diskussion bittet 
Dr. Lothes von der Erörterung des Antrages Strohe absehen M 
wollen, weil diese Frage bereits im Fluß ist und sich bei der 
Zentralvertretung der tierärztlichen Vereine Preußens in den besten 
Händen befindet. 


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3. Dezember 1908. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


756 


Gleicher Ansicht ist Bongartz-Bonn. Derselbe will nur 
einen Beschluß herbeigeführt wissen, ans welchem der Zentral¬ 
vertretung der tierärztlichen Vereine Preufiens, die Wünsche des 
Vereins in Beziehung auf die staatlich anerkannte Standesvertretung 
ersehen kann. Er tritt des weiteren für eine StandeBvertretung 
ein, welche den Apothekerkammern nacbgebildet ist, also keine 
Ehrengerichte und kein Besteuerungsrecht hat. Von den letzt¬ 
genannten Einrichtungen verspricht sich Bongartz keinen großen 
Gewinn im Sinne der Ausführungen Strohes. 

Im Gegensätze zu Bongartz tritt zunächst Dr. Profe sehr 
für Schaffung einer Tierärzt&kammer mit Ehrengerichten und Um¬ 
lagerecht ein. Der Einrichtung einer Standesvertretung dieser Art 
wird auch vom Vorsitzenden das Wort geredet. 

Die Versammlung beschließt darauf mit überwiegender Mehr¬ 
heit, daß für die Tierärzte eine Standesvertretung mit Ehrengerichten 
und Besteuerungsrecht anzustreben Bei. 

Punkt IV der Tagesordnung. 

Über die Stellung der Tierärzte In der Milchkontrolle. 

Vortrag von Schlachthofdirektor Bockeimann-Aachen. 

(Der Vortrag wird hier in einem vom Vortragenden selbst gefertigten 
Auszuge wiedergegeben). 

Die große Bedeutung, welche die Milch unserer Haustiere, 
insbesondere diejenige der Kuh, als Nahrungsmittel des Menschen, 
namentlich bei Säuglingen und Kranken oder durch Krankheit ge¬ 
schwächten Personen hat, läßt den Eifer begreiflich erscheinen, 
mit welchem Hygieniker und Behörden nach Mitteln suchen, um 
die Konsumenten vor Übervorteilung und die Gesundheit derselben 
vor den durch den Milcbgenuß drohenden Gefahren zu schützen. 
Die zur Erreichung dieses Zweckes in den Städten erlassenen 
Milchverordnungen tragen durchweg den hygienischen Erforder¬ 
nissen nicht in genügendem Maße Rechnung, da für die Beurteilung 
der Milch in erster Linie die chemische Analyse die maßgebenden 
Gesichtspunkte liefert. Es gibt aber kein Nahrungsmittel, welches, 
wie die Milch, bei vollständig normaler Zusammensetzung hnsicht- 
lich seiner spezifischen Bestandteile und bei gänzlichem Fehlen 
grobsinnlich wahrnehmbarer Abweichungen von der normalen Be¬ 
schaffenheit, so vielerlei Noxen für die menschliche Gesundheit in 
sich bergen kann. 

Die Verhütung und die Beseitigung der durch den Milcbgenuß 
auf den Menschen übertragbaren Krankheiten muß deshalb in erster 
Linie die Richtschnur für die Regelung des Verkehrs mit Milch geben. 

Verschiedenartig sind die Möglichkeiten unter welchen die 
Milch eine schädliche Eigenschaft annehmen kann. Zunächst kann 
diese darin liegen, daß die Milch von Kühen herstammt, welche 
mit auf den Konsumenten übertragbaren Krankheiten behaftet sind. 
Hierher gehören die Maul- und Klauenseuche, der Milzbrand, die 
Tuberkulose, gewisse Euterentzündungen, vor allen die septischen 
Euterentzündungen, sowie auch die septischen Darm- und Gebär- 
mutterentzündungen. Die Übertragbarkeit der Maul- und Klauen¬ 
seuche auf den Menschen ist einwandsfrei nachgewiesen worden, 
zuerst experimentell durch Hertwig. 

An der Möglichkeit der Übertragung des Milzbrandes durch 
den Milchgenuß kann nicht mehr gezweifclt werden, nachdem von 
verschiedenen Forschern u. a. Nocard, Feser, Bollinger, Milz¬ 
brandbazillen in der Milch milzbrandkranker Kühe nachgewiesen 
worden sind. Oster tag hat nachgewiesen, daß dies zwar nicht 
in der Regel der Fall ist, daß die Milzbrandbazillen vielmehr nur 
dann in die Milch übertreten, wenn im Verlaufe der Krankheit 
Blutungen im Euter auftraten. Die Möglichkeit des Vorhandenseins 
solcher Blutungen liegt aber immer vor, wenn dies auch im Einzel¬ 
falle diagnostisch nicht nachgewiesen werden kann. Die vor etwa 
zwei Jahren von Robert Koch ins Schwanken gekommene An¬ 
nahme der Übertragbarkeit der Tuberkulose vom Rind auf den 
Menschen durch den Milchgenuß ist inzwischen durch die Resul¬ 
tate der Experimentaluntersuchungen der nahmhaftesten Forscher 
wie von Behring, Karlinski, de Jong, Esser, Orth, 
Schottelius, Ostertag u. a. so gefestigt worden, daß heute 
wohl niemand mehr daran zweifelt Ostertag hat festgestellt, daß 
die lediglich auf Tuberkulin reagierenden Kühe keine tuberkel¬ 
bazillenhaltige Milch ausscheiden, sondern das dies nur bei 


tuberkulöser Erkrankung des Euters und bei tuberkulöser Allge¬ 
meinerkrankung der Fall ist 

Daß der Genuß der Milch von mit Euterentzündungen be¬ 
hafteten Kühen Krankheiten hervorrilfen kann, ist .durch zahlreiche 
Beobachtungeu erwiesen werden. Wenn auch nicht alle Euter- 
entzündungen der Milch gesundheitsschädigende Eigenschaften ver¬ 
leihen, so sind aber alle imstande, grobe Veränderungen und im 
Zusammenhang hiermit ein schnelleres Verderben derselben herbei- 
zuführen. Es kommen hier in Betracht die eitrigen, katarrhalischen, 
die parenchymatösen, die chronischen bindegewebigen Euter- 
entzündnngen und der gelbe Galt. Nach Ostertag ist Milch, in 
welcher Staphylokokken oder Streptokokken nachgewiesen werden, 
stets als gesundheitsschädlich anzuseben, wenn die Kokken aus 
entzündlichen Eutern stammen. Wie aus dem septisch erkrankten 
Euter die Krankeitserreger stets in die Milch gelangen, so kann 
dies auch bei Kühen geschehen, welche an septischer Darm- bzw. 
Gebärmutterentzündung erkrankt sind, namentlich wenn bei der 
Milchgewinnung die erforderliche Sauberkeit außer acht gelassen 
wird. Es ist bekannt, daß ein Teil der Sepsiserreger Gifte bildet, 
welche auch durch Kochen nicht zerstört werden. 

In zweiter Linie kann die Milch nachteilige Eigenschaften 
annehmen durch die Behandlung der Kühe mit bestimmten Arznei¬ 
mitteln, z. B. Kampfer, Terpentinöl, Aloö, Arsen, Blei, Brech- 
weinstein, Jod, Zink, Quecksilber u. a. Durch den Übergaug solcher 
Arzneimittel in die Milch wird diese, soweit es sich um giftig 
wirkende handelt, gesundheitsschädlich, im anderen Falle, wenn es 
sich nur um Annahme abnormen Geschmacks oder Geruchs handelt, 
mindestens minderwertig. 

Schädliche Eigenschaften kann die Milch ferner annehmen 
durch unzweckmäßige Fütterung. Dies ist beispielsweise der Fall 
nach Verabfolgung von faulenden Rübenblättern, von stark be¬ 
fallenem Klee, Artischoken und Rizinuskuchen; angenommen wird 
es auch von Bilsenkraut, Mohn, Stechapfel, Herbstzeitlose, Wolfs¬ 
milch u. a. Die Verfütterung einiger Futtermittel verursacht einen 
abnormen Geruch oder Geschmack, anderer eine abnorme Farbe. 
Zu den ersteren gehören Knoblauch, Zwiebeln, Rainfarren, Kastanien-, 
Ahorn- und anderes Baumlaub; zu den letzteren Karotten, Krokus, 
Labkraut, Rhabarber, Schachtelhalmen, Vogelknöterich u. a. Die 
Verfütterung von Schlempe und Melasse, denen man vielfach mit 
Unrecht eine ungünstige Beeinflussung der Milch zugeschrieben hat, 
ist stets unbedenklich, wenn jene in angemessenen Mengen verab¬ 
folgt werden. 

Wie so die Milch bereits im Körper der Kuh den Konsumenten 
bedrohende Eigenschaften annehmen kann, so kann sie auch noch 
nachteilig beeinflußt werden, nachdem sie das Euter gesunder und 
richtig gefütterter Tiere verlassen hat. Die unsaubere Gewinnung 
derselben bringt den vielfach beobachteten Schmutzgehalt, der in 
einzelnen Fällen nach zuverlässigen Beobachtungen bis zu 2 1 /, pro 
Mille (Trockensubstanz) betrug, mit sich. Die Milch, besonders die 
warme Milch stellt einen vorzüglichen Nährboden für Mikro¬ 
organismen dar; in schmutziger Milch ist der Keimgehalt natur¬ 
gemäß höher. Gernhardt fand in Dorpat bis zu 116 Millionen und 
Uhl in Gießen gar bis zu 169 Millionen Keime in 1 ccm der 
Marktmilch. 

Die Gefahren, welche schmutzig gewonnene Milch bedingen, 
können auch durch nachträgliches Sterilisieren nicht ganz beseitigt 
werden, weil hier auch Bakterien in Betracht kommen, die durch 
Hitze nicht zerstörbare Toxine bilden. 

Daß die Erreger menschlicher Infektionskrankheiten durch 
den Milchverkehr verschleppt werden können, besagt schon der 
Umstand, daß man von Mllchepidemien spricht. Die Verwendung 
kranker oder nicht ganz genesener Personen als Melker, die Be¬ 
nutzung von Stroh aus Krankenbetten als Streu sowie von infiziertem 
Wasser zum Spülen der Milchgeräte ermöglichen die Übertragung 
von ansteckenden Krankheiten, wie Cholera, Typhus, Scharlach, 
Diphtherie und Tuberkulose. 

Aus dem Gesagten ergibt sich, daß die meisten der Milch drohen- 
denGefahren an derProdnktionsstätte zu suchen sind,und hierhin müssen 
sich naturgemäß die Bestrebungen zur Beseitigung derselben richten. 
Auf dem Gute des Landwirtes muß die Milchkontrolle ihren Anfang 
nehmen. Aus dieser Forderung ergibt sich ohne weiteres die Stellung, 


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756 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 49. 


welche der Tierarzt in der Milchkontrolle einzunehmen hat. Zur Ge¬ 
winnung einer unschädlichen Milch ist zunächst die Überwachung 
des Gesundheitszustandes der Milchkühe erforderlich. Die Erkennung 
der durch den Milchgenuß auf den Menschen übertragbaren Krank¬ 
heiten ermöglicht die Ausmerzung der erkrankten Tiere für immer 
oder temporär. Die Beurteilung ist lediglich Sache des Tierarztes. 
Bei Behandlung von Milchtieren, die an harmlosen, die Milch in keiner 
Weise beeinflussenden Krankheiten leiden, muß die Verwendung 
aller Arzneistoffe, welche in die Milch übergehen, vermieden werden. 
Erfordert die Art der Krankheit die Verabreichung solcher Mittel, 
so ist der Besitzer darauf aufmerksam zu macheu, daß die Milch 
nicht oder nicht ohne weiteres verkauft werden darf. Der Tierarzt 
ist ferner der berufene Sachverständige hinsichtlich der Frage der Zu¬ 
lässigkeit gewisser Futtermittel, sowie der natürliche Berater des Land¬ 
wirtes hinsichtlich der sauberen Gewinnung der Milch und der sach¬ 
gemäßen Behandlung derselben bis zur Abgabe an die Konsumenten. 
Er kann durch Belehrung darauf binwirken, daß daB Melkerpersonal 
in sauberem Zustande an Körper und Kleidung an das Melkgeschäft 
herangeht, daß die Euter sachgemäß gereinigt (trockene Behandlung 
nach Gillebeau), daß die so eingeleitete saubere Milchgewinnung 
unterstützt wird durch Sauberkeit im Stall, durch gute Ventilation, 
durch zweckmäßige Aufstallang (Holländer!), sowie durch Vermeidung 
von Futtermitteln, welche Durchfall erzeugen. Auch über die enormen 
Vorteile, welche das sofortige Seihen der Milch durch zweckmäßige 
Seiheapparate, sowie möglichst baldige Abkühlung ergeben, bietetsich 
dem Tierarzt Gelegenheit, den Produzenten aufzuklären. 

Mit der Tätigkeit des Tierarztes an der Produktionsstätte ist 
seine Aufgabe aber keineswegs erschöpft. Die hier begonnene Über¬ 
wachung ist durch geeignete Maßregeln an den Verzehrsorten zu 
ergänzen. Soweit es Bich um die Feststellung von auf den Menschen 
übertragbaren Tierkrankheiten handelt, »t auch hier der Tierarzt 
zuständig. Ihm müßte alle nach dieser Richtung bin verdächtige 
Milch zur genauen Untersuchung, zu deren Ausführung eventuell 
der Tier- und Kulturversuch in Anwendung zu bringen wären, über¬ 
wiesen werden. Für diese Zwecke dürften sich ganz besonders 
die Laboratorien der städtischen Schlacbthöfe eignen. 

Der Vorsitzende dankt dem Referenten für die interessanten 
Ausführungen und eröffnet die Diskussion. 

Kühnau-Köln betont, daß heute die Milchfrage sozialpolitisch 
und volkswirtschaftlich von großer Bedeutung sei. Die Milchvieh¬ 
zucht hat allmählich die Züchtung von Mastvieh überflügelt. Die 
Milcbproduhtion erreicht in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung fast 
den Körnerbau. Kühn au schließt im weiteren sich den Forderungen 
des Referenten an und weist noch daraufhin, daß gerade Behring 
in seinem Vortrage auf der Naturforscherversammlung in Kassel 
der Ansicht Kochs in der für die Milcbkontrolle so außerordent¬ 
lich wichtigen Frage der Tuberkuloseübertragung erfolgreich ept- 
gegengetreten sei. Dieser verdienstvolle Forscher habe darauf auf¬ 
merksam gemacht, daß die bazillenhaltige Milch deshalb so gefährlich 
sei, weil sie meistens jungen Individuen verabreicht und diese leicht 
infiziert würden. Bei der von Behring durchgeführten Verfütterung 
von tuberkulösem Material an Meerschweinchen erkrankten die 
jungen Tiere, während die alten gesund blieben. Kühnau führt 
noch aus, daß in der Milchfrage früher ausschließlich die Chemiker 
als kompetent angesehen worden seien. Neuerdings sei man mit 
Recht zu der Ansicht Ubergegangen, daß die Produktion dieses 
wichtigsten aller Nahrungsmittel überwacht werden müsse, und daß 
hierbei gerade der Tierarzt gute Dienste leisten könne. Daher sollte 
die Milchfrage augenblicklich ein wichtiger Beratungsgegenstand 
der tierärztlichen Vereine sein, zumal da wir auf diesem Gebiete 
mit den Hygienikern und Chemikern in Wettbewerb treten, welche 
die Milchuntersuchungen als ihre Domäne betrachten. 

Bongartz-Bonn ist der Ansicht, daß die Milch-Polizei-Verord¬ 
nungen sieb auf dem Papier ganz gut ausnehmen, aber in der 
Praxis leider nicht durchführbar sind. Beispielsweise könnten die 
Euter der Kühe bei Schnitzel- und Grünfütterung gar nicht rein 
gehalten werden. Man kann zwar, wie Prof. Hansen bewiesen 
hat, durch saubere Behandlung des Euters und der Milch die Zahl 
der in derselben vorhandenen Keime herabdrücken, immerhin bleibt 
aber noch eine erhebliche Anzahl zurück. Nach Ansicht des Redners 


ist die Tatsache, daß in der Milch eine große Zahl von Bakterien 
gefunden wird, nicht so bedenklich, denn in den weitaus meisten 
Fällen handle es sich um harmlose Saprophyten, welche unter 
Umständen sogar noch zur Förderung der Verdauung beitragen. 
In dieser Frage würde vielfach zu schwarz gemalt. Bezüglich der 
vom Referenten angeregten Aufklärung der Landwirte weist Bon- 
gartz darauf hin, daß letztere durch ihre Fachzeitschriften und 
Schulen bereits eingehend mit dieser Frage bekannt gemacht würden 
und daher des Rates der Tierärzte kaum noch bedürften. Er tritt 
schließlich noch dafür ein, daß diejenigen Milchhandlungen, welche 
sich mit dem Vertriebe von Sanitäts- und Kindermilch befassen, 
und die Milchkuranstalten einer strengen Kontrolle unterworfen 
werden. 

In seinem Schlußwort bekämpft Bo ekel mann die Aus¬ 
rührungen des Vorredners. Er hält die Gegenwart von vielen 
Bakterien in der Milch nicht für so unbedenklich, da hierunter die¬ 
jenigen, welche eine krankmachende Wirkung ausüben, durchaus 
nicht so selten seien. Ferner könne nach seiner Ansicht der Tier¬ 
arzt dem Landwirt als Berater in Milchfragen neben Zeitungen und 
Schulen sehr von Nutzen sein. 

Hierauf schließt der Vorsitzende gegen 1*/» Uhr die Versamm¬ 
lung mit der Mahnung, den übrigen Teil des Tages den Damen und 
dem Frohsinn zu widmen. 

Nach halbstündiger Pause begann das Festessen, an welchem 
ca. 100 Personen teilnahmen. Während desselben erhob sich zu¬ 
nächst der Vorsitzende des Vereins, um der Errungenschaften zu 
gedenken, welche das letzte Jahr unserem Stande gebracht hat. 
Daran knöpft Redner einen Ausbliok in die Zukunft und äußert 
die vollste Zuversicht zu der weiteren Entwicklung unseres 
Standes. In ein mit Begeisterung aufgenommenes Hoch auf 
Se. Majestät den Kaiser, den unermüdlichen Förderer jeglicher 
Wissenschaft, klang die eindrucksvolle Rede aus. 

Von Pfleger-Opladen wurde den Damen ein wohlgelungener 
Toast in poetischer Form dargebracht 

Nach Beendigung des Festessens unternahm die Gesellschaft 
bei schönstem Wetter einen Ausflug zur Rosenau. Inmitten des 
Siebengebirges gelegen, zählt sie zu den schönsten, namentlich 
wegen ihrer Fernsicht geschätzten Punkten des Rheinlandes. Nach¬ 
dem man bei dem klaren Wetter die schöne Aussicht genossen und 
die landschaftlichen Reize des Rheintales auf sich hatte ein¬ 
wirken lassen, wurde gegen 6 Uhr abends der Abstieg bzw. die 
Rückfahrt nach Königswinter angetreten. Um 7 Uhr fanden sich 
die Teilnehmer an der Versammlung, soweit sie nicht bereits vorher 
die Heimreise antreten mußten, im Hotel Monopol wieder zusammen, 
um sich bis gegen Mitternacht bei Gesang und Becherklang echt 
rheinischer Fröhlichkeit hinzugeben. Hier trugen namentlich Frau 
Kreistierarzt Pfleger-Opladen durch ihre wirkungsvollen Gesangs¬ 
vorträge, sowie Breb eck -Bonn durch seine in plattkölniscber 
Mundart vorgetragenen Weinpauken wesentlich zur Unterhaltung 
der Gesellschaft bei. In den Zwischenpausen kam auch die Jagend 
zu ihrem Recht, indem die für das Fest engagierte Musikkapelle 
zum Tanz aufspielte. Die letzten Abendzüge führten die Teil¬ 
nehmer auseinander. Bei der Trennung gaben alle dem Gedanken 
Ausdruck, einen wirklich schönen, durch keinen Misklang getrübten 
Tag verlebt zu haben. 

Zweifellos haben nicht nur das Festkomitee, sondern vor allen 
Dingen die Damen sehr zu dem Gelingen des Festes beigetragen. 
Ihnen, die zum ersten Male in größerer Zahl der Tagung der 
„Rheinpreußen“ beiwohnten, gebührt daher der besondere Dank 
des Vereins. 

Wie sehr die Mitglieder von diesem Gedanken beseelt waren, 
erhellt aus der Tatsache, daß von verschiedenen Seiten der Wunsch 
laut wurde, die Damen auch um ihre Teilnahme an der nächsten 
Frühjahrsversammlung in Cöln zu bitten. 

Der Vorsitzende. Der Schriftführer. 

Dr. Lothes. I. V.: Knese. 

Zar Kreistierarzt-Reform. 

Bei den Erörterungen über die Reform der Stellung der 
Kreistierärzte, welche hoffentlich an der Finanzfrage nicht mehr 


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3. Dezember 1908. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


757 


scheitert,*) ist eine Frage von nicht geringer Bedeutung meines 
Wissens bis jetzt noch nicht angeschnitten worden. 

Wenn auch die Tätigkeit des Kreistierarztes als Veterinär¬ 
polizeibeamter durch die Seuchengesetzgebung genügend um¬ 
schrieben ist, so gibt es doch noch verschiedene andere Ge¬ 
biete, auf welchen der Kreistierarzt mit großem Erfolg arbeiten 
könnte, wenn er dazu die Gelegenheit bekäme. Ich erinnere 
nur an die öffentliche Hygiene, an die Viehzucht, an das Vieh¬ 
versicherungswesen und an anderes mehr. In einigen Bezirken 
wird ja jetzt schon die Mitwirkung der Kreistierärzte auf diesen 
Gebieten sehr gern gesehen und erwartet, während sie in 
anderen Bezirken ebenso energisch abgelehnt wird. Ich will 
hier nicht behaupten, daß alle Kreistierärzte zur Tätigkeit in 
diesen Fächern gleichmäßig geeignet sind, aber die große 
Mehrzahl ist es zweifellos. Dafür sorgt die Prüfungs¬ 
kommission. Von dem Taktgefühl dieser Kollegen erwartet 
man dann wohl, daß sie sich die Mitarbeit auf diesen Ge¬ 
bieten der öffentlichen Wohlfahrtspflege trotzdem ermöglichen. 
Dies mag ja häuflg gelingen. Es gibt aber auch, und 
gar nicht vereinzelt, Fälle, in denen jedes Takt- und Selbst¬ 
gefühl verleugnet werden müßte, um schließlich die Hinzu¬ 
ziehung in völlig ungeeigneter Art und Weise als nicht stimm¬ 
berechtigter Anhang zu den einzelnen Kommissionen zu 
erreichen. Ich brauche in einem Fachblatt das Verhältnis nicht 
näher zu schildern; jeder ältere Kollege hat es wohl selbst 
kennen gelernt. Ich erinnere nur an die Körungen. Hier wird 
gewöhnlich auf die große Verschiedenheit der Verhältnisse in 
den einzelnen Provinzen hingewiesen, meines Erachtens aber 
ohne Berechtigung. Die öffentliche Stierhaltung ist nur für 
den kleinen Grundbesitz eingerichtet, da es sich bei ihm nicht 
lohnt, ein eigenes Vatertier zu halten. Diese Landwirte, welche 
über die ganze Monarchie verteilt sind, haben selten Gelegen¬ 
heit gehabt, eingehende Studien Über Viehzucht zu machen, und 
sind daher für jede Anregung und Belehrung, welche ihnen 
erteilt wird, dankbar; dies lehrt die Erfahrung. Hierzu ist 
aber niemand geeigneter als der Kreistierarzt, da er mit der 
nötigen Objektivität seine Ansichten vertreten kann. Es ist 
daher nur eine große Zweckmäßigkeitsfrage, diesen als stimm¬ 
berechtigtes Mitglied in die Körkommissionen grundsätzlich ein¬ 
zureihen. Ähnlich wie bei der Körung verhält es sich auch 
auf den anderen Gebieten. Überall findet der Kreistierarzt noch 
bei seiner Tätigkeit in der öffentlichen Wohlfahrtspflege 
passiven oder aktiven Widerstand. 

Zur Abänderung dieses Zustandes, welcher wider das öffent¬ 
liche Interesse ist, halte ich es für nötig, daß für die Kreis¬ 
tierärzte, ähnlich wie für die Kreisärzte, eine Dienstvorschrift 
erlassen wird, welche die Tätigkeit der Kreistierärzte genau 
regelt und welche auch für andere Behörden maßgebend sein 
müßte. In dieser Dienstvorschrift sollte das Wörtchen „kann“ 
möglichst vermieden und immer das Wörtchen „muß“ gebraucht 
werden. 

Andere Bundesstaaten haben derartige Vorschriften schon 
erlassen und, wie der Erfolg gezeigt hat, nicht zum Schaden 
des öffentlichen Wohles. 

Decker. 

*) Daß die Kreistierarztvorlage dem Landtage in der bevor¬ 
stehenden Session zugehen wird (vergl. B. T. W Nr. 46), berichten 
jetzt anoh die politischen Zeitungen. 


Kolonialtierärzte. 

Von seiten des Auswärtigen Amtes, Kolonialabteilung, 
werden Tierärzte für den Veterinärdienst in den Schutzgebieten 
Deutsch-Ostafrika und -Südwestafrika gesucht. Die Annahme¬ 
bedingungen sind folgende: 

Die Bewerber müssen das vorgeschriebene Staatsexamen 
bestanden haben und einige Zeit praktisch tätig gewesen sein. 
Sie müssen ferner körperlich für den Dienst in den Tropen ge¬ 
eignet und etwa 30 Jahre alt sein. Unverheiratete Bewerber 
werden bevorzugt. Die Verpflichtungsdauer beträgt für Ost¬ 
afrika zwei und für Südwestafrika drei Jahre. Für die Ausreise, 
sowie für die Heimreise nach beendetem Dienstverhältnis wird 
reichliche Vergütung und zu Zwecken der Ausrüstung ein Betrag 
von 500 M. gezahlt, der sich nach einjähriger Dienstzeit um 
weitere 500 M. erhöht. In den Schutzgebieten werden freie 
Wohnung und eine jährliche Remuneration von 7500 M., sowie 
besondere Vergütung bei Dienstreisen gewährt. Nach Ablauf 
der Dienstperiode wird bei vorheriger weiterer Verpflichtung 
ein viermonatiger Heimatsurlaub unter Belassung der Remune¬ 
ration neben einer Reisebeihilfe bewilligt. 

Um die Tierärzte für die im Schutzgebiete ihrer harrenden 
Aufgaben, welche hauptsächlich auf den Gebieten der Seuchen¬ 
bekämpfung, Veterinärpolizei und Tierzucht liegen, besonders vor¬ 
zubereiten, wird ihnen vor der Ausreise Gelegenheit gegeben, 
auf amtliche Kosten an einem etwa zweimonatigen Kursus über 
Bakteriologie und Tierhygiene teilzunehmen. Die Teilnehmer er¬ 
halten während dieser Zeit angemessene Diäten. Näheres über 
den Dienst in den Schutzgebieten im allgemeinen ergibt das 
Buch von Tesch: „Die Laufbahn der deutschen Kolonialbeamten.“ 
(Verlag von Otto Salle, Berlin W. 30.) 

Bewerbungsgesuche, denen ein Lebenslauf, die Zeugnisse 
in Urschrift und Abschrift und etwaige Militärpapiere beizufügen 
sind, sind an die Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes in 
Berlin, Wilhelmstraße 62 einzureichen. — 

Zu Vorstehendem erlaube ich mir folgendes zu bemerken. 
Die für die koloniale Dienstleistung in Aussicht gestellte Jahres¬ 
remuneration ist, soweit die Verhältnisse in Deutsch-Südwest¬ 
afrika in Betracht kommen, welche ich auf Grund eines drei¬ 
jährigen Aufenthalts daselbst kenne, sehr wohl annehmbar, 
zumal da sich der Betrag derselben durch Vergütung für Dienst¬ 
reisen um ein bedeutendes erhöht. Es ist somit Gelegenheit 
gegeben, ausreichende Ersparnisse zu machen. Die gesundheit¬ 
lichen Verhältnisse des Schutzgebietes sind gute. Auch haben 
sich die Lebensbedingungen daselbst, infolge seiner schnellen 
kulturellen Erschließung gegen früher bedeutend gebessert. 

Die Tätigkeit des Tierarztes in den Schutzgebieten ist 
vorwiegend eine veterinärpolizeiliche. Die in Betracht kommenden 
seuchenartigen Krankheiten der Haustiere sind vor allem Rinder¬ 
pest, Lnngenseuche, Pferdesterbe, Milzbrand, Rauschbrand, Wild- 
und Rinderseuche, sowie durch Blutparasiten bedingte Krank¬ 
heiten (Texasfieber und Nagana etc.). Daneben erstreckt sich 
die Tätigkeit des Tierarztes noch auf die Bekämpfung von 
Herdenkrankheiten, welche durch tierische Parasiten bedingt 
werden. 

Es erhellt hieraus, daß eine eingehendere bakteriologische, 
parasitologische sowie allgemeine veterinärhygienische Vorbildung 
für den Tierarzt, der sich im kolonialen Veterinärdienst be¬ 
tätigen will unerläßlich ist. 


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758 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 49. 


Bei der Wichtigkeit der Bekämpfung der Tierseuchen in 
den Schutzgebieten wird es den Herren Kollegen nicht schwer 
fallen, sich eine angesehene soziale Stellung zu erringen. Ab¬ 
gesehen von den materiellen Vorteilen, werden die Bewerber Ge¬ 
legenheit haben, ihren Wissenskreis in fachmännischer Hinsicht 
zu erweitern und sich auch wissenschaftlich zu betätigen. 

Ich bin gern erbötig, den Herren Reflektanten auf Wunsch 
eingehendere Auskunft zu erteilen. 

I. A.: Kaesewurm, 
Hilfsarbeiter am hygienischen Institut der 
Tierärztlichen Hochschule. 

Zur Ver8icherung8frage. 

Von Oberveterinär Dr. Goldbeck-Demmin. 

In Nr. 30 der B. T. W. berichtet Herr Kollege Kreistier¬ 
arzt Sahn er über eine Erfahrung, welche er auf dem Gebiet 
der Unfallversicherung gemacht hatte. Es war ihm nicht ge¬ 
lungen, für eine Infektion, welche nach einer Obduktion ein¬ 
gesetzt hatte, Entschädigung zu erhalten. Die Versicherungs¬ 
gesellschaft (der Allgemeine Deutsche Versicherungs -Verein 
Stuttgart) weigerte sich, zu zahlen, da der Nachweis der Ver¬ 
letzung als Eingangsstelle für die Infektion nicht gebracht war. 

Da mir nun selbst ein ähnlich liegender Fall zustieß, 
möchte ich denselben hier kurz mitteilen. Beim Ablösen einer 
faulenden Nachgeburt beschmutzte mich die Kuh wiederholt 
durch ihre Fäces. Ich wischte mir den Oberarm deshalb un¬ 
vorsichtigerweise mit dem im Stall als Streu benutzten Schilf 
ab. Dasselbe war sehr scharf, machte zahlreiche leichte Ein¬ 
schnitte, und die Folge war an diesen Stellen Rötung, Schwellung, 
Eiterung. Der Prozeß dehnte sich auf den ganzen Arm aus, 
und ich brauchte drei Wochen zu seiner Heilung. Ohne jede 
Schwierigkeit wurde die Angelegenheit von der Gesellschaft 
reguliert. 

Das Verlangen nach dem Nachweis der Verletzung ist doch 
nicht nur juristisch, sondern auch medizinisch sehr natürlich. 
Sonst kämen wir ja auf den berüchtigten Satz: Post hoc, ergo 
propter hoc. Das ist doch nicht zu verlangen. Zudem ist im 
§ 2 der Versicherungsbedingungen das Erfordernis dieses Nach¬ 
weises klipp und klar ausgesprochen. 

Auch in anderen Fällen habe ich mit dieser Gesellschaft 
stets die besten Erfahrungen gemacht und kann sie nur jedem 
Kollegen empfehlen. Allerdings muß sie sich, um auf sicherer 
Basis zu stehen, auch streng an die Statuten halten. Wenn 
z. B. Kollege Sahn er hervorhebt, daß er seit Jahren nur 
Prämien bezahlt und nichts erhalten habe, so ist das doch für 
die Entschädigungsfrage ganz gleichgültig. Hier entscheidet 
nur der Einzelfall. Es hat doch auch die Versicherung in den 
Voijahren das Risiko getragen — dafür die Prämie. 

Wer sich versichert, muß die Statuten genau studieren. 
Wenn sich jemand in einer Unfallversicherung beim Sterbefall 
mit zehntausend versichert, so erhält er resp. seine Hinter¬ 
bliebenen natürlich diese Summe nur, wenn der Tod durch Un¬ 
fall eintritt. Glaubt jemand, wie ich das erlebt habe, damit 
eine billige Lebensversicherung abgeschlossen zu haben, so hat 
er eben die Statuten nicht genau beachtet. 

Ich habe die Statuten der meisten in Betracht kommenden 
Versicherungsgesellschaften genau studiert und muß bekennen: 
Die besten, klarsten und reellsten Bedingungen hat die Stutt¬ 
garter, deshalb sind auch hier die meisten Militärs — kollektiv 


oder einzeln — versichert. Und wer sich in unserem Beruf 
nicht einmal gegen Unfall versichert, der muß entweder ge¬ 
nügend Kapital in Reserve haben, oder er handelt gegen sein 
eigenstes Interesse und gegen das seiner Familie. Ein Nachteil 
der Unfallversicherung liegt allerdings darin, daß sie einseitig 
nur gegen äußere Unfälle schützt, nicht gegen Infektionen, 
Krankheiten. Daß eine solche volle Versicherung höhere 
Prämien kostet, ist selbstredend; sie ist aber auch dafür etwas 
Vollkommenes. Deshalb ist es so sehr zu bedauern, daß der 
Stuttgarter Verein die Krankenversicherung, welche er früher 
führte, fallen ließ. 

Statistische« aus den skandinavisches Hadern. 

(Maanedsikrift for Dyrlaeger 1902, Haft S.) 

Nach einer in der dänischen tierärztlichen Monatsschrift 
veröffentlichten Übersicht entfällt auf jeden Tierarzt in: 



km a Pferden Rindern 

Schafen u. 
Ziegen 

Schweinen 

Norwegen ein Areal von 2022 mit 1130 

6201 

7900 

1076 

Schweden „ „ 

„ 1246 „ 1282 

7824 

4152 

2478 

Dänemark „ „ 

„ 64 „ . 749 

2908 

1844 

1945 





St. 


Zur Promotionsfrage. 



In Preußen 

beabsichtigen eine Anzahl 

Herren, 

welche in 


der Schweiz als Dr. med. vet. promoviert haben, einen letzten 
Schritt gegen die prinzipielle Ablehnung der Genehmigung 
seitens des Herrn Kultusministers zu tun. Vorbesprechungen 
darüber mit den betreffenden Dezernenten in diesem Ministerium 
haben freilich eine sehr wenig freundliche Auffassung erkennen 
lassen. Es liegt ein Abkommen der Bundesstaaten gegen die 
Anerkennung des in der Schweiz erworbenen Dr. med. vet. vor, 
welches die Anerkennung für die Zukunft wenigstens ausschließt. 

Dies geht auch aus folgendem in den Mitteilungen des 
Vereins badischer Tierärzte veröffentlichten Bescheide des 
großh. badischen Ministeriums hervor. Dort heißt es: 

„Auf eine von einem Kollegen an das Großh. Ministerium 
der Justiz, des Kultus und Unterrichts gerichtete Eingabe, be¬ 
treffend die Führung des in Bern erworbenen Dr. med. vet., ist 
folgender Bescheid ergangen: „Gemäß einer mit den meisten 
deutschen Unterrichtsverwaltungen getroffenen Vereinbarung 
wird die Genehmigung zur Führung im Ausland erworbener 
akademischer Würden, die von reichsdeutschen Hochschulen 
nicht verliehen werden, grundsätzlich versagt“. 

„Dies gilt insbesondere von der Würde eines doctor medicinae 
veterinariae, obwohl dieselbe auch von einer deutschen Hoch¬ 
schule (Gießen) verliehen wird. Wir wären daher nicht in der 
Lage, einem Gesuch um Genehmigung zur Führung der von 
der Universität Bern verliehenen Würde eines doctor medicinae 
veterinariae zu entsprechen.“ 

Daß dieses Abkommen, welches übrigens bald hätte amtlich 
veröffentlicht werden sollen, jedoch nicht auf schon vollzogene 
Promotionen bezogen zu werden braucht, lehrt die früher ver¬ 
öffentlichte Bekanntmachung der bayerischen Regierung. 

Einer mündlichen Äußerung nach scheint man in Preußen 
sogar zu beabsichtigen, den in der Schweiz unter Dispens von 
der Universitätsreife erworbenen philosophischen Doktortitel 
nicht mehr zu genehmigen. Diejenigen Kollegen, welche 
künftig unter diesen Umständen zu promovieren beabsichtigen, 
werden daher vielleicht gut tun, eine vorherige Anfrage an das 
preuß. Kultusministerium zu richten dahin gehend, ob der Ge- 


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3. Dezember 1908. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


759 


nehmigung zur Führung des philosophischen Doktortitels prin¬ 
zipielle Hindernisse entgegenstehen. 

X. Quittung Ober die zum preussisohen Stipendienfonds eingegangenen 

Beitrüge 

bis zum 30. November er. 

Transport vom 31. Oktober er. ü'237,25 M. 

Dietz, Tierarzt, Frankfurt (Main). . 100,— „ 

Summa 6337,25 M. 

Versammlung der Zentralvertretung. 

Die VIII. Plenarversammlung der Zentralvertretung der tier¬ 
ärztlichen Vereine Preußens wird voraussichtlich in der großen 
landwirtschaftlichen Woche im Februar kommenden Jahres 
stattfinden. 

Verein beamteter Tierärzte Preussens. 

Caibe a. S., im November 1903. 

Einladung zur 3. General-Versammlung des Vereins beamteter Tier¬ 
ärzte Preussens. 

Die Versammlung findet 

am 12. Dezember d. J., vormittags 11 Uhr 
im Restaurant „Zum Spaten“ in Berlin, Friedrichstraße 172, vorn 
eine Treppe hoch Btatt. 

Tagesordnung: 

1. Vereinsangelegenheiten. 

2. Neuwahl des Vorstandes. 

3. Gebühren der KreiBtierärzte. Ref. Koll. Hesse-Friedeberg. 
Ref. Koll. Ehrhardt-Stendal. 

4. Die Tätigkeit der beamteten Tierärzte bei der Durchführung 
des FleiscbbeschaugesetzeB. Ref. Koll. Memmen-Hettstedt. 

5. Einige Bemerkungen über die Abänderungsvorschläge zum 
Viehseuchengesetz. Ref. Koll. Graffund er-Landsberg. 

Am Sonntag, den 13. Dezember, vormittags 10 Uhr 
wird der Herr Geheime Reg.-Rat Prof. Dr. Schütz die Güte haben, 
den Vereinsmitgliedern im Hörsaale des pathologischen Instituts der 
Tierärztlichen Hochschule einen Vortrag über die Ursachen der 
Hämoglobinurie des Rindes und Uber die Impfung zum Schutze 
gegen dieselbe zu halten. 

Der Vorstand. 
Thunecke, Vorsitzender. 


Gemeinschaftliche Sitzung der tierärztlichen Vereine Pommerns in Stettin 

am Sonntag, den 6. Dezember 1903, Vormittags 11 Uhr 
im Hötel de Prusse, Luisenstraße. 
Tagesordnung: 

1. Geschäftliches. 

2. Einige wichtige Punkte bei Durchführung der Fleischbeschau: 
Herr Prof. Dr. Ostertag-Berlin. 

3. Entwurf der Novelle zum Reichsviehseuchengesetz: Herr 
Departementstierarzt, Veterinärassessor Pauli-Stettin. 

4. Über das Auslandsamt für Fleischbeschau: Herr Dr. Noack- 
Stettin. 

5. Aus der Praxis: Herr Tierarzt Kreuz-Züllchow: Über Spat¬ 
behandlung mit Demonstrationen; Herr Gestütsinspektor Schultze- 
Labes: Thema Vorbehalten. 

Nach der Sitzung, um 2‘/a Uhr, Mittagessen unter erbetener 
Teilnahme der Damen. 

Baldige Anmeldungen mit Angabe der Anzahl der Gedecke 
werden erbeten. (Gedeck ä Mk. 3,50). 

Die Einführung von Gästen ist willkommen. 

Der einladende Verein des Regierungsbezirkes Stettin. 

Falk, Schriftführer. Pauli, 1. Vorsitzender. 

24. Sitzung des Vereins Ostpreussischer Tierärzte 

am Sonntag, den 13. Dezember 1903, vormittags 10 */a Uhr in Königs¬ 
berg i. Pr, in den oberen Räumen des Theater-Restaurants. 
Tagesordnung: 

1. Vereinsangelegenheiten. 

2. Die Scbafpockeninvasion in die Provinz Ostpreußen. Ref.: 
Siebert-Bischofsburg und Dr. Schäfer-Allenstein. 

3. Der ansteckende Scheidenkatarrh und seine Bekämpfung. 
Ref.: Sentkowski-Soldau und Eike-RaBtenburg. 

4. Erfahrungen über die Ausführung der Fleischbeschaugesetz¬ 
gebung in der Praxis. Ref.: M i g g e - Osterode, Ostpr. 

5. Rechnungslegung. 

6. Wahlen: a) des Vorstandes, b) der Delegierten für die Zentral¬ 
vertretung, c) der Delegierten für den Veterinärrat. 

Gäste willkommen. 

Um 6 Uhr gemeinsames Essen unter erwünschter Teilnahme der 
Damen; danach diverse Vergnügungen. Anmeldungen zum Diner 
an Dr. Fischoeder werden biB spätestens den 11. Dezember d. J. 
erbeten. Der Vorstand. I. A.: Dr. Mehrdorf. 


Staatsveterinärwesen. 

Redigiert von Presste. 

Verordnungen und Erlasse. 

Woileinfkahr aus Dänemark. 

Der Regierungspräsident in Schleswig hat unter dem 
28. August d. J. die Einfuhr unbearbeiteter oder keiner Fabrik¬ 
wäsche unterworfener Wolle aus Dänemark in die Provinz 
Schleswig-Holstein sowohl auf dem Land- als auch auf dem See¬ 
wege auf Grund des § 7 des Reichsviehseuchengesetzes verboten. 

Viehmärkte. 

Durch Polizei-Verordnung vom 31. Juli 1903 hat der 
Regierungspräsident in Stettin angeordnet, daß außerhalb der 
von der Polizeibehörde zur Abhaltung von Viehmärkten be¬ 
stimmten Plätze und außer an den obrigkeitlich genehmigten 
Markttagen ein marktähnlicher Handelsverkehr mit Großvieh 
(Pferden und Rindvieh) auch auf sogenannten Vormärkten nicht 
stattfinden darf. 

Veranstalter oder Teilnehmer werden mit Geldstrafe bis zu 
60 M. bestraft. 

Gestattet ist der Handelsverkehr mit Großvieh an den den 
öffentlichen Markttagen vorausgehenden Wochentagen nur in den 
Städten Altdamm, Pom. Stargard und Gollnow, wenn die Besitzer 
die poHceiliehe Genehmigung hierzu einholen. 


Geflügeiuntersuchung. 

Der Regierungspräsident in Potsdam hat unter dem 24. Sep¬ 
tember d. J. eine landespolizeiliche Anordnung erlassen, wonach 
die Besitzer der auf den Bahnhöfen in den Kreisen Oberbarnim, 
Niederbarnim, Osthavelland, Teltow, Potsdam zur Entladung 
kommenden Gänse verpflichtet sind, die Tiere bei der Ausladung 
durch den zuständigen Kreistierarzt oder dessen Stellvertreter 
untersuchen zu lassen. Die Ankunft der Gänse ist dem Kreis- 
tierarzt 24 Stunden vorher durch die Besitzer (Händler, Unter¬ 
nehmer, Begleiter, Führer) anzuzeigen, worauf die Untersuchung 
ohne Verzug zu erfolgen hat. Die Ausladung darf nur in Gegen¬ 
wart des Tierarztes erfolgen. Letzterem muß jede von ihm ge¬ 
forderte Auskunft über Herkunft etc. gegeben werden. 

Das Ergebnis der Untersuchung hat der Tierarzt zu be¬ 
scheinigen. Wird bei der Untersuchung eine Seuche oder der 
Verdacht einer solchen festgestellt, so sind von dem Kreistier¬ 
arzt die erforderlichen Anordnungen sofort selbständig zu treffen. 
Wenn der Besitzer eine Bescheinigung über eine an demselben 
Tage oder an dem Tage vorher stattgehabte amtstierärztliche 
Untersuchung beibringt, so kann die Untersuchung bei der Aus¬ 
ladung unterbleiben. 

Im Falle die Gänse an Mäster auf Bestellung geliefert 
werden, so fallen die Kosten der Untersuchung der Staatskasse 
zur Last Für Gänse, die zum Zwecke öffentlichen Verkaufs zu- 


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760 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 49. 


sammengebracht sind, haben die Besitzer die Unterauchnngs- 
kosten za tragen. Es folgen die üblichen Strafbestimmungen. 

Blutuntersiichung. 

Der Jnstizminister hat an die Vorstandsbeamten des 
Kammergerichts und die sämtlichen Oberlandesgerichte unter 
dem 8. September d. J. einen Erlaß gerichtet, in welchem er 
die von dem Stabsarzt Dr. Uklenhuth in Greifswald ermittelte 
Methode der Blntnntersnchang empfiehlt. Er führt darin ans, 
daß diese Methode es ermöglicht, die Art des za nntersachenden 
Blutes festzustellen and namentlich Menschenblat mit Sicherheit 
vom Tierblat za unterscheiden. 

Bei der Behandlung des zu nntersachenden Blates mit 
Serum aas Blat von Kaninchen, welchem zuvor Blut verschiedener 
Tiere oder Menschen eingespritzt worden ist, zeigen sich be¬ 
stimmte Erscheinungen, wenn das zu untersuchende Blut von 
derselben Art ist, wie das zuvor dem Kaninchen eingespritzte. 
Der Erlaß führt sodann eine Äußerung der wissenschaftlichen 
Deputation für das Medizinalwesen an, in der es heißt: „Die 
Erfahrungen über die Serummethode der Blutbestimmung sind 
bereits in Deutschland wie im Auslande so ausgedehnte, die 
Resultate der Forschungen im wesentlichen so übereinstimmende, 
daß kein Zweifel mehr darüber bestehen kann, daß diese neue 
biologische Methode in der Mehrzahl der Fälle mit großer 
Sicherheit gestattet, frisches sowie an allen möglichen Gegen¬ 
ständen seit kürzerer oder längerer Zeit angetrocknetes Blut 
nach seiner Herkunft zu bestimmen, Menschenblut von Tierblut, 
Blut verschiedener Tierarten zu unterscheiden. Es ist daher 
dringend geboten, diese vortreffliche Methode, welche natürlich 
die alten bewährten Methoden des Blutnachweises nicht ver¬ 
drängen, sondern nur ergänzen und vervollständigen soll, für 
die gerichtliche Praxis allgemein nutzbar zu machen.“ 

Als Institute für die Annahme von Untersuchungen der in 
Rede stehenden Art werden empfohlen: 
das Hygienische Institut der Universität in Greifswald, 
das Institut für Infektionskrankheiten in Berlin, 
das Institut für Staatsarzneikunde in Berlin, 
das Institut für experimentelle Therapie in Frankfurt a. M. 

Die Tuberkulose unter dem Quarantfinevieh im Jahre 1901. 

Im Jahre 1901 sind in die Landquarantäneanstalt zu Hvidding 
1049 Rinder und in die sieben Seequarantäneanstalten 42051 
Rinder in Summa 43100 Rinder eingeführt worden. Im Jahre 
1900 wurden 42138 Rinder eingefdhrt. Sämtliche eingeführten 
Tiere stammten aus Dänemark, ausgenommen zwei in Hamburg 
eingeführte Rinder, welche aus Brasilien kamen. Einschließlich 
57 vom Vorjahre ungeimpft gebliebenen Rindern wurden 42705 
auf Tuberkulose untersucht. 45 Tiere waren vor der Impfung 
zurückgewieBen, notgeschlachtet worden oder gefallen. Am 
Jahresschluß blieben 394 Stück nngeimpft. 

Von den der Tuberkulinprobe unterworfenen Rindern wurden 
897=2,1 % al* tuberkulöse verdächtig erkannt, davon 110=10,5% 
in Hvidding und 787=1,9% in den Seequarantäneanstalten. 
Unverdächtig waren 41808 Rinder, davon 939 in Hvidding. 
Die größte Einfahr hatte die Anstalt Altona-Bahrenfeld, 23934, 
von diesen wurden 2% als tuberkulös erkannt. In die Anstalt 
in Flensburg wurden 6790, in Apenrade 5900 und in Lübeck 
3914 Rinder eingeführt, in die Quarantäneanstalt in Hamburg 


nur zwei uud in Tönning gar keine. Die aus der Anstalt in 
Hvidding als tuberkulosefrei entlassenen Rinder (magere Ochsen 
unter vier Jahren) gingen in den freien Verkehr; die aus den 
übrigen Anstalten entlassenen Tiere wurden zum Abschlachten 
in öffentlichen Schlachthäusern zugelassen. Von diesen wurden 
nachträglich bei der Fleischbeschau 7194=17,7% tuberkulös 
befanden. Die bei dem Schlachtvieh aus den einzelnen Quaran- 
täneanstalten ermittelten Zahlen schwankten sehr erheblich, sie 
waren am höchsten bei Vieh aus Lübeck 35,4%, sodann Flensburg 
16,70/ 0 . Altona 15,9%, Kiel 15,50/ 0 , Apenrade 14,9% und 
Rostock 14,0%- Es wurden bei dem als unverdächtig ent¬ 
lassenen in den öffentlichen Schlachthäusern abgeschlachteten 
Quarantänevieh durchschnittlich über acht mal mehr tuberkulöse 
Rinder ermittelt, wie bei der Tuberkulinprobe in den Anstalten. 
Von den in den Schlachthäusern geschlachteten Tieren wurden 
113 Tiere sogar mit allgemeiner Tuberkulose behaftet befanden. 
Für die Abschlachtung des Quarantäneviehs kamen 18 öffentliche 
Schlachthäuser in Betracht. Die meisten Tiere, 22334, kamen 
nach Hamburg, demnächst Düsseldorf mit 3221, Bochum mit 3178 
und Lübeck 2029. In die übrigen Schlachthöfe kamen sehr viel 
weniger Qaarantänerinder, nach Berlin nur 228. In östlich 
Berlin gelegene Schlachthöfe wurde Quarantänevieh überhaupt 
nicht gebracht. Die Prozentzahlen der in den Schlachthöfen 
beim Quarantänevieh als tuberkulös ermittelten Tiere sind sehr 
verschieden. Allen voran steht hier Osnabrück mit 41,6%, 
sodann Bielefeld mit 38,2%, Cöln mit 35,9%, Berlin mit 35,1%, 
Kiel mit 35,0%» Elberfeld mit 31,9%, Remscheid mit 31,8% 
Lübeck mit 30,8%. In den übrigen Schlachthöfen sind diese 
Zahlen zum Teil recht erheblich kleiner, in Hagen wurden nur 
5,9% und in Bochum nur 0,3% tuberkulös befanden. 

Diese Zahlen zeugen deutlich für die Unzuverläßigkeit der 
Tuberkulinimpfangen in den Quarantäneanstalten. Hieran dürfte 
aber wohl weniger das Tuberkulin an sich schuld sein. 

RinderpestimpfuBg. 

Im Juni 1903 trat unter den Rindern der Hereros bei dem 
Platz Okapane im Distrikt Okahandja nördlich vom Khan fl aß 
Rinderpest auf. 

Es wurde beschlossen, die Bestände der Umgegend zu 
impfen, da jedoch brauchbares Blut von weither beschafft 
werden mußte, so vergingen bis zur Ausführung der Impfung 
mehrere Monate. Als dann das Blut angekommen und frisch 
verimpft worden war, gingen in einer Herde während der 
nächsten zwei Wochen nach der Impfung von 55 Köpfen 
50 Stück an Texasfieber ein. 

Veterinärrat Rickmann, der dieses Falles in der Deutsch¬ 
südwestafrikanischen Zeitung Erwähnung tut, führt aus, daß 
hier keinesfalls das Texasfieber anstatt Rinderpest oder in Ver¬ 
bindung mit derselben künstlich überimpft worden sei. Die 
eingegangenen Tiere seien aus einem endemischen Texasfieber¬ 
gebiet und hätten in ihren inneren Organen noch Texasfieber¬ 
parasiten geborgen. Durch die Impfung mit Rinderpestblut sei 
dann akutes Texasfieber aasgelöst worden. In endemischen 
Texasfiebergebieten könne demnach nicht gegen Rinderpest 
immunisiert werden. Es sei daher auch nicht möglich, die 
Rinderpest im Norden des Schutzgebietes durch obligatorische 
Impfang zu bekämpfen, zumal die Größe des endemischen 
Texasfiebergebietes nicht bekannt sei. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


761 


Dezember 1903. 


Amtliohe Bekanntmachungen der Landwirtschaftskammer für die Provinz 

Sachsen. 

(Aus der Landwirtschaftlichen Wochenschrift für die Provinz Sachsen vom 
2*. November o.) 

Versuche zur Heilung der Bornaschen Krankheit der 
Pferde mit Lecithin und Ichthargan. 

Die Versuche zur Heilung der Gehirn- und Rückenmarks- 
entzündnng, der sogenannten Bornaschen Krankheit der Pferde, 
mit Lecithin sollen fortgesetzt und außerdem Heilversuche mit 
Ichthargan aufgenommen werden, da mit diesem Mittel (nach 
Dr. Ellinger) in neuerer Zeit angeblich gute Erfolge erzielt 
worden sind. 

Wir ersuchen die interessierten Landwirte daher, sich, so¬ 
bald sie an ihren Pferden bornaverdächtige Erscheinungen 
wahrnehmen, an einen Tierarzt zu wenden, dem wir die erfor¬ 
derlichen Medikamente kostenlos zur Verfügung stellen. 

Bestellungen sind zu richten an unser Bakteriologisches 
Institut, hierselbst, Delitzscherstraße 29, Telephon Nr. 2738. 

Landwirtschaftskammer für die Provinz Sachsen. 

Abgabe von polyvalentem Schweineseuche-Sernm nach 
Prof. Ostertag und Prof. Wassermann znr Schutz¬ 
impfung gegen die Schweineseuche. 

In Anbetracht der fortgesetzt sich steigernden Erfolge, 
welche mit den Impfungen zur Bekämpfung der Schweineseuche 
erzielt worden sind, geben wir das polyvalente Schweineseuche- 
Serum innerhalb unserer Provinz, des Herzogtums Anhalt und 
der Thüringischen Staaten auch fernerhin zu den Fabrikpreisen 
des pharmazeutischen Instituts zu Frankfurt a. M. ab. 

Die Schutzimpfungen können bei allen gesunden Schweinen 
vorgenommen werden, welche der Ansteckung mit Schweine¬ 
seuche ausgesetzt sind, also: 

1. besonders bei Ferkeln, welche in verseuchten Stallungen 

geboren werden, 

2. bei Schweinen jeden Alters, welche von auswärts in ver¬ 
seuchte Stallungen eingeführt werden. 

Die Impfung von Ferkeln in den ersten Lebenstagen 
empfiehlt sich deshalb besonders, weil es auf diese Weise mög¬ 
lich ist, die Nachzucht unter dem Schutze einer geringen 
Serumdosis durchseuchen zu lassen. Bei Ferkeln, welche eine 
schlechte Entwicklung zeigen, ist die Serumimpfung nach Ab¬ 
lauf von drei Wochen zu wiederholen. 

Das Serum ist Beit dem 10. Dezember 1902 der staatlichen 
Prüfung unterstellt. 

Bestellungen, welche an unser Bakteriologisches Institut, 
Delitzscherstraße 29, hierselbst, Telephon Nr. 2738 zu richten 
sind, werden am einfachsten einem Tierarzte übertragen, da 
außer der Angabe von Zahl, Gewicht und Alter der Impflinge 
eine tierärztliche Bescheinigung beizufügen ist, daß in dem be¬ 
treffenden Bestände keine Schweinepest herrscht, denn das 
Serum schützt nur gegen Schweineseuche. 

Landwirtschaftskammer für die Provinz Sachsen. 

Nachweisung Ober den Stand der Tierseuchen in Deutschland am 
15. November 1903. 

Die Zahlen bedeuten die Kreise (Oberanitsbezirke) etc. 
eingeklaramert Gemeinden. 

Rotz. 

Preußen: In den Regierungsbezirken Königsberg, Gumbinnen, 
Potsdam, Frankfurt, Köslin, Broinberg, Schleswig, Arnsberg Diissel 
dorf, Trier je 1 (1); im Stadtkreis Berlin 1 (2); Oppeln 3 (4); — 
Bayern: Oberbayern, Niederbayern. Pfalz, Schwaben je 1 (1). 


Maul- und Klauenseuche. 

Preußen: In den Regierungsbezirken Posen, Oppeln, Sig¬ 
maringen je 1 (1). — Bayern: Pfalz und Mittelfranken je 1 (1); 
Oberbayern 1 (2). — Württemberg: Schwarzwald- und Jagstkreis 
je 1 (1). — Baden 1 (1). — Elsaß 3 (f>). 

Lungenseuche nicht aufgetreten. 


Schweineseuche und Schweinepest. 


Regierungs¬ 
bezirk etc. 

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Preußen: 




Sigmaringen . . . 

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_ 

Königsberg. . . • 

15 

40 

10 

Waldeck. 

2 

6 

Gumbinnen .... 

9 

27 

7 

Bayern: 



Danzig. 

7 

11 

9 

Oberbayern .... 

6 

8 

Marienwerder . . 

13 

127 

56 

Niederbayern. . . 

2 

2 

Berlin. 

_ 

— 

— 

Pfalz. 

1 

2 

Potsdam. 

13 

33 

13 

Oberpfalz. 

2 

2 

Frankfurt. . . . 

14 

35 

13 

Oberfranken . . . 

— 

— 

Stettin. 

10 

49 

21 

Mittelfranken. . . 

— 

— 

Köslin. 

9 

35 

18 

Unterfranken . . . 

— 

— 

Stralsund. 

3 

6 

7 

Schwaben. 

o 

2 

Posen . 

19 

72 

21,5 

Württemberg . 

— 

— 

Bromberg. 

11 

78 

35 

Sachsen. 

5 

5 

Breslau. 

18 

08 

17,5 

Baden . 

7 

18 

Liegnitz . 

16 

59 

21 

Hessen . 

4 

9 

Oppeln . 

14 

31 

11 

Meckl.-Schwerin 

5 

22 

Magdeburg .... 

11 

23 

16 

Meckl.-Strelitz . 

1 

1 

Merseburg .... 

13 

33 

14 

Oldenburg . . . 

4 

4 

Erfurt . 

3 

20 

34 

Sa chs.-Weimar . 

3 

15 

Schleswig . 

19 

81 

38 

Sach s.-Meiningen 

1 

1 

Hannover . 

6 

16 

25,5 

Sachs.-Alten bürg 

1 

1 

Büdesheim .... 

5 

5 

-6 

Sachs.-Kob.-Got. 

1 

1 

Lüneburg . 

6 

10 

7 

Anhalt . 

1 

2 

Stade . 

9 

24 

33 

Braunschweig 

3 

10 

Osnabrück .... 

3 

5 

9 

Schwarzb.-Sond. 

— 

— 

Aurich. 

1 

1 

8 

Schwarzb.-Rud. 

— 

— 

Münster. 

5 

13 

48,5 

Reuß ä. L. 

— 

— 

Minden. 

2 

2 

4 

Reuß j. L. 

— 

— 

Arnsberg. 

7 

16 

19 

Schaumb.-Lippe 

. — 

— 

Kassel . 

7 

18 

11 

Lippe-Detmold . 

1 

2 

Wiesbaden .... 

11 

19 

20 

Hamburg .... 

1 

1 

Koblenz. 

1 

1 

1 

Lübeck . 

1 

1 

Düsseldorf .... 

10 

54 

125,5 

Bremen. 

1 

1 

Köln. 

3 

3 

10 

Elsaß. 

— 

— 

Trier. 

2 

7 

6 

Lothringen . . 

— 

— 

Aachen . 

3 

3 

7,5 





Übersicht Ober die im 2. Quartal 1903 aus den Seequarantäneanstaiten 
in öffentliche Schlachthäuser eingeführten Rinder und das Ergebnis der 
Fleischbeschau bei denselben. 

Im 2. Quartal 1903 wurden 21 904 Rinder in die Seequarantäne¬ 
anstalten eingeführt bzw. waren daselbst als Bestand vorhanden. 
Hiervon wurden 250 zurückgewiesen; 23 wurden notgeschlacbtet, 
bzw. verendeten, 20 127 wurden nach Schlachthöfen (Barmen, Berlin, 
Bielefeld, Bochum, Bremen, Crefeld, Dortmund, Düsseldorf, Elber¬ 
feld, Essen, Flensburg, Gelsenkirchen, Hagen, Hamburg, Iserlohn, 
Kiel, Lübeck, Osnabrück, Rostock, Solingen) überführt, während 
1 504 als Bestand verblieben. 

Von den nach den Schlachthäusern überführten 20 127 Rindern 
erwiesen sich nach der Schlachtung 15625 als gesund, 
4502 = 22,4 Proz. tuberkulös (darunter 94 Stück mit allgemeiner 
Tuberkulose). 

Ergebnisse der Tuberkuiinimpfungen in den Seequarant&neanstalten. 

Von Ende März bis Ende Juni 1903 wurden in die Quarantäne¬ 
anstalten zu Altona-Bahrenfeld, Hvidding, Apenrade, Flensburg, 


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762 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 49. 


Kiel, Lübeck, Rostock-Warnemünde 20665 dänische Rinder einge¬ 
führt. Hierzu kam noch ein Bestand von 1 129 Stück, die vom 
Vorquartal her ungeimpft geblieben waren. 

Von diesen insgesamt 21 794 Stück wurJen vor der Impfung 
3 zurückgewiesen, 13 notgeschlachtet, 5 fielen, während 690 unge¬ 
impft verblieben. — Bei 21 083 Stück wurde die Tuberkulinprobe 
mit nachstehendem Resultat vorgenommen: 20 801 waren frei von 
Tuberkulose und 282 = 1,3 Proz. erwiesen sich als tuberkulös. 

Tierzucht und Tierseuchen in den deutschen Schutzgebieten 1901/2. 

(Nach der Zeitschrift für Veterinärkunde 1903. 11. lieft.) 

Deutsch-Südwestafrika: Die Rinderpest ist zurückgegangen. 
Die Kochsche Gallenblutimpfung bewährte sich in unverseuchten Be¬ 
ständen. Für Gallegewinnung müssen 5—7°/ 0 Rinder geopfert werden. 
In verseuchten Beständen bewährte sich Serumimpfung mit Dosen 
bis zu 100 ccm; ausnahmsweise auch Impfung mit Glyzeringalle. — 
Das Texasfieber , im allgemeinen zurückgegangen, rückte geogragbisch 
nach Süden vor. Laboratoriumsversuche in Gammams ergaben, daß 
auch die Nachkommen von infizierten Rinderzecken die Seuche über¬ 
tragen, ferner, daß Blut von genesenen Rindern den Erreger in ge¬ 
ringer Menge und mitigiert enthält und verimpft eine leichte Seuche¬ 
form hervorruft, wiederholt verimpft dauernde Immunität verleiht. — 
Lungenseuche trat nur vereinzelt auf. Man verimpfte Lungenstückchen 
subkutan am Schwanzende. Nach Erkenntnis, daß die genesenen Tiere 
eine dauernde Infektionsquelle bilden, werden sie meist geschlachtet.— 
Gegen Pferdesterbe, eine ätiologisch unaufgeklärte Septikämieform, 
ist ein Immunisierungsverfahren noch nicht gefunden. — Eine noch 
nicht erforschte Malaria bei Schafen verursachte große Verluste. — 
Rotz, Milzbrand, Rausehbrand traten nicht auf, Räude in der Trocken¬ 
zeit nicht unerheblich. — Druse trat unter Zucht- und Truppenpferden 
in Windboek stark und in maligner Form auf. 

Deutsch-Ostafrika: Die Rinderzucht bat sich von den Folgen 
der Rinderpest nahezu erholt 

Togo: Die Surra macht Viehzucht in größerem Umfang un¬ 
möglich. Gelingt ihre Bekämpfung, könnte sich auf den mächtigen 
Grasflächen bei Klein-Popo eine intensive Viehzucht entwickeln. 

Deutsch-Neuguinea: Das Texasfieber verhindert die nach¬ 
haltige Vermehrung der Rinderbestände. Aus Siam und Niederländisch- 
Indien importierte Rinder erweisen sich widerstandsfähiger. Das nörd¬ 
liche Neu-Mecklenburg ist unverseucht. Gute Resultate verspricht auch 
die Tierzucht auf Nusa und Kaeving. 

Marianen (Saipan): Die Viehweideplätzo mußten zeitweise 
wegen der Zeckenplage verlassen werden, wonach sich die Tiere 
bald wieder erholten. 

West-Karolinen (Jap.): Das von den Marianen eingeführte 
Vieh gedeiht gut Vorkommende Zecken sind ungefährlich. 

Tierseuchen im Ausland 1903. 

Niederlande. 2. Quartal. 

Erkrankungsfälle: Milzbrand 40, 34, 19; Wut 5, 4, 3; Rotz 
2, 1, 1; Maul- und Klauenseuche 1 im Mai; Räude der Einhufer 
und Schafe 950, 71, 463; Schweinerotlauf und SchweineBeuche 25, 
47, 113; Klauenfäule der Schafe 10, 25, 45. 

Österreich. 3. Quartal. 

Zahl der verseuchten Ortschaften: Milzbrand 23, 36, 16; 
Rauschbrand 19, 18, 14; Tollwut 92, 91, 49; Rotz 36, 32, 41; 
Bläschenausschlag 176, 97, 57; Räude 460, 402, 263; Schweinerot¬ 
lauf 689, 724, 556; Schweinepest und Schweineseuche 886, 777, 675. 

