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Biochemische Zeitschrift
Beiträge
zur chemischen Physiologie und Pathologie
Herausgegeben von
F. Hofmeister - Würzburg, C. von Noorden -Frankfurt a. M.,
E. Salkowski-Berlin, А. von Wassermann- Berlin
unter Mitwirkung von
M. Ascoli-Catania, L. Asher-Bern, 6. Bertrand-Paris, A. Blekel-Berlin, F. Blumenthal-
Berlin, A. Bonanni-Rom, F. Bottazzi-Neapel, 9. Bredig-Karlsruhe i. B., A. Durig-Wien,
F. Ehrlieh-Breslau, H. v. Euler-Stockholm, J. Feigl-Hamburg, 8. Flexner-New York,
J. Forssman-Lund, 8. Fränkel-Wien, E. Freund-Wien, H. Freundlich-Berlin-Dahlem,
E. Fried berger- Greifswald, E. Friedmann-Berlin, O. v. Fürth-Wien, 6. Galeotti-Neapel,
F. Haber-Berlin-Dahiem, H. J. Hamburger-Groningen, P. Hari-Budapest, Е. Hägglund-
Abo, A. Heffter -Berlin, V. Henri-Paris, V. Henriques-Kopenhagen, W. Heubner-
Göttingen, R. Höber-Kiel, M. Jacoby-Berlin, A. Koch-Göttingen, F. Landolf-Buenos
Aires, L. Langstein - Berlin, P. A. Levene-New York, L. v. Liebermann - Budapest,
J. Loeb- New York, A. Loewy-Berlin, A. Magnus-Levy-Berlin, J. A. Mandel- New York,
L. Mareblewski-Krakau, P. Mayer-Karlsbad, J. Melsenhelmer-Greifswald, L. Michael is-
Berlin, H. Molisch-Wien, J. Morgenroth-Berlin, E. Miinzer-Prug, W. Nernst-Berlin,
W. Ostwald-Leipzig, W. Palladin-St. Petersburg, W. Pauli-Wien, R. Pfeiffer-Breslau,
Е. Р. Pick-Wien, J. Pohl- Breslau, Ch. Poreher-Lyon, P. Rona- Berlin, H. Sachs-
Heidelberg, 8. Balaskin -St. Petersburg. A. Scheunert- Berlin, N. Sieber - St. Petersburg,
8. P. L. Sörensen-Kopenhagen, K. Spiro- Liestal, E. Н. Starling-London, J. Stoklasae
Prag, W. Straub Freiburg i. B., A. Stutzer- Königsberg і. Рг, K. Suto - Kanazawa,
H. v. Tappeiner-München, H. Thoms-Berlin, P. Trendelenburg- Rostock, O. Warburg?
erlin, W. Wiechowski-Prag, A. Wohl-Danzig, J. Wohlgemuth-Berlin.
Redigiert von
C. Neuberg-Berlin
Hundertundelfter Band
Berlin
Verlag von Julius Springer
1920
*
Druck der Spamerschen Buchdruckerei in Leipzig.
Inhaltsverzeichnis.
Stosius, Karl und Karl Wiesler. Über den Ort der Doppelbindung
bei der Ricinolsäure . .. . 22 2 2 2 2 we ee en
Stepp, Wilhelm und Wilhelm Engelhardt. Über die quantitative
Bestimmung von Aceton und Aldelıyd in ein und derselben
Flüssigkeit е BROS w ae о OA
Köhler, Erich. Weitere Beiträge zur Physiologie der Hefe
Pribram, Hugo und Gustav Herrnheiser. Zur Kenntnis der adia-
lysabeln Bestandteile des Menschenharnes . . .
Kochmann, M. Beitrag zur Kenntnis der Wirkung des Rohlenaxede
Straub, H. und Klothilde Meier. Blutgasanalysen. VII. Der Einfluß
-von Bor, Aluminium und Lanthan auf Hämoglobin und Zelle .
— — Blutgasanalysen. VIII. Der Einfluß einiger Digitaliskörper auf
die Ionendurchgängigkeit menschlicher Erythrocyten
Baumgardt, Gertrud und Maria Steuber. Ein Beitrag zur Kenntnis
des Gaswechsels bei Knaben
Biberfeld, Johannes. Zur Kenntnis der Gewöhnung. IV. Über Ge-
wöhnung an Kodeinderivate (Eukodal und Parakodin)
Michaelis, L. Die Bedeutung der Magensalzsiure. Erwiderung auf
die Note von J. Traubtunu
Feigl, Joh. Uber das Vorkommen von Phosphaten im menschlichen
Blutserum. XI. Hyperphosphatämie und „Salzretention“ bei
Morbus-Brigthii ....... CCC
Rona, P. und P. György. Zur Kenntnis der Urease. Zugleich ein
Beitrag zum Studium der Giftwir kungen
Rona, P. und H. Petow. Beiträge zum Studium der Giftwirkungen.
Versuche über die Giftwirkung des Thiodiglykols und seiner Deri-
vate an Sojabohnenurease . . e
Rona, P. und E. Bach. Beiträge zum Studium der Giftwirkung.
Uber die Wirkung des Atoxyls auf Serumlipasse
Ege, Rich. Die Verteilung der Glucose zwischen Plasma und roten
Blutkörperchen. Zur Physiologie des Blutzuckers. IV... .
Rothlin, E. Experimentelle Studien über die Eigenschaften über-
lebender Gefäße unter Anwendung der chemischen Reizmethode
— Experimentelle Untersuchungen über die Wirkungsweise einiger
chemischer, vasotonisierender Substanzen organischer Natur auf
überlebende Gefäße. ii d
— Experimentelle Untersuchungen über die Wirkungsweise einiger
chemischer, vasotonisierender Substanzen organischer Natur auf
überlebende Gefäße. II .................
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108
115
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P. A. Levene-New York, L. v. Liebermann- Budapest,
Magnus- vy-Berlin, J. A. Mandel-New York,
J. Meisenheimer "и өүү L.
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Ch. Poreher- р. Rona -Berlin, I.
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neben, H. Thoms-Berlin,
echowski-Prag, A W Wohl-Danaig, J. W
Redigiert von
C. Neuberg-Berlin
Hundertundelfter Band
Erstes bis drittes Heft
Ausgegeben am 9. November 1920
| Berlin
"Verlag von Julius Springer
1920
4
дии Zeitschrift. Bd. 111, H. 1/3.
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Pig “Biochemische Zeitschrift
erscheint in zwanglosen Heften, die in kurzer Folge zur Aus-
gabe gelangen; je sechs Hefte bilden einen Band. Der Preis
eines jeden Bandes beträgt M. 48.—. Die Biochemische Zeit-
schrift ist durch jede Buchhandlung sowie durch die unter-
zeichnete Verlagsbuchhandlung zu beziehen,
In der Regel können Originalarbeiten nur Aufnahme finden, wenn ste
nicht mehr als 1'/, Druckbogen umfassen. Sie werden mit dem Datum des
Eingangs versehen und der Reihe nach veröffentlicht, sofern die Verfasser
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werden nur dann zugelassen, wenn sie eine tatsächliche Richtigstellung ent-
halten und höchstens 2 Druckseiten einnehmen.
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Herrn Prof. Dr. C. Neuberg, Berlin-Dahlem, Hittorfstr. 18,
zu richten.
Die Verfasser erhalten 60 Sonderabdriicke ihrer Abhandlungen kosten-
frei, weitere gegen Berechnung. Für den 16 seitigen Druckbogen wird ein
Honorar von M. 40.— gezahlt.
Verlagsbuchhandlung Julius Springer
Berlin W 9, Linkstraße 23/24.
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111. Band. | Inhaltsverzeichnis. 1./3. Heft.
Seite
Stosius, Karl und Karl Wiesler. Über den Ort der Doppelbindung
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Stepp, Wilhelm und Wilhelm Engelhardt. ‘Uber die quantitative
Bestimmung von Aceton und Aldehyd in ein und derselben
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Köhler, Erich. W eitere Beiträge zur physiologie der Hefe.. . 17
Pribram, Hugo und Gustav Herrnheiser. Zur Kenntnis der adialy-
sabeln Bestandteile des Menschenharnes . . 2 2 2 2 2 20. 30
Kochmann, M. Beitrag zur Kenntnis der W irkung des Kohlenoxyds 39
Straub, H. und Klothilde Meier. Blutgasanalysen. VII. Der Einfluß
von Bor, Aluminium und Lanthan auf Hämoglobin und Zelle 45
Straub, H. und Klothilde Meier. Blutgasanalysen. VIII. Der Ein—
йш einiger Digitaliskörper auf die lonendurchgängigkeit mensch-
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Baumgardt, Gertrud und Maria Steuber. Ein Beitrag zur Kenntnis
des Gaswechsels bei Knaben Е 83
Biberfeld, Johannes. Zur Kenntnis der Gewöhnung. IV. Uber
Gewöhnung an Kodeinderivate (Eukodal und Parakodin) . e SI
Michaelis, L. Die Bedeutung der Magensalzsiiure . . 105
Feigl, Joh. Uber das Vorkommen von Phosphaten im menschlichen
Blutserum. XI. Hyperphosphatämie und „Salzreętentiou“ bei
%/ ᷣ f 215 5 ⁰ VVVWulAn Bee ene DEEN . 108
Копа, P. und P. Gyorgy. Zur Kenntnis der Urease. Zugleich ein e
Beitrag zum Studium der Giftwirkungen . . 115
Rona, P. und H. Petow. Beiträge zum Studium der Giftwirkungen.
Versuche über die Giftwirkung des Thiodiglykols und seiner Deri-
Vals Өй Bojabahneninehse. =. au ĩ A ж ж» 134
Rona, P. und E. Bach, Beiträge zum Studium der Giftwirkung.
Uber die Wirkung des Atoxyls auf Serumlip asse 166
Uber den Ort der Doppelbindung bei der Ricinolsäure.
Von
Karl Stosius und Karl Wiesler.
(Aus dem pathologisch-chemischen Laboratorium der Krankenanstalt
Rudolfstiftung, Wien.)
(Eingegangen am 31. Juli 1920.)
Wie in einer vorhergehenden Abhandlung!) erwähnt, hatten
wir bei der Darstellung der — als Ausgangsmaterial für die
Elektrosynthese der Tetradekamethylendicarbonsäure benötig-
ten — Azelainsäure aus Ricinusöl Gelegenheit zu einigen bemer-
kenswerten Beobachtungen, über welche wir hier berichten wollen.
Für die Darstellung der Azelainsäure aus Ricinusöl kamen
zwei Methoden in Betracht: die Oxydation des Ricinusöls mit
Salpetersäure?) oder die Oxydation der Ricinolsäure in al-
kalischer Lösung mit Kaliumpermanganat nach Maquenne?).
Mit Rücksicht auf die Ausbeute wählten wir die letztere Methode,
nach welcher angeblich die Azelainsäure in einer Menge von
25% der verwendeten Ricinolsäure erhältlich sein soll. Wir
erhielten auch ungefähr die angegebene Menge Dicarbonsäure,
jedoch erwies sich diese als ein Gemisch fast gleicher Teile Azelain-
säure und Korksäure.
Als Ursache für die Bildung der Korksäure neben der Azelain-
säure sind drei Möglichkeiten denkbar, nämlich a) daß in der
Ricinolsäure zwei Isomere im Gleichgewicht vorhanden sind
CH; - (CH,), CHOH. CH, - CH = CH. (CH,),- COOH =
CH; - (CH),), - СНОН. (CHA. CH = ОН. (CH,), - COOH
oder b) daß die Korksäure erst durch Oxydation der primär
gebildeten 4 Azelainsäure entsteht, oder c) daß das unter a) er-
) Diese Zeitschr. 108, 75. 1920.
1 Arppe, Ann. 120, 288; 124, 86.
) Bl. (3) 21, 1061. 1899.
Biochemische Zeitschrift Band 111. :
2 K. Stosius und K. Wiesler:
wähnte Gleichgewicht sich erst in der alkalischen Lösung einstellt.
Der Fall a) wird scheinbar durch Behrends Strukturbeweis!)
ausgeschlossen. Es wird dort für die aus der Ricinolsäure dar-
gestellte Ketooxystearinsäure durch die Beckmannsche Umlage-
rung des Oxims und Spaltung der Umlagerungsprodukte folgende
Formel bewiesen:
CH, - (CH,), - CHOH - CH = СН. CO. (CH,),COOH .
Daraus rückschließend werden folgende zwei Möglichkeiten
für die Stelle der Doppelbindung in der Ricinolsäure abgeleitet:
СН, . (СН,), · CHOH - CH, - CH = СН. (CH,), COOH
oder
CH, . (СН,), · СНОН. (CH,),CH = CH - (CH,), СООН.
Die Wahl zwischen diesen beiden wird nun auf Grund der
Tatsache getroffen, daß bei der Oxydation Azelainsäure ent-
steht; da die zweite Formel dies nicht zu erklären vermag, wird
die erste als richtig angenommen. Dieser Schluß ist aber nicht
ganz einwandfrei; denn die von Arppe bei der Oxydation des
Ricinusöls mit HNO, und nun auch in dieser Arbeit bei der
Oxydation der Ricinolsäure mit KMnO, in alkalischer Lösung
konstatierte Tatsache, daß neben der Azelainsäure auch Kork-
säure entsteht, läßt noch die zweite Möglichkeit offen.
Die Entscheidung brachte erst die kürzlich veröffentlichte
Arbeit Noorduyns?), der für die Ricinolsäure durch Spaltung
des Ozonids nach der Methode von Harries die erstgenannte
Formel bewies.
Was den Fall b) betrifft, so haben wir auf Azelainsäure in
alkalischer Lösung eine Lösung von KMnO, unter den gleichen
Konzentrations- und sonstigen Bedingungen einwirken lassen
wie bei der Oxydation der Ricinolsäure, konnten aber im Reak-
tionsprodukt keine Spur von Korksäure nachweisen. Schmelz-
punkt, Titer und Kristallform waren völlig unverändert ge-
blieben. Es kann also die Korksäure nicht durch Weiteroxydation
der Azelainsäure entstanden sein. Nach Ausscheidung der beiden
anderen Möglichkeiten bleibt nur die unter c) erwähnte An-
nahme möglich, daß durch die Einwirkung des Alkali die Doppel-
bindung teilweise um ein C-Atom gegen die Carboxylgruppe
1) B. 29, 806. 1896. |
2) C. 1920, I, 731 (Rec. trav. chim. Pays-Bas 38, 317. 1919).
Ort der Doppelbindung bei der Ricinolsäure. - 3
hin verschoben wird, und zwar wäre dann auf Grund der Mengen-
verhältnisse der Ausbeuten an Azelainsäure und Korksäure das
Gleichgewicht als ziemlich in der Mitte liegend anzunehmen.
Diese Annahme steht in Analogie mit dem Ergebnis der um-
fassenden Arbeiten Fittigs und seiner Mitarbeiter 1), durch
welche nachgewiesen wurde, daß durch Einwirkung von sieden-
dem Alkali auf Aaf oder APr ungesättigte einbasische Säuren
die Doppelbindung teilweise verschoben wird, und zwar derart,
daß immer ein Gleichgewicht zwischen der 4 f- und der APr-Säure
entsteht; daneben tritt auch Wasseranlagerung unter Bildung
der ß-Oxysäure ein.
Ähnlich dürfte es sich auch bei der Ricinolsäure verhalten.
Bei der Oxydation des Gemisches beider Isomere entsteht dann aus
CH, . (CH); · CHOH . CH, - CH = СН. (CH,), COOH
die Azelainsäure und aus.
СН, - (CH,), - CHOH - (CH.) - CH = СН. (CH,), - COOH
die Korksäure.
Fittig hat außer den 4*f und Ar ungesättigten Säuren
nur eine Arò-Säure, die Allylessigsäure?) auf ihr Verhalten gegen
Alkali untersucht und konstatiert, daß eine Verschiebung der
Doppelbindung in der Richtung gegen die Carboxylgruppe nicht
eintritt. Dadurch ist aber die Möglichkeit nicht ausgeschlossen,
daß die Verschiebung ähnlich wie bei den A«#-Säuren in der
entgegengesetzten Richtung eintritt und wieder ein Isomeren-
paar — die 4r3- und die A°:-Säure — liefert. Ubergeht man
dann das folgende Paar — die 4. und die 4°”-Säure, über
welche keine Beobachtungen vorliegen —, so kommt man zu
dem Isomerenpaar der 4% und der 4°:-Säure, zu welcher
Gruppe der Fall. der Ricinolsäure in Analogie stünde.
Diese Analogie wird durch folgendes Schema übersichtlich
gemacht, in welchem je drei zusammengehörige Kohlenstoff-
atome — entsprechend je zwei isomeren ungesättigten Säuren —
durch eine Klammer verbunden sind:
1) В. 24, 82. 1891; 26, 40. 1893; 27, 2676. 1894.
3) В. 2%, 2676. 1894.
1*
4 K. Stosius und K. Wiesler:
Die Analogie erstreckt sich auch auf die Tatsache, daß die
aus der Ricinolsäure dargestellte Ricinstearolsäure — für welche
ebenfalls die Möglichkeit von zwei Isomeren denkbar ist — durch
Wasseranlagerung immer zur ö-Ketooxystearinsäure führt, ebenso
wie durch Wasseranlagerung an die AH. oder die Afr-Säure
immer die 8-Oxysäure entsteht, der Sauerstoff also an das mittel-
ständige C-Atom tritt.
Die Annahme einer teilweisen Verschiebung der Doppel-
bindung in der Ricinolsäure durch Einwirkung der siedenden
Kalilauge vermag also das Auftreten der Korksäure neben der
Azelainsäure zu erklären und wird durch die Analogie mit Fittigs
Arbeiten gerechtfertigt, wäre jedoch wohl noch durch einen
direkteren Beweis zu bekräftigen.
Experimenteller Teil.
Darstellung der Ricinolsäure.
Die Verseifung der Ricinolsäure geschah mit überschüssiger alkoho-
lischer Natronlauge. 150g Ricinusöl wurden mit 240 ccm einer 4 normalen
alkoholischen Natronlauge eine halbe Stunde lang auf dem Wasserbade
erwärmt und dann einige Minuten gekocht. Hierauf wurde die Lösung mit
dem gleichen Volumen heißen Wassers verdünnt und mit verd. Schwefel-
säure angesäuert. Die Ricinolsäure schied sich als unlösliches Öl an der
Oberfläche ab. Sie wurde mit heißem Wasser gewaschen und bei 100°
getrocknet. Die Ausbeute betrug 135 g Ricinolsäure, d. i. 90% vom Ge-
wichte des Ricinusöls.
Oxydation der Rleinolsäure nach Maquenne.
Diese rohe Ricinolsäure wurde der Oxydation unterworfen. 30g
Ricinolsäure wurden mit 200 ccm einer 40 proz. Kalilauge versetzt und mäßig
gekocht. Die zähflüssige Seife wurde auf einmal in einen 21 fassenden Kolben
gegossen, der 75g KMnO, in 11 lauwarmem Wasser enthielt. Als kein
festes KMnO, mehr am Boden des Kolbens vorhanden war, wurde noch
eine halbe Stunde auf dem Wasserbade.erwirmt. Nun wurde mit heißer
1: 3 verdünnter Schwefelsäure (90 g H,SO,) bis eben zur sauren Reaktion
versetzt, und zwar in ganz kleinen Portionen, da die Mischung sich dabei
stark erhitzte und infolge der Entwicklung von CO, aufschäumte. Dabei
wurde der äußerst charakteristische Geruch des Önanthols beobachtet, der
aber später wieder verschwand.
Nach Beendigung der Reaktion wurde die heiße Flüssigkeit filtriert,
der Rückstand auf dem Filter gründlich mit heißem Wasser gewaschen und
schließlich noch mit Wasser ausgekocht, da er viel organische Substanz
hartnäckig festhält. |
Die vereinigten Filtrate wurden auf 500ccm eingeengt. Nach dem
Abkühlen trat reichliche Kristallisation ein, welche aber nur aus anorga-
Ort der Doppelbindung bei der Ricinolsäure. 5
nischer Substanz — K,SO, — bestand. Auch bei öfterer Wiederholung
gelang es nie, nach der Oxydation von je 30 g Ricinolsäure durch Einengen
des Filtrats auf 500 ccm eine Kristallisation von Azelainsäure zu erhalten.
Immer kristallisierte anorganische Substanz aus. Nach der Angabe Ma-
quennes aber sollte man hier eine reichliche Kristallisation von Azelain-
säure, die nach zweimaligem Umkristallisieren völlig rein ist, in einer’ Aus-
beute von 25%, des Gewichtes der Ricinolsäure erhalten. Dies ist bei den
angegebenen Mengenverhältnissen nicht der Fall.
Man erhält jedoch eine Kristallisation von organischer Substanz,
wenn man die Lösung statt auf 500 cem nur auf ca. 800 ccm einengt und
abkühlen läßt. Diese Kristalle wurden aus heißem Wasser zweimal um-
kristallisiert. Der Schmelzpunkt war aber auch dann nur 103°; doch hatten
die Kristalle die für die Azelainsäure charakteristische Form vierseitiger
Tafeln. Die Ausbeute betrug 10% des Gewichts der Ricinolsäure.
Nach Abscheidung dieser organischen Kristallisation enthielt aber
die Mutterlauge neben großen Mengen anorganischen Salzes noch orga-
nische Substanz, welche durch Ausäthern der Lösung in einer Menge von
nochmals ca. 10% des Gewichtes der Ricinolsäure gewonnen wurde. Beim
Umkristallisieren dieses Produktes aus Wasser stieg der Schmelzpunkt
schließlich bis 115°, war aber auch dann noch unscharf.
Um einen Anhaltspunkt zu gewinnen, wurde diese Substanz ur
siert. Die Titration mit "/,)-Natronlauge ergab:
Berechnet für für
(CH:): (COOH), (CH,)s(COOH),
0,1331 g Subst. verbrauchten 14,85 cem 14,17 15,29
0,1323 g „ be 14,78 ccm 14,08 15,21
Die Werte waren also fiir Azelainsäure zu hoch und deuteten darauf
hin, daß neben Azelainsäure noch eine andere Säure mit kleinerem Mole-
kulargewicht vorhanden war.
Ein ähnliches Resultat lieferte die Verbrennung:
3,463 mg Subst. gaben 7,105 mg CO, und 2,597 mg H,O.
In 100 Teilen Berechnet für (CH,),(COOH), für (CH-) (COOH),
C. . . 55,97 57,45 55,17
H.... 8,39 8,51 8,04
Auch die Kristallform war von jener der Azelainsäure ganz verschieden
und bestand in zarten büschelförmig angeordneten Nadeln.
Diese Beobachtungen entsprachen ganz der von Laurent!), Ax ppe?)
u. a. bei der Oxydation von Ölsäure, Ricinusöl und anderen Fetten mit Sal-
petersäure bemerkten Tatsache, daß Azelainsäure und Korksäure neben-
einander entstehen. Es war also naheliegend, auch hier anzunehmen, daß
ein Gemisch dieser beiden Säuren vorlag. Diese Annahme entsprach auch
1) Ann. 28, 258.
2) Ann. 120, 288.
6 K. Stosius und K. Wiesler:
den obigen Analysenresultaten, wenn man diese mit den danebengestellten
Werten für Korksäure und Azelainsäure verglich.
Zur Isolierung beider homologer Säuren wurde die Methode der frak-
tionierten Trennung verwendet, welche auf der Verschiedenheit ihres elektro-
lytischen Dissoziationsgrades beruht.
2,14 g des Säuregemisches wurden in Wasser gelöst und mit Natron-
lauge eben neutralisiert. Zur Lösung wurde dann nacheinander je !/, der
aus obiger Titration berechneten Säuremenge, d. i. je 60 ccm einer /.
Salzsäure, zugefügt. Nach jedem Säurezusatz wurde mit Äther die gebildete
freie Säure extrahiert. Nach dem Abdestillieren des Äthers wurde jede der
vier Fraktionen aus Wasser umkristallisiert. Die erste Fraktion war Aze-
lainsäure, die nach einmaligem Umkristallisieren vollkommen rein war;
Schmelzp. 106°. Die zweite und die dritte Fraktion waren wieder Gemische,
die vierte aber hatte den Schmelzp. 138°, der durch Umkristallisieren auf
140°, den Schmelzpunkt der Korksäure, stieg. Von jeder Fraktion wurde
eine gewogene Menge mit "/,,- Natronlauge titriert und das Resultat
auf 0,1 g Substanz umgerechnet, um vergleichbare Werte zu erhalten.
1. Fraktion: 0,1067 g Substanz verbrauchten 11,40 cem
oder 0,1 g e e 10,69 „
2. Fraktion: 0,1089 g 59 Ge 11,85 „
oder 0,1 g НА H 10,88 „
3. Fraktion: 0,1028 g РМ S 11,55 „
oder 0,1 g H SH 11,23 „
4. Fraktion: 0,1058 g is КЕ 12,18 „
0,1030 g e j 11,80 „
oder 0,1 g s 2 11,47 „
Die Verbrennungen ergaben: S
1. Fraktion: 3,268 mg Substanz gaben 6,879 mg CO, 57,41% C
und 2,481 mg H,O 8,50% H
2. Fraktion: 3,488 mg Substanz gaben 7,266 mg CO, 56,83% C
und 2,601 mg H,O 8,34% H
3. Fraktion: 3,916 mg Substanz gaben 8,034 mg CO, 55,97% C
und 2,904 mg H,O 8,30% H
4. Fraktion: 3,177 mg Substanz gaben 6,452 mg CO, 55,40%, С
und 2,354 mg Н,О 8,29% H
Diese Analysenresultate sind zum Vergleiche mit dem für Azelainsäure
und Korksäure berechneten Werten in folgender Tabelle zusammengestellt:
0,1g Substanz Prozentgehalt an
verbrauchen ccm C H
Berechnet für Azelainsaure 10,64 57,45 8,51
Gefunden bei Fraktion 1 ....... 10,69 57,41 58,50
55 ji Ge „ 10,88 56,83 8,34
» » e = ve. sah eae ane 11,23 55,97 8,30
» 55 e Be ыз abe. Жо 11,47 55,40 8,29
Berechnet für Korksäure ....... 11,50 56,17 8,04
Ort der Doppelbindung bei der Ricinolsäure. 1
Damit war also erwiesen, daB bei der Oxydation der Ricinol-
siure in alkalischer Lösung mit KMnO, Azelainsäure und Kork-
säure nebeneinander entstehen. Was die Ausbeute betrifft, so
betrug das Gesamtgewicht der gewonnenen organischen Substanz
ca. 20%, des Gewichtes der Ricinolsäure; davon entfielen ca. 12%
auf Azelainsäure und ca. 8%, auf Korksäure.
Die Elementaranalysen wurden nach Pregls mikroanaly-
tischer Methode durchgeführt.
Uber die quantitative Bestimmung von Aceton und
Aldehyd in ein und derselben Flüssigkeit.
Von
Wilhelm Stepp und Wilhelm Engelhardt.
(Aus der Medizinischen Klinik zu Gießen [Prof. Voit].)
(Eingegangen am 29. Juli 1920.)
In einer vor kurzem in dieser Zeitschrift erschienenen Mit-
teilung hatte der eine von uns (Stepp) über den Befund von
aldehydartigen Substanzen im Blute von Diabetikern berichtet!).
Als wir nun gemeinschaftlich daran gingen, die quantitativen
Verhältnisse zu studieren, stießen wir sehr bald auf Schwierig-
keiten. In den Fällen, wo das Blut aldehydartige Substanzen
enthielt, war nämlich gleichzeitig auch stets Aceton zugegen,
dessen Anwesenheit sich bei der Aldehydbestimmung störend
bemerkbar machte. Umgekehrt störte bei dem für die Bestimmung
des Acetons gewöhnlich benutzten Verfahren die Gegenwart
von aldehydartigen Körpern; wir werden diese Verhältnisse im
folgenden ganz kurz besprechen. |
Fur die quantitative Ermittlung дев Acetons ist das уоп Messinger-
Huppert angegebene Verfahren in der Art, wie es E m bde n und Schmitz)
ausführen, ganz vortrefflich geeignet; es gibt, wenn man sich an die ge-
gebenen Vorschriften halt, sehr genaue Werte.
Ebenso geeignet wie das Messinger-Huppertsche Verfahren fiir die
Ermittlung des Acetons ist fiir die Bestimmung der Aldehyde (die von
Ripper angegebene Methode?) der Bindung an Bisulfit; auch hier ist die
Genauigkeit sehr groß.
Nun reagieren aber bei der Ausführung des Messinger-Huppertschen
Verfahrens neben dem Aceton auch die gleichzeitig vorhandenen Aldehyde
\
1) W. Stepp, diese Zeitschr., 10%, 60. 1920.
2) Embden u. Schmitz im Handbuch der biochem. Arbeitsmethoden
Bd. III, 2, S. 913 und 915. 1910.
3) Max Ripper, Sitzungsber. d. Akademie d. Wissenschaften, ma-
them.-naturw. Klasse, Abt. 2b 108—109, 844. 1899—1900.
W. Stepp und W. Engelhardt: Quant. Best. von Aceton u. Aldehyd. 9
mit Jod und Alkali unter Jodoformbildung und umgekehrt wird bei der
Ripperschen Methode nicht nur Aldehyd, sondern auch vorhandenes Aceton
angelagert.
Dem Messinger-Huppertschen Verfahren liegen die folgenden Glei-
chungen zugrunde:
I. 2 NaOH + J, = NaOJ + NaJ + H,O.
II. CH,COCH, + 3 NaOJ = СН + CH,COONa + 2 NaOH.
Wie aus Gleichung II hervorgeht, verbraucht 1 Molekül Aceton 3 Mole-
küle Natriumhypojodit. Nach Gleichung I sind zur Bildung von 1 Molekül
Natriumhypojodit 2 Atome Jod nötig, so daß schließlich 1 Molekül Aceton
6 Atome Jod erfordert. Beim Arbeiten mit ®/,,-Jodlésung entspricht somit
jedem für die Jodoformbildung verbrauchten Kubikzentimeter Jodlösung
½ ccm 2/,,-Acetonlésung. Man erhält so in Zahlen ausgedrückt, da das
Molekulargewicht des Acetons 58 beträgt, für jeden Kubikzentimeter Jod-
lösung one = 0,0009666... g Aceton oder, wie man gewöhnlich zu
schreiben pflegt, 0,967 mg.
Bei der Aldehydbindung an Jod handelt es sich um den gleichen
chemischen Vorgang. Die Gleichung lautet hier:
CH,CHO + 3 NaOJ = CJ,H + HCOONa + 2 NaOH.
Also auch hier werden für 1 Molekül Aldehyd 3 Moleküle Natrium-
hypojodid gebraucht, zu deren Bildung 6 Atome Jod nötig waren, nur daß
hier an Stelle von Essigsäure Ameisensäure entsteht. Die Berechnung ge-
staltet sich analog der beim Aceton. 1 ccm zur Jodoformbildung verbrauch-
ter Jodlösung entspricht / ccm n/i-Aldehydlösung oder a = 0,00073 g
Aldehyd, da das Molekulargewicht des Aldehyds 44 betrigt.
Man könnte nach dem, was hier auseinandergesetzt wurde, erwarten,
daß die Bestimmung des Aldehyds mittels der Jodoformbildungsmethode
ebenso leicht und elegant durchzuführen wäre, wie die des Acetons. Diese
Erwartung hat sich nach den Untersuchungen von Boas, Jerusalem,
besonders aber nach den eingehenden Studien von O. v. Fürth und D. Char-
nass!) nicht bestätigt. Je nach der Verdünnung des Aldehyds findet man
nur einen verschieden großen Anteil der theoretisch geforderten Menge
(etwa zwischen 32 und 79%); die Methode ist also in der gewöhnlichen
Form nicht brauchbar. Nun haben Fürth und Charnass ganz bestimmte
Bedingungen herausgefunden, bei deren Einhaltung es gelingt, richtige
Werte zu bekommen. Diese Bedingungen sind: Hochgradige Verdünnung
der Aldehydlösung, Zusatz der Jodlösung in kleinen Portionen zu der
stark alkalischen Lösung, Einhaltung einer niedrigen Temperatur wäh-
rend des ganzen Prozesses?).
Man könnte also für die Zwecke der gleichzeitigen Bestimmung von
Aceton und Aldehyd nebeneinander nach Messinger - Huppert zuerst
1) O. v. Fürth und Char nass, diese Zeitschr. 26, 199. 1910.
2) Näheres siehe in der Arbeit von Fürth und Char nass, 1. c.
10 W. Stepp und W. Engelhardt:
dic gesamte Jodbindung feststellen, indem man die von Fürth und Char-
nass angegebenen Bedingungen einhält, dann durch Kochen mit Silberoxyd
am Rückflußkühler in der von Embden - Masuda!) angegebenen Weise
die Aldehyde zerstören und dann wiederum die Jodbindung feststellen. Es
würde sich dann die noch verbleibende Jodbindung als Aceton, die Diffe-
renz zwischen Gesamt- und Rest-Jodbindung als Aldehyd berechnen.
Nun sagen aber Fürth und Charnass ausdrücklich, daß die Jodoform-
bindungsmethode für die Ermittlung der Aldehyde in ihren Leistungen
hinter dem Ripperschen Verfahren weit zurückbleibe, das, wie wir bereits
in der Einleitung betonten, das gegebene Verfahren für die Aldehydbestim-
mung ist. Es fragt sich also, ob und inwieweit die Rippersche Methode
brauchbar ist, wenn es gilt, gleichzeitig vorhandenes Aceton quantitativ
mit zu erfassen. Die Addition von Aceton an Bisulfit vollzieht sich im
Prinzip genau so wie die von Aldehyd, wie aus den folgenden Gleichungen
hervorgeht:
I. CH,CHO + SO, HNa = CH,- CH(OH)- OSO, Na
II. CH,COCH, + SO,HNa = (СН,), · C(OH)-0-SO,Na `
Von diesem Gesichtspunkt aus hat A. Jolles 2) das Bisulfitverfahren zur
quantitativen Acetonbestimmung empfohlen. Wie aus den Formeln hervor-
geht, verbrauchen sowohl 1 Molekül Aldehyd wie 1 Molekül Aceton je 1 Mole-
kül Bisulfit. Da nun 1 Molekül Bisulfit zur Oxydation 2 Atome Jod ver-
braucht nach der Gleichung:
SO, + J; + 2 HO = H, SO,. + 2 HJ,.
so entspricht 1 ccm ®/,„-Jodlösung 4/, ccm 1/10-Aldehyd bzw. 3/,9-Aceton.
Da das Molekulargewicht des Acetaldehyds 44, das des Acetons 58 ist, so
zeigt 1 com Jodlösung © 85 = 0,0022 g Aldehyd und = 0,0029 g
Aceton an.
Eine Schwierigkeit stand indessen der praktischen Verwertung der
Ripperschen Methode für die Acetonbestimmung im Wege, nämlich die
Tatsache, daß das Aceton in verdünnten Lösungen nur sehr langsam und
träge mit dem Bisulfit reagiert. Nach den Untersuchungen von Jolles
muß man das Reaktionsgemisch wenigstens 30 Stunden stehenlassen,
wenn man sicher sein will, daß alles Aceton gebunden ist. Das ist natür-
lich sehr umständlich, und ein weiterer Nachteil ist die leichte Veränder-
lichkeit des Titers der Bisulfitlösung, die es notwendig macht, stets eine
Kontrolle anzustellen, die die Titerabnahme angibt.
Bei dieser Lage der Dinge schien es uns erwünscht, in einer
größeren Zahl von Versuchen in Gemengen von reinen Aceton-
und Aldehydlösungen die beiden Körper quantitativ sowohl
mit der Jodoformmethode wie mit der Bisulfitmethode zu be-
stimmen. Die verwendeten Präparate stammten von der Firma
1) Diese Zeitschr. 45, 140. 1912.
2) Chem. Ber. 39, 1306. 1906.
Quantitative Bestimmung von Aceton und Aldehyd. 11
Kahlbaum; der Acetaldehyd trug die Bezeichnung „Acet-
aldehyd konz. (ca. 95%)“.
Es kam uns hierbei nicht darauf an, mit absolut reinen Prä-
paraten zu arbeiten, sondern wir stellten uns wäßrige Lösungen
her, deren Gehalt wir beim Aceton mit dem Messinger-Huppert-
schen und beim Acetaldehyd mit dem Ripperschen Verfahren -
bestimmten. Aus den Lösungen wurden dann die Gemische be-
reitet, die wir zu den Versuchen verwandten.
Wir haben zunächst stark verdünnte Acetonlösungen ver-
gleichend nach Messinger-Huppert und nach Ripper unter-
sucht. Die Tabelle I gibt eine Übersicht über eine solche Ver-
suchsreihe, bei der eine etwa 0, 1 proz. Lösung verwendet wor-
den war.
Tabelle I.
5 von Aceton in reinen een
Messinger-
Rippersches Verfahren (in der Ausführung nach Ad. Jolles) uppertsches
Verfahren
Titer des vorgelegten 8 A "We | z 2 2 ы $ |
Menge d. Vorge- |Bisulfits, ausgedrückt! = © © 2 - 3 © EE Ace Aceton
Aceton- |legtesn/,-) іп ccm n/w-Jodlösg. | = © = 5 328828 ton- e |
lösung | Bisulfit nach |5“ 951655 5 e|menge| Menge
| vor dem | „55 eid 08 9 |
Vaask. | 50 stg. 833271 © a |
ccm cem ersuen Stehen ^з | ccm | in mgr in mgr
er. у ү — — — | м i бе — = :
0.5 3 48 47 {5 45 | 0,25 0,725 0,735
] 10 16,2 16,1 15,65 | 0,45 1,3 1,12
2 10 16,2 | 16,1 15,25 085 | 2,47 2,19
4 10 16,2 | 16,1 14,45 | 1,65 | 4,79 4,41
6 | 10 | 162 16,1 | 138 | 23 6,67 6,54
БЕ в 965 | 9.6 65 | 31 8,99 8,67
Die Tabelle gibt über alle Einzelheiten unseres Vorgehens
näheren Aufschluß. Es wurden steigende Mengen der Aceton-
lösung verwandt (0,5, 1, 2, 4, 6, 8 ccm), so daß man die mittels
jeder Methode erhaltenen Werte auch untereinander gut ver-
gleichen konnte.
Die mit den beiden Methoden erhaltenen Acetonwerte
finden sich in den beiden letzten Spalten der Tabelle. Wir sehen,
daß die den steigenden Mengen der Lösung entsprechenden Aceton-
werte recht genau proportional in die Höhe gehen. Aber auch
die Übereinstimmung der mit den beiden Methoden gefundenen
Werte untereinander ist sehr gut, die Differenzen übersteigen
ER W. Stepp und W. Engelhardt:
nicht Bruchteile eines Milligramms. Die Angaben von Jolles,
daB das Bisulfitverfahren zur Acetonbestimmung sehr gut ver-
wendet werden kénne, werden damit bestitigt; der einzige Nach-
teil ist, daß man das Reaktionsgemisch 30 Stunden stehen lassen
und den Titer der Bilsulfitlösung kontrollieren muß.
In einer weiteren Versuchsreihe haben wir dann reine Alde-
hydlösungen mit den beiden Methoden untersucht. Einige Bei-
spiele gibt die Tabelle II wieder. Auch hier wurden steigende
Mengen der gleichen Lösung verarbeitet, so daß die diesen Mengen
entsprechenden Werte unmittelbar miteinander verglichen werden
können.
Tabelle II.
Bestimmung des Acetaldehyds in reinen Lösungen.
Bipper-
chesVer-
fahren
Messinger-Huppertsches Verfahren
(Modif. nach Fürth-Charnass)
| Thiosul-
Verdün- Jodwert
Menge fatverbr. | Ап Alde-
der Alde- | nung mit Laugen-|der Lauge п/,,-Јой-! ger un- yd
hydlösg. Wasser zusatz n- Jod- zusatz | geb. Jod- geb. Jod-
lösung lösung lösung
сеш | cem | eem | сеш ccm ccm ccm
0,5 500 60 0,36 4 2,6 1,04 | 0,762 1,21
1 500 80 0,48 6 3,65 1,87 | 1,8707 | 2,2
2 500 60 0,36 8 3,8 3,84 | 2,814 | 4.51
2 800 80 0,48 8 3,35 4,17 | 8,0566 k
4 800 60 0,36 10 2.1 7,54 5,5268] 8,8
6 800 60 0,36 15 3,15 11,49 | 8,422 | 18,81
8 800 60 0,36 20 4,95 14,69 10, 7677 17,82
Betrachten wir hier wiederum die beiden letzten Spalten
der Tabelle, in der die mit den beiden Methoden gefundenen Alde-
hydwerte zusammengestellt sind, so zeigt sich hier ein großer
Unterschied. Die mit der Jodoformbindungsmethode erhaltenen
Werte betragen nur etwa 60—70% der mit dem Bisulfitverfahren
erhaltenen. Trotz strengster Einhaltung der von Fürth und
Charnass angegebenen Vorschriften findet man den Aldehyd
hier nicht quantitativ wieder. Auffallend ist nur das eine, daß
der erhaltene Prozentsatz der theoretisch geforderten Menge
anscheinend ziemlich konstant ist, so daß man evtl. durch eine
Anbringung einer Korrektur ungefähr richtige Werte erhalten
könnte.
13
Quantitative Bestimmung von Aceton und Aldehyd.
л 87'6 99 8 ©©© 918 St 9•81
К 9981 9981
9881 60˙9 62 1 L's! 8 x 82
IL .
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78% rated 8 8'0 Тт 8 ы 6˙81
И . 681
87 81 "т wo 16 CU , 8
18
Tot L'O 990 s30 8'6 80 9 ˙8
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зш uy | Эш ч moo uf Zunsgipor- / ofuepY Joujo pusyoosdezue GER 0192 шәә шәә
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ou ogueuln esuewypinsg [238 87 uon] шәр JOA dunsgl
o du o 8 uo Buoys | әсәри! . genen = ЫИ Я eBuounginsier an 18 Bunegy -рАЧәргү
WTA | -u09 4911993 чәрипдә әчәдәпдә Sunsoipor-"t/a ә8пә Ayınsıg-"/a
auepunges euepunged vu ‘punqes pAyapIV 8 Apo- И · Udo
-әртү | -әоү | pagopry ay | uche ug u pomoz | рип uogaoy UY Veiane my | 29919 Puausozdsgus 98919320 | sop озор
; -pAyoply youn -oBsyonsieA шү өЗтәшүдпет
Vpoygewgginsig Jop цови цоѕтшор) шт ZunwwmssqpÄyopfy-U0490Y
AI elle q
5108 199 | gor | 9/9 9 75.0 2 2 ol | OF FO‘9T 95.0 C6 0% ESO ex | 008 01
d Lg свт HO 6 Lg | 730 = = 91 OF 697 980 CEL ae 8 8 8008 91
666 | 6619 8981 | 179 og zO | Sp от | OF +003 980 ot сс |825] 25 || 008 al
WK 69.7 858 | 987 6 70 | oF OT | OF 1891 95.0 82 9 38 34| S7 || 008 8
66% 19% | 807 193 +99 50 e D 8 OF 699 980 сто от 2 | Wm: | 008 F
seht LT | 80% 18.1 OFT wo | 32 6 OF Є 9.0 S'I d NS | Zs | 008 @
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Fu ш | зш uy | шоо | woo na | & | | шәә [шә] шәә = 100 moo | шәә 2 шәә | wo
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2 o 00 e Suansorpor-*"/u a Seel 5 Ss | ZunsgIpof @ | Sunso;por-"/u 2 З 2 3888 8 E
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|
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III 911993,
14 W. Stepp und W. Engelhardt:
Nachdem wir uns so über die Leistungsfähigkeit der beiden
Verfahren, sowohl hinsichtlich des Acetons wie des Aldehyds
Aufschluß verschafft hatten, stellten wir aus gleichen Teilen
der beiden Lösungen, die uns zu den mitgeteilten Versuchen
gedient hatten, Gemische her. In diesen wurde zuerst mit der
Jodoformmethode, dann mit der Bisulfitmethode die Gesamt-
menge von Aldehyd + Aceton ermittelt. Um dann die Menge
von Aldehyd und Aceton im einzelnen zu erfahren, wurde in einem
besonderen Versuch der Aldehyd durch 20 Minuten dauerndes
Kochen mit Silberoxyd am Rückflußkühler (nach Embden-
Masuda!) entfernt, und nun das zurückgebliebene Aceton be-
stimmt. Die auf Aldehyd entfallende Menge ergab sich sehr
einfach durch Subtraktion des auf das Aceton treffenden Jod-
bindungswertes von dem Wert der gesamten Jodbindung.
Tabelle III gibt eine solche Versuchsreihe wieder, in der das
Jodoformverfahren, Tabelle IV eine weitere, bei der das Bisulfit-
verfahren angewendet worden ist. Auch hier sind alle Einzel-
heiten aus den Tabellen zu ersehen?). Zu den in Tabelle IV mit-
geteilten Versuchen wäre noch zu bemerken, daß wir anfangs,
als wir dem Vorschlage von Ad. Jolles folgend das
Gemisch von Aceton und Aldehyd 30 Stunden reagieren
Tabelle V.
Lösungen von Aceton + Acetaldehyd.
(Übersicht über die Ergebnisse der in Tabelle III und IV mitgeteilten
Versuche.)
Zur Bestimmung Es wurden gefunden an Aldehyd und Aceton in mg:
verwandte 5
Menge der n. d. Jodoformbindungsverfahren | nach dem Bisulfitverfahren
. 8 Aldehyd ` Acte "e TT a Aldehyd Aceton
e ES 115
1 0,65 0,64 об 0% . 121 0,73
2 1,5 1,3 2,42 1,3
4- 2,99 2,54 ч 2,32
8 5,9 4,6 4,64
12 9,9 6,2 e i | 6,1
16 10,96 8,74 17,7 | 9,43
1) L е.
2) Da die verwendete Lauge vielfach jodbindende Substanzen ent-
hielt, ist der Jodbindungswert jedesmal besonders verzeichnet.
Quantitative Bestimmung von Aceton und Aldehyd. 15
x
ließen, zu niedrige Werte bekamen. Im weiteren Verlauf
der Untersuchungen stellte sich dann heraus, daß die Reaktions-
zeit noch immer zu kurz war; erst, als wir sie auf42Stunden
ausdehnten, bekamen wir genau übereinstimmende
Werte.
Die Ergebnisse der beiden Versuchsreihen III und IV finden
sich zusammengestellt in Tabelle V. Hier können wir die mit
den beiden Verfahren erhaltenen Werte unmittelbar vergleichen.
Die Übereinstimmung der Acetonzahlen darf in Anbetracht der
mannigfachen Eingriffe, denen die Lösungen bei der gleich-
zeitigen Aldehyd- und Acetonbestimmung unterworfen werden
müssen (Kochen mit Silberoxyd am Rückflußkühler, wobei
Aceton in kleinen Spuren verlorengehen kann, Redestillation usw.),
als sehr gut bezeichnet werden. Im Gegensatz hierzu fällt der
starke Unterschied 'zwischen den mit den beiden Methoden
erhaltenen Aldehydzahlen ganz besonders auf. Das Jodo-
formverfahren ist demnach für die quantitative Be-
stimmung von Aceton und Aldehyd in Gemischen
nicht zu gebrauchen. Das einzige Verfahren, das
genaue Werte liefert, ist das Rippersche; die Reak-
tionszeit muß jedoch auf mindestens 40 Stunden
ausgedehnt werden; die von Jolles für Lösungen
von reinem Aceton als ausreichend befundene Zeit
von 30 Stunden genügt nicht.
Zusammenfassung.
1. Die quantitative Bestimmung von Aceton und Aldehyd,
die nebeneinander in Flüssigkeiten vorkommen, stößt auf Schwie-
rigkeiten, da das für jeden der beiden Körper am besten brauchbare
Bestimmungsverfahren sich nicht auch zur Ermittelung des
anderen Körpers eignet; die für die quantitative Ermittelung
des Acetons vorzüglich geeignete Jodoformmethode gibt für den
Aldehyd zu niedrige Werte, während umgekehrt das den Aldehyd
so genau bestimmende Rippersche Verfahren in der gewöhnlichen
Form der Ausführung beim Aceton versagt.
2. Es wird daher in reinen Lösungen von Aldehyd die von
Fürth und Charnass dafür besonders angegebene Modifi-
kation der Messinger-Huppertschen Methode, mit der es mög-
lich sein soll, Aldehyd quantitativ zu erfassen, nachgeprüft.
16 W. Stepp u. W. Engelhardt: Quant. Best. von Aceton u. Aldehyd.
Dabei werden etwa nur 60—70% der nach Ripper erhaltenen
Werte gefunden. Nach unseren Versuchen bieten also die von
Fürth und Charnass gegebenen Vorschriften keine Gewähr
für die quantitative Ermittelung der Aldehyde nach dem Jodo-
formverfahren.
3. Es wird dann in reinen Lösungen von Aceton die von
Jolles zur Acetonbestimmung empfohlene Anwendung des
Ripperschen Verfahrens, wobei die Reaktionszeit auf 30 Stunden
ausgedehnt werden soll, nachgeprüft und eine ausgezeichnete
Übereinstimmung der dabei erhaltenen Werte mit denen nach
Messinger-Huppert gefunden.
4. Schließlich werden Gemische von Aceton- und Aldehyd-
lösungen einmal dem Jodoformverfahren in der Modifikation
nach Fürth und Charnass, dann dem Ripperschen Verfahren
(mit einer Reaktionszeit von 30 Stunden) unterworfen und во
die gesamte Jodoformbindung bzw. die gesamte Bisulfitbindung
festgestellt. Gleichzeitig wird in anderen Proben des Gemenges
der Aldehyd durch Kochen mit Silberoxyd am Rückflußkühler
nach Embden-Masuda zerstört und nun festgestellt, wie
stark die Bindungswerte durch den Fortfall des Aldehyds ab-
genommen haben.
5. Dabei zeigt sich wiederum die Unbrauchbarkeit des Jodo-
formverfahrens für die Aldehydbestimmung. Mit der Bisulfit-
methode gelingt es dagegen sehr gut, sowohl Aceton wie Aldehyd
quantitativ zu bestimmen, nur muß die Reaktionszeit auf 40 Stun-
den verlängert werden, wenn man sicher sein will, daß alles Aceton
gebunden ist.
Weitere Beiträge zur Physiologie der Hefe.
Von
Erich Köhler.
(Aus dem Botanischen Laboratorium der Hochschule Weihenstephan.)
(Eingegangen am 4. August 1920.)
Mit 1 Abbildung im Text.
A. Über Fermentverbrauch und Fermentersatz.
Nachdem über den Einfluß des Alkohols und des Zuckers
auf die Kinetik der Gärung eine gewisse Klarheit gewonnen
wurde, sell im folgenden die Frage nach der Abhängigkeit der
Gärung von den Faktoren Fermentverbrauch und Ferment-
ersatz einer kurzen Behandlung unterzogen werden.
Methodik: Eine Suspension von Hefe in Leitungswasser
wird in einem Gefäß durch Stehenlassen zum Absitzen gebracht.
Nach dem Abgießen der überstehenden Flüssigkeit wird der
Hefebrei mit einer Zuckerlösung versetzt, durch kräftiges Um-
schütteln in der Lösung suspendiert und in einen Pasteurkolben
eingefüllt. Die Gärung wird mit Hilfe der vom Verfasser!) an-
gegebenen Gasblasenzählung verfolgt. Nach dem Einfüllen
in den Kolben sitzt die Hefe ziemlich rasch ab. Kürzere oder
längere Zeit darauf tritt ein Aufwallen der Hefe ein, verursacht
durch den Auftrieb, der entsteht infolge der zwischen den Hefe-
zellen festgehaltenen Gärungskohlensäure. Das Aufwallen er-
folgt plötzlich; die Zeit, die zwischen dem Zusetzen des Zuckers
und dem Aufwallen verstreicht, gibt in gewissen Grenzen einen
Maßstab ab für die Intensität der Angärung.
Versuch: Ca. 6com Hefebrei gewaschener Weihenstephaner?) Unter-
hefe mit 100 ccm Maltoselösung (4 proz.) versetzt. Temperatur 21°.
Ansetzen des Versuchs 85 15’ (erster Ansatz).
Aufwallen 8» 22°.
1) Diese Zeitschrift 108, 235. 1920.
2) Die betreffende Hefe wurde ca. 24 Stunden nach Erneuerung
des letzten Waschwassers verwendet.
Biochemische Zeitschrift Band 111. 2
18 E. Kohler:
| Zahl der Blasen | Zahl der Blasen
a (in ½ Min.) кош (in ½, Min.)
gh 24° 28 gh ART 37
e gh 267 44 8һ 507 44
gh 28 46 gh 55’ 49
gh 30 41 gh 00’ 46
gh 32’ 29 gh 10° 48
gh 34’ 33 gh 30 34
gh 36’ 30 gh 50 22
gh 38’ 32 10 30 11
gh 40° 32 2h 00 6
Überträgt man die Werte nebenstehender Tabelle in ein
Koordinatensystem, so erhält man Kurve I, bei deren Betrach-
tung die drei Kardinalpunkte a, 6, c auffallen. Wir bezeichnen
das Maximum bei a als vorläufiges Maximum, dasjenige bei
c als Hauptmaximum. Man sieht, daß auf einen sehr steilen
Anstieg der Kurve bis a ein plötzliches Absinken nach 5 folgt.
70 720 80
Minuten
Abb. 1.
Der darauf folgende Anstieg zum Hauptmaximum, der das vor-
läufige Maximum übertrifft, ist weniger steil als der erste An-
stieg. Nachdem das Hauptmaximum erreicht ist, hält sich die
Kurve eine Zeitlang auf annähernd der gleichen Höhe, um dann
langsam abzusinken. |
Um 2 Uhr nachmittags Unterbrechung des Versuchs. Durch-
schütteln und Absitzenlassen der Hefe. Abgießen der Flüssig-
keit und Zugeben einer frischen Maltoselösung, wie beim ersten
Ansatz.
Ansetzen des Versuchs 2,27 (zweiter Ansatz).
Aufwallen 2,30.
$
Weitere Beitrige zur Physiologie der Hefe. 19
| Zahl der Blasen | Zahl der Blasen
Zeit lin у, Min.) Zeit mn ½ Min.)
2h 31’ 21 2h 50’ 16’
2h 32’ 36 2h 52° 13
2h 33’ 47 2h 57’ 14
2h 34’ 46 3h 02’ 15
25 36’ 37 3h 07’ 15
2h 38’ 36 3h 13 19
2h 40’ 33 35 37’ 15
2h 42’ 32 4h 05’ 11
2h 44’ 29 4h 25’ 11
2h 46’ 25 5h 30’ 9
2h 48’ 20’ |
Überträgt man die gewonnenen Werte in ein Koordinaten-
system, so erhält man Kurve II. Punkt a“ (vorläufiges Maximum)
b’ (Minimum), e (Hauptmaximum). Die Gärung setzt bedeutend
rascher ein als bei I. Das vorläufige Maximum a’ ist 7 Minuten
früher erreicht und übertrifft sogar a. Der darauffolgende Ab-
fall nach b’ ist sehr tief im Vergleich zu I. Das Hauptmaximuin c’
erreicht bei weitem nicht das vorläufige Maximum a’.
Einen Versuch zur Analyse der beiden Kurven bringen die
folgenden Ausführungen:
In der zum Versuch verwendeten Hefe ist eine gewisse,
von der Vorbehandlung der Hefe abhängige Quantität akti-
vierter Fermente disponibel: ,,Fermentspiegel.“ Versetzt
man die Hefe mit einem Zucker, der rasch vergoren wird (Maltose),
so wird diese Quantität durch die sofort einsetzende Gärung
rasch aufgebraucht, und die Gärung würde zum Stillstand kom-
men, wenn nicht von der Hefe Ferment restituiert würde. (Ich
spreche vorläufig von „Ferment“ im allgemeinen, wenn auch
Anhaltspunkte vorliegen für die Vermutung, daß es sich um die
„Zymase handelt.) Der Anfangsverlauf der Kurven ist wesent-
lich bedingt durch das Verhältnis Fermentverbrauch zu Ferment-
ersatz. Wenn letzterer mit ersterem nicht Schritt halten kann,
so muß sich dies in einer Abnahme der Gärungsgeschwindigkeit,
also einem Absinken der Kurve, bemerkbar machen. Dies ist
bei dem vorliegenden Versuch der Fall. Je langsamer die Ferment-
restitution erfolgt, desto plötzlicher wird das Absinken eintreten,
und desto tiefer wird der Abstieg sein. Wir müssen uns ferner
vorstellen, daß die Gegenwart des Zuckers als Reiz auf das Plasma
wirkt, und daß die Reaktion auf diesen Reiz in einer bis zur Er-
2 *
20 E. Kohler:
reichung eines Maximums anwachsenden Fermentaktivierung
besteht. Ein solches Maximum ist erreicht bei c. Von nun an
macht sich die Abnahme der Zuckerkonzentration mehr und
mehr geltend. Es wird immer weniger von der disponiblen,
frisch aktivierten Fermentmenge verbraucht, die Kurve sinkt
langsam ab. Es reichert sich also Ferment in der Hefe an, und es
kommt zur Bildung des Fermentspiegels. DaB die Abnahme der
Gärung nach Erreichung des Hauptmaximums in erster Linie
auf die herabgesetzte Zuckerkonzentration zurückgeführt werden
muß und richt auf den Mangel an Fermenten, geht aus der weiteren
Führung des Versuchs hervor.
Wenn man nämlich, nachdem das Hauptmaximum längst
überschritten ist, die noch in Gärung befindliche Hefe von der
alten Lösung befreit und mit einer frischen Maltoselösung
versetzt, so kommt es sofort zu einer stürmischen Gärung, bei
welcher der Fermentspiegel in Kürze aufgebraucht wird. Das
dem vorläufigen Maximum (a) des ersten Ansatzes entsprechende
Maximum a’ wird früher erreicht. Häufig liegt a’ bedeutend
höher als a. Die relative Lage der Punkte a und a’ ist außer
von der Geschwindigkeit des Fermentersatzes von der Stärke
der beiden Fermentspiegel, wie sie vor dem Ansetzen zur Gärung
in der Hefe vorhanden waren, abhängig. Da nun die Gärkraft
der Hefe (die Fähigkeit „Ferment“ zu produzieren) infolge der
vorangegangenen Beanspruchung eine Schwächung erfahren
hat, so eıfolgt ein viel tieferes Absinken der Kurve als beim
ersten Gäransatz (vgl. die einander entsprechenden Punkte b
und 6’), und der zweite Anstieg erreicht bei weitem nicht mehr
die Höhe des ersten (vgl. с und с’). Setzt man die Hefe zum
dritten Male mit einer frischen Lösung an, so zeigen sich die
Unterschiede in verstärktem Maße. Es liegt auf der Hand, daß
die Erscheinung eines vorläufigen Maximums in den Fällen
unterbleibt, wo gar kein oder nur ein schwacher Fermentspiegel
in der verwendeten Hefe vorhanden ist. In solchen Fällen strebt
die Gärung von Anfang an dem Hauptmaximum zu. In unserem
Versuch I wäre das Absinken von a nach b auf Fermentmangel,
das Absinken hinter c auf Zuckermangel zurückzuführen.
Man sieht, daß ein starker Fermentspiegel auch in einer
wenig gärkräftigen Hefe vorhanden sein kann, und daß die bei
der Angärung entwickelte Gärungsintensität nur dann einen MaB-
Weitere Beiträge zur Physiologie der Hefe. 21
stab fiir die Garkraft liefern kann, wenn die Hefe keinen Ferment-
spiegel in den Versuch mitbringt. Die Frage, welche Faktoren
die Bildung des Fermentspiegels bedingen, soll in einer späteren
Untersuchung behandelt werden. Die Überlegung zeigt, daß man
bei Versuchen, in denen der Einfluß von irgendwelchen Stoffen
auf die Fermentproduktion studiert werden soll, zu berück-
sichtigen hat, ob die verwendete Hefe sich in einem Zustand
der Fermentanreicherung befindet, da offenbar ist, daß die
Gärung bei Gegenwart eines Fermentspiegels anderen Gesetzen
folgt als ohne einen solchen.
B. Über den Zusammenhang von Gärung und Wachstum.
1. Assimilation und Gärung.
Die heterotrophen Saprophyten unterscheiden sich von den
autotrophen (grünen) Pflanzen grundsätzlich dadurch, daß sie
auch ihre organischen Nährstoffe aus dem umgeberden Medium
aufnehmen müssen. Die Assimilation der organischen
Stoffe ist — wenigstens in ihren ersten Stufen — an die Peri-
pherie der Zelle verlegt, an die Grenzen von Plasma
und Nährmedium. Dies scheint mir ein wesentlicher Gesichts-
punkt zu sein.
Auch die Tiere sind ja auf organische Nahrungsstoffe an-
gewiesen und nicht imstande, dieselben aus anorganischen Sub-
stanzen aufzubauen. Von vornherein könnte daher erwartet
werden, daß wir bei den Tieren einen ähnlichen Mechanismus
der Nahrungsaufnahme antreffen wie bei den Saprophyten.
Das ist auch bis zu einem gewissen Grad der Fall. Die gebotenen
‚ Nahrungsstoffe müssen in beiden Fällen „körpereigen“ gemacht,
also einer weitgehenden Umformung unterzogen werden. Nur
die Art, wie das gemacht wird, ist grundverschieden. Beim
Tier haben wir den Vorgang der Verdauung. Das heißt, die die
Umformung besorgenden Stoffe werden in einen für den Prozeß
der Umformung bestimmten Hohlraum im Innern des Körpers
ausgeschieden, sezerniert. Die Sekrete sind Ektoenzyme. An-
ders beim Saprophyten. Hier kann eine Sekretion der die Um-
formung besorgenden Enzyme normalerweise nicht in Frage
kommen in allen den Fällen, wo die Nährstoffe in einem flüssigen
Substrat geboten sind. Um eine Enzymverschwendung zu ver-
meiden, müssen die Nahrungsstoffe am Plasma ver-
22 E. Kohler:
/
ankert und im Zusammenhang mit dem Plasma um-
geformt werden. |
Сазе, die an der Регірһегіе дев Leibes gebildet werden,
können ohne weiteres in das umgebende Medium difundieren
und sind infolgedessen verhältnismäßig unschädlich. Fermen-
tative, mit Gasentwicklung verbundene Umsetzungen im Ver-
dauungstraktus eines Tieres, müßten besondere Einrichtungen
zur Ableitung der Gase erforderlich machen. Damit dürfte es
wohl zusammenhängen, daß bei den Tieren von der bei Pilzen
und Bakterien so weit verbreiteten Möglichkeit der Spaltung
unter Gasentwicklung kein Gebrauch gemacht wird.
Die Anpassung an die Verwertung und Assimilierbarkeit
der im Nährmedium gebotenen organischen Substanzen ist bei
den verschiedenen Saprophyten ungleich weit fortgeschritten
und hat sich in verschiedener Richtung spezialisiert. Dieses
Vermögen, organische Stoffe zu verwerten, ist charakterisiert
durch die Fähigkeit der peripheren Bezirke des Plasmas, die
organischen Substanzen, entsprechend der Anpassungsstufe des
betreffenden Organismus entweder unmittelbar als Bausteine
zur Synthse der lebenden Masse aufzunehmen oder sie mit Hilfe
von Fermenten für die Verwendung geeignet zu machen.
Es liegt nahe, die in den Gärungsvorgang eingreifenden
Fermente allgemein mit einer solchen ernährungsphysiologi-
schen Funktion in Beziehung zu setzen, wie das schon für Einzel-
fälle bekannt ist; so wissen wir beispielsweise aus den Versuchen
von F. Ehrlich!), daß die den Hefen gebotenen Aminosäuren
nicht ohne weiteres zum Aufbau der Leibessubstanz Verwen-
dung finden können: sie müssen zuvor vergoren und umgeformt
werden.
Wir bringen also die Gärung allgemein in Zusam-
menhang mit der Assimilation der Nährstoffe. Als
eine schwierige, der Aufhellung bedürftige Frage könnte die fol-
gende erscheinen: Wie kommt es, daß bei der Gärung häufig
so gewaitige Mengen von Stoffen umgesetzt werden, ohne daß
wir in diesem Vorgang einen direkten Vorteil für den Organismus
erkennen können? Wenn wir auch die einleuchtende Annahme
machen, daß der Gärungserreger erst die Spaltprodukte für die
1) Zitiert nach Euler und Lindner, Chemie der Hefe, 1913,
S. 212.
Weitere Beiträge zur Physiologie der Hefe. 23
Assimilation verwenden könne, so müssen wir uns doch fragen,
wie kommt es, daß Spaltprodukte im Überfluß gebildet und nur
zum kleinsten Teil vom Organismus ausgenützt werden? Wir
wissen ja, daß das Wachstum nach ‚dem Gesetz des Minimums‘
erfolgt i). Ein im Überschuß vorhandener Nährstoff ist, soweit
er nicht aufgespeichert wird, für den Organismus als Baustoff
wertlos. Wenn wir auch nachgewiesen hätten, daß die fermen-
tative Girang eine Voraussetzung für die Ausnützbarkeit gewisser
Stoffe für den Aufbau der Leibessubstanz sei, so wäre damit
die Bedeutung der „ überschüssigen“ Gärung noch unklar.
Es ist nun wohl denkbar, daß eine solche Bedeutung über-
haupt nicht vorhanden ist, daB es sich dabei um eine Nebenerschei-
nung der Assimilation handelt, die allerdings bedeutende Aus-
maße annehmen und indirekt durch Erzeugung von Kampf-
stoffen (Lindner, Wortmann) dem Organismus von Nutzen
sein kann. Wir kennen ja eine Fülle von Erscheinungen zweck-
loser Energieentfaltung im ganzen Pflanzenreich. Es sei hier nur
hingewiesen «uf das kürzlich erschienene Werk von K. Goebel“),
in welchem ein bedeutendes Material kritisch verwertet wird.
Die Frage nach der ökologischen Bedeutung der überschüssigen
Gärung braucht uns demnach nicht weiter zu beunruhigen.
Übrigens könnte man den Vorgang in Parallele setzen zu dem
Leuchten der Bakterien und höheren Pilze?).
In der Annahme, es könnten in vielen Fällen erst die Spalt-
produkte für die Ernährung verwendet werden, würde nichts
Befremdendes liegen, sobald sich nachweisen ließe, daß die Spalt-
produkto für die Ernährung verwertet werden können. Wir
wissen beispielsweise, daß das Glycerin und die Brenztrauben-
säure — als Zwischenprodukte der alkoholischen Gärung (Neu-
berg*) — gute Kohlenstoffquellen für Hefen sind. Wie es in dieser
Hinsicht mit dem Acetaldehyd, einem hauptsächlichen Zwischen-
produkte (Neuberg), steht, scheint noch unsicher zu sein.
Daß grüne Pflanzen den als Zwischenprodukt bei der CO,-Assimi-
lation entstehenden Formaldehyd in hervorragender Weise ver-
wenden können, ist bekannt (Bokorny, Grafe, Jacoby)
1) Vgl. Jost, Pflanzenphysiologie, 3. Aufl.
2) Karl Goebel, Die Entfaltungsbewegungen der Pflanzen. Jena 1920.
3) Vgl. Molisch, Leuchtende Pflanzen. Jena 1904.
4) Unters. seit 1910.
24 | E. Köhler:
und es ist von vornherein wahrscheinlich, daß der Acetaldehyd
von der Hefe assimiliert werden kann.
Man könnte sich also vom Mechanismus der Gärung folgende
Vorstellungen machen: Die Gärungsfermente bilden das Substrat
zu Bausteinen um. Diese Bausteine werden zur Plasmasynthese |
verwendet. Hierbei tritt das Gesetz des Minimums in Kraft.
Hat die Zelle für die Bausteine keine Verwendung — und dieser
Fall tritt ein, wenn andere für die Synthese erforderlichen Stoffe
fehlen — so treten diese Stoffe ohne weitere Veränderung oder
nach weiter erfolgtem Abbau als Gärprodukte in Freiheit ).
Machen wir uns diese Vorstellungen zu eigen,
so müssen wir damit rechnen, daß im Falle ausblei-
bender Fermentproduktion ein Wachstum unmöglich
wird. Dies führt uns auf die Frage, von welchen Faktoren ist die
Fermentbildung abhängig?
Um Unklarheiten zu begegnen, müssen zwei mögliche Fälle
der Beeinflussung der Gärung lebender Hefe durch ein Agens
scharf auseinandergehalten werden. Eine stimulierende Wirkung
auf die Lebendgärung kann zustande kommen entweder direkt
dadurch, daB das betreffende Agens die fermentative Uinsetzung
stimulierend beeinflußt, (Beispiel: die COH-Gruppe; Neuberg),
oder indirekt dadurch, daß es die Fermentproduktion fördernd
beeinflußt (,, Reizwirkung“). Diese beiden Möglichkeiten wer-
den nicht immer gebührend auseinandergehalten. Die Beein-
flussung durch ein und dasselbe Agens muß nun offenbar in
beiden Fällen nicht notwendig gleichsinnig sein. Es wäre bei-
spielsweise wohl denkbar, daß ein Stoff auf die zellfreie Gärung
stimulierend, auf die Fermentproduktion dagegen hemmend wir-
ken könnte.
Zur Beantwortung der aufgeworfenen Frage lassen sich ver-
schiedene Beobachtungen heranziehen. Daß im Plasma die not-
wendigen Baustoffe vorhanden sein müssen, ist eine selbstver-
ständliche Voraussetzung. Es spielen aber entschieden noch andere
Faktoren mit, die bis jetzt zu wenig Berücksichtigung erfahren
haben. Wenn wir wieder den Prozeß der Verdauung und Resorp-
1) Diese Vorstellung erlaubt es auch, einen Unterschied zwischen
Atmung und Gärung zu präzisieren. Für die Atmung ist demnach charakte-
ristisch die Zertrümmerung assimilicrter Teile, für die Gärung die Zer-
triimmerung nicht assimilierter Stoffe.
Weitere Beitrige zur Physiologie der Hefe. 25
tion im Tierkörper als Analogon zu Hilfe nehmen, so liegt es nahe,
auch hier wieder an eine vom Nährsubstrat ausgehende Reiz-
wirkung zu denken. ö
In umfassenden Versuchen wurde die Frage nach der Reizwirkung
verschiedener Substanzen auf die Bildung der Gärungsfermente behandelt
inder von Lange!) referierten Arbeit aus dem Institut für Gärungsgewerbe
in Berlin, jedoch ohne daß der Zeitfaktor eine genügende Berücksichtigung
erfahren hätte. — Jacoby?) fand, daß die Kulturen harnstoffspaltender
Bakterien bei vollkommener Abwesenheit von Bouillon zwar am Leben und
entwicklungsfähig blieben, daß aber Entwicklung und Fermentbildung |
gehemmt war. Jacoby gelangt zu der Anschauung, „daß die Entwick-
lungshemmung der Bakterien mit der Hemmung der Ferment-
bildung zusammenhängt und wohl die Entwicklungshemmung
auf die Hemmung der Fermentbildung zurückzuführen ist“.
M. Jacoby fand außerdem, daß Substanzen aus dem Verwandtschaftskreis
der Zucker die Fermentbildung — und damit auch Wachstum und Gärung —
bei den harnstoffspaltenden Bakterien in verschiedenem Maße beeinflussen
und teilt sie nach ihrer Wirksamkeit in vier Gruppen ein. Von den Zuckern
gehören zu den unwirksamen Stoffen z. B. Saccharose und Lactose, zu den
epurenweise wirksamen Maltose, zu den mäßig wirksamen d: Fructose, zu
den hochwirksamen d-Glucose und d-Galaktose.
Es ist nun sehr interessant, daß in einer jüngst erschienenen Veröffent-
lichung von Boas, Leberle und Langkammerer?) ebenfalls festgestellt
wird, daß die Lebenstätigkeit der Hefe in hohem Maß von der gebotenen
Zuckerquelle abhängt. Die Autoren gelangen zur Aufstellung einer Zucker-
reihe in der Folge: Saccharose, Lävulose, Dextrose, Maltose. Wenn auch
nach den eigenen Untersuchungen des Verfassers “) eine gewisse Vorsicht am
Platze ist allen Feststellungen gegenüber, die die Zuckerwirkung betreffen
— da die Konzentration der gebotenen Zuckerquelle von ausschlaggebender
Bedeutung ist —, so ist doch ohne Frage eine spezifische Zuckerwirkung er-
wiesen, die wir auch wied@ mit der von Jacoby festgestellten Wirkung auf
die Fermentbildung in Parallele setzen können.
Die Annahme Jacob ys freilich, daß die fördernde Wirkung
gewisser Substanzen mit deren Verwendbarkeit als Baustoffe
der Urease zusammenhänge, erscheint mir wenig wahrscheinlich.
Nach unserer Vorstellung hätten wir es mit einer Aktivierung
der Fermentbildung zu tun, mit einer Reizwirkung auf die lebende
Substanz, deren Kausalität noch nicht aufgeklärt ist. Dasselbe
gilt wohl auch für die von Boas, Leberle und Langkammerer
1) H. Lange, Wochenschr. f. Brauerei 24, 417. 1907.
2) M. Jacoby, diese Zeitschr. 79 u. 80. 1917.
3) Diese Zeitschr. 105, 199. 1920.
4) E. Köhler, diese Zeitschr. 106, 194. 1920.
26 E. Kohler:
entdeckte „spezifische Zuckerwirkung“. Man braucht dann
auch nicht die an sich unwahrscheinliche Annahme der Autoren
von der Giftigkeit der Saccharose zu teilen. Die Saccharose ist
bekanntlich ein ausgezeichnetes Konservierungsmittel für Hefe
(Hansen); und wenn die Autoren nachgewiesen haben, daß
Wachstum und Gärung bei alleiniger Darbietung von Saccharose
als C-Quelle gering, von Maltose stark, in einer Mischung von
gleichen Teilen Maltose und Saccharose ebenfalls stark ist, so
offenbart sich darin das mangelhafte Vermögen der Saccharose,
die Fermentproduktion anzuregen. Sind die Fermente einmal ge-
bildet, so kann die Saccharose ebensogut verwertet werden wie
die Maltose.
2. Zur Lokalisierung der Gärungsfermente.
Wenn wir finden, daß ganz geringe Unterschiede in den Kon-
zentrationen der auf die Fermentproduktion als Reizstoffe wir-
kenden Substanzen imstande sind, Gärung und Wachstum
tiefgehend zu beeinflussen, so kann die Erwägung, ob die Dif-
fusionsfähigkeit dieser Stoffe (in die Hefe) dabei eine wesentliche
Rolle spiele, außer Betracht bleiben. Die Wirkung der Reizstoffe
ist von ihren osmotischen Eigenschaften weitgehend unabhängig,
und wir sind zu der Vorstellung berechtigt, daß die an der
Gärung direkt beteiligten Umsetzungensichinden
äußeren Regionen des Plasma abspielen. Den Fer-
menten kommt dabei die Rolle von Seitenketten, Receptoren
(im Sinne von P. Ehrlich) zu, die das Substratmolekül ergrei-
fen und umgestalten. (Der Organismus “streckt dem Substrat-
molekül die Fermente sozusagen entgegen.) Die Produkte dieser
Tätigkeit werden dann von anderen benachbarten Seitenketten
ergriffen und weiterhin umgeformt oder zur Synthese verwendet.
Die den meisten Biologen gegenwärtig geläufige Vorstellung, daß
ein Stoff tiefer in das Zellinnere eindringen müsse, um in Wirk-
samkeit zu treten, dürfte sich kaum aufrecht erhalten lassen,
wenigstens soweit sich die Betrachtung auf organische Substan-
zen erstreckt. i)
1) Dasselbe gilt auch für gewisse anorgan. Salze. Denn Paine
fand (Proc. Roy. Soc. B. 84; 1912), daß nach 20 stündiger Einwirkung einer
71% Natriumphosphatlösung auf Hefe der Eintritt von Phosphor in die
Hefe nicht nachweisbar war.
Weitere Beitrige zar Physiologie der Hefe. 27
Wenn wir die mit der Gärung verbundenen Umsetzungen
in die äußeren, an das Nährmedium grenzenden Bezirke des Plasma
verlegen, so lösen sich zwanglos viele Widersprüche, die in An-
betracht der Wirksamkeit eines Stoffes auf Gärung und Wachs-
tum einerseits und dessen osmotischen Eigenschaften andererseits
bestehen. Auch die Möglichkeit, nach C. Neubergs Methoden
den bei der Gärung lebender Hefe als Zwischenprodukt entstehen-
den Acetaldehyd „abzufangen“, ist eine Stütze für unsere Auf-
fassung, was keiner weiteren Auseinandersetzung bedarf.
Zwischen Plasma und Nährmedium ist die Zellmembran
eingeschaltet. Der Quellungs- und Dehnungszustand der Zell-
membran wird ohne Frage die Permeabilität beeinflussen, und
man wird aus diesem Grunde das Studium der Zellmembran nicht
vernachlässigen dürfen.
Im folgenden einige Beispiele davon, wie sich bekannte Er-
scheinungen zwanglos mit unseren Vorstellungen in Einklang
bringen lassen.
Ich zitiere aus einer Arbeit von H. Euler!), „Aktivierung lebender
Hefe durch Hefenextrakt und durch Salze organischer Säuren“ wörtlich:
„Euler und Berggren hatten 1912 die Beobachtung gemacht, daß die
Gärung lebender Hefe durch einen Extrakt von Trockenhefe beschleunigt
wird, und zwar hatten sie unter den von ihnen gewählten Bedingungen eine
Beschleunigung von etwa 100% gefunden ®). Andererseits lag es nahe, diesen
Befund mit der grundlegenden Entdeckung von Harden und Young in
Beziehung zu setzen, daB bei der alkoholischen Gärung zwei Stoffe, bzw.
Stoffgruppen wesentlich beteiligt sind, nämlich das als Zymase bezeichnete
enzymatische Agens und außerdem ein sog. Co-Enzym, das durch seine
Kochbeständigkeit charakterisiert ist?).
Andererseits war a priori nicht zu erwarten, daß die Gärung durch
lebende Hefe bei Zusatz von Co-Encymhaltigem Hefenextrakt eine Be-
schleunigung erfahren würde, denn wie Harden und Young bei Be-
sprechung des Euler- Berggrenschen Befundes hervorhoben®),
ist die lebende Hefenzelle, wenn überhaupt, so nur sehr un-
vollkommen für das Co-Enzym permeabel5). „Demgemäß ist die
1) Zeitschr. f. techn. Biologie, Neue Folge der Zeitschr. f. Gärungs-
physiol. 7, 155. 1919. |
*) Ebenda 1, 203. 1912.
з) Harden u. Young, Proc. Roy. Soc. В. 78, 369. 1906.
4) Harden u. Young, Biochemical Journ. 7, 630. 1913.
5) Von mir gesperrt. Man beachte die Fragestellung! Es ist m. E.
die Frage ebenso berechtigt, ob überhaupt ein Eindringen des Co-Enzyms
in die Zelle weiter als durch die Zellmembran hindurch notwendig ist, damit
es in Wirksamkeit trete.
28 E. Kohler:
von Hardenund You ng aufgeworfene Frage berechtigt, ob die von Euler
und Berggren gefundene Aktivierung nicht auf einen Zuwachs der Hefe
zurückgeführt werden kann.“
Im Verlauf seiner Untersuchungen kommt Euler zu dem Ergebnis,
S. 159: ,,Es bestätigt sich also zunächst unser Versuch vom Jahre 1913, daß
die Gärung durch lebende Hefe bei Zusatz eines nicht enzymatischen Be-
standteils, der als Co-Enzym bezeichnet werden kann, beschleunigt wird,
ohne daß ein Zellenzuwachs eintritt.“ Im weiteren Verlauf der Arbeit ver-
suchte nun Euler die Permeabilität zu verändern, indem er die Hefe der
. Trocknung und der Einwirkung von Alkohol unterwarf. Bei der getrock-
neten Hefe fand er das „auffallende“ Ergebnis, daß keine wesentliche Be-
schleunigung der Aktivierung eintrat, bei der mit Alkohol behandelten
Hefe zeigte es sich, daß „die Gärungsgeschwindigkeit offenbar bedeutend
zurückgegangen war“. Euler bringt diese Ergebnisse nun nicht weiter
mit seiner Fragestellung in Zusammenhang, äußert sich jedoch in einer
Fußnote S. 162: ,, Falls es sich zeigt, daß die Enzymkomponente nicht wesent-
lich durch die Alkoholbehandlung bzw. die Wasserextraktion verändert wird,
würde man in obigen Resultaten weitere Anhaltspunkte für die bereits von
Euler und Berggren geäußerte Vermutung sehen können, daß, außer
dem anorganischen Phosphat und dem Hardenschen Co-Enzym noch wenig-
stens ein weiterer Aktivator an der Gärung wesentlich beteiligt ist.“
Das Ergebnis der Eulerschen Arbeit läßt sich mit der von uns
oben entwickelten Anschauung gut vereinbaren. Weder die
Permeabilität, noch ein weiterer Aktivator ist für die Deutung
der Ergebnisse notwendig; es handelt sich wohl in allen Fällen der
Aktivierung durch Hefeextrakt um eine direkte Reizwirkung
auf das die Enzyme erzeugende Plasma, und diese Reizwirkung
kann durch Behandlung der Hefe mit Alkohol, Formiaten und
anderen Salzen oder durch Trocknung in förderndem oder hem-
mendem Sinn beeinflußt werden.
Warum sollte auch ein grundsätzlicher Unterschied bestehen
in der Wirkungsweise gelöster Stoffe auf die Produktion der Fer-
mente und derjenigen fester Stoffe? Bei letzteren ist der Ge-
sichtspunkt der Permeabilität von vornherein ausgeschaltet.
Aus den Untersuchungen von Н. Prings hei mi) geht hervor, daß
das die Zellulose hydrolysierende Ferment von den Zersetzern der Zellulose
nur auf Grund eines Reizes zur Wirksamkeit gebracht wird, welcher von
dem Polysaccharid auf seine Verzehrer ausgeübt wird. Die die Zellulose
angreifenden Mikroorganismen gedeihen nur in direkter Berührung mit der
Zellulose. — Daß die Zellwand der Organismen kein Hindernis zu sein
braucht für die Möglichkeit eines unmittelbaren Kontaktes zwischen Sub-
—
1) H. Pringsheim, Zeitschr. f. physiol. Chemie 78, 266. 1912.
Weitere Beiträge zur Physiologie der Hefe. 29
strat und Plasma läßt sich aus den Mitteilungen von Hansteen - Cranner?)
entnehmen, wonach man zu der Vorstellung berechtigt ist, daß die Zell-
membran von Plasma durchsetzt ist.
Eine andere Erscheinung, die oben schon gestreift wurde,
bedarf einer weiteren Diskussion, nämlich die Erscheinung der
überschüssigen Gärung. Es werden danach bedeutend mehr Fer-
mente produziert als notwendig wären, um den für Assimilation
und Wachstum benötigten Fermentbedarf zu decken. Diese
Erscheinung können wir vielleicht in Parallele bringen mit der
Bildung der Antitoxine im Blut höherer Tiere. Wir wissen z. B.
aus den Untersuchungen von Knorr?), daß das Pferd nach In-
jektion von Tetanusgift eine Antitoxinmenge produzieren kann,
welche hinreicht das 100 000fache der verwendeten Dosis zu
neutralisicren. Wenn wir nun, wie oben schon geschehen, die
Gärungsfermente auffassen als Seitenketten des lebenden Proto-
plasma, so liegt es nahe, bei der Fermentbildung nach ähnlichen
Gesetzmäßigkeiten zu suchen, wie sie die Bildung der Antitoxine
beberrschen.
1) B. Hansteen - Cranner, Ber. d. Deutsch. botan. Ges. 1919, S. 380.
s) Zit. nach Römer, Die Ehrlichsche Seitenkettentheorie 1904, S. 10.
Zur Kenntnis der adialysabeln Bestandteile des
Menschenharnes.
Von
Hugo Pribram und Gustay Herrnheiser.
(Aus der үн. Medizinischen Klinik und dem Pharmakologischen Institut der
deutschen Universität in Prag.)
(Eingegangen am 5. August 1920).
In früheren Arbeiten konnte der eine von uns!) zeigen, daß
dem adialysabeln Anteile des Harnes eine biologische EE
keit zukommt.
Bei den weiteren Untersuchungen des Adialysates muBten
sich folgende Fragen aufdrängen:
1. Wie wirkt das Adialysat im akuten Tierversuch?
2. Welcher Bestandteil der Harnkolloide ist Trager dieser
Wirkung ? |
Zur Beantwortung dieser Fragen wurden ргбЗеге Mengen
von Menschenhain dialysiert und es wurde einerseits in vitro
versucht, das Adialysat noch weiter zu fraktionieren, und anderer-
seits die erhaltenen Fraktionen auf ihre chemischen Reaktionen
und ihre Wirkung im Tierversuche gepriift.
Es zeigte sich, daB der bei der Dialyse, deren technische
Details weiter unten besprochen werden sollen, im Dialysier-
schlauche zurückbleibende kolloide Anteil des Harnes, einem
Kaninchen in die Ohrvene injiziert, regelmäßig Miose, die fast
unmittelbar der Injektion folgte, und sehr häufig auch einen
Schlafzustand mit herabgesetzter Reflexerregbarkeit bewirkte.
Diese Wirkung kommt den im Harn vorhandenen organischen
Kolloiden zu, was einerseits aus dem negativen Ausfall der Unter-
1) H. Pribram, Dtsch. Arch. f. klin. Med. 1911 (daselbst Literatur)
und Münch. med. Wochenschr. 1913.
H. Pribram u. G. Herrnheiser: Adialys. Bestandteiled.Menschenhames. 31
suchung auf einzelne anorganische Ionen, andererseits aus dem
ungemein geringen Aschegehalt des Adialysates hervorgeht.
(Auf 100g Ausgangsmaterial kam bloß 0,00034 g Asche.)
Hervorgehoben sei ganz besonders mit Rücksicht auf die
Beobachtung von Melzer, daß die intravenöse Injektion von
CaCl, beim Kaninchen Pupillenverengerung bewirkt, daß auch
kalkfrei dialysierter Harn miotisch und hypnotisch wirkt. |
Untersuchungen am Kymographion ergaben, daß die Injek-
tion von Adialysat zu lange andauernden Blutdrucksenkungen
führt. Die Rectaltemperatur blieb dabei unverändert. Im
Reagensglasversuche zeigte es sich, daß das Adialysat die Ge-
rinnung unbedeutend hemmt und die Fähigkeit hat, rote Blut-
körperchen in geringem Grade zu hämolysieren. Die Stickstoff-
bestimmung der Trockensubstanz des Adialysates ergab eine dem
Stickstoffgehalte des Eiweißes nahestehende Zahl (15,3%).
Die Tierversuche erbrachten somit einen neuerlichen Beweis
für die biologische Wirksamkeit der adialysabeln Stoffe des
Harnes, was um so bemerkenswerter ist, als die absolute Menge
der zur Injektion kommenden Substanzen sehr gering war. (0,03 g
Trockensubstanz, in der, wie weitere Fraktionierungen ergaben,
neben wirksamen auch biologisch unwirksame Stoffe enthalten
waren, genügten zur Erzeugung einer deutlichen Wirkung.)
Es war nun zu versuchen, die wirksame Substanz zu isolieren
und sie chemisch zu charakterisieren. Eine Lösung dieser Aufgabe
gelang jedoch in der gehofften Weise nicht. Immerhin konnte
das Adialysat durch Fällung mit Essigsäure weiter in einen
biologisch unwirksamen Niederschlag und in ein wirksames
Filtrat fraktioniert werden.
Der Niederschlag, der das normale Harneiweiß enthielt,
wurde auf seinen Gehalt an Purinbasen untersucht. Wir gingen
dabei von folgendem Gedankengang aus. Stammte das normale
Harneiweiß aus der Niere, so mußte es als Organeiweiß nucleo-
proteidhaltig und damit purinbasenliefernd sein; stammte es aus
dem Blute, so war zu erwarten, daß bei der Hydrolyse keine
Purinbasen gefunden würden. Purinbasen wurden nicht gefunden
und damit war die Frage in dem Sinne entschieden, daß das
normale Harneiweiß hämatogenen Ursprunges sein dürfte.
Das Filtrat der Essigsäurefällung, das eine Reihe von Eiweiß-
reaktionen ergab, andere, darunter recht wichtige, vermissen ließ,
32 H. Pribram und G. Herrnheiser:
(vide den experimentellen Teil), wirkte im Tierversuch ganz gleich
dem unfraktioniertem Adialysat.
Wir können somit das Ergebnis der Versuche, den Harn zu
fraktionieren, in folgender Weise kurz darstellen:
Genuiner Harn
Dia lyaat Adialysat
(biologisch wirksam)
Essigsäureniederschlag Filtrat
(Eiweiß, unwirksam) (wirksam)
Weitere Versuche, das Essigsäurefiltrat des Adialysates zu
fraktionieren, scheiterten, da bei allen weiteren Fällungsversuchen
stets Filtrat wie Niederschlag im Tierversuch in gleicher Weise
wirksam waren.
Es war nun der Frage näherzutreten, welche Substanzen in
dem Essigsaurefiltrat als Träger der Wirksamkeit enthalten waren.
Vor allem waı an Eiweiß und seine Abbauprodukte zu denken.
Das Eiweiß wur wohl zum großen Teile durch die Essigsäure-
fällung entfernt worden, außerdem waren wichtige Reaktionen,
wie z. B. die mit Essigsäure und Ferrocyankalium und andere im
Essigsäurefiltrat negativ.
Was Eiweißabbauprodukte betrifft, so kamen die Gg
wegen ihrer Eigenschaft dialysabel zu sein nicht in Betracht.
Albumosen, deren Nachweis mit der Methode von Devoto ver-
sucht wurde, konnten jedoch nicht gefunden werden. Die Mög-
lichkeit, daß es sich um Eiweißabbauprodukte handeln könnte,
ist damit jedoch nicht in Abrede gestellt, nur kann es sich nicht
um Albumosen oder Peptone handeln.
Ob das wirksame Prinzip an die Fermente des Harnes ge-
bunden ist, an die auch zu denken wäre, kann nicht entschieden
werden, da diesbezüglich keine Untersuchungen angestellt wurden.
Daß die Miose und Hypnose, die der Injektion folgten, nicht die
Folge der Wirkung einer bestimmten Substanz, sondern vielleicht
bloß die unspezifische Folge der Injektion von Stoffen, die in
kolloidelem Zustand sich befinden, sein könnte, schien a priori
unwahrscheinlich. Immerhin wurde durch eigene Versuche sicher-
gestellt, daß andere Kolloide völlig wirkungslos waren. Zu denken
war auch an die Möglichkeit, daß die wirksamen Stoffe dem Harne
Adialysable Bestandteile des Menschenharnes. 33
von der Niere beigegeben sein konnten. Gegen diese Möglichkeit
sprach der Umstand, daß die Injektion von Menschennierenextrakt
völlig wirkungslos blieb.
Wir mußten auch daran denken, daß das wirksame Prinzip
mit den Ermüdungsstoffen (Kenotoxine Weichhardt) identisch
oder verwandt sein könnten. Hierzu ist zu bemerken, daß die
Steigerung der Dosis zu keinerlei toxischen Symptomen führte.
Das einmal in den Protokollen angeführte Auftreten von
Streckkrämpfen, denen der sofortige Tod folgte, ist unter vielen
Versuchen eine vereinzelte Beobachtung geblieben und wohl auf
eine intravasculäre Gerinnung zurückzuführen. Gelegentlich
gingen Tiere 2 Tage nach der Injektion ohne weitere Krankheits-
symptome zugrunde.
Schließlich sei noch bemerkt, daß wir, um sicherzustellen,
ob die wirksame Substanz hitzebeständig ist oder nicht, Tier-
versuche mit Adialysat, das im Wasserdampf erhitzt war, anstell-
ten. Die Versuche ergaben jedoch kein einheitliches Resultat.
Unsere Untersuchungen haben somit im Kolloid des nor-
malen Harnes keine Stoffe von starker toxischer Wirkung, wie
solche auf Grund früherer Arbeiten zahlreicher Autoren!) im Harne
angenommen wurden, ergeben; sie zeigen jedoch, daß im Kolloid
des normalen Menschenharnes immerhin Stoffe von physiologi-
scher Wirksamkeit vorhanden sind
Experimenteller Teil.
I. Technik der Darstellung des Adialysates.
Zur Dialyse wurden anfänglich, ebenso wie bei meinen früheren
Untersuchungen Fischblasencondoms verwendet, deren Brauchbarkeit und
Undurchlässigkeit gegen Kolloide mit Kongorotlösungen vor und nach
ihrer Verwendung sichergestellt wurde. Da es sich herausstellte, daß eine
große Anzahl der Condome a priori durchlässig und damit unbrauchbar
war, wurden nach den Angaben Wiechowskis®) Dialysierschläuche aus
Goldschlägerhäuten dargestellt und verwendet. Die Dialyse erfolgte unter
dauerndem Zutropfen destillierten Wassers in das dem Dialysierschlauch
möglichst eng angepaßte zylindrische Außengefäß, aus dem der Abfluß
durch Heberwirkung konstant erfolgte®).
Die Dialyse wurde wesentlich befördert durch die Verwendung eines
im Dialysierschlauch rotierenden elektrisch betriebenen Glasrührers. Um
1) Literatur vide Pribram l. с. und Malen Jahresberichte für Tierehemie.
3) Die ausführliche Mitteilung der Methode erfolgt anderwärts.
8) Diesbezüglich siehe Pribram 1. с.
Biochemische Zeitschrift Band 111. 3
€
34 H. Pribram und G. Herrnheiser:
die Verpilzung des Harnes und damit ein Unbrauchbarwerden des Schlauches
und seines Inhaltes zu verhindern, wurde sowohl dem Harne als der um-
gebenden Wasserschicht ein Desinfiziens zugesetzt. Verwendet wurde Chloro-
form, Phenol oder Toluol, welch letzteres sich am zweckmäßigsten erwies.
Für spätere Versuche käme vielleicht wegen seiner oligodynamischen Wirkung
die Einbringung eines Metalles in das Wasservorratsgefäß in Betracht.
Es wurde entweder der genuine Harn dialysiert, dann eingeengt und
abermals dialysiert, oder es wurde primär eine größere Menge Harnes (zur
Verwendung kamen Harnquanten bis zu 201) noch vor der Dialyse ein-
geengt. Die Einengung geschah um jedes, der biologischen Wirkung etwa
schädliches Erhitzen zu vermeiden, in flachen Schalen bei Laboratoriums-
temperatur durch Abblasen im Luftstrome!).
Verwendet wurde durchwegs Menschenharn, der von nicht fiebernden,
nicht venerisch infizierten, nieren- und stoffwechselgesunden Männern
stammte. Als Endpunkt der Dialyse wurde die Chlorfreiheit des Dialysates
angesehen. Freilich fanden sich in diesem Stadium manchmal geringe
Mengen von Kalk und Phosphat im Adialysat vor, doch zeigte die Asche-
bestimmung, daß die Menge derselben minimal war.
Bei Dialyse des genuinen Harnes war die nötige Dauer meist etwa
24 Stunden und etwas mehr, bei Verwendung eingeengten Harnes war die
Dauer der Dialyse beträchtlicher, da das Steigen des Schlauchinhaltes
die Dialyse verzögerte. Die Menge des zur Dialyse von etwa 2,51 Harn
nötigen Wassers belief sich auf etwa 551.
Das Adialysat war gelblich gefärbt und etwas trübe. Es blieb also
vom Harnfarbstoffe etwas als adialysabel zurück. War zur Desinfektion
Phenol verwendet worden, so war das Adialysat wesentlich dunkler.
II. Die Fraktionlerung der Harnkolloide, ihre Reaktionen und
die ihrer Fraktionen.
a) Reaktionen des Harnkolloids:
Folgende Reaktionen wurden als vorhanden gefunden: die Millonsche,
die Biuretreaktion, die Fällung mit Essigsäure, mit Phosphorwolframsaure, .
die Hitzekoagulation mit Salzzusatz, die Aussalzbarkeit mit schwefelsaurem
Ammon.
b) Die Fraktionierung des Adialysates und Reaktionen der
Fraktionen.
Das Adialysat wurde nach Austasten der hierzu erforderlichen Menge mit
2n-Essigsäure gefällt. Das Filtrat dieser Fällung, das für die Anstellung von
Tierversuchen anfänglich mit Alkali neutralisiert, später statt dessen säurefrei
dialysiert wurde, verhielt sich bezüglich seiner Reaktionen folgendermaßen.
Positive Reaktionen: Die Reaktionen von Molisch, Adamkiewicz,
Pauli, Folin, Millon, die Biuretreaktion, Fällung mit Bleiessig, Tannin,
gesättigter Lösung von schwefelsaurem Ammon, absolutem Alkohol,
Jodquecksilberkalium, Phosphorwolframsäure, kolloidalem Eisenhydroxyd.
1) Wiechowski, Biochem. Zeitschr. 81, 278. 1917; daselbat Be-
schreibung des Apparates.
Adialysable Bestandteile des Menschenharnes. 35
Negative Reaktionen: Fällung mit Pikrinsäure, Bleizucker, Ferro-
eyankalium und Essigsäure, die Probe mit Dimethylparamidobenzaldehyd,
die Prüfung auf abspaltbaren Schwefel, die Hitzekoagulation.
Die häufig an sich trübe Lösung wurde durch Zusatz von Essigsäure,
Soda, Äther geklärt. Gewöhnlicher Alkohol ergab nach primärer Aufhellung
nach weiterem Zusatz eine Fällung.
Der Versuch, durch Ausätherung größere Mengen ätherlöslicher
Bestandteile zu erhalten, hatte ein negatives Resultat. Die Prüfung des
Harnkolloids, das aus 2,51 Originalharn dargestellt war, auf seinen Gehalt
an Albumosen (Methode von Devoto) hatte ein negatives Ergebnis.
c) Trockensubstanz-, Asche- und Stickstoffbestimmungen.
5ccm Adialysat ergaben 0,0176 g Trockensubstanz, d. h. berechnet
auf 100 cem Adialysat 0,352 g und auf 100 ccm Originalharn 0,02 g. 10 ccm
Adialysat hatte einen Aschegehalt von 0,0006 g, d. h. in 100g Trocken-
substanz war 1,7 g Asche.
Der Stickstoffgehalt des Adialysates betrug: in 0,0352 g Trockensub-
stanz 0,0054 g N, d. i. 15,3%, d. h. in 100 ccm Originalharn waren 0,0036 g
adialysabler Stickstoff.
Die Trockensubstanzbestimmung des Essigsäurefiltrates des Adia-
lysates ergab: |
In 1 com war 0,015 g Trockensubstanz, d. h. berechnet auf 100 cem
Originalharn 0,00825 g.
Die Priifung des Adialysates auf seine Einwirkung auf die Blutgerin-
nung und auf seine hämolytische Fähigkeit ergab folgendes.
Tabelle I. Gerinnungsversuch.
Physiol. NaCl, Gerinnung
Beginn. Komplett
Adialysat | Kaninchenblut
0,1 1 | ad2,5 20 Min. 24 Min.
0,25 1 „2,5 45 Min. 55 Min.
075 ' 1 „ 2,5 55 Min. 4 Stunden
1,0 | 1 „ 2,5 oe Gerinnung
155 1 | nach 18 Stunden
0 | 1 0,1 |) Kontrolle kom-
0 | 1 | 0,5 plette Gerinnung
0 1 | 1,5 nach 20 Minuten
Tabelle II. Hämolyseversuch.
Adialysat| erythr. 5% Physiol. Nat) Häwmolyse,
ccm Gem ecm nach 12 Stunden
36 H. Pribram und G. Herrnheiser:
ПТ. Tierversuche.
(Auszugsweise Wiedergabe einzelner Protckolle.)
1. Das Adialysat von 250 ccm Harn wurde zur Trockne abgeblasen,
der Rückstand in Ringerlösung aufgelöst, das ungelöst Gebliebene abfiltriert.
10 ccm hiervon, entsprechend 125 cem Originalharn wurde einem ca. 2 kg
schweren Kaninchen in die Ohrvene injiziert. Unmittelbar nach der In-
jektion eine Miose von 15 Minuten Dauer. Sonst wurde nichts Patholo-
gisches am Tiere beobachtet.
2. 9 cem Adialysat, von einem Trockensubstanzgehalt von 0,0318 g,
entsprechend 158 cem Originalharn, wurde einem Kaninchen in die Ohr-
vene injiziert.
Nach 5 Minuten Miose und Entrundung der Pupillen. Schlafzustand.
Das Tier nimmt Seitenlage ein, zeigt eine Lähmung der hinteren Extremi-
täten. StoBweise Atmung. Entleerung von weichem Stuhl. Nach einer
Dauer von 15 Minuten sind die Pupillen wieder normal weit. Rückgang
der übrigen Symptome.
3. 2 cem derselben Lösung wurde einer Rana temporaria von 38 g
Gewicht in den Brustlymphsack gespritzt. Kein Effekt.
4. Leem derselben Lösung wurde einer weißen Maus intraperitoneal
injiziert. Kein Effekt. |
5. 10ccm derselben Lösung wurde einem Kaninchen von 1850 g
intravenös injiziert. Versuch am Kymographion. Urethannarkose, 1 g
pro kg. Unmittelbar nach der Injektion Miose, die 11 Minuten andauerte.
Gleichzeitig Auftreten einer beträchtlichen Blutdrucksenkung. Vertiefung
der Atmung.
6. Kontrollversuch mit der Lösung eines anderen Kolloids. Kaninchen.
Intra venöse Injektion von einer 0,34 proz. Gummilösung. Keine Wirkung.
7. Ebenso. Intra venöse Injektion einer 0,34 proz. Gelatinelösung.
Keine Wirkung.
8. Kontrolle. Intra venöse Injektion einer 1 proz. Lösung von Witte-
pepton. Keine Wirkung.
9. Kontrolle. Intra venöse Injektion von Menschennierenextrakt,
welcher auf den Trockensubstanzgehalt des Harnkolloids gebracht worden
war. Keine Wirkung.
10. 10 cem Essigsäurefiltrat, entsprechend 175 cem Originalharn
wurde schwach alkalisch gemacht und einem Kaninchen in die Ohr vene
injiziert.
Nach 11 Minuten Miose, Muskelzittern, Harnlassen.
Nach 3 Minuten Miose maximal.
Nach 4 Minuten vorübergehend Seitenlage.
Nach 10 Minuten dauernde Seitenlage. Miose geringer.
Nach 12 Minuten Reaktionslosigkeit gegenüber mechanischer Reizung
der Extremitäten. |
Nach 20 Minuten Schlaf, ruckweises Atmen, Frequenz 200.
Nach 25 Minuten Pupillen normal, allmähliches Nachlassen der übrigen
Symptome.
Nach 1 Stunde ist das Tier wieder ganz normal.
‚ Adialysable Bestandteile des Menschenharnes. 37
11. Der bei der Essigsäurefällung erhaltene Niederschlag wurde
gewaschen, in !/,,n-Kalilauge gelöst, mit !/,„n-Schwefelsäure auf leichte
Alkalescenz gebracht. Die intravenöse Injektion von 10 ccm, entsprechend
175 ccm Harn, bei einem Kaninchen war wirkungslos. Beobachtungs-
dauer 90 Minuten.
12. Das Essigsäurefiltrat wurde säurefrei dialysiert und 10 cem, ent-
sprechend 175 ccm Harn, intravenös einem Kaninchen injiziert. Sofort
Miose. Nach 4 Minuten Seitenlage. Nach 5 Minuten Augenblinzeln. Hypnose
von der Dauer von etwa 30 Minuten. Temperatur, gemessen im Rectum
vor und während des Versuches, gleich (40,3°).
13. 10 сст derselben Lösung wurden einem Kaninchen intravenös
injiziert. Kymographionversuch. Nach 1 Minute Miose. Starke Blut-
drucksenkung, Pulsverlangsamung.
14. Intravenöse Injektion des Essigsäurefiltrates. 2 ccm, d. i. 0,0153 g
Trockensubstanz. Kein Effekt. Nach einer halben Stunde neuerliche
Injektion von бесш derselben Lösung. Sofort Miose, Streckkrämpfe,
verlangsamteAtmung, Exitus. Obduktionsbefund: Gravidität. Im Herzen
ziemlich viele Thromben.
15. Säurefrei dialysiertes Essigsäurefiltrat. Intravenöse Injektion
bei einem Kaninchen. 10 ccm, entsprechend 200 ccm Originalharn.