Ungarn. 3. Quartal. 

Zahl der verseuchten Ortschaften: Milzbrand 160, 204, 210; 
Wut 334, 303, 353; Rotz 237, 266, 333; Maul- und Klauenseuche 
1362, 2246, 3810; Blattern 29, 35, 61; Bläschenausschlag 275, 145, 
104; Räude 1543, 1148, 1147; Schweinerotlauf 1454, 1361, 1208; 
Schweineseuche 3294, 3420, 3743. 

Fleischbeschau und Viehhandel. 

Red. von Kühnaii. 

Unerhörtes Vorgehen der Fleischer gegen den 
Schlachthofdirektor in Kiel. 

Die „Allgemeine Fleischer-Zeitung“ scheint neuerdings be¬ 
sondere Vorliebe fdr Artikel zu haben, die gegen die Amts¬ 


führung der Schlachthofdirektoren und Schlachthoftierftrzte ge¬ 
richtet sind. Der Fall „Kabitz - Hannover“ und der Fall 
,Reil-Landau“ sind in der Fleischer-Zeitung in einer Weise 
erörtert worden, welche all’ und jeder guten Sitte hohnspricht. 
In der Nummer vom 19. November beschäftigt sie sich wieder 
mit dem Vorgehen der Fleischer gegen einen Schlachthofdirektor. 
In Kiel wollen die Fleischer anf 14 Tage das Schlachten 
einstellen, weil der Schlachthofdirektor besondere Anordnungen 
für das Aufhängen der Rinderköpfe für Zwecke der Fleisch¬ 
beschau getroffen hat nnd weil er den Fleischern keine Hand¬ 
tücher zur Verfügung stellen will. Der Vorstand will in der 
Richtung Vorgehen, daß dem Schlachthofdirektor das Stimmrecht 
in der Schlachthofkommission entzogen werden soll. Die „All¬ 
gemeine Fleischer Zeitung“ bringt über diese Angelegenheit einen 
langen Artikel an der Spitze ihres Blattes, welcher nur zu sehr 
geeignet ist, weiter aufreizend zu wirken. Das Fleischerblatt 
sollte lieber zu einer Gestaltung eines guten Einvernehmens an 
den Schlachthöfen zwischen Interessenten und Beamten beitragen, 
dadurch daß es nicht aufreizend, sondern belehrend wirkt. Die 
„Allgemeine Fleischer-Zeitung“ verfügt über einen ausgezeich¬ 
neten juristischen Mitarbeiter. Würde sie diesen zn Rate ge¬ 
zogen haben, so würde ihr die Antwort geworden sein, daß der 
Schlachthofdirektor in Kiel zu seinem Vorgehen durchaus be¬ 
rechtigt und nach dem Fleischbeschaugesetz verpflichtet war. 
Nach § 20 der Ausführungsbestimmungen des Bundesrats zum 
ReichsfleischbeBchaugesetz sind die Fleischer zn den erforder¬ 
lichen Hilfeleistungen bei der Fleischbeschau verpflichtet. 
Hierher gehört aber das richtige Aufhängen der Köpfe, so daß 
die Untersuchung auf Finnen nach den Bestimmungen des Bundes- 
rats erfolgen kann. Ebenso kann es dem Schlachthofdirektor 
nicht verargt werden, daß er den Fleischern Handtücher nicht 
zur Verfügung stellen wollte. Die „Allgemeine Fleischer-Zeitung“ 
sollte doch mal darüber eine Enquete anstellen, in welchem 
Umfange alles lose Inventar aus den Schlachthäusern ver¬ 
schwindet. Nirgends wird soviel gestohlen und veruntreut, als 
bei den Fleischern und alle Schlachthofdirektionen wissen davon 
ein Lied zn singen. In diesen beiden Punkten war also das 
Vorgehen des Schlachthofdirektors durchaus berechtigt und hätte 
die „Allgemeine Fleischer-Zeitung“ in diesem Sinne beschwichti¬ 
gend wirken müssen, wenn sie ihrer Aufgabe als Fachblatt der 
Fleischer gerecht werden wollte. Ferner sollte sich die Zeitung 
bei der Abfassung ihrer Artikel doch überlegen, daß sie zum 
beträchtlichen Teile die Hilfe der Schlachthofdirektoren in An¬ 
spruch nimmt, um ihre Spalten zn füllen. Neuerdings erst noch 
wieder durch die „Rundschauen über den Verlauf der Vieh¬ 
märkte“. Hier haben dem Ansuchen der Fleischer-Zeitung die 
Schlachthofdirektionen in der bereitwilligsten Weise entsprochen. 
Als Vergelt dann dieser Wust von Artikeln! Einsicht tut in 
dieser Beziehung sicher not nnd hoffentlich können wir in der 
Zukunft erfreulichere Sachen berichten. K. 

Über Notschlachtangen. 

Von Bezirkstierarzt Ad. Maier-Konstanz. 

Anf der diesjährigen Frühjahrs-Generalversammlung des 
Vereins rheinpreußischer Tierärzte zu Köln war, wie wir dem 
in Nr. 39 dieser Zeitschrift veröffentlichten Protokoll entnehmen, 
ganz besonders das Kapitel der Notschlachtungen — allerdings 
mit Recht — Gegenstand der lebhaftesten Diskussion. So be¬ 
tonte Kreistierarzt Bongartz-Bonn in seinem einleitenden Referat 


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3. Dezember 1903 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


763 


n. a. die schwierige Situation des tierärztlichen Beschauers bei 
manchen derartigen Fällen, namentlich wenn der letztere selbst 
als behandelnder Arzt etwa die Schlachtung hinausgezögert 
hätte. Der Referent stellte sogar behufs Vermeidung eines 
Konflikts zwischen Mitgefühl und den gesetzlichen Vorschriften 
in solchen Notschlachtungsfällen die Vornahme der Beschau 
durch einen unbeteiligten Tierarzt als erwünscht hin. Derselbe 
stehe der Sache objektiv gegenüber. Jedoch sei nicht zu be¬ 
streiten, so fügte Kollege Bongartz hinzu, daß der behandelnde 
Tierarzt vermöge seiner während der Erkrankung des Tieres 
gemachten Erfahrungen und Beobachtungen wertvolle Anhalts¬ 
punkte für die technische Beurteilung des Fleisches besitzen 
dürfte. Endlich empfehle es sich für die Tierärzte, den Not¬ 
schlachtungen gegenüber ein wachsames Auge zu haben und, 
wenn möglich, stets die Schlachtviehbeschau bei denselben vor¬ 
zunehmen, da nicht immer die Voraussetzungen des § 1 des 
Gesetzes vom 3. Juni 1900 zutreffen dürfte. 

In seinem Korreferat hob Dr. Flatten-Köln hervor, daß 
der behandelnde Tierarzt unter allen Umständen auch die Be¬ 
gutachtung des Fleisches nach der Schlachtung vorzunehmen 
hätte. 

Alle diese Ausführungen veranlassen mich, gestützt auf 
eine zwanzigjährige Erfahrung, zu nachstehender Entgegnung 
das Wort zu ergreifen. 

Nach meinem Dafürhalten ist der technische Begriff der 
„Notschlachtungen“ im Gesetze durchaus nicht erschöpfend be¬ 
handelt. Das letztere hat eigentlich nur eine bestimmte Art 
derselben im Auge, wenn es in seinem § 1 sagt: 

„Der Fall der Notschlachtung liegt dann vor, wenn zu be¬ 
fürchten steht, daß das Tier bis zur Ankunft des zuständigen 
Beschauers verenden oder das Fleisch durch Verschlimmerung 
des krankhaften Zustandes wesentlich an Wert verlieren werde 
oder wenn das Tier infolge eines Unglücksfalls sofort getötet 
werden muß.“ 

Man könnte die zu dieser Kategorie gehörenden Fälle als 
Notschlachtungen im engeren Sinne des Wortes bezeichnen. 
Dahin wären z. B. zu rechnen: drohende Erstickung infolge 
Aufblähung oder Kettenhang, Umstehungsgefahr bei Kalbefieber, 
bei Erschöpfungen infolge Schwergeburt, Tragsackvorfall, starke 
Blutverluste usw. In allen diesen Fällen darf die sogenannte 
Schlachtviehbeschau aus den im Gesetze erwähnten Gründen 
unterbleiben, sie muß es aber nicht. 

Andererseits gibt es aber auch wieder eine große Reihe von 
Krankheiten mit ungünstigem Verlauf, bei denen ein rasches 
Verenden fast ausgeschlossen ist. Ihnen kann man die Be¬ 
zeichnung als Notschlachtungen im weiteren Sinne beilegen. 
Sie fallen m. E. nicht unter die Bestimmungen des obigen 
Paragraphen, weil dessen Voraussetzungen einfach bei ihnen 
nicht zutreffen. Eine Beschau im lebenden Zustand wird hier 
schon deshalb meistens erfolgen, da gewöhnlich eine tierärztliche 
Behandlung vorausgegangen ist. Andernfalls hat der zugezogene 
Laienfleischbeschauer nach § 11 der Ausführungsbestimmungen A 
zu verfahren. 

Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch kurz erwähnen, daß 
die badische Vollzugsverordnung vom 17. Januar 1903 zum 
R. Fl. G. die Zuständigkeit der empirischen Fleischbeschauer 
auf drei Arten von Notschlachtungen beschränkt hat und zwar: 

1. bei Knochenbrüchen und sonstigen schweren Verletzungen; 


2. bei Vorfall der Gebärmutter, sofern derselbe in unmittel¬ 
barem Anschluß an die Geburt eingetreten ist und endlich: 

3. bei Geburtshindernissen. 

Die anderen Voraussetzungen hierbei entsprechen im übrigen 
den Vorschriften des § 11. 

Die Begutachtung bei Aufblähen von Grünfutter oder bei 
drohender Erstickung ist somit den Laienbeschauern entzogen. 
Wenn wir erwägen, daß die Aufblähung häufig Begleit¬ 
erscheinung oder gar das hauptsächlichste Symptom bei manchen 
Krankheiten ist, so bei Bauchfell- oder Darmentzündung, manchen 
Infektionskrankheiten usw., so ist diese Beschränkung gerecht¬ 
fertigt. In der Tat hat die Praxis Mißbräuche bei selbständigem 
Vorgehen der empirischen Fleischbeschauer in derartigen Fällen 
gelehrt. 

Wenn Kollege Bongartz weiterhin die Vornahme der 
Fleischbeschau bei manchen Notschlachtungen durch einen un¬ 
beteiligten Tierarzt empfiehlt, so kann ich einem derartigen 
Ansinnen in Gemeinschaft mit dem Korreferenten Dr. Flatten 
und den übrigen aus folgenden Gründen nicht entschieden genug 
entgegentreten. 

Gewiß kann auch dem tüchtigsten und gewissenhaftesten 
Praktiker die Möglichkeit unterlaufen, daß er eine Schlachtung 
verzögert. Da wäre es ein verhängnisvoller Fehler und käme 
nahezu einer Fahnenflucht gleich, wenn er in derartigen Fällen 
die Fleischbeschau einem andern überlassen würde, abgesehen 
von der vielleich mit Absicht herbeigeführten Schädigung des 
Tiereigentümers durch den „Unbeteiligten“, würde sich der be¬ 
handelnde Tierarzt auf Gnade oder Ungnade dem Kollegen oder 
Konkurrenten preisgeben. Ein unbedachtes Wort von seiten 
des letzteren gelegentlich der Beschau — ein böser Wille 
braucht gar nicht vorzuliegen — und das Mißtrauen ist wach¬ 
gerufen. Ferner würde sich der Praktiker eines wertvollen wissen¬ 
schaftlichen Mittels zur Bereicherung seiner Kenntnisse usw. 
selbst berauben. Daß endlich gerade die Fleischbeschau bei 
Notschlachtungen uns ein großes moralisches Übergewicht gegen¬ 
über den Pfuschern verschafft, soll hier nur nebenbei bemerkt 
werden. 

Wie sogar von der Behörde — wenigstens bei uns — der 
entgegengesetzte Standpunkt des Kollegen B. eingenommen wird, 
möchte ich an einem Beispiel aus meine Praxis beweisen. In 
dem neuen Regulativ für das hiesige Schlachthaus wurde von 
der städtischen Kommission die Bestimmung eingefügt, daß die 
Notschlachtungen in der Stadt stets im Schlachthaus vorzu¬ 
nehmen resp. die getöteten Tiere behufs sofortigen Ausweidens 
dahin zu verbringen sind. Die Fleischbeschau hierbei ist je¬ 
weils Sache des behandelnden Tierarztes, also gleichviel ob 
Schlachthaustierarzt oder nicht. Die staatliche Aufsichtsbehörde 
hat diese Vorschrift nach meiner Begutachtung genehmigt. 

Wenn Ewald-Köln endlich betont, daß es auch Not¬ 
schlachtungen gibt, deren Fleisch in der Regel dem freien Ver¬ 
kehr überlassen werden kann, so ist dieser Ansicht zuzustimmen. 
Wie er ausführt, sind es besonders die im Gesetze namhaft ge¬ 
machten Unglücksfälle, die unter gewissen Bedingungen eine 
Beanstandung gewöhnlich nicht hervorrufen. In dieser Hinsicht 
ist es von Interesse, auf die früheren diesbezüglichen Be¬ 
stimmungen Badens hinzuweisen, da sie einerseits maßgebend 
für die reichsgesetzliche Regelung der Angelegenheit waren und 
andererseits uns heute noch wertvolle Fingerzeige Für die 
Praxis geben können. Sie lauteten: 


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764 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 49. 


„Fleisch von solchen Tieren, welche sich bisher gesund 
und in schlachtfähigem (zur Verwertung als Schlachtvieh ge¬ 
eignetem) Zustande befanden, jedoch durch Zufälle der in § 6 
erwähnten Art Schaden genommen haben, ist als bankwürdig 
(= tauglich, vollwertig) zu betrachten, wenn die Tiere ohne 
Verzug nach dem Schaden, der sie betroffen, ordnungsmäßig 
auBgeschlachtet worden sind und das Fleisch die in § 11 an¬ 
gegebenen Eigenschaften zeigt“. 

Die Zufälle, um die es sich hier handelt, sind: Verwun¬ 
dungen, Knochenbrüche, plötzliches Aufblähen, drohende Er¬ 
stickung, Zufälle während der Geburt oder Vorfall und Um¬ 
stülpung des Tragsackes. Wir haben somit dieselben Fälle 
vor uns, die auch das Reichsgesetz vorschreibt. Die ange¬ 
gebenen Eigenschaften endlich beziehen sich auf die frische 
Farbe und den entsprechenden Geruch, wie sie für das Fleisch 
des betreffenden Schlachttieres charakteristisch sind. 

Die badische Bestimmung spricht also von einem „schlacht- 
fähigen d. h. zur Verwertung als Schlachtvieh geeignetem Zu¬ 
stande“. Der letztere muß somit bei derartigen Notschlachtungen 
stets in Betracht gezogen werden. Damit kann auch die je¬ 
weilige Begutachtung nur von Fall zu Fall erfolgen. 

Steine statt Brot! 

Von dem mit einer gewissen Sehnsucht erwarteten Fleisch- 
beBchaugesetz hatten sich die tierärztlichen Kreise eine wesent¬ 
liche Förderung ihrer berechtigten Interessen versprochen. 
Was die pekuniäre Lage manches Landtierarztes anbelangt, so 
mag dies zutreffen, in bezug auf das allgemeine Ansehen des 
tierärztlichen Standes ist es zu bezweifeln, und in Anwendung 
auf die Lage einer großen Kategorie, der Schlachthoftierärzte, 
direkt zu verneinen. Gerade wir Schlachthoftierärzte hatten des 
öfteren das Eingreifen des Staates gewünscht; nun ist dies ge¬ 
schehen, aber zu unseren Ungunsten. 

Durch die neue Kommunalgesetzgebung waren bereits die 
Anstellungsverhältnisse gegen früher zu unseren Ungunsten ver¬ 
ändert. Trotzdem ergab die Statistik, daß die meisten Städte 
ihre Schlachthaustierärzte lebenslänglich angestellt hatten. Von 
dem neuen Fleischbeschaugesetz erwarteten wir, daß die noch 
rückständigen Kommunen in dieser Beziehung verpflichtet worden 
wären. Statt dessen sind in den Preußischen Ansfübrungs- 
bestimmuugen die Kommunen direkt darauf hingewiesen, die 
Beschauer nur auf Widerruf anzustellen; Tierärzte „können“ 
auch gegen Kündigung oder auf längere Zeit angestellt werden. 
Eine lebenslängliche Anstellung ist also gänzlich ausgeschlossen.*) 

Die Besoldungsverhältnisse der Schlachthaustierärzte waren 
ja im allgemeinen niemals brillante, aber fast alle der in Frage 
kommenden Kollegen hatten mehr oder weniger erhebliche 
Nebeneinnahmen. Letztere sind ihnen durch die Gesetzgebung 
vollständig genommen. Unglücklicherweise ist z. B. die Aus¬ 
stellung eines Beanstandungsattestes für einen wesentlichen 
Teil der Fleischbeschau erklärt worden, woraus mithin Privat¬ 
einnahmen nicht resultieren dürfen. Nun, ich meine, wenn ein 
Beamter eine Dienstreise macht, so ist dies auch ein sehr wesent¬ 
licher Teil seines Dienstes. Warum werden in solchen Fällen 
Reisegelder gezahlt, die über den Ersatz der baren Auslagen 

*) Diese Bestimmungen können doch wohl die Anstellungs- 
verbältnisse der Schlachthaustierärzte nicht berühren. D. R. 


gehen? Doch nnr darum, weil der Beamte während seiner Reise 
mehr Umstände hat als zu Hause im Dienste. Nun, den 
Fleischbeschautierärzten geht es gerade so; denn im Falle der 
Ausstellung eines Fleischbeschauattestes hat er mehr Umstände 
als ohne solches. Außerdem aber hat er noch das Privat¬ 
interesse eines Interessenten oder einer Viehversiche- 
rung durch seine Mehrarbeit kostenlos gefördert. 

Was die andere Hanptnebeneinnahme vieler Schlachthaus¬ 
tierärzte, die Privatpraxis, anbelangt, so ist ohne weiteres klar, 
daß auch diese Quelle so gut wie gänzlich unbenutzbar geworden 
ist; denn wer von morgens 6 Uhr bis abends 8 Uhr Dienst 
gehabt hat, hat wirklich übergenug. Ein solcher Beamter hat 
nur noch einen Wunsch: Ruhe! 

Wo aber ist der Ersatz für diese pekuniären Ausfälle? Auch 
das Ansehen einer Berufsklasse richtet sich nicht in letzter 
Linie nach den Einkommensverhältnissen. Von selbst werden 
die Städte jetzt keine Besserung der pekuniären Stellung ihrer 
Tierärzte mehr eintreten lassen, besonders dann nicht, wenn 
sich die Einmischung der Staatsgewalt in die städtischen An¬ 
gelegenheiten in Person des Kreistierarztes und mit Hilfe der 
Fleischbeschau- und Viehseuchengesetze noch mehr fühlbar 
machen wird. Die Verstimmung der städtischen Behörden wird 
sich zunächst bei den Schlachthoftierärzten äußern. Was also 
hat uns die Gesetzgebung gebracht? Steine statt Brot! 

Das Reichsgesetz hatte bezüglich der Art der „Beschauer“, 
nebenbei gesagt ein reizender (!) Titel für einen akademisch 
gebildeten Mann, nichts näheres bestimmt, als daß neben Tier¬ 
ärzten auch andere Personen bestellt werden könnten. Man 
hatte, was ja in Anbetracht der Parteiverhältnisse im Reichs¬ 
tage erklärlich ist, die unverkennbare Absicht, den Kommunen 
in dieser Beziehung volle Selbständigkeit zu lassen, ob sie eine 
rein tierärztliche oder eine andere Beschau wünschten. Diese 
Selbständigkeit der Kommunen hat das Preußische Ausführnngs- 
gesetz gründlich zerstört. Dieses Gesetz teilt die Schlachthof¬ 
gemeinden in einer schwer zu begründenden W 7 eise ein in solche 
mit mehr bzw. weniger als 10000 Einwohnern. In letzteren 
dürfen Laien selbständig, ohne fortgesetzte und direkte 
Kontrolle also, eine bis zum gewissen Grade vollgültige 
Fleischbeschau ansüben; in den ersteren, von 10001 Einwohnern 
an, dürfen Laien, die doch unter der denkbar schärfsten Kon¬ 
trolle stehen, auch noch nicht mal auf eine halbe Stunde vertretungs¬ 
weise für den verhinderten Schlachthaustierarzt einspringen. 
Wenn der letztere sich mal einige Stunden nicht wohl fühlt, 
wenn er an einer Beerdigung teilnehmen muß oder, um an einer 
Familien- oder anderen Festlichkeit oder dergleichen teilzunehmen, 
eine Stunde den Dienst verlassen will, immer soll er dafür sorgen, 
daß ein tierärztlicher Stellvertreter zur Stelle ist. Unter seinen 
Unterbeamten hat er dagegen einen oder mehrere vorzüglich 
ausgebildete und noch vorzüglicher examinierte, durchaus zu¬ 
verlässige Fleischbeschauer dauernd zur Stelle, die doch in dem 
Schlachthause einer Stadt mit 10001 Einwohnern genau so 
erfolgreich wirken könnten als in einer mit 10000. Wo aber 
der tierärztliche Stellvertreter jedesmal, wenn er mehr oder 
weniger plötzlich nötig wird, herkommen und wer ihn besolden 
soll, davon sagt das Gesetz uns natürlich nichts. Selbst wenn 
in der betreffenden Stadt sich ein Pi ivattierarzt befindet, was 
nicht immer der Fall ist, der Kollege könnte einem sehr leid 
tun, welcher tagaus tagejn zu Hause lauern müßte, ob er 
nicht mal auf einige Stunden den Schlachthaustierarzt vertreten 


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3. Dezember 1903. 


soll. Wie die Erfahrung lehrt, sind derartige Vertreter meist 
dann unerreichbar, wenn man sie gerade braucht, da sie eben selbst¬ 
verständlicherweise ihrem Berufe nachgehen. Was dann aber? 
Nun, ganz einfach: der betreffende .Schlachthaustierarzt kann 
eben nicht von seinem Dienst wegbleiben; er muß krank in den 
Dienst, oder er muß sich das in Aussicht stehende Vergnügen, 
den bildenden Vortrag oder dergleichen versagen, er kann 
einem treuen Freunde nicht die letzte Ehre erweisen usw. Man 
muß sagen: eine beneidenswerte (?) Stellung hat uns das 
preußische Gesetz geschaffen. Wie man dabei noch die umfang¬ 
reichen Verwaltungsgeschäfte, die einen öfters auf kurze Zeit 
aufs Rathaus etc. führen, weiter leiten soll, ist vollends eine 
schier unlösbare Frage. Und warum diese drakonische Be¬ 
stimmung im § 6? Gewiß sind früher einige, besonders größere 
Städte in der Benutzung des Laienelements zu weit gegangen, 
aber das waren nur Ausnahmen, die man auf andere Weise 
viel einfacher hätte beseitigen können. Die vielgerühmte, leider 
aber auch oft zu weit gehende preußische theoretische Gründ¬ 
lichkeit hat hier ihre Hand im Spiele. Hätte man konsequenter¬ 
weise auch gleichzeitig das Dienstquantum für einen Schlacht¬ 
haustierarzt vorgeschrieben, vor allen Dingen eine erheblich 
verkürzte Dienstzeit festgelegt, dann wäre der Zustand viel¬ 
leicht erträglich geworden. Unter den heutigen Verhältnissen, 
mit 12- bis 14ständiger täglicher Dienstzeit muß man eine 
Konstitution von Eisen und die Geduld eines Schafes haben, 
um das dienstliche Dasein zu ertragen. Warum hat man nicht die 
Sache so geordnet, daß in den Städten mit nur einem Schlacht¬ 
haustierarzt ausgebildete Laien so lange vertretungsweise zur 
Fleischbeschau herangezogen werden dürfen, bis sich die An¬ 
stellung eines Assistenztierarztes als ratsam erweist? Wann 
dieser Zeitpunkt gekommen wäre, könnte unschwer durch die 
zuständigen Regierungspräsidenten festgestellt werden. Solche 
Zeitpunkte richtig zu erkennen, versteht die Regierung bei 
anderen Beamten, z. B. Polizeibeamten, sehr genau. 

Ich glaube daher im Namen aller in Frage stehenden 
Kollegen sprechen zu können, wenn ich zum Schluß der Hoff¬ 
nung Ausdruck gebe, daß die preußische Verwaltung, in der 
Recht und Gerechtigkeit die Grundlage bilden, uns auch unser 
begründetes Recht in dem von mir behandelten Sinne werden 
läßt, so daß wir getrost des Augenblicks harren können, wo 
diese und andere derartige Steine sich in Brot verwandeln. 

N. . . 

Zar Lage der Schlachthottierärzte. 

Mit berechtigtem Stolze muß jeder Tierarzt das Aufstreben 
seines Standes begrüßen und den zuständigen Behörden und 
allen Standesgenossen, welche den Fortschritten förderlich waren, 
gebührenden Dank wissen. 

Dabei kann es gar nicht zweifelhaft erscheinen, daß alle 
unsere Spezialfächer an den Vorteilen teilnehmen. 

Die beste Nummer ziehen wohl die beamteten und die 
Militärtierärzte, aber auch den Privattierärzten ist und bleibt 
ihr gutes Teil nicht vorenthalten. Die Konkurrenzverhältnisse 
haben doch bedeutend an Spannung verloren. 

Ziemlich bedrückt fühlen sich im allgemeinendie Schlacht- 
hoftierärzte. 

Für die Zuweisung der Ausbildung von Laienbeschauern und 
Heranziehung zu den Prüfungskommissionen hat jeder der Be¬ 
treffenden das volle Gefühl der Erkenntlichkeit und des Dankes; 


765 


sie vermissen nur jedes weitere Zeichen der Teilnahme an 
ihrer Lage. 

Die Lage der Gemeindebeamten ist an und für sich eine 
wenig beneidenswerte; am schlimmsten stehen aber jedenfalls 
die Angestellten der städtischen „Neben Verwaltungen“ da, unter 
diesen auch die Schlachthofverwalter. Um ihr Wohl und Wehe 
bekümmert sich weder Aufsichtsbehörde noch sonst jemand. Hat 
vorgenannter Beamter einmal Wünsche, so sitzen Kommissionen 
über Kommissionen, Magistrat und Stadtverordnete über ihn zu 
Rate. Dann wird jede Miene von ihm, überhaupt alles an 
ihm erörtert, aber meistens gewiß mit Voreingenommenheit. 

Diese Verhältnisse in ihrer ganzen Schwierigkeit zn 
schildern, dazu fehlt mir die Gewandtheit der Feder. 

Der Schlachthofdirektor, für dessen Stellung in kleineren 
und mittleren Schlachthöfen die Amtsbezeichnung noch das 
Beste bleibt, ist im Schlachthofe für alles verantwortlich: in 
Fleischbeschau-, Beaufsichtigungs-, Betriebs-, Instandhaltungs- und 
allen möglichen sonstigen Angelegenheiten. 

Das Reichsgesetz vom 3. Juni 1900 mit seinen Neben¬ 
gesetzen und Verordnungen bürdet ihm ganz allein nun eine 
Arbeitslast und Verantwortung der Art auf, daß er in vielen 
Fällen der Unmöglichkeit, ihr zu genügen, entmutigt gegenüber¬ 
steht und nach der ganzen Sachlage alle Ursache hat, bezüglich 
der Entwicklung seiner Stellung, besonders bei zunehmendem 
Alter, ziemlich hoffnungslos in die Zukunft zu sehen. 

Weshalb gab die Landesbehörde die Berechtigung nach § 5 
des Gesetzes, die Beschauer zu bestellen, so bedingungslos den 
Gemeinden preis, ohne sich zunächst die Gewißheit zu ver¬ 
schaffen, daß auch genügende Bereitstellung des Personals und 
eine angemessene Bezahlung gewährleistet ist? 

Die Gehälter der meisten Schlachthoftierärzte stehen in 
keinem Verhältnis zu den an sie gestellten Anforderungen. 

Ist es für uns ein Ansporn zu wirklich aufreibender Pflicht¬ 
erfüllung, die Unmöglichkeit, wegen ungenügender Besoldung 
die Kinder etwas Angemessenes lernen zu lassen und die 
Familie in einer derartigen „Lebensstellung“ für alle Fälle 
einigermaßen zu versorgen, vor Augen zu haben? Gegen eine 
„Staatsaufsicht“ sträuben sich die Schlachthoftierärzte nicht im 
geringsten; höchstens haben sie berechtigte Wünsche bezüglich 
der Art und Weise ihrer Handhabung. Es könnte vielleicht 
darum gebeten werden: Drückt nicht noch mehr. Wir sind ge¬ 
wissermaßen auch Kollegen. Schlachthoftierarzt X in Y. 

Leitsätze für Ausführung der Milohkontroile. 

In der Generalversammlung des Deutschen Vereins für öffent¬ 
liche Gesundheitspflege sprach Prof. Dr. Dunbar - Hamburg 
über: „Die gesundheitliche Überwachung des Verkehrs mit 
Milch“. Aus dem Umstande, daß jährlich 150 000 künstlich er¬ 
nährte Säuglinge an dem Genüsse verdorbener Milch sterben, 
gehe hervor, daß die Verbesserung der Milchverhältnisse eine 
Aufgabe darstellt, die an Bedeutung keiner anderen der Städte¬ 
hygiene nachstehe. Bei dem hohen Entwickelungsstande der 
milchwirtschaftlichen Technik liege die Möglichkeit vor zur 
Versorgung der Städte mit einer allen gesundheitlichen An¬ 
forderungen genügenden, besonders auch für die Kinderernährung 
geeigneten Milch zu demselben Preise, der heute für die Markt¬ 
milch bezahlt werde. Daß diese Möglichkeit unbenutzt bleibe, 
sei begründet in der auf Unkenntnis beruhenden Gleichgültigkeit 
des städtischen Verbrauches und in der Tatsache, daß die 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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766 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 49. 


städtischen Behörden noch keinen genügenden Einfluß auf die 
Milcherzeugung und auf die Transportverhältnisse besäßen. Der 
Zustand kann beseitigt werden; bei der Erörterung der hierzu 
geeigneten Maßnahmen sind folgende Leitsätze in Betracht zu 
ziehen: „1. Die übliche Überwachung des Milchverkehrs ist un¬ 
genügend. Die Untersuchung von Milchproben, welche aus dem 
Verkehr entnommen werden, hat zwar den Nutzen, daß durch 
sie eine erhebliche Herabsetzung des Nährwertes der Milch und 
namentlich auch einer Anwendung von Konservierungsmitteln 
erfolgreich entgegen getreten werden kann. Für die Beurteilung 
der Milch hat solche Untersuchung im übrigen aber nur den 
Wert, den die Untersuchung einer eingelieferten Brunnenwasser¬ 
probe haben könnte. Diese aber würde kein Hygieniker als 
ausreichende Grundlage anerkennen für Beurteilung etwaiger 
GeBundheitsschädlichkeit des Brunnens, aus welchem die Probe 
stammte. Ebensowenig gibt uns die chemische bzw. bakterio¬ 
logische Untersuchung der aus dem Verkehr entnommenen Milch¬ 
probe einen genügenden Aufschluß über etwaige am Produktions¬ 
orte der Milch vorliegenden Infektionsgefahr. 2. Die Schwierig¬ 
keiten, welche einer einheitlichen Überwachung der ganzen 
Produktions-, Transport- und Verkehrsverhältnisse der Für den 
städtischen Konsum bestimmten Milch entgegenstehen, sind auf 
reichsgesetzlichem Wege zu regeln. 3. Diese Überwachung würde 
sich regeln lassen durch Einsetzung von Kommissionen, in welche 
Mitglieder der Regierung, derLandwirtschaftskammern, sowie auch 
Vertreter der Städte zu entsenden wären. Den Kommissionen 
müßte ein Landwirt, ein Tierarzt und ein Arzt angehören. Sie 
hätten den zuständigen Aufsichtsbehörden bei Lizenzerteilungen 
für den Milchhandel als beratende Instanz zur Seite zu stehen. 

Einflnnige Rinder. 

In Heft 12 der Zeitschrift für Fleisch- und Milchhygiene 
vertritt der Assistenztierarzt Kunibert Müller in Guben den 
Standpunkt, daß eine mildere gesundheitspolizeiliche Behandlung 
der einfinnigen Rinder Platz greifen müsse. M. schlägt vor, die 
einfinnigen Rinder zu vierteilen, die Schnittflächen und frei¬ 
liegenden Muskeln genau abzusuchen, Zerschneiden des Herzens, 
der Zunge, der Zungen-, Kehlkopf- und Kopfmuskulatur in mög¬ 
lichst dünne Scheiben und Untersuchung derselben auf Finnen. 
Werden bei dieser Untersuchung weitere Finnen nicht vor¬ 
gefunden, so soll das Fleisch als tauglich und vollwertig in den 
Verkehr gegeben werden. 

Zur Beurteilung der Zulässigkeit des Müll er sehen Vor¬ 
schlages möge dienen, daß im Kölner Schlachthofe im ersten 
halben Jahre nach Inkrafttreten des FleischbeschangeBetzes unter 
15 666 geschlachteten Rindern 122 Stück finnig befunden worden 
sind. Unter diesen waren 14 mehrfinnige und 108 einfinnige. 
Diese 108 Stück sind in der Art, wie M. es vorschlägt, unter¬ 
sucht und finnenfrei befunden worden. Als dieselben indessen 
nach Vorschrift des § 40 B.B.A. zerlegt worden waren, wurden 
noch bei vier Rindern weitere Finnen vorgefunden. Wie ich in 
Nr. 45 der B. T. W. 1901 mitgeteilt habe, hatte ich in Hamburg 
Gelegenheit, drei einfinnige Ochsen, welche wegen Tuberkulose 
zur Vernichtung bestimmt waren, derart auf Finnen untersuchen 
zu können, daß ich die sämtliche Muskulatur in messerrückendicke 
Scheiben zerlegen ließ. Bei diesem Vorgehen wurden in einem Rinde 
noch zwei, im zweiten noch zehn und bei dem dritten noch vierzig 
Finnen vorgefunden. Letzteres hatte bei der schlachtgerechten 
Untersuchung auf den Schnittflächen Finnen erkennen lassen. 


Nach diesen Erfahrungen dürfte die Medizinal-Verwaltnng 
wohl nicht auf die Vorschläge des Herrn Müller eingehen können. 
Im Interesse der Gesundheitspolizei ist es dringend wünschens¬ 
wert, daß die Bandwurmseuche der Menschen und die Finnen¬ 
krankheit der Rinder getilgt wird. Za diesem Zwecke muß eine 
Maßregelung der finnigen Rinder Platz greifen. Als mildeste Art 
der Maßregelung muß aber der Verkauf unter Deklaration errichtet 
werden! Es besteht also kein Grund, die gesundheitspolizeiliche 
Behandlung des Fleisches finniger Rinder in irgendeiner Richtung 
abzuändern. Vorwärts mit der Ausrottung der Finnenkrankheit 
der Rinder werden wir aber sicher kommen, wenn die Rinder¬ 
finnen als Gewährsmangel in die Kaiserliche Verordnung auf¬ 
genommen würden, damit die Landwirte veranlaßt werden, 
ihrerseits zur Behebung der Bandwurmseuche unter den land¬ 
wirtschaftlichen Insassen beantragen. K. 


Die Ergebnisse der Trichinen- und Finnenschau in Preussen im Jahre 1902. 


Regierungs¬ 

bezirke 

Zahl der 
untersuchten 
Schweine 

Zahl der 

trichinös befundenen 
Schweine 

Zahl der trichinös 
befundenen 

amerikanischen Speck¬ 
seiten 

Zahl der 

finnig befundenen 
Schweine 

Zahl der amtlichen 
Fleischbeschauer 

1. Königsberg . . 

195 519 

40 

5 

170 

513 

2. Gumbinnen . . . 

86 780 

16 

— 

32 

281 

3. Danzig .... 

145 329 

17 

- 

54 

290 

4. Marienwerder . . 

130 524 

41 

— 

52 

466 

5. Stadtkreis Berlin 

') 909 977 

51 

47 

263 

366 

6. Potsdam .... 

3 ) 517 718 

38 

1 

33 

1732 

7. Frankfurt . . . 

439 372 

19 

2 

33 

1 461 

8. Stettin .... 

169 706 

4 

33 

6 

328 

9. Köslin .... 

54 048 

6 

— 

1 

70 

10. Stralsund . . . 

40296 

— 

— 

5 

139 

11. Posen .... 

269 590 

301 

— 

425 

1141 

12. Bromberg . . . 

144 321 

62 

— 

51 

589 

13. Breslau .... 

511 548 

10 

— 

92 

1970 

14. Liegnitz .... 

190 366 

9 

2 

13 

1478 

15. Oppeln .... 

452 439 

57 

— 

1483 

1127 

16. Magdeburg . . . 

3 ) 470140 

22 

— 

109 

1314 

17. Merseburg . . . 

435 673 

7 


100 

1962 

18. Erfurt .... 

174 527 

6 

1 

14 

655 

19. Schleswig . . . 

111 199 

— 

1 

— 

158 

20. Hannover . . . 

245 136 

— 

— 

77 

727 

21. Hildesheim . . . 

226 532 

1 

— 

30 

920 

22. Lüneburg . . . 

218 707 

3 

— 

29 

1 189 

23. Stade. 

130 582 


1 

31 

684 

24. Osnabrück . . . 

113 350 

— 

— 

16 

652 

25. Auricli .... 

24 098 

— 

1 

— 

81 

26. Münster .... 

95 470 

1 

— 

7 

320 

27. Minden .... 

224 873 

1 

— 

41 

872 

28. Arnsberg . . . 

463 392 

2 

7 

51 

1609 

29. Kassel .... 

310 484 

13 

- • 

71 

1 794 

30. Wiesbaden . . . 

270030 

3 

— 

27 

982 

31. Koblenz .... 

66113 

— 

3 

45 

209 

32. Düsseldorf . . . 

643 779 

1 

21 

379 

1041 

33. Köln. 

231 022 

_ 

17 

18 

447 

34. Trier. 

105 751 

4 

— 

49 

248 

35. Aachen .... 

143 819 

— 

8 

274 

412 

36 Sigmaringen . . 

unbekannt 

— 

— 

— 

195 

Überhaupt 1902 

*)8 957 210 

735 

150 

4 081 

5 ) 28 422 

„ 1901 

9 438 387 

1 153 

271 

4076 

28 473 


') Außerdem 830 Wildschweine. — *) Desgl. 1. — 3 ) Desgl. S9. 
— 4 ) Desgl. 920. — 5 ) Im 1. Halbjahr betrug die Zahl 28 319. 


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3. Dezember 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


Anklage wegen Anmaaenng eines öffentlichen Amtes. 

Wegen Anmaßung eines öffentlichen Amtes, nämlich des eines 
Fleischbeschauers, war der Tierarzt Ernst Harder aus Segeberg 
vor der hiesigen Strafkammer angeklagt. Auf Harders Rat hatte 
der Landmann Schönfeldt eine Kuh schlachten lassen, deren 
Euter eine Verdickung aufwies. Der Tierarzt untersuchte das 
Fleisch des Tieres am anderen Tage auf Wunsch Schönfeldts, 
und da er es als gesund befand, drückte er zum Zeichen der vor¬ 
genommenen Untersuchung seinen Privatstempel auf. Das Fleisch 
wurde dann, ohne, wie vorgeschrieben, von einem Beschauer unter¬ 
sucht zu sein, in den Handel gebracht. Der Kreistierarzt war der 
Ansicht, daß Harder durch die Stempelung den Anschein habe 
erwecken wollen, als sei das Fleisch von einem Beschauer unter¬ 
sucht, und deshalb erstattete er Strafanzeige. Der Staatsanwalt 
beantragte Verurteilung zu 60 M. Geldbuße. Das Gericht erkannte 
auf Freisprechung. Es konnte in dem Anwenden eines Privat- 
stempels von seiten eines Tierarztes nicht die Anmaßung des Amtes 
als Fleischbescbauer erblicken. (Allgem. Fleischer-Zeitung Nr. 146). 

Bullenhoden in der Wuret 

Wegen Vergehens gegen § 10, Ziffer 1 des Nahrungsmittel¬ 
gesetzes wurde der Schlächtermeister Friedrich Omphelius vom 
Schöffengericht Zweibrücken (Pfalz) am 30. Oktober 1. J. zu einer 
Geldstrafe von 60 Mark event. 20 Tage Gefängnis und zu den 
Kosten verurteilt. Omphelius war überführt worden, in den Anfangs¬ 
monaten des Jahres 1902 Bullenhoden zur Wurstfabrikation ver¬ 
wendet zu haben. 

Diese Benutzung der Hoden wurde von den Sachverständigen 
als absolut unzulässig, ekelhaft und unter Umständen gesundheits¬ 
schädlich begutachtet. Es wurde ferner alB höchst bedauerlich 
betrachtet, daß solche gewissenlose Manipulationen überhaupt 
Vorkommen könnten. 

Wer aus schnöder Gewinnsucht solcher Handlungsweisen sich 
schuldig machte und dem Publikum derart hergestellte Ware an¬ 
böte, für den könne nur eine empfindliche Strafe am Platze sein, 
war der Tenor des Urteils. 

Interessant ist, daß obengenannter Omphelius einer der 
Schlächtermeister war, die vor einigen Monaten bestraft werden 
mußten, weil sie Bullenhaut gewohnheitsmäßig zur WurBtfabrikation 
verwandten. X. 

Reichsschlachtviehversicherung. 

Die im Reichsamt des Innern zur Eimührung der Schlachtvieh¬ 
versicherung abgehaltene Konferenz von Vertretern der deutschen 
Regierungen hat zu keinem praktischen Ergebnis geführt Nicht 
nur die süddeutschen Regierungen verhielten sich ablehnend, auch 
unter den Regierungen Norddeutschlands konnto eine Verständigung 
über die grundlegenden Bestimmungen nicht erzielt werden. 

Zur Einfuhr ausländischer Fleisohwaren (Fleischpepton). 

Eine Verfügung des Finanzministers macht den „Berl. Pol. 
Nachr.“ zufolge die Regierungspräsidenten und Provinzialsteuer¬ 
direktoren dnrauf aufmerksam, daß der Versuch gemacht ist, ge¬ 
mahlenes Fleisch, dessen Einfuhr nach § 12 Abs. 1 des Fleisch¬ 
beschaugesetzes verboten ist, unter der irreführenden Bezeichnung 
Fleischpepton einzuführen. Bei einer amtlichen Untersuchung hat 
sich herausgestellt, daß es sich um gemahlenes Fleisch, haupt¬ 
sächlich Leber handelte, welchem Kochsalz und Salzsäure zur 
Konservierung zugesetzt war. Da bekannt geworden ist, daß man 
auch fernerhin diese FleischmaBse einzuführen beabsichtigt, so wird 
darauf aufmerksam gemacht, daß die Einfuhr nach § 12 Abs. 1 des 
Fleischbeschaugesetzes vom 3. Juni 1900 verboten ist. 

Viehhandel. 

Zum Schlachtviehhandel nach Lebendgewicht hat der Landes¬ 
kulturrat im Königreich Sachsen, der gegenwärtig in Dresden tagt, 
beschlossen, das Ministerium des Innern zu ersuchen, „die Ein¬ 
führung des Handels nach Lebendgewicht an den Schlachtviehhöfen 
nach Möglichkeit zu fördern, inzwischen aber die Festsetzung gleich¬ 
mäßiger Normen für das prozentuale Verhältnis zwischen Lebend¬ 
gewicht und Schlachtgewicht bei sämtlichen öffentlichen Schlacht¬ 
viehmärkten bewirken zu lassen und anzuordnen, daß dort, wo der 


767 


Verkauf von Großvieh in der Hauptsache nach Schlachtgewicht 
stattfindet, die Preisnotierung nichtsdestoweniger auch nach Lebend¬ 
gewicht mit zu erfolgen hat.“ (,,Allg. Fleischer-Z.“ 176.) 

Aus der Fieischbeschaupraxls. 

Daß bei der Beurteilung gelbsüchtiger Tiere große Vorsicht 
geboten ist, lehrt folgender Fall: In einer rheinischen Stadt war 
ein Ochse geschlachtet worden, der etwas stark gelb war; der 
amtierende Tierarzt beanstendete das Fleisch zuerst, erklärte es 
aber später für tauglich und vollwertig. Am nächsten Tage wurde 
der Ochse für minderwertig erklärt, die Eingeweide und sonstige 
Nebenteile mit Ausnahme der Leber aber als tauglich und voll¬ 
wertig freigegeben. Der später auf Beschwerde hinzugezogene 
Departementstierarzt, erklärte das sämtliche Fleisch für minder¬ 
wertig. Für die Beurteilung des Fleisches ist demnach der § 40 
B. B. A. in Frage gekommen. Gerade aber die mäßigen Verfärbungen 
des Fleisches infolge von Gelbsucht verlangen eine sehr sorgfältige 
Behandlung und sollte es Regel sein, daß der Tierarzt sein Urteil 
erst abgibt, wenn das Schlachtstück 24 Stunden in einem kühlen 
Raume aufbewahrt worden ist Der fragliche Fall hatte zu unlieb¬ 
samen Erörterungen mit Rücksicht auf die Schlachtviehversicherung 
geführt, die sicher vermieden worden wären, wenn in obigem Sinne 
verfahren worden wäre. 

Fleischbeschaufragen. 

I. Im vorigen Monat waren zu einer ländlichen Hochzeit auf 
einem Dorfe im Bereich meines Ergänzungsschaubezirks von einem 
Gutsbesitzer zwei Schweine und ein Kalb geschlachtet und es waren 
bereits fast sämtliche Organe der Tiere beseitigt, als dem Amte 
Meldung von der Schlachtung gemacht wurde. Da der Amtmann 
selbst nicht anwesend war, so beauftragte mich der Amtssekretär die 
Ergänzungsbeschau daselbst vorzunehmen, falls in diesem Falle 
(bei ländlichen Hochzeiten) die Fleischbeschau notwendig sei. Auf 
Grund der Mitteilung in Nr. 21 der B. T. W., welche diese Frage 
mit ,ja“ beantwortet, nahm ich die Fleischbeschau vor und be¬ 
richtete das Ergebnis an das Amt. Der Amtmann behauptete jedoch, 
trotzdem ich ihm den Artikel in Nr. 21 der B. T. W. vorlegte, das 
für Hochzeitsessen bestimmte Fleisch unterliege nicht dem Unter¬ 
suchungszwange; die B. T. W. könne nur maßgebend sein bei tech¬ 
nischen Fragen der Fleischbeschau, die Auslegung des Fleisch- 
beschaugesetzes könne nur von der Regierung ausgehen, und diese 
habe bezüglich der Tiere, welche für Hochzeiten geschlachtet 
würden, keinen Untersuchungszwang vorgeschrieben. 

Im vorliegenden Falle kann ich weder vom Amte noch von 
dem Besitzer Flcischbescbaukosten und Wegegebühren beanspruchen. 
Läßt sich aus dem Gesetze der Untersuchungszwang im vorliegenden 
Falle mit Bestimmtheit folgern? 

II. Wird dem Gesetz durch die Eintragungen in das dem deut¬ 

schen Veterinärkalender (1904) beigegebene Fleischbeschautagebuch 
genügt, oder muß außer diesem noch ein anderes Fleischbeschau¬ 
tagebuch geführt werden? P.-W. 

Fleischbeschau bei Notschiachtungen. 

Zu der in Nr. 36 der Berliner Tierärztlichen Wochenschrift 
von Dr. Zelil besprochenen Frage der Vieh- und Fleischbeschau 
bei Notschlachtungen berichte ich folgendes: 

Obwohl resp. weil ich nirgends in meinem Praxisbezirk als 
Fleisch-, auch nicht als tierärtlicher Ergänzungsbeschauer 
fungiere, so habe ich doch den Umstand, daß ein anderer die 
von mir behandelten Tiere bei von mir angeratenen Not¬ 
schlachtungen begutachten sollte resp. müßte, als einen Mi߬ 
stand empfunden. Ich bin daher nach vorheriger mündlicher 
Besprechung mit dem hiesigen Landrat unter dem Hinweis auf 
§ 7 der preußischen Ausfahrungsbestimmungen vom 20. März d. J. 
schriftlich bei demselben darum eingekommen, daß mir resp. 
allen approbierten Tierärzten überhaupt als Stellvertreter der 
Beschauer ohne vorherige Zuziehung derselben für alle Fälle 
der Notschlachtung solcher Tiere, welche in meiner resp. unserer 


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76K BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 49 


Behandlung waren, nnd zwar gültig für alle Beßchanbezirke, 
die Befugnis znr Vornahme der Fleischbeschau erteilt werde. 

Dementsprechend erfolgte alsbald die Antwort und öffentliche 
Bekanntmachung, „daß die im hiesigen Bezirke ansässigen 
approbierten Tierärzte allgemein ermächtigt werden, in Ver¬ 
tretung der sonst zuständigen ordentlichen Beschauer, die Unter¬ 
suchung solcher Tiere vorzunehmen, zu deren tierärztlicher 
Behandlung sie zugezogen werden und deren Notschlachtung 
demnächst sich als erforderlich erweist.“ 

Gleich darauf erfolgte auch meine Einladung zur Vereidigung 
als Beschauer in diesem Sinne und ich möchte den Herren 


Kollegen, insbesondere den ja durch die Konkurrenz und Bevor¬ 
zugung der beamteten Tierärzte so vielfach benachteiligten 
praktischen Tierärzten ein gleiches Verfahren empfehlen, zumal 
in solchen Gebieten, wo wie im hiesigen Regierungsbezirke 
(Koblenz) eine noch gültige ältere Landespolizeiverordnung 
besteht, wonach für alle notgeschlachteten kranken Tiere die tier¬ 
ärztliche Untersuchung ohne Einschränkung (also auch für 
sogenannte Hausschlachtungen) vorgeschrieben ist. 

Kreuznach, den 14. Oktober 1903. 

Dr. Vogel sr., 
prakt. Tierarzt. 


Personalien. 

Ernennungen: Fritz Heu, Verbandsinspektor beim badischen Vieh¬ 
versicherungsverband in Karlsruhe, unter Belassung in seinem Amt 
zum etatsmäßigen Rezirkstierarzt. — Tierarzt BiesUrfc/d aus Marien¬ 
dorf (H.-N.) zum Schlachthofinspektor in Bischofswerder; die Tier¬ 
ärzte Fritt Hehr in Kusel und Dr. Mustcrle in Kufslein zn Schlacht¬ 
hoftierärzten in Mannheim; Friedrich Kunze, in Heudeber und Franz 
Lech in Elbing zu Schlachthoftierärzten in Schwäbisch Gemünd bzw. 
in Wurzen. — Die Tierärzte Jul. Scheifcle in Bretten und Gustav 
Martin in Sauer-Schwabenheim zu bezirkstieiärztl. Assistenten in 
Emraendingen bzw. Mosbach. — Die Tierärzte Czermmki in Tiegen¬ 
hof und Dicsing in Hannover zu Tierärzten der Herdbuchgesellschaft 
in Königsberg O.-Pr. 

Promotionen: In Gießen wurden zum Dr. med. vet. promoviert: 
Gottfried Albert, Assistent an der Chirurg. Klinik der Kgl. Tierärzt¬ 
lichen Hochschule zu Berlin; Hans Bohtx, Assistent am Veterinär- 
Pathologischen Institut der Universität Gießen; Heinrich Gerhard, 
Tierarzt in Homberg a. Ohm; Hans May, Städtischer Tierarzt in 
Dresden; Max Trapp, Assistent am Veterinär-Anatomischen Institut 
der Universität Gießen. 

Examina: Die kreistierärztliche Prüfung bestanden in Berlin die 
Tierärzte: Dr. Zürn, Beutler und Dr. Fnterhössel, Repetitoren etc. 
in Hannover, Ettrich in Lauban, Otto Schuhe in Herzfelde, Dr. Bugge 
in Berlin, Gaerlncr in Wolfgart, Wulff in Kiel, Franke in Berlin, 
Burau in Königsberg, Huppert in Hamburg, Winkler in Dömitz a. Elbe, 
Tihc in Detmold, Schmuck in Gollup, Sehnig in Griinau. 

Approbiert wurden in Berlin die Herren Ixo Beckmann und 
Franz I.uttcr. 

WohnaitzverBnderungen, Niederlassungen: Verzogen sind die Bezirks¬ 
tierärzte Emil Gärger von Boxberg nach Eberbach, Wilh. Flum von 
Eberbach nach Oberkircb, Franz Huber von Oberkirch nach Walds¬ 
hut, Kreistierarzt Eeimcrs von Hohenwestedt nach Freiburg a. Elbe, 
Tierarzt Alb. lindert von Geringswalde nach Pulsnitz und H. Jenisch 
von Elze nach Schkölen. Tierarzt Heinrich Meyer, bisher bezirkst. 
Assistent in Donaueschingen, hat sich in Ützlingen niedergelassen; 
Doegc aus Berlin in Kemberg; Baum in Buk. 

Todesfall: Kreistierarzt Heinrich Schöttler in Stade. 

Vakanzen. 

Kreistierarztsteilen (Bew. a. d. Reg.-Präsid.): R.-B. Koblenz: 
Adenau. — R.-B. Stade: Kehdingen. — R.-B. Oppeln: Rosen¬ 
berg, Kreis- und Grenztierarztstelle; 900 M. Gehalt u. 900 M. für 
Grenzkontrolle. — R.-B. Bromberg: Filehne. — Vechta in 
Oldenburg: 600 M. Meldg. a. d. Ministerium. 

Schiaohthofstellen a) neu ausgeschrieben: Düren (Rheinl.): 
Assistent bis 1. Feb. 2300 M. Meldg. bis 10. Dez. (Schl.-Direkt).— 
Elbing: Hilfstierarzt 2000 M. (Mag.). — Graudenz: Assistent 
(Mag.). — Koburg: 2. Tierarzt. Meldg. mit Gehaltsanspr. (Mag.).— 
Rostock: Hilfstierarzt 2100 M. (Schl.-Verwaltung). 

b) nach Ablauf der Meldefrist noch unbesetzt 
tnähere Anyabcn siehe in Ar. /.< l/zir. 40): Beuthen. — Bischofs 


werder. — Culm. — Dahlhausen-Linden a. d. Ruhr. — Escb- 
wege. — Graudenz. — Görlitz. — Halle a. 8. — Haspe i. W. — 
Kassel. — Kiel. — Koblenz. — Köslin. — Langensalza. —■ 
Liegnitz. — Linden bei Hannover. — Mülheim a Rh. — 
Neuenburg. — Stolp. — Wangerin. — Weißenfels. 

Stellen für ambulatorische Fleischbeschau und Privatpraxis. Aken: 
Tierarzt für sofort. Aus Fleischb. ca. 2500 M. (Polizeiverwaltung.) 

— Angerraund, Landkr. Düsseldorf: Fleischbeschau. (Bürgermstr.) 

— Baruth: Niederlassung erwünscht. Aus Fleisch- u. Trichinenschau 
1200 M. (Mag.) — Biber ach: Stadttierarzt. 3000 M. Viertelj. Künd. 
Kontrolle der Wochenviehmärkte, d. Schlachth. f. Großvieh etc. — 
Bremen: 2. Tierarzt für Auslandsfleischbeschau. (Medizinalamt.) — 
Brockau bei Breslau: Fleischbeschau ca. 3000 M. Privatpraxis. 
Auskunft bei Kreistierarzt Rust, Breslau. (Amts- und Gemeinde¬ 
vorsteher.) — Daber: Niederlass, erwünscht. (PolizeiVerwaltung.) — 
Giengen i. Br.: Stadttierarzt. 1800 M. Wartegeld. Fleischbeschau. 
Privatpraxis. (Meid, an das Stadtschultheißamt) — Hagenau i. E.: 
Städt. Tierarzt. (Bürgermeister.) — Heydekrug (Ostpr.): Privat¬ 
praxis im Niederungsteil des Kreises. Jährlicher Zuschuß 600 M. 
(Kreisausschuß.) — Hohnstein (Sächs. Schweiz): Privat¬ 
praxis. 500 M. Staatszuschuß fürs 1. Jahr 250 M. jährl. Gemeinde¬ 
zuschuß. — Kobylin (Posen): Deutscher Tierarzt Jährl. 
Staatszuschuß 750 M. (Landrat in Krotoschin.) — Krakow i. M. 
Privatpraxis. Voraussichtl. Fleischb. (Magist.) — Laage i. M. 
Privatpraxis. (Magist.) — Labiau: Niederl. erwünscht in Popelken 
bei L. 500M. Zuschuß. (Landrat) — Landsberg i. Ostpr.: Privat¬ 
praxis. Zuschuß von 495 M. für die beid. erst. Jahre (Magistr.) — 
Lindow: Fleischb., Privatpraxis. — Markneukirchen: Städt 
Tierarzt für Fleischbeschau zum 1. Dezember. 2400 Mark und 
jährlicher Staatszuschuß von 750 Mark. Privatpraxis. (Stadtrat) — 

— Naumburg bei Kassel: Niederlassung erwünscht. Gute Praxis. 
Stadtznschuß 400 M. — Neckarbischofsheim: 1500 M. Fixum. 
(Bürgerm.) — Niemegk (Potsdam): Privatpraxis. — Norenberg: 
Tierarzt sofort. (Magist.) — OberpleiB (Köln): Privatpraxis. 
500 M. Gemeindefixum. Fleischbeschau, ca. 1000 M. (Bürgerin.) — 
Osterfeld: Fleischbeschau in vier Amtsbezirken. Gebühren 
für 0. allein 1500 M. (Landrat in Weißenfels.) — Parcbwitz: 
(Liegnitz): Privatpraxis. Fleischb. 150 M. monatlich. (Polizeiver- 
waltg.) —Rahebuhn (Neustettin): Privatpr. Fleischbeschau 900 M. 
Zuschuß fürs 1. Jahr 600 M. (Mag.) — Rosko (Kr. Filehne): 
Fixum 600 M. Fleischb. Privatpr. (Landrat in F.) — Seeburg 
i. Ostpr.: Privatpraxis. Schlachthofaufsicbt. (Magist) — Senden- 
horst (Westf.): Fleischbeschau für Stadt und umliegende Land- 
bezirke. Kommunalzulage 600 M. (Bürgerm.) — Tarnowo: 
Privatpraxis und ca. 750 M. Fixum. (Landratsamt Posen- 
West.) — Tiegenhof im Kreis Marienburg: Gute Privatpraxis; 
durch Übertritt des Inhabers in ein Amt erledigt — Treffurt (im 
Werratal): Fleischb. (Magist) — Unruhstadt: Fleischbeschau. Ge¬ 
bühren ca. 2400 M. Privatpraxis. (Mag.) — Zarrentin i. Mecklb.: 
Niederlassung erwünscht. (Auskunft erteilt das Komitee des Land¬ 
wirtschaftlichen Vereins.) 

Besetzt: Boldenburg. Buk. Gardelegen. Glückstadt. Kemberg. 
Kircbhain. Kletzkow. Klingentbal. Pulsnitz. 


Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schraaltz in Berlin. — Verlag uud Eigentum von Richard Scboeta In Berlin.— Druck von W. BOxensteln, Berlin. 


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Die .Berliner Tierärztliche Wochenschrift* erscheint 
wöchentlich itn Verlage ton Richard Seboets ln 
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dieselbe zum Preise von M. 5,— vierteljährlich (M. 4,88 für 
die Wochenschrift, IS Pf. für Bestellgeld) frei ins Haus 
geliefert (Deutsche Post -Zeitungs- Preisliste No. 11 OS, 
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60 Hk. für den Bogen honoriert Alle Manuskripte, 
Mitteilungen and redaktionellen Anfragen belleba man 
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llche Hochschule, Nff, Luisenstrasse 56. Korrekturen, 
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De Bruln 

Dr. Jess 

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Peters 

Professor 

Kreistierarzt 

Schlachlhofdirektor 

Departements!! erarst 

Kreis tierarzt 

Kreistierarzt 

Departements tierarzt 

Utrecht 

Charlottenburg. 

Cöln. 

Cöln. 

Bremervörde. 

AngermUndo. 

Bromberg. 


Freu886 

Dr. Roeder 

Dr. Schlegel 

Dr. Vogel 

Zündei 



Veteriniraasessor 

Professor 

Professor 

Lande&iierarzt v. Bayern Kreistierarzt 



Danzig. 

Dresden. 

Freiburg i. Br. 

München. 

Mülhausen i. E. 


Jahrgang 1903. Jfä 50 . Ausgegeben am 10. Dezember. 


I n h a 11: Jackschath : Zur Einführung in das Studium der parasitären Erkrankungen des Blutes, insbesondere der 
Malaria des Rindes und des Menschen. — Referate: Meyer: Motorische Trigeminuslähmung beim Pferde. — Zürn 
Stenose des Leerdarms bei einem Pferd. — Mougneau: Recidive beim Tetanus. — Pitchford: Horse-Sickneß, ihre Ent 
stehung und Ausbreitung. — Lemke: Über Ester Dermasan, ein neues, äußerlich anwendbares SalicylpräparaL — Jeß: Wochen¬ 
übersicht über die medizinische Literatur. — Tagesgeschiohte: Verschiedenes. — Personalien. — Vakanzen. 


Zur Einführung in das Studium der parasitären 
Erkrankungen des Blutes, insbesondere der Malaria 
des Rindes und des Menschen. 

Von 

E. Jaokschath-Woltcrsdorf. 

Tierarzt 

Vorliegenden Aufsatz möchte ich gleichsam als Vorrede za 
meiner Arbeit über das Blatharnen des Rindes, die nnn hoffent¬ 
lich nach einer Wartezeit von drei Jahren im Dmck erscheinen 
wird, betrachtet wissen. Ich sage als Vorrede, da ich jetzt 
beweisen will, daß meine Arbeit trotz der Veröffentlichungen 
des Kaiserlichen Gesundheitsamtes über das gleiche Thema 
noch voll and ganz ihren Zweck erfüllen wird, denn die 
treffliche Arbeit von Kossel nnd Schütz bringt nicht neue 
Tatsachen, sondern bant nnr die von den Vorgängern fest¬ 
gelegten Daten weiter ans. Meine Arbeit jedoch, trotzdem ich 
weder zum Weiterarbeiten ermutigt, noch durch irgendwelche 
Mittel, sei es pekuniär, sei es durch Ermunterung, von seiten 
maßgebender Persönlichkeiten, angespornt wurde, bringt durch¬ 
gängig neue Tatsachen, die unter Umständen geeignet sind, 
die Beziehungen der Mikroorganismen nnd ihrer Produkte zum 
tierischen Organismus aufzuklären, andrerseits nns in der Er¬ 
kenntnis pharmakologischer Wirkungsweise ein gutes Stück vor¬ 
wärts zu bringen. Aach habe ich meine Arbeit nicht geschrieben 
aus Lust zum Schreiben, sondern in dem redlichen Streben, meine 
anf diesem Gebiete gesammelten Erfahrnngen weiteren Kreisen 
zugänglich zn machen und vor allen Dingen — omne tulit 
pnnctnm — klar zn legen, daß das Blatharnen des Rindes der 
Ausgangspunkt rationeller therapeutischer Maßregeln zur Be¬ 
kämpfung von Blutinfektionen sein wird nnd die anf der Tages¬ 
ordnung stehende Streitfrage über Toxinwirkung nnd Antitoxin- 
bildung erledigen wird. Was letzteren Punkt anbetriflft, so 
wird auch gleichzeitig die über diesen herrschende Theorie eine 
einfachere, weniger komplizierte Erklärung finden, wobei es 
anch hier heißen muß: Simplex sigUlnm veri. 


Zur Sicherung der Priorität werde ich außerdem noch 
folgende Punkte ausführlicher erörtern: 

1. Die Biologie von Pyrosoma bigeminum, Vergleich mit 
dem Parasiten der Malaria des Menschen. 

2. Die Frage: kommt beim Blatharnen sowie bei den mikro¬ 
parasitären Blutkrankheiten eine Toxinbildnng nnd -Wirkung 
vor? Findet eine Antitoxinbildung statt? Wie kommt bei diesen 
Krankheiten Immunität zustande nnd anf welchem Wege ist die 
Immunisierung der Rinder gegen Pyrosoma am schnellsten and 
sichersten zu erreichen? 

3. Ort nnd Art der Toxinwirkang nnd Antitoxinbildang. 
Vergleich mit der Wirknngsweise der Toxalbamine nnd Alkaloide. 

Um das Verständnis des an nnd für sich schwierigen Ent¬ 
wicklungsganges des Blutharnparasiten, wie er sich ans meinen 
Untersuchungen ergeben hat, dem Leser zu erleichtern, ziehe 
ich zum Vergleiche die analogen Verhältnisse bei der Malaria 
des Menschen heran. Smith, Celli, Grassi, R. Koch, 
Nnkall, Kossel, Schütz lassen analog der Entwicklung des 
Malariaparasiten, die ungeschlechtlich im Blute des Menschen, 
geschlechtlich im Mückenkörper verläuft, in gleicher Weise 
Pyrosoma ungeschlechtlich im Blute des Rindes, geschlechtlich 
im Körper der Zecke sich entwickeln. Nach den genannten 
Autoren ist also das Rind der Zwischenwirt, die Zecke der 
eigentliche Wirt für Pyrosoma. Dieser Analogieschluß ist 
falsch; meine Untersuchungen haben ergeben, daß das Rind der 
eigentliche Wirt, die Zecke dagegen der Zwischenwirt ist, also das 
amgekehrte Verhältnis wie bei der Malaria des Menschen vorliegt. 

Die Malariaforschnngen der italienischen Schnle mit ihren 
Hauptvertretern Celli, Grassi, Bignami nnd Bastianelli 
haben ans ihren wichtigen Fandamentalversnchen folgende Tat¬ 
sachen festgestellt: 

1. Die Mückenspezies Anopheles ist der Träger and Wirt 
des Malariaparasiten des Menschen. 

2. Die drei Arten des Malariaparasiten (Plasmodium malariae, 
Pi. viva nnd Laverania malariae), sind sowohl im menschlichen 
wie im Organismus der Mücke eine konstante Erscheinung. 