Nach !/, Minute deutliche Miose. Keine Hypnose.
Nach 20 Minuten neuerliche Injektion von 8ccm derselben Lösung.
Sofort maximale Miose.
Nach 3 Minuten Atembeschleunigung. Das Tier legt sich nieder,
läßt sich umherrollen.
Nach 11 Minuten setzt sich das früher in Seitenlage befindliche Tier
spontan auf, läßt sich jedoch leicht wieder in Seitenlage bringen. Nach
21 Minuten ist die Hypnose vorüber.
Am nächsten Tage hat das Tier keine FreBlust. Am 2. Tage ist das
Tier wieder munter. Am 3. Tage Exitus. Obduktionsbefund: Thromben
in dem Herzen. Marmorierung der Leber. Exsudat in Pleura und Peri-
toneum.
16. 15 cem derselben Lösung werden 1 Stunde auf dem Wasserbad
erhitzt. Intravenöse Injektion an einem Kaninchen. Geringe Miose.
Vielleicht etwas Schlaffheit der unteren Extremitäten. |
17. 15 сот derselben Lésung werden durch eine Stunde auf 92° erhitzt.
Intravenös einem Kaninchen injiziert. Keine Wirkung. Am nächsten Tag
Exitus. Sektionsbefund negativ.
18. Fällung des Essigsäurefiltrates mit gesättigter 1 von Ammon-
sulfat. Waschen des Niederschlages mit Ammonsulfatlösung. Lösung des
Niederschlages in Wasser. Wegdialysieren des Ammonsulfates. und Ein-
engung. Intra venöse Injektion bei einem Kaninchen ergibt Miose, aber
keine Hypnose.
19. Intra venöse Injektion des salzfrei dialysierten Ammonsulfat-
filtrates. Miose.
20. Fällung des Essigsäurefiltrates mit kolloidalem Eisen. Filtrat
einem Kaninchen intravenös injiziert ergibt: Miose.
38 H. Pribram u. G. Herrnheiser: Adialys. Bestandteile d. Menschenharnes.
21. Fällung des Essigsäurefiltrates mit Alkohol. Befreiung des Nieder-
schlages vom Alkohol durch Abblasen zur Trockne. Lösung in Wasser.
Intravenöse Injektion bei einem Kaninchen. Miose.
22. Analoger Versuch mit dem Alkoholfiltrat. Miose.
IV. Untersuchung des durch Fällung mit Essigsäure aus dem
Adialysat erhaltenen Niederschlages.
Der durch Fällung mit Essigsäure aus dem Adialysat erhaltene Nieder-
schlag wurde mit Schwefelsäure hydrolysiert und dann nach Krüger und
Schmid auf Purinbasen untersucht. Bei Untersuchung des Eiweißnieder-
schlages aus 51 Harn wurde kein Purinbasenstickstoff gefunden.
Beitrag zur Kenntnis der Wirkung des Kohlenoxyds.
Von
M. Kochmann.
(Aus dem Pharmakologischen Institut der Universität Halle.)
(Eingegangen am 9. August 1920.)
Mit 2 Abbildungen im Text.
Es bestehen bekanntlich zwei Ansichten über den Mechanis-
mus der Kohlenoxydwirkung auf den tierischen Organismus. Die
eine spricht sich dahin aus, daß die beobachteten Giftwirkungen
lediglich die Folge der Verdrängung des Sauerstoffs aus der Hämo-
globin verbindung seien. Da, wie Lewin!), einer der strengsten
Vertreter dieser Meinung, es ausdrückt, das Kohlenoxydhämo-
globin nicht imstande ist, den Sauerstoff zu transportieren, so
entstehen je nach dem benötigten Funktions- bzw. Existenz-
sauerstoff vitale Minderleistungen oder krankhafte Veränderungen.
Die andere Ansicht geht dahin, daß das Kohlenoxyd neben
der Blutveränderung und ihren Folgen auch noch einen unmittel-
baren Einfluß auf das lebende Protoplasma, insbesondere die
Zellen des Zentralnervensystems ausübe. Die Beweise für und
gegen diese Ansichten hat Lewin in seinem schon genannten
Buche zusammengestellt.
Eine Wirkung auf das Nervensystem wurde besonders aus
den Versuchen gefolgert, in denen Frösche in einer Kohlenoxyd-
atmosphäre sehr viel schneller zugrunde gehen, als bei Einatmung
eines indifferenten Gases. Eine zufällige Beobachtung legte mir
den Gedanken nahe, diese Angaben einer Nachprüfung zu unter-
ziehen. Frösche wurden unter eine Glasglocke gesetzt, die voll-
kommen mit Wasser gefüllt wurde. Die Glasglocke trägt oben
einen einfach durchbohrten Gummistopfen, durch den ein Glas-
1) L. Lewin, Die Kohlenoxydvergiftung, Berlin 1920.
40 M. Kochmann:
rohr hindurchfihrt. Dieses stellt die Verbindung mit dem das
Kohlenoxyd enthaltenden Garometer her. Das Wasser der Glas-
glocke wird nunmehr durch Kohlenoxyd verdrängt, das durch
Erhitzen von Oxalsäure mit Schwefelsäure dargestellt wurde.
Das sich entwickelnde Gas, ein Gemisch von Kohlensäure und
Kohlenoxyd wurde durch eine Waschflasche mit starker Kalilauge
geleitet, um die Kohlensäure abzufangen. Die Frösche, die sich
in einein derartigen Kohlenoxyd befanden, wurden im Verlauf
von 10—15 Minuten zentral gelähmt, während Frösche, die in
einer Atmosphäre reinen Wasserstoffs atmeten, erst nach zwei
Stunden Lähmungserscheinungen zeigten.
Es zeigte sich jedoch, daß durch eine mit Kalilauge gefüllte
Waschflasche die Kohlensäure nicht vollkommen abzufangen war.
Mit Hilfe der Hempelbürette wurde festgestellt, daß das Kohlen-
oxyd noch etwa 15%, Kohlendioxyd enthielt. Selbst drei hinter-
einander geschaltete, mit Kalilauge beschickte ` Waschflaschen
verminderten den Kohlendioxydgehalt nur auf etwa 5%,, und erst
durch mehrmaliges Waschen des sich entwickelnden Gasgemisches,
das ganz langsam zwei- bis dreimal hintereinander durch je drei
frischgefüllte Kalilaugevorlagen von einem Gasometer zum anderen
gedrückt wurde, gelingt es, ein Kohlenoxyd zu erhalten, das bis
auf nicht mehr meßbare Spuren frei von Kohlendioxyd ist.
Werden nun die Frösche, Rana fusca, in ein derartig gereinigtes
Kohlenoxyd eingebracht, so zeigen sie, ebenso wie in einer reinen
Wasserstoffatmosphäre, erst nach ungefähr zwei Stunden die Er-
scheinungen einer zentral bedingten, vollkommenen Lähmung,
die nach Verbringen der Tiere in atmosphärische Luft in wenigen
Minuten wieder verschwinden.
Wenn frühere Untersucher eine stärkere Giftwirkung des
Kohlenoxyds sahen, so. ist das zweifellos auf die Verunreinigung
des Kohlenoxyds mit Kohlendioxyd zurückzuführen, das schon
in verhältnismäßig kleinen Konzentrationen eine lähmende Wir-
kung ausübt.
Versuch I: R. fusca. 15g.
11% 5“ Füllung der Glocke mit Kohlenoxyd, das einmal gewaschen,
noch 15% Kohlensäure enthält. |
11h 7’ schwerfällige Bewegungen.
11" 8° Vorderkörper auf die senkrecht ausgestreckten Vorderbeine
gestützt, hoch erhoben, dyspnoische Atembewegungen mit
offenem Maul.
Wirkung des Kohlenoxyds. 41
115 17’ beim Springen Riickenlage, die nur mit Miihe aufgegeben wird.
11% 20’ schlaffe Haltung, Maul offen, unbeweglich, reflexlos.
11b 27’ Herz steht, Reizung des Ischiadicus ergibt Zuckung.
Versuch 2: К. fusca 17р.
4h 12’ kohlendioxydfreies СО in der Glocke.
4h 45’ sitzt aufrecht, spontane Bewegungen, schnappt nach Luft.
55 15’ dyspnoische Atmung, spontanes Springen, aber schwerfällige
Bewegungen.
55 37’ das Tier wird schlaffer, auf Reiz Bewegungen.
65 10’ vollkommene Lähmung, Reflexe erloschen, Herz schlägt ziem-
lich kräftig. |
65 45’ vollkommen erholt.
Versuch 3: R. fusca 16 g.
115 Glocke mit reinem Wasserstoff gefüllt.
11h 30’ schlaffe Haltung des Frosches und ungeschicktes Springen.
11% 45’ schnappt nach Luft.
12 Verharren in unbequemer Lage, spontanes Springen, wenn
auch etwas ungeschickt.
12h 25’ schlaffe Bauchlage, spontanes Springen, Hinterbeine werden
schlecht angezogen.
125 35’ ungeschickte Flucht versuche.
12 45’ vollkommene Reflexlosigkeit, Herz schlägt, Erholung.
Um die Frage von einer spezifischen Giftwirkung des Kohlen-
oxyds weiter zu klären, wurden noch Versuche an Kaulquappen
Abb. 1. Einwirkung von Abb. 2 Einwirkung von reinem CO.
CO,-haltigem Kohlenoxyd Keine Veränderung.
auf das isolierte Froschhers.
Schädigung durch das Gift. und am isolierten Froschherzen an-
Erholung naeh Abstellung gestellt. Dabei zeigte sich, daß 13 mm
lange Kaulquappen bei Durchleiten
von kohlensäurefreiem Kohlenoxyd keinerlei Veränderungen auf-
weisen. In ungereinigtem Kohlenoxyd, mit etwa 15% Kohlen-
säure, tritt nach etwa 15 Minuten unvollkommene Lähmung auf.
42 M. Kochmann:
| Die Versuche am isolierten Herzen wurden nach der Straubschen
Methode angestellt; das Kohlenoxyd wurde durch die zur Füllung benutzte
Ringerlösung in raschem Strom hindurchgeschickt oder in starkem Strom
durch die feuchte Kammer geleitet, in der das Herz aufgehängt ist. Auf
diese Weise befand sich das Herz in Kohlenoxydatmosphäre ohne Luft-
beimengung. In manchen Versuchen wurde während der Kohlenoxyd-
zuleitung der Sauerstoff abgestellt, in anderen gleichzeitig Sauerstoff durch
die Ringerlösung geschickt. Auch bei diesen Versuchen konnte das gleiche
beobachtet werden wie am ganzen Frosch und an den Kaulquappen:
Nur wenn das Kohlenoxyd Kohlendioxyd enthält, läßt sich eine Schädigung
des Froschherzens feststellen. Sonst, bei Durchleitung von gereinigtem
Kohlenoxyd, blieben Pulsgröße und Frequenz unverändert.
Es ergibt sich also aus diesen Versuchen, daß außer der
Wirkung auf das Blut andere spezifische Giftwirkungen des
Kohlenoxyds sich nicht nachweisen lassen.
Im Anschluß daran wurde noch die Frage experimentell
untersucht, ob im Leuchtgas die Kohlensäure an der Giftwirkung
beteiligt sei. Das zu den Versuchen benutzte Leuchtgas hat
folgende Zusammensetzung:
co 14,7 СН, = CH, . 1,6
CO,..... 4,4 55 1,1
. 17,74 М жш ы з 14,19
СН уж» 0,8 Н. зу ж-з 45,61
Frösche, die unter eine mit Leuchtgas gefüllte Glasglocke
gebracht werden, gehen sehr schnell, in etwa 20 Minuten, zugrunde.
Die Lahmung ist gewohnlich irreversibel, wenn die Tiere nicht
schon vor Eintritt einer vollkommenen Lähmung aus der Glocke
herausgenommen werden. Auch nach sorgfältiger Entfernung der
Kohlensäure werden die Tiere, wenn auch etwas langsamer als
in unverändertem Leuchtgase, irreversibel gelähmt, sterben also.
Erst nach mehrmaligem Waschen des Leuchtgases mit Brom-
wasser und Entfernung der Bromdämpfe mit Kalilauge zeigen die
Frösche eine zentral bedingte, reversible Lähmung, die nicht
früher auftritt als auch sonst in reinem Kohlenoxyd oder Wasser-
stoff.
Versuch 4: R. fusca 18g.
5h 15’ Beginn der Leuchtgaseinatmung (Leuchtgas unverändert).
5h 35’ vollkommene Lähmung nach vorausgegangener Dyspnöe.
Versuch 5: К. fusca 12р.
115 23’ Beginn der Einatmung des CO,-freien Leuchtgases.
11h 30’ schwerfälliges Springen, schlaffe Haltung.
Wirkung des Kohlenoxyds. 43
115 47’ Versuch sich aufzurichten miBlingt, Riickenlage kann nur
nach langem Bemühen in die Bauchlage verwandelt werden.
125 10’ vollkommene Lähmung, Erholung tritt nicht ein.
Versuch 6: К. fusca 18р. .
115 54’ Beginn der Einatmung von Leuchtgas, das von Kohlensäure
durch Kalilauge befreit ist, und das zur Entferung des Acety-
lens und der sog. schweren Kohlenwasserstoffe sorgfaltigst
mit Bromwasser lange Zeit geschüttelt war. Die Bromdämpfe
wurden durch Kalilauge entfernt. .
122 Schlaffe Haltung, zeitweises Verharren in unbequemer Stellung.
12510’ Atmung mit offenem Maul, Dyspnöe.
12h 35’ schlaffere Haltung, schwerfällige Bewegungen, Hinterbeine
mit Mühe angezogen.
2h 10’ reflexlos, vollkommene Lähmung, Erholung in atmosphärischer
Luft.
Die Frage, ob die durch Kalilauge entfernbare Kohlensäure
und die durch Bromwasser absorbierbaren Körper, Acetylen und
die sog. schweren Kohlenwasserstoffe, an der Leuchtgasvergiftung
des Menschen beteiligt sind, war nicht Gegenstand der Unter-
suchung. Vahlen!) hat die Frage, ob neben dem Kohlenoxyd
noch andere Substanzen in Betracht kommen, bekanntlich be-
jaht, K u n kel?) sie entschieden verneint. Der Unterschied zwischen
den geschilderten Versuchen am Frosch und den wirklich vorkom-
menden Leuchtgasvergiftungen am Menschen sind sehr erhebliche.
Die Frösche befanden sich in einer reinen Leuchtgasatmosphäfre, frei
von atmosphärischem Sauerstoff, die Menschen atmen in der atmo-
sphärischen Luft, der verhältnismäßiggeringe Mengen Leuchtgas bei-
gemischt sind. Da schon 2% Kohlenoxyd in der Luft zu tödlichen
Vergiftungen Anlaß geben können, so genügen bei einem Kohlen-
oxydgehalt des Leuchtgases von 10—15%, Leuchtgasluftmischun-
gen, die 1,3—-2% Leuchtgas enthalten. In diesen befinden sich aber
nur noch Spuren von Kohlensäure, 0,06—0,09%, und etwa 0,04%
schwere Kohlenwasserstoffe. Das sind so geringfügige Mengen,
daß sie für die Giftwirkung des Leuchtgases kaum bestimmend
sein werden. Doch bedarf dieses noch der näheren Untersuchung.
Zusammenfassung.
1. In einer Atmosphäre von reinem Kohlenoxyd werden
Frösche in rund 2 Stunden reflexlos, in gewöhnlicher Luft tritt
1) E. Vahlen, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 49, 245. 1903.
з) A.J. Kunkel, Sitzber. d. Physik.-med. Ges. Würzburg 1902.
es
44 M. Kochmann: Wirkung des Kohlenoxyds.
sehr schnell Erholung ein, die Lähmung in reinem Wasserstofi
macht sich zur gleichen Zeit beme:kbar.
2. Kaulquappen und das isolierte Froschherz werden durch
reines Kohlenoxyd nicht geschädigt.
3.. Nur wenn das Kohlenoxyd Kohlendioxyd enthält. werden
am ganzen Frosch und am isolierten Organ reversible Lähmungr-
erscheinungen beobachtet.
4. In einer Leuchtgasatmosphäre werden Frösche i in 20 Minu-
ten irreversibel gelähmt. Die Geschwindigkeit des Lähmungs-
eintrittes wird zum Teil auf dem Kohlensäuregehalt des Leucht-
gases, die Irreversibilität auf Substanzen beruhen, die, wie bei-
spielsweise das Acetylen, durch Bromwasser absorbiert werden.
5. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, daß bei Berücksichtigung
der quantitativen Verhältnisse einer Leuchtgasvergiftung die
durch Kalilauge und Bromwasser absorbierbaren Körper des
Leuchtgases einen praktisch wichtigen Anteil an dem Zustande-
kommen der Vergiftung besitzen.
Blutgasanalysen. VII.
Der Einfluß von Bor, Aluminium und Lanthan auf Hämoglobin
und Zelle.
Von
H. Straub und Klothilde Meier.
(Aus der I. medizinischen Klinik der Universität München und der medi-
zinischen Poliklinik der Universitat Halle.)
(Eingegangen am 10. August 1920.)
Mit 4 Abbildungen im Text.
Unsere Untersuchungen über die Wirkung der Alkalien und
Erdalkalien!,2) hatten auf eine so weitgehende Gesetzmäßigkeit
innerhalb des periodischen Systems der Elemente hingewiesen,
Чай wir dieselben Versuche auch mit einigen Vertretern der
dritten Reihe des periodischen Systems der Elemente durch-
führten, in der die biologisch weniger wichtigen Erden ihren Platz
finden. Während wir es bei den Salzen der Alkalien und Erd-
alkalien mit Salzen starker Basen zu tun hatten, die elektrolytisch
durchweg stark dissoziiert in der Lösung zu denken sind, traf
diese Vorstellung bei den nunmehr untersuchten Substanzen
nicht mehr durchweg zu. Zwar die Oxyde der seltenen Erden,
als deren Vertreter wir das Lanthan wählten, sind starke Basen,
nicht aber das Aluminiumhydroxyd, dessen salzsaures Salz dem-
entsprechend zu erheblichem Teil hydrolytisch gespalten in
Lösung geht. Um an einer einheitlichen Vorstellung festzuhalten,
kann man den Vorgang der Lösung von Salzen in unsern Ver-
suchen in zwei Vorgänge trennen und kann sagen, daß zuerst die
Oxyde bzw. Hydroxyde des zu prüfenden Elementes in Lösung
gegeben wurden, und daß dann je nach Bedarf mit Salzsäure
neutralisiert wurde. Das so erreichte Endergebnis entspricht dem
1) H. Straub und Kl. Meier, diese Zeitschr. 98, 228. 1919.
з) H. Straub und Kl. Meier, diese Zeitschr. 109, 47. 1920.
46 H. Straub und Kl. Meier:
tatsächlich hergestellten Zustand chemisch und physikalisch
vollkommen. Die gewählte Anschauungsweise hat aber den Vor-
zug, daß sie auch für solche Hydroxyde ausreicht, die nicht die
Eigenschaften starker Basen besitzen, also für das in den folgenden
Versuchen vorkommende Aluminiumhydroxyd, das unter ent-
sprechend gestalteten, im vorliegenden Falle allerdings nicht
vorkommenden Versuchsbedingungen, als Säure auftreten und
mit starken Basen Salze, Aluminate, bilden kann. Bei der in
unsern Versuchen herrschenden Wasserstoffzahl sind diese Salze
nicht . beständig, das Aluminiumhydroxyd hat vielmehr noch
basische Eigenschaften. Größere Bedeutung erlangt unsere Be-
trachtungsweise aber, wenn wir die Untersuchungen auch auf
das zuvorderst in der dritten Reihe des periodischen Systems
stehende Bor ausdehnen und zusehen, was sich ereignet, wenn
wir dessen Hydroxyd, die Borsäure, unseren Blutlösungen zu-
fügen. Das Borhydroxyd hat etwas stärker saure Eigenschaften
als das Aluminiumhydroxyd und wird deshalb als Borsäure be-
zeichnet (H,BO,). Die Bezeichnung ist etwas irreführend, denn
die sauren Eigenschaften dieser Substanz sind so schwach, daß
die Borsäure bei den von uns untersuchten Wasserstoffzahlen
so gut wie vollkommen undissoziiert ist, d. h. weder saure noch
basische Eigenschaften entfaltet, weder Wasserstoffionen noch
Hydroxylionen abspaltet. Durch Zufügen von Borsäure ver-
mehren wir also den Gehalt der Lösung um einen Nichtelektrolyten
und brauchen zu seiner Neutralisation weder Säure noch Basen
zuzufügen. Unsere Betrachtungsweise ist ungewöhnlich und um-
ständlich. Sie hat nur dann einen Sinn, wenn es sich herausstellt,
daß die Borsäure im Prinzip ebenso wirkt wie das ihr nachfolgende
Aluminiumhydroxyd, oder vielmehr wie das tatsächlich zugesetzte
Salz Aluminiumchlorid, bei dem wir uns die schwach basischen
Eigenschaften des Hydroxyds durch Salzsäure neutralisiert
dachten. | |
Die folgenden Versuche konnten nicht so vollständig durch-
geführt werden wie die bisher mitgeteilten. Zwar ließ sich die
Wirkung der drei zu prüfenden Stoffe Borsäure, Aluminium-
chlorid und Lanthanchlorid auf das Hämoglobin in der bisher
geübten Weise feststellen, aber die Versuche an Zellsuspensionen
konnten nur lückenhaft gestaltet werden. Das Aluminiumsalz-
fiel wegen seiner schon bei niedrigen Dosen stark hämolysierenden
Blutgasanalysen. VII. 47
Wirkung aus. Von Lanthan konnten aus demselben Grunde nur
ganz niedrige Konzentrationen untersucht werden. Auch dabei
ergaben sich Schwierigkeiten, da die roten Blutkörperchen beim
Waschen stark agglutinierten. Im Mikroskop waren die Zellen
wohl erhalten, auch ließen sich die agglutinierten Massen zu einer
gleichmäßigen Suspension aufschütteln, aber namentlich nach
Zusatz von etwas Kohlensäure wurde die Lösung zu einer dicken
Gallerte, die beim Schütteln Luftblasen in sich festhielt und
schließlich so dickflüssig wurde, daß sie nicht mehr aus den
Pipetten floB. Die Gasanalysen wurden dadurch unmöglich.
Ein Waschversuch mit einem Gehalt der Suspensionsflüssigkeit
von 0,02 Mol Lanthanchlorid konnte aus diesem Grunde überhaupt
nicht durchgeführt werden. Auch bei niedrigeren Lanthan-
konzentrationen wurden mit steigender Kohlensäurespannung
die weiteren Gasanalysen schließlich unmöglich. Offensichtlich
ist die Agglutination der Blutkörperchen darauf zu beziehen, daß
sie, wie wir zeigen werden, bei Gegenwart von Lanthansalzen in
geeigneter Konzentration sofort oder nach Zufügung sehr geringer
Kohlensäuremengen ihre Ladung verlieren, die das Zusammen-
ballen verhindert. Wir müssen es uns versagen, hier näher auf
die bemerkenswerte Gallertbildung einzugehen. Die Beobachtung
erinnert durchaus an analoge Erscheinungen anorganischer
Gallerten. Z. B. kann eine wässerige Lösung von Aluminium
hydroxyd durch Zusatz geringer Mengen von Säuren, Alkalien
und vieler Salze in die unlösliche, gallertartige Form verwandelt
werden.
Wir teilen zunächst die Ergebnisse unserer Versuche mit:
I. Borsäure.
a) Hämolyseversuche.
Schon früher!) hatten wir in einem Versuche die Wirkung der Ortho-
borsäure auf die Lage des Hämoglobinknicks geprüft und bei einer Kon-
zentration der Säure von ca. 0,03 Mol eine deutliche Verschiebung nach
der basischen Seite festgestellt. Seit wir den starken Einfluß der Konzen-
tration kennengelernt haben, halten wir eine Ergänzung mit Variation
der Versuchsbedingungen für unentbehrlich. Setzt man zu defibriniertem
Blute 0,005 Mol Borsäure zu und hämolysiert mit Saponin (Tabellen Nr. 1,
Abb. 1, stehende Kreuze, ausgezogene Kurve), so findet sich der Knick
schon deutlich nach der basischen Seite verschoben, bei p, = 7,07. Verdrei-
1) H. Straub u. Kl. Meier, diese Zeitschr. 90, 305. 1918.
48 H. Straub und Kl. Meier:
fachung des Borzusatzes auf 0,015 Mol (Tabellen Nr. 2, Abb. 1, Ringe,
punktierte Kurve) vérschiebt noch bedeutend weiter im Sinne des Prinzips b,
auf ри = 7,23. Mit einer Konzentration von 0,02 Mol (Tabellen Nr. 3 u. 4,
Abb. 1, Kreuzringe, gestrichelte Kurve) erreicht die Rechtsverschiebung
ihr Maximum. Der Knick liegt bei pa = 7,33 bzw. 7,31; 7,29; 7,29 im einen
und 7,36 bzw. 7,34 im andern Versuche. Hier fügt sich der frühere Ver-
such ein [Tabellen der früheren Mitteilung!) Nr. XXIII, den wir in Abb. 1
aufgenommen haben, liegende Kreuze, strichpunktierte Kurve] Die im
Knick liegenden Punkte haben die pg = 7,12; 7,09; 7,07; 7,08. Die bei
den Erdalkalien gemachte Erfahrung wiederholt sich also auch beim Bor.
Mit steigender Konzentration macht sich zunächst das nach der basischen
Seite verschiebende Prinzip b immer mehr geltend bis zu einem Maximum.
9 Erhöht man die Konzentration noch
<> weiter, so beginnt das antagonistische
Prinzip a wirksam zu werden. In
der Tat kommt mit weiterer Steige-
rung der Konzentration das Prin-
zip a noch mehr zur Geltung. Bei
einer Konzentration von 0,1 Mol
überwiegt es schon über das Prin-
reegen rg O Tabellen Nr. 2 H,BO, 0,015 Mol. ZIP b, so daß eine Rechteverschie-
Ф- - – - Tabellen Nr. 4. H. BO, 0,02 Mol. bung der Lage des Knicks auftritt.
KLEER X Tab.') Nr. XXIII. H, BO, 0,08 Mol.
o—————e Tabellen Nr. 5. H, BO, 0,! Mol.
> > Tabellen Nr. 6. H,BO, 0,188 Mol.
Abb. 1. Kohlensäurebindungskurve von Hä-
molyseblut mit Zusats von Borsäure Abszisse:
Partiardruck der Kohlensäure in mm Hg. Or-
dinate: Kohlensäurekapazität in Volumpro-
zenten. Schraffiertes Dreieck am Unterrande:
physikalisch absorbierte Kohlensäure. Die von
der linken unteren Ecke ausgehenden Kurven
verbinden Punkte gleicher Wasserstoffzahl.
Bei der Zusammenstellung der
(Tabellen Nr. 5, Abb. 1, Punkte,
ausgezogene Kurve.) pn liegt bei
6,89 bzw. 6,90. Weitere Erhöhung
der Borsäurekonzentration auf 0,133
Mol (Tabellen Nr. 6, Abb. 1, Drei-
sterne, ausgezogene Kurve) ändert
an der Lage des Knicks nichts mehr,
Py = 6,88 bzw. 6,91.
Versuchsergebnisse erschienen uns
die eben mitgeteilten Feststellungen prinzipiell so wichtig, daß wir sie durch
Wiederholung sicherzustellen suchten. Wir gingen deshalb im Juli 1920
daran, die eben mitgeteilten, vorwiegend im Juli 1919 angestellten Versuche
zu wiederholen. Prinzipiell erhielten wir dieselben Ergebnisse wie das
erstemal. Allein zu unserem Erstaunen wurde die maximale Linksverschie-
bung bei einer anderen Dosierung erreicht wie in der ersten Versuchsreihe.
Während wir in der ersten Reihe die Verschiebung auf pn = 7,32 mit 0,02 Mol
Borsäure erhalten hatten, kamen wir auf etwa denselben Wert in der neuen
Versuchsreihe schon mit 0,008 Mol (Tabellen Nr. 7 u. 8). Die maximale Ver-
schiebung ist in diesen Versuchen nicht ganz erreicht. Aber weitere Steigerung
des Borsäurezusatzes auf 0,01 Mol (Tabellen Nr. 9 u. 10) beginnt den Knick
schon wieder nach rechts zu verschieben, die Werte liegen bei pg = 7,20;
7,19; 7,16; 7,15 im einen und 7,19; 7,21 im andern Versuch. Mit 0,02 Mol
schließlich (Tabellen Nr. 11), also dem Zusatz, der in der ersten Serie die maxi-
1) H. Straub u. Kl. Meier, diese Zeitschr. 90, 305. 1918.
Blutgasanalysen. УП. 49
male Linksverschiebung ergeben hatte, ist diesmal die Verschiebung schon
vollständig rückgängig geworden, die Punkte im Knick liegen bei рь =
7,01; 6,98; 7,01; 6,98. In beiden Reihen hatten wir dem Blut die Borsäure
in !/, molarer Lösung zugesetzt. Nun ist es zweifellos schwer, die genaue
Normalität einer Borsäurelösung zu bestimmen. Aber die gefundenen Unter-
schiede der Wirkungsstärke sind zu groß, um durch kleine Unterschiede
in dem Borsäuregehalt der von uns gebrauchten Lösungen erklärt zu werden.
Die Borsäure der von uns gebrauchten Lösungen war von verschiedener
Herkunft. Es wäre möglich, anzunehmen, daß verschiedene Borsäuren ver-
schiedener Herkunft die von uns nachgewiesene Eigenschaft der Veränderung
kolloidaler Ladungen in verschieden hohem Maße besitzen. Als zweite Mög-
lichkeit ist aber in Betracht zu ziehen, daß wir für unsere erste, 1919 durch-
geführte Versuchsreihe eine Borsäurelösung benützten, die schon seit 2 Jah-
ren, also seit 1917, von uns gehalten wurde. Man könnte also die beobach-
tete Erscheinung mit einem Altern der Borsäure bezüglich der geprüften
Eigenschaft erklären. Analogien für beide Möglichkeiten sind uns nicht
bekannt. Wir werden später prüfen, ob die 1920 von uns gebrauchte Bor-
säurelösung bei längerer Aufbewahrung an Wirkungsstärke einbüßt und
hoffen dadurch später einen weiteren Beitrag zu der Frage liefern zu können.
b) Waschversuche.
Defibriniertes Blut wurde in physiologischer Kochsalzlösung gewaschen,
wobei unter Wahrung der Isotonie ein Teil des Salzes durch Borsäure
ersetzt wurde. Kleine Borsäurekonzentrationen ergaben nur sehr geringe
oder gar keine Verschiebung des Knicks der roten Blutkörperchen. Mit
0,002 Mol (Tabellen Nr. 12) liegt der Knick bei pn = 6,68, also nicht ver-
ändert. Mit 0,01 Mol (Tabellen Nr. 13) findet sich eine ganz geringe Links-
verschiebung auf pg = 6,71. Mit 0,015 Mol, also einer sehr geringen wei-
teren Konzentrationssteigerung (Tabellen Nr. 14) ist kein Punkt im Knick
selbst getroffen, dieser liegt zwischen pn = 6,84 und 6,64. Mit 0,02 Mol
(Tabellen Nr. 15) und 0,03 Mol (Tabellen Nr. 16) tritt eine ganz geringe
Rechtsverschiebung ein, Lage des Knicks bei p, = 6,62 bzw. 6,64; 6,64
und 6,65.
Da uns die Zahl dieser Versuche und die Variation der Konzentration
nicht auszureichen schien, haben wir sie 1920 ergänzt und machten
mit der neuen Borlösung dieselben Erfahrungen wie bei den oben mit-
geteilten Hämolyseversuchen. Auch auf die ganzen Zellen erwies sich die
neue Borlösung in viel niedrigeren Dosen wirksam als die alte. Schon mit
einem Borsäuregehalt der Waschflüssigkeit von nur 0,00005 Mol (Tabellen
Nr. 17) ergab sich eine deutliche Linksverschiebung des Knicks, er lag bei
Pa = 6,74; 6,74; 6,78; 6,75; 6,75. Dieselbe Lage des Knicks ergab die
vierfach größere Menge 0,0002 Mol (Tabellen Nr. 18). Gefunden wurde
für den Knick p, = 6,74; 6,74. Etwas geringer war die Linksverschiebung
mit 0,0005 Mol (Tabellen Nr. 19). Im Knick liegen die Werte p, = 6,74;
6,70; 6,71; 6,69; 6,71. -Nochmalige Verdoppelung des Borsäurezusatzes
bringt nun schon die Andeutung einer Rechtsverschiebung, bei 0,001 Mol
(Tabellen Nr. 20) liegen im Knick die Punkte pg = 6,67; 6,67; 6,63. Weitere
Biochemische Zeitschrift Band 111. 4 e
50 H. Straub und Kl. Meier:
Erhöhung des Borzusatzes auf 0,004 Mol (Tabellen Nr. 21) und auf 0,005 Mol
(Tabellen Nr. 22) endlich ergibt deutliche Rechtsverschiebung auf die
Werte pa = 6,55; 6,54; 6,55 bzw. 6,57; 6,56. Damit ist offenbar ein End-
wert erreicht.
Im Gegensatz zu der am Hämoglobin beobachteten Wirkung ist
also die durch kleine Borsäuremengen erreichte Linksverschiebung an
den ganzen Zellen eine sehr geringe. Auch bei dieser Versuchsreihe zeigt
sich der Unterschied zwischen der alten und der frisch bereiteten Bor-
säurelösung, und zwar noch viel ausgesprochener als am Hämoglobin.
Die alte Lösung bewirkt nur in verhältnismäßig hoher Konzentration,
0,01 Mol, und auch da nur schwach angedeutet eine Linksverschiebung,
die bis 6,71 reicht, also die Fehlergrenzen der Methode kaum überschreitet.
Die neue Lösung ergibt schon bei Zusatz von 0,00005 und noch deutlicher
mit 0,0002 Mol eine Links verschiebung, die etwas weiter, bis рь = 6,74
reicht. An den unversehrten Zellen wird die Wirkung des Prinzips b der
Borsäure nur ganz undeutlich oder überhaupt nicht merkbar. In der Lite-
ratur wird angegeben, daß die roten Blutkörperchen für Borsäure von
allem Anfang an durchgängig seien. Der Begriff der Durchgängigkeit
roter Blutkörperchen ist nach unserer Auffassung in Wandlung begriffen.
Aber vielleicht weisen die Beobachtungen, die dieser Angabe der Literatur
zugrunde liegen, doch darauf hin, daß die Wirksamkeit der Borsäure auf
die Zellen Eigentümlichkeiten besitzt, die wir noch nicht ausreichend
übersehen. Die scheinbare Unwirksamkeit des Prinzips b der Borsäure
in den Versuchen an ganzen Zellen mag vielleicht mit diesen Beobachtungen
in irgendeinem Zusammenhang stehen. Das Prinzip a der Borsäure da-
gegen läßt sich bei geeigneter Dosierung an den intakten Blutkörperchen
ebenso nachweisen wie an den Hämoglobinlösungen. Bei der ersten Ver-
suchsreihe mit der alten Borlösung hatten wir diese hohen Konzentrationen
nicht mehr prüfen können. Bei den Versuchen mit der frisch bereiteten
Borlösung dagegen war die a-Wirkung einwandfrei nachgewiesen. Sie
scheint den Knick endgültig bis auf p, = 6,55 zu verschieben.
II. Aluminium. Hämolyseversuche.
In unseren früheren Versuchen!) hatten wir auch die Wirkung des
Aluminiums geprüft und festgestellt, daß dieses Salz in der verwendeten
Dosierung eine deutliche Rechtsverschiebung des Hämoglobinknicks hervor-
ruft. Auf die Prüfung anderer Konzentrationen hatten wir im Rahmen
unserer damaligen Fragestellung verzichtet. In dem seitdem neu sich
ergebenden Zusammenhang haben wir die Lücke ausgefüllt und namentlich
die niedrigeren Aluminiumchloridkonzentrationen geprüft. Fügt man
defibriniertem Blute 0,001 Mol Aluminiumchlorid zu und hämolysiert
durch Saponin (Tabellen Nr. 23, Abb. 2, Ringe, ausgezogene Kurve), so
erhält man eine deutliche, aber geringe Verschiebung nach der basischen
Seite. Das Prinzip b tritt in Wirkung. Die Wasserstoffzahlen des Knicks
liegen bei pa = 7,06; 7,06; 7,06. Verdoppelung der Aluminiumkonzen-
1) H. Straub und Kl. Meier, diese Zeitschr. 90, 305. 1918.
Blutgasanalysen. VII. 51
tration auf 0,002 Mol (Tabellen Nr. 24, Abb. 2, Punkte, punktierte Kurve)
läßt nun das Prinzip b sehr stark hervortreten. Der Knick liegt bei p, = 7,30.
Schon bei geringer weiterer Steigerung der Aluminiumkonzentration aber
auf 0,003 Mol (Tabellen Nr. 25, Abb. 2, Kreuze, gestrichelte Kurve) findet
sich eine Rechteverschiebung. Das antagonistische Prinzip a ist voll zur
Wirkung gekommen. Der Knick liegt bei ри = 6,90; 6,905. Bemerkens-
wert ist bei diesen Versuchen die außerordentliche Labilität des Gleich-
gewichts, wie sie bisher in dieser Weise noch nicht beobachtet war. Wäh-
rend mit 0,002 Molen noch eine maximale Wirkung des Prinzips b unter
sehr starker Linksverschiebung auf p, = 7,30 m bewirkt schon die
ganz geringe Konzentrationssteige- i
Г Ее
rang auf 0,003 Mole maximale
Rechtsverschiebung auf po = 6,90.
7 482 „„
,
A 2 . СЕА 224
rung дег Dosierung kommt eine
dazwischenliegende Anordnung des $
Knicks mit allmählichem Rück-
gang der b-Wirkung beim Alu-
minium nicht zur Beobachtung.
Trotz der sehr vorsichtigen Steige-
MH ,
í ў 35 Tabellen Nr. 28. AICI, 0,001 Mol.
Sobald a überhaupt wirksam wird, ө......... ә Tabellen Nr. 24. AlCl, 0,002 Mol.
ist seine Wirkung in diesem Falle +- - - Tabellen Nr. 25. AICI, 0,008 Mol.
. . e Ё Abb. 2. Kohlensäurebindungskurve von HAmo-
maximal. Wir zweifeln nicht, daß lyseblut mit Zusatz von Aluminiumchlorid.
bei sehr vorsichtiger Steigerung Erklärung wie Abb. 1.
der Dosen auch beim Aluminium eine solche mittlere Lage des Knicks
gefunden werden könnte, wie das bei allen bisher geprüften Substanzen
der Fall war. Worauf wir aber den Nachdruck legen, das ist die Tatsache,
daß das Intervall, in dem bei passender Dosierung ein mittleres Gleich-
gewicht zwischen Prinzip a und b erhalten wird, bei Aluminium so außer-
ordentlich klein ist. Daß wir mit der Dosis von 0,003 Mol schon das Maxi-
mum der a-Wirkung erreicht haben, schließen wir aus den früher mit-
geteilten Versuchen (1, Tabellen Nr. XXXIIund X XXIII). Bei diesen war mit
einer Konzentration von 0,01 Mol der Knick bei 6,91; 6,91 und mit einer Kon-
zentration von 0,02 Mol der Knick zwischen 6,93 und 6,88 liegend gefunden
worden (im letzten Versuche waren nur je ein Punkt dicht vor und dicht
hinter dem Knick bestimmt worden). Die in diesen Versuchen mit viel
höheren Konzentrationen bestimmten Werte für die Lage des Knicks `
stimmen also mit denen des neuen Versuches vollkommen überein.
III. Lanthan.
a) Hämolyseversuche.
In unserer früheren Mitteilung?) hatten wir 3 Versuche über die Wir-
kung des Lanthanchlorids auf den Hämoglobinknick angestellt, die wir
dahin gedeutet hatten, daß Lanthan in niedrigen Dosen nach der basischen
Seite verschiebt, also eine Wirkung entfaltet, die wir seitdem als Prinzip b
bezeichnet haben. In großen Dosen verschiebt Lanthan nach der sauren
1) H. Straub und Kl. Meier, diese Zeitschr. 90, 305. 1918.
4*
52 H. Straub und Kl. Meier:
Seite, entfaltet also die Wirkung des Prinzips a. Einen bei mittleren Lan
thandosen angestellten Versuch hatten wir so verstanden, daß dabei über-
haupt kein Knick auftrete, daß also die Entladung des Hämoglobins dabei
vollkommen verhindert werde. Die Umgebung des normalen Knicks zwi-
schen 7,09 und 6,70 hatten wir dabei sehr sorgfältig mit 5 Punkten abgesucht
und hatten diese Punkte vollkommen in einer geraden Linie liegend gefunden,
die der Mehraufnahme von Kohlensäure allein durch Absorption entsprach.
Nach unseren damaligen Kenntnissen konnten wir also kaum zu einer
anderen Deutung unseres Versuches kommen. Seitdem haben wir aber
gefunden, daß viel stärkere Verschiebungen des Hämoglobinknicks auch
nach der basischen Seite vorkommen können, als wir damals annahmen.
Als wir uns daraufhin die in dem fraglichen Versuche [!), Abb. 5, Kurve 2,
Tabellen Nr. XXX] gezogene Kurve nochmals ansahen, kamen uns Zweifel,
ob wir nicht in dem ersten Teile der Kurve, in dem nur ein Punkt bestimmt
wurde, die Kurve falsch gezogen hatten. Die Abb. 5 der damaligen Mit-
teilung zeigt, daß die Kurve in diesem Teile einen anderen Verlauf nimmt
wie die übrigen in die Abbildung aufgenommenen Kurven. Die Kurve dieses
Versuchs überkreuzt die anderen. So kamen wir auf die Vermutung, der
Knick möchte in Wahrheit nicht fehlen, sondern da liegen, wo wir den
ersten Punkt bestimmt hatten, also bei p, = 7,30 bzw. 7,29. Wir haben
die Kurve, in dieser Weise gezeichnet, in Abb. 3 dieser Mitteilung nochmals
aufgenommen. (Liegende Kreuze, ausgezogene Kurve.) Für diese Auf-
fassung des Versuchs spricht auch die Tatsache, daß vom zweiten Punkte
ab die Kurve nur mehr parallel dem Oberrande des schraffierten Dreiecks
ansteigt, während die Kurven vor dem Knick im allgemeinen einen wenig-
stens etwas steileren Anstieg zeigen. Um über die Frage endgültige Klarheit
zu gewinnen, haben wir in der Nähe der fraglichen Konzentration (0,01 Mol)
noch eine Reihe weiterer Versuche angestellt. Der Reihenfolge nach kommt
zuerst der Versuch Nr. XXIX der früheren Mitteilung mit einem Zusatz von
0,002 Mol Lanthanchlorid, der in der Abb. 5 der früheren Mitteilung als
Kurve 1 dargestellt ist. Er zeigt eine schwache Wirkung des Prinzips b,
der Knick liegt bei p, = 7,035; 7,04; 7,035. Mit einer Konzentration von
0,008 Mol (Tabellen Nr. 26, Abb. 3 dieser Mitteilung, Punkte, strichpunk-
tierte Kurve) ist das Prinzip b viel stärker wirksam. Lage des Knicks bei
Pa = 7,14; 7,12. Geringe weitere Erhöhung der Lanthankonzentration
auf 0,009 Mol (Tabellen Nr. 27, Abb. 3, Ringe, punktierte Kurve) verschiebt
noch weiter nach links, der Knick liegt bei demselben Werte, den wir für
unseren früheren Versuch vermutet hatten, wenn wir den ersten Punkt
als im Knick liegend betrachten. Der im Knick liegende Punkt unseres
neuen Versuchs hat p, = 7,31. Minimale weitere Erhöhung auf 0,0095 Mol
(Tabellen Nr. 28, Abb. 3, Dreistern, gestrichelte Kurve) hat nun sofort
eine fast maximale Wirkung des Prinzips a zur Folge. Der Knick liegt
bei Pa = 6,93; 6,94; 6,94; 6,94. Und mit 0,01 Mol schließlich (Tabellen
Nr. 29 u. 30, Abb. 3, stehende Kreuze, gestrichelte Kurve) finden sich
für den Knick die Werte pn = 6,91 und 6,93. Damit stimmt die Lage des
Knicks überein mit der in dem dritten früheren Versuch (Tabellen Nr. X XXI.
1) H. Straub und KL Meier, diese Zeitschr. 90, 305. 1918.
Blutgasanalysen. VII. 53
Abb. 5, Kurve 3 der früheren Mitteilung) bei einer Konzentration von
0,02 Mol gefundenen. Der damals bestimmte Wert fiir den Knick lag bei
Pa = 6,88. Was wir beim Aluminium zum ersten Male beobachtet hatten,
findet sich beim Lanthan wieder, bei dem wir die Erscheinung noch viel
sorgfältiger mit ganz langsamer Änderung der Konzentration verfolgt
haben. Während sich bei einer Konzentration, in vorliegendem Falle
0,009 Mol, noch die maximale bh Wirkung gefunden hatte, hat eine minimale
Steigerung auf 0,0095 Mol schon die Folge, daß die maximale a-Wirkung
Wi
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ОУУ,
.-.-. --e Tabellen Nr. 26. Тасі, 0,008 Mol.
O2 2 O Tabellen Nr. 27. Тасі, 0,009 Mol.
> < Tabellen Nr. 28, Lat *, 0095 Mol.
+ - - Tabellen Nr. 29. LaCi, 0,01 Mol.
— - A Alter Versuch. Tabellen Nr. XXX. LaCl, 0,01 Mol.
Abb. 8. Kohlensäurebindungskurve von Hämolyseblut mit Zusatz von Lanthanchlorid.
Erklärung wie Abb. 1.
auftritt. Wenn wir in dem früher mitgeteilten Versuche, bei dem wir die
Konzentration auf 0,01 Mol bewertet hatten, noch die maximale ö-Wirkung
gefunden hatten, so liegt dies zweifellos an den unvermeidlichen Fehler-
breiten beim Pipettieren der zugefügten Lanthanlösung. Da wir das Lanthan-
chlorid in molaren Lösungen zugefügt hatten, handelt es sich um Differenzen
von 0,009 — 0, Ol cem der zupipettierten Lösung. Auch bei Verwendung von
Capillarpipetten, die in 0,001 ccm geteilt sind, muß wegen der Tropfengröße
mit dieser Fehlerbreite der Mengenbestimmung gerechnet werden. Jeden-
falls ergeben diese Beobachtungen den fast momentanen Umschlag von
maximaler b-Wirkung zu maximaler a-Wirkung bei minimaler Steigerung
der zugefügten Lanthanmengen.
b) Waschversuche.
Aus den in der Einleitung angeführten Gründen, vor allem wegen der
Bildung einer zähflüssigen gelatinösen Masse an Stelle der Blutkörperchen-
suspension, konnte die Wirkung des Lanthans auf die intakten roten Blut-
körperchen nur in sehr kleinen Dosen untersucht werden. Mit Lanthan-
chlorid 0,0005 Mol (Tabellen Nr. 31, Abb. 4, liegende Kreuze, gestrichelte
Kurve), also einer Menge, die um eine Dezimale niedriger ist als die in den
vorigen Versuchen in ihrer Wirkung auf das Hämoglobin geprüfte, findet
sich schon eine deutliche Wirkung des Prinzips b. Der Knick liegt bei
Pa = 6,91; 6,91; 6,89; 6,90. Verdoppelung der Lanthankonzentration auf
0,001 Mol (Tabellen Nr. 32, Abb. 4, Ringe, ausgezogene Kurve) verschiebt
weiter nach links, Knick bei рь = 7,08; 7,07; 7,06; 7,06. Und mit 0,003 Mol
54 H. Straub und Kl. Meier:
schließlich (Tabellen Nr. 33, Abb. 4, Punkte, punktierte Kurve) wird der
Knick noch weiter nach links verschoben, er liegt bei pg = 7,14; 7,13;
7,21. Ein Blick auf Abb. 4 zeigt, daß die Übereinstimmung der für diesen
Knick bestimmten Werte besser ist, als es nach den Zahlen scheint. Der
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X----X Tabellen Nr. 81. LaCi, 0,0006 Mol.
O © Tabellen Nr. 82. LaCl, 0,001 Mol.
9 2 ө Tabellen Nr. 88. La Cl, 0,008 Mol.
Abb. 4. Kohlensdurebindungskurve von Blutkörperchensuspenslonen in isotonischen
Lösungen mit Zusatz von Lanthanchlorid. Erklärung wie Abb. 1.
Knick verläuft dort sehr steil und die Linien gleicher Wasserstoffzahl
liegen sehr nahe benachbart. Ob mit diesem Versuche das Maximum der
d- Wirkung erreicht ist, bleibt ungewiß. Die Wirkung des Prinzips a ist
bei den allein der Prüfung zugänglichen Dosen noch nicht nachweisbar.
Besprechung der Ergebnisse.
Die Untersuchung des Einflusses der drei Elemente Bor,
Aluminium und Lanthan aus der dritten Reihe des periodischen
Systems. in ihrer Wirkung auf Hämoglobin und Zelle hat fast
wider Erwarten ebenfalls eine Gesetzmäßigkeit ergeben. Die
Versuche an den unversehrten Zellen konnten nicht lückenlos
durchgeführt werden wegen entgegenstehender technischer Schwie-
rigkeiten, vor allem wegen auftretender Hämolyse. Für die
weiteren Uberlegungen scheiden also diese Versuche aus.
Um so bemerkenswerter sind die an hämolysiertem Blute
beobachteten Ergebnisse. Der aus den früheren Untersuchungen
bekannte Antagonismus der Prinzipien a und b findet sich auch
hier durchweg wieder. Wieder überwiegt in schwachen Konzen-
trationen das Prinzip b, in starken dagegen Prinzip a. Betrachten
wir zunächst die erreichten maximalen Ausschläge. Bor verschiebt
bei 0,02 molarer Konzentration auf р. = 7,31 als Mittel von
5 Werten. Aluminium bei 0,002 molarer Konzentration auf
Фн = 7,30. Und für Lathan findet sich bei 0,009 molarer Kon-
zentration 7, 30 als Mittel von 3 Werten. Man sieht, der erreichte
Blutgasanalysen. VII. 55
maximale Wert der 5-Wirkung ist für alle 3 Substanzen absolut
identisch.
Das Maximum der a-Wirkung wird bei Bor in der Konzen-
tration von 0,1 Mol erreicht. Als Durchschnitt von 4 Werten
findet sich der Knick bei pg = 6,895. Mit Aluminium tritt das
Maximum der a-Wirkung bei 0,003 molarer Konzentration auf.
Als Mittel von 5 Werten findet sich der Knick bei pe = 6,90.
Lanthanchlorid schließlich ergibt bei 0,01 molarer Konzentration
den Knick bei pg = 6,91 als Mittel von 3 Werten. Man sieht,
auch das Maximum der a-Wirkung ist für die 3 Substanzen
dasselbe.
Diese Beobachtung steht nicht im Einklang mit der Annahme,
daß die Schulzesche Wertigkeitsregel diese Vorgänge bestimme.
Nach dieser Regel wäre die Wirksamkeit eines Ions abhängig von
der Ladung, die es trägt. Die starke Wirkung des Lanthans auf
Kolloide wurde nach dieser Regel als die Folge der dreifachen
positiven Ladung des Lanthanions aufgefaßt. Wir hatten schon
früher!) darauf hingewiesen, daß sich unsere Beobachtungen über
die Wirkungen der Alkaliionen mit dieser Regel nicht vertragen.
Die Beobachtungen der vorliegenden Mitteilung scheinen uns
mit dieser Regel ganz unvereinbar. Schon beim Aluminium
ergeben sich die größten Schwierigkeiten. Wir hatten darauf
hingewiesen, daß Aluminiumchlorid als das Salz einer schwachen
Base nur zu einem kleinen Teil elektrolytisch dissoziiert ist, daß
also nur verhältnismäßig wenige Aluminiumionen in Lösung
zugegen sind. Ein erheblicher Teil des Salzes ist hydrolysiert zu
denken, d. h. es ist zwar das Chlorion abgespalten, der Rest aber
als Aluminiumhydroxyd in elektrisch neutraler Form zugegen.
Obgleich also nur verhältnismäßig wenige dreifach positiv ge-
ladene Aluminiumionen in der Lösung enthalten sind, wirkt
Aluminium in viel geringerer Konzentration als das stark disso-
ziierte Lanthan. Das Maximum der b- Wirkung wird mit 0,002 Mol
Aluminiumchlorid, aber erst mit 0,009 Mol Lanthanchlorid er-
reicht, das Maximum der a-Wirkung mit 0,003 Mol Aluminium-
chlorid, aber erst mit 0,01 Mol Lanthanchlorid. Berücksichtigt
man die vorwiegend hydrolytische Spaltung des Aluminium-
chlorids, so müßte man den relativ wenig zahlreichen Aluminium-
ionen, die tatsächlich auftreten, eine ganz ungeheuer viel stärkere
1) H. Straub und Kl. Meier, diese Zeitschr. 98, 228. 1919.
56 H. Straub und Kl. Meier:
Wirkung zusprechen als den zahlreichen Lanthanionen. Es wird
damit sehr fraglich, ob die von uns beobachtete Wirkung über-
haupt an die dreifach positiv geladenen Ionen gebunden ist, oder
ob es sich um eine Eigenschaft des Atoms handelt, die auch in
undissoziierter, elektrisch neutraler Form zur Geltung kommen
kann.
Diese Überlegung wird nahezu zur Gewißheit, wenn man die
mit Borsäurezusatz gemachten Erfahrungen berücksichtigt. Zwar
ist es, wie wir schon früher ausgeführt haben!), schwierig zu
beurteilen und keineswegs endgültig entschieden, in welcher Form
die Borsäure in einer nahezu neutralen Lösung zugegen ist. Sicher
ist, daß das Borhydroxyd, die Borsäure, bei dem hier in Betracht
kommenden Säuregrad der Lösung praktisch noch keine Wasser-
stoffionen abspaltet, daß also die Borsäure noch nicht als Anion
auftritt, daß sie noch keine Säureeigenschaften entfaltet. Aber
andererseits tritt doch offenbar die basische Eigenschaft des
Borhydroxydes bei der hier vorkommenden Wasserstoffzahl
ebenfalls ganz zurück. Es geht wohl kaum an, anzunehmen,
daß alle drei Hydroxylionen der Borsäure abgespalten wären und
das Bor analog dem Aluminium und Lanthan als dreifach positiv
geladenes Borion auftreten könnte. Und trotzdem entfaltet die
zugesetzte Borsäure im Prinzip genau dieselbe Wirkung wie das
Aluminiumchlorid und Lanthanchlorid. Wir sehen demnach
keine Möglichkeit, diese Wirkung, die uns hier interessiert und die
offenbar biologisch die größte Bedeutung besitzt, an die Ionen
gebunden zu denken. Offenbar muß sie vielmehr den Atomen
zuerkannt werden. Die Annahme, daß andere Wirkungen an
die Ionen gebunden sind und daß die elektrische Ladung der
Ionen von Einfluß auf solche andersartige Vorgänge ist, wird
davon nicht berührt. |
Daß die Ionisation deshalb ganz ohne Einfluß auf den Wir- |
kungsgrad sei, soll damit keineswegs behauptet werden. Sind
doch von Bor viel größere Dosen nötig, um die maximalen Wir-
kungen zu erreichen, als von den teilweise oder ganz ionisierten
Elementen Aluminium und Lanthan. Die ö-Wirkung wurde mit
der älteren Borlösung erst bei 0,02 molarer Konzentration maxi-
mal, die a-Wirkung erst mit 0,1 molarer. Wir glauben diese
Tatsache dahin verstehen zu sollen, daß der wirksame Faktor
MH. Straub und Kl. Meier, diese Zeitschr. 90, 306. 1918.
Blutgasanalysen. VII. 57
von den Ionen leichter an den Wirkungsort herangebracht wird
als von den nicht ionisierten Atomen. Wenn wir dieses Heran-
bringen der Wirkung an den Wirkungsort in der Form einer
Adsorption an der Oberfläche der Kolloide annehmen, so wird
diese Meinung verständlich. Es wird auch verständlich, daß zur
Erreichung der 6-Wirkung, die mit verhältnismäßig geringen
Mengen erzielt wird, von der alten Borsäurelösung nur die doppelte
Konzentration, von der frisch bereiteten Lösung sogar eine etwas
geringere Konzentration gegenüber dem Lanthan erforderlich
ist. Zur Erreichung der maximalen o Wirkung dagegen, die erst
von ziemlich hohen Konzentrationen erzielt wird, ist von der
alten Borsäurelösung die zehnfache Menge, von der frisch be-
reiteten vermutlich etwa die dreifache Menge gegenüber dem
Lanthan erforderlich. Offenbar ist es schwer, von dem großen
Borsäuremolekül die erforderliche Menge an der Kolloidoberfläche
zur Adsorption zu bringen, und diese Schwierigkeit wächst um so
mehr, je größer die zur Wirkung erforderliche Konzentration ist.
Die erforderliche größere Menge des Lanthanions dagegen an der
Oberfläche zu adsorbieren, ist auch bei höheren Konzentrationen
verhältnismäßig leichter möglich.
Mit den Ergebnissen, die bei Prüfung der Erdalkalien erhalten
wurden!), ergeben sich manche prinzipielle Ähnlichkeiten. Auch
die Erdalkalien hatten in kleinen Dosen eine Wirkung im Sinne
des Prinzips b entfaltet, in großen Dosen war das Prinzip a hervor-
getreten. Die Größenordnung der wirksamen Konzentrationen
ist bei Erdalkalien und Erden ungefähr dieselbe. Doch war das
Prinzip b bei den Erdalkalien sehr schwach ausgesprochen, die
Verschiebung des Knicks aus der Normallage nach der basischen
Seite war nur eine sehr geringe. Bei den Erden dagegen ist das
Prinzip b sehr stark vorhanden, die Verschiebung des Knicks ist
eine sehr beträchtliche. Von рр = 7,00 wird er auf py, = 7,31
bzw. 7,30 verschoben. Damit erreicht der Knick eine so hoch-
gradige Verschiebung, wie wir sie bisher nur einmal, nämlich beim
Caesium, gefunden hatten. Der für den Caesiumknick gefundene
Wert von 7,34 stimmt mit dem bei den Erden ermittelten sehr
nahezu überein. Das Prinzip a dagegen ist bei den Erden viel
schwächer wirksam als bei den Erdalkalien. Die Erden verschieben
den Hämoglobinknick in hohen Konzentrationen auf рд = 6,90,
1) H. Straub und Kl. Meier, diese Zeitschr. 109, 47. 1920.
58 H. Straub und Kl. Meier:
während die Erdalkalien den Wert 6,80 ergeben hatten. Diese
Wasserstoffzahlen sind, woran hier nochmals erinnert sei, Loga-
rithmen. Schon früher bei der Untersuchung der Alkalien hatten
wir in den Verschiebungen dieser logarithmischen Werte eigen-
artige Gesetzmäßigkeiten gefunden. Bei den Alkalien war die
Differenz der Wasserstoffzahlen in der Reihe Natrium, Kalium,
Rubidium und Caesium stets von Element zu Element dieselbe
gewesen. Der für das Caesium gefundene Endwert wird bei den
Erden so nahezu wieder erreicht, daß man wohl annehmen darf,
es handle sich um einen und denselben Wert.” Vielleicht kann
eine noch bessere Übereinstimmung deshalb gar nicht erwartet
werden, weil der Endwert der ö-Wirkung ja bei den Erden auf
einem Gleichgewichtszustand zwischen Prinzip a und b beruht und
weil dementsprechend der endgültige Wert der 5-Wirkung nur
bei optimaler Konzentration erhalten werden kann. Es hatte
sich gezeigt, daß schon ein minimales Überschreiten der optimalen
Konzentration sofort die maximale a-Wirkung hervortreten läßt.
Die Bestimmung des Endwertes der ö-Wirkung ist dadurch bei
den Erden mit einer kleinen Unsicherheit behaftet. Beim Caesium
dagegen war nur das Prinzip b wirksam. Aus diesen Überlegungen
heraus wird man mit der Möglichkeit rechnen müssen, daß die
nahe Nachbarschaft des Caesium- und des für die Erden gefundenen
Wertes nicht auf einem bloßen Zufall beruht.
Für die a-Wirkung ergibt sich dann die ebenfalls auffallende
Tatsache, daß der Abstand von der Normallage für die Erd-
alkalien genau doppelt so groß ist als für die Erden. Nun darf
man freilich nicht aus dem Auge verlieren, daß die Methode der
Bestimmung der Wasserstoffzahlen, die wir verwendet haben,
doch immerhin eine nicht unerhebliche Fehlerbreite besitzt. Aber
die ermittelten Werte der Endwirkung für jede Reihe von Elemen-
ten stellen doch Durchschnittswerte aus einer ziemlich großen
Anzahl von Bestimmungen dar und die Streuung der Fehlerbreite
ist für jede Bestimmungsserie nicht so groß, daß man die ermittel-
ten Durchschnittswerte nicht als recht gut charakterisiert an-
sprechen könnte. Vielleicht wäre das, was man doch wohl aus
unseren Beobachtungen folgern muß, besser begründet, wenn ein
noch genaueres Verfahren zur Bestimmung der Wasserstoffzahl
zur Verfügung stünde. Aber kein einziges bisher bekanntes hat
eine wesentlich kleinere Fehlerbreite. So wird man es nur mit
Blutgasanalysen. УП. 59
einer gewissen Reserve aufnehmen, wenn aus unseren Beobach-
tungen die Vermutung abgeleitet wird, es könnte die Wirkung,
die wir als Verschiebung des Hämoglobin- und Zellknicks beob-
achteten, durch Kräfte hervorgerufen werden, die nicht zu kon-
tinuierlichem Verschieben im Prinzip befähigt sind, sondern die
immer dann, wenn sie maximale Wirkung entfalten, diese Wirkung
in Stufen erreichen, mit anderen Worten, daßessich um gequantelte
Kräfte handelt. Welcher Art die in Betracht kommenden Ele-
mentarquanten der wirksamen Kräfte sind, soll späteren Er-
örterungen vorbehalten bleiben.
Zusammenfassung.
Bei Prüfung des Einflusses der drei Elemente der dritten
Reihe des periodischen Systems Bor, Aluminium und Lanthan
auf die Ladung des Hämoglobins ergab sich für alle’ drei eine
prinzipiell gleichartige Wirkung. Bei allen war in schwachen
Konzentrationen das die Entladung des Hämoglobins unter-
stützende Prinzip b in sehr wirksamer Form nachweisbar. Bei
allen tritt bei optimaler Konzentration die durch den Knick der
Kohlensäurebindungskurve angezeigte Entladung des Hämo-
globins schon bei der Wasserstoffzahl p, = etwa 7,31 ein, also
ziemlich genau bei demselben Werte wie nach Caesiumzusatz.
Mit Steigerung der Konzentration tritt bei allen drei Elementen
das antagonistische Prinzip a auf, das bei genügend hoher Kon-
zentration den Knick der Kohlensäurebindungskurve auf ру =
6,90 verschiebt, also halb so stark, als bei Zusatz ausreichender
Mengen von Erdalkalien.
Das zugesetzte Lanthanchlorid ist stark dissoziiert, Lanthan
vorwiegend als Ion zugegen; Aluminiumchlorid ist stark hydro-
lytisch gespalten, nur ein kleiner Teil des Aluminiums ionisiert.
Bor wurde als nicht dissoziierte Borsäure zugesetzt. Die beob-
achtete Wirkung auf die Ladung des Hämoglobins ist also nicht
an die Gegenwart der Ionen gebunden. Die Beobachtung steht
nicht in Einklang mit der Schulzeschen Wertigkeitsregel, da
Aluminium in größerer Verdünnung als Lanthan wirksam ist und
da auch die nicht ionisierte Borsäure dieselbe Wirkung besitzt.
Offenbar handelt es sich demnach um Wirkungen der Atome,
nicht der Ionen.
Die Wirkung der drei Elemente auf ganze Zellen konnte
Н. Straub und KL Meier:
&
wegen auftretender Hämolyse nicht vollständig durchgeprüft
werden. Bei Lanthan ließ sich die Wirkuug des Prinzipe b an
ganzen Zellen ebenso wie am Hämoglobin nachweisen. Aluminium
konnte nicht untersucht werden. Bei der Borsäure scheint das
Prinzip b auf die Zelle nur schwach wirken zu können, das Prinzip a
dagegen ist gut nachweisbar.
Versuchsprotokolle.
I. Borsäure.
A. Himolyseversuche' ).
Alte Lösung.
1. Abb. 1. Stehende Kreuze, ausgezogene Kurve.
Blut defibiriniert + H,BO, 0,005 Mol + Saponin.
CO, Spannung. . . 17,6 344 506 641 72,6 924
CO,-Kapazität. . 32,0 36,1 383 45,8 623 626
49,2 601
Dit ia eek 7.52 726 71 7,07 7,06 6,95
Knick 7,04 6,93
2. Abb. 1. Ringe, punktierte Kurve.
Blut defibriniert + H,BO, 0,015 Mol + Saponin.
CO,-Spanmnung. ....... 17,6 34,4 41,1 49,0 74,8
CO,-Kapazitit........ 227 338 382 41,1 404
23,6 39,1
Ба ZC et Фо tay et 7,38 7,23 7,20 7,15 6,94
7,39 Knick. 7,13
3. Blut defibriniert + H,BO, 0,02 Mol + Saponin.
CO,-Spannung. . . . . . .. 16,6 21,7 28,9 36,1 63,1
CO,-Kapazitat........ 189 24,2 320 35,7 38,0
23,1 36,3
” Dees wees es. 4,38 7,31 77 7,93 7,00
7,29 6,98
Knick.
4. Abb. 1. Kreuzringe, gestrichelte Kurve.
Blut defibriniert + H,BO, 0,02 Mol + Saponin.
CO. Spannung. . . . 16,4 25,0 292 37,3 49,0 70,1
CO,-Kapazität. . . 25,3 31,8 363 35,6 36,3 367
24,4
O 7,46 7,38 7,34 72 710 6,93
4 ale
с
1) Vgl. auch: Diese Zeitschr. 90, 305. 1918 Nr. XXIII, Abb. 1 dieser
Mitteilung, liegende Kreuze, strichpunktierte Kurve.
—
Blutgasanalysen. VII. 6
5. Abb. 1. Punkte, ausgezogene Kurve.
Blut defibriniert + H, BO, 0,1 Mol + Saponin.
CO, - Spannung 27,0 36,1 56,7 76,1
CO,-Kapazitat...........~. 19,5 19,9 265 366
ier A Ж Eur ели — 7,12 6,99 6,89 6,90
—
Knick.
6. Abb. 1. Dreisterne, ausgezogene Kurve.
Blut defibriniert + H, BO, 0,133 Mol + Saponin.
CO,-Spannung. . . . 16,9 31,6 40,4 48,0 57,1 92,0
CO,-Kapazität. . . . 16,0 18,3 21,5 21,5 27,6 31,3
„„ 7,21 7,02 6, 96 6,88 6,91 6,72
S kg
Knick.
Neue Lösung.
7. Blut defibriniert + HBO, 0,008 Mol + Saponin.
CO,-Spannung. . . . 10,8 20,5 28,5 37,8 87,3 106,2
CO, Kapazität. . 17,8 30, 3 31,9 43,8 59,3 60,9
15,6 27,4 | 62,3
Фи ee оз 1,50 1,48 7,30 7,29 7,03 6,95
м a”
7,45 7,38 Knick. 6,96
8. Blut defibriniert + H,BO, 0,008 Mol + Saponin.
CO,-Spannung........ 15,7 29,2 38,3 55,2 79,7
CO,-Kapazitét. ....... 22,7 34,6 39,4 47,9 50,3
20,3 32,1
J). 7,43 7, 32 7,25 7,16 7,00
7,39 7,29
— | —
Knick.
9. Blut defibriniert + H,BO, 0,01 Mol + Saponin.
CO,-Spannung 7,4 24,0 321 40,3 484 556 1104
CO,-Kapazitat 16,4 26,8 26,7 36,7 41,9 48,1 58,2
56,1
Dy - - - 7,64 7,30 7,20 7,19 7,16 7,15 6,90
—
Knick. 6,89
10. Blut defibriniert + H,BO, 0,01 Mol + Saponin.
CO,-Spannung. ....... 16,3 28,1 42,7 65,8 109,0
CO,-Kapazität. ....... 29,2 31,8 38,5 51,9 50,1
` 41,0 53,1
J en бә 7,51 7,30 7,19 7,10 6,85
7,21 6,87
Knick.
62 H. Straub und Kl. Meier.
11. Blut defibriniert + H, BO, 0,02 Mol + Saponin.
CO Spannung. . . 20,2 30,0 51,9 64,7 72,5 100,8
CO,-Kapazität.. . . . 22,2 22,6 31,2 40,6 39,8 44,5
29,3 37,9
me... 781 713 7,01 7,08 6,95 6,83
6,98 6,98
REE г
Knick.
B. Waschversuche.
Alte Lösung.
12. Blutkörperchensuspension in H. BO, ES, Molar.
NaCl 0,154
CO,-Spannung . ....... 28,7 55,9 96,6 138,0 199,3
CO,-Kapazitét. ....... 23,9 31,1 33,5 45,5 59,1
. eae ka Оёз 7,18 6,97 6,72 6,68 6,61
Knick.
13. Blutkörperchensuspension in H, BO, 0 Molar.
NaCl 0,15
CO,- Spannung 70,1 92,4 138,1 206,6
CO,-Kapazität. ,, ... 37,5 36,7 48,0 60,1
77) ee eo 6,94 6,79 6,71 6,60
Knick.
14. Blutkörperchensuspension in H, BO, 0,015) Molar.
NaCl 0,145]
CO, - Spannung 22,9 56,8 68,0 1640 2167
CO,-Kapazität.. . = 2 2... 168 29,2 20,1 498 62,7
16,4 50,8
Pye esses HI 693 684 6,64 6,61
7,12 1 6,64
Knick.
15. Blutkö hensuspension in H,BO, 0,02
mare NaCl 0145) кове
CO,-Spannung 25,2 58,2 88,1 104,6 134,7 1943 269,6
CO,-Kapazität 24,1 37,0 43,6 46,5 49,0 58,3 69,0
44,1
ри... 7,24 7,02 6,89 6,83 6,73 6,62 6,52
6,90 Knick.
16. Blutkörperchensuspension in H, BO, 0,03
NaCl we Molar,
CO,-Spannung . ....... 49,2 91,8 131,6 152,2 182,7
CO,-Kapazität. . . . . . .. 21,0 26,2 40,4 48,7 46,4
ФИ елы шу ГИСИ 6,86 6,64 6,64 6,65 6,54
— eg
Knick.
$
Blutgasanalysen. УП. 63
Neue Lösung.
17. Blutkörperchensuspension in H,BO, ie Molar
NaCl 0,155 `
CO,-Spannung. ..... . . 52,0 89,9 1024 119,7 162,3
CO,-Kapazität. ....... 31,4 31,8 40,0 44,5 48,8
32,0 37,3
e EECHER 7,01 6,74 6,78 6,75 6,63
6,74 6,75
Knick.
18. Blutkörperchensuspension in H, BO, С! Molar
NaCl 0,155 |
CO, Spannung 44,4 97,4 108,0 121,9 164,6
CO.-Kapazität. . . . 2... 24,2 36,6 38,8 "41,4 44,8
22,7
ПОТЕ ee ЖО a 6,97 6,76 6,74 6,70 6,58
aye Knick.
19. Blutkörperchensuspension in H,BO, Sch Molar.
| NaCl 0,155
CO,-Spannung. ....... 51,9 107,4 128,3 138,9 . 179,5
CO,-Kapazitét. ....... 26,7 39,2 44,9 48,8 48,2
26,4 36,0 42,9 489,2
"e E aaa ЗӨ RS Ser ШИЕ р 6,94 6,74 6,71 6,71 6,57
6,93 6,70 6,69 6,58
Knick.
20. Blutkörperchensuspension in H,BO, 35 Molar.
NaCl 0,155
CO,-Spannung . . . . 23,2 55,9 84,5 107,6 134,6 184,8
CO,- Kapazität. . 16,3 28,6 30,6 33,7 39,8 46,4
14,8 29,3 33,5
EE 7,12 6,93 6,75 6,67 6,63 6,53
7,07 6,73 6,67
— u
Knick.
21. Blutkérperchensuspension in H,BO, tel Molar.
NaCl 0,15
CO,-Spannung. . . . 17,0 56,7 88,0 145,9 211,5 248,5
CO,-Kapazität. . . . 16,6 37,8 40,7 41,4 55,6 67,3
‘ 14,2 54,2
Dr ee ee A 7,27 7,03 6,86 6,61 6,55 6,55
7,20 6,54
—ů
Knick.
64 H. Straub und Kl. Meier:
22. Blutkörperchensuspension in H, BO, ere Molar
NaCl 0,15 j
CO,-Spannung . ....... 29,2 52,9 68,4 82,2 128,2
CO,-Kapazität. ....... 11,8 15,9 18,1 20,3 32,7
10,0 15,4
Da ae we ĩ EE ee EE R 6,85 6,69 6,61 6,57 6,56
— —ẽ
6,77 6.67 Knick.
H. Aluminium.
Hämolyseversuche!).
23. Abb. 2. Ringe, ausgezogene Kurve.
Blut defibriniert + AlCl, 0,001 Mol + Saponin.
CO,-Spannung. . . . 22,6 39,4 49,1 67,8 65,1 93,0
CO,-Kapazität. . . . 27,3 35,0 37,3 4,5 45,8 49,3
27,7 35,0 40,2
„„ 7,34 7,18 7,11 7,06 7,06 6,92
7,35 7,08 7,06
S a”
Knick.
24. Abb. 2. Punkte, punktierte Kurve.
Blut defibriniert + AlCl, 0,002 Mol + Saponin.
CO,-Spannung. ........... 18,4 42,7 65,9 83,6
CO,-Kapazität. . . . 222200. 32,3 51,6 55,6 59,2
29,9
Ше Gaetan Hoe BOG, a ӨЛЕ ЛЕ. ГУ 7,50 7,30 7,14 7,05
7,47 Knick.
25. Abb.2. Kreuze, gestrichelte Kurve. |
Blut defibriniert + AICI, 0,003 Mol + Saponin.
CO,-Spannung 18,3 33,6 43,0 54,8 67,2 79,8 115,1
CO,-Kapazitat 27,3 28,5 30,0 30,1 32,4 40,0 47,8
pn. 7, 44 7,17 7,08 6,96 6,90 6,905 6,80
eee
Knick.
III. Lanthan.
A. Hämolyseversuche?).
26. Abb. 3. Punkte, strichpunktierte Kurve.
Blut defibriniert + LaCl, 0,008 Mol + Saponin.
CO,- Spannung 26,8 61,8 94,0 137,5
CO,-Kapazitét. .......... 38,4 53,0 69,0 70,6
50,2
РОТЕ ИЕ ТЕЕ" 7,40 7,14 7,06 6,89
7,12
Knick.
1) Vgl. auch H. Straub und Kl. Meier, diese Zeitschr. 90, 305. 1918.
Tabellen Nr. XXXII und XXXIII.
2) Vgl. ebenda Tabellen Nr. XXIX, XXX und XXXI.
Blutgasanalysen. VII. | 6
CA
27. Abb. 3. Ringe, punktierte Kurve.
Blut defibriniert + LaCl, 0,009 Mol + Saponin.
CO,-Spannung. ....... 25,7 42,0 72,6 94,3 118,9
CO,-Kapazität. . . . . . .. 42,0 51,4 68,2 67,1 78,4
Фаз жж Б л аж ш б 1,45 7,31 7,18 7,04 6,97
Knick.
28. Abb. 3. Dreistern, gestrichelte Kurve.
Blut defibriniert + Lal, 0,0095 Mol + Saponin.
CO, Spannung. . . 04 37,5 47,6 582 92 111,6
СО, Карага... . 33,4 455 44,1 47,9 540 63,5
48,9 562 62,8
„ 7,16 7,31 - 719 713 6,93 6,94
7,29 7,13 7,15 694 6,94
— |
Knick.
29. Abb. 3. Stehende Kreuze, gestrichelte Kurve.
Blut defibriniert + LaCl, 0,01 Mol + Saponin.
CO,Spannung. . . . 19,3 328 48,8 97,0 119,3 1501
60, Kapazitüt. . 334 42,6 45,6 DI 66,4 70,3
32,3
5 7,49 735 7,19 691 752 6,84
748 "кшк
А ICK.
30. Blut defibriniert + LaCi, 0,01 Mol + Saponin.
CO, - Spannung 26,4 64,7 78,4 89,1 165,3
CO, -Kapazi ttt. 42,0 46,1 47,4 49,9 71,4
47,8
„„ EE 7,44 7,07 6,99 6,94 4 6,80
6,92 |
Knick.
B. Waschversuche.
31. Abb.4. Liegende Kreuze, gestrichelte Kurve.
Blutkörperchensuspension in LaCl, Sech Molar
NaCl 0,154 )
CO,-Spannung. . . . 49,8 65,2 84,5 104,2 188,5 171,4
CO,-Kapazität. . . . 45,4 50,5 47,8 55,1 72,1 734
47,4 54,4 73,5
Ра > 7,18 7,10 6,96 6,91 6,89 6,79
7,20 6,91 6,90
— m)
Knick.
Biocbemische Zeitschrift Band 111. I
66 H. Straub und Kl. Meier: Blutgasanalysen.. VII.
32. Abb. A Ringe, ausgezogene Kurve.
Blutkörperchensuspension іп ГАС, wee Molar
NaCl 0,153
CO,-Spannung........ 19,0 36,0 58,1 59,3
CO,-Kapazitéat. ....... 26,9 31,8 43,2 39,9
42,0 40,9
(. GP у ake sa ed + 7,41 7,19 7,09 7,05
7,07 7,06
шше
Knick.
33. Abb. 4. Punkte, punktierte Kurve.
Blutkérperchensuspension in LaCl, ere Mol.
NaCl 0,149
CO,-Spanmnung. .........-.-..-..--. 27,6 53,0
CO,-Kapazität. .............. 21,2 52,6
20,7
)) a a кота em ale 7,14 7,21
т 1,13
96,8
53,4
6,93
71,7
65,0
64,7
7,16
7,16
Blutgasanalysen. VIII.
Der Einfluß einiger Digitaliskörper auf die Ionendurehgingigkeit
menschlicher Erythroeyten.
Von
H. Straub und Klothilde Meier.
(Aus der I. medizinischen Klinik der Universität München und der medi-
zinischen Poliklinik der Universität Halle a. S.)
(Eingegangen am 10. August 1920.)
Mit 3 Abbildungen im Text.
Die Versuche von W. Straub - Freiburg!) über den Chemis-
mus der Strophanthinwirkung erguben, daß bei der Strophanthin-
vergiftung des Froschherzens sehr kleine Giftmengen verbraucht
werden, und daß die physiologische Reaktion proportional der
Konzentration ist, in der das Strophanthin die Herzelemente
umgibt.
W. Straub schließt aus dieser Beobachtung auf einen rein lokalen
Charakter der Reaktion, lehnt ein Eindringen in das Innere der Ventrikel-
zellen ab und sucht wie bei der Adstringierung nur an der Grenzschicht
eine fast irreversible Reaktion. W. Straub erinnert in diesem Zusammen-
hang an die nahe chemische Verwandtschaft der Digitalisglykoside mit
ausgesprochenen Grenzschichtgiften, wie den Saponinen. Während aber
nach der Berechnung у. Weizsäckers®) nach Eintritt der Wirkung die
Konzentration des Strophanthins in Ringerlösung und Zelle die gleiche
ist, 1886 sich bei Digitalin (Merck) eine sehr erhebliche Speicherung des
Giftes im Herzen nachweisen. In der Volumeinheit der Zelle ist schlieBlich
25 mal mehr Digitalin enthalten als im Milieu. Die Gesamtmenge des bei
Eintritt der Herzwirkung gebundenen Giftes ist dieselbe, unabhängig von
der Konzentration des Giftes in der Spülflüssigkeit. Der beherrschende
Einfluß der Konzentration auf die Wirkungsgeschwindigkeit besteht in
einer Zunahme der Bindungsgeschwindigkeit. In einer späteren Mitteilung
1) W. Straub, diese Zeitschr. 28, 392. 1910.
2) V. v. Weizsäcker, Arch. f. experim. Pathol. u, Pharmakui. 7%, 347,
1913. | оч.»
5*
68 H. Straub und КІ. Meier:
hat v. Weizsäcker!) gezeigt, daß im Gegensatz zum Strophanthin Gitalin
(Kraft), Digitalin (Kiliani), Erythrophlein und Saponin (Merck) im Herzen
in erheblichem Maße gespeichert werden. Bemerkenswert ist der Parallelis-
mus zwischen Speicherungsfihigkeit und Oberflächenaktivität der unter-
suchten Substanzen. Der Gedanke, daß die Wirkung der Digitaliskörper
in Beziehungen zu ihrer Oberflächenaktivität steht, ist neuerdings besonders
nachdrücklich von Pietrkowski®), $), ) aufgenommen worden. Die fällende
Wirkung des Strophanthins auf ein Suspensionskolloid zeigte Pietrkows ki
durch die Zunahme der Zahl der ultramikroskopisch sichtbaren Teilchen
einer Goldlésung, die mit Strophanthin vergiftet wurde. Dabei übt das
Strophanthin nach einiger Zeit auf die Goldlösung eine gewisse Schutz-
wirkung gegen den fällenden Einfluß von КС] aus. Auch nimmt eine mit
Strophanthin vergiftete Gelatine, also ein hydrophiles Kolloid, weniger
Wasser auf als unvergiftete. Dementsprechend sieht Pietrkowski ganz
direkt das Wesentliche der Digitaliswirkung in einer Adsorption an der
Faseroberfläche mit Fällung und Verfestigung.
Der Versuch, auf dem hier vorgezeichneten Wege tieferen Einblick
in den Wirkungsmechanismus der Digitaliskörper zu bekommen, lenkt
den Blick auf die nahe Verwandtschaft dieser Wirkung mit derjenigen
bestimmter Elektrolyte, deren Einfluß neuerdings gleichfalls mit ihrer
Oberflächenwirkung erklärt wird. Nachdem schon in älteren Versuchen
von E. Grossi), R. Böh m'), F. B. Hofmann’) u. а. der Einfluß einiger
anorganischer Salze auf die Tätigkeit des Herzens festgestellt worden war,
ist die Beziehung zwischen Digitalis- und physiologischer Kationenwirkung
namentlich von Löwi und seiner Schule“), ), 10), aber auch vielfach von
anderer Seite eingehend untersucht worden. Löwi hat die weitgehenden
Analogien aufgezeigt, die zwischen der Strophanthin- und der Calcium-
wirkung bestehen. Löwi geht deshalb so weit, das Wesen der Strophanthin-
wirkung auf das Herz ganz direkt in einer Sensibilisierung für Calcium zu
sehen. Ganz dementsprechend sieht auch Pietrkowski auf Grund seiner
Quellungsversuche an Gelatine und Agar das Wesen der Calciumwirkung
vollkommen analog dem der Digitaliswirkung in einer Entquellung der
Grenzschichten.
-
1) V. v. Weizsäcker, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol 8%,
247. 1917.
2) G. Pietrkowski, Arch. f. d. ges. Physiol. 132, 497. 1918.
3) G. Pietrkows ki, diese Zeitschr. 98, 92. 1919.
4) G. Pietrkowski, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 85, 300.
1920.
5) E. Gross, Arch. f. d. ges. Physiol. 99, 264. 1903.
6) R. Böhm, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 75, 230. 1914.
1) F. B. Hofmann, Zeitschr. f. Biol. 66, 293. 1915.
з) А. v. Konschegg, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 74,
251. 1913.
э) O. Löwi, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 82, 131. 1917.
10) O. Löwi, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 83, 366. 1918.
Blutgasanalysen. УШ. 69
Bei unseren Untersuchungen über die Ionendurchgängigkeit
menschlicher roter Blutkérperchen?), ), 3) hatten wir Beobach-
tungen gemacht, die in vielen Punkten mit den Beobachtungen `
am Herzen in Beziehung stehen. Unsere Befunde hatten wir nur
in dem Sinne deuten können, daß die roten Blutkörperchen in
schwach basischer Lösung für Elektrolyte undurchgängig sind.
Durch den Einfluß des Wasserstoffions wird diese Eigenschaft
der Blutkörperchen verändert, so daß bei Erreichung einer ganz
bestimmten, scharf definierten Wasserstoffionenkonzentration die
Blutkörperchen plötzlich ionendurchgängig werden. Die nunmehr
in das Zellinnere eindringenden Säureanionen können mit dem
im Zellinnern eingeschlossenen Hämoglobin in Reaktion treten,
was wir daran erkannten, daß nunmehr plötzlich pro Mol Hämo-
globin ein Mol Kohlensäure mehr gebunden werden kann. In dem
hier erörterten Zusammenhang ist es nun von besonderer Wichtig-
keit, daß auch andere Kationen als das Wasserstoffion von Ein-
fluß auf diese Reaktion der Zellgrenzschicht sind. Fügt man der
Suspensionsflüssigkeit Kaliumionen zu, so werden die Zellen schon
bei niedrigerer Wasserstoffionenkonzentration durchgängig. Die
Wirkung des Calciumions besteht in höheren Konzentrationen in
einer Erschwerung der Durchgängigkeit der Erythrocyten, während
ganz niedrige Calciumkonzentrationen eine ganz schwache Wirkung
im entgegengesetzten Sinne entfalten, also das Kaliumion unter-
stätzen können. Die bei unsern Versuchen beobachtete Änderung
der Zelldurchgängigkeit entspricht dem, was man gemeinhin als
eine Änderung der Zellgrenzschicht oder Zellmembran bezeichnet.
Entspiechend der herrschenden Anschauung hatten wir es für
überwiegend wahrscheinlich gehalten, daß die beobachtete Ionen-
wirkung durch Adsorption des wirksamen Ions an der Zellober-
fläche herbeigeführt wird. Wenn man diese Oberfläche ent-
sprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch gerne als Membran
bezeichnet, so ist dieser Ausdruck etwas irreführend. Denn es ist
zur Erklärung der beobachteten Vorgänge keinesfalls erforderlich,
diese Grenzschicht als eine körperliche Membran vorzustellen,
d. h. als ein dünnes, beiderseits scharf abgegrenztes, flächenhaftes
Gebilde, das sich in seiner Beschaffenheit, vielleicht gar durch
1) H. Straub und Kl. Meier, diese Zeitschr. 98, 205. 1919.
2) H. Straub und Kl. Meier, diese Zeitschr. 98, 228. 1919.
3) H. Straub und Kl. Meier diese Zeitschr. 109, 47. 1920.
10 | Н. Straub und Kl. Meier:
die Art des Lösungsmittels, von Außenflüssigkeit und Zellinhalt
unterscheidet. Mit andern Worten, es ist nicht notwendig, zwischen
die wässerige Phase, in der die Zellen suspendiert sind, und die
wässerige Phase des Zellinnern eine dritte, nicht wässerige oder
wässerige Phase eingeschaltet zu denken. Ebensogut stimmen
die gemachten Beobachtungen auch mit der Vorstellung überein,
daß nur eine Phasengrenze zwischen Suspensionsflüssigkeit und
Zelle besteht und daß sich die angenommenen Ionenadsorptionen
an dieser Phasengrenze abspielen. Die Durchgängigkeitsänderung
würde sich dann nicht als eine Veränderung der hypothetischen
Membran darstellen, sondern als eine Zustandsänderung des
ganzen Zellprotoplasmas oder der Protoplasmagrenzschicht. Ob
das sogenannte Eindringen von Ionen in das Zellinnere dann nur
auf einer Ionenadsorption an der Zelloberfläche oder auf einem
Durchtreten der Ionen in das Zellprotoplasma beruht, bleibt
dabei unentschieden.
Jedenfalls beruht das Wesen der beobachteten Reaktion
auf Vorgängen an den Grenzflächen. Die von uns benützte
Methode gestattet es nun, abweichend von den bisher gebrauchten
Verfahren, die fragliche Änderung der Grenzschicht für einen
bestimmten, biologisch besonders bedeutungsvollen Punkt, näm-
lich für den Augenblick, in dem die Durchgängigkeit eintritt, mit
bisher nicht erreichter Genauigkeit zu messen. Wir bestimmen die
Wasserstoffzahl, bei der plötzlich eine grundlegende Änderung
der Zellkolloide auftritt. Da nun, besonders nach den Fest-
stellungen v. Weizsäckers, die Digitaliskörper deutliche Ober-
flächenaktivität besitzen, mußte es aussichtsreich erscheinen, die
Art dieser Oberflächenwirkung mit unserem Verfahren zu prüfen.
Die bisher teils durch Modellversuche, teils durch indirekte
Beobachtungen am Froschherzen erschlossene Änderung der
Zellpermeabilität unter dem Einfluß des Digitaliskörper mußte
sich auf diesem Wege direkt und objektiv nachweisen und außer-
dem quantitativ verfolgen lassen. Nun ist es freilich wahrschein-
lich, daß die Digitaliskörper eine ganz besondere spezifische
Affinität zu den Erfolgsorganen im Herzen besitzen. Damit ist
aber keineswegs gesagt, daß sich nicht prinzipiell dieselben Er-
scheinungen, wenn auch vielleicht in höheten Konzentrationen,
auch an anderen Zellarten abspielen sollten. Ja, es ist durchaus
damit zu rechnen, daß Digitaliskörper auch an nicht zellförmigen
Blutgasanalysen. VIII. | 71
Kolloiden angereichert und von der Oberfläche dieser Kolloide
nur schwer wieder abgegeben werden. Jedenfalls fand Oppen-
heimer?), wenn er zwei Froschherzen unter sonst gleichen Ver-
suchsbedingungen mit gleichen Strophanthinmengen vergiftete,
die im einen Fall in Ringerlösung, im andern in Serum gegeben
wurden, eine gänzlich aufgehobene oder stark verzögerte Gift-
wirkung im Serum, die auf eine Zurückhaltung des Giftes im
Serum, wahrscheinlich durch reversible Adsorption an Serum-
bestandteile, hinweist. Auch die erwähnten Versuche Pietr-
kowskis über die Wirkung auf Goldlösungen sind ebenso zu
deuten.
Ist demnach eine Adsorption der Digitaliskörper schon an
Serumbestandteile ohne Zellstruktur und an eine suspensoide
Goldlösung anzunehmen, so konnte eine Adsorption an die Ober-
fläche roter Blutkörperchen, die den Wirkungsorten im Herzen
in ihrer Beschaffenheit viel näher stehen, um so eher erwartet
werden. |
Wenn sich durch unsere Versuche der Nachweis erbringen
läßt, daß die Digitaliskörper Oberflächenwirkung entfalten, und
wenn sich über die Art der Wirkung an der Grenzschicht genauere
Vorstellungen ergeben, so ist damit natürlich keine Stellung
genommen zu der Frage, an welchem Orte innerhalb des Herzens
die Digitaliskörper ihre Wirkung entfalten. Die in den voran-
gehenden Ausführungen erwähnten Autoren, die die Digitalis-
wirkung als eine Wirkung an Grenzflächen aufgefaßt haben, hielten
es für selbstverständlich, daß es sich dabei nur um die Grenz-
flächen der Herzmuskelzellen handeln könne. Angesichts der
quantitativen Feststellungen v. Weizsäckers über die abso-
luten gebundenen Giftmengen derjenigen Digitaliskörper, die
starke Speicherung aufweisen, ist es in der Tat sehr schwer,
anzunehmen, daß die Speicherung an einer andern Stelle als am
Herzmuskel stattfinde. Nimmt man nämlich an, daß in den Ver-
suchen v. Weizsäckers die nach eingetretener Vergiftung im
Herzen enthaltene Digitalinmenge sich auf die ganze Herzmus-
kulatur gleichmäßig verteile, so ist die Konzentration des Giftes
im Herzmuskel schon 25 mal so hoch wie in der Spülflüssigkeit.
Wollte man annehmen, daß diese Menge nicht im Muskel, sondern
in irgendeinem andern im Herzen jedenfalls nur in sehr geringer
1) E. Oppenheimer, diese Zeitschr. 55, 134. 1913.
72 H. Straub und Kl. Meier:
Menge enthaltenen Substrat fixiert wäre, so käme man zu der
Annahme einer Giftkonzentration von so“ ungeheuerlichen Aus-
maßen, daß der Vorstellung dadurch ernstliche Schwierigkeiten
entstehen. Und diese aus v. Weizsäckers Versuchen zu folgernde
Speicherung des Digitalins in der Herzmuskelzelle als etwas
Unspezifisches anzusehen, das mit der mechanischen Herzwirkung
nicht im Zusammenhang steht, macht erhebliche Schwierigkeiten.
Doch ist daran zu erinnern, daß Löwe!) neuerdings Versuche mit-
geteilt hat, die darauf hinweisen, daß die Wirkung der Digitalis
in einer Erregbarkeitssteigerung im Verlauf des von ihm an-
genommenen intramuralen Reflexbogens des Herzens besteht.
Löwe stellt Versuche in Aussicht, die zeigen sollen, ob die Digitalis
an dem „Rückenmark“ dieses Reflexbogens, nämlich den ganglio-
nären Vorhofselementen angreift, ob also die Digitalis als das
„Strychnin des Herzens“ aufgefaßt werden muß. In die Ent-
scheidung dieser noch ungeklärten Frage wollen wir mit unseren
Versuchsergebnissen nicht eingreifen.
Versuchsanordnung.
Wie in den früheren Versuchen wurde durch Venae punctio gewonnenes,
durch Oxalat ungerinnbar gemachtes menschliches Blut in physiologischer
Kochsalzlösung gewaschen, der wechselnde Mengen der zu prüfenden
Digitaliskörper zugesetzt waren. Wir mußten gut wasserlösliche Digitalis-
körper zu der Prüfung verwenden und konnten außerdem nur solche Prä-
parate gebrauchen, deren im Handel befindliche Lösung keine Spur von
Alkohol enthält, weil wir über die Wirkung des Alkohols auf unser Test-
objekt nichts wissen. Nachdem die Körperchen mehrfach in der zu prü-
fenden Lösung gewaschen und so von jeder Spur von Serum befreit waren,
wurde die Kohlensäurebindungskurve der Blutkörperchensuspension be-
stimmt. Wir haben, da es uns nur auf prinzipielle Feststellung des Wirkungs-
modus ankam, unsere Prüfung auf einige wenige Digitaliskörper beschränkt.
Geprüft wurde bisher Strophanthin (Böhringer), Verodigen und Digi-
folin. Zur Beurteilung der Wirkung sei daran erinnert, daß der Knick
der Kohlensäurebindungskurve, der das Durchgängigwerden der roten Blut-
körperchen anzeigt, bei Suspension in reiner Kochsalzlösung bei der Wasser-
stoffzahl рь = 6,67 auftritt. Ersetzt man in der Suspensionsflüssigkeit
einen Teil des Natriumchlorids durch gleiche Mengen Kaliumchlorid, so
tritt der Knick schon früher, bei basischerer Reaktion ein, und zwar stets,
wenn die Konzentration an Kaliumchlorid 0,03 Mol oder mehr beträgt,
bei der Wasserstoffzahl 6, 80. Calcium andererseits, in Konzentrationen
von mindestens 0,0075 Mol der Suspensionsflüssigkeit zugesetzt, verschiebt
1) S. Löwe. Dtsch. med. Wochenschr. 1919, Nr. 52.
— — me
Blutgasanalysen. VIII. 73
den Knick nach der saueren Seite, erschwert also das Durchgängig werden
der Zelle. Erreicht die Calciumkonzentration 0,03 Mol oder mehr, so liegt
der Knick bei der Wasserstoffzahl 6,42. Die antagonistische Wirkung des
Kaliums und Calciums, die aus zahlreichen Erscheinungen an der lebenden
Zelle bekannt ist, wird durch diese Beobachtung bestätigt und bis zu einem
gewissen Grade erklärt. Das im Kalium nachgewiesene, das Wasserstoffion
unterstützende Prinzip hatten wir, nichts vorwegnehmend, mit dem Buch-
staben b bezeichnet, das antagonistische, im Calcium wirksame dagegen
mit dem Buchstaben a.
I. Strophanthin.
Werden der zum Waschen der roten Blutkörperchen verwendeten
physiologischen Kochsalzlösung kleine Strophanthinmengen zugesetzt, so
ergibt sich eine deutliche Verschiebung der Laga des Knicks der Kohlen-
säurebindungsekurve. Bei Zusatz von ½ mg Strophanthin zu 100 cem
X * X Tabellen Nr. 1. Strophanthin 0,1 mg. ,
ө - – – - ө Tabellen Nr. 8. Strophantin 0,2 mg.
OO Tabellen Nr. 5. Strophanthin 0,8 mg.
<-...- < Tabellen Nr. 9. Strophanthin 1 mg.
& Tabellen Nr. 10. Strophanthin 5 mg.
Abb. 1. Kohlensäurebindungskurven von Blutkörperchensuspensionen in physiologischer
Kochsalslösung mit Strophanthinzusats. X, ө, O, <, © tatsächlich bestimmte Punkte.
Abszisse: Partiardruck der Kohlensäure in mm Hg. Ordinate: Kohlensäurekapasität in
Volumprozenten. Schraffiertes Dreieck am Unterrande: pysikalisch absorbierte Kohlen-
säure. Die von der linken unteren Ecke ausgehenden Kurven verbinden Punkte gleicher
Wasserstoffzahl.
der Waschflüssigkeit (Abb. 1, liegende Kreuze, punktierte Kurve, Tabellen
Nr. 1) ergibt sich für die im Knick liegenden Punkte die Wasserstoffzahl
Pa = 6,61; 6,64. In einem zweiten Versuche (Tabellen Nr. 2) mit derselben
Dosis fanden sich im Knick die Werte p, = 6,64; 6,64; 6,64. Verdoppelung
der Strophanthinmenge, ½ mg auf 100 ccm Waschflüssigkeit, verschiebt
den Knick stärker (Tabellen Nr. 3, Abb. 1, Punkte, gestrichelte Kurve und
Tabellen Nr. 4). Für die im Knick liegenden Punkte ergeben sich im ersten
74 H. Straub und Kl. Meier:
Versuche (Nr. 3) die Werte pn = 6, 57; 6,56; 6, 60; 6,58, im zweiten Ver-
suche (Nr. 4) die Werte pg = 6,53; 6,53; 6,50; 6,52. рав im zweiten Versuche
die Verschiebung eine etwas stärkere ist, kann an individuellen gering-
fügigen Verschiedenheiten in der Strophanthinempfindlichkeit der ver-
wendeten Blutkörperchen liegen. Da wir aber eine solche schwankende
Empfindlichkeit bei den bisherigen Versuchen mit Elektrolyten nicht
gefunden haben, mit Ausnahme des Lanthans, so ist es wahrscheinlicher,
daß bei diesem Strophanthin versuch wie bei den früheren Lanthanversuchen
die kleine Verschiedenheit der Lage des Knicks durch den Pipettierfehler
zu erklären ist und daß im Versuch Nr. 4 etwas mehr Strophanthin in der
Waschflüssigkeit enthalten war als im Versuch Nr. 3. Handelt es sich doch
um das Zupipettieren von nur 0,2 cem Strophanthinlésung zu 100 ccm
Waschflüssigkeit. Weitere Steigerung des Strophanthinzusatzes, %% mg
auf 100ccm Kochsalzlösung, ergibt eine noch stärkere Verschiebung.
(Abb. 1, Ringe, ausgezogene Kurve, Tabellen Nr. 5, 6, 7.) Die Werte der
Wasserstoffzahl des Knicks sind 6,50; 6,50; 6,51 bzw. 6,49; 6,50; 6,48 bzw.
6,50. Damit ist aber offenbar die endgiiltige Wirkung erreicht. Ein Zusatz
von 5/10 mg auf 100 ccm Waschflüssigkeit (Tabellen Nr. 8) ergibt für den
Knick рь = 6,49; 6,49. Weitere Steigerung, 1 mg Strophanthin auf 100 ccm
Waschflüssigkeit (Abb. 1, Dreisterne, Kurve = Strich, 3 Punkte, Tabellen
Nr. 9), ergibt pg = 6,49; 6,51 und schließlich ergeben auch 5 mg Strophan-
thin auf 100 ccm Waschflüssigkeit (Abb. 1, Kreuzringe, ausgezogene Kurve,
Tabellen Nr. 10) für den Knick die Werte p, = 6,55; 6,47; 6,45; 6,46.
Diese letzten Werte liegen nur ganz unbedeutend weiter rechts als die bei
2/10 mg gefundenen. Da gerade die letzte Kurve sehr tief liegt, ist außerdem
die Fehlerbreite für diese Punkte größer. Als Durchschnitt aller 15 Werte,
die bei Konzentrationen zwischen ®/,, und 5 mg erhalten wurden, findet
sich demnach pg = 6,49 als endgültige Lage des Strophanthinknicks.
II. Verodigen.
Von Verodigen, der Gitalinfraktion der Digitalisblätter, wurde zu-
nächst 0,1 mg auf 100 ccm physiologischer Kochsalzlösung zur Waschung
verwendet. Schon diese kleine Menge ergibt eine starke Verschiebung
(Abb. 2, Ringe, ausgezogene Kurve, Tabellen Nr. 11). Die im Knick lie-
genden Punkte haben die p, = 6,50; 6,48; 6,49; 6,50. Der Knick hat also
dieselbe Lage, die mit maximalen Strophanthindosen erreichbar ist. Stei-
gerung der Dosis, 0,3 mg auf 100 ccm Waschflüssigkeit (Abb. 2, stehende
Kreuze, punktierte Kurve, Tabellen Nr. 12) verschiebt weiter. Im Knick
liegen die Werte p, = 6,40; 6,42; 6,38; 6,38. Weitere Steigerung, 0,5 mg
auf 100 ccm, ergibt nur noch eine ganz unbedeutende weitere Verschigbung
(Abb. 2, Punkte, gestrichelte Kurve, Tabellen Nr. 13). Im Knick findet
sich p, = 6,35; 6,34. Damit ist die endgültige Lage erreicht. Denn 1 mg
auf 100 ccm (Abb. 2, liegende Kreuze, gestrichelte Kurve, Tabellen Nr. 14)
ergibt für den Knick ebenfalls pn = 6,34; 6,35. Ein weiterer Versuch mit
derselben Dosierung (Tabellen Nr. 15) hatte eine weniger starke Verschie-
bung zur Folge. Denn in diesem Falle lagen die bestimmten Werte bei
Wel
CO, -bokan Yo
— 4
bok
S — an
\
™ N
SR A
NN \
Blutgasanalysen. VIII. 15
haman =
O © Tabellen Nr. 11. Verodigen 0,1 mg.
44 + Tabellen Nr. 12. Verodigen 0,8 mg.
e----- ө Tabellen Nr. 18. Verodigen 0,5 mg.
Х- ~ - -X Tabellen Nr. 14. Verodigen 1,0 mg.
Abb. 2. Kohlensäurebindungskurven von Blutkörperchensuspensionen in physiologischer
Kochsalslösung mit Verodigenzusatz. Erklärung wie Abb. 1.
= 6,45; 6,43; 6,42; 6,42; 6,43; 6,39. Weshalb die Wirkung im vorlie-
genden Falle etwas weniger stark war, vermögen wir nicht zu sagen. Mit
mäßigen individuellen Schwankungen in dem Wirkungsgrade ist nach
dem Ergebnis dieses Versuches offenbar zu rechnen. Als äußerste mit
Verodigen erreichbare Wirkung muß jedenfalls die Wasserstoffzahl 6,35
angesprochen werden.
III. Digifolin.
Von Digifolin entspricht nach Angabe der Firma 1 com der Wirkung
von 0,1 g Folia Digitalis. 0,1 ccm dieser Digifolinlösung auf 100 cem Wasch-
flissigkeit (Abb. 3, Punkte, gestrichelte Kurve, Tabellen Nr. 16) verschiebt
den Knick auf pn = 6,51. Erhöhung der Konzentration auf 0,2 cem zu
100 (Abb. 3, stehende Kreuze, ausgezogene Kurve, Tabellen Nr. 17) bewirkt
—
e----- ө Tabellen Nr. 16. Digifolin 0,1 ccm.
+ + Tabellen Nr. 17. Digifolin 0,2 cem.
X.... . . . Tabellen Nr. 18. Digifolin 0,8 ccm.