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770 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 60. 


Der Lebenszyklus des Malariaparasiten ist folgender: Im 
Blute der Menschen verläuft seine ungeschlechtliche Lebensphase, 
von Grassi Monogonie (Mononten) genannt (entspricht der 
Schizogonie Schaudins). Den in der Mücke sich vollziehenden 
Entwicklungszyklus nennt Grassi Amphigonie (die einzelnen 
Glieder Araphionten), welcher Ausdruck der Sporogonie Schan- 
dins entspricht. 

Im Blutkörperchen des Menschen tritt der Monont zuerst in 
Form eines Ringes auf; dieser, mit amöboider Beweglichkeit 
versehen, wächst, indem er immer mehr das Innere der Blut¬ 
zelle ausffillt, und bildet schließlich unter Teilung des Chromatins 
und Bildung von Pigment und Aufzehrung des roten Blut¬ 
körperchens die Sporulationsform. Die einzelnen Sporen treten 
dann in neue Blutkörperchen und hiermit schließt der un¬ 
geschlechtlich verlaufende Entwickelungszyklus der Mononten. 

Andere Formen jedoch sind es, die die Amphigonie in der 
Mücke bedingen. Dies sind bei der Malaria aestivo-autumnalis 
die Halbmonde, bei der Malaria tertiana und quartana die runden, 
nicht Bporulierenden Formen (Sphären). Alle diese Formen sind 
Gameten und der Zweck ihres Daseins ist, als Gameten in der 
Mücke die Amphigonie einzuleiten. Dies geschieht in der Weise, 
daß die mit dem Blute kranker Menschen aufgenommenen 
weiblichen Geschlechtsformen, die sog. Makrogameten nach 
Kopulation mit den männlichen Formen, den Mikrogameten, im 
Magen der Mücke die „Würmchen“-Gestalt annehmen, d. h. sich 
zu Ockineten umbilden. Diese bohren sich in die Wandung des 
Magens ein, nehmen ein Ruhestadium ein, indem sie sich unter 
Bildung einer Kapselmembran, die vom Mückenmagen geliefert 
wird, in Cysten, sog. Oocysten verwandeln. In diesen entwickeln 
sich die Sporozoiten, welche — aktiv beweglich — in die Speichel¬ 
drüsen der Mücke eiuwandern, aus denen sie durch den Stich 
der Mücke auf den Menschen übertragen werden, um dann im 
Organismus desselben sich weiter zu entwickeln. 

Wie verhält sich nun Pyrosoma bigeminum? Aus welchen 
Gi finden nenne ich seine Entwicklung im Rinde eine geschlecht¬ 
liche (entspricht der Amphigonie Grassi), und warum ist sein 
Leben in der Zecke als ungeschlechtlich verlaufend (Monogonie) 
aufzufa8Ben ? *) 

Bald nachdem die Zeckenlarve**) sich an der Haut des 
Rindes festgesogen und, falls mit Pyrosomakeimen versehen, das 
Rind infizirt hat, treten im Körper desselben (Unterhaut, Lymph- 
drüsen, Blut) runde Formen, die Vorstufen der Birnform anf. 
Diese Entwicklungszellen stellen in ihrer einfachsten Form kleine 
rundliche Kügelchen dar, von blasser Farbe, grenzen sich nur 
schwer von der Umgebung ab, so daß sie dem Beobachter leicht 
entgehen, und liegen in diesem Zustande meist außerhalb der 
roten Blutkörperchen. Frisch untersucht zeigen sie eine außer¬ 
ordentlich lebhafte Bewegung, wobei sie nicht nur den Ort, 

*) 1. leb halte es für unrichtig, daß die Entdecker dieser Ver¬ 
hältnisse bei der Malaria des Menschen das Verständnis für diese 
so interessanten Vorgänge durch diese Menge neuer Bezeichnungen 
erschweren; diese verschiedenen Entwicklungsstadien finden ihre 
Analogie bei Infusorien und Rhizopoden. 

2. Ich gebe hier nur das Resultat meiner Studien; eine 
cirgchende, durch Anführung einzelner Experimente und Er¬ 
läuterungen mikroskopischer Präparate gestützte Schilderung würde 
weit den Umfang einer Zeitschrift überschreiten, und will ich mir 
hierdurch nur die Priorität in dieser Darstellung sichern. 

**) Bekanntlich macht Ixodes reduvius zwei Entwicklungsstadien, 
das der Larve und der Nymphe, bis zur Geschlechtsreife durch, 


sondern auch ihre Gestalt zu verändern scheinen. Diese kleine 
amöboide Rundform wächst nun, wobei zwei Arten dieser Rund¬ 
formen aufzutreten scheinen: Eine kleinere mit mehr chro¬ 
matischer Substanz und eine größere mit geringerem Chromatin¬ 
gehalt. Ans dieser runden Form wird nun allmählich eine ge¬ 
streckte Schwärmspore von bimförmiger Gestalt, indem die früher 
kugelige Form sich in eine wurmartig gestreckte verwandelt 
Diese Form findet sich im Blute des erkrankten Rindes am 
häufigsten und zwar sehr häufig als Doppelform, wobei die 
spitzen Enden der Parasiten gewöhnlich in einem stumpfen Winkel 
einander genähert sind und durch ihr in einem feinen Proto¬ 
plasmafaden auslaufendes Endstück miteinander verbunden sind. 
Wir sehen hier den Akt der Konjugation vor sich gehen und in 
den beiden bimförmigen Schwärmsporen die amöboiden Gameten. 
Diese miteinander in Verbindung stehenden Gameten sind nie¬ 
mals von gleichem Aussehen, die eine Form ist größer und 
schwächer gefärbt, in ungefärbtem Zustande besitzt sie einen 
kleinen rundlichen Köjper in ihrer Mitte, der an gefärbten 
Präparaten nicht zu sehen ist; die andere mit der ersteren 
kopulierende Form ist kleiner, stärker gefärbt und in ungetärbtem 
Zustande mit einem größeren rundlichen Körper versehen. Diese 
erste Form stellt den weiblichen Makrogameten, die zweite den 
männlichen Mikrogameten vor. 

Nach eingetretener Befruchtung nimmt der befrachtete 
Makrogamet die Form einer Kugel an; die Kerasubstanz liegt 
bei demselben am Rande in Gestalt von rundlichen Körnern. 
Bald tritt eine Teilung des Kerns in 2—4 Teile anf, wobei sich 
nach Teilung des Kerns das zwischen den Teilstücken gelegene 
Protoplasma abschnürt, so daß Doppel formen entstehen, bei 
welchen die einzelnen Kerne nach der Peripherie hin liegen; 
das Protoplasma an der Peripherie ist scheinbar verdichtet 
Von der Hauptmasse des Kerns laufen nach dem Zellinnern feine 
Protoplasmafäden. Während die Kerne und die zugehörigen 
Protoplasmamassen sich teilen, bleibt die dieselben einschließende 
Membran erhalten, ohne daß dieselbe bei der Teilung des be¬ 
fruchteten Kernes in Mitleidenschaft gezogen wird. 

Der eben geschilderte Vorgang entspricht bei der Malaria 
des Menschen der Umwandlung des weiblichen Makrogameten 
in die Oocyste im Magen der Mücke. Während jedoch der 
Malariaparasit in der Mücke seine geschlechtliche Entwicklung 
durchmacht, verläuft dieselbe bei Pyrosoma bigeminum im Blute 
des Rindes, daher das Rind der eigentliche Wirt, die Zecke der 
Zwischenwirt des Parasiten ist, ebenfalls ein Beweis dafür, daß 
das Rind gegen Pyrosoma-Infektion Immunität erwerben kann, 
der Mensch gegen Plasmodien malariae, aber nicht, weil ein 
dauernder Aufenthalt der Parasiten — da der Mensch nur 
Zwischenwirt — im menschlichen Blute nicht erzielt werden 
kann. Das wird uns jedoch weiter unten noch deutlicher werden. 
Also: Der bimförmige weibliche Makrogamet wird nach der 
Befruchtung zur Kugel; diese Kugel wird zur Oocyste und in 
derselben zerfällt der Kern in zwei bis vier Teile (bei der Malaria 
in eine bedeutend größere Anzahl), und jeder Kern wird ein 
künftiger Sporoblast, schließlich ein Sporozoit. In der Form 
der Oocyste wird nun der Parasit von der weiblichen Zecke 
aufgenommen, welche, nachdem sie von der männlichen Zecke 
begattet worden ist, genügend Blut vom Rinde gesogen und 
entwickelungsfähige Eier in ihren Geschlechtsorganen gebildet 
hat, abfällt. Die Oocyste gelangt in den Magen der weiblichen 
Zecke, von hier in den Epddarm und schließlich durch den 


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10. Dezember 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 771 


After nach außen. Gleichzeitig hat die weibliche Zecke ihre 
Eier abgesetzt; dieselben sind znm Teil miteinander durch eine 
Masse verbunden, die von der weiblichen Zecke geliefert wird. 
Diese Masse enthält n. a. Harnkonkremente und kohlensauren 
Kalk und zwischen diesen dieEier verbindenden Harnkonkrementen 
ist es mir geglückt, den Parasiten zu entdecken. Bei der Unter¬ 
suchung habe ich jedoch gleichzeitig die Schalen der Zeckeneier 
aufgelöst; jedoch ist nicht anzunehmen, daß der Parasit in 
der Schale, die aus hartem Chitin besteht, leben sollte. Derselbe 
stellt als Oocyste eine Dauerform vor, die von den aus den 
Eiern schlüpfenden Larven aufgenommen wird. In den Ver¬ 
dauungsorganen derselben bildet sich die Oocyste weiter aus, 
ein Vorgang, der jedoch von mir nicht beobachtet worden ist; 
jedoch aus gewissen ähnlichen Erscheinungen bei anderen 
Haemosporidien, z. B. bei der Entwicklung des Tertiana- 
parasiten in Anopheles claviger kann man schließen, daß auch 
in der Larve eine gänzliche Umwandlung der Oocystenkerne in 
Sporozoiten erfolgt; diese Sporozoiten gelangen in die Speichel¬ 
drüsen der Larven und von dort durch die Mundöffnung der an 
dem Rinde festgesogenen Zeckenlarve in den Organismus des 
Rindes; hier wandeln sie sich in die oben beschriebenen ge¬ 
schlechtlichen Formen um. 

In dieser eben beschriebenen Form tritt der Parasit in den 
akut verlaufenden Fällen der Hämoglobinurie auf, welche 
schließlich mit dem Tode des Rindes endet. Die oben beschriebene 
Oocyste entwickelt sich jedoch nicht nur im Zeckenleibe weiter, 
sondern auch im Blute seines Wirtes zerfällt sie in kleine 
coccusähnliche Körperchen, die dieselben Farben wie die bim¬ 
förmigen Körper annehmen, und in den roten Blutkörperchen 
am Rande derselben einzeln, auch paarweise anzatreffen sind. 
Dieselben finden sich in mild verlaufenden Fällen, wobei sie 
durch ihr Eindringen in die Blutzellen dieselben nicht zum Zerfall 
bringen, wohl aber ihre Elastizität schädigen, so daß man in 
den feinsten Kapillaren diese infizierten Blutkörperchen oft stecken 
bleiben sieht, unfähig, sich durch die Zellröhre hindurch zu zwängen. 
Ferner treten diese Coccusformen bei ganz gesunden Rindern 
auf, die hierdurch Immunität — weil anf Blutharnweiden groß 
geworden — gegen die Infektion mit Pyrosoma besitzen. Außer¬ 
dem findet man sie bei Rindern, die die Krankheit überstanden 
haben, nach einigen Wochen im Blute; sie stellen also entweder in 
der Entwicklung gehemmte Formen von Pyrosoma vor oder 
Sporozoblasten, die aus der Oocyste sich entwickelt haben, aber 
sich nicht weiter zu Sporozoiten entwickeln können, da die Be¬ 
dingung zu dieser Entwicklung erst im Körper der Zecke ge¬ 
geben ist. Also beruht die Immunität der Rinder gegen 
Pyrosoma-Infektion auf dem Vorkommen von Sporozoblasten, und 
immunisieren wir ja auch künstlich, indem wir parasitenhaltiges 
Blut einem Rinde injizieren, wobei das Blut Parasiten enthält, 
die zur Weiterentwicklung den Leib der Zecke, nicht der 
Rinder gebrauchen, daher sie auch bei dem geimpften Rinde 
unvollkommene Sporozoiten aus Oocysten entwickeln, die wohl 
eine milde Form der Krankheit, nicht aber eine tödliche 
Infektion hervorrufen können. 

So wie nun die Recidive des Blutharnens, die sich in fast 
allen Fällen durch einen milden Verlauf auszeichnen und von 
Smith als eine besondere Form der Erkrankung („the mild 
type of Texas fever“) aufgefaßt worden sind, weil er eben die 
bei diesen Recidiven vorkommenden Coccenformen nicht zu deuten 
wußte, —durch Keime des asexualen Cyklus hervorgerufen werden, 


so sind die Recidive der tropischen Malaria, die häufig erst 
nach Wochen — selbst in der Heimat — anftreten, bedingt 
durch die vom Chinin vielleicht nicht beeinflußten Sphären und 
Halbmonde, d. 8. die sexuellen Keime, — nicht, wie Koch an¬ 
nimmt, durch Keime des asexualen Cyklus, die der Chinin- 
behandlung entgangen sind. Also bei der Malaria des Rindes 
haben wir Oocysten, die im Blute des Rindes zu unvollkommenen 
Sporozoiten zerfallen, statt erst im Zeckenkörper sich völlig zu 
entwickeln; diese asexualen Sporozoiten jedoch sind zur weiteren 
Entwicklung unfähig, sie können keine BirnformeD, d. h. keine 
Gameten entwickeln; andernfalls hätten wir ein Febris intermittens 
vor uns mit großen Intervallen, und heftige Recidive mit tödlichem 
Verlaufe wären die Regel. Für das Rind sind diese Hemmungs¬ 
und Dauerformen auch darin von Vorteil, daß dieselben das 
Rind immun machen. Auch beim Menschen, wie bei der Malaria 
des Rindes, sind es Formen, die man nicht erwartet, die zurück¬ 
geblieben sind, sterile Formen mit Degenerationszuständen, ohne 
gesetzmäßige Entwicklung, da man ÜbergangBformen von der 
runden in die eiförmige, Spindel- und halbmondförmige beobachten 
kann. Diesen atypischen Formen entspricht auch der atypische, 
chronische Verlauf des Fiebers, der häufig zu schwerer 
Kachexie führt. Nebenbei bemerken will ich, daß Chinin bei 
dieser Form sehr geringe Wirkung äußert; genau so aber 
zeigt der Bleizncker nicht die eklatante Heilwirkung bei 
dem Malariarecidiv des Rindes, sondern wirkt erst nach 
8—10 Tagen; jedoch ist von der Darreichung des Bleizuckers 
in diesen, ziemlich seltenen Fällen Abstand zu nehmen, da 
nach eingetretener Heilung die betreffenden Rinder sich nur 
langsam erholen und monatelang ein kachektiBches Aussehen 
darbieten. Zweifelhaft ist aber auch in diesen Fällen die 
Wirkung des Chinins, das jedoch in der akuten Form voll¬ 
ständig versagt. Weitere Versuche wären aber wünschenswert. 
Und sollte man nicht nach einem Analogieschlüsse bei den 
atypischen, chronischen, schweren Malariaerkrankungen von dem 
Bleizucker eine Heilwirkung erwarten können? Wie wenig 
werden bei den Infektionskrankheiten, besonders bei dem Studium 
des Heilungsvorganges, an welchem sich der Organismus aktiv 
durch Bildung von Schutzstoffen, passiv nach Einführung von 
Medikamenten beteiligt, die hierbei wirkenden natürlichen 
Faktoren berücksichtigt! In der gesamten Bakteriologie scheint 
die Ansicht zu herrschen, daß man es bei den betreffenden Vor¬ 
gängen — vom Eindringen des Mikroorganismus an bis zum Ab¬ 
schlüsse seiner Entwicklung, die entweder mit dem Tode des 
Trägers oder mit seiner eignen Vernichtung endet — mit etwas 
ganz Neuem zu tun habe, mit Geschehnissen, die, bisher un¬ 
bekannt, völlig neu entdeckt werden müßten. Und die Folge 
ist, daß jeder „Entdecker“ sich beeilt, dem Ding einen neuen 
Namen zu geben, so daß der unbefangene, naive Beobachter der 
Natur schon durch den W T ust von Namen vom Studium dieser 
interessanten Gebiete abgeschreckt wird. Wo etwas unklar ist, 
da wird zur rechten Zeit für dieses X ein Wort gesetzt. So 
z. B. Schutzstoffe = Alepine; Bakterien, Gifte haben jetzt nicht 
zwei Eigenschaften, sondern Gruppen; die eine davon ist die 
toxophore = gififührende Gruppe. Jedoch ist dies weder 
chemich noch physiologisch verständlich, wenn diese Theorie 
auf alle Toxine vom Amanita muscaria, dem Fliegenpilze be¬ 
zogen wird. Wenn Amanitin ungiftig, Muskorin stark giftig 
ist und Muskorin eben ein Atom Sauerstoff mehr besitzt, so ist 
eben der Sauerstoff in Verbindung mit Amanitin (= Muskorin) 

** 


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772 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 50. 


die Ursache der Giftwirkung. Genau so verhält es sich bei 
den Toxinen! Es werden eben bei dem Erklärungsversuch 
nicht die natürlichen Faktoren berücksichtigt, und glaubt man 
durch Umschreibung einer Sache (z. B. die Ursache dieser 
Krankheit ist nicht bekannt = sie hat einen kryptogenetischen 
Ursprung) den Vorgang selbst zu erklären. Andere Beispiele 
für diese Namensuche bietet die Malaria. Ookineten, Oocysten, 
Makro- und Mikrogameten, Sporozoiten kann man in jedem 
zoologischen Lehrbuche als Cyste, Pseudonavicellen, Sporen 
und Schwärmsporen wiederfinden. 

Viel schwerwiegender jedoch ist bei Erklärung z. B. der 
Toxinwirkung und der Antitoxinbildung das gänzliche Außer¬ 
achtlassen folgender physiologisch-chemischer Vorgänge, wobei 
zu fragen ist: Wie verhalten sich bei der Toxin- und Anti¬ 
toxinwirkung: 

1. Die Oxydationsvorgänge ? Sind dieselben stärker oder 
schwächer? Wobei zu beachten, daß jedes Fieber durch 
oxydative Vorgänge in Körperzellen und Steigerung der Zellen¬ 
tätigkeit hervorgerufen wird. 

2. Tritt eine Änderung der Reaktion, alkalischen wie 
sauren, im Blute wie in den Organen ein, wobei zu berück¬ 
sichtigen ist, daß Carnivoren und Omnivoren die Herabsetzung 
der Blutalkalescenz kompensieren können, Herbivoren jedoch 
nicht? Besondere Beachtung verdient hierbei das Nervensystem. 

3. Löslichkeit des Toxins und Antitoxins im Blute; Ver¬ 
halten von Eiweißlösungen zu derartigem Blute. 

4. Stickstoffgehalt der Toxine verglichen mit dem N-Gelialt 
der Alkaloide, Verhältnis des Sauerstoffes zum Stickstoff in 
letzteren, und wiederum die Beziehung des N-Gehaltes der 
Gifte zu dem N-Gehalte der Organe, wobei der Gehalt an Kohlen¬ 
stoff und Wasserstoff zu berücksichtigen ist. Nicht zu vergessen 
ist das Vorkommen von Plasmodien in den Organen und die 
Beziehung derselben zu den Toxinen. 

5. Der Gewebswasserstand im tierischen Organismus in ge¬ 
sundem und krankem Zustande. 

6. Ist zu beachten, daß Tier- wie Pflanzenzellen, die den 
Organismus aufbauen, lebende Wesen sind, die jedoch ihre 
Selbständigkeit verloren haben, indem sie zum Teil sich dem 
Gesamtorganismus, dem sie angehören, unterordnen müssen; 
daher arbeiten die Zellen des tierischen Organismus nach einer 
bestimmten Richtung, und je höher das sie enthaltende Wesen 
in der Entwicklungsreife steht, um so einseitiger, aber desto 
präziser und feiner wird die Arbeit, die diese Zellen verrichten 
müssen, ausgeführt. In der Amöbe sehen wir ein und dasselbe 
Protoplasma; die Ernährung, Aufspeicherung der Nahrung zur 
Reserve, Exkretion, Sekretion, Atmung, Bewegung und Fort¬ 
pflanzung besorgen letztere, nachdem der Zellkern oder beim 
Fehlen desselben das „Nucleidcentrum“ den Anstoß gegeben hat. 
Der Zellkern stellt in der Amöbe die männliche Geschlechtsform, 
das ihn umgebende Protoplasma die weibliche Form dar, welcher 
Unterschied darin zu erkennen ist, daß das weibliche Protoplasma, 
der eigentliche Zellleib bei weitem mehr Substanz enthält als 
der männliche Kern. Der Kern gibt genau wie das Samen¬ 
körperchen, das weiter nichts als ein ungebildeter Keim, aktiv 
den Anstoß zur Zellteilung, indem er sich in der weiblichen, 
gleichzeitig mütterlichen Zelle fortbewegt, zur Einnahme einer 
bestimmten Stellung und weiterer Differenzierung. Der männ¬ 
liche chromatinhaltige Kern gibt nur aktiv dem weiblichen Zell¬ 
protoplasma den Anstoß zur Teilung. Letzterer, anfangs passiv, 


enthält den Bildungsstoff für die Tochterzellen. So wunderbar 
ist das Protoplasma der Amöbe gebaut, so viele Verrichtungen 
führt lebendes Eiweiß aus! Was die Amöbe als Einzelzelle 
leistet, das leistet die Körperzelle in Verbindung mit zahlreichen 
Zellgenossen, zu Zellkomplexen verbunden. Deutlich wird hier 
das Spencersehe Entwicklnngsaxiom illustriert, das besagt: 

Merkmal jeder Entwicklung ist das Übergehen aus einer 
unbestimmten Gleichartigkeit zu einer bestimmten Ungleich¬ 
artigkeit. Der Amöbenleib besitzt alle Lebensfunktionen, jedoch 
unbestimmt, ohne Abgrenzung genaue, jedoch in gleichartiger 
Form, so daß die Atmungssubstanz gleichzeitig auch bewegungs¬ 
fähige Substanz ist. Der Mensch jedoch hat Funktionen, die 
auf bestimmte Organe verteilt sind, jedoch in Aussehen, 
Wirkungsfähigkeit und Stellung untereinander ungleichartig sind. 
Die einzelne Körperzelle nun hat nicht nur den Zweck, mit 
ihren zugehörigen Zellen die Bestimmung des von ihnen ge¬ 
bildeten Organs zu erfüllen, z. B. die Leberzelle hat nicht nur 
den Zweck, mit den übrigen Leberzellen Galle zu secernieren, 
sondern sie lebt außerdem im Leberzellenstaate ihr Sonder¬ 
dasein, d. h. ihr kommt außer der äußeren Sekretion noch eine 
innere Sekretion zu. Die erstere ist eine passive Funktion; 
von außen kamen absterbende Blutkörperchen, mit ausscheiden¬ 
dem Haemoglobin, das von der Leberzelle zu Gallenfarbstoff 
verarbeitet wird. Ist das aber alles? Unserer Zeit genügt es 
nicht mehr, die Leber dem toten Tiere zu entnehmen und diese 
tote Leber chemisch zu zerlegen, in Bestandteile wie Taurochol- 
säure, Glykokollsäure, Salze und andere Stoffe. Jedoch diese 
Stoffe bilden niemals zusammen mit Eiweiß eine lebendige 
Leber, in letzterer sind die erhaltenen chemischen Produkte 
niemals vorhanden, sondern nur lebendige Vorstufen d. h. Eiwei߬ 
verbindungen, die in chemischer Wechselwirkung jene Produkte 
mit anderen Organ Produkten austauschen. Diese lebendige 
Tätigkeit bewirkt das lebende Eiweißmolekül: Und doch nach, 
all den Arbeiten über die Abbauprodukte der Tierkörper stehen 
wir nicht einmal am Anfänge der Erkenntnis, ja selbst mit der 
Synthese der Eiweißkörper wäre das Rätsel des Lebens nicht 
gelöst; denn diese Stoffe, dem toten Organismus entnommen, 
zeigen niemals die Funktion, die sie im lebenden Tiere ausüben. 
Das lebende Eiweiß ist fortwährend labil, und diese Labilität 
ist wieder bedingt durch fortwährende Veränderung des um¬ 
gebenden Mediums, so daß Eiweiß nur durch und bei dauerndem 
Wechsel des Gleichgewichtszustandes lebendig wirken kann. 
Und dieser unerkannte Stoff, von dem wir so gar wenig wissen, 
soll mit komplizierten Seitenketten versehen Bein, die die Toxine 
abfaugen. Diese verfrühten Versuche können zur Erklärung 
der Toxin- und Antitoxinwirkung, da die wissenschaftliche 
Grundlage fehlt und da manches Ergebnis aus bakteriologischen 
Experimenten gegen sie spricht, noch keine Bedeutung bean¬ 
spruchen. Dies Innenleben der Zelle ist das Besondere, welches 
uns immer da entgegentritt, wenn wir glauben, die Rätsel der 
lebenden Zelle lösen zu können. Auf die gewöhnliche tägliche 
Reizung, die z. B. täglich durch eingeführte Nahrung erfolgt, da 
antwortet die Zelle mit gewöhnlichen äußeren, altbekannten Se¬ 
kreten: Galle, Trypsin, Pepsin usw. Sowie besondere nicht 
alltägliche Reize kommen, da secerniert die Zelle auch etwas 
Besonderes; so bei Tetanus, Diphtherie, einem Schlangenbiß, 
Bienenstich, ja bei jeder Vergiftung. Dann treten innere Se¬ 
krete zum Vorschein. Diese nicht alltäglichen Sekrete, die 
jedoch minimal abgeschieden im allgemeinen Stoffwechselleben 


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10. Dezember 1903. 


untergehend, anch täglich secerniert werden, schon um der 
eigenen Vergiftung der Autointoxikation zu entgehen, treten 
beim Kampfe mit den Mikroorganismen in Menge auf. Dieser 
Vorgang erscheint uns deswegen rätselhaft, weil wir die Körper¬ 
zelle niemals als selbständiges Lebewesen respektiert haben. 
Z. B. die Zelle der Speicheldrüsen secerniert nicht auf jeden 
Reiz hin, auch nicht proportional der Reizgröße, sondern sie 
handelt elektiv. Wir sind gewohnt nur Samenzellen und Leuko- 
cythen als sich bewegend anzusehen; aber es bewegen sich 
auch die Epithelien der Riechzellen, ja auch die Ganglienfort¬ 
sätze des Gehirns zeigen Eigenbewegung. Weiter unten be¬ 
gegnen wir dem Eigensekrete der Zelle noch einmal, dort 
wird sie uns erkennen lassen, was Toxin und Antitoxin eigentlich 
sind. Ferner ist es hochbedeutsam und trotz der Mahnung eines 
R. Koch doch unterlassen, eine Trennung zwischen Tier und 
Pflanze durchzufuhren, wenn es sich um Erklärung biologischer 
Vorgänge beim Verhalten der Mikroorganismen im tierischen 
Körper handelt Bekanntlich heißt es: Es gibt da keine Grenze 
bei diesen kleinen Lebewesen! Und doch wie klar wird uns 
manches, wenn wir die Herkunft, ob pflanzlich oder tierisch, 
betonen. So wundern sich Kos sei und Schütz, daß Pyrosoma 
bigeminum so schnell im Fleische blutharnender Rinder abstirbt 
und schon 12 Stunden nach der Schlachtung sicher zugrunde 
gegangen ist. Ja, sie nehmen sogar an, daß Stoffe in derartigem 
Fleische vorhanden sind, die diesen Parasiten schnell ertöten, und 
denken dabei sicher an eine eventuelle Impfung mit diesen 
„baktericiden“ Stoffen. Für mich hat dieser Umstand nichts 
Wunderliches! Schon physiologisch-chemische Elementarsätze 
erklären diesen Vorgang. Tier und Pflanze! Das Tier braucht 
eben Sauerstoff; und wenn auch Tiere ohne Sauerstoff eine 
Zeitlang existieren können, schließlich sterben sie doch. So 
habe ich gesehen, daß Ascaris mystax fünf Tage ohne Sauerstoff 
lebhaft sich bewegte, schließlich starb es doch an O-Mangel. 
Die Parasiten des Blutes wie Pyrosoma, Plasmodium malariae, 
Trypanosoma und andere (nehmen nun gern da den Sauerstoff, 
wo sie ihn am schnellsten bekommen können, das ist dort, wo 
die Oxydation nicht Aktivierung des 0 verlangt; das ist im 
Blut) brauchen zu ihrer Existenz ebenfalls den Sauerstoff; 
außerdem ist aber ihr Leben dort nur möglich, wo alkalische 
Reaktion vorherrscht. Je stärker ihr Medium alkalisch reagiert, 
um so wohler fühlen sie sich. So kann Pyrosoma unter anderem 
durch Zusatz von verd. Alkalien ziemlich lange in Be¬ 
wegung erhalten werden, und nimmt es erst nach einer Weile 
Kugelgestalt an. Was sind die Spermatozoen der Tiere ge- 
staltlich anders als amöboide Schwärmsporen, genau wie es 
Pyrosoma und Trypanosoma sind. Und schnell erfolgt der 
Tod der Samentierchen, wenn man Säuren auf ihre Körper 
gießt. Ihr Protoplasma selbst außerhalb der Geschlechtszellen 
nimmt schnell saure Reaktion an, d. h. es tritt der Tod ein. 
Dieses Absterben wird verhindert durch Zusatz von Alkalien. 
Wie wichtig ist dies, wenn man die pflanzlichen Organismen 
daraufhin untersucht. Diese fühlen sich nicht so wohl in 
alkalischen Lösungen, besonders da, wo die alkalische Reaktion 
auch eine schnellere Oxydation bedingt. Ihr O-Bedürfnis ist 
etwas ganz anderes. Beim Tiere ist es die Atmung, die Auf¬ 
nahme von freiem 0, bei den Pflanzen ist es eine Entnahme 
von 0 aus oxydierten Stoffen. Auf die Bakterien wirkt das 
Blut baktericid, je größer die Alkalescenz ist. Ist das Blut 
außerhalb des Körpers, dann sehen wir in ganz heißem Blut 


773 


noch keine Bakterien, wohl sehen wir aber Pyrosoma noch leben. 
Dann tritt bald ein Sauerwerden des Blutes ein (Entwicklung 
zu Haem-enzym! ?) und Pyrosma stirbt ab, die Säure tötet ihn. 
Jetzt ist aber die Bedingung zur Entwicklung pflanzlicher Lebe¬ 
wesen gegeben, und je älter das Blut, um so stärker wimmelt 
es von Bakterien. 

Jetzt beantwortet sich die Frage leicht, warum Pyrosoma 
so schnell im Fleisch blutharnkranker geschlachteter Rinder ab¬ 
stirbt. In jedem Fleisch, d. h. Muskel entwickelt sich nach 
dem Tode Myosin; es tritt Gerinnung des Muskeleiweißes, Muskel¬ 
starre ein, d. h. Pyrosoma muß infolge der Gerinnung ersticken, 
der Parasit wird durch die Gerinnungsmassen gewissermaßen 
erdrückt, keine Spur von 0 kann zu ihm gelangen, die Oxy¬ 
dation in den Muskelcapillaren hört auf. Andererseits tritt aber 
Säure, Fleischmilchsäure auf, der zweite Faktor, der dieser 
amöboiden Schwärmspore hiermit seine Existenz raubt. Eine 
Annahme von parasiticiden Stoffen ist überflüssig. 

Wie wenig der Unterschied zwischen Tier und Pflanze be¬ 
achtet wird, sehen wir besonders bei der Frage der Impfang. 
Wie kann man bei Versuchen mit Blutparasiten wie Pyrosoma 
und Trypanosoma von einer Methode der abgestuften Dosierung, 
von Abschwächung oder Erhöhung der Virulenz, durch Tier¬ 
passage, von Toxinbildung sprechen? Was haben die Versuche 
erreicht? Das Resultat war: Es gibt keine abgestufte Dosierung, 
denn kleine Dosen sind ebenso wirksam wie große. Ferner: 
Die Virulenz läßt sich nicht abschwächen oder erhöhen, es 
bildet sich kein Toxin. So können tausende Trypanosomen im 
Blut vorhanden sein, und die Tiere erscheinen gesund; das 
Blut oder Serum mit toten Trypanosomen, ebenso die aus den 
Organen kranker Tiere hergestellten Extrakte riefen keine 
spezifisch toxische Wirkung, riefen auch nicht den geringsten 
Grad von Immunität hervor; ebenso negativ wirkte Serum von 
unempfänglichen Tieren. Ferner riefen Diphtherieantitoxin- und 
Antistreptococcenserum keinen Schutz hervor. Welche Ursachen 
nun lagen diesen negativen Resultaten zugrunde, ja, noch mehr, 
welch logische Gründe verbieten derartige Versuche zum Teil, 
verlangen sogar dringend für die Vorgänge bei parasitären 
Infektionen eine neue Nomenklatur? Folgende Thesen sind da 
wieder ins Gedächtnis zu rufen: 

1. Die Pflanze hat keine begrenzte Gestalt, d. h. keine 
begrenzten Zellkomplexe, das Bakterium baut ins Ungemessene, 
Zelle aus Zelle mit denselben Eigenschaften, so daß 1 kg Rot- 
lanfbazillen eine bestimmte Größe ist, weil eine Zelle der andern 
gleicht. Diese Gewichtsmenge wird aber auch eine bestimmte 
Menge Toxin enthalten, nur so bestimmbar in jedem einzelnen, 
wenn wir nur wissen, wie ein einzelner Bazillus beschaffen ist. 
Das Pflanzentoxin nun ist nicht ein Sekret, Exkret, nicht einmal 
ein Ferment im allgemeiiien gesprochen, sondern es ist ein 
aufgespeichertes Produkt, da jede Pflanzenzelle eine Vorrats¬ 
kammer ist. Es ist ein Produkt, wie das Opium, das Chinin u. a. 
Alkaloide, jedoch nicht mit einem ersichtlichen Zwecke auf¬ 
gehäuft, sondern im Stoffwechsel nebenher entstanden, nicht 
einmal nutzbringend für die erschaffende Zelle, sondern ein 
Produkt, das die eigene SchaffneriD tötet, wenn sie sich von 
demselben nicht befreien kann. Dies Pflanzentoxin ist ein Aus¬ 
wurfstoff, der bisweilen von der Zelle abgeschieden, bisweilen 
erst erscheint, wenn die Zelle zerfällt. Das Tier dagegen häuft 
nicht auf, es verbraucht, es wählt seine Nahrang, es sucht die¬ 
selbe. Wenn wir ein Toxin bei Haematozoen suchen, so kann 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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774 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 50. 


es nnr ein solches sein, wie es die Bienen, Schlangen, Skorpione u.a. 
erzeugen; undenkbar ist aber ein Toxin, wie es die Bakterien 
liefern. Wir können »nicht von dem Pankreas sagen: 1000 g 
Pankreas erzeugen genau x g Trypsin, mithin enthält in diesem 
Falle das Pankreas 5000 Drüsenzellen. Die tierischen Organe 
sind keine bestimmbaren Größen, nur Gott könnte die unendlichen 
Beziehungen der verschiedenen Organe unter sich feststellen, 
jedoch diese Beziehungen sind unendlich, und unendlich variabel 
ist die Menge der Sekretion je nach dem Verhalten eines Organs 
zu dem andern. Wie es aber mit den zusammengesetzten Zell¬ 
komplexen des hoch entwickelten Mitteltiers sich verhält, dasselbe 
Verhältnis herrscht auch in dem scheinbar einfachen Hämatozoen. 
Wohl wird Pyrosoma auch ein Toxin liefern — vergleichbar 
mit dem Speichel oder Magensaft — doch dies Toxin nennen wir 
in erster Linie Sekret. Dies toxische Sekret wirkt zerstörend 
auf die roten Blutkörperchen ein, und muß ähnlich dem Gift 
der Skorpionen, Bienen, Schlangen sauer reagieren, mindestens 
aber neutral, weil es eben die roten Blutkörperchen zerstört 
und hauptsächlich darum, weil die Alkalescenz des Blutes schon 
vor der bedeutenden Abnahme der Zahl der Blutkörperchen 
schwächer wurde. Die Dissolutio sanguinis weist auch darauf 
hin, daß dies Sekret analog dem Schlangengift gebaut sein 
muß. Beim Zerfall der roten Blutkörperchen kommt nun zu 
der Säurewirkung der Parasiten die Säurewirkung der roten 
Blutkörperchen selbst durch Freiwerden des „Haemenzyms*) hin¬ 
zu, und der Zerfall wächst. Der Parasit aber verschwindet aus 
dem Blute, weil er nur bei genügend starker alkalischer Reaktion 
existieren kann. Der Zeitpunkt von Haemenzymwirkung läßt sich 
dadurch bestimmen, daß an dem betreffenden Tage die Abnahme 
der Blutkörperchenzahl plötzlich ohne Übergang bedeutender wird 
und gleichzeitig die Temperatur sinkt; ja die Temperatur fällt 
sogar rapide, weil eben die oxydativen Vorgänge nachlassen. 
Die Besetzung der roten Blutkörperchen mit Parasiten allein 
genügt nicht zu dieser rapiden bedeutenden Dissolutio sanguinis; 
dasselbe ist auch bei der Malaria des Menschen anzunehmen. 
Noch ein Wort über die Säure Wirkung! Der Parasit, der in 
einem derartig zerstörten Blute sich aufhält, wird in kurzem 
von der entstandenen Säure — ich spreche von Säure, das Blut 
jedoch reagiert in diesen Fällen gewöhnlich neutral — vernichtet. 

Was hierzu nun die Säure des Blutes, eventuell sein 
eigenes Sekret, macht, d. h. den Tod des Parasiten herbei¬ 
führt, das bringe ich therapeutisch durch Eingeben von 
Säuren oder von essigsaurem Blei zustande ohne Läsion 
der roten Blutkörperchen. Nach dem essigsauren Blei, 
das neben der Acidwirkung noch andere heilende Eigen¬ 
schaften bei der Malaria des Rindes entwickelt, so daß es nach 
meinen Untersuchungen kein zweites Medikament gibt, das der¬ 
artig günstig auf den kranken Organismus wirkt, sind es die 
Säuren, die frappante Heilwirkungen zustande bringen: so die 
Essigsäure und Schwefelsäure.**) So erzählt Pottier in einem 
Briefe an den Veterinärpathologen Delafond, daß er mit einer 
Dose seiner Breurage adstringent (Eau de Kabel = Acid. 
sulfur. 30,0, Alcohol dilut. 90,0, Aqn. 1000,0) 200 Rinder schnell 
geheilt habe.***) 

*) Analoge zu diesem Vorgänge suche man bei Trypanosoama 
und Plasmodium malariae, daß die oft rapid fallende Temperatur 
dem Blutzellenzerfall durch ihr Sinken Einhalt gebietet. 

**; Volksheilmittel beim Blutharnen der Rinder ist saure Milch. 

***l Ich hoffe, durch meine, in dem zu veröffentlichenden Buche 
niedergelegten Arbeiten über das Blei dasselbe wieder in die erste 


Unter anderem vernichten die Säuren die Parasiten direkt 
im Blute; diejenigen Blutkörperchen bleiben erhalten, die vom 
Parasiten nicht besetzt worden waren, und die infizierten Blut- 
zellen werden allmählich dem Kreisläufe entzogen. Dies 
„Haemenzym“ wirkt aber noch an anderer Stelle parasiticid, 
und zwar in der Galle. Die Galle enthält die Trümmermassen 
der roten Blutkörperchen, abgestorbene Parasiten und schließlich 
das Haemenzym in modifizierter Form (in den Gallensäuren und 
im Bilirubin? Ist vielleicht das „Haemenzym“ modifiziertes 
„Haemoglobin“ ?). Das ist die Ursache der antitoxischen Wirkung 
der Galle, und daß meine Ansicht richtig ist, beweist, daß die 
Galle bei Trypanosoma-Infektion immer haematozoenfrei ist und, 
mit Haematozoenblut gemischt, den Parasiten schnell zerstört; 
solches Blut, mit Galle gemischt, verliert schnell seine patho¬ 
genen Eigenschaften. Diese immunisierende Eigenschaft hat 
aber die Galle auch bei Tollwut und bei Präventivimpfungen 
gegen Schlangenbisse. Wir sehen also, daß dies Gallen-Anti- 
toxin etwas ganz anderes ist, als das Antitoxin gegen 
Bakterien*). Es würde jedoch den Rahmen eines Aufsatzes 
weit überschreiten, wenn ich das Verhalten der Galle bei 
bakteriellen Infektionen schildern wollte, so interessante und 
nach anderer Richtung positive Ergebnisse hierbei zu erzielen 
sind. Es sei mir gestattet, diesen weitschweifigen Auseinander¬ 
setzungen folgende Thesen anzufügen, um aus dieser Ab¬ 
handlung nicht noch ein Buch zusammenzuschreiben; neben einer 
loquacitas senilis gibt es eben auch eine loquacitas aus Liebe 
zur Sache! 

Diese Thesen sind auf logischen und experimentellen Grund¬ 
lagen aufgebaut und haben sich bisher sämtlichen Versuchen, 
die überhaupt von Bakteriologen angestellt wurden, angepaßt. 

I. Immunität bei der Malaria der Rinder. 

1. Natürliche, erworbene Immunität durch Überstehen des 
Blutharnens ist bedingt durch das Vorkommen von ungeschlecht- 
liehen, degenerierten Hemmungsformen von Pyrosoma bigeminm: 

a) ungeschlechtlich, weil ähnlich den Sporozoiten in der 
Zecke; 

b) degeneriert, weil unvermögend, die roten Blutkörperchen 
zu zerstören. Dieselben sind aber nicht mehr elastisch; 

c) Hemmungsformen durch neue Entwicklung, weil wir 
sonst einen neuen Anfall zu erwarten hätten, und Fehns inter- 
mittens, wie bei der Malaria des Menschen, allerdings dann 
mit langen Intervallen. Die Malaria der Rinder stellt eine 
steigende Febris quotidiana continua malariaformis dar. 

Der Mensch jedoch wird durch Überstehen der Malaria 
nicht immun, weil 

Reihe der Medikamente einreihen zu können, zumal der Bleizucker 
bei der Malaria des Menschen dort noch heilend wirkt, wo das 
Chinin schon längst versagt hat, so bei dem schweren, durch die 
Lavcraniaform bedingten, atypisch verlaufenden Malariafieber, das 
gewöhnlich mit schwerer Kachexie endigt. All diese Thesen sind 
durch schwerwiegende Beweisgründe gestützt, die ich selbst biB 
jetzt nicht widerlegen konnte; so riet mir speziell wegen dieses 
Punktes Geh. Rat R. Virchow, als ich ihm Präparat über Febris 
intermittens beim Pferde demonstrieren durfte, zur Veröffentlichung, 
weil derselbe von meiner Ansicht überzeugt schien. 

*) Und auch im Sinne des Bakterientoxins wird bei parasitären 
Krankheiten kein Toxin gebildet! Ich bitte zu beachten, daß in 
diesem Aufsatze das vorliegende Thema nur flüchtig gestreift wird, 
während in meinem Buche wuchtige Argumente diesen Neubau 
stützen. 


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10. Dezember 1903. 


a) er nur der Zwischenwirt ist, d. li. 

b) in seinem Blute nicht der entwickelte, geschlechtsreife 
Parasit, wie beim Rinde, vorhanden ist, sondern derselbe erst 
in der Mücke seine Ausreifung erfährt. Diese geschlechtslose 
Form entwickelt sich immer wieder in dem Blute, und jeder 
Entwicklungsabschluß ist bezeichnet durch einen neuen Fieber¬ 
anfall, bis schließlich der Parasit den menschlichen Organismus 
verläßt und, von der Mücke aufgenomraen, in derselben nur eine 
einmalige Entwicklung durchmacht. DaB ist eben das ma߬ 
gebende für die Nichtimmunität des Menschen, daß die unge¬ 
schlechtlichen Formen sich in seinem Körper immer wieder ent¬ 
wickeln, daher für den Parasiten der Mensch nicht der dauernde 
Aufenthaltsort ist. 

2. Künstlich erworbene Immunität ist nur möglich 

A) Durch Iufektion mit Pyrosoma und dadurch herbei¬ 
geführte Erkrankung. Frisches, direkt einem kranken Tiere 
entnommenes Blut wird in den meisten Fällen eine schwere 
Erkrankung herbeiführen, im anderen Falle bei Einführung von 
Blut eines geheilten Rindes führt mau Danerformen ein, und 
hiermit liegt dasselbe Verhältnis wie bei natürlich erworbener 
Immunität vor; unter Umständen jedoch tritt schwere Erkrankung 
ein, falls noch Gameten vorhanden sind. 

B) durch Einführung von Stoffen, die entweder den Para¬ 
siten selbst töten oder auf sein Sekret hemmend wirken 

a) parasiticid wirkt bei der Malaria des Rindes Bleizucker. 
Dasselbe wirkt prophylaktisch, d. h. für kurze Zeit immuni¬ 
sierend und heilend, wie das Chinin bei der Malaria des 
Menschen. 

b) sekrethemmeud. Diesen Punkt, da meine Versuche 
hierüber noch nicht abgeschlossen sind, übergehe ich. Nur er¬ 
wähnen will ich, daß auf solchen sekretvernichtenden oder 
hemmenden Stoffen die Immunität der infizierten Anopheles be¬ 
ruhen wird, und dasselbe auch bei Ixodes der Fall sein wird. 
So tritt z. B. beim Rind keine Erkrankung ein, wenn man den 
Inhalt von acht bis zehn vollgesogenen Zecken mit Blutserum 
gemischt einem Rinde intravenös injiziert und dasselbe dann 
eine Stunde später mit Pyrosoma infiziert. Andererseits kann 
aber dieser Schutz vielleicht auch nur auf Infektion mit ge¬ 
schlechtslosen Formen beruhen, die sich genau so verhalten wie 
die oben genannten „Dauerformen“. Jedenfalls rate ich zum 
Versuche, Menschen durch Einführung infizierter Quetschmassen 
von Anopheles zu immunisieren, jedoch müßte das zu der Zeit 
geschehen, wenn der Parasit noch in der Oocyste sitzt, d. h. 
unvollkommen entwickelt ist, also ungefähr drei bis fünf Tage, 
nachdem sich Anopheles am Menschen infiziert hat. Andernfalls 
erzielt man eine ausgesprochene Malaria. 

Was das Sekret bei Pyrosoma anbetrifft, so entspricht 
dasselbe den Tiergiften, wie z. B. dem Gifte der Schlangen, 
Bienen (Wespen, Hummeln), Spinnen usw. Diese enthalten ein 
in ihrem Körper kreisendes Gegengift. 

a) Letzteres macht, mit dem Drüsengift gemischt, dasselbe 
wirkungslos. 

ß ) Dies Gegengift, Säugetieren subkutan injiziert, schützt 
dieselben auf längere Zeit gegen durch Biß oder Stich einge¬ 
führtes Toxin. Ich habe den Beweis hierfür erbracht an Kaninchen 
für Wespen-, Hummel- und Schlangengift (Pelias berus). So 
habe ich Kaninchen gegen die Einführung und Wirkung von frischen 
Sekreten aus 25 Giftdrüsen von HummelD, 30 Drüsen von 


775 


Wespen, 20 Giftdrüsen von Pelias berus vollkommen schützen 
können.*) 

II. Wesen und Wirkung der pflanzlichen Toxine. 

1. Sie enthalten bestimmt C, H und N neben anderen 
Elementen. 

2. Sie stehen in ihrer Zusammensetzung dem Neurin und 
der Art Lecithin nahe; auch ist eine Beziehung zu Nuclein, 
sowie den NucleinBäuren vorhanden.**) 

3. Die Toxine wirken um so giftiger, je weniger N sie be¬ 
sitzen und je hochwertiger das N ist. 

4. Der Vorgang der Toxinwirkung besteht: «) in einem 
Oxydationprozesse; /?) in unaufhörlicher Oxydation und Re¬ 
duktion, wobei N der Träger dieses labilen O-Atoms ist; y ) 0 
wird zum Teil der der Zelle zuströmenden Flüssigkeit ent¬ 
nommen und hierdurch die innere Gewebsatmung verhindert, d. h. 
eine innere Erstickung und Tod der Zelle herbeigeführt. Bei 
akutem Verlaufe ist daher der anatomische Befund negativ; 
tf) Die Toxine stehen ihrer Wirkungsweise nach den Alkaloiden 
und Tiergiften nahe, und zwar so, daß die Tiergifte in der Mitte 
stehen. 

Was die Antitoxinbildung und -Wirkung betrifft, so muß ich 
hier auf mein Buch verweisen, zumal das Antitoxin gegen 
Bakterien und ihre Gifte nicht direkt hierher gehört, weil bei 
hämoparasitären Krankheiten eben eine derartige Substanz nicht 
gebildet wird. Nur eine von mir entdeckte Tatsache möchte 
ich über die uns hier interessierende Wirkungsweise der Alkaloide 
darlegen. In jedem Lehrbuche der Pharmakologie wird von der 
Wirkungsart der Alkaloide gesprochen, daß diese bei ihrem 
Verhalten in bezug auf das Nervensystem die Nervenkomplexe 
angreifen, jene dieselben verschonen oder daß der Hauptangriffs¬ 
punkt sich gegen die und die Zentren richte oder daß das Alkaloid 
nicht die geringste Wirkung gegen ein bestimmtes Zentrum habe. 
Das ist nicht richtig. Es wird immer das ganze Nervensystem an¬ 
gegriffen, keine Ganglienzelle bleibt vom angreifenden Alkaloide 
verschont, soweit dasselbe eben nicht örtlich wirkt wie z. B. 
in Salbenform oder im Augenwasser. Die Wirkungslosigkeit 
auf bestimmte Organe beruht darauf, daß diejenigen Teile des 
Alkaloids, die diese Organe befallen, erst wirkungslos ge¬ 
macht werden durch chemische Bindung, was von mir positiv 
nachgewiesen ist, für Stjychnin und Veratrin am Frosche, der 
doch so sehr empfindlich gegen diese Gifte ist, und zwar in der 
WeiBe, daß ich diese Alkaloide mit derjenigen Nervensubstanz 
mischte, die im Experiment uns immer als scheinbar intakt er¬ 
schienen und sie dann in der doppelten Menge des Giftes, als 
sie das Kontrolltier erhielt, dem Frosche injizierte. Der Kontroll- 
frosch starb, der andere lebt heute noch. Die praktische Nutz¬ 
anwendung ist in meinem Buche nachzulesen. 

Manche hier erörterten Tatsachen widersprechen den 
Ehr lieh sehen Theorien. Nach meiner Ansicht sind dieselben 

*) Wie nötig auch hier ia Preußen ein Schutz- und Heilmittel 
gegen Schlangenbisse tut, das beweist eine Statistik, die ich in 
Pollnow über von Kreuzottern gebissene Personen und über die 
Anzahl von dort vorkommenden Schlangen aufgestellt habe. So 
besitze ich die Spirituspräparate von ca. 2500 Kreuzottern, die ich 
vom 1. Januar 1899 bis 1. April 1902 gesammelt habe; da kommen 
für 270 Tage (3X90 Tage, da die Winterhalbjahre abzuziehen sind), 
ungefähr 10 Kreuzottern auf einen Tag. 

**) Ich drücke mich absichtlich so vorsichtig aus, da mir bisher 
die organische Analyse meiner Präparate wegen fehlender Apparate 
unmöglich war. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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776 BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. No. 50. 


als verwirrend und nur Umschreibungen darbietend aufzngehen. 
Der Kern der Ehrlich sehen Lehre bleibt trotzdem, wie alles 
Gute, bestehen; die Terminologie aber erinnert an längst ver¬ 
flossene und glücklich überstandene Zeiten, an das Zeitalter 
eines Hegel und der „naturphilosophischen“ Schule. Wir 
wollen keine Natnrphilosophen, sondern natürlich philosophierende 
Menschen sein. 

Referate. 

Motorische Trigeminaslähmang beim Pferde. 

Von Militärveterinär Wilh. Meyer, München. 

(Monatshefte für prakt. T., 14. B., 1. und 2. Heft, S. CO—83.) 

Ein fünfzehnjähriger Wallach, zuvor nie krank, zeigt 
Koliksymptome und wird dementsprechend behandelt. Das 
Leiden nimmt protrahierten Verlauf. Es besteht elftägige 
Koprostase. Patient vermeidet möglichst jede Nahrungsaufnahme, 
zeigt vom 4. Tag an unter dem rechten Ohr erhöhte Druck¬ 
empfindlichkeit, versucht am 12. Tag etwas Hafer aufzunehmen, 
wobei erhebliche Kaustörungen zutage treten, sodaß das Futter der 
Maulhöhle wieder entfällt, Kopf und Hals abnorm gestreckt, 
die Mastikation von lautem Schmatzen begleitet wird. Weiter¬ 
hin stellt sich Erschlaffung und Atrophie der rechtsseitigen 
Kanmuskulatur ein, völlige Speichellosigkeit, Druckempfindlich¬ 
keit auch links; der Kopf wird zeitweise konstant nach links 
gehalten; allmählich geht die Sensibilität an Zunge, Zahnfleisch, 
Kinn, Unterlippe, Ohr- und Schläfengegend verloren. Nach 
70 Tagen Tötung. 

Kadaver fettarm; Brust- und Baucheingeweide ohne Ab¬ 
weichung; Rektum enorm erweitert, Schleimhaut wulstig verdickt, 
Wandungsmuskulatur hypertrophisch. Kaumuskulatur und Zunge 
atrophisch. Dura mater an Durehtrittsstellen der Gefäße und 
Wandungen der letzteren selbst etwas verdickt. Die nasale 
Medulla oblongata, Praepons und teilweise Pons werden auf 
25—30 mm ihrer Längsrichtung von einer tiefroten zottigen 
Wucherung scheidenartig umschlossen, die Gehirn- und Medullar- 
basis nur wenig überragt, in letztere eine U /2 cm breite 
Querrinne imprimiert hat, seitlich sich mehr ausdehnt und rechts 
Bohnengröße erreicht. Es ist ein veno-angiomatöses Papillom 
ans dem Gebiet des hinteren Marksegels und seiner Adergeflechte. 

Die isolierte motorische Trigeminusparalyse ist beim Pferd 
selten, ist meist einseitig, höherem Alter eigen, gewöhnlich' 
zentral, mit sekundären Darmstörungen als ersten Symptomen 
einsetzend, stets tödlich. Im besonderen Falle war die Aus¬ 
mittelung eines „Druckpunktes“ interessant, einer schmerzhaften 
Stelle unter dem Ohr. 0. Alb recht. 

Stenose des Leerdarms bei einem Pferd. 

Von Dr. Zürn-Hannover. 

(Deutsche Tierfirztl. Wochenschr. 1903. S. 289 f.) 

Eine neunjährige Stute frißt seit einer Woche schlecht und 
nimmt schließlich nur noch etwas Wasser auf. Sie ist gut ge¬ 
nährt, gut im Haar, ruhig, aufmerksam. Temperatur 39,5. 
Pulse 65. Konjunktiven schwach ikterisch. Hinterleib voll, 
Bauchdecken wenig gespannt; Perkussion der Dickdarmlagen 
ergibt rein tympanitischen, in der rechten unteren Lage gedämpft 
tympanitischen Ton. Peristaltik lebhaft. Kot locker geballt, 
stark durchfeuchtet, sauer und faulig riechend, sauer reagierend. 
Harn spärlich entleert, rotgelb, wenig schleimig, sauer, eiwei߬ 
frei, Gallefarbstoffe und viel Indikan enthaltend. Diagnose: 
akuter Magendarmkatarrh. 


Medikation: 15,0 Kreolin pro die zur Minderung der Eiwei߬ 
fäulnis; später Sal Carol. fact. 75,0 pro die; später kombiniert 
mit Rad. Gent. 25,0. Schnelle Besserung, Schwinden des Ikterus, 
Temperatur 38,0, Pulse 39—40, Futter und WaBseraufnahme. 
Fäces locker, ohne Fäulnisgeruch. Indikangehalt des Harnes 
physiologisch. Nach zwei Tagen Inappetenz. Schmerzäußerung 
bei Wasseraufnahme. Wiederauftreten der beschriebenen Symp¬ 
tome, Kolik. 

Dieser Krankheitsverlauf mit Besserung und Rezidiven 
wiederholt sich in sechs Wochen fünfmal. Der Patient wird 
immer schlaffer und träger. Blind- und Grimmdarm ist mäßig 
mit Futterbrei gefüllt, der Blinddarm nicht erweitert, seine Wand 
nicht paretisch; weder am Colon, Coecum, Rectum findet sich 
Stenosierung, Konkrementbildung, Verwachsung mit der Bauch¬ 
wand; die Milz ist unvergrößert. — Differentialdiagnostisch 
wird eine Magenaffektion ausgeschlossen durch die zeitweilig 
erhebliche Futteraufnahme, das Fehlen von Gastrophiluslarven 
im Kot selbst nach SchwefelkohlenstoflfapplikatioD, von Er¬ 
scheinungen wie Rülpsen, Brechreiz. Da die Anfälle nach 
Aufnahme eines ganz bestimmten Futterquantums, d. i. bei 
bestimmter Darmfüllung und allmählich auftraten, wird eine 
Stenose, wegen des dabei auftretenden Ikterus, in Nähe der 
Gallengangsmündung diagnostiziert. 

Die Körperparenchyme, Bauchfell, Baucheingeweide des ge¬ 
schlachteten Tieres zeigen keine Anomalie, nur die Leerdarm¬ 
schlingen, vom Pylorus 4,9 m entfernt, eine Verwachsung. Zwei 
Leerdarmpartien sind mit einem sehr derben, stark verengerten, 
6 cm langen Leerdarmabschnitt anal und duodenal durch lockeres 
Granulationsgewebe zu einem Stück verwachsen, von dem drei 
verschieden lange Darmschlingen ausgehen. Das verengerte 
Darmlumen ist nur für einen Bleistift durchgängig, die Darm¬ 
wand daselbst von bindegewebigem Bau, davor von normaler 
Struktur, doch dreifach verdickt. — Es schoppte sich also der 
Speisebrei vor der stenosierten Stelle an, wurde von der hyper¬ 
tropischen Muskulatur zunächst noch fortbewegt, dann nicht mehr 
bewältigt, verursachte cirknmskripte Enteritis, Kolik, immer 
neue Verwachsungen und so die jeweiligen Krankheitsanfälle. 

0. Albrecht. 

Recidive beim Tetanus. 

Von Tierarzt Mougneau-Libourne. 

(Revue g6n. de m£d. vH. 1. November 1903.) 

Eine vierzehnjährige Stute (schwerer Zug) erkrankte am 
1. Dezember 1902 an Ectanus. Die Krankheit verlief rasch 
und akut. Als Infektionspforte wurde eine Druckverletzung an 
der Schulter festgestellt. Die Behandlung bestand in Desinfektion 
der Wunde mit Sublimat, Injektion von Tetanusantitoxin (im 
ganzen 50 Kubikzentimeter der vom Institut Pasteur in Paris 
verkauften Lösung), Chloralhydrat uud Atherklystiere, Ver¬ 
dunkelung des Stalles, am dritten Tage Glaubersalz. Der Trismus 
und das Vortreten der Nickhaut ließen am vierten Tage nach, 
die definitive Besserung konnte am sechsten Tage als vorhanden 
erklärt werden. Am 15. Januar 1903 konnte das Tier wieder 
in Dienst genommen werden. 

Anfang September 1903 zog sich das Tier einen Nageltritt 
zu, der zuerst vom Hufschmied behandelt wurde. Am 6. trat 
Starrkrampf ein unter denselben starken Erscheinungen wie 
neun Monate vorher. Die gleiche Behandlung wurde eingeleitet 
und Patient geheilt. Zündel. 


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10. Dezember 1903. 


Horse-Sickneß, ihre Entstehung und Ausbreitung. 

Von Herbert WatkinB Pitchford, 
Gouv.-Bakteriologe und Direktor im Veterinärdepartement von Natal. 

(Vet. Record 1903, Nr. 776.) 

Schon im Mai 1902 berichtete P. kurz von seinen Be¬ 
obachtungen über diese, wahrscheinlich nicht nur in Natal, 
sondern in ganz Südafrika vorkommende Pferdesenche. Die 
Vermutung, daß es eine malariaartige Krankheit sei, hat sich 
bestätigt, denn sie entsteht auf ähnliche Weise wie das Wechsel¬ 
fieber des Menschen durch den Stich gewisser Insekten, wobei 
der Krankheitserreger übertragen wird. Wenn P. denselben, 
sowie seinen Zwischenträger auch noch nicht nachweisen konnte, 
so bezeugte doch ein sechsmal wiederholtes Experiment die 
Richtigkeit seiner Annahme. Pferde, welche in einem gegen 
das Eindringen von Fliegen sorgfältig mit Netzen geschützten 
Stall beständig gehalten wurden, blieben gesund, während die 
außerhalb aufgestellten Kontrollpferde in die Krankheit verfielen. 

Es bleibt nach den vorliegenden Mitteilungen noch viel zu 
tun, um das über die Pferdekrankheit in Natal schwebende 
Dunkel weiter zu lichten. Verf. will seine Bemühungen zunächst 
darauf richten, den Pferdeorganismus durch eine häufig wieder¬ 
holte Einverleibung kleiner, nicht letaler Gaben des Virus 
gegen die natürliche Infektion zu schützen. Peter. 

Über Ester Dermasan, ein nettes, äußerlich anwendbares 
Salicylpräparat. 

Von Dr. Lemke-Berlin. 

(Wochenschrift f. T. u. V. 1S03, S. 414—416) 

Ester Dermasan ist eine weiche, überfettete, leicht resor¬ 
bierbare Seife, der je 10 Proz. Salicylsäure und leicht resorbier¬ 
bare SalicylsäureeBter mit Benzyl- nnd Phenylradikalen ein¬ 
verleibt sind. Gute Heilerfolge, die Prof. Hoffa mit dem Präparat 
erzielte und über die der Verfasser einleitend referiert, veranlaßten 
Lemke, es auch in der tierärztlichen Praxis zu versuchen. 

Beim Pferd erreichte er in fünf Fällen von frischen Distor¬ 
sionen des Fessel- und Ivrongelenks mit Lahmheit Heilung in 
durchschnittlich 8, in einem Falle in 3 Tagen, in einem Fall 
von Kontusion der Hüftgelenksmuskulatur mit hochgradiger 
Lahmheit wesentliche Besserung in 4 Tagen. Auch bei Phleg¬ 
monen und Elephantiasis hatte er damit Erfolg; ja er will sogar 
Spat, nicht nur in zwei Fällen, wo er „frisch entstanden“ war, 
unter gleichzeitiger Beschlagsregelung durch DermaBangebranch 
in drei Wochen geheilt, sondern selbst ein durch Erkrankung 
an Spat wertlos gewordenes und erfolglos gebranntes Rennpferd 
mittelst dreiwöchiger Dermasananwendnng bedeutend gebessert 
haben. 

Bei Kühen fand er es in drei Fällen von Mastitis bewährt; 
bei Hunden in zwei Fällen von Muskelrheumatismus nach erfolg¬ 
loser Vorbehandlung mit Salipyrin und Natrium salicylicura. Er 
ließ dabei den Patienten den Rücken kahl scheren und ihn dann 
täglich zweimal einreiben. Besondere Erfolge verspricht sich 
Lemke von der Anwendung des Mittels bei Affektionen der 
Sehnen und Sehnenscheiden. Dabei sei die Haut zuerst mit 
Seife und Wasser zu reinigen und völlig zu trocknen, sodann 
Dermasan 2 bis 3 Minuten lang hineinzumassieren. 

Der Verfasser, der das Präparat für den tierärztlichen Ge¬ 
brauch etwas hat modifizieren lassen, bittet Kollegen, die es 
etwa versuchen sollten, ihre Erfahrungen zu veröffentlichen. 
Der Fabrikant ist Dr. Reiß, Berlin, Invalidenstraße 101. 

0. Albrecht. 


777 

Wochenübersicht über die medizinische Literatur. 

Von Dr. JeM-Charlottenburg, 

KreUtl erftrat. 

Münchener Medizinische Wochenschrift Nr. 46. 

Die Äthernarkose in Verbindung mit Morphium-Skopolamlninjek- 
tionen; von Dr. Hartog. Verfasser empfiehlt als Dosis y 2 bis 
1 Stunde vor Beginn der Narkose V 2 Skopolamin und 1 cg 
Morphium subkutan. Die Vorteile sind ruhiges, langsames Ein¬ 
schlafen, ohne stärkere Exzitation, kein Erbrechen während der 
Narkose, auch fehlen die Übelkeit und die Kopfschmerzen beim 
Erwachen. Stärkere Salivation wurde fast nie beobachtet. 
Aus diesen Gründen empfiehlt Verfasser die Anwendung dieser 
kombinierten Narkose. 

Münchener Medizinische Wochenschrift Nr. 47. 

Über primäre Tuberkuloseinfektion durch den Darm; von Dr. 
Oskar Wagner. Mit einem Vorwort von A. Heller. R. Koch 
hatte auf dem Tuberkulose-Kongreß gesagt, daß in Deutschland 
alle Autoren das Vorkommen der primären Darmtuberkulose als 
sehr selten bezeichnen, jedoch mit einer Ausnahme von Kiel, 
woselbst Heller 37,8 Proz. primäre Darmtuberkulose beobachtet 
haben wollte. Gegen diese Ausführungen Kochs wendet sich 
Heller und gibt an, daß die Erklärung der Widersprüche sehr 
einfach ist, indem er meint, entweder sind die betreffenden 
Sektionen nicht sorgtältig und nicht vollständig gemacht, oder 
es gilt von den Sezierenden das biblische Wort: „Sie haben 
Augen und sehen nicht.“ Die Arbeit ist noch nicht abgeschlossen 
veröffentlicht. 

Die Nilbiaubase als Reagens auf die Kohlensäure der Luft; von 
Professor Dr. Martin Heidenhain in Tübingen. Die Empfind¬ 
lichkeit der Nilblaubase ist so eklatant, daß, wenn man eine 
geringe Menge der feuerroten Lösung der Base über einen 
Bogen Fließpapier gießt, die Flüssigkeit sofort tiefblau wird. 
Auch wenn man zur. Feststellung der Kohlensäure der Aus¬ 
atmungsluft mit einem Glasröhrchen in eine verdünnte Lösung 
der Base hineinbläst, so tritt sofort eine Bläuung ein. 

Die Behandlung des Erysipels mit Bierhefe. Professor Czisto- 
wicz teilt in der Jswestija Wojenno-Medizinskoi Akademii 
(Bulletin der militär-medizinischen Akademie) seine Versuche 
mit Bierhefe an 28 Erysipelkranken mit. Es wurden von der 
frischen Hefe dreimal täglich bei Erwachsenen drei Eßlöffel 
voll mit Bierhefe gemischt verabfolgt. Nach drei Tagen trat 
Temperaturabfall ein nnd das Erysipel ergriff keine neuen Haut¬ 
stellen. Ein Todesfall wurde nicht beobachtet. 

Deutsche Medizinische Wochenschrift. 47. — 1903. 

Über die Diagnose des Ulcus ventriculi mittelst Nachweises 
okkulter Blutanwesenheit in den Fäces; von Dr. Boas. B. legte 
speziell Wert auf den okkulten Blutbefund in den Fäces. 

Für Darwin; von Rawitz, Berlin. Eine Entgegnung auf den 
Artikel von Herrn Professor Fleischmann, zu einem kurzen 
Extrakt nicht geeignet. 

Deutsche Medizinische Wochenschrift Nr. 48. 

Über einen Versuch, mit Hilfe des Blutserums Carcinomatöser 
einen Antikörper herzustellen; von Dr. C. S. Engel in Berlin. 
R. hat nach dem Vorbilde von Kraus, Wassermann und 
Schütze etc. Kaninchen mit dem Blutserum krebskranker 
Menschen vorbehandelt, und zwar hat er das Serum zunächst 
auf 58 0 ca. 30 Min. erhitzt, ehe es den Tieren injiziert wurde, 
um die Bildung von Antialexinen zu verhüten. E. glaubt nun, 
daß es auf Grund seiner Versuche ihm gelungen ist, einen Anti- 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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778 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 50. 


körper herzustellen. Er hält es jedoch für wünschenswert, mit 
Hilfe von Injektionen zerquetschter Krebssubstanz in den Tier¬ 
körper Cytolysine zur Bekämpfung des Carcinoms herzustellen. 

Deutsche Mcdixinaheitung Nr. 9-1. 

Zur Ätiologie der Hundswut. Martinotti und Volpino haben 
in dem Nervensystem von Kaninchen, welche mit Wutvirus 
infiziert waren, Körperchen gefunden von rundlich bis ovaler Form. 
Bertarelli fand in den Pyramidenzellen der Hirnwindungen 
eines an Tollwut verstorbenen Mannes die bereits von Negri be¬ 
schriebenen Körperchen; im Rückenmark fehlten sie. Ob die- 
selbem in ursächlichem Zusammenhang mit der Tollwut stehen, 
bleibt jedoch noch unentschieden. 

Deutsche Medixinaheitung Nr. 9:1. 

Über Tuberkuloseserum; von Marmorek. M. berichtete, 
wie aus den Tageszeitungen bekannt, in der Acad^mie 
de med. über ein Serum zur Behandlung der Tuberkulose. 
Die Herstellung geschieht in der Weise, daß er frische Kul¬ 
turen auf ganz besonders präparierten Nährböden anlegt, die 
Kulturen filtriert und das Filtrat Pferden injiziert. Das von 
diesen Pferden gewonnene Serum ist das Tuberkuloseserum, von 
welchem alle zwei bis drei Tage kranken Menschen 10 bis 
15 ccm injiziert werden. Die Versuche M’s erschienen hoffnungs¬ 
voll und würden begeistert haben, wenn nicht Mikulicz-Breslau 
gleichzeitig mitteilte, daß seine Versuche mit dem Marmorek- 
schen Serum keine Erfolge gezeitigt hätten. 

Fortschritte der Medizin Nr. 33. 

Collargol in der Augenheilkunde. Von Rößler. R. empfiehlt 
das Collargol als Ersatzmittel für Arg. nitric. bei einfacher Con¬ 
junctivitis in einer 1- bis 2 prozentigen Lösung, bei Trachom 
oder Follicularkatarrhen in 2- bis 5 prozentiger Lösung. Man 
kann auch das Collargol in Form von Stiften anwenden nach 
folgender Formel: 

Collargol 3,0. 

Sacch. lact. 

Tragacanthae. 

Os sepiae aa 1,0. 

Mucil. Gummi Arabici gntt. III. 

Aq. dest. 

Glycerin part. aeq. q. s. f. bacillus. 

S. In dunklem Glas aufzubewahren. 

Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten. 4:1. Band, I. Heft , 

November 1903. 

Beiträge zur Lehre von der natürlichen Immunität; von Dr. 
Kiskalt Das Resultat der Untersuchung K’s ist, daß die Ur¬ 
sache der natürlichen Immunität keineswegs in den Körpersäften 
präformiert ist, sondern daß sie in den Leukocythen zu suchen ist. 
Andererseits beruht auch die Widerstandsfähigkeit der Bakterien 
darauf, daß ihre Giftigkeit die Leukocythen an ihrer Vernichtung 
hindert. 

Die Immunisierung von Typhusbazillen gegen die baktericiden 
Kräfte des Serums; von Erich Cohn. Wird auf das Original 
verwiesen. 

Über das Wesen der Agglutination und eine neue Methode, 
die Agglutination schnell zu beobachten. Gefriermethode; von 
Professor N. Asakava. Zur Beschleunigung der Erkennung 
der Agglutination läßt A.die Röhrchen mit Bazillenaufschwemmung 
und Serum in eine Kältemischung setzen, welche aus Salz und 
Eis besteht. Sobald die Flüssigkeit fest gefroren ist, nimmt 


man sie heraus, läßt langsam auftauen und bemerkt dann sofort 
deutliche Agglutination. 

Studien über Bakterium Coli; von K. Totsuka. Wird aut 
das Original verwiesen. 

Tagesgeschichte. 

Die Krel8tierarztvoriage. 

Nach der Antwort, welche der Herr Minister auf die Petition 
der tierärztlichen Zentralvertretung betr. der Kreistierarztreform 
erteilt hat (vgl. B. T. W. Nr. 35 v. 27. August), zerfielen die 
zu erwartenden Maßnahmen in drei Teile: 1. eine Vorlage 
an den Landtag, welche unter Abänderung des Gesetzes vom 
9. März 1872 die Dienstbezüge der Kreistierärzte anderweitig 
regeln und den Kreistierärzten die Pensionsberechtigung ver¬ 
leihen sollte (ohne im übrigen sich an das Kreisarztgesetz an¬ 
zulehnen), 2. eine durch den Staatshaushaltsetat zu bewerk¬ 
stelligende Gehaltserhöhung, 3. eine Regelung der Rangverhält¬ 
nisse der Veterinärbeamten durch Königliche Kabinettsorder. 

Ich hatte bei Mitteilung dieser Antwort die Annahme aus¬ 
gesprochen, daß die Kabinettsorder ad 3 der Vorlage ad 1 werde 
vorangehen müssen, weil die Gebühren vom Range abhängig 
seien, daß aber die Gehaltserhöhung erst nach Annahme der 
Vorlage zu erwarten sei, wahrscheinlich also noch nicht 
im Etat 1904, sondern erst im Etat 1905 werde erscheinen 
können. Die erstere Annahme hat sich als irrig, die zweite 
dagegen als richtig erwiesen. Die Gehaltserhöhung wird, weil 
auf der Annahme der Vorlage beruhend, erst im Etat 1905 er¬ 
scheinen. Über die Rangordnung ist noch keine Entscheidung 
getroffen. 

Dagegen wird die ad 1 genannte Vorlage dem Landtag als¬ 
bald zugehen und denjenigen Inhalt haben, welcher bereits in 
der obenerwähnten Antwort des Herrn Ministers angegeben ist. 
Über die Höhe der neuen Gebührensätze ist nichts bekannt. 
Die Bewilligung eines Dienstaufwaudes ist sicher. Der Haupt¬ 
punkt ist der: den KreiBtierärzten wird die Pensionsberechti¬ 
gung verliehen. Inwieweit die Berechnung der Pension 
bereits in dieser Vorlage zum Ausdruck kommt, ist nicht be¬ 
kannt. Soviel aber ist sicher, daß zur Pensionsberechnung nicht 
nur das zu erwartende Gehalt, sondern ein Teil der Gebühren¬ 
einnahmen nach einem allgemeinen Durchschnittssatze heran¬ 
gezogen werden wird. Zugleich wird bereits durch die Vorlage 
ein Fonds ausgeworfen, um alten Kreistierärzten, welche ans¬ 
scheiden, bevor sie die vorschriftsmäßige Zeit im Genuß des für 
pensionsfähig erklärten Einkommens gewesen sind, schon vom 
ersten April ab eine Pension bewilligen zu können. Im 
übrigen tritt die Vorlage, ihre Annahme durch den Landtag 
vorausgesetzt, am 1. April 1905 in Kraft 

Diesen, aus sicherer Quelle stammenden tatsächlichen Mit¬ 
teilungen möchte ich die Vermutung zufügen, daß die Einbringung 
der Vorlage noch in dieser Landtagstagung nicht ohne Mühe 
durchzusetzen und eine Zeitlang zweifelhaft gewesen ist, wie 
aus dem Umstand geschlossen werden darf, daß das Inkraft¬ 
treten bis auf den 1. April 1905 hinausgeschoben wird. Au dem 
auch in Nr. 35 der B. T. W. erwähnten Gerücht, daß nach 
Aussage eines Abgeordneten der Finanzminister bereits im 
August zugestimmt hatte, ist jedenfalls einmal wieder kein 
wahres Wort gewesen, wie denn überhaupt der Klatsch gerade 
bezüglich der Kreistierarztreform eine ungewöhnliche Blüte er¬ 
reicht hatte. 


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779 


10. Dezember 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


An sich ist der Zeitpnnkt des Inkrafttretens der Vorlage 
belanglos, zumal die Mittel für unaufschiebbare Pensionierungen 
sofort bereitgestellt sind. Die Hauptsache ist, daß die Vorlage 
jetzt erscheint und Gesetz wird, so daß die Kreistierärzte ihrer 
Sache sicher sind. 

Im Landtag dürfte die Vorlage ja wohl günstig aufgenommen 
werden. Einwirkung auf die Abgeordneten dürfte immerhin 
nützlich sein. Vor allem empfiehlt es sich, dabei einer Möglich¬ 
keit vorzubengen, welche der Vorlage im Landtag selbst sogar 
eine Gefahr bereiten könnte. Der Landtag hat sich bekanntlich 
immer noch nicht über die Vorlage betr. Gebühren der Kreis¬ 
ärzte schlüssig gemacht. Diese Vorlage steht diesmal von 
neuem zur Kommissionsberatung. Es könnte der Gedanke auf¬ 
tauchen, die Kreistierarzt-Vorlage an dieselbe Kommission zu 
verweisen. Diese Verquickung der Beratung über Gebühren 
der Kreisärzte und der Kreistierärzte könnte die Annahme 
unserer Vorlage, wenn die ärztliche wieder scheitert, mit ver¬ 
zögern, wäre in jedem Falle unzweckmäßig und für uns un¬ 
erwünscht, da es besser ist, wenn unsere Angelegenheiten 
selbständig behandelt werden. Es wäre gut, die Abgeordneten 
darauf hinzuweisen. Schmaltz. 

f 

Geh. Hofrat Prof. a. D. Dr. Ottmar Schmidt ist, 68 Jahre 
alt, in Stuttgart gestorben. 

Die letzten Montagnacbmittag auf dem bereits winterlichen 
Eindruck machenden Friedhof der Pragvorstadt stattgefundene 
Bestattung des bedeutenden und verdienstvollen Mannes gestaltete 
sich zu einer imposanten Trauerfeier. 

Es folgten hinter dem Kondukte die Vertretungen von sieben 
Korporationen der tierärztlichen und der technischen Hochschule 
mit ihren mit Trauerabzeichen versehenen Fahnen. Der Sarg selbst 
war unsichtbar unter der Last der raitgefübrton Kränze. 

Das überaus zahlreiche Trauergefolge wies neben den vielen 
Freunden des Verblichenen die Professoren der beiden Hochschulen, 
ferner Vertreter des Medizinalkollegiums auf; es folgten viele Tier¬ 
ärzte, Techniker, Apotheker, Studenten und Beamte. 

Der Direktor der Tierärztlichen Hochschule Prof. Dr. mcd. 
Sußdorf sprach nach den Worten des Geistlichen über die Verdienste 
Geheimrat Schmidts um den chemischen und pharmaceutiBchen 
Unterricht der Tierärztlichen Hochschule, Prof. Hell namens der 
Technischen Hochschule. 

Außerdem richteten der Vorsitzende des Vereins für vater¬ 
ländische Naturkunde, je ein Vertreter des württembergischen tier¬ 
ärztlichen Landesvereins, des Stuttgarter tierärztlichen Vereins 
Worte an die Trauerversammlung. Sie dankten für die langjährig 
geleisteten wichtigen Dienste und rühmten die Pflichttreue des 
Verblichenen. 

Es traten alsdann der Reihe nach die Chargierten der ver¬ 
schiedenen studentischen Korporationen vor; jeder legte einen 
Lorbeerkranz darnieder. Während sich die Schläger kreuzten, 
senkten sich die Fahnen Uber dem offenen Grabe. 

Die ganze Trauerfeier bezeugte hohe Achtung allerseits, die 
dem verblichenen Lehrer der Hochschule gezollt wurde. 

Geh. Hofrat Prof. Dr. Schmidt war als ein Nachfolger auf dem 
Lehrstuhl des berühmten Fehling, Professor der Chemie, Physik 
und Pharmakognosie an der Tierärztlichen Hochschule zu Stuttgart 
jahrzehntelang mit außerordentlich großem Eifer und Erfolg tätig. 
Er verstand es in hohem Maße, seinen Schülern eine für tierärzt¬ 
liche Zwecke recht beträchtliche Unterlage in der Chemie und 
Pharmakognosie zu geben. 

Daneben war er ein durchaus nicht einseitiger Lehrer. Kapitel 
der Mineralogie und Geologie bildeten in seinen Vorträgen eine 
dem Hörer oft angenehme Ergänzung des nicht selten spröden Lern¬ 
materials. Er verstand es vorzüglich, die oft zur Einseitigkeit 
neigenden Studierenden der schwäbischen Hochschule »usammon- 


zufassen. Nicht selten leistete er der Bitte seiner Zuhörer willig 
Folge, wissenschaftliche Vorträge in ihren studentischen Vereinen 
zu halten. Er war als strenger, aber gerechter Lehrer bekannt und 
als solcher rechnete er sich zur Ehre an, den künftigen Tierarzt 
mit allem Rüstzeug der modernen Wissenschaften zu versehen und 
mancher Fachchemiker war bei einem etwaigen Kollegium erstaunt, 
welch hohes Maß von chemischen Kenntnissen die Stuttgarter 
Studierenden der Tierärztlichen Hochschule ihrem verehrten Lehrer 
zu verdanken hatten. 

Nur einige Monate seit seinem Rücktritt waren ihm noch ver¬ 
gönnt, dem allzeit tätigen und schaffensfrohen Manne. — Er ruhe 
in Frieden! X. 

Tierärztliche Gesellschaft zu Berlin. 

Eingetragener Verein. 

Einladung zur Sitiung am Montag, den 14. Dezember 1903, 
abends 8 Uhr im Restaurant zum Spaten, Berlin, Friedrichstr. 172. 

Tagesordnung: 

1. Vereinsangelegenheiten. 

a) Aufnahme der Herren Kollegen Steinhauf, Foth und 

Dr. Krautstrunk. 

b) Vorstandswabl. 

2. Vortrag des Herrn Marstall-Oberroßarztes Dr. Toepper: „Meine 

Reise nach Rom“. 

3. Mitteilungen aus der Praxis. 

Gäste willkommen. Der Vorstand. 

I. A.i Neumann, Schriftführer. 

Röntgen-Vereinigung zu Berlin. 

Im Jahre 1905 werden es zehn Jahre, daß Herr Geheimrat 
Prof. Dr. Röntgen mit seiner epochemachenden Entdeckung der 
X-Stralen in die Öffentlichkeit trat. Wenn auch damals an diese 
Entdeckung die weitgehendsten Hoffnungen geknüpft wurden, so 
konnte man doch nicht annehmen, daß die neuen Strahlen für die 
Wissenschaft, insbesondere für alle Zweige der Heilkunde, sowohl 
auf dem Gebiete der Diagnose als auch neuerdings der Therapie 
eine derartige Bedeutung erlangen würden. Mit außerordentlichem 
Eifer und ungeahntem Erfolge hat Wissenschaft und Technik an der 
wissenschaftlichen Ergründung und Vervollkommnung der Radiologie 
gearbeitet. In allen Spezialfächern der Menschenheilkunde, 
wie in der Tierheilkunde und Zahnheilkunde sind daher 
heute die Röntgenstrahlen ein unersetzliches Hilfsmittel geworden. 

Wohl dürfte es deshalb angezeigt sein, nach Verlauf von zehn 
Jahren einen kritischen Rückblick auf die Errungenschaften der 
verflossenen Zeit zu werfen, sowie eine Aussprache über den der¬ 
zeitigen Stand der Radiologie und darüber herbeizuführen, in 
welcher Weise die weitere Entwicklung dieser Spezialwissenschaft 
für die Zukunft den weitgehendsten Erfolg verspricht 

Die Röntgen-Vereinigung zu Berlin hat daher in ihrer Sitzung 
vom 30. Oktober d. Js. einstimmig beschlossen, anläßlich der zehn¬ 
jährigen Wiederkehr der Entdeckung der Röntgenstrahlen Ostern 1905 
in Berlin im Anschluß an die Tagung der deutschen Gesellschaften 
für Chirurgie und für orthopädische Chirurgie unter dem Ehren¬ 
vorsitz Sr. Excellenz des Herrn Wirkl. Geh.-Rat Prof. 
Dr. v. Bergmann einen 

Röntgen-Kongreß verbunden mit einer Röntgen- 
Ausstellung 

zu veranstalten, wozu auch Herr Geh.-Rat Prof. Dr. Röntgen 
sein Erscheinen als Ehrengast gütigst zugesagt hat. 

Die Leitung des Kongresses liegt in der Hand des Vorstandes 
der Röntgen Vereinigung zu Berlin, welcher das ausführliche 
Programm in Kürze publizieren wird. Alle Anfragen sind an Herrn 
Prof. Dr. R. Eberlein in Berlin NW. (Tierärztliche Hochschule) 
oder an Herrn Dr. med. Immelmann in Berlin W., Lützowstr. 72 
zu richten. 

Prof. Dr. Eberlein-Berlin, Dr. Immelmann-Berlin, 

Vorsitzender. Schriftführer. 

Dr. Cowl-Berlin, 

Kassenführer. 

Dr. Albers-Schönberg-Hamburg, Prof. Dr. Rieder-München, 

korresp. Mi'glied, korresp. Mitglied. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 50. 


780 


Hochschulfrequenzen. 

Die Gesamtzahl der Studenten an der Tierärztlichen Hoch¬ 
schule zu Berlin beträgt 530 (ohne Hospitanten), einschließlich 
der 134 von der Militärveterinär - Akademie kommandierten 
Studierenden. Es ist dies eine außergewöhnlich ’ hohe Gesamt¬ 
zahl. Dagegen sind im ersten Semester immatrikuliert nur acht, 
halb soviel als im Sommersemester. 

In München dagegen ist das erste Semester viel stärker, 
nämlich 22 Studenten. Die Gesamtzahl beträgt 305 einschl. 
Hospitanten, was dem Durchschnitt der letzten Jahre entspricht. 

Es wäre in der gegenwärtigen Übergangszeit nützlich, wenn 
alle Hochschulen tunlichst bald ihre Gesamtfrequenzen und die 
Stärken des ersten Semesters veröffentlichten, damit ein Über¬ 
blick über den derzeitigen Zugang zum Studium möglich ist. 

Homöopathische Professur. 

Der medizinischen Fakultät in Leyden ist ebenso wie der 
in München, ihrem ausdrücklichen Protest entgegen, eine 
homöopathische Professur aufgedrängt worden. Für sie wurde 
nun vom niederländischen Ministerium der ehemalige Pfarrer 
Dr. Mende-Ernst in Zürich berufen. 

Koloniale Veterinftrkonferenz. 

Am 2. Dezember ist in Bloemfontein eine Konferenz zur 
Beratung weiterer Maßnahmen gegen die südafrikanischen Tier¬ 
seuchen zusammengetreten. Unter den Delegierten befinden sich: 
Professor Koch, Regierungsrat von Lindequist, deutscher 
Generalkonsul in Kapstadt und Veterinärrat Rieckmann in 
Windhoek. — Koch hat sich darin auf Grund seiner bisherigen 
Untersuchungen dahin ausgesprochen, daß die Weiterausbreitung 
des Texasfiebers unaufhaltsam über ganz Afrika fortschreiten 
dürfte und man sich auch bei ausgedehnter Impfung auf Verluste 
bis zu 90 Proz. gefaßt machen müsse. 

Tierseuchen in Deutschland ultimo November. 

(Vergl. Nr. 49, pag. 761.) 

Rotz in den preuß. Bezirken Gumbinnen, Marienwerder (neu), 
Berlin, Potsdam, Frankfurt, Köslin, Bromberg, Oppeln, Magdeburg 
(neu), Erfurt (neu), Arnsberg, Düsseldorf, Trier in je 1 Kreis, 
Schleswig in 2 Kreisen; Oberbayern (1), Niederbayern (3), Pfalz und 
Schwaben (je 1), Württemberg (3), Fürstentum Lübeck, Braunscbweig, 
Lippe, Elsaß. Lothringen. Lungenseuche ist nicht aufgetreten. 
Maul- und Klauenseuche: In Preußen R.-B. Posen (1 Gemeinde), 
Oppeln (1), Hildesheim (1), zusammen in 3 Gemeinden (4 Gehöften); 
Bayern in Oberbayern (2) und Pfalz (1); Württemberg im Neckar¬ 
kreis (5) und Scbwarzwaldkreis (2), in Baden Mannheim (1), im 
Oberelsaß 7. In Deutschland waren somit 21 Gemeinden verseucht. 

Maul- und Klauenseuche. 

In Verfolg der Deklaration vom 9. April 1896 zur landespolizoi- 
liehen Anordnung vom 6. Dezember 1895, betreffend die Abwehr 
gegen die Einschleppung der Maul- und Klauenseuche in den dies¬ 
seitigen Regierungsbezirk durch das aus anderen ReichBteilen 
stammende Vieh, bestimme ich, daß die Vorschriften der vorbezeich- 
neten landespolizeilichen Anordnung sich auf das aus nachbenannten 
Reichsteilen: 1. aus den preußischen Regierungsbezirken Posen, 
Oppeln, Hildesheim, Wiesbaden, Sigmaringen, 2. aus den bayerischen 
Regierungsbezirken Oberbayern, Pfalz, Mittelfranken, 3. aus den 
württembergischen Kreisen Schwarzwaldkreis, Jagstkreis, 4. aus 
dem badischen Landeskommissariat Mannheim, 5. aus den Reichs- 
landen Unter- und Oberelsaß im Regierungsbezirk Bromberg zur 
Entladung mit der Eisenbahn gelangende Rindvieh bis auf weiteres 
beschränken. 

Bromberg, den 21. November 1903. Der Regierungspräsident 


Berichtigung. 

Zu dem Artikel von Lorenz über Bekämpfung der Rindertuber¬ 
kulose in Nr. 48 d. B. T. W. sind zwei Berichtignngen nachzutragen, 
pg. 736 rechts, 10. Zeile von oben, muß es heißen: „trockenen 
Tuberkelbazillenbelag“ (nicht „kranken“) und pg. 738 links, 11. Zeile 
von oben muß das erste Wort (nicht) Wegfällen. 


Personalien. 

Auszeichnung: Professor Dr. Ertcin Voit an der tierärztlichen 
Hochschule zu München wurde zum außerordentlichen Mitglied der 
Kgl. bayer. Akademie der Wissenschaften ernannt. 

Ernennungen: Zu definitiven Kreistierärzten wurden ernannt die 
bisherigen kommissarischen: Gonxe für Mühlhausen in Tb., (schon 
mitgeteilt), Dr. Heffler für Lüdenscheid, Kreis Altena, Möller für 
Neumark, Kreis Löbau (W.-Pr.); zu kommissarischen Kreistierärzten 
die Tierärzte: Irrgang in Samotschin für Adenau, Reimers in Hohen- 
westedt für Freiburg, Kreis Kehdingen, Simon, Schlachthofdirektor 
in Görlitz für Gostyn, (schon raitgeteilt), Schmidtke, Vorsteher der 
Auslandsfleischbeschau in Breslau für Frankenstein, Falk in Oranien¬ 
burg für Filehne, Dr. Seiler in Filehne für (die zweite Kreistierarzt¬ 
stelle in) Oppeln. — Kantonaltierarzt Al. Schmalholx in Lauterburg 
zum Schlachthofdirektor in Hagenau, Tierarzt 0. Genther in Hirsch¬ 
berg und Dr. Kirsten in Magdeburg zu Schlachthofinspektoren in 
Rathenow bzw. Haspe. — Dr. Baumgart in Bautzen zum Regierungs¬ 
tierarzt in Gammams in Deutsch-Südwestafrika. — Tierarzt Heinrich 
Probst in München zum 2. Assistenten der chirurgischen Klinik 
der tierärztlichen Hochschule daselbst. — Tierarzt Kempa in Sobem- 
heim zum Schlachthofassistenten in Hagen i. W. 

Versetzt sind: die Kreistierärzte Schirmeisen von Grottkau 
nach Rosenberg (O.-S.) und Krexa von Oppeln nach Grottkau. 

WoHn8ltzveränderungen, Niederlassungen: Niedergelassen haben 
sich: Alfons Henkel in Kletzko; Ludtcig Rupp in Hirschberg a. S. 

Promotionen: Tierarzt Karl (nicht Heinrich) Gerhard in Homberg 
an der Ohm zum Dr. med. vet. in Gießen; Martin Baumgart in 
Bautzen zum Dr. phil. in Zürich. 

In der Armee: Befördert: zum Stabsveterinär der Obervet. 
Karpe beim 16. Hus.-Rgt.; zu Oberveterinären: die U.-V. Bicscr beim 

11. Hus.-Rgt. und Abendroth beim 55. Art.-Rgt. — Versetzt: Stabs¬ 
veterinär Wilde, unter Belassung in seinem Kommando beim path. 
Inst. d. Tierärztl. Hochschule zu Berlin, vom 16. Hus.-Rgt. zum 

12. Drag.-Rgt. — Zum Stabsveterinär-Kursus kommandiert: die Ober- 
veterinäre Arndt, Dr. Goldbeck, Siietx, Holle, Marks, Braun, Vogler, 
Köpke, Nippert, Woite, Born, Herffurlh, von preußischen Truppen¬ 
teilen, sowie aus Sachsen: Schmidt, Eberhardt und Biirner. — Ab¬ 
gang: Unterveterinär Teinert v. 14. Hus.-Rgt. 

Im Beurlaubtenstande: Befördert: zum Stabsveterinär 
Brandes (OelB); zu Oberveterinären: Meier (Hugo)- III Berlin, 
Wiegering-QlMmgen, IFes/pAa/c-Detmold, Mucha-Stettin, Simmcr und 
iScÄmwÖ-Bitterfeld, fTctnm-Geldern, Schulxe-Hmnover, /(«scAc-Neu- 
haldensleben, For/raann-Elberfeld, Öro/?-Hagenau, Mayer (Julius)- 
Hameln, Lcwm-Potsdam. 

Todesfall: Geheimer Hofrat Dr. Ottmar Schmid, weiland Pro¬ 
fessor an der Tierärztlichen Hochschule in Stuttgart. 


Vakanzen. (s. Nr. 49.) 

Neu hinzugekommen: Apolda: Schlachthofdirektor baldigst. 
2700 M. Anfangsgehalt. Freie Wohnung etc. Keine Privatpraxis. 
Meldg. bis 22. Dezember an den Gemeindevorstand. — Carthaus: 
Niederlassung erwünscht. Für Schlachtviehbeschau 50 Proz. der 
jährlich etwa 1500—1800 M. betragenden Gebühren. Meldg. bis 
10. Dezember an den Amtsvorsteher. — Iserlohn: Schlachthof¬ 
direktor spätestens bis 1. April. 3000 M. Anfangsgehalt, in 3jähr. 
Intervallen steigend bis 4500 M. Freie Wohnung oder 700 M. 
Entschädigung. Meldg. bis 30. Dezember an den Magistrat. 


Besetzt: Adenau, Kehdingen, Oppeln, Filehne, Hagenau. 

Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof, Pr. Schmält* ln Berlin. — Verlag und Eigentum von Richard Schoeta ln Berlin. — Druck von W. Büxenstein, Berlin. 


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Tierärztliche Wochenschrift 


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Professor Dr. Schmaltz- Berlin 

Verantwortlicher Redakteur. 


De Bnrtn 

Dr. lest 

KOhnau 

Dr. Lothes 

Nevermann 

Prof. Dr. Peter 

Peters 

Professor 

Krelstlerarxt 

Schlachtbofdlrektor 

Departementstierarxt 

Krelstlerarxt 

Krelstlerarxt 

Departementstierarxt 

Utrecht 

Charlottenburg. 

Cöln. 

Cöln. 

Bremervörde. 

Angermünde. 

Bromberg. 


Preusse 

Veterinirassexaor 

Danzig. 

Dr. Roeder 

Professor 

Dresden. 

Dr. Schiegel 

Profesior 

Freiburg i. Br. 

Dr. Vogel Zünde! 

Landestlerarzt v. Bayern Krelstlerarxt 

München. Mülhausen i. E. 

Jahrgang 1903. 


M 51 . 

Ausgegeben am 17. Dezember. 


Inhalt: Pfeiffer: Eigene Beobachtungen über Märkte, Pferdezucht, Verkauf, Rassen etc. in Schantung. — Dobler: Noch¬ 
mals das Befestigen der Schweine beim Impfen. — Referate: Aus den Jahresberichten der beamteten Tierärzte 
Preußens 1901. — Junack: Massenhaftes Auftreten von Zecken bei Pferden. — Parascandolo: Traumatische Nieren¬ 
verletzungen bei Haustieren. — Tissier und Martelly: Untersuchungen über die Fäulnis des Fleisches. — Hauptmannn: 
Die Heilung der Tuberkulose als Schlußstein im Kampf gegen die Tuberkulose des Rindes. — Jeß: Wochenübersicht Uber 
die medizinische Literatur. — Tagesgesohlchte: Verschiedenes. — Personalien. — Vakanzen. 


Eigene Beobachtungen Uber Märkte, Pferdezucht, 
Verkauf, Rassen etc. in Schantung. 

Ein Beitrag zur Exterieurkunde. 

Von 

M. Pfelffer-Kaumi (China). 

RoKHarzt. 

Nachstehende Aufzeichnungen, an der Hand der bis jetzt 
von mir anläßlich des Besuches von Märkten etc. gewonnenen 
Erfahrungen, können selbstredend nicht als erschöpfend anf 
diesem Gebiete anznsehen sein, dürften aber für die Remontierung 
der Kolonie als etwaige Fingerzeige dienen. 

Bei den öfteren Besuchen von Märkten ist stets die ver¬ 
schwindende Minderzahl von Ponys gegenüber dem starken Auf¬ 
trieb von Maultieren zn verzeichnen. 

Und nicht nnr quantitativ, sondern anch qualitativ sind 
letztere den ersteren bedeutend überlegen. Zählte ich doch 
einmal, anf einem eigentlich ansgesprochenen Pferdemarkte, anf 
dem verhältnismäßig wenig Maultiere vorhanden waren, nnr 
80 Pferde gegenüber ca. 300 Maultieren nnd 4—500 Eseln. 

Von diesen 80 sind aber vielleicht 20 unverkäuflich als 
Besitz reicher Chinesen nnd als unübertreffliche Paßgänger; 
weitere 20 sind brauchbare gute Tiere, welche anch znm Verkauf 
gelangen, während die Hälfte aller vorhandenen Pferde unbrauch¬ 
bares, abgenutztes Material darstellt. Pferde im Alter von 
drei Jahren, welche schon angestrengt gearbeitet haben, deren 
Muskulatur schon weit dnrchgebildet ist, können ohne Bedenken 
angekauft werden nnd tun mit mäßiger Schonung allen Kompagnie¬ 
dienst. Das gleiche gilt von zehnjährigen kräftigen Tieren in 
guter Form, welche infolge guter Haltung der Besitzer als 
durchaus guter kaufwerter Ersatz anznsehen sind nnd denen 
meist eine mindestens 3—4jährige Gebranchszeit noch zn- 
gesichert werden kann. 

Allerdings beläuft sich die Gebranchszeit unserer hiesigen 
Dienstpferde anf fünf Jahre. Die angegebenen Anftriebsziffern 
eines Marktes beziehen sich anf den großen Frühjahrsmarkt in 
Tschu-tschöng, die Ziffern ändern sich entsprechend, und sind 


diese wohl als die höchsten anznsehen. So war der Sommer¬ 
markt, der sich in diesem Jahre wiederholte, da das chinesische 
Jahr zwei fünfte Monate hatte, der Markt aber im fünften Monat 
(chines.) stattfindet, znm ersten Male äußerst schwach mit 
Pferden betrieben; hingegen gab es anf diesem, wie anch anf 
seinem Zwillingsbruder im nächsten Monate, der einen etwas 
stärkeren Pferdeauftrieb zeigte, eine reichliche Answahl der 
bestgebanten Zng- nnd Reitmaultiere in dem besten Alter von 
6—9 Jahren. Der Herbstmarkt — ich spreche immer von 
Tschu-tschöng, dessen Markt für die Kolonie (m. E.) der einzige 
im Hinterlande von Kiantschon in Frage kommende ist, hielt 
die Mitte zwischen Frühjahrs- nnd Sommermarkt. Tschu-tschöng 
ist deshalb allein in Betracht zu ziehen, weil es von Kanmi, 
von wo ans die Ankäufe geschehen, in einem Tage zn erreichen 
ist, anf einem Wege, den man für chinesische Verhältnisse als 
einen recht guten bezeichnen kann, nnd von Tschu-tschöng ans 
ev. auch der Transport für Tsingtau direkt ohne Kaumi zu 
berühren in drei, höchstens vier Tagemärschen als Schlepp¬ 
kommando nach Tsingtau mit Vermeidung der hohen Bahnfracht 
Kaumi—Tsingtau nnd mit Umgehung der ev. in Kaumi 
herrschenden Rotzsperre gebracht werden kann. 

Zwei andere Frühjahrsmärkte, Tsi-schi-li-pn nnd Ginpauschan, 
waren vorzugsweise mit Fohlen nnd schlechten Maultieren 
beschickt. 

Kann man von einer eigentlichen Zncht in Schantung auch 
nicht sprechen, so beweist doch das Vorhandensein von Fohlen 
anf diesen Frühjahrsmärkten, daß in gewissem Sinne auch der 
Schantnngbauer, allerdings in beschränktem Maße, Pferde züchtet 
nnd wahrscheinlich in Zukunft auf die Zucht ein größeres 
Augenmerk richtet, da er sieht, daß die alljährlich öfters 
kommenden Kommissionen gutzahlende Abnehmer für brauchbare 
Tiere sind. Und warum sollte der geistig absolut nicht minder¬ 
wertig zn bearteilende Schantanese nicht diesen Blick für den 
zn gewinnenden Vorteil haben? Die jetzt vorhandenen Fohlen 
bekundeten durchweg eine gute Haltung nnd Pflege, verbunden 
mit gefälligem, proportioniertem Ban nnd guten Manieren. 


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782 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 51. 


Allerdings wird vorderhand noch das mongolische Pferd and 
das aas dem der Mongolei benachbarten Schansi, vielleicht anch 
aus Schensi neben dem Schantnngpferde in der Mehrzahl vor¬ 
handen sein. Ein ziemlich großes, ca. 1,55 m großes Tier 
wnrde mir einmal als Schensipferd bezeichnet. Der Aasdruck 
Schantungpferd mag befremden, and doch weicht der Typ des 
von mir so genannten Tieres von dem eigentlichen Mongolentyp 
weit ab. Unter Mongole führe ich die im Herbst 1902 ans 
Tientsin eingefiihrten Tiere. Die Tiere waren im Norden auf- 
gekanft worden und wurden von Tientsin, resp. dessen Hafen 
Taku-Reede verschifft. 

Vergleichshalber will ich beider Exterieur näher beschreiben. 

Der Mongole hat einen langen, mittelhohen, schlanken 
Bau bei gut entwickelter, nicht übermäßig breiter Brust and 
walzenförmigem Hinterleib. Meist vorne etwas rückständig mit 
weichen Fesseln und scharf ausgeschnittenen Vorder fuß wurzel- 
gelenken („geschnürt“), hinten leicht überbaut bei schräger 
Krappe. 

Der Halsansatz ist normal, d. h. der Hals setzt sich ohne 
Absatz am Kopf an. 

Der Halsaufsatz ist ebenfalls normal, d. h. der Hals geht 
mit geringem Absatz in Widerrist und Brust über. Dies 
Moment ermöglicht eine unbeengte Schulteraktion mit freiem, 
ergiebigem Gang. Die Halsbildung ist edel ohne dicke Fett¬ 
lagen am Kamm, Widerrist hoch und lang. Rücken- resp. 
Lendenlinie gewölbt, Lenden kurz. Ein typisches Kennzeichen 
ist ferner der Ramskopf, eventuell in der edleren Form auch 
der Schafskopf. Augenausdruck feurig wild. Temperament bos¬ 
haft. Bei alten Tieren herrscht der Altweiberkopf vor (d. i. 
länglich, schmaler, magerer Kopf mit schlaffen Lippen, einge¬ 
sunkenen Augengruben). 

Hufe sehr häufig verengt, neigen stark zu Zwang, Hufhorn 
oft brüchig. Infolgedessen inklinieren diese Tiere zu Hufleiden. 

Demgegenübergestellt sieht folgendermaßen aus: 

Das Schantungpferd: Dasselbe ist von robustem, ge¬ 
drungenem Bau mit starker, breiter Brust und starkem Hinter¬ 
leib, der leicht zum Hängebauch neigt. Vorne gerade gestellt 
mit regelmäßigen Fesseln und Fußwinkeln, Kruppe steil. Hinter¬ 
beine etwas untergestellt. 

Der Halsansatz ist hoch, resp. der Kopfansatz tief, infolge¬ 
dessen Freiheit der Schulter gebundener, Gang kurz, jedoch 
gerade deshalb auf die Dauer weniger ermüdend und leistungs¬ 
fähiger. Oft Paßgänger. Der Hals ist dick (Speckhals) mit 
reichlichem Fettkamm und sogenanntem Bullengenick. Widerrist 
ist rund, mittelhoch, kurz. 

Rückenlinie gerade resp. konkav und zu Senkrücken neigend 
Lenden lang. Ebenso typisch wie für den Mongolen der Rams¬ 
kopf, ist für den Landschlag von Schantung der fleischige Keil¬ 
kopf mit meist gerader Profillinie; häufig ist auch vertreten der 
Schweins- und Hechtkopf (dem Kopf des Arabers ähnelnd). 
Der Ausdruck der Augen ist in der Regel ein gutmütiger, treuer. 

Temperament gutartig. 

Hufe sind durchweg breit und gut und wenig zu Er¬ 
krankungen geneigt. 

Zieht man aus dieser Gegenüberstellung die Schlußfolgerung, 
so ergibt sich: 

Der Mongole ist Herdentier, aufgewachsen halbwild ohne 
individuelle Pflege und Behandlung. Daß das Tier wirklich noch 
ein Naturpferd ist, erhellt auch aus dem häufigen Vorkommen 


der fahlbraunen und falben, mitunter auch grauen Farbe mit 
durchlaufendem Aalstrich und nicht seltenen Zebrastreifen an 
Schulter und Beinen. 

Das Tier muß, um ein brauchbares Reitpferd zu werden, erst 
durch sanfte Behandlung und Pflege, sowie reichliche Futterzu¬ 
lagen dahin gebracht werden. 

Anders der Schantunese. Hier ist die liebevolle Pflege und 
Fütterung des Bauern voraufgegangen, das Tier hat an und für 
sich einen besseren Charakter als sein mongolischer Bruder 
und bedarf insbesondere nicht einer solch rückwirkenden und 
energischen Hufpflege wie dieser. 

Was die Farbe anbetrifft, so sind von 133 Pferden (Mongolen 
und Schantunesen zusammen): 


Schimmel 

41 Pferde 

Dunkel (blau) 

7 

77 

Rotschimmel 

1 

» 

Tigerschimmel 

1 

» 

Füchse 

18 

n 

Falb 

21 

n 

Rappen 

10 

11 

Braune 

27 

i» 

Schecken 

3 

11 

Grau 

3 

n 

Gelbtiger 

1 

7t 


Sa. 133 Pferde 


Es fällt die große Anzahl von Schimmeln hier auf, nächst- 
dem sind Braune und verhältnismäßig viele Falben vertreten. 
Von den drei Schecken sind zwei Braunschecken, einer Schwarz¬ 
schecke. 

Die Größe der mir zur Verfügung stehenden Tiere schwankt 
zwischen 1,29 und 1,50 m. Es sind dies ganz beträchtliche 
Größenunterschiede, jedoch ist es unmöglich, unter den beiden 
von mir unterschiedenen Schlägen, den Mongolen und den Schan- 
tungpferden, hierin bestimmte Grenzen featzulegen, da es sowohl 
unter ersteren, wie auch unter letzteren größere und kleinere 
Tiere gibt. 

Der Behang aller Tiere ist kräftig und lang. Kötenschopf 
gut entwickelt, reicht bis zur halben Trachtenhöhe. Derselbe 
wurde bei Dienstpferden bis jetzt beschnitten. Schopf sehr 
stark, desgleichen Mähne und Schweif. Die Mähne wird eben¬ 
falls beschnitten bei Dienstpferden und nur in Form einer Bürste 
ste'.en gelassen. Jedoch läßt man am Widerrist einen Büschel 
Haare stehen, dessen Zweck darin besteht, daß der auf¬ 
sitzende Reiter denselben zum Halt benutzt. Auch soll dieser 
Büschel den Sattel vor dem Nachvorngleiten bewahren. Die 
langen, manchmal bis zur Fessel reichenden Schweife werden 
nicht beschnitten. Das Haar selbst ist in Schopf, Mähne, 
Schweif und Köte (Grannen oder Schutzhaar) ziemlich grob und 
dick, auf jeden Fall nicht so dünn und weich, auch bei bester 
Pflege nicht, wie das entsprechende Haar unserer ostpreußischen 
Pferde. Auch das Deckhaar ist von gröberer Beschaffenheit, 
wenn auch zugegeben werden muß, daß einige Ausnahmen mit 
glatten, glänzenden dünnen Haaren vorhanden sind und die oben 
aufgestellte Regel nur bestätigen. 

Nachstehend mögen einige Maße folgen: Vorausbemerkt ist 
schon, daß alle Mähnen geschnitten sind und zwar auf durch¬ 
schnittlich 8 cm. Ich habe nur eine einzige Mähne gemessen, 
die meines eigenen Pferdes, und deren Länge beträgt 53 cm. 
Zugegeben, daß dieses Tier einen starken Haarwuchs hat, so 


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VI. Tjefcember 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 783 


dürfte doch 40 cm als Darchschnittsmaß der Mähne nicht zn 
hoch gegriffen sein. 

50 .... j 30 28 26, 20 2820! 3f>| 25j 3230*28' 22 24* 2615j 25 

51 . . . . ! 100 90 78 102 96,96; 1001105,102 85|95jl02 100i 102 95;! 10 


50 = Länge des Schopfes in cm 

51 = „ „ Schweifes in cm 

50 .I 22|33|32| 34 29 30 32 26| 31 27 25 23j 28] 34 ! 29 

51 .!110 96;88:105 98 97|86|ö9'l02|99 93 89 10l!l07|95 


Es ergibt sich hieraus für den Schopf eine Dorchschnitts- 
länge von rund 27,5 cm, für den Schweif rnnd 97,15 cm. 

Die Sommerdeckhaare sind im Mittel 10,5 mm lang. Winter¬ 
deckhaare wohl anderthalb bis zweimal so lang. 


Deckhaarproben (Länge): 


13 

mm 

Fuchs 

9 

mm 

Fuchs 

9 

mm 

Fuchs 

11 

ti 

tt 

10 

tt 

Schimmel 

7 

tt 

Hellfuchs 

15 

» 

Kühlfachs 

10 

tt 

tt 

15 

tt 

Kohlfuchs 

10 

» 

tt 

8 

tt 

tt 

9 

tt 

Fuchs 

8 

tt 

Fuchs 

9 

tt 

Fuchs 

11 

tt 

tt 

10 

tt 

ff 

15 

tt 

Kohlfachs 

12 

tt 

Rappe 

12 

11 

Rappe 

8 

tt 

Schimmel 

10 

tt 

Schimmel 

10 

tt 

Fuchs 

8 

tt 

t> 





Um einige Anhaltspunkte für Maße zu geben, um Vergleiche 
der beiden Rassen betreffs Exterieurs untereinander und gegen¬ 
über nnsern heimischen Tieren zn geben, habe ich eine Anzahl 
Pferde beider Schläge gemessen und lasse diese Aufstellungen 
paarweise folgen: 



Mongole 

Schantungpferd 


Afrikander 

Gadoal 

1. Bewegung (Gänge) . 

lang, ergiebig 

kurz 

2. Größe. 

1,38 m 

1,42 m 

3. Farbe. 

grau 

rotfalb 

4. Kopfiinie, Profil . . 

konvex, Rainskopf 

konkav, Hechtkopf 

4a. „ länge, unten. . 

0,57 m 

0,56 m 

5. Halslänge unten . . 

0,47 m 

0,46 m 

5a. „ oben . . 

0,81 m 

0,60 m 

5b. Halsansatz .... 

5c. „ aufsatz .... 

gerade 1 

\ normal 

tt 1 

hoch 

tief 

6. Rückenlänge . . . 

1,00 m 

0,96 m 

6a. „ linie.... 

gewölbt 

konkav 

7. Lenden. 

kurz 

lang 

8. Kruppe. 

schräg 

steil 

8a. „ länge . . . 

0,30 m 

0,35 m 

8b. „ breite . . . 

0,53 m 

0,61 m 

9. Schulter. 

schräg 

steil 

9a. Brustbreite .... 

0,36 m 

0.41 m 

9b. Schulterlänge . . . 

051 m 

0,53 m 

10. Widerrist .... 

hoch, lang 

rund, kurz, niedrig 

11. Schweifansatz . . . 

hoch 

mittel 

12. Gürtelmaß .... 

1,56 m 

1,60 m 

13. Bauch. 

mäßig 

stark 

14. Schenkelhöhe . . . 

15. Länge von Ellbogen- 

0,81 m 

0,85 m 

Hüftgelenk . . . 

1,31 m 

1,39 m 

16. Umfang der Vorder- 



gliedmaßen unter 
dem Vorderfuß- 



wurzelgelenk . . 

6,8 cm 

7 cm 

17. Sprunggelenkshöhe . 

0,52 m 

0,50 m 

18. Kniegelenkshöhe . . 

19. Vorderfußwurzelge- 

0,79 m 

0,85 m 

lenksböhe.... 

0,42 m 

0,40 m 

20. Entfernung vom Knie 



bis Schweifwurzel¬ 
gelenk . 

0,59 m 

0,63 m 




Mongole 

Schantungpferd 



Goltz 

Gans 

1. 

Bewegung .... 

flach, nrttellang 

kurz 

2. 

Größe. 

1,43 m 

1,41 m 

3. 

Farbe . 

falb 

falb 

4. 

Kopflinie. 

konvex 

gerade 

4a. 

„ länge .... 

0,54 m 

0,56 m 

5. 

Halslänge unten . . 

0,50 m 

0,41 m 

5a. 

„ oben . . 

0,72 m 

0,75 m 

5b. 

„ ansatz .... 

gerade 

hoch 

5c. 

„ aufsatz . . . 

>» 

tief 

6. 

Rückenlänge . . . 

0,93 ra 

0,85 m 

6a. 

„ linie . . . 

gewölbt 

leicht konkav 

7. 

Lenden . ... 

kurz 

lang 

8. 

Kruppe. 

schräg 

schräg bis steil 

8a. 

„ länge . . . 

0,43 m 

0,42 m 

8b. 

„ breite . . . 

0,59 m 

0,64 m 

9. 

Schulter. 

schräg 

steil 

9a. Brustbreite . . . . 

0,39 m 

0,44 m 

9b. 

Schulterlänge . . . 

0,55 m 

0,53 m 

10. 

Widerrist .... 

hoch, lang 

mittel, rund 

11. 

Schweifansatz . . . 

mittel 

mittel 

12. 

Gürtelmaß .... 

1,68 m 

1,64 m 

13. 

Bauch . 

mäßig 

rund, voll 

14. 

Schenkelhöhe . . . 

0,81 m 

0,81 m 

15. 

Ellbogen — Hüftlänge 



16. 

Schenkelumfang . . 

131 m 

1,32 m 

17. 

Sprunggelenkshöbe . 

7,2 cm 

7 cm 

18. 

Knie „ „ 

0,54 m 

0,53 m 

19. 

Vorderfußwurzelge- 

0,83 m 

0,81 m 


lenkshöhe .... 

0,42 m 

0,42 m 

20. 

Entf. von Knie bis 




Schweifwurzelgelenk 

0,60 m 

0,64 m 



Mungo 

Affe 

1. 

Bewegung .... 

mittellang 

kurz, niedrig 

2. 

Größe . 

1,37 m 

1,39 m 

3. 

Farbe. 

falb 

Kohlfuchs 

4. 

Kopflinie .... 

konvex (Ramsk.) 

gerade 

4a. 

„ länge .... 

0,54 m 

0,57 m 

5. 

Halslänge unten . . 

• 0,40 m 

0,46 m 

5a. 

,, oben . . 

0,84 m 

0,80 m 

5b. 

„ ansatz 

gerade 

hoch 

5c. 

„ aufsatz . 


tief 

6. 

Rückenlänge . . . 

0,90 m 

0,90 m 

6a. 

Rückenlinie . . . 

konvex 

gerade 

7. 

Lenden . 

kurz 

lang 

8. 

Kruppe. 

schräg 

schräg 

8a. 

„ länge . . . 

0,40 m 

0,43 m 

8b. 

„ breite . . . 

0,60 m 

0,58 m 

9. 

Schulter. 

schräg 

steil 

9a. 

Brustbreite .... 

0,38 m 

0,40 m 

9b. 

Schalterlänge , . . 

0,60 m 

0,62 m 

10. 

Widerist. 

mittel, rund 

kurz 

11. 

Schweifansatz . . . 

hoch 

niedrig 

12. 

Gürtelmaß .... 

1,58 m 

1,59 m 

13. 

Bauch . 

walzenförmig 

rund 

14. 

Schenkelhöhe . . . 

0,76 m 

0,76 m 

15. 

Ellbogen-Hüftlänge . 

1,32 m 

1,25 m 

16. 

Schenkelumfang . . 

7 cm 

6,5 cm 

17. 

Sprunggelenkshöhe . 

0,52 m 

0,50 m 

18. 

Knie „ „ 

0,80 m 

0,79 m 

19. 

Vorderfußwurzelge- 




lenkshöhe . . . 

0,40 m 

0,38 m 

20. 

Entf. von Knie bis 




Schweifwurzelgelenk 

0,60 m 

0,63 m 



Andreas 

Gottfried 

1. 

Bewegung .... 

lang, frei 

mittellang 

2. 

Größe. 

1,41 m 

1,43 m 

8. 

Farbe. 

Schecke 

falb (Isabelle) 


** 


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784 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 51. 




Mongole 

Schantungpferd 



Andreas 

Gottfried 

4. 

Kopflinie .... 

konvex (Ramsk.) 

konkav (Hechtk.) 

4a. 

„ länge .... 

0,56 m 

0,615 m 

5. 

Halslänge unten . . 

0,42 m 

0,44 m 

5a. 

„ oben . . 

0,91 m 

0,95 m 

5b. 

„ ansatz .... 

gerade 

hoch 

5c. 

„ aufsatz .... 


gerade 

6. 

Rückenlänge . . . 

0,96 m 

0,92 m 

6a. 

„ linie.... 

gewölbt 

konkav 

7. 

Lenden . 

geschlossen 

mittellang 

8. 

Kruppe ..... 

schräg 

steil 

8a. 

» länge . . . 

0,44 m 

0,37 m 

8b. 

„ breite . . . 

0,65 m 

0,60 m 

9. 

Schulter. 

schräg 

steil 

9a. 

Brustbreite .... 

0,40 m 

0,38 m 

9b. Schulterlänge . . . 

0,65.m 

0,55 m 

10. 

Widerrist .... 

hoch 

rund, mittellang 

11. 

Schweifansatz . . . 

hoch 

niedrig 

12. 

Gürtelmaß .... 

1,64 m 

1,59 m 

13. 

Bauch. 

walzenförmig 

voll, gewölbt 

14. 

Schenkelhöhe . . . 

0,80 m 

0,83 m 

15. 

Ellbogen—Hüftlange 

1,40 m 

1,37 m 

16. 

Schenkelumfang . . 

7,4 cm 

7,5 cm 

17. 

Sprunggelenkshöhe . 

0,53 m 

0,54 m 

18. 

Kniegelenkshöhe . . 

0,83 m 

0,84 m 

19. 

Vorderfußwurzelge- 




lenksböhe.... 

0,40 m 

0,43 m 

20. 

Entfernung vom Knie 




bis Schweif . . . 

0,64 m 

0,60 m 



Aviso 

Gustav 

1. 

Bewegung .... 

frei, groß 

mittel, niedrig 

2. 

Größe. 

1,39 m 

1,40 m 

3. 

Farbe. 

Dunkelfuchs 

grau 

4. 

Kopflinie .... 

konvex (Ram3k.) 

gerade 

4a. 

„ länge .... 

0,55 m 

0,54 m 

5. 

Halslänge unten . . 

0,40 m 

0,40 m 

5a. 

„ oben . . 

0,87 m 

0,94 m 

5b. 

„ ansatz .... 

gerade 

hoch 

5c. 

„ aufsatz .... 

gerade 

tief 

6. 

Rückenlänge . . . 

0,86 m 

0,91 m 

6a. 

„ linie.... 

gewölbt 

konkav 

7. 

Lenden . 

kurz 

kurz 

8. 

Kruppe . 

schräg 

steil 

8a. 

» länge • • • 

0,40 m 

0,47 m 

8b. 

„ breite . . . 

0,58 m 

0,59 m 

9. 

Schulter. 

schräg 

steil 

9a. 

Brustbreite .... 

0,40 m 

0,40 m 

9b. Schulterlänge . . . 

0,60 m 

0,66 m 

10. 

Widerrist. 

hoch 

rund, niedrig 

11. 

Schweifansatz . . . 

hoch 

mittelhoch 

12. 

Gürtelmaß .... 

1,66 m 

1,60 m 

13. 

Bauch . 

rund, mäßig 

Hängebauch 

14. 

Schenkelhöhe . . . 

0,74 m 

0,79 m 

15. 

Länge . 

1,34 m 

1,16 m 

16. 

Schenkelumfang . . 

7 cm 

7 cm 

17. 

Sprunggelenksböhe . 

0,52 ra 

0,53 m 

18. 

Kniegelenkshöbe . . 

0,84 m 

0,83 m 

19. 

Vorderfußwurzelge- 




lenksböhe . . . 

0,38 m 

0,43 m 

20. 

Entfernung vom Knie 




bis Schweif . . . 

0,63 m 

0,61 m 


Betrachten wir diese Zahlen näher, so fällt vor allem die 
im Verhältnis zur Höhe ganz enorme Bmstbreite anf. Diese 
Brnstbreite entspricht derjenigen, welche wir als Mindestbreite bei 
einem mittelschweren dänischen Arbeitspferde verlangen müssen. 

Ferner sind die Zahlen für die Gürtelmaße durchweg be¬ 
trächtlich hohe. (Gürtelmaß ist der Umfang des Brustkastens, 


gleich hinter dem Widerrist gemessen.) Während z. B. als 
Norm bei einem heimischen Pferde ein Gürtelmaß, welches 
= Höhe -f- 15 cm ist, anzusehen ist, findet man in vorstehender 
Tabelle, daß dasselbe bedeutend größer ist; z. B. gehören 
folgende Maße zusammen: 

H = Höhe, G = Gürtelmaß. 

H = 143, G = 168 d. i. G = H + 25 

H = 141, G = 164 „ G = H + 23 

H = 137, G = 158 „ G = H + 21 

H = 139, G = 159 „ G = H + 20 usw. 

Aus diesen beiden Brustmaßen (Brnstbreite und Gürtelmaß) 
ergibt sich, daß der geräumige Brustkorb stark ausgebildete 
und infolgedessen kräftige und leistungsfähige Organe (Herz 
und Lunge) beherbergt. 

Dagegen sind die HaUlängenmaße sehr klein und die des 
Kopfes sehr groß. 

Die Aufstellung von Maßen und die daraus resultierende 
Schlußfolgerung und deren Anwendung ist notwendig, sobald 
man sich mit dem Gedanken trägt, selbst züchterisch zu wirken, 
denn zur rationellen Zucht sind Modellpferde nötig, d. h. die 
Körperformen der zur Zucht verwandten Tiere müssen propor¬ 
tional sein. „Ein Pferd wird zur Zucht sich gut eignen, wenn 
es „schön“ ist, denn „Schönheit“ ist Ebenmaß in allen Teilen. 
Ebenmaß aber ist das richtige Verhältnis der einzelnen Teile 
unter sich und zum Ganzen“. (Eberleins Vorlesungen über 
Exterieur und Gestütknnde.) 

Von den verschiedenen Theorien, welche man anfgestellt 
hat, will ich die Settegastsche Parallelogrammtheorie über¬ 
gehen, da dieselbe allgemein verlassen ist. 

Nach der Roloffschen Theorie des goldenen Schnittes ist 
die Länge des Kopfes = dem minor, ebenso die Länge des 
unteren Halsrandes und die Höhe bis zur Spitze des Sprung¬ 
beinhöckers; die des Halses = dem major; ferner Rücken¬ 
länge, Höhe bis zur Kniescheibe = dem major. 

Sodann ist die Entfernung vom Schultergelenk bis zur 
Höhe des Widerristes (Schulterlänge in der Tabelle) gleich der 
Entfernung der Kniescheibe von der Schweifwurzel, und beide 
sind gleich dem minor. 

Danach ergeben sich die Berechnungen der untersuchten 
Pferdemaße wie folgt: 

Afrikander 1,38 m groß. 


/ Rückenlänge.100 cm 

major 86 cm j obere Halslänge.81 „ 

Kniescheibenhöhe.79 „ 

Kopflänge.57 „ 

untere Halslänge.47 „ 

minor 52 cm Sprungbeinhöhe.52 „ 

Schulterlänge.51 „ 

Entfernung von Knie bis Schweif. . 59 „ 

Gadval 1,42 m groß. 

t Rtickenlänge.96 cm 

major 87,5 cm j obere Halslänge.80 „ 

Kniescheibenhöhe.85 „ 

Kopflänge.56 „ 

untere Halslänge.46 „ 

minor 54,5 cm Sprungbeinhöhe.50 „ 

Schulterlänge.53 „ 


Entfernung von Knie bis Schweif. . 63 „ 


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17. Dezember 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


785 


major 88 cm 


minor 55 cm 


major 87 cm 


minor 54 cm 


major 85 cm 


minor 52 cm 


major 86,5 cm 


minor 52,5 cm 


major 87 cm 


minor 54 cm 


major 88 cm 


minor 55 cm 


major 86,5 cm 


Goltz 1,43 m groß. 

Rückenlänge. 

obere Halslänge. 

Kniescheibenhöhe. 

Kopflänge. 

untere Halslänge. 

Sprungbeinhöhe. 

Schulterlänge. 

Enlfernung von Knie bis Schweif. . 

Gans 1,41 m groß. 

Rückenlänge. 

obere Halslänge. 

Kniescheibenhühe. 

Kopflänge. 

untere Halslänge. 

Sprnngbeinhöhe. 

Schulterlange. 

Entfernung von Knie bis Schweif. . 

Mungo 1,37 m groß. 

Rückenlänge. 

obere Halslänge ........ 

Kniescheibenhöhe. 

Kopflänge. 

untere Halslänge. 

Sprungbeinhöhe. 

Schulterlange. 

Entfernung von Knie bis Schweif. . 

Affe 1,39 m groß. 

Rückenlänge. 

obere Halslänge. 

Kniescheibenhöhe. 

Kopflänge. 

untere Halslänge. 

Sprungbeinhöhe. 

Schulterlänge. 

Entfernung von Knie bis Schweif. . 

Andreas 1,41 m groß. 

Rückenlänge. 

obere Halslänge. 

Kniescheibenhöhe. 

Kopflänge . .. 

untere Halslänge. 

Sprungbeinhöhe. 

Schulterlänge. 

Entfernung von Knie bis Schweif. . 

Gottfried 1,43 m groß. 

Rückenlänge. 

obere Halslänge. 

Kniescheibenhöhe. 

Kopflänge. 

untere Halslänge. 

Sprungbeinhöhe. 

Schulterlänge. 

Entfernung von Knie bis Schweif. . 

Aviso 1,39 m groß. 

Rückenlänge. 

obere Halslänge. 

Kniescheibenhöhe. 


93 cm 
72 „ 

83 „ 
54 „ 

50 „ 

54 „ 

55 „ 
60 „ 

85 cm 
75 „ 
81 „ 

56 „ 

51 „ 
5.3 „ 

53 „ 

64 „ 

90 cm 

84 „ 
80 „ 

54 „ 
40 „ 

52 „ 
60 „ 
60 „ 

90 cm 
80 „ 
79 „ 

57 „ 
46 „ 
50 „ 
62 „ 

63 „ 

96 cm 

91 „ 

83 „ 
56 „ 
42 „ 

53 „ 

65 „ 

64 „ 

92 cm 
95 „ 

84 „ 
61,5 „ 

44 „ 

54 „ 

55 „ 
60 „ 

86 cm 

87 „ 
84 „ 


Kopflänge . . . 55 cm 

untere Halslänge.40 „ 

minor 52,5 cm { Sprungbeinhöhe.52 ,, 

Schulterlänge.60 „ 

Entfernung von Knie bis Schweif. . 63 „ 

Gustav 1,40 m groß. 

Rückenlänge.91 cm 

major 87 cm { obere Halslänge.94 „ 

Kniescheibenhöhe.83 „ 

Kopflänge.54 „ 

untere Halslänge.40 „ 

minor 53 cm | Sprungbeinhöhe.53 „ 

Schulterlänge.66 „ 

Entfernung von Knie bis Schweif. . 61 „ 

Die größten Abweichungen von der aufgestellten Formel 
innerhalb dieser Maße zeigen sich bei der Kniehöhe, welche 
durchweg kleiner als der betreffende major ist und bei der 
unteren Halslänge, welche überhaupt um ein ganz Bedeutendes 
kleiner als der minor ist. 

Während man gewöhnt ist, den minor als Maximallänge des 
normalen Kopfes anzusehen, sehen wir hier, daß bei dem 
chinesischen Pony der Kopf, worauf schon oben aufmerksam 
gemacht wurde, unverhältnismäßig groß ist und die Länge 
desselben in allen Fällen größer als der minor ist. 

Dieser letztere Umstand ist auch die Ursache, weshalb ein 
ferner aufgestelltes Idealmaß, das des Eclipse, nicht zur An¬ 
wendung kommen kann. Die nach dem Eclipse, diesem hervor¬ 
ragendsten englischen Vollblüter, festgelegten Idealmaße er¬ 
forderten, daß die Länge = 2 1 / 2 mal Kopf betrug. 

Die Höhe bis zum Erbsenbein [V.] (Nr. 19 der Tabelle) 
soll gleich der halben Höhe bis zum Ellbogen [E.] sein (Nr. 14 
der Tabelle). Ein Vergleich beider Maße zeigt, daß hier keine 

V = E 

starken Abweichungen davon Vorkommen. ■ 

2 

Der unter dem Vorderfußwurzelgelenk gemessene Umfang 
des Metacarpus (Schienbeins) Sn beträgt im Durchschnitt 7 cm. 
Nehmen wir die Durchschnittshöhe des Ponys mit 1,40 an, so 
sehen wir, daß man den Schienbeinumfang 20 mal auf die 
Länge auftragen kann, und dies Moment möchte ich als eines 
der grundlegenden in der Bewertung der Maße betrachten; 
[H = Sn. 20]. 

Dann wäre dem allgemein robusten Ban der Ponys ent¬ 
sprechend zu verlangen, daß das Gürtelmaß gleich der Höhe 
plus 20 cm ist. G = H -f- 20 cm. 

Schenkelhöhe [Sh] = Gurtentiefe [Gt] (Gurtentiefe ist 
die seitlich gemessene Höhe des Brustkorbes). Sh = Gt. 

Diese als Kardinalpunkte angenommen, bei sonstigem Zurück¬ 
greifen auf die vorher beschriebenen Rasseeigentümlichkeiten, 
bei denen man selbstredend die minder guten auszuscheiden 
hätte, dürften die zunächst liegenden Anforderungen, welche 
man an einen brauchbaren Pony stellen müßte, sein. 

Ganz fern liegt es mir, durch Aufstellung dieser Punkte — 
wie es vielleicht den Anschein erwecken könnte — schematisieren 
zu wollen. Schwarznecker sagt in seiner ,,Pferdezucht“: 
„Da die Form als Resultat der inneren Lebenstätigkeit betrachtet 
werden muß, so beruht auch der Rückschluß von der äußeren 
Form auf die innere Lebenstätigkeit und auf die Kraft auf einer 
durchaus reellen Basis.“ 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 51 


786 


Nochmals das Befestigen der Schweine beim Impfen. 