O----O Tabellen Nr. 18. Digifolin 0,5 mg.
Abb. 3. Kohlensäurebindungskurven von ee аана in Physiologischer
Kochsalzlösung mit Digifolinzusatz. Erklärung wie Abb.
16 Н. Straub und КЇ. Meier:
weitere Verschiebung auf pn = 6,51; 6,47. Mit 0,3ccm auf 100 (Abb. 3,
liegende Kreuze, punktierte Kurve, Tabellen Nr. 18) liegt der Knick bei
Pa = 6,48; 6,44; 6,38; 6,39; 6,43; 6,38; 6,39. Die ersten dieser Werte sind
wenig genau, weil die Linien gleicher Wasserstoffzahl in dieser Lage sehr
nahe zusammenliegen. Der Wert 6,39 mu8 demnach, wie auch ein Blick
auf Abb. 3 zeigt, als der richtige Durchschnittswert angesehen werden.
0,5 ccm Digifolin schließlich auf 100 ccm Kochsalzlösung (Abb. 3, Ringe,
gestrichelte Kurve, Tabellen Nr. 19) ergeben fiir den Knick die Werte
Dy = 6,32; 6,30; 6,33. Bei einem zweiten Versuch mit derselben Konzen-
tration (Tabellen Nr. 20) liegt der Knick frithestens bei derselben Wasser-
stoffzahl. Bei der etwas héheren Lage der Bindungskurve konnte in diesem
Versuch der Knick überhaupt nicht erreicht werden. Ob also mit der Wasser-
stoffzahl 6,32, die der Versuch Nr. 19 für die Lage des Knicks ergeben hatte,
die endgültige Verschiebung schon erreicht ist, oder ob höhere Konzentra-
tionen eine noch stärkere Verschiebung bewirken würden, kann nicht mit
voller Sicherheit gesagt werden. Aus äußeren Gründen waren wir nicht
in der Lage, noch weitere Versuche mit höheren Konzentrationen anzustellen.
Die mit drei verschiedenen Digitaliskörpern angestellten
Versuche haben also ein im Prinzip durchaus einheitliches Er-
gebnis. Alle drei Digitaliskörper verschieben den Knick der
Kohlensäurebindungskurve nach rechte, d. h. es ist eine deutlich
saurere Reaktion erforderlich als ohne Digitaliszusatz, ehe die
Anionen in die roten Blutkörperchen eindringen und mit dem
Hämoglobin in Reaktion treten können. Wenn man an der
Membranvorstellung festhalten wollte, so würde man sagen, daß
die Durchgängigkeit der Membran durch Digitalis erschwert,
hinausgeschoben, verzögert werde. Im Rahmen der physikalisch-
chemischen Vorstellungen, auf die die früheren Versuche geführt
haben, wird man sagen, daß die Plasmakolloide der Blutkörperchen
in ihrer Entladung gehemmt werden, so daß erst bei höherer
Wasserstoffionenkonzentration der Suspensionsflüssigkeit eine
Entladung der Kolloide und damit ihre isoelektrische Ausflockung
stattfinden kann. Mit den bisherigen pharmakologischen Er-
fahrungen steht es im besten Einklang, wenn wir finden, daß diese
Wirkung durchaus der bei Calcium, überhaupt bei den Erdalkalien
beobachteten entspricht. Auch bei den Erdalkalien hatten wir
in entsprechender Dosierung dieselbe Verschiebung des Knicks
festgestellt. Die auch bisher angenommene nahe Verwandtschaft
der Wirkung von Digitalis und Calcium wird durch die Versuchs-
ergebnisse vollkommen bestätigt. Die Frage, ob das Vorhanden-
sein von Calcium in Suspensionsflüssigkeit oder Zelle eine un-
bedingte Voraussetzung für das Zustandekommen der Digitalis-
Blutgasanalysen. VIII. 177
wirkung ist, kann nach. diesen Versuchen verneint werden. Das
verwendete Blut war durch Oxalat ungerinnbar gemacht und
damit jedes Calcium entfernt worden. Bei dem wiederholten
Waschen waren dann alle etwa noch vorhandenen oder aus den
Blutkörperchen herausdiffundierenden Calciumspuren sicher ent-
fernt. Dennoch trat die typische Digitaliswirkung jedesmal ein.
An den Blutkörperchen wirkt also die Digitalis in gleichem Sinne
wie Calcium, aber Calciumgehalt ist für die Wirkung nicht un-
entbehrlich. Es handelt sich also nicht um eine Sensibilisierung
für Calcium durch Digitalis. Ein Unterschied der Digitaliswirkung
gegenüber Calcium und allen andern Erdalkalien besteht in der
Wirkung kleinster Dosen. Bei allen Erdalkalien hatte sich ergeben,
daß die ganz kleinen Dosen eine dem Prinzip a antagonistische
Wirkung entfalten, daß sie den Knick nach links verschieben,
die Entladung der Zellen begünstigen und daß sie dadurch
eine Eigenschaft besitzen, die dem Kalium und den andern
Alkalien zukommt. Eine solche kaliumartige Wirkung, ein solches
Prinzip b, hat sich bei keinem der geprüften Digitaliskörper ge-
funden. |
Wie bei den früher geprüften Elektrolyten, so fand sich auch
bei den Digitaliskörpern, daß kleine Dosen nur eine mäßige Ver-
schiebung des Knicks in der zu erwartenden Richtung herbei-
führen, daß Steigerung der Dosis die Wirkung verstärkt, daß aber
schließlich ein Endwert erreicht wird, der bei weiterer Erhöhung
der Dosis nicht überschritten werden kann. Der Endwert ist
offenbar erreicht, wenn die Oberfläche mit der wirksamen Sub-
stanz gesättigt ist. Bemerkenswert und für die Theorie der Digi-
taliswirkung von Interesse ist die Tatsache, daß der Wirkungsgrad
von der Giftkonzentration der Waschflüssigkeit abhängig ist, daß
es sich also um einen Gleichgewichtszustand zwischen Lösung und
Zelle handelt. Eine Anreicherung, Stapelung des Giftes über
diesen Gleichgewichtszustand hinaus tritt nicht ein, sonst müßte
sich auch bei niedriger Giftkonzentration der Waschflüssigkeit
durch sehr häufig wiederholtes Waschen mit immer neuer Gift-
lösung eine maximale Sättigung der Zelloberflächen erreichen
lassen. Da wir stets mit 100 cem Waschflüssigkeit eine kleine
Menge von Blutkörperchen gewaschen haben, müßte in dem
letzterwogenen Falle bei allen Versuchen dieselbe maximale
Giftwirkung zur Beobachtung kommen.
78 H. Straub und Kl. Meier:
Der erreichte Endwert ist für die drei geprüften Digitalis-
substanzen verschieden. Nach Strophanthinzusatz in ausreichen-
der Dosis liegt der Knick bei 24 = 6,49, mit Verodigen bei 6,35
und mit Digifolin ist der Knick bei рь = 6,32 vielleicht noch nicht
ganz erreicht. Möglicherweise hängt dieser Unterschied mit der
verschieden großen Oberflächenaktivität der .drei Körper zu-
sammen. Doch sind wir dabei auf bloße Vermutungen angewiesen,
solange vergleichende Untersuchungen über die Oberflächenaktivi-
tät der drei Körper nicht vorliegen. Ob dem Unterschied in der
Lage des Endwertes eine biologische Bedeutung zukommt, ver-
mögen wir nicht zu entscheiden. Es läßt sich auch nicht sagen,
ob die therapeutische Digitaliswirkung überhaupt bis zum End-
werte der Wirkung getrieben wird, oder ob die erwünschte l
auf einer Zwischenstufe stehen bleibt.
Nach den mitgeteilten Versuchen ist anzunehinen, daß die
Digitaliswirkung sich im Prinzip in derselben Weise an allen Zellen
oder vielmehr vermutlich an allen oder wenigstens an bestimmten
Kolloiden äußert. Wenn die Wirkung am ganzen Organismus, wie
wohl als einwandfrei festgestellt angenommen werden muß, ganz vor-
wiegend sich auf das Herz konzentriert, so muß wohl zur Erklärung
angenommen werden, daB sich die Digitaliskörper hauptsächlich an
den Oberflächen der Erfolgsorgane im Herzen anreichern. DaB aber
wenigstens beim Warmblüter auch andere Körperzellen dem Digi-
taliseinfluß unterliegen, zeigt die Erregung des Vagus- und Brechzen-
trums, die schon bei therapeutisch möglichen Dosen eintreten kann.
Zusammenfassung. | ~
Setzt man einer physiologischen Kochsalzlösung, in der
menschliche Erythrocyten suspendiert werden, Digitaliskörper
zu, so werden die Körperchen bei Erhöhung des Säuregrades der
Lösung durch Zutitrieren von Kohlensäure ‘erst bei höherer
Acidität anionendurchgängig als in reiner Kochsalzlösung.
Dieselhe Änderung der Durchgängigkeit war auch unter
dem Einfluß von Calcium- und anderen Erdalkalikationen in
geeigneter Konzentration beobachtet worden. Sie ist der Wirkung
des Kaliumions antagonistisch. Die pharmakologische Lehre, daß
die Digitaliswirkung in Beziehung zur Calciumwirkung steht,
wird dadurch bestätigt und ein tieferer Einblick i in die Art dieser
Beziehungen ermöglicht.
—
-- —— шї ——
Blutyasanalysen. УШ. 79
Mit Strophanthinzusatz tritt die Entladung der Zellkolloide
unter den eingehaltenen Versuchsbedingungen bei pg = 6,49 ein,
mit Verodigen bei py = 6,35, mit Digifolin frühestens bei pg =
6,32, vielleicht noch später. Ob diesen Unterschieden im erreichten
Endwerte eine biologische Bedeutung zukommt, kann auf Grund
der Versuche nicht entschieden werden.
Versuchsprotokolle.
I. Strophantin.
1. Abb. 1. Kurve 1. Liegende Kreuze, punktierte Kurve.
Strophanthin 0,1 mg. HCl norm. 0,3ccm. NaCl 0,85% ad 100,0 ccm.
CO, - Spannung 15,0 44,4 120,2 150,0 182,3
CO,-Kapazität. ....... 17,4 22,2 33,7 45,7 47,6
nn! дА РЕ 7,84 6,93 6,61 6,64 6,55
—
Knick.
2. Strophanthin 0,1 mg. HCl norm. 0,3 ccm. NaCl 0,85%, ad 100, O com.
CO, - Spannung 41,4 106,6 121,8 170,9
CO, -Kapazitllt .. 17,2 31,3 36,0 40,0
31,1 0
Deis eee as es Ps Ge. Boag АР ЕКЕНИ: 6,85 6,64 6,64 6,50
6,64
Knick.
3. Abb. 1. Kurve 2. Punkte, gestrichelte Kurve.
Strophanthin 0,2 mg. HCl norm. 0,14 ccm. NaCl 0,85%, ad 100,0 com.
CO, Spannung 27,8 111,6 136,4 169,0
CO,Kapazitét. t... 17,5 28,7 37,8 45,9
28,1
6,56
Knick.
4. Strophanthin 0,2 mg, НО norm. 0,2 com. NaCl 0,85% ad 100,0 ccm.
CO,Spannung........ 182 65,6 120,7 2134 261,6
60, Kapazität. 21,0 456 484 543 63,7
21,9 49,9 53,9 66,8
ee ee re at oe ee 7,33 70 6,78 653 6,50
7,35 6,79 653 6,52
—
Knick.
H. Straub und Ki. Meier:
80
5. Abb. 1. Kurve 3. Ringe, ausgezogene Kurve.
Strophanthin 0,3 mg, HCl norm. 0,1 ccm. NaCl 0,85% ad 100,0 ccm.
CO, Spannung 24,3 69,3 177,1 203,4 245,7
CO,-Kapazitét. ....... 31,3 36,8 41,8 49,3 58,2
41,6 56,4
Mee a ine EC 7,36 6,94 6,50 6,51 6,49
6,50 6,47
a
Knick.
6. Strophanthin 0,3 mg. NaCl 0,85% ad 100,0 ccm.
CO,-Spannung. ....... 24,6 128,8 171,6 215,0 284,3
CO,-Kapazitädtt. 36,6 49,6 52,3 50,4 70,1
\ 67,5
F 7,42 6,76 663 6,49 6,50
6,48
Knick.
7. Strophanthin 0,3 mg, HCl Mol 0,3 ccm. NaCl 0,85% ad 100,0 ccm.
63,4 89,3 119,5 142,8 1680 214,3
9, 8 20,0 24,0 24,6 25,7 29,6
CO,-Spannung 21,7
6,43 6,33 6,22 6,16
CO,-Kapazität 7,8
pn. . . 6,81 6,29 6,50
| Knick.
8. Strophanthin 0,5 mg, HO Mol 0,13 ccm. NaCl 0,85%, ad 100,0 ccm.
248,8
со, Spannung 22,0 65,5 128,0 1584 184,0 222,2
363 38,7 426 42,9
CO,-Kapazität 19,2 23,6 28,4
39,2 41,4
n Tel 6,76 6,49 6,49 6,43 6,37 6,30
—
Knick. 6,44 6,28
9. Abb. 1. Kurve 4. Dreisterne. Kurve = Strich, 3 Punkte.
Strophanthin 1 mg, HO Mol 0,14 cem. NaCl 0,85% ad 100,0 ccm.
21,7 74,8 131,1 178,1 232,1
CO Spannung.
CO, -Kapazitt!t . 19,9 22, 6 29,2 43,0 47,0
20,1
„F! EE A 7,23 6,67 6,49 6,51 6,40
7,23 Knick
ck.
10. Abb. 1. Kurve 5. Kreuzringe. Ausgezogene Kurve.
Strophanthin 5 mg. НСІ Mol 0,14 ccm. NaCl 0,85%, ad 100,0 ccm.
144,3 173,1 214.2
CO, - Spannung 48,3 116,2
CO,-Kapazität. ....... 11,1 24,8 30,7 31,7 35,7
23,8
6,55 6,47 6,46 636 6,29
Blutgasanalysen. VIII. 8
—
II. Verodigen.
11. Abb. 2. Kurve 1. Ringe, ausgezogene Kurve.
Verodigen 0,1 mg. НСІ Mol 0,14 ccm. NaCl 0, 85% ad 100,0 ccm.
CO, Spannung 32,4 72,7 909 117,0 161,0
CO„Kapazität. . . . . ... 13,0 162 193 26,6 33,9
13,1 19,7
)) 6,83 650 6,48 650 6,44
6,83 6,49
Knick.
12. Abb. 2. Kurve 2. Stehende Kreuze, punktierte Kurve.
Verodigen 0,3 mg. HCl Mol 0, 15 cem. NaCl 0, 85% ad 100,0 ccm.
CO. Spannung 34,4 107,4 1236 1411 1722
CO. Kapazit ttt 10,0 2, 777 26,1. 32,3
| 10,6
FETTE 6,60 640 6,42 638 6,38
SN „—————
6,71 Knick.
13. Abb. 2. Kurve 3. Punkte, gestrichelte Kurve.
Verodigen 0,5 mg. HCI Mol 0,15 ccm. NaCl 0, 85% ad 100,0 ccm.
CO,-Spannung. ....... 33,2 75,6 151,6 210,7 231,6
CO,-Kapazität. . . . . . .. 17,9 19,4 27,9 36,1 38,3
15,9 227,5
„„ Se tas a ge ey ng 6,98 6,59 6,35 6,31 6,28
6,93 6,34
Knick.
14. Abb. 2. Kurve 4. Liegende Kreuze, gestrichelte Kurve.
Verodigen 1,0 mg. НСІ Mol 0,15 cem. NaCl 0, 85% ad 100,0 ccm.
CO- Spannung. 34.4 84,4 154,8 190,3
CO,-Kapazität. . oo. 0000. . . 12,9 DÄ 213 34,8
ea Se ем ыы E E 6,81 6,46 634 6,35
те —
Knick.
j
15. Verodigen 1,0 mg. HCl Mol 0,1 ccm. NaCl 0,85% ad 100,0 ccm.
CO: Spannung 36,9 86,1 128,1 162,7 181,1 204,0 241,2
CO,Kapazität 04 25, 77 331 366 42,8 47,8
21,7 36,6
pn. 699 6,65 6,45 £643 642 7, 6,39
7,01 6,42
III. Digifolin.
16. Abb. 3. Kurve 1. Punkte, gestrichelte Kurve.
Digifolin = 0,01 Fol. Digital. НСІ Mol 0,15 ccm. NaCl 0,85% ad 100,0 ccm.
CO,Spannung .............. . 109,6 175,6 203, 3
CO- Kapazitſvle .. 25, 3 33,4 37,2
C a ы Ste EC 6,51 638 6,35
Knick.
Biochemische Zeitschrift Band 111. 6
GA
2 Н. Straub und Kl. Meier: Blutgasanalysen. УШ.
17. Abb. 3. Kurve 2. Stehende Kreuze, ausgezogene Kurve.
Digifolin = 0,02 Fol. Digital. HCl Mol 0,14 ccm. NaCl 0,85% ad 100,0 ccm.
CO,-Spannung. ....... 31,1 65,5 90,5 122,0 144,3
CO,-Kapazitét. ....... 9,6 14,3 18,9 24,0 26,4
9,9 23,8
Di 2.2. олы a е 6,72 6,51 6,47 6,42 6,37
6,73 Knick. 6,30
18. Abb. 3. Kurve 3. Liegende Kreuze, punktierte Kurve.
Digifolin = 0,03 Fol. Digital. НСІ Mol 0,13 cem. NaCl 0,85% ad 100,0 cem.
CO,-Spannung 29,8 76,6 90,3 113,4 131,2 152,3 190,7 239,5
CO,-Kapazität 10,6 16,2 17,9 20,9 24,8 28,6 36,9 40,0
26,3
Pu ... 6,79 6,48 644 6,38 6,39 6,38 6,39 6,28
6,43
ed
Knick.
19. Abb. 3. Kurve 4. Ringe, gestrichelte Kurve.
Digifolin = 0,05 Fol. Digital. НСІ Mol 0,18 сет. NaCl 0,85%, ad 100,0 естп
CO,-Spannung . . 2.22.2200. 106,9 174,3 241,1 259,3
CO,-Kapazität . . . 22222020. 25,8 30,1 41,2 47,0
23,7
Dee фо жолы е зр ЛИ Жели а БЫ a 6,54 6,32 6,30 6,33
u ne
90 Knick.
20. Digifolin = 0,05 Fol. Digital. HCI Mol 0,14 cem. NaCl 0, 85% ad
100,0 ccm.
CO,-Spannung 32,3 71,7 114,3 152,2 169,9 195,9 227,0
CO,-Kapazität 25,3 25,3 30,6 31,1 35,5 35,6 37,7
Фи... 7,15 6,75 6,59 6,43 6,44 6,35 6,29
Ein Beitrag zur Kenntnis des Gaswechsels bei Knaben.
Von
Gertrud Baumgardt und Maria Steuber.
(Aus der Krankenabteilung des Waisenhauses der Stadt Berlin in Rummels-
burg und dem Tierphysiologischen Institut der Landwirtschaftlichen Hoch-
А schule in Berlin.)
(Eingegangen am 10. August 1920.)
Der Kraftwechsel bei Kindern ist von Sondén und Tiger-
stedt!), Magnus- Levy und Falk?), Rubner?), Erich Mül-
ler‘) und Du Bois?) studiert worden. Die Ergebnisse der Unter-
suchungen stimmen im ganzen gut überein. Sie sind in Tabelle I
zusammengestellt. Die Versuchsresultate dieser Autoren sollten
alle Ruhewerte darstellen, d. h. es sollte jedes durch Muskelarbeit
bewirkte Plus an Energiebedarf ausgeschlossen werden. Die Be-
dingungen, unter denen sie gewonnen wurden, sind verschieden
und halten strenger Kritik nicht durchweg stand.
Es war nun unser Bemühen, in mehreren langdauernden
Respirationsversuchen noch günstigere Bedingungen zur Aus-
schaltung jedes den Ruhebedarf übersteigenden Energieverbrauchs
zu schaffen.
Wir haben an 2 Knaben im Alter von 11—13 Jahren Re-
spirationsversuche angestellt — ursprünglich im Rahmen einer
anderen Versuchsreihe®), deren wechselnde Bedingungen aber
1) Sondén und Tigerstedt, Skandinav. Arch. f. Physiol. 6.
2) Magnus - Levy und Falk, Engelmanns Archiv 1899, Suppl. 3/4.
3) Rubner, Beiträge zur Ernährung im Knabenalter 1902.
4) Erich Müller, Unveröffentlichte Arbeiten. Zeitschr. f. Kinderheilk.
J. 1913.
5) Du Bois, Arch. of Intern. Medic. 1%. 1916; Jahrb. f. Kinderheilk.
84. 1916.
6) G. Baumgardt, Der Einfluß des Basensäureverhältnisses der
Nahrung auf den Kraft- und Stoffwechsel des Kindes. Arch. f. Kinder-
heilk. 69.
6*
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x °пәлоўпү ләләрие 5 ләр oss
(І „es
Gaswechsel bei Knaben. 85
~
mit Sicherheit ohne Einfluß auf den Gaswechsel gewesen sind,
so daß wir die Ergebnisse der Versuche als physiologische Werte
betrachten können!).
Die Versuche wurden im pneumatischen Kabinett des tier-
physiologischen Instituts der Landwirtschaftlichen Hochschule
in der von Zuntz ausgearbeiteten Weise vorgenommen.
Es sei an dieser Stelle in aufrichtiger Dankbarkeit des regen
Interesses gedacht, mit dem N. Zuntz uns bei dieser Arbeit trotz
seines schweren Leidens stets hilfsbereit zur Seite stand und sogar
die Berechnungen zum Teil selbst ausführte.
Die Versuchsanordnung war folgende: Die Kinder wurden
abends, nachdem sie 2!/,—3 Stunden nichts zu sich genommen
hatten, in dem gut ventilierten pneumatischen Kabinett unter-
gebracht. Sie lagen am Boden auf Matratzen bequem neben-
einander. Nachdem die Kammer verschlossen war, wurde
durch ein nach außen leitendes Rohr eine Probe der mittels
Ventilator gut durchmischten Luft entnommen, alsdann das Rohr
wieder verschlossen. Durch ein Glasfenster, durch welches wir
auch die Versuchskinder dauernd gut beobachten konnten, wurde
nun stündlich der Stand eines in der Kammer befindlichen Psychro-
meters abgelesen. Ein kleines außen angebrachtes Manometer
zeigte den Innendruck an. Es war unser Bemühen, diesen letzteren
so konstant wie möglich zu halten, um den stets eintretenden
geringen Gasaustausch mit dem umgebenden Raum auf ein
Minimum zu beschränken. Zu diesem Zweck, den wir auch erreicht
zu haben glauben, regulierten wir die Temperatur im umgebenden
Raum, indem wir dort nach Bedarf einen Gasofen heizten oder die
Tür nach dem Hof öffneten. — Wir überwachten die Versuche
selbst. |
Den Kindern war eingeprägt worden, sich ganz ruhig zu ver-
halten, was sie auch taten?). Sie schliefen sehr bald ein und lagen
im Schlaf sehr still. Außer ein- bis zweimaligem Aufsitzen zum
Urinieren und gelegentlichem Umdrehen auf dem Lager wurden
keine willkürlichen Muskelbewegungen ausgeführt. Wir sahen
auf Rat von N. Zuntz davon ab, diese geringen Leistungen zu
1) Die Frage, ob der Energiebedarf nicht nur von Gewicht und Ober-
fläche, sondern auch vom Lebensalter abhängt, kann hier nicht entschieden
werden und bleibe unberücksichtigt.
2) Auf eine Ausnahme wird noch zurückzukommen sein.
86 G. Baumgardt und M. Steuber:
registrieren und zu berechnen. Die Versuche dauerten genau
je 10 Stunden. Des Morgens wurde wieder die Kammerluft eine
Viertelstunde lang mit dem Ventilator gut durchmischt und dann
eine Probe entnommen. Anfangs- und Endgas wurden analysiert.
Der Berechnung liegt folgender Gedankengang zugrunde:
Es wird erst der Gehalt der Kammerluft an CO,, O, und N in
dem Anfangs- und Endgas bestimmt, alsdann berechnet, wieviel
CO, und O, mit der infolge des leichten Überdrucks ausgeströmten
Luft verlorenging und hieraus die wahre CO,-Produktion und
O,-Aufnahme berechnet. i
Bekannt sind: Volumen der Кіе егпег Luftdruck,
Psychrometerstand, Temperatur bei Entnahme der Anfangs- und
Endgasprobe und — aus den Analysen — der prozentuale Gehalt
der Luft in der Kammer an CO,, O, und N bei Beginn und Schluß
des Versuches.
Es wird nun das Luftvolumen auf 760 mm Hg Druck und
0° Temperatur reduziert. Hierbei muß als bestehender Druck
der Barometerstand minus Höhe der Wasserspannung angesehen
werden, welch letztere aus der psychrometrischen Differenz zu
ermitteln ist. — Auf diese reduzierte Gasmenge wird nun der
Gehalt an CO,, O, und N bezogen und die Werte des Anfangs-
und Endgases miteinander verglichen. Die Zusammensetzung
der durch die Undichtigkeit des pneumatischen Kabinetts aus-
geströmten Luft wird mit dem Mittel des Anfangs- und End-
gases in Rechnung gesetzt; es kann so berechnet werden, wieviel
CO, und O, der verlorengegangenen Menge von N entsprachen.
Berücksichtigt man diese Verluste, so erhält man die Werte der
wahren CO,-Produktion und O,-Aufnahme. |
Beis piel: Versuch vom 21, IIJ. 1919 9 Uhr abends bis 22. III. 1919
7 Uhr früh.
Das Kammervolumen beträgt abzüglich des von den Kindern, Matratze
usw. eingenommenen Raumes!) 7859 Liter. Die aus dem Protokoll ersicht-
lichen Unterlagen sind folgende:
Thermometer
Manometerstand in der Kammer
nn in mm H,O feucht trocken Parometerstang
21. III. gh abds. +3 16,8 21,0 749,8
22. III. 7b früh +3 18,9 20,5 744,6
1) Hierbei ist 1 kg = 11 gesetzt.
Gaswechsel bei Knaben. 87
Die Rechnung gestaltet sich nach N. Zuntz nun folgendermaBen:
Bei Beginn des Versuches:
Die psychrometrische Differenz 4,2° entspricht bei 21° einer H,O-
Spannung von 11,7 mm Hg
Wahrer Luftdruck !): 749,8
— 11.7
| 738,1 mm Hg
Volumen der Luft in der Kammer bei 21° Temp. und 738,1 mm
Druck: 7896,9 Liter, bei 0° Temp. und 760mm Druck: 6884 Liter.
Die Gasanalysen ergaben:
0,300% Co, 20,592% О, 79,108% N,
Im Gesamtvolumen also 20,6521 CO, 1417,61 O, 5445,81 N,
Bei SchluB des Versuches:
Die psychrometrische Differenz 1,6 entspricht bei 20,5° einer HO.
Spannung von 15,2 mm Hg
Wahrer Luftdruck: 744,6
— 15,2
729,4 mm Hg
Volumen der Luft in der Kammer bei 20,5° Temp. und 729,4 mm
Hg-Druck: 7896,9 Liter, bei 0° Temp. und 760 mm Hg- Druck: 6818,8 Liter.
Die Gasanalysen ergaben:
2,582% CO, 18,232% О, 79,186% N,
Im Gesamtvolumen 176,11 CO, 1243,21 O, 5399,41 N,.
Der Unterschied gegenüber dem Anfangsgas beträgt also:
+ 165,411 CO. — 174,41 O, — 46,41 N,
Die bei dem Uberdruck in der Kammer ausgetretene Luftmenge
hatte die mittlere Zusammensetzung von
1,141% CO, 19,412% О, 79,146% N,
79,1461 N, entsprechen also 1,1411 CO, und 19,4121 O,,
46,41 N, entsprechen dann 0,6691 СО, und 11,3811 O.
Wahre CO, - Produktion: Wahrer O,-Verbrauch:
155,408 1 174,401
+ 0,6691 — 11,381
156,077 1 ~ 163,021 in 10 Std.
Die Resultate unserer Versuche auf 24 Stunden bezogen sind
in Tabelle II zusammengestellt. Unter den gut übereinstimmenden
Werten fällt nur das Versuchsergebnis vom 16./17. IV. 1919 auf,
das höher als die andern liegt. Hier haben die Kinder sich des
Morgens nicht wie sonst ruhig verhalten, sondern mit einigen
1) Der geringe Überdruck von 3mm H,O kommt nicht in Betracht.
88 G. Baumgardt und M. Steuber:
Tabelle II.
Ergebnisse unserer Respirationsversuche (auf 24 Std. berechnet.)
CO,-Produktion O,-Verbrauch
d. Versuchs- (Liter) (Liter)
kinder
absol. kg qm Я kg | qm | abs
I. Periode.
4./5. II. | 50,7 | 2,075 170,8 |370, 117, 31!178,711844 36.5 892.8 0.96
6./7. II. 150,7 2,075 339, 1 6, 7 163,70368,! 7 ‚62 186, 111893 :37,3,911,710,88
II. Periode.
21./22. III. Kei '2,114|1374,6 |7,2 1177,21385,7 | 7 Gr | 182 | 1955 | 37,5 |925 0,96
26./27. III. 59,9 2114 380.7 7,3 1805 378,7 179,1J1911 36,6905 | 1,005
III. a
14./15. IV. 52,9 2, 135346, 16,5 |162,11385,6' 7,28 180,6 35,9 888,9 0,898
16./17. IV. 52,9 2, 135]405,0 0:77 189,7 422,3, 7,98,197 ‚8 2099 7 983 096
11./12. VI. 54,1 | 2,166/361
IV. Periode.
1166,8|411,5 7,6 | 190,0[2028,9 | 37,3 932.2 0.88
‚2 6,7
13./14. VI. 54,1 2.166 355,2 Gë '156,6 395,5 7.3 182.6 1947 36,0. ‚898,8 0,00
Püffen einen kleinen Streit ausgetragen. Die Werte von 39,7 Ca-
lorien für 1 kg Körpergewicht und 983 Calorien für 1 qm Ober-
fläche stellen schon nicht mehr den reinen Grundumsatz dar.
Im Durchschnitt betrug der Erhaltungsbedarf, wenn wir diesen
nicht ganz einwandfreien Versuch vom 16./17. IV. unberücksichtigt
lassen, 36,72 Calorien für 1 kg Körpergewicht und 907 Calorien
für 1 qm Oberfläche in 24 Stunden — bei einer O,-Aufnahme
von 5,2ccm pro kg Körpergewicht und 128,2 ccm pro qm Ober-
fläche und einer CO,-Produktion von 4,8 bzw. 118,8 ccm in der
Minute.
Ein Vergleich dieser Ergebnisse mit den in Tabelle I zu-
. sammengestellten zeigt, daß unsere Werte tiefer liegen als die der
früheren Autoren, die an etwa gleich schweren Kindern Respira-
tionsversuche anstellten!). Offenbar sind die anderen Versuche
doch nicht dem reinen Grundumsatz so nahegekommen wie
unsere, die ihn nur um die geringe Verdauungsarbeit überstieg.
Auffallend erscheint noch der hohe respiratorische Quotient, der ein
Ausdruck des Reichtums der Nahrung an Kohlehydraten — bzw. ihrer
Armut an Eiweiß und besonders Fett — ist. Daß der respiratorische
Quotient durch Fettbildung erhöht worden ist, kann in einigen Versuchen
1) Dem Lebensalter kommt in dieser Lebensperiode sicher keine
wesentliche Bedeutung zu.
Gaswechsel bei Knaben. 89
als wahrscheinlich betrachtet werden; sicher ist es in dem Versuch am
26. /27. III. der Fall gewesen. Hier erreicht der RQ den Wert 1,0.: Ев muß,
da neben Kohlenhydraten auch Fett und Eiweiß gereicht worden ist, durch
Fettbildung soviel Sauerstoff frei geworden sein, wie zur Oxydation der
O,-ärmeren Verbindungen — Eiweiß, Fett — gebraucht wurde.
Wir haben auch den Brennwert der zugeführten Nahrung
und des Kotes in Perioden von 7 Tagen bestimmt, und zwar
fallen in jede solche Periode 2 Respirationsversuche. Da die
Kinder offenbar ausreichend ernährt waren, im Durchschnitt
weder fetter noch magerer wurden — also weder Energie zusetzten
noch einsparten — läßt sich feststellen, wie groß ihr Gesamt-
umsatz war, d. h. mit welchen Energiemengen der Nahrung sie
mit ihren Leistungen, die wohl als durchschnittlich für Jungen
in diesem Alter gelten können, auskamen. Der Brennwert der
Nahrung betrug im Durchschnitt 69,3 Calorien für 1kg und
1798 Calorien für 1 qm Oberfläche in 24 Stunden.
Die für diese lebhaften Kinder notwendige Calorienzufuhr
war hiernach höher als nach den Arbeiten von Uffelmann!),
Camerer?), Siegert?) und Lungwitz‘); am nächsten stehen
sie den Werten von Herbst. Die Werte von Erich und Franz
Müller®) sind sehr hoch, was wohl auf besonders große Leb-
haftigkeit der Kinder zurückzuführen ist.
Der relativ große Gesamtbedarf neben dem Umsatz bei
Körperruhe läßt erkennen, daß die Muskelarbeit der Knaben
von nörmaler Lebhaftigkeit doch recht hoch zu veranschlagen
ist. Der „Leistungszuwachs“ beträgt bei unseren Versuchs-
kindern 88,7%, also erheblich mehr als Schloßmann®) und
Stargerdter’) herausrechneten®).
1) Zit. nach Lungwitz.
3) Camerer, Stoffwechsel des Kindes. Tübingen 1896.
3) Siegert, Verhandlungen der Gesellschaft der Kinderheilkunde.
Stuttgart 1906.
t) Lungwitz, Stoffwechselversuche über den Eiweißbedarf des Kin-
des. Halle 1908.
5) E. u. F. Müller, Veröffentlichungen der Zentralstelle für Balneo-
logie 3, H. 6.
6) SchloBmann, Handbuch der Kinderheilk. I.
7) Stargerdter, Arch. f. Kinderheilk. 57. 1912.
8) In der Tat ist der Leistungszuwachs noch größer, da im Respirations-
versuch infolge der unvollständigen Ausschaltung der Verdauungsarbeit
nicht der reine Grundumsatz erfaßt ist.
90 G. Baumgardt und M. Steuber: Gaswechsel bei Knaben.
Zusammenfassend läßt sich sagen: Bei weitgehender
Ausschaltung aller Muskelarbeit ist der Ruheumsatz bei Knaben
von 25,4—27,1 kg Körpergewicht im Respirationsversuch kleiner
gefunden worden als in früheren Arbeiten (36,7 Calorien pro kg
und 907,8 Calorien pro qm Oberfläche). Es ist zu vermuten, daß
die übrigen in der Literatur bekannten Werte für Ruheumsatz
bei Kindern auch zu hoch sind; offenbar ist die Muskelruhe der
Versuchskinder weniger vollkommen erreicht worden als in unseren
Versuchen.
Die gesamte Nahrungszufuhr der Kinder betrug 69,3 Roh-
calorien pro kg Körpergewicht bzw. 1798 Calorien für 1 qm Ober-
fläche, also etwas mehr als allgemein berechnet wurde.
Der hohe Leistungszuwachs von über 88,7%, des Grundum-
satzes entspricht der diesem Alter eigenen Lebhaftigkeit. Selbst-
verständlich wird dieser Wert — und damit auch der des Ge-
samtumsatzes — weitgehenden Schwankungen unterliegen.
Zur Kenntnis der Gewöhnung. IV.
Über Gewöhnung an Kodeinderivate (Eukodal u. Parakodin).
Von
Johannes Biberfeld.
(Aus dem Pharmakologischen Institut der Universität Breslau.)
(Eingegangen am 12. August 1920.)
Mit 17 Abbildungen im Text.
Vom Kodein hat Воч талі) festgestellt, daß es trotz seiner
nahen chemischen Verwandtschaft mit Morphin nicht zu den
Giften gehört, an die Tiere gewöhnbar sind; die für Kodein
charakteristischen Krämpfe traten bei seinen Hunden nach
wiederholten Injektionen noch heftiger auf als bei nicht vor-
behandelten Tieren. Doch hat schon Langer?) darauf aufmerk-
sam gemacht, daß in Boumas Versuchsprotokollen eine partielle
Gewöhnung erkennbar ist; in den ersten Tagen verzeichnet er
eine leichte narkotische Wirkung (Benommenheit und Schläfrig-
keit), später aber zeigten die Tiere nur die Symptome der Über-
erregbarkeit. |
Langer selbst hat beim Heroin, das bei Hunden’ sowohl
narkotisch wie erregend wirkt, gefunden, daB die Tiere durch
fortgesetzte Injektionen an die narkotische Komponente gewöhnt
werden können, nicht aber an die erregende.
1) Jac. Bouma, Über Gewöhnungsversuche mit Kodein. Arch. f.
experim. Pathol. u. Pharmakol. 50, 353.
з) Hans Langer, Über Heroinausscheidung und -gewöhnung.
Diese Zeitschr. 45, 221.
92 Joh. Biberfeld:
In den letzten Jahren sind zwei Kodeinderivate — Eukodal
und Parakodin!) — in die ärztliche Praxis eingeführt worden,
denen eine stärkere sedative Wirkung, als sie dem Kodein eigen
ist, zugeschrieben wird; besonders das Eukodal wird von manchen
Verfassern als ein vollkommener Ersatz für Morphin angesprochen,
ein Autor (Falk, Münch. med. Wochenschr. 1917, Nr. 12) gibt
sogar an, es wirke auf das GroBhirn stärker als Morphin. Falk
behauptet auch, daB es selbst bei linger dauerndem Gebrauch
seine Wirkung behalte, es gebe beim Menschen keine Gewöhnung
an Eukodal. Dem wurde bald von anderen widersprochen; so
von König (Berl. klin. Wochenschr. 1919, Nr. 14), der 1!/, Jahre
nach Einführung des Eukodals bereits über zwei Fälle von Euko-
dalismus berichtet. Wenn Falk in seiner Entgegnung (Berl. klin.
Wochenschr. 1919, Nr. 19) fehlerhafte Verordnungsweise für den
Mißerfolg verantwortlich macht — es seien von vornherein zu
große Dosen gegeben worden —, so ist dies natürlich gleichbe-
deutend mit dem Zugeständnis der Gewöhnbarkeit?).
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Eukodal Parakodin
3) Ganz neuerdings wird wieder über einen Fall von Eukodalismus
berichtet; A. Alexander, Münch. med. Wochenschr. 1920, S. 873.
Gewöhnung. IV. 93
Die bisher veröffentlichten Angaben über experimentell
gesicherte Wirkungen des Eukodals!) sind sehr dürftig.
Falk schreibt in seiner ersten Mitteilung, daß es nach Untersuchungen
von R. Heinz die Empfindlichkeit deutlich herabsetze, nicht krampf-
erregend, sondern betäubend wirke. Die Atmung werde verlangsamt;
0,25 bringt bei großen kräftigen Kaninchen schwere Betäubung, aber nicht
den Tod hervor. Falk selbst hat, wie er angibt, eine größere Anzahl von
Tierversuchen gemacht, berichtet aber nicht genauer darüber. Er stellte
fest, daß eine schädigende Wirkung auf das Herz fehlt. Dem narkotischen
Stadium geht bei Kaninchen ein schnell vorübergehendes Reizstadium
voraus. Auch bei Fröschen wirkt Eukodal rein narkotisch. An der Kanin-
chencornea setze es, ohne zu reizen, die Empfindlichkeit herab.
Genauere Angaben über systematisch angestellte Tierversuche gibt
J. Vehres?), Er hat die Symptome der Eukodalwirkung bei Hunden,
Katzen und Pferden genau beschrieben und die wirksamen Dosen fest-
gestellt. Es lähmt bei Hunden das Großhirn (Herabsetzung der Sensibilität
und Schlaf, aber nicht konstant), setzt die Puls- und meist auch die Atem-
frequenz herab; bei Katzen und Pferden kamen dagegen nur Erregungs-
erscheinungen vor — im ganzen also ebenso wie nach Morphin. Große,
toxische Eukodalmengen versetzen die Hunde nicht in Schlaf (wie die ent-
sprechenden Morphindosen), sondern erzeugen neben Benommenheit
Unruhe und Krämpfe. — Eine schwache sedative Wirkung konnte Vehres
am Hunde schon nach !/, und !/, mg pro kg subcutan feststellen, tödlich
wirkte 0,05 pro kg.
Auch in meinen an Kaninchen angestellten Versuchen war
stets eine recht starke sedative Wirkung auf das Großhirn, die
sich als Schlaf äußerte, vorhanden; 5 mg Eukodal intravenös
wirkten in dieser Hinsicht manchmal stärker, als man es nach
20 mg Morphin zu sehen gewohnt ist. Auch die Beeinflussung
des Atemzentrums geht weit über die durch gleiche Dosen
Morphins bewirkte hinaus. Als Beispiel führe ich die in den Abb. 1,
2a,2b dargestellten Versuche an.
Die auch mit kleinen Mengen Eukodals erhaltenen Kurven
erinnern an die nach Heroininjektion entstehenden; doch wirkt
dieses noch stärker ein, wie die Abb. 3a und b zeigen: 11/, mg
läßt die Frequenz auf die Hälfte sinken und 2!/, mg verursachen
schon lange Atempausen.
1) Eukodal wird aus Thebain dargestellt; M. Freund und Edm.
Speyer, Münch. med. Wochenschr. 1917, Nr. 12.
2) Josef Vehres, Versuche über die Wirkung des Eukodals
bei Hunden, Katzen und Pferden. Diss. Tierärztl. Hochschule Han-
nover 1919.
Joh. Biberfeld
94
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Gewöhnung. IV. 95
lange Atempausen.
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dann 1 mg: Abnahme der Frequenz von 8—9 auf 5—6 in 10”.
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Abb. 4. 21. VIT. Kaninchen 2000. 0,5 mg Eukodal in eine Ohrvene injiziert hat keine Wirkung,
Abb. 3b. 24. VI. Dasselbe Tier wie in Abb. 8a, Gew. 2000. 2,5 mg Heroin in eine Ohrvene verursachen
Trotzdem Eukodal in etwas höherer
Dosis die Erregbarkeit des Atemzentrums
soviel stärker herabsetzt als Morphin, ist
doch die untere Grenze der Wirksam-
— keit bei beiden Alkaloiden ungefähr die
gleiche. Vom Eukodal wirkt, wie Abb. 4
zeigt, ½ mg intravenös noch nicht, erst auf die weitere Injektion
von 1 mg kommt es zu einer ganz schwachen Verringerung der
Frequenz, und auch für Morphin muß man 1—2 mg subcutan als
geringste, auf die Atmung noch wirksame Menge annehmen!).
1) Vgl. Biberfeld, diese Zeitschr. 92, 200 (Anm.).
Abb. За. Kaninchen 2200. 23. VI. 1,25 mg Heroin in eine Ohrvene. Abnahme der Frequenz von 5—6 auf 8 in 10”.
96 Joh. Biberfeld:
Trotz der starken, an die des Heroins erinnernde Wirksam-
keit des Eukodals (bezüglich Atmung) ist aber seine Gefährlich-
keit bei weitem nicht dieselbe. Während schon 0,01 Heroin intra-
venös ein Kaninchen durch Atmungslähmung tötet, wird vom
Eukodal die fünffache Menge vertragen, z. B. in folgendem
Versuche: Zu
Kan. 1900; 4° 35’ 0,05 Eukod alin eine Ohrvene, die Atmung sistiert, -
das Tier legt sich auf die Seite. Nach 2 Minuten erhebt es sich plötzlich,
Kopf steif im Nacken, allgemeiner krampfartiger Tremor. Dieser kurz-
dauernde Anfall wiederholt sich noch zweimal, in der Zwischenzeit ist die
Atmung etwas beschleunigt; während des Anfalls starke Protrusio bulbi.
— Dann Verhalten ebenso wie nach den kleinen Dosen (Schlaf, seltene
Atmung). 5h 43“ noch Schlaf, Atmung = 7—8 in 30”. — 6b Tier sitzt
aufrecht, Atmung 25—26 in 30”; 6h 20’ Atmung 30 in 30”, sitzt.
Auffallend ist, wie in diesem Versuche nach der relativ
großen Dosis neben der narkotischen die dem Thebain (und
Kodein) eigene erregende Wirkung zum Vorschein kommt; hierauf
ist es wohl zu beziehen, daß die schon bei 5 mg so starke Schädigung
des Atemzentrums auch bei der 10fachen Dosis nicht zu tödlicher
Atmungslähmung wird. — Auffallend ist ferner das schnelle
Abklingen der Symptome; mit 0,05 Morphin erzielt man eine
mehrere Stunden anhaltende Narkose. — Auch bei den kleineren
Dosen Eukodal gingen die Erscheinungen immer im Verhältnis
zu ihrer Intensität schnell. vorüber. |
Ein Versuch, Kaninchen an Eukodal zu gewöhnen, verlief
folgendermaßen: |
Kan. 2100; 22. VI. 5 mg in eine Ohrvene; Atmung setzt für ca, !/, Min.
aus; dann stark verlangsamt (Abb. 5a), deutliche Betäubung.
23. VI. 2000; 0,005 Ohrvene; deutliche Narkose und Atmungsver-
langsamung.
Bis zum 2. VII. täglich (mit Ausnahme des 27. VI.) 5 mg mit immer
der gleichen Wirkung; die am 2. VII. auf die Injektion folgende Atmungs-
verlangsamung zeigt Abb. 5b. — Am 3. VII. wieder 5 mg und vom 6. bis
13. VII. täglich le mg intravenös (mit Ausnahme des 11. VII.). — Am
14. VII. werden wieder nur 5 mg injiziert; wie Abb. 5c zeigt, ist die Wir-
kung auf die Atmung die typische, und auch die auf das Großhirn war
unverändert.
Der Versuch beweist, daß die Dosis von 5 mg auch noch nach
zehnmaliger Injektion unabgeschwächt wirksam ist, und daß
das Tier auch durch die größere Dosis seine Empfindlichkeit
gegen die kleine nicht verlor: nach siebenmaliger Injektion von
0,01 war die Wirkung von 5 mg immer noch die ursprüngliche
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Gewöhnung. IV.
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Biochemische Zeitschrift Band 111.
98 Joh. Biberfeld:
Ich habe weiterhin festgestellt, wie Eukodal auf den nach
Magnus isolierten Kaninchendarm wirkt; 1 mg (zu 75 cem) war
unwirksam, 5 mg dagegen ließen, wie Abb. 6 zeigt, den Tonus
sehr stark sinken und die rhythmischen Ausschlage auf ein Mini-
mum herabgehen; 0,3 mg Pilocarpin war danach fast unwirksam.
‘Auch in dieser Richtung wirkt also Eukodal stärker als Morphin.
Anders als bei Kaninchen verlief der Versuch, einen Hund
an Eukodal zu gewöhnen!):
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Abb. 6. Kaninchendarm, 5 mg Eukodal zu 75 ccm Flüssigkeit
zugesetzt bewirken Sinken des Tonus und Verringerung der
Pendelausschläge. 0,5 mg Pilokarpin (4) lassen den Tonus nur
schwach ansteigen.
23. II. 1920. Hund 7000; 10" 0,05 Eukodal (= ca. 7 mg pro kg)
subcutan. 102’ Harnentleerung, 10 4’ Defäkation; das vorher sehr un-
ruhige Tier legt sich nieder. — Später leichter Schlaf, aus dem das Tier durch
schwache Geräusche erweckt werden kann. — Pupille mittelgroß. — 12h 30’
stellt sich auf.
25. П. 6800; 0,05 Morphin subcutan (9" 25’); 9% 27° Defäkation,
die sich noch mehrfach wiederholt. 9435’ Müdigkeit; später leichter Schlaf,
deutlich tiefer als am 23. й
26. П. 6500; sehr lebhaft, 10h 15’ 0,1 Eukodal; 10°19’ schläft. —
Kein Erbrechen. — Der Schlaf ist nicht tief, hält bis gegen 12h 30’ an.
27. II. 6600; 9555’ 0,1 Eukodal. 10°10’ leichter Schlaf; 12h 30’
munter.
28. II. 6300; 9" 25’ 0,1 Eukodal; 9b 30’ leichter Schlaf bis gegen 11".
1. III. 6500; 9 35’ 0,1 Eukodal, Defäkation. 9" 40’ Müdigkeit, Schlaf
tritt nicht ein. Das Tier ist sehr schreckhaft. 10530’ normal.
2. III. 6300; 9" 15’ 0,1 Eukodal; nach 5 Min. leichter Schlaf, 10" 30’
normal. |
3. III. 6000; 9" 15’ 0,1 Eukodal; nach 2 Min. legt es sich nieder, kein
Schlaf. 10" steht auf.
4. ПІ. 6600; 105 2’ 0,15 Eukodal; legt sich bald nieder, 10" 15’ leichter
Schlaf. 10h 45’ steht wieder auf.
1) Die zu diesem Versuche gebrauchte Menge Eukodal ist mir von
der Chem. Fabrik E. Merck freundlichst überlassen worden.
Gewöhnung. IV. x 99
5. III. 6100; 9% 27“ 0,2 Eukodal subcutan. Oh 30’ Müdigkeit, liegt
auf der Seite, Augen stets offen; springt bei dem leisesten Geräusch auf;
10h 10° sitzt. — Bis 11" starke Unruhe.
6. III. 6700; Injektion mißglückt wegen Unruhe des Tieres.
7. und 8. keine Injektion. 9. III. 6400; 9h 25’ 0,2 subcutan. 9" 27’
Schwäche hinten, legt sich nieder, Müdigkeit, kein Schlaf.
10. III. 5800; 9°30’ 0,2 subcutan. 95 32’ Schwäche und Müdigkeit;
diese dauern bis gegen 11h 30’; kein Schlaf. |
11. III. 6400; 9h 0,2 subcutan, Müdigkeit, aber viel weniger als am 10.
12. III. 6200; 9" 8’ 0,25 subcutan; Schwäche, Müdigkeit, kein Schlaf.
13. III. 5800; 9" 25’ 0,3 subcutan; nach 1 Min. Schwäche hinten»
Miidigkeit, kein Schlaf.
15. III. 6200; oh 15’ 0,3; Schwäche, Müdigkeit, sonst nichts.
16. III. 6300; 9h20 0,3 subcutan; Müdigkeit, Schwäche, starke
Schreckhaftig keit.
17. III. 5800; 9" 30’ 0,3 subcutan, Müdigkeit, Schwäche, 9 50“ deut-
liche Reflexübererregbarkeit, 9" 59“ plötzlicher Ausbruch von
Krämpfen (nach Art der „Laufkrämpfe“), die са. 1 Min. anhalten;
dann sitzt das Tier auf. — Das sonst zutrauliche Tier beißt um sich. —
Gegen Mittag normal.
‘18. III. 6000; 0,3 subcutan, Schwäche hinten, dann sehr bald Unruhe,
die etwa 2 Stunden anhält; keine Krämpfe.
19. III. 5800; 9h 25’ 0,3 subcutan. Sehr bald Unruhe; 9" 35’ Zuckungen,
die bald in einen starken Krampfanfall übergehen; Dauer ca. 1 Min. Dann
noch Aufgeregtheit.
20. III. 5900; 9" 0,1 Morphin subcutan. Nach 1 Min. Salivation,
später Müdigkeit und Schwäche; kein Schlaf.
22. ПІ. 5700; 95 25’ 0,2 Morphin subcutan. Bald darauf Müdigkeit,
die immer mehr zunimmt. Gegen 11" 30’ leichter Schlaf (leicht zu erwecken);
12h Schlaf ziemlich fest.
14. IV. 7200; 9532’ 0,1 Eudokal subcutan; 9535’ Schwäche der
hinteren Extremitäten; Defäkation; 9" 40’ leichter Schlaf; 10" 15’ sehr
unruhig, schläft aber bald wieder ein. — Der schlafsüchtige Zustand dauert
bis gegen 12h, |
Zu diesem Versuche ist folgendes zu bemerken. Die Anfangs-
dosis betrug etwa 7 mg pro kg Hund; Vehres gibt, wie erwahnt,
an schon bei !/,—!/, mg pro kg Hund Betäubungssymptome und
nach 8mg neben schwach lähmender Wirkung hauptsächlich
Erregungserscheinungen (Unruhe, z. T. Krämpfe) gesehen zu
haben In meinem Versuche war von dem letzteren nichts vor-
handen, sondern nur ein relativ leichter Betiiubungszustand ;
allerdings war das Tier, wie der nach 2 Tagen angestellte Versuch
mit der gleichen Morphinmenge zeigte, gegen eine narkotische
7*
100 Joh. Biberfeld:
Wirkung ziemlich refraktär. Jedenfalls aber hat hier beim Hunde,
im Gegensatz zum Kaninchen, Eukodal das Großhirn nicht
stärker als Morphin beeinflußt. — An den nächsten Tagen bekam
das Tier die doppelte Menge, etwa 14 mg Eukodal pro kg, eine
Dosis, die nach Vehres schon schwer toxisch ist; wie aus dem
Protokoll ersichtlich, war aber kaum an einzelnen Tagen eine
gewisse Unruhe und Schreckhaftigkeit zu sehen, jederzeit über-
wiegen die Symptome der Betäubung. — Auch bei den letzten
Versuchen, in denen schon die nach Vehres eben tödliche Dosis
von etwa 5 се pro kg gegeben wurde, sah ich in den ersten zwei
Tagen nur Müdigkeit, erst am dritten zeigte das Tier eine Über-
erregbarkeit und am vierten kam es zum Ausbruch von Krampfen ;
am fünften war wieder nur Schwäche zu sehen, am sechsten traten
dagegen wieder sehr starke Krämpfe auf, so daß eine Steigerung der
Dosis aussichtslos erschien und der Versuch abgebrochen wurde.
Aus dem Verlauf ist zu erkennen, daß der Hund sich an
die, von vornherein relativ schwache, sedative Wirkung des
Eukodals ziemlich schnell gewöhnt, während die bei den
kleinen Dosen nicht erkennbare erregende Komponente trotz
vielfacher Wiederholung der Injektion bei der großen Dosis un-
geschwächt zum Vorschein kommt. — Das Eukodal verhält
sich also bei Hunden im wesentlichen ebenso wie
das Kodein.
Im unmittelbaren Anschluß an die Eukodalinjektionen habe
ich die Wirkung von Morphin auf dasselbe Tier untersucht;
0,1 war fast wirkungslos, 0,2 verursachte leichten Schlaf. — Wenn
demnach auch die Morphinwirkung sichtlich abgeschwächt war, so
war doch eine Wirkung vorhanden, während Eukodal unwirksam
geworden war. — Die Spezifität der Gewöhnung ist also auch hier
zu sehen!).
Wie der letzte Versuchstag zeigt, war die Gewöhnung an Eukodal
nach einem freien Zwischenraume von etwa 25 Tagen vollständig
verschwunden; das Tier reagierte auf Eukodal wie zu Anfang?).
1) J. Biberfeld, Uber die Spezifität der Morphingewöhnung. Diese
Zeitschr. 77, 283.
2) Außer dem oben Besprochenen ist noch anzuführen, daß ich ebenso
wie Vehres beim Hunde stets reichliche Salivation nach der Eukodal-
injektion geschen habe; Gewöhnung trat auch hieran nicht ein. — Er-
brechen trat weder bei diesem, noch bei einem anderen Hunde ein.
Gewöhnung. IV. 101
Ich habe auch versucht, ob sich etwas über das Schicksal
des Eukodals im Hundeorganismus feststellen lasse; zu diesem
Zwecke habe ich die Harne verschiedener Versuchstage auf dem
Wasserbade bei saurer Reaktion zur Sirupskonsistenz eingeengt,
dreimal mit heiBem Alkohol extrahiert, die Alkoholausziige ver-
einigt, den Alkohol abdestilliert, den Rückstand mit salzsäure-
haltigem Wasser extrahiert, filtriert, Filtrat mit Ammoniak
alkalisch gemacht, mit alkoholhaltigem Chloroform (9 : 1) mehr-
fach ausgeschüttelt und das Chloroform in flachen Schälchen
verdunsten lassen. — Wenn nun auch nicht zu erwarten war,
etwa vorhandenes Eukodal auf diesem Wege quantitativ aus dem
Harne zu erhalten, so war doch mindestens eine Isolierung quali-
tativ (chemisch oder pharmakologisch) bestimmbarer Mengen
zu erhoffen; aus 5 cem einer 5 proz. wässerigen Lösung habe ich
auf gleichem Wege einen Rückstand von 0,17 g erhalten. — Der
auf diese Weise behandelte Harn des ersten Injektionstages ergab
keinen Rückstand; aus dem des fünften Tages (28. II.) hinter-
blieben einige weißliche Krystalle, die sich aber bei der Prüfung
am Kaninchen als ohne Wirkung auf die Atmung erwiesen (wahr-
scheinlich Harnstoff).
II.
Уот Para kodi ni) habe ich an Kaninchen ebenfalls haupt-
sächlich die Wirkung auf die Atmung untersucht; es hält hierin
keinen Vergleich mit Morphin oder gar Eukodal aus, wirkt aber
deutlich stärker als Kodein, wie die Abb. 7 und 8 zeigen; 0, 045
Paracod. bitartaric. setzte die Erregbarkeit des Atemzentrums viel
mehr herab als 0,06 Codein. phosphor. und die Wirkung des
ersteren hielt auch viel länger an. — Daß auch bei der in diesem
Versuche angewendeten relativ kleinen Dosis Kodein die ihm
eigene erregende Wirkung (auch auf die Atmung) besitzt,
zeigt der geringe Ausschlag, den die sonst unbedingt stark wirk-
same Menge von 0,005 nachher injizierten Eukodals gibt.
Am isolierten Kaninchendar m erwies sich auch Parakodein
als stark lähmend (Abb. 9).
Ein Versuch, einen Hund an Parakodin zu gewöhnen, ver—
lief folgendermaBen:
1) Von der chem. Fabrik Knoll & Co., Ludwigshafen ist mir die für
meine Versuche nötige Menge freundlichst zur Verfügung gestellt worden.
Joh. Biberfeld
102
— —— —— — —
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9. II. Dasselbe Tier wie im Versuch vom 8. II. Gew. 1460. 3h 52’ 0,08 Codein. phosph.
Abb. 8a.
8h 57° nochmals
während der Injektion Unruhe, Atmung ändert sich kaum.
0,08 intravenös. Darauf eine geringe Abflachung und Abnahme der Frequenz (von 8—9 auf
in eine Ohrvene,
ca. 7 in 10“).
103
Gewöhnung. IV.
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104 Joh. Biberfeld: Gewöhnung. IV.
15. IV. Hund 7200; 125 0,15 subcutan; nach ganz kurzer Zeit Sali-
vation, 12510’ Müdigkeit, legt sich nieder, 12h 15’ leichter Schlaf. Gegen
In sitzt er wieder.
16. IV. 6800; 11" 0,15 subcutan; nach kurzer Zeit Müdigkeit, Schlaf
(anscheinend etwas fester als am Tage vorher). 12h steht wieder auf.
17. IV. 6700; 10530’ 0,15 subcutan, Müdigkeit, ganz leichter Schlaf;
11515’ steht.
19. IV. 6600; 11" 0,15 spbeutan. — 11510 sehr starke Salivation,
nur geringe Müdigkeit.
20. IV. 6300; 0,15 subcutan, nur Müdigkeit.
21. IV. 6300; 0,25 subcutan; starke Unruhe, sonst nichte.
22. IV. 6200; 0,25 subcutan, Unruhe.
23. IV. 6300; 0,25 subcutan, Unruhe.
24. IV. 6100; 0,25, Unruhe.
26. IV. 6100; 0,35 subcutan, Unruhe, gegen 105 anscheinend Hallu-
zinationen.
27. IV. 6500; 0,4 subcutan, nur Unruhe.
28. IV. 6000; 10°30’ 0,45 subcutan, gegen 11" gesteigerte Reflex-
erregbarkeit, 122 wieder normal. |
29. IV. 5600; 11h 0,45 subcutan. 11" 30° Reflexübererregbarkeit.
12h spontane Zuckungen, Steifigkeit der Extremitäten, 12h 5 Krampfanfall
mit starkem Trismus, 12" 20° wieder normal.
Das Tier hat sich also an die anfangs ziemlich starke sedative
Wirkung schnell gewöhnt, die Empfindlichkeit gegen die ex-
zitierende ist geblieben —- eine vollkommene Analogie zum
Kodein.
Zusammenfassung.
l. Eukodal lähmt die Atmung viel stärker als Morphin,
ist aber weniger giftig als Heroin; die Allgemeinnarkose ist eben-
falls stärker, aber flüchtiger als nach Morphin.
2. Kaninchen gewöhnen sich nicht an Eukodal (Atmung
und Großhirn); bei Hunden geht die sedative Wirkung durch
häufige Wiederholung der Injektionen schnell verloren und es
komint dann die den größeren Dosen eigene exzitierende zum
Vorschein.
3. Parakodin wirkt auf die Atmung stärker als Kodein,
schwächer als Eukodal und Morphin; Hunde zeigen eine Ge-
wöhnung an die sedative Komponente der Wirkung.
4. Eukodal und Parakodin lähmen den isolierten Kaninchen-
darm.
Die Bedeutung der Magensalzsäure.
Erwiderung auf die Note von J. Traube.!)
Von
L. Michaelis.
(Eingegangen am 31. August 1920.)
Von keiner Seite wird dagegen Widerspruch erhoben werden, daß die
Verdauung von festem Eiweiß von seinem physikalischen Zustand, von
der Feinheit seiner Zerteilung und von seinem Quellungszustand, abhängt.
Da nun der Quellungszustand von festem Eiweiß von der Acidität der
Lösung abhängt, so lag die Frage nahe, ob die Notwendigkeit der freien HCl
für die Pepsinwirkung nicht in ausreichender Weise dadurch ihre Erklärung
findet, daß die Säure einfach das EiweiBkoagulum durch die Quellung
für die Pepsinwirkung vorbereitet. J. Traube?) hat nun mit Recht darauf
hingewiesen, daß diejenige Acidität, welche für einige der in den gewöhn-
lichen Nahrungsmitteln vorhandenen Eiweißstoffe das Quellungsoptimum `
darstellt, gleichzeitig das Optimum für die Pepsinverdauung ist. Daraus
Zieht J. Traube!) den Schluß, daß „ein Eiweißstoff im Magen um so
leichter und schneller verdaut wird, je größer seine Quellung bei der vor-
handenen Salzsäurekonzentration ist“. Diese Behauptung dürfte für
physiologisch vorkommende Bedingungen wohl im ganzen richtig sein. Sie
ist jedoch, ohne weiteren Zusatz ausgesprochen, geeignet die Physiologen
dazu zu verleiten, die zwar zweifellos vorhandene Rolle des Quellungs-
zustandes gewaltig zu überschätzen, und, allgemein als Aussage über
die Pepsinverdauung ausgesprochen, ist sie bisweilen geradezu unzu-
treffend. Ich habe gezeigt“), daß auch Sulfosalicylsiure das Pepsin zu
aktivieren vermag, obwohl diese Säure die Eiweißkörper nicht zur Quel-
lung, sondern zur Fällung bringt. Man vergegenwärtige sich: Serum- oder
Eiereiweiß, welches bei neutraler, ja selbst schwach saurer Lösung (vn
etwa = 4) nicht nur verquollen, sondern sogar gelöst ist, wird von Pepsin
nicht verdaut. Fällt man in dieser Lösung das Eiweiß durch Sulfosalicyl-
säure, so wird dieses gefällte, entquollene Eiweiß vom Pepsin verdaut.
Ich habe ferner darauf hingewiesen, daß das von M. Jacoby eingeführte
Ricinusglobulin, welches aus seiner klaren wässerigen Lösung durch HCl
ausgefällt wird, vom Pepsin nur in diesem, durch HCl gefällten Zustand
verdaut wird. Es gibt also Fälle, wo die Angreifbarkeit des Eiweiß durch
Pepsin dem Quellungszustand geradezu entgegengesetzt ist. Freilich sind
das keine im lebenden Organismus vorkommenden Fälle. Es wäre auch,
106 L. Michaelis:
teleologisch betrachtet, eine unzweckmäßige Einrichtung, wenn dasjenige
Agens (НСІ), welches die Pepsinwirkung erst ermöglicht, gleichzeitig die
angreifbare Oberfläche des Eiweiß stark verminderte. Und so finden sich
solche Fälle bei der natürlichen Verdauung wohl auch kaum. Um so geeig-
neter sind sie, um zu demonstrieren, daß der Quellungszustand des Eiweißer
keineswegs der einzige bestimmende Faktor für die Angreifbarkeit durch
Pepsin ist, sondern daß die Quellung zur Not auch ungünstig sein darf,
daß aber die Ansäuerung nicht entbehrt werden kann und eine Aktivierung
bewirkt selbst unter Uniständen, wo sie gleichzeitig die Quellung sogar
herabsetzt. Die Ansäuerung ist die conditio sine qua non, die Quellung ist
es nicht. Für das Maß der Ansäuerung ist aber maßgeblich die H-Ionen-
konzentration; andere physiologisch vorkommende Ionenarten sind zwar
nicht ganz belanglos, ihr Einfluß ist aber so klein, daß er als bloße ,,Kor-
rektur‘‘ des H-Einflusses in Rechnung gezogen werden kann, wie der
„Salzfehler‘‘ eines Indicators.
Es könnte müßig erscheinen, die Wirkungsbedingungen des Pepsins
so zu zergliedern. Das ist aber für eine allgemeine Theorie der Ferment-
wirkung erforderlich. Es gibt fermentative Spaltungen, bei denen von ver-
schiedenen Quellungszuständen des Substrats keine Rede sein kann, z. B.
die fermentative Rohrzuckerhydrolyse. Für diese wurde nun von Sörensen
und von mir gezeigt, daß sie in hohem Maße von den H-Ionen abhängt.
Der Fall des Pepsins zeigt nun, daß diese Anschauung auch für fermentative
Prozesse mit quellbarem Substrat zutrifft, und daß das Hinzukommen der
Quellungserscheinungen wohl mit zu berücksichtigen ist, aber von jenem
anderen Agens unter Umständen unabhängig ist und ihn nicht aufhebt.
Der Überschätzung der H’-Ionen, die Herr J. Traube mir vorhält,
kann ich mich nicht schuldig fühlen. Auch dürfte es nicht erforderlich sein,
mir vorzuhalten, daß auch andere Ionen eine Wirkung haben; denn ich habe
in einer ganzen Reihe von Arbeiten!) die Wirkung anderer Ionen experi-
mentell und theoretisch behandelt. Es bleibt aber zu Recht bestehen, daß
für viele physiologisch wichtigen Vorgänge von allen unter physiologischen
Bedingungen vorkommenden Ionenarten die H. bzw. OH’-Ionen den
weitaus größten Einfluß haben, und daß noch bis vor wenigen Jahren über
die Messung und Bedeutung der Н -Ionen die größte Unklarheit herrschte.
Es ist bezeichnend, daß z. B. die umladende Wirkung der Lanthan-Ionen
auf Blutkörperchen“) eher bekannt wurde als die der H-Ionen®)! Ionen
von starker Wirksamkeit in diesem Sinne waren vordem nur in, Form der
physiologisch nicht vorkommenden seltenen Erden und Schwermetalle be-
kannt, und es mußte erst nachträglich gezeigt werden, daß die ganz ge-
wöhnlichen H-Ionen auch zu diesen gehören, ja die anderen oft noch über-
treffen. Es sei auch daran erinnert, daß J. Traube selbst einen Zusammen-
hang der Alkalität mit einer sehr wichtigen Eigenschaft von (z. B. Chinin-)
Lösungen, nämlich der Oberflächenspannung — in der hohen Bewertung
dieser Eigenschaft werde ich bei Herrn Traube gewiß nicht auf Wider-
stand stoßen — gefunden hat. Nur hat sich Traube leider immer noch
nicht entschlossen, bei diesen Untersuchungen eine Messung der H-Ionen-
konzentration auszuführen.
Magensalzsäure. Erwiderung an J. Traube. 107
Herr Traube will dem alten Begriff der Titrationsacidität wieder zu
seinem Recht verhelfen. Das ist gar nicht nötig, dieses Recht ist niemals
bestritten worden. Für diejenigen Fälle, in denen ich behauptet habe,
daß die H-Konzentration das Maßgebliche ist und nicht die Titrations-
acidität, habe ich das auch experimentell bewiesen, indem ich zeigte, daß
Puffer von gleicher H'-Konzentration, aber verschiedener Titrationsacidi-
tät, gleich wirken. Für solche Fälle, wo das nicht zutrifft, habe ich es
auch nicht behauptet. Die theoretische Deutung, welche ich der Wirkung
der H-Ionen gegeben habe, schließt nicht einmal andeutungsweise die
Behauptung in sich ein, daß es nicht noch andere wirksame Agenzien als
H-Ionen gäbe.
—
Literatur.
1) J. Traube, diese Zeitschr. 10%, 295 (1920). — 2) J. Traube,
Deutsche med. Wochenschr. 1919, Nr. 27. — 3) L. Michaelis, Deutsche
med. Wochenschr. 1920, Nr. 5. Genauer auf meine Veranlassung untersucht
von A. Gye mant, diese Zeitschr. 105, 155 (1920). — ) L. Michaelis,
und P. Ro na, diese Zeitschr. 94, 225 (1919). — L. Michaelis, und
А. v. Sz Ent- Györgyi, diese Zeitschr. 103, 178 (1920). — L. Michaelis,
diese Zeitschr. 103, 225 und 106 83 (1920). — Siehe auch: L. Michae-
lis und H. Pechstein, diese Zeitschr. 47, 250 (1912); L. Michaelis und
H. Pechstein, diese Zeitschr. 59, 77 (1914); L. Michaelis und P. Rona,
diese Zeitschr. 97, 85 (1919); L. Michaelis und A. Gye mant, diese
Zeitschr. 109, 165 (1920). — 5) R. Höber, Arch. d. ges. Physiol. 101,
627 (1904) und 102, 196 (1904). — 6) L. Michaelis und D. Takahashi
diese Zeitschr. 29, 439 (1910); E. Landsteiner, diese Zeitschr. 50, 176
(1913); Koza wa, diese Zeitschr. 60, 146 (1914).
Uber das Vorkommen von Phosphaten im menschlichen
Blutserum. XI.
Hyperphosphatämie und ,,Salzretention® hei Morbus-Brightii.
Von
Joh. Feigl.
(Aus dem chemisch-physiologischen Laboratorium des Allgem. Kranken-
hauses Hamburg-Barmbeck.)
(Eingegangen am 1. September 1920.)
Durch methodische und beschreibende Studien von J. Green-
wald, die 1915 eingeleitet wurden, gelangte die Frage der Phosphat-
ämie in Fluß. Ihrer Wichtigkeit entsprechend, wurde sie alsbald
von Feigl (1915) aufgenommen. Die inzwischen erzielten Er-
gebnisse dieses Autors (1915) bis 1920) zeigen, in wie frucht-
barer Weise sich der Anstoß in Breite und Tiefe entwickeln ließ.
Die methodischen Verhältnisse sind eingehend beforscht worden
und das System der P-Verteilung im Blute steht heute in den
Haupttatsachen gesichert vor uns. Es ist in früheren Mitteilungen
des Verfassers gesagt worden, von welchem Werte auch die
späteren Arbeiten Greenwalds auf diesem Gebiete sind, und
daß Marriott sowie andere Forscher wichtige Seitenlinien der
Aufgabe (methodisch), sowie beschreibende Erträge (sachlich)
bereicherten. Inzwischen hat auch W. R. Bloor, dessen ana-
lytisches System für das Lipämiegebiet so reiche Möglichkeiten
schuf, die wichtigen Probleme durch methodische und beschrei-
bende Resultate wesentlich bereichert. Es darf auch in dem hier
verfolgten Zusammenhange schon betont werden, daß Green-
walds analytisches Prinzip ein Wurf von prinzipieller Bedeutung
geworden ist, wie die jüngste Literatur zeigt, mit der wir uns
a. О. zu beschäftigen haben. Soweit sich die bisher erzielten
Erträge beurteilen lassen, haben wir es mit Resultaten zu tun,
die von Greenwald bis Bloor zwar auf verschiedenen Wegen
Joh. Feigl: Phosphate im menschlichen Blutserum. XI. 109
heranreiften, sich aber weitgehend untereinander stiitzen; ja man
wird von prinzipieller Sicherstellung der erstrebten Ziele sprechen
dürfen, wenn auch immer aufs neue im verwickelten, methodischen
System Einzelfragen auftauchen, die auf weitere Abrundung,
Prazisierung und restlose Abgleichung dringen.
Greenwald schuf derzeit den Begriff des säurelöslichen
Phosphors im Gegensatz zum „unlöslichen“. Es hat eine ideale
Fraktionierung erreicht, die ihrerseits durch Feigl weiter syste-
matisiert wurde. Greenwald sowie Feigl haben mit gutem
Rechte sich angelegen sein lassen, den komplexen Begriff als solchen
zu benutzen. Daß das mit anderen Erträgen, welche die Aufteilung
ermöglicht hat, auch heute noch für manche Aufgaben in
Einklang steht, darf betont werden.
Greenwalds sowie Feigls beschreibende Ergebnisse, die
schon 1917 in genügender Breite vorlagen, geben nun Anstoß
zu einer Verwertung auf einem praktisch eminent wichtigen
Spezialgebiete.
Man fand, daß der säurelösliche P bei Nierenstörungen mehr oder
minder erheblich die normale Breite zu überschreiten vermöge, wobei ein
Zusammenhang mit den azotämischen Werten — durch Parallelität der
Bewegungen einerseits, durch erzielte (relative) Höhen andererseits —
sich nicht aufzeigen ließ. Vor allen darf, wie Feigl später betonte, dieser
Ertrag nicht unterschätzt werden. Ihm ist vielmehr hoher Wert beizu-
messen, besonders seit sich Näheres über den Komplexbegriff des P ge-
winnen ließ. Feigl verfolgte den eingeschlagenen Weg alsbald und
gelangte an Hand eines systematisch gesicherten, pathochemischen Materials
großer Breite zunächst dahin, daß außer Brightischen Vorbedingungen
auch andere (schwere) Schädigungen den säurelöslichen P in erhöhten
Beträgen darbieten könnten. Er gelangte zu näherem Einblick (und zu
vergleichender Kritik) erst mit Hilfe der Aufteilung unter Nutzbar-
machung des Rest-P-Begriffes. Schwierigere Verhältnisse, die die Haupt-
fraktion in toto erhöht darboten, konnten unter Umständen erst durch die
Gliederung näher gekennzeichnet werden. Immerhin blieb — als Ganzes —
die Tatsache bestehen, daß der säurelösliche P seine entschiedensten An-
stiege in der Nierenpathologie zu verzeichen hatte.
Andererseits gelangen keine Bemühungen, Azotämie und Phosphat-
ämie pathochemischer Breiten (im Gebiete der Nierenschädigungen) durch-
sichtig auf gleiche Basis zu stellen. Erst eindringlichere Betrachtung des
Materiales legte die Möglichkeit gewisser Verknüpfungen nahe. Sie ent-
fernten sich jedoch von dem analytisch (und diagnostisch) einfachen Prinzip
der Arbeit mit dem säurelöslichen P. War in derzeitigen und späteren
Untersuchungen wenigstens die eine Aufgabe — Beschreibung pathochemi-
schen Vorkommens — überhaupt in Umrissen gelöst, so mußte trotz der
110 Joh. Feigl:
verwickelten Bedingungen, welche fiir die Gesamtpathologie der P-Ver-
teilung in Frage kamen, sicher an der bis zum gewissen Grade einfachen
Tatsache — des Vorkommens gesteigerten säurelöslichen Phosphors bei
Morbus Brightii — wieder angeknüpft werden. Auf die derzeitigen Er-
gebnisse und Folgerungen, sowie auf die Versuche, mit Kombinationen
zu ertragreicheren Deutungen zu kommen, kann hier im einzelnen nicht
eingegangen werden. Es genüge zu sagen, daß die damaligen Auffassungen.
sowohl der Ergänzung wie der Revision, vor allem aber der Schemati-
sierung und Übertragung auf einfachere, der Anwendung förderliche Ge-
sichtspunkte fähig sind. Als wichtig wurde, mit Recht, angesehen, daß
Rest-N und säurelöslicher P eine durchgehende Parallelität (s. 0.) nicht
zeigten, aber auch, daß in akuten Glomerulonephritiden der Orthophos-
phat-P (des säurelöslichen P) an erster Stelle stünde, während dies in
sonstigen Bildern nicht so ausgeprägt sei. Als nicht aussichtsreich hat
sich dagegen erwiesen, zwischen Chlorion und säurelöslichen P zu Parallelen
zu gelangen.
Jedenfalls haben wir, wenn das Typische betont werden
soll, eine wichtige Tatsache vor uns. Bekanntlich hat das Vol-
hard- Fahrsche System des Morb. Brightii unter anderem
die Bedeutung der „Salzfunktion“ der Niere hervorgehoben).
Während es zutrifft, daß die N-Funktion durch relativ einfache
Blutanalysen (RN) ‘der Prüfung zugänglich ist (wennschon
Feigl und K nac k für diffizile Verhältnisse auch hier dynamischen
Anordnungen mit Erfolg und mit Recht das Wort redeten), fällt
das für die Salzfunktion fort. Man hat mit NaCl (Chlorion)-
Analysen Erfolge kaum erzielt. Auch mir und meinen Mitarbeitern
sind in 6jähriger Arbeit irgendwelche Erträge trotz eingehender
Bemühungen nicht beschieden gewesen. Andererseits bedarf
der Kochsalzversuch vermutlich einer Ergänzung, die aus uns
bekannten Gründen auf blutchemischen Wegen verschlossen ist.
Die Ödemkrankheit als Stadium der schweren Kriegsunter-
ernährung (,, Hungerödem“) gelangte in der Hand von Falta
und Quittner indes zu blutchemischen Erträgen (,,Chlorid-
ödeme“). Auch an anderer Stelle hat man oder wenigstens will
man (es lagen auch Berichte von Untersuchern vor, denen kein
großer Wert hinsichtlich methodischer Strenge nachgesagt werden
darf) Ähnliches gesehen haben, während wir selbst allzu häufig,
jedenfalls im einzelnen Falle typisch, die Erscheinung nicht, die
1) Mehrfach gebrauchter, gekürzter Ausdruck für das Verhalten der
kranken Niere hinsichtlich der Elimination der Salze, spez. des NaCl (als
des technisch handlichsten Typs).
Phosphate im menschlichen Blutserum. XI.. 111
Tatsache des Vorkommens andererseits wohl, sahen. Ganz kürz-
lich hat nun (zwar nicht in gerader Beziehung zum Hungerödem)
Magnus-Levy wiederum dargetan, daß man von Chlorion
auf Natriumion als wichtiger chemischer Ödemkonstante über-
gehen solle, ein Ergebnis, das uns in Hinsicht auf die anorganischen
Blutbestandteile noch eingehend beschäftigen wird. Wir hatten
derzeit (Hungerödem) ein Verdrängen des K-Ions durch Na-Ion,
oft sogar absolut, meist jedoch relativ, gesehen und stehen seither
(1917) auf demselben Standpunkte wie der letztgenannte Autor.
Während mit dem anorganischen Chlor (Chlorion, praktisch
NaCl) in Gestalt einfacher Blutanalysen auf dem Gebiete der
Nierenpathologie nicht weiterzukommen ist (es wäre das Vorgehen
durchaus wünschenswert und, wie bekannt, methodisch durchaus
einfach, übersehbar und in kleinsten Maßstäben durchführbar),
woran ja auch therapeutische und diätetische Maßnahmen Anteil
haben, scheint es nach Feigl und Knack wohl durchaus an-
gängig und befriedigend, den dynamischen Kochsalzversuch in
Reihenordnung auf Serum zu übertragen.
Dabei gelangt man jedoch zu komplizierten, jedenfalls auch
technisch nicht ganz einfachen, analytischen Aufgaben, die in der
breiteren Praxis kaum genügende Verwendung finden können.
Das Hauptgewicht ist auf Einfachheit in sicheren und nicht zu
sehr gespannten methodischen Verhältnissen zulegen, wobei
noch der Forderung einwandfreier Unterlagen betr. Norm usw.
weitgehend zu genügen ist. Nach Ansicht und Erfahrungen des
Verfassers trifft das für die Frage der Hyperphosphutämie, prak- |
tisch in Form des Begriffes vom säurelöslichen Phosphor, durchaus
zu. Die Tatsache mehr oder minder erheblicher, zumeist beträcht-
licher Anstiege (deren Ausschläge genügen) ist vollauf belegt.
Die Konstanten nur. sind auf der Basis des vorgeschlagenen
Arbeitsganges durchaus zureichend (und weiterhin gestützt sogar
durch Parallelen anderer methodischer Prinzipien) bearbeitet und
bekannt (Feigl). Eine Auflösung des Komplexbegriffes (säure-
löslicher P) zugunsten des Orthophosphats P ist nicht vonnöten,
da für die einschlägigen pathologischen Sonderverhältnisse reiches,
beschreibendes Material vorliegt.
Die Norm wird nach Feigl, dessen Ergebnisse in der ein-
schlägigen Literatur bis zu Bloor (1919) gesichert dastehen, mit
rund 4,0mg Р für 100 cem Serum begrenzt, während alimentäre.
112 Joh. Feigl:
individuelle, tägliche Schwankungen seines Vorkommens u. a.
eingehend beschrieben sind. Unter Hinweis auf die Tabelle VIII
(A, B) und die Tabelle IX der 1. Mitteilung über Phosphate im
Serum (1917) darf festgestellt werden, daß Werte zwischen 5,0 mg
und 8,0 mg P bereits reichlich vorkommen und daß solche über,
10,0 mg P in guten Breiten auftreten. Wir haben solche gesehen,
die 20,0 mg P hinter sich ließen, ohne daß irgend unklare diagnos-
tische Verhältnisse hineinspielten. Die Hyperphosphatämie bei
Morb. Brightii ist also eine verbreitete und im Gebiete der
„Salzfunktion‘‘ zunächst alleinstehende Erscheinung, die bereits
nach bisherigen Erträgen ein guter Indicator ist. Sie ist nach den
seit 1915 gesammelten Ergebnissen eine bedeutungsvolle, inhaltlich
gesicherte Anschauungsform für die Salzfunktion. Wir haben sie,
was pathologisch wichtig ist, losgelöst von azotämischen Aus-
schlägen höheren Grades bei Nephrosen gesehen, auch bei Glome-
rulonephritiden und Kombinationsformen sowie Übergängen unter
gleichen Begleiterscheinungen.
Naturgemäß zieht, wie früher gesagt, die Frage der Hyper-
phosphatämie, wenn deren Schwergewicht in anorganischer Form
gesucht wird, andere nach sich. Ältere Arbeiten legten Gewicht
auf Beziehungen zu Ca, K, Cl, (Denstedt und Rumpf, Erben,
Freund und Obermeyer, v. Moraczeswki, Albu und
Neuberg), denen man erst auf Grund neuer Normalien etwas
abgewinnen wird. Eines mag an dieser Stelle als unseres Erachtens
wichtig hervorgehoben werden: sehr verbreitet fand sich (besonders
in hohen Graden von Hyperphosphatämie) gesteigerte Ammoniak-
amie (die seither meist nach der besten Methode, von Henriquez
und Soerensen untersucht wurde!). Diese Tatsache darf als
1) Kürzlich haben Hahn und Root: (diese Zeitschr. 105, 220. 1920)
über die Methodik der Ammoniakanalyse Beiträge geliefert und dabei
auch die Verhältnisse des Blutes bedacht. In Hinsicht auf andere Arbeiten
ergiebig mit dieser Aufgabe beschäftigt, müssen wir unter voller Anerken-
nung dieser mühevollen und zum Teil dankenswerten Beiträge doch be-
dauern, daß die Autoren die exakte und sehr wichtige Arbeit der dänischen
Autoren nicht zu ihrem Rechte kommen lassen, noch sich der seit 1916
(Folin) wichtig gewordenen , direkten“ Neßlerisation, die auch 1919 er-
weitert wurde, bedienen. Auch das Urteil über das Fehlen einer Standard-
methode für Blut kann zu falschen Auffassungen führen, um so mehr,
als nach unseren Erfahrungen die neue Technik hinter der der dänischen
Autoren weit zurückbleibt. |
Phosphate im menschlichen Blutserum. XI. 113
pathologisch interessant angesehen werden, weil sie unter Um-
ständen einer Anschauung (,, Urämie als Säure vergiftung“) förder-
lich werden kann, andererseits die vielseitigen Probleme der
Bindung an Anionen und deren relative Verhältnisse mit zu be-
leuchten gestattet.
Zu den methodischen Fragen, die für die Anwendung auch
in dieser Sache bedeutungsvoll sein werden, gehört in prinzipieller
Hinsicht folgende. Man arbeitet mit dem Komplexbegriff des
krystalloiden, säurelöslichen Phosphors und zielt auf anorganische
Phosphate. In einer späteren methodischen Erörterung vird
abzuwägen sein, welche Gründe für praktische Forderungen maß-
gebend sind, und welche Wege in Konkurrenz zum Greenwald-
schen System treten können. Am besten fundiert ist technisch
aus den beschreibenden Vorarbeiten noch jedenfalls dieses auf
EnteiweiBung und Extraktion mit einem zuverlässigen Mittel
gestellte Vorgehen, welches nach Greenwald und anderen Au-
toren (s, später) breitere Bedeutung, ja fast prinzipiellen Wert
für die Analyse anorganischer Stoffe des Blutes gewonnen hat.
Vergleichsanalysen nach der Bloorschen bzw. Feiglschen
Technik (1919) bzw. nach Marriott stehen noch aus, und die
direkte Fällung im nativen Serum bedarf größerer Vorarbeit,
ohne sicherer zu sein. Die Bestimmung, welche nephelometrisch
nach dem Mo- Strychninverfahren auszuführen ist (weil sie sich
an sehr kleine Mengen wendet, und daher breiter Anwendung
nicht hinderlich sein wird) stellt sich als allseitig durchgearbeitetes
(Kleinmann 1919) genau im einzelnen charakterisiertes Prä-
zisions verfahren dar, dessen Handhabung im Nephelometer von
Schmidt und Haensch (Feigl und Klein mann) geringere
Schwierigkeiten macht, als manches anscheinend einfachere,
geläufigere Verfahren. Ob eine präzise Colorimetrie großer
Empfindlichkeit (Mo- Ferrocyankaliumreaktion, Kleinmann,
1919; Reichweite von 1,0 mg P, O, bis 0,1 mg P, O;; 0,5% Fehler)
unter Steigerung der Serummenge in der Analyse auf 5,0 ccm
an deren Stelle treten kann, ist auch zu priifen. Meines Erachtens
hängt die Wahl dann von der Einstellung des Untersuchers
gegenüber dem analytischen Prinzip, damit vom Instrument, ab.
Da jedoch ohne Nephelometrie gerade die benachbarten Gebiete
(Lipämiekomplex) analytisch weniger günstig zugänglich sind,
sei dieser der Vorrang eingeräumt. Unsere eigenen Ergebnisse
Biochemische Zeitschrift Band 111. 8
114 Joh. Feigl: Phosphate im menschlichen Blutserum. XI.
können bei der Wichtigkeit der Sache nur im engen Zusammen-
hange mit klinischen Berichten gegeben werden.
Literatur.
Joh. Feigl, Phosphate I. Diese Zeitschr. 81, 380. 1917; II, 83, 81.
1917; ТП, 83, 218. 1917; IV, 84, 231. 1917; V, 86, 395. 1918; VI, 87, 237.
1918; VII, 92, 1. 1918; VIII, 94, 293. 1919; X, 102, 131. 1920. — Joh.
Feigl, Über Ödeme. Diese Zeitschr. 85, 365. 1918. — H. Kleinmann,
Diese Zeitschr. 99. 1919, 1. bis 6. H. — A. Magnus - Levy, Dtsch. med.
Wochenschr. 46, 594. 1920. (Gegenäußerung zu Widals Schule.) —
Joh. Feigl, Zentralbl. f. inn. Med. 1920, Nr. 2. — Fernere Literatur in
obigen Arbeiten sowie in der nächsten Mitteilung.
Zur Kenntnis der Urease. Zugleich ein Beitrag zum
Studium der Giftwirkungen.
Von
Р. Rona und P. György.
(Aus dem biochemischen Laboratorium des städt. Krankenhauses am
Urban, Berlin.)
(Eingegangen am 15. Juni 1920.)
Die physikalisch-chemischen Methoden und die in den
letzten Jahren angewandten Mikromethoden ermöglichen es,
Wirkungen von Fermenten, die verschiedensten Fermentgruppen
angehören, ohne Aufwand besonders zeitraubender Versuche mit
großer Exaktheit festzustellen. Dies setzt uns auch in die Lage,
Änderungen dieser Fermentwirkungen, wie sie unter optimalen
Bedingungen beobachtet werden, unter dem Einfluß äußerer
Faktoren genau zu studieren. Unter diesen kommen vor allem
die „Gifte“ in Betracht. Untersuchungen in dieser Richtung
sind zunächst vom biologischen Standpunkt aus von Wichtigkeit,
da die „Zellgifte“ letzten Endes vielfach im wesentlichen „Fer-
mentgifte sind, so daß wir bei der Beobachtung der fermentativen
Spaltung unter dem Einfluß des betreffenden Giftes manche Auf-
klärung über den feineren Mechanismus der Giftwirkung erhoffen
dürfen!). Ferner ist Aussicht vorhanden — worauf bereits auch
andere Autoren hingewiesen haben —, daß die genaue Dosierung
der Gifte in Verbindung mit dem quantitativen Studium des Ver-
laufes der enzymatischen Spaltung zu gewissen quantitativen
Beziehungen zwischen Ferment und Gift führen könnte?), die auch
Anhaltspunkte für die Größenordnung der Träger der Ferment-
wirkung zu geben imstande wären. Geeignete Fermente würden
wohl auch ein exaktes Maß für gewisse Giftwirkungen abgeben.
1) Vgl. hierzu besonders die Ausführungen von M. Jacoby, diese
Zeitschr. 76, 275. 1916.
2) Vgl. hierzu O. Warburg, Sitzungsber. d. Heidelberger Akad.
d. Wiss, Bd. 1. 1914.
—
8 *
116 Р. Rona und Р. György:
Es liegt demnach ein großes Feld der Forschung offen, das selbst-
verständlich bisher auch nicht brach lag. Die Beobachtungen über die Wir-
kung der Antiseptica sind ja zum Teil nichts anderes als solche über „Gift-
wirkung“ auf Fermente!), und überaus zahlreich sind auch die verstreuten
gelegentlichen Angaben über Hemmung und Förderung der Ferment-
wirkung durch verschiedene Stoffe. Systematische Untersuchungen, von
pharmakologischen Gesichtspunkten aus angestellt, sind jedoch nur spär
lich. Hier wären vor allem Arbeiten von M. Jacoby®), O. Warburg?)
Euler und Svanbergt) zu nennen. Ferner hat F. Flury die Wirkung
einiger erst in den letzten Jahren näher bekannt gewordener Gifte auf
Katalase geprüft®). Angeregt durch diese letzten Versuche stellten wir
uns die Aufgabe, zunächst einige Untersuchungen über den Einfluß einer
Reihe organischer Arsenverbindungen, deren Giftwirkung auf den Organis-
mus in neuerer Zeit größere Beachtung gefunden hat, auf Urease aus Soja-
bohnen und auf Serumlipase anzustellen und dehnten dann unsere Unter-
suchungen auch auf andere Ferment- und Giftgruppen aus. In der vor-
liegenden Abhandlung sollen nur die zuerst erwähnten Versuche mehr
orientierenden Charakters mitgeteilt werden.
1. Bevor wir an unsere eigentliche Aufgabe gingen, mußten
wir die Bedingungen, die für die Wirkung der Urease maß-
gebend sind, einer Prüfung unterziehen, da nur bei genauer
Kenntnis der „physiologischen“ Einflüsse eine sichere Unterlage
für die späteren Untersuchungen gegeben ist.
Die Urease wurde aus fein gemahlenen Sojabohnen nach der Vor-
schrift von Jacoby, später nach der von van Slyke-Cullen“) herge-
stellt. Nach der letzteren werden 100 g entfettetes Sojamehl mit der
fünffachen Menge Wasser verrührt. Nach zweistündigem Stehen trennt
man durch Zentrifugieren den Bodensatz von der Lösung. Aus letzterer
wird die Urease durch Zufügen von Aceton gefällt, nach dem Absitzen des
Niederschlages abfiltriert. Den Niederschlag trocknet man im Exsiooator.
Zur Bereitung der Ureaselösung ließen wir vor jedem Versuch ein be-
stimmtes Quantum Ureasepulver (1—2 g auf 100 ccm Wasser) im destil-
lierten Wasser aufquellen, erwärmten bis ca. 45° und ließen 1—2 Stunden
stehen. Die Lösung kam filtriert zur Anwendung. Wenn nicht anders an-
1) Vgl. namentlich Th. Paul, G. Birstein, A. ReuB, diese Zeitschr.
29, 202. 1910, vgl. auch E. Laqueur, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmak.
55, 240 (1906).
2) Le.
3) О. Warburg, Zeitschr. f. physiol. Chemie 71, 479; 76, 331. Diese
Zeitschr. 100, 230.
4) Н. v. Euler und О. Svanberg, Arch. för Kemi etc. 7, 1. 19%.
Fermentforschung 3, 330. 1920. |
5) Nicht veröffentlichte Versuche. Mündliche Mitteilung.
6) Journ. of Biol. Chem. 19, 211. 1914.
Urease. Studium der Giftwirkungen. 117
gegeben, sind die Versuche bei Zimmertemperatur ausgefiihrt. Die einzel-
nen Proben wurden mit je 2 Tropfen Toluol versetzt.
Von grundlegender Bedeutung ist der Einfluß der H-Ionen-
konzentration auf das Ausmaß der fermentativen Spaltung!).
Dies zeigen folgende Versuche.
Tabelle I.
| N E
stoff- abge- | Dauer
Nr. lösung А
spalten (bel 87°) р
| Harn- H N 3
= stoff- atoff-N St Phosphatgemisch abge- | Dauer 4
* "jlösun D 1/, molar; cem =
1 20,0; 3 pr. 1 sek. 26
2 | 15,0 | 52,92 | 5,0 | 20,0; 2 рг. 1 sek. | 6,8 | 6,8 49
3 15,0 | 52,92 | 5,0 | 20,0; 1 pr. 1 sek. | 6,8 | 7,2 74
4 | 15,0 | 52,92 | 5,0 | 20,0; 1 рг. 4 eek. | 7,0 | 7,6 79
5 | 15,0 | 52,92 | 5,0 | 20,0; 1 pr. 8 sek. | 7,2 | 7,8 79
Tabelle III.
Pu N E
Kr Phosphatgemisch | colorimetrisch | abge- | Dauer д
lösung ½ molar; ccm gemessen spalten (bei 37°); >
| cem vorher nachher mg %
52,92
Т Die in diese Richtung fallenden Versuche, an denen Herr Dr. у. Sla-
bey beteiligt war, sind im Frühjahr 1914 ausgeführt worden. (Vgl. hierzu
M. Jacoby, Diese Zeitschr. 68, 46. 1915.) Ungefähr zur selben Zeit und
später haben van Slyke (vgl.u.a. D. D. van Slyke und Gl. E. Cullen,
Journ. of Biol. Chem. 19, 141; van Slyke und Zacharias, Ebenda S. 181),
dann Barendrecht (Koninkl. Akad. van Wetenschappen te Amsterdam
21, 1126. 1919) sich mit dem Problem beschäftigt und unsere Kenntnis
über die Urease sehr wesentlich gefördert. Vgl. auch H. E. Armstrong,
M. S. Benjamin und E. Horton, Proc. Royal Soc. London 86, 328. 1913.
118 P. Rona und P. György:
Tabelle IV.
½ molar; ccm
| 3 З Phosppatgemisch
St
ccm
5,0 10,0 20,0; 3 pr. 1 sek.
5,0 | 10,0 20,0; 1 pr. 1 sek.
1 || 20,0 | 82,88
2 || 20,0 | 82,88
3 | 20,0 | 82,88 5,0 | 10,0 | 20,0; 1 pr. 3 sek.
4
5
20.0 82.88 5,0 10,0 20,0; 1 pr. 8 sek.
20,0 | 82,88 5,0 10,0 20,0; 1 pr. 32 sek.
Tabelle V.
Phosphatgemisch
1/, molar; ccm
20,0 | 60,25 | 5,0 10,0 | 20,0; 4 pr. 1 sek. 62 | 68 | 68 sm | In 5
1
2 || 20,0 | 60,25 5,0 10.0 20,0; 3 pr. 1 sek. 64 | 7,0 | 6,9 | 24,08 | 1530’ 39
3 || 20,0 | 60,25 5,0 | 10,0: 20,0; 2 pr. 1 sek. 6,6 | 7,0 | 7,0 | 24,08 | 1830’ 139
4 || 20,0 | 60,25 | 5,0 10,0 | 20,0; 1 pr. 1 sek. 6.8 | 7,2 | 7,3 | 30,24 | 1530’ 50
5 || 20,0 | 60,25 5,0 10,0 20,0; 1 pr. 2 sek. 6,9 | 7,7 | 7,8 | 30,80 | 1530’ 51
i |
Tabelle VI.
Phosphatgemisch
½ molar; ccm
9° Umasats
10,0 | 20,0; 2 pr. 1 sek. | 6,6 | 6,4 | 7,3 | 7,3 143,12 | 25 | 49
10,0 | 20,0; l pr. I sek. | 6,8 | 6,8 | 7,5 | 7,6 | 50,96 | 25 |59
10,0 | 20,0; 1 pr. 3sek. | 7,0 | — | 8,1 | 8,4 | 44,24 | 25 51
10,0 | 20,0; 1 рг. Sack | 7,3 | 7,4 | 8,4 | 8,6 | 39,2 | 26 45
10,0 | 20,0; 1рг.16веК. | 7,6 | — | 8,4 | 8,6 | 34,16 2 39
Tabelle VII.
Phosphatgemisch
1/, molar; ccm
10,0 | 20,0; 2 pr. 1 sek. | 30,03 25 3ʃ
1
2 10,0 | 20,0; 1 pr. 1 sek. IR 47
3 || 20,0 | 86,36 | 5,0 | 10,0 | 20,0; 1 pr. 1 sek. 2h 45
4 | 20,0 | 86,36 | 5,0 | 10,0 | 20,0; 1 pr. 2 sek. 2b |49
5 | 20,0 | 86,36 | 5,0 | 10,0 20,0; 1 pr. 2 sek. 2b 49
6 || 20,0 | 86,36 | 5,0 | 10,0) 20,0; 1 pr. 3 sek. 2 46
Urease. Studium der Giftwirkungen. 119
Aus diesen Versuchen ergibt es sich, daB die optimale
H-Ionenkonzentration für die Urease bei etwa pg = 7,3—7,5 liegt.
Mit diesen übereinstimmende Werte haben bereits van Slyke,
ferner Barendrecht angegeben. Abweichungen nach der saueren
oder nach der alkalischen Seite vermindern das Ausmaß der
fermentativen Spaltung bedeutend, woraus folgt, daß nur bei
einer durch Puffer festgelegten H-Ionenkonzentration, soweit
dies experimentell möglich ist, der Einfluß fremder Stoffe
geprüft werden kann. Eine mehr oder weniger deutliche Ver-
schiebung der Reaktion nach der alkalischen Seite war trotz
Pufferung in den meisten unserer Versuche zu beobachten. Ohne
Puffer ist diese Verschiebung natürlich ganz bedeutend (vgl. z. B.
Tabelle IX, Ia) und vereitelt es, die Wirkung irgendeines
anderweitigen Einflusses auf den Fermentvorgang sicher zu be-
werten.
Es lag daher nahe, zu prüfen, ob der von M. Jatoby!)
angegebene fördernde Einfluß des Serums nicht einfach auf eine
Pufferwirkung desselben zurückzuführen ist, zumal die dies-
bezüglichen Versuche von Jacoby ohne кашын уоп
Reaktionsregulatoren angestellt worden sind.
In einer Reihe von Versuchen wurde die Spaltung einmal
mit, einmal ohne Serum (benutzt wurde, wenn nicht anders
angegeben, Menschenserum) bei optimaler Wasserstoffionen-
konzentration beobachtet.
Tabelle VIII.
Phosphatgemisch
1/, molar; ccm
20,0; . 1 sek. | 11,0
— 1 7,3
1b || 20,0 | 79,64 |5,0 |1,0 | 20,0; 1 pr. 1 sek. | 10,0 7,3
2a || 20,0 | 79,64 | 5,0 | — | 20,0; 1 pr. 1 sek. | 12,0 7,3
2b |: 20,0 | 79,64 5,0 2,0 20,0; 1 pr. 1 sek. | 10,0 7,3
За | 20,0 |79,06 | 5,0 | — | 20,0; 1 pr. 1 sek. |11,0 7,1
ЗЪ у 20,0 | 79,06 5,0 1,0 20,0; 1 pr. 1 sek. | 10,0 7,1
1 7,1
1 1,1
4a | 20,0 | 79,06 | 5,0 | — | 20,0;
4b || 20,0 | 79,06 | 5,0 | 2,0 | 20,0;
pr. 1 sek. | 12,0
рг. 1 sek. | 10,0
“
1) Vgl. M. Falk, diese Zeitschr. 59, 316. 1914. M. Jacoby
N. Umeda, Ebd. 68, 23. 1915.
120 P. Rona und P. György:
Tabelle IX.
Harn- | {
кі Phosphatgemisch
mone 5 ı/, melar; ccm
mg сеш cem ,
1a | 20,0 |74,98 | 5,0|— | 20,0; J pr. J sek. | 1,0 | 68
7,1 38
1b | 20,0 | 74,98 5,0 1.0 20,0; 1 pr.1 век. | — | 68 | 7,1 | 28,56 |38
2a | 20,0 | 74,98 5,0 — | 20,0; 1 pr. 1 век. | 1,5 | 6,8 | 7,1 | 29,12 |39
2b | 20,0 | 74,98 5,0 11,5 20,0; 1 pr. 1 век. | — | 68 | 7,1 | 31,36 |41
За | 20,0 | 74,98 5,0 — | 20,0; 1 pr. 1 век. | 2,0] 68 | 7,1 | 38,08 50
3b | 20,0 | 74,98 5,0 2,0 20,0; I рг. 1 век. | — | 68 | 7,1 | 30,92 53
Ia | 20,0 | 83,89 | 5,0 | — = — | 68 | 90 [364 43
Ib | 20,0 83,89 5,0 — ! 20,0; 1 Pr. 1 sek. | — | 68 | 7,1 [53,2 63
In allen diesen Versuchen zeigte sich keine Andeutung einer
Serumwirkung. Die Unterschiede der Umsätze mit und ohne
Serum überschreiten die Fehler der Methodik nirgends, ja in den
meisten Fällen decken sich die beiden Werte vollkommen.
Man könnte meinen, daß Spaltungen bei einer ungünstigen
H-Ionenkonzentration durch Serum eine fördernde Beeinflussung
erfahren. Dies ist aber auch nicht der Fall, wie die folgenden
Versuche zeigen.
Tabelle X.
aD ela
| 23 Phosphatgemisch be- Dauer | abge- 8
as 1/, molar; ccm rech- (bei 87°) spalten | 5
| ecm | net | me | %
1a | 20,0 | 184 |5,0/2,0/ 20,0 | 20,0; 1 рг. 1 sek. | 6,7 "ën 30“ 62,84 | 34,1
l b | 20,0 | 184 |5,0|— | 22,0 | 20,0; 1 pr. 1 sek. | 6,7 = 30“ 61,20 | 33,2
2a | 20,0 | 184 5,0 2,0 20,0 | 20,0; 1 pr. 8 sek. 7,7 !2h 30“ 47,13 | 25,6
2b | 20,0 | 184 5,0 — | 22,0 | 20,0; 1 pr. 8 sek. | — |28 30“ 48,77 26.4
Tabelle XI.