Von 

Dobler in Sinsheim (Elsenz). 

Tierarzt 

Des öfteren wurde in dieser Zeitschrift schon die Frage 
erörtert, wie man bei Vornahme der Impfang die Schweine am 
zweckmäßigsten befestigt. Hierbei kamen bald mehr bald 
weniger einfache Methoden zur Sprache, die seitens der be¬ 
teiligten Kollegen zu scharfen gegenseitigen Kritiken Anlaß 
gaben. Selbstverständlich wird jeder Kollege — dasselbe gilt 
ja auch für die Wurfmethoden des Pferdes — der ihm einmal 
vertrant gewordenen Befestignngsart den Vorzug geben. Zweck 
dieser Zeilen kann es deshalb anch nur sein, einige Erfahrungen 
darüber mitzuteilen, wie man ohne viel Aufwand an Zeit, Ge¬ 
hilfen, Instrumenten wie Impfkästen, Fangeisen etc. am raschesten 
die Impfung erledigt. Für alle Verhältnisse passende und un¬ 
fehlbare Regeln über das Befestigen der Schweine lassen sich 
dem Impftierarzt, der von Hof zu Hof wandern muß, überhaupt 
nicht geben. 

In jedem einzelnen Falle sind meiner Ansicht nach neben 
Gesundheit, Trächtigkeit etc. vor allem Alter, Gewicht, Tempe¬ 
rament sowie die Örtlichkeit und die verfügbaren Hilfskräfte 
genau ins Auge zu fassen und hiernach richtet sich auch ganz 
wesentlich die Befestigungsart des Tieres. 

Kleinere 9 bis 12 Wochen alte Schweine werden durch 
einen Gehilfen an den Hinterfüßen (den Bauch oder Rücken 
des Tieres dem Operateur zugekehrt) hochgehalten (Impfung: 
an der Schenkelinnenfläche). Noch einfacher ist die Impfung 
zu bewerkstelligen, wenn das Schweinchen an den Vorderbeinen 
von rückwärts her gefaßt und mit dem Rücken gegen den 
Haltenden zu niedergesetzt wird. Zwängt der Gehilfe den 
Kopf des Tieres zwischen seine Beine, so läuft das Impfgescbäft 
sogar ohne das unvermeidliche Geschrei ab (Impfung: am 
Schenkel). 

Mittelschwere, kräftige bis ein Jahr alte Schweine lassen 
sich am besten beikommen, wenn dieselben von zwei Leuten 
derart anf den Rücken gelegt werden, daß der eine den Kopf 
des Tieres festklemmt und dessen Vorderbeine kräftig kreuzt, 
während der andere die Hinterbeine leicht nach hinten außen 
zieht und zugleich etwas auseinandernimmt, worauf die beiden 
Schenkelflächen als Operationsfeld sehr günstig vor einem liegen 
(s. Römer, Mitteilungen des Vereins badischer Tierärzte 1902, 
Nr. 3, Seite 45). Im Notfälle oder wenn bloß ein Gehilfe zur 
Stelle ist, läßt mau das Schwein mit dem Hinterfuß an einen 
Pfosten binden. Der Haltende zieht das Schwein an den Ohren 
kräftig nach vorn und hebt es zugleich in die Höhe (Impfung: 
am Ohre). 

Verhältnismäßig rasch wickelt sich die Impfang bei den oft 
so gefürchteten Ebern ab. Eine mittelst eines Strangs gebildete 
Kastrierschlinge wird dem Tier über die Hauer gestreift und 
dortselbst kräftig zugezogen. Die strickartig zusammengedrehten 
Strängenden werden jetzt an irgendeinem festen Gegenstand 
(Stallpfosten, Ring etc.) festgebunden, worauf der Eber stillhält, 
bis die Impfung am Ohr vorüber ist 

Viel schwieriger ist mit den für gewöhnlich aufgeregten, 
namentlich jüngeren Mutterschweinen urozugehen, besonders 
dann, wenn sie trächtig sind. Hier ist große Vorsicht am 
Platze; denn eine ungeschickte Manipulation hat nicht selten 
Verwerfen zur Folge. Bringt man die Tiere nicht durch güt¬ 


liches Zureden, Streichen des Gesäuges oder Vorlegen ihres 
LieblingsfatterB so weit, daß sie sich beruhigen, so wird in der 
nämlichen Weise wie bei den Ebern der Fangstrick angelegt 
und das Mutterschwein mit dem Hinterteil in eine Stallecke 
gedrängt. Rechts und links vom Kopf des Tieres stellt sich je 
ein Mann auf, welche die Strängenden zügelartig nach rückwärts 
ziehen; nicht vorwärts, weil wegen der fehlenden Hauer der 
Strick alsbald abrutscht. (Impfung: am Ohre.) 

Jedes mit den Anzeichen hochgradiger Knochenbrüchigkeit 
behaftete Schwein sollte von der Impfung schon aus dem 
Grunde ausgeschlossen werden, da trotz größter Vorsicht und 
schonendster Behandlung beim Festhalten Knochenbrüche gar 
nicht so selten Vorkommen. Ohne zwei Gehilfen wird es wohl 
selten abgehen nnd man tut gut daran, sich im Ort einen ge¬ 
wandten Mann zu verschaffen, der nach und nach im Schweine¬ 
halten Meister wird und einstweilen, während der Iropftierarzt 
seine Impfstoffe vorbereitet, mit seinem Genossen die Befestigung 
voraimmt. 


Referate. 

Ans den Jahresberichten der beamteten Tierärzte 
Preußens 190!. 

(Nach den „Veröffentlichungen“ von Bermbach-Berlin 1908). 

Vergiftungen. 

Bleivergiftung : Es erkrankten an Saturnismus neun Kühe, deren 
Krippen mit Mennige bestrichen wurde, unter nervösen Symptomen, 
Ptyalismus, Dyspnoe, Kolik, Amblyopie. Vier verendeten am 
zweiten und drei in den nächsten drei Tagen; zwei erholten 
sich nach Wochen; — neun Kühe, nach Aufnahme von Bleisand 
mit dem Futter, den der „Bleibach“ im Kreis Euskirchen heuer 
in erhöhtem Maße führte; — fünf Kühe nach Aufnahme von 
Mennige, die von gestrichenen Deckstützen abgetropft war. 
Therapeutisch bewährte sich Schwefelleber. Pathol. Befand: 
Gastritis, Enteritis, Hyperämie des Gehirns, Serum in den 
Kammern. 

Quecksilbervergiftung : Bei 25 Rindern wurde nach Einreibung 
von grauer Salbe Merkurialismus unter den bekannten Symptomen, 
in einem Falle mit Abortus beobachtet. Die genesenden Tiere 
waren lange Zeit krank. 

Hüttenrauchvergiftung : Zahlreiche Schafe verendeten auf Weide¬ 
plätzen bei Aschendorf (Osnabrück), über die das Gift durch 
eine, neukaledonische, angeblich arsenfreie Nickelerze bearbeitende 
Fabrik verbreitet wird. Lämmersterben, Abortus der Schafe 
und Rinder, Rückgang der Milchsekretion, Husten, Durchfall, 
Kachexie der Tiere ist dort stationär. Das Heu ist hart, ohne 
Aroma, wie ausgelaugt; die Blätter sind vielfach durchlöchert. 
Untersuchte Bodenproben enthielten Kupfer, Zink, Blei. 

Witheritverglftung : 30 gesunde Länferschweine erkrankten 
nach einem Transport in einem Bahnwaggon, der nicht von 
dem darin vorher lagernden Witherit gereinigt war. Vier ver¬ 
endeten am ersten Tage, neun am zweiten; die anderen zeigten 
totale Lähmung. Fünf genasen nach Anwendung von Brech¬ 
mitteln. 

Steinkohlenteervergiftung wurde bei einer Kuh beobachtet, die 
Wasser aus einem Steinkohlenteerfaß aufnahm: Stöhnen, Un¬ 
vermögen aufzustehen. Notschlachtung. Sehr viel Teer in Haube, 
Pansen, Labmagen. Blutungen in der Lunge. Unvollkommene 
Gerinnung des Herzblutes. Fleisch ohne abnormen Geruch. 


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17. Dezember 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 787 

Vergiftung durch verdorbene Malzkeime wurde bei sechs Rindern Zecken völlig genügte. In keinem Falle traten Neben¬ 


beobachtet. Symptome: Bewegungsstörungen, Schwindel, Taumeln, 
Lähmungen, Depression, Polyurie. In einem Fall blieb Blasen¬ 
lähmung zurück. Zwei Tiere verendeten. — Mit Milchmelasse 
gefütterte Kühe zeigten Extremitätenanschwellungen, die nach 
Einstellung dieser Fütterung schwanden, bei Wiederaufnahme 
rezidi vierten. 

Getrocknete Maissohiempe, pro Tag und Haupt zu 3 / 4 Pfd. ver¬ 
füttert, führte zu toxischen Erscheinungen bei 100 Schafen, 
deren fünf verendeten, 95 im Nährzustand und Wachstum zurück¬ 
blieben. Kadaver quittengelb; hämorrhag. Nephritis. 

Keimende Kartoffeln verursachten bei Rindern Ernährungs¬ 
rückgang, Krusten- und Borkenbildung an der Haut des Bauches, 
Euters, der Extremitäten. Heilung 14 Tage nach Futterwechsel. 

Grüner Buchweizen verursachte bei Rindern Entzündung im 
Bereich der Kopfhaut, Unruhe, Tobsucht. Genesung trat bald 
ein. Ein Tier ging apoplektisch zugrunde. 

Lupinenotroh nahmen elf Pferde aus der Streu auf. Eins 
verendete, die anderen erholten sich nur langsam. 

Schachteihaimvergiftung durch reichen Equisetaceengehalt des 
Futters verursacht, zeigten sämtliche Pferde eines Bestandes: 
hochgradige Kreuzlähme, schließlich Unfähigkeit zu stehen. 
Genesung nach Futterwechsel. Für Kühe war das Futter un¬ 
schädlich. — Bei 15 anderen Pferden waren die Symptome die 
der Schreckhaftigkeit, des Taumelns, Schwankens im Hinterteil, 
Inappetenz. Krankheitsverlauf Tage bis Wochen. Tod unter 
Hinterhandslähmung, Bewußtlosigkeit. Path. Befand: Hyperämie 
des Gehirns und seiner Häute. 

Vergiftung durch Insektenstiche (von Simulia ornata) wurde 
im Mai bei Kühen auf Waldweiden im Kreise Gerdauen beobachtet: 
teigige Schwellungen von Unterkiefer bis Genitalien, Temperatur 
bis 40°, Puls 120—140; Tod nach höchstens 36 Stunden. Pathol. 
Befund: allgemeine Hydrämie. Pathogene Mikroben wurden 
nicht gefunden. Tod wohl durch Herzlähmung durch ein von 
Insekten übertragenes Gift. 

Vergiftung durch Weizenschalmeiasse bei vier Pferden. Symp¬ 
tome der Lähmung des linken Vorderfußes und der Nachhand; 
Polyurie. Tod nach 2—5 Tagen. Von vier neuangekauften 
Pferden gingen zwei in gleicher Weise ernährte ebenfalls zu¬ 
grunde. 0. Albrecht. 

Massenhaftes Auftreten von Zecken bei Pferden. 

Von Roßarzt a. D. Junack. 

(Zeitichr. f. Veterinärk. 1903. 8. 258.) 

Eine Patrouille von acht Reitern war an einem Junitag 
etwa eine Stunde lang in einem Brombeergesträuch am Wald¬ 
rand abgesessen. Nach zwei Tagen wurden die Pferde dem 
Verfasser zur Untersuchung vorgestellt. Ihr ganzer Körper, 
ausgenommen Kopf, Sattellage und Bauch, zeigte erbsengroße 
Prominenzen, auf denen die Haare im Zentrum ausgefallen, 
sonst aufgebürstet und verklebt waren. An jeder depilierten 
Stelle saß ein schwärzlicher, mit Blut also noch nicht voll¬ 
gesaugter, 1 — 2 mm langer Holzbock, Ixodes ricinus. An 
vier Pferden fanden sich je 30 — 40, an zwei anderen 80 — 90 
Exemplare dieses Parasiten; an zweien endlich wurden min¬ 
destens 300, an einer Extremität allein 80 gezählt. Trotz 
der großen Zahl der ihre Haut okkupierenden Schmarotzer 
reagierten die Pferde in keiner Weise durch Reiben oder 
Nagen. — Die Behandlung bestand in Einreibung der besetzten 
Stellen mit Olivenöl und etwas Creolin, was zur Lösung der 


erscheinungen wie Pustelbildung oder Abszedierung auf. 

0. Albrecht. 

Traumatische Nierenverletzungen bei Haustieren. 

Experimentaluntersuchungen von Professor Parascandolo-Neapel. 

(Monatshefte f. prakt. Tierheilk. 14. B., 8. 228—240.) 

Parascandolo studierte durch Tierversuche die Pathologie 
der Nierenverletzungen und die Möglichkeit ihrer chirurgischen 
Behandlung. 

25 Hunden verschiedener Größe und Rasse wurden starke 
Schläge auf die Lendengegend appliziert. Der Effekt waren 
namentlich circumrenale Verletzungen, seltener resultierten eine 
traumatische Wanderniere oder longitudinale und transver¬ 
sale Risse. Die Begleitsymptome waren Übelkeit, Erbrechen, 
Taumeln, Collaps, urämische oder reflektorische Shockerschei- 
nungen, anfänglich Oligurie, später Polyurie und Hämaturie. — 
Von ihnen versterben alsbald vier an Verblutung, einer an 
einem Nierenabszeß und nachfolgender Peritonitis. Von den 
übrigen 21 blieben sieben unbehandelt (vier starben, drei ge¬ 
sundeten), sieben wurden durch Unterbindung der Gefäße be¬ 
handelt (zwei starben, fünf gesundeten), an sieben, deren 
Traumata besonders stark waren und erhebliche Organver¬ 
änderungen verursacht hatten, wurde die Nephrektomie ausgeführt 
(einer starb, sechs wurden geheilt). 

Außerdem wurden 28 Tieren, Hunden, Pferden, Eseln, Maul¬ 
tieren operativ NierenverletzungeD, Stich-, Schnitt-, Schußwunden 
beigebracht. Von ihnen versterben zehn, davon drei ohne 
operativen Eingriff an Shock, vier wegen multipler Verletzungen 
von Bauchorganen, zwei ohne Operation an Verblutung, einer 
an Peritonitis. Unter den 18 geheilten war bei 13 die Nieren¬ 
naht, bei vier die Tamponade, bei einem die Nephrektomie aus¬ 
geführt worden. 

Parascandolo zieht daraus folgende Schlüsse: In Fällen von 
Nierenverletzungen mit leichter Blutung, in denen nur die Rinden- 
snbstanz betroffen ist, genügt die einfache Tamponade; in allen 
anderen Fällen ist der Naht, besonders der mit Catgut, der Vor¬ 
zug zu geben. Bei starken Blutungen kann man auch zur Unter¬ 
bindung der Gefäße schreiten, weil Nierengangrän nicht zu be¬ 
fürchten ist. Bei ausgiebiger Gewebszertrümmerung, wie nament¬ 
lich durch Schußwunden, empfiehlt sich nur die Nephrektomie. 
Wegen der Gefahr einer Infektion von außen oder von der Blase 
her, darf man sich nicht lange mit Anwendung äußerer Mittel 
aufhalten, andererseits zur Exstirpation eines so wichtigen 
Organs nur in dringenden Fällen schreiten, wenn andere Hilfs¬ 
mittel nicht ausreichen. Jedenfalls braucht man ein Tier mit 
traumatischer Nierenverletzung heute nicht mehr aufgeben, da 
ein chirurgischer Eingriff ihm fast sicher das Leben rettet. 

0. Albrecht. 

Untersuchung über die Fäulnis des Fleisches. 

Von Tissier und Martelly. 

(Annales de l'Institut Pasteur, 25. 12. 1902, lief, de Revue gen. de m£d. v6t.) 

Als Versuchsobjekt diente Ochsenfleisch, das aus mehreren 
Metzgereien von Paris bezogen worden war, und das so frisch 
als möglich zur Verwendung kam. Das Fleisch wurde zu den 
Versuchen entweder in destilliertes Wasser eingebettet zur 
Fernhaltung der direkten Einwirkung des Sauerstoffes, resp. in 
sterilisierte, mit Watte verschlossene Kochflaschen, oder unter 
Glasglocken gebracht. Die Versuchsobjekte wurden durchweg 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 51. 


788 


in einer Temperatur von 20 Grad gehalten. Gleichzeitig wurden 
die vorgehenden Veränderungen bakteriologisch und chemisch 
geprüft. 

Die Versuche ergaben, daß das Fleisch alle zur vollständigen 
Fäulnis nötigen Keime von vornherein enthält; die Fäulnis ist 
das Resultat der Pullulation der verschiedenen Mikroben, die 
teilweise aerob, zum Teil anaerob oder fakultative Aeroben sind. 
Es wurden vorgefanden die schon bekannten Micrococcus flavos 
liquefaciens von Flügge, Streptococcen und Staphylococcen, 
Bacterium Coli,* Proteus vulgaris von P. Jeuckeri, ferner zwei 
neue Arten: Diplococcus griseus non liquefaciens und Bacillus 
filiformis aerobius, deren Charakteristik genau gegeben wird. 
Die beschriebenen Anaeroben sind: Bacillus putrificus coli von 
Bienstock, Bacillus perfringens von Fränkel und folgende 
neue Typen: Bacillus bifermentans sporogenes, Bacillus gracilis 
putridus und Diplococcus magnus anaerobius. 

Bezüglich ihrer Funktion trennen sich diese Mikroben in 
gemischte Fermente und einfache Fermente. Die ersten greifen 
gleichzeitig die Kohlenhydrate und die Eiweißkörper an und 
scheiden hauptsächlich tryptische Diastasen aus, die das Eiweiß 
angreifen; die einfachen Fermente dagegen haben keinen Einfluß 
auf die Kohlenhydrate und wirken nur auf die Eiweißkörper ein; 
sie sind proteolytische Fermente. Die Mikrobenarten, die die 
Rolle der proteolytischen Fermente spielen, sind es, welche das 
Eiweißmolekül zerstören; diese Hauptfunktion in der Verwesung 
kommt den Anaeroben zu; unterstützt werden sie in der beim 
Fleische zntreffenden Vorbedingung durch die Aeroben, die das 
Medium durch die Bildung von Ammoniak neutralisieren. 

Die Versuche ergaben, daß in den ersten vier Tagen eine 
aktive Gärung des Zuckers stattfindet unter dem Einfluß der 
obengenannten Aeroben; das Fleisch reagiert hierbei sauer. 
Nach drei bis vier Tagen ist das Medium seines Sauerstoffes 
beraubt, es treten die Anaeroben auf und beginnt die Zersetzung 
des Eiweißes. Der Zucker verschwindet gegen den zehnten 
Tag, die Fette sind zu ammoniakalischen Seifen geworden, und 
bis zur dritten Woche ist die Gärung der Proteine sehr lebhaft. 
Von der dritten Woche an verlangsamt sich der Angriff auf 
die Eiweißkörper, die Aeroben verschwinden, nach ihnen die 
Anaeroben. Nach vier Monaten bildet das Fleisch eine schmierige, 
schwarze Masse, die, frei von Albumin, fast ungeeignet ist für 
die Kultur von Mikroben. 

Man kann somit in der Fäulnis des Fleisches zwei Phasen 
unterscheiden: diejenige der Einwirkung der gemischten Fermente, 
die den Zucker zerstören und das Eiweiß aDgreifen, und diejenige 
der Einwirkung der reinen Fermente, die die Zerstörung des 
Albumins und seiner Derivate vollenden. Zündel. 

Die Heilung der Tuberkulose als Schlußstein im Kampf 
gegen die Tuberkulose des Rindes. 

Von Schlachthofdirektor E. Hauptmann-Warnsdorf. 

(Zeitschrift für Tiermediiin, VII. B., 3.-6. II., S. 161—200 u. 321—357.) 

In einer umfassenden, ein ganzes Buch repräsentierenden 
Abhandlung sichtet der Verfasser historisch-kritisch beiläufig 
300 Vorarbeiten über Heilung und Bekämpfung der Rinder¬ 
tuberkulose, durch die dieses Ziel bisher nicht erreicht wurde, 
und erklärt dann: „Nun aber verspricht schon die nächste Zukunft 
Erlösung, und als diese Erlösung betrachte ich die mir gelungene 
Heilung der Tuberkulose.“ 

Zur Tuberkulosebekämpfung gibt es zwei Wege. Auf dem 
einen kann man die natürliche Heil- und Widerstandskraft des 


Körpers diätetisch durch Mästung etc. unterstützen. Der andere 
ist die Anwendung der Antiseptica bzw. der Heilsera. Der 
erste verspricht schon aus äußeren Gründen keine rechten Er¬ 
folge. Die Herstellung eines wirksamen Heilserums wird erstrebt, 
ist aber bisher noch nicht gelungen. Die einzige Hoffnung auf 
einen Erfolg gewähren somit derzeit allein die antiseptischen 
Chemikalien. 

Unter diesen empfiehlt sich a priori als erprobtes anti¬ 
bakterielles Halogen, als Heilmittel anderer phytoparasitärer 
Infektionskrankheiten, als Antidot bei Alkaloidvergiftungen, das 
darum ein ähnliches Verhalten zu den verwandten Toxinen der 
Bakterien erwarten läßt, das Jod. Die Anwendung von Jodum 
purum freilich hat eine Anzahl unangenehmer Nebenwirkungen 
zur Folge. Das neue Mercksche Präparat Jodipin entbehrt der¬ 
selben aber und hat vor diesem auch noch andere Vorzüge 
voraus (vgl. B. T. W. Nr. 28, S. 450). Das durch solche 
theoretischen Erwägungen festgestellte Mittel versuchte nun 
Hauptmann gegen Tuberkulose, und in ihm glaubt er das er¬ 
sehnte Heil- und Erlösungsmittel für unsere Haustiere und für 
die Menschheit selbst gefunden zu haben. 

Die Versuchstiere entnahm Hauptmann einer notorisch 
mit Tuberkulose verseuchten, hygienisch durchaus unzureichenden 
Stallung, deren Insassen sich nach der Schlachtung regelmäßig 
und zum Teil hochgradig tuberkulös erwiesen. Aus diesem 
Bestand wählte er drei Tiere, Simmenthaler mit oberbadischem 
Fleckvieh gekreuzt, je eine 15 Monate bzw. 2 y 2 Jahre alte 
Kalbin und eine neunjährige Kuh, die sämtlich nach Abstammung, 
ihrem Standplatz zwischen Kühen, die sich nach der Schlachtung 
tuberkulös erwiesen, die ersteren beiden auch durch ihr Hüsteln 
von vornherein suspekt waren, die ferner auf eine peinlich genau 
ausgeführte Tuberkulinimpfung in ausgesprochener Weise reagiert 
hatten. 

Sie erhielten täglich drei Eßlöffel = 50,0 Jodipin = 5,88 Kal. 
jodat. mit schwarzem Kaffee per ob. Nach 52 Tagen mußte 
die eine Kalbin aus äußeren Gründen geschlachtet werden. Sie 
wurde deshalb gleichzeitig mit ihren Genossinnen einer noch¬ 
maligen Impfung unterworfen. Sie reagierten wiederum sämtlich 
deutlich, mußten also noch als tuberkulös gelten, und eine inner¬ 
halb dieser Zeit etwa entfaltete Heilwirkung des Jodipins war 
nicht anzunehmen. Bei dem sezierten Tier wurde auch Tuber¬ 
kulose konstatiert, zugleich „aber auch das ausgesprochene Be¬ 
streben des Organismus, die Krankheitsherde zu umgrenzen und 
unschädlich zu machen“, so daß der Verfasser eine der Jod¬ 
therapie zuzuschreibende Heiltendenz glaubt konstatieren zu 
dürfen. 

Zu einer zweiten Versuchsreihe wurden den beiden ver¬ 
bliebenen zwei andere, aus einer noch ungünstigeren Stallung 
genommene Versuchstiere, eine l 1 ^ bzw. 2 Jahre alte Kalbin 
zugesellt. Sie erhielten jetzt das Jodipin subkutan. Die von 
früher vorhandene Kuh erhielt jeden anderen Tag in allmählicher 
Steigerung eine Dosis von 10—50,0. Sie zeigte während der 
Zeit dieser Medikation keinerlei Unbehagen, besserte sich viel¬ 
mehr in ihrem Nährzustand, ging nur vorübergehend einmal in 
der Milchproduktion zurück und ertrag selbst eine ihr einmal 
einverleibte „Gewaltdosis“ von 100,0 und eine Schlußdosis von 
120,0 Jodipin ohne Zeichen irgendwelcher Störung, so daß das 
Mittel an sich also als dem Rind durchaus ungefährliches 
Präparat gelten kann. Diese Kur wurde mit einer längeren 
Unterbrechung durch viele Monate ausgedehnt, wobei der Patient 


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VI. Dezember 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 789 


per ob 1000,0 (10%) Jodipin = 100,0 Jod, sodann snbkntan 
600,0 (25 %) Jodipin = 250,0 Jod erhielt, Biets gesund blieb, 
auch in normaler Weise kalbte und seinen früheren Husten 
verlor. In ähnlicher Weise wurden die anderen Tiere behandelt. 

Diese nach Anamnese, klinischen Symptomen, Impfreaktion 
als tuberkulös zu bezeichnenden Rinder, deren eines nach 
kurzer Jodipinbehandlung auf eine zweite Impfung nochmals 
typisch reagierte, zeigten bei einer, die nun lange ausgedehnte 
Arzneibehandlnng abschließenden abermaligen Impfung keine, 
auch nicht die geringste Reaktion. „Die Versuchstiere waren 
somit geheilt.“ folgert der Verfasser. 

Professor Johne bemerkt in einer Faßnote zu Haupt¬ 
manns Arbeit, daß für die Beurteilung dieser hochinteressanten 
Versuche vor allem die recht baldige Mitteilung der Sektions- 
resultate bei der Schlachtung der scheinbar geheilten Tiere 
wichtig wäre. 0. Alb recht. 

Wochenübersicht über die medizinische Literatur. 

Von Dr. Jest-Charlottenburg, 

KrelitleranC 

Deutsche Medizinische Wochenschrift Nr. 49, 1903. 

Citarin, ein neues Mittel gegen Gicht; von Dr. Fisch, 
Frauenarzt in Barmen. F. teilte eine Anzahl von Fällen mit, 
in denen Citarin sich als ein ausgezeichnetes Mittel gegen Qicht 
bewährt hat, das einmal kaum Beschwerden macht nnd zweitens, 
wenn es möglichst frühzeitig gegeben wird, von hervorragender 
Wirkung ist. 

Protylin ist nach den Versuchen von Gnezda, auf der von 
Leyden sehen Klinik, ein wirksames Tonikum. 

Pyrenol wird von Sternberg in der ärztlichen Randschau 
Nr. 31, 1903 als ein Asthmamittel empfohlen. Es ist eine Ver¬ 
einigung von Thymol, Benzoesäure und Salizylsäure. Es wirkt 
speziell bei chronischem Bronchialkatarrh gut. 

Intrakranieller Echinokokkus; von Wiesinger. Bei einem 
20 jährigen Mädchen hatten sich allmählich Abnahme des Seh¬ 
vermögens, Schwindelgeftihl und Gesichtsstörungen eingestellt, 
welche ursächlich auf einen Tnmor in der Hinterhauptsgegend 
resp. im kleinen Gehirn schließen ließen. Bei der Eröffnung 
der Schädelkapsel fand sich die Dura mit Echinokokken dicht 
besetzt. Während der Heilung gingen die Stauungspapillen 
znrück, das Sehvermögen besserte sich zusehends. 

Münchener Medizinische Wochenschrift Nr. 43. 

Über ultramikroskopische Untersuchung von Lösungen der 
Albuminsubstanzen und Kohlehydrate und eine neue optische 
Methode der Eiweissbestimmuno bei Albuminurie; von Raehlmann. 

Die Firma Zeiß in Jena hat ein Mikroskop von Sieden¬ 
topf und Zeigmondy herausgegeben, welches auf dem Prinzip 
beruht, eine intensive fokale seitliche Beleuchtung zu erreichen, 
bei welcher in durchsichtigen Medien feinste Teilchen bis zur 
Größe von 1 bis 10 nn Bichtbar werden. Mittelst dieses Mikro¬ 
skops konnte man in Farbstofflösungen kleinste Farbstoff¬ 
partikelchen sehen, welche bei den bisherigen Vergrößerungen 
nicht sichtbar waren. Auch gelöstes Eiweiß zeigte sich bei 
der Vergrößerung als einzelne Eiweißteilchen in ganz typischen 
Einheiten bis zur Feinheit von 5—10 d. d. 0,000005 mm 
direkt sichtbar. Alle Teilchen führen fortdauernd eine hin- 
und hervibrierende Bewegung aus, wobei doch die Abstände 
der einzelnen Teilchen stets gleich bleiben. Diese Methode ist 
auch besonders wichtig für die Eiweißuntersuchung des Harns, 


da sich bei einer Verdünnung von 1 zu 500 000 noch vereinzelte 
Teilchen in der Lösung wahrnehmen lassen. 

Über die Einwirkung der Röntgenstrahlen auf Tiere; von Dr. 
Heinecke. London hatte festgestellt, daß Becquereistrahlen, 
welche auf Mäuse wirken, diese in wenigen Tagen zugrunde 
gehen lassen. Auch Verfasser konnte feststellen, daß Mäuse, 
welche den Strahlen des Radiumbromid in einer Entfernung von 
12 bis 15 cm einige Zeit ausgesetzt waren, in etwa drei Wochen 
zugrunde gingen. Die Mäuse magerten sehr stark ab, bekamen 
Dermatitis und verfielen während der letzten Zeit in einen 
8tuporösen Zustand. Wurde die Entfernung der Radiumkapsel 
verringert, etwa auf 3 bis 5 cm, so trat der Tod schon nach 
12 bis 14 Tagen ein. Wenn eine Radinmkapsel den Tieren 
auf dem Kopf befestigt wurde, so fand man späterhin im Gehirn 
tiefgehende hämorrhagische Erweichungsherde, genau dem Sitz 
der Radiumkapsel entsprechend. Da das Radium nach den neueren 
Untersuchungen Strahlen anssendet, welche den Röntgenstrahlen 
gleich sind, so versuchte der Verfasser die Wirkung der Röntgen¬ 
strahlen auf kleine Versuchstiere. Er fand, daß auch die 
Röntgenstrahlen bei kleinen Versuchstieren einen tiefgehenden 
und deletären Einfluß auf die inneren Organe ausüben können. 
Einige derartige Experimente sind bereits bekannt, so die von 
Alb er s-Schönberg, welcher nach Röntgenbestrahlung Azoo¬ 
spermie beobachtete. Wenn Verfasser weiße Mäuse an mehreren 
aufeinanderfolgenden Tagen zwei bis sieben Stunden lang den 
Röntgenstrahlen aussetzte, so gingen die Tiere ausnahmslos 
nach sechs bis zehn Tagen zugrunde. Bei allen Tieren, welche 
länger als zehn Tage die Bestrahlung erlebten, traten die Er¬ 
scheinungen der Dermatitis, Haarausfall, Schmerzhaftigkeit der 
Haut, Conjunctivitis, lamellöse Abstoßung der Epidermis mit 
den Haaren, Infiltrate im Unterhautbindegewebe des Nackens 
ein. Bei der Sektion solcher Tiere fiel es auf, daß die Milz 
sehr klein und duDkelschwarzblau gefärbt war. Es zeigte sich 
bei der mikroskopischen Untersuchung eine enorme Vermehrung 
deB Pigments. Die Malpighischen Körperchen blieben fast 
frei von Pigment. 

Über Pathogenität des Löfflerschen Mäusetyphusbaziilus beim 
Mensohen; von Dr. Trommsdorff. Die Untersuchung von T. 
ergab, daß der Mäusetyphusbaziilus im Darm des Menschen sich 
derartig üppig zu vermehren imstande ist, daß er unter Umständen 
geeignet sein kann, auch beim Menschen Störungen der Gesund¬ 
heit hervorzurufen. 

Über primäre Tuberkuloseinfektion durch den Darm; von 
Dr. Wagener. (Schluß). W. kommt zu dem gleichen Resultat 
wie Heller, welcher sagt, der Befund von primärer Darm¬ 
tuberkulose sei mit 7,4 Prozent der 714 an Diphterie gestorbe¬ 
ner Kinder wahrscheinlich zu klein angegeben. Ob diese 
primäre Darmtuberkulose verursacht ist durch menschliche oder 
Rindertuberkelbazillen, vermochte Verfasser nicht zu entscheiden. 
Virchovs Archiv. Band 174. Heft II. 

Beitrag zur Frage der Biutplättohengenese; von Schneider. 
Die Blutplättchen sind nach den Untersuchungen Sch.’s nicht 
selbständige Zellen, sondern Abkömmlinge der roten und weißen 
Blutkörperchen. 

Wiener medizinische Wochenschrift Nr. 47. 

Arteflzlelle Syphilis beim Pferde; von v. Niessen, Wiesbaden. 
Einem gesunden Pferde wurden fünf ccm einer Bouillonknltur der 
als Syphiliserreger angesprochenen Bakterien injiziert. Nach 
fünf Monaten stellte sich Fazialislähmung ein, dann eitriger, 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 51. 


schleimiger Nasenausflaß, allgemeine Abmagerung und Dyspnoe. 
Zwei Jahre und acht Monate nach der Infektion wurde das 
Pferd getötet. Die Sektion ergab Exostosen und Periostitis 
ossificans einer Rippe, Usurierung des Knorpelüberzuges an 
einem Fußwurzelgelenk, Peritonitis chronica fibrovillosa univer- 
salis, Perihepatitis, Perisplenitis, sowie Hepatitis und Splenitis 
interstitialis diffusa chronica, zentral schmelzende Gummiknoten 
der Darmserosa und in der Leber, Periarthritis und Endarthritis 
obliterans, lebhafte Wucherung von Granulationsgewebe in fast 
allen Organen, zumal Milz und Niere, Pachymeningitis und 
Arachnitis cerebralis. Aus dem Venenblut ließ sich der vom 
Menschen stammende Syphiliebazillus weiterzüchten. 

Zentralblatt für Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrankheiten 
Originale, XXXV. Band, Nr. 2. 

Pomeranzenfarbiger Sohweiss; von Prof. Dr. Harz-München. 
H. untersuchte pomeranzenfarbenen Schweiß. Die Ursache 
desselben ist der Bact. auratum n. sp. 

Znr Frage vom Verhalten verschiedener Gewebe des tierischen 
Organismus gegen das Tetanusgift; von Dr. Ignatowsky. 
(Schluß). Der Verfasser resümiert das Ergebnis seiner Versuche 
wie folgt: Es gelang uns nicht, aus unseren Versuchen einer 
besonderen Eigentümlichkeit in der Wirkung der einzelnen 
Organe auf die Spur zu kommen. Wir können behaupten, daß 
Gehirn, Rückenmark, Leber, Niere, Milz, Lunge und Muskel von 
an Tetanus gestorbenen Tieren (Kaninchen und Meerschweinchen) 
unabhängig von ihrem Blutgehalt bei Mäusen eine Tetanus¬ 
vergiftung hei vorzurufen imstande ist. Die Symptome der 
Tetanuserkrankung unterscheiden sich in diesem Falle in merk¬ 
licher Weise vom typischen Tetanus. Die Galle und der Harn 
von tetanischen Tieren enthalten unter normalen Bedingungen 
kein Tetanusgift. 

Beiträge zur Biologie des Miizbrandbazilius und sein Nachweis 
im Kadaver der großen Haustiere; von J. Bongert, städt. 
Tierarzt, Berlin. (Schluß). Die Resultate seiner Untersuchung 
faßt B. wie folgt zusammen: 

Der morphologische Nachweis der Milzbrandbazillen durch 
Ausstrichpräparate bietet in vielen Fällen für sich allein keine 
sichere Gewähr für eine richtige Diagnose des Milzbrandes. 

Die diagnostische Milzbrandimpfnng läßt häufig infolge 
antagonistischer Wirkung sekundärer Bakterien im Stiche. 

Als die beste und sicherste Methode der bakteriologischen 
Diagnose des Milzbrandes ist das Plattenverfahren anzusehen. 

Die Milzbrandbazillen können sich im eingetrockneten Blute, 
wie ich in Bestätigung der Momontschen Untersuchungen habe 
feststellen können, im Durchschnitt 36—50 Tage lebensfähig 
erhalten, in faulendem eingetrocknetem Blute oder Gewebssaft 
kürzere Zeit, aber immerhin noch durchschnittlich 8 bis 20 Tage. 
Demzufolge ist die zweckmäßigste Aufbewahrungsart von Milz¬ 
brandmaterial behufs späterer Untersuchung das Eintrocknen¬ 
lassen in dicker Schicht, da hierdurch eine größere Anzahl von 
Milzbrandbazillen konserviert wird und somit bei dem all¬ 
mählichen Absterben derselben für verhältnismäßig lange Zeit 
das Vorhandensein von lebensfähigen Bazillen gewährleistet ist. 

Beim Stagnieren der bazillenhaltigen Abgänge von Milz¬ 
brandkadavern auf undurchlässigem Boden gehen die Milzbrand¬ 
bazillen unter der Einwirkung der Fäulniserreger zugrunde, 
sodaß eine Sporenbildung nicht eintreten kann. 

Die Sporenbildung der Milzbrandbazillen wird durch vor¬ 
übergehende Behinderung derselben infolge Einwirkung einer 


Temperatur unter 12° C oder durch anaerobe Verhältnisse ganz 
erheblich gestört, während die Eintrocknung auf die Sporen¬ 
bildung keinen schädigenden Einfluß ausübt. 

Der Milzbrandbazillus kann in einer stark verdünnten 
Blutlösung in destilliertem Wasser sich vermehren und Sporen 
bilden. 

Die verhältnismäßig lange Widerstandsfähigkeit der Milz¬ 
brandbazillen im eingetrockneten Zustande und ihr geringes 
Nährstoff bedürfnis zur Vermehrung begünstigen das Stationär¬ 
werden des Milzbrandes. 

Der Bakterlengehalt des Zitzenkanais (Ductus papillaris) bei 
der Kuh, der Ziege und dem Schafe; von Dr. med. vet. Uhl- 
mann, prakt. Tierarzt. In dem Lumen des Zitzenkanals finden 
sich stets abgelöste Epithelschuppen, in allen Teilen finden sich 
Bakterien, meist jedoch nur wenige. Von einem Bakterienpfropfen 
konnte man in keinem Falle reden. Es sind meistens Kokken 
und Stäbchen. In der Zitze eines einjährigen Rindes waren 
gleichfalls überall einige Kokken und Stäbchen zu bemerken. 
Ebenso bei einer Ziege, jedoch ist hier im Vergleich zum Rinde 
die Zahl der Bakterien nur klein. Die gleichen Verhältnisse 
finden sich auch beim Schafe. 

The giant Trypanosoma discovered in the blood of bovines; von 

Prof. Lin gar d M. B. Wird auf das Original verwiesen. 

La Semaine medieale Nr. 47, 1903. 

Staun et vaccin antituberouieux; von Marmorek. Die 
Einzelheiten über das M. Serum sind bereits an anderer Stelle 
gegeben worden. 

Tagesgeschichte. 

Der Nestor der deutschen Veterinär-Kliniker, Geheimer 
Regierungsrat Professor Dr. med. honoris causa Wilhelm 
Di eckerhoff ist am 14. Dezember früh 7 2 7 Uhr im 
69. Lebensjahre nach längerer Krankheit an den Folgen 
einer Arteriosklerose sanft verschieden. 

Rektorat der Berliner tierärztlichen Hochschule. 

Der Herr Minister für Landwirtschaft, der nach dem pro¬ 
visorischen Statut der tierärztlichen Hochschule zu Berlin 
deren Rektor ernennt, hat anläßlich des bevorstehenden Ablaufs 
der dreijährigen Rektoratsperiode dem Lehrerkollegium das 
Vorschlagsrecht für die Ernennung zum Rektor verliehen. 

Zentralvertretung der tierärztlichen Vereine Preussene. 

Im kommenden Jahre wird die VHI. Plenar-Versammlung 
der Zentralvertretung der tierärztlichen Vereine Preußens 
statutengemäß nach Berlin einberufen werden. Als Zeitpunkt 
ist die sog. landwirtschaftliche Woche im Februar vorläufig in 
Aussicht genommen. 

Die Tagesordnung wird unter anderem die Fleischbeschau 
betreffen. Diesem Gegenstände wird eine sehr gründliche Be¬ 
sprechung und viel Zeit gewidmet werden müssen. Es müssen 
dabei die Erfahrungen ans Ost und West besprochen werden 
und alle Berufsspezialitäten zu Worte kommen. Es ist erforder¬ 
lich, baldmöglichst die Referenten für diesen Gegenstand und 
auch für die anderen Punkte der Tagesordnung auszuwählen. 

Ich bitte daher die zur Zentralvertretung gehörigen Vereine 
bzw. deren Herren Vorsitzende oder Schriftführer mir tunlichst 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


791 


17 . Pezember 1903 

umgebend ihre Delegierten zur Zentralvertretung namhaft zu 
machen, damit aus diesen die Referenten gewonnen werden können. 

Ebenso bitte ich, etwaige Anträge betreffs der Tages¬ 
ordnung an mich bald einsenden zu wollen. 

Im Aufträge des Vorsitzenden 
Der Schriftführer: 

Schmaltz. 

Vereine. 

Am 12. Dezember hat der Verein beamteter Tierärzte zu 
Berlin seine Jahresversammlung abgehalten, an welche am 
nächsten Tage ein Vortrag des Geheimrats Dr. Schätz im 
pathologischen Institut der Tierärztlichen Hochschule über die 
Hämoglobinurie des Rindes und die Schutzimpfung gegen die¬ 
selbe sich anschloß. Die Versammlung war von etwa 50 Mit¬ 
gliedern besucht, welche den bisherigen Vorstand wieder 
wählten. Ein Bericht über die Verhandlungen wird voraus¬ 
sichtlich veröffentlicht werden. 

* 

Am 13. Dezember hält die Gruppe der Privattierärzte des 
tierärztlichen Vereins für die Provinz Brandenburg in Berlin 
eine Versammlung ab zur Vorberatung der Tagesordnung für 
die Jahresversammlung des Verbandes der Privattierärzte in 
Preußen, welche auf den 17. Januar 1904 nach Berlin einberufen 
werden soll. 

* 

Im Dortmunder Gildenhaus hat sich am Belben Tage ein 
Verein der Privattierärzte Westfalens (wohl als Gruppe des 
Provinzial-Vereins) konstituiert und Tierarzt Sch ulte-Dort¬ 
mund znm Obmann gewählt. 

Hat die Umwandlung der Titel der Militärveterinäre rückwirkende Kraft? 

Die A. K. 0. vom 27. August hat die bisherigen Amts¬ 
bezeichnungen der Militärveterinäre in der Armee aufgehoben 
und bis auf weiteres die Bezeichnungen Korpstabs-, Stabs-, 
Ober- und Unter-Veterinär eingeführt. Nach dem Wortlaut der 
A. K. 0. ist dieselbe unzweifelhaft auf alle aktiven Veterinäre 
zn beziehen, zu denen nicht bloß diejenigen des stehenden 
Heeres (einschließlich der Remonteveterinäre), sondern auch 
diejenigen des Beurlaubtenstandes gehören. Dagegen nimmt die 
A. K. 0. keinen direkten Bezug auf die bereits aus dem Dienst 
geschiedenen Militärtierärzte. Ob die Umwandlung der Titel 
auch auf diese angewendet werden soll resp. angewendet werden 
kann, bleibt somit mindestens eine offene Frage. Daß die A. K. 0. 
rückwirkende Kraft habe, kann jedenfalls nicht ohne weiteres 
aus derselben gefolgert werden. Ich bin bisher der Ansicht 
gewesen, daß dies nicht der Fall sei. Die Zeitschrift für 
Veterinärkunde, welche dieser Angelegenheit am nächsten steht, 
bezeichnet jedoch in ihren Personalnotizen die vor Erlaß der 
A. K. 0. ausgeschiedenen Oberroßärzte als Stabsveterinäre a. D. 
Eine ähnliche Frage ist entstanden, als die Premierleutnants 
Oberleutnants genannt wurden. Meiner Ansicht nach würde 
der früher auBgeschiedene Premierleutnant sich auch ferner 
Premierleutnant a. D. zu nennen haben. Der allgemeine Usus, 
auch in der Presse, hat aber der neuen Bezeichnung Rückwirkung 
eingeräumt; eine offizielle Entscheidung darüber ist meines 
Wissens nicht ergangen. Es wäre sehr erwünscht, wenn be¬ 
züglich der Veterinäre, wenn nicht eine dienstliche Entscheidung, 
so doch wenigstens eine maßgebende Ansicht darüber, z. B. in 
der Zeitschrift für Veterinärkunde, bald veröffentlicht würde, 


damit die Korrektheit der Bezeichnungen ein für allemal klar 
gestellt wird. Vom tierärztlichen Standpunkt aus kann es 
natürlich nur als erwünscht angesehen werden, wenn auch die 
früher ausgeschiedenen Herren an den neuen Titeln teilbaben 
würden. Schmaltz. 

Remontedepot-Veterinäre. 

Unter Bezugnahme auf die Artikel in Nr. 42 und 48 der 
B. T. W. wird aus den Kreisen der preußischen Remontedepot- 
veterinäre geschrieben: 

Allseitig befriedigen würde und anzustreben wäre wohl: 

1. Einrangierung der Depotveterinäre unter die Truppen¬ 
veterinäre, wie es heute schon in Bayern der Fall ist. Erstere 
müßten die Möglichkeit haben, besonders im Interesse der 
Kindererziehung zur Truppe zurückgehen zu können. 

2. Unterstellung der Depotveterinäre direkt unter die 
Remonteinspektion, wie es jetzt bei den Administratoren der 
Fall ist. 

3. Vollständige Trennung des Remontedienstes vom Wirt¬ 
schaftsbetriebe und völlig selbständige Leitung des ersteren 
von den Veterinären. Die Wirtschaftsbeamten können ja die 
Vorwerke selbständig bewirtschaften und nach dem Dienstalter 
den Titel „Oberinspektor" resp. „Oberamtmann" erhalten. 

4. Anstellung der Remontewärter von den Veterinären, damit 
diese eine größere Einwirkung auf jene erhalten. Mit der 
Forderung des Kollegen Weiß (Kommandierung von Soldaten) 
kann ich mich nicht befreunden, denn das würde bei dem Leben 
auf dem Lande zu vielen Mißhelligkeiten führen, abgesehen 
davon, daß die Truppenteile die besten Leute sicher nicht 
kommandieren würden. 

5. Anstellung eines Korpsstabsveterinärs bei der Remonte¬ 
inspektion. Der Wirkungskreis desselben wäre bei den 18 Re- 
montedepots ein viel größerer, als bei einem Armeekorps. 

Diese Wünsche lassen sich mit der Wichtigkeit und Verant¬ 
wortlichkeit des Veterinärdienstes in den Depots begründen, 
zumal seitens der Militärbehörde immer größere Anforderungen 
an die Pflege, Behandlung und Ausbildung der jungen Remonten 
gestellt werden. 

Die Regelung mit Anstellung von Stabsoffizieren z. D. als 
„Remontedirektoren" dürfte kaum recht Anklang finden, wenn 
sie auch gegen die heutigen Verhältnisse einen großen Fort¬ 
schritt bedeuten würde. 

Vorschläge über die Reform des tierärztlichen Unterrichts in Italien. 

Gelegentlich der Publikation eines allgemeinen Universitäts- 
reglements wurde die Aufmerksamkeit des Unterrichtsministers 
Nazi auf die Reformbedürftigkeit des tierärztlichen Studiums 
gelenkt. In wohlwollender Weise lud der Minister hierauf durch 
Zirkular die Professorenkollegien der sieben Veterinärschulen des 
Landes ein, geeignete Vorschläge zu machen. Nachdem diese das 
Ministerium erreicht hatten, wurde eine Kommission, bestehend aus 
den Professoren Generali und N. Lan zill otti-Buonsanti und dem 
Privatdozenten Dr. Baruchello, mit der Aufgabe betraut, die ge¬ 
machten Vorschläge planmäßig zu ordnen und zugleich mit dem 
Universitätsreglement in Einklang zu bringen. Die Kommission 
vereinigte sich am 1. Oktober in Rom und beendete ihre Arbeiten 
innerhalb vierzehn Tagen. Professor Lanzillotti wurde darauf 
vom Minister empfangen und überreichte das abgefaßte Referat 
und einen Lehrplan im Beisein des Ministerialdirektors für das 
höhere Unterrichtswesen. Dieser erhielt den Auftrag je ein Exemplar 
beider Schriftstücke dem am 20. Oktober zusammentretenden Obersten 
Konsilium für das Unterricbtswesen (Consiglio Superiore d’Istruzione) 
vorzulegen. 


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792 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 51. 


Aus dem Inhalt des Berichts sind nachstehende Hauptpunkte 
hervorzuheben. 

I. Erhöhung an Vorbildung für die Zulassung zum 
Studium. Es wird gefordert das Reifezeugnis des Gymnasiums, 
dem äquivalent gelten sollen dasjenige des technischen Institutes 
(Realschule?) inklusive eines besonderen Examens im Latein. 
(Gleiche Aufnahmebedingungen schreibt die medizinische Fakultät 
vor). Die sieben Veterinärschulen stellten diese Forderung ein¬ 
stimmig. 

II. Verlängerung des Studiums von vier auf fünf Jahre. 
Wird nur von fünf Schulen verlangt. 

III. Errichtung von Veterinärfakultäten. Die Ver¬ 
schmelzung von sechs Veterinärschulen mit der Universität lasse 
sich leicht ausführen, da sie in Universitätsstädten ihren Wohnsitz 
hätten. Die Mailänder Schule könnte gleichartig ausgestaltet 
werden. Das Beispiel der Veterinärfakultäten in Bern und Zürich 
gebe ein sehr ermutigendes Vorbild ab. 

IV. Die Lehraufträge und ihre Verteilung. An Stelle 
von 5 Fachprofessoren (3 Ord. und 2 Extraord.) werden 9 Lehrstühle 
für 5 ordentliche und 4 außerordentliche Professoren gefordert. 

Die Lehrfächer werden eingeteilt wie folgt: 1. Anatomie, 

2. Physiologie, 3. Pathologische Anatomie, 4. Spez. Pathologie und 
Therapie, 5. Chirurgie, 6. Hygiene (Bakteriologie, Seuchen, Pro¬ 
phylaxis, Untersuchung der Futtermittel), 7. Tierzuchtlehre (Zoo- 
technie), 8. Operations- und Hufbeschlaglehre, 9. Geburtshilfe und 
ambulatorische Klinik. 

Außerdem würden an die neun Professoren und an die Privat¬ 
dozenten zu verteilen sein: 1. Staatstierheilkunde (Sanitätsgesetz¬ 
gebung und Veterinärpolizei), 2. Fleischbeschau, 3. gerichtliche 
Tierheilkunde, 4. Histologie und Embryologie, 5. Augenheilkunde, 
6. Exterieur, 7. Pharmakologie und Toxikologie. 

Die vorbereitenden Fächer, bestehend in Experimentalphysik, 
anorganischer und organischer Chemie, Botanik, Zoologie und ver¬ 
gleichender Anatomie der Vertebraten und Invertebraten könnten 
an sechs Universitäten mit den Studenten der medizinischen 
Fakultät und in Mailand zum Teil an der Agrikulturschule, zum 
Teil am Polytechnikum gehört werden. 

Hieran schließt sich ein Entwurf für die spezielle Verteilung 
der gesamten Unterrichtsfächer auf die fünf Jahre der Studienzeit. 

V. Die wissenschaftlichen Institute. Es werden ver¬ 
langt je ein anatomisches, physiologisches, pathologisches, 
hygienisches und zootechnisches Institut. 

Der VI. Abschnitt enthält Vorschläge über die Verwaltung 
und den Dienst in den Kliniken. 

Der VII. Abschnitt beschäftigt sich mit dem Modus bei der 
Auswahl eines Dekans für die Fakultät und im VIII. wird die 
Vertretung derselben im l'onsiglio superiore näher erörtert. 

Im IX. Abschnitt findet schließlich die Sondereinrichtung der 
Mailänder Fakultät ihre Erledigung. 

Clinica veterinaria 1903, Nr. 43. Peter. 

Mehr deuteohe tierärztliche Aufsicht für die Fieisohextraktfabriken! 

In welcher Weise die Fabrikation in Liebigs Fleischextrakt 
zugenommen hat, erhellt aus der Tatsache, daß wieder einmal das 
Aktienkapital dieser englischen Gesellschaft in Fray-Bentos in 
Uruguay vor kurzem um zwanzig Millionen Markt erhöht worden ist. 

Die Gesellschaft schlachtet viele tausend Stück Großvieh. Sie 
beschäftigt ein ganzes Heer von Beamten und zirka 1000 Arbeiter. 

In den letzten Jahren erst hat sich dieser Riesenbetrieb auch 
bemüßigt gefunden, einen einzigen deutschen Tierarzt anzustellen. 
Es wäre aber dringend zu wünschen, daß rücksichtlich des enormen 
Exportes des Liebigschen Fleischextraktes nach Deutschland und 
im Sinne des Fleischbeschaugesetzes im Deutschen Reiche, eine 
entsprechende Untersuchung des Lebendviehes nach deutscher Vor¬ 
schrift an Ort und Stelle von deutschen Tierärzten gehandhabt 
würde. Kommt doch gerade der Grad der Genußtauglichkeit des 
Fleisches bei dieser „Fleischessenz“ besonders in Betracht, da sie 
in erster Linie für Kranke und Genesende bestimmt ist. Es ist 
aber zu bezweifeln, ob hier der einzige deutsche angestellte Tier¬ 
arzt den Bestimmungen nachkommen kann. Ist doch auch das süd- 
amerikanische Clamvieh durchaus nicht immer einwandsfrei. 


Dieselbe Aufsicht erheischen die Peptonfabriken, wie die 
Ke mm er ich sehe in St. Helena in Argentinien. 

Letztere hat sich, nebenbei bemerkt, nach vor einigen Jahren 
erfolgter Verschmelzung, nunmehr wieder von der Liebig-Society 
getrennt. 

Möchte nach dem gesagten die deutsche Reichsregierung die 
entsprechenden Konsulate mit der Weisung versehen, daß ohne 
Garantie für die Untersuchung des zu den Fleischextrakten ver¬ 
arbeiteten Lebendviehes durch deutsche Tierärzte, die jeweiligen 
Flelschextrakte und Peptone vom deutschen Zollgebiete ferngehalten 
würden. Fleischextrakt ist „Fleisch per excellence“. X. 

Tierärztlicher Verein von Eieass-Lothrlngen. 

Der Verein wird seine Winterversammlung am Sonntag, den 
27. Dezember, vormittags 11 Uhr, in Straßburg, im „Hotel 
zur Krone“, Kronenburgerstraße, abhalten. Die Versammlung 
ist gleichzeitig Generalversammlung der Mitglieder der Sterbekasse. 

Tagesordnung. 

1. Annahme des Protokolls der letzten Versammlung. 

2. Vereinsbericht 

3. Vortrag des Herrn Dr. Stang über Viehversicherung. 

4. Vortrag des Herrn Helfer Uber Währschaftsrecht. 

5. Diskussion über Fleischbeschau. 

6. Antrag der Herren Schulte, Tirolf, Dr. Kopp, Rieck, 
Hommel, Ohlmann, Dengler, Köhler, Spehner, Dr. 
Stang, auf Änderung des §16 der Statuten der Sterbebasse. 

7. Vorschläge für die nächste Generalversammlung. 

8. Wahl des Ortes der nächsten Generalversammlung. 

Um 1 Uhr gemeinschaftliches Mittagessen im „Hotel zur Krone“. 
Der I. Schriftführer: Der Präsident: 

J. ZUndel. J. Bubendorf. 


Personalien. 

Ernennungen: Distriktstierarzt Karl Kürschner in Seßlach zum 
ZuchtinBpektor für oberbayerisches Alpenfleckvieh in Miesbach; 
Tierarzt Stöhr zum Schlachthofinspektor in Swinemünde; die Tier¬ 
ärzte Radtke aus Hannover und Joeris aus Koblenz zu Schlachthof¬ 
tierärzten in Kiel; Karl Wilke aus Lehrte und A. 0. Braun desgl. 
in Liegnitz bzw. Wangerin; Dr. R. Döbers zum Schlachthofassistenz¬ 
tierarzt in Graudenz und Tierarzt Kliem aus Sorau desgl. in Weißenfels. 

Examina: Approbiert wurden in Hannover die Herren: Heinrich 
Krücken aus Nievenheim, Paul Sieges aus Brockelnhagen, Walfried 
Trygg aus Tammerfors in Finnland. 

Wohn8ltzveränderungen, Niederlassungen: Kreis- und Kantonal¬ 
tierarzt Rueher von Diemeringen nach Saarunion; Tierarzt Rosenfeld 
von Hagen i. W. nach Heydekrug in Ostpr.; Kurt Tibtirtius von 
Niedergößnitz nach Unruhstadt; Johann Rogacki nach Seeburg in 
Ostpr.; Vellguth nach Helmstedt. 

In der Armee: Unterveterinär Wildhagen im 5. bayer. Feld- 
Art.-Reg. zum Veterinär befördert. 

Im Beurlaubtenstande die Unterveterinäre Eisen (Mindel- 
heim), Kreutxer, Speiser, Braun , Dr. Krautstrunk, Pröscholdt (sämtlich 
München), Adelmann (Würzburg), Domheim und Biendinger (Erlangen), 
Rcmmele (Weilbeim), Keller (Gunzenhausen) zu Veterinären befördert 

Todesfälle: Geh. Regierungsrat Dr. Dieckerhoff , Professor an 
der tierärztlichen Hochschule in Berlin. Tierarzt Rietxel in Berlin. 
Oberroßarzt a. D. Weinhold in Lüben. Oberroßarzt Herrn. Falkenberg 
vom Remontedepot Weeskenhof i. Ostpr. 


Vakanzen, (s. Nr. 49.) 

Neu hinzugekommen: Elberfeld: Schlachthof-Hilfstierarzt, 1800M. 
Meldungen bis 1. Januar an den Oberbürgermeister. — Magdeburg: 
Schlachthoftierarzt, 175 M. monatlich. Meldungen bis 18. Dezember 
an den Magistrat. 

Besetzt: Baruth, Beuthen, Görlitz, Graudenz, Heydekrug, Kiel, 
Neckarbischofsheim, Seeburg, Unruhstadt. 


Verantwortlich für den Inhalt (exkl. Inseratenteil): Prof. Dr. Schmaltz in Berlin. — Verlag und Eigentum von Richard Schoetz ln Berlin. — Druck von W. Bttxensteln, Berlin. 


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Di* »Berliner Tiertratliehe Wochenschrift* erscheint 
wöchentlich im Verlage von Richard Scboets in 
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dieselbe tum Preise von M. 5,— vierteljährlich (M. 4,''S für 
die Wochenschrift, IS Pf. für Bestellgeld) frei Ina llaut 
geliefert (Deutsche Post-Zeitung»-Preisliste No. 11 OS, 
Ooaterrelcbische No. 610, Ungarische No. 90.) 


Berliner 


Original bei trtge werden mit GO Hk., in Petitsats mit 
60 Hk. für den Bogen honoriert Alle Manuskripte, 
Mitteilungen und redaktionellen Anfragen beliebe man 
au senden an Prof. Dr. ScUmalta, Berlin, tierärzt¬ 
liche Hochschule, Nff, Luisenstraase 56. Korrekturen, 
Resenaions-Exemplare und Annoncen dagegen an die 
Verlagsbuchhandlung. 


Tierärztliche Wochenschrift 


Redaktion: 

Professor Dr. Schmaltz-Berlin 

Verantwortlicher Redakteur. 


De Bruln 

Dr. Jes« 

KQhnau 

Dr. Lothes 

Nevermann 

Prof. Dr. Peter 

Peters 

Profenor 

Kreiltierarzt 

Schlachtbofdirektor 

DepartemenUtierarat 

Krelstlerarzt 

Kreil tierarat 

Departements tierarat 

Utrecht 

Charlottenburg. 

Cöln. 

Cöln. 

Bremervörde. 

Angermünde. 

Bromberg. 


Preusse 

Dr. Boeder 

Dr. Schiegel 

Dr. Vogel 

Zündei 



VeterinSraasesaor 

Profeiaor 

Professor 

Landestlerarat y. Bayern Krelatlerarat 



Danzig. 

Dresden. 

Freiburg i. Br. 

München. 

Mülhausen i. E. 


Jahrgang 1903. Jfä 52 . Ausgegeben am 24. Dezember. 


Inhalt: Evers: Die rationelle Behandlung des Blntharnens der Rinder. — Schiel: Nochmals die Zehenachse des 
Pferdes. — Kunze jun.: Zur Milzbrandimpfung nach Sobcrnheim. — Referate: Lydtin: Die Auswahl des männlichen 
Zuclitrindcs. — Feist: Erfahrungen aus der Praxis über Malleinimpfung. — Heichlinger: Ausgedehnte Verbrennungen. 
— Gruntb: Die Ablösung der zurückgebliebenen Nachgeburt bei Kühen. — Mc Leod: Resultate von vier Operationen gegen 
das Krippensetzen. — Jeß: Wochenübersicht über die medizinische Literatur. — Tagesgeschichte: Wilhelm Dieckerhoff. — 
Dresden, tierärztliche Hochschule: Habilitationsordnung, Promotionsrecht. — Frequenzen der deutschen tierärztlichen Hoch¬ 
schulen. — Rektorat der tierärztlichen Hochschule Berlin. — Statistik der Tierärztlichen Hochschule zu Berlin in den 
letzten 20 Jahren 1883—1902. — Deutscher Veterinärrat. — Hat die Umwandlung der Titel der Militärveterinäre rückwirkende 
Kraft? — Zum Kapitel der Pfuscherei von Römer-Sinsheim. — Verschiedenes. — StaatsveterinSrwesen. — Fleischbeschau 
und Viehverkehr. — Personalien. — Vakanzen. 


Die rationelle Behandlung des Blutharnens 
der Rinder. 

Von 

Evers-Waren, 

Bezirkitlerarzt. 

Jeder Tierarzt, der in seiner Praxis das Blutharnen der 
Rinder znr Behandlung bekommt, wird mit großer Freude und 
Dank gegen die Verfasser, die herrliche Arbeit von Koßel und 
Schütz (Arbeiten ans dem Kaiserlichen Gesnndheitsamte, 
Band XX, Heft 1) gelesen haben, da dieselbe ans nicht nur 
eine volle Klarheit über die Ursache der Krankheit, sondern 
vor allem auch eine Möglichkeit gibt, durch eine Schutzimpfang, 
die Tiere gefährlicher Weiden vor der Erkrankung zn bewahren. 
In die Dunkelheit der Ätiologie des Blntharnens, hat endlich 
die Wissenschaft das helle Licht der Wahrheit gebracht, indem 
das ens morbi als ein niederes Lebewesen erkannt wurde, welches 
der Zecke anhaftet und von dieser beim Weidegang anf die 
Rinder übertragen wird. Mit dieser Tatsache ist ein fdr allemal 
das Suchen nach einem Pflanzengift als Krankheitserreger be¬ 
seitigt. In den Anschannngen des Publikums wird dieser Erfolg 
der modernen Forschung wohl wenig Änderung schaffen, da die 
alte Vergiftungstheorie zu feste Wurzel gefaßt hat. Das größte 
Verdienst von Koßel etc. ist unzweifelhaft, daß dem Tierarzte 
ein Mittel in die Hand gegeben ist, dnreh welches eine Immnni- 
siernng des Rindes möglich wird. Koßel empfiehlt, dem zn 
immunisierenden Tiere 5 ccm defibriniertes Blut von Tieren 
einzuspritzen, die künstlich infiziert wurden und 50 Tage die 
Krankheit überstanden haben. Da durch diese Impfang die 
Tiere leicht erkranken, so ist es notwendig, dieselben vier bis 
sechs Wochen vor dem Austrieb ansznführen und die Tiere 
während der Impfkrankheit im Stalle gut zn pflegen. Wie 
lange dieser Impfschutz reicht, ist nicht angegeben nnd bei der 
Kürze der Erforschung auch nicht zn erwarten. Andererseits 
ist aber allgemein bekannt, daß das einmalige Überstehen der 
Krankheit die meisten Tiere wenigstens iür ein Jahr schützt, 


ja, daß die meisten Tiere im nächsten Jahre, dnreh den Besuch 
gefährlicher Weiden noch widerstandsfähiger gemacht werden. 
Würde ein Rind, welches die Krankheit überstanden, im nächsten 
Jahre eine ungefährliche nnd im darauffolgenden Jahre wieder 
eine gefährliche Weide besuchen, so wird wahrscheinlich, auch 
durch die einmalige Impfang, die Gefahr nicht beseitigt werden, 
vielmehr ist anznnehmen, daß das Tier je nach dem Grade der 
Infektion leichter oder schwerer erkranken wird. 

Abgesehen aber davon, daß die Dauer der Immunität noch 
nicht einwandsfrei feststeht, so wird die Impfang, obwohl eB 
richtiger ist, lieber prophylaktisch als therapeutisch gegen eine 
Krankheit vorzngehen, nnr dort allgemein vorgenommen werden, 
wo die Krankheit mit großer Regelmäßigkeit alljährlich vor¬ 
kommt. Die zahlreichen Fälle, welche bis zur allgemeinen 
Einführung der Impfung in gefährlichen Gegenden und jene 
Fälle, welche außerhalb einer Enzootie Vorkommen, verlangen 
die klinische Behandlung, nnd es wird vielen preußischen Tier¬ 
ärzten willkommen sein, eine solche anf rationellen Grundsätzen 
beruhende Behandlung kennen zu lernen. 

Ich will gleich bemerken, daß ich mit der alten Behandlungs¬ 
methode gänzlich gebrochen habe. In früherer Zeit, als man 
glaubte, die Krankheit würde durch den Genaß pflanzlicher Gifte 
erzeugt, war es angebracht, rein symptomatisch den schweren 
Durchfall durch berahigende, die hartnäckige Verstopfung durch 
Abführmittel nnd die Herzschwäche durch Analeptica, mit be¬ 
sonderer Berücksichtigung des im Magen nnd Darmkanales be¬ 
findlichen Giftes zn behandeln. Ich habe den ganzen Schatz 
der Arzneimittel, der gegen das Blutharnen empfohlen wnrde, 
seit 18 Jahren in den verschiedensten Kombinationen angewendet, 
mußte aber stets in Selbsterkenntnis gestehen, daß trotz oft 
vorzüglicher Erfolge, ich doch nicht anf den rechten Weg ge¬ 
langt war, sondern daß die relativ schweren, zur Genesung 
führenden Fälle, auch ohne meine Behandlung geheilt wären. 

In 18jähriger Praxis wurden von mir 96 an Blutharnen 
gestorbene Rinder seziert nnd, abgesehen von geringgradigen 


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794 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 52. 


Organveränderungen, die hochgradige Blutarmut des Kadavers 
als Hauptursache des Todes beschuldigt. Wenn man die ge¬ 
nauen Sektionsberichte von Koßel auf Seite 10—15 der Arbeiten 
aus dem Gesundheitsamte aufmerksam betrachtet, so wird jeder 
denkende Tierarzt, die Todesursache, auch die, durch die all¬ 
mähliche Blutverringerung herbeigeführte Myocarditis paren- 
chymatosa, zurückführen müssen. 

Dieckerhoff sagt: Größtenteils zeigen die inneren Organe 
der an Blutharnen eingegangenen Rinder dieselbe Beschaffenheit 
wie beim Verblutungstode. 

Über die Folgen der durch Verblutung eintretenden Anämie 
schreibt Kitt in seiner pathologisch-anatomischen Diagnostik: 
Durch Eintritt von Gehirnanämie, anämischer Überreizung und 
daraus hervorgehender Paralyse der Medulla oblongata, durch 
die Einbuße des Sauerstoffes, des Nähr-, Heiz- und Sekretions¬ 
materials für den ganzen Körper, die gestörte Abfuhr von Stoff¬ 
wechselprodukten, Herzschwäche und Stillstand des Herzens 
(volle Anämie der Coronararterien) ist der letale Ausgang der 
Anämien zu erklären. 

Die durch den spezifischen Erreger des Blutharnens er¬ 
griffenen Organe sind (außer dem Blute) fast ausschließlich die 
Milz, die Leber und vor allem das Knochenmark, besonders der 
großen Röhrenknochen. Es sind also mit Sicherheit die drei 
wichtigen Organe durch den Krankheitserreger betroffen, welche 
bestimmt sind, dem Körper die wichtigen roten Blutkörperchen 
zu liefern. 

Diese drei wichtigen Organe sind entweder selbst derart 
durch den spezifischen Krankheitserreger erschüttert, daß sie 
keine normalen roten Blutzellen hersteilen können, oder aber 
die fertig hergestellten roten Blutzellen erkranken, nachdem 
dieselben in den Blutkreislauf gelangt sind. 

Eins ist sicher: es besteht beim Blutharnen ein schnell 
umsichgreifender Untergang der roten Blutkörperchen, derart, 
daß dieselben das Hämoglobin nicht mehr in dem Stroma halten 
können. Es ist durch die Wissenschaft noch nicht festgestellt, 
in welchem Organe, ob in der Leber oder der Milz oder dem 
Knochenmark, das für die Atmung so wichtige Hämoglobin her- 
gestellt wird. Soviel aber glaube ich aus der Literatur, besonders 
aber aus den Sektionsberichten von Koßel mit Sicherheit ent¬ 
nehmen zu können, daß bei dem Blutharnen die blutbildenden 
Organe eifrig bemüht sind, durch vermehrte Tätigkeit das Defizit 
an roten Blutzellen zu ersetzen. Koßel sagt pag. 17: „Diese 
Vermehrung und Vergrößerung der Normablasten im Knochen¬ 
mark, ist offenbar auf die plötzliche Hämoglobinverarmung 
des Blutes zurückzuführen. In jedem Falle ist das Knochen¬ 
mark bei der Hämoglobinurie der Rinder reich an großen kern¬ 
haltigen und kernlosen (roten) Blutkörperchen, es ist megalo- 
blastisch oder macroytisch geworden.' 1 Die vermehrte Tätigkeit 
der blutbildenden Organe erzeugt also das Gerüst (Stroma) der 
roten Blutzellen in großer Menge, kann diesem aber nicht das 
für den Körper so wichtige Hämoglobin mitgeben. Daher fehlt 
dem Sauerstoff das eigentliche Element, an das er locker als 
Oxyhämoglobin gebunden, den Körper durchströmt Wenn aber 
der Sauerstoff, jenes Nähr-, Heiz- und Sekretionsmaterial im 
Körper fehlt, dann kommt es zu einer gestörten Abfuhr der 
Stoffwechselprodukte, zur schweren Affektion der Medulla oblon¬ 
gata und des Herzens. 

Alle pathologisch-anatomischen Veränderungen der Organe 


sind, meiner Ansicht nach, auf den geringen Hämoglobingehalt 
des Blutes zurückzuführen. 

Und alle pathologisch-anatomischen Veränderungen werden 
wieder beseitigt, sobald bei der Besserung der Krankheit die 
Zahl der mit Hämoglobin normal gefüllten roten Blutkörperchen 
ihre frühere Höhe erreicht. 

Von diesen Voraussetzungen bin ich ausgegangen, als ich 
im Jahre 1903 meine Behandlung des Blutserums einzig und 
allein darauf beschränkte, den durch die Krankheit hämoglobin¬ 
armen Körper durch subkutane Zufahr von reinem Hämoglobin 
in seinem Heilwerke zu unterstützen, damit derselbe in den 
Stand gesetzt werde, in der kritischen Zeit, solange noch blut¬ 
zellenzerstörende Krankheitserreger im Blute sind, das reichlich 
gebildete Stroma mit Hämoglobin zu versehen. 

Diese therapeutische Hämoglobinzufuhr habe ich im Jahre 
1903 bei 43 an Hämoglobinurie erkrankten Rindern ausgeführt 
und sämtliche 38 in der Stadt Waren zur Behandlung gelangten 
Rinder geheilt. Auf dem Lande starben mir von fünf Rindern 
zwei. Ich muß hierbei sofort bemerken, daß diese beiden letalen 
Fälle in der Anfangszeit meiner neuen Behandlung vorkamen 
und, daß diese beiden Landpatienten natürlich nicht mehrmals 
täglich untersucht und behandelt werden konnten; auch will 
ich nicht unterlassen zu gestehen, daß ich nach den später ge¬ 
machten Erfahrungen, bei diesen schwer erkrankten Tieren zu 
geringe Dosen Hämoglobin verwendet habe. 

Das Hämoglobin „Merck“ wird aus dem Blute verschiedener 
Schlachttiere, besonders der Pferde gewonnen und stellt ein 
braunes Pulver dar, welches sich in Wasser mit braunroter 
Farbe löst Eine konzentrierte Lösung im Verhältnis 1: 20 mit 
0,6% Kochsalzlösung, hält sich im Eisschrank aufbewahrt ca. 
14 Tage; in Zimmertemperatur nur 1—2 Tage. Die beginnende 
Zersetzung zeigt sich alsbald durch den eigentümlichen, fast 
stinkenden Geruch an, der mit fortschreitender Zersetzung 
immer mehr hervortritt. Für den praktischen Gebrauch habe 
ich das Präparat in Tabletten von 2 g formen lassen. Die¬ 
selben sind von der Drogenhandlang Felix Wecker jan. in 
Rostock in Mecklenburg zu beziehen. 

Von dem Eingeben des Hämoglobin per os habe ich aus 
leicht verständlichen Gründen Abstand genommen. Desgl. habe 
ich keinen Fall endovenös behandelt, weil diese Anwendung 
beim Rinde umständlicher ist wie beim Pferde, vor allem aber, 
weil im Blute sich schon reichlich, von den zerstörten roten 
Blutkörperchen geliefertes Hämoglobin befindet, welches durch 
die Nieren in großen Mengen ausgeschieden wird. Ich wählte 
in allen Fällen die subkutane Anwendung und benutze eine 
40 ccm fassende Spritze mit Schlauchansatz (H. Hauptner, 
Berlin). Da die gebräuchlichen Kanülen zur subkutanen In¬ 
jektion größerer Mengen Flüssigkeit ein zu kleines Lumen be¬ 
sitzen, so steche ich einen iy 2 —2 mm starken Trokar in die 
Unterhaut des Halses und setze auf die Hülse den Schlauch 
resp. die Spritze. Die Hülse bleibt in der Unterhaut so lange 
liegen, bis 250—500 ccm eingespritzt sind. Wenn man eine 
Kanüle gebrauchen will oder muß, so warne ich vor wieder¬ 
holten Einstichen, da dann, allerdings ohne den Erfolg irgend in 
Frage zu stellen, nach 10—14 Tagen umfangreiche Abszesse 
entstehen, die gespalten werden müssen und dann rasch hellen. 
Im Anfang wählte ich eine Lösung von 5 g Hämoglobin in 250 ccm 
physiologischer Kochsalzlösung. Später steigerte ich die Hämo- 
globindosis auf 15—20 g. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


795 


<24. Dezember 1903. 


Die Resorption dieser Lösung geschieht auffallend leicht. 
Wiederholt konnte ich beobachten, daß eine Stande nach der 
Injektion nur noch eine geringe Hervorwölbung der Hant zn 
sehen war, die nach 10 bis 12 Standen stets vollständig ver¬ 
schwunden war. Sobald die Injektion ausgeführt, lasse ich die 
dem Körper anhaftenden Zecken sorgfältig absnchen and ver¬ 
brennen. Dann wasche ich, bei warmem Wetter stündlich, sonst 
dreimal täglich das ganze Tier mit einer starken Kochsalz¬ 
lösung (6 bis 10 Hände voll Viehsalz auf einen Eimer Wasser) 
ab. Durch diese Waschungen werden nicht nur die dem Körper 
noch anhaftenden Zecken zum Verlassen des Tieres gezwungen 
resp. getötet, sondern es wird dem Patienten auch eine große 
Erfrischung bereitet. 

Wenn ich in nachstehendem einige Fälle mit typischer 
Heilwirkung des Hämoglobins schildere, so will ich doch nicht 
unterlassen, auch die beiden letalen Fälle eingehend zu be¬ 
sprechen. 

Die leichten, in ein bis zwei Tagen wieder vollständig her¬ 
gestellten Fälle, führe ich nicht an, womit bei diesen auch eine 
Selbstheilung nicht ausgeschlossen ist; doch will ich bemerken, 
daß mir von den Hirten wiederholt die Verwunderung geäußert 
wurde, weshalb die erkrankten Tiere nach meiner neuen Be¬ 
handlung, stets in drei bis fünf Tagen wieder zur Weide 
kämen, während in früheren Jahren immer 8 bis 14 Tage ver¬ 
gingen. 

Fall 1 bis 7 leicht. 

Fall 8: Schwarzbunte, acht Jahre alte Kuh in Waren. 
Das gut genährte Tier zeigte die ersten Erscheinungen des 
Blutharnens am 24. Mai. Der erste Austrieb war am 3. Mai 
gewesen. Der Harn ist nur leicht gerötet. Appetit und Wieder¬ 
käuen ist normal. Es besteht leichter Durchfall. Milchmenge 
nur um ca. einen Liter geringer. Puls und Temperatur normal. 

25. Mai. Milch blutig und kaum die Hälfte des vorigen 
Tages. Puls 85. Temperatur 40,8. Harn kaffeebraun und 
wird nur in kleinen, häufig unterbrochenen Absätzen entleert. 
Wiederkäuen und Appetit vollständig unterdrückt. Pansen- 
bewegungen fehlen. Dung wird nicht abgesetzt. Kleine Mengen 
Wasser werden noch genommen. Das Flotzmaul ist trocken. 
Das Tier ist recht schwach und steht nur mit Mühe auf. 
Patient erhält 250 ccm Hämoglobinlösung (5 Hamogl.: 250 
Salzlösung.) 

26. Mai. Zustand verschlechtert. Das Tier knirscht mit 
den Zähnen, stöhnt und steht nur mit sachgemäßer Unter¬ 
stützung auf. Verdauung nicht vorhanden. Dung wird nicht 
entleert. Die Augen liegen tief in den Höhlen. Urin schwarz¬ 
rot, teerartig. Puls 92, schwach fühlbar, Arterie gespannt. 
Temperatur 37,8. Milchsekretion nicht vorhanden. 

Patient erhält morgens 9 Uhr 500 ccm Hämoglobinlösung, 
desgl. nachmittags 4 Uhr. 

27. Mai. Das Tier trinkt einen Eimer Wasser aus. Der 
Urin ist weinrot gefärbt. Puls kräftiger, 88. Temperatur 38,8. 
Appetit nicht vorhanden, doch stellen sich schwache Bewegungen 
des Pansens ein. Das Tier steht ungleich leichter auf wie am 
25. und 26. und streckt sich in geringem Grade. 

Therapie: 250 ccm Hämoglobinlösung. 

28. Mai. Patient hat Gras gefressen und wiedergekaut. 
Puls und Temperatur normal. Urin normal. Milchquantum 
ein Liter. 


Da das Tier am 29. Mai 3 V 3 Liter Milch gibt und regen 
Appetit zeigt, so kommt es am 30. Mai wieder auf die Weide. 

Fall 9—13 leicht. 

Fall 14. Rotbunte, 11 Jahr alte Kuh des Försters G. in B. 
Das Tier wurde im Winter gekauft und hatte seit zwei Jahren 
keine Waldweiden besucht. Austrieb 2. Mai. Die ersten 
Krankheitserscheinungen sollen am 28. Mai beobachtet sein. 
Die Behandlung wurde am 2. Juni verlangt. Patient stark ab¬ 
gemagert; Puls kaum fühlbar, häufig aussetzend. Temperatur 40,3. 
Tier sehr matt. Appetit und Wiederkäuen sowie Dungentleerungen 
seit drei Tagen nicht beobachtet. Pansenbewegungen nicht 
vorhanden. Patient stöhnt. Augen tief zurückgezogen. Milch 
leicht gerötet zirka y 4 Liter. Urin schwarzrot gefärbt. 

Therapie: 500 ccm Hämoglobinlösung. 

Da am 3. Juni telephonisch insofern eine geringe Besserung 
berichtet wurde, als das Tier einen Stalleimer Wasser getrunken 
und etwas Gras gefressen, auch etwas wiedergekäut habe, so 
wurde das Tier erst 

am 4. Juni untersucht. Urin nicht mehr gefärbt. Pols 
klein, doch deutlich fühlbar, 86. Temperatur 39,3. Tier sieht 
munterer aus. Appetit gering. Trinkwasser wird wiederholt 
in geringen Mengen genommen. Pansenbewegungen schwach 
vorhanden. Wiederkäuen wird, wenn auch nur schwach, doch 
wiederholt beobachtet. 

Therapie: 250 ccm Hämoglobinlösung. 

Am 5. Juni wurde berichtet, daß geringe Mengen Dung 
abgesetzt seien. Das Wiederkäuen sei normal, auch zeige das 
Tier guten Appetit. 

Am 8. Juni gab das vollständig geheilte Tier 6 Liter Milch. 

Fall 15 und 16 (letaler Ausgang). 

15. Die schwarzbunte, wahrscheinlich mit Tuberkulose be¬ 
haftete, 7 Jahr alte Kuh des Fischereipächters A. in T. hat seit 
einem Jahre keine gefährliche Weide besucht und ist erst seit 
9. Mai auf gefährlicher Weide. Die in großer Zahl auf dem 
Tiere sich befindenden Zecken sollen morgens und abends täglich 
entfernt sein. Tag der Erkrankung 1. Juni. Puls normal. 
Temperatur 40,2. Es besteht guter Appetit, leichter Durchfall. 
Milchmenge von 14 Liter auf 2 gesunken. 

Therapie: 250 ccm Hämoglobinlösung. 

Am 2. Juni ist bedeutende Verschlechterung eingetreten. 
Das Tier hat keinen Appetit und zeigt keine Verdauung. Puls 
klein, drahtförmig. Temperatur 36,8. Starker Kräfteverfall. 
Schwarzroter, teerartiger Urin. Da mein Hämoglobinvorrat 
fast erschöpft war und ich noch vier kranke Kühe zu behandeln 
hatte, so konnte ich diesem hoffnungslosen Patienten nur 250 ccm 
Hämoglobinlösung geben. In der Nacht vom 3. auf 4. Juni exitus. 

16. Die 5 Jahr alte rotbunte Kuh des Försters H. in L. 
war gleichfalls neu angekauft und soll in früheren Jahren eine 
gefährliche Weide besucht haben. Austrieb am 2. Mai. Er¬ 
krankung am: 

1. Juni. Das gut genährte Tier zeigt geringen Appetit 
und hat starken Durchfall. Trinkwasser wird reichlich ge¬ 
nommen. Milch ist von 12 auf 2 Liter gesunken und leicht 
gerötet. Urin schwarzrot. Puls kräftig. Temperatur 40,1. 

Therapie: 250 ccm Hämoglobinlösung. 

2. Juni. Kein Appetit. Puls schwach, doch deutlich, 75. 
Temperatur 39,8. Tier ist sehr matt und liegt viel. Urin 
schwarzrot. Therapie 250 ccm Hämoglobinlösung. 


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3. Juni. Starker Kräfte verfall. Puls unfühlbar. Tempe- | 
ratur 36,4. Urin schwarzrot. Da mein Hämoglobinvorrat voll¬ 
ständig erschöpft ist, so konnte ich eine große Dosis nicht 
geben. Das Tier stirbt nach 2 l / 2 tägiger Krankheit. 

Während bei der Kuh Nr. 15 bei der Sektion neben der 
typischen Blutleere des Kadavers, recht weit vorgeschrittene 
Tuberkulose der Brust und Bauchhöhle bestand, waren bei der 
Kuh Nr. 16 nur Symptome des Blutharnens bemerkbar. Betrübt 
über diese beiden Mißerfolge meiner bis dahin so glücklichen 
Behandlung, mußte ich nach den Ursachen derselben forschen. 
Ich glaube mir dieselben durch folgende Gründe zu erklären 
und durch später angeführte Heilei folge zu beweisen. Zunächst 
ist es unzweifelhaft, daß beide Fälle einen höchst akuten Ver¬ 
lauf hatten und auf eine überaus schwere Infektion, mit hoch¬ 
virulentem Material zurückzuführen sind. Diese schwere Infek¬ 
tion ist schon erkennbar an der fortwährenden, bis zum Tode 
anhaltenden Hämoglobinausscheidung und an der plötzlichen 
Verringerung der Milch. Andererseits ist nicht zu verkennen, 
daß von mir viel zu kleine Mengen Hämoglobin verwendet 
wurden, weil mein Vorrat erschöpft, und frisches Präparat bei 
allen Bemühungen nicht zu erhalten war. Nach meinem Dafür¬ 
halten ist die zu kleine Hämoglobinzufuhr die einzige Ursache 
des Todes beider Tiere. 

Fall 17 u. 18 leicht. 

Fall 19. Die schwarze, hochtragende Starke des B. in 
Waren erkrankte am 8. Juni. Am 9. Juni wurden folgende 
Erscheinungen festgestellt: Dsb hochgradig anämische Tier 
kann nur durch kräftige Unterstützung zum Stehen gebracht 
werden. Urin wird tropfenweise, fast konstant, willenlos ent¬ 
leert und sieht schwarzrot aus. Puls nicht zu fühlen. Tempe¬ 
ratur 36,8, Körperoberfläche kühl. Appetit und Verdauung 
vollständig unterdrückt, desgl. Wasseraufnahme. Patient 
knirscht mit den Zähnen und stöhnt, die Augen liegen tief. 

Therapie: Patient erhält morgens 8 und nachmittags 4 Uhr 
an jeder Halsseite 500 ccm Hämoglobinlösung (also am 9. Juni 
2000 ccm). 

Am 10. Juni war der Zustand der gleiche, nur konnte 
das Tier leichter aufstehen. Temperatur 37,8. 

Therapie: 500 ccm Hämoglobinlösung. 

Am 11. Juni. Puls 65, Arterie voll, Temperatur 38,2, 
Urin dunkel. Defäkation ist nicht erfolgt, wohl aber sind leichte 
Pansenbewegungungen deutlich bemerkbar. Das Tier trinkt 
geringe Mengen Wasser und frißt etwas Gras. Schmerzens- 
äußerungen und Zähneknirschen werden nicht beobachtet. 

Therapie: 250 ccm Hämoglobinlösung. 

Am 12. Juni konnte das Tier als vollständig genesen 
angesehen werden. 

Fall 20 leicht, in zwei Tagen Heilung. 

Fall 21. Rote, sechs Jahr alte Kuh des Hirten K. in 
Waren, wurde am 10. Juni auf der Weide krank befanden. 
Das gut genährte Tier soll schon am 9. Juni abends nur die 
Hälfte des früheren Milchquantums, am 10. morgens, nur zirka 
einen Liter Milch gegeben haben. Pulse 92, klein, Arterie 
gespannt. Temperatur 40,3. Urin schwarzrot und teerartig. 
Patient stöhnt und 2 ittert stark. Appetit nicht vorhanden. 
Pansenbewegungen wurden nicht gefühlt. Es besteht starke 
Verstopfung. 

Therapie: Abends 8 Uhr 500 ccm Hämoglobinlösung. 


11. Juni: Zustand morgens 8 Uhr der gleiche, doch ist 
die Temperatur auf 39,6 gefallen. 

Therapie: 500 ccm Hämoglobinlösung. 

12. Juni: Puls kräftig. Temperatur 38,2. Urin etwas 
heller. Pansenbewegungen sind deutlich wahrnehmbar; es wird 
harter Dung wiederholt in kleinen Mengen abgesetzt. Appetit 
gering. Trinkwasser wird häufig genommen. 

Therapie: 250 ccm Hämoglobinlösung. 

13. Juni: Urin ist nur noch schwach rötlich. Puls und 
Temperatur normal. Tier hat gesunden Appetit. Anhaltendes 
Wiederkäuen. 

Am 15. Juni konnte das Tier wieder auf die Weide ge¬ 
trieben werden. 

Fall 22—25 leicht, desgl. 28 und 29. 

Fall 26, 27, 30 und 31 waren wie 21 und wurden vom 
12.—15. Juni mit 1500, 1250, 1250 und 1000 ccm Hämoglobin¬ 
lösung geheilt. 

Fall 32 und 33 leicht. 

Fall 34. Die vier Jahre alte rotbunte Kuh des Acker¬ 
manns L. in Waren, auf gefährlicher Weide aufgewachsen, gab 
am 13. Juni morgens nur einen halben Liter Milch, während 
dieselbe am 12. abends 7 1 / 2 Liter gegeben hatte. Da der Be¬ 
sitzer Verdacht auf Blutharnen äußerte, so wurde das Tier 
zum Urinieren gebracht und schwarzroter Urin festgestellt. Das 
Tier zittert stark am ganzen Körper und stöhnt. Puls klein. 
Arterie gespannt. Temperatur 40,1. Appetit besteht nicht; 
desgl. kein Dungabsatz. Pansenbewegungen sind nicht vor¬ 
handen. 

Therapie: 250 ccm Hämoglobinlösung. 

Abends 7 Uhr war das Tier ruhiger und äußerte keine 
Schmerzen. Temperatur 39,2. Appetit ist nicht vorhanden, 
auch ist kein Dnng erfolgt. 

Therapie: 500 ccm Hämoglobinlösung. 

Am 14. Juni: Tier zeigt geringen Appetit und wenn auch 
häufig unterbrochen, so wird doch wiederholt Wiederkäuen 
beobachtet. Puls kräftig. Temperatur 38,4. Urin dunkel. 

Therapie: 250 ccm Hämoglobinlösung. 

Am 15. Juni konnte das Tier als geheilt angesehen werden 
und besuchte am 16. die Weide. 

Fall 35 bis 43 war bis auf 38 und 40 leicht 

Wenn die Heilung der nicht detailliert geschilderten 
leichten Fälle, auch nicht direkt auf die Zufuhr von Hämoglobin 
zurückzuführen ist, so glaube ich doch auf Grund meiner 
achtzehnjährigen Erfahrung annehmen zu können, daß die größte 
Anzahl ungleich schneller wieder hergestellt wurde, als bei der 
früheren Behandlung. Bei den früher gemachten Erfahrungen 
konnte ich im Durchschnitt immer auf eine fünf- bis achttägige 
Behandlung bei leichtem Blutharnen rechnen. Heute dagegen 
wurden selbst die schweren Fälle, die früher stets mit dem 
Tode endeten, in kurzer Zeit vollständig wieder hergestellt. 

Ich bin nicht Optimist genug zu glauben, daß die Hämo¬ 
globinbehandlung jeden Fall von Hämoglobinurie des Rindes mit 
absoluter Sicherheit heilt. Dies wird wahrscheinlich nur ein 
frommer Wunsch bleiben. Bei meinen günstigen Resultaten 
glaube ich aber eine recht günstige Beurteilung des Krankheits¬ 
verlaufes stellen zu dürfen, wenn die richtige Dosis Hämoglobin 
verabreicht wird. 

Unserem Stande und unserer Wissenschaft auch aus der 
Praxis zu dienen, ißt das Motiv, welches mich veranlaßt hat, 


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24. Dezember 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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diese Zeilen der Öffentlichkeit za übergeben. Sollten dieselben 
die Kollegen zu recht fleißiger Anwendung anregen und hieraus 
reiche Erfahrungen in unserer Literatur niedergelegt werden, 
dann wäre ich reichlich belohnt. 


Nochmals die Zehenachse des Pferdes. 

Von 

Sohiei-Jever. 

Tierarit. 

Bisher herrschte über das Wohin der Brechung eine wohl¬ 
tuende Einstimmigkeit. Erst Eberlein schob in die Sache 
einen Keil. Da die Gründe hierzu nichts weniger als stichhaltig 
waren, so wird jedermann zugeben, daß ich berechtigt war, die 
Eberleinsche Variation deshalb zu verurteilen, weil sie nur 
geeignet ist, Verwirrung anzurichten. Darüber, daß diese 
Neuerung zwecklos ist, wird in den Kreisen, die dem Hufbeschlage 
näher stehen, nur eine Stimme herrschen. 

Ein größeres wissenschaftliches Interesse kann die Be¬ 
nennung der Brechung einer gedachten Linie überhaupt nicht 
beanspruchen. 

Indes ist diese von Fambach eingeführte Zehenachse ein 
kaum zu entbehrendes Hilfsmittel des Unterrichts und des 
Erkennens. 

Will man daher die Rücksicht auf den literarischen Ur¬ 
heber außer acht lassen, will man ferner die Einheitlichkeit der 
Anschauungen durchbrechen, so müssen nicht Erwägungen 
maßgebend, sondern ob müssen gewichtige Gründe vorhanden 
sein. Solche Gründe hat Eberlein bisher nicht angeführt. 

Nun Ist Eberlein in der Person des Schlachthofinspektors 
Herrn Platschek ein Prophet entstanden. 

Herr Platschek verkündet: „daß die Zehenachse des Pferdes 
bis zu dem Punkte, wo die genannte Brechung erfolgt, in ihrer 
Lage verbleibt“. 

Mit dieser Behauptung will ich mich nicht weiter be¬ 
schäftigen, um nicht die Bahnen liebenswürdigen Wohlwollens 
verlassen zu müssen. Nur eins will ich herausgreifen: die 
Verlagerung der Bruchstelle. 

Eberlein sagt: „Ob bei den Brechungen der Zehenachse 
überhaupt eine Verlagerung der Bruchstelle, welche nach Schieis 
irrtümlicher Ansicht nicht nur „das wesentlichste, sondern auch 
in die Augen springendste“ sein soll, erfolgt oder nicht, ist 
wissenschaftlich noch nicht erwiesen.' ‘ 

Platschek: „Und deshalb ist hierbei „das in die Augen 
springendste“ nicht, wie Herr Schiel annimmt, die Verlagerung 
der Bruchstelle, sondern gerade die Verlagerung des Winkel¬ 
schenkels, und sie muß für die Benennung etc. entscheidend sein“. 

Im folgenden werde ich „streng mathematisch“ beweisen, 
daß die Verlagerung der Bruchstelle doch das erheb¬ 
lichste ist. 

Es möge in der Figur I an dem Hufe a b c d die Zehen¬ 
wand a d = 5 cm, die Trachtenwand b c = 3 cm und die Grund¬ 
fläche ab =5,5 cm lang angenommen werden. Der bo be¬ 
schaffene Huf erhält nun in seiner hinteren Partie infolge eines 
Stollens von 1 cm Länge eine Erhöhung. Was geschieht nun 
mit dem distalen Ende Ze der Zehenachse Zeg. Ze wird 
angenommen als 2,5 cm von der Zehenhornwaud und 3 cm von 
der Trachtenhornwand entfernt. 

Die Verlagerung, die Z e erleidet, kann durch folgende 
Konstruktion leicht feBtgestellt werden. 


Ich schlage einen Kreisbogen um a mit dem Radius ab. 
Ferner einen Kreisbogen um b mit der Länge des Stollens = 1 cm. 
Hierdurch erhalte ich den Punkt b 1 , das ist der Punkt, an den 
die hintere Trachtenwand des Hufes durch die Erhöhung ver¬ 
schoben wird. 

Schlage ich nun einen Kreisbogen um a mit a d und um b 1 
mit b d, dann erhalte ich den Punkt d 1 . Verbinde ich nun a 
mit d 1 und a mit b 1 , so ist nun leicht der Punkt c 1 zu konstruieren. 
Wird an dem auf diese Weise nach oben verlagerten Hufe die 
Zehenachse 2V2 cm von der Zehenwand entfernt etc. eingetragen, 
dann ergibt sich eine Verlagerung des oberen Endes der distalen 
Zehenachse di der Bruchstelle nach vorn um die Entfernung 
des Punktes e von dem Punkte x. 



ab cd soll einen Huf vorstellen , dessen Zehenicand und Trachten¬ 
wand unter einem Winkel von 50° xum Erdboden stehen. 

h h ist die Horizontale durch e. 

v c ist die Vertikale durch e *. 

Der Kreuxungspunkt x dieser Horizontale und Vertikale gibt an 
die Jjänge der Verlagerung nach vom = ex und die Länge der Ver¬ 
lagerung nach oben bxw. unten = e 1 x. 

Wir ersehen hieraus zugleich auch, daß der Punkt e (das ist 
die Bruchstelle) derjenige Punkt ist, der von allen Punkten der 
Achse aus seiner ursprünglichen Lage am meisten nach vorn 
gerückt ist. 

Es braucht ja durchaus nicht immer ein Stollen zu sein, 
der die hintere Hufpartie erhöht. Die Erniedrigung der 
Zehe um z. B. 1 cm hat denselben Effekt. Figur H ver¬ 
anschaulicht dies. 

Hier schlage ich einen Kreisbogen um b mit a b und einen 
Kreisbogen um a mit 1 cm und erhalte a 1 . Ferner einen Kreis¬ 
bogen um b mit b c. Einen Kreisbogen um a 1 mit a c und er¬ 
halte c 1 . 

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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 52. 


Die Konstruktion von d 1 und die Fixierung; von Z 1 e 1 ergibt 
auch hier eine Verlagerung der Bruchstelle nach vorn um die 
Länge von e x. 

Es sei mir erspart, durch dieselben Konstruktionen zu be¬ 
weisen die Verlagerung der Bruchstelle nach hinten bei zu 
langer Zehe oder zu niedriger Trachtenwand. 

Aus diesen Figuren ist ersichtlich, daß die Verlagerung 
der Bruchstelle bei einer Brechung der Zehenachse durch die 
gedachte Ursache das in die „Augen springendste“ ist. Sie ist 
aber auch das „wesentlichste“, weil wir gerade diese Verlagerung 
durch Korrektur zurückzubringen suchen. Sie ist fernerhin das 
wesentlichste, weil bei einer so verlagerten Zehenachse gerade 
von der Bruchstelle aus ein ständiger einseitiger Druck ausgeübt 
wird auf die Weichteile des Hufes, was bei längerer Dauer zu 
einer Hufdeformität führt. 

So ist es bekannt, daß bei nachlässiger Ausführung des 
Stollenbeschlages die dauernde Brechung der Zehenachse nach 
vorn zur Bockhufbildung führen kann. 

Auch durch eine andere Ursache: durch Verkürzung der 
Beugesehnen, entsteht ein Bockhuf. Aber auch hier ist es der 
fortgesetzte Druck der Bruchstelle das ist der Hufbeinkappe und 
des Kronbeins, durch den nach Siedamgrotzky die Papillen 
der Kronenwulst sich steiler stellen und dadurch eine steilere 
Hornwand bilden. Diesen Druck zu mindern oder aufzuheben, 
ist die Hauptaufgabe des rationell ansgeführten Hufbeschlages. 
Gerade die die Hornwand bildende Kronenwulst liegt im Bereiche 
der Bruchstelle. Hier konzentriert sich der Druck der ein¬ 
wirkenden Kräfte. 

Der Druck geht nach vorn bei der Brechung nach vorn, 
der Druck bzw. Zug geht nach hinten bei der Brechang nach 
hinten. 

Weshalb soll da die Verlagerung eines Winkelschenkels für 
die Benennung maßgebend sein? Aus Figur I ist aber er¬ 
sichtlich, daß der distale Schenkel der Zehenachse in allen 
seinen Punkten nach vorn rücken kann. 

Aus Figur H ist ersichtlich, daß das obere Drittel des 
distalen Schenkels nach vorn verlagert ist. Weshalb soll man 
da von einer Brechung nach hinten sprechen? 

Was geschieht aber nun mit dem proximalen Schenkel eg 
der Zehenachse? Wie aus den Figuren hervorgeht, ist es ja 
selbstverständlich, daß dieser Schenkel ebenfalls mit nach e 1 
d. h. nach vorn geht 

Am lebenden Pferde, wo die Festigkeit der Bänder und 
Sehnen, sowie die Körperlast mitsprechen, tritt natürlich bei g 
eine leichte Senkung nach unten ein. Eine Verschiebung nach 
hinten (um g 1 ) dagegen ist nur aus Figur I zu entnehmen, 
g hat sich nach g 1 verschoben. In Figur H dagegen ist der 
proximale Abschnitt der Zehenachse in keinem seiner Punkte 
nach hinten verschoben. Die Winkelschenkel können daher 
niemals zu den quästionierten Benennungen herangezogen werden. 

Die Bruchstelle, dort wo auch Stauchungen des Gelenkes, 
Zerrungen der Bänder leicht eintreten, dort ist der Kernpunkt. 

Auch Gröning kommt in Nr. 47 der B. T. W. zu dem 
Schlüsse, daß die Benennung der Brechung nach der Verlagerung 
(Verlagerung oder Abweichung ist doch in diesem Falle dasselbe) 
der Bruchstelle (in der Krone) den natürlichsten Verhältnissen 
am meisten Rechnung trägt. Gröning tut das allerdings etwas 
unabsichtlich, denn Seite 724 schreibt G. in gesperrtem Drucke: 
„Demgegenüber ist bei der Brechung der Zehenachse 


eine Verlagerung des Bruchwinkels wissenschaftlich 
überhaupt noch nicht erwiesen etc.“ 

Dann, nachdem Gröning eine Zeitlang mit Streichhölzern 
die Unrichtigkeit der alten Benennung zu beweisen gesucht hat, 
sagt er plötzlich Seite 726: „Will man die Bezeichnung 
„Brechung“ der Zehenachse ändern, so möchte ich in Vor¬ 
schlag bringen, das unglückliche Wort „brechen“ vollständig 
fallen zu lassen, um dafür das Wort ab weichen zu setzen 
Ich bin der Meinung, daß man nicht mißverstanden wird, wenn 
man sagt: „Die Zehenachse weicht in der Krone von der 
geraden Richtung nach vorn, nach hinten, nach innen, 
nach außen ab etc.“ 

Auf einmal gibt es also bei Gröning eine Abweichung an 
der Krone nach vorn etc., just wie bei der alten Benennung. 

Verstehe ich recht? 

Eberlein gebraucht dieselben Worte wie bei der alten 
Benennung, versteht darunter aber das Gegenteil. Gröning 
hält in 114 Zeilen seines Artikels Eberlein die Stange und 
teilt trotzdem in den letzten 11 Zeilen ebendaselbst die alte 
Auffassung, nur will Gr. das Wort bricht ausgemerzt haben. 
Das Wort abweichen spricht aber doch lange nicht so deutlich 
und präzis wie brechen. 

Es ist immer noch am besten, den konventionellen Ge¬ 
brauch der Brechungen der Zehenachse im Fambachschen 
Sinne aufrecht zu erhalten. Denn daß es hierbei ohne Kon¬ 
vention nicht geht, das beweisen gerade die jüngsten Er¬ 
örterungen. 

Erörterungen, die sich teilweise im „Uferlosen“ verlieren. 
Für mich ist hiermit Schluß dieser Sache! 


Zur Milzbrandimpfung nach Sobernheim. 

Von 

Ksnze jun.-Halle, 

Tierarm t. 

Im Spätsommer dieses Jahres hatte ich Gelegenheit, zwei 
größere Bestände in der Provinz Posen von insgesamt 220 
Rindern und 28 Pferden nach der Sobernheimschen Methode 
gegen Milzbrand zu immunisieren. 

Im ersten Bestände (100 Rinder, 28 Pferde) waren inner¬ 
halb 14 Tagen drei Färsen und ein Pferd an akutem Milzbrand 
verendet. Ein Rind war zwei Tage vor Vornahme der 
Impfungen bereits hochfleberhaft erkrankt. Da Milzbrandver¬ 
dacht bestand, wurde am dritten Tage, — leider zu spät und 
daher ohne Erfolg —, eine Heilserumdosis injiziert. Die 
Diagnose wurde durch die Sektion bestätigt. 

Von den übrigen Tieren versagten fünf Färsen ein bis zwei 
Tage lang das Futter. Von 28 Pferden bekamen eigentümlicher¬ 
weise sechs am selben oder nächsten Tage eine ausgedehnte 
Urtikaria, die nach 24 bis 36 Stunden wieder verschwand, 
ähnlich, wie es beim Menschen vereinzelt nach der Einspritzung 
von Diphtherieheilserum beobachtet worden ist 

Ein Ochse, der versehentlich die für Kühe bestimmte 
größere Kulturmenge erhalten hatte, 1 ccm*), zeigte am Tage 
nach der Impfung eine auffallend starke Reaktion. Unmittel¬ 
bare Gefahr lag wohl nicht vor, doch zeigt der Fall, daß man 
bei der Anwendung virulenter Kulturen nicht vorsichtig genug 

*) Frühere Vorschrift. 

Die jetzige Vorschrift begnügt sich mit 0,5 ccm Kultur. 


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24. Dezember 1903. 


sein kann. Um so erfreulicher ist es, daß Professor Sobern- 
heim das Laienelement von der Anwendung seiner Präparate 
ansgeschaltet hat. Im übrigen sistierte der Milzbrand vom Tage 
der Impfnng ab sofort! 

Unter den 140 Rindern des zweiten Bestandes, der nach 
der nenen Vorschrift (0,5 pro Rind oder Ochse, 0,3 bis 0,4 für 
Kälber) geimpft wurde, traten überhaupt keine Impfreaktionen auf. 

Auf beiden Gütern ist bis heute keine weitere Erkrankung 
an Milzbrand mehr vorgekommen, ein Erfolg, der die überaus 
günstigen Resultate an anderen Orten, vor allem in Argentinien, 
wo gegen 60000 Rinder immunisiert worden sind, vollauf be¬ 
stätigt. Kunze jun. (Posen). 

Halle a./S. 


Referate. 

Die Auswahl des männlichen Zuchtrindes. 

Von Dr. A. Lydtin-Baden-Baden. 

(Dtb. W. 1903. N. 89/30.) 

Wenn auch beide Elterntiere gleich stark an der Erzeugung 
eines unmittelbar aus ihnen hervorgegangenen Kalbes beteiligt sind 
und folglich eine gleich strenge Körung erfordern, so ist doch, 
sagt Lydtin, bei der Auswahl des männlichen Zuchtrindes ein 
recht genauer Maßstab anzulegen, und auch nicht daB geringste zu 
übersehen, weil das männliche Tier bei der Erzeugung von un¬ 
gleich mehr Nachkommen beteiligt ist und daher sich haupt¬ 
sächlich zur Verbesserung und Veredlung der Zucht eignet. 

Welche Eigenschaften muß nun das männliche Rind besitzen, 
um zur Zucht brauchbar zu sein? Um faBt täglich den Samen für 
eine zahlreiche Nachkommenschaft ansstreuen zu können, sind in 
erster Linie nötig: das zuchtreife Alter und eine untadelhafte 
Gesundheit Das zuchtreife Alter tritt je nach dem Viehschlage 
verschieden ein. Die meisten Bullenkörordnungen forden (nach 
Lydtin) ein Alter von 18 Monaten zur Ankörung. Das Haupt- 
kriteriura für die Zuchtreife bildet aber nicht das Alter, sondern 
die körperliche Entwicklung. Man hüte sich aber, in den durch 
Fettauflagerungen erzeugten runden und schwellenden Formen die 
Zuchtreife zu erblicken. „Früh gemodelte, bereits ebenmäßig ge¬ 
baute, dabei kurzbeinige Jungbullen, welche die Nichtkenner so 
leicht bestechen, läßt der erfahrene Züchter, ebenso wie langköpfige, 
auf dünnen Beinen gestellte Tiere zur Seite stehen und zieht ihnen 
solche vor, die sich in der Körpergröße und dem Körperumfange 
den Eltern nähern, aber da sie im Rumpfe noch kurz sind, hoch¬ 
beinig erscheinen.“ 

Die zweite genannte Eigenschaft war die untadelhafte Ge¬ 
sundheit. Dieselbe ergibt sich aus dem Ernährungszustände, aus 
einem kräftigen und ebenmäßigen Körperbau, aus Eigentümlich¬ 
keiten des Körperbaues eines männlichen Rindes, aus dem Freisein 
von üblen Gewohnheiten, Gebrechen und Krankheiten und den An¬ 
lagen hierzu. Der Ernährungszustand zeigt, ob das Tier wählerisch 
ist oder nicht und wie es Futter und Getränke an seinem Körper 
verwertet. Fette, glatte junge Bullen aus Brennereien, Brauereien, 
Mühlen, Zuckerfabriken und Bäckereien fallen gerne ab und decken 
nicht, wenn sie in anderes Futter kommen. 

Bei der Beurteilung des Körperbaues ist der Rücken zuerst 
ins Auge zu fassen. Der Rücken muß einschließlich der Lende und 
des Kreuzes wagerecht verlaufen, geschlossen und breit, tafelförmig 
gestaltet sein. Aus einem breiten Rücken gehen die Rippen seitlich 
wagerecht heraus; die Weichen sind voll und das Becken ist breit 
und weit Je höher die seitliche Wölbung der Rippen, je weiter die 
Rippen zurück- und herabreichen, um so besser ernähren sich die 
Tiere. Zugleich nehmen dabei die Tiefen- und Breitendurchmesser 
des Brust- und Beckengürtels zu. 

Die vordere Körperhälfte ist etwa um ein Zehntel schwerer als 
die hintere; der Schwerpunkt des Rinderkörpers liegt daher ein 
wenig vor der Kreuzungsstelle der Diagonalen eines Rechteoks, 
welches die Klauensohlen der vier Beine zu Winkeln hat 


Die geschilderten Verhältnisse haben den Zweck, den Körper 
mit dem geringsten Maß von Muskelanstrengung im Gleichgewicht 
zu erhalten bzw. das gestörte Gleichgewicht wieder herzustellen. 
Ein Mehr an Muskelkräften erfordert aber ein Mehr an Futter, das 
zu einem mehr oder minder großen Teile für die Ernährung, somit 
auch für die Nutzleistung verloren geht. 

Andere Fehler im Ebenmaß rühren von Störungen im Wachs- 
tume der einzelnen Körperabschnitte her. Beim jungen Rinde er¬ 
reicht das Hinterteil am ersten seine volle Höhe und erst im dritten 
Jahre folgt der Auswuchs des Vorderteiles. Schlechte Ernährung, 
zu frühe Verwendung zur Zucht und übermäßige Nutzleistungen 
hemmen die Ausbildung der vorderen Körperhälfte, so daß das 
Tier hinten hoch und vorn niedrig bleibt, überbaut ist. Solche 
Tiere sind wegen ihres unvorteilhaften Körperbaues in ihren Nutz¬ 
leistungen beschränkt und daher Futterverschwender. Überbildete, 
zu sehr verfeinerte, hirschartige, sowie grobknochige, dickfellige 
und ochsenmäßige Rinder taugen zur Zucht ebensowenig wie 
Doppellender. 

Das männliche Rind muß den Charakter der Männlichkeit in 
ausgesprochenem Maße an sich tragen. Diese Eigenschaft kommt 
in einer rüstigen Körperverfassung, in einem lebhaften feurigen 
Temperament und in den besonderen für die Funktionen des Bullen 
geschaffenen Eigentümlichkeiten des Körperbaues beim Bullen zum 
Ausdruck. 

Die Haut ist lose, leicht verschiebbar, leicht faltbar. Ständige 
Faltung der Haut an den Ganaschen, den Seitenflächen des Halses, 
an der Brust, am Hodensack und der Innenfläche der Hinterschenkel 
erhöhen den Zuchtwert. Das Haar sei möglichst dicht, nicht allzu 
rauh und weich. Sämtliche Teile des Körpers sollen bis an den 
Rand der natürlichen Körperöffnungen dicht mit Haaren bedeckt 
sein. Das Temperament sei lebhaft, ja feurig; aber nicht bösartig. 
Bösartigkeit entsteht meist durch falsche Behandlung. 

Das Eigentümliche in dem Körperbau des Bullen liegt in der 
Körpergröße und in dem löwenartigen Bau des Vorder- und Mittel- 
stückes. Bei vorgeschrittenen Kulturscblägen sind Vorderteil und 
Hinterteil mehr ausgeglichen. Der Bau der Lende und der Hinter¬ 
hand muß besonders gut sein, damit sich der Bulle beim Deckakte 
leicht auf die Hinterbeine stellen und während desselben sich 
hauptsächlich auf sie stützen kann. 

Die Sprungtüchtigkeit erfordert dann die normale Beschaffenheit 
der Begattungsorgane. Zur Untersuchung der Rute und der Eichel 
muß das Glied ausgeschachtet sein, was gewöhnlich durch Vor¬ 
führung eines weiblichen Tieres erreicht wird. Den sichersten 
Beweis für die Sprungtüchtigkeit liefert die Ausführung des Deck¬ 
aktes. Wo diese Prüfung möglich ist, sollte sie nicht unterlassen 
werden. Niemals unterlasse man die Untersuchung des Hoden- 
sackes. Es müssen stets beide TeBtikel vorhanden, frei von Knoten, 
bei der Berührung schmerzlos und leicht beweglich sein. 

„Wer bei der Körung oder dem Ankauf von Zuchtbullen nach¬ 
lässig io der Untersuchung der Geschlechtsteile verfährt, verdient 
die Vorwürfe, die bei der Untauglichkeit des Tieres nicht ausbleiben, 
mit Recht!“ 

Endlich gehört zu einem guten Zuchtbullen das Freisein von 
Fehlern, schlechten Gewohnheiten, Krankheiten und der Anlage 
dazu. Hierher gehören das Zungenschlägen, das Koppen, das 
Haarfressen, das Onanieren, die Glatzflechte. 

Die meisten Krankheiten können hier vor Tierärzten übergangen 
werden, nur eine muß besprochen werden: die Tuberkulose. 

Daß niemand einen offenbar tuberkulösen Bullen zur Zucht 
einstellen wird, ist selbstverständlich. Dagegen decken doch, wie 
aus den Feststellungen bei der Schlachtung hervorgeht, eine nicht 
unbeträchtliche Zahl von anscheinend gesunden Bullen, die aber 
bei der Untersuchung der inneren Organe doch tuberkulös befunden 
werden. Daß die Weiterverbreitung der Tuberkulose von den vor¬ 
handenen Herden nicht ganz ausgeschlossen erscheint, ist nicht so 
schlimm, als daß Tiere, die der Ansteckung keinen Widerstand ge¬ 
leistet haben, doch eine gewisse Neigung oder Veranlagung zur 
Tuberkulose besitzen, was bei anderen Rindern nicht der 
Fall ist. Tatsächlich finden wir in verseuchten Beständen einzelne 
Tiere oder ganze Familien, die, obwohl den gleichen Gefahren der 


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Berliner tierärztliche Wochenschrift. 


Ansteckung ausgesetzt, doch nicht infiziert worden sind. Diese 
Widerstandskraft vererbt sich ebenso wie die Widerstandsschwäche. 

Trotz voller Anerkennung der der Tuberkulinprobe anhaftenden 
Mängel hält Lydtin doch diese Prüfung für Zuchtgebiete, in denen 
hauptsächlich Zuchttiere gezüchtet werden, für notwendig. Baden 
hat daher die obligatorische Anwendung der Tuberkulinprobe für 
Zuchtbullen polizeilich vorgeschrieben. 

Da nun aber das Rind ein landwirtschaftliches Nutztier ist, 
muß es nutzleistungsfähig sein. 

Die Leistungen bestehen hauptsächlich in der Erzeugung von 
Milch, Fleisch und Kraft (Arbeit). Wenn auch teilweise nur eine 
Leistung gefördert wird (englische Hochzuchten), so wird meistens 
doch eine kombinierte Leistung verlangt. So sind auch die nord¬ 
deutschen Tiefschläge fast durchgängig auf eine doppelte Leistung 
gezüchtet, wobei bei dem einen Schlage, z. B. den Ostfriesen, die 
Milchleistung, bei dem anderen Schlage, z. B. dem Wesermarsch¬ 
vieh, mehr die Wüchsigkeit vorwiegt. Die meisten Höhenvieh¬ 
schläge sind mit einer dreifach kombinierten Leistungsfähigkeit 
begabt. Aber auch hier tritt bei dem einen Schlage, z. B. den 
Franken, die Arbeitstüchtigkeit, bei dem anderen, den Simmentalern, 
die Wüchsigkeit, bei dem dritten, wie bei dem Grauvieh, die Milch¬ 
ergiebigkeit an die erste Stelle. 

Für die Züchtung auf Einzelleistung oder Kombination und für 
die Art der Kombination sind örtliche Verhältnisse, Absatzmöglich¬ 
keit etc. entscheidend. Der geforderten Leistung entsprechend hat 
auch die Auswahl der Bullen stattzufinden, denn die Erfahrung 
lehrt, daß die Leistungsfähigkeit wie die übrigen bereits be¬ 
sprochenen Eigenschaften der Zuchtfähigkeit ein Erbteil der Eltern 
bildet, das von den Kindern wieder auf die weiteren Nachkommen 
übertragen wird. Wie hoch die Abstammung von leistungsfähigen 
Eltern geschätzt wird, geht unter anderem daraus hervor, daß in 
dem unter Nr. 873 in Hannover ausgestellten Bullen (Shorthorn) 
das Ahnenblut mit 11000 Mark bezahlt werden mußte. 

Das Zuchttier muß aber neben seiner Nutzleistung auch seine 
Zuchtleistung behalten. Daher darf nicht bei einem Zuchttiere die 
Nutzleistung bis ins Ungemessene gesteigert werden. Die Nutz¬ 
leistung eines Nutzrindes, z. B. einer Abmelkkuh, mag man ruhig 
so weit nur möglich steigern, die Gesundheit des Tieres mag 
darunter leiden oder nicht, wenn nur der Wert des Nutzens aus¬ 
reicht, um das Kapital, das in dem Tiere steckt, zu verzinsen und 
zu amortisieren. Ein Zuchttier soll nicht in der Nutzleistung 
aufgehen, sondern fruchtbar sein zur Vermehrung des Vieh¬ 
standes mit gleichfalls fruchtbaren-Nachkommen. Dazu aber gehört 
die Gesundheit, die nicht so nebenbei noch gefordert, sondern allen 
anderen Eigenschaften vorangestellt werden muß. 

Zur Erkennung der Abstammung dienen Kennzeichen der Tiere 
und die Führung von Zuchtbüchern. Baden und Bayern sind in 
dieser Beziehung vorangegangen; zurzeit nimmt die Bildung von 
Stammviehzuchtvereinen und Herdbüchern in ganz Deutschland eine 
freudig zu begrüßende Entwicklung. Bei manchen Züchtervereini¬ 
gungen werden in die Zuchtregister nicht nur die Abstammung, 
sondern auch die Leistungen im Milchertrag, das Ergebnis von Zug- 
und Schlachtproben etc. eingetragen. In dieser Vollkommenheit 
weisen die Herdbücher nicht nur die Abstammung nach, sondern 
geben auch einen Einblick in die voraussichtliche Leistung des 
Tieres. 

Dort, wo derartige Hilfsmittel fehlen, geben uns die äußeren 
Merkmale, an denen wir einen Schlag oder eine Rasse erkennen, 
einen Anhaltspunkt für die Abstammung des Tieres. 

In letzter Zeit ist ein Unterschied zwischen Zucht nach Leistung 
und Zucht nach Rasse konstruiert worden. Der Simmentaler, der 
Vogelbsberger etc. züchtet sein Vieh aber nicht der Rasse wegen, 
sondern der besonderen Eigenschaften und der besonderen 
Leistungsfähigkeit wegen, die Tiere seiner Rasse in hervorragendem 
Maße besitzen. Mit der Rasse züchtet er nach Leistung und er 
überläßt es, wie er es stets gehalten hat, der praktischen Erprobung, 
um die minder leistungsfähigen Tiere auszumerzen. 

Wo auch der von der Natur ausgestellte Nachweis der Ab¬ 
stammung fehlt, können wir nur in der Beurteilung der Körper¬ 
formen, zu welchen die Leistungen in bestimmten Beziehungen 


No. 52 


stehen, einen Anhalt für die Schätzung der Art und des Maßes des 
Leistungsvermögens eines Tieres gewinnen. Die diesbezüglichen 
Kennzeichen der Milch-, Fleisch- und Arbeitstiere sind hinreichend 
bekannt. 

Wer so alle gegebenen Fingerzeige für die Auswahl seiner 
Zuchttiere befolgt, kann doch noch recht schlechte Erfahrungen 
machen, wenn er eines übersieht: das Anpassungsvermögen der 
Tiere. Es paßt nicht jedes Tier für jede Gegend; Shorthorn paßt 
nicht für den Westerwald und Simmentaler z. B. nicht für kalkarmen 
Boden. Niemals soll man die alte Bauernregel übersehen und ein 
Zuchttier von besserem Boden auf einen geringeren bringen; um¬ 
gekehrt muß man verfahren. Am besten angepaßt ist der in der 
Gegend geborene Bulle des heimischen Schlages. Wo es an den 
Mitteln für eine zweckmäßige Aufzucht gebricht, sind Aufzuchts¬ 
stationen einzurichten, wie das im Harze, im Vogtlande und im 
Vogelsberg geschehen ist. 

„Auf dürftigem Boden sind die Landwirte gerne geneigt, die 
Zuchtbullen einem großen, schweren, höchst leistungsfähigen 
Schlage (Hochzuchten) zu entnehmen, um bald zu einem größeren 
und nutzbaren Vieh zu gelangen. Dem ist mit dem Hinweis auf 
die in dieser Beziehung gemachten schlechten Erfahrungen kräftig 
entgegen zu treten. Die Züchter müssen belehrt werden, daß erst 
der Boden mit allen verfügbaren Mitteln so weit zu verbessern sei, 
bis er einen höheren Prozentsatz ausgesprochener Kalkpflanzen von 
hohem Nährwert, vor allem Kleearten, hervorbringe. Dann erst sei 
er imstande, einen kräftigen, leistungsfähigen Viehschlag zu er¬ 
nähren.“ Nevermann. 

Erfahrungen ans der Praxis über Malleinimpfang. 

Von Reg.-Rat, Landestierarzt Feist, Straßburg. 

(Fortaohritte d. Vet.-Hyg. 1903, S. 30—33.) 

Fei st machte mit der Malleinimpfong in eigener ansgedehnter 
Anwendung sowie nach Erhebungen aus den Akten die aller- 
günstigsten Erfahrungen. 

12 Pferde an verschiedenen Orten, die wegen klinischer 
Erscheinungen, wie einseitiger Nasenausfluß, Kehlgangslymph- 
drÜ8en8ckwellung, Knötchen auf der Nasenschleimhaut, rotz¬ 
verdächtig befunden, in zwei Fällen schon seit einem halben 
Jahr kontumaziert worden waren, reagierten nicht auf die 
Impfung, wurden freigegeben und erwiesen sich auch später 
sämtlich als gesund. 7 andere reagierten und erwiesen sich 
obduziert sämtlich rotzig. — Bei 2 Pferden wird klinisch und 
an der Leiche Rotz konstatiert. Ihre 20 völlig gesunden Stall- 
genossen werden geimpft: 14 reagieren, 3 nur mit Temperatur¬ 
steigung, 11 auch mit lokalen Erscheinungen; 6 Fohlen, die 
abgesondert gestanden hatten, reagieren nicht. Die 14 werden 
getötet und sämtlich rotzig befanden; die 6 werden noch zwei¬ 
mal nach je drei Monaten nachgeimpft, reagieren nicht, erweisen 
sich dauernd gesund. — 23 rotzverdächtige Pferde in F. werden 
geimpft: 10 reagieren nicht; 13 reagieren, 5 thermal, 8 thermal 
und lokal. Obduziert erweisen sich 12 rotzig, 1 rotzfrei (!). — 
Ein Koliker wird bei der Sektion rotzig befanden. 15 Stall¬ 
genossen sind also rotzverdächtig. Alle erweisen sich klinisch 
völlig gesund; einer zeigt Schwellung der linken Kehlgangs- 
lymphdrüse. Auf die Impfang reagieren 5 Pferde nicht, die 
nur vorübergehend im Stall waren; die anderen 10 reagieren 
lokal und thermal. 5 werden getötet und zeigen sämtlich Rotz¬ 
knoten in der Lunge und Geschwüre in der Luftröhre. Nach 
drei Wochen werden die anderen 5 getötet und gleichfalls rotzig 
befanden; bei zweien war inzwischen auch Nasenrotz offenbar 
geworden. Die Tiere dieses Bestandes gehörten einem Eisen¬ 
bahnbauunternehmer, den ohne den Anhaltspunkt der Impf¬ 
reaktion niemand hätte hindern können, seine äußerlich gesunden 
Pferde zu benutzen, die bei dieser Art der Verwendung sicher 


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24. Dezember 1908. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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den Ansbrach einer Epidemie veranlaßt hätten. Ihre 5 Genossen 
reagieren anch auf die Nachimpfangen nicht und werden frei¬ 
gegeben. 

Durch ein rotziges, aus Frankreich importiertes Pferd, das 
seinen Herrn oft gewechselt hat, wurden 42 Bestände im Ober¬ 
elsaß mit 291 Pferden rotz- bzw. ansteckungsverdächtig. Alle 
werden revidiert: 275 zeigen keine Rotzsymptome, 4 zweifel¬ 
hafte, 12 deutliche. Von letzteren werden 2 getötet und rotzig 
befanden; 3 verendeten an Kolik und waren rotzfrei. 286 werden 
geimpft: 26 reagieren typisch, erweisen sich obduziert rotzig; 
von den nicht reagierenden werden 6 getötet, rotzfrei befanden; 
auch bei den Nachimpfungen reagiert weiter keines und alle 
erweisen sich auch später gesund. — Unter diesen 42 Beständen 
befand sich auch der einer Droschkengesellschaft mit 123 Pferden, 
wovon 110 nicht reagierten. Hätte man sie kontumaziert, so 
konnte der Besitzer nach § 41 der Instr. zum R.-V.-S.-G. ihre 
Tötung verlangen. Da keines rotzkrank war, wäre dem Staat 
hierfür eine Entschädigungsausgabe von — 110 • 800 = 88000 Mk. 
erwachsen, und für 120 Pferde eines Industriellen eine solche 
von ca. 80000 Mk. Durch das Auskunftsmittel der Mallein- 
impfung wurden dem Staat diese Summen erspart. 

Noch einige für die Zuverlässigkeit des Malleins besonders 
charakteristische Einzelfälle führt der Verfasser an und erklärt 
das Mallein (Pasteur) für ein vorzügliches Hilfsmittel zur Rotz- 
feststellnng, das uns außerdem instand setzt, manche Härten im 
Erwerbsleben der Pferdebesitzer zu beseitigen, der Staatskasse 
erhebliche Ausgaben zu ersparen, dem Nationalvermögen be¬ 
deutende Werte zu erhalten. 0. Albrecht. 

Ausgedehnte Verbrennungen. 

Von Bezirkstierarzt Heichlinger-Bruck. 

(Wochenschr. für T. u. V. 1903. S. 402.) 

Durch Feuerausbrach in der Stallung erleidet eine Kuh und 
eine Stute ausgedehnte Verbrennungen, erstere an der Hälfte 
der linken Thorax- und der ganzen linken Bauchwandung, 
letztere an der Hinter- und Innenfläche der Hinterextremitäten 
vom Ballen bis zur Mamma. Beide Tiere werden durch eine 
fünfwöchige Behandlung mit Pikrinsäure völlig geheilt. 

0. Albrecht. 

Die Ablösung der zurflckgebliebenen Nachgeburt 
bei Kühen. 

Von P. Grunth-Kopenhagen. 

(Maanedaskrift tor Dyrlaeger, 1503, Heft 7 u. 8.) 

In der vorstehenden, durch einen Preis des dänischen Ju¬ 
biläumsfonds ausgezeichneten Abhandlung kommt Verf. zu dem 
Resultat, daß die Ablösung der zurückgebliebenen Nachgebart, 
wenn irgend möglich, schon 24 Stunden nach der Geburt vor¬ 
genommen werden soll. Bei dieser Behandlungsmethode erzielt 
man, wie die Krankenjournale der Kopenhagener Klinik beweisen, 
die denkbar günstigsten Erfolge. 

Am Schlüsse seiner Abhandlung macht Verf. einige interessante 
Angaben über die Frage, welches der beiden Gebärmutterhörner 
am häufigsten trächtig ist. Die diesbezüglichen Untersuchungen 
umfassen 125 Fälle. Hiervon kommen 6 = 4,8% auf Zwillings¬ 
geburten mit Trächtigkeit beider Hörner. In den Testierenden 
119 Fällen war das rechte Horn 83 mal = 69,7% und das linke 
36 mal = 30,3% trächtig. Dr. Stödter. 


Resultate von vier Operationen gegen das Krippensetzen. 

Von J. H. Mc Leod, D. V. S. Charles City, Jowa. 

(American Vet Review 1903. Vol. XXVII, Nr. 3.) 

In einer Sitzung des tierärztlichen Vereins im Staate Jowa 
referierte Verf. über die Resultate, welche er in vier Fällen mit 
verschiedenen Operationsmethoden gegen daB Krippensetzen ge¬ 
wonnen hatte. 

1. Brauner Wallach, Traber. Durchschneidung des Sterno- 
maxillaris an der Stelle, wo der N. accessorius eintritt; außer¬ 
dem Resektion der Mm. sterno-hyo-thyreoidei. Nach der Operation 
machte das Pferd einige schwache Versuche aufzusetzen und 
gab es dann eine Zeitlang auf. 

2. Brauner Hengst, Arbeitspferd. Neurektomie des Acces¬ 
sorius. Ohne Erfolg. Doch soll nach den Informationen des 
Eigentümers der Hengst die Untugend nur noch in dem halben 
Grade wie vorher ausüben und im Nährzustand zugenommen 
haben. 

3. Perclieron-Rapphengst. Dorchschneidung des M. sterno- 
hyo-thyreoideus und Resektion des N. accessorius. Das Pferd 
versuchte den Koppakt sofort nach der Operation zu vollziehen, 
was aber nicht gelang. Nach einigen Tagen wurde es dagegen 
beobachtet, wie es das Koppen im Stalle an einem vorstehenden 
Brett ausübte. Der Hengst wurde nun in einen Stall gebracht, 
wo er nicht aufsetzen konnte und seither ist der Fehler nicht 
wieder aufgetreten. 

4. In diesem Falle wurde die Operation wie vorher und mit 
Erfolg ausgeführt. 

Es ist aus der kurzen Mitteilung nicht zu entnehmen, ob 
das Koppen in den Fällen drei und vier infolge der Operation 
oder deshalb nicht mehr eintrat, weil den Pferden die Gelegen¬ 
heit zur Ausübung der Untugend entzogen wurde. Immerhin 
empfiehlt es sich, diese als erfolgreich bezeichnete Behandlungs¬ 
methode gelegentlich zu versuchen. Peter. 

Wochenübersicht über die medizinische Literatur. 

Von Dr. Jess-CharlOttenburg, 

Krelltierarzt. 

Münchener medixinische Wochenschrift Nr. 45. 

Dauerhefe und Glrungsprobe; von Dr. Münzer. Zur Be¬ 
stimmung des Zuckergehaltes im Harn ist die Gärungsprobe 
vielfach im Gebrauch. E. Büchner hat zuerst festgestellt, daß 
die Gärang8wirkung der Hefe auf einem Fermente beruht. Um 
das Verfahren zu vereinfachen, wäre es erwünscht, diese Fer¬ 
mente rein zu besitzen. M. hat daher die in dem Handel be¬ 
findlichen Dauerhefen Furonculin und Zymin verwendet. Furonculin 
ergab ungenügende Resultate, deshalb hat Verfasser lediglich 
mit Zymin gearbeitet. Er mußte jedoch bald erfahren, daß 
Zymin, wenn es mit Wasser zusammengebracht wird, sofort die 
Erscheinung der Selbstgärang zeigt. Es sind also in der 
lebenden Hefe Kohlehydrate enthalten, welche von der Hefe 
unter bestimmten':,Umständen (Hunger) abgegeben werden. 
Würde man die Hefe zu Untersuchungen von Harn verwenden, 
so erhielte man ungenaue oder falsche Resultate. 

Über Buttermilch; von Rommel. Da Buttermilch nicht immer 
in vorzüglicher Qualität zu haben ist, empfiehlt es sich, fettarme 
Milch, frische Magermilch, im eignen Haushalt durch Zusatz 
von Milchsäurebakterien in Reinkultur, wie solche jetzt in 
Tablettenform hergestellt werden und erhältlich sind, zur Ge¬ 
rinnung zu bringen. Dadurch erhält man eine einwandfreie 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 52. 