Harn- в) 2 © [ж | al N 3
Harn. |2° 3| 8 | = 8 7 2
stoff- | ATD- | = $| Phosphatgemisch | be- |55 | abge-
Nr. | dsung®OA-N -£ = E 1/, molar; cem са ER spalten В
ccm | mg cem oem com net = mg %
Іа | 20,0 | 184 5,0 2,0 10,0, 20,0; 1 pr. 1 век. | 6,7 | 2% | 58,25 31,5
1b | 20,0 | 184 |5,0|— |120| 20,0; 1 pr. 1 век | — | 2% 59.45 |321
2a | 20,0 | 184 |5,0 2,0 10,0 | 20,0; I pr. 8 sek. | 7,7 | 2" | 45,68 24,7
2b || 20,0 | 184 |5,0|— | 12,0 20, 0; 1 pr. 8 sek. | — | 2% | 45,48 | 24,6
За || 20,0 | 184 5,0 2,0 10,0 | 20,0; 1 pr. 16 sek. | 8,0 | 2h | 40,90 | 22,2
3b | 20,0 | 184 5,0 — 12,0 20,0; 1 pr. 16 sek. | — 23 | 41,50 |225
Urease. Studium der Giftwirkungen. 121
' Tabelle XII.
20,0 | 184 5,0 2,0 10,0 | 20,0; 1 pr. 1 sek. | 6,7 | 2b | 66,15
la | 35,8
1b 20,0 | 184 5,0 — | 12,0 | 20,0; 1 pr. 1 sek. | 6,7 | 25 | 64,73 | 35,1
24 20,0 | 184 5,0 2,0 10,0 | 20,0; 1 pr. 8 sek. | 7,7 | 25 | 50,07 27,2
2b 20,0 | 184 5,0 — |12,0 | 20,0; 1 pr. 8 sek. | 7,7 2 | 49,15 | 26,7
За 20, | 184 5,0 2,0 10,0 | 20,0; 1 pr. 16 sek. | 8,0 | 25 | 43,89 23,7
3b 20,0 | 184 5,0 — |12,0 | 20,0; 1 pr. 16 sek. | 8,0 2 | 43,29 | 23,4
48 20, 0 184 5,0 2,0 10,0 — — | 2h | 41,29 22,3
4b 20,0 | 184 |5,0|— | 12,0 — — 2d | 41,29 22,3
Nach diesen Versuchen wäre also dem Serum, entgegen den
Angaben von M. Jacoby, keine beschleunigende Wirkung zu-
zuschreiben. Daß diese Annahme jedoch trotz der eindeutigen
Ergebnisse, die bisher mitgeteilt worden sind, nicht berechtigt
ist, zeigen die Versuche, die nicht wie bis jetzt in kurz dauernder
Spaltung den Umsatz feststellten, sondern die Urease 20—24 Stun-
den auf das Substrat einwirken ließen. Bei diesen Untersuchungen
wurde in allen Fällen die Mikro-Kjeldahl-Methode angewandt,
wodurch die Verarbeitung größerer Serien erst möglich wurde.
‘ Im einzelnen wurden die Versuche folgendermaßen angesetzt. Die
Zusammensetzung des Systems, in dem die Spaltung erfolgte, bestand aus
1 ccm einer 2proz. Harnstofflösung, 2 ccm eines ”/, Phosphatgemisches,
2 ccm Wasser (oder Serum) und 0,2—0,5 ccm Ureaselösung verschiedener
Stärke. Die Konzentration des Gemisches an Phosphationen betrug also
са. %. Bei einer vollständigen Spaltung der gesamten Harnstoffmenge
beträgt die Konzentration des Gemisches ап NH, ca. °/,5. Selbst in einer
so hohen Pufferkonzentration konnte demnach bei einer weitgehenden
Spaltung des Harnstoffes die Pufferwirkung aufgehoben und die Reaktion
des Gemisches nach der alkalischen Seite verschoben werden, wie wir dies
bereits in den oben mitgeteilten Makro-Versuchen gesehen haben. Nach
Ablauf der festgesetzten Spaltungszeit werden 1 Tropfen Methylorange
und 1—1,5 ccm 1l n-HCl dem Gemisch zugefügt und damit die Ferment-
wirkung unterbrochen. Die Bestimmung des abgespaltenen Ammoniaks
erfolgte im Mikro-Kjeldahl-Apparat nach der Bangschen Vorschrift.
Zum Verjagen des Ammoniaks wurde eine Lösung von 10% Na, CO, +
10%, NaCl verwendet und davon dem Gemisch so viel zugefügt, daß die
(rote) Farbe desselben eben in Gelb umschlug. Im allgemeinen erfolgte
die Ammoniakbestimmung in 1—2 ccm des Gemisches; vorgelegt wurde
10—20 ccm ¥/199-HCl. Die Rücktitration erfolgte jodometrisch. — Die
Spaltung verlief bei 37°.
122 Р. Rona und P. György:
Sollten kurz- und langdauernde Versuche miteinander ver-
glichen werden, so mußte man in beiden Reihen den gleichen oder
einen sehr naheliegenden Umsatz erzielen. Arbeitet man unter
optimalen Bedingungen, so ist natürlich bei den langdauernden
Versuchen eine entsprechende kleinere Fermentmenge zur Spal-
tung zu benutzen. Folgende Versuche in Tabelle XIII geben die
Verhältnisse bei verschiedener Versuchsdauer und verschiedenen
Fermentmengen wieder.
Tabelle XIII.
2% Phosphat- d
= Ham: кыы 5 | Ureaselösung ы,
asser ы
stoffisg. 1/, molar | F mgN | 0%
1 1 cem 2 cem 4: 1 2 cem 0,2 ccm 50% | 6,1 3 2,97 | 31,8
2 1 cem 2 cem 1: 1 2 cem 0,2 cem 5% | 6,7 | Zu 4,91 | 52,6
З |1 cem 2 cem 1: 4 2 cem 0,2 ccm 5% 7,3 3 4,84 | 52,0
4 [1 cem 2 cem 1:8 2 cem 0,2 cem 5% | 7,7 | 33 4, 10 44,0
5 |1 cem 2 cem 1:1 1, 7 cem 0,5 cem 5% | 6,7 3h 9,20 | 99,0
6 1 cem 2 cem 1:4 11,7 cem 0,5 cem 5% 7,3 3%] 9,12 | 98,0
7 |1 cem 2 cem 1: 1 2 cem 0,2 cem 2,50% 6,7 | 3 2,86 | 30,7
8 Il cem 2 cem 1:4 2 cem 0,2 ccm 2,5% 7,3 3h 2,88 | 30,9
9 |1 cem 2 ccm 1:1 | 2ccm| 0,2 cem 1% | 6,7 | 3 0,64 | 69
10 |1 cem 2 ccm 1:4 | 2 cem 0,2 cem 1% 7,3 3 1,25 | 13,35
11 Il cem 2 cem 4:1 2 cem 0,2 cem 5% | 6,1 20 | 8,58 | 91,5
12 | l cem 2 cem 1: 1 2 cem 0,2 cem 5% | 6,7 20h 8,68 | 93,0
13 |1 cem 2 ccm 1: 42 cem 0,2 ccm 5% | 7,3 | 20h | 9,18 | 98,4
14 |1 cem 2ccm 1:8 | 2ccm| 0,2 cem 5% | 7,7 | 202] 9,05 | 96,9
15 |1 com} 2 cem 1: 16 2 cem 0,2 eem 5% | 8,0 | 20h | 8,21 | 87,95
16 1 cem 2 cem 1:1 |1,7cem! 0,5 cem 5% | 6,7 | 20h] 9,28 | 99,5
17 |1 сет! 2 ccm 1: 4 |1,7ccm| 0,5 сет 5% | 7,3 | 208] 9,05 | 96,9
18 |1 сет 2ccm 1:1 2 cem 0,2 cem 2,5%, 6,7 | 20% | 8,56 | 96,7
19 |1 com! 2 cem 1:4 2 cem | 0,2 ccm 2, 50% 7,3 20h] 6,04 | 64,7
20 |1 cem 2 cem 1:1 2ccm! 0,2 ccm 1% | 6,7 | 20h 1,91 | 20,5
21 |l cem 2ccm 1:4 | 2ccm| 0,2 cem 1% | 7,3 | 20h | 1,82 | 19,65
Während 0,2 ccm 5proz. Ureaselösung bei den gegebenen Versuchs-
bedingungen innerhalb 3 Stunden einen Umsatz von ca. 50%, bewirkt hat.
war der Umsatz bei derselben Fermentmenge innerhalb 20 Stunden fast
vollständig. — 0,2 cem 1 proz. Ureaselösung erzielte im Optimum innerhalb
3 Stunden bloß 13% Umsatz, in 20 Stunden schon 20%. — Wir verwendeten
auf Grund der gewonnenen Anhaltspunkte in unseren Versuchsreihen,
in denen kurz- und langdauernde Spaltungen verglichen werden sollten,
0,2 ccm 5 proz. Ureaselösung bei den kurz-, 0,3 cem 1,25 proz. Ureaselösung
bei den langdauernden Versuchen.
Die Versuche sind in den Tabellen XIV und XV wieder-
gegeben. In dieser Versuchsreihe kamen außer Menschenserum
noch Sera von Kaninchen, Meerschweinchen und von Hammel
zur Anwendung.
Urease. Stadium der Giftwirkungen. 123
Tabelle XIV.
| „2% | Phosphat- |5 ¢ 5% Umsatz In
Nr. Harn- | gemisch |2 3 Seram о
| stoffisg.|'/, mol; 1:2 А Е Urease mg N 0%
1 1,5 0,5 cem Kaninchen 0,2 ccm | 5,60 | 59,6
2 1,8 0,2 „ ek 0,2 ccm | 5,57 | 59,45
3 1,5 | 0,5 cem Meerschwein. 0,2 ccm | 5,73 | 61,65
4 1,8 | 0,2 ccm = 0,2 ccm | 5,70 | 61,5
5 1,5 | 0,5 cem Hammel 0,2 ccm | 5,38 | 57,75
6 1,8 | 0,2 „ 7 | 0,2 ccm | 5,72 | 61,6
7 1,5 | 0,5 cem Menschen-S. 0,2 ccm | 5,40 58, 15
8 1,8 | 0,2 ccm a 0,2 ccm | 5.68 | 61,1
9 2,0 — 0,2 cem | 5,55 | 59,3
Versuchsdauer: 3 Stunden. pu berechnet = 7,00.
Tabelle XV.
2% | Phosphat- | ©
Nr. Harn- beten S g Serum 1,25% саза з
stofflag.|1/,mol; 1:2 ° Urease | mgN | o
1 | Leem: 2 ccm |1,5 | 0,5 cem Kaninchen 0,3 сет | 8,55 | 91,8
2 lccm! 2 ccm |1,8 | 0,2 „ SN 0,3 ccm | 8,58 | 92,1
З lcem 2 cem |1,5 | 0,5 cem Meerschwein. 0,3 ccm | 8,18 | 87,7
4 [lcem 2 cem 1,8 0,2 „ Mr 0,3 ccm | 8,33 | 89,3
5 | leem| 2 ccm 1,5 0,5 cem Hammel-S. 0,3 ccm | 8,46 | 90,8
6 |\lccm| 2 ccm 1,8 02 „ an 0,3 ccm | 8,38 | 89,75
7 | lcem| 2 cem |1,5 | 0,5 cem Menschen-S. | 0,3 ccm | 9,31 [100,0
8 |lccm| 2 ccm 1,8 0,2 ccm H 0,3 ccm | 7,25 | 77,8
9 [lcem 2 ccm | 2,0 — 0,3 cem | 4,76 | 50,8
Versuchsdauer: 20 Stunden. рн berechnet = 7,00.
Aus diesen Versuchsreihen ist zu ersehen, daß, während bei
den kurzdauernden eine Wirkung des Serumzusatzes nicht fest-
zustellen ist, bei den langdauernden in allen Fällen eine sehr starke
Beschleunigung der spaltenden Wirkung der Urease stattfand.
Es sei noch darauf hingewiesen, daß in beiden Reihen in den
Kontrollversuchen ohne Serum der gleiche Umsatz erzielt wurde.
In diesen Versuchen war einmal eine hohe, einmal eine nied-
rige Fermentkonzentration der Serumwirkung ausgesetzt.
Damit trotz etwas größerer Fermentmengen die langdauern-
den Versuche zu einem nicht zu weitgehenden Umsatz führten,
wodurch der Nachweis einer fördernden Wirkung unmöglich ge-
worden wäre, sind folgende Versuche bei ungünstigen H-Ionen-
konzentrationen pg = 5,9—6,4 angestellt worden. Auch hier
konnte eine fördernde Wirkung des Serums nachgewiesen werden.
124 Р. Rona und Р. György:
Tabelle XVI.
Tabelle XVII.
Harn- SES Destill. Ver-
Nr. stoff 2 Py | Wasser Serum suchs- шм ш
сеш cem prim.: se cem cem | % cem] dauer | mg N %
1 1,0 | 2,0 6:1 5,9 1,5 — — 20 | — —
2 1,0 2,0 6:1 5, 9 2,0 | — 1,0 0,2 0,67 | 7,15
3 1,0 | 2,0 6:1 5,9 1,5 0,5 11,0 | 0,2 2.00 | 21,4
4 10 2,0 4:1 6,1 20 | — 11,00, 2 0,99 | 10,6
5 1,0 12,0) 4:1 6,1 1,5 0,5 11,0 | 0,2 2,34 | 25,1
6 10 12,0 | 2:1 6,4 20 | — 11,0|0,2 1,12 | 12,0
7 1,0 2,0 2:1 6,4 1,5 0,5 11,0; 0,2 3,74 | 40,0
8 1,0 | 2,0 2:1 6,4 2,0 — |1,5 [0,2 1,42 | 15,2
9 1,0 | 2,0 2:1 6,4 1,5 | 0,5 1,5 0,2 3,03 | 38,0
10 1,0 | 2,0 6:1 5,9 2,0 — 12,0 |0,2 0,74 | 7,8
11 1,0 [2,0 6:1 5,9 1,5 0512002 2,24 | 24,0
12 | 1,0 120) 4:1 |в 2,0 | — 12,0 [0,2 1,01 | 10,8
13 1,0 12,0 | 4:1 6,1 1,5 0,5 12,0 | 0,2 2,71 | 29,0
14 1,0 2,0 2:1 6,4 2,0 — 12,0 | 0,2 29,5
15 1,0 | 2,0 2:1 6,4 1,5 0,5 12,0 | 0,2 40.5
Nur in langdauernden Versuchen ist demnach der
begünstigende Einfluß des Serums vorhanden. Eine
Erklärung hierfür zu geben, ist schwer. Eine Pufferwirkung des
Serums kommt nicht in Betracht; waren doch die starken Phos-
phatgemische kaum ausreichend, die Reaktion aufrechtzuerhalten.
In der Tat zeigt der Versuch (Tabelle XII4a u. b) einmal ohne jeden
Puffer, dann mit Serum denselben (gegen den bei optimaler Re-
aktion schlechten) Umsatz. Auch der Gedanke, daß das Serum
selbst eine schwache spaltende Wirkung auf Harnstoff ausübt,
die erst bei langdauernden Versuchen in Erscheinung tritt, muß
fallengelassen werden, da das Serum, wie dies bereits M. Jacoby
gezeigt hat, eine solche Fähigkeit nicht hat. Dies zeigt die folgende
Tabelle, die außerdem noch einige, aus den Angaben leicht verständ-
liche Kontrollversuche enthält. Dauer der Versuche 19 Stunden.
1) Vgl. R. Neumann, diese Zeitschr. 69, 134. 1915.
Urease. Studium der Giftwirkungen. 125
Tabelle XVIII.
2% Harn- Phosphat | va gants | 2% БссР
Nr. || stoffisg. "it, mol; 1:2 Wasser Urease
| есш | ccm | cem Art cem ecm mg N| %
l 1 2 2 = 02 | 606% 65
2 1 2 1,5 Serum 0,5 0,2 7,98 85
3 l 2 1,7 Serum 0,5 — 0
4 — 2 | 25 Serum 0.5 0.2 0 |
5 — 2 | 2,7 Serum 0,5 — 0 —
6 — 2 | 39 a z 0,2 0 =
7 1 2 2,2 = — 0 iz
8 1 — 4,2 - - 0
9 — — NM e Serum 0,5 0 —
10 — — | 5 — — 0,2 0 —
119 l 2 2 — — 0.2 0,35 3,75
12*) | 1 2 | 1,5 | Serum | 0,5 0,2 0,55 5,9
*) No. 11 und 12 mit Urease angesetzt, die !/, Stunde auf 100° erhitzt
e.
Man wird an die Serumeiweißkörper als Schutzkolloide denken
müssen, die das Ferment durch Adsorptionsvorgänge oder durch
chemische Bindung des gebildeten Ammoniaks vor diesem Spalt-
produkt schützen. Für eine solche Vorstellung spräche auch, daß
wir mit Gelatine häufig eine ähnliche fördernde Wirkung beobachten
konnten; diese Befunde waren jedoch nicht stets reproduzierbar,
so daß wir von deren Wiedergabe absehen. Eine Vorstellung, daß
eine gewisse chemische Konfiguration, nach M. Jacob y die Amino- .
gruppe, die Träger der fördernden Wirkung wären, ist zurück-
zuweisen, da es kaum verständlich wäre, warum diese nicht unab-
hängig von der Dauer der Spaltung ihren Einfluß entfalten sollten.
Tabelle XIX.
11 сстю | 2 cem | — | 2,0 сот 5% Glykokoll 4,20 45,05
21 com] 2 com! 1,0 | 1,0 cem 5% Glykokoll 4,92 52,75
3 |1 ссю| 2 cem — | 2,0 cm 1% Glykokoll 0,2 | 3% | 4,25 45, 10
4 1 com 2 сот 1,0 | 1,0ccm 1% Glykokoll | 0,2 | 35 | 4,27 45,75
5 1 cm 2 cem | 1,5 | 0,5com 1% Glykokoll | 0,2 | 35 | 4,92 | 52,75
61 om 2 ccm — | 2,0ccm 1% Alanin 0,2 | 3h | 4,33 46,25
7 |1 ccm} 2 ccm | 1,0 1.0 om 1% Alanin | 0,2 | 38 [4,09 |4385
8 11 cem 2 cem 1,5 0,5 cm 1% Alanin 0,2 3 4,48 48,66
91 cem 2 cem — | 2,0 cem 0,2% Tyrosin 0,2 | 3h | 4,96 53,24.
101 cem 2 ccm | 1,0 | 1,0ccm 0,2% Tyrosin | 0,2. 35 | 4,37 48,54
11 |1 cem|2 com | — | 2,0 сот 1,0% Leucin | 0,2 | 3% | 4,20 | 45,05
121 cem 2 ccm | 1,0 | 1,0 ccm 1% Leucin 0,2 | 35 | 4,58 49, 14
13| 1 m 2 ccm | 1,5 | 0,5cem 1% Leucin 0,2 ! 3h | 4,58 2945
14| 1 eem 2 ccm 2,0 — 0,2 In 4.92 52,75
pn (berechnet) = 7,00 |
м
126 P. Rona und P. György:
In Zusammenhang hiermit konnten wir auch mit Amino-
säuren weder in kurz- noch in langdauernden Versuchen irgend-
eine Wirkung auf die Harnstoffspaltung finden. Dies zeigen
gen Tabellen (XIX—XXII):
Tabelle XX.
Harn- Phosphat | Destill. 1,25% | Ver-
Nr. stofflsg. |!/, шо: 1:2| Wasser Aminosäure Urease | suchs- sn
| 9%; ccm ccm ccm m ccm | dauer mg N | %
1} 1,0 2,0 — 2,0 5% Glykokoll| 0,3 | 20h 17,92 | 85,0
21 1,0 2,0 ‚0 | 1,0 5% Glykokoll| 0,3 20 | 6,68 | 71,7
31 1,0 2,0 — | 2,0 1% Glykokoll| 0,3 | 20h | 7,08 | 76,02
4| 1,0 2,0 1,0 | 1,0 1% Glykokoll| 0,3 | 20h | 7,96 | 85,55
51 1,0 2,0 1,5 | 0,5 1% Glykokoll| 0,3 | 205 |7,96 | 85,55
6! 1,0 2,0 — 2,0 1% Alanin 0,3 | 20b ! 7,45 | 80,0
Vu 1,0 2,0 10 | 1,0 1% Alanin 0,3 | 20° | 8,33 | 89,6
81,0 2,0 1,5 | 0,5 1% Alanin 0,3 | 205 | 626 | 67,25
9 1,0 2,0 — 2,0 0,2%, Tyrosin | 0,3 20 | 6,63 | 71,2
10| 1,0 2,0 LO | 1,0 0,2%, Tyrosin | 0,3 | 20% [|8,03 | 86,25
11} 1,0 2,0 1,0 | 1,0 1% keucin 0,3 20 | 6,03 | 64,8
12| 1,0 2,0 1,5 | 0,5 1% Leucin 0,3 | 20h | 8,24 | 88,4
13! 1,0 2,0 2,0 — — 0,3 | 20h 17,80 83,8
фи (berechnet) = 7,00.
р Harn-
Nr. || stoffisg.
%; ccm
Tabelle XXI.
Phosphat Destill.
i | 1% | Ver- | Umsatz in
Aminosäure Urease | suchs-
sem ccm | dauer | mg N | %
1/,mol; 1:2| Wasser
cem ccm
11 1,0 2,0 — — 0,2 | 19" 1.36 14,5
2i 1,0 ‚0 | 1,0 5% Glykokoll | 0,2 | 19h [1,6 | 17,2
3 — 2,0 | 1,0 5% Glykokoll} 0,2 | 19 I— |; —
4| 1,0 1,0 | 1,0 1% Alanin 0,2 | 195 [1,4 | 15,0
5 — 2,0 | 1,0 1% Alanin 0,2 | 19h I — —
6! 1,0 1,0 | 1,0 0,2% Tyrosin | 0,2 | 19h 1,4 | 15,0
7 — 2,0 | 1,0 0,2%, Tyrosin | 0,2 | 19% — —
81,0 1,0 | 1,0 1% Leucin 0,2 | 195 41,8 | 19,0
9 2,0 | 1,0 1% Leucin 0,2 19 |— | —
Pu (berechnet) = 7,00.
Tabelle XXII.
Harn- Pbosphat Destill. Aminoaa 1% Ver-
Nr. | stoffisg. / mol; 1:2| Wasser mmoseure Urease | suchs-
2%; ccm сет ccm cm ccm | dauer
] 0 20 | 20 Set 0,2 | 19> 4,19 45,0
ah 10! 20 1,0 | 1,0 5% Glykokoll| 0,2 | 19" |4,29 | 46,0
3 — 2,0 2,0 | 1,0 5% Glykokoll| 0,2 | 19 lo,sı | 8,7
41 1,0 2,0 1,0 | 1,0 1% Alanin 0,2 | 19" |3,68 | 39,5
5 10 2,0 1,0 | 1,0 0,2%, Tyrosin | 0,2 | 19% [3,51 | 37,7
6 — 2.0 2,0 | 1,0 0,2% Tyrosin | 0,2 | 19 0,03 —
7i 1,0 2.0 1,0 | 1,0% 1 Leucin 0,2 | 19% | 4,57 | 49,0
8 — 2,0 2,0 | 1,0 1% Leucin 0,2 | 19% [0,17| 1,8
Pu tberechnet) = 7,00.
Urease. Studium der Giftwirkungen. 127
Eine hemmende Wirkung von Kochsalz oder Wasser konnten
wir bei unserer Versuchsanordnung weder in kurz- noch in lang-
dauernden Versuchen beobachten. In den diesbezüglichen Ver-
suchen von M. Jacoby und Umeda!) war die Fermentwirkung
so schwach, daß der Umsatz in 19 Stunden nur 4—10% betrug;
die Versuchsbedingungen waren daher für vergleichende Unter-
suchungen der Spaltungsgeschwindigkeit wenig günstig.
Die Versuche sind in folgenden Tabellen wiedergegeben:
Tabelle XXIII.
Harr- Phosphat- Destill. PhysioL
Nr. | stoffisg. gemisch Wasser | NaCl-Lösung
| 29%; cem ½ m; 1:2; cem ccm cem
|
| 2,0
| 1,0
| 0,5
Versuchsdauer: 3 Stunden. p, = 7,00.
Tabelle XXIV.
1 1.0 2,0 — 2,0 0,3 4,75 50,1
2 1,0 2,0 1,0 1,0 0,3 4,82 51,65
3 1,0 2,0 2,0 — 0,3 4,73 50,08
4 1,0 2,0 3,0 — 0,3 5,18 55,05
5 1,0 2,0 5, — 0,3 5,19 55,7
6 1,0 2,0 7,0 — 0,3 5,11 55,0
Versuchsdauer: 20 Stunden. p, = 7,00.
Zusammenfassend kann also gesagt werden, daß, um gut
vergleichbare Versuche anzustellen, man am besten einen Um-
satz von 40—50% bei kurzer Versuchsdauer anstreben muß.
Bei langdauernden Versuchen können Zusätze, wie Serum, die
Spaltung in unübersichtlicher Weise beeinflussen.
2. Auf Grund der obigen Befunde dehnten wir bei unseren
in folgendem mitgeteilten orientierenden Versuchen zum
Studium der Giftwirkung die Fermentwirkung nicht über
3 Stunden aus und erzielten bei den Kontrollen einen Umsatz
von 20—50%. Die Zusammensetzung dieser war die gleiche
1) Diese Zeitschr. 68, 24. 1915.
128 P. Rona und P. Gyorgy:
wie oben angegeben: 1 сст 2proz. Harnstofflösung, 2 ccm
1/,m Bhosphatgemisch, 2 cem dest. Wasser, 0,2 cem 1 proz.
(filtrierte) Ureaselösung. In den Proben mit den Giften kam
an Stelle des Wassers die entsprechende Giftlésung, eben-
falls 2 cem. Das Abbrechen der Versuche und die Ammoniak-
bestimmung erfolgte in der oben angegebenen Weise’).
Als Gifte kamen organische Arsen verbindungen zur Ver-
wendung 2): Atoxyl, Methylarsinoxyd, Phenylarsinoxyd, Phenyl-
arsinchlorid, Diphenylarsinoxyd, Diphenylarsinehlorid, ferner
eine anorganische Arsen verbindung, die arsenige Säure. Mit Aus-
nahme des Atoxyls figuriert das Arsen in sämtlichen verwendeten
Verbindungen in der 3wertigen Form, allein im Atoxyl erscheint
es 5wertig. — Arsenige Säure, Atoxyl und Methylarsinoxyd
wurden in Wasser gelöst, und wurden in Lösungen zu 1% ver-
wendet. Da im Gesamtvolumen von 5, 2 cem 2 cem dieser Gift-
lösungen sich befand, beträgt die Konzentration des Systems
an den erwähnten Substanzen ca. 0,04%, also bei Atoxyl ca. 2,
bei arseniger Säure und Methylarsinoxyd ca. 4 Millimol / Liter.
Die übrigen verwendeten Arsen verbindungen sind in Wasser
praktisch unlöslich. Wir erwärmten eine wässerige Aufschwem-
mung von Phenyl- und Diphenylarsinoxyd bis ca. 50°, filtrierten;
die so gelöste Arsenmenge blieb noch unter der analytisch nach-
weisbaren Größenordnung des Arsenspiegels. In einigen Ver-
suchen fügten wir nun zu der wässerigen Aufschwemmung des
Phenyl- und Diphenylarsinoxydes bzw. -Chlorids !/, Teil Alkohol,
erwärmten ebenfalls bis ca. 50° und filtrierten dann; in anderen
Versuchen bereiteten wir von diesen Verbindungen alkoholische
Lösungen, indem wir 0,1 g in 20 cem warmem absolutem Athyl-
alkohol lösten. Die so gewonnene alkoholische Lösung wurde mit
Wasser auf 100 aufgefüllt. Hierdurch fiel ein sehr großer Teil
der gelösten Stoffe, namentlich der Diphenylverbindung, zuerst
kolloidal aus. Die Lösungen wurden filtriert, blieben aber na-
mentlich bei Diphenylarsinoxyd mäßig opak. (In den Tabellen
als „alkohol. Lösung“ bezeichnet.) Ä
1) Uber den Einfluß verschiedener Substanzen auf Urease vgl. auch
Naosuke Onodera, diese Zeitschr. 9, 544. 1915. Über Einwirkung von
Aldehyden auf Urease vgl. M. Jacoby 85, 358. 1918.
2) Diese Stoffe verdanke ich der Liebenswürdigkeit des Herrn
Prof. F. Flury.
Urease. Studium der Giftwirkungen. 129
Um eine mögliche, wenn auch nicht wahrscheinliche Ver-
schiebung der H-Ionenkonzentration durch die Arsenverbindungen
zu entdecken, haben wir in einer Versuchsreihe (vgl. Tabelle X XV)
die H-Ionenkonzentration mittels Konzentrationsketten zu. Be-
ginn des Versuches bestimmt. Eine Änderung der H-Ionen-
konzentration konnte durch die zugefügten Arsenverbindungen
nicht beobachtet werden. Im Falle des Atoxyls konnte die H-
Ionenkonzentration elektrometrisch auch bei ständiger Durch-
leitung von Wasserstoff nicht festgestellt werden, da sich ein
konstantes Potential nicht einstellte.
Tabelle XXV.
| дй | Phosphat-
Nr. gemisch Substanz © be- | gefund. 8 8
e е / m; 1:4; cem 5 rech- | (elek- | & 8
—— | ccm ccm | net | trom.) | >
1/ 10 a} 10 | 2,0 | Phenylarsinoxyd 0,2 1,63 rs
| (wass. Lösung)
1.0 2,0 | Phenylarsinoxyd 0,2 0,45 | 4,83
| | (alkoh. Lösung)
3 1,0 | 20 | Diphenylarsinchlo- | 0,2 н 0
| rid (wäss. Lösg.)
4} 1,0 | 2,0 | Diphenylarsinchlo- | 0,2 — | 0
| rid (alkohol Lés.)
5 | 1,0 2,0 Diphenylarsinoxyd 0,2 1,08 | 11,66
| |. (wass. Lösg.) |
6; 1,0 2,0 | Diphenylarsinoxyd ‘0,2 0,407 4,32
| | (alkoh. Lösg.) |
71 1,0 | 20 | Arsenige Säure 0.2 2,23 | 23,92
8i 10 | 2,0 моху 0,2 2,87 | 30,81
9 10 , 2,0 Methylarsinoxyd 0,2 0,90 | 9,66
10 | 1,0 2,0 Alkohol 1:4 0,2 2,05 | 22,11
11“ 1,0 2,0 Destilliertes Wasser | 0,2 2,04 | 21,93
12 1,0 2,0 Destilliertes Wasser | — — | 0
AuBer den Kontrollen mit reinem Wasser wurden auch solche
mit 20 proz. Athylalkohol angestellt, um Vergleiche mit den ,,alko-
holischen Lösungen“ der Arsenverbindungen ausführen zu können.
Wie ersichtlich, beeinträchtigen fast sämtliche Arsenverbin-
dungen die Harnstoffspaltung durch Urease und zwar verschieden
stark. Während in den Kontrollen ein Umsatz von über 20%
erzielt wurde, ist in den Proben mit Diphenylarsinchlorid die
Urease-Wirkung vollständig gehemmt, und sie erreicht in den
alkoholischen Lösungen von Diphenylarsinoxyd und Phenyl-
arsinoxyd bloß 4%, in den wässerigen Lösungen dieser Stoffe
mit den minimalen gelösten Mengen etwa 10%. Methylarsinoxyd
Biochemische Zeitschrift Band 111. | 9
130 Р. Rona und P. György:
hemmte gleichfalls die Urease- Wirkung, während Zusatz von
Atoxyl und von arseniger Säure wirkungslos verlief.
Ganz dieselben Resultate ergaben die folgenden zwei Ver-
suchsreihen, die in den Tabellen XXVI und XXVII wieder-
gegeben sind. Tabelle XXVI.
. | Phospat- Urease- й
Nr 1 gemisch Substanz lösung ver
i 2%; ccm 3/,m; 1:2; ccm 1%
| cem
2,0 Phenylarsinoxyd |
(wass. Lésung) | |
2,0 ` Phenylarsinoxyd ı 03 , 3b
2 0,98 | 10,6
(alkoh. Lösung) |
3 1,0 2,0 Diphenylarsinchlo- 0,3 Zu | 1,16 | 12,3
| rid (wäss. Lösung)
4 10 2,0 Diphenylarsinoxyd O, 3 Zu | 2,75 | 29,5
| | (wäss. Lösung) |
5 | 1,0 | 2,0 | Diphenylarsinchlo- , 0,3. 38 0,93 | 10,25
| rid (alkoh. Lösg.) |
6 10 2,0 Diphenylarsinoxyd оз 3% | 0,76 | 82
| | (alkoh. Lösung) | |
7 10 2.0 | Arsenige Säure 0,3 3h 3,96 | 42,55
8 10 2,0 | Atoxyl 0,3 3 | 4,75 | 50,8
9 10 2.0 Alkohol 20% ' 0,3 Zu | 4,53 | 48,45
10 10 : 2,0 Destilliertes Wasser | 0.3 35 | 4,66 | 50,3
11 | 1,0 | 2,0 | Destilliertes Wasser | 0,3 | gh 5,04 | 54,1
ри (berechnet) = 7,00.
Tabelle XXVII.
m s — — m KE
1 1,0 2,0 | Phenylarsinoxyd | 0,3 | A | 1,50 | 16,09
! (wass. Lösung) |
2 | 1,0 2,0 Phenylarsinoxyd 0,3 4h 0,51 5,5
| (alkoh. Lösung)
3 1,0 2,0 Diphenylarsinchlo- 0,3 4 1059 | 64
| rid (wäss, Lösg.)
4! 1,0 2,0 | Diphenylarsinoxyd | 0,3 | 4" | 1,91 | 20,5
| (wäss. Lösung) |
5 10 2,0 Diphenylarsinchlo- 0,3 | 4h 0,52 5,6
| | rid (alkoh. Lösg.)
6 1,0 2,0 | Diphenylarsinoxyd 0,3 4h 0,36 | 3,85
(alkoh. Lösung)
7 10 | 20 | Arsenige Säure оз 4 | 2,53 | 27,0
8 1,0 2,0 | Atoxyl 03 | 40 | 3,47 | 37,2
9 | 1,0 20 |Methylarsinoxyd . | 0,3 | 4% | 1,31 14,05
10 1,0 2,0 | Alkohol 20% 0,3 4h 3,15 А
11 | 1,0 2,0 | Destilliertes Wasser | 0,3 | 4" | 3,43 | 36,6
12 | 1,0 2,0 Destilliertes Wasser | 0,3 4h 3,37 | 36,3
13 1,0 2,0 | Destilliertes Wasser | — | 4% | — | 0
Pa (berechnet) = 7,00.
Urease. Studium der Giftwirkungen. 131
Um den Einfluß der Giftkonzentration festzustellen, haben
wir eine Reihe vorläufiger, orientierender Versuche mit ver-
schiedenen Verdünnungen von Methylarsinoxyd angestellt. Es
zeigte sich, daß bei der angewandten Versuchsanordnung die
Hemmung noch stark ausgeprägt war bei 1 cem der 1%,
Methylarsinlösung in 5,2ccm Gesamtvolumen, d.i. bei ca. 1 Milli-
mol/Liter der Substanz; weniger deutlich ist sie bei der nächst-
folgenden Verdünnung von 0,5 Millimol, bei 0,25 Millimol ist sie
nicht mehr nachweisbar. Bei 1 und 2 Millimol war, wenigstens
nach den bisherigen Beobachtungen, ein Unterschied in der Wir-
kung nicht zu beobachten.
Tabelle XXVIII.
Ké Phospat- | Methylar- Urease- Ver
Nr. lösung gemisch sinoxyd lösung Destill. inchi:
2% Im: 1:2; 1% 1% Wasser Auer
ccm ccm | cem ccm |
1 1,0 2,0 2,0 0,3 — 3h
2 1.0 2,0 1,0 0,3 1,0 3h
3 | 1,0 2,0 0,5 0,3 1,5 3h
4 1,0 2,0 0,25 0,3 1,75 3h
5 | 1,0 2,0 0,125 0,3 1,875 | 3b
6 | 1,0 2,0 0,0625 0,3 1,94 on
7 1,0 2,0 — 0,3 2,4 Zn
pn (berechnet) = 7,00.
3. Ein anderes, einer anderen Fermentgruppe angehörendes
Ferment, die Esterase des Blutserums, läßt sich mit der Tropf-
methode von Rona und Michaelis ebenfalls bequem genau in
ihrer Wirkung verfolgen. Wir zogen daher auch dieses Ferment
in den Kreis unserer Untersuchungen. Verwendet wurden Ka-
ninchen- und Meerschweinchenserum 10fach verdünnt, ent-
weder mit Wasser oder mit der entsprechenden Giftlösung. Als
solche benutzten wir die oben erwähnten Arsen verbindungen.
Die Lösungen blieben ½ bis 1 Stunde mit dem Serum zusammen,
dann erfolgte die Vermischung von 1 cem dieser Verdünnung
mit 50 cem einer frisch hergestellten, gesättigten wässerigen
Tributyrinlösung, die außerdem noch das zur optimalen Reaktion
nötige Phosphatgemisch (1:7) enthielt. Die erste Tropfenzählung
erfolgte sofort nach der Vermischung und wurde nach !/, 1, 2,
in einigen Fällen 3 Stunden wiederholt.
Wie in den Versuchen mit Urease, konnte auch bei Lipase
eine starke Schädigung durch Arsenverbindungen festgestellt
dh
132 Р. Rona und P. György:
werden. Im Gegensatz zu Urease wirkten aber Atoxyl und arse-
nige Säure stark hemmend auf die Lipase, während bei Methyl-
arsinoxyd keine Wirkung nachzuweisen war. Die übrigen Verbin-
dungen verhielten sich ähnlich wie in den Versuchen mit Urease;
auch hier waren die ‚alkoholischen Lösungen“ von Dimethyl-
arsinoxyd und -chlorid viel wirksamer, als in der rein wässerigen.
Über interessante quantitative Beziehungen zwischen Atoxyl
und Lipase wird weiter unten!) ausführlich berichtet werden.
Tabelle XXIX. Kaninchenserum-Lipase.
Tropfenzahl nach
Nr. | Substanz
| 15’ | 1а 2
1 | Diphen Geet
(alkoh. Lösung)
2 || Arsenige Säure
3 | Atoxyl
4 | Methylarsinoxyd
5 | Alkohol 10%
6 | Destilliertes Wasser
Wasserwert der Capillare: 99 Tropfen; Tributyrinwert: 144 Tropfen.
Tabelle XXX. Kaninchenserum-Lipase.
Nr
| Substanz Tropfenzahl nach рл
-n sofort] m | аъ | i th
1 || Methylarsinoxyd (wäss. Lösung)
2 || Diphenylarsinchlorid (wäss. Lösg.)
3 || Diphenylarsinchlorid (alkoh. Lösg.)
4 || Diphenylarsinoxyd (alkoh. Lösg.)
5
6
7
Methylarsinoxyd
Alkohol 10%
Destilliertes Wasser
Wasserwert der Kapillare: 99 Tropfen; Tributyrinwert: 147 Tropfen.
Tabelle XXXI. Menschenserum-Lipase.
Tropfenzahl nach Umsatz
sofort 15“ | Ih | gn in %
Substanz
1 | Phenylarsinoxyd (alkoh. Lösg.) | 132 | 127 | 125 | 125 | 2
2 | Phenylarsinoxyd (wäss. Lösg.) 130 | 129 | 128 | 127 | 22
3 | Diphenylarsinchlorid (wäss. Lösg.) | 133 | 128 | 123 | 118 | 47
5 Diphenylarsinoxyd (wäss. Lösg.) | 133 | 129 | 127 | 118 | 47
Arsenige Säure 133 | 128 | 128 | 127 | 22
e Atoxyl . 130 | 129 | 129 | 128 | 21,5
7 || Destilliertes Wasser 129 | 123 | 120 | 116 | 50
Wasserwert der Capillare: 95 Tropfen; Tributyrinwert: 135 Tropfen.
1) Vgl. S. 166.
Urease. Studium der Giftwirkungen. 133
Tabelle XXXII. Menschenserum-Lipase.
Nr. Substanz Tropfenzahl nach { үш
sofort 15° | 1һ | 20 | am in %
1 | Phenglarsinoxys 140 | 136 | 134 | 130 | 124 53,5
(wäss. Lösung)
Phenylarsinoxyd 142 | 140 | 132 | 131 | 130 36,6
(alkoh. Lösung)
3 | Diphenylarsinchlo- 143 | 132 | 128 | 126 122 57,0
rid (wäss. Lösg.)
Diphenylarsinoxyd 142 | 138 | 128 | 126 | 115 69,0
(wäss. Lösung)
Diphenylarsinchlo- 142 | 140 | 132 | 124 | 120 60,6
rid (alkoh. Lösg.)
6 | Destilliertes Wasser | 140 | 137 | 128 | 120 | 111 76,5
Wasserwert der Capillare: 99 Tropfen; Tributyrinwert: 144 Tropfen.
>
Zusammenfassung.
1. Das Optimum der Sojabohnen-Urease wurde, in Uber-
einstimmung mit den Angaben anderer Forscher, bei pe = 7,3-7,5
gefunden. |
2. Der уоп M. Jacoby zuerst beschriebene fördernde Ein-
fluß des Serums auf die Urease-Wirkung tritt nur bei langdauern-
den Versuchen auf.
3. Eine fördernde Wirkung von Aminosäuren, eine hemmende
von Wasser und Kochsalz konnte nicht gefunden werden.
4. Die Wirkung einer Reihe organischer Arsenverbindungen
auf Urease und Lipase wurde untersucht und auf die allgemeine
Bedeutung der Fermente zum Studium der Giftwirkungen hin-
gewiesen.
Beiträge zum Studium der Giftwirkungen.
Versuche über die Giftwirkung des Thiodiglykols und seiner
Derivate an Sojabohnenurease.
Von
P. Rona und H. Petow.
(Aus dem Kaiser Wilhelm-Institut für physikalische Chemie und Elek-
trochemie, Berlin-Dahlem.)
(Hingegangen am 1. September 1920.)
Mit 6 Abbildungen im Text.
I.
Die Giftigkeit der Halogenderivate des Thiodiglykols ist
zuerst von Viktor Meyer!) beschrieben worden. Auf seine
Veranlassung angestellte Versuche ergaben, daß Thiodiglykol
gar nicht oder doch nur wenig giftig ist, daß aber seine Chlor-
derivate um so giftiger sind, je mehr Chlor das Molekül ent-
hält. Über den Symptomkomplex der Vergiftung mit diesen
Stoffen ist in letzter Zeit eine überaus reiche Literatur ent-
standen, auf die hier nicht eingegangen werden soll. Heub ner?)
nennt die Erkrankungen, die diese Gifte verursachen ,,Muster-
beispiele krankhafter Veränderungen, bei denen die pharma-
kologische Analyse der Giftwirkung zugleich der Formung, Ent-
wicklung und Befestigung allgemein-pathologischer Begriffe dient.“
Die esterartigen Derivate des Thiodiglykols zerfallen in Wasser
ziemlich schnell hydrolytisch unter Abspaltung von Säure. Es
liegt daher nahe, ihre Giftwirkung wenigstens zum Teil auf die
in den Zellen entstehende Säure zurückzuführen. Der exakten
Prüfung dieser Annahme stellen sich jedoch mancherlei Schwierig-
keiten entgegen. Man kann das Schicksal, das diese Stoffe in
1) Ber. d. deutsch. chem. Ges. 1888 und 1889.
2) Vgl. Naturwissenschaften 8, 247.
P. Rona u. H. Petow: Giftwirkung d. Thiodiglykols usw. auf Urease. 135
der Zelle erleiden, nicht so verfolgen wie im Reagensglase. Es
ist daher im folgenden versucht worden, ihre Wirkung an einem
übersichtlicheren System zu untersuchen, als es die lebende Zelle
ist, an einem Ferment nämlich, das leicht zu handhaben, dessen
Wirkungsgrad bequem und exakt festzustellen und das gegen
Änderungen der Wasserstoffionenkonzentration genügend emp-
findlich ist. Wir wählten nach diesen Gesichtspunkten die Soja-
bohnenurease. Ihr Wirkungsgrad ist recht genau festzustellen,
indem man die Menge des aus Harnstoff entstandenen Ammoniaks
bestimmt. Ihre Empfindlichkeit gegen Reaktionsänderungen ist
groß. Das Reaktionsoptimum der Urease liegt zwischen py 7,3
und 7,6. Unterhalb pg 7,2 und oberhalb pg 7,7 fällt die Kurve
steil ab 1). Außerhalb des optimalen Gebietes genügen recht geringe
Änderungen der Wasserstoffionenkonzentration, um den Wir-
kungsgrad des Fermentes stark zu verkleinern. Unsere Versuche sind
als Modellversuche gedacht. Auch aus anderen Gründen schien
es von Bedeutung zu sein, die Wirkung dieser Gifte gerade auf
ein Ferment zu untersuchen. Wir stellten uns vor, daß Stoffe,
die in so geringen Mengen so große physiologische Wirkung ent-
falten, wie die Halogenderivate des Thiodiglykols, im. Organismus
chemische Verbindungen angreifen müssen, die für das Leben
von ausschlaggebender Bedeutung sind, und zu deren Zerstörung
geringste Quantitäten des Giftes genügen. Solche Verbindungen
dürften die Fermente sein. Gifte, die elektiv gewisse Fermente
ausschalten, müßten in der Tat in sehr geringen Mengen deletäre
Wirkungen zeitigen. Zeigten sich die untersuchten Stoffe als
Fermentgifte, so konnte man andererseits hoffen, auch über das
Ferment etwas zu erfahren.
Wir untersuchten folgende Verbindungen:
Thiodiglyk®l (Th.) Dichlordiäthylsulfid (Dels.) Tetrachlordiäthylsulfid (Tcls.)
/CH,— CH,OH x CH, — CH, Cl / CHCI = CH, Cl
8 8 8
\CH,—CH,0H "cp, CHA HCI CH, Cl
Thiodiglykolacetat (Tha.) Sulfon
oll. cr. CH. O0. неон
2
\CH,—CH,(CH,CO,) CH. CH. Cl
Mit Ausnahme der letzten sind sie alle ölige Flüssigkeiten.
Das Sulfon ist fest. Da diese Stoffe mit Ausnahme des Thio-
1) Vgl. hierzu S. 119, dann vor allem: Barendrecht l. с.
136 P. Rona und H. Petow:
diglykols in Wasser wenig löslich sind, behandelten wir sie so,
daB wir geringe Mengen in wenig 90 proz. Alkohol lösten. Bringt
man die alkoholische Lösung in Wasser, so fallen die gelösten
Körper zwar zum Teil auch aus, aber es resultiert doch eine
feinere Verteilung, als wenn man sie direkt in Wasser gebracht
hätte.
II.
Wie schon erwähnt, zerfallen die Ester des Thiodiglykols
in Wasser unter Abspaltung von Säure. Wir suchten uns deshalb
zunächst Klarheit darüber zu verschaffen wie schnell und in
welcher Weise die Hydrolyse vor sich geht. Wir bedienten uns
dazu der Methode der elektrolytischen Leitfähigkeitsmessung
nach Kohlra usch, indem wir beobachteten, wie die Leitfähigkeit
sich ändert, wenn man eine gewogene Menge des Giftes in Wasser
löst. In dem Maße, in dem die untersuchten Stoffe Säurereste
abspalten, muß die elektrische Leitfähigkeit der Lösung wachsen.
Unter der berechtigten Voraussetzung, daß der Elektrizitäts-
transport so gut wie ausschließlich durch die entstandene Säure
geleistet wird, kann man aus der Leitfähigkeit die jeweilig vor-
handene Menge Säure berechnen.
Versuchsanordnung.
In einem Elektrodengefäß von bekannter Widerstandskapazität
wird der Widerstand von Leitfähigkeitswasser (Kahlbaum) gemessen zu
mehr als 50000 Ohm. In eine abgemessene Menge dieses Wassers wird
eine genau abgemessene Menge der alkoholischen Giftlösung gebracht und
in demselben Elektrodengefäß bei Zimmertemperatur der Widerstand
von 2 zu 2 Minuten gemessen. Wir gewannen so eine Anzahl von Werten.
Nach 24 Stunden wurde noch einmal der Widerstand Beet um den
Endwert zu erhalten.
. 1. Thiodiglykol (Th.), ca. 0,02 g Th., in 1 cem 90 proz. Alkohol gelöst,
werden zu 19 ccm Leitfähigkeitswasser in das Elektrodengefäß gegeben.
Eine Trübung entsteht nicht. Temperatur rund 19°.
Der Widerstand ändert sich nicht. Er beträgt noch nach 48 Stunden
ca. 50 000 Ohm.
2a. Dichlordiäthylsulfid (Dels.), 0,1513 д Dels. werden in 7 ccm
90 proz. Alkohol gelöst. I ccm davon wird іп 100 ccm Wasser, dessen Wider-
stand zu über 50000 Ohm gemessen ist, gegeben. Es entsteht eine
milchige Trübung, die schnell vergeht. Temperatur ca. 19°. Konstante
des Elektrodengefäßes 0,47. Die 100 cem Wasser enthalten 0,0216 g Dels.
= 13,6 - 10-5 Grammolekiile.
Giftwirkung des Thiodiglykols usw. auf Urease. 137
Nach 4 Min. ist der Widerstand gesunken auf ca. 2900 Ohm
9 6 99 з э zg 99 575 2 2200 ‚э
99 8 nm эз ээ H 99 nm ээ 1550 55
9 10 5 » } 99 „ > ээ „э
ээ 12 „ nm ээ э ” IT 1100 d
ээ 14 99 ээ ээ 5 nm nm ээ 990 99
ээ 16 „э эз ээ d | 99 эя ээ 900 99
„э 18 5 nm ээ э 99 nm sm 825 „э
ээ 20 99 эз ээ э | » nm 2 185 ээ
52 22 ” nm 7 „э i d sp „» 745 ”
„э 24 9 > э „ з „ 716 d
ap 28 „э э ээ ээ „э nm „ 615 „э
„ 24 Stdn. „ „ ge e „ „ 515 „
Die Anfangs werte sind nicht sehr genau, da infolge der raschen Anderung
des Widerstandes und der geringen Elektrolytkonzentration die Minima des
Telephontones nicht sehr scharf ` Gen
waren. DieWiderstandswertesind ”
durchweg auf 5 abgerundet ange- Kä
geben. Trägt man die gefundenen ne
Werte in ein Koordinatensystem,
dessen Abszisse die Zeit darstellt, %
wahrend seine Ordinate die ge-
messenen Werte des Widerstandes 7900
in Ohm wiedergibt, so resultiert
eine stetige Kurve von der Ferm 400
einer Exponentialkurve (Abb. 1).
Bedeutet a die anfangs pro 1 ccm Lésungsmittel vorhandene Menge
Dels. = 13,6 - 10-7 Mol./1 com und жх den jeweils zerfallenen Teil
davon, so gilt unter der Voraussetzung eines monomolekularen Zerfalles
log eu. kt (wo k eine Konstante, t die Zeit in Minuten ist). In folgen-
der Tabelle sind die zu den angegebenen Zeiten berechneten Mengen HCI (7),
die jeweils zersetzten Mengen Dols. (z), der jeweils noch vorhandene Teil
Dels. (a—z) und die Werte der Funktion log — zusammengestellt.
8
24 Stunden 24,57
138
Trägt man die Werte von log
P. Rona und H. Petow:
a
deed: o
in ein Koordinatensystem ein,
dessen Abszisse die Zeit bedeutet, so liegen sie mit genügender Genauigkeit
auf einer Geraden (Abb. 2).
Die Konstante der Reaktionsgleichung berechnet sich nach der Me-
thode der kleinsten Fehlerquadratsumme zu 0,01867:
Abb. 8.
Berechnet man mit dieser Konstante die Werte für kt, so zeigt sich eine
große Übereinstimmung mit den aus den gemessenen Widerständen auf dem
oben angegebenen Wege berechneten Werten für log
a
а — x
, wie folgende
Tabelle und Kurve (Abb. 3) zeigt.
a
___47% ___
0,078
0,112
0,149
0,224
0,261
0,299
0,336
0,373
0,410
0,448
0,523
Die Kreuze in der Kurve bedeuten die Werte
für æ, die aus log — berechnet wurden, die Kreise
die Werte für z, die aus bt berechnet wurden.
Nach 24 Stunden waren von 13, 6-10 5 g Mole-
küle Dols., die anfangs vorhanden waren, 12,29 · 10-5
zersetzt, d. h. praktisch alles.
2 b) Ein Tropfen Dels. wird in 1 ccm 90 proz.
Alkohol gelöst und mit 100 cem Wasser, das auf
2° abgekühlt ist, verdünnt und die Widerstände bei
derselben Temperatur gemessen. Der Widerstand
ändert sich unmeßbar langsam. Er beträgt nach
1 Stunde ca. 30000 Ohm.
2 с) 0,0225 Dels. = 14,0. 10 5g Moleküle werden
in 1 com 90 proz. Alkohol gelöst und mit 100 com
Wasser verdünnt, das auf 10° abgekühlt ist, und die Widerstände wiederum
bei etwa 10° von 2 zu 2 Minuten gemessen.
Nach 6 Min. ist der Widerstand gesunken auf ca. 6200 Ohm
8
10
12
14
16
18
39
LE 99 LA ээ 99 5150 Le
ээ ээ 99 ээ 99 4100 ээ
99 99 ДА ээ 99 3550 ээ
ээ э? 99 99 97 3090 ээ
ээ ээ ээ H 99 2670 ээ
Giftwirkung des Thiodiglykols usw. auf Urease. 139
Nach 20 Min. ist der Widerstand gesunken auf ca. 2170 Ohm
ээ 22 LE ээ 92 99 99 ээ LA 1975 ээ
LE 24 99 ээ 99 99 ээ ?9 ээ 1800 99
99 30 ээ ээ 99 ээ ээ ээ ээ 1525 ээ
39 40 99 ээ LA ээ | LE 99 LEI 1160 99
Berechnet man aus diesen Werten wie oben jeweils zersetzte Menge
Gift (z) und bildet daraus die Funktion y = log
1 ccm vorhandene Menge Посів. be-
deutet, und trägt diese Werte in ein
Koordinatensystem, dessen Abszisse
die Zeit angibt, so liegen die Werte
wiederum auf einer Geraden. Folgende
Tabelle faßt die Werte von z, a— z,
log
, wo a die anfangs pro
zusammen.
a— x
Die Konstante berechnet sich
hierzu 0,0049. Die damit berechneten
Werte von kt sind in der Tabelle unter der Rubrik 4 (kt) eingetragen. Die
Übereinstimmung mit den gemessenen Werten ist vollkommen (Abb. 4).
Abb. 4.
k-t
0,039
0,049
0,059
14 2,00 0,066 0,069
16° 2,32 0,078 0,078
18 2,56 0,087
20 2,85 0,098 0,098
22 3,13 0,109 0,108
24 3,44 0,121 0,118
30 4,06 0,147 0,147
40 5,33 0,206 0,196
Die Reaktionskonstante ändert sich also zwischen 10° und 20° im
0, 0049 1
Verhältnis 0,0187 3.8 :
2d) O, 0228 g Dols. werden in 1 ccm 90 proz. Alkohol gelöst und mit
50 ccm Wasser von 20° verdünnt.
Nach ca. 10 Minuten ist der Widerstand gesunken auf 505 Ohm.
Nach 20 Minuten auf 340 Ohm. Zersetzt sind nach10 Minuten also 12, 25.10 7
nach 20 Minuten 18,19. 10 7 Mol. pro 1 ccm.
Die Reaktionskonstante berechnet sich zu 0,0196, steht also in guter
Übereinstimmung mit dem oben gefundenen Werte. Sie ist also unabhängig
von der Wassermenge.
Dasselbe zeigt folgender Versuch: |
2e) 0,1538 g Dels. werden in 7 ccm Alkohol gelöst und je 1 ccm bei
Zimmertemperatur (21°) mit verschiedenen Mengen Wasser verdünnt.
140 Р. Rona und Н. Petow:
Nach 24 Stunden ist in allen Fällen unabhängig von der Wassermenge
praktisch alles zerfallen. Der nach 24 Stunden abgelesene Widerstandswert
ist konstant. (Nach 48 Stunden kaum verändert.) Folgende Tabelle gibt
die Werte. Die in der 5. Reihe angegebenen Zahlen des berechneten Grenz-
widerstandes sind die Werte, die sich theoretisch ergeben müßten, wenn
die in der ersten Reihe verzeichneten Mengen Dels. vollkommen zer-
fallen wären.
Camm Wasser | 1 ушым „ 2 е2
И ани ene A
0,022 200 875 Ohm 850 Ohm 885 100
0,022 100 440 „ 427 „ 400 100
0,022 50 233 „ 227 „ 220 100
0,022 40 186 „ 180 „ 184 100
0,022 30 160 „ 140 „ 143 100
0,022 20 114 „, 103 „ 90 fast 1100
0,022 10 58,5 „ 57 „ 46,8 100
Die Frage, inwiefern ein Überschuß von Th. den Zerfall von Dels. beein-
flußt, sucht folgender Versuch zu beantworten:
2 f) 0,0228 р Dels. sind in 1 ccm Alkohol gelöst und in 100 ccm Wasser,
in dem schon 10 Tropfen — etwa 0,2g — Th. gelöst sind, verdünnt.
Temperatur 20°.
Die Tabelle (vgl. Abb. 5) gibt die Werte für den gemessenen Widerstand.
In der 3. Reihe sind die daraus berechneten Werte für die jeweils zerfallene
Menge Dels., in der 4. Reihe die Werteder Funktionen log 2
a— zr
Die Reaktionskonstante berechnet sich daraus zu 0,0223.
eingetragen.
Minuten; Ohm | г | log а
er FFF
4 2100 — —
6 1500 — —
8 1185 — —
10 | 1025 | 6,03 0,238
12 905 | 6,83 0,282
14 -820 | 7,54 0,325
16 775 | 7,98 0,355
18 730 | 8,47 0,390
20 700 | 8,84 0,418
30) 626 — =
24Std.| 510 | 12,13 —
Die Anwesenheit von Th. verlangsamt die Reaktion demnach nicht
merklich. Nach 24 Stunden ist alles Dels. zersetzt.
3. Tetrachlordiäthylsulfid (Tels.). 0,0187 g werden in 1 cem
90 proz. Alkohol gelöst und mit 100 cem Wasser verdünnt. Es entsteht in
dem Wasser sofort eine gelbliche Trübung, die nicht vergeht, sondern eher
Giftwirkung des Thiodiglykols usw. auf Urease. 141
stärker wird. Temperatur rund 19°. Gefäßkonstante 0,47. Folgende
Tabelle verzeichnet die gemessenen Widerstände und die daraus ebenso
‚ Minuten Ohm |z- 107| (a—z)107| log —* —
Ii aA
4 1250 2,47 5,73 0,156
6 1050 2,94 5,26 0,193
8 | 920 | 3,36 4,84 0,229
10 | 850 | 3,64 | 4,56 0,255
12 | 810 | 3,82 | 4,38 0,272
14 | 780 | 3,96 | 4,24 0,286
16 | 765 | 404 | 416 0,246
735 | 4,21 | 3,99 0,313
24 Std.“ 580 | 5,33 | 2,87
wie oben berechneten Mengen des jeweils zersetzten Giftes. Hierbei
wurde die Voraussetzung gemacht, daß jedes Molekül Tcls. 4 Atome Cl
abspaltet. Reihe 4 gibt die Werte der Funktion (a— x), Reihe 5 die
S а = 0,0187 g in 100 ccm entsprechend 8,2. 10 7g Moleküle
pro 1 ccm.
Die Widerstände liegen auch hier auf einer ähnlich gebildeten Kurve
wie bei Dels. (Abb. 6). Trägt man die f
Werte von log =
a— х
tensystem, so liegen sie aber nicht auf
einer Geraden, sondern auf einer stetig 7000
gekrümmten Kurve. Der Typus der
Zerfallsreaktion ist demnach nicht der 600
einfach monomolekulare. Die Zersetzung
ist hier sicher komplizierter; wahrschein- Abb. 6.
lich wird dabei auch Schwefel ab- |
gespalten. Nach einigen Stunden findet sich ein gelber, pulverförmiger
Niederschlag auf dem Boden des Glases, in dem das Tels. zerfallen ist.
Nach 24 Stunden sind nach der Äquivalentleitfähigkeit 21, 32 - 1077р Mol
НСІ pro 1 ccm vorhanden, während, wenn die ganze Menge Ci des Giftes
als Ion abgespalten wäre, 32,8:10-? g-Mol. HCl in der Lösung sein müßte.
Es sind demnach nur höchstens 65%, des Cl als Ion in die Erscheinung
getreten.
4. Thiodiglykolacetat (Tha.). ca. 0,20 g Tha. werden in 10 ccm 90-
proz. Alkohol gelöst. 1 ccm davon wird zu rund 20 ccm Leitfähigkeitswasser
in das Elektrodengefäß gebracht. Eine Trübung entsteht nicht. Tem-
peratur 19°. Der Widerstand ändert sich zunächst nicht meßbar. Nach
24 Stunden beträgt er noch etwa 17000 Ohm. In diesem Falle ist jedoch
die angewandte Methode zur Feststellung einer Zersetzung der Verbin-
dung naturgemäß nicht gut brauchbar.
5. Das Sulfon. 0,12 g Sulfon werden in 6 ccm 90 proz. Alkohol gelöst
Es löst sich erst nach längerem Schütteln. 1 ccm davon wird zu 20 ccm
von log
e e е 2
in ein Koordina- 7200
4 8 72 16 Z0 Minuten
142 P. Rona und H. Petow:
Wasser in das Leitfähigkeitsgefäß gegeben. Temperatur rund 19°. Der
Widerstand ändert sich nicht. Er beträgt noch nach 72 Stunden ca.
50 000 Ohm. Das Sulfon gibt also keinen Elektrolyten ab. Es scheint
demnach der Sauerstoff am Schwefel das Molekül zu stabilisieren.
III.
Nachdem wir uns derart einen Einblick in das Schicksal,
das die untersuchten Stoffe in Wasser erleiden, verschafft hatten,
konnten wir daran gehen, ihre Wirkung auf unser Ferment zu
studieren.
Die Urease wurde nach der Vorschrift von van Slyke - Cullen her-
gestellt. Aus der gewonnenen trockenen Substanz stellten wir für jeden
Versuch frisch eine Fermentlösung her, indem wir einige Dezigramme
mit der 50- oder 100fachen Menge destillierten Wassers aufschwemmten,
einige Stunden unter häufigem Schütteln bei 35—45° stehenlieBen und
abfiltrierten. Wir bezeichnen diese Fermentlösung in der Folge als ein-
bzw. zweiprozentig, je nachdem die 50- oder 100fache Menge Wasser
benutzt war.
Die Versuche wurden im allgemeinen so angesetzt, daß wir in
einemGesamtvolumen von 10 cem, 1 ccm 2 proz. oder 2 cem 1 proz.
Ureaselösung mit 1 ccm 2 proz. oder 3 proz. Harnstofflösung, die
ebenfalls täglich frisch hergestellt wurde, mischten. Dazu wurden
wechselnde Mengen bis höchstens 1 ccm alkoholische Giftlösung
gegeben. In den Kontrollen wurde die gleiche Menge Alkohol
ohne Giftzusatz zugegeben. Der Rest des Gesamtvolumen bestand
aus destilliertem Wasser oder einem Gemisch von / primärem
und sekundärem Natriumphosphat. Durch letzteres wurde die
Reaktion geregelt.
Die alkoholische Giftlösung wurde täglich frisch kurz vor Ansetzen
der Versuche bereitet. Wir stellten zunächst das durchschnittliche Tropfen-
gewicht unserer Stoffe fest, indem wir wiederholt einige Tropfen in ver-
schlossenen Wageschälchen auswogen und das Gemisch durch die Tropfen-
zahl dividierten. Ein Tropfen der von uns untersuchten Stoffe wiegt rund
0,02 g. Von den festen Stoffen wogen wir Mengen von derselben Größen-
ordnung ab. Die Reihenfolge, in der wir die Reagenzien mischten, war
im allgemeinen ohne Pause: Urease, Gift, Harnstoff. Bei einigen besonders
erwähnten Versuchen ist davon abgewichen worden. Nach der Mischung
blieben die Versuche 2 Stunden bei Zimmertemperatur gut verkorkt stehen.
Darauf wurde der Fermentprozeß unterbrochen, indem zu jedem Versuch
20 ccm 0,1 n-HCl-Lösung pipettiert wurde. Das Gesamtvolumen wird
dadurch auf 30 ccm vermehrt. In je 10 ccm wurde die entstandene Menge
Giftwirkung des Thiodiglykols usw. auf Urease. 143
Ammoniak gemessen. Das Ammoniak wurde im Mikro-Kjeldahl-Apparat
in der Anordnung von Ivar Bang mit Wasserdampf in eine Vorlage von
0,01 n-HCl-Lösung überdestilliert, nachdem die Analysenprobe im ge-
schlossenen Apparat mit Soda (10% Soda in 10proz. NaCl-Lösung) gegen
Neutralrot eben alkalisch gemacht war. Die Vorlage wurde jodometrisch
titriert. Der Fehler dieser Methode beträgt nach Ivar Bang bei der Destil-
lation einiger Milligramm Ammoniak höchstens 0,07 mg NH. Unsere Vor-
versuche ergaben dasselbe Resultat. Da wir nun zu einer Destillation den
3. Teil des Gesamtvolumens benutzten, tritt bei Berechnung des Gesamt-
umsatzes der evtl. Fehler dreifach vergrößert in Rechnung. Wir haben
deshalb mit einem Gesamtfehler von 0,3 mg gerechnet und nehmen
im folgenden eine Hemmung nur dann an, wenn die Differenz gegen die
Kontrolle diese Fehlergrenze übersteigt, und wenn diese Differenz bei
öfterer Wiederholung des Versuches immer wieder beobachtet wurde.
Bei einer großen Anzahl von Versuchen haben wir die Wasserstoffionen-
konzentrationen gemessen, soweit es anging, elektrometrisch gegen eine
gesättigte Kalomelelektrode. Wir benutzen dazu eine Durchströmungs-
elektrode nach Michaelis. Bei Lösungen, die Gift, besonders Dels und Tels
enthielten, versagte aber die elektrische Methode, weil das Potential sich
nicht richtig einstellte, sei es deshalb, weil das Gift die Elektrode vergiftet,
sei es, weil es die Wasserstoffatmosphäre verunreinigt. Bei diesen Lösungen
maßen wir die Reaktion kolorimetrisch nach der Methode von Michaelis,
bei alkalischer und neutraler Reaktion mit m-Nitrophenol als Indicator,
bei saurer mit p-Nitrophenol oder mit Dinitrophenol. Die Werte, die diese
Methode gibt, stimmen (in den Fällen, wo ein Vergleich möglich ist) mit
den elektrometrisch gemessenen sehr gut überein. Eine Differenz macht
sich meist erst in der zweiten Dezimale geltend. Alle Versuche sind doppelt
angesetzt, und nur solche Versuche sind verwendet, bei denen die Kon-
trollen gute Übereinstimmung ergaben.
I. Thiodiglykol.
Einige Tropfen Thiodiglykol sind in so viel ccm 90 proz. Alko-
hol gelöst, daß 1 ccm Alkohol 2 Tropfen (ca. 0,04 g) enthält.
lccm dieser Lösung wird zum Versuch benutzt. Die weitere
Anordnung ergibt sich aus dem oben Mitgeteilten und aus
folgender Tabelle. In zwei besonderen Gläsern Nr. 1 und Nr. 4
wurde kurz vor Unterbrechung des Versuches, also 2 Stunden
nach Ansetzen der Mischung, die [H'] gemessen (kolorimetrisch).
Die Lösungen enthalten keine Puffer.
Die Reaktion ist nach 2 Stunden stark alkalisch (pa = 9,50 und 9,57).
Es sind in allen Gläsern 77—80%, des Harnstoffs gespalten. Die maximale
Differenz zwischen den einzelnen Werten beträgt 0,36 mg N, übersteigt also
nicht die Fehlergrenze.
144 P. Rona und H. Petow:
f!
Dest.
Nr. — — 2 Urease Hare Umsatz
| ccm Gem | ccm | Tropfen] сс cem — mg N % [relativ
1 7 1 1 Alkohol —
90%
2 7 1 1 ə — 1
3 7 1 1 e — | d
4 7 1 1 Thiodi- 2 1
glykol
5 7 1 1 = 2 1
6 7 1 1 A 9 2 1
Resultat: Thiodiglykol hemmt die Urease (їп pufferfreier
Lésung) nicht.
Der nächste Versuch wurde in einem Gemisch von primä-
rem und sekundärem Phosphat im Verhältnis 1:2 angesetzt.
Die Reaktion der Mischung ist elektrometrisch gemessen
Рн = 7,06. In einem besonderen Glase wurde die Reaktion,
nachdem Urease und 1 ccm Alkohol zugesetzt waren, noch einmal
kolorimetrisch bestimmt (Nr. 3) und рд = 7,12 gefunden. In zwei
anderen Gläsern, deren Inhalt wie die übrigen zusammengestellt
ist, wurde 2 Stunden nach Ansetzen, kurz bevor die zur Analyse
bestimmten Versuche unterbrochen wurden, die [H] wiederum
kolorimetrisch gemessen (Nr. 4 und 5) und pg zu 7,47 und 7,42 ge-
funden. Auch hier ist die Mischung alkalischer geworden, aber
bei weitem nicht in dem Maße wie bei dem pufferfreien Versuch.
In allen G-dsern sind 62—67% des Harnstoffes gespalten.
Die maximale Differenz liegt innerhalb der Fehlergrenze.
Tabelle II.
Phosphat
Aa Mol. Umsatz
Nr. 1 prim :2sek.
orher nachher] mg №) % 'relativ
[Tropfen] ccm
Alkohol
90%
fe
Thiodi-
glykol
39
WI
Resultat: Thiodiglykol hemmt Urease nicht.
IN NAUN =
rr м | | |
м Fe
Giftwirkung des Thiodiglykols usw. auf Urease. 145
Ganz ähnlich sind die folgenden Versuche zusammengestellt.
Alle enthalten starke Phosphatpuffer von neutraler bis leicht
alkalischer Reaktion.
Bei allen diesen Versuchen ergibt sich, daß in allen Gläsern,
mit und ohne Thiodiglykol, gleich viel Harnstoff gespalten ist
(siehe die folgenden Tabellen). Überall liegen die Differenzen
innerhalb der Fehlergrenzen. Bei dem letzten dieser Versuche
hatte das Thiodiglykol ca. 20 Stunden auf die Urease eingewirkt,
ehe zum Schluß Harnstoff zugefügt wurde. |
Als Resultat also ist festzustellen, daB Thiodiglykol fir
Urease weder in pufferfreier noch in pufferhaltiger Lésung giftig ist.
Versuch 3: Die Giftlösung enthält “2 Tropfen in 1 ccm Alkohol.
0,5 ccm davon werden zu jedem Versuch benutzt. In Nr. 1 und 2 werden
Urease, Harnstoff und Gift kurz hintereinander in die Phosphatmischung
gebracht. In Nr. 3 und 4 folgt der Harnstoff 2 Stunden, nachdem Ferment
und Gift gemischt sind. Reaktion neutral.
Tabelle III.
Phosphat
2/, Mol
1 pr.: 2 sek.
Nr.
Alkohol 90°/,
1 0,5144
| Thiodiglykol 0,5 [4,4
3 Alkohol 90°/, 0,5144 (4 100
4 0,5143
Thiodiglykol
In allen Gläsern ist der Umsatz gleich groß. Resultat: Thio-
diglykol hemmt nicht, auch wenn es längere Zeit (2 Stunden)
in harnstoffreier Lösung auf das Ferment wirkt.
Versuch 4: Anordnung wie im Versuch 3. Die Giftlösung enthält
2 Tropfen Th. pro 1 ccm Alkohol. In Nr. 1—3 ist die Versuchsmischung
ohne Pause angesetzt, in Nr. 4—6 ist Harnstoff zwei Stunden, nachdem
Ferment und Gift gemischt worden zugegeben. Reaktion neutral.
Tabelle IV.
Umsatz
Img N % | relativ
©» Ol ьо м
ооо о оо
Auch in diesem Versuch hat Th. die Urease nicht gehemmt.
Biochemische Zeitschrift Band 111. | 10
146 P. Rona und H. Petow:
Versuch 5: In diesem Versuch ist eine dreimal stärkere Menge Th.
angewendet. Anordnung wie im Versuch 3. Nr. 1, 2, 5, 6 ohne Pause
gemischt; in Nr. 3, 4, 7, 8 Harnstoff angesetzt nach einer Pause von
2 Stunden. Reaktion neutral.
Tabelle V.
CONG с ць OO м =
On HH OG О: ег MN CH
bet bei pd мыз bet bech уй dam
bet bech be Eech Eech Eech paad —
Resultat: Umsatz in allen Gläsern (fast) gleich. Th. hat
nicht gehemmt.
Versuch 6: Mischung wie in Versuch 5. Nr. 1—4 ohne Pause gemischt.
In Nr. 4—8 wird zunächst nur Ferment- und Giftlösung in die Phosphat-
mischung gebracht und 20 Stunden stehen gelassen. Erst nach Ablauf
dieser Zeit folgt der Harnstoff nach. Reaktion neutral.
Tabelle VI.
8
See СЕ ы геме stoff
ecm ccm | ccm
______|Тторепсе: cem mg N А _% | relativ relativ
11 6 1 1 Alkohol 90% — 155 59
2 6 1 1 | К — 11153 |57
3 6 1 1 |1 Th. 3 1450 54
4 6 1 1 |1 Th. 3 1450540100
5 6 1 1 | 1 [Alkohol 90% — | 1 [5,6 60
6 6 1 1 |1 à — 115.2 56
716 1 1 |1 Th. з 11153 57
8 6 1 1 |1 Th. 3 1115,1 55
=
Resultat: Th. hemmt das Ferment auch dann nicht, wenn
es 20 Stunden auf dasselbe eingewirkt hat.
Zusammenfassung: Thiodiglykol ist für Urease nicht
giftig.
II. Thiodiglykolacetat (Tha.).
Versuch 1: Versuchsanordnung wie oben in pufferfreier Lösung.
Die Giftlösung enthält 2 Tropfen pro 1 ccm Alkohol. Die [H] wurde
in einem besonderen Glase (Nr. 1) elektrometrisch gemessen, nachdem
N
Giftwirkung des Thiodiglykols usw. auf Urease. 147
Wasser Urease und 1 ccm Alkohol gemischt waren. — Dy = 7,21, die Reak-
tion ist also leicht alkalisch, In 2 weiteren Gläsern, die genau wie die übrigen
zusammengesetzt sind, ist die H'] 3 Stunden nach dem Ansetzen des Ver-
suches, kurz vor Unterbrechung der zur Analyse bestimmten Versuche,
colorimetrisch gemessen worden; рь = 9,31 und 9,20 (Nr. 2 und 4). Die
Reaktion ist also sowohl in dem giftfreien (Nr. 2), wie in dem gifthaltigen
Glase (Nr. 4) stark alkalisch geworden, d. h. das Tha hat nicht soviel Säure
abgespalten, daß dadurch die Alkalität der Ammoniaklösung beeinflußt
worden wäre. Unterbrochen wurde nach 3 Stunden (siehe Tabelle VII).
Das Resultat dieses Versuches:
Der Umsatz beträgt in allen Gläsern 56%. Eine Hemmung
ist nicht zu verzeichnen.
Ähnlich liegen die Verhältnisse im Versuch 2 (Tabelle VIII).
Das Resultat entspricht dem des vorigen Versuches:
Es ist keine Säuerung eingetreten und das Ferment ist nicht
gehemmt worden.
Tabelle VII.
2%
Dest. 2%
Harn- Umsatz
Nr. || Wasser | Urease stoff
ccm cem opfen | ccm | vorherjnachher|mg N relativ
l 7 1 |
2 1 1
S 7o 1 1 5.2 56 100
5 т i i 5,2 |56
5 7 1 1 ‚
6167 1 1 5,2 56 1100
Tabelle VIII.
Dest. | 2% 2% Vn ey Pe ee
Nr. Wasser Urease | Harnstoff Gift Umsatz
Ж, com Tropfen | ccm | mg N | % | relativ
ı| 7 Alkohol 90%
2] 7 | 1 | 1 |
3 7 1 1
4 7 1 1
Versuch 3: Dieser Versuch ist in Phosphatmischung 1: 2 angesetzt.
Die Reaktion des Puffergemisches ist elektrometrisch gemessen py, = 6,95,
ist also neutral. Im Glas Nr. 1 ist die Reaktion, nachdem Phosphat, Urease
und 1 ccm Alkohol gemischt waren, noch einmal colorimetrisch bestimmt
zu py = 7,12. Außerdem wurde in 2 Gläsern, die die Zusammensetzung der
übrigen hatten, pe noch einmal nach 2 Stunden, kurz vor der Unterbrechung
des Versuches colorimetrisch gemessen zu рь = 7,51 (Nr. 2) und рь = 7,40
(Nr. 5). Die Reaktion ist auch hier wenig alkalischer geworden. Jedenfalls
ist durch das Tha keine Säuerung eingetreten (Tabelle IX).
10*
148 P. Rona und H. Petow:
Tabelle IX.
Resultat: Das Ferment ist nicht gehemmt worden.
Zusammenfassung : Thiodiglykolacetat verändert die Reaktion
des Versuchsgemisches nicht wesentlich und hemmt die Urease nicht.
III. Das Sulfon.
Nach Leitfähigkeitsmessungen ist auch vom Sulfon keine Verachie-
bung der [Н] nach der sauren Seite zu erwarten. Der folgende Ver-
such ist in reinem Wasser angesetzt. In Glas Nr. 1 wurde die [H]
wie oben colorimetrisch gemessen, nachdem Urease und 1 ccm Alkohol
in das Wasser gebracht waren: py = 7,12. In zwei weiteren Gläsern
(Nr. 2 und 5) wird die Reaktion nach 3 Stunden kurz vor Unterbrechung
des Versuches bestimmt. In dem giftfreien Glase Nr. 2 wird рь = 9,57.
in dem gifthaltigen Nr. 5 py = 8,73 gefunden. Beide Versuche sind also
alkalisch geworden, aber der gifthaltige nicht so stark wie die Kontrolle.
Das erklärt sich dadurch, daß in diesem Glase weniger Ammoniak ent-
standen ist (6,30 mg N gegenüber rund 7,2). Die Giftlösung enthielt ca.
0,04 g Sulfon pro 1 ccm Alkohol.
Resultat: Das Sulfon hat die Fermentwirkung deutlich, wenn
auch in geringem Grade gehemmt. Die Differenz der N-Werte
mit und ohne Gift beträgt rund 1 mg N. Das liegt deutlich
außerhalb der Fehlergrenze (s. Tabelle X).
Tabelle X.
Dest.
Wasser
2%
Urease
Nr.
1 1
; Ч | 7,19 | 76
3 7 1 | 7
4| 1 Е 1 7.35 | 79 100
5 7 Sulfon |0,04| 1
6 7 en 0,04| 1 6,30 | 68 | 87
7 7 М 0,04| 1 6,30 | 69
Giftwirkung des Thiodiglykols usw. auf Urease. 149
Ähnlich liegen die Verhältnisse beim Versuch 2 (Tabelle X1).
Tabelle XI.
Dest. 2% 2%
м. Wasser ee aoe Gift Umsatz
P Tropfen e ccm | mg N ah relativ
Le 7
Г 1
3 7
4 7
5 7
Der dritte Versuch (Tabelle XII) ist in einem Phosphatgemisch
angesetzt, dessen Reaktion elektrometrisch gemessen wurde zu py = 7,06.
In Glas 1 wurde die [Н`] wieder gemessen, ehe Gift oder Harnstoff zugesetzt
waren: Go = 7,12. In Nr. 2 und 5 wurde die [H'] 2 Stunden nach Ansetzen
des Versuches kurz vor Unterbrechung colorimetrisch bestimmt. In der
giftfreien Lösung Nr. 2 ist po = 7,37, in der gifthaltigen Nr. 5 pg = 7,32.
Die Reaktion ist also in beiden wenig, aber in gleicher Weise alkalisch ge-
worden. Der Versuch wurde nach 2 Stunden unterbrochen.
Tabelle XII.
=
Phosphat 2%
Dest. 2% ;
Nr.] ¼ Mol | Wasser | Urease 2. Gift Umsatz
Pa =7,08 cem vorher nachher g cem ſ ms N % relativ
166 1 1 1 | 7,12 Alkohol| — | 1
| 90%
216 1 1 1 7,37 а — |1
31 6 1 1 1 ч — | 1 J 5,7761 bag
d 6 1 1 1 n — | 1 |6,20|66
b 6 1 1 1 7,32 | Sulfon 0,04 1
6| 6 1 1 1 „ |0,04| 1 [4,90 |45 Lo
7, 6 1 1 1° „ {004| 1 4,2045
Als Resultat des letzten Versuches ist zu vermerken, daß in
den gifthaltigen Gläsern nur 4,2 mg N gegen 6 mg N in den Kon-
trollen gefunden wurde. Das Sulfon hat das Ferment also deut-
lich gehemmt.
Zusammenfassung: Das Sulfon ändert die Reaktion nicht.
Es hemmt aber das Ferment in pufferfreier und in pufferhaltiger
Lösung, zwar nicht stark, aber deutlich und gut reproduzierbar.
Diese Hemmung (,, Giftwirkung“) ist demnach nicht die Wirkung
einer ungünstigen Reaktion. |
IV. Dichlordiäthylsulfid (Deis.).
Wie die Leitfähigkeitsmessungen gezeigt haben, zerfällt das
Dichlordiäthylsulfid in Wasser ziemlich schnell unter Abspaltung
150 P. Rona und H. Petow:
von freier Salzsäure. Bringt man also einen Tropfen davon, in
etwas Alkohol gelöst, in etwa 10 ccm reines Wasser, so muß
dieses schnell erheblich sauer werden. Ein Tropfen Dichlordiäthyl-
sulfid wiegt rund 0,02 g — etwa 13,8 10 "e Moleküle (in 10ccm
Wasser), d. h. 13,8 107° pro 1 ccm Wasser. Die Reaktionskonstante
des Zerfalls war oben bei 20° etwa zu 0,02 berechnet worden.
Mit dieser Konstanten ist die nach einer bestimmten Zeit zerfallene
Menge Dichlordiäthylsulfid leicht zu berechnen. a sei die anfangs
pro 1 cem vorhandene Menge Dichlordiäthylsulfid (13,8 10°),
x sei die zur Zeit t gleich 2 Stunden — 120 Minuten — zerfallene
Menge Dichlordiäthylsulfid. Setzen wir diese Werte in die Reak-
tionsformel ein, so ergibt sich |
13,8 - 10-6
lo звон 10027 120 = 2,4.
x = 13,7 10-6 g Moleküle pro 1 ccm. d.h. nach 2 Stunden ist
praktisch alles Dichlordiäthylsulfid zerfallen. Aus den zerfallenen
13,7 107% pro 1ссш, (das macht 13,7 10 5g Moleküle pro 10 ccm
zerfallenden Giftes), sind 26,6 10" "e Moleküle HCl in den 10 cem
Wasser entstanden, d. h. 0,0266 Mol pro Liter. Die Lösung ist
also 0,0266 normal in bezug auf Salzsäure geworden. Eine so
starke Säure muß eine erhebliche Hemmung der Fermentwir-
kung zur Folge haben. Der nächste Versuch bestätigt das.
Versuch 1: Die Giftlösung enthält 2 Tropfen Dels in 1 ccm Alkohol.
0,5 ccm davon werden zu jedem Versuch benutzt, entsprechend einem Gift-
gehalt von einem Tropfen Gift. Der Versuch ist in reinem Wasser angesetzt.
In Glas Nr. 1 wurde die Reaktion gemessen, ehe Gift und Harnstoff zugetan
Dest. 2% `
Nr. Wasser | Urease н
ecm ccm
1 1 [Alkohol! — Los 73
90%
Tabelle XIII.
1 С Ol нь со LÉI —
їч чч м
сл &л «л сл сл Cn or
ма а pb bech ма bech
9
Die Tabelle zeigt, daß in den gifthaltigen Gläsern die Fer-
mentwirkung vollkommen gehemmt worden ist.
Giftwirkung des Thiodiglykols usw. auf Urease. 151
waren, 20 py = 7, 30. Die anfängliche Reaktion ist also leicht alkalisch,
optimal. In zwei anderen Gläsern, die wie die übrigen zusammengesetzt
sind, wird die [H'] nach 2 Stunden, kurz vor Unterbrechung des Versuches
ebenfalls colorimetrisch bestimmt. In der giftfreien Lösung Nr. 2 findet
sich py = 8,92, in der gifthaltigen (Nr. 5) dagegen p, = 2,5. Während
die Kontrolle stark alkalisch geworden ist, hat das Dcls die Lösung stark
sauer gemacht. Die Tabelle XIII zeigt, daß in den gifthaltigen Gläsern
das Ferment vollkommen gehemmt worden ist, während in den Kon-
trollen rund 40%, Harnstoff umgesetzt sind.
Ganz analog verläuft der 2. Versuch (Tabelle XIV), doch enthält die
Giftlösung hier nur einen halben Tropfen Dels pro Versuch. Auch hier
weist die Messung дег [H`] in den Kontrollen eine starke Reaktionsänderung
nach der alkalischen Seite hin nach (Nr. 1: pa = 9,50), während die
Versuche mit Dcls stark sauer geworden sind (Nr. 4: pe = 4,2).
Tabelle XIV.
Dest. | 2% 2% ;
ы; Urease |Harnstoff Gift Рн __ Umsatz Bi
| ccm ccm | | Tropfen | ccm nachher | mg N | % relativ
1167 11 1 [Alkoholi — 1
2 11 me | 1 5,68
3 | 7 | 1 1 n 1 5,65 \ во 100
4 7 1 1 Dels. "ie 1
5 1 7 1 1 d | 7 1 0 0 0
6 7 1 1 Е 7. 1 0 0 0
Auch in diesem Versuch hat Dels. die Urease völlig gehemmt.
Auch der 3. Versuch bestätigt das (vgl. Tabelle XV). Die Giftlösung
enthielt hier wieder einen Tropfen pro Versuch. Die Reaktion wird nach
Ablauf von 2 Stunden in der Kontrolle Nr. 2 stark alkalisch gefunden:
Pu = 9,32, in der Giftlösung aber stark sauer, py = 2,5. Resultat:
völlige Hemmung.
Tabelle XV.
|
Das Dels hemmt also in pufferfreier Lösung die Ureasewirkung voll-
kommen in Mengen von !/,—1 Tropfen іп 10 ccm Wasser. Diese Hemmung
ës о 1010
ГА
152 P. Rona und H. Petow:
wird durch die starke Säure, die durch den Zerfall des Giftes eingetreten ist,
durchaus erklärt.
Um zu prüfen, ob das Dels, auch abgesehen von der Säurebildung, eine
Hemmung auf das Ferment ausübt, mußte man die Reaktionsänderung
zu verhindern suchen dadurch, daß man die [Н`] durch starke Puffer fest-
legte. Wir setzten daher die folgenden Versuche in einem Gemisch von
primärer und sekundärer M/,-Phosphatlösung an.
War anfangs die durch die Puffermischung festgelegte [H] 1. 1077,
so berechnet sich nach einem Zufügen von einem Tropfen Dels bei den vor-
handenen Versuchsbedingungen die [H'] nach 2 Stunden auf etwa 1,6 · 10-7,
eine relativ geringe Anderung. Dabei ist das etwa entstehende Ammoniak
außer Acht gelassen, das die Vermehrung дег [Н] zum Teil kompensiert.
Bei Benutzung von 1 cem 2 proz. Harnstofflösung, wie das in unseren Ver-
suchen meist der Fall war, würde, wenn der gesamte Harnstoff gespalten
würde, ein Drittel mg-Mol. NH, entstehen, bei einem Umsatz von 50%
also ein Sechstel mg Mol, Die [H'] würde dabei etwa den Wert 1,2. 10
annehmen.
Das Resultat dieser Uberlegungen ist also, daß bei der von uns ver-
wendeten Menge Puffer eine für die Urease ungünstigere [H'] nicht ent-
stehen kann, daß somit die Puffer die durch die Säurewirkung allein be-
wirkte Hemmung verhindern können. Um sicher zu gehen, haben wir auch
die [Н] in mehreren Versuchen gemessen, und zwar, wie schon mehrfach oben
beschrieben, vorher, d. h. in einem besonderen Glase, ehe Gift und Harnstoff
zugegeben waren, und nachher, d. h. nach Ablauf von 2 Stunden, kurz ehe
die zur Analyse bestimmten ebenso zusammengesetzten Versuche unter-
brochen wurden.
Der folgende 4. Versuch ist wie oben beschrieben zusammengesetzt.
Die Reaktion ist durch Phosphatgemisch 1: 2 festgelegt.
Tabelle XVI.
Phosphat Dest. 1%
Mol Urease
Das Resultat ist: in den Gläsern, die Gift enthielten, sind
2,5 mg N gefunden, in den Kontrollen dagegen 3,2 mg, eine Diffe-
renz, die die Fehlergrenze deutlich, wenn auch im mäßigen Grade
überschreitet. Der Umsatz ist also durch Dichlordiäthylsulfid
auch in der pufferhaltigen Lösung um rund 25% herabgesetzt.
Ganz ebenso verläuft der Versuch 5 (s. Tabelle XVII).
Giftwirkung des Thiodiglykols usw. auf Urease. 153
Tabelle XVII.
Phosphat SBV
Dest. 1% 2% e
Nr. Ч, Mol | Wasser | Urease | Harnstoff Gift Umsatz
Ipr.: 2sek. EEE IE |
ali бет | -Com SC ccm | Tropfen | cem [mg N] % relativ
Während in den Kontrollen ca. 3,3 mg N gefunden worden
sind, enthalten die gifthaltigen Gläser nur 2,5 mg. Also auch
hier eine Herabsetzung des Umsatzes um 25%.
Der Versuch 6 (s. Tabelle XVIII) ergibt dasselbe Resultat.
Tabelle XVIII.
Phosphat
Nr. "fa Mol та: ese Е Umsatz
pr.: 2 век.
0,5 | 4,5 | 49
0,5 | 4,4 | 48
0,5 | 3,6 | 38 75
0,5] 2,7 |29| 61
In den gifthaltigen Gläsern werden höchstens 3,6 mg, in den
Kontrollen dagegen 4,4—4,5 mg N gefunden. Hemmung um 25%.
Dichlordiäthylsulfid hemmt also die Urease auch in einer
Lösung, in der eine wesentliche Änderung der [H'] nicht eintreten
konnte. Diese Hemmung ist gering, aber deutlich und gut repro-
duzierbar. Während in dem letzten Versuche (6) die Gläser 1—3
in der üblichen Weise gemischt waren, so daß alle Reagenzien
kurz hintereinander in die Phosphatlösung gebracht wurden,
war bei Nr. 4, Harnstoff erst 2 Stunden, nachdem die übrigen
Stoffe gemischt waren, zugegeben worden. In diesem Glase ist
nun ein wesentlich geringerer Umsatz als in Nr. 3 zu bemerken.
Es hatte so zunächst den Anschein, als ob der Harnstoff in Nr. 3
eine gewisse Schutzwirkung auf das Ferment ausgeübt hätte,
so daß die Hemmung hier nicht so stark ausfiel wie in der Lösung
Nr. 4, in der das Gift 2 Stunden ohne die Anwesenheit von Harn-
stoff auf das Ferment gewirkt hatte. Diese „Schutzwirkung“
des Harnstoffes ist ohne Schwierigkeiten erklärlich, wenn man
bedenkt, daß zwar nicht der Harnstoff, aber das entstehende
154 P. Rona und H. Petow:
Ammoniak die Pufferwirkung unterstützt, indem es eine Verschie-
bung der [H'] nach der sauren Seite verhindert. Diese Schutzwir-
kung muß noch deutlicher in die Erscheinung treten, wenn man bei
derselben Versuchsanordnung größere Mengen Dichlordiäthylsulfid
verwendet, die soviel Säure abspalten, daß die Phosphatpuffer allein
eine Säuerung nicht verhindern können, so daß also die Hemmung,
die aus einer ungünstigen [H)] resultiert, sich wieder geltendmachen
kann. Zur Prüfung dieser Frage haben wir einige besondere Versuche
angestellt. Die Versuchsanordnung war dabei die folgende.
Zu einem in der oben beschriebenen Weise angesetzten Ver-
suche, bei dem alle Reagenzien zu gleicher Zeit gemischt wurden,
wird ein Parallelversuch angesetzt derart, daß der Harnstoff
zuletzt und zwar erst nach Ablauf von 2 Stunden zugegeben
wird, so daß also das Gift 2 Stunden in harnstoffreier Lösung auf
das Ferment wirkt, ehe die Wirkung desselben geprüft wird.
Versuch 7: (Tabelle XIX). Die Giftlösung enthält 1 Tropfen Dels
pro Versuch. In Nr. 1—3 sind alle Stoffe zugleich gemischt, in 4—6 ist der
Harnstoff erst nach 2 Stunden zugegeben.
Tabelle XIX.
Phosphat 2°
| di Mol 2% | A Gift Umsatz
Nr. | 1 pr.: 2 sek Urease stoff *
| cem ccm | ccm Tropfen сст | mg N % |relativ
1| e 1 | 1 |Аікоһо!905/,| — 0.54.62 | 49,5} 100
2:1 6 1 1 Dels 1 0,5 | 3,61 | 38,6 | 78
3 | 6 1 1 Б 1 0,5 | 3,86 | 41,3| 83
4 6 1 1 Alkohol 90% — 0,5 4,66 | 50,0 100
5 6 1 1 Dels 0,5 | 3,65 Io л 79
el 6 111 Dels 1 10,5 [3,65
Resultat: Ein Unterschied zwischen den beiden zu verschie-
denen Zeiten gemischten Versuchen zeigt sich nicht. Wohl aber
ist eine in allen Gläsern, die Gift enthielten, gleichmäßige Hemmung
um rund 20% zu verzeichnen, die sicher außerhalb der Fehler-
grenzen der Methode fällt.
Versuch 8 (Tabelle XX): Zusammensetzung wie in Versuch 7. Nr.1—6
Mischung aller Teile zu gleicher Zeit, Nr. 7—9 Harnstoff zuletzt nach
2 Stunden zugesetzt. In diesem Versuch wurde auch die [Н] gemessen.
Die Pufferlösung hat einen py von 6,95. Colorimetrisch wird vor dem Ver-
such die Reaktion gemessen zu py = 7,2, nach dem Versuch in den gift-
haltigen Gläsern zu py = 7,1; es ist also keine Änderung der Reaktion ein-
getreten und zwar weder in den Gläsern, in denen Harnstoff sofort, noch in
denen, in denen er nach 2 Stunden zugegeben wurde.
Giftwirkung des Thiodiglykols usw. auf Urease. 155
Tabelle XX.
Phosphat
Nr, J Мо! % | Harn-
T. 1 pr.:2sek.
| ccm i ecm
CO 00 N OD сь о м —
'
6 1
6 1 =
6 1 кы
| 6 | 1 1 1
6 1 1 1
1 6 1 1 |1
6 1 1 1
| 6 1 1 1
6 1 1 1
Resultat: Hemmung von 30—35%, in allen Gläsern, die
Gift enthielten und zwar in allen gleichmäßig.
In den folgenden Versuchen wurde eine weit größere Menge
Dichlordiäthylsulfid zur Anwendung gebracht. Die Giftlösung
enthielt bei diesen Versuchen 3 Tropfen pro ccm Alkohol, war
also dreimal so stark wie bisher.
Versuch 9 (Tabelle XXI): Nr. 1—3 sind zu gleicher Zeit gemischt,
in Nr. 4—6 mit einer Pause von 2 Stunden vor der Zugabe von Harnstoff.
Tabelle XXI.
2%
Phosphat| Dest. 2% =
Nr.] ½¼ Mol Wasser Urease а
ccm | com cem cem _|Tropfen!cem|mgN| % |relativ
il 6 | 1 1 1 [Atkohot 90% — | 1 | 4,5 48 100
2 6 1 | 1 Dels. 3 | 1] 2,9 30 Je
3 6 1 1 1 $ 3 1 | 2,9 |30
4 6 1 1 1 Alkohol 90% — 1 14,2 45 100
56 111 | 1 Dels. 3 | 1] 1,0 [11| 24
6 | 6 1 1 1 o 3 1 11,3 |14| 31
Resultat: In allen Gläsern, die Gift enthielten, erhebliche
Hemmung und zwar wesentlich stärker in Nr. 5 und 6 als in Nr. 2
und 3. Hier ist also die „Schutzwirkung‘‘ des Harnstoffs oder
besser des Ammoniaks wieder deutlich zu beobachten. Die ent-
wickelte Säuremenge war hier so groß, daß die Puffer nicht mehr
ausreichten, um die [H'] festzuhalten. Eine einfache Überschlags-
rechnung zeigt, daß die entstandenen / Millimol HCl die Reaktion
auf ри = 63 verschieben mußten. Durch die gleichzeitige
Ammoniakbildung wird das zum Teil kompensiert, was als,, Schutz-
wirkung“ in Erscheinung tritt.
Nr.
Le |
=
NND
156 P. Rona und H. Petow:
Bei allen oben beschriebenen Versuchen konnte eine Hem-
mung durch Dichlordiäthylsulfid auch in starken Pufferlösungen
beobachtet werden. Solange die Reaktion des Mediums nun neutral
ist, kann man trotz der Puffer im Zweifel sein, ob nicht doch die
entstehende Säure das hemmende Agens ist, denn da die ungefähr
neutrale Reaktion die Grenze für das Optimum der Wasserstoffio-
nenkonzentration darstellt, so könnte durch Vermehrung der [H!
die Reaktion nur ungünstiger werden. Wählt man aber von
vornherein eine alkalische, nicht optimale Reaktion, so kann
eine Verschiebung der Reaktion nach neutral hin, falls sie über-
haupt zustande kommt, die [H'] nur günstiger gestalten. Dichlor-
diäthylsulfid müßte in diesem Falle die Ureasewirkung begün-
stigen, wenn seine Wirkung nur auf einer Vermehrung der [H’]
beruhte.
Die folgenden Versuche sind deshalb bei alkalischer Reaktion
angesetzt. Die [H] von den Puffern sowohl als auch von der
Reaktionsmischung wurde dabei vor und nach Ablauf des zwei-
stündigen Versuches gemessen.
Versuch 10 (Tabelle XXII): pe der Phosphatmischung 7,6; pg des
Reaktionsgemisches zu Anfang 7,6, nach Ablauf von 2 Stunden 7,5, also
keine wesentliche Änderung der [H].
Tabelle XXII.
Phosphat |, „ | 2%
“ls Mol Ge Dec Harn- Gift Pu Umsatz
рн 7.6 stoff een |
com | cem | ccm | cm | Tropfen eem |vorher|nachhe mg N| % relativ
6 1 1 1 Alkohol“ — 1 | 7,8
5 ү 90%
1 1 ч == 1 8,8 | 94
Era с EES E 84 | 89 | 100
6 1 1 1 Dels 1 1 7,5
6 1 1 1 s 1 1 6,7 |71 76
6 1 1 1 š 1 1 6,7 |71
Resultat: Hemmung um 24% wie bei den früheren Ver-
suchen. |
Versuch 11 (Tabelle XXIII): Anordnung wie in Versuch 10. p, des
Puffers 7,54, des Reaktionsgemisches vor Beginn der Spaltung 7,64, nach
Ablauf von 2 Stunden 7,56, also keine Reaktionsänderung.
Versuch 12 (Tabelle XXIV): Giftlösung doppelt so stark wie in Ver-
such 11; pn 8,1 (reines sekundäres Natriumphosphat); pn des Reaktions-
gemisches zu Beginn 8,26, gegen Ende (nach 3 Stunden) des Versuches in
den Kontrollen 9,30, in den gifthaltigen Gläsern 7,81.
©» CH he сэ К к=з
Nr.
Giftwirkung des Thiodiglykols usw. auf Urease. 157
Tabelle XXIII.
Umsatz
1 | 7,64
1 5,7 |61
1 5,7 |61] 190
1 1,56
1 3,5 |37
1 3,6 |38 761
Resultat: Hemmung um 40%.
Tabelle XXIV.
Phosphat! Dest. | 2% | 2%
рн 8,1 | Wasser | Urease See Gift Pu Umsatz
| сеш com ccm ccm Tropfen ccm fvorher|nachherfme& N| % |relativ
die Reaktion stark alkalisch war, und
Resultat: Obgleic
obgleich die Reaktion in den gifthaltigen Proben günstiger ist
als in den Kontrollen, Hemmung um 26%.
Es ergab sich also, daß auch in den Versuchen, die bei einer
anfänglich alkalischen Reaktion angesetzt waren und bei denen,
wenn eine Änderung der [H'] eingetreten ist, diese die Reaktion
nur günstiger gestalten konnte (vgl. besonders Vers. 12), in allen
Fällen eine Hemmung der Fermentwirkung zu beobachten war.
Wir untersuchten weiterhin, ob auch das zerfallene Dichlor-
diäthylsulfid auf die Urease hemmend wirkt. In pufferfreien
Lösungen ist das von vornherein anzunehmen wegen der starken
Säurebildung. Wird aber die Säurewirkung ausgeschaltet, sei es
durch Puffer, sei es dadurch, daß die entstandene Säure neutralisiert
wird, so ist eine Hemmung nicht von vornherein zu erwarten, da
das gebildete Neutralsalz ebensowenig hemmt wie Thiodiglykol.
Die Versuche sind so angelegt, daß in einem Teil derselben
(Versuch 13, Tabelle 25, Nr. 14—21) 1 cem alkoholische Gift-
lösung, ½ Tropfen Dichlordiäthylsulfid enthaltend, zu 7 ccm
dest. Wasser, in einem anderen Teil (Nr. 22—25) ebensoviel
mg N] SCH |relativ
158 P. Rona und H. Petow:
Gift in 6 com neutrale Phosphat mischung + 1 ccm dest. Wasser
gegeben wurde. Alle diese Versuche blieben 24 Stunden bei
Zimmertemperatur stehen. Ein Teil der pufferfreien Lésungen
wurde nunmehr gegen Neutralrot mit 0,01 n NaOH-Lösung
neutralisiert (Nr. 18—21). Von jeder Kategorie wurde die [Н]
elektrometrisch bestimmt, je 1 cem 2 proz. Urease und 1 ccm
2 proz. Harnstoff zugefügt. Nach 2 Stunden wurden die Versuche
unterbrochen, nachdem wieder in je einem Glase die H'] gemessen
worden war. Zur Kontrolle wurden mit derselben Ferment lösung und
derselben Giftmenge Versuche angesetzt, bei denen alle Teile zu
gleicher Zeit gemischt wurden. Auch bei diesen Versuchen
wurde die Reaktion gemessen (Nr. 1—13).
Tabelle XXV.
Phosphat] Dest. | 2% oe Gift Umsatz
Nr. Wasser | Urease | н |
com ри | осш | ccm | ocm ccm [vorher |nachher| mg N | relativ
1{—|—| 7 1 | 1 [Alkohol 1 9,5
90%
91—1—| 7 111 e 1 5,63 Leg
3i—|—| 7 1 11 S 1 5,65
All 7 1 1 | Dels. | 1 2,4
bI1— | —| 7 1 1 А 1 0 }о
61—1—| 7 1 1 Я 1 0
716/71} 1 1 1 [Alkohol | 1 | 7,22
90%
816 1 1 1 S 1 7,42 i
9 | 6 1 1 1 М 1 30
10 | 6 ılı |1 SE d 6,28 } 100
11 | 6 1 1 1 Dels 1 7,37
12 | 6 1 1 1 К 1 5,20 E
13 | 6 1 1 1 i 1 4,91
144——4 7 11 К 1 | 3,0
15 1—1—| 7 1 1 $ 1 2,6
16 l= =I 7 1 1 х 1 0 lo
i7/—!—] 7 1 1 S 1 0
18 /—|—| 7 1 1 $ 1 | 7,25
19 | — — l 1 1 И 1 9,50 ти
20 — — 1 1 i 1
ai—|—| 7 1 1 EDE 411 | 65,5
2216/71] 1 1 1 ү 1 | 7,07
23/6 —| 1 1 1 _ 1 7,30
246 — 1 1 1 К 1 4,69 Le
25 6 — 1 1 1 „ 1 4.20
Zu Nr. 18 wurden bis neutral gegen Neutralrot gegeben 11,6
A чес уы сй S К » 117185
A9 9 20 79 99 7 7? 5 77 19 12,2 Te
21 57 21 1 19 19 17 7? 99 12,2
Giftwirkung des Thiodiglykols usw. auf Urease. 159
Tabelle XXVa.