Buttermilch, welcher man in beliebiger Menge Rahm zusetzen 
kann. Namentlich in der KinderernShrung ist die Buttermilch von 
hoher Bedeutung. 

Über das Vorkommen eines spezifischen Stoffes im Blutserum 
von tuberkulösen Tieren. Ruitinga veröffentlicht im „Weekbl. 
van het Nederl. Tijdschr. v. Geneeskunde“, I, Nr. 7, 1903, seine 
Versuche zur Ermittlung eines spezifischen Stoffes im Blut¬ 
serum. Er verwendete drei Tuberkelbazillenstämme zur Injektion 
und fand, daß intravenöse und intraperitoneale Injektion von 
lebenden Tuberkelbazillen einen spezifischen Antistoff erzeugen. 
Derselbe ist hochgradig, aber nicht vollkommen spezifisch, und 
heftet sich fast ausschließlich an Bazillen desselben Stammes. 
Die große Spezifität des geformten Fixateurs macht es unwahr¬ 
scheinlich, daß die Bordetsche Methode zur Erkennung der 
tuberkulösen Infektion beim Menschen gebraucht werden kann. 
Bei Infektion von Kaninchen mit Bazillen von Arloing erhält 
das Blutserum dieser Tiere eine stark agglutinierende Eigenschaft 
gegenüber den Bazillen von Arloing. Diese Agglutination 
tritt nur in bestimmter Verdünnung auf, so daß z. B. ein Serum, 
welches im Verhältnis von einem Teil Serum auf 3000 Teile 
Tuberkelbazillenkultur gut agglutiniert, solches im Verhältnis 
von 1 Teil Serum auf 1 Teil Kultur nicht tut. Das Blutserum 
von mit Bazillen von Arloing infizierten Kaninchen agglutiniert 
Bazillen des Utrechtschen und Amsterdamschen Stammes nicht. 
Das Blutserum von mit Utrechtschen Bazillen infizierten 
Kaninchen agglutiniert Utrechtsche und Arloingsche Bazillen 
schwach, Amsterdamsche nicht. Das Blutserum von mit Amsterdam¬ 
schen Bazillen infizierten Kaninchen ist nicht imstande, die 
Bazillen eines der drei andern Stämme zu agglutinieren. 

Kankroln Adarakiewlcz. In dem „Rostocker Anzeiger“ war eine 
Abhandlung des Dr. Kätscher aus Pest zur Heilung des 
Krebses mit wunderbaren Krankheitsgeschichten erschienen. 
Ein Patient des Dr. H ns che in Rostock wandte sich an 
Adamkiewicz, welcher ibm mitteilte, daß die Angaben in dem 
„Rostocker Anzeiger“ resp. in der Zeitschrift „Nord und Süd“ vollste 
Wahrheit wären. Gleichzeitig schrieb der Patient jedoch noch 
an einen der Geheilten, dessen Krankheitsgeschichte mitgeteilt 
war, welcher trotz der ungünstigen Prognose einer Berliner 
Autorität, die jede Möglichkeit einer Besserung, geschweige 
denn einer Heilung ausgeschlossen hatte, nach elftägiger 
Kankroinbehandlung „wie neu geboren“ heimreisen konnte. 
Dieser Geheilte war jedoch leider an seinem Magenkrebs ver¬ 
storben, wie der Sohn mitteilte. Adamkiewicz soll die Un¬ 
richtigkeit der von Kätscher veröffentlichten Krankheits¬ 
geschichte gekannt haben. Dr. Husche greift daher Adam¬ 
kiewicz in nicht mißzuverstehender Weise an und klagt 
Herrn Professor Dr. Adamkiewicz in Wien öffentlich der 
bewußten Fälschung einer Krankengeschichte an und wünscht 
ihn ans der Liste der ehrlichen medizinischen Schriftsteller aus- 
gelöscht und ihn für die Vergangenheit wie für die Zukunft 
jeder Glaubwürdigkeit beraubt. 

Deutsche Vierteljahrsschr. für öffentliche Gesundheitspflege 2. 1903. 

Die amtsärztliche Beurteilung der Fleischvergiftung (Botulis¬ 
mus); von Prof. Dr. Lochte-Hamburg. Für die amtsärztliche 
Beurteilung sind folgende drei Arten der Vergiftung von 
Wichtigkeit, einmal durch Wurstgift (Botulismus), zweitens 
dnrch den Genuß faulen Fleisches und drittens durch den 
Genuß kranker Tiere. Die weiteren Ausführungen seien hier 
wörtlich angeführt: 


1. Das Wurstgift entsteht nicht nur in Würsten dadurch, 
daß das Fleisch dazu nicht lange genug gekocht wird oder 
leicht zersetzliche Substanzen hinzugefügt werden und durch 
unzweckmäßiges Aufbewahren, sondern auch in anderen Fleisch¬ 
waren (Büchsenfleisch, Pasteten, Schinken, Bücklingen usw.) 
und zwar lehren die neueren Untersuchungen, daß anaerobe 
Bazillen (Bacillus botulinus) die Ursache sind, zugleich mit 
einem von ihnen ausgeschiedenen Toxalbumin. Nach Genuß 
giftiger Wurst kommt es zu Gruppenerkrankungen. 

2. Für die Entstehung von Giften im faulenden Fleisch 
kommen Ptomaine vielleicht auch Albumosen, daneben Bakterien 
und Toxalbumine in Betracht. Da faulendes Fleisch meist nicht 
roh, sondern zubereitet genossen wird, stellen sich Erkrankungen 
nach Genuß von solchen teils als Intoxikationen, teils als In¬ 
fektionen, teils als Mischformen dar. 

3. Die in Frage kommenden Tierkrankheiten sind besonders 
septische Endometritis und Peritonitis; es kommt nach Genuß 
von Fleisch solcher Tiere zu Massenerkrankungen. Diese 
septischen Prozesse werden fast stets durch Stäbchenbakterien 
hervorgerufen (Bacillus enteritidis Gaertner u. a.). Der letztere 
bildet ein Gift, das durch Kochen nicht zerstört wird. Er¬ 
schwerend für die Beurteilung ist, daß häufig das Fleisch 
kranker Tiere nichts auffälliges im Aussehen, Geruch und 
Geschmack zeigt. 

Zum Beweise für das Vorliegen einer Fleisch- oder Wurst¬ 
vergiftung bedarf es: 1. des Nachweises der Krankheits¬ 
erscheinungen im Leben; 2. des Sektionsbefundes, 3. des 
chemischen, bakteriologischen und physiologischen Nachweises, 

4. der Beurteilung der besonderen Umstände des Falles. 

ad I. Für Wurstvergiftungen charakteristisch sind neben 
den Magen- und Darmerscheinungen die nervösen Störungen 
(Erweiterung der Pupille, Trockenheit des Mundes, Brennen, 
Heiserkeit, Dysphagie, Aphagie u. a.). In ca. 60 Prozent der 
Fälle tritt Genesung ein, die meist langsam vor sich geht und 
häafig mit Abschälen oder Abschuppen der Haut verbunden ist. 

Zu Verwechslungen können gewisse Vergiftungen (Bella¬ 
donna, Hyoscyamin), auch Polyencephalitis, wohl auch Lues 
cerebri und Hysterie Veranlassung geben. 

Die Krankheitserscheinungen nach Genuß faulen Fleisches 
sind manchmal denen bei Botulismus ähnlich. Als charakteristisch 
werden im allgemeinen angegeben: Übelkeit, Erbrechen, Durchfall 
und heftiger Durst, während die nervösen Symptome mehr 
zurücktreten und höchstens Erweiterung der Pupillen vorkommt. 

Die Vergiftungen infolge Genusses des Fleisches kranker 
Tiere verlaufen unter dem Bilde des Brechdurchfalles; in 
schwereren Fällen sind sie der Cholera, auch dem Typhus'sehr 
ähnlich. Es ist oft unmöglich, besonders beim Fehlen nervöser 
Erscheinungen, die Diagnose zu stellen und es bedarf dann des 
Nachweises durch den Sektionsbefund. In dieser Beziehung ist bei 
keiner der drei Arten der Fleischvergiftung ein charakteristischer 
pathologisch-anatomischer Befund vorhanden, weshalb der negative 
Befund wohl verwertet werden kann, um Choleratyphus aus- 
zuschalten. Nur bei den Vergiftungen infolge Genusses faulen 
oder von kranken Tieren stammenden Fleisches findet man 
ziemlich häufig Gastroenteritis, Blutungen auf der Schleimhaut 
des Magen- und Darmkanals und typhusähnliche Geschwüre. 

Zur Ergänzung des Obduktionsbefundes dient: der Nachweis 
des Giftes. Bei Wurstvergiftung ist der Beweis erbracht, 


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24. Dezember 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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wenn der Bacillus botulinus gefunden wird und der Tierversuch 
gelingt. Der negative Ausfall schließt jedoch nicht aus, daß 
doch Fleischvergiftung Vorgelegen hat. Die Untersuchung von 
Teilen des Verstorbenen auf Ptomaine ist als aussichtslos an¬ 
zusehen; auch genügt der Nachweis von Protein allein nicht. 

Bei den Fleischvergiftungen spielt der Bacillus enteritidis die 
wichtigste Rolle; wird derselbe im Innern des Fleisches ge¬ 
funden, so ist mit Sicherheit anzunehmen, daß das Tier krank 
war. Ein vollgiltiger Beweis für Fleischvergiftung ist erst dann 
erbracht, wenn die gefundenen Bakterien im Fleisch des TiereB 
und in dem Verstorbenen gefunden sind. Die Serumdiagnose 
wird in neuerer Zeit mit Erfolg herangezogen, doch ist ein 
abschließendes Urteil über deren Wert nach L. noch verfrüht 

Über komprimierte Tabletten In veterinär ärztlichem Gebrauch. 
Die allen Tierärzten geläufigste Form der Tabletten sind 
zweifellos die Sublimatpastillen, und gerade an diesen Pastillen 
läßt sich der große Vorzug, den die Dosierung von Arznei¬ 
mitteln in Tablettenform hat, am besten erkennen. Namentlich 
für den Tierarzt, welcher selbst dispensiert, ist durch die Her¬ 
stellung zubereiteter Arzneiformen in Tabletten- oder Pastillen¬ 
form eine ganz erhebliche Arbeitsmenge erspart worden. Auf 
der anderen Seite weiß man jedoch, daß durch die in der 
heutigen Technik im Gebrauch befindlichen Maschinen zur Her¬ 
stellung solcher Tabletten die allergrößte Genauigkeit in bezug 
auf die Dosierung ermöglicht ist. Eine derartige Exaktheit der 
Dosierung, wie sie die Maschinen gewährleisten, ist selbst der 
Geübteste nicht in der Lage mit der Wage zu erreichen. Es 
hat sich nun speziell die chemische Industrie-Aktien- 
gesellschaft St. Margrethen (Schweiz St. Gallen) mit der 
Herstellung von Tablettae compressae veterinariae befaßt. 
Die Tabletten zeichnen sich aus durch ihr geringes Volumen 
und ermöglichen dadurch ein leichteres Eingeben. Es ist auch 
speziell dem radfahrenden Praktiker die Möglichkeit gegeben, 
dieselben auf seine Landpraxis mitzunehmen; denn es handelt 
sich keinesfalls bei den Tabletten nur um Arzneimittel zur In¬ 
jektion, sondern es sind auch Kolikpulver etc. in Tablettenform 
gebracht. Es ist nicht möglich, hier alle Tabletten anzuführen, 
es seien nur einige benannt, z. B. Aloe mit Natriumsulphat, 
Antifebrin mit Sacharum, Arsenik, Calomel. Für die Ver¬ 
wendung der Tabletten zur Herstellung subkutaner oder intra¬ 
venöser Injektionen hat die Fabrik ein Besteck zusammen¬ 
gestellt, welches ebenfalls für den nicht mit Fuhrwerk ver¬ 
sehenen Praktiker wegen der Leichtigkeit (Aluminium) und des 
geringen Raumbedürfuißes sehr empfehlenswert erscheint. In 
dem Besteck sind vorhanden: Eine Hauptnersche Injektions¬ 
spritze mit zwei Kanülen und ein Troicar, letztere in ver¬ 
schlossenen Glashülsen. Ferner kleine verschlossene Glasfläschchen 
enthaltend Pastillen bestehend aus Pilocarpin, Arecolin, Chlor¬ 
barium, Ergotin, Eserin, Morphium. Ferner ein Meßgefäß und 
ein Glas mit Sublimatpastillen. Die Arecolinpastillen enthalten 
z. B. je 0,01 Arecolin; es kann deshalb der Tierarzt sich sofort 
jede beliebige Konzentration dadurch herstellen, daß er die von 
ihm gewünschte Anzahl von Tabletten auflöst, ebenso mit den 
anderen Arzneimitteln. Das Besteck ist elegant und den 
modernen Anforderungen des praktischen Tierarztes entsprechend. 


Tagesgeschichte. 



Wilhelm Dieckerhoff. 

Am Morgen des 14. Dezember ist Wilhelm Dieckerhoff 
gestorben. Er war ein Sohn der roten Erde und am 18. Oktober 
1835 in Lichtendorf, Kreis Hörde, auf einem großen Bauernhöfe, 
der sich seit alters vom Vater auf den Sohn vererbt hatte, 
geboren. Unter den zahlreichen Geschwistern waren der Brüder 
mehrere, von denen der älteste, der Tradition getreu, das väter¬ 
liche Gut übernahm, während die übrigen alle in andere ge¬ 
achtete, zum Teil in gelehrte Stellungen gelangten. Wilhelm 
Dieckerhoff besuchte das Pädagogium zu Schwerte und be¬ 
zog 1853 die Tierarzneischule zu Berlin, wo er 1857 die Appro¬ 
bation mit dem damaligen Prädikat „vorzüglich gut“ erwarb. 
Schon in jener Zeit hatte er die Aufmerksamkeit seiner Lehrer, 
besonders des damaligen Lehrers Gerlach, auf sich gezogen. 

Er genügte sodann seiner Militärpflicht, in deren Ausübung 
er übrigens 1866 auch den Feldzug im Stabe des Generals 
v. Manteuffel mitgemacht hat, und ließ sich 1858 als Tier¬ 
arzt in Bochum nieder, wo er 12 Jahre verblieb. Obwohl er 
schon 1859 das kreistierärztliche Examen mit „sehr gut“ be¬ 
standen batte, hat er sich doch nie um eine Kreistierarztstelle 
beworben, sondern ist „einfacher Praktiker“ geblieben. 

Als im Jahre 1870 bei Gurlts und des Verwaltungsdirektors 
Esse Verabschiedung Gerlach von Hannover nach Berlin 
als Direktor zurückkehrte, brachte er sich den Tierarzt 
Dieckerhoff als klinischen Lehrer mit. Gerlach leitete die 
Pferdeklinik selbst und Dieckerhoff sollte ihn dabei unter¬ 
stützen. 


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804 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 52 


Schon der erste Tierarzneischaldirektor Bourgelat hätte 
nach dem Bericht seiner Zeitgenossen die übrigen Lehrer als 
seine Assistenten betrachtet nnd Gerlach folgte nur einer 
Tradition, wenn er dasselbe tat. So konnte das Zusammen¬ 
wirken von Gerlach nnd Dieckerhoff nicht lange ungetrübt 
bleiben nnd es kam bald genug zum völligen Bruch. Gewiß 
wird es Dieckerhoff schwer gefallen sein, sich von demjenigen 
zu trennen, dem er seine Berufung verdankte, indessen er wird 
damals erkannt haben, daß es Gründe gibt, welche auch die 
festeste Anhänglichkeit zerreißen, und daß ihm keine Wahl 
blieb, wollte er nicht seine Grundsätze verleugnen und die eigene 
Persönlichkeit ganz aufgeben. 

So schied er aus der Pferdeklinik 1873 ans und erhielt, 
nicht ohne heftigen Widerstand, zu dessen Beseitigung es der 
persönlichen Einwirkung des Ministers v. Friedenthal be¬ 
durfte, die ambulatorische Klinik. Als Gerlach 1877 gestorben 
war, übernahm Dieckerhoff die Leitung der gesamten Pferde¬ 
klinik und erhielt zugleich (1878) den Professorentitel. Als 
1885 diese Klinik wegen ihres großen Materials mit Recht in 
eine medizinische und chirurgische Abteilung zerlegt wurde, 
behielt Dieckerhoff die erstere und hat sie bis zu seinem Tode 
geleitet. Zugleich übernahm er (1886, nach Roloffs Tode) die 
gerichtliche Tiermedizin. Außerdem war er erst Hilfsarbeiter, 
dann Mitglied der technischen Deputation für das Veterinär¬ 
wesen, sowie im Nebenamt von 1878 bis 1898 Departementstier¬ 
arzt für den Regierungsbezirk Potsdam. 

Im Jahre 1888 wurde er von der medizinischen Fakultät 
der Universität Greifswald honoris causa zum Doktor promo¬ 
viert, eine Auszeichnung, welche ihn ganz besonders erfreut 
hat. 1897 erhielt er den Charakter als Geheimer Regierungs¬ 
rat. Zweimal ernannte ihn der Minister zum Rektor, für die 
Amtsperioden von 1892 bis 1894 und 1898 bis 1900. 

Dieckerhoff als Charakter zu schildern, muß ich mir 
versagen. Nur soweit seine Tätigkeit der Öffentlichkeit gehört 
hat, ist es meine Aufgabe, sie zu würdigen. Das Verständnis 
für seine Tätigkeit würde sich aber nicht voll erschließen, wenn 
nicht hervorgehoben würde, daß Dieckerhoff niemals bloß 
Fachmann gewesen ist, daß er mit ebensoviel Verständnis 
Lebens-Erfabrnngen, wie medizinische sammelte, daß er sich eine 
vielseitige Bildung erworben hatte, den Wert historischer Wissen¬ 
schaft besonders schätzte und mit einem allzeit regen politischen 
Interesse eine genaue Kenntnis der Vorgänge in der Entwick¬ 
lung unseres öffentlichen Lebens verband. Ein außerordent¬ 
liches Gedächtnis kam ihm allenthalben zu Hilfe. Der Höhe¬ 
punkt seines (beruflichen) Lebens war die Zeit, als gegen eine 
Legion von Widersachern die Umwandlung der Berliner Tier¬ 
arzneischule in eine Hochschule errungen worden war. Wer 
sich die Erinnerung an ihn aus jener Zeit rein erhält, der wird 
an ihn denken, als an einen höchst interessanten Menschen, der 
nirgends übersehen werden konnte. Schon das mächtige 
Haupt, das Virchow wenigstens in effigie seiner Macrocephalen- 
Sammlung einverleibte, mußte imponieren, obwohl die Stirn 
nicht schön war und im Blick wenig Wirkung lag. In kleinem 
Kreise war DieckerhofFs Gespräch fesselnd und oft lehrreich 
zugleich. Er war ein Redner, dem Gedanken und Worte un¬ 
bedingt zur Verfügung standen, und die Sicherheit seiner Rede 
ersetzte, was diese am Vortrag verlor, dem es an Klang und 
Leben gebrach. 


Seine öffentliche Tätigkeit war eine mannigfaltige. Was 
er als Mitglied seines Standes, im Kollegium der Hochschule, 
in der technischen Deputation für das Veterinärwesen, als 
Lehrer, als Kliniker, als Praktiker und Pferdekenner, als 
Förderer der Wissenschaft getan, läßt sich nicht ohne weiteres 
zusammenfassen; es ist auch nicht gleichmäßig zu beurteilen. 

Als Mitglied seines Standes muß ihm zum höchsten Ruhme 
nachgesagt werden, daß er sich stets als Tierarzt gefühlt und 
als solcher gehandelt hat. Sein Herz gehörte „denen draußen“ 
und die haben es ihm viel gedankt. Es gab eine Zeit, wo 
Dieckerhoffs Name vielleicht der populärste war unter den 
Tieräzten. Mochte er als persönlicher Gegner so und so 
bandeln, sobald ein tierärztliches Allgemeininteresse in Frage 
kam, strebte er ehrlich nach Objektivität. Ich bin überzeugt, 
er hat den Tierärzten im Lande niemals wissentlich geschadet; 
Kenner der Verhältnisse wissen, daß das mehr bedeutet, als es 
oberflächlich den Anschein erwecken mag. Zeitlebens hat er 
mit Recht die Ausübung der Heilkunst am höchsten gestellt; 
er ging darin sogar zu weit und hat dadurch einen Teil der 
Tierärzte fast verletzt. 

Im Beginn der tierärztlichen Neuzeit an einen Platz gestellt, 
der ihm gestattete, einen immer wachsenden Einfluß auszu¬ 
üben, ist er mit ganzer Seele in den Kampf um die tier¬ 
ärztliche Entwicklung eingetreten und ist lange Zeit in dem¬ 
selben ein Führer gewesen. Er war kein Rufer im Streit, aber 
er verstand, geschickt vorzubereiten und die vorhandenen Kräfte 
richtig vorzuschicken. Die sich damals erst entwickelnde tier¬ 
ärztliche Standesvertretung hatte an ihm einen besonnenen und 
erfolgreichen Förderer. Er war lange Zeit der tatsächliche 
Führer, obwohl nicht Vorsitzender, des tierärztlichen Vereins 
für die Provinz Brandenburg und Mitglied des Ausschusses des 
deutschen Veterinärrates, in welchem er sich besonders bei der 
Versammlung in Leipzig hervortat. 

Im Mittelpunkt aber des Kampfes Btand er, als es sich um 
die Hochschulreform und die Beseitigung des Direktorates 
handelte. Wenn er ein erbitterter Gegner desselben war, so 
verfügte er auch in diesem Punkte über reiche persönliche Er¬ 
fahrungen, die ihn unerschütterlich machten. Hier war er tat¬ 
sächlich „ein Turm in der Schlacht“, wie man am sichersten daraus 
erkennen konnte, daß die Angriffe sich hauptsächlich auf ihn 
konzentrierten. Es half ihm gar nichts, daß er selbst sich einer 
gewissen Reserve befleißigte; es wurde doch alles, selbst was er 
nicht veranlaßt hatte, auf seine Initiative zurückgeführt, auch 
der Artikel von Schmidt-Mülheim, der sozusagen den Sturm 
entfesselte. Diese Vorgänge vermehrten nicht nur seine Gegner, 
sie waren auch von erheblichem Einfluß auf sein Verhältnis zu 
Höherstehenden, selbst zu einem Mann wie Marcard. Nur der 
Minister (Lucias) bewahrte ihm seine Gunst und sagte ihm 
eines Tages: „Was wollen Sie denn, ich werde Sie zum Direktor 
machen“. Da besaß Dieckerhoff den Mut und die Selbstver¬ 
leugnung, zu erwidern, er würde dies seiner ganzen Vergangenheit 
nach nicht übernehmen können. Ob der Minister ihn nur er¬ 
kennen wollte oder ob er jene Absicht ernsthaft gehabt hat, kann 
dahingestellt bleiben. Der Wille zum Opfer, der in jener Ant¬ 
wort Dieckerhoffs liegt, verliert dadurch nichts an Größe. 

Und dennoch hat er dann das Opfer, das er gewollt, das 
Werk, für das er gelitten, nicht zu vollbringen vermocht, als 
es an ihm war. Von dem Augenblicke an, da er als Rektor 
an die Spitze der Tierärztlichen Hochschule berufen war, tat 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


805 


•24. Dezember 1903. 

sieb eine tiefe Klnft auf in seinem Innern zwischen der Ver¬ 
gangenheit nnd der Gegenwart Es war eine herbe Enttäuschung 
für alle diejenigen, welche nunmehr eine Durchführung der ge¬ 
währten Rektoratsverfassung nach dem Geist erwartet hatten. 
Ein innerer, bald auch ein äußerer Bruch mit allen bisherigen 
Beziehungen folgte; ob das alsbald erfolgende Ausscheiden aus dem 
Veterinärrat und dem tierärztlichen Verein damit zusammen¬ 
hing oder zufällig zeitlich damit zusammenfiel, muß dahin ge¬ 
stellt bleiben. Dieckerhoff vertrat den Grundsatz, der Rektor 
ist der Rechtsnachfolger des Direktors, ein Satz, dessen Be¬ 
tätigung die Rektoratseinführung jeder ernsthaften Bedeutung 
entkleiden würde. Allen Bitten, die Anbahnung gewisser Ver¬ 
besserungen wenigstens nicht zu hindern, trat starre Ablehnung 
entgegen. Daß die Verhältnisse an der Hochschule in Berlin 
sich nicht normal gestaltet hatten, ist allgemein bekannt und 
nicht zu verschweigen. Dafür zeugte am klarsten das 
Triumphieren des Conservator directorii. Dafür zeugt das höhnende 
Wort, welches irgendwo erfanden und eifrig kolportiert wurde: 
„Hannover hat einen tierärztlichen Direktor, Berlin hat einen 
Bureaudirektor“; es spricht Bände. Der Anteil, welcher bei dieser 
übrigens der Vergangenheit angehörigen Schmälerung des Prestiges 
der Berliner Hochschule auf Dieckerhoff entfällt, wiegt um 
so schwerer, je mehr man von ihm gerade in dieser Beziehung 
zu erwarten berechtigt gewesen war. 

Allein man muß sich gegenwärtig halten, daß jeder Mensch 
gerecht nur aus seiner Zeit heraus beurteilt werden kann, und 
zwar aus seiner Werdezeit, in der er die tiefsten Eindrücke 
empfangen hat. Dieckerhoff konnte die Fehler des Direktorats- 
Systems erkennen, aber die alten Gewohnheiten desselben waren 
ihm dennoch unbewußt selber eingeprägt worden. Mochten auch 
persönliche Eigenschaften mitsprechen, in der Hauptsache 
war es die Anschauung seiner Generation, die ihn hinderte, die 
Konsequenzen seines eigenen Ideals zu ziehen, einer Generation, 
aus der bisher allein der verstorbene Siedamgrotzky das Opfer des 
freiwilligen Verzichts auf „die Macht“ zu bringen vermocht hat. 
Es war schließlich auch hier weiter nichts, als der überall 
wiederkehrende Gegensatz zwischen alt und jung, der ja das 
Gute haben mag, daß „überhasteter“ Entwicklung allerdings 
gründlich vorgebeugt ist, in dem sich freilich aber auch viel 
frische Kraft nutzlos verblutet. 

Und wenn man einerseits auch Dieckerhoff von persön¬ 
licher Verantwortung nicht freisprechen kann, so ergibt sich 
doch andererseits, wenn man die Summe seiner Taten sieht, auch 
hinsichtlich der Entwicklung der Berliner Hochschule ein rühm¬ 
liches Guthaben. Denn niemals darf man vergessen, daß 
Dieckerhoff um die Anfänge dieser Eutwicklung die größten 
Verdienste hat. Und wenn dieser Anfang nichts weiter als ein 
bloßer Name gewesen sein sollte, es lag in dem Namen „Hoch¬ 
schule“ doch die Wurzel für den Baum, der nun seine Krone 
zu entfalten beginnt. 

Eine zweite bedeutsame Seite der Tätigkeit Dieckerhoffs 
war seine Teilnahme an der Veterinär-Gesetzgebung, an welcher 
er als Mitglied der technischen Deputation für das Veterinär¬ 
wesen seit deren Gründung hervorragend mitgewirkt hat. Hier 
schufen ihm nicht allein seine Fähigkeiten, sein praktischer, auf 
das Erreichbare gerichteter Sinn, sein logisches Denken, sein 
oft glänzendes und, ich möchte sagen, immer solides, nicht aufs 
Blenden berechnetes Argumentieren, sondern vor allem auch seine 
reichen in der Praxis und in steter auf Zuneigung beruhender 


FüMüng mit der Landwirtschaft gewonnenen Erfahrungen eine 
führende Stellung, die er bis zuletzt behauptet hat. 

Dasselbe muß von seiner Tätigkeit als Professor gesagt 
werden. Nicht die Schulung der Studenten allerdings war die 
stärkste Seite dieser Tätigkeit. Der akademische Lehrer wirkt 
erfahrungsgemäß am meisten durch klare Knappheit oder durch 
Frische oder Schönheit seines Vortrages. Von diesen Vorzügen 
gab Dieckerhoff seinem Vortrag eigentlich keinen. Er wurde 
nicht lebhaft, er sprach leise, verschmähte es, Pointen zu unter¬ 
streichen, und gab überhaupt wohl etwas schwere Kost. Er 
setzte bei den Studenten etwas zu viel voraus und war dann 
unangenehm überrascht, wenn jene Voraussetzung sich als nicht 
vorhanden erwies. Dies zeigte sich auch am Patienten, wo er das 
unentbehrliche Eindrillen gewisser Grundlagen vielleicht weniger, 
als nötig, pflegte. Er war eben selbst ein glänzender Diagnostiker 
und erinnerte sich gar nicht mehr dessen, was einem Anfänger 
alles fehlen kann. In dieser Beziehung ist derjenige, der recht 
jung in die Lehrtätigkeit eingetreten ist, der erfolgreichste, 
weil er seine eignen Anfänge noch vor Augen hat und danach 
von vornherein seine Methode einrichtet, der er dann treu bleibt. 
Auch verstand Dieckerhoff nicht, die Nachlässigen und Minder¬ 
fähigen sozusagen zu gewinnen; er verscheuchte solche vielmehr 
oft durch einen wenn auch durchaus gutmütigen Spott. 

Man hatte bei Dieckerhoff das Gefühl, als ob den größten 
Nutzen von seinem Unterricht reife Männer haben müßten. Doch 
zog selbstverständlich auch der begabtere Teil der Studenten 
daraus einen vollen Gewinn. 

Neben seinen persönlichen Fähigkeiten als Kliniker ver¬ 
fügte er über eine ausgezeichnete Pferdekenntnis, die ja eigentlich 
ein mit der Heilkunst nicht direkt zusammenhängendes Gebiet 
darstellt. Auf diesem Gebiete werden nicht viele so zu Hause 
sein wie er, und hier versuchten auch solche, selbst hohe, 
Herren nicht, ihm zu imponieren, die sonst dieses Feld als 
ihre Domaine betrachten. Schade, daß diese Gabe für den 
Unterricht wenig ausgenutzt werden konnte. Auch ein richtiger 
Reiter war er gewesen und, es kam ihm noch als Sechzig¬ 
jährigem gelegentlich nicht darauf an, wie er war selbst in den 
Sattel zu steigen, um zu sehen, was in dem Gaul steckte. 

.Einen Fehler, der freilich weit verbreitet ist, haben seine 
Zeitgenossen an ihm bemerken müssen; es fiel ihm sehr schwer, 
einen Irrtum einzusehen und einzugestehen, sowohl als Diagnostiker 
wie in seinen wissenschaftlichen Thesen. Er ist bei manchen 
seiner therapeutischen Einführungen natürlich auch in seinen 
Erwartungen und Aussprüchen zu weit gegangen. Aber vieles 
und wichtiges hat sich doch dauernd bewährt. Ihm ist namentlich 
die Reform der Kolikbehandlung und die erste Ausbildung der 
subkutanen, intratrachealen und intravenösen Applikations- 
methoden zu danken. Seine ersten Publikationen waren gehalt¬ 
reiche Aufsätze, welche in Adams Wochenschrift veröffentlicht 
wurden. Er hat darin chirurgisch namentlich auf die Bedeutung 
der Fascien und Sehnenscheiden usw. aufmerksam gemacht; auf 
medizinischem Gebiet muß die Zerlegung der „Influenza“ in die 
klinisch verschiedenen drei Krankheiten: Brustseuche, Leuma 
und Skalma wohl ihm allein oder doch in erster Linie zuge- 
schrieben werden. Eine Fülle sonstiger Anregungen und Fest¬ 
stellungen sind aus Dieckerhoffs Feder hervorgegangen. 

Den Spat der Pferde behandelte seine erste größere Mono¬ 
graphie, deren Theorie allerdings sich nicht gehalten hat, 
während die zweite über die Leuma um so allgemeinere An- 


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806 


erkennung gefunden hat. Eine gelehrte Studie ersten Ranges 
ist die Geschichte der Rinderpest, welche er der tierärztlichen 
Hochschule bei deren Zentenarfeier 1890 widmete. Von seinem 
großen Handbuch der speziellen Pathologie und Therapie ist 
ein Band unvollendet geblieben. Der unzweifelhaft wertvollste 
Teil ist der erste Band (Pferde), welcher das ganze Wesen 
Dieckerhoffs widerspiegelt: Ein fast unerschöpflicher Stoff, 
eine Fundgrube der Kasuistik, ein trefflicher Ratgeber für den, 
einen speziellen Aufschluß suchenden Tierarzt, aber als Lehr¬ 
buch für Studenten deshalb zu schwer, auch zu wenig pointiert 
und gegliedert. Sein schönstes Werk, an welchem er wohl auch 
selbst die meiste Freude hatte, war seine „Gerichtliche Tier¬ 
arzneikunde“. Auf diesem Gebiet war Dieckerhoflf unbestritten 
erste Autorität; ihm lag die juristische Seite dabei so gut wie 
die fachliche. Auch an der Ausarbeitung der Kaiserlichen Ver¬ 
ordnung betr. die Hauptmängel, hat er, namentlich hinsichtlich 
der Definitionen, ein sehr großes Verdienst. Mit jenem, seinem 
letzten Werke hat er seinen einstigen MeisterGerlach tibertroffen. 

In den letzten Jahren spürte man eine unverkennbare Ver¬ 
änderung und Abnahme der schaffenden Kräfte. Die Krankheit, 
der er erlegen ist, bereitete sich wohl schon vor. Manche, die 
es wohlmeinten, hätten vielleicht gewünscht, er wäre am Schluß 
seiner letzten Rektoratsperiode aus dem Amte geschieden, wozu 
ihn das Alter berechtigt hätte. Jetzt hätten ihn zunehmende 
Beschwerden dazu gezwungen. Der Tod ist an ihn heran¬ 
getreten als ein Wohltäter und hat ihm jenen Schmerz erspart 
Dieckerhoff ist, wie er es oft dem Fürsten Bismarck nachsprach 
und für sich wünschte, in den Sielen gestorben. — 

Alles in allem eine von Kleinheiten keineswegs freie, aber 
durch und durch bedeutende Persönlichkeit, mit Gerlach und 
Schütz zusammen Träger des Ansehens der alten Tierarznei¬ 
schule zu Berlin in ihrer dritten Epoche, deijenigen des Heran¬ 
wachsens zu einer Hochschule, lange Zeit hindurch eine Zierde 
derselben und für immer einer der Großen in ihrer Geschichte. 

Schmaltz. 

Dresden, tierärztliche Hochschale. 

An der Dresdener Tierärztlichen Hochschule können künftighin Privat¬ 
dozenten zugelassen werden. 

Die Habilitationsordnung bestimmt, daß dem Gesuche um 
die venia legendi beizufügen sind: Lebenslauf; ev. Führungs¬ 
zeugnis; Maturitätszeugnis eines Gymnasiums, Realgymnasiums 
oder einer neunklassigen Oberrealschule; tierärztlicher Appro¬ 
bationsschein oder das Zeugnis über ein sonstiges, mindestens 
dreijähriges akademisches Studium; Doktordiplom nebst Disser¬ 
tation; Nachweis, daß der Bewerber nach Beendigung eines 
dreijährigen akademischen Studiums mindestens zwei Jahre lang 
in dem betreffenden Fach wissenschaftlich oder praktisch sich 
weiter ausgebildet hat; ev. früher veröffentlichte wissenschaft¬ 
liche Arbeiten oder ein Verzeichnis derselben; Habilitations¬ 
schrift in Form einer wissenschaftlichen Abhandlung, welche 
noch nicht gedruckt oder anderweitig veröffentlicht worden ist. 

Das Gesuch legt der Rektor zunächst dem Senat vor und 
ernennt hierauf einen Referenten und Korreferenten. Die Unter¬ 
lagen zirkulieren dann bei den ordentlichen Professoren und 
Dozenten (engeres Dozentenkollegium). Hat das Gesuch die 
Billigung dieses Dozentenkollegiums und die Genehmigung des 
Ministeriums gefunden, so hat der Bewerber zunächst ein 
wissenschaftliches Kolloquium zu bestehen oder es kann ihm 
auch die öffentliche Verteidigung einer Anzahl von ihm auf¬ 


No. 52. 


gestellter Leitsätze (Disputation) durch das engere Dozenten- 
kolleginm aufgegeben werden. Hierauf folgt der öffentliche 
Probevortrag. Der Bewerber schlägt mehrere Vertragsgegen¬ 
stände aus dem Lehrgebiete vor, für welches er die Lehr¬ 
berechtigung zu erwerben wünscht. Der Referent bestimmt aus 
diesen den Gegenstand des Probevortrags. Der Probevortrag, 
zu welchem am schwarzen Brett der Hochschule öffentlich ein¬ 
geladen wird, hat dann nach 14 Tagen stattzufinden. 

Nach diesen Probeleistungen hat das engere Dozenten¬ 
kollegium, einschließlich des Referenten, über den Ausfall ab¬ 
zustimmen. Sind die Probeleistungen befriedigend ausgefallen, 
so muß der Bewerber die Habilitationsschrift drucken lassen. 
100 Abzüge der Druckschrift sind dem Rektor einzureichen. 

Von den erwähnten Probeleistungen können solche Bewerber 
durch das Kgl. Ministerium des Innern teilweise oder gänzlich 
entbunden werden, welche bereits als Dozenten an einer 
Universität, Hochschule oder Akademie, deren Zulassungs¬ 
bedingungen den hier geltenden gleich zn erachten sind, mit 
Erfolg tätig waren, oder welche durch anerkannt fachliche 
Tüchtigkeit sich Ruf erworben haben. Die Zulassung bedingt 
noch kein Anrecht auf eine künftige Anstellung oder Beförderung. 
Der Bewerber erhält eine Bescheinigung über die ihm erteilte 
Lehrberechtigung. Der Privatdozent ist berechtigt, von seinen 
Hörern für die Teilnahme an seinen Vorlesungen, Übungen und 
Repetitorien Honorar zu fordern. 

Vermag ein Privatdozent eine ersprießliche Lehr- oder 
Forschertätigkeit nicht zu entfalten, so kann ihm die Erlaubnis, 
als Privatdozent zu wirken, auf Antrag bzw. nach Gehör des 
Senats durch das Ministerium entzogen werden. 

Anregung der Verleihung des Promotionsrechtes. 

In der 13. Sitzung der IL Kammer des Landtages im 
Kgr. Sachsen sprach am 2. Dezember 1903 der Abgeordnete 
Schubart (Ökonomierat) bei einer allgemeinen Übersicht über 
den Etat bei dem Kapitel „Tierärztliche Hochschule“ den 
Wunsch aus, daß der Hochschule das Promotionsrecht verliehen 
werde. Er äußerte sich wie folgt: „Meine Herren! Sie wissen, 
daß bei der Tierärztlichen Hochschule zur Aufnahme der 
Studierenden das Maturitätsexamen notwendig ist Aber diese 
Änderung, die allseitig mit großer Freude zu begrüßen ist, hat 
auch im Gefolge, daß man doch daraufzukommen möchte, bei 
der Tierärztlichen Hochschule den jungen Studierenden das 
Promovieren zu gestatten. Die jetzigen Studierenden bleiben 
nicht hier, sondern gehen an die Universität Gießen, wo die 
Veterinärwissenschaft der medizinischen Fakultät angeschlossen 
ist, oder sie gehen nach Bern oder nach Zürich, wo die Veterinär- 
Wissenschaft eine eigene Fakultät bildet. Meine Herren! Ich 
meine, daß es ganz gerechtfertigt ist, wenn die Studierenden 
auch ihren Doktor ablegen wollen, und zwar um deswillen, weil 
sie draußen im Lande gewöhnlich „Herr Doktor“ genannt 
werden. Es wird für viele nicht angenehm sein, sich „Doktor“ 
nennen zu lassen, wenn sie es in Wirklichkeit nicht sind. Mau 
kann es bei der Vorbildung, die man für die Studierenden der 
Veterinärwissenschaft verlangt, den jungen Leuten nicht ver¬ 
denken, wenn sie auch eine' gewisse gesellschaftliche Stellung 
einnehmen wollen, die sie durch die Erlangung des Doktortitels 
erreichen. Außerdem würde das eine Stärkung des Besuches 
der Tierärztlichen Hochschule mit sich bringen und noch den 
Vorteil haben, daß wir für die Herren Dozenten Doktoranden 
hätten, die behilflich wären, bei den Arbeiten derselben für die 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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24. Dezember 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


807 


Wissenschaft Dienste za leisten. Ich könnte also nnr empfehlen, 
daß man seitens der Kgl. Staatsregierang dem vielleicht an Bie 
ergehenden Wunsche der Hochschule eine Berücksichtigung zu 
teil werden ließe.“ 

Da die sächsische Regierung bisher alle gewünschten 
Reformen der Tierärztlichen Hochschule zu Dresden * durch¬ 
geführt hat, so darf man auf die Stellungnahme zur tier¬ 
ärztlichen Promotionsfrage gespannt sein. Röder. 

Frequenzen der deutschen tierärztlichen Hochschulen. 

Die Deutsche tierärztl. Wochenschr. bringt folgende voll¬ 
ständige Frequenztabelle, in welcher jedoch die Zahlen der 
Studenten an der Berliner Tierärztlichen Hochschule unrichtig 
angegeben und daher hier korrigiert sind. 



Sommersemester 1903 
Gesamtzahl | I. Semester 

Wintersemester 1903 
Gesamtzahl 11. Semester 

Berlin.... 

492 

16 

534 

42 

Dresden . . 

178 

14 

156 

5 

Gießen . 

169 

6 

159 

2 

Hannover . . 

280 

8 

275 

19 

München . . 

349 

9 

305 

22 

Stuttgart . . 

114 

6 

122 

24 


1582 

59 

1551 

114 


In die Gesamtzahl der Studierenden der Tierärztlichen 
Hochschule zu Berlin sind die Studierenden der Militärveterinär¬ 
akademie (105 bzw. 138), welche an der Hochschule rite im¬ 
matrikuliert werden und hier ihren gesamten Unterricht erhalten, 
selbstverständlich mit einzubegreifen (desgl. die der militärischen 
Abteilung der Tierärztlichen Hochschule zu Dresden). Will 
man den Zuzug von Abiturienten zum ziviltierärztlichen Studium 
ermitteln, so müssen von der Gesamtzahl des ersten Semesters 
im Winter bei der Berliner Ziffer 34 Studierende der Militär¬ 
veterinärakademie in Abzug gebracht werden (im Sommer¬ 
semester werden solche nicht immatrikuliert), so daß die 
Gesamtzahl 80 beträgt, mithin bereits 21 mehr als im Sommer¬ 
semester, wo die Forderung des Abiturientenexamens zum ersten 
Mal erhoben wurde. Von diesem Zuzug entfallen jedoch über 
drei Viertel auf Stuttgart, München und Hannover, auf die 
übrigen drei Hochschulen nur ein Viertel, was mit den ver¬ 
schiedenen Terminen für das Abiturientenexamen, wenigstens 
bezüglich Berlins und Dresdens, Zusammenhängen dürfte. 

Tierärztliche Hochschule Berlin. 

Der Professor Dr. Fröhner ist zum Rektor der Tier¬ 
ärztlichen Hochschule für die Amtsperiode vom 1. Januar 1904 
bis zum 1. Januar 1907 von dem Herrn Minister für Land¬ 
wirtschaft ernannt worden. Die Ernennung ist zum ersten Male 
erfolgt auf Grund einer (einstimmigen) Präsentation seitens des 
Kollegiums der Hochschule. 


Statistik der Tierärztlichen Hochschale za Berlin in den letzten 20 Jahren 1883—1902. 1 ) 

Von Professor Schmaltz. 


Berichts¬ 

jahr 3 ) 

Zahl der im¬ 
matrikulierten 
Studenten 4 ) 

8. 8. w. s. 

Zahl der Studenten, welche die 
naturwissenschaftliche 
Prüfung erledigten und zwar 

b jbjorleaig, 6 c) a af: d) , /e) 

nt., « , “ cn 0 n»lt , 0/ 

gon- o ersten von mit i <° 

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| a) such ' gut B c ) 

Zahl d. Stud., 
welche die 
Fach- 
prüfung 

erledig- begon- 
ten nen s ) 

Zahl der 
Studenten in 
den anatom. 
Übungen 

vor [ nach >■) 
Weibn. |\Veihn. 

Tierfrequenzen der 
Kliniken 

Klinik für große Tiere*)! Klinik für 
innere! chlr- 1 ... kleine Tiere*) 

•) urg. | Po,ik l. ) Spital | Polikl. 

Ambula¬ 
torische 
Klinik'«) 

1 Ob- 

Zahl der duktio- 
Bcsuchc nen an 

| Rind. 

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1883 

191 

255 

_ 

_ 

_ 

_ 


_ _ 

48 — 

65 

136 

2542 

6 229 

1055 

6 017 

449 172 

147 

1884 

220 

307 

— 

— 

— 

— 

— — 

— — 

35 

80 

186 

2580 

4 740 

? 

? 

210 21 

156 

1885 

257 

330 

— 

— 

— 

— 

— — 

— — 

55 — 

130 

215 

2597 

? 

1106 

6 416 

360 34 

193 

1886 

308 

401 

— 

— 

— 

— 

— — 

_ _ 

47 

152 

200 

l.V's 

1189 

? 

1276 

7113 

359 35 

214 

1887 3 ) 

351 

433 

— 

— 

— 

— 

— — 

— ( — 

58 - 

150 

189 

1400 

1025 

5 029 

1251 

8199 

382 22 

251 

1888 

382 

442 


— 

— 

— 

— — 

— 

82 - 

164 

211 

1456 

973 

4 771 

1294 

8 486 

422 50 

221 

1889 

398 

475 

— 

— 

— 

— 

— 

— 1 - 

95 — 

187 

251 

1492 

931 

5 285 

1374 

9137 

529 33 

223 

1890 

392 

453 

— 

— 

— 

— 


— j — 

102 — 

177 

201 

1444 

933 

5 446 

1024 

10 724 

554 33 

238 

1891 

382 

444 

— 

— 

— 

— 


_ _ 

100 — 

152 

193 

1477 

652 

6 198 

1021 

7 069 

581 36 

209 

1892 

384 

447 

— 

— 

— 

— 

_ _ 

— — 

108 — 

143 

185 

1423 

749 

8 397 

1009 

5 663 

839 44 

189 

1893 

393 

421 

113 

101 

89 

68 

60 34 50 

117 138 

134 

166 

1545 

811 

9149 

1090 

7 978 

678 55 

215 

1894 

396 

415 

113 

103 

89 

74 

65 4 

23 36 

115 151 

132 

175 

1387 

980 

9 107 

1297 

7 241 

692 58 

218 

1895 

376 

415 

102 

90 

88 

57 

56 2 

16 35 

114 146 

148 

184 

1682 

1045 

9 563 

1052 

10 443 

719 65 

236 

1896 

387 

470 

105 

92 

, 87 

65 

62 3 

21 37 

97 115 

177 

238 

1632 

953 

9 491 

1002 

10 220 

507 36 

254 

1897 

460 

506 

117 

100 

86 

69 

59 5 

27 46 

84 140 

166 

300 

1618 

827 

11 556 

954 

11437 

585 39 

273 

1898 

486 

528 

153 

134 

87 

102 

66 13 

55 66 

97 156 

159 

305 

1890 

751 

11884 

928 

11654 

492 37 

237 

1899 

466 

517 

145 

131 

90 

87 

60 13 

47 09 

104 174 

160 

293 

1923 

805 

12 892 

878 

12 670 

486 48 

270 

1900 

491 

486 

139 

122 

87 

89 

64 14 

43 64 

115 198 

136 

294 

1826 

871 

11771 

664 

12 538 

544 38 

306 

1901 

467 

484 

124 

104 

8-1 

74 

60 10 

35 60 

98 170 

181 

332 

1731 

801 

10 708 

755 

10211 

466 49 

308 

1902 

453 

548 

156 

129 

88,5 

93 

59,5 13 

44 6i 

124 177 

139 

326 

1938 

898 

10 318 

992 

8 667 

523 40 

234 


l ) Die Jahresberichte der Berliner Hochschule sind in der 
,,B. T. W.“ stets alljährlich referiert worden. In den letzten Jahren 
ist dies wegen fortwährenden Raummangels unterblieben. Der zu¬ 
letzt im Jahrgang 1900 (pg. 212) veröffentlichte Bericht ist der für 
1. April 1898 bis März 1899. Die obige Zusammenstellung der 
wichtigsten Angaben aus den letzten 20 Jahren dürfte, in dem sie 
sogleich jene Lücke ausfüllt, nicht uninteressant sein. 

=0 Das Berichtsjahr erstreckt sich vom März des in der Reihe 
genannten Jahres bis zum März des nächstfolgenden. 


*) ln diesem Jahre wurde die Tierarzneischule zur Hochschule 
e rhoben. 

4 ) Die Studierenden, welche die vorgeschriebene Zahl von 
sieben Semestern absolviert, ihr Studium jedoch noch nicht vollendet 
haben, brauchen keine Immatrikel mehr und werden daher, obwohl 
sie rite Tiermedizin weiter studieren, als „Hospitanten“ geführt; 
diese sind in den obigen Ziffern nicht mit eingerechnet, dagegen 
sind selbstverständlich in obigen Zahlen mit enthalten die Studieren¬ 
den der jetzigen Militär-Veterinär-Akademie, welche von jeher rite 


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808 


Bei den anatomischen Übungen wurden verwendet jährlich 
61—69 Pferde, Beit 1900 je 3—4 Kühe, zirka 30 Hunde und etwa 
250 einzelne Körperteile. 

An den histologischen Übungen haben teilgenommen 131, 140, 
144, 151 Studenten. 

Bezüglich der früher in der B. T. W. noch nicht referierten 
Berichtsjahre 1899, 1900, 1901 und 1902 kann nachfolgendes nach¬ 
getragen werden: Von den wegen innerer Krankheiten behandelten 
Pferden (1460, 1531, 1423,1446) waren 725, 942, 947, 943 = 3557 oder 
über 60 Proz. Koliker, von denen Uber 15 Proz. (eine ziemlich hohe 
Ziffer) starben. Unter den mit einem Gewährsfehler behaftet ge¬ 
fundenen (275, 201, 222, 354) 1052 Pferden waren dummkollerig 583 
(also über die Hälfte), dämpfig 60 und Kehlkopfpfeifer 246. In der 
äußeren Klinik wurden Operationen ausgeführt 407, 416, 417, 452. 
Von den dazu abgeworfenen 238, 263, 245, 249 Pferden wurden 71, 
194, 224, 225 (also in den letzten Jahren fast alle) narkotisiert. 

Bemerkenswert ist bei der Übersicht über die Inanspruch¬ 
nahme der Kliniken in den zwei Jahrzehnten, daß die 
Zahl der in den Kliniken eingestellten Patienten nicht zugenommen 
hat, die Polikliniken für große sowohl als für kleine Tiere mit 
durchschnittlich weit über 10 000 Fällen jährlich doppelt soviel 
Material als früher zeigen, so daß vielleicht sogar eine gewisse 
Überlastung vorliegt. Der Gedanke ist nicht ganz abzuweisen, daß 
die Polikliniken innerhalb gewisser Grenzen zu einer Einnahme¬ 
quelle (zum Nutzen der Kliniken) gemacht werden könnten. Wenn 
dadurch ihre Frequentierung etwas gedrückt würde, dürfte das kein 
Nachteil sein. 

Betreffs des ersten Examens, welches häufig für das 
weitere Schicksal des Studenten entscheidend ist, ergibt eine 
10jährige Statistik, daß durchschnittlich 87 Prozent (82—90) das 
Examen in dem Jahre, in dem es begonnen wurde, vollenden. 
Freilich herrscht infolge der ungeeigneten (weil zu folgenschweren) 
Bestimmungen der Prüfungsordnung eine zu große Milde, so daß 
man als den normalen Ansprüchen wirklich vollkommen genügend 
nur diejenigen Kandidaten mit Sicherheit ansehen kann, welche die 
Prüfung glatt, d. h. ohne ein oder zwei Fächer wiederholen zu 
müssen, bestanden haben, und das sind nur 61—62 Prozent, von 
denen wieder über die Hälfte die Prüfung mit Auszeichnung be¬ 
standen. Unter 810 Kandidaten, welche die ganze Prüfung bestanden, 
haben 77 — 9 1 /* Prozent das Prädikat „sehr gut“ (d.h. in mindestens vier 
Prüfungsfächern „sehr gut“ und in den beiden übrigen „gut“) erhalten. 


immatrikuliert worden sind. In gelegentlichen Frequenzangaben 
an anderen Stellen sind jene sogenannten Hospitanten mit an¬ 
gerechnet, was zu Zahlendifferenzen führt (vgl. „B. T. W.“ 1895, 
pg. 620; 1896, pg. 601). 

5 ) Die Differenz der Zahlen derjenigen, welche die Prüfung be¬ 
gonnen, und derjenigen, welche die Prüfung erledigt haben, bedeutet 
nicht die Zahl der Mißerfolge, sondern umfaßt auch solche Studie¬ 
rende, welche im Berichtsjahr mit der Prüfung nicht mehr fertig 
wurden. 

6 ) In den ersten drei Berichtsjahren war die medizinische und 
die chirurgische Abteilung der Pferdeklinik vereinigt. Nach der 
1885 erfolgten Trennung wurde die chirurgische Klinik bis 1895 
von Möller, seitdem von Fröhner geleitet. Die medizinische Ab¬ 
teilung stand in der ganzen Periode unter Dieckerhoffs Leitung. 

7 ) In den Frequenzen sind die zur Untersuchung auf Gewährs¬ 
fehler eingestellten Pferde einbegriffen, deren Zahl durchschnitt¬ 
lich 1883/86 : 670, von da ab 434. 

8 ) Die Poliklinik wurde bis 1891 inkl. von dem klinischen 
Repetitor versehen, 1892 aber einem Ordinarius unterstellt und zwar 
zunächst Ostertag, 1896 Eberlein. 

9 ) Die Dirigenten der Klinik für kleine Haustiere waren bis 
1885 Möller, bis 1895 Fröhner, bis 1898 Eber, seitdem Regenbogen. 

,0 ) Die Besuche sind Wagenfahrten. Behandelt werden nament¬ 
lich Rinder, Pferde nur gelegentlich, zahlreiche Besuche betreffen 
die Feststellung von Seuchen in ganzen Beständen. Bemerkenswert 
ist, daß fast gar keine Geburtshilfe zu leisten ist (in den ersten 
acht Jahren der Berichtsperiode sind jährlich 5—6 Fälle angegeben). 
Die hohe Zahl der 1883 obduzierten Rinder ergab sich aus einem 
Lungenseucheherd. 

u ) Seit 1896 ist eine Neueinteilung derart eingetreten, daß die 
Studierenden des ersten und zweiten SemeBters sämtlich erst nach 
Weihnachten in die Präpariei Übungen eintreten, während die vor 
Weihnachten beschäftigten nach und nach (infolge Erledigung der 
notwendigen Präparate) ausschciden. •> 


No. 52. 


Approbiert haben die tierärztliche Hochschule zu 
Berlin in 20 Jahren 1795 Tierärzte (durchschnittlich 90, im 
Durchschnitt der letzten 15 Jahre jedoch über 100 jährlich). 

Die Frequenz hat vom ersten bis zum letzten Berichtsjahr 
zugenommen und im Wintersemester 1902/03 mit 548 den überhaupt 
höchsten Stand erreicht, der (hoffentlich!) nie wiederkehren wird. 
Im laufenden Wintersemester zählt Berlin 534 Studenten. Das 
Wintersemester ist stets stärker, als das Sommersemester (aus¬ 
genommen 1900,01, wo sehr viel Kandidaten von Berlin an andere 
Hochschulen gingen). Das Sommersemester hat an Frequenz stetig 
bis auf 398 im Jahre 1889 zugenommen, schwankte dann bis 1896 
auf 376—396, hat seitdem 400 ständig überschritten, 1900 mit 491 
die höchste und 1902 mit 453 die geringste Zahl erreicht. Das 
Wintersemester überschritt 1886 die Zahl 400 und hat sich bis 
1896 zwischen 415 und 490 bewegt. Seit 1897 ist die Zahl 500 
überschritten und nur zweimal mit einem Manko von 15 nicht 
erreicht worden. 

Die tierärztlichen Approbationen in den Studienjahren 1900/01 und 1901/02. 

Im vorigen wie im abschließenden Jahrgange der B. T. W. 
hat der Raum gefehlt, eine Liste der Namen der in diesen Jahren 
approbierten Tierärzte mit statistischen Berechnungen zu bringen, 
wie dies sonst (zum letzten Male für 1899/1900 im Jahrgang 
1901, Nr. 39) geschehen ist. Für die Namenlisten bietet auch 
diese letzte Nummer keinen Raum, dagegen sollen einige 
statistische Ergebnisse hier nachgeholt werden, wobei die Zahlen 
für beide Jahre in deren Reihenfolge hintereinander angeführt 
Werden. 

Die Zahl der Approbationen betrug in ganz Deutschland 
269 und 270. Das sind Ziffern, welche vordem noch nicht an¬ 
nähernd erreicht worden sind, denn die Zahl 200 war bisher 
nur fünfmal überschritten, und die bisherigen Höchstzahlen be¬ 
trugen 227 (1894/95) und 228 (1899/1900). Die Gesamtzahl 
der Approbationen in 15 Prtifungsjahren beträgt 3100, was fast 
eine Verdoppelung der Tierärzte in Deutschland bedeuten dürfte. 

An den beiden preußischen Hochschulen haben sich die 
Approbation erworben 168 und 157 Tierärzte, das sind 62 rund 
58 Proz. (1899/1900: 58 Proz.). 

Davon entfallen auf Berlin (laut Jahresbericht dieser Hoch¬ 
schule) 104 und 98. Es sind dies 43 bzw. 36 Proz. der Gesamt¬ 
zahl, und es ergibt sich daraus wieder eine seit 1897 anhaltende 
und stetig zunehmende relative Verringerung der Approbationen 
in Berlin, wo vordem stets über 50 Proz. aller deutschen Tier¬ 
ärzte approbiert, wurden. Von den in Preußen Approbierten fallen 
auf Berlin 68 bzw. 62 Proz., in den drei Vorjahren 72—77 Proz. 
In Hannover wurden demnach 29 und 34 Tierärzte approbiert. 

Von den übrigen Hochschulen wurden approbiert in Dresden: 
35 und 28, in München 34 und 39, Gießen 22 und 28, Stutt¬ 
gart 10 und 18. Demnach hatte im Jahre 1900/01 Dresden 
den zweiten Platz nächst Berlin (wie in beiden Vorjahren), 
dann folgten München, Hannover, Gießen und Stuttgart (wie 
auch im Vorjahre). Im Jahre 1901/02 hatte jedoch München 
den zweiten Platz, Hannover den dritten gewonnen, und Gießen 
war mit Dresden in eine Stelle gerückt. 

Deutscher Veterinärrat. 

Herr Professor v. Zip perlen zu Stuttgart, der auf der 
Plenarversammlung des Deutschen Veterinärrates zu München 
wieder in den Ausschuß desselben gewählt worden war, hat bei 
der letzten Versammlung des tierärztlichen Landesvereins von 
Württemberg sein Delegiertenmandat zum Veterinärrat mit 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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24. Dezember 1903. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


809 


Rücksicht auf seine Jahre niedergelegt und ist damit auch ans 
dem Ausschuß ausgeschieden. 

Der Ausschuß des Veterinärrates hat bei diesem Anlaß 
nachstehendes Schreiben an den scheidenden Kollegen gerichtet. 

Hochgeehrter Herr von Zipperlen. 

Lieber Herr Kollege! 

Sie haben dem mitunterzeichneten Präsidenten des Deutschen 
Veterinärrates angezeigt, daß Sie das Ihnen vom württem- 
bergischen tierärztlichen Landesverein übertragene Mandat eines 
Delegierten zum Veterinärrat niegergelegt haben und damit 
auch aus dem Ausschuß des Deutschen Veterinärrates ausscheiden. 

Dieser Entschluß erfüllt uns alle mit aufrichtigem Bedauern. 
Wir müssen aber anerkennen, daß Sie nach fast dreißigjähriger 
Mitwirkung an der öffentlichen Vertretung des tierärztlichen 
Standes ein wohlerworbenes Recht haben, sich zurückzuziehen. 

Seit der Gründung des Deutschen Veterinärrates im 
Jahre 1874 mit dem Delegiertenmandat zu dieser Körperschaft 
ausgestattet, haben Sie dem Ausschuß ununterbrochen seit 1876, 
mehr als 25 Jahre, angehört — weit länger als einer von uns. 
In dieser langen Zeit haben Sie wesentlich zu der gedeihlichen 
Entwicklung dieser Vertretung der deutschen Tierärzte bei¬ 
getragen, sowohl durch Ihre sachliche Anteilnahme, als durch 
Ihre persönlichen Eigenschaften, durch welche Sie eine frucht¬ 
bringende Durchführung unserer Angelegenheiten stets er¬ 
leichtert und gefördert haben. Deshalb ist Ihnen auch das 
Vertrauen und die Hochachtung, welche Sie bei den zum 
Veterinärrat delegierten Kollegen genossen, unvermindert er¬ 
halten geblieben, wie Ihnen auch Ihre Wiederwahl in den 
Ausschuß seitens der Plenarversammlung zu München noch be¬ 
wiesen hat. 

Jenes glanzvolle Fest zu München stellte in der Entwicklung 
des Deutschen Veterinärrates einen Höhepunkt dar. Mit ihm 
schloß ein Vierteljahrhundert, so reich an Fortschritten und 
Erfolgen, wie vielleicht keines wieder sein wird. 

Wenn Sie nach jenem großen Tag nun aus unserer Mitte 
scheiden, können Sie das nur mit freudigem Bewußtsein und 
mit einer stolzen Erinnerung. Denn Sie haben den Deutschen 
Veterinärrat, der Ihnen seine Existenz, seine Entfaltung und 
Blüte mit verdankt, auf der Höhe gesehen und können mit Ge¬ 
nugtuung auf Ihren Anteil an seinen Erfolgen blicken. 

Wir aber bitten, Ihnen noch ausdrücklich sagen zu dürfen, 
wie wir Ihre allzeit bewährte Mitarbeit und Ihre Verdienste 
um das Gedeihen unserer Standesvertretnng und damit unserer 
Standesentwicklung anerkennen, schätzen und nicht vergessen 
werden. Wir danken Ihnen von Herzen für alles Gute, was 
Sie im Veterinärrat getan, und für die sich immer gleich 
bleibende Liebenswürdigkeit, welche Sie den übrigen Mitgliedern 
des Ausschosses stets bewiesen haben. Wir bitten Sie, auch 
uns eine freundliche Gesinnung bewahren zu wollen. 

Mit den herzlichsten Wünschen für Ihr Wohlergehen zeichnen 
wir als Ihre Sie aufrichtig verehrenden Kollegen. 

Unterschriften. 

fEsser, Sckmaltx, Möller, Heyne, Zündel.) 

Gleichzeitig hat der Ausschuß von seinem statutarischen 
Recht, sich bis zur nächsten Plenarversammlung durch Kooptation 
zu ergänzen, Gebrauch gemacht, hat den an Zipperlens Stelle 
vom württembergischen Verein zum Delegierten beim Veterinär¬ 
rat gewählten Oberregierungsrat Beißwaengerin den Ausschuß 
kooptiert und ihm die Stelle des Vizepräsidenten übertragen. 


Hat die Umwandlung der Titel der Militärveterinäre 
rückwirkende Kraft? 

(Vergleiche Nr. 51 der B. T. W. vom 17. 12. 03.) 

Bekanntlich gibt es außer den Militärtierärzten, welche 
vollständig aus dem Dienste geschieden sind, auch noch solche, 
welche zwar aus dem Dienste geschieden sind, 

„sich aber im Falle einer Mobilmachung zur Disposition 
gestellt haben.“ 

Für letztere Tierärzte ist nun obige Frage von ganz be¬ 
sonderer Wichtigkeit, weil sie sich entschlossen haben, bei ein¬ 
tretender Mobilmachung ihre Kraft dem Vaterlande zur Ver¬ 
fügung zu stellen, und sie dadurch in direkter Fühlung mit dem 
stehenden Heere bleiben. Diese Tierärzte dürfen während der 
Mobilmachungszeit Uniform tragen! Zu welcher Soldatenkategorie 
gehören nun aber eintretendenfalls selbige, da die Bezeichnung 
„Roßarzt“ in der preußischen Armee gefallen ist? Sollen sie 
etwa, wenn neue Rangverhältnisse und neue Uniformen für die 
jetzigen Veterinäre geschaffen sind, weiter als Roßarzt in dem 
alten Range mit der alten Uniform verbleiben? 

Folgende Tatsache dürfte Anlaß geben, rechtzeitig diese 
Angelegenheit zu erwägen: 

Als Oberroßarzt a. D. habe ich' mich nämlich bisher im 
Falle einer Mobilmachung zur Disposition gestellt. Auf die vom 
Königlichen Bezirkskommando am 13. 10. 03 erneute Anfrage, 
ob ich im Falle einer in der Zeit vom 1. April 1904 bis Ende 
März 1905 eintretenden Mobilmachung zur Übernahme roßärzt¬ 
licher Funktionen gewillt sei, erklärte ich mich wieder bereit, 
die Funktionen als „Veterinär“ bei.zu über¬ 

nehmen. Zugleich erlaubte ich mir die gehorsame Anfrage, ob 
ich, zumal ich mich zur Disposition gestellt, gemäß Verordnungs¬ 
blatt vom 2. 9. 03 den Titel „Stabsveterinär a. D.“ führen darf 
oder ob ich weiter Oberroßarzt bleibe. Am 16. 10. 03 erhielt 
ich die Mitteilung, daß ich den Titel „Stabsveterinär a. D.“ 
führen darf. Am 26. 10. 03 empfing ich abermals ein Schreiben 
von demselben Königlichen Bezirkskommando mit folgendem Inhalt: 

„Nach eingegangener höherer Entscheidung ist nicht 
beabsichtigt, den Bestimmungen der A. K. 0. vom 27. 8. 03 
rückwirkende Kraft zu geben. Es darf daher der neue 

- Titel „Staatsveterinär“ nicht von Ihnen geführt werden.“ 

Demnach hat also der Titel „Veterinär“ nicht rückwirkende 
Kraft, und führen die alten Militärtierärzte, auch wenn sie sich 
zur Disposition gestellt haben, nach wie vor den Titel „Roßarzt“. 

Die Zeitschrift für Veterinärkunde, welche in ihren Personal¬ 
notizen die vor dem Erlaß der A. K. 0. ausgeschiedenen Ober¬ 
roßärzte als Stabsveterinäre a. D. bezeichnet, dürfte nach obigem 
Bescheide den Oberroßärzten a. D. eine unrichtige Amts¬ 
bezeichnung gegeben haben. Fenn er. 

Znni Kapitel der Pfuscherei. 

Von Großherzogi. Bezirkstierarzt Römer-SinBheim. 

„Viribus unitis.“ 

In Ihrem geschätzten Blatte sind Sie schon des öfteren auf 
obiges Thema zurilckgekommen und bringen in Nr. 34 der B. T. W. 
dem „Tierarzt im Bause“ eine gerichtliche Todeserklärung. 

„Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“ 

So mancherlei schon wurde aus dev guten Schreibstube des 
gutmütigen Tierarztes, dessen Gebiet sich jeder Schmied und Schuster, 
Krämer und „Lauser“, „Böttger“ und sogar Betbruder, Jäger und 
Agrarier zu eigen zu machen bewogen fühlt, über dieses Thema 
hervorgeholt, und jeder Leser dieser Zeitschrift weiß jedem Kollegen 
Dank, der diese Dunkelmänner aus ihrem Hinterhalt ans Licht zieht, 


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810 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 52. 


um eie an den Pranger zu stellen. Welche Unmasse von Prospekten, 
Arzneiempfehlungen, tierärztlichen Hilfsbüchern für Laien etc. werden 
auf den Markt geschleudert, um, wie die Preisliste Böttgers von 
Straubing sagt, „das nutzbringende Geschäft zu erschließen. 
Die Handhabe dazu ist vielen der Herren noch nicht zu¬ 
gängig, denn es gehört hierzu immerhin et was Komplettes, 
um den Viehbesitzern einen vertrauensvollen Fingerzeig, 
wie er zur Gesunderhaltung und Ausbeute (sic!) seines 
Viehs beitragen kann, ohne Hinzunahme eines Tier¬ 
arztes etc.“ 

Dieser Plan des Herrn Böttger machte Schule, und nicht nur, 
daß solche Prospekte mit eisiger Gelassenheit an alle irgendwie 
nennenswerten Personen von Stand und Pflichtbewußtsein“ geschickt 
werden, nein, die Herren haben sogar die Unverschämtheit, diese 
Quacksalbereien dem Tierarzt selbst anzubieten. 

Oft aber bekommt man auch nur auf Umwegen oder durch 
Zufall Kenntnis von Anpreisungen und Empfehlungen solcher 
Wundermittel. ' 

Unter der Adresse: „An den Obmann der Zuchtgenossenschaft“ 
oder „An den landwirtsch. Verein“ etc. erhält der mitunter mit der 
Vorstandschaft in innigster Fühlung stehende Tierarzt eine Menge 
von Prospekten über „Vieharzneimittel“ ins Haus getragen. 

So wurde im Laufe dieses Sommers von Ferd. Liebmanns 
Nachf. (C. Metz) aus Oberweißbach in Thüringen ein Schreiben 
folgenden Inhalts versandt: 

„An den Herrn Obmann der Pferdezuchtgenossenschaft. 

Ihre w. Adresse einem Geschäftsfreunde dortiger Gegend ver¬ 
dankend, gestatte ich mir, Ihre Aufmerksamkeit auf meine so vielfach 
bewährten Spezialitäten für Pferde: Pferdepulver, Kolikessenz, 
Roßessenz, Restitutionsfluid, Rengschmiere oder Ein¬ 
reibung, Wurinpulver und Stalltropfen für Pferde zu lenken. 
Zur besseren Orientierung empfangen Sie beifolgend ein Exemplar 
meines Hausbuches, in welchem Sie die einzelnen Spezialitäten näher 
beschrieben finden. 

Wo mit meinen Spezialitäten Versuche gemacht worden sind, 
haben sich solche auch zufolge ihrer vorzüglichen Wirkung sofort eiu- 
gcfUbrt, weshalb es mir sehr angenehm sein soll, wenn Ihr werter 
Verein auch mal einen Versuch machen würde. 

Mit Proben und Preisofferten stehe ich gern zu Diensten. Sollten 
Sie auch von meinen andern Fabrikaten Offerte wünschen, bitte um 
gefl. Angabe der bezügl. Namen. 

In Erwartung etc.“ 

In diesem erwähnten „Hausbuch für Jedermann“ stehen nun 
die allertollsten Sachen; als Beispiele nur drei Nummern aus 
beiden „Fakultäten“: 

Seite 13 heißt es da: 

„Nr. 30. Markgrafcnpulver. 

Das Markgrafenpulver hat dieselben Eigenschaften wie die Kinder¬ 
tinktur; nur wird es oft von Kindern vorgezogen, weil dasselbe an¬ 
genehmer schmeckt. Es wird messerspitzenweise in Wasser genommen. 

Nr. 31. Mittel gegen Auflauf. 

Die akute Trommelsucht entsteht durch zu rasches Genießen nahr¬ 
haften Grünfutters oder solchen Futters, das betaut war, oder das sich 
erwärmt hatte. Die Anzeichen der Krankheit sind zu bekannt, als daß 
man sie hier noch erwähnen sollte. Man gieße in 3 / 4 Liter Wasser die 
Hälfte des Glases und schütte es dem Tier ein. Wenn nötig, wieder¬ 
holt man es mit der andren Hälfte. Es sollte dieses Mittel, welches 
sich lange in gut verschlossenen Gläsern aufbewahren läßt, in jeder 
Viehhaltung vorrätig gehalten werden, zumal es nie im Stich läßt. 

Nr. 32. Mutterwasser. 

Der Name dieses Arzneimittels zeigt schon an, bei welchen Krank¬ 
heiten es anzuwenden ist, nämlich in allen Arten von Mutterbeschwerden, 
besonders dem heftigen Erbrechen und Würgen. Ebenso werden 
Schneiden, das von Blähungen verursacht wird, sowie auch das Schneiden 
beim Flusse der Monatszeit durch dieses Mutterwasser am besten ge¬ 
mindert werden. Vorzügliche Dienste leistet dasselbe auch beim weißen 
Flusse der Frauen, besonders, wenn die Kur durch tägliche kalte 
Waschungen der Schoßgegend unterstützt wird. Die Dosis ist 50 bis 
60 Tropfen einigemal des Tages.“ 

Dr. Wilmar Schwabe, Leipzig, leistet siöh folgendes Rund¬ 
schreiben: 

Leipzig, im Oktober 1903. 

An die „Pferdezucht-Genossenschaft“, SinBheim, Baden. 

Die Unterzeichnete Homöopathische Zentralapotheke erlaubt sich 
hiermit, Sie auf die homöopathische Behandlung kranker Haustiere auf¬ 
merksam zu machen und sich zum Bezug ihrer homöopathischen Arzneien, 
Uaustierapotheken und geeigneten tierärztlichen Lehrbüchern zu 
empfehlen. 

Die Homöopathie hat sich in der Behandlung kranker Haustiere 
nicht nur sehr erfolgreich erwiesen, sondern sie bietet auch wesentliche 


Vorteile an Geldersparnis gegenüber allopathischer Behandlung. Ein 
Anhänger der Homöopathie schrieb darüber in der Deutschen Tages¬ 
zeitung: 

„Aus mehrjähriger Erfahrung kann ich nur dringend raten, sich 
der Homöopathie zu bedienen. Ich habe dadurch seit Jahren außer¬ 
ordentliche Kosten für den Tierarzt gespart,*) und was das 
wichtigste ist, viel Vieh, welches voraussichtlich die Ankunft des Tier¬ 
arztes gar nicht mehr erlebt hätte, mit meinen homöopathischen Mitteln, 
die ich in einer sogenannten 3 ,/ 4 Tierapotheke stets zur Hand habe, ge¬ 
rettet. Als Buch benütze ich Schwabes großen illustrierten Haustierarzt, 
Preis 6 Mark. Beides bezieht man von der Homöopathischen Zentral¬ 
apotheke Dr. Willmar Schwabe, Leipzig. Auch für Menschen halte ich 
besonders auf dem Lande die Homöopathie für sehr angebracht. Wie 
oft kommt es vor, daß der Arzt weit entfernt wohnt, und da ist es 
auch bei den schwersten Erkrankungen äußerst vorteilhaft, wenn inan 
den Kranken bis zur Ankunft des Arztes mit den geeigneten Mittelu 
helfen kann. Leichtere Erkrankungen meiner Leute heile ich mit 
homöopathischen Mitteln stets selbst in kurzer Zeit.“ 

Die illustrierte landwirtschaftliche Zeitung „Wald und Flur“ schrieb 
in einem Artikel über Heilung kranker Haustiere: 

„Durch Hilfe der Homöopathie ist jedermann in den Stand gesetzt, 
seine kranken Haustiere auf billige Weise zu kurieren. Man schaffe 
sich daher eine homöopathische Tierapotheke mit einem dazu passenden 
Lehrbuche an, man steht dann den vielen Krankheitsfällen der Haus¬ 
tiere selten ratlos gegenüber. Beim Pferde z. B. stellt sich häufig nach 
schwer verdaulichem Futter, namentlich wenn es keine Bewegung hat, 
die gefährliche Kolik ein. Einige Gaben Plumbum acet. beseitigen 
dieses Übel. Will ein Tier nicht fressen, so hilft meistens Nur vom. 
Bei fieberhaften Zuständen reicht man Acon. usw. Für Landwirte, 
welche einen größeren Viehstand besitzen, empfehlen wir den großen 
illustrierten Haustierarzt von Dr. Wilmar Schwabe. Preis gebunden 
6 Mark. Sämtliche Haustiere sind darin abgebildet und genau be¬ 
schrieben. Bei Beschreibung der Krankheiten sind gleich die betreffenden 
Mittel angegeben. Für solche, die nur einen kleinen Viehstand ihr eigen 
nennen, wie z. B. einige wertvolle Rassehühner, Rassehunde, Tauben usw. 
würde die kleine Anleitung von E. L. Böhm genügen. Dies kleine 
Büchlein kostet nur 50 Pfennig. Haustierapotheken kann man von 
14 Mark an haben. Größere sind natürlich teurer. Lehrbücher wie 
Apotheken sind in der homöopathischen Zentralapotheke von Dr. Willmar 
Schwabe in Leipzig zu haben. Diejenigen, welche in ihrer Familie 
schon eine homöopathische Apotheke benutzen, können damit auch ihre 
Haustiere kurieren. Man schaffe sich aber dazu noch einige Mittel zu 
äußerlichem Gebrauche an, da solche Mittel gewöhnlich nicht allzu zahl¬ 
reich vorhanden sind. Das Eingeben der Mittel macht keine Schwierig¬ 
keiten. Man nimmt ein Stück Brot oder einige gekochte Kartoffeln, 
benetzt diese mit der mit Wasser verdünnten Arznei und reicht es den 
Tieren. Übrigens ist dieses in den Lehrbüchern genau beschrieben. 
Die Wirkung der Mittel wird sich in den meisten Fällen bald zeigen, 
wo nicht, reicht man ein anderes Mittel. Sollte wider Erwarten 
keins der angewandten Mittel helfen, dann hole man einen 
Tierarzt.*) So viel aber steht fest, mit Hilfe der Homöopathie kann 
manches wertvolle Tier erhalten, manche Mark gespart werden.“ 

Auch die in mitfolgender kleinen Broschüre „Feldapotheke“ ent¬ 
haltenen Anerkennungsschreiben zeugen von der Vortrefflichkeit der 
homöopathischen Heilmethode bei kranken Haustieren. 

Behufs Bestellungen fügen wir eine kleine Preisliste bei und stellen 
auf Wunsch auch unsere große Preisliste mit Anhang eines kleinen 
homöopathischen Hausarztes gratis zur Verfügung. 

Hochachtungsvoll 
Homöopathische Zentralapotheke 
Dr. Willmar Schwabe, Leipzig. 

Dem ist beigefUgt: Kleine Preisliste über Apotheken etc. und 
eine Gebrauchsanweisung (Behandlung und Untersuchung kranker 
Tiere). Nur ein Beispiel aus letzterem, Seite 22: 

„Präservativ- und Heilmittel 

gegen Maul- und Klauenseuche . . Mk. — ,75 
gegen^Milzbrand (Rotlauf) .... Mk. —,75. 

Passende Lehrbücher zu den Haustierapotheken: 

Georges, Kleiner homöopath. Tierarzt, 

Schwabe, Großer illustr. Haustierarzt, 

Löbe, Unsere Haustiere, 

Schäfer, Homöopath. Tierheilkunst, 

Schröter, Der homöop. Federvieharzt, 

Meinert, Leitfaden zur Behandlung unserer kranken Haustiere.“ 

Eine sehr naive und nette Zumutung enthält folgender Brief: 

„Hochgeehrter Herr Vorsitzender! 

In der Anlage erlauben wir uns, Ihnen eine Broschüre zu über¬ 
senden, deren Inhalt gerade für Sie hohes Interesse haben wird. Wir 
beabsichtigen, dieselbe im Auszuge den Mitgliedern Ihrer Vereinigung 
gratis zugänglich zu machen und würden Sie uns zu Dank verpflichten, 
wenn Sie uns gütigst wissen lassen wollten, wieviel Mitglieder Ihr 


*) Vom Ref. gesperrt. 


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811 


24. Dezember 1903. BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


Verein besitzt, damit wir Ihnen die erforderliche Anzahl kostenlos und 
portofrei znsenden können. 

Sie werden hoffentlich Mittel und Wege haben, Ihren Herren 
Mitgliedern je ein Exemplar zustellen oder aushändigen zu lassen, wo¬ 
durch Sie Ihre Mitglieder als auch uns gewiß zu Danke verpflichten 
würden. 

Sollten Sie persönlich Verwendung für unseren „Franzes Kräuter- 
Salmiak“ haben, so wollen wir nicht unterlassen, Ihnen denselben auch 
an dieser Stelle auf das Angelegentlichste als unerreicht in seiner 
Wirkung dastehend zu empfehlen. 

Ihrem geneigten Bescheide nebst Angabe der erbetenen Mitglieder¬ 
zahl entgegensehend, zeichnen 

mit größter Hochachtung 

Wilhelm Scholz, 
Dresden-N., Ahornstr. 2.“ 

Die gen. Broschüre heißt „Schnelle Hilfe bei fast allen Erkran¬ 
kungen der Pferde, Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen, Hunde, 
Katzen usw. Mit „Franzes Kräuter-Salmiak“ ist jedem Pferde¬ 
besitzer ein Mittel an die Hand gegeben, welches ihn in die Lage 
versetzt, bei faßt*) allen vorkommenden Tierkrankbeiten sein eigener 
Tierarzt zu sein.“ 

Es folgen dann 11 Seiten „Auszüge aus den unzähligen Zeug¬ 
nissen“, worin ein Landwirt J. Ruth aus Leidenhofen i. Hessen 
z. B. nachstehendes Attest ausstellt. 

Sehr geehrter Herr! 

Das Mittel gegen Pferdelähme habe ich vor 2 Jahren mal bei 
einem Pferde angewandt, welches schon über */* Jahr lahm ging. Unser 
Kreistierarzt konnte das Leiden nicht ausfindig machen. Ein Freund 
von mir, der Ihr Mittel besaß, überließ mir etwas davon und ich rieb 
meinem Pferde das ganze Vorderbein ein und bandagierte es. Des 
anderen Tages sah ich, wo der Fehler saß; es litt an Schaale. Ich 
rieb diesen Tag noch einmal nach und ließ das Pferd 14 Tage im 
Stall. Anfangs ging dasselbe noch etwas blöde, aber nach Verlauf von 
nochmals 14 Tagen war dasselbe wieder so flott wie früher. 

Ich kenne also kein besseres Mittel gegen Lahmgehen der Pferde. 

Leidenhofen i. Hessen. Achtungsvoll 

J. Ruth, 
Landwirt. 

Das Empörende ist nur, daß diese Broschüre Anerkennungen, 
Zeugnisse und Bestellungen vom „prinzlichen Bereiter“ in Dresden 
bis hinauf zum Künigl. Oberroßarzt und Kais. König! Hofober¬ 
tierarzt .(Wien) enthält. Ich werde auf die Mitarbeit eigener 

Kollegen an der Unterminierung der tierärztlichen Praxis später 
zurückkommen. 

Angebote von Aachener Thermensalbe, Veterinär-Wundsalbe, 
Hufheilsalbe, Hundepillen, Spatliniment, Veterinär-Wundwasser, 
Hustenpulver, Choleragift, Rotlaufpulver, Eutersalbe, Rattengift 
und Insektentinktur, Hahns altbewährtem Desinfektionspulver usf. 
an den Obmann zum „gewinnbringenden“ Verschleiß innerhalb der 
Zuchtgenossenschaft oder einer andren landwirtschaftlichen Ver¬ 
einigung sind alltägliche Erscheinungen unter den Eingängen an 
Drucksachen. 

Sollen wir uns all’ diesen Schwindel ruhig bieten lassen? 

Sehr oft habe ich Gelegenheit genommen, hierüber mit Kollegen 
zu sprechen; einige sind empört, andre lächeln, wieder andre 
sagen: das macht doch nichts, die Leute sind nicht so dumm, ein 
richtiger Tierarzt hat immer zu tun, so etwas darf einen nicht 
alterieren usw. Ja, Prost die Mahlzeit! Den größten Unsinn lassen 
sich die „sparsamen Ökonomen“ gegen ihr gutes Geld verzapfen. 

Daß die Piilverchen und Traktätchen, Rotlauf- und Milzbrandöl, 
Welzenpulver und Kolikessenzen sich bei „hoch und nieder“ Ein¬ 
gang (ob mit oder ohne Anklang, ist für den pekuniären Erfolg 
einer Krämerseele Wurst) verschaffen und dann mit kolossalen 
Zeugnissen ausgestattet werden, wird schon jeder Kollege in seiner 
Praxis selbst erfahren haben. 

Am schönsten wird dies durch die Veröffentlichung des Herrn 
Grams-Schönsee in Nr. 37 der „Deutschen Landwirtschaft¬ 
lichen Tierzucht“ illustriert. Aus dem dort mitgeteilten Briefe 
Lausers wird jedermann klar, was dessen Bauernfreude mit 
der beigegebenen Broschüre „Goldene Winke“ zunächst und aller¬ 
meist bezwecken soll. 

Aus diesen und den andren erwähnten Rundschreiben erhellt 
aber, daß das große Geheimmittelunwesen nicht hauptsächlich oder 
allein Tätigkeit der Apotheken ist, sondern daß dasselbe einzig und 

*) Buchstäblich! 


allein von den Drogisten angebabnt wurde. In allen größeren 
Orten der Provinz sieht man da und dort ein Emailschild prangen 
mit der Inschrift: „Tierheilmittel“ oder „Wasmuths Drogerie“. 
Bei diesen sogenannten Schrankdrogisten nun sucht jeder Bauer 
für Mensch und Vieh zuerst und solange es angeht, sein Hei! 
Daß es ihm an ermunternden und anpreisenden Worten seitens des 
Verkäufers, „der immer schon einmal einen ähnlichen Fall mit 
Erfolg behandelte“, nicht fehlt, ist klar. 

Dieser Verkauf aller möglichen. Arzneimittel ist durch eine 
Schrift des Deutschen Drogistenverbandes, die an alle landwirt¬ 
schaftlichen Körperschaften versandt wurde, vorbereitet, eingeleitet 
und organisiert worden. In dieser, „Der Handel mit Tierheilmitteln“ 
betitelten Flugschrift heißt es, nachdem vorher den Herren 
Apothekern der Rost heruntergemacht, nachher denselben aber 
wieder schön geredet ist, in einer Eingabe an den Reichskanzler, 
Seite 9, fo'gendermaßen: 

„Es liegt uns nichts ferner, als die Ansicht, daß die Tierheilkunde, 
die in Deutschland eine so hervorragende Stellung einnimmt, über¬ 
flüssig sei; der Tierarzt wird stets der geeignetste Ratgeber bleiben. 
Es gibt aber bekanntlich unzählige Fälle, wo ein solcher Berater nicht 
zu haben ist, oder nicht bezahlt werden kann und wo ein einfaches 
Hausmittel die Tiere gesund macht. 

Wir gestatten uns, auf eine Anzahl derartiger Hausmittel (so!) für 
Tiere hinzuweisen, die vielseitig mit gutem Erfolg eingefdhrt sind und 
deren freier Verkehr nm so unbedenklicher ist, als die Herstellung 
derselben fabrikmäßig und der Vertrieb in Originalverpackungen sowohl 
durch die Apotheke als auch außerhalb derselben erfolgt. Dazu 
gehören u. a.: 

a) insbesondere für Pferde und Rinder: Restitutionsfluid gegen 
Rhenmatismus, Gliedersteifheit, Verstauchung, Anschwellung, 
frische Gallen u. derg!; Aachener Thermensalbe gegen Spat, 
Drüsenverhärtung, Sehnenanschwellungen, Knochenübel an den 
Beinen; Wundwasser gegen Scheuer-, Kummet- und Satteldruck¬ 
wunden; antiseptische Wundsalbe als Heilmittel für offene 
Wunden, Hautverletzungen, Geschwüre und Entzündungen; 
Pflaster gegen Überbein und Gelenklahmheiten, Sehnenverdickung; 
Koliktinktur und Kolikpulver; Drüsen(Kropf)-Pulver; Husten¬ 
pulver; Wurmpulver; Abführpillen; Mittel gegen Harnzwang 
der Pferde; Mittel gegen Krätze und Räude der Haustiere usw.; 

b) insbesondere für Rinder und Schafe: Maul- und Klauenseuche- 
Waschung; Kuheutersalbe; Reinigungs- und Abführpulver für 
Rinder; Mittel gegen den Durchfall der Kälber; Trommelsucht¬ 
essenz gegen das Aufblähen; Räudewasser; Milch-(Nutzen-)Pulver 
gegen alle Milchfehler usw.; 

c) für Schweine: Rotlaufymlver; Bräunepulver; Angelikaspiritus; 
Rauschpulver zur Beruhigung der Schweine; Brunstpulver; Abführ¬ 
pillen und Mittel gegen Durchfall usw.; 

d) Hundepillen gegen Stanpe, Räude, Krämpfe, Verstopfung, 
Würmer; 

e) Geflügelpulver als Heilmittel für verschiedene Krankheiten des 
Hausgeflügels usw.“ 

Ist das nicht eine herrliche Zusammenstellung? Die Schrift 
schließt dann folgendermaßen: 

„Die Landwirte decken gem ihre zahlreichen kleinen und großen 
Bedürfnisse aller Art bei den Drogisten; und diese — und vorzugsweise 
die Mitglieder des Deutschen Drogistenverbandes, der seit vielen Jahren 
für geeignete Ausbildung der Fachgenossen gesorgt und dadurch das 
Ansehen des Standes gehoben hat — verdienen dieses Entgegenkommen. 
Wir brauchen wohl kaum zu versichern, daß die wirklichen Drogisten 
nach jeder Richtung hin sachverständige Lieferanten, insbesondere 
auch der Tierheilmittel sind.“ 

Daß sich natürlich nun jedo Drogerie großen oder kleinen Stils 
angelegen sein läßt, möglichst vielseitig auf diesem Gebiet zu 
wirken, ist selbstverständlich. Es ist bald kein Dörfchen mehr so 
klein, als daß dort nicht ein Wiederverkäufer dieses D. D. V. 
existierte. Bei uns in Süddeutschland sind es meistens die Drogerien 
Wasmuth von Hamburg, Pralle & Reese von Nürnberg, Chr. 
Hausknechts Nach!, ebenda und die Isaria-Drogerie von 
München, die alle diese Haus- und Zaubermittel in die Welt setzen. 
Und die meisten der Drogerien des D. D. V. zählen auch noch 
— welche Ironie! — selbst dispensierende Tierärzte zu 
ihrer Kundschaft!! 

Sehr schön nimmt sich auch folgender Brief des Herrn 
Dr. H. Eckenroth, ehern. Laboratorium u. techn. Bureau, Heidelberg 
(v. 28. 11. 03) aus: 

8ehr geehrter Herr! 

Mit Gegenwärtigem erlaube ich mir, Sie auf meine Botanik-Essenz 
aufmerksam zu machen, welche ich seit ca. 14 Jahren für einige 
Herren Tierärzte fabriziere nnd von denselben mit großem Erfolg an¬ 
gewandt wird. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 52. 


812 


So Betreibt mir z. B. Herr Bezirkstierarzt Thomas von 
Lndwigshafen a. Rh.: Die von Ihnen liergestellte „Botanik-Essenz“ 
verwende ich bei allen akuten Krankheiten, sobald es sich darum 
handelt, so rasch als möglich eine kräftige Derivation auf die Haut zu 
erzielen, so namentlich bei der Brustseuche der Pferde, bei Erstickungs- 
anfilllen, bei Druse und Angina. 

Ferner zu all jenen Fällen, wo es sich darum handelt, eine im 
ersten Stadium abgclaufene, nun aber chronisch gewordene Entzündung 
wieder in eine akute nmzuwandeln und eine möglichst kräftige Derivation 
und Ausschwitzung zu erzielen, so namentlich bei Sehnen- und Gelenk¬ 
entzündungen, bei Sehnenscheiden- und Gelenkgallen, beim sog. Ein¬ 
schuß, bei Beinhautentzündungen, Spat und Schaale. Vorzüge sind 
die ungemein schnelle Wirkung und die Tatsache, daß nach der An¬ 
wendung keine haarlosen Hautstellen Zurückbleiben. Je nachdem ich 
eine Wirkung erzielen will, vermische ich Essenz mit gewöhnlichem 
Essig entweder wie 1: 1 oder wie zwei Teile Essenz zu ein Teil Essig. 

Herr Tierarzt Scheid in Hermersberg, Pfalz, schreibt 
mir: Als Assistent bei Herrn Bezirkstierarzt Thomas in Ludwigshafen 
lernte ich die vorzüglichen Wirkungen der Botanik-Essenz 
kennen usw. senden Sie mir sofort fünf Liter. 2. Januar 1903. 

Herr Distr. Tierarzt Sauer in Edenkoben, Pfalz beziehen seit 

„ Stadttierarzt Rohr in Speyer, „ Jahren fort- 

„ Tierarzt Krafft in Göllheim, „ laufend meine 

„ Stabsveterinär J. Bitsch in Landau „ Botanik- 

u. a. m. Essenz. 

Um weiteren Kreisen meine Botanik-Essenz*) zugänglich 
zu machen, habe ich mich entschlossen, dieselbe in größerem Maßstabe 
zu fabrizieren und offeriere Ihnen dieselbe usw.“ 

Daß durch dieses Schreiben und Anerbieten nur wieder tier¬ 


ärztliche Gutachten gesammelt werden sollen, mit welchen „wohl- 
gescbmUckt und ausstaffiert“ diese Botanik-Essenz dann den 
armen Vertretern der „Zoologie“ aufgehängt wird, ist nach den 
in der Vorstandschaft der landwirtschaftlichen Vereinigungen 
gemachten Erfahrungen so sicher, wie etwas. 


*) Vom Ref. gesperrt! 


Die oben gestreifte, das platte Land auf dem Wege der Reklame 
überschwemmende tierärztliche Schundliteratur gibt den Leuten 
, Mittel und Wege in die Hand, alle möglichen und unmöglichen 
| Arzneien und Kompositionen anzuwenden; er schreibt sich, bzw. 
! seinen Tieren selbst etwas auf, und wenn diese „Rezeptur“ ein an¬ 
ständiger Apotheker nicht fertigt, so fertigt sie sicher aber der 
Drogist des Dorfes aus. 

Daß unter diesem „lauteren“ Wettbewerb auch die Apotheker 
zu leiden haben, wird man mir zugeben, und hierin sollte man, 
Hand in Hand mit diesen, Wandel zu schaffen suchen. 

Ich muß hier zum Schlüsse Herrn Kollegen Thiro beipflichten, 
wenn er Seite 430 dieser Wochenschrift Beweise erbringt, daß 
sogar in unsren eignen Linien Verräter an unsrem Stande auf¬ 
zufinden sind, und ich glaube, daß nirgends mehr das so oft zitierte 
„videant consules“ angebracht ist wie hier. Was der Stand der 
Ärzte schon an sich erfahren mußte, das blüht uns und ist Dank 
des Vorgehens des Verbandes deutscher Drogisten unter 
Beihilfe gewisser Dunkelmänner unsres eignen Standes schon im 
Werden begriffen. Die oben erwähnte Flugschrift zeigt auf der 
Rückseite das Wappen des Deutschen Drogisten-Verbandes, das im 
oberen Feld eine aufgehende Sonne enthält Wenn sich das Drogisten¬ 
unwesen noch weiter verbreitet, so steht die Sonne der Drogerie 
bald im Zenith. Als Wahlspruch führt das Wappen die als Motto 
dieses Artikels verwendeten Worte „viribus unitis“. Sollten dieselben 
nicht gerade so gut oder eigentlich besser uns gelten? 

„Viribus unitis“ sollten wir gegen diese Auswüchse nnd Über¬ 
griffe Front machen und mit allen uns verfügbaren Mitteln zu ver¬ 
hindern suchen, daß auch noch intra muros durch Zeugnisse und 
Lehrbücher, Briefkastennotizen und nachbarlichen Rat in Viehnöten 
dazu beigesteuert werde. 


Staatsveterinärwesen. 

Redigiert von Preusse. 

Anerkennung des Herrn Ministers für Landwirtschaft für die 
Veterinärbeamten. 

Der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten hat 
mit Bezug auf die Tatsache, daß die Maul- und Klauenseuche 
in Preußen so gut wie erloschen ist, nachstehendes Rundschreiben 
an die Regierungspräsidenten und den Polizeipräsidenten von 
Berlin erlassen: 

„Aus der letzten Nachweisung über den Stand der Vieh¬ 
seuchen habe ich mit Befriedigung ersehen, daß die Maul- und 
Klauenseuche, die seit Jahrzehnten die deutsche Landwirtschaft 
auf das schwerste heimgesucht hat, in Preußen so gut wie er¬ 
loschen ist. Ich nehme hieraus sowie aus der nach langem 
Kampf im Laofe dieses Jahres gelungenen Ausrottung der ver¬ 
derblichen Lungenseuche des Rindviehs gern Veranlassung, den 
Departementstierärzten und Kreistierärzten wie allen sonst be¬ 
teiligten Beamten meinen wärmsten Dank nnd meine An¬ 
erkennung für die unermüdliche verständnisvolle Arbeit auszu¬ 
sprechen, die sie in den letzten Jahren bei der Bekämpfung der 
Seuchen geleistet haben. Sie wollen diesen Erlaß zur Kenntnis 
der beteiligten Beamten bringen“. 

Gerichtsentscheidungen, betr. Abschätzungs-Gebühren der beamteten 

Tierärzte. 

Es wird viele beamtete Tierärzte die nachstehende Gerichts¬ 
entscheidung interessieren, welche den Gegenstand einer Klage 
eines Kreistierarztes gegen den Kommunalverband in Kassel 
bildete. 

Es kann keinem Zweifel unterliegen — und diese Ansicht 
wird auch wohl von allen Seiten geteilt — daß der Staat als 
Träger der Kosten anzusehen ist, wenn die Abschätzung eines 


an Milzbrand (Rauschbrand) verendeten Tieres in unmittelbarem 
Anschluß an die Obduktion erfolgt, d. h. Obduktion und Ab¬ 
schätzung in einem Termine erfolgen. Hingegen erscheint nach 
meiner Ansicht der gerichtsseitig vertretene Standpunkt, daß 
dem beamteten Tierarzte für Abwartong eines zeitlich später 
anberaumten Schätzungstermines, selbst wenn es sich um ein 
und denselben Auftrag der Polizeibehörde handelt, noch be¬ 
sondere Terminsgebühren nicht zustehen, mindestens zweifelhaft, 
insbesondere gilt dies für die von beklagtischer Seite (Kommunal¬ 
verband) aufgestellte Behauptung, daß die Terminsgebühr an 
einem Tage nur einmal fällig werde. Diese Ansicht ist schon 
deshalb nicht richtig, weil nach § 3 des Gebührengesetzes vom 
9. März 1872 Obduktionsgebühren wiederholt bis zu 24 M. 
liquidiert werden können; ebenso werden mehrere nach einander 
in verschiedenen Sachen statthabenden Termine jeder für sich 
bezahlt. 

Interessant ist die Verhandlung noch insofern, als von dem 
Grundsatz ausgegangen wird, daß die Kosten der Abschätzung, 
ohne Rücksicht darauf, ob der Staat oder der Kommunalverband 
die Entschädigongspflicht zu übernehmen hat, die Staatskasse 
zu tragen hat (gestützt auf § 23 des Preuß. Ausf.-Gesetzes). 
Vielleicht haben die beamteten Tierärzte anderweitig Gelegen¬ 
heit gehabt, zu dieser Frage Stellung zu nehmen — wünschens¬ 
wert wäre es jedenfalls zu erfahren, ob ihnen ähnliche Schwierig¬ 
keiten oder Bedenken begegnet sind. 

Tietze, Depart.-Tierarzt. 

Im Namen des Königs! 

In Sachen des Königlichen Kreistierarztes Sch. zu Sch., 
Klägers und Berufangsklägers, — Prozeßbevollmächtigter: 
Rechtsanwalt Landgrebe zu Kassel — gegen den Kommunal¬ 
verband des Regierungsbezirks Kassel, vertreten durch den 
Landeshauptmann in Hessen, Beklagten und Beruftingsbeklagten, 


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24 Dezember 1903. 


— Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt Martin zu Kassel, — 
wegen Forderung hat die dritte Zivilkammer des Königlichen 
Landgerichts in Kassel auf die mündliche Verhandlung vom 
29. Juni 1903 unter Mitwirkung des Landgerichtsdirektors Ge¬ 
heimen Justizrats Volz und der Gerichtsassessoren Gran und 
Daltrop fdr Recht erkannt: 

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Königlichen 
Amtsgerichts, Abteilung I, zu Kassel, vom 5. März 1903, wird 
kostenfällig zurückgewiesen. 

Tatbestand: 

Gegen das am 25. März 1903 zugestellte, vorbezeichnete 
Urteil hat der Kläger am 18. April 1903 durch Zustellung seines 
Schriftsatzes vom 17. April 1903 die Berufung eingelegt. 

In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht 
hat er das angefochtene Urteil, auf dessen Tatbestand verwiesen 
wird, verlesen und beantragt: 

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils nach dem 
Klageantrag zu erkennen. 

Zur Begründung dieses Antrages hat er den Inhalt seiner 
Schriftsätze vom 30. April und 23. Mai 1903 (Blatt 43 u. 55 ff. 
der Akten) vorgetragen. 

Der Beklagte hat beantragt: 

Die Berufung abzuweisen, und seine Schriftsätze vom 
15. Mai und 6. Juni 1903 (Blatt 48 und 63 ff. der Akten) 
vorgetragen. 

Entscheidungsgründe. 

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt, jedoch 
nicht begründet. 

Es kann dahin gestellt bleiben, ob dem Kläger für die 
Wahrnehmung eines im unmittelbaren Anschluß an das Fest¬ 
stellungsverfahren stattfindenden Teimins zur Schätzung des 
verseuchten Viehs eine besondere Gebühr zusteht, denn selbst 
wenn dies der Fall wäre, würde er diese Gebühr nicht von 
dem beklagten Kommunalverbande, sondern aus der Staatskasse 
verlangen können. In Artikel I Ziffer 4 des Preußischen 
Gesetzes vom 22. April 1892, betreffend die Entschädigung für 
an Milzbrand oder Raüschbrand gefallene Tiere (G.-S. S. 90) 
sind die näheren Vorschriften über Feststellung der Seuche und 
Schätzung der gefallenen oder getöteten Tiere einem von dem 
Kommunalverband des Regierangsbezirks Kassel mit Genehmigung 
der Minister des Innern und für Landwirtschaft, Domänen und 
Forsten zu erlassenden Reglement Vorbehalten worden. 

Das demgemäß ergangene Reglement für den Regierungs¬ 
bezirk Kassel vom 7. Dezember 1892/8. August 1893 bestimmt 
im § 7, daß Mitgliedern der den Wert des gefallenen Viehs 
abschätzenden Kommission, nämlich dem beamteten Tierarzt 
und den Schiedsmännern in den Fällen Vergütigungen gewährt 
werden, in welchen diese Kosten nicht nach Maßgabe des § 23 
des Gesetzes vom 12. März 1881 (G.-S. S. 128) aus der Staats¬ 
kasse zu bestreiten sind. 

Nach § 23 sind, insoweit durch die Anordnung, Leitung 
und Überwachung der Maßregeln zur Ermittlung und zur Ab¬ 
wehr der Seuchengefahr oder durch die auf Veranlassung der 
Polizeibehörde ausgeführten tierärztlichen Amtsverrichtungen 
besondere Kosten erwachsen, dieselben aus der Staatskasse zu 
bestreiten. Dasselbe gilt von der den Schiedsmännern (§ 18) 
als Ersatz für Reisekosten und Auslagen zu gewährenden Ver¬ 
gütung. 

Da das Verfahren, betreffend die Feststellung der Seuche, 


813 


auf Veranlassung der Polizeibehörde eingeleitet wird, und je 
nach dessen Ergebnis das Schätzungsverfahren einzutreten hat, 
das Schätzungsverfahren und die dabei entwickelte tierärztliche 
Amtstätigkeit daher ebenfalls auf Veranlassung der Polizei¬ 
behörde zurückzuführen ist, so würde nach dem angeführten 
§ 23 eine dem Kläger für die Abschätzung etwa zustehende 
besondere Gebühr aus der Staatskasse zu bestreiten sein. 

Die Richtigkeit dieser Ansicht ergibt sich auch daraus, daß 
die der Schätzungskommission angehörenden ausschließlich im 
Schätzungsverfahren tätigen Schiedsmänner ihre Vergütung 
nach § 23 Satz 3 zweifellos aus der Staatskasse erhalten. 

Es kann aber nicht angenommen werden, daß der Gesetz¬ 
geber die Mitglieder einer und derselben Kommission aus zwei 
verschiedenen Kassen, nämlich den Tierarzt aus der Kasse des 
Kommunalverbandes und die Schiedsmänner aus der Staatskasse 
habe entlohnt wissen wollen. 

Der Umstand, daß der zweite Satz des § 23 nur von den 
Schiedsmännern spricht, deren Gebühren von der Staatskasse 
zu bestreiten sind, bestätigt die Richtigkeit der Annahme, daß 
nach dem ersten Satze des zitierten Paragraphen die Kosten der 
tierärztlichen Amtsverrichtung auch für die Schätzungs¬ 
tätigkeit der Staatskasse zu bestreiten obliegen. 

Dem Kläger steht hiernach kein Anspruch gegen den Be¬ 
klagten zu, und es erscheint deshalb die auf Klageabweisung 
lautende Entscheidung des Vorderrichters zutreffend. 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 C. P. 0. 

gez. Volz, Grau, Daltrop. 

Im Namen des Königs! 

In Sachen des Königlichen Kreistierarztes Sch. in Sch., 
Klägers, — ProzeßbevoUmächtiger: Rechtsanwalt Landgrebe 
in Kassel — gegen den Kommunalverband des Regierungs¬ 
bezirks Kassel, vertreten durch den Landeshauptmann Herrn 
Riedesel Freiherrn zu Eisenbach, Beklagten, — Proze߬ 
bevollmächtigter: Rechtsanwalt Martin I in Kassel — wegen 
Forderung hat das Königliche Amtsgericht, Abteilung I, in Kassel 
auf die mündliche Verhandlung vom 19. Februar 1903 durch 
den Gerichtsassessor Alsberg fdr Recht erkannt: 

Der Kläger wird mit der erhobenen Klage abgewiesen und 
verurteilt, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 

Tatbestand: 

Der Kläger ist Königlicher Kreistierarzt in Sch. Als 
solcher hat er in den in der Klagerechnung aufgeführten 
45 Fällen gemäß den Vorschriften der §§ 17—21 des Preußischen 
Ausführungsgesetzes zum Reichsviehseuchengesetz vom 12. März 
1881 gemeinschaftlich mit den dazu berufenen beiden Schieds¬ 
männern den Wert der an Milz- oder Rauschbrand gefallenen 
Stücke Vieh abgeschätzt und darüber jedesmal eine Schätzungs¬ 
urkunde ausgefertigt und an den Beklagten gelangen lassen. 
Die Schätzungstermine haben in allen Fällen im Anschluß an 
die auf Grund des Reichsviehseuchengesetzes vom 23. Juni 1880 
erfolgte Feststellung der Seuche und der Obduktion des ge¬ 
fallenen Tieres stattgefunden. Der Kläger hat für die Fest¬ 
stellung der Seuche und die Obduktion des Tieres in allen 
Fällen die ihm aus § 3 Ziffer 8 der Medizinalgebührenordnung 
vom 9. März 1872 zustehende Gebühr von 12 Mk. aus der Staats¬ 
kasse erhalten. 

Insoweit sind die Parteien einig. 

Der Kläger beansprucht für jede Abschätzung eine Termins¬ 
gebühr von 6 Mk. aus § 3 Absatz 1 der Medizinalgebühren- 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


No. 52. 


814 


Ordnung. Er stützt sich darauf, daß die Abschätzung den Inhalt 
eines besonderen Termins bilde, der mit dem voranfgegangenen 
Obduktionstermin sachlich in keinem Zusammenhang stehe and 
der anf Grund des § 7 des Milzbrandentschädigungsreglements 

für den Regierungsbezirk Kassel vom g~August1893~ UQ< * ^ er 

Artikel I Ziffer 3 des preußischen Gesetzes vom 22. April 1892 
von dem beklagten Kommunalverband zu vergüten sei. 

Er beantragt: 

Den Beklagten kostenfällig zur Zahlung von 270 M. nebst 

4 Proz. Zinsen seit Klageznstellung zu verurteilen. 

Der Beklagte bittet nm Klageabweisung. Er macht unter dem 
Widerspruch des Klägers geltend, einmal, daß in der Für die 
Obduktion gewährten Gebühr von 12 M. die Terminsgebühr laut 
Vorschrift in § 3 der Medizinalgebührenordnung mitenthalten 
sei und daß der Kläger für die im Anschluß daran erfolgte 
Abschätzung eine Terminsgebühr nicht beanspruchen kann, weil 
die Abschätzung mit der Obduktion einen einzigen Termin 
bilde und weil überhaupt an einem Tage die Terminsgebühr 
immer nur einmal fällig werde, und sodann, daß nach dem 
Erlaß des Ministers des Innern und für Landwirtschaft vom 
7. Dezember 1893 die Staatskasse die Gebühren des Tierarztes 
zu tragen habe, wenn die Schätzung im Anschluß an die tier¬ 
ärztliche Feststellung der Seuche vorgenommen sei, so daß der 
Kläger, wenn er überhaupt einen Anspruch auf die eingeklagten 
Gebühren habe, ihn nur gegen die Staatskasse geltend machen 
könne. 

Entscheidungsgründe: 

Nach dem Reichsviehseuchengesetz vom 23. Juni 1880 und 
dem preußischen Ausführungsgesetz dazu vom 12. März 1881 
hat die Ortspolizeibehörde, sobald sich der Verdacht einer Vieh¬ 
seuche zeigt, den Kreistierarzt zu benachrichtigen. Dieser 
untersucht bzw. obduziert das seuchenverdächtige Tier und 
stellt danach gegebenenfalls das Vorhandensein der Seuche fest, 
worauf von der Polizeibehörde die erforderlichen Schutz- und 
Vorkehrungsmaßregeln getroffen' werden. Dieser Hergang ist 
derselbe bei allen in dem Gesetz berücksichtigten Seuchen, wozu 
auch der Milz- und Rauschbrand gehören, um die es sich im 
vorliegenden Rechtsstreit nur handelt. Bei den letztgenannten 
beiden Seuchen wird in Gemäßheit des Milzbrandentschädigungs- 

- -j-, . . . , „ , 7. Dezember 1892 

Reglements für den Regierungsbezirk Kassel vom -g—Äugüs'ri893 _ 

von dem Bezirksverband Kassel eine Entschädigung für jedes 
daran gefallene Stück Vieh gewährt. Die Feststellung der 
Entschädigungssumme erfolgt gemäß § 7 des Reglements auf 
Grund einer Schätzung des Wertes des Tieres, die der Kreis¬ 
tierarzt in Gemeinschaft mit zwei Beisitzern vorzunehmen hat. 
Die Tätigkeit, welche klagender Kreistierarzt bei diesen Ab¬ 
schätzungen entfaltet hat, bildet die Grundlage des Klage¬ 
anspruchs. Er verlangt auf Grund des § 3 Ziffer 1 der 
Medizinalgebührenordnung vom 9. März 1872 für jeden Fall eine 
Terminsgebühr von 6 M. 

Nach § 3 Ziffer 1 a. a. 0. kann der Kreistierarzt für Ab¬ 
wartung eines Termins 6 M. liquidieren in allen ihm von Ge¬ 
richten oder anderen Behörden aufgetragenen Geschäften. Bei 
Prüfung der Frage, ob dem Kläger hiernach in den vorliegenden 
Fällen die Terminsgebühr zusteht, muß man sich vergegen¬ 
wärtigen, daß der Kläger für die jedesmal der Abschätzung 
vorausgegangene Obduktion 12 M. Obduktionsgebühr nach § 3 


Ziffer 8 der Medizinalgebührenordnung aus der Staatskasse er¬ 
halten hat, ferner, daß in der Obduktionsgebühr die allgemeine 
Terminsgebühr mitenthalten ist und eudlich, daß Bich die Ab¬ 
schätzung in unmittelbarem Anschluß an die Obduktion vollzogen 
hat. Es folgt hieraus, daß der Kläger überhaupt nur dann 
einen Anspruch auf Terminsgebühr wegen der Abschätzung hat, 
wenn festgestellt wird, daß die Obduktion und die Abschätzung 
zwei verschiedene Termine bilden. 

Das Gesetz kennt als Voraussetzung des Anspruchs auf 
Terminsgebühr nur die Tätigkeit, welche eine Medizinalperson 
in den ihr vom Gericht oder einer anderen Behörde aufgetragenen 
Geschäften entwickelt hat. Es kann nun nach den Vorschriften 
der Viehseuchengesetze und des Milzbrandentschädigungs-Regle- 
ments nicht zweifelhaft sein, daß es sowohl bei der Obduktion 
und Feststellung der Seuche wie bei der Abschätzung des ge¬ 
fallenen Tieres die Ortspolizeibehörde ist, welche unmittelbar 
den Anstoß für das Eingreifen des Tierarztes abgibt Sie muß 
deshalb auch in beiden Fällen als die auftragende Behörde 
gelten. An dieser Tatsache kann der Umstand nichts ändern, 
daß das Verfahren im ersteren Fall auf einem allgemeinen 
Staatsgesetz, im anderen Fall auf einem Kommunalstatut beruht 
Ist somit die den Tierarzt beauftragende Behörde bei der Ob¬ 
duktion und der Abschätzung dieselbe, so kann, da die beiden 
Tätigkeiten zeitlich in unmittelbarem Zusammenhang stehen, 
das Vorhandensein zweier verschiedener Termine nur noch 
daraus gefolgert werden, daß es sich um zwei sachlich von 
einander verschiedene Tätigkeiten handelt Allein auch das ist 
nicht der Fall; denn es ist ein und dasselbe Stück Vieh, welches 
den Gegenstand der einen wie der andern Tätigkeit bildet, und 
nach vollführter Obduktion bedarf es für den Tierarzt keiner 
wesentlich neuen Tätigkeit, um die Grundlagen für die Wert¬ 
bestimmung des Tieres zu finden. Allerdings geschieht die 
Obduktion zum Zwecke sanitätspolizeilicher Sicherungsmaßregeln, 
die Abschätzung zur Herbeiführung des Wertansatzes des ge¬ 
fallenen Tieres, jedoch sind diese verschiedenartigen Zwecke 
ebensowenig wie die verschiedenen Rechts quellen, auf denen 
die Tätigkeit des Tierarztes in dem einen und dem anderen 
Falle beruht, ausreichend, um die Tätigkeit des Tierarztes bei 
der Obduktion und der Abschätzung als eine so verschiedene 
hinznstellen, daß man zwei verschiedene Termine annehmen muß. 

Es war sonach der Anspruch des Klägers nicht begründet 
und wie geschehen zu erkennen, ohne daß es des Eingehens 
auf das weitere Vorbringen des Beklagten bedurft hätte. 

Die Kostenent8cheidnng beruht auf § 91 der Zivilproze߬ 
ordnung. gez. Alsberg. 


Fleischbeschau und Yiehhandel. 

Red. von Kilhnau. 

Die Fleischeinfuhr unter der Wirkung des Fleisch¬ 
beschaugesetzes. 

Nachdem nunmehr die statistischen Angaben über die 
Fleischeinfuhr im ersten halben Jahre nach dem Inkrafttreten 
des Fleischbeschaugesetzes vorliegen, läßt sich übersehen, inwie¬ 
weit dasselbe auf die Einfuhr der verschiedenen Fleischwaren 
aus dem Auslande eingewirkt hat. 

Die Einfuhr von frischem Rindfleisch betrug in der Zeit 
vom 1. April bis 1. Oktober 1903 37428 dz. gegen 61526 dz. 
im Jahre 1902 und 63055 dz. im Jahre 1901. Während somit 


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•24- Dezember 1903. 


in den beiden Voijahren die Einfuhrmengen ziemlich gleich 
waren, ist die Einfnhr in diesem Jahre nm annähernd 40 Prozent 
zurtickgegangen. Die Einfuhr aus Dänemark bezifferte sich auf 
20859 dz. gegen 26126 bzw. 30155 dz. Gegen das Vorjahr 
ergibt sich somit ein Unterschied von annähernd 20 Prozent, 
die aus Dänemark weniger eingeführt worden sind. Im Gegen¬ 
satz hierzu bat die Lebendvieheinfuhr ans Dänemark zagenommen. 
Sie betrug 13903 Kühe (8859, 7813), 2182 Stiere (2570, 1717), 
920 Ochsen (730, 1267) und 17647 Stück Jungvieh (12230, 
11374). Auffallend ist, daß namentlich die Einfuhr von Kühen 
und Jungvieh aus Dänemark zngenommen hat. Als Erklärung 
hierfür muß gelten, daß die Kühe die Lebendkontrolle besser 
passieren als die Fleischbeschaukontrolle; denn bekanntlich ist 
trotz der Tuberkulinimpfung in den Quarantäneanstalten, der 
Tuberkuloseprozentsatz bei den aus der Quarantäne entlassenen 
Bindern ein recht hoher. Beispielsweise betrug derselbe im 
III. und IV. Quartal 1902 22 bzw. 20,5 Prozent. Wären die 
Kühe somit geschlachtet eingeführt worden, so würde wohl öfter 
als bei Lebendeinfuhr eine Zurückweisung derselben haben er¬ 
folgen müssen. Dänemark hat die Wirkungen des Fleisch¬ 
beschaugesetzes dadurch wett gemacht, daß es sich mehr der 
Lebendeinfuhr zugewandt hat ein deutliches Zeichen dafür, 
daß die Einfuhrbestimmungen des Fleischbeschaugesetzes auf 
die Fleischeinfuhr auB Dänemark beträchtlich erschwerend ein¬ 
gewirkt haben. 

An der Einfuhr von frischem Rindfleisch sind ebenfalls er¬ 
heblich beteiligt die Niederlande. Von diesen wurden in dem 
gleichen Zeitraum eingeführt 13744 dz gegen 26999 dz bzw. 
25386 dz. Das bedeutet einen Rückgang um fast die Hälfte, 
während in den beiden Vorjahren die Einfuhren sich so ziemlich 
gleich geblieben sind. Auch hier tritt die prohibitive Wirkung 
des Fleischbeschaugesetzes deutlich hervor, wenn auch bei der 
Abschätzung der Wirkung daran gedacht werden muß, daß in 
diesem Jahre die Preise für Rindfleisch in Belgien und auch in 
England angezogen haben und ein Teil des holländischen Pro¬ 
duktionsüberschusses nach diesen Ländern Absatz gefunden hat. 

An der Einfuhr von frischem Rindfleisch sind noch beteiligt 
Frankreich und Österreich-Ungarn. Ersteres hat 1553 dz ein¬ 
geführt gegen 4926 bzw. 4156 dz, und letzteres hat 1862 dz 
importiert gegen 2888 bzw. 2727 dz. Die Abnahme ist hier 
wohl ausschließlich der Wirkung des Fleischbeschaugesetzes zu- 
zuschreiben, namentlich mit Rücksicht auf die Einfuhrzahlen 
der beiden Vorjahre. Aus den Zahlen ergibt sich, daß die 
Einfuhrvorschriften des Reichsfleischbeschaugesetzes 
für frisches Fieisch auf die Einfuhr von frischem Rind¬ 
fleisch in erheblichem Maße erschwerend einwirken. 

Die Einfuhr von frischem Schweinefleisch betrug im 
Halbjahr April bis September 1903 28170 dz gegen 59661 
bzw. 42008 dz in den Vorjahren. Auch hier ein Rückgang 
um mehr als die Hälfte, wenn auch nicht außer acht gelassen 
werden darf, daß die Preise für Schweine im Jahre 1902 der 
Einfuhr von Schweinefleisch günstig waren. Trotzdem tritt die 
hemmende Wirkung des Fleischbeschaugesetzes unverkennbar 
hervor; die Vorschriften schnitten namentlich die Einfuhr von 
frischen Schinken ab. An der Abnahme der Einfuhr sind alle 
Einfuhrländer beteiligt; besonders in Erscheinung tritt die Ver¬ 
ringerung der österreichischen Einfuhr: 1100 dz gegen 9546 dz. 

Eine weitere Einfuhr von frischem Fleisch kommt nicht in 
Betracht. 


815 


An znbereitetem Fleisch wurden im April-September ein¬ 
geführt 13 858 dz Rindfleisch (16 211 bzw. 13 314), 8367 dz 
Schweinefleisch (33 048 bzw. 30 373 dz), 4196 dz Schinken 
(13 372 bzw. 10879 dz) und 13 167 dz Speck (53 267 bzw. 
52 241). Nach diesen Zahlen ist der Rückgang der Einfuhr 
des zubereiteten Fleisches nach dem Inkrafttreten des Fleisch¬ 
beschaugesetzes ein ganz außerordentlicher. Besonders die Ein¬ 
fuhr von zubereitetem Schweinefleisch ist um mehr als % weniger 
geworden. Ganz ausnahmsweise sind die Vereinigten Staaten 
an dem Ausfall beteiligt. Von diesem Lande wurden nach dem 
Inkrafttreten des Gesetzes nur 3321 dz Schweinefleisch gegen 
15 866 dz im gleichen Zeitraum des Vorjahres eingeführt. Die 
Abnahme beträgt somit 12 545 dz beim Schweinefleisch. Schinken 
wurden aus Amerika nur 116 dz importiert gegen 5282 dz im 
vergangenen Jahre, Abnahme: 5166 dz, das sind über 90 Proz. 
Speck wurde nur in Mengen von 8841 dz eingeführt gegen 
38 931 dz, Abnahme: 30090 dz, über 60 Proz. Das Fleisch¬ 
beschaugesetz wirkt nach dieser Zusammenstellung auf die Ein¬ 
fuhr von zubereitetem Schweinefleisch aus überseeischen Ländern 
so erschwerend, daß eine Einfuhr fast nicht mehr möglich ist. 
Zuzuschreiben ist die Wirkung dem Verbot der Verwendung 
von Borsäure und der Gebührenbelastung. Durch letztere ist 
die Einfuhr der früher in Massen kommenden Schweineschultern 
nahezu unmöglich geworden. Gesalzenes Rindfleisch ist etwas 
mehr eingeführt worden, weil dasselbe in Deutschland mit Vor¬ 
teil zu Büchsenfleisch verarbeitet werden kann. Dieses und 
Würste dürfen bekanntlich seit dem 10. Oktober 1900 über¬ 
haupt nicht mehr eingeführt werden. 

Kommen wir nach den bis jetzt vorliegenden Erfahrungen 
zum Schluß, so ergibt sich, daß das Inkrafttreten des FleiBch- 
beschaugesetzes auf die Fleischeinfuhr besonders des zubereiteten 
Schweinefleisches stark hemmend ein wirkt; daß es aber andrer¬ 
seits zur Belebung der Einfuhr von Lebendvieh beigetragen hat; 
denn nicht nur Kühe, Ochsen und Jungrinder sind in erheblichen 
Mengen mehr eingeführt worden, sondern auch Schweine sind 
trotz der geringen Preise dieses Jahr mehr importiert worden 
als im vergangenen Jahre. K. 

Fleischbeschaufragen. 

Läßt sich aus dem Reichs-Schlachtvieh- und Fieischbeschau- 
gesetz der Untersuchungszwang für das von einem Besitzer zu 
einer ländlichen Hochzeit geschlachtete Vieh mit Bestimmtheit 
folgern? (Anfrage in Nr. 49 d. Bl.) Antwort: Ja. Der § 2 
des Gesetzes besagt, daß die Untersuchung bei Schlachttieren, 
deren Fleisch ausschließlich im eignen Haushalt des Be¬ 
sitzers verwendet werden soll, nur in gewissen Umständen vor 
und auch nach der Schlachtung unterbleiben darf. Daraus er¬ 
gibt sich, daß für die Befreiung vom Untersuchungszwange 
einzig die vorherige Verwendungsbestimmung des Fleisches 
maßgebend ist; wenn bei der Schlachtung schon feststeht, daß 
beabsichtigt ist, Fleisch von den geschlachteten Tieren an 
nicht dem Haushalt des Besitzers angehörige Personen abzu- 
geben, so muß die Untersuchung selbst dann statt Anden, wenn 
keine gewerbsmäßige Abgabe des Fleisches in Aussicht ge¬ 
nommen ist. Die zu einer (ländlichen) Hochzeit geladenen und 
erschienenen Personen gehören aber unbedingt nicht zum 
Haushalt des Besitzers; das Gesetz will diesen Begriff „Haus¬ 
halt“ möglichst einschränken und nur die nach engstem Begriff 
dazu gehörigen Personen: den Hanshaltungsvorstand, seine 
Familienangehörigen, seine Dienstboten und Arbeiter, soweit sie 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


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816 


eine Wirtschaftsgemeinschaft mit ihm bilden nnd in dieser 
speisen, als „Haushalt“ angesehen wissen. Hiernach unterliegt 
es keinem Zweifel, daß die von dem Gatsbesitzer zur Ver¬ 
wendung bsi der (ländlichen) Hochzeit bestimmten Tiere vor 
und nach der Schlachtung zu untersuchen waren, und daß der 
Gutsbesitzer demnach nicht nur die Gebühren der Untersuchung 
zu zahlen hat, sondern nach § 27 des Gesetzes auch zur Be¬ 
strafung herangezogen werden kann. Str. 

Fleischbeschau-Tagebuch. 

In der B. T. W. Nr. 49, pag. 767 ist unter „Fleischbeschau- 
Fragen“ auch die Frage aufgeworfen, ob das dem Deutschen 
Veterinärkalender beigegebene, zu Fleischbeschau-Notizen ein¬ 
gerichtete Notizheft das gesetzlich vorgeschriebene Fleisch- 
b eschau-Tagebuch ersetze. 


No. 52 


Dies ist nicht der Fall. Das zu führende Fleisch¬ 
beschau-Tagebuch hat genau dem vorgeschriebenen Formular, 
sowohl im Format des Blattes als der einzelnen Reihen zu ent¬ 
sprechen; es darf namentlich keinerlei andere Notizen enthalten, 
und es soll — last not least — klar geschrieben sein. Keinem 
dieser Erfordernisse, auch wohl dem letzteren nicht, kann bei dem 
Kalender-Notizbuch genügt werden. Dieses ist lediglich zu vor¬ 
läufigen Notizen bestimmt, die später zu übertragen sind, wenn 
man das umfängliche offizielle Tagebuch nicht bei sich führen 
will. Schmaltz. 

Ma'jl- und Klauenseuche 

ist auf dem Viehhof zu Mainz am 21. er. unter den Rindern 
ausgebrochen. 


BERLINER TIERÄRZTLICHE WOCHENSCHRIFT. 


Berlin: Auszug aus dem Fleischbeschauberloht für den Monat Oktober und November 1903. 




Ä. 

Schlachthof 


B. Untersuchungsstationen 

Kinder 

Jung¬ 

rinder 

Kälber 

Schafe 

Schweine 

Rinder¬ 

viertel 

Kälber 

Schafe 

(Ziegen) 

Schweine 

Geschlachtet und untersucht. 

23 343 

5 655 

20 320 

66 586 

163 095 

45 809 

20 968 

4 118 

27 828 

Davon 1. tauglich ohne Einschränkung 

14 355 

5 072 

19 926 

55 439 

144 852 

45 669 

20 880.. 

4111 

27 828 

,, 2. teilweise beanstandet .... 

8 387 

512 

166 

11 115 

17 292 

— 

— 

— 

— 

„ 3. minderwertig. 

185 

28 

117 

10 

597 

58 

44 

3 

1 

„ 4. bedingt tauglich. 

228 

18 

16 

— 

242 

22 

— 

— 

2 

„ 5. untauglich.. . 

156 

22 

34 

22 

112 

60 

43)4 

4 

2 

„ 6. unter verschiedener Beurteilung 










der einzelnen Fleischteile . . . 

32 

3 

1 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

„ 7. nur kg Eett bedingt tauglich 

— 

— 

— 

— 

1384 

— 

— 

— 

— 

Wegen Tuberkulose teilweise beanstandet 

6 030 

120 

50 

9 

5 445 


— 

— 

— 

als minderwertig ganz beanstandet . . . 

54 

5 

4 

— 

508 

3 

— 

— 

1 

als bedingt tauglich ganz beanstandet . . 

196 

11 

14 

— 

179 

18 

— 

— 

2 

als untauglich ganz beanstandet .... 

97 

7 

1 

— 

24 

8 

— 

— 

1 

unter verschiedener Beurteilung der einzel- 










nen Fleischteile beanstandet. 

32 

3 

1 

_ 

— 



— 

— 

nur kg Fett bedingt tauglich. 

— 

— 

— 

— 

332^ 

— 

— 

— 

— 

Wegen Finnen minderwertig. 

120 

22 

2 

— 

7 

— 

— 

— 

— 

„ „ bedingt tauglich. 

32 

7 

2 

— 

40 

4 

— 

— 

— 

„ „ untauglich. 

1 

— 

— 

— 

6 

— 

— 

— 

— 

„ „ nur kg Fett bedingt tauglich 

— 

— 

— 

— 

719 

— 

— 

— 

— 

Wegen Trichinen bedingt tauglich .... 

— 

— 

— 

— 

8 

— 

— 

— 

— 

„ „ untauglich. 

— 

— 

— 

— 

13 

— 

. ' — 

— 

— 

„ „ nur kg Fett bedingt tauglich 

— 

— 

— 

— 

308 

— 

— 


— 


Berlin, den 5. November 1903. Der Direktor der städtischen Fleischbeschau. Reißmann. 


Personalien. 

Ernennungen: Professor Dr. Fröhner in Berlin wurde zum Rektor 
der tierärztlichen Hochschule in Berlin fUr die Amtsperiode vom 
1. Januar 1904 bis dabin 1907 ernannt Dr. Ew. Weber in Leipzig 
zum Btädt Amtstierarzt in Markneukirchen ernannt; Schlachtbof- 
tierarzt Theodor Wiese in Kattowitz zum SchlaclithofinBpektor in 
Köslin; die Tierärzte Kunxe junior in Posen und !F. Zengel in Lübeck 
zum 1. bzw. 2. Assistenten am Schlachthof in Halle a. S. 

Examina: Approbiert wurden die Herren: Alois Jjcineueber, 
Bruno Riegel , Eugen Zbiransk-i in Berlin; Adolf SlcuUler aus Barmen, 
Johann llildebrand aus Spieka, Karl Behrens aus Worpswede in 
Hannover; Philipp Braun aus Neustadt a. H., hudicig Grassl aus 
Heideck; Theodor Hugl aus Memmingen, Richard Mayer aus München, 
Johannes Schaaf aus Rinnthal, Hans Schneller aus Zwiesel, Joseph 
Spann aus München in München; Büchern, Crcnders, J.arich, Reiche 
in Gießen. 

Niederlassung: Tierarzt Erich George in Ratzebuhr in Pommern. 

Todesfälle: Oberamtstierarzt Ixindratter in Heilbronn, Tierarzt 
Junge in Friedricbstadt 


Vakanzen, (s. Nr. 49 .) 

Neu hinzugekommen: Bitterfeld: 2 Tierärzte zum 1. April 1904 
zur Ausübung der gesetzlichen Fleischbeschau. Gehalt je 3000 M. 
Meldungen bis 1. Februar 1904 an den Magistrat. — Duisburg: 
2. Assistent zum 1. April. 1850 M. und 400 M. Wohnungsgeldzu- 
Bchuß. Meldungen bis 15. Januar an den Oberbürgermeister. — 
Lübeck: Tierarzt zum 1. Februar 1904 bei der Beschaustelle für 
ausländisches Fleisch. 200 M. monatlich. Bewerbungen an das 
Medizinalamt. 

Besetzt: Halle, Köslin, Markneukirchen. 


Mit der Nummer 52 schließt der Jahrgang 1903 der B. T. W. 
Das zu demselben gehörige Register wird in etwa 14 Tagen 
erscheinen und einer Nummer des neuen Jahrganges beigelegt 
werden. Diejenigen Herren Abonnenten des Jahrganges 1903, 
welche etwa das Abonnement nicht erneuern, und denen daher 
das Register nicht durch die Post übermittelt werden kann, 
wollen dessen Zusendung (gratis und franko) direkt bestellen bei 
Richard Schoetz, Verlagsbuchhandlung. 


Verantwortlich fUr den Inhalt (exkl. lu.eratentcU): Prof. Dr. Schmaltz in Berlin. — Verlag und Eigentum von Richard Schoetz in Berlin. — Druck von W. Bözenatein, Berlin. 


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