ь | com | om |]
1 = 7 | 1 | 1 [Au. 90%
?|—|—|т1т |1 ı[ „ 1
J ИШ АЕ Ж.
41—1— {7 1 1 Dels.
si—|-1 7; 1] 17] „
6I-/-| 7 | 1] 1] 4
716 6,50 1 | 1 | 1 [au. 90%
816695 1 1 | ı | a
916695 1 116,
106 695) 1 1 | ı | „
11 || 6 695) 1 | 1 | 1 | Dds
126 695} 1 | 1] 1] a
13 | 6 695 1 | 1 |] 1 | OY
Wiel 7] ri id,
wi—|—] 7 |] 1 | a] y
Gj) a} ahaa G
iesch u ОК
18—— 7 | 1 | 1 и
19|—|—| 7 | 1 | 1 ú
ю|—|—|1 |1 | 1 і
CHE 7 | 1 | 1 ч
22 || 6 1 | 1 |1 e
23 || 6 1 |1 |1 4
2 | 6 1 |1 |1 d
25 6 1 |1 |1 А
Zu Nr. 18 wurden bis neutral gegen Neutralrot gegeben 13,35
19 37 19 77 7 7? 9 79 97 12,90 28
A * 20 D n 1 n 19 n 12,90 a 2
э? n» 21 7 э 97 7 7 9 1 3,25
Umsatz
Nr pr.: Asek.
| ecm cem N| 9 _| relativ
if 6 11 | 1 Alk. 90% .— 15,3 57 | 100
2 6 1 1 1 Dels. 1 1 13,9
3 6 1 1 1 1 l
4 6 1 1 1 a 1 |
5 6 1 1 1 IDeͤls. zers. 1 1 | 3,8 42 74
6 6 1 1 1 R 1 1 | 3,8
71 6 [111 à 1 |1]38
In Tabelle XXV b, Nr. 5—7 stand die alkoholische Dels.-
Lösung 24 Stunden lang in der Phosphatlösung; dann wurde
Harnstoff und Urease zugefügt. Unterbrechung nach 3 Stunden
mit 20 cem ½0 nHCl.
160 P. Rona und H. Petow:
Aus den Versuchen ergibt sich folgendes:
1. In pufferfreier Lösung hemmt auch zersetztes Dichlordiä-
thylsulfid die Urease vollkommen (Nr. 16 und 17). Die stark saure
Reaktion in diesen Proben gibt hierfür eine genügende Erklärung.
2. Wird die entstandene Säure neutralisiert, so kommt die
Ureasewirkung wieder zur Geltung (Nr. 20 und 21), aber nicht
in demselben Maße wie in giftfreier Lösung (Nr. 20 und 21 ver-
glichen mit Nr. 9 und 10). Es bleibt eine Hemmung von rund 40%.
3. Wird durch die Puffer eine wesentliche Änderung der TH"
verhindert, so ist auch bei völlig zersetztem Dichlordiäthylsulfid eine
Hemmungswirkung zu beobachten, dievonderselbenGrößenordnung
ist wie die des unzersetzten Dichlordiäthylsulfids in pufferhaltiger
Lösung (vgl. Nr. 24 und 25 mit Nr. 12 und 13 und mit Nr, 8 und 9).
Die letzten Versuche sprechen dafür, daß auch das zersetzte
Dichlordiäthylsulfid eine von der Reaktionsänderung unabhängige
Giftwirkung entfaltet. Da, wie oben festgestellt worden ist, das
Thiodiglykol nicht giftig ist, so hat es den Anschein, als ob bei dem
Zerfall von Dichlordiäthylsulfid neben dem Thiodiglykol noch (in
geringen Mengen) eine auf das Ferment giftig wirkende Verbindung
entstände.
V. Tetrachlordiäthylsulfid (Tels.).
Ganz ähnliche Überlegungen wie für das Dichlordiäthylsulfid
gelten auch für das Tetrachlordiäthylsulfid. Auch dieser Stoff
spaltet in Wasser große Mengen Chlor ab, und es tritt eine erheb-
liche Säuerung der Lösung durch den Zerfall desselben ein. Infolge-
dessen ist auch eine starke Fermenthemmung zu erwarten. Der
Versuch bestätigt dies. |
Versuch 1 (Tabelle XXVI): Die Giftlösung enthält 1 Tropfen Tels.
in 1 ccm Alkohol. Die Versuchsanordnung ist dieselbe wie in früheren
Versuchen. Kein Puffer. Unterbrechung nach 3 Stunden.
-Tabelle XXVI.
Giftwirkung des Thiodiglykols usw. auf Urease. 161
Resultat: Wie erwartet, ist in der gifthaltigen Probe eine
erhebliche Säuerung eingetreten (рн 5,2 gegen 9,6 in den Kon-
trollen), dementsprechend eine völlige Hemmung des Fermentes.
Die Messung der [H'] der Lösung, die eine bräunliche Trübung
aufwies, geschah kolorimetrisch unter den neuerdings von Micha-
elis angegebenen VorsichtsmaBregeln.
Versuch 2 (Tabelle XXVII): Die folgenden Versuche sind wieder mit
starken Phosphatpuffern von neutraler Reaktion: versehen. Selbst wenn
man annimmt, daß alles Cl als НСІ abgespalten wird, so würden die Puffer
dennoch ausreichen, um eine Verschiebung der Reaktion zu verhindern,
denn zu jedem Versuch benutzten wir höchstens ½ Tropfen Tels. ent-
sprechend einer Cl-Menge, wie sie noch etwa in 1 Tropfen Dels. enthalten ist.
Tabelle XXVII.
Tabelle XXVIIa.
Phosphat
í Dest. 1% 2% ;
a ч oe Wasser | Urease ar Gift Umsatz en
ecm com | сеш | ocm Тгорѓеп!сеш { те № | % relativ
1 6 0,5 2 1 Alkohol 90% — 0.5 4,2 | 45 100
2 6 0,5 2 1 e — 10,5] 5,9 63
3 6 0,5 2 1 Tels. 1/, 1051 0 | 0 \ 0
4 6 0,5 2 1 e 1/3 0,51 0 | 0
Versuch 4 (Tabelle XXVIII): In diesem Versuch wurde die [H'] ge-
messen. In den Kontrollen ist die Reaktion etwas alkalisch geworden
(ри 7,53); in den gifthaltigen Proben ist eine Reaktionsänderung kaum
bemerkbar (рь 7,12).
Tabelle XXVIII.
2%
stofl
ccm
[Phosphat
Nr. PH 6,9
| ccm
Dest. 2%
Wasser | Urease
com
е1 Сә Сл нь со DD
keck bech bech ыа peed д
pmi þad bel pd рад
Biochemische Zeitschrift Band 111. 11
162 P. Rona und H. Petow:
Alle drei Versuche lassen eine vollkommene Hemmung des
Fermentes erkennen, die nicht durch eine ungünstige [Н`] bedingt
sein kann.
Noch deutlicher wird dies in folgenden zwei Versuchen,
bei denen so geringe Giftmengen zur Anwendung kommen, daß
von einer irgendwie bemerkbaren Säuerung nicht die Rede sein
kann.
Versuch 5 (Tabelle XXIX): Die Giftlösung enthält 1 Tropfen in
1 eem Alkohol, davon werden 0,2 ccm, entsprechend / Tropfen Substanz,
benutzt.
Tabelle XXIX.
4 6 4,5 2 | 15 = — |— |во 164 100
21 6 45 | 2 | 15 | таз. % 10,810 0 А
36 45 2 | 15 „ 1, 10210 0
Versuch 6 (Tabelle XXX): Die Giftlösung ist so stark wie in Ver-
such 5. Zur Verwendung gelangen davon nur 0,1 —0,05 ccm, entsprechend
einer Giftmenge von !/,, bis ½ Tropfen.
Tabelle XXX.
1 6 0,5 2,5 1 —
2 6 0,5 2,5 1 —
3 6 — 2,5 1 Tels
16 — 28 115
5 | 6 | — 2,5 1 Ж
6 | 6 — 2,5 1 e
Beide Versuche zeigen, daß auch noch sehr geringe Mengen
Tetrachlordiäthylsulfid die Urease stark hemmen. ½ Tropfen
hat schon vollkommen gehemmt, 1/,,—!/„ Tropfen setzt den
Umsatz um ca. 50% herab.
Vers uch 7 (Tabelle XXXI): Ahnlich wie bei Dels. haben wir auch
hier einige Versuche bei alkalischer Reaktion angesetzt, um ganz sicher zu
gehen, daß nicht die Säurewirkung allein die Fermenthemmung bewirkt.
Giftwirkung des Thiodiglykols usw. auf Urease. 163
Tabelle XXXI.
ed рн 7,54 | Wasser | Urease
“| om
Die Reaktion ist in den gifthaltigen Proben dem Optimum
am nächsten; trotzdem hat das Tetrachlordiäthylsulfid voll-
kommen gehemmt.
Versuch 8 (Tabelle XXXII): Anordnung wie vorher.
Tabelle XXXII.
— = — — —
З Gift Umsatz
Tropfen com |mgN| % | relativ
Resultat: Vollkommene Hemmung.
Wir suchten noch die Frage zu beantworten, wie das größten-
teils zersetzte Tetrachlordiäthylsulfid auf die Urease wirkt. Daß
in pufferfreier Lösung vollkommene Hemmung zustande kommen
muß, bedurfte keiner Untersuchung. Folgender Versuch (9) (Ta-
belle ХХХ ПІ) wurde deshalb in neutralem Phosphatpuffergemisch
so angesetzt, daß von einer Giftlösung, die 1 Tropfen pro 1 ccm
Alkohol enthielt, in einem Teil der Gläser 0,5—0,25 ccm in die
Phosphatlösung gebracht wurde und so 24 Stunden bei Zimmer-
temperatur stehen blieb (Nr. 7—10). In dem anderen Teil der
Gläser wurden die betreffenden Verbindungen in der üblichen
Weise so gemischt, daß alle Teile zu gleicher Zeit zusammen-
gegeben wurden. Nach 24 Stunden wurde auch in den 1. Teil
(Nr. 7—10) Urease und Harnstoff gegeben.
Es stellte sich heraus, daß in dem Teile, der ohne Pause an-
gesetzt war, wie zu erwarten, vollkommene Hemmung eingetreten
11*
164 P. Rona und H. Petow:
war; in dem anderen Teil aber war die Hemmung schwächer
ausgefallen: das Tetrachlordiäthylsulfid hat also durch die Zer-
setzung an Giftigkeit eingebüßt. Da es nach unserer Vorunter-
suchung möglich ist, daß auch nach 24 Stunden noch nicht alles
Tetrachlordiäthylsulfid zersetzt ist, so bleibt die Frage offen,
ob die Giftigkeit des „zersetzten“ Tetrachlordiäthylsulfids durch
den noch vorhandenen Rest unzersetzten Giftes oder aber durch
Zerfallsprodukte bedingt ist.
Tabelle XXXIII.
Phosphat
J Mol
Nr. ipr.:2sek.
ccm
Dest.
Wasser | Urease
1 6 2,0 1 1
2 6 2,0 1 1 —
3 6 1.5 1 1 Tels. ½ 10,5 0
4 6 1.5 1 1 e J |0,5 0
5 6 1,75 1 1 н 104 929 0
6 6 1,75 1 1 Ge / 0,25 0
7 6 1,5 1 1 | Tels. zersetzt 2/4, |0,5 1,40 10] 31
8 6 1,5 1 1 2 з 0,5 11,58|11| 35
9 6 1,75 1 1 S 1/4 0,25 1,90 14 42
10 6 1.75 1 1 S / 10,2511,70|13| 38
Zum SchluB teilen wir einen Ubersichtsversuch mit, an dem
alle untersuchten Stoffe beteiligt waren. Der Versuch zeigt noch
einmal die Größenordnung der Hemmung, die durch die einzelnen
Gifte bedingt wird, wenn die Hemmung durch Säure ausgeschlossen
wird. Vgl. Tabelle XXXIV.
Tabelle XXXIV.
Phosphat 1% 2% Basen
5 1/, Mal Harn- Gift Umsatz
Nr 1 pr. : 2 sek. paces’ Se:
ccm ccm | ccm cem % relativ
1 6 2 1 Alkohol 90% 1 |3,2 \з6
3 e 2 Thiodiglykol | 34 |
6 iodiglyko 1 | 3,4
+ 2 2 | 1 , 1 |36 [18 100
5 6 2 1 Thiodiglykolacetat 1130 \з 4 |
1 > 1 | Dichloraithyteutia | 1 | 25
6 2 ichlordiäthylsu 1 | 2,
в 6 2 | 3 СЫ] 1 | 2°3 |16 70
6 2 1 ulfon 1121
101 6 2 | 1 $ 1 |21 (122 |p 63
11 6 2 1 | Tetrachlordiäthylsulfid | 1 | 0 ho } 0
12 6 2 1 110
97
Giftwirkung des Thiodiglykols usw. auf Urease. 165
Rückblickend läßt sich also folgendes feststellen. Der wich-
tigste Körper der untersuchten Gruppe, das Dichlordiäthylsulfid,
hemmt die Urease weitaus in der Hauptsache durch Abspal-
tung von Säure. Aber auch wenn eine Reaktionsänderung ver-
hindert wird, konnte eine deutliche und gut reproduzierbare
Giftwirkung beobachtet werden, die nicht als Säurewirkung er-
klärt werden kann. Eine solche nicht von der Säurebildung her-
rührende Wirkung von derselben Größenordnung hat auch das
Sulfon dieser Verbindung. Weitaus am giftigsten ist das Tetra-
chlordiäthylsulfid. Bei diesem Körper ist die Giftigkeit voll-
kommen unabhängig von der Säurebildung.
Zusammenfassung.
1. Die Beständigkeit einiger Derivate des Thiodiglykols
gegen Wasser wurde mittels Leitfähigkeitsmessung untersucht.
2. Die Giftwirkung dieser Verbindungen auf Sojabohnen-
Urease wurde untersucht, unter genauer Berücksichtigung der
H’-Ionenkonzentration. Es wurde gefunden:
a) Thiodiglykol ist für Urease nicht giftig.
b) Auch das Acetat ist nicht giftig. Die [H'] der Lösung
wird von der Verbindung nicht beeinflußt.
c) Das Sulfon beeinflußt die Reaktion der Lösung nicht,
ist aber dennoch in mäßigem Grade giftig.
а) Das Dichlordiäthylsulfid beeinflußt die [H'] der Lösung
durch Säurewirkung stark und hemmt das Ferment da-
durch schon in geringen Mengen vollkommen. Aber auch
wenn eine Reaktionsänderung verhindert wird, hemmt
es die Urease, allerdings nur in geringem Maße.
е) Das Tetrachlordiäthylsulfid ändert die [H'] der Lösung
ebenfalls stark. Es hemmt die Urease schon in geringen
Mengen, auch wenn eine Reaktionsänderung verhindert
wird, vollkommen.
Beiträge zum Studium der Giftwirkung.
Uber die Wirkung des Atoxyls auf Serumlipase.
Von
P. Rona und E. Bach.
{Aus dem biochemischen Laboratorium des städt. Krankenhauses am
Urban, Berlin).
(Eingegangen am 1. September 1920.)
Mit 11 Abbildungen im Text.
In der vorhergehenden Arbeit haben wir darauf hinge-
wiesen, daß die Prüfung von Giftwirkungen auf fermentative
Vorgänge bei passender Wahl des Fermentes und des Giftes ge-
eignete Objekte für das Verfolgen quantitativer Verhältnisse
zwischen Gift und Substrat liefern kann. Das Studium des Ein-
flusses des Atoxyls auf die Serumlipase erweist sich als sehr ge-
eignet zu diesem Zwecke. Benutzt wurde hierbei Kaninchen- und
Katzenserum, in einigen Versuchen auch Meerschweinchen- und
Menschenserum. Die einzelnen Tierarten verhielten sich jedoch
— wie dies später ausführlicher erörtert werden wird — sehr ver-
schieden. Meerschweinchenserumlipase ist gegen Atoxyl so wenig
empfindlich, daß sie wenig geeignet für die gestellte Aufgabe
ist; bei der Menschenlipase lag wiederum der Grenzwert der nicht
mehr wirksamen und der der total hemmenden Giftmenge so
nahe, daß nur wenig Spielraum bei der Variierung der Giftkon-
zentration möglich war. Bei Kaninchen- und Katzenserum-
lipase wirkte hingegen bereits eine äußerst geringe Atoxylkonzen-
tration (z. В. O, Ol mg Atoxyl in 35 cem Gesamtvolumen) stark
hemmend auf die Fermentwirkung, trotzdem haben verhältnis-
mäßig große Giftdosen (z. В. 10 mg Atoxyl in 35 ccm Gesamt-
volumen) diese noch nicht ganz aufgehoben; da konnte die Gift-
konzentration in weitem Bereich variiert und ihr Einfluß auf das
Ferment untersucht werden.
®
P. Rona und E. Bach: Wirkung des Atoxyls auf Serumlipase. 167
Die Bestimmung der Lipasewirkung erfolgte stalagmometrisch
nach Rona und Michaelis. Wir stellten eine 5—10fache Ver-
dünnung des Serums mit destilliertem Wasser her. Zu 1—2 ccm
dieses verdiinnten Serums fügten wir wechselnde Mengen der
Atoxyllösungen, dabei war die Atoxylkonzentration so her-
gestellt, daß die verschiedenen, den Sera zugefügten Giftmengen
in 1—2 cem Wasser gelöst waren. Nach Zufügung von 3 com
Regulatorgemisch (1 Teil !/, mol. primäres Phosphat, 10 Teile
1/, mol. sekund. Phosphat) blieben die Sera mit der Giftlösung
45—60 Minuten stehen. Das Gesamtvolumen des Gemisches
Serum-Gift-Regulator betrug demnach 5—6 ccm; in einer und
derselben Versuchsreihe waren die Volumina stets gleich. Nach
45—60 Minuten wurden 30 ccm einer stets frisch hergestellten
gesättigten Tributyrinlösung zugefügt und sofort die Tropfenzahl
bestimmt. Die Tropfenzählungen wurden dann je nach der
Stärke des Fermentes nach 15, 30, 45, 60 usw. Minuten wiederholt.
Um die vielen Zählungen zu erleichtern, ist es vorteilhaft (nach
dem Vorschlag von Herrn Dr. Bien), unter der Tropfcapillare ein
mit Linoleum bespanntes Brett, das mit Blaustift in Felder von
ca. 2 qem geteilt ist, vorbeizuziehen. Man erreicht leicht, daß in
jedes Feld ein Tropfen zu liegen kommt; die Zahl der Tropfen
kann mit einem Blick festgestellt werden.
I.
In den folgenden Versuchen (Versuch 1—11) waren die
Fermentkonzentrationen innerhalb einer Versuchsreihe gleich, die
Atoxylkonzentrationen verschieden. Die gewählten Giftkon-
zentrationen verhielten sich wie die Glieder einer geometrischen
Reihe. Als Maß der Hemmung diente die Abnahme der Ge-
schwindigkeitskonstante der Tributyrinspaltung.
In früheren Arbeiten konnte gezeigt werden, daß der Verlauf
der Spaltung des Tributyrins durch die Lipase (Esterase) des
Kaninchenserums sich praktisch mit genügender Genauigkeit durch
die Formel einer monomolekularen Reaktion darstellen läßt. Auch
in den vorliegenden Fällen zeigte sich zwischen 20—70% Umsatz
eine gute Übereinstimmung der gefundenen mit den nach der
monomolekularen Formel berechneten Werten. Bei der Katzen-
serumlipase verläuft die Spaltung bis ca. 70%, Umsatz fast gerad-
168 P. Rona und E. Bach:
a
linig, so daß wir anstatt der Gleichung k = _ In die Gleichung
a—ı
k= 7 benutzen konnten. Nach früheren Untersuchungen!) sind
bei gleichen Umsätzen die Fermentmengen den Zeiten indirekt
proportional; das gilt auch für die Geschwindigkeitskonstanten.
Diese können demnach als das Maß der Fermentwirkung benutzt
werden. Die Versuche wurden bei Zimmertemperatur ausgeführt.
Der Verlauf der einzelnen Versuche war der folgende.
Versuch 1 [Abb. 12)].
| Уогһапдепев
к | Atoxyl 555 Tributyrin nach] у О ЧОН log 4 | h= Ss k
inmg | = Le [slo] OBBE “azaj no
ıl o | o 0,048 = 0
2 1 0,012 1 0,026 0,46
3 | 0,025 2 0,021 0,56
4 || 0,050 4 0,016 0,67
5 || 0,10 8 0,012 0,75
Ferment: 3ccm fach verdünntes Kaninchenserum. Ge-
samtvolumen 39 ccm. pg = 7,55 (elektrometrisch).
Versuch 2 (Abb. 2).
Vorhandenes 1 ы a u ko — k
0.23431 a- fe
0,041 | 0
0,021 | 0,49
0,019 0,54
0.016 | 0.61
0,013 0,68
Ferment: 3ccm 5 fach verdünntes Kaninchenserum. Gesamt-
volumen 39 ccm. рн = 7,55 (elektrometrisch).
1) Vgl. P. Rona, diese Zeitschr. 33, 413 (1911) und P. Rona und
J. Ebsen, diese Zeitschr. 39, 21. 1912.
2) Auf der Ordinate sind die Geschwindigkeitskonstanten, auf der
Abszisse die Logarithmen der Giftkonzentrationen aufgetragen, wobei als
Einheit der Giftkonzentration die berechnete, eben nicht mehr wirksame
Giftkonzentration C, genommen wird. Die experimentell bestimmten Punkte
sind mit den Nummern des betreffenden Versuches versehen. Der Schnitt-
punkt der Linie, die die experimentell bestimmten Punkte verbindet,
mit der Ordinate gibt die Geschwindigkeitskonstante k,, d.h. die Ge-
schwindigkeitskonstante der Fermentwirkung ohne Gift, der Schnitt-
punkt mit der Abszisse die eben vollkommen hemmende Giftkonzentra-
tion an.
4
Abb. 1 (C. =°1,25 · 10-5 g/L). Abb. 2 (C, = 8,87 -10-6 g/L).
Versuch 3 (Abb. 3).
Relative
Vorhandenes e | A ke — k
Se
i = 943430 Baa a
Ferment: 1 ccm 5fach verdünntes Kaninchenserum. Gesamt-
volumen 36 ccm. pe = 7,52 (elektrometrisch).
Versuch 4 (Abb. 4).
| Relative Vorhandenes 1 | x x
Nr. Atoxyl Кызы Tributyrin nach |p = log = “0 —
|! Oonzen- р —
in mg | tration | U en | 90 |120 F ko
11 0 | о 110070 58 46 0,0061 | 0
2 | 0,01 1 10075 64 54 0.0048 0,21
3 | 0,02 2 110078 66 58 0,0044 0,28
4 | 0,05 5 100 — 72 63 0,0038 0,38
5 0, 10 10 100 — 75 | 65 0,0034 0,44
6 || 0,20 20 1100| — 7867 0,0030 0,51
7 | 0,50 50 100 — | 81 72 0,0025 0,58
8! 10 100 100 — | 84 78 0:0020 0:67
Ferment: 1 ccm 5fach verdünntes Kaninchenserum. Gesamt-
volumen 36 ccm. pg (elektrometrisch) = 7,52.
170 P. Rona und E. Bach:
Abb. 8 (C, = 156- 10-5 g/L). Abb, 4 (C, =
8,28 - 10-5 g/L).
Versuch 5 (Abb. 5).
Atoxyl е =
Эч à nt Ten e
| in mg | tration | | o
1 | 0 | о |100| 66 | 41 | 21 0,0144 0
2 0,01 1 100 76 | 58 | 39 0,0096 0,33
3 0,10 10 100 82 | 66 49 0,0071 0,51
4| 10 100 100 86 | 74 | 60 0,0052 0,64
5 10,0 | 1000 1100 90 | 82 | 73 0,0034 0,76
Ferment: 1 ccm 5fach verdünntes Kaninchenserum. Gesamt-
volumen 35 ccm. pn (elektrometrisch) = 7,74.
Versuch 6 СА 6).
= — K
I Relative vorhandenes
Juegt Gift- Tributyrin nach log ——
konzen- ~ 0,434 4343 t
in mg | tration |0 |30 70’ | er
>
1 > Io.
2 0.010 0,08
8 || 0,025 d 5 0,37
4 || 0,050 | 5 0,60
5 || 0,10 | 10 | 0,89
6 | 0,50 | 50 1,00
Ferment: 1 ccm 5fach verdünntes Menschenserum. Gesamt-
volumen 36ccm. pe = 7,52 (elektrometrisch).
1) Diese Werte sind nach 60’ und 100’ bestimmt.
Wirkung des Atoxyls auf Serumlipase. 171
Abb. 5 (С, = 1,48- 10 -6 g/L). Abb. 6 (C, = 221 -10 -+ g/L).
Versuch 7 (Abb. 7).
|
Relative Vorhandenes
Nr.|Atoxyl | Git- | Tributyrin nach 1 1 og @ 5 bock
Е konzen- —
_ |in mg | tration | 0 | 10’ | 20 | 307 аА аА 8
1 0 0 0,035 0
2 | 0,0078 1 0,035 0
3 | 0,0158 2 0,030 0,14
4 | 0,0312 4 0,022 0,87
5 || 0,0625 8 0,014 0,60
6 | 0,125 16 0,007 0,80
7 || 0,250 32 0,001 0,97
8 10, 64 0 1,00
Ferment: 1 cem unverdünntes Menschenserum. Gesamt-
volumen 35 cem. pe = 7,57 (elektrometrisch).
Abb. 7 (C. = 2,26 -10-4 g/L). Abb. 8 (C. = 1,50 · 10-8 g/L).
172 P. Rona und E. Bach:
Versuch 8 (Abb. 8).
1! 0 0
2 | 0,005 1
3 | 0,010 2
4 | 0, 4
5 0,040 8
Ferment: Leem 5fach verdünntes Katzenserum. Gesamt-
volumen 36 ccm. py = 7,69 (elektrometrisch).
Versuch 9 (Abb. 9).
Relative
Atoxyl Giftkonzen-
Ferment: 1 cem 5fach verdünntes Katzenserum. Gesamt-
volumen 35,5ccm. ру = 7,69 (elektrometrisch).
Versuch 10 (Abb. 10).
Ferment: 1 cem 10fach verdünntes Katzenserum. Gesamt-
volumen 35 cem. py = 7,77 (elektrometrisch).
—U—— —’⁰ ä —— —— ä— ͤ — Ee rn — — ддм e
Wirkung des Atoxyls auf Serumlipase. 173
Abb. 9 (С, = 1,89: 10-7 g/L). Abb 10 (С, = 250 -10-7 g/L).
Versuch 11 (Abb. 11).
Vorhandenes Tributyrin
nach
Ferment: 1 ccm 10fach verdünntes Katzenserum. Gesamt-
volumen 35ccm. pe = 7,74 (elektrometrisch).
Geet
Abb. 11 (C, = 2,84- 10-8 g/L).
174 P. Rona und E. Bach:
In den Versuchen 12—16 sind die Parallelversuche (a, b usw.)
je mit demselben Serum und unter den gleichen Versuchs-
bedingungen angestellt worden. Nur die Fermentkonzentration
variierte.
Versuch 12a.
Ferment: 1 com 5fach verdünntes Katzenserum. Gesamt-
volumen 35 cem. pg = 7,75 (elektrometrisch).
Versuch 12 b.
Vorhandenes Tributyrin
nach
1 0 o 1100 58 — — 1,40 0
2 0,001 1 1100 72| 4 —] 0,93 0,34
3 0,1 100 | 100 78| 58 36| oa 0,49
4 | 100 10000 |100| 85 | 69| 59] 0,2 0,70
Ferment: 1 ccm 10fach verdünntes Katzenserum. Gesamt-
volumen 35 cem. pq = 7,75 (elektrometrisch).
Versuch 12c.
Vorhandenes Tributyrin
nach
Relative
Ferment: 1 ccm 20fach verdünntes Katzenserum. Gesamt-
volumen 35 cem. pg = 7,75 (elektrometrisch).
— =
Wirkung des Atoxyls auf Serumlipase. 175
Versuch 13a.
Relative
Nr. Atoxyl | Gittkon- ha 2 й
in mg |zentration ko
11 0 о 1100 65 | 48 | 117 0
9 | 0,001 1 [100 | 77 | 67 | 0,79 0,32
3101 100 100 83 | 77 | 0,54 0,54
Ferment: 1 cem 5fach verdünntes Katzenserum. Gesamt-
volumen 35ccm. pg = 7,62 (elektrometrisch).
Versuch 13b.
“|... | Relative | vorhand
Nr. Atoxyl 5 Tributyrin nach EU SE ko — k
in mg zentration] o | 60” 90 t ke
11 0 о 100 65 | 44 0
2 0,001 1 0,31
3 | 0,1 100 051
| Ferment: 1 ccm 10fach verdünntes Katzenserum. Gesamt-
volumen 35 cem. ру = 7,62 (elektrometrisch).
Versuch 14а.
Vorhandenes
Tributyrin nach
E E ee
— 043431 а — 1
Ferment: l cem 10fach verdünntes Kaninchenserum. Ge-
samtvolumen 35 cem. pq = 7,55 (elektrometrisch).
Versuch 14b.
Ferment: 1 ccm 20fach verdünntes Kaninchenserum. Ge-
samtvolumen 35 ccm. ри = 7,55 (elektrometrisch).
176 P. Rona und E. Bach:
Versuch 15a.
Relative
Giftkon- I
zentration
|
| Atoxyl
| in mg
Nr.
салы a
il с 0 0,0121 0
2 | 0,00001 1 0.0121 0
3 | 0.001 100 0.0105 0,13
4101 | 10 000 0.0063 | 0,48
5 100 1000000 0.0017 0.86)
Ferment: 1 cem fach verdünntes Kaninchenserum. Ge-
samtvolumen 35 cem. рн = 7,62 (elektrometrisch).
Versuch 15 b.
8 SE
Nr. Atoxyl Giftkon- [. Tributyrin nach |ý m ES h= — К
I in mg |zentration] O. |30 | 60 90. | 3
1 0 01 100; 83| 70 | 58 0,0061 0
2 || 0,00001 11 100| 83| 70 | 58 0,0061 0
3 || 0,001 100 1 100; 83; 73 | 63 0,0055 0,10
4 | 0,1 10 000 | 100| 90| 80 | 73 0,0034 0,44
5 110,0 1 000000 |(100 1190 | 95 | 90 0,0010 0,84)
Ferment: 1 ccm 10fach verdünntes Kaninchenserum. Ge-
samtvolumen 35 cem. pe = 7,62 (elektrometrisch).
Versuch 16a.
р Relative Vorhandenes
Nr. Atoxyl | Gitt- Tributyrin nach h = ko — К
konzen- ene Kee ee ke
in mg | tration Ké 60° 11207 |180 240 |
1 0 О 10089 81 | 74 | 62 0
2 || 0,0001 1 [100 89| 81 | 74 | 62 0
3 | 0,001 10 100 — 85 | 77 | 67 0,21
4 | 0,01 100 100 — | 89 | 81 | 74 0,42
5 | 0,1 1000 10 — 92 | 89 | 81 0,63
6 | 1,0 10000 |100|— | 96 | 96 | 92 0,84
Ferment: l ccm 25fach verdünntes Kaninchenserum. Ge-
samtvolumen 35 ccm. рн = 7,32 (elektrometrisch).
Wie aus diesen Tabellen ersichtlich, besteht zwischen Ferment-
wirkung und Giftkonzentration eine leicht übersehbare gesetz-
mäßige Beziehung. Nehmen wir in den einzelnen Versuchen die
Verhältnisse der Giftmengen (bzw. da in jeder Versuchsreihe die
Volumina gleich waren, der Giftkonzentrationen), die eine geo-
Wirkung des Atoxyls auf Serumlipase. 177
Versuch 16b.
| | Relative] Vorhendenes | k —k
Tributyrin nach * N = 0
an 043431 "Tee ы?
0,0052 0
0,0051 0
0,0043 0,17
0,0031 0,40
0,0019 0,63
0,0007 0,86
Ferment: Leem 10fach verdünntes Kaninchenserum. Ge-
samtvolumen 35 ccm. рн = 7,32 (elektrometrisch).
metrische Reihe bilden und die entsprechenden Geschwindigkeits-
konstanten, so erhalten wir folgende Zahlen:
Verhältnis der Giftmenge Geschwindigkeitskonstanten
Versuch 1 1:2:4:8 26, 21, 16, 12. 10-3
Versuch 2 1:2:4:8 21, 19, 16, 13. 10-3
Versuch 3 1: 4: 16: 64 81, 65, 49, 34. 10-4
Versuch 4 1:2:5:10: 20: 50: 100 48, 44, 38, 34, 30, 25, 20. 1074
Versuch 5 1:10: 102: 103 96, 71, 52, 34-1074
Versuch 6 1:2,5:5:10: 50 62, 57, 39, 25, 0,7- 1074
Versuch 7 1:2:4:8:16: 32: 64 (35), 30, 22, 14, 07, 0,1 - 10° è
Versuch 8 1:2:4:8 1,11, 1,02, 0,93, 0,84
Versuch 9 1:10: 102: 103: 104 2,20, 1,74, 1,38, 0,89, 0,38
Versuch 10 1:10: 102: 103 : 104: 10° (1,43), 1,15, 0,96, 0,81, 0,66, 0,46
Versuch 11 1:10: 102: 10 0,91, 0,81, 0,72, 0,65
Die Giftmengen A, B,C, Dusw. verhalten sich in den Versuchen
wie die Glieder einer geometrischen Reihe:
4 1 4 % 4
B a’ O0 n? D p eet
und log B — log A = logn ; logC — log A = 2 logn ;
log D — log A = 3 logn usw.
Die entsprechenden Geschwindigkeitskonstanten zeigten eine
arithmetische Abnahme:
1. — e = d, y-ke=2d, ky—kp = 3d usv.
Daraus folgt:
_ka—ks __k-k _ kb ,._ с
logB—logA logC—logA logD—logA — logn `
konst.
Biochemische Zeitschrift Band 111. 12
178 P. Rona und E. Bach:
Das Verhältnis der Differenzen der Geschwindigkeitskon-
stanten und der Differenzen der Logarithmen der entsprechenden
Giftkonzentrationen ist konstant.
ka — Ев >
log В log4
kı — kp = x (log В log 4), (1)
wo A und B die Giftkonzentrationen, k, und k, die ent-
sprechenden Geschwindigkeitskonstanten bezeichnen. x ist eine
Konstante, deren Größe von der Stärke des Fermentes und von
der Empfindlichkeit derselben gegen das Gift abhängig ist.
Zur Ermittlung von x müssen zwei Geschwindigkeitskon-
stanten bei zwei verschiedenen Giftkonzentrationen bestimmt
werden. Die bei verschiedenen Giftkonzentrationspaaren be-
stimmten Werte von x zeigen, wie aus den folgenden Tabellen
ersichtlich, eine befriedigende Übereinstimmung.
Ber. aus Nr. 28 24 25 3—4 8-5 4-5 Mittelwert
І versuch, S 0,0166 0,0166 0,0155 0,0166 0,0149 0,0139 0,0166
2 versuch. Ber- aus Nr. 2—4 25 8—4 8-5 4—5 Mittelwert
х ae 0,0088 0,0099 0,0099 0,0099 0, 0,0088
3. Versuch. Ber. aus Nr. 2— 2—4 2—5 3—4 3—5 4—5 Mittelwert
r x 00205 0.00206 0,00260 0,00266 0,00257 0,0049 0,00260
Ber. aus Nr. 2—8 2—4 2—5 2-6 2-7 2-8 8—4 8—5 8—6
„ 500183 0,0014 0,0014 0,0014 0,0018 0,0014 0,0015 0,0014 0,0014
; Ber. aus Nr. 8—7 3—8 4—6 4—6 4—7 4-8 56 5—7
„уен х 700014 0,0014 0,0014 0,0018 0,013 0,0018 0,0014 0,0018
Ber. aus Nr. 5—8 6—7 6-8 Mittelwert
„ 5,0013 0,0014 0,0014 0,0014
Б. Versuch Ber. aus Nr. 2 Nr. 2—8 220—4 | 2—5 8-4 3—6 4—5 Mittelwert
х ~~ 0,0025 6,0022 0,0021 0,0019 0,0019 0,0018 00021
всей: Вет. aus Nr. 2—3 2—4 2—5 3—4 3—5 Mittelwert
х 0,0045 70,0046 0.0050 0,0047 0,0053 0,0048
7 Vemuch, Ber. aus Nr. 3—4 3-5 8-6 3—7 4-5 4-6 4—7 5—6 Mittelwert
х 0,02: 0,027 0,026 0,024 0,027 0,025 0,023 0,023 0,025
8. Versuch. Ber. aus Хг. 2—3 2—4 2-5 8—4 8-5 4—5 Mittelwert
х озо 030 030 0.30 0,30 0,30 0,30
9. Versuch, Ber aus №. 2—3 2-4 2—6 2-6 3—5 3—6 4—6 4-6 5-6 Mittelwert
x 0,46 0,41 O44 0,46 043 0,44 0,49 0,50 0,51 0,48
10. Verauch. Ber. at aus Nr. 84 3--5 3--6 3—7 4—5 4-6 4-7 5-6 6-7 6—7 Mittelwert
х 0,19 0.17 0,16 O17 0.15 0,15 0,17 0,15 0,18 0,20 0,17
їй erh Ber. aus Nr. 2—3 2—4 2-5 3-4 3 5 4—0 Mittelwert
x 0,10 0,09 0 0,09 0,08 90,07 0,09
Die Konstante х bedeutet diejenige Geschwindigkeits-
konstante, die man erhalt unter der Wirkung des zehnten Teiles
der eben total hemmenden Giftmenge.
In diesem Falle ist logB—logA = 1 und kz, = 0, d. h. die Gift-
menge ist so groß, daß sie vollständige Hemmung verursacht.
Wirkung des Atoxyls auf Serumlipase. 179
Mit Hilfe der Gleichung 1 läßt sich die eben total henimende
wie die eben nicht mehr hemmende Giftmenge berechnen. Be-
zeichnen wir die total hemmende Giftkonzentration mit C,, so
bekommt man, da Ё = 0
log C. ч +logA. | (2)
Ist andererseits die dem Ferment zugefügte Giftmenge so
gering, daß sie keine hemmende Wirkung mehr ausübt, so wird
die Geschwindigkeitskonstante so groß sein wie die bei der Spal-
tung ohne Gift. Wird letztere mit K bezeichnet, die betreffende
kleine Giftdose mit Co und kọ = К, so erhält man
Іов = . + logA. (3)
Wahlen wir fiir A die Einheit der Giftmenge, so vereinfachen
sich die Gleichungen, indem das Glied log A wegfällt: B bedeutet
dann in der Gleichung 1 die Giftkonzentration auf A als Einheit
bezogen.
Mit Hilfe dieser Gleichungen können wir aus x und einer
Geschwindigkeitskonstante den Verlauf der Fermentspaltung
bei einer beliebigen Giftkonzentration berechnen.
Als Beispiel diene die Versuchsreihe 3:
a k berechnet aus Gleichung (1) „х= = 0,0026
= биз ла
aus Nr. 2 ans Nr.8 aus Nr. 4 aus Nr. 5
gefunden | (ka = сб, | 1 ` Фа = 0,0065) (k4 = 0,0049) (ky = 0,0084)
0,0081 0,0081 0,0081 0,0080 0,0081
0,0065 0,0065 0,0065 0,0065 0,0065
.0,0049 0,0050 0,0049 0,0049 0,0050
0,0034 0,0034 0,0034 0,0033 0,0034
Da eine sehr große Zunahme der Giftkonzentration nur eine
geringe Abnahme der Geschwindigkeitskonstante (also eine ge-
ringe Hemmungszunahme) verursacht, wird man eine Über-
einstimmung der berechneten und der experimentell gefundenen
Werte für die total und die eben-hemmende Giftdosis nur der
Größenordnung nach erwarten dürfen, wobei noch beachtet werden
muß, daß beide Werte naturgemäß eine gewisse Breite besitzen
müssen.
Nehmen wir z. B. die Versuchsreihe 5 (Kaninchenserum), so berechnet
sich für logC, (C, = total hemmende Giftkonzentration) aus Versuchs-
12*
180 P. Rona und E. Bach:
Nr. 3, 4, 5, 6 bzw. 2,57, 2,38, 2,48, 2,62 im Mittel 2,525. Die größte Ab-
weichung in Nr. 4 weicht 6% vom Mittelwert ab. Die entsprechenden
Werte für C, (in mg Gift für 35 ccm Gesamtvolumen) sind: 3,7, 2,4, 3,0,
4,2. 108, im Mittel 3,4. 102. Die größte Abweichung vom Mittelwert
beträgt 30%.
In der Versuchsreihe 6 (Menschenserum) berechnet sich die total
hemmende Giftkonzentration aus Versuchs-Nr. 2, 3, 4, 5 bzw. zu .0,14,
0,15, 0,13, 0,14 mg Gift für 36 ccm Gesamtvolumen; die eben nicht mehr
wirkende Giftmenge hingegen zu 0,008, 0,009, 0,009, 0,008, im Mittel
0,0085 mg Gift für 36 ccm Gesamtvolumen. Die experimentelle Beobach-
tung ergab, daß eine Atoxylkonzentration von 0,01 mg auf 36ccm eine
sehr geringe Hemmung und 0,1 mg auf dieselbe Flüssigkeitsmenge eine
fast vollständige Fermenthemmung (89%, Hemmung) verursacht. Bei
0,5 mg Atoxyl haben wir nach 2 Stunden keine Spaltung festgestellt.
Die gefundenen und die berechneten Werte zeigen demnach eine befrie-
digende Übereinstimmung.
II.
Bei der Untersuchung der hemmenden Wirkung des Atoxyls
auf verschiedene Fer mentmengen ist es von Vorteil, den
Hemmungskoeffizienten (h) einzuführen:
wobei k, die Geschwindigkeitskonstante ohne Gift bedeutet.
Seien die Geschwindigkeitskonstanten bei der Giftkonzentration 4
und В k, und ks, die Hemmungskoeffizienten k, und x, so ist
„es und „
ko ko
woraus i L ~
ha = hp = В S 2
und da 0
kg — ky = х (log А log В)
so ist .
hı — hg = 4 dog А — log В). (4)
In den folgenden Versuchen 12—16 ist die Giftwirkung auf
verschiedene Fermentmengen untersucht.
Im Versuch 12 wurden von einem und demselben Serum drei
Verdiinnungen dargestellt und die hemmende Wirkung von drei
verschiedenen Giftkonzentrationen untersucht. Wie ersichtlich,
sind die Hemmungskoeffizienten (k x 100 = Hemmung in %)
innerhalb des Versuchsfehlers gleich.
— eee ль pe _
Wirkung des Atoxyls auf Serumlipase. 181
{ 5 fach verd. |10 fach verd. 20 fach verd.
Katzen- Katzen- | Katzen-
Bat a e ð K , serum derum | serum `
Henan ed Giftkonzent. 2,8 %% А 0,35 0,34 0,98
5 <2 28 / 0,58 0,49 0,45
н i A SCH 0/60 | 0.68 0,70 0,70
Geschwindigkeitskonstante ohne Gift . . 1 3,06 1,40 0,74
x | 0,25 0,13 0,077
Die Fermentmengen verhielten sich im Versuch wie 1 : 2 : 4;
die Werte von x verhalten sich nun wie die Fermentmengen bzw.
die Geschwindigkeitskonstanten.
Denn wenn auf verschiedene Fermentmengen dieselben Giftkonzen-
trationen wirken, ist
h,—hy = р, (os — log В)
und
h — * = A х Бад log В),
da aber
| ha = №, und hs = hi, D `
a h, e Ae = h’ чей A,
ko = 15 „*
Das Verhältnis von = bei einem und demselben Ferment,
0
aber in verschiedenen Konzentrationen ist demnach konstant.
Mit Hilfe von — kénnen wir die Giftwirkung bei verschiedenen
Gift- und Fermentkonzentrationen berechnen. Der Wert von 2
0
hangt von der relativen Empfindlichkeit des Fermentes gegen das
Gift ab (d. h. von der Empfindlichkeit gegen die Anderung der
Giftkonzentration).
In den folgenden Tabellen sind die Hemmungskoeffizienten
in den Versuchen 13—16 zusammengestellt.
Zu Versuch 13.
тл | 5 fach verd. | 10 fach verd.
к Katzenserum
Hemmungskoeffiz. bei Giftkonz. 2.8 - 10-5 0% 0,32 | 0,31
й ` А 2,8 + 10-3 0/6 | 0,54 0,51
Geschwindigkeitskonstante ohne Gift, ko. 1,17 0,59
x | 0,18 | 0,06
i ' оп TI om
|! [
70
182 P . Rona und E, Bach:
Zu Versuch 14.
10 fach verd. | 20 fach verd.
Katzenserum Katzenserum
— + — ee —— о за аа =
— — IE IE II — — — — — ——— — — — — —
Hemmungskoeffiz. bei Giftkonz. 98. 10- 0% 0 | 0,17 | 0,22
n a II 2, 8. 10- А 9% 0 | 43 | 0,45
у „ n 2,8 10 2% 0 i 0,68 i 0,67
Gesch windigkeitskonstante ohne Gift, ko 0,0099 0,0049
x -0,0025 0,0011
e 0.252 02224
ky | | | |
es Versuch 15.
о eat |10fach vara
Kaninchen- | Kaninchen-
EU EVER Be cia ылы dee a | F
Hemmungskoeffizient bei Giftkonzentr. 26. 8-10- = А ү
9 3 I / 1 7
: 4 „ 28810 | 048 | 0,44
| h „ 238 10 „% 086 084
Geschwindigkeitskonstante ohne Gift ko ' 0,0121 0,061
x ! 0,0022 0,0011
x | |
Zu Versuch 16.
ee ee Io tach verd. 25 fach verd.
| Kaninchen- | Kaninchen-
nn ee ee en Denen Dur, elleng un 55
Hemmungskoeffizient bei Giftkonzentr. 28. 10- 1% і ; 0 9210
” nm n 2, 8 10-5 Гоо 0,17
i R R 28. 10 % 0,40 | 0,42
э | A м 2,8 -10°° 0 оо 0,63 0,63
„ а. 2 5 Р 2,8-10 % 0,86 0.84
Geschwindigkeitskonstante ohne Gift ko 0.0052 0,0019
2 х d 0,0012
| a | 1
Te | 0,23 0,21
Die Konstante S ist unabhängig von dem absoluten Wert
der Geschwindigkeitskonstanten; sie ist um so größer, je empfind-
licher das Ferment gegen die Änderung der Giftkonzentration ist.
Je kleiner der Wert von 2 ist, desto größere Unterschiede der
0
Giftkonzentration verursachen nachweisbare Hemmungszunahmen.
Wie leicht ersichtlich, bedeutet = die Zunahme des Hemmungs-
0
Wirkung des Atoxvls auf Serumlipase. 183
koeffizienten (der Hemmung) wenn die Giftkonzentration 10fach
vergrößert wird.
Die Giftkonzentrationen C, bis С, geben uns die Breite der
Giftwirkung. Da bei der tödlichen Giftkonzentration (C,) der
Hemmungskoeffizient A, gleich 1 wird (da b, = 0 ist), bei der
nicht mehr wirksamen Giftkonzentration ho = O ist, so erhält
man aus Gleichung
hy — % = ү (0g C. — 1080),
0 "
wenn man Co, die eben nicht mehr wirksame Giftkonzentration
gleich 1 setzt
logC, = 8 А
Der reziproke Wert der Konstante — gibt demnach die Breite
der Giftwirkung?).
III.
Es muß weiterhin geprüft werden, wie die Werte der eben
nicht mehr wirksamen, der total hemmenden Giftkonzentration,
EEE А 2 ;
ferner von i bei einem und demselben Tier zu verschiedenen Zeiten,
0
dann bei verschiedenen Individuen derselben Tierart, schlieBlich
bei verschiedenen Tierarten sich verhalten. |
Die folgende Tabelle enthält eine Reihe von Versuchen, in
der das Verhalten dieser Werte bei einem und demselben Tier
(Kaninchen) untersucht wurde.
Tag der . „„ |
Blut- 1 „ Sem) | (%
entnahme 5 |
у. 17. v. | 022 1.510 | 4,4 - 10
19. V. 0,23 | 38-10-* 7,510
2. VI. ul | 0,23 | 5,5-10-* | 7.10
17. Vl. 18. vl. 025 | 5310-5. 10
21. VI. 022 1.3. 10-5210
23. VI. 025 1,110 11.10
25. VI. 019 2.2.10 | 7,8-.10-'
23. VI. 23. VI. 020 1.510 5,8 10
25. l. 019 35.10-74.10
29. vl. 021 6.10» | 39-107!
=й
ы.
5 ky
1) Die Beziehung С, = 10, läßt sich auch leicht aus den Abbildungen
direkt ableiten. |
184 P. Rona und E. Bach:
Im allgemeinen konnten wir bei längerer Beobachtung der
Fermentlösung, falls kein Fäulnisprozeß eintrat, eine wesentliche
Änderung der Giftempfindlichkeit nicht beobachten. In den
meisten Fällen änderte sich auch die Fermentaktivität nicht
bedeutend; nur in zwei Fällen haben wir innerhalb kurzer Zeit
eine größere Abnahme der Aktivität beobachtet:
Ferment: 5fach verdünntes Kaninchenserum.
Versuchs- | | ж
ag 5” | * | | Dis | 081)
17. V. | 0,0116 | 0,0026 | 0,22 | 1,5-10-
19. V. 00061 | |
Ferment: 10fach verdiinntes Meerschweinchenserum.
— — — ä — — nn
ve he- | і |
аи р | 5 | Gem) | C (eL)
14. v. 00220 | 0,0030 | 014 © 1,8-10-2 | 1,2-10-5
15. v. 0.0103 | 0.0013 | 013 : 08-10-* | 68-1075
Obgleich die Fermentaktivität in diesen Fällen bis auf die
Hälfte vermindert war, blieben die tödliche und nicht mehr wirk-
same Giftdosis, sowie = gleich. Die Abschwächung der Ferment-
0
aktivität äußerte sich so, wie wenn die Fermentkonzentration ver-
ringert wäre.
In unseren Versuchen benutzten wir Kaninchen-, Katzen-,
Meerschweinchen- und Menschenserum. Die verschiedenen Tier-
arten zeigten nun große Unterschiede in ihrer relativen Empfind-
lichkeit (Empfindlichkeit gegen Änderung der Giftwirkung) gegen
das Gift, so daß die Konstante GE (deren Größe abhängt von der
0
Hemmungszunahme mit der Zunahme der Giftkonzentration) bei
den verschiedenen Tierarten sehr verschieden ist. Gewisse indi-
viduelle Unterschiede innerhalb einer und derselben Tierart sind
zwar auch vorhanden, sind aber viel geringer.
Die folgende Zusammenstellung gibt ein übersichtliches Bild
über die hier vorliegenden Verhältnisse:
Wirkung des Atoxyls auf Serumlipase. 185
Tierart i Co (g/L) | С, (g/L)
0
Kanninchen | 0,22 10- > | 46.107?
e | 0,31 8-10-* | 1,1-10-'
Я | 0,33 1.5. 101.5. 102
Katze | 0,13 | 1,5-10-7 | 18
22 0,10 | 2,6 10-* 2,5 + 10?
К 0,14 2,8 10-° 23
Meerschweinchen || 0,13 | 1,3 10—2 —
Mensch 081 | 2,2. Ю-* 3,9- 107?
” | 0,61 1,7 -10 =* 7,3 10-3
| 0,63 | 2,1-10°* 1,6 - 10°
Die Werte von Ж bewegen sich demnach |
0
bei Kaninchen 0,22 — 0,33
„ Katte 0,10—0,14
„ Meerschweinchen . 0,13
„ Mensch ....... 0,61 — 0,81
Nach diesen Befunden ist die Empfindlichkeit gegen die
Konzentrationsänderungen des Giftes bei der Menschenserum-
lipase sehr groB, bei der Katzen- und Meerschweinchenserum-
lipase sehr klein, in der Mitte liegt die Kaninchenserumlipase.
Dementsprechend stehen die Grenzwerte der total hemmenden
und noch nicht wirksamen Giftkonzentrationen (C und Co) bei
der Lipase des Menschenserums sehr nahe, bei der Lipase des
Katzen- und Meerschweinchenserums sehr weit voneinander.
So wurde beim Menschen eine Giftkonzentration von 7—8 · 10 Zeit,
als tödlich, eine von 1— 2. 10 g/L als unwirksam gefunden.
Im Gegenteil hemmten bei der Katze schon sehr geringe Gift-
konzentrationen (schon 10 7 g/l), und doch heben sehr große `
Giftdosen (mehrere % % die Fermentwirkung noch nicht auf.
Eine verhältnismäßig große Resistenz gegen Atoxyl zeigt die
Meerschweinchenserumlipase. Man wird schwerlich diese Unter-
schiede auf verschiedene Arten von Lipasen bei den verschiedenen
Tierarten zurückführen. Viel eher ist anzunehmen, daß der
Grund des verschiedenen Verhaltens in den entsprechenden
Seren liegt, dessen Natur allerdings erst zu erforschen ist.
IV.
Bei den bisherigen Versuchen war die Anordnung so, daß
die Sera (das Ferment) vor der Zufügung der Tributyrinlösung
ca. 1 Stunde lang mit den Giftlösungen standen. In den folgenden
186 P. Rona und E. Bach:
Versuchen haben wir gleiche Giftmengen auf gleiche Ferment-
mengen wirken lassen, aber die Reihenfolge des Zusammen-
bringens von Gift, Ferment, Substrat und auch die Wirkungs-
dauer des Giftes auf das Ferment werden variiert.
Versuch 17).
Vorhandenes
Nr Н Tributyrin | nach
Serum + Tributyrin (ohne Gift). . [100 | 74 | 54 | 41 | 0,0101 0
Tributyrin + Gift, dann Serum. . 1100 | 77 | 61 50 0,0082 | 0,19
Tributyrin + Serum, dann Gift . . [100 | 77 | 61 | 501 0,0082 | 0,19
1
3
4 Serum + Gift, dann Tributyrin . . [100 | 85 | 69 | 58] 0,0059 | 0,42
5 | Serum + Gift, nach 30° Tributyrin |100 | 92 | 89 | 81 | 0,0023 | 0,78
6 || Serum + Gift, nach GO Tributyrin [100 (96) 89 | 81 | 0,0021 | 0,80
Versuch 18!).
Vorhandenes =
Tributyrin D Dach `
1 Senin + Tributyrin (ohne Gift).
2 | Tributyrin + Gift, dann Serum.
3 | Tributyrin + Serum, dann Gift.
4 Serum + Gift, dann Tributyrin . .
5 : S
Tributyrin nach Е
0 | 15' |30 | 45’
1 | | Serum + Tributyrin (ohne Gift).
2 Tributyrin + Gift, dann Serum . 0,26
3 |Serum + Gift, dann Tributyrin . . 0,58
4 | Serum + Gift, nach 10’ Tributyrin | 100; — 0,89
5 || Serum + Gift, nach 60’ Tributyrin [100] — 0,94
Vorhandenes |
Tributyrin nach k | А
o |15° 30 |45
Serum + Tributyrin (ohne Gift) . 100 61 | 37 | 20 I 0,033 0
aus + Gift, dann Serum. . . 100 66 | 42 | 25 0,029 0,12
з erum + Gift, dann Tributyrin. .. 100 81 | 69 ! 55 10,013 ` 0,60
4 1115 + Gift, nach 30° Tributyrin 100 — 92 | 85 | 0,003 | 0,91
5 5 | Serum erum + Gift, nach 120’ Tributy rin 100 — | 92 | 85 | 0,003 | 0,91
от) Angewendet wurde Kaninchenserum. Wo keine besondere Angabe
ist, sind die einzelnen Bestandteile des Gemisches ohne Pause zusammen-
gegeben worden.
Wirkung des Atoxyls auf Serumlipase. 187
Aus diesen Versuchen ist folgendes zu entnehmen:
1. Es macht keinen Unterschied, ob das Serum der Tributyrin-
Giftmischung oder ob das Gift der Tributyrin-Serummischung
zugefügt wird.
2. Die Hemmung ist größer, wenn das Tributyrin dem Serum-
| Giftgemisch zugefügt wird, als wenn das Tributyrin zuerst mit
dem Serum vermischt und dann das Gift zugefügt wird.
3. Die Hemmung ist bedeutend größer, wenn das Tributyrin
der Serum-Giftmischung zugefügt wird, nachdem diese Mischung
eine Zeitlang gestanden hat, als wenn das Tributyrin der Serum-
Giftmischung sofort zugefügt wird. Und zwar macht es keinen
Unterschied, wenn das Tributyrin nach 30’ oder später der Serum-
Giftmischung zugesetzt wird.
4. Es besteht ein großer Unterschied, ob das Tributyrin der
Serum-Giftmischung, oder ob das Serum der Tributyrin-Gift-
mischung zugesetzt wird, und zwar ist im ersten Falle die Hem-
mung bedeutend stärker.
Die Versuche zeigen, daß die hemmende Wirkung des Atoxyls
nicht sofort, sondern erst nach einer gewissen Zeit (15—30’) sich
auf den endgültigen, höchsten Wert einstellt. Andererseits sieht
man auch, daß, wenn das Atoxyl zuerst mit dem Tributyrin zu-
sammengebracht wird, und erst dann mit dem Ferment, die
hemmende Wirkung viel geringer ist, als wenn das Atoxyl gleich
mit dem Ferment zusammenkommt. Man könnte annehmen,
daß im letzteren Fall und bei dem sofortigen Zufügen von Tribu-
tyrin zu der Gift-Fermentmischung ein Teil des Atoxyls von der
Fermentoberfläche durch das Tributyrin verdrängt" würde;
nach einem Stehen der Ferment-Giftmischung von 15—30 Mi-
nuten entstehen hingegen irreversible Änderungen am Ferment.
Zusammenfassung.
1. Die Giftwirkung des Atoxyls auf die Serumlipase ver-
schiedener Tiere wurde quantitativ verfolgt.
2. Es ergab sich, daß bei der Zunahme der Giftkonzentration
nach einer geometrischen Reihe die Geschwindigkeitskonstanten
des fermentativen Prozesses nach einer arithmetischen Reihe ab-
nehmen. Es besteht demnach die Beziehung 10 ka — Ёв = konst.
gB—logA
(x), wo Ё, und k, die Geschwindigkeitskonstanten bei den Giftkon-
zentrationen A und B bedeuten.
188 P. Rona und E. Bach: Wirkung des Atoxyls auf Serumlipase.
3. Wirken auf verschiedene Fermentmengen dieselben Giftkon-
ke — ky
ke’
wo die k, die Geschwindigkeitskonstante ohne Gift, Е, die bei der
Giftkonzentrationen A ist) gleich. Daraus folgt die Beziehung
zentrationen, so sind die Hemmungskoeffizienten (В, =
Е · = konst. Der Wert dieser Konstanten hängt von der relativen
Empfindlichkeit des Fermentes von dem Gift ab, d. h. von der
Empfindlichkeit des Fermentes gegen die Anderung der Gift-
konzentration.
4. Sowohl die absolute wie die relative Empfindlichkeit des
Fermentes gegen das Gift ist bei den verschiedenen Tierarten
verschieden. | |
5. Tributyrin übt eine „Schutzwirkung“ gegen die hemmende
Wirkung des Atoxyl aus.
188 P. Rona und E. Bach: Wirkung des Atoxyls auf Serumlipase.
3. Wirken auf verschiedene Fermentmengen dieselben Giftkon-
. І г. Е, — k
zentrationen, so sind die Hemmungskoeffizienten (h, = ы S 0
wo die k, die Geschwindigkcitskonstante ohne Gift, k, die bei der
Giftkonzentrationen A ist) gleich. Daraus folgt die Beziehung
х =
- = konst. Der Wert dieser Konstanten hängt von der relativen
0
Empfindlichkeit des Fermentes von dem Gift ab, d. h. von der
Empfindlichkeit des Fermentes gegen die Anderung der Gift-
konzentration. |
4. Sowohl die absolute wie die relative Empfindlichkeit des
Fermentes gegen das Gift ist bei den verschiedenen Tierarten
verschieden. 3 |
5. Tributyrin übt eine „Schutzwirkung“ gegen die hemmende
Wirkung des Atoxyl aus.
NM
Biochemische Zeitschrift
Beiträge
zur chemischen Physiologie und Pathologie
Herausgegeben von G. MEDICAL
F. Hofmeister -Wiirzburg, C. von Noorden -Frankfurt a. M.,
E. Salkowski-Berlin, A. von Wassermann-Berlin JAN 2
unter Mitwirkung von
М. Ascoli-Catania, L. Asher-Bern, G. Bertrand-Paris, A. Bickel-Berlin, F. Blume
Berlin, A. Bonannl-Rom, F. Bottazzi-Neapel, G. Bredig-Karlsruhe і. B., А. Durig-
F. Ehrlieh-Breslau, H. v. Euler- Stockholm, J. Felgl-Hamburg, 8. Flexner-New York,
J. Forasman- Lund, 8, Fränkel-Wien, E. Freund-Wien, H. Freundlich - Berlin - Dahlem,
E. Friedberger-Greifswald, E. Friedmann-Berlin, O. v. Fürth-Wien, G. Galeott!-Neapel,
F. Haber-Berlin-Dahlem, Н. J. Hamburger-Groningen, Р. Häri-Budapest, E. Hägglund-
Äbo, A. Heffter- Berlin, V. Henri-Paris, V. Henriques-Kopenhagen, W. Heubner-
Göttingen, R. Höber-Kiel, =. Jacoby-Berlin, А. Koch-Göttingen, F. Landolf-Buenos
Aires, L. Langstein-Berlin, P. A. Levene-New York, L. v. Liebermann - Budapest,
J. Loeb-New York, A. Loewy-Berlin, А. Magnus-Levy-Berlin, J. A. Mandel-New York,
L. Marchlewski-Krakau, P. Mayer-Karlsbad, J. Meisenhelmer-Greiiswald, L. Michaelis-
Berlin, Н. Molisch-Wien, J. Morgenroth-Berlin, E. Miinzer-Prag, W. Nernst-Berlin,
W. Ostwald-Leipzig, W. Palladin-St. Petersburg, W. Paull-Wien, R. Pfelffer-Breslau,
E. P. Plek-Wien, J. Pohl- Breslau, Ch. Porcher-Lyon, P. Копа - Bern, Н. Sachs-
Heidelberg, S. Salaskin-St. Petersburg, A. Scheunert-Berlin, N. Sleber-St. Petersburg,
8. P. L. Sörensen-Kopenhagen, K. Spiro-Liestal, E. H. Starling-London, J. Stoklasa-
Prag, W. Straub- Freiburg і. B., A. Stutzer- Königsberg i. Pr, K. Suto - Kanazawa,
H. v. Tappeiner- München, H. Thoms-Berlin. P. Trendelenburg-Rostock, O. Warburg-
Berlin, W. Wiechowski-Prag, A. Wohl-Danzig, J. Wohlgemuth-Berlin.
Redigiert von
C. Neuberg-Berlin
Hundertundelfter Band
Viertes bis sechstes Heft
Ausgegeben am 25, November 1920
Berlin
Verlag von Julius Springer
1920
Francisco,
EE
beträgt М. es e
ріге dungen ‚sind an den Redakteur, `
-rof. Dr. С. N euberg, Berlin- Dahlem,
fasser erhalten 60 Sonderabdrücke ihrer
gegen Berechnung. Für den 16 seitigen
M. 40.— gezahlt.
Verlagsbuchhandlung
Berlin W 9, Linkst
Inhalts verzeichnis.
Die Verteilung der Glucose zwischen
perchen. Zur Physiologie des Blutzucke
Experimentelle Studien uber die Eigenscha
unter Anwendung der chemischen Вејл
Experimentelle Untersuchungen über
hemischer, vasotonisierender Substanzen |
lebende Gefäße. III.
' Experimentelle Untersuchungen über d
‚chemischer, vasotonisierender Substanzen {
erlebende Gefäße. III.
rerzeichnis
Die Verteilung der Glucose zwischen Plasma und roten
Blutkörperchen.
Zur Physiologie des Blutzuckers. IV.
Von
Rich. Ege.
(Aus dem Physiologischen Institut der Universität Kopenhagen.)
(Eingegangen am 16. August 1920.)
Trotz zahlreicher, von einer Reihe von Forschern ausgeführter
Versuche herrscht doch noch große Uneinigkeit über die Ver
teilung der Glucose im Blute.
Bevor ich zu einer systematischen Durchnahme der Literatur über-
gehe, werde ich zum Beweis dafür, auf wie unsicherer Grundlage unser
gegenwärtiges Wissen beruht, Höbers Äußerung darüber anführen (,, Phy-
sikalische Chemie der Zelle und der Gewebe“, 4. Aufl., S. 369; 1914).
„ . Man findet z. B. zwar häufig die Blutkörperchen von Kaninchen
leer von Zucker, in anderen Fällen enthalten sie nicht unerhebliche Mengen.
Oder es kommt vor, daß die Blutkörperchen vom Menschen einmal gar
keinen Zucker enthalten, obwohl sie in einem zuckerhaltigen Plasma
schwimmen, oder es kommt auch das Umgekehrte vor, daß der Zucker-
gehalt innen über den außen überwiegt. Ferner ist bei einigen Glykämien
relativ viel Zucker im Plasma, bei anderen relativ viel in den Körperchen.
Kurz, man begegnet auf Schritt und Tritt bei diesem Nahrungsstoff Ver-
hältnissen, welche vom Standpunkt einer einfachen Verteilung infolge
Diffusion durch Membranen von verschiedener, aber wohl definierter
Durchlässigkeit bis jetzt nicht zu verstehen sind.““
Die älteste Untersuchung über den Glucosegehalt von Blutkörperchen
stammt von Otto"), der zu beweisen sucht, daß die allgemeine Annahme,
daß die Blutkörperchen zuckerfrei sind, richtig ist. Sind die Blutkörperchen
zuckerfrei, so muß man Hoppe-Seylers Methode zur Bestimmung des
Blutkörperchenvolumens modifizieren können. |
Die Methode erfordert nur eine quantitative Bestimmung irgendeines
Stoffes — der nicht in den Blutkérperchen vorhanden ist — in einer
Plasma- und einer Gesamtblutprobe.
1) Virchows Archiv 12.
Biochemische Zeitschrift Band 111. 13
$ e
190 Rich. Ege:
Bestimmt men den Glucoseprozentsatz im Plasma und Gesamtblut,
во muß man daraus einen Wert des Volumens der Blutl.örperchen berechnen
können, der mit. dem durch die Fibrinmethode erhaltenen Wert überein-
stimmt, unter der Voraussetzung, daß die Glucose tatsächlich in den Blut
körperchen n‘cht vorhanden ist.
Eine Übereinstimmung zwischen den beiden Methoden ist ein Beweis
dessen, daß in den Blutkörperchen kein Zucker vorhanden ist. Otto hat
2 Versuche mit Pferdeblut ausgeführt und findet eine schöne Überein
stimmung zwischen dem aus dem Fibrinprozentsatz in Blut und Serum
und dem aus dem Glucoseprozentsatz in Blut und Serum berechneten
Blutkörperchenvolumen. Die Blutkörperchen des Pferdes enthalten also
keine Glucose.
Wenn eine Reihe von grundlegenden Untersuchungen über die Per-
meabilität der Blutkörperchen von Greng, Hedin, Koeppe und Ham-
burger auch anscheinend durchaus widerspruchslos (wenn auch indirekt)
dargetan zu haben scheinen, daß die Glucose nicht in die Blutkörperchen
hineinzudringen vermag, so scheint es mir doch leichtsinnig, wenn spätere
Untersucher — Lyttkens und Sandgren — die Blutkörperchen zu
wiederholten Malen mit 0,9 proz. NaCl-Lösung waschen, um anhängendes
Plasma zu entfernen, bevor sie zu der quantitativen Bestimmung der
Glucose in den Blutkörperchen übergehen. Die Frage von dem Glucose-
gehalt der Blutkörperchen hängt jedoch so innig mit der Frage von ihrer
Permeabilität gezenüber Glucose zusammen, daß es kaum als zulässig
bezeichnet werden kann, davon auszugehen, daß der etwaige Zuckergehalt
der Blutkörperchen von dem wiederholten Waschen unberührt bleibt.
Gegen die erte Arbeit von Rona und Michaelis!) muß man den-
selben Einwand erheben, gegen die nächste Arbeit?) ist einzuwenden,
daß sie keine Bestimmung des Blutkörperchenvolumens enthält. Die Un-
sicherheit dieser Arbeit ist behoben worden in einer Arbeit von Rona und
Takahashi“), indem hier mit dem Hämatokrit quantitative Volumen-
bestimmungen unternommen worden sind. Die Resultate stimmen im großen
und ganzen mit denen von Rona und Michaelis überein.
Von interessierenden Versuchen führe ich folgende an:
Hund Glucosekonzentration in Bi
Plasma Blutkörperchen Р
1. Frohe 0,158 0,157 99,4
45 Min. später. . . 0,203 0,155 76,5
1½ Std. später . . 0,393 0,04 1,0
Bei der Katze betrug > von 4 — 144%.
Beim Kaninchen „ „ „ O—39%.
1) Diese Zeitschr. 16. 1909.
2) Diese Zeitschr. 18. 1909.
з) Diese Zeitschr. 30. 1911.
4) 5 ist das Verhältnis zwischen den Glucosekonzentrationen in Blut-
körperchen und Plasma (oder Serum).
Blutzucker. IV. 191
“A. Hollinger?) findet durch Vergleich zwischen der Blutzucker-
konzentration im Gesamtblut und Plasma bei Menschen, daß die Glucose
sich auch in den Blutkörperchen findet, bald in etwas größerer, bald in
etwas kleinerer Menge als im Plasma — unter normalen Verhältnissen —
in der Regel in identischen Mengen. Lyttkens und Sandgren?) finden,
daß gewaschene Blutkörperchen (Kaninchen) bedeutende Mengen von
reduzierender Substanz enthalten (Bangs Hydroxylaminmethode); aber die
Reduktion verschwindet nicht bei der Vergärung. Die Blutkörperchen ent-
halten also keine Glucose. Daß die Glucose nicht herausdiffundiert sein
kann, läßt sich aus dem Umstand schließen, daß der Zuckergehalt in Se-
rum + Spülwasser dem Zuckergehalt im Serum gleich war. Von Menschen-
blutkörperchen gilt dasselbe (diese Zeitschr. 31; 1911). Franks) findet
in der Regel ein gleich starkes Reduktionsvermögen für Plasma und Ge-
samtblut sowohl beim Menschen als beim Hund. Ab und zu ist das Re-
duktionsvermögen sogar stärker im Gesamtblut, d. h. daß die Glucose-
konzentration in der Regel im Plasma und in den Blutkörperchen gleich
groß, mitunter jedoch in den Blutkörperchen größer ist. In anderen Fällen
ist die Gesamtzuckerkonzentration um so viel geringer als die des Plasmas,
daß das Blutkörperchen zuckerfrei gewesen sein muß. Das Reduktions-
vermögen verschwand bei Vergärung. Ganz dasselbe, behaupten Frank
und Bretschneider“), ist der Fall bei Kaninchenblut. Hier ist das Blut-
suckervolumen bestimmt. Der Zuckerprozentsatz des Blutkörperchens
kann daher quantitativ angegeben werden. In 2 von 8 Versuchen mit nor-
malen Kaninchen int 5 = 0, in 5 Versuchen ist das Verteilungsverhältnis
bzw. 32, 79, 91 und 123%, (2 Fälle), in 4 Versuchen mit Hyperglykämie
33%, oder darunter. Entsprechende Resultate werden von Höber mit-
geteilt (nach Versuchen von Felix Sperling); bei normalen Hunden
schwankt 5 von 97 bis zu 33, in Fällen von Hyperglykämie von 38 bis
zu 0,0; bei (hyperglykämischen) Kaninchen schwankt der Quotient zwischen
110 und 8,79.
Die Zucker verteilung zwischen den Blutkörperchen und dem
Plasma scheint also kein einfaches Gesetz zu befolgen — eine Spur
von Gesetzmäßigkeit liegt doch vor, insofern Menschen- und
Hundeblutkörperchen in den meisten Fällen und nach den meisten
Untersuchern Glucose enthalten sollen, wohingegen die Gluoose
bei den übrigen Tieren oft fehlt, und wenn hier Glucose vorhanden
ist, findet sie sich in der Regel in einer geringeren Konzentration
als im Plasma; dies ist aber, wie bemerkt, nur ein in großen und
groben Zügen zutreffendes Gesetz, von dem es zahlreiche Aus-
1) Diese Zeitschr. 17. 1900.
з) Diese Zeitschr. 26. 1910.
3) Zeitschr. f. physicl. Chemie 90. 1910—1911::
4) H. 76. 1911—1912.
13*
192 Rich. Ege:
nahmen gibt. Ebenso widerspruchsvoll sind die ersten Angaben
über die Verteilung der Glucose, wenn diese dem Blut künstlich
zugeführt wird. ;
Direkte Permebialitätsuntersuchungen von Rona und Michaelis 1)
haben gezeigt, daß die Glucose bei Zusatz außerhalb des Organismus nicht
in Blutkörperchen von Schafen und Hunden einzudringen vermochte.
Die Versuche sind jedoch absolut nicht eindeutig, was die Hundeblut-
körperchen betrifft. Bei Katzen betrug 3 von 4—114% und bei Kaninchen
von 0,0—39%. Später haben Rona und Döblin?) zu zeigen versucht,
daß die Blutkörperchen tatsächlich für Glucose permeabel sind (die Unter-
suchungen wurden mit Menschenblutkörperchen angestellt, aber Rona
und Döblin verallgemeinern offenbar ihre Resultate). Die Zuckerkonzen-
tration wird in dem ursprünglichen Blut (Gesamtblut und Plasma) be-
stimmt. Das Blutkörperchenvolumen wird mittels Hämatokrit bestimmt.
Die Glucose wird polarimetrisch bestimmt. In dem ursprünglichen Blut
betrug 5 91, 32 und 68%. Danach wird Glucose zugesetzt, 2 Min. später
wird die Gluoosekonzentration wieder bestimmt, und man fand nun fol-
gende Verteilungs verhältnisse: 80, 59, 62, 66, 55. Entsprechende Ver-
hältnisse galten merkwürdigerweise nicht von der Verteilung zwischen Blut-
körperchen und Serum; die Menge Glucose, die hier primär in den Blut-
körperchen vorhanden ist, ist viel kleiner (in 3 Fällen von 7 gleich O, O),
und das Verteilungsverhältnis ist nach Zusatz von Zucker in den meisten
Fällen unter 33%.
Ebenso stark schwankende Resultate, wie Höber in betreff der Ver-
teilung von Glucose in vivo fand, findet er auch nach Zusatz von Glucose
zu Blutproben außerhalb des Organismus. Die Bestimmungen werden teils
unmittelbar nach dem Zusatz, teils etwa 1/, Std. später unternommen.
Kaninchen Plasma Blutkörperchen
Bofort эзе Gy eg 4 0,652 0,372
38 Min. später 0,712 0,000
[Die Glucose ist also aus den Blutkörperchen ins Plasma, von der
Stelle der niedrigeren Zuckerkonzentration bis zur Stelle der höheren
hinausgedrungen.
Sich über diese zahlreichen — oft einander direkt wider-
sprechenden — Resultate einen Überblick zu bilden, ist sehr
schwer; entweder muß eine Reihe der obengenannten Bestim-
mungen irrtümlich sein, oder auch muß man behaupten, daß
nicht nur zwischen den verschiedenen Tierarten ein Unterschied
besteht in betreff der Durchlässigkeit des Blutkörperchenhäutchens
1) Diese Zeitschr. 18. 1909.
2) Diese Zeitschr. 31. 1912.
Blutzucker. IV. 193
fiir Glucose, nein, dieselbe muB auch von Individuum zu Indivi-
duum schwanken. Aber wenn wir auch geneigt wären, eine so
sonderbare Erklärung zu akzeptieren, so ist uns damit nicht viel
geholfen; eine Reihe von Zahlen aus den Versuchen von Rona
und Michaelis und deren Mitarbeitern zeigen, falls sie richtig
sind, daß die Auswechslung von Zucker zwischen Blutkörperchen
und Plasma sich nicht durch eine einfache physikalische Diffusion
erklären läßt. Wenn Rona und Takahashi und Höber z. B.
in kontinuierten Proben finden, daß die Blutzuckerkonzentration
im Plasma steigt, in den Blutkörperchen fällt, so läßt dies sich
nicht gut erklären ohne Annahme von aktiver Sekretion von
Zucker seitens der Blutkörperchen. So sagt Höber!):
„Wir müssen daher schließen, daß die Blutkörperchen ihren Zucker-
gehalt von sich aus regeln, indem sie aktiv den Import bzw. Export be-
sorgen“, eine Annahme, die nur sehr schlecht mit unseren Kenntnissen
von dem Säugetierblutkörperchen übereinstimmt.
Da hier indessen Versuche gegen Versuche stehen, glaube ich,
daß es notwendig ist, neue Versuche anzustellen, bevor man so weit-
greifende Konsequenzen zieht. Hier kommt es in erster Reihe darauf
an, die Fehlerquellen zu vermeiden, mit denen frühere Versuche
behaftet waren. Von solchen Fehlerquellen können wir anführen:
1. Ungenaue (oder fehlende) Bestimmung des Blutkörperchen-
volumens.
2. Waschen der Blutkörperchen.
3. Die Glykolyse.
4. Unvollständige Kenntnis der Restreduktion oder Rest-
drehung bei der benutzten Methode.
5. Ungenauigkeiten bei der Zuckeranalyse selbst.
Die letzte von diesen Fehlerquellen ist sicherlich in vielen
Fällen die wesentlichste. Der Zuckergehalt der Blutkörperchen
wird von dem Zuckergehalt des Gesamtblutes und des Plasmas
aus berechnet; der Fehler des Zuckergehalts der Blutkörperchen
kann dabei ganz außerordentlich groß werden. Michaelis und
Rona?) setzen den Fehler ihrer Polarisationsanalyse zu bis 10%
von jeder einzelnen Bestimmung an — Lyttkens und Sandgren
wollen sogar behaupten, daß er 20% beträgt?).
1) Diese Zeitschr. 45. 1912.
з) Diese Zeitschr. 18. 1909.
3) Diese Zeitschr. 31. 1911.
194 Rich. Ege:
Der Einfluß, den dies auf das endgültige Resultat ausübt,
ist am leichtesten aus einem Beispiel zu ersehen. Wollen wir
annehmen, daß nach Rona und Michaelis die Zuckerkonzen-
tration im Plasma = 0,090%, im Gesamtblut = 0,090% wäre, so
bedeutet dies, daß der Zuckerprozentsatz in den Blutkörperchen
und im Plasma identisch ist; da die Bestimmungen bis um 10%
verkehrt sein können, ist es möglich, daß die wahren Werte im
Plasma = 0,10%, und im Gesamtblut = 0,08%, sind.
Ist das Blutkörperchenvolumen nun gering, z. B. 20%, so
bedeuten diese Zahlen, daß die Blutkörperchen keinen Zucker
enthalten. Mit anderen Worten, sind die Fehlergrenzen der
Methode so groß, daß sich in einem Falle, wie dem obengenannten,
nicht mit Sicherheit entscheiden läßt, inwiefern die Blutkörperchen
und das Plasma gleich viel Glucose enthalten, oder ob das Plasma
0,100 und die Blutkörperchen 0,00 enthält.
Die besten und zahlreichsten Untersuchungen über
die Glucoseverteilung zwischen Blutkörperchen und Plasnıa
nach Zusatz von Glucose rühren von Masing?) her.
Einer von den Gründen dazu, daß Masings Versuchsresultate
unter sich eine weit bessere Übereinstimmung zwischen den einzel-
nen Resultaten aufweisen, liegt meiner Meinung nach in seiner
direkten Bestimmung des Zuckergehaltes der Blutkörperchen;
statt diesen von der Zuckerkonzentration des Plasmas und des
Gesamtblutes aus zu berechnen, bestimmt Masing den Zucker-
gehalt des Plasmas und einer soweit wie möglich plasmafreien
Blutkörperchenmelasse, in welcher die Plasmamenge in der Regel
bestimmt wird.
Eine Unsicherheit bergen dennoch Masings Bestimmungen
in sich, indem seine Angaben über das Blutkörperchenvolumen
auf Bleibtreus Methode, eine Methode, die ganz falsche Werte
für das Blutkörperchenvolumen zu geben vermag?), beruhen; in
den Versuchen, in denen er mit einer ungefähr plasmafreien Blut-
körperchenmelasse arbeitete, hat dieses keine wesentliche Be-
deutung.
Die Resultate von Masings Versuchen sind, daß die Blutkö en
von folgenden Tieren für Glucose absolut impermeabel sind: Gans, Ka-
ninchen, Schwein und Schaf?). Dagegen sind Rinder-, Hunde- und Men-
1) Arch. f. d. ges. Physiol. 156. 1914.
2) Rich. Ege, diese Zeitschr. 109. 1920.
з) Nur ein Versuch mit jeder Tierart.
Blutzucker. LV. - 195
schenblutkérperchen permeabel fiir Glucose; jedoch ist von keiner Aus-
gleichung der Zuckerkonzentration die Rede; bei Hund und Rind beträgt
der Verteilungsquotient etwa 10%, bei Menschen etwa 70%; dieses Verhält-
nis ist jedoch nicht konstant; der Verteilungsquotient ist bei Menschen
ein fallender bei steigender Zuckerkonzentration; während er bei Zucker-
konzentrationen von 0, 2% in der äußeren Lösung 70%, beträgt, macht er
bei einer Zuckerkonzentration von 2%, etwa 50% aus. Die Geschwindig-
keit, mit der die Glucose in das Menschenblut hineindringt, ist nicht
quantitativ bestimmt worden; jedoch wird sie bei 20° nach weniger als
1/,—1 Std., bei 0° dagegen erst nach 18 Std. eingedrungen sein.
Behandelt man die Blutkérperchen mit Formol, so wird die Glucose
sich so nahezu gleichmäßig zwischen Blutkörperchen und äußerer Flüssig-
keit (Ringer) verteilen, daß der Unterschied innerhalb der Fehlergrenze
liegt; dies gilt sowohl von den früher impermeablen Blutkörperchen (Gans)
als von denen des Menschen. |
Ahnliche Untersuchungen sind von Kozawal) angestellt worden; er
findet gleichfalls, daß der Zucker in Menschen- (und Affen-) Blutkörperchen
eindringt, ohne daß jedoch ein Konzentrationsgleichgewicht erlangt wird.
Das Verteilungsverhältnis von Glucose zwischen Blutkörperchen und
Plasma ist bedeutend weniger konstant als nach Masings Befunden,
nämlch 38, 37, 72, 86, 58, 72, 86, 86, 62, 39, 60, 60, sämtlich bei einer
äußeren Konzentration von 0,6%. e
Die Hundeblutkérperchen waren gleichfalls permeabel fir x Zucker —
hier finden sich keine direkten Analysen für Glucose, für die übrigen ein-
fachen Zuckerarten ein Verteilungsverhältnis von etwa 25%. Sämtliche
Zuckeranalysen begannen 15 Min. nach dem Zuckerzusatz. Die Bestim-
mungen fanden nur statt im Plasma und Gesamtblut; die Zuckerkonzen-
tration der Blutkörperchen wurde berechnet.
Die Blutkörperchen von Kaninchen, Schwein und Katze
sind dagegen impermeabel für die einfachen Zuckerarten. Koza-
was und namentlich Masings Untersuchungen haben in vielen
Stücken unser Wissen von der Permeabilität der Blutkörperchen
gegenüber Glucose bereichert, aber gleichzeitig erheben sich eine
Reihe neuer Fragen, die ihrer Lösung harren.
1. Entsprechen die gefundenen Verteilungsverhältnisse, die
nach Masing beim Menschen etwa 70%, beim Rind und Hund
von 33 bis 10%, betragen, einem tatsächlichen Gleichgewichts-
zustand ?
2. Ist das Verteilungsverhältnis konstant, oder ist es, wie
Masing behauptet, von der Zuckerkonzentration der äußeren
Flüssigkeit abhängig?
1) Diese Zeitschr. 60. 1914 und Journ. of physiol. 53. 1919.
196 | Rich. Ege:
3. Gilt die Gesetzmäßigkeit, die Masing in betreff der Ver-
teilung von zugesetztem Zucker findet, auch von der Verteilung
der Glucose unter normalen Verhältnissen, oder sind die Analysen
der früheren Untersucher richtig, nach denen anzunehmen war,
` daß die Blutkörperchen imstande sein müßten, ihren Zuckergehalt
aktiv zu regulieren?
4. Wie ist die Zuckerverteilung zwischen Blutkörperchen und
Plasma zu erklären? * |
Eigene Versuche.
Eine rein empirische Untersuchung über das Mengenverhältnis
von Glucose in Plasma und Blutkörperchen ist an und für sich
nur wenig befriedigend. Man wird unwillkürlich die Frage erheben:
Was ist die Ursache dieser Verteilung und welchen Gesetzen
unterliegt sie? Man darf aber natürlicherweise die beiden Fragen,
die Verteilung der präformierten Glucose zwischen Blutkörperchen
und Plasma und die Verteilung von zugesetzter Glucose, nicht
voneinander trennen, wie die meisten früheren Untersucher getan
haben; die ersten bestimmten nur die Verteilung der präformierten
Glucose, Masing dagegen untersucht nur die Verteilung der zu-
gesetzten Glucose. Eins von den wichtigsten Mitteln zur Klar-
legung der Kräfte, welche für die Zuckerverteilung maßgebend
sind, ist eben die Untersuchung des Verhaltens der zugesetzten
Glucose, während man natürlicherweise die gefundenen Gesetze
mittels der Verteilungsverhältnisse unter normalen Verhältnissen
zu verifizieren suchen wird.
Wie ich früher bemerkt habe, muß man die Glucosekonzen-
tration im Plasma und in einer Blutkörperchenbreimelasse (mit
bekanntem Plasmagehalt) bestimmen; analysiert man außerdem
das Gesamtblut, so erhält man eine Kontrolle von der Genauigkeit
der Analysen. Erst später, nach der Anschaffung einer schnell-
laufenden Zentrifuge wurde es möglich, durchaus plasmafreie
Blutkörperchen für die Analyse zu gewinnen, wodurch die Sache
natürlich ganz wesentlich vereinfacht wird.
Die Analysen wurden nach Bangs Mikromethode mit der
von mir beschriebenen Modifikation ausgeführt. Da die Methode,
wie aus einer früheren Arbeit hervorgeht!), nur eine ganz geringe
Restreduktion ergibt, sind die Reduktionswerte, die man durch
1) Diese Zeitschr. 107.
| Blutzucker. IV. 197
die Analysen findet, sehr nahezu ein Maß vom Inhalt des Blutes
an einfachen vergärungsfähigen Kohlenhydraten.
In den folgenden Tabellen, in denen die Versuchsresultate
angeführt sind, gibt die erste Kolonne die laufende Nummer, die
zweite die Art des Blutes (defibriniert, Oxalat usw.), die dritte
Zuckerzusatz oder keinen Zuckerzusatz sowie die Zeit zwischen
dem Zuckerzusatz und der Trennung von Blutkörperchen und
Blutflüssigkeit, die vierte den Blutkörperchenzuckerprozentsatz,
die fünfte Plasma- oder Serumprozentsatz, die sechste den Zucker-
Tabelle I.
Die Zuckerverteilung zwischen Blutkörperchen und Blutflüssig-
keit bei der Ziege. |
112 3 4 5 6 7 8 9
Blut- | Plasma Gesamt- Gesamt- в B,
körper- oder |blut, ge- | blut, be- P Pi
x chen Serum | funden | rechnet
1 | Def. Ohne Zucker- 0,005 | 0,046 | 0,039 | 0,037 | 11,0
zusatz "
2 — Mit Zucker- 0,002 | 0,084 | 0,064 | 0,066 2,4 | ~8,0
zusatz `
. 3 Stunden
3 — Mit Zucker- 0,0162) 0,118 | 0,095 (13,6)| (15,3)
zusatz
3 Stunden
4 — Mit Zucker- | 0,007 | 0,163 | 0,129 | 0,128 4,3 1,7
zusatz
3 Stunden
5 Oxalat Ohne Zucker- 0,005 | 0,042 | 0,034 | 0,034 | 11,9
zusatz
6 — Mit Zucker- | 0,002 | 0,123 | 0,091 | 0,097 1,6 | 40
' zusatz
› 2 Stunden
7 — Mit Zucker- 0,004 | 0,144 | 0,12] | 0,114 2,8 | —10
zusatz
2 Stunden
5 Nach 24 Std. 0,009 | 0,042 10,0
7 Stehenlassen 0,007 | 0,144 20
8 | Def. Ohne Zucker- 0,007 | 0,067 | 0,059 | 0,057 | 12,7
zusatz e
9 — | Mit Zucker- | 0,021 | 0,197 10,7 10,7
zusatz
1 Stunde
10 — Mit Zucker- 0,010 | 0,378 | 0,326 | 0,317 3,1 1,0
zusatz
1 Stunde
M=1,5
1) Berechnet. 260
198 Rich. Ege:
Tabelle II.
Die Verteilung beim Rind.
1| 2 3 | 4 5 | 6 | 7 | 8 d
| Blut- | Biut- Gesamt- Gesamt-| р B,
körper- | filissig- blut, ge- | blut, be- P P.
chen keit funden | rechnet l
i | Fluorid [Ohne Zucker-| 0,023 | 0,081 28
zusatz
2 Mit Zucker- 0,024 | 0,205 11,7 0,8
zusatz
| . 2 Stunden
3 e — 0,050; 0,810 | 758 48
4 | Def. Ohne Zucker- 0,002 | 0,107 tz Lä
zusatz
5 Mit Zucker- | 0,012! 0,221 5,4] 5,4
zusatz
3 Stunden
6 — 0,027 | 0,650 42|) 4,2
7 | Oxalat Ohne Zucker-| 0,020 | 0,077 | 0,065 | 0,058 | 26
zusatz
8 Mit Zucker- | 0,024 | 0,203 11,8| 3,2
zusatz t
3 Stunden
9 — 0,019 | 0,323 12,01 6,1
10 — 0,058 | 0,640 91) 6,7
11 = 0.032 | 1,39 2,3 0,9
12 | Def. Ohne Zucker-| 0,026 | 0,260 10
zusatz
Mit Zucker- 0,031 | 0,681 4,5; 1,2
zusatz
2 Stunden
— 0,027 | 0,640 ‚| gesättigt
mit CO,
M = 40
708
prozentsatz im Totalblut, gefunden durch direkte Analyse, die
siebente denselben berechnet, die achte das Verhältnis zwischen
dem Zuckergehalt in den Blutkörperchen und in der Blutflissig-
keit, ausgedruckt in Prozent (5) , die neunte das Verhältnis zwischen
P
der Zuckerzunahme in den Blutkörperchen und der Blutflüssig-
keit an (50 S
P, i
Ein Blick auf die oben angeführten Tabellen wird genügen,
um zu zeigen, daß die Zuckerverteilung beim Menschen ganz
andere Gesetze befolgt als bei den anderen untersuchten Tieren.
Bei einer weiteren Behandlung der gewonnenen Resultate
ist das Material daher in zwei Abteilungen zu teilen:
Blutzucker. IV. 199
Tabelle III.
Die Verteilung beim Kaninchen.
Gesamt-
e | blut, be-
rechnet
; 0,054) 0,055
Blut-
körper-
chen
zusatz
2 Mit Zucker- | 0,005 | 0,092 | 0,070 | 0,072 5,6
zusatz
2 Stunden
3 — `1 0,007 | 0,128 | 0,101 | 0,101 5,6
4 — 0,003 | 0,173 | 0,128 | 0,134 — 1,0
5 | Def.“) [Ohne Zucker- 0,027 | 0,095
zusatz
6 Mit Zucker- | 0,040 | 0,528
zusatz
6 Stunden
— 0,027 0,478?) (0,1% mit Bezug
auf KCl)
8 — 0,0380, 4670 (01% mit Bezug
auf CaCl,)
9 | Oxalat Ohne Zucker- 0,007 | 0,144 | 0,102 | 0,106
zusatz
10 Mit Zucker- | 0,008 | 0,186 | 0,132 | 0,136 2,4
zusatz
4 Stunden
11 — 0,003 | 9,196 | 0,159 | 0,151 — 1,1
М = 1,0
225
I. Verteilung bei den untersuchten Tieren (mit Ausnahme
des Menschen).
II. Verteilung beim Menschen.
I. Die Glucoseverteilung ist hier untersucht worden bei Hund,
Ziege, Rind und Kaninchen. Zwischen diesen Tierarten unter sich
besteht kein wesentlicher Unterschied.
Der Zuckerprozentsatz wurde bestimmt in der Blutkörper-
chenmelasse und im Plasma, in einigen Versuchen außerdem im
Gesamtblut; da man ja sowohl die Glucosekonzentration der Blut-
körperchen als die des Plasmas kennt, kann der Zuckergehalt des
1) Der niedrige Zuckerprozentsatz beruht auf einer Beimischung
von Ringerscher Lösung.
2) In 7 und 8 sollte dieselbe Zuckerkonzentration vorliegen wie in 6;
wenn sie doch etwas davon abweicht, so beruht dies auf der Verdünnung
mit bzw. Leem 1 proz. KCl und CaCl, zu 10 ccm Blut 1 com Glucoselösung.
3) Nierenexstirpation 6 Tage vorher, Restreduktion nicht bestimmt.
200 Rich. Ege:
Tabelle IV.
Die Verteilung beim Hund.
Blut- Blut- | Gesamt- | Gesamt-
körper- | flüssig- | blut, ge- | blut, be-
chen keit funden | rechnet
1 | Defibr. |Ohne Zucker-| 0,008 | 0,107 | 0,057 | 0,068
zusatz
2 — 0,027 | 0,082 | 0,065 | 0,065 3,3
A Mit Zucker- | 0,034?) 0,118 | 0,093 - (29) (19)
zusatz
24 Stunden
4 — 0,030 | 0,164 | 0,127 | 0,127 18 3,7
5 — 0,032 | 0,164 20 6,1
6 | Oxalat |Ohne Zucker-| 0,046 | 0,074 62
zusatz
7 Mit Zucker- | 0,040 | 0,245 16 | 3,5
zusatz
6 Stunden
8 | Defibr. Ohne Zucker- 0,022 | 0,149 | 0,109 | 0,108 14
zusatz
9 Mit Zucker- | 0,024 | 0,438 | 0,307 | 0,316 5,5 0,7
zusatz
1 Stunde
10 — 0,029 | 0,672} 0,513 | 0,492 4,3 1,3
11 — 0,026 | 1,25 | 0,940 | 0,950 2,6 0,0
12 | Fluorid|Ohne Zucker-| 0,034 | 0,100 34
zusatz
13 — Mit Zucker- | 0,016!) 0,144 | 0,094 (+11) [C 41)
zusatz
6 Stunden
14 — — 0,045 | 0,375 12,6 4,3
15 — — 0,030 | 1,16 2,7 0,0
16 | Oxalat Ohne Zucker-| 0,040 | 0,202 20
zusatz
17 Mit Zucker- | 0,048 | 1,59 3 0,1
zusatz
3 Stunden |
M= 1,4
+10
Gesamtblutes auch berechnet werden, wodurch man eine Kontrolle
für die Richtigkeit und Genauigkeit des Versuches erhält®).
einzelnen Versuchen ist die Blutkörperchenanalyse verlorenge-
gangen; in diesen Fällen wurde der Wert berechnet; diesen Be-
1) Berechnet.
2) Die einzige Bestimmung, die ohne Kontrolle bleibt, ist das Blut-
körperchenvolumen; wenn dieser Bestimmung auch ein gewisser systema-
tischer sowie zufälliger Fehler anhaftete, so würde doch eine schöne
Übereinstimmung zwischen dem gefundenen und dem berechneten Ge-
samtblut erzielt werden können.
. Blutzucker. IV. 201
Tabelle V.
Die Verteilung beim Menschen.
1 2 3 67
Blut- Blut- | Gesamt- Gesamt- | B B,
körper- | flüssig- blut, ge- | blut, eg P P
chen keit funden | rechnet 1
zusatz
2 Sg
3 Mit Zucker-
zusatz
1½ Stunde
4 ES
5 Set
6 Be
7 =
8 Mit Zucker-
zusatz
24 Stunden
9 25:
10
11 —
12 Ohne Zucker-
zusatz
13 Mit Zucker-
zusatz
2 Stunden
14 —
15 Ohne Zucker-
zusatz
16 Ohne Zucker-
zusatz
17 Mit Zucker-
zusatz
3 Stunden
stimmungen kann jedoch nicht eine so groBe Bedeutung bei-
gemessen werden wie den übrigen Bestimmungen.
Die zugesetzte Glucose wurde entweder, in NaCl gelöst, in
einer solchen Menge zugesetzt, daß die Lösung mit 0,9 proz. NaCl
isosmotisch ist, oder in abwechselnder Menge einer mit dem Blut
isosmotischen Glucoselösung (5—6%).
Wenn es richtig ist, daß die Glykolyse vorzugsweise oder aus-
schließlich in den Blutkörperchen stattfindet, wird eine etwaige
Glykolyse das wahre Verteilungsverhältnis vollständig ver-
schleiern können; kurze Zeit nach Anfang der Zentrifugierung
sind die Blutkörperchen einigermaßen vollständig daran verhindert,
1) Placentarblut.
202. Rich. Ege: .
einen etwaigen Zuckerverbrauch durch Diffusion von dem Plasma
ausgeglichen zu erhalten, wenn das Häutchen auch für Glucose
permeabel ist. Da oft über 1—2 Stunden vom Anfang der Zentri-
fugierung an bis zur Trennung von Blutkörperchen und Blut-
flüssigkeit nebst der darauffolgenden Fällung der Proteinstoffe
und Hemmung sämtlicher enzymatischer Prozesse verstreichen,
wird eine kräftige Glykolyse ein vollständiges Verschwinden des
ganzen Zuckergehaltes des Blutkörperchens bewirkt haben und
somit eine Impermeabilität für Glucose vorspiegeln können.
Um sich auf das gefundene Verteilungsverhältnis verlassen zu
können, muß man daher die Glykolyse verhindern.
Die ersten Versuche wurden daher angestellt mit Blut, zu
dem Natriumfluorid (2% ) oder Kaliumoxalat (1°/,,) gesetzt
worden war, durch welchen Zusatz die Glykolyse den allgemeinen
Angaben gemäß gehemmt wird; nach meinen eigenen Versuchen
kann man meiner Ansicht nach noch weiter gehen und behaupten,
daß die Glykolyse in den meisten Fällen vollständig aufgehoben
wird. Da es indessen möglich ist, daB die Zuckerverteilung in
dem normalen Blut eine andere ist, wird man genötigt sein, auch
in defibriniertem Blut Bestimmungen anzustellen. Um zu unter-
suchen, ob die Glykolyse in dem Falle so groß ist, daß sie auf die
Resultate wird einwirken können, stellte ich ein paar Bestim-
mungen des Grades der Glykolyse in defibriniertem Blut bei Ziege
und Hund bei gewöhnlichgr Temperatur an.
Schwund
Ziege: pro Stunde
Die Zuckerkonzentration sofort. 0,156% 0,6%
e 5 nach 1544. Stehen . 0,155% 0,5%
55 7 „ SU Ed. „ . 013% 0,5%
en A „ 44std. „ . 0, 118% 779
Нора:
Die Zuckerkonzentration sofort. 0,074%
» » nach einem Stehen von 3 Std. 2,1%
und 15 Min. 0,068%
ә „ nach einem Stehen von 20 Std. 0,8%
und 15 Min 0, 062%
Versuch mit zugesetzter Glucose:
Die Zucker konzentration sofort. 0,480%
„ 8 nach einem Stehen von 3 Std.
und 15 Min 0,473%.
Blutzucker. IV. 203:
Der Zuckerschwund beim Stehenlassen (Glykolyse?) ist nicht
groß; da die verschwundene Menge dieselbe absolute Größe hat,
ist der prozentische Zuckerschwund in den Versuchen mit zu-
gesetztem Zucker noch geringer, in der Regel so gering, daß man
davon absehen kann; dies wäre dagegen kaum geraten in Versuchen
mit niedrigen Zucker konzentrationen. Ein Schwund von 2% des
Gesamt blutzuckers pro Stunde wird einen Schwund von 6 des
Blutkörperchenzuckerprozentsatzes ausmachen, falls das Volumen
der Blutkörperchen 330% beträgt und die ganze Glykolyse in den
Blutkörperchen stattfindet.
Da die Glykolyse den Zahlen anderer V gemäß be-
deutend größer sein kann, namentlich bei den Tieren, deren Blut-
körperchen Glucose enthalten, muß man besondere Maßregeln
treffen, um die Glykolyse zu verhindern, wenn man mit defi-
briniertem Blut arbeitet. |
Ich habe daher die Zentrifuge it einem Mantel umgeben, in den eine
Kältemischung getan wurde Bei kurzwieriger Zentrifugierung konnte die
Temperatur auf 7—9° gehalten werden; da ich befürchtete, daß diese
Temperatur nicht niedrig genug sei für eine effektive Herabsetzung der
Glykolyse, würden die kleinen Zentrifugengläser, die das Blut enthielten,
in größeren Gläsern angebracht, die darauf mit Eis gefüllt wurden.
Nach dem Zuckerzusatz blieben die Proben bei gewöhnlicher Tem-
peratur stehen, aber von dem Augenblick an, wo die Abpipettierung statt-
fand, bis zu dem Augenblick, wo die Glykolyse durch Fällung der Protein-
stoffe durch Kochen in der Salzlösung absolut verhindert war, standen die
Proben auf Eis.
Von den Kolumnen der Tabellen haben 5 und = das meiste Interesse
1
fiir uns und von ihnen vielleicht wiederum die letztere Größe, von welcher
aus man воќе entscheiden können, ob die Glucose durch die Membrane
des Blutkörperchens hineindringt oder nicht.
= Osein, hat Bı einen positiven
P, P,
Wert, so ist das Häutchen permeabel für Glucose. Ä
Der Erklärung der Zuckerverteilung zwischen Blutkörperchen und
Plasma ist die allgemeine Betrachtung der Blutkörperchen als Zellen
zugrunde gelegt, die von einer Zellenmembran umgeben sind, welche für
gewisse Stoffe permeabel, für andere Stoffe impermeabel ist. Inwiefern
diese Auffassung berechtigt ist oder nicht, wird in einer späteren Publi-
kation erörtert ee
Die. Größe. p — ist nun. bei diesen Kate O oder sehr nahe zu 0.
Die RRE Zahl der Kolumne P ist allerdings positiv, aber vom
Rinde abgesehen, ist sie kleiner als 2— ‘Smal den mittleren: Fehler, was
Ist die Membrane impermeabel, soll;
204 Rich. Ege:
bedeutet, daß der positive Wert von Versuchsfehlern herrühren kann und
sicherlich davon herrührt.
Nur beim Rinde ist die mittlere Zahl größer als 2—3 mal den mitt-
leren Fehler.
In Übereinstimmung mit einer Reihe früherer Verfasser
möchte man sich daher vielleicht versucht fühlen, die Rinder-
blutkörperchen als wenig permeabel für Glucose zu bezeichnen.
Dieser Begriff selbst ist indessen sinnlos, wenn er nicht nur schwer
permeabel bezeichnen soll, was er jedoch im größten Teil der
Permeabilitatsliteratur nicht tut. Wenn die Membran überhaupt
permeabel ist, muß die Konzentration des Stoffes, wenn das
Gleichgewicht erreicht ist, durch das Verteilungsverhältnis des
Stoffes zwischen den beiden Medien bestimmt und von der Mem-
bran vollständig unabhängig sein, wenn von der Masse der
Membran abgesehen wird — die Membran ist nur maßgebend
für die Zeit, welche vor dem Eintreten des Gleichgewichts ver-
streicht, nicht aber für die Stoffverteilung nach dem Eintreten
des Gleichgewichts.
Der geringe, aber doch deutlich positive Wert von = beim
1
Rinde beruht sicherlich auf einem systematischen Versuchsfebler,
indem es bei der langsam laufenden Zentrifuge nicht möglich war,
die Rinderblutkörperchen absolut quantitativ zusammen zu
zentrifugieren, wie man dies bei dem Blut der anderen Tierarten
zu tun vermochte.
Bei der Untersuchung der Stoffverteilung ist es daher von
entscheidender Bedeutung, zu wissen, ob man tatsächlich dem
Gleichgewichtszustande gegenüber steht.
Wenn ich auch ursprünglich davon ausging, daB das Gleich-
gewicht infolge der gewaltigen Oberfläche und des minimalen
Diffusionsweges sich einigermaßen momentan einstellen müsse,
so zeigte eine Reihe von Versuchen, die späterhin veröffentlicht
werden sollen, daß man, was die Anionen betrifft, damit rechnen
muß, daß die Diffusion vom Plasma zu dem Blutkörperchen eine
beträchtliche Zeit in Anspruch nehmen müsse. Es ist daher
möglich, daß die gefundene Zuckerverteilung nicht dem Gleich-
gewichtszustande entspricht. Eine solche Ansicht scheint sofort
von den genannten Tabellen widerlegt zu werden, aus denen man
sieht, daß das Verteilungsverhältnis einigermaßen unabhängig
davon ist, ob die Glucose 1, 2 oder 6 Stunden vor der Trennung
Blutzucker. IV. 205
zugesetzt wurde, ja sogar ein 24stiindiges Stehen mit der Glucose
scheint keinen merkbaren EinfluB gehabt zu haben.
In einem besonderen Versuch, in welchem ich Rinderblut-
körperchen mit etwa 5% Glucose mischte und die Mischung 2 Tage
stehen ließ, enthielt das Plasma zu diesem Zeitpunkt 3,33%,
Glucose, die Blutkörperchen 0,15%, Glucose, >= 4,5%.
Es ist daher nicht möglich, die Versuche in anderer Weise
zu deuten, als daß das Blutkörperchenhäutchen bei Kaninchen,
Ziege, Rind und Hund für Glucose impermeabel ist!).
Die Versuche wurden ausgeführt sowohl mit defibriniertem
Blut als mit Blut, zu dem Natriumfluorid, Kaliumionen (sowohl
in Form von Kaliumoxalat als Kaliumchlorid) und Calciumchlorid
gesetzt war; ein Unterschied war nicht zu bemerken; die Blut-
körperchenmembran war in allen Fällen impermeabel für Glucose.
Es zeigte sich ferner, daß Veränderungen der CO,-Spannung keine
Veränderung bewirkten.
Von nicht geringem Interesse ist das Verhältnis Е. das die
Verteilung von reduzierenden Stoffen zwischen Blutkörperchen
und Plasma unter natürlichen Verhältnissen angibt. Die Tiere,
deren Blutkörperchen impermeabel für Zucker sind, enthalten
nur kleine Mengen von reduzierender Substanz, aber der Gehalt
ist doch in der Regel so groß und so konstant, daß von Versuchs-
fehlern kaum die Rede sein kann. Die Menge von reduzierender
Substanz schwankt bei Ziege und Kaninchen zwischen 0,004
1) Brinkmann und van Dam haben (Arch. internat. de physio-
logie 1919 und diese Zeitschr. 105. 1920) zu zeigen gesucht, daß die Blut-
körperchen sowohl des Menschen als des Frosches unter normalen Ver-
hältnissen für Glucose impermeabel sind, daß sie aber, wenn das Blut
aus den Gefäßen hinauskommt, permeabel werden. Diese Permeabilität
ist daher nicht als normale Eigenschaft aufzufassen, sondern als eine Folge
einer in den allerersten Phasen der Koagulation des Blutes auftretenden
Beschädigung, die gleichfalls beim Gebrauch der meisten koagulations-
hindernden Mittel auftritt, da diese die ersten Phasen am Koagulations-
prozeß nicht hindern.
Auf den Hauptpunkt von Brinkmann und van Dams Abhand-
lung werde ich später zurückkommen, hier möchte ich nur vor einer
Verallgemeinerung ihrer Resultate warnen. Die Blutkörperchen der ge-
nannten Tiere sind und bleiben impermeabel trotz des Eintretens der
Koagulation und trotz des Gebrauchs der koagulationshindernden Mittel.
Biochemische Zeitschrift Band 111. 14
206 Rich. Ege:
und 0,007, welche Größe also der Menge der Restreduktion ent-
spricht. Etwas anders stellt sich das Verhältnis beim Hunde;
hier ist die Menge der reduzierenden Substanz in den Blutkörper-
chen in den meisten Fällen so groß, daß auch der Umstand, daß
sämtliche reduzierende Stoffe des Blutes sich in den Blutkörperchen
befänden, nicht genügen würde, um das große Reduktionsvermögen
zu erklären.
Da ich in einer früheren Arbeit!) gezeigt habe, daß die rest-
reduzierenden Stoffe sich einigermaßen gleichmäßig zwischen
Plasma und Blutkörperchen verteilen, herrscht also kein Zweifel
darüber, daß die Hundeblutkörperchen eine gewisse geringe Menge
Zucker enthalten, während sie sich bei Versuchen in vitro als
impermeabel für Glucose erwiesen.
Es läßt sich wohl kaum leugnen, daß die einfachste Erklärung
dafür, daß die Glucose — sei es, daß sie sich präformiert vor-
findet oder dem Plasma zugesetzt worden ist — nicht in die Blut-
körperchen hineindringt, die ist, daß das Blutkörperchen von einer
für Glucose impermeablen Membran umgeben ist.
Nichtsdestoweniger würde es von großem Interesse sein, zu
untersuchen, wie die Glucose sich zwischen Plasma und Blut-
körperchengehalt verteilen würde, wenn die impermeable Mem-
bran entfernt oder zerstört würde. Wie die Glucose sich in solchen
Fällen verteilen würde, habe ich in 3 verschiedenen Weisen fest-
zustellen versucht:
1. Durch Untersuchung der Glucosekonzentration im Plasma
und Blutkörperchensaft bei voller Sättigung.
2. Durch Dialysieren von glucoschaltigem Plasma gegen
glucosehaltigen Blutkörperchensaft.
3. Durch Untersuchung der Glucoseverteilung zwischen
Plasma und Blutkörperchen nach Formolbehandlung.
1. Verteilung bei voller Sättigung.
10 cem Blutkörperchensaft (cin Rinderblutkörperchenbrei,
19% Plasma enthaltend, mit Sand gerieben und mit Kieselgur
gepreßt) und
10ccm Plasma wurden mit Glucose gesättigt durch Sstündiges
Schütteln mit Überschuß von Glucose; um die Lösungen von auf-
geschwemmten Glucosepartikeln zu befreien, wurden sie 11/, Stun-
den zentrifugiert.
h Diese Zeitschr. 107. 1920.
Blutzucker. IV. 207
Die Zuckeranalyse ergab:
1 ccm Plasma enthielt....... 0,41 g
1 ccm Blutkörperchens aft. 0,33 g.
Das Verteilungsverhältnis bei voller Sättigung!) ist also 80%.
Die Trockenstoffbestimmung ergab in dem
Blutkörperchensaft 71 Volumenprozent H,O
Plasma 92 m H,O.
Das Verhältnis zwischen den Wassermengen = 77.
Bei voller Sättigung ist das Glucoseverteilungsverhältnis `
zwischen dem Blutkörpercheninhalt und dem Plasma ungefähr
gleich dem Verhältnis zwischen den Wassermengen.
2. Um zu untersuchen, ob diese Regel auch bei den niedrigen
Zuckerkonzentrationen Stich hält, bei denen die Versuche aus-
geführt wurden, suchte ich Plasma und Blutkörperchensaft gegen-
einander zu dialysieren.
Leider ergaben diese Versuche kein brauchbares Resultat.
Das Gleichgewicht stellt sich nämlich, trotzdem eine fortwährende
Mischung sowohl der inneren als der äußeren Lösung stattfindet,
so langsam ein, daB man keine Garantie dafür hat, daß das absolute
Gleichgewicht eingetreten sein wird, bevor die Flüssigkeiten zu
verfaulen beginnen und der Versuch daher unterbrochen werden „
muß. |
Wenn ich, trotzdem ich Versuche angestellt habe mit Plasma
und Blutkörperchensaft, wozu ich Glucose gesetzt hatte, sodaß
das Verteilungsverhältnis um 75% zu liegen kam und das Gleich-
gewicht daher — nach dem vorhergehenden Versuche zu urteilen —
von vornherein vorhanden sein mußte, doch nicht zu behaupten
wage, daß nach 4tägiger Dialysierung ein Gleichgewicht erziclt
war, so beruht dies darauf, daß es mir nicht möglich gewesen war,
einen Glucoseschwund zu verhindern, und daß dieser anscheinend
im Blutkörperchensaft am größten war.
Die Verteilungsverhältnisse, die ich nach dieser Methode
zwischen 40 und 60% liegend fand, betrachte ich daher nicht als
reell.
3. Masing hat gezeigt, daß das Blutkörperchenhäutchen
nach einer angemessenen Formolbehandlung für Glucose permeabel
——
1) Es mag zweifelhaft sein, ob die volle Sättigung erreicht wurde, da
aber die Proben durchaus gleich behandelt wurden, hat man es sicherlich
erreicht, einigermaßen denselben Sättigungsgrad zu erzielen.
14*
208 Rich. Ege:
wird; nach der Formolbehandlung wird die Glucose sich ,,einiger-
maßen gleichmäßig“ zwischen Blutkörperchen und Plasma ver-
teilen bei den Tieren, bei denen das Häutchen sonst für Glucose
impermeabel ist.
Dazu kann ich noch den Aufschluß fügen, daß die Formol-
behandlung (das Blut zu etwa 2%, wird etwa 24 Stunden stehen
gelassen) das Blutkörperchenhäutchen überaus leicht permeabel
für Elektrolyten macht, wie ich dies in einer späteren Arbeit
eingehender darstellen werde.
Durch Untersuchungen über die Glucoseverteilung zwischen
Plasma und formolbehandelten Blutkörperchen sollte man
also das Verteilungsverhältnis bestimmen können, so wie dies
sich von der impermeablen Membrane unabhängig einstellen
müßte.
In einer Reihe von den Versuchen, in denen das Verteilungs-
verhältnis unter normalen Verhältnissen untersucht wurde, habe
ich Formol (1/3 Vol. etwa 40 proz. Formo!) zugesetzt und die Proben
bis zum nächsten Tag stehen lassen. Blutkörperchen und Plasma
trennen sich, und das Formol wird weggekocht, wonach die
Zuckeranalysen wie gewöhnlich ausgeführt werden.
‚ Die Versuche enthalten jedoch eine Schwierigkeit. Die
Formolbehandlung scheint auf das Blutkörperchenvolumen ein-
zuwirken, weshalb neue Hämatokritbestimmungen angestellt
werden müssen; da es aber nicht möglich war, die Blutkörperchen-
säule lackfarbig zu machen, hat man keine Garantie dafür, daß
man eine Bestimmung des wahren Blutkörperchenvolumens
erhält. In einzelnen Fällen war es ganz unmöglich, eine Bestim-
mung des Blutkörperchenvolumens zu erhalten. Bei Behandlung
mit Formol kann das Plasma so viscös werden, daß es vollständig
unmöglich wird, die Blutkörperchen sogar in der schnellaufenden
Zentrifuge hinabzuzentrifugieren, in anderen Fällen gelang es
allerdings, die Blutkörperchen und das Plasma zu scheiden. Wenn
die gefundenen Volumina aber das wahre Blutkörperchenvolumen
vertreten, müßte man annehmen, daß die Blutkörperchen infolge
der Formolbehandlung um 100% geschwollen waren, was nach
einer direkten mikroskopischen Untersuchung aber nicht der
Fall war; diese Versuche konnten daher nur zeigen, daß die Glucose
in die Blutkörperchen hineingedrungen war; in wie großen Mengen,
ließ sich aber nicht entscheiden.
Blutzucker. IV. 209
Die laufenden Nummern beziehen sich auf die Versuche vor
der Formolbehandlung. Die etwaige Volumenveränderung infolge
der Formolbehandlung ist unberücksichtigt geblieben.
Nr Blut- Blut- Totalblut, Totalblut, B
` körperchen flüssigkeit bestimmt berechnet P
Ziege: |
8 0,031 0,062 0,077 0,056 50
9 0,075 0,160 46-
0,137 0,360 0,319 0,320 38
Rind:
12 0,116 0,196 59
13 0,240 0,527 | 45
Kaninchen:
5 0,063 0,082 78
6 0,236 0,492 48
Die Glucoseverteilung nach dem Formolzusatz zeigt wieder,
daß ein Verteilungsverhältnis ч gleich oder nahezu gleich 0 sich
nur durch die Annahme eines das Blutkörperchen umgebenden
Häutchens erklären läßt, das für Glucose impermeabel ist und
dagegen weder durch eine geringe Löslichkeit gegenüber Glucose
in betreff des Blutkörperchengehaltes noch durch eine besondere
Affinität für Glucose seitens des Plasmas. |
Die Glucoseverteilung zwischen Blutkérperchen und Plasma
bei diesen Tieren nach der Formolbehandlung erinnert — von den
etwas niedrigeren Verteilungsverhältnissen abgesehen — an die
Glucoseverteilung beim Menschen ohne diese Behandlung. Wie
nahe es auch liegen mag, zu behaupten, daß diese Ähnlichkeit
rationell begründet ist, neige ich doch mehr zu der Ansicht, daß
wir hier einem zufälligen Umstande gegenüberstehen.
Es ist gleichfalls eine sehr große Frage, ob diese Verteilung
derjenigen entspricht, die wir erhalten müßten, wenn wir die
Blutkörperchenmembran bei diesen Tieren durch eine künstliche
Membran ersetzten, die für dieselben Stoffe impermeabel und
permeabel wäre wie das Blutkörperchenhäutchen, abgesehen von
der Glucose, für die sie permeabel sein sollte. Denn teils erhält
man nach der Formolbehandlung eine ganz andere Verteilung
der Elektrolyten der beiden Phasen, teils eine Destruktion des
Proteinstoffes, und schließlich deutet die gesteigerte Viscosität
sowohl des Plasmas als des Blutkörperchensaftes nach dem
210 Rich. Eye:
Formolzusatz (ein nicht besonders konzentrierter Blutkörperchen-
saft wird nach dem Formolzusatz zu einem vollständig steifen
Gelee) auf ganz andere disponible Wassermengen als unter
normalen Verhältnissen.
Die Zuckerverteilung beim Menschen.
Die Tabelle über die Verteilung des Blutzuckers zeigt sofort,
daß die Menschenblutkörperchen sich gegenüber Glucoseganzanders
verhalten als die Blutkörperchen der früher behandelten Tiere).
Die Blutkörperchen enthalten unter normalen Verhältnissen
Б berechnet, во findet
man einen einigermaBen konstanten Wert zwischen 70 und 80%.
Der Zuckerprozentsatz der Blutkörperchen beträgt somit annähe-
rungsweise 3/, von dem des Plasmas. Die Blutzuckerprozentsatz-
bestimmung in der Klinik findet sozusagen immer an Gesamtblut
statt; dies geschieht jedoch sicherlich nur aus rein praktischen
Gründen, da man wohl darüber einig sein kann, daß die Kenntnis
der Plasmazuckerkonzentration die größte Bedeutung hat. Bön-
niger?) hat daher auch behaupten wollen, daß man stets den
Zuckerprozentsatz des Plasmas bestimmen sollte.
Die vorliegenden Analysen zeigen, daß die Zuckerverteilung
beim Menschen von einer solchen Art ist, daß es ohne Bedeutung
ist, ob die Zuckerbestimmungen am Plasma oder am Gesamtblut
ausgeführt werden. Allerdings könnte man sich Fälle vorstellen,
in denen ein Unterschied am Zuckergehalt des Gesamtblutes nicht
auch einen Unterschied der Plasmazuckerkonzentration zu be-
deuten brauchte, sondern von einem Unterschied im Blutkörper-
chenvolumen oder im Verteilungsverhältnis herrühren könnte;
aber der Unterschied kann infolge des hohen und einigermaßen
konstanten Verteilungsquotienten nicht groß sein. Ein Übergang
zu Plasmazuckerbestimmungen statt der Zuckerbestimmungen am
Gesamtblut würde daher kaum irgendwelchen Gewinn abgeben,
um so weniger, als das Entscheidende in allen Fällen, wo man
immer Glucose in merkbaren Mengen; wird
') Dicse Permeabilität gegenüber Glucose findet sich auch in Blut,
а ssen Koagul :ti n mittels Hirudin ve hindert ist. Die ent egengesetzte
Ang be von Falta ига Richter-Quittner trifft, wie aus Hage-
dorns und meinen Untersuchungen (diese Zeitschr. 10%. 1929) hervorgeht,
ni.ht zu.
2) Dtsch. med. Wochenschr. 1908.
Blutzucker. IV. 211
den Blutzuckerbestimmungen die Plasmazuckerbestimmungen
vorziehen wiirde, nicht der Plasmazuckerprozentsatz ist, sondern
man vielmehr die Plasmazuckertension zu kennen wünscht, und
über diese erhält man doch keinen absolut zuverlässigen Aufschluß
durch eine gewöhnliche Zuckeranalyse.
Dagegen muß man darüber im klaren sein, daß die Plasma-
zuckerkonzentration bedeutend höher beim Tiere als beim
Menschen ist, wenn die Zuckerkonzentration des Gesamtblutes
identisch ist; findet man andererseits folgende Blutzuckerprozent-
sätze: 0,10% beim Menschen und 0,07% beim Rinde, welche
Zahlen wohl den normalen Durchschnittswerten entsprechen,
so bedeutet das keineswegs einen entsprechenden Unterschied
des Plasmazuckerprozentsatzes. Nimmt man an, daß das Blut-
körperchenvolumen 35%, beträgt und das Verteilungsverhältnis ч
beim Menschen = 75%, beim Rinde = 0 ist, so findet man beim
Menschen eine Plasmazuckerkonzentration von 0,111 und beim
Rinde eine solche von 0,108, also praktisch gesprochen dieselben
Werte. a
Untersucht man die Zuckerverteilung nach dem Zusatz von
Glucose zu Menschenblut, so findet man, wie das hohe und konstante
Verteilungsverhältnis unter normalen Verhältnissen vermuten
läßt, daß die Blutkörperchen wesentliche Mengen der zugesetzten
Glucose aufnehmen; bei Berechnung des Verhältnisses 5 oder 5.
zeigt sich, daß dies Verhältnis nicht konstant ist, sondern, von
unregelmäßigen Schwankungen abgesehen, bei zunehmenden
Plasmakonzentrationen fällt, wie auch Masi ng festgestellt hat.
Auf die eigentliche Diskussion der Frage: Ist die in der Blut-
körperchenmelasse beim Menschen vorkommende Glucose an die
Oberfläche des Blutkörperchens gebunden, oder ist sie in der
Blutkörperchenflüssigkeit in freier Lösung vorhanden? werde
ich in einer späteren Arbeit zurückkommen; hier soll nur be-
sprochen werden, was man eventuell aus dem Verteilungsverhältnis
schließen kann!).
1) Dieses vertritt sowohl in meinen wie in Masings Versuchen kaum
den absoluten Gleichgewichtszustand, wie später dargelegt werden soll.
Innerhalb desselben Versuches ist die Verteilung bei den verschiedenen
Konzentrationen nach genau gleich langem Stehenlassen ausgeführt worden,
so daß die Zahlen trotzdem direkt vergleichbar sind.
212 Rich. Ege:
Masing macht darauf aufmerksam, daß das mit steigender
Zuckerkonzentration fallende Verteilungsverhältnis sofort den
Gedanken auf eine Adsorption hinleitet, kommt aber doch zu
dem Resultat, daß die Glucose nichtsdestoweniger in der Blut-
flüssigkeit frei gelöst sein muß.
Das mit der Zuckerkonzentration schwankende Verteilungsverhältnis
steht indessen in direktem Widerspruch zu Nernsts Verteilungsgesetz,
nach dem das Verteilungsverhältnis eines Stoffes zwischen 2 Lösungs-
mitteln von der Konzentration des Stoffes unabhängig ist, solange der
Stoff wohl zu bemerken in den beiden Phasen in demselben Molekular-
zustand vorhanden ist. Das Gesetz ist auf theoretischem Wege hergeleitet
und experimentell bestätigt worden; in einigen Fällen trifft man anschei-
nende Ausnahmen, aber in solchen Fällen hat man gezeigt, daß man in
den beiden Phasen mit verschiedenen Dissoziationsgraden zu tun hatte
(wenn der Stoff ein Elektrolyt und das eine Lösungsmittel Wasser war),
in anderen Fällen wiederum ist man zu befriedigenden Erklärungen der
Abweichungen gekommen, indem man annahm, daß der Stoff in der einen
Phase als ein Doppelmolekül (oder ein Komplex von 3 oder mehr Mole-
külen) vorhanden war, aber in anderen Fällen haben die tatsächlich ge-
fundenen Verteilungsverhältnisse sich nicht in den. Rahmen des Verteilungs-
gesetzes hineinfügen lassen 1).
Fragt man daher, ob das variable Verteilungsverhältnis als Argument
für oder wider eine einfache Lösung der Glucose in den beiden Phasen
gebraucht werden kann, so muß die Antwort vorläufig eine ablehnende sein.
Möglicherweise kann man geltend machen, daß man eigentlich nicht
Nernsts Verteilungsgesetz anzuwenden braucht, indem man vielleicht aus-
schließlich in beiden Phasen demselben Lösungsmittel für Glucose, näm-
lich Wasser, gegenübersteht; — diese Betrachtung wird nur berechtigt
sein können, falls die Glucose gar nicht in der dispersen Phase des Blut-
körperchens und des Plasmas gelöst werden kann, — aber in dem Falle
müßte man gleichfalls eines konstanten Verteilungsverhältnisses 5 gewartig
sein, und dies müßte dann — Wassermenge des Blutkörperchen ein.
Wassermenge des Plasmas
Aber dies Gesetz gilt auch nicht; wenn es auch anscheinend bei nied-
rigen Zuckerkonzentrationen gilt, kann es rn nicht gelten, wenn die
Zuckerkonzentration zunimmt.
Zusammenfassung.
I. Bei Ziege, Rind und Kaninchen enthält das Blutkörperchen
keine Glucose; beim Hund dagegen kleine — aber deutliche —
Mengen, etwa !/, vom Plasma; beim Menschen beträgt die Glucose-
konzentration etwa 3/, von der des Plasmas.
1) Siehe eine Reihe Tabellen bei Landolt und Boernstein, 4. Aufl.
Blutzucker. IV. 213
II. Wird Glucose zu Blut von Ziege, Rind, Kaninchen und
Hund gesetzt, so bleibt die ganze Menge im Plasma; da die Glucose
im Blutkérperchengehalt löslich ist, muß das Blutkörperchen-
häutchen bei diesen Tieren impermeabel für Glucose sein.
III. Diese Impermeabilitét wird durch Behandlung der Blut-
körperchen mit Formol aufgehoben, durch welche Behandlung
die Blutkörperchen übrigens auch für Elektrolyten permeabel
werden.
IV. Nach dieser Formolbehandlung sind die Glucosekonzen-
trationen in den Blutkörperchen und im Plasma nicht identisch.
V. Wird die für Glucose impermeable Membrane zerstört,
so hat man zu erwarten, daß die Glucose sich zwischen den beiden
Phasen in einem dem Verhältnis zwischen dem Wassergehalt der
Phasen entsprechenden Verhältnis verteilt.
VI. Wird dem Menschenblut Glucose zugesetzt, so verteilt
sie sich zwischen Blutkörperchen und Plasma. Das Verteilungs-
verhältnis 3 ist nach gleich langem Stehenlassen variabel, von
etwa 75 bei niedrigen Glucosekonzentrationen bis zu etwa 50 bei
hohen fallend. |
Im Gegensatz zu früheren Verfassern, die nur eine empirische
Bestimmung der Glucoseverteilung zwischen Plasma und Blut-
körperchen anstellten, suchen Kozawa und namentlich Masing,
die gefundenen Verteilungsverhältnisse zu erklären.
Nach Masing gibt es drei Erklärungsmöglichkeiten:
l. Die Glucose kann durch das Blutkörperchenhäutchen
eindringen und hier frei vorkommen. |
2. Die Glucose kann an den Blutkörpercheninhalt gebunden
werden!).
1) Die zweite Erklärungsmöglichkeit steht nicht, wie Masing anzu-
nehmen scheint, in einem direkten Gegensatzverhältnis zu der ersten.
Soll die Glucose an den Blutkörpercheninhalt gebunden werden, muß sie
erst durch das Blutkörperchenhäutchen eindringen und sich in den beiden
Phasen verteilen, so daß ein partielles osmotisches Gleichgewicht für die
Glucose erzielt wird. Mittels der von Masing angewendeten Hämatokrit-
und Hämolyseversuche müßte man, wenn die Versuche wirklich durch-
geführt würden, entscheiden können, ob es die dritte Erklärungsmöglich-
keit ist, welche die rechte ist, oder ob es eine von den beiden anderen ist;
aber inwiefern 1 oder 2 die rechte ist, kann man nicht in dieser Weise ent-
scheiden.
214 Rich. Ege:
3. Die Glucose kann an die Blutkörperchenoberfläche ad-
sorbiert sein.
Masing und Kozawa suchen nun, zu entscheiden, welche
von diesen Möglichkeiten die rechte ist, indem sie untersuchen,
ob die Blutkörperchen in „isotonischen“ Lösungen hämolysieren,
oder indem sie die Volumenveränderungen der Blutkörperchen
in einer ‚„isotonischen“ Glucoselésung oder isotonischen Salz-
lésung mit Zusatz von Glucose bestimmen; sowohl Masing
als Kozawa meinen, daß ihre Versuche die Richtigkeit der ersten
Erklärungsmöglichkeit dartun.
Nach der allgemeinen Auffassung bedingt der osmotische
Druck der äußeren Flüssigkeit das Volumen der Blutkörperchen.
Wenn die äußere Flüssigkeit dieselbe osmotische Konzentration
hat wie die innere, werden die Blutkörperchen ein gewisses Volumen
haben; hat die Flüssigkeit einen anderen osmotischen Druck, wird
eine Ausgleichung stattfinden; besteht die Flüssigkeit aus Stoffen,
für die das Blutkörperchenhäutchen impermeabel ist — und dies
gilt von den meisten Stoffen — so kann die Ausgleichung der
osmotischen Konzentration nur durch eine Verschiebung von
Wasser stattfinden, für das das Blutkörperchenhäutchen permeabel
ist; es muß daher Wasser von dem Blutkörperchenhäutchen in die
äußere Flüssigkeit hinaus abgehen oder umgekehrt, bis ein neuer
Gleichgewichtszustand erreicht worden ist.
Ist die osmotische Konzentration der äußeren Flüssigkeit
geringer als die des Blutkörpercheninhalts, wird das Wasser in
die Blutkörperchen hineindringen; diese werden daher anschwellen,
bis die osmotische Druckdifferenz aufgehoben ist!). Wenn die
osmotische Konzentration der äußeren Flüssigkeit besonders
niedrig ist, muß eine sehr starke Wasserverschiebung stattfinden,
bevor das Gleichgewicht erreicht wird; da das Blutkörperchen-
häutchen nur eine gewisse Spannung verträgt, wird das An-
schwellen der Blutkörperchen eine Sprengung des Häutchens
bewirken, weshalb in Wasser und sehr hypotonischen Lösungen
Hämolyse stattfinden muß.
Diese Betrachtungen treffen nur zu, wenn das Blutkörperchen-
häutchen für die Stoffe der äußeren Flüssigkeit impermeabel ist.
Besteht die äußere Flüssigkeit dagegen ausschließlich aus einem
1) Inwiefern ein absolutes Gleichgewicht erreicht wird oder nicht, soll
später erörtert werden.
Blutzucker. IV. 215
Stoff, für den das Häutchen permeabel ist, so muß dieser Stoff
sich gleichmäßig zwischen der äußeren Flüssigkeit und dem Blut-
körperchen verteilen. Die osmotische Konzentration wird dann
für diesen Stoff gleich groß sein in der äußeren und in der inneren
Flüssigkeit; da in den Blutkörperchen ein der normalen osmo-
tischen Konzentration der Blutkörperchen entsprechender osmo-
tischer Überdruck vorhanden ist, muß daraus folgen, daß die
Blutkörperchen hämolysieren werden, als ob die äußere Flüssig-
keit ausschließlich aus Wasser bestände, wie dies tatsächlich mit
Blutkörperchen in Lösungen von Harnstoff und anderen Stoffen,
die in das Blutkörperchen hineindringen, der Fall ist.
Es ist daher unmöglich, aus diesen Stoffen eine isotonische
Lösung herzustellen, falls wir unter einer isotonischen Lösung in
Übereinstimmung mit Hamburger!) eine Lösung verstehen
wollen, in der die Blutkörperchen ihr Volumen bewahren. Eine
Lösung, die dem Blute isotonisch ist, d. h. eine Lösung, in der
die Blutkörperchen dasselbe Volumen haben wie in dem natür-
lichen Plasma, braucht nicht dem Plasma isosmotisch zu sein,
wie wir dies an einer Reihe von Beispielen später zu sehen be-
kommen werden.
Die Wörter isotonisch und isosmotisch werden in der Regel durch-
einander gebraucht; ersteres stammt von Hugo de Vries, letzteres von .
Tamman her. Von diesen Wörtern ist isosmotisch sicherlich vorzuziehen
als Bezeichnung der physikalischen Eigenschaft, daß die Flüssigkeiten
„üquimolar“ sind?), während der Begriff „Isotonie“, da kaum ein Grund
vorliegt, für denselben Begriff zwei Termini zu haben, ausschließlich in der
Hamburgerschen Bedeutung als Bezeichnung einer Lösung anzuwenden
ist, welche die rein biologische Eigenschaft besitzt, daß in ihr aufge-
schwemmte Zellen ihr ursprüngliches Volumen bewahren. Die Ursache
dafür, daß diese beiden Bezeichnungen in der Regel durch die Bank an-
gewendet werden, liegt unzweifelhaft in der Auffassung, daB man meinte,
daß äquimolare — isosmotische — Lösungen tatsächlich dasselbe Blut-
körperchenvolumen ergäben, und umgekehrt, daß Lösungen, die dasselbe
Blutkörperchenvolumen ergeben, äquimolar sein müßten; da dies aber
nicht der Fall ist, ist es sicherlich geraten, diese Sonderung konsequent
durchzuführen.
Schwemmt man Blutkörperchen in einer dem Blute isosmo-
tischen Lösung eines Stoffes, der mit geringer Geschwindigkeit
in die Blutkörperchen hineindringt, so müssen die Blutkörperchen
1) Osmotischer Druck und Ionenlehre, I, S. 187.
3) Nicht zu verwechseln mit äquimolekular.
216 Rich. Ege:
anschwellen, da nur die Differenz zwischen der Konzentration
des Stoffes auBen und innen imstande ist, den osmotischen
Gegendruck zu leisten. Die äußere Flüssigkeit wird allmählich
hyposmotisch im Vergleich mit dem Blutkörpercheninhalt, die
Blutkörperchen schwellen an, um schließlich zu hämolysieren.
Setzt man einen Stoff, für den das Blutkörperchenhäutchen
permeabel ist, zu einer 0,9 proz. NaCl-Lösung (einer sogenannten
isotonischen Lösung), so soll das Blutkörperchenvolumen unver-
ändert bleiben, oder wenn der Stoff langsam eingeht, muß sich
erst ein Schrumpfen einstellen, das wieder schwindet, allmählich
wie der Stoff sich gleichmäßig zwischen den beiden Phasen ver-
teilt. Dringt ein Stoff in die Blutkörperchen ein, muß dies sich
daher in folgender Weise zeigen:
1. Die Blutkörperchen werden schwellen und allmählich in
Lösungen des betreffenden Stoffes hämolysieren, und zwar sowohl
wenn die Lösung isosmotisch, als wenn sie hyperosmotisch ist.
Dringt der Stoff schnell ein, wird das Anschwellen sich nicht fest-
stellen lassen; man sieht nur die augenblickliche Hämolyse. In
dem Falle muß man natürlicherweise untersuchen, ob wir mit
einer Schwellungshämolyse zu tun haben oder nicht.
2. In einer 0,9 proz. Lösung oder in einer anderen isotonischen
‘ Lösung, die durch Zusatz von etwas von dem betr. Stoff hyper-
osmotisch gemacht worden ist, sollen die Blutkörperchen entweder
ihr Volumen unverändert behalten oder, wenn der Stoff langsaın
eindringt, schrumpfen. Das Schrumpfen darf jedoch nicht von
bleibender Art sein, sondern muß sofort durch ein Schwellen
abgelöst werden, das erst wieder aufhört, wenn das ursprüngliche
Volumen erreicht worden ist.
Von diesen und entsprechenden Voraussetzungen ausgehend,
stellen Masing und Kozawa eine Reihe von osmotischen Unter-
suchungen an, um festzustellen, ob die Glucose und andere
Zuckerarten tatsächlich in Menschen- und Hundeblutkörperchen
eindringen.
Es muß jedoch angeführt werden, daß weder Masing noch
Kozawa diese Grundsätze formulieren; wir sehen daher auch in
ihren Versuchen Verhältnisse vorkommen, die diesen Voraus-
setzungen widersprechen, ohne daß dies auf ihre Schlußfolgerungen
einen Einfluß ausübt. Bei Kozawa finden wir eine Reihe quanti-
tativer Untersuchungen über das Anschwellen von Menschenblut-
Blutzucker. IV. 217
körperchen in osmotischen Lösungen von Glucose (und anderen
Monohexosen); er stellt in allen mit Glucose ausgeführten Ver-
suchen ein sehr bedeutendes Schwellen fest; von diesen 9 Versuchen
erstrecken sich fünf über 6—7 Stunden, vier über längere Zeit
(17—22 Stunden); nur in einem von den 9 Versuchen hat Hämolyse
stattgefunden. Kozawa führt an, daß Hundeblutkörperchen ohne
vorhergehendes Anschwellen in „isotonischer“ Glucoselésung
hämolysieren. Bei Mischung von gleichen Teilen Ringerscher
Lösung oder 0,9proz. NaCl-Lösung und isotonischer Glucose-
lösung tritt gegen Erwarten kein Schwellen ein, dagegen bleibt
das Schrumpfen in .einer 0,9proz. NaCl-Lösung aus, die stark
hyperosmotisch gemacht worden ist, indem sie gleichzeitig 2,5%
Glucose enthielt. Ganz entsprechende Verhältnisse findet Masing,
wenn seine osmotischen Untersuchungen auch nicht so eingehend
sind wie die von Kozawa angestellten. Auch er findet, daß
Menschenblutkörperchen in osmotischer Glucoselösung anschwel-
len, und daß die Hämolyse nach 5—6 Stunden eintritt (fängt
bereits nach 1—2 Stunden an). Hundeblutkörperschen hämo-
lysieren in einer isosmotischen Glucoselösung, aber ohne vorher-
gehendes Schwellen. Aus diesen Versuchen schließen Masing
und Koza wa, daß die Glucose in die Blutkörperchen des Menschen
eindringt und sich hier in einem osmotisch aktiven Zustande
findet.
Dies gilt nach Masing und Kozawa auch von Hundeblut-
körperchen. Masing und Kozawas Untersuchungen enthalten
doch einen Widerspruch um den anderen, was bei einer näheren
Betrachtung der Versuche sehr deutlich zutage tritt. Nach den
direkten chemischen Bestimmungen schließen Masing und
К ozawa, daß nach 1/,—1 Stunde Diffusionsgleichgewicht erreicht
worden ist; zu dem Zeitpunkt sollte die Zuckertension außen und
innen identisch sein, weshalb man spätestens zu dem Zeitpunkt
erwarten müßte, eine ebenso totale Hämolyse zu erhalten, als wenn
die Blutkörperchen in reinem Wasser aufgeschwemmt worden
wären. Masing gibt allerdings an, daß Menschenblutkörperchen
in isosmotischen Glucoselösungen hämolysieren, und daß die
Hämolyse nach 5 Stunden fast vollständig ist; nach 2 Stunden
ist dagegen nur eine Spur davon da. Kozawa findet in einer
Reihe von über 6 Stunden sich erstreckenden Versuchen keine
Hämolyse, nur in einem Fall von über 21 Stunden wird „Hämo-
218 Rich. Ege: Blutzucker. IV.
lyse“ angeführt, während diese in anderen über 23 Stunden
dauernden Versuchen nicht eintrat. — Masing und Kozawa
benutzen, wie erwähnt, die angeführten Versuche als Beweis
dafür, daß die Glucose in die Blutkörperchen eindringt; ein
kritischer Leser wird sicherlich zu einem etwas anderen Resultat
kommen. Meiner Meinung nach sind drei Möglichkeiten denkbar:
1. Entweder müssen Masings und Kozawas direkte
chemische Analysen durchaus irrtümlich sein, aber diese Erklärung
ist, wie wir teils gesehen haben und teils noch sehen werden, nicht
die rechte; |
2. oder auch müssen die Volumen- und Hämolysenunter-
suchungen, die sie angestellt haben, irrtümlich oder wenigstens
nicht direkt vergleichbar sein mit den direkten chemischen Ver-
suchen; da aber auch diese Versuche, wie wir späterhin sehen
werden, im großen ganzen korrekt sind, sollte man meinen, daß
es keine andere Möglichkeit gebe als die dritte;
3. daß die allgemeine osmotische Auffassung der Volumen-
veränderungen und des Hämolysenverhältnisses der Blutkörper-
chen einer Revision bedarf.
Als letzte Möglichkeit könnte man sich vorstellen, daß die
Glucose erst in der Membranphase absorbiert wird und dann
allmählich ganz langsam in die Blutkörperchenflüssigkeit hinein-
dringt.
Experimentelle Studien über die Eigenschaften
überlebender Gefäße unter Anwendung der chemischen
| Reizmethode ).
Von
E. Rothlin.
(Aus dem Physiologischen Institut der Universität Zürich.)
(Eingegangen am 29. Juni 1920.)
Mit 21 Abbildungen im Text.
Den Versuch am überlebenden Organ nennen wir jenes
experimentelle Vorgehen, wo der Forscher unter mehr oder weniger
willkürlich gestalteten, aber möglichst, physiologischen“ Versuchs-
bedingungen die funktionellen Leistungen eines Organes oder
Organkomplexes einer Analyse unterwirft. Dabei betrachten wir
das Resultat als das Ergebnis der ursprünglichen Leistungsfähig-
keit des untersuchten Organes, unabhängig von den chemischen
und nervösen Einflüssen, welche im normalen Organismus fördernd
oder hemmend eingreifen können. Es gibt kein Gebiet der Physio-
logie, dessen Kenntnisse durch dieses methodisöhe Vorgehen nicht
erweitert worden wären, ich nenne die Muskel- und Nervenphysio-
logie, die Physiologie des gesamten Zirkulationsapparates, die
mechanischen und physiologisch-chemischen Leistungen des Magen-
Darmtraktus, die Funktionen des Urogenitalsystems, der Leber
usw. Ich bin mir aber bewußt, daß sich das Vorgehen meiner
Studien an überlebenden Gefäßen nicht durch die anerkannten
Erfolge dieser Methode auf anderen Gebieten der Physiologie
rechtfertigen läßt. Aber wir können uns doch nicht verschweigen,
daß jedes experimentelle Vorgehen mehr oder weniger ausgeprägte
künstliche Versuchsverhältnisse schafft, und auch im sog. Versuch
in vivo, wie man sich ausdrückt, schalten wir bewußt oder unbe-.
| 1) Diese Arbeit wurde im April 1920 der med. Fakultät der Uni-
versität Zürich als Habilitationsschrift eingereicht.
220 E. Rothlin:
wußt gewisse Faktoren aus, andere ein, verändern dadurch die
normalen Lebensbedingungen des Versuchsobjektes, deren Trag-
weite wir im einzelnen Falle nicht immer bemessen können, aber
stets bei der Beurteilung der Ergebnisse mit berücksichtigen
sollten. Denken wir an die Folgen der Narkose mit der veränderten
Tätigkeit der corticalen und subcorticalen Nervenzentren, an die
Folgen eines chirurgischen Eingriffes, wobei in mannigfacher
Weise eine Umstimmung der normalen inneren Lebensbedingungen
eintreten kann — ich erwähne das Auftreten von Hypergiykämie
unter solchen Maßnahmen —, so gelingt es offenbar praktisch
nie unter absolut normalen „physiologischen“ Bedingungen zu
experimentieren. Trotzdem darf uns eine solche Erkenntnis nicht
zu einem sterilen Pessimismus verleiten. Durch eine kritische
Sichtung aller vermeidbaren Versuchsfehlerquellen suchen wir
das Experiment, sei es in vivo, sei es am überlebenden Organe
unter möglichst „physiologischen“ Bedingungen auszuführen.
Die Bewertung der erzielten Ergebnisse werden wir nicht in
absolutem, sondern in relativem Sinne, d. h. mit strenger Berück-
sichtigung der veränderten Versuchsbedingungen vornebmen.
Durch ein solches Vorgehen gelangen wir dann praktisch doch zu
Resultaten, wie wir sie in unserem Lehrschatze über die Gesetz-
mäßigkeiten des Ablaufes physiologischer Vorgänge besitzen. Die
Methodik am überlebenden Organ kann aber ohne Zweifel leicht
zu Irrtümern führen, sobald bei der Schaffung der Versuchs-
bedingungen zu große Willkür herrscht und vor allem, wenn die
Auslegung der gewonnenen Resultate nicht unter dem leitenden
Gesichtspunkte der Komplexität der möglichen Fehlerquellen
statthat. Wir werden uns stets vor Augen halten, daß wir bei
diesem experimentellen Vorgehen die funktionellen Leistungen
der Gefäße isoliert betrachten, daß wir die den Gefäßen eigenen
Leistungen unabhängig von den komplexen chemischen und
nervösen Einflüssen des übrigen Organismus unter Versuchs-
bedingungen untersuchen, welche den wirklichen physiologischen
Verhältnissen der Gefäße in ihrem natürlichen Bett nicht analog
sind. Von dieser Kenntnis geleitet wird die Analyse der Resultate
stets vorsichtig und kritisch bemessen sein.
Unser Ziel in der ersten Abhandlung ist darauf beschränkt,
neue Kenntnisse der allgemeinen, möglichst ,,physiolo-
gischen“ Versuchsbedingungen für das Experimentieren
Eigenschaften überleb. Gefäße unter Anwend. d. chem. Reizmethode. 221
an überlebenden Gefäßen zu gewinnen. Diese Daten über das all-
gemeine Verhalten überlebender Gefäßsubstrate werden uns als Basis
begleitend dazu dienen, in einem zweiten und dritten Teile die be-
sonderen Leistungen Überlebender Gefäße auf einige spezifisch
che mische Reize sog. vasotonisierender Substanzen
organischer Natur zu untersuchen und mit schon Bekanntem
zu vergleichen. Diese spezielle Analyse der chemischen Beein-
flussung der überlebenden Gefäße werden wir vorläufig so weit
durchführen, als es sich um organische vasotonisierende Produkte
handelt, deren Vorkommen auf Grund der Forschungen über die
Stoff wechselprodukte an Organen ohne äußeren Ausführungsgang
im Organismus zum Teil sicher, zum Teil wahrscheinlich ist.
Besonderes Augenmerk lege ich dabei auf folgende Faktoren:
a uf die feine Differenzierung der angewandten Dosis,
um dad urch nicht nur quantitative, sondern eventuell
qualitative Unterschiede zu erzielen; auf das Ver-
halten verschiedener GefaBgebiete gegenüber den ver-
schiedenen chemischen Reizen; auf die Berücksichti-
gung der Variabilität bei verschiedenen Tierarten.
Diese Abhandlung gibt einen Teil meiner seit Jahren gesammelten
Erfahrungen auf diesem Gebiete wieder. Von der Unvollkommen-
heit meiner Ergebnisse bin ich zwar überzeugt, doch dürfte das
Gesamtresultat die Ansicht berechtigen, daß systematische Unter-
suchungen am überlebenden Organ über die ursprünglichen
Eigenschaften der Gefäße prinzipiell Neues aufzufinden erlauben
und daß diese Daten in einer gemeinsamen Betrachtung mit den
Ergebnissen in vivo unsere Auffassung über den Gefäßmechanis-
mus weitgehend zu fördern imstande sind.
Methodik.
Meine Untersuchungen an überlebenden Gefäßen!) beziehen
sich auf isolierte Gefäßstreifen, auf künstlich durchströmte Gefäß-
gebiete des Frosches und des Kaninchenohres, für die Untersuchungen
an isolierten Gefäßstreifen verwendete ich die Versuchsanordnung von Mac
William?) und O. B. Meyer’). Ein quer aufgeschnittener Arterienring
1) Herrn Dr. Schellenberg, Dir. des Schlachthofes in Zürich,
sage ich für seine stete Dienstfertigkeit meinen verbindlichsten Dank.
з) Mac, William, Proceed. of the Royal Soc. of London. 69, р. 190.
1901; 70, 109. 1902.
з) О. В. Meyer, Zeitschr. f. Biol. 48, 352. 1906.
Biochemische Zeitschrift Band 111. 15
222 | E. Rothlin:
wird an einem Ende durch ein Gewicht beschwert und am andern Ende
ist derselbe mit einem Schreibhebel in Verbindung, welcher die Längs-
veränderungen des Gefäßstreifens auf einem Kymographion registriert.
Das Testobjekt befindet sich in einem mit physiologischer Nährflüssigkeit
versetzten, 50 ccm fassenden Glasgefäß und letzteres in einem Thermostaten.
Das Glasgefäß hat unten einen Ausfluß, wodurch die Versuchsflüssigkeit,
ohne irgendwelche Störung des Testobjektes durch Aushebern ausgewechselt
werden kann. Auf weitere Einzelheiten der Methodik gehe ich hier nicht
ein, da die prinzipiell wichtigen Faktoren im allgemeinen Teile eine ein-
gehende Besprechung erfahren werden. Die Versuchsanordnung für die
Experimente mit künstlicher Durchstrémung verschiedener
Gefäß gebiete beim Frosch und beim Kaninchenohr beruht
in einer Uberlaufmethode, wie sie von Fleisch!) im hiesigen Institute aus-
gearbeitet worden ist. Eine Mariott esche Flasche dient dabei als Reservoir
für die Durchströmungsflüssigkeit, welche in mit O, gesättigter Ringerlösung
besteht. Diese Reservoirflasche befindet sich in erhöhter Lage an einem leicht
verstellbaren Stativ. Der Ausfluß dieser Flasche ist mit einem y-Ronr in Ver-
bindung, von welchem der eine Schenkel zum Gefä Ba pparat führt, während
der andere den Uberlauf darstellt. Gerade hinter dem y-Rohr ist eine
Glascapillare eingeschaltet, deren Masse dem erwünschten DurchfluB-
volumen angepaßt sind. Die TotaldurchfluBmenge durch das ganze System
beim Abschluß des Schenkels, welcher zum Versuchspraparate führt,
ist bedingt durch die Höhendifferenz zwischen der Reservoirflasche und
dem Niveau der Abtropffläche am Überlauf. Dieselbe kann bei erhaltener
Konstanz des Niveaus der Abtropffliche am Überlauf durch Variation
der Höhe der Reservoirflasche, sowie durch die eingeschaltete Glas:apillare
von verschiedener Weite und Länge variiert werden. Während des Ver-
suches wird die Konstanz der Durchflußmenge durch das ganze System
dadurch erreicht, daß der Flüssigkeitsspiegel der Reservoirflasche auf
demselben Niveau gehalten wird. Ein Teil der Gesamtdurchflußmenge
fließt dann von dem einen Schenkel durch das Versuchspräparat, der andere
durch den Uberlauf. Der Druck, welcher auf dem Versuchspräparat
lastet, ist gegeben durch die Wassersäule zwischen dem Niveau der Ab-
tropffläche am Überlauf und demjenigen des Versuchspriparates. Der
Versuch gestaltet sich nun folgendermaßen: nach erfolgter Präparation
des Gefäßpräparates wird die Einflußkanüle desselben an den zugehörigen
Schenkel des y-Rohres angeschlossen, die Reservoirflasche wird dann auf
ein solches Niveau eingestellt, daß die Tropfenzahl am Überlauf pro Minute
10—12 beträgt, denn eine solche Tropfenzahl hat sich auch bei meinen
Versuchspräparaten als geeignet erwiesen, wie dies schon von Fleisch
angegeben wurde. Durch diese Überlaufmethode wird nun erreicht,
daß der Druck, welcher auf dem Versuchsobjekt lastet, unter
allen Bedingungen konstant bleibt, und Tonusveränderungen
der Gefäße ohne jeden Einfluß auf denselben sind. Daraus
folgt anderseits, daß die beobachteten Änderungen des Durch-
1) A. Fleisch, Arch. f. d. ges. Physiol. 171, 86. 1918.
Eigenschaften tiberleb. Gefäße unter Anwend. d. chem. Reizmethode. 223
flußvolumens durch.das Gefäßpräparat einzig und allein
auf die Tonusschwankungen der Gefäße zu beziehen sind.
Wir registrieren im Versuche die Tropfenzahl der Überlaufmenge auf einer
berußten Trommel, wobei mit dem Jaquetschen Chronographen die
Sekunden markiert werden. Eine Gefäßkontraktion führt zu einer Ver-
mehrung, eine Gefäßdilatation zu einer Verminderung der Tropfenzahl
am Überlauf in derselben Zeit. Die im Experiment erhaltenen Kurven
geben somit die Durchflußmenge des Überlaufens, d. h. Gesamtdurchfluß-
menge minus Durchflußmenge durch das Gefäßpräparat wieder. Die
Bildungszeit eines jeden Tropfens kann auf der Kurve auf 0,1 Sek. genau
abgelesen werden. Man bestimmt außerdem den Zeitpunkt, in dem ein
gebildeter Tropfen fällt, wobei der Ausgangspunkt des Experimentes
gleich O gesetzt wird. Dieser Zeitpunkt eines gefallenen Tropfens wird
jeweils als Abszisse in ein Koordinatensystem eingetragen. Als Ordinate
desselben Tropfens berechnet man jene Anzahl Tropfen, welche unter den-
selben Versuchsbedingungen in einer Minute durch den Überlauf gehen
würden. Man dividiert daher die Bildungszeit des Tropfens durch 60.
Bei der Konstruktion meiner wiedergegebenen Kurven bin ich so verfahren,
daß die Berechnung nicht für alle Tropfen durchgeführt wurde, sondern
für diejenigen, welche die charakteristischen Veränderungen der Durch-
flußmenge wiedergeben. Da, wo nur ganz geringe Schwankungen vor-
handen waren, nahm ich das Mittel aus mehreren Tropfen. Auf diese Weise
gelangen wir zur Darstellung der Durchflußmenge durch den Überlauf,
unser Ziel aber ist die Kenntnis der Durchflußmenge durch das Versuchs-
präparat. „Wir haben somit noch die Differenz zu bilden zwischen der
Gesamtzuflußmenge und der Überlaufmenge. Das geschieht am einfachsten
graphisch, indem wir die Kurve einfach um 180° drehen, d. h. auf den
Kopf stellen. Haben wir bei der Konstruktion der Kurve die Werte von
rechts nach links eingetragen, so entspricht nun die auf den Kopf gestellte
Kurve von links nach rechts gelesen der Kurve des Durchströmungs-
volumens durch den Frosch. Die Ordinatennullinie geht durch den Kurven-
punkt, welcher gefunden wird, wenn der Abflu8 durch den Frosch durch
Abklemmen der Zweigleitung unterbrochen, also das Durchflußvolumen
gleich null ist“ (Fleisch). Ich verweise den Leser über weitere Einzel-
heiten der Methodik auf die Originalarbeit von Fleisch. Die für meine
Versuche verwendeten Nährflüssigkeiten waren folgende:
a) für Warmblüter: 0,9 NaCl; 0,01 NaHCO,; 0,01 CaCl,; 0,01 KCl.
b) für Kaltblüter: 0,7 NaCl; 0,61 NaHCO,; 0,01 CaCl,; 0,01 KCI.
Die Druckwerte, welche fiir meine Versuche angewandt wurden, sind:
a) für die Totaldurchströmung des Frosches von einer Aorta aus:
30—40 cm H,O,
b) fiir die Durchströmung der Splanchnicusgefäße des Frosches
30—40 cm H,O.
c) für die isolierte Durchströmung der einen Froschlunge 20—30 cm
H,O.
d) für die Hinterextremität des Frosches 20—30 cm H,O.
e) für die isolierte Durchströmung des Kaninchenohres 50—60 cm H,O.
15*
224 E. Rothlin:
Die Injektion der zu untersuchenden Substanzen machte ich hinter
der eingeschalteten Glascapillare mit einer Pravatzschen Spritze durch
den Gummischlauch. Dadurch wird bei langsamer Injektion jede Stérung
der DurchfluBmenge auch am Uberlauf verhindert; auf den Druck, der
auf dem GefaBsystem lastet, hat die Injektion nach dem oben Gesagten
sowieso keinen Einfluß. Bei diesem Vorgehen ist aber zu berücksichtigen,
daß die Substanz bevor sie zum Gefäßpräparat gelangt, einen Weg zurück-
zulegen hat, wodurch die Latenzzeit verlängert wird. Außerdem fließt
nicht die Gesamtmenge der injizierten Substanz zum Gefäßapparat, da
ein Teil durch den kommunizierenden Überlauf geht, der allerdings berechnet
werden kann.
Über die Präparation meiner untersuchten Gefäßsubstrate habe ich
folgendes zu bemerken. Für die Versuche am isoliert durchströmten
Kaninchenohr bin ich nach Rischbieter!), für jene am Läwen-Tren-
delenburgschen Froschpräparate nach Fühner verfahren. Für das
Läwen-Trendelenburgsche Präparat verwendete ich stets nur eine
Hinterextremität, indem ich die in die Aorta abdominalis eingeführte
Kanüle in die eine Art. iliaca vorschob. Ich glaube durch dieses Vorgehen
eine sichere Gewähr für die Ausschaltung einer Fehlerquelle zu haben,
welche darin besteht, daß bei der Präparation der Aorta abdominalis beim
Durchtrennen der unteren Art. renales und besonders der Art. mesent.
post. undichte Stellen entstehen, welche beim Einbinden der Kanüle
nur in die Aorta evtl. nicht abgeschlossen werden. Die Durchströmung
des Gesamtfrosches, nach Zerstörung von Gehirn und Rückenmark
habe ich durch Einführen einer Kanüle in die Aorta des einen Truncus
arteriosus ausgeführt. Dabei hat man sich zu überzeugen, daß die Kanüle
wirklich in die Aorta und nicht evtl. in den Canalis communis bzw. in den
Canalis pulmo-cutaneus des dreiteiligen Truncus zu liegen kommt. Die
Verwendung der Binokularlupe von Zeiß hat mir für diese Zwecke sehr
gute Dienste geleistet. Bei dieser Lage der Kanüle in der einen Aorta wird
der ganze Frosch durchströmt, mit Ausnahme der beiden Lungen. Denn
einmal kommunizieren die beiden Aortae, wodurch die gegenseitige obere
Körperhälfte durch Rückfluß durchströmt wird, und außerdem bestehen
Kollateralen zwischen der Aorta und dem Canalis carotis communis.
Die Injektion von Methylenblau überzeugte mich von dem richtigen Funk-
tionieren dieser Kollateralen. Der Ausfluß in diesen Versuchen ging durch
den eröffneten rechten Vorhof und die freigelegte Vena abdominalis.
Die Präparation der isoliert durchströmten Froschlunge gestaltet
sich folgendermaßen: Der Frosch mit zerstörtem Gehirn und Rückenmark
wird in Rückenlage auf einem Korkbrett befestigt, das Sternum entfernt,
sowie das Perikard möglichst weit entlang des einen Truncus arteriosus
freipräpariert. Die drei Verzweigungen dieses Truncus arteriosus: Aorta,
Canalis communis und Canalis pulmo-cutaneus werden vorsichtig und
übersichtlich isoliert. Sodann die vom Canalis pulmo-cutaneus abgehende
Art. cutanea magna freipräpariert und unterbunden. Am Ursprung des
1) W. Rischbieter, Zeitschr. f. exp. Med. 1, 355. 1913.
Eigenschaften überleb. Gefäße unter Anwend. d. chem. Reizmethode. 225
betreffenden Truncus wird nun ebenfalls eine Ligatur angelegt, der Truncus
am Faden hochgehalten, der Canalis pulmo-cutaneus eröffnet und die
feine Kanüle eingeführt und festgebunden. Der Ausfluß geschieht durch
den eröffneten linken Vorhof. Trotz der Feinheit der anatomischen Ver-
hältnisse gelingen diese Manipulationen mit etwas Übung und bei Verwen-
dung der Binokularlupe sicher. Die vorher mit O,-gesättigtem Froschringer
gefüllte Kanüle (Luftblasen!) wird nun an die oben beschriebene Apparatur
angeschlossen. Zur Kontrolle, daß ausschließlich die betreffende Lunge
durchströmt war, habe ich mich am Schlusse jedes Versuches davon über-
zeugt, daß die Durchflußmenge bei Abschluß des zum Gefäßpräparat
führenden Schenkels, also die Totaldurchflußmenge durch das ganze System,
dieselbe war, wie bei Unterb:ndung der Art. pulmonalis, in welcher die
Kanüle lag. Ein solches Lungenpräparat zeigt während ca. 2 Stunden eine
ziemlich konstante Durchflußnfenge und gute Erregbarkeit. Darauf nimmt
die Durchflußmenge in der Regel spontan ab, wohl zufolge des eintretenden
Ödems. Ä
I. Experimentelle Untersuchungen über allgemeine Eigenschaften
überlebender Gefäßstreifen und über die Leistungsfähigkeit der
Gefäßstreiflenmethode für den Nachweis vasotonisierender Sub-
stanzen.
A. Untersuchungen über den Tonus an isolierten Gefäßstreifen.
Die Existenz eines Tonus, d. h. eines dauernden mittleren Kon-
traktionszustandes der Gefäße ist vom physiologischen Standpunkte aus
eine theoretische Forderung, denn nur durch die Möglichkeit von Quer-
schnittsveränderungen nach zwei Richtungen, durch Erhöhung bzw.
Erniedrigung des normalen Gefäßtonus erreichen wir eine rationelle peri-
phere Regulierung der Blutverteilung im Gesamtorganismus. Durch die peri-
pheren Vorgänge lokaler Verengerung oder Erweiterung des Gefäßvolumens
können einerseits die Blutdruckverhältnisse im ganzen Zirkulationssystem
nivelliert werden und anderseits wird auf diese Weise das Gefäßsystem
dem verschiedenen Blutbedürfnis der einzelnen Organgebiete bzw.
Organe gerecht. Einen solchen normalen Tonus müssen wir auf Grund
der experimentellen Daten nicht nur für die Arterien, sondern wahrscheinlich
auch für die Capillaren [Steinach und Kahn!)] und Venen [Goltz?),
Cavazzini und Manca’) und Velich*)] annehmen. Die ursächlichen
Momente für das Zustandekommen und die Aufrechterhaltung dieses
mittleren Tonuszustandes im lebenden Organismus sind teils zentraler,
teils peripherer Natur. Der zentrale Einfluß auf den Gefäßtonus erhellt
aus dem Vorhandensein und der nachgewiesenen Bedeutung der Gefäß-
zentren in der Medulla oblongata und im Rückenmark. Die etappenweise
1) Steinach und Kahn, Arch. f. d. ges. Physiol. 9%, 10. 1903.
2) Goltz, Virchows Archiv 29, 399. 1864.
3) Cavazzini und Manca, Arch. ital. de Biol. 24, 33. 1895.
4) Velich, Arch. f. d. ges. Physiol. 95, 264.
226 E. Rothlin:
Ausschaltung dieser bulbären und spinalen Gefäßzentren führt bekanntlich
zu einem vorübergehenden Abfall des Gefäßtonus. Die Tatsache aber,
daß nach einem gewissen Zeitintervall eine mehr oder weniger vollkommene
Erholung eintritt, spricht für die Annahme von peripheren Faktoren,
welche den Gefäßtonus zu beeinflussen vermögen. As her!), welcher diesen
Gegenstand in einem zusammenfassenden Artikel behandelt, kommt zu
keiner endgültigen Entscheidung und schließt folgendermaßen: „Der
Tonus der Blutgefäße wird unterhalten durch die Einwirkung des zentralen
Nervensystems auf periphere Einrichtungen in den Gefäßen; fällt diese
Einwirkung weg, so können in der Peripherie sich allmählich Zustände
ausbilden, welche die vom Zentralnervensystem unabhängige Entstehung
des Gefäßtonus gewährleisten“. Zu einem ganz analogen Schlusse gelangt
Hofmann?). Langley hat ferner in eklatanter Weise nachgewiesen,
daß ein Gefäßtonus nach Ausschaltung der sympathischen Ganglien als
periphere tonische Zentren durch Lähmung mit Nicotin erhalten bleibt,
wodurch wohl in einwandfreier Weise dargelegt ist, daß aie Blutgefäße
selbst die Eigenschaft für die Aufrechterhaltung eines gewissen Tonus
in sich bergen. Die Gefäße besitzen somit in sich die erforderlichen Be-
dingungen für einen gewissen selbständigen Tonus, welcher durch nervöse
Einflüsse von Zentren fördernd oder hemmend beeinflußt bzw. reguliert
wird. Die Existenz eines Gefäßtonus und die Erzielung von Tonusschwan-
kungen nach vollständiger Ausschaltung des Zentralnervensystems einschl.
des autonomen Nervensystems ist aber heute nicht nur in vivo dargetan,
sondern die Untersuchungen von Mac William“), О. B. Meyer‘) u. a.
haben ergeben, daß überlebende Gefäße auf verschiedene Reizarten eine
große Reaktionsfähigkeit aufweisen.
Diese Untersuchungsmethode wurde bisher für die Frage
des peripheren Gefäßtonus sozusagen nicht verwertet. Tatsäch-
lich haben meine Untersuchungen ergeben, daß überlebende
Arterienstreifen unter gewissen Versuchsbedingungen einen dauern-
den Tonus einnehmen können. Unsere Aufgabo wird es nun sein,
diejenigen einflußreichen Faktoren zu charakterisieren, welche
für das Zustandekommen und die Aufrechterhaltung eines solchen
Gefäßtonus am überlebenden Organ erforderlich sind, wie er analog
in einem vom Zentralnervensystem beraubten Gefäßgebiete
in vivo existieren dürfte. Ich beschreibe im folgenden kurz das
Vorgehen, wie ich es für die Erzielung eines Tonuszustandes an
1) Asher, Ergebnisse der Physiologie Asher und Spiro. 1. Jg. 2. Abt. |
S. 372. 1902.
2) Hofmann, Nagels Handbuch der Physiologie des Menschen 1
287. 1909.
3) Mac William, Proceed. of the Royal Soc. of London. 69, 190—193
1901. 70, 109—153. 1902.
t) О. B. Meyer, Zeitschr. f. Biol. 48, 352—397. 1906.
Eigenschaften überleb. Gefäße unter Anwend. d. chem. Reizmethode. 227
einem überlebenden Gefäßstreifen als notwendig erachte, um dann
diejenigen Punkte speziell zu berücksichtigen, welche sich nach
meinen Erfahrungen als wesentlich erwiesen haben.
Ein Arterienring, vom umgebenden Gewebe sorgfältig befreit,
wird quer durchschnitten und in den oben kurz skizzierten Apparat
eingespannt. Unter einer angemessenen Belastung, bei einer
Temperatur von 38—39°, in O,-gesättigtem Ringer, erfährt der
Abb. 1 a.
ААА Аа д ана Ta ee
Abb. 1b.
Abb. 1a und b. Die beiden Gefäße stammen von derselben Arteria mesenterica einer Kuh.
Die Belastung beträgt je 20 g. Das Gefäß B befindet sich von Beginn des Experimentes in
mit O,-gesättigtem Ringer, welcher außerdem fortwährend mit O, durchperlt wird. Das
Gefäß A dagegen ist in O,-armem, gewöhnlichem Ringer, es wird erst bei der Marke + О,
Sauerstoff zu dessen Ringerlösung zugeströmt. Beide Gefäße dehnen sich erst rasch, dann
langsamer (Dehnungsphase). Das Gefäß B beginnt die Kontraktionsphase zu Beginn der
Abb. b, und erreicht am Schlusse der Kurve die Phase des mittleren Tonuszustandes. Zu-
folge des O,-Mangels blelbt das Gefäß B länger dilatiert, tritt aber nach Zufluß von O, eben
falls in die Kontraktionsphase ein. Verkl. /.
Gefäßstreifen Veränderungen, welche wir in drei Phasen auf-
teilen können. In einer ersten Phase dehnt sich das Gefäß erst
rasch, dann immer langsamer bis zu einem Maximum; es ist dies
die Phase der eigentlichen Dehnung des Gefäßes. Es folgt die
zweite Phase, charakterisiert durch einen in der Regel erst lang-
samen, dann rascher werdenden Anstieg des Schreibhebels, d. h.
das Gefäß verkürzt sich bis zu einem gewissen Grade, es ist dies
die Kontraktionsphase. Bei konstanter Innehaltung der
erwähnten Versuchsbedingungen wird nun das Gefäß in diesem
228 E. Rothlin:
verkürzten Zustande stundenlang verweilen, oder um diesen `
mittleren Kontraktionszustand durch mehr oder weniger aus-
geprägte Schwankungen pendeln. Es stellt dies die dritte Phase
bei der Einstellung eines überlebenden Gefäßstreifens in einen
Tonuszustand dar, es ist die endgültige Phase des mitt-
leren Tonus. Das Gesagte wird klar durch die Abb. la und b
illustriert. |
Für die Einstellung eines isolierten Gefäßstreifens in einen
mittleren Tonuszustand spielen folgende Faktoren eine wesent-
liche Rolle:
1. Die Art und Weise der Dehnung des Gefäßes,
2. der Einfluß der Temperatur und
3. der Einfluß des Sauerstoffes.
Diese 3 Faktoren sollen eine nähere Analyse erfahren.
1. Die Dehnung des Gefäßstreifens.
Nach Mac Williams!) Untersuchungen über die Eigenschaften der
isolierten Gefäße tritt kurz nach dem Tode des Tieres an denselben ein
hypertonischer Zustand auf. Die Bedingungen für das Zustandekommen
dieses Hypertonus sind nach Mac William: mechanische Reizung, Ab-
kühlung, oder Berührung mit der Luft. Dieser postmortale hypertonische
Zustand kann nach diesem Autor bis zu 14 Tagen nach der Entnahme
des Gefäßes aus dem Organismus sich erhalten, dabei bleiben angeblich
diese Gefäße auf mechanische und elektrische Reize erregbar. Dieser
hypertonische Kontraktionszustand ist auch von andern Autoren konstatiert
worden, welche mit isolierten Gefäßen arbeiteten. Ich kann dies insofern
bestätigen, als ein brauchbares Testobjekt nur unter der Bedingung einer
geeigneten Dehnung der aus dem Organismus isolierten in Ringerlösung
im Eisschrank aufbewahrten Gefäße zu erreichen ist. Denn die Lösung
dieses Hypertonus ist für die Erzielung einer normalen Erregbarkeit eines
solchen Gefäßstreifens unbedingt notwendig. Mac William hält das
Ausfrierenlassen in einer Kältemischung für das geeignete Vorgehen,
welche Methode auch von Grützner und Du-Bois-Reymond emp-
fohlen wurde. Dieses Vorgehen ist nicht nur unbequem, weil es Stunden
dauert und deshalb ein frisches Gefäß überhaupt nicht untersucht werden
kann, sondern nach meinem Dafürhalten auch unphysiologisch. О. В.
Meyer?) empfiehlt eine Dehnung der Gefäße unter hoher Belastung, so
für eine Rinderkarotis mit 85 gin warmer Ringerlösung während ca. 15 Min.
Dabei verlängern sich die Gefäße z. B. von 8,5 mm auf 22—23 mm. Meyer
gibt an, daß eine Retraktion nach Verringerung der Belastung auf 6—8 g
fast gar nicht eintrat. wir werden später sehen, warum. Ähnlich wie Meyer
1) Mac, William, 1. с. S. 226.
2) О. B. Meyer, loc. cit. S. 226.
Eigenschaften überleb. Gefäße unter Anwend. d. chem. Reizmethode. 229
sind Full!) und Günther?) verfahren. Siccardi?) und Loredan haben
systematische Versuche mit Dehnung beihoher und niedriger Belastung in mit
O,-gesättigtem Ringer bei 40° durchgeführt. Die Autoren geben dem letz-
teren Verfahren entschieden den Vorzug, wegen der größeren erzielten
Erregbarkeit der Gefäße. Meine Erfahrungen sprechen ganz im Sinne von
Siccardi und Loredan. Ich verwende daher je nach der Dicke und
Länge der Gefäßstreifen ein Gewicht von 2—25 g und dehne das Gefäß
in O,-Ringer bei 39°. Zur Versuchslösung lasse ich kontinuierlich einen
O,-Strom in kleinen Bläschen hinzuperlen. Nun warte ich, bis das Gefäß
in die dritte Phase der oben beschriebenen Tonuseinstellung eingetreten
ist, d. h. sich im Zustande eines mittleren Tonus befindet.. Dies ist graphisch
in der Abb. 1 a und b wiedergegeben. Die Dauer einer solchen Dehnung
bzw. Einstellung in den mittleren Tonuszustand beträgt ca. 1 Stunde.
Die Lösung des postmortalen Hypertonus durch eine so hohe Belastung,
wie dies besonders von Meyer angegeben wurde, halte ich aus verschie-
denen Gründen für ungeeignet. Denn es zeigte sich, daB die nach Meyer
gedehnten Gefäße in ihrer funktionellen Leistungsfähigkeit in qualitativer
wie quantitativer Hinsicht den nach meiner Methode behandelten nach-
stehen. Die Gefäße fand ich nicht nur allgemein unempfindlicher, sondern
als besonders mangelhaft empfand ich das meist völlige Fehlen der Mög-
lichkeit einer Erschlaffung der Gefäße auf einen vasodilatatorischen che-
mischen Reiz. Die Gefäße werden eben durch die hohe Belastung sozusagen
maximal gedehnt, es fehlt somit ein anständiger Tonus. Dies geht auch in
gewissem Grade aus den Angaben von Meyer hervor, da bei den auf seine
Weise gedehnten Gefäßen auch nach der teilweisen Entlastung in den
meisten Fällen keine sekundäre Retraktion eintrat. Das Fehlen eines mitt-
leren Tonus beim isolierten Gefäß müssen wir aber als ein Manko betrachten,
da den physiologischen Verhältnissen widersprechend, wo wir auch nach
vollständiger Ausschaltung der nervösen Innervation noch einen mehr
oder weniger ausgesprochenen Tonus bei den Gefäßen besitzen. Eine
weitere Ursache der sekundären Retraktion werden wir soeben kennen
lernen. Die von Meyer empfohlene hohe Belastung zur Dehnung der
Gefäße mag auf Grund einer Anlehnung an die Spannungsverhältnisse
in vivo theoretisch stimmen, eine plötzliche, so hohe Belastung eines iso-
lierten Arterienstreifens, der aus seinem natürlichen, stützenden Bett
entfernt, der normalen Ernährung und jeder nervösen Beeinflussung
beraubt ist, halte ich aber für wenig schonungsvoll. Das Experiment hat
mir auch ferner gezeigt, daß in praxi eine solche Behandlung keine opti-
male Versuchsbedingungen in qualitativer und quantitativer Hinsicht schafft.
2. Der Einfluß der Temperatur.
Die Dehnung der isolierten Gefäße, wie sie soeben beschrieben
wurde, trifft nur unter der Bedingung zu, daß wir bei einer Tem-
1) Full, Zeitschr. f. Biol. 61, 287. 1913.
2) Günther, Zeitschr. f. Biol. 65, 401. 1915.
3) Siccardi und Loredan, Zeitschr. f. allg. Physiol. 15, 85. 1913.
230 E. Rothlin:
peratur von 38—39° arbeiten. Bei niedrigeren Temperaturen
geht die Dehnungsphase viel langsamer vor sich und ist nicht so
intensiv. Der postmortale Hypertonus wird gewissermaßen nicht
genügend gelöst. Die folgende ,,Kontraktionsphase“ ist dement-
sprechend viel schwächer ausgeprägt und tritt später ein. Das
Gefäß ist unter diesen Umständen in einem hohen Tonuszustande,
ist aber was uns mehr interessiert, viel weniger empfindlich als bei
einer Einstellung bei 38—39°. Oberhalb dieser Temperatur zeigen
die zwei ersten Phasen keine wesentlichen Änderungen, als daß
sie rascher verlaufen. Das Gefäß verkürzt sich aber allmählich
und kontinuierlich weiter und zwar um so stärker, je höher die
Temperatur ist. Untersucht habe ich dies bis auf 45°. Die Erreg-
barkeit ist bis zu dieser Temperatur noch vorhanden, aber je
höher die Temperatur, desto geringer und flüchtiger ist dieselbe.
Der Einfluß auf die Tonuseinstellung zeigt sich ferner eklatant
in folgendem Versuche. Ein nach meinen Angaben belastetes
Gefäß wird in mit O,-gesättigtem Ringer eingespannt und man
läßt außerdem O, zuperlen. Die Temperatur sei zu Beginn auf
15°. Nun wird der Thermostat allmählich auf 39° eingestellt
Das Gefäß erweitert sich erst beim Erwärmen langsam und ziem-
lich konstant bis zu einer Temperatur von ca. 20°, dann wird die
Dehnung rascher, bis zu einer Temperatur von ca. 30°. Darauf
beginnt das Gefäß sich mehr oder weniger rasch zu kontrahieren
und verbleibt bei 39° bei dem erreichten Tonuszustande. Es ist
dies ein Befund, wie er in ähnlicher Weise von O. B. Meyer?)
und Cow?) beschrieben worden ist. Wir sehen aus allen diesen
Angaben, daß die Einstellung isolierter Gefäßstreifen
ір den mittleren Tonuszustand auch von der Tempera-
tur abhängig ist, und die Körpertemperatur sowohl
für den mittleren Tonus als für eine „nor male“ Reak-
tionsfähigkeit die geeignetste erscheint.
3. Der Einfluß des Sauerstoffes.
Der dritte wesentliche Faktor für die Einstellung isolierter
Gefäße in einen mittleren Tonus ist die Versorgung desselben
mit Sauerstoff. Der Dehnung des Gefäßes folgt nach meinen obigen
Angaben (Abb. la u. b) die Kontraktionsphase, deren Ausbleiben
1) В. О. Meyer, 1. с. S. 226.
2) D. Cow, Journ. of physiol. 4%, 125. 1911.
Eigenschaften überleb. Gefäße unter Anwend. d. chem. Reizmethode. 231
beim Vorgehen nach O. B. Meyer als typisch erwähnt wurde.
Ich betrachte diese Retraktion des Gefäßes für ein wichtiges
Kriterium bei der richtigen Einstellung eines isolierten Gefäßes
in den mittleren Tonuszustand. Ich lege um so größeres Gewicht
darauf, als keiner der früheren Autoren darauf genügend Augen-
merk legte. Das Ausbleiben dieser „sekundären Retraktion“ bei
O. B. Meyer hat seinen Grund nicht nur in der starken Dehnung
der Gefäße, sondern ist vielleicht noch mehr auf das Fehlen eines
unbedingt notwendigen Sauerstoffdruckes in der Versuchsflüssig-
keit zu suchen. Von Mac William!), Bayliss*), Meyer)),
Full‘), Günther), Loening®) u. a. ist der tonuserhöhende
Einfluß des Sauerstoffes auf überlebende Arterienstreifen beob-
achtet worden. Meyer und Full fanden das O, Bedürfnis solcher
Gefäße gering und Loening schließt auf Grund seiner Versuche
auf S.120: „Sauerstoff vermag nur in Plasma oder Serum eine
stärker tonisierende Wirkung auf die überlebende Gefäßwand
auszuüben. In Ringerlösung kommt diese seine vasotonisierende
Wirkung fast gar nicht zur Geltung.“ So überflüssig es mir auf
Grund der bestehenden Daten über den Einfluß des O, auf isolierte
Gefäße erschien, eine schon bekannte Sache neu zu entdecken,
veranlaßten mich Loenings Ergebnisse doch systematische
Untersuchungen über diesen Gegenstand vorzunehmen, und ich ge-
langte dabei zu neuen Resultaten, welche die Bedeutung des
Sauerstoffes für die richtige Tonuseinstellung, die Erhaltung des
Tonus und die optimale Erregbarkeit und Leistungsfähigkeit
isolierter Gefäße dartun. Die Abb. la u. b bringt den Unterschied
in der Tonuseinstellung von zwei Parallelgefäßen unter verschie-
denen Sauerstoffverhältnissen zur Darstellung. Gefäß A befindet
sich zu Beginn des Versuches in gewöhnlicher, gestandener
Ringerlösung, Gefäß B dagegen in mit O,-gesättigtem Ringer,
zu welchem außerdem fortwährend O, hinzuperlt. Die übrigen
Versuchsbedingungen sind ganz identisch. Der Unterschied der
beiden Gefäße in ihrem Verhalten ist ganz frappant. Das Gefäß A
1) Mac William, 1. с. S. 226.
3) W. M. Bayliss, Journ. of physiol. 28, 220. 1902.
з) О. В. Meyer, 1. с. 8. 226.
4) Full, L с. 8. 229.
5) G. Günther, Le S. 229.
) Loening, Zeitschr. f. Biol. 62, 541. 1913.
232 E. Rothlin:
verweilt in relaxiertem Zustande, während Gefäß B schon in die
zweite bzw. dritte Phase der Tonuseinstellung eingetreten ist.
Daß wir die Ursache dieses verschiedenen Verhaltens der beiden
Gefäße nur in der verschiedenen O,-Versorgung zu suchen haben,
geht daraus hervor, daß Gefäß A unter dem Einfluß von О, nun
nach einer ziemlich langen Latenzzeit ebenfalls in die Kontraktions-
phase eintritt. Die zweite Phase der Tonuseinstellung tritt nur
unter der Einwirkung des Sawerstoffes in der Weise selbst bei
Gefäßen von 2—5 Tage Alter zur Beobachtung. Ich kann füglich
sagen, daß jedes Gefäß, besonders im frischen Zustande und bei
sorgfältiger Behandlung demselben Einfluß des Sauerstoffes
unterliegt. Es bestehen in dieser Beziehung bei den verschiedenen
Gefäßen wohl quantitative Unterschiede, die aber in der Regel
mit einer geringeren Erregbarkeit der Gefäße überhaupt zu-
sammenfallen. Wir können auf Grund dieser Erfahrungen
sagen, daß der Sauerstoff für die zweite Phase der Tonus-
einstellung geradezu das auslösende Moment darstellt.
Wenn frühere Autoren diesen Faktor unter den notwendigen
Versuchsbedingungen beim Arbeiten mit überlebenden Gefäßen
nicht geäußert haben, so liegt die Erklärung in der Tatsache,
daß das Vorhandensein eines gewissen Gefäßtonus für
eine vollwertige Untersuchung an isolierten Gefäß-
streifen nicht berücksichtigt wurde.
Der Einfluß des Sauerstoffes in der dritten Phase, d.h. im
Zustande des mittleren Tonus besteht nun darin, daß der einmal
eingenommene Tonus des isolierten Gefäßes bei ständiger O,-Zufuhr
zur Versuchsflüssigkeit während Stunden erhalten werden kann.
Ja man hat es geradezu in der Hand willkürlich durch mehr oder.
weniger reichliche O,- Zufuhr den Tonus zu variieren. Abnahme
des O,-Gehaltes der Versuchsflüssigkeit führt zu einer Tonus-
erschlaffung, Zunahme Jesselben zu einer Tonuserhöhung. Das
Verhalten überlebender Gefäße gegenüber Sauerstoff in der dritten
Phase nach eingenommenem mittleren Tonus ist in den Abb. 2—4
wiedergegeben.
Damit ist eigentlich der Einfluß des Sauerstoffes auf über-
lebende Gefäßstreifen in Ringerlösung bewiesen. Aber Loe nings
Auffassung über die Wirkungsweise des Sauerstoffes auf über-
lebende Gefäße veranlassen mich, diese Analyse weiter zu ver-
folgen. In der Abb. 2 ist der Einfluß des Sauerstoffes auf isolierte
Eigenschaften überleb. Gefäße unter Anwend. d. chem. Reizmethode. 233
Gefäßstreifen dargestellt, deren Tonus durch O,-armen Ringer
niedrig gehalten ist. Durch das Zuperlen von ca. 80 Gasbläschen
pro Minute erfahren beide Gefäße eine sehr kräftige Tonuserhöhung,
die in ihrer Form geradezu einer Gefäßkontraktion gleichkommt.
Wenn also Autoren wie Meyer, Full und Loening sagen, daß
Abb. 2. Art. renalis einer Kuh. Die Belastung beider Gefäße beträgt 25 g. Die Gefäße
werden 1 Stunde nach dem Tode des Tieres untersucht. Zeitmarkierung alle 6 Sek. Beide
Gefäße befinden sich zu Beginn der Kurven in O,-armer Ringerlösung. Bei O, wird Sauer-
stoff zugeperlt. Nach einer Latenzzeit von 2—2!/, Minuten tritt eine raschansteigende,
kräftige Tonuserhöhung ein, welche geradezu als eine Muskelkontraktion bezeichnet werden
könnte. Verkl. !/,.
das Sauerstoffbedürfnis überlebender Gefäße nicht nur gering
anzuschlagen sei, sondern der Einfluß des O, in Ringerlösung,
fast gar nicht zur Geltung gelange (Loening), so scheint mir
durch diese wiedergegebenen experimentellen Daten das Gegen-
teil bewiesen zu sein. Loening glaubt gewisse Fehlerquellen
Abb. 3. Art. renalis von 6 jähriger Kuh. Die Gefäße sind 24 Stunden alt. Belastung je 25 g.
Zeitmarkierung alle 6 Sek. Vor der Marke I befinden sich die Gefäße A und Bin O,-armer
Ringerlösung, bei der Marke I wird diese Versuchsflüssigkeit mit vorgewärmtem O,-armem
Ringer ausgewechselt. Es tritt keine Veränderung des Tonus der Gefäße ein. Bei der Marke II
wird ebenfalls mit vorgewärmtem aber O,-gesättigtem Ringer ausgewechselt, es erfolgt in
beiden Gefäßen eine kräftige Tonuserhöhung. Verkl. !/,.
nicht ausschließen zu dürfen, wenn man О, in die Nährlösung,
also zu Ringer, während des Versuches hinzuperlen läßt, indem
dabei zwei physikalische Faktoren reizend auf die Gefäße ein-
wirken könnten: nämlich der mechanische Reiz durch die Gas-
blasen und die Abkühlung durch dieselben. Meine Versuche,
wie dies in der Abb. 3 wiedergegeben ist, erlauben aber diese Be-
denken ohne weiteres auszuschließen. Denn die Gefäße, welche
234 E. Rothlin:
in Orarmem Ringer sich befinden, werden durch den Wechsel
mit vorgewärmtem O,-armen Ringer gar nicht beeinflußt, wohl
aber erleiden dieselben durch O,-gesättigten und vorgewärmten
Ringer eine Tonuserhöhung, wie wir dies beim Durchperlen von
Abb. 4a.
Abb. 4b.
Abb. Ae,
Abb. 4a, b, с. Art. mesent. vom Stier. Die Gefäße gelangen 1 Stunde nach dem Tode des
Tieres zur Untersuchung. Die Belastung beträgt 20 g. Zeitmarkierung alle 6 Sek. Bei der
Abb. a befinden sich die Gefäße in O,-armem Ringer. Bei + O, läßt man Sauerstoff zu-
strömen, es tritt eine erhebliche Tonuserhöhung unter dem Einfluß des O, ein, welche außer-
dem von rhythmischen Bewegungen begleitet ist. Der O,-reiche Ringer wird nun durch
O,-armen ersetzt, sodann mit O,-freiem Blutserum. Die Abb. b zeigt, daß keine Tonuser-
höhung erzielt wurde. Bei der Marke O, wird zu dem Blutserum als Versuchsflüssigkeit
(Abb. c) Sauerstoff zugeperlt, worauf, wie vorher in Ringer, eine Tonuserhöhung mit rhyth-
mischen Bewegungen eintritt. Verkl, */;.
O, durch den Ringer bewirken können. Diese beiden Faktoren
kommen als Feblerquellen sicher nicht in Betracht, solange der
zufließende Sauerstoffstrom nicht in zu großen und allzu zahl-
reichen Blasen besteht. Ich ließ in meinen Versuchen 60—80
O,-Blaschen zuströmen. In diesem Zusammenhange müssen wir
die Auffassung Loenings über die Wirkung des Sauerstoffes
auf überlebende Gefäße, wie sie in obigem Zitat wiedergegeben
Eigenschaften überleb. Gefäße unter Anwend. d. chem. Reizmethode. 235
ist, weiter besprechen. Die Abb. 4a, b, с geben den Einfluß des
Sauerstoffes auf zwei Parallelgefäße in Ringer und in Blutserum
wieder. Daraus entnehmen wir mit jeder Deutlichkeit, daß Sauer-
stoff auf dieselben Gefäße nicht nur in Serum, sondern auch in
Ringerlösung eine tonisierende Wirkung hat. Die Kurven der
Abb. 4a u. с sind einander nicht nur in qualitativer, sondern auch
in quantitativer Hinsicht sozusagen identisch. Die Latenzzeit,
die Art und Größe des Tonusanstieges, selbst die rhythmischen
Erscheinungen werden durch den Sauerstoff in Ringer wie in
Serum in gleicher Weise beeinflußt. Loenings Ansicht, daß
Blutserum sozusagen einen O,-übertragenden Aktivator enthält,
könnte ich somit nur unter dem Vorbehalte teilen, wenn er einen
solchen auch für Ringer annehmen würde und dieser Aktivator
somit nicht etwa organischer, sondern anorganischer Natur ist.
Auf die besondere Wirkung des Sauerstoffes in Blutserum werde
ich im speziellen Teile dieser Arbeit zurückkommen. Aus diesen
experimentellen Daten dürfen wir schließen, daß der Sauer-
stoff in Ringerlösung für die Einstellung eines über-
lebenden Gefäßes in einen mittleren Tonuszustand
notwendigist. Dieser dauernde mittlere Tonuszustand
eines solchen Testobjektes in Ringerlösung kann bei
geeigneter Belastungund Versuchstemperaturtreffend
als eine Funktion des Sauerstoffdruckes in der Nähr-
lösung betrachtet werden. Der Tonus eines überleben-
den Gefäßstreifens unter diesen Versuchsbedingungen
stellt ein labiles Gleichgewicht dar, welches durch ein
Plus oder Minus von Sauerstoff gestört wird im Sinne
einer Zu- bzw. Abnahme des bestehenden Tonus.
Diese Ergebnisse an isolierten Arterienstreifen von Warm-
blütern konnte Fleisch!) bei seinen Versuchen über den Einfluß
des Sauerstoffmangels an der Froschextremität nicht nachweisen,
da ,,Sauerstoffmangel immer eine rasche und intensive Gefäß-
verengerung auslöst“. Hooker?) hat aber schon früher bei dem-
selben Versuchsobjekt durch Sauerstoffmangel eine vasodila-
tatorische Wirkung beobachtet. Es gelang mir nicht, bei einer
Nachprüfung dieser widersprechenden Versuchsresultate eine
Entscheidung zu erzielen, da ich mit ausgekochtem, wie bei 40°
1) A. Fleisch, Arch. f. d. ges. Physiol. 171, 86—133. 1918.
3) D. R. Hooker, Amer. journ. of physiol. %8, 361. 1911.
236 E. Rothlin:
susgepumptem Ringer, der mit Paraffinöl überschichtet war,
sowohl eine ganz geringe Erweiterung oder eine ebenso schwache
Verengerung bzw. eine vollständige Indifferenz beobachtete.
Die Ursache dieser Differenzen ist mir nicht klar und bedarf einer
weiteren Untersuchung. Als zu berücksichtigende Faktoren
kommen dabei in Frage: verschiedener Gehalt an Sauerstoff, die
Zusammensetzung der Durchströmungsflüssigkeit, besonders die
vorliegende (H-)Ionenkonzentration, sodann eine verschiedene
Empfindlichkeit der verschiedenen Froscharten. An dem Resultat
über den Einfluß des Sauerstoffes auf isolierte Gefäßstreifen von
Warmblütern kann der Ausfall einer solehen Untersuchung nichts
ändern. Es unterliegt keinem Zweifel, daß der Gefäßtonus
nach völliger Ausschaltung der Einflüsse des zentralen
und autonomen Nervensystemsin vivo unter gewissen
Versuchsbedingungen auch an überlebenden Gefäßen
von Warmbliternreproduziert werden kann. Als wesent-
liche Faktoren, welche das Zustandekommen dieses Tonus be-
dingen, wurde eine angemessene Belastung (bzw. Dehnung) der
Gefäße, eine Versuchstemperatur von ca. 38—39° und vor allem
eine genügende Sauerstoffversorgung erkannt. Es liegt die Ver-
mutung nahe, daß auch in vivo der Sauerstoff für die Auf-
rechterhaltung des restierenden Gefäßtonus nach Aus-
schaltung aller nervösen Einflüsse neben der im Blute
normalerweise vorhandenen vasoconstrictorischen
Substanzen eine wesentliche Rolle spielt.
В. Über rhythmische Tonusschwankungen bei überlebenden Gefäßen,
Die Frage der Existenz und der Bedeutung von rhythmischen Tonus-
schwankungen bei Blutgefäßen ist seit der Entdeckung rhythmischer vom
Pulse unabhängiger Querschnitts veränderungen von Schiff am Kaninchen-
ohr von zahlreichen Forschern bearbeitet worden. Das Vorkommen solcher
rhythmischer Bewegungen der Gefäße kann auf Grund der Ergebnisse
als tatsächlich bewiesen erachtet werden. Problematisch dagegen war
bis in die neueste Zeit die Lokalisation des Ursprunges dieser rhythmischen
Erscheinungen bei den Gefäßen und deren Bedeutung im Dienste der
Hämodynamik. Es ist nicht mein Ziel, die Geschichte dieses hämo-
dynamisch wichtigen Untersuchungsgegenstandes hier bibliographisch
aufzurollen und ich verweise auf die diesbezüglichen Arbeiten von Hess*)
з) W. R. Hess, Arch. f. d. ges. Physiol. 163, 555. 1916. Arch. f.
Anat. u. Physiol. 1914, S. 8. Arch. f. d. ges. Physiol. 173, 243—264. 1919.
Eigenschaften überleb. Gefäße unter Anwend. d. chem. Reizmethode. 237
und Fleisch!). In diesem Rahmen verfolgen wir die rhythmischen Erschei-
nungen insoweit, als dieselben an überlebenden Gefäßen beobachtet wurden.
Das Auftreten von rhythmischen Tonusschwankungen an überlebenden iso-
lierten Arterienstreifen wurde von O. B. Meyer?) in seiner ausführlichen
Arbeit über die Eigenschaften überlebender Arterienstreifen verneint,
„denn sie konnten damals nie auch nicht andeutungsweise“ und zwar
weder in Ringer, noch in Blutserum und ebensowenig nach Einwirkung
von chemischen Reizen beobachtet werden. Me yer betrachtet das Fehlen
von rhythmischen Erscheinungen an diesen Testobjekten als einen wesent-
lichen Vorzug der Gefäßstreifenmethode gegenüber andern Testobjekten
mit ausgesprochener Rhythmik, wie Darm, Uterus usw. Indes konnte
Meyer?) bald darauf von solchen rhythmischen Gefäßbewegungen am über-
lebenden Organ berichten und wie er sagt: „fehlen die spontanen rhyth-
mischen Kontraktionen beim Verweilen der Arterien in Ringerlösung.
Dagegen kamen sie wiederholt zur Beobachtung, nachdem die Präparate
in Blut bzw. in Blutserum längere Zeit eingetaucht waren. Auffallend
war hierbei, daß die in Blut suspendierten Präparate wesentlich später
mit den Eigenbewegungen begannen und sie auch seltener zeigten. Durch
Zufuhr von O, können nach Meyer die rhythmischen Kontraktionen
fast völlig unterdrückt werden. Durch O,-Mangel, sowie durch indifferente
Gase wie Wasserstoff oder Stickstoff kann die Rhythmik gefördert werden.
Die vom Autor ausgeführten diesbezüglichen 1—2 Versuche lassen aber
keinen bindenden Schluß zu. Meyer führt den Unterschied im Auftreten
der rhythmischen Erscheinungen in Blut und im Blutserum ebenfalls
auf den verschiedenen Sauerstoffgehalt zurück, und der Autor bezeichnet
die rhythmischen Erscheinungen geradezu als „Erstickungskrämpfe“.
Full*) hat, ebenfalls unter von Freys Leitung, die Untersuchungen
Meyers über die rhythmischen Erscheinungen an isolierten Arterienstreifen
weiter experimentell verfolgt. Auch er findet die gewöhnlichen Salzlösungen
ungeeignet für das Auftreten autonomer Gefäßbewegungen, „nur Serum
bzw. unbekannte Bestandteile desselben sind imstande, die für die auto-
matischen Bewegungen maßgebenden Strukturen längere Zeit am Leben
zu erhalten“. Full glaubt, daß die Gefäße durch O,-arme Tauchflüssigkeit
in einen Zustand hoher Erregbarkeit geraten, wobei dann ein beliebiger
Reiz „besonders ein tonisierender Anstoß wie H,O-Zusatz, ein elektr. Reiz
usw. geeignet ist, spontane Rhythmik auszulösen“. Ich möchte bemerken,
daß wir nicht mehr von Spontaneität sprechen können, wenn ein vasotoni-
sierender Reiz für die Auslösung der Rhythmik notwendig ist. Ich ver-
stehe aber nicht, wie Full diese „spontanen“ Bewegungen eher als Er-
stickungserscheinungen, denn normale Tonusschwankungen betrachten
kann, da der Autor das Fortbestehen von Rhythmik bei Sauerstoffzufuhr
1) Fleisch, Schweiz. med. Wochenschr. 1920, Nr. 24.
2) O. B. Meyer, 1. с. S. 226.
3) O. B. Meyer, Zeitschr. f. Biol. 61, 275—286. 1913, und Zentralbl.
f. Physiol. 23, 685. 1909.
) H. Full, 1. o. 5. 229.
Blochemische Zeitschrift Band 111. 16
238 E. Rothlin:
konstatiert. Die Auslegung der Resultate von Meyer und von Full,
sowie der Versuchsbedingungen für das Auftreten von rhythmischen Er-
scheinungen an isolierten Arterienstreifen scheinen mir sehr unsicher zu
sein. Günther!) verwendete für seine Untersuchungen über rhythmische
Erscheinungen an überlebenden Gefäßstreifen Carotiden von Pferden.
Rhythmik tritt nach Günther „mit staunenswerter Regelmäßigkeit“
und während Stunden auf, wenn der Ringerlösung, der an sich für rhyth-
mische Bewegungen untauglichsten Versuchsflüssigkeit, Blut oder Adre-
nalin, wenn auch nur in ganz minimalen Dosen zugesetzt wird. Günther
ist geneigt, das Vorhandensein solcher rhythmischer Kontraktionen an
Arterienstreifen geradezu als ein Kennzeichen ihrer vollen Lebenstätigkeit
zu betrachten. Sauerstoff ist nach diesem Autor für die Erscheinungen
ohne wesentlichen Einfluß. Müller?) berichtet von einem Fall rhyth-
mischer Tonusschwankungen bei einem vorerst mit Yohimbin behandelten
24 Stunden alten Gefäßstreifen. Weiterhin haben De Bonis und Susanna?)
in Ringer nie, dagegen nach chemischer Reizung überlebender Gefäße
rhythmische Bewegungen auftreten gesehen. Auch Siccardi und Loreda n“)
waren häufig in der Lage nach Reizung mit Organextrakten: Hypophyse,
Thymus, Niere, Ovarium, Testikel, Thyreoidea und Uterusmukosa an
solchen Gefäßen rhythmische Tonusschwankungen auszulösen. Loenings“)
Erfahrungen decken sich mit jenen von Meyer und Full, die spontanen
Bewegungen isolierter Gefäßstreifen sind nach ihm ebenfalls als Erstickungs-
krämpfe zu betrachten. Endlich berichtet Cow*) von rhythmischen Kon-
traktionen, deren Analyse der Autor in seiner Arbeit unterläßt. Aber auf
Grund der Frequenz der Rhythmik an isolierten Gefäßen glaubt der Autor,
daß die sog. Traube-Heringschen Wellen evtl. nicht zentral, sondern
. peripher in den Gefäßen selbst bedingt sind. Ich gebe in folgendem erst
einige Beispiele meiner diesbezüglichen Beobachtungen, um zum Schlusse
meine Resultate mit jenen anderer Autoren vergleichend zu diskutieren.
Unter den oben ausgeführten Versuchsbedingungen für die
Einstellung eines isolierten Gefäßstreifens in den „mittleren
Tonuszustand“ ist es ein sehr häufiger aber kein regelmäßiger
Befund, daß wir rhythmische Tonusschwankungen registrieren
können. Als ein wesentliches Resultat meiner Untersuchungen
über rhythmische Bewegungen an überlebenden Arterienstreifen
betrachte ich den Befund, daß Sauerstoff das Auftreten dieser
Bewegungen nicht hemmt, sondern im Gegenteil fördert. Ich ver-
weise auf die Abb. 6 u. 7, welche eklatante Beispiele dafür sind.
1) G. Günther, l. с. S. 229.
2) Fr. Müller, Arch. f. Anat. u. Physiol. Suppl. 1906, S. 411—425.
1) De Bonis und Susanna, Zentralbl. f. Physiol. 23, RES 1909.
4) Siccardi und Loredan, |. c. S. 229.
>) Loening, 1. с. S. 231.
6) D. Cow, Journ. of physiol. 42, 125. 1911
Eigenschaften überleb. Gefäße unter Anwend. d. chem. Reizmethode. 239
Abb. 5. Art. meseut. einer Kuh. Die Gefäße sind ca. 24 Stunden alt und wurden im Eisschrank in O,-Ringer
aufbewahrt. Die Belastung der Parallelgefäße beträgt je 20 g. Zeitmarkierung alle 6 Sek. In der Abbildung
wurden die Minuten stärker hervorgehoben. Die Gefäße befinden sich in einem mittleren Tonuszustand in
mit O, gesittigtem Ringer, es perlen zudem 80 O,-Bläschen pro Minute zur Versuchsflüssigkeit. Beide Ge-
fäße zeigen eine ausgesprochene, ziemlich regelmäßige rhythmische Tätigkeit. Die Maße betragen 16 mm Länge
und 10 mm Breite. Die maximale Kontraktionshöhe des unteren Gefäßes beträgt 10 mm, red. 2 mm, da die
Vergrößerung durch die Hebelübertragung 5 ist. Das Gefäß verkürzt sich somit um !/,, d. h. um ca. 18%
seiner Länge. Verkl. /
Abb. 6. Art. mesent. einer Kuh. Das Gefäß ist frisch. Belastung 15 g. Zeitmarkierung alle 6 Sek. Versuchs-
flüssigkeit ist Ringerlösung. Zu Beginn der Kurve befindet sich das Gefäß in O,-armem Ringer. Bei der Marke O,
wird Sauerstoff zum Ringer hinzugeperlt, ca. 80 Bläschen pro Minute. Nach einer langen Latenzzeit erfolgt eine
kleine Kontraktion, die rasch von einer zweiten viel stärkeren gefolgt ist. Die weiteren Kontraktionen sind un-
gefähr von derselben Hubhöhe. Außer diesem Rhythmus ist eine Zunahme des Tonus zu erkennen. Die Gefäßmaße
betragen: 12 mm Länge und 8 mm Breite. Die maximale Verkürzung beträgt 22 mm, red. 4,4 mm, d.h. in Pro-
zenten 36,66. Verkl. !/,.
Abb. 7a
Abb. 7 b.
Abb. 7a und b. Art. renalis einer Kuh. Das Gefäß ist 24 Stunden alt. Belastung beträgt 20 g. Zeit-
markierung alle 6 Sek. Das Gefäß ist seit 5 Stunden im Apparat eingespannt und zeigt gegenüber Adre-
nalin eine gute Erregbarkeit. Zwei Stunden vor dem Auftreten dieser rhythmischen Kontraktionen
führte das Gefäß auf Zusatz von n-HCI 1: 200 eine kräftige Kontraktion aus. Der Sauerstoffgehalt.
fst zu Beginn vorliegender Kurve gering, dieser wird durch erhöhten Zufluß zum Versuchsgläschen
erhöht. Die rhythmischen Erscheinungen werden dadurch allmählich rascher und von geringerer Ampli-
tude. Gleichzeitig steigt der Tonus des Gefäßes. Zu Beginn der Abb. b wird der Sauerstoffstrom ab-
gestellt. (— О,.) Der Tonus sinkt, die Frequenz des Rhythmus wird geringer und die Hubhöhe immer
kleiner. Erneuter Zufluß von O,, bei der Marke + О, hat wieder das Auftreten von Rhythmus und
Tonusansteg zur Folge, Abstellen des Sauerstoffstromes bei — O, dagegen Aufhören des Rhythmus und
ES VETRI ‘h. |
16*
240 E. Rothlin:
In sauerstoffarmem Ringer (Abb. 6) ist das Gefäß erschlafft und
ohne Rhythmus, nach Zuleitung von Sauerstoff tritt neben der
Tonuserhöhung eine äußerst kräftige rhythmische Tätigkeit auf.
ohne daß die äußeren Versuchsbedingungen irgendeine andere
Veränderung erfahren. Die Kurven der Abb. 7 zeigen uns dies
noch in schönerer Weise. Ebenda sehen wir außerdem, daß dieser
fördernde Einfluß des Sauerstoffes sich sehr leicht bei demselben
Gefäße mehrmals wiederholen läßt. Die Parallelgefäße der Abb. 5
befinden sich ebenfalls in mit O, gesättigter Ringerlösung, und wir
erkennen, daß die beiden Gefäßstreifen von derselben Arterie
hinsichtlich ihrer rhythmischen Tätigkeit sehr gleichartig sind.
Frequenz und Amplitude weisen nur geringe Unterschiede auf.
Es kann kein Zweifel bestehen, daß bei solchen experimen-
tellen Ergebnissen der Sauerstoff für dierhythmische
Tätigkeit isolierter Arterienstreifen entschieden als
fördernder Faktor angesprochen werden muß. Ja, dieser Ein-
fluß des Sauerstoffes scheint nicht nur ein fördernder, sondern
für unsere Versuchsbedingungen als ein notwendiger Faktor
für das Auftreten von rhythmischer Tätigkeit bei
isolierten Arterienstreifen zu sein. Da alle bisher erwähnten
Beispiele von Rhythmus sich auf Ringerlösung als Versuchs-
flüssigkeit beziehen, dürfen wir ebenso sicher schließen, daß
rhythmische Tonusschwankungen bei überlebenden
Gefäßstreifen in mit O,-versorgter Ringerlösung auf-
treten. Es liegt nach meinen sehr zahlreichen Versuchen gar
kein Grund vor, diese rhythmischen Tonusschwankungen bei iso-
lierten Gefäßstreifen im Sinne von Meyer, Full und Loening
mit dem O,- Mangel der Versuchslösung in einen genetischen
Zusammenhang zu bringen. Ich kann auch nicht mit Günther
annehmen, daß Sauerstoff diese Erscheinungen nicht beeinflußt.
Alle meine Ergebnisse veranlassen mich zur Ansicht, daß der
Sauerstoff einen fördernden Einfluß für das Auftreten
und das Bestehen von rhythmischen Tonusschwan-
kungen bei isolierten Arterienstreifen ausübt. Parallel
zu der Erscheinung der Tonuserhöhung durch Sauerstoff geht eine
fördernde Beeinflussung der rhythmischen Tätigkeit auf isolierte
Gefäßstreifen. O,- Mangel dagegen setzt einen bestehen-
den mittleren Tonus eines Gefäßstreifens herab und
schwächt gleichzeitig vorhandene rhythmischeSchwan-
Eigenschaften überleb. Gefäße unter Anwend. d. chem. Reizmethode. 241
kungen in ihrer Intensität ab und bringt sie evtl.
vollständig zum Verschwinden (Abb.7). Wenn Günther
diese Erscheinung nicht ebenfalls konstatierte, so liegt der Grund
voraussichtlich in dem Umstande, daß der Autor durch bloßes
Abstellen der O,-Durchleitung zur Versuchslösung den notwen-
digen Grad. der O,-Verarmung in der aufgewandten Versuchs-
dauer nicht erreicht oder wenig empfindliche Gefäße vor sich
hat. Dies scheint mir um eo wahrscheinlicher als in seinem
wiedergegebenen Versuche auf S. 410 der Tonus des Gefäßes
durch Abstellen der O,-Durchleitung nur ganz unwesentlich
herabgesetzt wird.
Diese rhythmischen Tonusschwankungen in Ringerlösung,
wie sie hier geschildert wurden, waren, wie schon erwähnt, keines-
wegs regelmäßig, jedoch sehr häufig, zeigten aber in ihrem Auf-
treten die größten Variationen in bezug auf Frequenz sowohl
als auf die Amplitude. Die in den Abb. 5—7 wiedergegebenen
Beispiele gehören zu den gelungensten Versuchen, wie ich sie
nur äußerst selten beobachten konnte. Geringe kaum erkennbare
Tonusschwankungen, bei der verwendeten 5fachen Hebelüber-
tragung, traten dagegen besonders bei Innehaltung der beschrie-
benen optimalen Versuchsbedingungen sehr häufig auf. Mit dem
Alter der Gefäße nahmen die Intensität und die Regelmäßigkeit
des Rhythmus ab. Nach meinen Erfahrungen bestehen auch
keine Unterschiede für das Auftreten von solchen rhythmischen
Erscheinungen bei den Gefäßen der verschiedenen Körperregionen,
da dieselben sowohl bei Art. mes. carotis, coronaris, cordis, pul-
monalis, renalis von Pferd und Rindvieh zur Beobachtung ge-
langten. Wenn aber ein Gefäßstreifen einer Arterie rhythmische
Tonusschwankungen aufwies, so konnten solche in der Regel
mit Streifen entlang des ganzen Gefäßes erzielt werden, welche
aber nicht selten in qualitativer und quantitativer Beziehung
variierten. Ein solches Beispiel ist in der Abb. 5 wiedergegeben.
Günthers Ansicht, daß bei den Gefäßen gewisse, für Rhythmik
prädilektionierte Partien existieren, wie beim Darm, kann ich
nicht bestätigen. Diese etwas gesuchte Analogie stützt Günther
auf eine ähnliche Lokalisation von Ganglienzellen in den Gefäßen
wie beim Darm. Es ist dies eine Annahme, welche bisher der
anatomischen Grundlagen entbehrt und durch das Experiment
nicht bewiesen ist.
242 FE. Rothlin:
Bei scheinbar absolutem Fehlen von rhythmischer Tatigkeit
eines Gefäßstreifens in mit O,-gesättigtem Ringer konnten solche
im Verlaufe der Untersuchungen durch chemische Reize aus-
gelöst werden. Unter diesen Umständen zeigte sich, daß bei durch
einen chemischen Reiz aufgetretenem Rhythmus durch Auswaschen
des Gefäßstreifens mit Ringerlösung bzw. durch die Entfernung
des Reizes die rhythmischen Tonusschwankungen aufhörten und
zwar meist mit einer überraschenden Promptheit. Ebenso sicher
wie der Rhythmus durch einen chemischen Reiz sich einstellt,
ebenso prompt verschwindet derselbe nach dem Auswaschen des
Gefäßes. Dieses Auftreten und Verschwinden des Rhythmus
kann mehreremal, mit quantitativen Differenzen allerdings, an
demselben Gefäßpräparat wiederholt werden. Nur in jenen Fällen,
_ wo auch vor der Applikation des chemischen Reizes, also in Ringer-
lösung, schon eine rhythmische Tätigkeit bestand, war dieselbe
auch nach dem Auswaschen noch vorhanden. Die Natur des
chemischen Reizes spielt offenbar keine wesentliche Rolle,
denn alle meine bisher untersuchten tonuserhöhenden Substanzen
besitzen die Fähigkeit unter diesen Umständen Rhythmus aus-
zulösen. Dabei treten allerdings qualitative und quantitative
Unterschiede in der Rhythmik zutage. Die von mir untersuchten
Substanzen sind sowohl anorganischer als organischer Natur,
nämlich: KCl (in höheren Konzentrationen) BaCl,, def. Blut,
Blutserum, Adrenalin, Hypophvsin, Lienin (Milzextrakt), 8-Imida-
zolyläthylamin usw. Aber ich betone, daß Zusatz irgendeines
dieser genannten chemischen Reize, in einer tonuserhöhenden
Konzentration, nicht stets Rhythmus auslöst, aber wenn einer
dieser Reize rhythmische Tätigkeit an einem isolierten Gefäß-
streifen in Gang bringt, so können dies mit größter Wahrschein-
lichkeit auch alle übrigen. Die rhvthmische Tätigkeit der Gefäße
scheint somit nicht an chemische Reize von spezifischem Charak-
ter gebunden zu sein. Dabei muß ich allerdings hinzufügen, daß
def. Blut bzw. Blutserum von allen erwähnten chemischen Reiz-
substanzen am regelmäßigsten und vielleicht am intensivsten
wirkt. Ich verweise auf die Abb. 8. Beispiele für die Auslösung
von Rhythmus durch chemische Reize sind in den Abb. 8—10
wiedergegeben.
Iın Gegensatz zum Auftreten rhythmischer Tätigkeit bei
isolierten Gefäßen auf chemische Reize von tonuserhöhendem
Eigenschaften überleb. Gefäße unter Anwend. d. chem. Reizmethode. 243
Charakter, habe ich bei denselben Gefäßpräparaten im Anschluß
an chemische Reize von tonuserniedrigender Wirkung nie
die Auslösung von Rhythmus beobachtet. Als solche kommen in
Betracht: Sauerstoffmangel, Kohlensäure, Säuren in starken
Verdünnungen, KCl in schwacher Konzentration, Adrenalin auf
Abb. 8 Art. mesent. einer Kuh. Die beiden Gefäßstreifen sind mit je 15 g belastet.
Zeitmarkierung in Minuten. In mit O, gesättigtem Ringer besteht kein Rhythmus. Bei der
Marke 1 wird (Lienin, alkohol. Milzextrakt) in einer Dosis von 1 : 10 000 hinzugefügt. Es
erfolgt in beiden Gefäßstreifen in ganz analoger Weise eine kräftige Tonuserhöhung, welche
von einem regelmäßigen ausgesprochenen Rhythmus begleitet wird. Nach dem Auswaschen
der Gefäße mit Ringerlösung verschwindet der Rhythmus prompt. Verkl.!/..
die Herzkranzgefäße. Ich bringe hier ein Beispiel zur Darstellung
in der Abb. 9. Im übrigen verweise ich auf die Abb. 7 für O,
Mangel S. 239. Die Abb. 9 gibt rhythmische Erscheinungen in
mit O,-gesättigtem Ringer von ganz speziellem Charakter wieder.
Man erkennt Tonusschwankungen zweierlei Art, nämlich lange
a
Abb. 9. Art. renalis von einem Rind. Belastung 25 g. Zeitmarkierung in Minuten. Das
Gefäß befindet sich in mit О, ges&ttigtem Ringer. Der Tonus nimmt von Beginn der Kurve
bis zum Ende zu. Außerdem weist das Gefäß rhythmische Schwankungen auf. Diese sind
zweierlei Art: große Schwankungen, auf welchen im aufsteigenden Schenkel kleinere auf-
gesetzt sind. Am absteigenden Schenkel der großen Tonusschwankungen dagegen sind keine
kleinen Erhebungen zu erkennen. Verkl. ½.
ausgezogene rhythmische Kontraktionen auf denen kleinere,
ebenfalls rhythmische Erhebungen sich nur auf dem aufsteigenden
Schenkel der großen Tonusschwankungen befinden, nicht aber
auf dem absteigenden Schenkel. Ebenso gelingt es, nachzuweisen,
daß KCl in geringer Dosis einen in Ringer bestehenden Rhythmus
zum Verschwinden bringt, dabei aber gleichzeitig den Tonus der
Gefäßstreifen herabsetzt. Wir können sagen, daß jede
244 E. Rothlin:
Verkl. 1/5.
Verkl. */;.
Abb. 10. Art. mesent. von einem Rind. Ganz frisches Gefäß. Belastung 15 g. Zeit-
Sowohl die Kontraktionshöhe als die rhythmischen Schwankungen sind weniger er-
markierung in Minuten. Bei der Marke 1 wird Adrenalin in elner Konzentration von
1 : 1000000 zugesetzt, worauf sich eine sehr kräftige Kontraktion des Gefäßes einstellt,
welche von regelmäßigen rhythmischen Tonusschwankungen begleitet ist.
tonusherabsetzende Ur-
sache bei überlebenden Ge-
fäßstreifennieeinenRhyth-
mus auslöst, sondern einen
schonbestehendenmitjeder
Regelmäßigkeit zum Ver-
schwinden bringt.
Meyer, Full sowie Sic-
cardi und Loredan haben die
Überlebensdauer der rhythmischen Tätigkeit bei isolierten Gefäß-
streifen auf ca. 24 Stunden festgesetzt, während Günther selbst
nach 8 Tagen bei gut konservierten Arterien Rhythmus beobachten
konnte. Meine Erfahrungen stimmen ganz mit jenen von Gün-
ther überein. Die diesbezüglichen Belege in den Abb. 12 u. 13
zeigen, daß ein Gefäß von 8 Tagen selbst in Ringerlösung ohne
tonisierenden und Rhythmus auslösenden Reiz Tonusschwan-
kungen aufweisen kann, der durch Adrenalin allerdings verstärkt
Art. mesent. von demselben Gefäß wie in der Abb. 10, welches 8 Tage im Eisschrank aufbewahrt wurde. Belastung
heblich als im vorigen Versuch mit dem frischen Gefäße derselben Arterie.
15 g. Zeit marklerung in Minuten. Es besteht schon in Ringer ein zwar unerheblicher Rhythmus. Bel der Marke 1 wird
Adrenalin in einer Konzentration von 1000000 zugesetzt, worauf eine langsam ansteigende Kontraktion erfolgt, begleitet
von rhythmischen Schwankungen.
Abb. 11.
Eigenschaften tiberleb. Gefäße unter Anwend. d. chem. Reizmethode. 245
wird. Der Vergleich der beiden Kurven in Abb. 10 u. 11 ergibt
außerdem, daß nicht nur der Rhythmus im älteren Gefäße geringer
ist, sondern auch die Erregbarkeit des Gefäßes. Diese Eigen-
schaften nehmen somit mit dem Alter beide ab.
Nachdem wir die Bedingungen für das Auftreten und das
Bestehen von rhythmischen Tonusschwankungen bei überlebenden
Gefäßstreifen kennengelernt haben, erübrigt uns, diese Eigen-
schaft im Detail zu analysieren und deren physiologische Bedeu-
tung zu bewerten. Die Form dieser Tonusschwankungen müssen
wir auf Grund der wiedergegebenen Abbildungen als eine äußerst
variable bezeichnen. Es ist nach meinen Erfahrungen nicht mög-
lich einen allgemeinen Typus aufzustellen, wie dies Günther
in Anlehnung an die Kontraktionskurve des Froschmagens von
Grützner auf einen einmaligen elektrischen Reiz tut. Denn die
rhythmische Kontraktionskurve bei isolierten Gefäßen besteht
nur in den wenigsten Fällen in einem scharf ansteigenden Schenkel,
dem kurzen Plateau und einem etwas langsamer absteigenden
Schenkel. Wir können ebensogut das Gegenteil beobachten.
Aufsteigender und absteigender Schenkel können ferner ganz
symmetrisch ausfallen. Ohne auf eine weitere Beschreibung der
verschiedenen Kontraktionsformen einzugehen, wovon ein Blick
auf die wiedergegebenen Kurven überzeugt, können wir sagen,
daß die Form der rhythmischen Kontraktionen bei isolierten
Gefäßen äußerst abwechslungsreich ist und gerade diese große
Variabilität der Kontraktionsform als ein Merkmal
für die rhythmischen Tonusschwankungen isolierter
Gefäßstreifen bezeichnet werden kann.
Was uns weiterhin an diesen rhythmischen Tonusschwan-
kungen interessieren muß, sind die Frequenz und die Ampli-
tude dieser Kontraktionen. Günther, welcher bisher wohl die
regelmäßigsten rhythmischen Erscheinungen bei solchen Ver-
suchspräparaten beobachtet hat, legt auf diese vom Standpunkt
des Physiologen wesentlichsten Punkte kein besonderes Augen-
merk. Hinsichtlich der Frequenz können wir aus Günthers
experimentellen Daten berechnen, daß dieselbe bei den verschie-
denen Gefäßen zwischen 1—9 Minuten variiert. Vergleichen wir
mit meinen Ergebnissen, so finden wir, daß im Versuch der Abb. 5
auf je 2 Min. ungefähr eine Kontraktion erfolgt, in der Abb. 6
auf 6—8 Min., in der Abb. 7 haben wir ganz verschiedene Zeiten,
246 E. Rothlin:
von ca. 30 Sek. bis 2 Min. Die Frequenz des Rhythmus bei
überlebenden Gefäßstreifen ist somit sehr variabel
und verglichen mit der Frequenz des Pulses muß sie
allgemein als sehr träge bezeichnet werden. Es zeigt sich,
daß Frequenz des Rhythmus und Amplitude der Kontrak-
tionen sich gegensinnig verhalten; denn ist die Frequenz relativ
groß, so ist die Amplitude der Kontraktionen klein und vice versa.
Damit haben wir auch eine weitere wesentliche Eigenschaft der
rhythmischen Kontraktionen berührt, welche für eine eventuelle
praktische Ausnutzung derselben im Dienste der Hämodynamik
von Bedeutung ist. Wenn wir bei den zwei oben genannten
Grenzfällen für die Frequenz (1 und 9 Min.) aus der Arbeit von
Günther die Amplitude der jeweiligen Kontraktionen berechnen,
die er mit einer 17 fachen Vergrößerung registriert hat, so gelangen
wir zu folgenden Resultaten. Ich benutze für diese Berechnung
die Zahlenangaben der Gefäßmaße, welche Günther als die
durchschnittliche Länge der untersuchten Carotisstreifen von
Pferden angibt. Bei einer Gefäßlänge von 30 mm und einer
registrierten Amplitude von 5 mm, red. 0,3 mm, so erhalten wir
eine Verkürzung des Gefäßes um 19%. Im zweiten Versuche der
Abb. 2, S. 409, beträgt die Amplitude im Versuch 8 mm red.
rund 0,5 mm, d. h. eine Verkürzung von rund 1,7%. Wenn wir
vergleichend dieselbe Berechnung für meine Versuche in den
Abb. 5 u. 6 ausführen, so erhalten wir für den ersten Versuch
eine Verkürzung um 13°, und im zweiten Versuche eine solche um
36,6%. Das sind aber, wenn ich so sagen darf, zwei Idealfälle.
Denn dieselbe Berechnung für andere Versuchsbeispiele ergibt
uns in der Regel Werte, die unter jenem des Versuches 5 zu stehen
kommen. Durch diese einfache rechnerische Betrachtung wird
nun die Bedeutung der rhvthmischen Tonusschwankungen an
isolierten Gefäßstreifen in ein ganz anderes aber in ein oppor-
tunistisches Licht gerückt. So faszinierend die von Günther
wiedergegebenen Kurven auf den ersten Blick erscheinen mögen,
eine zahlenmäßige Übersetzung der registrierten Kurven in die
Wirklichkeit, zeigt uns ohne weiteres die Geringfügigkeit dieser
Tonusschwankungen. Meine eigenen Ergebnisse scheinen aber
anderseits für eine viel höhere Leistungsfähigkeit dieser rhyth-
mischen Kontraktionen zu sprechen. Ich betone aber nochmals
daß ein Rhythmus, wie in der Abb. 6 dargestellt ist, unter meinen
Eigenschaften überleb. Gefäße unter Anwend. d. chem. Reizmethode. 247
mehreren hundert Versuchen nur 5 mal in dieser Intensität zur
Beobachtung gelangte. Rhythmische Schwankungen, wie sie
Abb.5 wiedergibt, sind dagegen keine Seltenheit. Wir können
daher sagen, daß rhythmische Schwankungen, deren
Amplitude einen Verkürzungsgrad von 10% der ur-
sprünglichen Gefäßlänge beträgt, nicht selten sowohl
in mit O,-gesättigter Ringerlösung als auf vasotoni-
sierende Reize an isolierten Gefäßstreifen beobachtet
werden.
Wir besitzen nun zwar tatsächlich genügend positive Daten,
daß rhythmische Tätigkeit von Arterien an überlebenden Gefäßen
ebenso sicher vorkommt wie in vivo. Ich habe bisher nur meine
Beobachtungen an isolierten Arterienstreifen von Warmblütern
beschrieben. Die Ergebnisse an den künstlich durchströmten
Gefäßgebieten beim Frosch, sowie am Kaninchenohr sind prin-
zipiell mit diesen Daten im Einklang. Auch bei diesen Versuchs-
präparaten kommt Rhythmik in Ringerlösung, aber vor allem
nach Einwirkung von chemisch tonuserhöhenden Reizen vor.
Wegen der Analogie unterlasse ich eine eingehende Analyse und
verweise den Leser auf die Abb. 50, 54, 63, 64, 66 im speziellen
Teile dieser Arbeit. Das Vorkommen von rhythmischen Tonus-
schwankungen bietet aber noch keineswegs die genügende Gewähr,
daß diese rhythmischen Kontraktionen eine allgemeine und eine
stete Eigenschaft der Gefäßmuskulatur ist. Sowohl die Versuchs-
resultate in vivo wie am überlebenden Organe sprechen dagegen.
Trotzdem hat diese biologisch zwar recht interessante Erschei-
nung der Gefäßmuskulatur viele Forscher verleitet, diesen Tonus-
schwankungen eine wichtige funktionelle Bedeutung im Dienst
der Hämodynamik zuzuschreiben. Mares und sein Schüler
Hühne!), Hasebroek?), Stübels) und Grützner“) glauben
an ein aktives Eingreifen der Gefäßmuskulatur für die periphere
Blutbeförderung, und Grützner spricht geradezu von „peri-
pheren Herzen“. Full, Günther, Müller, De Bonis und
Susanna schließen sich einer solchen Auffassung auf Grund
ihrer Ergebnisse an isolierten Gefäßstreifen an. Eine quantitative
1) Mares, Arch. f. d. ges. Phys. 165, 194, 337, 381, 180. 1916.
2) K. Hasebroek, Arch. f. d. ges. Physiol. 168, 247. 1917.
8) H. Stübel, Arch. f. d. ges. Physiol. 129, 1. 1909.
4) P. Grützner, Dtsch. Archiv f. klin. Med. 89, 132.
248 E. Rothlin:
Betrachtung dieser rhythmischen Erscheinungen, wie dies oben
vorgenommen wurde, mahnt zu groBer Vorsicht vor solchen
Schlüssen. Denn wir sehen, daß die Anforderungen, welche Heß!)
mit Recht an eine nutzbare Auswertung solcher rhythmischer
Kontraktionen an Gefäßen im Sinne einer aktiven Förderwirkung
bzw. als ,,peripheres Herz“ stellt, keineswegs erfüllt sind. Einmal
fehlt in der Regel die von Heß geforderte ‚erhebliche Amplitude”.
Die größten bisher an isolierten Gefäßstreifen mit rhythmischer
Tätigkeit beobachteten Amplituden sind in den Abb. 5 u. 6 wieder-
gegeben und erreichen eine Verkürzung von 13 bzw. 36%. Ich
habe oben betont, daß selbst unter günstigen Versuchsbedingungen
eine Verkürzung von über 10% nur sehr selten registriert
werden kann. Aber wenn wir selbst die Konzession machen, daß
in vivo unter den günstigeren biologischen Verhältnissen die
Amplitude dieser rhythmischen Kontraktionen durchwegs von
dieser Größenordnung ist, so genügt dies allein noch nicht, um
eine aktive Förderbewegung des Blutes in den Gefäßen in einer
bestimmten Richtung zu erzeugen, da bei dem unvollständigen
Verschluß des Gefäßes während der Kontraktion sich sofort ein
Ausgleich der Druckdifferenz zwischen dem peripheren und dem
zentralen von der kontrahierten Partie gelegenen Anteile ein-
stellen wird. Für eine wirksame Ausnutzung der rhythmischen
Kontraktionen müßte sich daher die zweite von Heß geforderte
Bedingung erfüllen: „daß diese allfällig auftretende Arbeitsleistung
nur dann in einen nach der Peripherie gerichteten Strömungs-
antrieb ausgewertet werden kann, wenn für diese Auswertung ein
spezieller strömungsrichtender Mechanismus vorhanden ist.“
Dieser geforderte Mechanismus besteht in einem Klappenapparat
und fehlt bekanntlich im arteriellen Gefäßsystem. Weiterhin
spricht die oben erwähnte Trägheit, besonders bei Vorhandensein
von kräftigen Amplituden dieser rhythmischen Kontraktionen
für die Hinfälligkeit der Ansicht, daß diese Eigenschaft der Gefäß-
muskulatur als wirksames Förderungsmittel des Blutes in Be-
tracht kommt. Eine rationelle hämodynamische Ausnutzung der
rhythmischen Gefäßkontraktionen erfordert ferner, daß diese
Bewegungen gewissermaßen in Form einer Welle vom zentralen
zum peripheren Abschnitte der Arterie gegen die Capillaren hin
in koordinierter Weise verlaufen, wie wir dies in dem typischen
h) W. R. Hess, Arch. f. d. ges. Phys. 123, 243—264. 1919.
Eigenschaften überleb. Gefäße unter Anwend. d. chem. Reizmethode. 249
Beispiel der rhythmischen Tatigkeit in der Vene des Fledermaus-
flügels (Jones, Luchsinger, Heß) besitzen. Riegel!) konnte
aber an der Froschschwimmhaut beobachten, daß „diese rhyth-
mischen Kontraktionen durchaus nicht gleichmäßig eine Arterie
in ihrer ganzen Länge betreffen, sondern daß enge mit etwas
weiteren, mit ganz weiten in der unregelmäßigsten Weise ab-
wechseln.“ Heß?) hat einen ebenso unkoordinierten Ablauf der
rhythmischen Kontraktionen der Art. auric. des Kaninchenohres
ausführlich beschrieben und zahlenmäßig analysiert.
Unsere experimentellen Studien an isolierten Gefäßstreifen
von Warmblütern lassen sicher die Existenz von rhythmischen
Tonusschwankungen beweisen. Dies Ergebnis ist insofern inter-
essant, als wir dadurch annehmen dürfen, daß die in vivo be-
obachteten analogen Vorgänge der Gefäßmuskulatur nicht durch
das Zentralnervensystem bedingt sind, sondern eine Eigenschaft
der Gefäßmuskulatur darstellen. Die Analyse der notwendigen
Bedingungen für eine aktive Förderleistung des Blutstromes
durch diese rhythmischen Tonusschwankungen der Arterien
ergibt, daß eine solche zufolge der geringen Frequenz, der wegen
des Fehlens eines strömungsrichtenden Klappenapparates in den
Arterien ungenügenden Amplituden der Kontraktionen und des
unkoordinierten Verlaufes der Kontraktionswelle in vivo im all-
gemeinen nicht angenommen werden kann. Daß eine solche doch
vorkommt, beweisen z. B. die Untersuchungen von Jones,
Luchsinger und Heß an den pulsierenden Venen des Fleder-
mausflügels. Die besprochenen rhythmischen Tonusschwankungen
der Arterien können aber wohl durch die Querschnittsverände-
rungen die Widerstandsverhältnisse im Gefäßsystem beeinflussen.
Die bei den isolierten Gefäßstreifen gemachten Erfahrungen
über die rhythmischen Tonusschwankungen sind:
1. Rhythmische Tonusschwankungen an isolierten
‚ Arterienstreifen von Warmblütern können sehr
häufig, aber nicht regelmäßig registriert werden.
2. Die Rhythmik ist charakterisiert durch eine
große Variabilität hinsichtlich der Form, Fre-
quenz und Amplitude der Kontraktionen.
1) Riegel, Arch. f. d. ges. Physiol. 4, 350. 1871.
2) W. R. Hess, I. c. S. 248.
250 E. Rothlin:
3. Rhythmische Tonusschwankungen an isolierten
Arterienstreifen treten auch auf in reiner O,-
gesättigter Ringerlösung. Da der Sauerstoff
sowohl das Auftreten als die Aufrechterhaltung
der rhythmischen Tätigkeit fördert, kann die-
selbe keineswegs als Erstickungskrämpfe be-
trachtet werden, wiedies Meyer, Fullund Loening
tun, sondern dieselbe stellt eine physiologische
Erscheinungüberlebender Gefäßmuskulaturdar.
4. Rhythmus kann an isolierten Gefäßstreifen sehr
häufig durch tonuserhöhende chemische Reize
ausgelöst werden, wo ein solcher in mit О,-ре-
sättigtem Ringer nicht besteht. Tonusherab-
setzende chemische Reize verursachen dagegen
nie Rhythmus und eine vorher bestehenderhyth-
mische Tätig keit wird durch diese Reize gehemmt.
5. Die Bedingungen für eine aktive Förderleistung
des Blutes durch diese rhythmischen Tonus-
schwankungen der Arterien muskulatur im Sinne
„peripheren Herzens“ sind nicht erfüllt.
Dieses negative Ergebnis der physiologischen Auswertung
der rhythmischen Kontraktionen im Dienste der Hämodynamik
führt uns zu einer anderen Auffassung über die Existenz und
Bedeutung dieser Eigenschaft der Gefäßmuskulatur. Rhythmus
an isolierten Arterienstreifen erscheint am regelmäßigsten unter
solchen Bedingungen, wo entweder das Gefäß sich in einem
mittleren Tonus befindet oder durch tonuserhöhenden chemischen
Reiz in einen höheren Tonus versetzt wird. In keinem Falle da-
gegen konnte bisher rhythmische Tätigkeit an solchen Gefäß-
präparaten durch ein tonusherabsetzendes Agens ausgelöst werden.
Im Gegenteil trat unter diesen Bedingungen stets eine Hemmung
schon bestehender Rhythmik ein. Wir dürfen daraus ohne Be-
denken schließen, daß zwischen dem Gefäßtonus bzw. dessen
Schwankungen und der rhythmischen Tätigkeit eine ganz enge
Beziehung in dem Sinne besteht, daß rhythmische Tätigkeit ent-
weder mit einem bestehenden mittleren Tonus oder mit einer
provozierten Tonuserhöhung koindiziert: m. a. W. können wir
sagen; daß überlebende Gefäßstreifen einen anhaltenden Tonus
nicht in Form einer gleichmäßigen Dauerkontraktion, sondern
Eigenschaften überleb. Gefäße unter Anwend. d. chem. Reizmethode. 251
sehr häufig durch mehr oder weniger ausgesprochen rhythmische
Schwankungen aufrechterhalten. Ebenso ist die Form der Kurve
eines Gefäßstreifens häufig auf einen tonuserhöhenden Reiz
nicht jener einer einfachen Muskelkontraktion analog, sondern
durch rhythmische, stufenförmige, sinuswellenförmige Schwan-
kungen charakterisiert. Aus diesen Überlegungen geht hervor,
daß die isolierte Gefäßmuskulatur speziell dann rhythmische
Tätigkeit aufweist, wenn sie Arbeit leistet. Diese rhythmische
Tätigkeit erscheint uns somit als eine Eigenschaft, welche die
Gefäßmuskulatur mit anderen glatten Muskeln teilt, wie mit
jener des Magen-Darmtraktus und des Urogenitalsystems. Auch
hier kennen wir Organe, die einen Rhythmus nur bei Ausübung
ihrer physiologischen Funktionen aufweisen, z. B. der Uterus,
die Vesicula seminalis usw. Entwicklungsgeschichtlich betrachtet
besteht auch große Wahrscheinlichkeit, daß die ursprüngliche
Art der Arbeitsleistung der Gefäßmuskulatur überhaupt eine
rhythmische ist. Was wir daher heute an rhythmischen Erschei-
nungen bei der Gefäßmuskulatur beobachten, können wir vielleicht
als ein phylogenetisches Erbstück betrachten, welches sich
bei Wirbeltieren wenigstens mit gut ausgebildetem, den Blut-
kreislauf unterhaltendem zentralem Antriebsorgan, zum aller-
größten Teile nur rudimentär erhalten hat. Diese ursprüngliche
Eigenschaft der rhythmischen Tätigkeit der Gefäße hätte sich
gewissermaßen auf das Herz konzentriert und dieses somit bei
der morphologischen und funktionellen Differenzierung des Zir-
kulationsapparates eine Funktion übernommen, welche auf einer
früheren Stufe der Entwicklung den Gefäßen, besonders den
Arterien, oblag. Diese entwicklungsgeschichtliche Betrachtungs-
weise ist zwar eine Hypothese, scheint mir aber geeignet, nicht
nur die Existenz der rhythmischen Erscheinungen an den Gefäßen
zu erklären, sondern auch die verschiedene Form des Auftretens und
deren physiologische Bedeutung in ein richtiges Licht zu rücken.
C. Über die Leistungsfähigkeit der GefaSstreifenmethode als Test-
objekt für den Nachweis von vasotonisierenden Substanzen.
Nachdem wir die optimalen Versuchsbedingungen der Gefäß-
streifenmethode kennen, wollen wir uns über deren Leistungs-
fähigkeit Rechenschaft geben. Die obigen Ausführungen über die
Tonuseinstellung isolierter Gefäßstreifen gewinnt ihre. Bedeutung
252 E. Rothlin:
erst mit deren Erkenntnis, daß ein solcher Arterienring vor dem
Eintritt in einen mittleren Tonuszustand, also in der ersten und
zweiten Phase der Tonuseinstellung sozusagen unempfindlich
gegenüber chemischen Reizen ist. Eine normale Erregbarkeit
tritt nämlich erst in der dritten Phase, im Zustande des mittleren
Abb. 12. Art. mesent. einer Kuh. Belastung 20 g. Zeit markierung alle 6 Sek. Bei der Marke 1
wird Adrenalin 1: 1 000 000 zugesetzt. Es erfolgt eine Kontraktion des Gefäßes, beim Pfeile
wird das Gefäß ausgewaschen. Bei der Marke 2 wird dieselbe Adrenalindosis appliziert, die
Verkürzung des Gefälles beträgt gut das dreifache wie im ersten Versuche. Verkl. /.
Tonus ein. Dabei zeigte sich mit jeder Regelmäßigkeit, daß der
erste applizierte vasotonisierende Reiz einen viel geringeren Effekt
auslöst als der zweite bzw. die folgenden von derselben Qualität und
Intensität. Die Abb. 12 u. 13 liefern für das Gesagte den Beweis.
Der zweite vasotonisierende Reiz kann das fünf- und mehr-
fache des ersten erreichen. Diese Erscheinung habe ich nach-
Abb. 13a.
Abb. 13 b.
Abb. 13a und b. Art. coronaris cordis vom Rind: Belastung 15 g. Zeitschreibung alle 6 Sek.
In beiden Versuchen wird Adrenalin 1: 1 000 000 appliziert. Während im ersten Versuche
sozusagen keine Verlängerung des (refäßes zu erkennen ist, wird dasselbe Gefäß im zweiten
Versuche stark erschlafft. Verkl. Ais,
gewiesen für Blut bzw. Blutserum, Adrenalin, Histamin, Hypo-
physenextrakt, Milzextrakt. Ob dies für alle vasotonisierenden
Substanzen gilt, bin ich nicht in der Lage zu entscheiden. Sicher
ist aber, daß diese Erscheinung auch bei tonuserniedrigenden
Reizen, wie Adrenalin auf die Herzkranzarterie von Rindvieh,
ausgelöst werden kann, wie Abb. 13 zeigt. Dieser Befund ist von
Wichtigkeit, sobald quantitative Schlüsse aus solchen Unter-
Eigenschaften überleb. Gefäße unter Anwend. d. chem. Reizmethode. 253
suchungen gezogen werden sollen. Der Arterienstreifen erfährt
somit durch den ersten wirksamen Reiz gewissermaßen eine
Steigerung der Erregbarkeit, er wird, wie wir sagen, sensibili-
siert. Ob es sich um eine tatsächliche Sensibilisierung oder um
eine ähnliche Erscheinung, wie wir dies in der sog. Treppe bei
der Ermüdungskurve des quergestreiften Muskels gefunden haben,
handelt, will ich hier nicht verfolgen.
Die Reaktionsfähigkeit eines in einen mittleren Tonus ein-
gestellten Gefäßstreifens kann 10 und selbst mehr Stunden dauern,
vorausgesetzt, daß während der Versuchsreihe das Gefäß stets
mit O, versorgt wird, die Reize nicht zu rasch aufeinanderfolgen
und nur Dosen innerhalb physiologischer Grenzen angewandt
werden. Öftere Reizung mit Dosen von maximaler Wirkung
setzen die Erregbarkeit des Testobjektes infolge Ermüdung rasch
herab. Die Überlebensdauer der Erregbarkeit der isolierten
Arterien gegenüber chemischen Reizen kann bei geeigneter Kon-
servierung 8—10 Tage erreichen, wie dies schon von anderen
Autoren beobachtet wurde (Mac William, Meyer usw.). Dazu
werden die Gefäße am besten in mit O,-gesattigter, täglich zu
wechselnder Ringerlösung im Eisschrank aufbewahrt. Auf diese
Weise konservierte Gefäße zeigen nach 1—2 Tagen kaum eine
Herabsetzung der Erregbarkeit, mit dem weiteren Alter nimmt
dieselbe aber allmählich ab. Diese Gefäße bewahren nicht nur
ihre Erregbarkeit gegenüber chemischen Reizen, sondern besitzen
die notwendigen Bedingungen für das Auftreten von rhythmischen
Erscheinungen. Ein Beispiel soll uns noch von der äußerst zähen
Lebensfähigkeit isolierter Gefäße überzeugen. Abb.14b zeigt
uns die Tonuserschlaffung (abwärtsgerichtete Pfeile) zweier
Arterienringe eines Nierengefäßes zufolge Abstellen der O,-Durch-
strömung und Herabsetzung der Temperatur von 39° auf 15°.
Das Gefäß verharrt nun während 12 Stunden bei gleichbleibender
Belastung von 20g bei 15° im Apparat. Nach Einstellen der
Versuchstemperatur auf 39° und unter der O,-Wirkung steigt der
Tonus wieder (aufwärts gerichtete Pfeile). Die Abb. 14а u. c
belegen nun, daß die Erregbarkeit dieser Arterienstreifen durch
diese Behandlung nur sehr wenig eingebüßt hat. Meyer?) be-
schreibt ein solches Beispiel in seiner Arbeit, betrachtet aber den
Abfall des Tonus als ein sicheres Kriterium für den eingetretenen
1) O. B. Meyer, l. c. S. 221.
Biochemische Zeitschrift Band 111. 17
254 E. Rothlin:
Tod des Gefäßes. Daß dem nicht so ist, erfolgt aus dem erneuten
Tonusanstieg beim Verbringen der Gefäße unter normale Versuchs-
bedingungen und der nur wenig herabgesetzten Erregbarkeit
gegenüber demselben chemischen Reize.
Es erübrigt mir die Ergebnisse über die allgemeine Reaktions-
fähigkeit noch zu erwähnen, welche geeignet sind die Methode der
Abb. 14а.
Abb. 14b. Abb. lic.
Abb. 14a, b, c. Zwei Arterienstreifen einer Art. renalis. Belastung 20 g. Zeitmarkierung alle
8 Sek. In Abb. 14b ist der Tonus bei 39° und in mit О, gesättigtem Ringer registriert, die
abwärts gerichteten Pfeile zeigen die Tonuserschlaffung der Gefäße durch die Abnahme der
Temperatur auf 15° und Abstellen des O,-Stromes. Die aufwärts gerichteten Pfeile zeigen die
Zunahme des Tonus unter Erwärmung auf 39° unter O,-Zuströmung, nachdem die Gefäße
während 12 Stunden unter Belastung bei 15° im Apparat eingespannt verblieben. Die Abb. a
und c geben die Erregbarkeitsverhältnisse gegenüber #-Imido wieder. Bei den Marken 3 in
Abb. a wird eine Dosis von 1 : 1000 000 bzw. bei 4 im oberen Gefäße 1 : 500 000 zugesetzt.
In der Abb. c wird bei der Marke 5 zum oberen Gefäß 1: 500 000 und zum unteren Gefäß
1 : 1 000 000 zugesetzt. Man sieht, daß die Erregbarkeit gegenüber demselben Reiz nur un-
wesentlich abgenommen hat. Verkl. bei Abb. a '/,, bei Abb. b und с J.
überlebenden Arterienstreifen als Testobjekt für den Nachweis
von vasotonisierenden Substanzen zu bewerten. Zu den wesent-
lichen Anforderungen für die Brauchbarkeit einer solchen Methode
gehören außer den schon erwähnten Faktoren: die Konstanz
der Reaktionsweise, eine hohe Empfindlichkeit des
Testobjektes und die Möglichkeit der qualitativen
Differenzierung der zu untersuchenden Substanz. Was
die Konstanz der Reaktionsweise überlebender Arterienstreifen
anbelangt, so haben mich meine mehrjährigen Erfahrungen davon
Eigenschaften überleb. Gefäße unter Anwend. d. chem. Reizmethode. 255
überzeugt, daß bei vorsichtiger Präparation und Konservierung
solche Gefäße unter den beschriebenen methodischen Voraus-
setzungen wünschbar gute Resultate geben. Die Qualität des Er-
folges ist zwar bei den verschiedenen Gefäßen auf denselben
chemischen Reiz nicht identisch. Aber aus meinen Ergebnissen
im folgenden speziellen Teile geht doch hervor, daß diese Ver-
schiedenheiten gesetzmäßig sind. Die Ursachen werden wir dort
kennen lernen. Wenn wir an den isolierten Arterienstreifen ein
sich konstant verhaltendes Testobjekt besitzen, so muß aber für
seine Brauchbarkeit die Forderung einer hohen Erregbarkeit
gegenüber vasotonisierenden Reizen erfüllt sein. Meyer hat für
Adrenalin eine Reizschwelle von 1 : 1 000 000 000 angegeben.
Dies konnte bisher von keinem anderen Autor bestätigt werden.
Auch ich war weniger glücklich als Meyer und muß die mittlere
Reizschwelle für Adrenalin auf 1: 10 000 000 anschlagen. Tat-
sächlich erzielte ich eine solche von 100 000 000, aber das sind
seltene Ausnahmen. Meyer gibt übrigens an, daß in seinem
betreffenden Versuche die verdünnte Adrenalinlösung vorgewärmt
wurde. Das ist, insoweit es die Temperatur betrifft, sicher korrekt.
Aber eine Adrenalinlösung in mit O,-gesättigtem Ringer von
1 : 1 000 000 war in meinen Versuchen nach ca. 10 Min. unwirk-
sam, weshalb ich in meinen Versuchen nicht die verdünnte Adre-
nalinlösung vorwärmte, sondern in konz. Form in das Versuchs-
gefäß von 50 ccm Inhalt hinzugab. Meyers Adrenalinlösung
war aber stärker verdünnt, und bekanntlich steigt die Zerstörbar-
keit des Adrenalins mit der Verdünnung. Wie Meyer auf obige
Weise zu seinem Erfolg gelangte ist mir unklar. Ich halte somit
dafür, daß eine Erregbarkeit gegenüber Adrenalin von
mindestens 1:1000000 für die Brauchbarkeit eines
jeden Gefäßes gefordert werden muß. Es unterliegt daher
keinem Zweifel, daß die Gefäßstreifenmethode in bezug auf
Empfindlichkeit gegenüber Adrenalin anderen Testobjekten, wie
der ‘Froschextremitat oder dem Kaninchenohr weit nachsteht,
da dort Dosen von 1:10-78 nach eigenen Erfahrungen von ganz
erheblichem Erfolge begleitet sind, und del Ca m po?) gibt an,
daß Dosen von Leem Adrenalin 1: 1 Billion beim isolierten
Kaninchenohr noch „sehr deutliche Wirkungen geben". Die uns
weiterhin interessierende Frage, ob es sich bei einer zu unter-
1) E. del Campo, Zeitschr. f. Biol. 69, 111, 124. 1918.
17*
256 E. Rothlin: Eigensch. tiberl. Gefäße unt. Anw. d. chem. Reizmethode.
suchenden vasotonisierenden Substanz um Adrenalin handelt,
kann aber durch keines der beiden sehr empfindlichen Testobjekte
entschieden werden, da auch eine andere vasotonisierende Sub-
stanz dieselbe qualitative Erscheinung auslésen kann. Dagegen
erlaubt die Gefäßstreifenmethode innerhalb der angeführten
Dosen eine ziemlich sichere Entscheidung, da die Art. coronaris
vom Rindvieh auf Adrenalin eine Gefäßerweiterung erfährt,
während die Art. carotis bzw. mesent. kontrahiert werden. Da
wir bisher keine org. vasotonisierende Substanz mit derselben
qualitativ verschiedenen Wirkungsweise auf Art. coronaris und
Art. mesent. kennen, so läßt ein solches Versuchsresultat mit
diesen zwei Gefäßstreifen mit großer Sicherheit auf Adrenalin
schließen. Werden die Art. carotis bzw. mesent. durch die Sub-
stanz wie die Art. coron. cordis dilatiert, so können wir das Vor-
liegen von Adrenalin gerade so gut ausschließen wie im vorigen
Falle annehmen. Diese Tatsache beleuchtet, daß die
Gefäßstreifenmethode in qualitativem Sinne mehr
leisten kann, als die genannten empfindlicheren Test-
objekte, diese letzteren aberin quantitativer Hinsicht
entschieden den Vorzug haben. Die Kombination der
beiden Methoden dürfte daher das Optimum leisten.
Für andere vasotonisierende Substanzen habe ich eine solche
Differenzierung nicht nachweisen können. Auf jeden Fall kann
ich die Gefäßstreifenmethode nicht leichthin als inferior bezeich-
nen, wie das Müller!) tut, wenn er sagt: , Gerade um zu zeigen,
wie ein launenhaftes und schwer zu beherrschendes Untersuchungs-
objekt der überlebende Gefäßmuskel ist, sollen die von mir
gewonnenen Ergebnisse ganz kurz mitgeteilt werden.“ Eine solche
Ansicht muß ich auf Grund meiner reichlichen Erfahrungen auf
eine mangelhafte Technik zurückführen, wofür übrigens die Re-
sultate im speziellen Teile genügend Beweise liefern. Solche An-
sichten, wie jene von Müller über die Leistungsfähigkeit der
Gefäßstreifenmethode mögen leider das abschätzende Urteil über
die Brauchbarkeit und Leistungsfähigkeit der Gefäßstreifenme-
thode von O’Connor und Gottlieb?) beeinflußt haben.
1) Fr. Müller, 1. с. S. 238.
2) O'Connor und Gottlieb, Handbuch der biochem. Arbeits-
methoden, 4, 585. 1912. |
Experimentelle Untersuchungen über die Wirkungsweise
einiger chemischer, vasotonisierender Substanzen orga-
nischer Natur auf überlebende Gefäße. II.
Von
E. Rothlin.
(Aus dem Physiologischen Institut der Universitat Zürich.)
(Eingegangen am 29. Juni 1920.)
Mit 24 Abbildungen im Text.
Nachdem wir die Ergebnisse der Untersuchungen über all-
gemeine Eigenschaften und die Leistungsfähigkeit der Methode
an isolierten Gefäßstreifen kennen, sollen dieselben im folgenden
eine nutzbare Anwendung finden. Wie schon einleitend bemerkt,
ist unser Ziel die Kenntnis der Wirkungsweise einiger vasotoni-
sierender chemischer Reize auf überlebende Gefäße. Untersucht
werden: Blut bzw. Oxalatblut, def. Blut bzw. Blutserum, Adre-
nalin, f-Imidazolyläthylamin (Histamin), Hypophysenextrakt
(Pituglandol) und Milzextrakt (Lienin). Die Resultate an über-
lebenden GefaBstreifen werden der Vollständigkeit halber mit
denjenigen anderer Präparate überlebender Gefäße verglichen.
Wir beginnen unsere Analyse mit folgender Untersuchung:
1. Untersuchungen über die vasotonisierende Wirkung des Blutes.
Die Untersuchung der vasotonisierenden Eigenschaften des Blutes
ist von besonderem Interesse. Denn einerseits lehrt uns eine solche Kenntnis,
welchen Anteil das Blut für die Aufrechterhaltung des normalen Gefäß-
tonus hat und andererseits müßte es dem Kliniker sehr willkommen sein,
abnorme Schwankungen der vasotonisierenden Eigenschaft des Blutes
konstatieren und ev. mit Erfolg für die Erklärung von Krankheitsbildern
und deren therapeutischen Beeinflussung verwerten zu können. Es soll
daher versucht werden, jene chemischen Produkte aus ihrer Wirkung
nachzuweisen und zu charakterisieren, welche wir auf Grund der Unter-
suchungen an Organen ohne äußeren Ausführungsgang als sog. vasotoni-
258 E. Rothlin:
sierende Substanzen im Blute zu erwarten haben. Dieses Problem hat seit
1894, seit der Entdeckung des auf das Gefäßsystem sehr intensiv wirkenden
Nebennierenextraktes durch Oliver und Schäfer immer wieder die Auf-
merksamkeit der Forscher erregt. Es sind seither eine ganze Reihe Methoden
entstanden, um solche vasotonisierende Substanzen auf biologischem Wege
nachzuweisen. Ich verweise auf die diesbezüglichen zusammenfassenden
Arbeiten von Biedl!) und O'Connor und Gottlieb?). Die Schwierigkeit
eines quantitativen Nachweises der vasotonisierenden Substanzen des
Blutes liegt einerseits in der Blutgerinnung, bzw. der damit verbundenen
Vorgänge und anderseits in der Methodik bzw. der Wahl eines brauchbaren
Testobjektes. Ein solches Testobjekt für den Nachweis vasotonisierender
Substanzen muB sowohl vasokonstriktorische als vasodilatorische Wirkungen
in geringsten Konzentrationen anzeigen. Ideal ist aber ein Testobjekt
erst, wenn dasselbe nicht nur feine quantitative Unterschiede der vaso-
tonisierenden Wirkung messen läßt, sondern, wenn der Erfolg am Test-
objekt auf die Natur des chemischen Reizes Rückschlüsse zuläßt. Oben
wurde gezeigt, inwieweit wir in der GefiiBstreifenmethode ein solch ideales
Testobjekt besitzen und nun soll dessen Leistungsfähigkeit für unsere
Untersuchung herangezogen werden.
Um Normalblut für eine solche Untersuchung verwenden zu
können, muß die Gerinnung desselben verhindert werden. Hirudin
konnte ich mir in den notwendigen Mengen nicht verschaffen, so
war ich genötigt, meine Versuche mit Oxalatblut zu unternehmen.
Dieses Vorgehen ist zwar nicht ideal, wie es vielleicht jenes bei
Verwendung von Hirudin sein dürfte, aber Vorversuche zeigten,
daß ein Zusatz von 1 promill. Natriumoxalat in Ringer zu den
verwendeten Testobjekten einen bestehenden Tonus nicht beein-
flußte, wenigstens nicht für die Dauer eines Versuches. Das
untersuchte Blut ist somit peripheres Oxalatblut,
welches aus der Carotis geschlachteter Tiere in ein Gefäß mit ent-
sprechender Menge Natriumoxalat aufgefangen wurde. Das
def. Blut ist durch vorsichtiges Schlagen und das Blutserum
durch spontanes Auspressenlassen des Blutkuchens im Eisschrank
gewonnen. Als Testobjekte verwende ich in der Regel gleichzeitig
zwei Gefäßstreifen verschiedener Gefäßgebiete: Art. coronaris
cordis vom Rindvieh und eine Art. mesenterica, deren Verhalten
gegenüber Adrenalin ein gegensätzliches ist. Ich gebe erst einige
Beispiele wieder. |
1) A. Biedl, Innere Sekretion, 3. Aufl. 1916. Urban & Schwarzen-
berg, Berlin— Wien.
2) O'Connor und Gottlieb, Handbuch der biochem. Arbeitsmethoden
4, 585. 1912.
Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. II. 259
Die vasotonisierende Wirkung des Oxalatblutes auf isolierte
Gefäßstreifen muß, aus den Versuchen der Abb. 1—4 zu schlie-
Ben, als inkonstant bezeichnet werden. Bald besteht eine
Indifferenz (Abb. 3), bald tritt eine ganz geringe Kontraktion
der Gefäße ein (Abb. 2) und TTT
schließlich können die Art. me-
sent. und die Art. coronaris
cordis durch dasselbe Oxalat- Е. + ———
blut in entgegengesetztem Sinne Abb 1. A. Art. coron. vom Rind. B. Art.
mesent. vom Rind. Beide Gefäße werden mit.
beeinflußt, die erstere kontra- 15 f belastet. Zeitmarkierung in Minuten. Zu
. . ИР beiden Gefäßen wird bei der Marke X Oxalat-
hiert, die letztere dilatiert wer- blut in einer Verdünnung von 1: 2 mit Ringer-
den (Abb. 1). Das Oxalatblut tot amet, Dle Henican rie er
enthalt somit vasotonisierende sich kontrahlert. Verkl. '/,.
Substanzen, die nicht nur inkonstant, sondern auch nicht che-
misch einheitlicher Natur zu sein scheinen. Die Art. mesent.
wird durch Oxalatblut entweder gar nicht oder dann vasocon-
strictorisch beeinflußt. Die Abb. 1—3 geben aber Zeugnis
dafür, daß die Wirkungsweise des Oxalatblutes auf die Art.
Abb. 2. A. Art. coronaris. B. Art. mesent. von einer Kuh. Belastung je 20 g Zeitmarkie-
rung alle 6 Sek. Bei der Marke 2 wird zu beiden Gefäßen Oxalatblut mit Ringer auf 1: 25
verdünnt zugesetzt. Beide Gefäße erfahren eine eben deutliche Kontraktion. Der Pfeil
bedeutet Auswaschen des Gefäßes mit Ringer. Bei der Marke 3 wird zu beiden Gefäßen def.
Blut mit Ringer auf 1 : 25 verdünnt zugesetzt, worauf eine kräftige Kontraktion beider
Gefäße erfolgt. Verkl. */;.
coronaris cordis verschiedensinnig ausfallen kann, d. h. es kann
Indifferenz bestehen, oder solche Gefäße können kontrahiert
bzw. auch dilatiert werden. Aus diesen verschiedenen Verhalten
der beiden Testobjekte versuchen wir uns über die Natur der
verschiedenen im Oxalatblute vorkommenden vasotonisierenden
Substanzen klar zu werden. Von allen jenen vasotonisierenden
Substanzen, welche im Blute entweder sicher (Adrenalin und
Hypophysenextrakt) oder hypothetisch (ß-Imidazolyläthylamin
260 E. Rothlin:
und Milzextrakt) vorkommen können, ist es Adrenalin allein,
welches diese gegensätzliche Wirkungsweise auf diese beiden
1
Abb. 3. A. Art. coronaris cordis; B. Art. mesent. von einem Rind. Belastung je 15 g.
Zeitmarkierung alle 6 Sek. Bel der Marke 6 Zusatz von Oxalatblut mit Ringer 1 :5. Beide
Gefäße verhalten sich indifferent. Auswaschen des Gefäßes und Pause während 10 Min.
Bei der Marke 7 wird wieder Oxalatbiut 1 : 5 dem Adrenalin in einer Konzentration von
1 : 10 000 000 zugesetzt wurde. Die Herzkranzarterie wird nun erweitert, die Mesenterial-
arterie dagegen verengert. Verkl. !/,.
Testobjekte auszuüben vermag, wie dies die Abb. 1 zur Dar-
stellung bringt. Eine analoge Wirkung kommt zwar dem wässe-
rigen und alkoholischen Zymparüsenextrakt zu, wie Stern und
Rothlin!)gezeigt haben, aber
als regelmäßiges Agens im
A1 Blute kommt dies kaum in
Ich glaube daher
Betracht.
| 1 у \ = keinen FehlschluB zu gehen,
Abb. 4. Gefäße A und B stammen von einer
Art. mesenterica von einem Rind. Belastung 15 g.
Zeitmarkierung alle 6 Sek. Beide Gefäße rea-
gieren mit kräftiger Kontraktion auf Adrenalin
von 1:1 000 000. Bei der Marke 1 wird zu Gefäß A
Oxalatblut in einer Konzentration von 1: 25, zu
- Gefäß B Rinderserum in derselben Konzentration
zugesetzt. Während Gefäß A im ursprünglichen
Tonus verbleibt, kontrahiert sich das Gefäß B.
Bei der Marke 2 wird bei Gefäß A die Konzen-
tration des Oxalatblutes verdoppelt 1:12,5. Nun
erfolgt hier eine kräftige Kontraktion des Gefäßes
in zwei Phasen. Beim Versuch, die Gefäße mit
Ringer auszuwaschen, zeigte sich, daß im Ver-
suchsgläschen des Gefäßes A das Oxalatblut ge-
ronnen war, worauf die konstriktorische Wirkung
zurückzuführen ist, da ein erneuter Kontrollver-
such mit Oxalatblut von 1: 12,5 bei demselben
Сеї& Ве ohne jeden Erfolg blieb. Verkl. !/,.
wenn ich diese Substanz
im Oxalatblut, welche
diese Wirkungsweise auf
diese zwei verschiedenen
GefaBsubstrate ausübt,
perexclusionem als Adre-
nalin bezeichne. Ich nenne
diese der Einfachheit halber
die I. vasotonisierende
Substanz des Oxalatblutes.
Wenn in anderen Versuchen
das Oxalatblut auf dieselben
Testobjekte ohne jeden vasotonisierenden Einfluß ist, so ist daran
zu denken, daß in demselben eine dem Adrenalin entgegengesetzt
wirkende Substanz vorkommt.
1) Stern und Rothlin, Journ. de physiol. et de pathol. gen. 18,
441. 1919.
Alle bisherigen experimentellen
Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. II. 261
Daten, auch jene anderer Autoren, mit anderen Testobjekten sind
aber derart, daß eine solche Annahme nicht gerechtfertigt ist. Ich
glaube daher vielmehr mit der Tatsache rechnen zu müssen, daß
die Konzentration dieser I. vasotonisierenden Substanz bzw. des
Adrenalins nicht groß genug ist, um den Schwellenwert für die
verwendeten Testobjekte zu erreichen. Aus dem Umstande aber,
daß Adrenalin, zu einem an sich unwirksamen Oxalatblut in einer
Konzentration von 1 : 10 000 000 zugesetzt, eine sehr kräftige
Kontraktion bzw. Dilatation verursacht (Abb. 3), läßt sich sagen,
daß die Konzentration des Adrenalins im peripheren Blute be-
deutend unter derjenigen des künstlich zugesetzten Adrenalins
gelegen sein muß. Ich unterstehe mich nicht, daraus auf eine
bestimmte Konzentration zu schließen, ich werde in einer anderen
Arbeit auf diesen Gegenstand zurückkommen und zeigen, wie weit
sich unsere bisherigen Anschauungen über den Adrenalingehalt
des peripheren Blutes halten lassen.
In jenen Versuchen, wo Oxalatblut auf die beiden Testobjekte
Art. coronaris cordis und Art. mesenterica einen gleichsinnigen
vasoconstrictorischen Erfolg auslöst, müssen wir nach dem
Gesagten unbedingt annehmen, daß die wirksame Substanz nicht
Adrenalin sein kann. Die Versuche in den Abb. 1, 2u. 4 geben
uns den Schlüssel für eine Erklärung. Während ein Zusatz von
Oxalatblut auf beide Gefäße in der Abb. 2 eine zwar sehr geringe
aber deutliche Kontraktion verursacht, hat def. Blut in derselben
Konzentration und von demselben Tiere eine sehr kräftige Ver-
kürzung der beiden Gefäße zur Folge. Wir sehen daraus, daß
unter Umständen def. Blut und Oxalatblut sich nur quantitativ,
nicht aber qualitativ in ihrer Wirkung auf diese gegenüber Adre-
nalin sich gegensinnig verhaltenden Testobjekte unterscheiden.
Def. Blut und Blutserum verhalten sich unter den angegebenen
Versuchsbedingungen stets ganz analog. Die Ursache dieser
gleichen Wirkungsweise von Oxalatblut und def. Blut bzw. Blut-
serum geht nun aus dem Versuche der Abb. 4 hervor. Oxalatblut
in einer Konzentration von 1 :25 bei Gefäß A ist ohne jeden
vasotonisierenden Einfluß, das Rinderserum von demselben
Blute und in derselben Konzentration bei Gefäß B bedingt eine
sehr kräftige Kontraktion. Nachdem nun die Konzentration des
Oxalatblutes bei Gefäß A verdoppelt, erfolgt bald eine erhebliche
Kontraktion in 2 Phasen. Eine solche erhebliche Kontraktion war,
262 E. Rothlin:
weil nie vorher beobachtet, ganz unerklärlich und äußerst frappant.
Ich dachte an Versuchsfehler und wollte zur Kontrolle den Versuch
unter denselben Bedingungen wiederholen. Beim Auswaschen
des Gefäßes mit Ringer löste sich aber das Rätsel, denn es zeigte
sich, daß das Oxalatblut in dem Versuchsgläschen geronnen war.
Ein Kontrollversuch mit demselben Oxalatblut und denselben
Gefäßen mit einer Konzentration von 1 : 5 zeigte mir die Unwirk-
samkeit des Oxalatblutes unter normalen Bedingungen. Es kann
somit keinem Zweifel unterliegen, daß der vasoconstrictorische
Effekt im Versuche der Abb. 4 bei Gefäß A auf das Freiwerden
einer sehr wirksamen Substanz zufolge der Gerinnung des Oxalat-
blutes zurückzuführen ist. Solche Versuche mit „spontaner“
Gerinnung des Oxalatblutes während des Experimentes habe ich
einige erlebt und stets mit demselben Erfolge. Der Ursache der
Gerinnung bin ich weiter nicht nachgegangen. Aber ich konnte
mich durch Kontrollversuche davon überzeugen, daß diese
vasoconstrictorische Substanz im reinen Oxalatblut
nicht a priori frei vorhanden war. Dies gilt allerdings nur
mit einer gewissen Einschränkung. In den vielen Versuchen, wo
Oxalatblut zur Untersuchung gelangte, zeigte es sich nicht selten,
daß in demselben eine auf beide Testobjekte gleichsinnig wirkende
also rein vasoconstrictorisch wirksame Substanz anzutreffen war
wie im Blutserum (Abb. 2). Bei der Unregelmäßigkeit des Auf-
tretens dieser Erscheinung, bei den quantitativ großen Diffe-
renzen dieser zweiten vasotonisierenden Eigenschaft im Oxalat-
blute, bei der qualitativ übereinstimmenden Wirkungsweise dieses
Agens mit der wirksamen Substanz des def. Blutes bzw. des Blut-
serums, glaube ich annehmen zu dürfen, daß diese zweite
vasotonisierende Eigenschaft des Oxalatblutes im
Normalblut nicht vorhanden und als ein Produkt der
Gerinnung zu betrachten ist. Diese soll im folgenden als
Gerinnungssubstanz bezeichnet werden. Es bestehen aber
anderseits Gründe dafür, daß im Oxalatblut trotz der Hemmung
der Blutgerinnung durch das Ca-bindende Agens Prozesse sich
` abspielen, welche der makroskopisch erkennbaren Gerinnung
vorausgehen und für die Bildung dieser Gerinnungssubstanz
verantwortlich zu machen sind: So die beobachtete auffallend
rasche Gerinnung während des Versuches, wie in Abb. 4; die
Zunahme dieser vasoconstrictorischen Eigenschaft des Oxalat-
Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. II. 263
blutes mit dem Alter, wie schon in früheren Versuchen von
Stern und Rothlin!) dargelegt wurde. Daraus geht aber weiter-
hin hervor, daß es mit sehr großen Schwierigkeiten verbunden
ist, ein Oxalatblut zu gewinnen, welches alsrein bezeichnet werden
kann, d. h. keine vasotonisierende Gerinnungssubstanz enthält.
Diese Tatsache dürfte auch die in der bisherigen Literatur be-
stehenden widersprechenden Ansichten über die wirklichen vaso-
tonisierenden Eigenschaften des normalen Blutes genügend
erklären. O’Connor?) stieß bei seinen gewissenhaften Untersu-
chungen am Läwen-Trendelenburgschen Präparate, am über-
lebenden Darme und Uterus als Testobjekte auf dieselben Schwierig-
keiten, die bei der Gewinnung eines reinen Plasmas bestehen.
Aber O’Connor konnte auch nachweisen, daß reines Plasma
von peripherem Blute auf die genannten Testobjekte entweder
gar keine Reaktion oder dann eine Adrenalinwirkung auslöste.
Demgegenüber stehen die Versuchsresultate von Loening?),
welcher findet, daß jedes Plasma bzw. noch ungeronnenes Blut
(durch Hirudinzusatz z. B.) vasoconstrictorisch wirkt. Loening
läßt dabei allerdings die Frage offen, um was für eine vasoconstric-
torische Substanz es sich handelt, er differenziert nicht. Es muß
sich aber nach allen seinen Versuchen ausschließlich um die sog.
Gerinnungssubstanz handeln. Gegen seinen obigen Schluß sind
folgende Einwände zu erheben. Erstens scheint es sich bei Loe-
ning im ganzen um einen Versuch mit 2 Parallelgefäßen mit
Hirudinblut zu handeln, wobei zweitens in beiden Versuchen
während des Experimentes eine Gerinnung des Blutes eintrat
und drittens ist der Versuch nicht eindeutig, weil es Loening
zu Beginn desselben am nötigen Sauerstoff fehlen ließ, der die im
II. Teile des Versuches beobachtete Tonuserhöhung mitbeein-
flußte, die letztere also nicht allein auf die tonussteigernde Wir-
kung des Hirudinblutes bezogen werden darf, wie dies Loening
tut. Allein schon die Tatsache der Gerinnung des Blutes während
des Versuches hätte eine ganz genaue Kontrolle erfordert, wenn
-< e =
1) Stern und Rothlin, Journ. de Physiol. et de Pathol. génér.
18, 441. 1919.
2) J. M. O'Connor, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 67,
195 — 232, 1912.
3) Loening, Zeitschr. f. Biol. 62, 54. 1913, und Habilitationsschr.
Marburz 1913.
264 E. Rothlin:
aus dem Versuche wie folgt geschlossen werden soll (S. 114):
„Man wird also dem noch ungeronnenen Bluteoder Plasma
örtlich vasotonisierende Eigenschaften keineswegs absprechen
dürfen.“ Loening nimmt zwar quantitative Unterschiede in
der vasoconstrictorischen Wirkung zugunsten des Blutserums an,
sagt aber dann merkwürdigerweise: „Durch eine ausreichende
O,-Versorgung des noch ungeronnenen Plasmas mögen dessen
schwächere Leistungen bis zu einem gewissen Grade wenigstens
wieder ausgeglichen werden können.“ Ich glaube nicht, daß unter
gleichen O,-Versuchsbedingungen, und das ist als unbedingte
Voraussetzung zu fordern, der krasse Unterschied der vasotoni-
sierenden Wirkung zwischen Blutplasma und Blutserum durch
einen verschiedenen Einfluß des Sauerstoffes im Plasma und Serum
auch nicht bis zu einem gewissen Grade sich ausgleichen kann.
Alle meine Versuche sprechen dagegen und Loening bleibt den
Beweis dafür schuldig. Darüber aber kann kein Zweifel bestehen,
nach dem was ich im allgemeinen Teile über die Wirkung des
Sauerstoffes auf isolierte Gefäßstreifen gesagt habe, daß ein solches
Gefäß, welches in O,-armem Ringer sich befindet, nach Ersatz
desselben mit Blutplasma + Sauerstoff eine Tonuserhöhung
erfahren muß. Diese ist aber nicht notwendigerweise durch die
vasotonisierende Substanz des Plasmas, sondern allein schon
durch das Plus an Sauerstoff bedingt.
AufGrundderbisherigensicherenexperimentellen
Daten glaube ich annehmen zu können, daß im reinen
peripheren Oxalatblute bzw. im Normalblute außer
Adrenalin mit Sicherheit keine vasotonisierende Sub-
stanz mit einiger Regelmäßigkeit mit den verwendeten
biologischenTestobjekten nachweisbarist. Wirkungen,
welche auf andere vasotonisierende Substanzen als
auf Adrenalin zurückzuführen sind, werden durch ein
vasoconstrictorisch wirkendes Agens bedingt, welches
erst bei dem Gerinnungsprozesse entsteht.
Dafür spricht auch die Auffassung jener Autoren, welche die
bei der Gerinnung entstehende vasoconstrictorisch wirkende Sub-
stanz mit dem Zerfall der Blutplättchen in einen genetischen
Zusammenhang bringen wie O'Connor). Zucker und Stewart?)
1) O'Connor, 1. с. S. 263.
2) Zucker und Stewart, Zentralbl. f. Physiol. 27, 85. 1913.
Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. II. 265
und Kaufmann!). Denn Extrakte von Blutplättchen zeigten die
Wirkung von Blutserum, während das Blutplasma inaktiv war.
Daß ferner die Blutplättchen sehr leicht zerfallen, ist bekannt,
und daher ist ein teilweiser Zerfall auch schon im Oxalatblute
wohl möglich, vor allem wenn die Gewinnung des Blutes nicht mit
aller Vorsicht geschieht. Dadurch erklärt sich wohl auch das
beobachtete Auftreten von geringen Mengen dieser vasoconstric-
torischen Substanz im Oxalatblute.
2. Versuche mit Blutserum.
Die relativ schwache Wirksamkeit des Oxalatblutes bzw.
Blutplasmas auf überlebende Gefäßstreifen steht im krassen
Gegensatz zur stark tonisierenden Wirkung des Blutserums bzw.
des def. Blutes. Darauf hat schon Mosso?) im Jahre 1874 auf-
merksam gemacht. Aber man möchte sagen, daß dieser Unter-
schied mit einem gewissen Konservatismus in vielen wissenschaft-
lichen Arbeiten bis auf heute vernachlässigt wurde, welche die
tonisierende Wirkung von Blut und Blutserum zum Gegenstand
` ihrer Untersuchungen hatten. Die von mir angeführten Beispiele
über die Wirkungsweise von Blutserum auf isolierte Gefäße sind
in den Abb. 2, 5—7 wiedergegeben. Wir sehen daraus, daß `
sowohl die Art. coronaris cordis wie die Art. mesenterica durch
Blutserum kontrahiert werden, woraus der prinzipielle Unterschied
im Vergleich zur Wirkung des Oxalatblutes erhellt. Es geht daraus
ganz eindeutig hervor, daß es sich nicht um Adrenalin handeln
kann. Von Stern und Rothlin?) wurde übrigens nachgewiesen,
daß die Wirkung des Blutserums auf die Organe mit glatter
Muskulatur überhaupt stets eine tonuserhöhende ist, auch da,
wo Adrenalin eine ganz unzweideutige Tonuserschlaffung zur
Folge hat. Wenn nun О. B. Meyer‘), O'Connor), Loening’),
Günther“) u. а. von einer ,,adrenalinahnlichen“ Wirkung spre-
chen, trotzdem sie sich selbst zum Teil von der entgegengesetzten
1) P. Kaufmann, Zentralbl. f. Physiol. 2%, 527. 1913.
2) Mosso, Ludwigs Arbeiten (Berichte der sächsischen Gesellsch.)
1874, S. 305.
3) Stern und Rothlin, 1. с. S. 263.
4) O. B. Meyer, Zeitschr. f. Biol. 48, 352. 1906.
5) O'Connor, 1. с. S. 263.
6) Loening, 1. с. S. 263.
7) Günther, Zeitschr. f. Biol. 65, 401. 1915.
266 | E. Rothlin:
Wirkung des Blutserums überzeugt hatten, so führt das zu einer
begrifflichen Verwirrung. Denn mit eben demselben Rechte könnte
man von einer dem Adrenalin entgegengesetzten Wirkung spre-
chen. Und wenn Streuli!) neuerdings sagt: „Das unbekannte
Hormon, das wir dort (im Blutserum) vermuteten, ist mit großer
Wahrscheinlichkeit identisch mit Adrenalin, es gibt nichts, das
dieser Vermutung widerspräche“, dann verweise ich Streuli
auf die obengenannten Arbeiten und die experimentellen Daten
vorliegender Arbeit. Übrigens wird durch eine sehr einfache
Überlegung die Unhaltbarkeit einer solchen Auffassung über die
Natur der vasotonisierenden Substanz im Blutserum dargetan.
А DT ENEE EE EE SRAASAASAAAAADABABSAASAADAAL eee i
4!
Abb. 5. 4 und В sind Parallelstreifen eines Mesenterialgefäßes von einer Kuh. Belastung
je 15 g. Zeitmarkierung alle 6 Sek. In Abb. 5 wird zu Gefäß A Rinderserum 1:50
und zu Gefäß B Adrenalin 1: 1000 000 zugesetzt, es erfolgt in beiden Gefäßen ungefähr
dieselbe Kontraktion.
In den Versuchen der Abb. 5 ist die Wirksamkeit von Blut-
serum mit jener von Adrenalin auf dieselben Testobjekte ver-
glichen. Wenn wir aus der Stärke der Verkürzung dieser beiden
vasotonisierenden Medien eine Überschlagsrechnung machen, so
gelangen wir zu einer Adrenalinkonzentration im Blutserum von
1: 200 000 und eine solche Konzentration müßten wir dann
folglich auch im peripheren Normalblute annehmen, da niemand
die Bildung von Adrenalin durch den Gerinnungsprozeß annehmen
wird. Kein anderes Argument scheint mir die Unmöglichkeit
einer solchen Auffassung so klar zu demonstrieren, wie dieser ein-
fache Versuch. Gestützt auf diese Ausführungen schließen wir,
daß die vasoconstrictorische Wirkung des Blutserums
bzw. des def. Blutesin toto auf Grund der Verschiedenheiten
1) Streuli, Zeitschr. f. Biol. 66, 167. 1916.
Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. II. 267
in der biologischen Wirkung nicht mit Adrenalin identifi-
ziert werden darf. Dieses aktive Prinzip wirkt zwar
a uf gewisse Testobjekte „adrenali nähnlich“, auf andere
a ber geradezu entgegengesetzt, es muß daher dasselbe
sowohlin seiner biologischen Wirkung als nach seiner
chemischen Konstitution als etwas sui generis be-
trachtet werden.
Über die Wirkungsweise des Blutserums sind ferner noch
Ansichten geäußert worden, die hier Erwähnung finden müssen.
Loening!) sagt S. 63: „daß ein und dasselbe Serum, je nach
seiner O,-Versorgung einen schon vorhandenen Tonus sowohl zu
erhöhen als auch zur Erschlaffung zu bringen vermag, daß der
Ausfall der Wirkung in beiden Fällen also nur davon abhängig
ist, ob die O,-Sättigung des Serums eine mehr oder weniger voll-
kommene ist.“ Ich habe im ersten Teile dieser Arbeit die Auf-
fassung Loenings über den Einfluß des Sauerstoffes auf isolierte
Gefäße in Ringerlösung widerlegt. Einen dilatatorischen Einfluß
durch Blutserum auf überlebende Gefäßstreifen kann Loening
sicher nur dann erzielen, wenn er O,-armes Serum zu einem
Gefäßstreifen hinzugibt, dessen Tonus durch O,-gesättigten Ringer
sehr hoch gehalten war. In diesem Falle handelt es sich aber nicht
um einen tonuserschlaffenden Einfluß des Blutserums, sondern
es ist dies ein Effekt, welcher durch O,-Mangel erzielt wird. Ich
verweise auf die Abb. 4a, b, c S. 234 der ersten Abhandlung, wo sich
die Wirkung des Sauerstoffes in Ringer und in Blutserum. sehr
deutlich erkennen läßt. Wenn in diesen zwei Versuchen ein ge-
ringer quantitativer Unterschied besteht, so handelt es sich eben
um zwei ganz verschiedene Milieus, deren Einfluß auf überlebende
Gefäße an sich grundverschieden ist. Die Erklärung dafür bietet
aber gar keine Schwierigkeiten. Denn Serum enthält eben eine
oder mehrere vasotonisierende Substanzen, welche glatte Musku-
latur überhaupt zur Kontraktion veranlassen, und diese fehlen
selbstverständlich im Ringer. Diese vasotonisierende Substanz des
Blutserums kommt aber bei Sauerstoffgegenwart eigentlich erst zur
Wirkung, da, wie früher erwähnt, die überlebenden Gefäße nur bei
genügender Sauerstoffversorgung eine normale Erregbarkeit auf-
weisen. Die Ansicht, welche Loening S. 64 äußert: „Es erschien
nicht ausgeschlossen, daß nur in einer solchen, die O,-Übertragung
1) Loening, 1. с. S. 263.
268 E. Rothlin:
auf die Zellen resp. eine O,-Aktivierung besonders begünstigende
Eigenschaft des Serums eine Hauptursache seiner tonisierenden
Leistungen mit zu finden sei“, scheint mir nicht nur ausgeschlossen,
sondern die Wirkungsweise des Sauerstoffes auf überlebende
Gefäßstreifen einerseits und jene der vasoconstrictorischen Substanz
des Blutserums andererseits auf den Kopf stellen. Loening ist
konsequent, denn er hält diese eben besprochene Ansicht über die
Wirkungsweise des Blutserums auch für andere vasotonisierende
Substanzen aus Organextrakten für zutreffend. Nach Loening
käme nicht das aktive Prinzip dieser vasotonisierenden Substanzen
selbst zur Wirkung, sondern dieselbe bestünde in einer O,-über-
tragenden Rolle dieser wirksamen Substanzen. Da in meinen Ver-
suchen der Sauerstoff auch in Ringerlösung stark vasotonisierend
auf isolierte Gefäße wirkt, so ist die Annahme einer solchen
„Oz aktivierenden“ Rolle von seiten des Blutserums und anderen
Organextrakten für die Wirkung des Sauerstoffes überflüssig.
Anderseits kann jede an sich indifferente Substanz isolierte Gefäße
zu einer Dilatation bzw. Kontraktion führen, wenn wir nur dafür -
Sorge tragen, daß vor und nach der Applikation derselben die
O,-Versorgung diametral entgegengesetzt gehalten wird. Vaso-
tonisierende Substanzen gelangen aber als solche nur dann zu
einer deutlichen Wirkung, wenn das Gefäß stets mit O, gut ver-
sorgt wird, da das Gefäß nur unter diesen Umständen eine ,,nor-
male“ Erregbarkeit und Reaktionsfähigkeit besitzt.
Battelli!) hat ferner im Blutserum verschiedener Tierarten sog.
„Vasoconstrict ines“ von spezifischem Charakter nachgewiesen. In Analogie
zu den Immunkörpern, wie den Hämolysinen bestehen diese Vasoconstric-
tines von Battelli auszwei Komponenten, dem thermostabilen spezifischen
Amboceptor und dem thermolabilen nicht spezifischen Komplement. Die
Sera der verschiedenen Tierarten sind, wie Battelli angibt, verschieden
stark vasokonstrictorisch aktiv. Gegenüber den Gefäßen des Meerschwein-
chens, Kaninchens und Hundes besteht im allgemeinen dieselbe Reihen-
folge mit abnehmendem Wirkungsgrad: Serum von Rind, Hund, Schaf,
Kaninchen und Pferd. Die vasoconstrictorische Wirkung dieser Blutsera
kann durch Erwärmen derselben auf 57° während 15 Minuten inaktiviert
werden. Das Pferdeserum enthält aber ausschließlich das Komplement,
im Gegensatz zu den übrigen Sera. Ein Rinderserum auf 57° während
15 Min. inaktiviert, kann durch Zusatz von an sich inaktivem Pferdeserum
(Komplementzusatz) reaktiviert werden. Die Wirkung dieser Vasocon-
1) F. Battelli, Journ. de Physiol. et Pathol. génér. 7, 625—638 u.
651—664. 1905.
Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. II 269
strictine bezieht sich nach Battelli sowohl auf die Arteriolen, als auf
größere Arterien, wie Art. axillaris und femoralis, dieselbe wurde von
Battelli auf künstlich durchströmte Meerschweinchen, Kaninchen und
Hunden von der Aorta aus quantitativ untersucht. Ich prüfte nun in-
wieweit sich dieser an sich sehr interessante Befund von Battelli auch an
überlebenden Gefäßstreifen nachweisen ließ. Dazu verwendete ich die
vasoconstrictorische Eigenschaft von gewöhnlichem Blutserum, (20 Min.
bei 58°) inaktiviertem Serum und enteiweißtem Serum (Filtrat) einer Tier-
art auf überlebende Gefäßstreifen derselben und einer anderen Tierart.
Meine Untersuchungen bezichen sich auf folgende Fälle:
Rinderserum auf Gefäße von Rind, Pferd und Schwein
Pferdeserum e se Se p e y у»
Schweineserum „э „э 99 55 „э ” „э
Schafserum Т 55 55 ” „э „э „э
Ich gebe im folgenden nur einige Beispiele meiner diesbeziig-
lichen Ergebnisse wieder, da die Resultate in allen Versuchen
ohne Ausnahme qualitativ völlig übereinstimmen.
Die untersuchten Sera verschiedener Tierarten auf isolierte
Gefäßstreifen zeigen die von Battelli beobachtete spezifische
Wirkung in keiner Weise, wie aus den Abb. 6 u. 7 hervorgeht. Die
vasoconstrictorische Wirkung eines Blutserums einer Tierart ist
ebenso ausgesprochen auf die überlebenden Gefäßstreifen derselben
wie anderer Tierarten. Außerdem ist der vasoconstrictorische Effekt
eines Blutserums durch den Vorgang der Inaktivierung, sowie
durch Enteiweißung gar nicht beeinträchtigt. Denn die erzielte
Wirkung ist sowohl qualitativ wie quantitativ identisch, gleich-
gültig ob wir dabei gewöhnliches, inaktiviertes oder selbst ent-
eiweißtes Blutserum verwenden. Die mit diesen Testobjekten
nachgewiesene vasoconstrictorische Substanz aller untersuchten
Blutsera ist nicht thermolabil und nicht spezifisch. Von Kauf-
mann!), Stern und Rothlin?) ist weiterhin gezeigt worden,
daß diese vasotonisierende Substanz des Blutserums alkohol-
löslich und auch auf die Gefäße des Frosches und des Kaninchen-
ohres wirksam ist. Zugegeben sei, daß in bezug auf die Menge
der im Serum vorkommenden aktiven Substanz bei den verschie-
denen Tierarten Unterschiede bestehen, ja bei ein und derselben
Tierart Schwankungen auftreten. Stets konnte ich aber nach-
weisen, daß auch das Pferdeserum vasotonisierende Eigenschaften
besitzt. Ob die differenten Resultate von Battelli und mir
1) Kaufmann, 1. с. 8. 265.
2) Stern und Rothlin, 1. с. S. 263.
Biochemische Zeitschrift Band 111. 18
270 E. Rothlin:
auf die Verschiedenheit der verwendeten Testobjekte, Battelli
durchströmte das gesamte Gefäßsystem des getöteten Tieres von
der Aorta aus, zurückzuführen
sind, kann ich nicht annehmen,
denn es läßt sich kein triftiger
Grund dafür finden, warum sich
diese Unterschiede nur bei Ver-
wendung von inaktivierten Sera,
nicht aber für die gewöhnlichen
Sera ergaben. Außerdem müßten
Abb. 6. A. Art. carotis, B. Art. mesen- die spezifischen Vasoconstrictine
terica von Rind. Belastung 25 g. Zeit- p
markierung alle 6 Sek. Bei der Marke + von Battelli, welche übrigens
wird Serum von Schwein in einer Konzen- А A А e
tration von 1: 50 zugesetzt, es läßt ia bel. sehr intensiv wirkten, auch im
den Gefäßen eine Kontraktion aus. Ent- normalen Blute vorhanden sein
Gefäßen zugesetzt, ergibt gleich starke und nicht als ein Produkt der
et Gerinnung betrachtet werden
können. Ich habe oben gezeigt, daß die Intensität der vasotoni-
sierenden Wirkung zwischen Blut und Blutserum qualitativ und
Abb. 7 b.
Abb. 7c.
Abb. 7a, b und c. Art. mesenterica von Kuh. Belastung 20 g. Zeitmarkierung alle 6 Sek.
Bei der Marke + wie in Abb. a Serum von Schaf 1 : 50, in Abb. b von demselben Seram
bei 58° während 20 Min. inaktiviert und bei Abb. c von dem enteiweißten Filtrat in einer
Verdünnung von 1:50 zugesetzt. In allen drei Versuchen ist der vasoconstrictorische
Effekt gleich stark. Verkl. ½.
quantitativ verschieden ist, im Blutserum aber zufolge des starken
Überwiegens der Gerinnungssubstanz nur der rein vasoconstric-
torische Effekt zum Ausdrucke gelangt. Die von Battelli im
Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. II. 271
Serum gefundenen spezifischen Vasoconstrictine kann ich auf
Grund meiner Versuche nicht als spezifische normale Be-
standteile des Blutes betrachten, es handelt sich viel-
mehr bei allen Seren um jene vasoconstrictorisch wirk-
same Substanz, welche bei dem Gerinnungsprozesse
entsteht. Dieses aktive Prinzip findet sich in allen
bisher untersuchten Sera, es ist thermostabil, filtrier-
bar, dialysierbar und alkoholléslich. Dasselbe scheint
für alle Sera, wenigstens aus seiner vasoconstrictorischen
Wirkung zu schließen, einheitlicher also nicht spezifischer
Naturzusein. Über dessen chemische Konstitution kann heute
noch nichts sicheres ausgesagt werden. O’Connor hat auch keine
Analysenresultate zur Verfügung, sagt aber: „Wir wollen es aber
nicht unterlassen, auf die Ähnlichkeit ihrer Wirkungen mit denen
der Base f̃-Imidazolyläthylamin hinzuweisen.“ Eine solche Auf-
fassung kann ich zwar mit Hinsicht der analogen Wirkungsweise
beider vasoconstrictorischen Substanzen teilen, möchte aber
daraus nicht auf die chemische Identität schließen. Was die
Herkunft der vasoconstrictorischen Substanz im Blutserum an-
langt, verweise ich auf das S. 264 Gesagte.
Die vasoconstrictorische Substanz des Blutserums kommt
im reinen Oxalatblute nachgewiesenermaßen nicht vor und das-
selbe dürfte auch für das Normalblut zutreffen. Diese vaso-
constrictorische Eigenschaft des Blutserums hat somit physio-
logischerweise im Organismus keine funktionelle Rolle. Trotz-
dem soll hier noch ganz kurz die mehrfache Bedeutung besprochen
werden, wozu diese Eigenschaft des Blutserums Veranlassung
gibt. Dieselbe ist sowohl theoretischer als praktischer Art. Theore-
tisch gibt die Tatsache der Bildung einer vasoconstrictorischen
Substanz beim Gerinnungsprozeß Anlaß für die Annahme von
Spaltungsprozessen bei der Gerinnung des Blutes. Diese vaso-
constrictorische Substanz ist ja nicht kolloidal, da leicht dialysier-
bar und die Ausfällung der kolloidalen Serumbestandteile ändert
gar nichts an der Wirksamkeit des Filtrates. Es ist ferner kaum
anzunehmen, daß das Entstehen dieser Substanz durch den bloßen
Zerfall der Blutplättchen bedingt ist, da es schwer erklärlich
wäre, wieso die leicht dialysierbare Substanz im Normalblut
nicht frei vorkommt. Es müßte denn eine semipermeable Membran
bei den betreffenden Zellen für diese Substanz existieren, oder beim
18*
272 E. Rothlin:
Zerfall dieser Zellen die an kolloidale Teilchen adsorbierte vaso-
constrictorische Substanz frei werden. Die Entstehung durch
hydrolytische Spaltung scheint mir bei unserer heutigen Auf-
fassung tiber den Gerinnungsvorgang das Wahrscheinlichere. Die
praktische Bedeutung ist einmal, wenn wir so sagen dürfen,
eine teleologische, indem beim Gerinnungsvorgang neben der
Ausbildung eines Koagulums als mechanisches Hindernis fir die
weitere Blutung, eine vasoconstrictorisch wirksame Substanz
entsteht, welcher eine hämostatische Bedeutung zukommen
dürfte. Darauf hat auch O’Connor aufmerksam gemacht.
Weiterhin ist die Tatsache zu erwähnen, daß bei Versuchen mit
künstlicher Durchblutung die Verwendung von Serum als Durch-
strömungsflüssigkeit, oder Blutserum als Lösungsmittel für andere
zu untersuchende vasotonisierende Substanzen durch die Vernach-
lässigung der Existenz der vasoconstrictorischen Substanz des
Blutserums große Irrtümer entstehen können.
3. Untersuchungen über die Wirkungsweise des Adrenalins auf
überlebende Gefäße verschiedener Organgebiete und verschiedener
Tierarten.
Bei der Tatsache, daß Adrenalin im normalen Blute nach-
gewiesen werden kann, muß uns die Wirkungsweise dieses chemisch
definierten Hormons auf die überlebenden Gefäße besonders
interessieren. Bei den schon bestehenden sehr zahlreichen Ver-
suchsdaten auf diesem Gebiete, werde ich den gesamten Unter-
suchungsgegenstand zugunsten einer besseren Übersicht nach
Gefäßgebieten abhandeln, welches Einteilungsprinzip sich mir
als das zweckmäßigste ergab. Diese Untersuchungen beziehen
sich auf folgende überlebende Gefäßgebiete: auf die Gefäße der
Extremitäten und des Magen-Darmtraktus, auf die Nierengefäße,
auf die Herzkranz- und Lungengefäße. Eine zusammenfassende
Übersicht der Wirkungsweise des Adrenalins auf die verschie-
denen Gefäßgebiete ist in der tabellarischen Darstellung auf S. 320
wiedergegeben.
a) Versuche über den Einfluß des Adrenalins an überlebenden Gefäßen
der Extremitäten und des Magen-Darmtraktus.
Meine Versuche mit isolierten Gefäßstreifen der Art. sub-
clavia, carotis, brachialis, femoralis vom Typus bovinus und
equinus haben mir auf Adrenalin regelmäßig eine Verkürzung
Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. II. 273
ergeben. Diese Resultate stehen in vollem Einklang mit den
Ergebnissen von Meyer), Siccardi und Loredan?), Cow’)
und Barbour‘). Meine Bemühungen durch feine Abstufung
der Adrenalindosen bei den genannten Gefäßstreifen eine primäre
Erschlaffung zu erzielen, waren alle ohne Erfolg. Stets trat bei
jedem überschwelligen Adrenalinreiz eine Verkürzung des Gefäß-
streifens ein. Die Kontraktionskurve bei diesen Testobjekten
durch Adrenalin war, wie oben im allgemeinen Teile schon er-
wähnt, dadurch charakterisiert, daß der Tonusanstieg relativ
rasch eintrat und nach erreichtem Maximum der Verkürzung
nach stark wirksamen Dosen selbst stundenlang anhielt, trotzdem
das Adrenalin aus der Versuchsflüssigkeit durch Auswaschen
entfernt worden war (Abb. 10 im ersten Teile S. 244). Ganz ana-
loge Resultate erzielte ich an der Froschhinterextremität nach
vollständiger Zerstörung des Zentralnervensystems und der Durch-
schneidung des Nervus ischiadicus. Nie sah ich hier eine primäre
Erweiterung auftreten.
Pari°) berichtete von einer Gefäßerweiterung bei Durchströmungs-
versuchen der Hinterextremität von Kaninchen, sagt aber: „Ce résultat
nous permet de penser, que l’adrenaline même à doses extremement petites
ne fait jamais diminuer la pression, tandisque des vieilles solutions altérées
auraient cette action“. Die von Pari beobachtete Gefäßerweiterung trat
auch nur sehr selten auf und dürfte andere Ursachen haben als einen
Adrenalinreiz. Ogawa®), welcher an überlebenden Hautmuskelgefäßen
von Kaninchen mit Dosen von Iccm Adrenalin von 1 : 10 000 000 eine
kräftige Kontraktion erzielte, konstatierte aber, daß dieselbe von einer
sekundären Gefäßerweiterung gefolgt war, welche, wie Ogawa bemerkt:
„in allen Fällen eintritt, wenn man lang genug wartet“. Eine primäre Er-
weiterung konnte er aber weder beim Kaninchen noch bei der Frosch-
hinterextremität nachweisen. Was diese sekundäre Erweiterung anlangt,
во beobachtete auch ich eine solche ab und zu sowohl bei überlebenden
Gefäßstreifen, als bei der Froschhinterextremität. Dabei zeigte es sich
aber in der Regel, daß der Gefäßtonus vor der Applikation des Adrenalins
hoch war und der niedere Tonus nach dem Adrenalinreiz anhielt. Auf die
1) O. B. Meyer, 1. с. S. 265.
2) Siccardi und Loredan, Zeitschr. f. allg. Physiol. 15, 85. 1913.
3) D. Cow, Journ. of physiol. 42, 125. 1911.
4) H. S. Barbour, Ar.h. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 68,
‚41. 1912.
5) G. A. Pari, Arch. di Pharm. sperim. 4, 161. 1905, und Arch
ital. de Biol. 46, 209. 1905.
6) Ogawa, Arch. f. experim. Pathol. und Pharmakol. 67, 89. 1912.
274 E. Rothlin:
ө
Gefäßerweiterung, wie sie von Dale!) nach Ergotoxineinwirkung, Bauer
und Fröhlich?) nach Applikation von toxischen Adrenalindosen und
Pearce?) nach Durchströmung mit Ca-freier Ringerlösung beobachtet
haben, gehe ich an dieser Stelle nicht ein, diese Befunde werden uns in einer
späteren Abhandlung beschäftigen. Auch am isoliert durchströmten
Kaninchenohr gelang es mir ebensowenig wie del Campo‘), durch Adre-
nalin eine Gefäßerweiterung zu erzielen.
Was die Gefäße des Magen-Darmtraktus anlangt (Art.
mesenterica sup. und inf., Art. gastrica, sowie der Art. splenica),
so verhielten sich dieselben gegenüber Adrenalin ganz analog,
wie die Gefäße der Extremitäten. Auch gelang es mir nicht beim
Frosche, bei Durchströmung desselben von der Aorta aus unter
Abklemmen der Aorta abdominalis, eine dilatatorische Wirkung
durch Adrenalin im Splanchnicusgebiete zu erzielen. Nach
Ogawa ‚ist dagegen gerade an den Darmgefäßen eine primäre
Erweiterung ohne vorangehende Verengerung bei Einwirkung
von verdünnten Adrenalinlösungen (eine primäre Erweiterung)
einwandfrei zu beobachten“. Die Resultate von Ogawa beziehen
sich auf Durchströmungsversuche an überlebenden Darmpartien
von Kaninchen, Katzen und Hunden. Dieser gegensätzliche Be-
fund zwischen den Ergebnissen von Ogawa und den meinen an
isolierten Gefäßstreifen des Magen-Darmtraktus lassen sich evtl.
darauf zurückführen, daß sich meine Versuche nur auf relativ
große Arterien beziehen, während bei Ogawa auch die kleinen
Arterien und Capillaren mit in den Untersuchungsbereich gezogen
waren. Weiterhin besteht die Möglichkeit, daß bei den isolierten
Gefäßen der dilatatorische Mechanismus überhaupt sich nicht gut
konserviert. Die vasoconstrictorische Beeinflussung der Milz-
arterien durch Adrenalin stimmen mit den Versuchsergebnissen
von Ott und Scotts) überein, welche auf onkometrischem Wege
in vivo ebenfalls eine Gefäßverengerung nachgewiesen haben.
Resümierend können wir sagen, daß die isolierten Arterien-
streifen der Extremitäten des Typus bovinus und
equinus, die Gefäße der Froschhinterextremität, des
1) H. H. Dale, Journ. of physiol. 34, 1906.
2) Bauer und Fröhlich, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol.
84, 33. 1918.
3) Pea rce, Zeitschr. f. Biol. 62, 243. 1912.
4) Del Campo, Zeitschr. f. Biol. 69, 111. 1918.
5) Ott und Scott, Proc. Soc. experim. Biol. a. Med. 11, 32. 1913.
Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. II. 276
isoliert durchstrémten Kaninchenohres, die Art. me-
sent. gastrica und splenica, sowie die Splanchnicus-
gefäße des Frosches durch Adrenalin ausschließlich
kontrahiert werden. Eine primäre Erweiterung dieser Gefäße
konnte auch bei kleinsten Adrenalindosen nie erzielt werden.
b) Versuche über den Einfluß des Adrenalins auf die isolierten
Nierengefäße.
Die folgenden Versuche der Abb. 8—10 an isolierten Gefäßstreifen
der Nierenarterien vom Typus bovinus geben uns Aufschluß darüber.
Eine aufmerksame Durchsicht dieser experimentellen Daten
über die Wirkungsweise des Adrenalins auf die überlebenden
Abb. 8a.
Abb. 8b.
Abb. 8c.
Abb. 8a, b und c. Art. renalis proximaler Arterienstreifen. Belastung 25 g. Zeitmarkierung
alle Minuten. Bei der Marke 8 wird Adrenalin in elner Konzentration von 1 : 5 000 000
zugesetst, worauf eine Gefäßerschlaffung eintritt. In der Abb. b wird bei der Marke 4 Adrena-
lin 1: 1 000 000 und bei der Marke 4’ Adrenalin 1: 500 000 zugefügt, bei 4 verkürzt sich der
Gefäßstreifen nur ganz schwach, bei 4’ dagegen etwas stärker. Die Dauer der Kontraktion
ist sehr kurz. In der Abb. c erfolgt bei der Marke 6 auf Adrenalin 1 : 200 000 eine sehr
kräftige Verkürzung des Gefäßes, die von rel. langer Dauer ist. Hier A wird ausgewaschen,
was auf den Verlauf der Kurve ohne Einfluß ist. Verkl. ½.
Nierenarterien vom Typus bovinus führt uns zu folgenden
Schlüssen:
l. Die Erregbarkeit der Nierengefäße gegenüber
Adrenalin kann im Vergleich zu den anderen
Gefäßstreifen als normal bezeichnet werden.
276 E. Rothlin:
2. Dieisolierten Nierenarterienkönnendurch Adre-
nalin sowohl dilatiert als kontrahiert werden.
Der jeweilige Erfolg ist eine Funktion der Adre-
nalinkonzentration, kleinste Dosen dilatieren,
stirkere Dosen kontrahieren.
Abb. 9. a distaler, b proximaler Arterienstreifen einer Nierenarterie von Kuh. Belastung
je 20 g. Zeitschreibung alle 6 Sek. Bei der Marke 1 wird in Abb. a zu beiden Gefäßstreifen
Adrenalin 1 : 25 000 000 zugesetzt, worauf nur bei Gefäß b eine rasch vorübergehende
Kontraktion erfolgt, die von rhythmischen Schwankungen begleitet ist. Bei der Marke 3
wird bei den Gefäßen Adrenalin 1 : 5 000 000 appliziert, beide Gefäße kontrahieren sich erst,
das Gefäß a kaum sichtbar, Gefäß b sehr deutlich, aber nur flüchtig, in beiden Testobjekten
erfolgt sodann eine starke Erschlaffung. Verkl. ?/,.
3. Die Arterienstreifen sowohl des proximalen als
des distalen Abschnittes der Nierenarterien ver-
halten sich gegenüber Adrenalin ganz gleich
Abb. 10. Das obere Gefäß ist ein distaler, das untere Gefäß ein proximaler Streifen einer
Nierenarterie von einem Rind. Belastung je 20 g. Zeitschreibung alle 6 Sek. Bei der Marke 1
wird zu beiden Gefäßen Adrenalin 1 : 1000000 zugesetzt. Es erfolgt in beiden Gefäßen
eine sehr kräftige Verkürzung, die besonders bei Gefäß b rasch das Maximum erreicht, um
dann rasch den ursprünglichen Tonus wieder zu erreichen. Bei dem Gefäß a sind beide Phasen
etwas gedehnter. Verkl. ?/,.
Diese Schlüsse sollen durch eine Betrachtung der angeführten
Beispiele belegt werden. Im allgemeinen Teile wurde ausgeführt,
daß eine Erregbarkeit überlebender Arterienstreifen für Adrenalin
innerhalb Dosen von 1 : 10 000 000 als normal bezeichnet werden
kann. Dies trifft in der Tat für die Nierengefäße zu. Der zweite
Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. II. 277
von uns gezogene Schluß ist für uns wohl der interessanteste.
Die Abb. 8 u. 9 sind sichere Belege dafür, daß dieselben
Nierengefäße durch Adrenalin einerseits dilatiert, anderseits auch
kontrahiert werden können. Ein Vergleich der angewandten
Adrenalindosen in diesen Versuchsbeispielen mit vasodilatatori-
schem und vasoconstrictorischem Erfolge ergibt, daß die gerin-
geren Dosen dilatieren, die stärkeren dagegen kontrahieren, somit
der jeweilige Adrenalineffekt als eine Funktion der Adrenalin-
konzentration betrachtet werden muß. In dieser Hinsicht erfor-
dert der Versuch in der Abb. 8 keinen weiteren Kommentar.
Dagegen erscheint das Ergebnis in dem Versuche der Abb. 9
nicht so eindeutig. Es besteht hier in erster Linie ein scheinbarer
Unterschied zwischen dem distalen und proximalen Gefäßstreifen.
Der distale Streifen folgt der eben beschriebenen Regel. Der
proximale Streifen erfährt auf Adrenalin 1 : 25 000 000 eine Tonus-
erhöhung, begleitet von rhythmischen Schwankungen und auf
Adrenalin 1 : 5 000 000 eine geringe Verkürzung mit nachfolgender
ausgesprochener Erschlaffung. Diese scheinbare Unstimmigkeit
findet ihre Lösung in der Tatsache, daß dieser Arterienstreifen
schon in O,-Ringer rhythmische Schwankungen aufwies, wasin der
Abb.9 auf S. 243 derersten Abhandlungfürein Beispiel vonspezieller
Form von Rhythmik wiedergegeben ist. Der geringste Reiz durch
eine vasotonisierende Substanz auf ein Gefäß mit rhythmischer
Tätigkeit in Ringerlösung hat aber auf Grund unserer Analyse über
den Rhythmus und dessen Auftreten bei isolierten Gefäßen die Aus-
lösung oder eine Verstärkung dieser Erscheinung zur Folge. In
diesem Sinne sind die beiden Tonuserhöhungen in der Abb. 9
bei der Marke 1 u. 3 nicht als eigentliche Kontraktionen durch
einen vasoconstrictorischen Reiz zu betrachten, sondern als einen
Ausdruck von rhythmischen Erscheinungen auf einen vasotoni-
sierenden Reiz. Es ist nun zu bemerken, daß eine solche beschrie-
bene primäre Gefäßerschlaffung durch Adrenalin nicht bei allen
Nierenarterien erzielt werden konnte und dieselbe, wenn über-
haupt auslösbar, in der Regel nur zu Beginn der Versuche bei
demselben Gefäße auftrat. Wenn nun kleinste Adrenalindosen
auf überlebende Nierengefäße eine Dilatation, größere Dosen
aber eine Kontraktion desselben Gefäßes hervorrufen, so führt eine
einfache Überlegung zur Frage, ob sich für solche Gefäße eine
Adrenalinkonzentration finden läßt, welche die Resultante dieser
278 E. Rothlin:
beiden Effekte darstellt, d. h. gibt es eine mittlere Adrenalin-
konzentration, welche diese Nierengefäße nicht beeinflußt? Diese
Frage kann ich durch die experimentellen Ergebnisse in be-
jahendem Sinne beantworten. So zeigt das Gefäß in Abb. 8b
auf Adrenalin 1 : 1 000 000 nur eine ganz schwache Kontraktion,
während eine niedrigere Adrenalindosis eine Dilatation, eine stär-
kere Dosis eine erhebliche Kontraktion zur Folge haben. Bei
der Tatsache, daß Adrenalin bei isolierten Nierengefäßen sowohl
den dilatatorischen als den constrictorischen Mechanismus zu
erregen vermag, war zu untersuchen, ob diese doppelte Be-
einflussung nicht auch in der Form der Kurven nach scheinbar
ausschließlich constrictorisch wirksamen Adrenalindosen zur Gel-
tung kam. Dies gelangt in der Abb. 8—10 zur Illustration.
Die beiden Gefäße in der Abb.10 erfahren durch Adrenalin
1: 1 000 000 eine ganz kräftige Kontraktion, aber nach erreichtem
Maximum des Tonusanstieges fällt der Schreibhebel besonders beim
Gefäße b in sehr raschem Tempo wieder auf die ursprüngliche
Abscisse zurück. Die Erschlaffungsphase ist nicht wesentlich
länger als die Kontraktionsphase, eine Erscheinung, wie wir dies
bei überlebenden Gefäßen nicht zu sehen gewohnt sind. Bei Nieren-
gefäßen registriert man ferner oft eine dritte Phase, indem die
Gefäße auf einen tonuserhöhenden Adrenalinreiz, nachdem sie
den ursprünglichen Tonus wieder erreicht haben, sich noch weiter
erschlaffen, also eine Phase der sekundären Erschlaffung
aufweisen. Diese Erscheinungen, der rasche Eintritt der Er-
schlaffungsphase nach erreichtem Maximum der Verkürzung
und die sekundäre Erweiterung im Anschluß an die normale
Erschlaffungsphase sind zwei charakteristische Merkmale des
Erregungsablaufes überlebender Nierenarterien auf Adrenalin-
dosen, welche eine primäre Kontraktion auslösen. Die Erklärung
dieser Erscheinungen finden wir wohl in der oben belegten Tat-
sache, daß Adrenalin sowohl den dilatatorischen als
constrictorischen Mechanismus der Nierengefäße zu
erregen vermag, wodurch zufolge deren antagonistischen Wir-
kung der flüchtige Verlauf der Kontraktion bzw. die sekundäre
Dilatation bedingt ist. Schließlich geht aus den wiedergegebenen
Versuchen hervor, daß die überlebenden Nierengefäße in ihrer
ganzen Ausdehnung sowohl im proximalen als distalen Abschnitte
sich gegenüber Adrenalin ganz identisch verhalten. Wir sehen,
Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. II. 279
daß die oben gezogenen Schlüsse auf Grund unserer Experiment-
ergebnisse zu Recht bestehen.
Versuche über die Wirkungsweise von Adrenalin an überlebenden
Nierengefäßen sind mir aus der Literatur von Cow!) bekannt. Der Autor
findet, daß diese Gefäßstreifen durch Adrenalin in eindeutiger Weise nur
vasoconstrictorisch beeinflußt werden. Es ergibt sich somit ein scheinbarer
Widerspruch mit meinen Daten, da ich ganz unzweideutig durch Adrenalin
unter gewissen Bedingungen eine Erschlaffung der Nierenarterien erzielen
konnte. Aber bei den Versuchsbedingungen von Cow, welcher für alle seine
Versuche mit Adrenalin in stereotyper Weise eine Konzentration von
1 : 100 000 verwendete, ist nach allem, was wir nun über die Wirkungs-
weise des Adrenalins bei Nierengefäßen beobachtet haben, kein anderes
Resultat zu erwarten. Mit so starken Konzentrationen konnte auch ich
ausschließlich eine Verkürzung dieser Gefäße konstatieren, wobei dann
de Kontraktion ebenfalls von langer Dauer war, wie dies die Abb. 8b
zur Darstellung bringt. Cow differenziert nicht und seine gezogenen
Schlüsse dürfen daher keine allgemeine Gültigkeit beanspruchen, seine
Ergebnisse müssen intensiv, d. h. für die angewandten Dosen interpretiert
werden. Unter diesen Umständen besteht zwischen seinen und meinen
Resultaten volle Übereinstimmung. Ich möchte aber bemerken, daß solche
hohe Adrenalindosen, wie sie Cow verwendet, nicht mehr als physio-
logische bezeichnet werden dürfen und daß unter solchen Bedingungen
Schlüsse über die physiologische Wirkungsweise des Adrenalins auf die
Gefäße mit großer Vorsicht zu verwerten sind.
Wenn wir unsere Resultate mit jenen Versuchsergebnissen vergleichen,
welche von andern Autoren an künstlich durchströmten Nieren erhalten
wurden, so finden wir zum Teil eine glatte Übereinstimmung mit meinen
Ergebnissen. Jonescu?) spricht von einer besonders hohen Empfindlich-
keit der Nierengefäße gegenüber Adrenalin, da er auf onkometrischem
Wege nach intravenöser Injektion von Adrenalin bei Kaninchen schon
eine Volumenabnahme der Nieren konstatieren konnte, wenn der arterielle
Blutdruck noch vollständig unverändert blieb. Pari’) beobachtete bei
seinen Versuchen bei künstlich durchströmten Nieren in einem Falle eine
Gefäßerweiterung, welche aber der Autor wie bei den Gefäßen der Ex-
tremitäten nicht auf Adrenalin, sondern auf Zersetzungsprodukte des-
selben bezog. Pentimalli und Quercia?) sagen auf Grund ihrer Versuche
bei künstlich durchströmten Nieren: „L’adrenaline exerce presque une
action spécifique sur les vaisseaux du rein“. Dabei ließen die Autoren
Adrenalindosen von 1 : 100 000 bis 1 : 300 000 während Minuten durch
die Gefäße fließen. Es erscheint mir daher etwas kühn, unter diesen
Umständen von einer spezifischen Wirkung des Adrenalins auf die Nieren-
1) D. Cow, I. c. S. 273.
2) Jonescu, Wien. klin. Wochenschr. 1908, S. 513.
3) Pari, 1. c. S. 273.
4) Pentimalli und Quercia, Arch. ital. de biol. 58, 33. 1912.
280 E. Rothlin:
gefäße zu sprechen, nachdem selbst isolierte Gefäßstreifen auf Dosen
von 1 : 20—50 000 000 reagieren. Eine genaue Durchsicht der Versuchs-
resultate dieser Autoren läßt aber noch methodische Mängel vermuten.
Denn wenn in einem Versuche das Durchflußvolumen schon normalerweise
bei den verschiedenen Versuchen so erhebliche Differenzen aufweist, daß
z. B. bei einem Hund von 10 kg 9—27 ccm, bei einem Kaninchen 1,6 kg
200 ccm pro 10 Min. durchfließen, so scheint mir die physiologische Va-
riationsbreite mehr als überschritten und ich glaube, die Schlußfolgerung
der Autoren „la sensibilité de l’appareil circulatoire du rein envers cette
substance est en effect très grande et l’on comprend facilement, quelles graves
lésions fonctionelles et anatomiques du rein peuvent se produire, lorsque
avec le sang circule un excès d’adrenaline capables de produire de longues
et fortes vasoconstrictions dans cet organe“, dahin berichtigen zu dürfen,
daB Pentimalli und Quercia auf sehr starke, ja selbst toxische Dosen
Adrenalin eine starke Gefäßverengerung der Nierengefäße beobachtet
haben. Besser wird die Ansicht von Jonescu durch die Versuche von
Ogawa!) gestützt, welcher mit derselben Methodik bei Hund, Katze und
Kaninchen mit Adrenalindosen von 1 : 40—50 000 000 eine primäre Er-
weiterung und mit Dosen von 1 : 5 000 000 regelmäßig eine Verengerung
der Nierengefäße erzielte, welche im letzteren Falle nicht selten von einer
sekundären Gefäßerweiterung gefolgt war. Ogawa sagt daher, „daß
Adrenalin die receptiven Substanzen der Vasoconstrictoren und der Vaso-
dilatatoren in Erregungszustand versetzt“. Meine Ergebnisse an isolierten
Nierenarterien bestätigen die Resultate von Ogawa voll und ganz. Ver-
suche in vivo sind mir außer den genannten keine bekannt. Aber die
Tatsache, daß Adrenalin die überlebenden Gefäße der Niere
je nach der angewandten Dosis sowohl zu erweitern als zu
verengern vermag, läßt vermuten, daß dies auch unter nor-
malen Verhältnissen zutreffen dürfte.
c) Versuche über den Einfluß des Adrenalins auf isolierte Herzkranz-
gefaBe.
Langendorff?) versuchte 1907 die widersprechenden Resultate
von Maas?) und Schäfer!) über die Innervation der Herzkranzgefäße
zu lösen. Denn während Maas auf Grund seiner Experimente am isoliert
durchströmten in situ gelassenen Herzen durch elektr. Reizung der zum
Herzen führenden Nerven die Constrictoren dem Vagus (wenigstens haupt-
sächlich), die Dilatatoren dem Sympaticus zuschrieb, gelangte Schaefer
bei demselben methodischen Vorgehen zu einem negativen Resultate.
Letzterer fand ferner, daß auch Adrenalin unter diesen Versuchsbedin-
gungen ohne Einfluß auf das Durchflußvolumen der Kranzarterien war.
Nach den erfolglosen Versuchen am isoliert durchströmten Herzen ver-
1) Ogawa, 1. c. S. 273.
2) O. Langendorf, Zentralbl. f. Physiol. 21, 551. 1907.
3) Maas, Arch. f. d. ges. Physiol. 74, 281. 1899.
4) E. A. Schäfer, Arch. des sciences biol. 1904, 251.
Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überieb. Gefäße. II. 281
suchte Langendorff an überlebenden Herzkranzarterien mit der Gefäß-
streifenmethode zu einem Resultate zu gelangen. Als geeignetes Test-
objekt fand Langendorff die Gefäße vom Rind. und seine diesbezüg-
lichen Resultate faßt er wie folgt zusammen: „Diese Versuche an den
Coronararterien haben nun das auf den ersten Blick unerwartete Re-
sultat ergeben, daf durch Suprarenin oder Adrenalin zuweilen, doch nur
selten, gar keine Wirkung, meistens aber eine unzweifelhafte, oft recht
beträchtliche Verlängerung des Gefäßstreifens eintritt.“ Daraus schließt
Langendorff weiter: „daß die Kranzgefäße des Herzens vom Sym-
pathicus mit gefäßerweiternden Fasern versehen werden“. Diese er-
schlaffende Wirkung des Adrenalins auf isolierte Gefäßstreifen der Herz-
kranzgefäße ist dann von verschiedenen Autoren bestätigt worden, so von
Meyer, Cow, Barbour, Parke, Siccardi und Loredan, Loening.
Ich gebe im folgenden erst die Resultate meiner Untersuchungen, worauf
die Diskussion derselben folgt.
Der Einfluß von Adrenalin auf überlebende Gefäßstreifen
der Herzkranzarterien verschiedener Tierarten ist nicht gleich-
sinnig, wie die Abb. 11 u. 12 wiedergeben. Bei den Herzkranz-
gefäßen des Typus bovinus: Rind, Kuh, Ochs, Stier, kann mit
jeder Regelmäßigkeit bei richtiger Technik durch Adrenalin eine
Erschlaffung des Gefäßstreifens erzielt werden. Beim Typus
equinus dagegen werden dieselben Gefäße durch Adrenalin
kontrahiert (Abb. 12). Daß es sich bei meinen Untersuchungen
nicht um eine zufällige Umkehr der Adrenalinwirkung bei der
Pferdherzarterie handelt, beweist die regelmäßige Wiederkehr
dieser Wirkungsweise von Adrenalin bei 30 Herzkranzarterien
von Pferden verschiedenen Alters und verschiedener Rasse;
außerdem kann diese constrictorische Adrenalinwirkung bei dem-
selben Gefäße stets mehreremal mit demselben Erfolge wiederholt
werden. Differenzen der Adrenalinwirkung bei diesen zwei Tier-
arten bestehen aber nicht nur in qualitativer, sondern auch
in quantitativer Hinsicht. In den Abb. 11 u. 12 habe ich die
Längenmaße und den red. Verlängerungs- bzw. Verkürzungsgrad
der beiden Arterienstreifen angegeben. Wird für beide Gefäße
die Längenveränderung durch Adrenalin in Prozenten ausgedrückt,
so erreicht die Herzkranzarterie vom Rind eine Verlängerung
von 24%, diejenige vom Pferd eine Verkürzung von ca. 10%.
Solche quantitative Unterschiede konnte ich für diese beiden
Gefäßtypen regelmäßig nachweisen, trotzdem die Länge der
Herzkranzgefäße vom Typus equinus diejenige vom Typus bovinus
stets übertraf und die Empfindlichkeit der beiden Gefäßtypen
282 E. Rothlin:
gegeniiber Adrenalin gleich war. Der Versuch in der Abb. 12
gibt übrigens die größte bei Pferdegefäßen beobachtete Kontrak-
tion wieder. Es ge-
lang mir auch nie,
selbst durch sehr
starke Adrenalindo-
sen eine stärkere Ver-
kürzung der Pferde-
gefäße zu erwirken.
Eine weitere eigen-
artige Erscheinung an
der Herzkranzarterie
des Pferdes ist die
meist stundenlang
anhaltende Verkür-
zung eines durch
Adrenalin zur Kon-
traktion versetzten
Streifens trotz mehr-
maligem Auswaschen
mit Ringerlésung.
Die Herzkranzarterien vom Typus bovinus
verhalten sich in dieser Beziehung wie die
übrigen Gefäße, 2. B. der Extremitäten.
Der diesbezügliche Unterschied bei den
beiden Herzkranzgefäßtypen gelangt auch
in den Abb. 11 u. 12 zum Ausdrucke, wo
das Gefäß vom Rind nach dem Auswaschen
sich allmählich in den ursprünglichen Tonus
begibt, während das Gefäß vom Pferd nach
dem Auswaschen sich selbst noch verkürzt.
Es besteht somit zwischen diesen beiden
Gefäßtypen sowohl eine qualitative
als eine quantitative Diskrepanz.
Eine Erklärung dieser letzteren Erscheinung
versuche ich auf folgende Weise. Schon die
makroskopische Betrachtung der beiden Gefäßtypen ließ eine
offensichtliche Verschiedenheit in der anatomischen Struktur
vermuten. Die histologische Untersuchung ergab, daß die quan-
‚+ mm.
prünglichen Tonus-
› bei einer fünffachen Vergrößerung, also red. 2
Die wirkliche Verlängerung des Gefäßes beträgt somit 24%. Verki. /.
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"e:
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Abb. 12. Art. coronaris cordis von Pferd. Belastung des Gefäßes 20 g.
Zeitmarkierung alle 5 Sek. Bei der Marke 1 wird Adrenalin 1: 1 000 000
zugesetzt, worauf nach ca. 10 Sek. Latenzzeit eine Gefäßverengerung er-
Die Gesamtverkürzung aufgerundet 10%. Verkl. :/,.
folgt. Diese beträgt 10 Min. nach Applikation des Reizes 7 mm, red. 1,4 mm.
Die Länge des Gefäßstreifens im ursprünglichen Tonuszustand ist 15 mm.
Abb. 11. Art. coronaris cordis von Rind. Belastung 20 g. Zeitschreibung alle 5 Sek. Bei der Marke 2 wird Adrenalin 1: 1 000 000
zugesetzt, worauf nach ca. 40 Sek. eine erhebliche Gefäßerweiterung erfolgt. Die Länge des Gefäßes beträgt im urs
zustand im Ringer 10 mm, die Verlängerung des Gefäßes nach 10 Min. 12 mm
Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. II. 283
titative Diskrepanz der beiden Gefäße ihre Ursache wahrscheinlich
in dem verschiedenen Massenverhältnis von muskularem und
elastischem Gewebe hat. Während die Herzkranzarterie vom
Typus bovinus in der Media eine kräftig ausgebildete Muscularis
besitzt, ist bei dem Typus equinus das elastische Gewebe relativ
bedeutend stärker entwickelt als die contractile Komponente.
Für die qualitative Diskrepanz dürfte in der verschiedenen ana-
tomischen Struktur der beiden Gefäßtypen eine annehmbare
Erklärung gefunden sein.
Dieser Befund, daß die Herzkranzgefäße verschiedener Tier-
arten auf Adrenalin gegensinnig reagieren, veranlaßte mich,
eine systematische Unter-
suchung über die Reiz-
schwelle und den Einfluß
verschiedener Konzentra-
tionen auf dieselben Gefäße
vorzunehmen. Denn es
bestand doch die Möglich-
keit, daß dieses qualitative
verschiedene Verhalten der
beiden Gefäßtypen sich in ae en 20 g. 5
einfacher Weise durch einen nuten: Ве der 9 paras We
evtl. differenten Einfluß senter.) wird kräftig kontrahiert, Gefäß В (coron.)
verschiedener Adrenalin- Die Wioderbolung -des Veriuchen тш ае
e 8 Adrenalindosis ergibt dasselbe Resultat. Eine
konzentrationen aufklären Adrenalindosis von 1: 1 000 000 hatte dagegen bel
ließe. Diese Vermutung hat dem Gefäß b (coron.) einer erhebliche Verlängerung
Ө zur Folge.
sich aber nicht erfüllt. Nie
konnte bei Herzkranzarterien vom Pferd eine andere Be-
einflussung der Reaktionsrichtung durch Abstufung der Adre-
nalindosen registriert werden als die beschriebene. Jeder über-
schwellige Adrenalinreiz ließ mich immer nur eine Kontraktion
des Gefäßes konstatieren. Die erste wirksame Dosis fand ich
bei 1:20 000 000. Auffallend war dabei, daß der Adrenalin-
effekt bei der Herzkranzarterie durch eine eben wirksame Dosis
maximal ausfiel, denn 10—50fach stärkere Dosen erzielten
kaum eine intensivere Kontraktion. Man ist versucht, daran
zu denken, daß hier ein eindeutiger Fall des „Alles oder
Nichts-Gesetzes“‘ vorliegt. Die analoge Untersuchung bei den
Herzkranzgefäßen vom Typus bovinus ergab etwas andere Re-
284 E. Rothlin:
sultate. Es gelang mir dreimal, mit jeder Deutlichkeit und an-
gewandter Kontrolle durch eben überschwellige Adrenalinreize
statt einer erwarteten Dilatation eine ganz schwache Kontraktion
auszulösen. Dieser Erfolg konnte an denselben Gefäßen auch
wiederholt werden, wie dies in der Abb. 13 illustriert ist.
Stärkere Adrenalindosen hatten aber dann bei denselben Gefäßen
wieder die typische Verlängerung der Gefäße zur Folge. Wenn
es mir auch nur selten gelang, eine solche Kontraktion primär durch
Adrenalin bei der Herzkranzarterie des Typus bovinus zu erzielen,
so weist doch die charakteristische Adrenalinkurve bei Herzkranz-
gefäßen vom Typus bovinus Eigenschaften auf, welche dafür
sprechen, daß Adrenalin auch hier sowohl den constric-
torischen als dilatatorischen Mechanismus zu erregen
vermag. So zeigt die Adrenalinkurve beim Typus bovinus eine
lange Latenzzeit, die das 3—5fache jener eines Mesenterial-
gefäßes beträgt, wie die Abb. 11—13 zur Anschauung bringen.
Dazu kommt ferner, daß der Schreibhebel bei der Herzkranz-
arterie sich nur sehr langsam senkt, und nicht selten zeigt dieKurve
erst eine leichte Erhebung, bevor sich das Gefäß verlängert. Es
fehlt somit das scharfe Einsetzen der Adrenalinwirkung, wie dies
bei jenen Kurven zu sehen ist, wo ein typischer vasoconstric-
torischer Effekt besteht (Abb. 13). Diese Erscheinungen glaube
ich am besten durch die Annahme erklären zu können, daß in
diesen Versuchen das Adrenalin sowohl den vasoconstrictorischen
als den vasodilatatorischen Mechanismus in Bewegung versetzt.
Der primäre Adrenalineffekt ist dann das Resultat einer Kon-
kurrenzwirkung zwischen diesen zwei antagonistischen Mechanis-
men, und der sekundäre resultierende Effekt beruht auf dem Über-
wiegen des vasodilatatorischen Mechanismus. Wir hätten somit
bei den Herzkranzgefäßen vom Typus bovinus gerade umgekehrte
Verhältnisse, wie wir sie für die Nierengefäße beschrieben haben,
wo der vasoconstrictorische Mechanismus über den dilatatorischen
überwiegt.
Unsere Ergebnisse über das Verhalten überlebender Herz-
kranzgefäße gegenüber Adrenalin können wir folgendermaßen
zusammenfassen:
Adrenalin hat auf die isolierten Herzkranzgefäße
verschiedener Tierarten einen qualitativ und quanti-
tativ verschiedenen Einfluß. Die Gefäße vom Typus
Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. II. 285
equinus werden durch Adrenalin ausschlieBlich kon-
trahiert. Geringste Adrenalindosen kénnen die Herz-
kranzgefaBe vom Typus bovinus zu schwacher Kon-
traktion bringen, stärkere Dosen verursachen dagegen
nach relativ langer Latenzzeit regelmäßig eine Dila-
tation. Ganz analog verhalten sich in dieser Beziehung
die Gefäße vom Schwein und Schaf. Es bestehen An-
zeichen, daß beidenletzteren Gefäßen durch Adrenalin
sowohl der vasoconstrictorische Mechanismus erregt
wird. Die Adrenalinwirkung ist unter gleichen Ver-
suchsbedingungen beim Typus bovinus nicht nur im
Verhältnis zur Gefäßlänge, sondern absolut stärker,
was offenbar durch die geringere Entwicklung des
contractilen Gewebes bei Herzkranzgefäßenvom Typus
equinus bedingt ist.
Auf Grund dieser Ergebnisse sind wir in der Lage, die Ver-
schiedenheiten der Resultate, welche an isolierten Herzkranz-
gefäßen von anderen Autoren erhalten wurden, in einen gewissen
Einklang zu bringen. Langendorffs Ansicht über die Adrenalin-
wirkung auf isolierte Herzkranzgefäße besteht unter gewissen
Einschränkungen zu Recht, eine allgemeine Anwendung
kommt aber dieser Auffassung nicht zu. Denn einerseits läßt sich
ein und dasselbe Gefäß vom Typus bovinus je nach der Adrenalin-
konzentration sowohl kontrahieren als dilatieren und anderseits
gibt es Herzkranzgefäße, wie jene vom Typus equinus, welche
durch Adrenalin ausschließlich kontrahiert werden. Die Versuche
von Par ke!) verlieren durch diese Resultate ebenfalls an allgemeiner
Bedeutung, wenn er bei Ochsenkranzarterien auch mit geringsten
Adrenalindosen nie eine Kontraktion, sondern stets nur eine
Tonuserschlaffung erzielen konnte, sie gelten eben nur für die unter-
suchten Gefäße. Ferner werden die von Parke geäußerten Be-
denken gegen Barbours?) Beobachtung, daß menschliche Herz-
kranzarterien im Gegensatz zu den untersuchten Säugetiergefäßen
auf Adrenalin sich kontrahieren, durch meine analogen Ergebnisse
bei Pferdekranzarterien abgeschwächt. Auf jeden Fall kann
eine Entscheidung nicht durch einen Analogieschluß, wie dies
Parke tut, sondern nur durch ein einwandfreies Experiment
1) E. Parke, Journ. of experim. Med. 16, 532. 1912.
| 2) Barbour, L с. S. 273.
Biochemische Zeitschrift Band 111. 19
286 E. Rothlin:
herbeigefiihrt werden. Wenn andere Autoren bisher eine diffe-
renzierende Adrenalinwirkung, wie ich sie oben an Herzkranz-
arterien vom Typus bovinus dargelegt habe, bei ihren Versuchen
nicht konstatieren konnten, so liegt dies offenbar in dem metho-
dischen Vorgehen. Denn Cow!) arbeitet z. B. durchwegs mit
Dosen von 1 : 100 000 und Barbour mit solchen von 1: 200 000,
also ohne jede Abstufung des Reizes und mit Adrenalinkonzen-
trationen, wie wir sie kaum mehr als physiologisch bezeichnen
dürfen. Meine Ergebnisse scheinen ferner geeignet, etwas Auf-
klärung in die Unstimmigkeiten der experimentellen Daten jener
Forscher zu bringen, welche am künstlich durchströmten Herzen
den Einfluß des Adrenalins auf die Herzgefäße untersuchten.
Während Langendorff zu keinem befriedigenden Resultate
gelangte, konstatierten Brodie und Cullis?) beim Kaninchen
auf Adrenalin eine primäre vasoconstrictorische Phase, welche
sekundär von einer vasodilatatorischen gefolgt war. Dieser Erfolg
war zwar nicht regelmäßig oder nicht immer deutlich ausgespro-
chen. Wir finden hier eine vollkommene Übereinstimmung mit
meinem Resultate beim Typus bovinus. Diese Ergebnisse von
Brodie und Cullis hat Krawkow?) bei demselben Tiere nicht
bestätigen können, da er stets nur eine Verengerung konstatierte.
Dabei ist aber zu sagen, daß Krawkow, indem er das Herz durch
Sauerstoffmangel zum Stillstand brachte, auch die normale Er-
regbarkeit der Gefäße beeinträchtigt hat. Ra be“) beobachtete
auf Adrenalin von 1: 2 000 000 eine starke Gefäßverengerung
beim Hund, Katze und Kaninchen. Morawitz und Zahn“)
dagegen nach intra venöser Injektion von 0,3 mg Adrenalin eine
3—4 fache Zunahme des Durchfluß volumens, und Meyer®) bestätigt
diese Angaben. Schließlich fanden Markwalder und Starling’)
am isolierten Herzlungenkreislauf durch Messung des DurchfluB-
volumens nach Morawitz eine GefaBerweiterung. Der Divergenz
dieser Resultate können nach meinen Erfahrungen zwei Ursachen
zugrunde liegen. Einerseits die Möglichkeit, daß Adrenalin die
9) P. Cow, l. c. S. 273.
2) Brodie und Cullis, Journ. of physiol. 43, 313. 1911.
3) Krawkow, Arch. f. d. ges. Physiol. 157, 501. 1914.
4) T. Rabe, Zeitschr. f. experim. Pathol. und Ther. 11, 175. 1912.
5) Mora witz und Zahn, Zentralbl. f. Physiol. 26, 465. 1912.
6) F. Meyer, Berl. klin. Wochenschr. 50, 920. 1913.
7) Markwalder und Starling, Journ. of physiol. 47, 275. 1913-1914.
Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. U. 287
Herzkranzarterien bei verschiedenen Tierarten verschiedensinnig
beeinflußt und andererseits, daß die genannten Autoren eine
differenzierende Beeinflussung durch verschiedene Adrenalinkon-
zentrationen nicht berücksichtigten. Die Notwendigkeit der
sorgfältigen Berücksichtigung dieser Faktoren geht sicher aus
meinen Ergebnissen an überlebenden Gefäßstreifen hervor. Dazu
gesellen sich bei den Untersuchungen am künstlich durchströmten
Herzen Schwierigkeiten von seiten der Herztätigkeit, da Adre-
nalin dieselbe sehr stark beeinflußt, und ferner entstehen bei der
Herztätigkeit Abbauprodukte, welche auf die Gefäße einwirken
können. Es handelt sich hier in erster Linie um saure Stoffwechsel-
produkte, welche die Gefäße zu dilatieren vermögen. Dadurch
wird natürlich der eigentliche Adrenalineffekt auf die Herzkranz-
gefäße verwischt. Eine Untersuchung über den Einfluß des
Adrenalins auf die isolierten Herzkranzgefäße, sei es mit Gefäß-
streifenmethode, sei es am künstlich durchströmten Herzen,
dürfte bei Berücksichtigung der von mir angegebenen Gesichts-
punkte bei den Versuchsbedingungen zu besser übtreinstimmenden
Resultaten führen.
d) Versuche über den Einfluß des Adrenalins auf überlebende
Lungengefäße.
Die Frage der Existenz der Vasomotoren der Lungengefäße ist heute
noch eines der umstrittensten Probleme der Gefäßinnervation. Tiger-
stedt!) kam 1903 in seiner zusammenfassenden Abhandlung über diesen
Gegenstand, speziell gestützt auf die grundlegenden Untersuchungen von
Bradford und Dean, sowie von Francois-Frank zu einem positiven
Ergebnis über die Existenz der Lungenvasomotoren, und zwar sollen die
betreffenden gefäßverengernden Nerven für die Lungen das Rückenmark
mit den oberen Brustnerven verlassen. Tigerstedt aber schreibt S. 584:
„Über ihre wirkliche Bedeutung, ob sie einen Tonus besitzen, unter welchen
Umständen sie normal erregt werden usw., darüber wissen wir nichts
Bestimmtes. Es ist aber natürlich, daß sie, weil sie einmal existieren,
in irgendeiner Weise bei der Regulation der Blutzufuhr zum linken Herzen
dienen müssen.“ Dies ist das Resultat der Untersuchungen, wobei durch
operative Eingriffe die normalen Verhältnisse mehr oder weniger modi-
fiziert waren. Dieses Resultat kann als der reflektorische Ausdruck von
Druckveränderungen im kleinen Kreislaufe zufolge verschiedenartiger
experimenteller Einflüsse mechanischer oder nervöser Art betrachtet wer-
den. In vorliegender Arbeit versuchen wir diesem Gegenstande auf einem
1) R. Tigerstedt, Ergebnisse der Physiologie. Asher u. Spiro.
2. Jahrg. II. Abt. S. 571. 1903.
19%
288 Е. Rothlin:
andern Wege näher zu treten, indem wir auf Grund der schon bestehenden
und hier wiedergegebenen experimentellen Daten die Reaktionsweise der
Lungengefäße gegenüber chemischen Reizen in diesem Kapitel auf Adre-
nalin analysieren, um dann daraus evtl. einen Schluß über die Existenz
von Vasomotoren der Lungengefäße zu ziehen. Bei der großen Variabilität
der schon bestehenden Resultate gebe ich erst einen kurzen Überblick
derselben, indem wir dabei schrittweise von den Daten an überlebenden
Gefäßstreifen, dann an künstlich durchströmten Lungen, schließlich zum
Verhalten der Lungengefäße gegenüber Adrenalin in vivo vordringen.
Langendorff!) beobachtete einen vasoconstrictorischen Einfluß von
Adrenalin auf überlebende Lungenarterienstreifen vom Schaf, Schwein,
Kalb sowie Katze, und Meyer?) konstatierte dieselbe Erscheinung beim
Kalb, Cow?) beim Ochs und Schaf. Diese Resultate gelten für extra-
pulmonale Arterienstiicke. Barbour‘) gelangt mit isolierten Lungen-
arterien vom Kaninchen zu demselben Ergebnis. Bei 7 extrapulmonalen
Arterienstreifen vom Kalb beobachtete dieser Autor 4mal eine leichte
Kontraktion, 2 mal eine zweifelhafte Dilatation und in einem Falle In-
differenz gegenüber Adrenalin. Durch diese zwei zweifelhaften Versuche
Barbours mit Verlängerung der Gefäßstreifen auf Adrenalin dürfte die
Übereinstimmung der Resultate über die Wirkungsweise von Adrenalin
auf extra pulmonale Lungenarterienstreifen nicht gestört werden.
Cow schreibt nun: „The artery contained within the lung tissue showed
no reaction to the drug.“ Der Autor gibt nicht an, um wieviel Versuche
es sich handelt und ob es eine regelmäßige Erscheinung war.
An künstlich durchströmten Lungen in situ und bei unversehrter
Innervation haben Brodie und Dixon?) keine nennenswerte Verengerung
der Lungengefäße erzielt (beim Hund, Katze und Kaninchen), nach Rei-
zung der zentralen und peripheren nervösen Zentren, sowie der zu den
Lungen führenden Nerven: ,, Although distinct dilatation is the commun
result which follows an injection of adrenalin into the pulmonary vessels,
we have on many occassions observed it to produce, but little if any effect.“
Die notwendigen Dosen betrugen 1--5 cem einer Adrenalinkonzentration
von 1: 20—50 000. Plumier®) konnte bei Hunden auf Dosen von 0,5 ccm
1: 10000 eine deutliche Gefäßverengerung konstatieren, sie trat nicht
regelmäßig, Gefäßerweiterung aber nie ein. Wiggers’) erzielte bei Durch-
strömungsversuchen der Lungen von Katze und Hund mit Adrenalin-
dosen von 0,02 mg und mehr eine beträchtliche Gefäßverengerung. Ca m-
pell®) kam zu demselben Resultate bei Katze und Kaninchen mit Adre-
1) O. Langendorff, 1. с. 8. 280.
2) O. B. Meyer, Zeitschr. f. Biol. 48. 352—397. 1906.
з) D. Cow, 1. с. S. 273.
4) Barbour, l. c. S. 273.
*) Brodie und Dixon, Journ. of physiol. 30, 476. 1904.
6) L. Plumier, Journ. de phvsiol. et pathol. génér. 6, 655. 1904.
‘) J. C. Wiggers, Journ. of pharmakol. and exp. therap. 30, 344. 1909.
8) A. Campell, Quart. Journ. of physiol. 4, 1. 1911.
Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. П. 289
nalindosen von 1: 60—120 000. Fühner und Starling!) beobachteten
am isolierten Herzlungenkreislauf bei Hunden durch 0,01 mg eine Ver-
engerung der Lungengefäße, während Baehr und Pick?) an der Meer-
echweinchenlunge mit 0,01 mg Adrenalin keinen Effekt erzielen konnten.
Tribe?) glaubte erst, daß die von Brodie und Dixon beobachtete Er-
weiterung der Lungengefäße durch Adrenalin auf den Chloretonzusatz
im Adrenalin von Parke Davis & Co. zurückzuführen sei. Systematische
Untersuchungen mit der von Brodie und Dixon angewandten Methode
der Lungendurchströmung in situ (beim Hund, Katze, Kaninchen usw.)
veranlaßten den Autor, seine diesbezügliche Ansicht aufzugeben, da alle
Adrenalinpräparate, Parke Davis mit und ohne Chloretonzusatz‘), „Hemi-
sine von Bourough and Wellcome in Dosen von 0,002—0,00002 mg, aus-
schließlich eine Gefäßerweiterung, Dosen von 0,01—2 mg dagegen eine
Kontraktion mit evtl. nachfolgender sekundärer Dilatation verursachten.
Schafer und Lim?) konstatierten neuerdings bei künstlich durchströmten
Lungen von Kaninchen auf Adrenalindosen von 1 ccm 1 : 21—80 000
eine Gefäßverengerung, eine Erweiterung der Lungengefäße haben die
Autoren nicht beobachtet. Analoge Versuche bei Katzenlungen ergaben
unregelmäßigere Resultate, meist waren noch stärkere Dosen notwendig,
um überhaupt einen Effekt zu erzielen, selbst Adrenalin von 1 com 1 : 4000
war in einem Versuche wirkungslos. Die experimentellen Ergebnisse über
den Einfluß von Adrenalin auf die Lungengefäße in vivo, welche seit
Cybulski ausgeführt wurden, haben die Adrenalinwirkung auf diese
Gefäße gar nicht eindeutig gelöst. Cybulski’), Velich?), Gerhardt“),
Mellin“), Petitjean !“) konstatierten wohl eine Blutdrucksteigerung
durch Adrenalin nach intravenöser Injektion beim Hunde, Katze und
Kaninchen in der Art. pulmonalis. Aber ihre Interpretation dieser Er-
scheinung geht übereinstimmend darauf hinaus, daß aus diesem Ergebnis
kein Schluß für eine direkte pulmonale Vasokonstriktion gezogen werden
darf, da die durch Adrenalin hervorgerufene intracardiale Blutdruck-
steigerung zufolge der Erhöhung des allgemeinen Blutdruckes im großen
. 1) Fühner und Starling, Journ. of physiol. 47, 263. 1913, 1914.
2) Baehr und Pick, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 74,
65. 1913.
з) E.N. Tribe, Journ. of physiol. 48, 154. 1914.
4) Eine Nachprüfung mit Chloreton in Ringerlösung in einer Konzen-
tration, wie dies von Parke, Davis & Co. zur Konservierung des Adrena-
lins verwendet wird, ergab auf die Lungengefäße des Frosches ein absolut
negatives Resultat.
5) Schafer und Lim, Quart. Journ. of physiol. 52, 157. 1917.
6) Cybulski, zit. nach Velich.
7) Velich, Wien. med. Blätter. 15—21. 1896, und Wien. klin.
Rundschau 1898.
8) Gerhardt, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 44, 171. 1900.
э) Mellin, Skand. Archiv f. Physiol. 1904.
10) Petitjean, Journ. de physiol. et pathol. génér. 10, 412. 1908.
290 E. Rothlin:
Kreislauf gentigt, um die geringe im kleinen Kreislauf beobachtete Blut-
drucksteigerung zu erklären. Auf ähnliche Weise erklären Anderes und
Cloetta!) sowie Krogh?) die durch Adrenalin in der Pulmonalarterie
verursachte Blutdrucksteigerung. Denn trotzdem das Adrenalin bei
intravenöser Applikation früher zu den Pulmonalgefäßen gelangt als zu
jenen des großen Blutkreislaufes, tritt die Blutdruckerhöhung in der Pul-
monalis nicht früher, sondern später als im großen Kreislaufe auf. Hégér
und Philippson?), Beresin‘), Jackson?) glauben auf Grund ihrer
Ergebnisse dem Adrenalin auf die Lungengefäße einen erweiternden Einfluß
zuschreiben zu können. Edmunds“), Langlois und Desbouis’) be-
obachteten eine Zunahme des Durchflußvolumens durch die Lungen-
gefäße nach schwachen Adrenalindosen und eine Abnahme derselben durch
stärkere Adrenalindosen. Weber“) findet, daß Adrenalin eine primäre
Verengerung der Lungengefäße verursacht, welche von einer sekundären,
ebenfalls aktiven Erweiterung derselben gefolgt ist. Weber glaubt diese
Ansicht am besten dadurch zu stützen, daß er dieselben Erscheinungen
auch durch elektrische Reizung der zu den Lungen führenden Nerven
beobachtet hat. Schafer und Lim?) sind der Ansicht, daß die Lungen-
gefäße beim Kaninchen in vivo durch Adrenalin in Übereinstimmung
mit den Resultaten an der künstlich durchströmten Lunge kontrahiert
werden. Nach intravenöser Injektion tritt im kleinen Kreislaufe eine
Gefäßverengerung auf, bevor eine solche im großen Kreislaufe zu beob-
achten ist. Im übrigen entsprechen ihre Resultate jenen von Weber
bei der Katze mit dem Unterschied, daß Schafer und Lim die sekundäre
Gefäßerweiterung nicht als einen aktiven, sondern passiven Vorgang be-
trachten. Denn eine Injektion von Adrenalin durch die Carotis läßt die
primäre Verengerung nicht eintreten. Bei der Katze können dieselben
Erscheinungen auf Adrenalin eintreten, aber meist erscheint die Blut-
drucksteigerung in beiden Kreisläufen gleichzeitig nach intravenöser
Injektion, welche die Autoren für kardialen Ursprungs halten.
Wenn wir diese unerwünscht mannigfaltigen Resultate über
die Wirkungsweise von Adrenalin auf die Lungengefäße unter den
1) Cloetta und Anderes, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol.
76, 125. 1914 u. 79, 301. 1916.
2) A. Krogh, Skand. Archiv f. Physiol. 27, 243. 1912.
3) Hégér und Philippson, Bull. de l’acad. гоу. de med. de Belgique
26, 1912.
4) W. J. Beresin, Arch. f. d. ges. Physiol. 158, 219. 1914.
5) D. E. Jackson, Journ. of pharmacol. a. exp. therapeut. 4, 291. 1913.
6) Edmunds, Amer. Journ. of physiol. 18, 129. 1907.
7) Desbouis und Langlois, Journ. de physiol. et pathol. génér.
14, 282 u. 1113. 1912.
8) E. Weber, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1910/11, S. 377. Suppbd.,
1912, S. 383.
э) Schafer und Lim, Quarterly Journ. of experim. Physiol. 12,
157. 1919. |
Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. II. 291
verschiedenen experimentellen Versuchsbedingungen überblicken,
so wird uns eines klar, daß es unmöglich ist, dieselben in eine Re-
sultante zusammenzufassen. Relativ klar und einfach liegen die
Verhältnisse bei den überlebenden Lungenarterienstreifen. Diese
werden im extrapulmonalen Abschnitte durch Adrenalin kon-
trahiert, während im intrapulmonalen Abschnitte die Lungen-
arterien auf Adrenalin unempfindlich sein sollen. Die Ergebnisse
Abb. 14b.
ТТТ. ТҮТТҮ ТҮҮ L 1. 14 Peewerlruuseeuees ТҮТҮГҮ! i
Abb. 14c.
Abb. 14 a,b, c. Art. pulmonalis vom extrapulmonalen Abschnitte. Belastung 10 g. . Zeit-
schreibung alle 6 Sek. Die Länge des Gefäßes beträgt 16 mm, die Breite 10 mm. Bei der
Marke 3’ in Abb. 14a wird Adrenalin 1 : 5 000 000 zugesetzt, da ohne Erfolg, wird die Dosis
bei 3 auf 1 :2 500 000 erhöht, worauf eine schwache und flüchtige Kontraktion eintritt.
In der Abb. 14b wird bei der Marke 4 und 5 Adrenalin 1 : 1 000 000 zugesetzt, es erfolgt
beidemal eine kräftige, aber flüchtige Kontraktion des Gefäßstreifens. In der Abb. Lie wird
zu demselben Gefäße wie bel a und b Adrenalin 1 : 350 000 zugefügt, worauf eine sehr kräftige
Verkürzung erfolgt; sie erreicht nach ca. 3 Min. das Maximum und beträgt ca. 48%. Trotz-
dem das Gefäß nicht mit Ringer ausgewaschen wird, erschlafft dasselbe relativ rasch
nach erreichtem Maximum. Verkl. !/,.
an künstlich durchströmten Lungen und jene in vivo sind geradezu
widersprechend. Während einige Autoren eine Unerregbarkeit
gegenüber Adrenalin annehmen, finden andere eine Gefäßverenge-
rung, dritte eine Erweiterung und Tribe, Edmunds, Langlois
und Desbouis und Weber glauben schlieBlich, daB die Lungen-
gefäße sowohl dilatiert als kontrahiert werden.
Meine Versuche an Lungengefäßen beziehen sich auf isolierte
Arterienstreifen vom extra- und intrapulmonalen Gefäßabschnitte,
sowie auf die künstlich durchströmte Lunge vom Frosch.
292 E. Rothlin:
Uberlebende Streifen von extrapulmonalen Lungenarterien
vom Typus bovinus und equinus, wie ich sie untersucht habe,
werden durch Adrenalin bei richtiger Technik ganz regelmäßig
verkürzt. Die Abb. 14 beweist ferner, daß die Erregbarkeit der
Lungengefäße gegenüber Adrenalin im Vergleich zu anderen
isolierten Gefäßstreifen nicht zurücksteht, sie kann als normal
bezeichnet werden. In Abb. 14a u. b sehen wir ferner Kontrak-
tionskurven, wie wir dies bei frischen Art. mesent. oder carotis
kaum zu Gesicht bekommen, wohl aber schon bei den Nierengefäßen
angetroffen haben. Die Gefäße verharren nicht lange im ver-
kürzten Zustande, sondern nach erreichtem Maximum erschlaffen
sie relativ rasch. Dies tritt besonders im Versuche der Abb. 14c
zutage, wo auf Adrenalin 1 : 350 000 eine Verkürzung von 48%
der ursprünglichen Gefäßlänge eintritt, welche aber ohne das
Abb. 15. Art. pulmonalis vom intrapulmonalen Abschnitte. Belastung 2 g. Zeitschreibung
alle Minuten. Bei der Marke 1 wird Adrenalin 1 : 2 000 000 zugesetzt, es erfolgt eine schwache
und flüchtige Kontraktion. Bei der Marke 2 wird Adrenalin 1-: 1 000 000 zugefügt, worauf
eine etwas atärkere Verkürzung des Gefäßes erfolgt. Verkl. ’/,.
Gefäß auszuwaschen, schon nach relativ kurzer Zeit auf den Aus-
gangstonus zurückgeht. Nach Cow und Barbour war zu er-
warten, daß Arterienstreifen vom intrapulmonalen Gefäß-
abschnitte gegenüber Adrenalin indifferent bleiben. Die Abb. 15
gibt uns ein solches Beispiel wieder, zeigt aber, daß solche Gefäß-
streifen durch Adrenalin in normalen Dosen kontrahiert werden
können. Die von mir verwendeten Dosen sind 10—20 mal schwä-
cher als jene von Cow und Barbour. Die Verkürzung war tat-
sächlich nie erheblich, auch nicht auf viel stärkere Adrenalin-
dosen. Aber schon die makroskopische Betrachtung solcher
Lungenarterien überzeugt von der geringen Menge contractilen
Gewebes im Vergleich zu anderen Gefäßen, weshalb in den Ver-
suchen eine entsprechend geringere Belastung angewandt wurde.
Auch intrapulmonale Arterienstreifen vom Typus
bovinus und equinus können durch Adrenalin mit
normalen Dosen kontrahiert werden, aber die Verkür-
zung ist stets gering.
Der Versuch, durch abgestufte Adrenalindosen an überleben-
Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. II. 293
den Lungenarterienstreifen evtl. qualitative Unterschiede in der
Reaktionsweise zu erzielen, schlug ganz fehl. Es gelang mir nie,
durch Adrenalin bei diesem Vorgehen weder einen extra- noch
intrapulmonalen Gefäßstreifen zu verlängern. Diese meine Er-
gebnisse stehen somit in Übereinstimmung mit jenen der anderen
Autoren, soweit es sich um extrapulmonale Arterienstreifen
handelt. Dagegen widersprechen sich meine Resultate und jene
von Cow und Barbour für intrapulmonale Gefäßstreifen. Es
kann sich nicht um Differenzen bei verschiedenen Tierarten
/ropfenzahl pro Minute
20
Zeit in Minuten
Abb. 16. Rana temp. & mit zerstörtem Gehirn und Rückenmarke. Isolierte Durchströ-
mung der linken Lunge. Registrierung der Durchflußmenge mit der Überlaufmethode nach
Fleisch. Bei dem Pfeile 1 wird 1 ccm Adrenalin 1:2 000 000 injiziert. Die Tropfenzahl
nimmt sehr erheblich ab, die Gefäßerweiterung dauert ca. 12 Min., bei dem Pfeile 2 wird 1 ccm
Adrenalin 1 : 1000 000 injiziert, worauf wieder eine noch stärkere Gefäßerweiterung erfolgt.
Adrenalin 1 ccm 1: 500 000 hatte bei diesem Präparate eine Verengerung zur Folge.
handeln, da die Versuche jener Autoren ebenfalls mit Gefäßen
vom Typus bovinus ausgeführt sind. Dagegen halte ich es für
wahrscheinlich, daß die Unterschiede in der verschiedenen Hand-
habung der Methodik liegen.
Meine Resultate der Untersuchungen an künstlich durch-
strömten Froschlungen sind in den Abb. 16—18 wiedergegeben.
Der Gesamteindruck einer Betrachtung der Versuche in
den Abb. 16—18 über den Einfluß des Adrenalins auf die Gefäße
der künstlich durchströmten Froschlunge ist ein mannigfaltiger.
Die genaue Analyse dieser Ergebnisse wird uns aber ohne Schwie-
rigkeit eine Gesetzmäßigkeit herausschälen lassen. In der Abb. 16
294 E. Rothlin:
haben wir ein Beispiel der Gefäßerweiterung der LungengefaBe
durch Adrenalin vor uns, welche recht beträchtliche Werte er-
reichen kann, denn die Tropfenzahl erreicht nahezu das Doppelte.
Diese Gefäßerweiterung durch Adrenalin kann bei demselben
Präparate mit demselben Erfolge wiederholt werden, was eine
Gewähr für die Richtigkeit dieses Befundes bietet. Die Erwei-
terung der Gefäße durch Adrenalin der künstlich durch-
strömten Lunge des Frosches ist somit reversibel und
Tropfensah! pro Minute
З
Zeit in Minuten
Abb. 17. Вапа temp. G mit zerstörtem Gehirn und Riickenmarke. Isollerte Durch-
strömung der linken Lunge. Registrierung der Durchflußmenge mit der Überlaufmethode
nach Fleisch.
Beim Pfeile 1 wird 1 ccm Adrenalin 1 : 1 000 000 injiziert, es folgt Gefäßverengerung
` „ 2 „ 1 cem 1: 1 000 000 =
LU) 99 3 DA) 1 ccm LU 1 : 500 000 39 57 ДА
os IA) 4 э” 1 ccm 1 : 500 000 LA) 77 LEI
75 „ 5 „ 1 cem A 1 : 200 000 эў ТШЕ Se
Die Gef&Bverengerung in den einzelnen Versuchen geht der Dosis ziemlich parallel.
reproduzierbar. Die Dauer der Wirkung unter den ange-
wandten Dosen beträgt 5—10 Min. Gleichsam das Gegenstück
dieses Befundes an der Froschlunge auf einen Adrenalinreiz haben
wir in den Versuchen in der Abb.17, wo wir eine eindeutige
Gefäßverengerung durch Adrenalin konstatieren. Dieselbe ist
ebenfalls reversibel und an demselben Gefäßpräparate mehrmals
wiederholbar. Die Abnahme der Tropfenzahl geht ferner der
angewandten Adrenalindosis parallel und der Abfall der Kurve
ist um so steiler, je intensiver die Gefäßverengerung. Bei diesen
Versuchen zeigt sich, daß die Phase der Kontraktion kürzer ist
als jene der Erholung, während in den Versuchen der Gefäßerwei-
terung beide Schenkel fast gleich ausfallen. Die Versuche in der
. 12
Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. IL 295
Abb. 18 geben uns etwas kompliziertere Verhältnisse wieder als in
den bisher besprochenen Fällen. Hier erfolgt auf eine erste
Adrenalininjektion von 1 ccm 1 : 50 000 000 eine kräftige Gefäß-
erweiterung, die nur partiell zurückgeht. Durch Adrenalin von
l cem 1: 20 000 000 werden die Gefäße dann nochmals erweitert.
Eine folgende Injektion von 1 ccm Adrenalin 1 : 1000000 in
Т а
| Se
5
pro Minute
nN,
Trop,
5
i
| ' 1 4 ’ .
d 20 30 “0 50 60 0
| Zeit in Kinuden
Abb. 18. Rana temp. G mit zerstörtem Gehirn- und Rückenmarke. Isolierte Durchströ-
mung der linken Lunge. Registrierung der Durchflußmenge mit der Überlaufmethode nach
Fleisch. Beim Pfeile1 wird 1 ccm Adrenalin 1: 50 000 000 injiziert, es folgt eine starke Ge-
fäßerweiterung, welche nicht mehr vollständig zurückgeht. Beim Pfeile 2 wird 1 ccm Adrena-
lin 1: 20 000 000 injiziert, ea folgt wieder eine Zunahme der Tropfenzahl (Gefäßerweiterung).
Vor der Erholung der Gefäße wird beim Pfeile 3 1 ccm Adrenalin 1 : 1 000 000 injiziert, wo-
rauf eine Verengerung der Gefäße erfolgt mit sekundärer Erweiterung. Beim Pfeile 4 wird
1 ccm Adrenalin 1 : 500 000 injiziert, die Folge ist eine stärkere Abnahme der Tropfenzahl
wie zuvor, ohne sekundäre Erweiterung. Bei den Pfeilen 5 und 6 wird je Adrenalin 1 ccm
1 : 100 000 injiziert, es erfolgt beidemal eine erhebliche Gefäßverengerung.
0
diesem erweiterten Zustande der Gefäße verursacht eine primäre
Verengerung, welche von einer sekundären Erweiterung gefolgt
ist. Stärkere Adrenalindosen auf dasselbe Präparat lösen aus-
schließlich eine Gefäßkontraktion aus. Hier muß nun bemerkt
werden, daß eine allmähliche Erweiterung der Lungengefäße
auch ganz spontan eintreten kann, d. h. bei bloßer Durchströmung
mit Ringerlösung. Die Kurve hat dann aber einen ganz anderen
Charakter, sie ist durch einen allmählichen Verlauf gekennzeichnet.
Diese kann daher mit dem steilen Verlauf der Adrenalinkurve
296 | E. Rothlin:
nicht verwechselt werden. Ich vermute aber in dieser Erscheinung
die Ursache, weshalb die einmal durch Adrenalin erweiterten Ge-
fäße nicht mehr zum ursprünglichen Tonus zurückkehren.
Adrenalin hat somit auf die künstlich durchströmte Frosch-
iunge nicht immer dieselbe qualitative Wirkung, sondern löst
Innerhalb der Grenzen der wirksamen Dosen überhaupt, entweder
eine Gefäßerweiterung oder eine Gefäßverengerung aus, welch
letztere evtl. von einer sekundären Erweiterung gefolgt sein kann.
Der jeweilige qualitative Ausschlag ist unter Berücksichtigung
der verschiedenen Erregbarkeit der Präparate ausschließlich
bedingt durch die angewandte Adrenalindosis. Die ersten wirk-
samen Adrenalindosen nach überschrittener Reizschwelle verur-
sachen eine Erweiterung der überlebenden Froschlungengefäße,
während stärkere Dosen bei demselben Präparate mit einer
Gefäßverengerung beantwortet werden. Dies geht am besten
aus der Versuchsreihe der Abb.18 hervor. Dabei ist es aber prak-
tisch nicht möglich, diese qualitativ verschieden wirksamen
Adrenalindosen schematisch abzugrenzen. So sehen wir, daß in
der Abb. 16 1 ccm Adrenalin 1: 100 000 die Lungengefäße er-
weitert, Leem 1: 500 000 dieselben aber verengt. Anderseits
hat in der Abb. 18 1 ccm 1 : 50 000 000 eine Erweiterung und
l ccm 1: 1 000 000 dagegen eine Verengerung zur Folge. Immer-
hin glaube ich auf Grund meiner Versuche sagen zu können, daß
allgemein die Adrenalindosis von 1 ccm 1 : 1 000 000 den Wende-
punkt darstellt, wo je nach der Erregbarkeit des Praparates eine
Erweiterung bzw. eine Verengerung auftreten kann. Als Reiz-
schwelle dürfte eine Adrenalindosis von Leem 1 : 100 000 000
gelten. Die Erregbarkeit der künstlich durchstrémten Frosch-
lunge ist aber sehr schwankend und es kommt selbst vor, daß ein
Präparat sich gegenüber Adrenalindosen von 1 ccm 1 : 50 000 bis
1 : 20000 refraktär verhält.
Meine Ergebnisse über die Adrenalinwirkung auf die künst-
lich durchströmte Lunge des Frosches mit zerstörtem Gehirn
und Riickenmark lassen sich wie folgt zusammenfassen: Adre-
nalin kann die Gefäße der Froschlunge sowohlerweitern
als verengern. Der qualitative Ausschlag ist jeweilig
bedingt durch die Konzentration der angewandten
Adrenalindosis. Allgemein lösen schwache Dosen eine
Erweiterung, stärkere Dosen eine Verengerung der
Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. II. 297
Froschlungengefäße aus. Wir besitzen in diesen Er-
gebnissen ein weiteres Beispiel für die Tatsache, daß
Adrenalin bei gewissen Gefäßen sowohl den constric-
torischen als den dilatatorischen Mechanismus zu
erregen vermag.
Wenn wir nun einen quantitativen Vergleich ziehen zwischen
der Adrenalinwirkung bei den überlebenden Froschlungengefäßen
und jenen der Hinterextremität bzw. des Splanchnicusgebietes,
so können wir ohne Zweifel sagen, daß die kleinste auf die letzteren
wirksame Dosis bei den ersteren ohne Erfolg ist, die Lungen-
gefaBe somit auf Adrenalin eine geringere Erregbarkeit
aufweisen. Ich erwähnte auch oben, daß ich Versager bis auf
Dosen von 1 ccm 1 * 50 000 antraf. Ferner sehen wir 2. В. aus den
Versuchen in der Abb. 18, daß die Lungengefäße selbst auf sehr
starke, ja toxisch zu nennende Adrenalindosen nie jenen Grad
der Verengerung erreichen, wie dies bei der Hinterextremität
auf 10—100fach schwächere Dosen leicht erzielt werden kann.
Zu der geringeren Erregbarkeit der Lungengefäße
gegenüber Adrenalingeselltsichaußerdemeine weniger
intensive Contractilität derselben. Analoge Resultate hat
Tribe!) für Lungengefäße von Säugern beschrieben.
Meine Resultate über die Wirkungsweise des Adrenalins an
isolierten Gefäßen von extra- und intrapulmonalen Arterienstreifen
und diejenigen an der künstlich durchströmten Froschlunge
widersprechen sich insofern, als bei den ersteren ausschließlich
eine Kontraktion, bei den letzteren dagegen je nach der Adre-
nalindosis eine Dilatation bzw. eine Kontraktion nachweisbar
ist. Die Ursache dieser Divergenz mag darin liegen, daß bei der
Gefäßstreifenmethode nur relativ große Gefäße zur Untersuchung
gelangen, wir somit das Verhalten der Arteriolen und der Capillaren
nicht berücksichtigen. Ferner könnte ein verschiedenes Verhalten
bei verschiedenen Tierarten vorliegen, oder selbst der dilatatorische
Mechanismus an isolierten Gefäßen sich schlechter konservieren
lassen, wie das für die Nierenarterien der Fall ist. Die Ergebnisse
an der Froschlunge sprechen aber in dem Sinne, daß der Wider-
spruch der Resultate, wie wir sie im bibliographischen Überblick
über die Wirkungsweise des Adrenalins an künstlich durchströmten
Lungen und im Experiment in vivo kennen gelernt haben, ein
) Tribe, L c. S. 289.
298 E. Rothlin: Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Substanzen.
scheinbarer ist. Denn zufolge der zweifachen, von der Dosis
abhängigen Beeinflußbarkeit der Lungengefäße, sowie der ge-
ringeren Erregbarkeit gegenüber Adrenalin überhaupt, ist je nach
den besonderen Umständen der Nachweis einer Dilatation bzw.
Kontraktion oder einer Indifferenz ermöglicht. Ohne auf Grund
dieser Daten an der Froschlunge direkt per analogiam auf die
Verhältnisse in vivo und künstlich durchströmter Organe anderer
Tierarten schließen zu wollen, so dürften bei Berücksichtigung
dieser wesentlichen Punkte über das Verhalten der Lungengefäße
gegenüber Adrenalin die experimentellen Ergebnisse auch bei jenen
Versuchsbedingungen einheitlicher ausfallen, als dies bisher der
Fall war. Bei dem Experiment in vivo sind allerdings noch andere
Faktoren zu berücksichtigen. Einmal können blutdruckregulie-
rende Mechanismen mechanischer und nervöser Art die ursprüng-
liche Adrenalinwirkung auf die Lungengefäße beeinflussen. Ferner
verursachen die durch operative Eingriffe veränderten Lebens-
bedingungen der Lungen, welche eine solche Untersuchung in vivo
notwendigerweise erfordert, Schwierigkeiten, deren Bedeutung
auch daraus erhellt, daß die Meinungsverschiedenheiten über die
Wirkungsweise des Adrenalins auf die Lungengefäße gerade in
neuester Zeit (Weber, Cloetta u. a.) dadurch bedingt zu sein
scheinen. Über die Frage der Vasomotoren der Lungengefäße
wird in der allgemeinen Diskussion der experimentellen Daten
die Rede sein.
Experimentelle Untersuchungen über die Wirkungsweise
einiger chemischer, vasotonisierender Substanzen orga-
nischer Natur auf überlebende Gefäße. II.
Von
E. Rothlin.
(Aus dem physiologischen Institut der Universität Zürich.)
(Eingegangen am 29. Juni 1920.)
Mit 18 Abbildungen im Text.
In der vorhergehenden Mitteilung sind die Resultate über die
vasotonisierenden Eigenschaften des Oxalat- bzw. Normalblutes,
des Blutserums und des Adrenalins mitgeteilt. Unsere diesbezüg-
liche Analyse soll im folgenden durch eine analoge Untersuchung
mit ß-Imidazolyläthylamin (Histamin), Pituglandol und Lienin
(Milzextrakt) vervollständigt werden. Im Anschluß daran folgt
eine Diskussion der experimentellen Daten aller hier untersuchten
vasotonisierenden Substanzen.
4. Versuche mit 8-Imidazolyläthylamin auf überlebende Gefäße
verschiedener Organgebiete und verschiedener Tierarten.
ß-Imidazolyläthylamin, auch Histamin genannt, wurde von Acker-
mann!) durch bakteriellen Abbau aus dem Histidin gewonnen, Berthelot
und Bertrand?) sowie gleichzeitig Mellanby und Tworth?) konnten
aus dem Darminhalt Bakterien gewinnen, welche Histidin in das Histamin
verwandeln. Kutscher“) isolierte dann aus dem Mutterkorn eine Base,
von deren physiologischen Wirkungen Ackermann und Kutscher’)
schrieben: „Nach diesen Versuchen scheint die Secalebase ein Körper zu
sein, der chemisch dem Imidazolyläthylamin nahesteht, sich in seiner
1) Ackermann, Zeitschr. f. physiol. Chemie 64, 504. 1910.
2) Berthelot und Bertrand, Compt. rend. de la soc. de biol. 154,
643. 1912.
3) Mellanby und Tworth, Amer. journ. of physiol. 45, 53. 1912.
4) Kutscher, Zentralbl. f. Physiol. 24, 163. 1910.
5) Ackermann und Kutscher, Zeitschr. f. Biol. 54, 387. 1910.
300 E. Rothlin:
physiologischen Wirkung aber wesentlich davon unterscheidet.“ Barger
und Dale!) gelang es aber, diese Secalebase als Histamin zu identifizieren.
Außerdem konnten Barger und Dale?) dieselbe Base im Extrakte der Darm-
schleimhaut nachweisen und ebenso im Secretin von Bayliss und Starling.
Barger und Dale nehmen ferner an, daß im „Vasodilatin“ von Po-
pielski*), Popielski und Panek‘*), welches ebenfalls aus der Schleim-
haut des Darmtraktus gewonnen wird, das Histamin eine aktive Kompo-
nente darstellt. Die Wirkungen des Histamin sind sowohl vom physiolo-
gischen als pathologischen Standpunkte äußerst interessant und dies um so
mehr, als auf Grund der obigen Mitteilungen die Anzeichen sich mebren,
daß diese Base im Stoffwechsel des Organismus vorkommt und evtl. gewisse
Funktionen ausübt. Im Rahmen vorliegender Arbeit soll uns die vaso-
tonisierende Eigenschaft dieser Base beschäftigen. Die ersten systema-
tischen Untersuchungen über die vasotonisierende Wirkung des Histamins
stammen von Dale und Laidlaw‘). Nach diesen Autoren hat Histamin
auf die Gefäße vom Körper isolierter, künstlich durchströmter Organe beim
Hund und Katze stets einen vasoconstrictorischen Effekt zur Folge; so auf
die Gefäße der Extremitäten, Lunge und Niere. Damit stimmen die Ergeb-
nisse an isolierten Gefäßstreifen von Barbour®) überein; die Gefäße der
Extremitäten und des Herzens werden durch Histamin kontrahiert. Ebenso
fand Krawkow’) am isoliert durchströmten durch O,-Mangel zum Still-
stand gebrachten Kaninchenherzen, daß Histamin in Dosen von 1 : 500 000
bis 5 000 000 eine starke Verengerung der Herzkranzarterie auslöst. Ra be“)
konstatierte dagegen in 2 Fällen Erhöhung, in zwei anderen Fällen Abnahme
der Durchflußmenge durch das künstlich durchströmte Herz des Hundes
nach Applikation von Histamin. Baehr und Pick?) konnten bei der über-
lebenden Meerschweinchenlunge mit Histamindosen von 0,001 g überhaupt
keine vasotonisierende Wirkung beobachten. Handowsky und Pick!)
fanden, daß 0,001 g Histamin bei der Froschhinterextremität nach Läwen-
Trendelenburg primär keine nennenswerte Gefäßerweiterung verursacht.
Wird aber der Tonus des Froschgefäßpräparates durch eine vasoconstric-
torisch wirksame Substanz (Adrenalin oder Blutserum) erhöht, „dann läßt
sich sofort die Wirkung der Base, und zwar als mächtige Dilatation nach-
weisen“. Adrenalin und Histamin haben für diese Autoren eine antagoni-
1) Barger und Dale, Zentralbl. f. Physiol. 24, 885. 1910.
2) Barger und Dale, Amer. journ. of physiol. 41, 499. 1911.
8) Popielski, Arch. f. d. ges. Physiol. 128, 191. 1909.
) Popielski und Panek, Zentralbl. f. Physiol. 23, 137. 1909.
5) Dale und Laidlaw, Amer. journ. of physiol. 41, 318. 1910—11
und 43, 182. 1911—12.
6) Barbour, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. 68, 41. 1912.
7) Krawkow, Arch. f. d. ges. Physiol. 157, 501. 1914.
8) Rabe, Zeitschr f. exper. Pathol. u. Ther. 11, 175. 1912.
a Baehr und Pick, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. 74, 65. 1913.
10) Handowsky und Pick, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol.
71, 89. 1913.
Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. IIT. 301
stische vasotonisierende Wirkung. Dale und Laidlaw haben ferner zuerst
die Wirkung des Histamins auf den Blutdruck in vivo untersucht. Dabei
ergab sich eine frappante Diskrepanz gegenüber den Versuchen an über-
lebenden Gefäßen derselben Tiere. Histamin verursacht nach diesen Autoren
beim Hund und Katze, Affen und Huhn nach intravenöser Injektion eine
Blutdrucksenkung im großen Blutkreislauf. Beim Meerschweinchen und
Kaninchen tritt unter denselben Versuchsbedingungen eine Blutdruck-
senkung ein. Die Lungengefäße machen dabei eine Ausnahme, denn: „the
pulmonary arteries on the other hand constrict in repons to the drug whether
in the body or isoslated‘‘. Da Dale und Laidlaw auch nach Exstirpation
des zugehörigen sympathischen Neurons die Gefäßerweiterung in der be-
treffenden Vorderextremität bei der Katze nach wie vor beobachteten, er-
klären die Autoren: „we must conclud therefore, that the vasodilator effect
of B- iminazolylethylamin in the dog, cat and some other animals is a primary
action, periphereal in origine, independent of the integrity of the sympa-
thetic neurones. Its failure to occur in the isolated perfused organe is still
inexplained.“ Cloetta und Anderes!) haben diese Diskrepanz der Wir-
kungsweise des Histamins auf den Blutdruck des großen und kleinen Kreis-
laufes bei der Katze bestätigen können, während Weber?) durch diese Base
eine Erweiterung der Lungengefäße konstatierte. Weber glaubt, daß die
Blutdruckerhöhung im kleinen Kreislauf durch Histamin von Cloetta und
Anderes und damit notwendigerweise auch jene von Dale und Laidlaw
durch die constrictorische Wirkung des Histamins auf die Bronchialmusku-
latur zurückzuführen sei.
Meine Untersuchungen über die vasotonisierende Wirkung
des Histamins sind an überlebenden Gefäßen mit „Imido“ La
Roche?) ausgeführt, und zwar an isolierten Gefäßstreifen verschie-
dener Gefäßgebiete von Warmblütern, am isoliert durchströmten
Kaninchenohr und ferner an verschiedenen Gefäßgebieten beim
Frosch (das Gesamtgefäßsystem, Splanchnicusgefäße, die Gefäße
der Extremitäten und der Lunge).
a) Versuche an Isolierten Arterienstreifen.
Diese Beispiele (Abb. 1—3, S. 302) an isolierten Arterien-
streifen zeigen, daß Histamin auf diese Testobjekte stets einen
vasoconstrictorischen Einfluß ausübt, gleichgültig von welchem
Gefäßgebiete die Arterienstreifen stammen. Untersucht habe
ich folgende Gefäße: Art. carotis, femoralis, mesenterica, gastrica,
1) Cloetta und Anderes, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. 76,
125. 1914.
2) Weber, Arch. f. Physiol. 1910/12. 377. u. 383. Supplb. 79, 301. 1916.
3) Der Firma Hoffmann La Roche verdanke ich die freundliche Uber-
lassung des Präparates.
Biochemische Zeitschrift Band 111. 20
302 E. Rothlin:
Abb. la.
Abb. 1b.
Abb. la und b. A distaler, B proximaler Streifen einer Nierenarterie von Kuh.
Belastung je 20 g. Zeitmarkierung alle 6 Sek. Bei der Marke 1 wird zu beiden Gefäßen
Histamin 1 : 25 000 000, bei der Marke 2 Histamin 1 : 10 000 000, bei Gefäß B tritt nach lan.
ger Latenzzeit eine Verkürzung mit rhythmischen Schwankungen ein, da bel Gefäß A kein
Erfolg eintritt, wird die Konzentration auf 1 : 5 000 000 erhöht, worauf eine ganz unerheb-
liche Verkürzung auftritt, auch hier wird der Tonus rhythmisch erhöht. In der Abb. b wird
zu beiden Gefäßen bei der Marke 4 Histamin 1 : 1 000 000 zugesetzt, worauf in beiden Ge-
fäßen eine Kontraktion mit rhythmischen Schwankungen erfolgt. Verkl.’/..
Abb. 2. Art. lienalis von Kuh. А distaler, B proximaler Streifen. Belastung је 20 g. Zeit-
schreibung alle 6 Sek. Bei der Marke 1 wird Histamin 1: 1 000 000 zugesetzt. Es tritt bei
beiden Gefäßen eine Verkürzung ein. Verkl.?/..
Abb. 3. B Art. coronaris cordis von Kuh. A Art. coronaris cordis von Pferd. Belastung
der Gefäße mit je 25 g. Zeitschreibung alle 6 Sck. Histamin 1: 1 000 000 bringt beide Ge-
fäße zur Verkürzung. Verkl. !/,.
Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. III. 303
splenica, renalis, pulmonalis und coronaris cordis. Die Resultate
für die Gefäße von Typus bovinus, equinus und vom Schwein
stimmen ganz überein. Die wirksame Dosis liegt ungefähr
bai derselben Konzentration wie für Adrenalin. Eine
qualitativ verschiedene Wirkung durch Abstufung der Konzentra-
tion, wie dies für Adrenalin mit positivem Erfolge an der Art.
renalis z. B. durchgeführt wurde, ergab ein negatives Resultat,
stets löste jeder überschwellige Reiz eine Verkürzung
des Gefäßstreifens aus. Gefäßerweiterung wurde nie
erzielt. Das Histamin wirkt auch ebenso regelmäßig auf isolierte
Gefäßstreifen wie das Adrenalin, Versager habe ich keine
beobachtet.
b) Versuche am isoliert durchströmten Kaninchenohr.
Der Versuch in der Abb.4 ergibt, daß Histamin auf die
Gefäße des isolierten, künstlich durchströmten Kaninchenohres
in sehr verdünnter Konzentration eine kräftige vasoconstric-
7
— al
Vie
40 D
Zeit in Minder
Abb. 4. Versuch am isoliert durchströmten Kaninchenohr. Registrierung der Durchfluß.
menge, mit der Überlaufmethode von Fleisch. Versuchstemperatur 17°.
Pfeil 1 Injektion von 1 ccm Ringer zur Kontrolle.
Pfeil 2 Injektion von I ccm Ringer zur Kontrolle.
Pfeil 3 Injektion von 1 ccm Ringer zur Kontrolle.
Pfeil 4 Injektion von 1 ccm Adrenalin 1: 1 000 000 000, starke Gefäßkontraktion.
Pfeil 5 und 6 Injektion von 1 ccm Ringer zur Kontrolle.
Pfeil 7 Injektion von 1 ccm Adrenalin 1: 10 000 000 000, Gefäßkontraktion.
Pfeil 8 Injektion von 1 ccm Histamin 1 : 10 000 000 000, Gefäßkontraktion.
Pfeil 9 Injektion von 1 ccm Ringer zur Kontrolle.
torische Wirkung ausübt. Wie aus diesem Versuch hervorgeht,
ist die Wirksamkeit des Histamins verglichen mit jener des Adre-
.nalins bei demselben Präparate etwas größer. Diese Beein-
flussung der Gefäße des Kaninchenohres durch Histamin kann
regelmäßig erzielt werden, es bestehen allerdings Unterschiede
20*
304 E. Rothlin:
der Erregbarkcit der einzelnen GefaBpraparate. Dabei zeigte sich
stets, daB, wenn eine geringe Erregbarkeit gegenüber Histamin
bestand, dieselbe auch für Adrenalin herabgesetzt war. Mit
ß-Imidazolyläthylamin konnte bei überlebenden Gefäßen des
Kaninchenohres nie eine Gefäßerweiterung beobachtet werden.
е) Versuche an isoliert durchströmten Gefäßgebieten des Frosches.
Die Versuche der Abb. 5—9 sind einige typische Beispiele
für die Wirkungsweise des Histamins auf die überlebenden Gefäß-
gebiete beim Frosche. Aus dem Versuche der Abb. 5 können wir
schließen, daß diese Base einen vasoconstrictorischen Effekt
auf die überlebenden Gefäße der Froschhinterextremität
hat. Diese Wirkungsweise des Histamins auf dieses Gefäßpräparat
dürfte in der Mehrzahl der
Fälle zutreffen, läßt sich aber
8 = entschieden nicht mit jener
© Regelmäßigkeit auslösen wie
N bei den isolierten Gefäßstreifen
N 70 und am Kaninchenohr. Meist
À sind Dosen von 1: 1—40 000 000
N vasoconstrictorisch wirk-
sam, aber nicht selten sind selbst
70 Dosen von 1 : 50—100 000 von
Zeit in Minuten
Abb. 5. Isolierte Durchströmung der rechten Nur ganz geringem oder sogar
Hinterextremität des Frosches mit zerstörtem ied 181 d
onn en vasotonisierende
Gehirn und Riickenmarke. Registrierung der h ou to п
Durchflußmenge mit der Überlaufmethode Einfluß. Die Gefäßkontraktion
Beim Pfeile 1 een 1 ccm Histamin bei der Froschhinterextremitat
a fit ene Verengeune der durch Histamin ist nicht nur
Beim Pfeile 2 Injektion von 1 cem Histamin in konstant, sondern ver-
1: 2 000 000, der Effekt ist йш glichen mit der Wirksamkeit
des Adrenalins ist sie weniger intensiv. Es kann also eine Be-
sonderheit der Histaminwirkung auf die Froschhinterextremität
betrachtet werden, daß ein Präparat entweder schon auf geringe
Dosen wie 1: 10—20 000 000 anspricht, oder dann selbst auf
10—100 fache Dosen nicht teagiert. Stärkere Dosen als 1: 100 000
habe ich nicht untersucht, da ich solche Dosen auBerhalb der
physiologischen Grenze erachte. Wenn ein solches GefaBpraparat
auf eine Histamindosis eine Gefäß verengerung aufweist, so kann
dieselbe mit derselben Dosis wiederholt werden (Abb. 5), dieser
zweite Effekt ist dem ersten gewöhnlich analog.
Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. Ш. 305
Nie konnte ich mit Histamin bei der Froschhinter-
extremität eine Gefäßerweiterung erzielen. Meine Re-
sultate über die Wirkung des Histamins stehen somit in Wider-
spruch mit jenen von Handowsky und Pick!), welche durch
Histamin nur eine Tonuserschlaffung nachweisen konnten, und
Tropfenzahl pro Minute
10
20
Zeit in Minuten
Abb. 6. Künstliche Durchströmung des ganzen Gefäßsystems eines Frosches mit zer-
störtem Gehirn und Rückenmarke, von der linken Aorta aus. Registrierung der Durchfluß-
menge mit der Überlaufsmethode von Fleisch.
Beim Pfeile 1 Injektion von loccm Histamin 1 : 400 000, Gefäßkontraktion.
Beim Pfeile 2 Injektion von 1 ccm Histamin 1 : 400 000 Gefäßkontraktion.
Beim Pfeile 3 Injektion von 1 ccm Lienin 1 : 200, Gefäßkontraktion.
Beim Pfelle 4 Injektion von 1 ccm Histamin 1 : 1000 000, Gefäßkontraktion.
Beim Pfeile 5 Injektion von 1 ccm Histamin 1: 10 000 000 Gefäßerweiterung.
Beim Pfeile 6 Injektion von 1 ccm Histamin 1 : 1 000 000 Gefäßköntraktion.
zwar besonders unter Veısuchsbedingungen, wo der Gefäßtonus
vorerst durch Adrenalin oder Blutserum erhöht worden war.
Diesbezügliche Versuche ergaben mir nicht nur bei der Frosch-
extremität, sondern auch bei der Durchströmung des ganzen Gefäß-
systeme von der Aorta aus stets dasselbe Resultat, welches in
dem vasoconstrictorischen Effekt des Histamins besteht. In der
1) Handowsky und Pick, l. с. S. 300.
306 E. Rothlin:
Abb. 7 ist ein solches Beispiel wiedergegeben. Diese Diskrepanz
ist mir unerklärlich, es müßte denn sein, daß dieselbe durch die
von Handowsky und Pick verwendeten sehr hohen Dosen
verschuldet sind, denn die Autoren applizierten regelmäßig 1 mg,
eine Dosis, welche nach Berthelot und Bertrand!) für lkg
Kaninchen toxisch ist.
Der Einfluß des Histamins auf das ganze Gefäßsystem
des Frosches mit zerstértem Gehirn und Rückenmarke, mit Aus-
nahme der Lungengefäße, ist in den Abb. 6 u. 7 wiedergegeben.
DU
дел in Minuten
Abb. 7. Künstliche Durchströmung des ganzen Gefäßsystems eines Frosches mit zerstortem
Gehirn und Rückenmarke, von der linken Aorta aus. Registrierung der Durchflußmenze
mit der Überlaufmethode von Fleisch.
Beim Pfeile 1 Injektion von 1 ccm Histamin 1: 10 000 000 Gefäßverengerung.
Beim Pfeile 2 Injektion von 1 ccm Histamin 1 : 10 000 000 Gefäßverengerung.
Beim Pfeile 3 Injektion von 1 ccm H stamin 1 : 10 000 000 Gefäßverengerung.
Beim Pfeile 4 Injektion von 1 ccm Adrenalin 1 : 500 000 Gefäßverengerung.
Beim Pfeile 5 Injektion von 1 ccm Histamin 1 : 10 000 000 Gefäßverengerung.
Beim Pfeile 6 Injektion von 1 cem Adrenalin 1: 10 000 000 Gefäßverengerung.
Beim Pfeile 7 Injektion von 1 ccm Pituglandol 1 : 1000 Gefäßverengerung.
Die Versuche zeigen, daß Histamin unter diesen Bedingungen
in Konzentrationen von 1: 400 000 bis 1 : 10 000 000 eine erheb-
liche Gefäßverengerung auslösen kann, welche mit demselben
Erfolge beim gleichen Präparate reproduzierbar ist. Auch unter
diesen Durchströmungsverhältnissen besteht keine Konstanz
der Histaminwirkung, es treten auch hier innerhalb Dosen von
1 : 50 000—10 000 000 absolute Versager auf. Auf ganz ge-
ringe Dosen kann eine Gefäßerweiterung durch Histamin
auftreten, wie dies im Versuch der Abb. 6 (bei der 5. Injektion,
Histamin 1: 20 000 000) der Fall ist. Ein solcher vasodilatierender
1) Berthelot und Bertrand, Compt. rend. de la soc. de biol. 155,
360. 1912.
30
Tropferrzahl pro Minde
8
Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. III. 307
Effekt durch Histamin läßt sich am ehesten zu Beginn des Ex-
perimentes auslösen, aber ohne Regelmäßigkeit. Eine solche
Gefäßerweiterung darf nur dann als eine Folge der Histamin-
wirkung betrachtet werden, wenn sie rasch eintritt, reversibel
und reproduzierbar an demselben Präparate ist. Denn eine all-
mähliche Erweiterung der Gefäße in der ersten halben Stunde
nach Beginn des Experimentes kommt auch bei bloßer Durch-
strömung mit Ringerlösung vor. Eine Gefäßerweiterung konnte
ich ferner bei isolierter Durchströmung der TA nchnicus-
Abb. 8. Isolierte Durchströmung der rechten Lunge eines Frosches mit zerstörtem Gehirn
und Rückenmarke. Registrierung der Durchflußmenge mit der Überlaufmethode von Fleisch.
Beim Pfeile 1 Injektion von 1 ccm Histamin 1 : 10 000 000 Gefäßkontraktion.
Beim Pfeile 2 Injektion von 1 ccm Histamin 1: 10 000 000 Gefäßkontraktion.
Beim Pfeile 3 Injektion von 1 ccm Histamin 1 : 100 000 000 Gefäßdilatation.
Beim Pfeile 4 Injektion von 1 ccm Histamin 1: 1 000 000 Gefäßkontraktion.
Beim Pfeile 5 Injektion von 1 ccm Histamin 1: 1 000 000 Gefäßkontraktion.
Beim Pfeile 6 Injektion von 1 ccm Histamin 1: 500 000 Gefäßkontraktion.
Beim Pfeile 7 Injektion von 1 ccm Adrenalin 1: 1 000 000 Gefäßerweiterung.
Beim Pfeile 8 Injektion von 1 ccm Histamin 1: 500 000 Gefäßkontraktion.
gefäße des Frosches beobachten, aber auch hier tritt sienursehr
selten ein und ebenfalls nur auf ganz geringe Histamindosen.
Diese Erscheinung ist nicht im Einklang mit den Resultaten von
Dale und Laidlaw!), welche bei überlebenden Gefäßen stets
nur einen vasoconstrictorischen Effekt erzielten, auch bei Hund
und Katze, wo in vivo durch Histamin der Blutdruck erniedrigt
wird. Es scheint aber, daß beim Frosch unter gewissen Be-
dingungen und bei gewissen Gefäßgebieten durch Histamin der
dilatatorische Mechanismus auch im überlebenden Zustande
erregt werden kann.
Die Beeinflussung der Lungengefäße des Frosches durch
Histamin ist in den Abb. 8 u. 9 dargestellt. Die Versuchsserie
1) Dale und Laidlaw, l. с. S. 300.
308 E. Rothlin:
in der Abb. 8 zeigt, daß Histamin die überlebenden Lungengefäße
zu kontrahieren vermag, in Dosen bis zu 1 : 10000 000. Stär-
kere Histamindosen haben einen stärkeren vasoconstrictorischen
Effekt. Diese Wirkung kann mehrere Male mit demselben Er-
folge beim gleichen Präparate wiederholt werden. In derselben
Versuchsreihe zeigt sich ferner, daß ganz geringe Histamindosen
(3. Injektion) die Lungengefäße dilatieren können. Ich bemerke
aber, daß auch hier eine solche Wirkung nicht regelmäßig
Tropfenzah! pro Minute
Abb. 9. Isolierte Durchströmung der linken Lunge eines Frosches mit zerstörtem Gehirn
und Rückenmarke. Registrierung der Durchflußmenge mit der Überlaufmethode von Fleisch.
Beim Pfeile 1 Injektion von 1 ccm Histamin 1: 10 000 000 Gefäßkontraktion.
Beim Pfeile 2 Injektion von 1 ccm Histamin 1: 2 000 000 Gefäßkontraktion mit Rhyth-
mus.
Beim Pfeile 8 Injektion von 1 cem Histamin 1: 500 000 Gefäßkontraktion mit Rhyth-
mus.
Beim Pfeile 4 Injektion von 1 ccm Histamin 1: 2 000 000 Gefäßkontraktion.
auslösbar ist. Die Versuchsreihe der Abb. 9 bringt wieder den
vasoconstrictorischen Einfluß des Histamins auf die Lungengefäße
des Frosches zur Anschauung. Dabei tritt in sehr markanter
Weise die Auslösung von rhythmischer Tätigkeit auf. Solche
erhebliche rhythmische Schwankungen habe ich bei bloBer Durch-
strömung mit Ringerlösung nie beobachtet. In der Abb. 8 sind
zu Beginn des Versuches solche rhythmische Schwankungen
registriert, wie sie bei Ringerdurchströmung nicht selten auf-
treten. Die Auslösung von rhythmischen Schwankungen wie im
Versuch der Abb. 9 ist aber nicht eine regelmäßige Erscheinung
Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. III. 309
der Histaminwirkung. Histamin ist ferner auch auf die Lungen-
gefäße bei gewissen Präparaten absolut unwirksam, wenigstens
innerhalb der von mir untersuchten Dosen.
Wir können sagen, daß Histamin in der Regel die
isoliert durchströmtenLungengefäße des Frosches kon-
trahiert, die wirksame Grenzdosis liegt bei 0,000001 bis
0,0000001 g, schwächere Dosen können wahrscheinlich
eine Gefäßerweiterung verursachen.
Diese Ergebnisse decken sich insofern mit jenen von Dale
und Laidlaw bei überlebenden Gefäßen und in vivo, sowie mit
jenen von Cloetta und Anderes in vivo, als dieselben einen
vasoconstrictorischen Effekt auf die Lungengefäße annehmen.
Die beobachtete Gefäßerweiterung deckt sich mit dem Befund
von Weber in vivo nur insoweit, als ich eine Erschlaffung des
Tonus der Lungengefäße unter gewissen. Umständen möglich
erachte. Weber glaubt aber, daß Histamin die Lungengefäße
nicht kontrahiert. Die weitere Forschung wird zeigen können,
ob sich diese Verschiedenheiten der Resultate evtl. durch einen
qualitativ verschiedenen Einfluß der angewandten Konzentration
erklären lassen, wie dies für die überlebenden Gefäße des Frosches
der Fall zu sein scheint.
Die Schlußbetrachtung über die Wirkungsweise des Histamins
auf die untersuchten überlebenden Gefäße führt uns zu folgenden
Ergebnissen: Es besteht ein qualitativer Unterschied in der
BeeinfiussungüberlebenderGefäßedurchHistamin. Die
isolierten Arterienstreifen der verschiedensten Gefäß-
gebiete und verschiedener Tierarten, sowie die Gefäße
des KaninchenohreswerdenmitjederRegelmäßigkeitdurch
jeden überschwelligen Reiz kontrahiert, und zwarin Konzen-
trationen, wiesie für dieselben Gefäßpräparateauch für Adrenalin be-
stehen. Alleuntersuchten Gefäßgebiete desFrosches, das
Gesamtgefäßsystem bei Durchströmung von der Aorta
aus, die Hinterextremität, die SplanchnicusgefaBe
und die Lungengefäße weisen eine Inkonstanz der
Erregbarkeit für Histamin auf, was für Adrenalin
außer den Lungengefäßen keineswegs zutrifft. Bei
allen diesen Präparatentretenabsolute Versager inner-
halb der untersuchten Konzentrationen auf. Die Frosch-
hintere xtremität wird, wenn überhaupt, durch Histamin nur
310 E. Rothlin:
vasoconstrictorisch beeinflußt. Das Gesa mtgefäßsyste m,
die Splanchnicusgefäße sowie die Lungengefäße dagegen
können durch die ersten überschwelligen Reize wahr-
scheinlich dilatiert, durch stärkere Dosen in der Regel
kontrahiert werden. Die wirksamen Dosen für Histamin
beidiesen GefaBpraparaten, Hinterextremität, Splanch-
nicusgebietuud GesamtgefaBsystem stehenim Vergleich
zu jenen des Adrenalins 10—100fach zurück. Bei den
Lungengefäßen dagegen sind die wirksamen Histamin-
dosen jenen für Adrenalin ungefähr gleich. Es wird
weiterer Untersuchungen bedürfen, um die Ursachen der Inkon-
stanz sowie der evtl. Möglichkeit einer doppelsinnigen Beeinflus-
sung gewisser Gefäße durch Histamin zu erforschen. Auf jeden
Fall scheint durch meine Resultate beim Frosche eine Brücke
geschlagen zu sein für die von Dale und Laidlaw beobachtete
Diskrepanz der Histaminwirkung in vivo und am überlebenden
Organ.
5. Untersuchungen über den Einfluß von Pituglandol auf über-
lebende Gefäße.
Seitdem Oliver und Schäfer im Jahre 1894 die blutdrucksteigernde
Wirkung des Hypophysenextraktes nach intravenöser Injektion nachge-
wiesen haben, ist die Untersuchung der vasotonisierenden Eigenschaft der
wirksamen Bestandteile der Hypophyse oft Gegenstand experimenteller
Forschung gewesen. Wir verfolgen in dieser Arbeit speziell den Einfluß des
Hypophysenextraktes auf überlebende Gefäße. Von Pal!), de Bonis
und Susanna), Siccardi und Loredan?) und Cow*) wurde der Einfluß
des Hypophysenextraktes auf überlebende Gefäßstreifen verschiedener
Gefäßgebiete und verschiedener Tierarten untersucht. Pal konstatierte
eine Verkürzung unter dem Einfluß von Hypophysenextrakt bei der Art.
carotis. mesenterica, femoralis, coronaris cordis, sowie der Art. renalis im
proximalen Abschnitte. Arterienstreifen des distalen Abschnittes der Nieren-
arterien wurden dagegen durch Hypophysin dilatiert. De Bonis und Su-
sanna konnten bei Art. carotis, cruralis, pulmonalis und coronaris cordis
durch Hypophysenextrakt nur einen vasoconstrictorischen Effekt erzielen.
Siccardi und Loredan haben an Art. carotis, coronaris cordis und gastrica
ebenfalls eine manifeste Kontraktion durch Hypophysenextrakt beob-
1) Pal, Wien. med. Wochenschr. 1909 und Zentralbl. f. Physiol. 23,
253. 1909.
2) De Bonis und Susanna, Zentralbl. f. Physiol. 23, 159. 1919.
3) Siccardi und Loredan, Zeitschr. f. allgem. Physiol. 15, 85. 1913.
) D. Cow, Journ. of physiol. 42, 125. 1911.
Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. Ш. 311
achtet. Cow findet einen ausschließlich vasoconstrictorischen Einfluß
durch Hypophysenextrakt bei den Art. carotis und facialis, bald kontrahiert,
bald dilatiert wird die Art. coronaris cordis; die Art. gastrica, hepatica,
splenica und renalis werden nur dilatatorisch beeinflußt und zwar um so
stärker, je distaler der untersuchte Arterienstreifen vom Ursprung des Ge-
fäßes gewählt wird. Cows Gefäße stammen vom Schaf, die verwendeten
Dosen betragen 1 : 50—1 : 500. Herring!) hat den Einfluß des 1 proz.
Extraktes aus dem Infundibularteile der Hypophyse beim künstlich durch-
strömten Frosche untersucht und konstatierte eine Gefäß verengerung. Am
Laewen-Trendelenburgschen Präparate hat Ke pi now?) einen vasocon-
striotorischen Effekt durch Hypophysenextrakt erzielt. Und schließlich
fand Ris chbie ter?) am isoliert durchströmten Kaninchenohr, daß Hypo-
physenextrakt diese Gefäße kontrahiert. Aus dieser bibliogra phischen
Ubersicht sehen wir, daß der Hypophysenextrakt keine einheitliche Wirkung
auf die untersuchten überlebenden Gefäße ausübt.
Meine eigenen Untersuchungen sind mit Pituglandol®)
La Roche an isolierten Gefäßstreifen, am künstlich durchströmten
Kaninchenohr sowie an verschiedenen Gefäßgebieten des Frosches
ausgeführt.
a) Versuche an isolierten Gefäßstreifen.
Die Versuche in den Abb. 10 u. 11 stellen typische Beispiele
für die Wirkungsweise des Pituglandols auf isolierte Arterien-
streifen dar. In keinem aller untersuchten Gefäßstreifen habe ich
bei einer überhaupt wirksamen Pituglandoldosis eine Verlängerung
konstatieren können, dagegen konnten folgende Gefäße zur Ver-
kürzung gebracht werden: Art. carotis, mesenterica, splenica,
gastrica, renalis, pulmonalis und coronaris cordis. Die wirksame
Dosis lag zwischen 1:50 bis 1: 1000 Pituglandol La Roche.
Der Erfolg trat bei den genannten Gefäßen nicht regelmäßig ein,
selbst gegenüber einer Dosis von 1:50 Pituglandol verhielten
sich gewisse Gefäße refraktär. Als eine typische Erscheinung darf
die Auslösung von rhythmischen Erscheinungen durch Pituglandol
betrachtet werden, wie dies De BonisundSusannaauch angeben.
Eine primäre Verlängerung der distalen Gefäßstreifen, wie sie
von Pal und Cow für die Nierenarterie, von Cow für die Art.
mesent. gastrica, splenica und coronaris cordis beobachtet wurden,
1) Herring, Amer. journ. of physiol. 31, 429. 1904.
2) D. Kepinow, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 62. 1912.
3) W. Rischbieter, Zeitschr. f. d. ges. exp. Med. I, 355. 1913.
4) Das Pituglandol wurde mir von der Firma Hoffmann La Roche in
Basel in freundlicher Weise zugestellt.
312 | E. Rothlin:
konnte ich bei den angewandten Pituglandoldosen nie registrieren.
Dagegen trat in einem Versuche mit einem proximalen und distalen
GefaBstreifen einer Art. gastrica nach dem Auswaschen der Gefäße
auf eine Pituglandoldosis хоп] : 100 eine leichte Verlängerung
der Gefäßstreifen ein. Ferner beobachtete ich in zwei Versuchen
ein verschiedenes Verhalten der Erregbarkeit des proximalen
und des distalen Streifens der Nierenarterie gegenüber Adrenalin
Abb. 10. Art. mesenterica vom Rind. Belastung des Gefäßes 20 g. Zeitschreibung alle
6 Sek. Bei der Marke 3 wird Pituglandol 1: 100 zugefügt, was eine schöne rhythmische
Tätigkeit ohne wesentliche Tonusveränderung zur Folge hat.
und Pituglandol. Der proximale Streifen war dabei empfindlicher
auf Adrenalin, der distale auf Pituglandol. Der Unterschied der
proximalen und distalen Gefäßstreifen im Verhältnis gegenüber
Pituglandol, wie dies Pal und Cow angeben, kann ich nicht be-
stätigen, denn in meinen Versuchen an 20 verschiedenen Nieren-
arterien verhielten sich dieselben gleichartig und wenn ein Erfolg
erzielt wurde, so war es eine Verkürzung. Ich glaube nicht, daß
Abb. 11. Art. renalis vom Stier. Der obere ist ein proximaler, der untere ein distaler GetaB-
streifen von demselben Gefäße. Belastung je 20 g. Zeitschreibung alle 6 Sek. Bei der Marke 2
wird Pituglandol 1 : 100 zugesetzt, worauf in beiden Gefäßen eine langsam ansteigende Ge-
fäßkontraktion erfolgt.
die erwähnten Erscheinungen der sekundären Erweiterung nach
dem Auswaschen und die verschiedene Erregbarkeit von Nieren-
gefäßen gegenüber Adrenalin und Pituglandol genügend Anhalts-
punkte bieten für die Annahme von Pal und Cow. Allerdings
fanden Magnus und Schäfer!) und Schäfer und Herring?)
nach intravenöser Injektion von Hypophysenextrakt neben einer
gesteigerten Nierensekretion meist auch eine Gefäßerweiterung
1) Magnus und Schäfer, Journ. of physiol. 27, 9. 1901—02.
2) Schäfer und Herring. Proc. of Rov. Soc. London 77, 571. 1906.
Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. III. 313¢
und HallionundCarrion!)konstatierten auf Hypophysenextrakt
eine primäre Verengerung der Nierengefäße mit nachfolgender
anhaltender Erweiterung derselben. Aus all dem geht hervor,
daß der Einfluß des Hypophysenextraktes auf die N ierengefäße
nicht eindeutig dargelegt ist. Eine Durchsicht der bestehenden
Literatur über die Wir-
kung des Hypopl®ysen-
extraktes auf den Blut-
druck überhaupt zeigt
uns ebenfalls divergie-
rende Ansichten, was
ohne Zweifel mit der
komplexen chemischen
Zusammensetzung al-
ler bisherigen Hypo-
physenextrakte in Zu-
sammenhang steht.
Durch Füh ners) che-
mische und biologische
Arbeiten ist diese An-
sicht gut begründet.
Solange wir nicht mit
definierten Substanzen
arbeiten können, wie
beim Adrenalin, wird
die Erstrebung einheit-
licher Resultate illu-
sorisch sein.
b) Versuche am isolier-
ten Kaninchenohr.
Mit Pituglandol
La Roche kann beim
Tronfenzohl pro Minute
10 20
Zeit in Minuten
Abb. 12. Versuch am isoliert durchströmten Kaninchen-
ohr. Registrierung der Durchflußmenge mit der Uberlauf-.
methode von Fleisch. Versuchstemperatur 14°.
Beim Pfeile 1 Injektion von 1 ccm Adrenalin 1: 1 000 000
Gefäßverengerung.
Beim Pfeile 2 Injektion von 1ccm Pituglandol 1: 1000
schwache Gefäßverengerung.
Beim Pfeile 3 Injektion von 1 ccm Pituglandol 1 : 100
schwache Gefäßverengerung.
Beim Pfeile 4 Injektion von 1 ccm Pituglandol 1:10
starke Gefäßverengerung.
Kaninchenohr regelmäßig eine Verengerung der Gefäße ausgelöst
werden, absolute Versager bis zu Dosen von 1:10 habe ich nie be-
obachtet. Dosen von Leem 1: 10000—50000 des 20 proz. Pituglandol
1) Hallion und Carrion, Soc. de ther. Mars. 1907 und Bull. génér.
de thér. 1907, S. 459.
2) Н. Fühner, Münch. med. Wochenschr. 1912, Nr. 16, S. 853;
Deutsch. med. Wochenschr. 1913, Nr. 11, S. 491.
$14 E. Rothlin:
(auf die Trockensubstanz bezogen) kénnen noch eine Wirkung
austiben, wie dies auch von Rischbieter!) beobachtet wurde.
Wiederholung des Pituglandoleffektes ist an demselben Praparate
möglich. Unter gleichen Versuchsbedingungen hat Pituglandol
in einer ca. 10 000—100 000fach stärkeren Dosis denselben vaso-
constrictorischen Effekt wie das Adrenalin, was übrigens mit den
Versuchen an isolierten Gefäßstreifen übereinstnmt. Eine Ge-
fäßerweiterung durch Pituglandol habe ich am Kaninchenohr
nicht konstatiert. Die Abb. 12 gibt ein Beispiel für die Wir-
kungsweise des Pituglandols auf das Kaninchenohr wieder.
c) Versuche an künstlich durchströmten Gefäßgebieten des Frosches.
I. Versuche an der Froschhinterextremität.
Pituglandol La Roche hat auf die Gefäße der künstlich
durchströmten Hinterextremität des Frosches mit zerstörtem
Gehirn und Rückenmarke
30
: | | |z | einen vasoconstrictori-
g | | schen Einfluß. Eine Dosis
Sy А | l cem 1 : 20 000 war noch
8 wirksam. Dieser vasocon-
® strictorische Effekt kann
N | bei diesem Gefäßpräparat
а К = in der Regel mit derselben
Dosis und demselben Er-
folge wiederholt werden.
Als eine typische Erschei-
nung kann die Auslösung
10 20 30
Zeit in Minuten
Abb. 13. Isolierte Durchströmung der linken Hinter-
extremität eines Frosches mit zerstörtem Gehirn
und Rückenmark. Registrierung der Durchflußmenge
mit der Uberlaufmethode von Fleisch. Beim Pfeile 1
Injektion von 1 ccm Pituglandol 1 : 10 000, es folgt
eine schwache Verengerung Чез Gefă Bes. Beim Pfeile 2
Injektion von 1 ccm Pituglandol 1 : 10 000, es erfolgt
wieder eine etwas stärkere Gefäßkontraktion. Wäh-
rend des ganzen Versuches nach der ersten Pitu-
glandolinjektion sind kleine rhythmische Tonus-
schwankungen zu beobachten. Zwei weitere Injektio-
nen von derselben Konzentration sind von demselben
Erfolge begleitet.
von Rhythmus betrach-
tet werden, wie dies in
beiden Abb. 13 und bei 14
demonstriert ist. Die rhyth-
mischen Schwankungen
sind meist unregelmäßiger
als jene bei isolierten Gefäß-
streifen. Die vasoconstric-
torische Wirkung von Pituglandol auf die Froschhinterextremität
kann aber nicht mit jeder Regelmäßigkeit ausgelöst werden,
1) Rischbieter, I. с. S. 311.,
Wirkungsweise einiger chem.. vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. III. 315
selbst Dosen von 1 cem 1:10 können unwirksam sein. Meine
Resultate stimmen mit jenen von Herring!) und Kepinow?)
überein, differieren dagegen mit jenen von Fröhlich und Pick?), .
welche bei demselben Versuchsobjekt mit Pituglandoldosen von
Leem 1: 50—100 eine Gefäßerweiterung beobachteten, also
mit Konzentrationen, die mir nur eine Verengerung ergaben.
Fröhlich und Pick konstatierten eine Gefäßerweiterung beson-
ders deutlich, wenn der Gefäßtonus vorerst durch eine tonus-
Tropfenzah/ pro Minute
20
Zeit in Minuten
Abb. 14. Isolierte Durchströmung der linken Hinterextremität eines Frosches mit zerstör-
tem Gehirn und Rückenmark. Registrierung der Durchflußmenge mit der Uberlaufmethode
von Fleisch.
Beim Pfeile 1 Injektion von 1 cem Pituglandol 1 : 1000, es erfolgt eine leichte Abnahme der
Tropfenzahl. |
Beim Pfeile 2 Injektion von 1 cem Pituglandol 1 : 10, es erfolgt eine Gefäßverengerung,
welche in sehr ausgeprägten Rhythmus übergeht,
erhöhende Substanz erhöht wurde. Aber auch unter diesen Be-
dingungen konstatierte ich ausschließlich einen constrictorischen
Effekt durch Applikation von Pituglandol (siehe Abb. 7, S. 306).
Da Fröhlich und Pick dasselbe Pituglandolpräparat für ihre
Versuche verwendeten, wie ich, bleibt diese Differenz unauf-
geklärt. Der von Fröhlich und Pick angenommene Antagonis-
mus der Wirkungsweise von Adrenalin und Pituglandol wird durch
die experimentellen Ergebnisse widerlegt.
1) Hering, Journ. of physiol. 31, 429. 1904.
2) Kepinow, Arch, f. exper. Pathol. u. Pharmakol. 67. 1912.
3) Fröhlich und Pick, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 74,
107. 1913. '
E. Rothlin:
316
2. Versuche am gesamten Gefäßsystem und am Splanchnicusgebiet
des Frosches.
Wie die Abb. 15 zeigt, hat Pituglandol auf das Gefäßsystem
des Frosches, von der Aorta aus durchströmt, eine vasocon-
strictorische Wirkung, dieselbe tritt sowohl bei niedrigem,
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an u]
wie durch Adrenalin erhöhtem Gefäßtonus auf. Ein analoger Ver-
such ist in der Abb. 7
wiedergegeben (7. Injektion). In
‚ 5. 306,
der Abb. 15 sehen wir ferner, daß Pituglandol nach vorheriger
Adrenalininjektion die Erschlaffung der kontrahierten Gefäße
nicht fördert, sondern die Gefäße werden noch mehr verengert.
Die wirksamen Dosen sind in derselben Größenordnung wie bei
Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf tiberleb. Gefäße. III. 317
der Hinterextremität. Der Erfolg ist auch hier inkonstant.
Die Versuche bei Durchströmung des Splanchnicusgebietes von der
einen Aorta aus, bei Unterbindung der Aorta abdominalis, ergaben
mir ganz übereinstimmende Resultate. Die Abb. 15 (4. Injektion)
zeigt aber, daß Pituglandol gewisse Gefäße des Frosches zu dila-
tieren vermag, denn die Injektion von 1 cem 1: 10 Pituglandol
hat nach einer schwachen und flüchtigen Kontraktion eine Zu-
nahme der Tropfenzahl zur Folge, welche aber nur von kurzer
Dauer ist und dann von einer stärkeren lange dauernden Gefäß-
verengerung gefolgt ist. Eine solche vasodilatorische Beeinflussung
bei Durchströmung des ganzen Frosches, sowie der Splanchnicus-
gefäße habe ich tatsächlich, aber selten und gewöhnlich nur durch
schwache Dosen beobachtet. Da bei der Froschhinterextremität
eine solche Beeinflussung durch Pituglandol nie beobachtet wurde,
sondern nur in den Versuchen bei Durchströmung des ganzen
Frosches und der Splanchnicusgefäße, so ist daran zu denken,
daß Pituglandol bei gewissen Gefäßen des Splanchnicus-
gebietes sowohl den vasodilatatorischen als den vasoconstric-
torischen Mechanismus zu erregen vermag.
d) Versuche an den Lungengefäßen des Frosches.
Die vasotonisierende Wirkung von Pituglandol auf die künst-
lich durchströmten Lungengefäße des Frosches mit zerstörtem
Gehirn und Rückenmark kann ohne Zweifel eine doppelsinnige
sein, wie aus den Versuchen der Abb. 16 u. 17 hervorgeht, da
primär entweder eine Gefäßerweiterung oder eine Ver-
engerung derselben eintritt. Diese primäre Wirkung durch
Pituglandol wird häufig durch eine sekundäre antagonistische
abgelöst, eine primäre Erweiterung von einer sekundären Ver-
engerung und vice versa. Dies ist in Abb. 16 u. 17 ganz eindeutig
wiedergegeben. Es zeigt sich nun, daß der jeweilige Erfolg des
Pituglandols auf diese Lungengefäße eine Funktion der Konzen-
tration ist. Schwache Dosen lösen eine Gefäßerweiterung
(Abb. 49, 1. Injektion), mittlere Dosen eine primäre Ver-
engerung, mit sekundärer Erweiterung (Abb. 17, 2., 3. u.
4. Injektion), starke Dosen ausschließlich eine Gefäß-
verengerung. Dies dürfte die Regel sein. Da aber Pituglandol
offenbar sowohl den vasoconstrictorischen wie den vasodilatatori-
schen Mechanismus der Froschlungengefäße zu erregen vermag
Biochemische Zeitschrift Band 111. 21
318 E. Rothlin:
und die Erregbarkeit der verschiedenen Präparate nicht gleich
ist, kann eine genaue Abgrenzung der ausschlieBlich constricto-
risch bzw. dilatatorisch wirksamen Dosen nicht durchgeführt
werden. Es ist auch hier zu erwähnen, daß innerhalb der an-
gewandten Dosen, d. h. bis 1 ccm 1 : 10, ab und zu Versager auf-
treten können. Wenn wir ferner noch die Verhältnisse der wirk-
samen Dosen für Adrenalin und Pituglandol auf die Lungen-
gefäße des Frosches betrachten, so sehen wir, daß Adrenalin auf das
20 proz. Pituglandol La Roche bezogen, in ca. 10 000 fach stärkerer
Verdünnung dieselbe Wirkung hat wie Pituglandol. Es ist dies
30
Minute
|
|
t
|
EBEN ке
|
q ы шш =
|
20 22 7,
Zeit in Minuten
Abb. 16. Isolierte Durchströmung der linken Lunge eines Frosches mit zerstörtem Gehirn
und Rückenmark. Registrierung der Durchflußmenge mit der Uberlaufmethode von Fleisch
Beim Pfeile wird 1 cem Pituglandol 1: 100 injiziert. Es erfolgt erst eine mäßige Zunahme
der Tropfenzahl (Gefäßerweiterung), welche von elner sehr kräftigen Gefäßkontraktion ge-
folgt ist. Auch hier sind rhythmische Schwankungen zu erkennen. Die Erholung der Lungen-
gefäße geht sehr langsam vor sich.
ein Verhältnis, wie wir es auch für isolierte Gefäßstreifen gefunden
haben.
Wenn wir die Wirkung des Pituglandols auf die untersuchten
überlebenden Gefäße zusammenfassen, so können wir sagen, daß
diese vasotonisierende Substanz auf isolierte Gefäßstreifen
mit Sicherheit nur eine Verkürzung verursacht: oft
wird Rhythmus ausgelöst, ohne daß der Tonus verändert
wird. Ein Unterschied der Arterienstreifen verschie-
dener Gefäßgebiete wurde nicht konstatiert. Die Gefäße
des Kaninchenohres werden durch Pituglandol regel-
mäßig kontrahiert. Die Gefäße der Froschhinterextre-
mität, des ganzen Frosches (mit Ausnahme der Lungen-
gefäße), des Splanchnicusgebietes können durch Pitu-
Al pro Minute
7
Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. III. 319
glandol kontrahiert werden, die Wirkung tritt nicht
regelmäßig ein. Eine Gefäßerweiterung durch Pitu-
glandol habe ich nur ausnahmsweise beim Durchströ-
men des ganzen Frosches und des Spla nch nic usgebietes
beobachtet, nie an der Hintere xtremität oder isolierten
ту
Poe
50
Zeit in Axa
Abb. 17. Isolierte Durchströmung der rechten Lunge eines Frosches mit zerstörtem Gehirn
und Rückenmark. Registrierung der Durchflußmenge mit der Überlaufmethode von Fleisch.
Beim Pfeile 1 Injektion von 1 ccm Pituglandol 1: 1000, Gefäßerweiterung.
Beim Pfeile 2 Injektion von 1 ccm Pituglandol 1 : 100, auf eine Gefäßverengerung folgt
sekundär eine Gefäßerweiterung.
Beim Pfeile 3 Injektion von 1 ccm Pituglandol 1 : 100, derselbe Effekt wie nach der II. In-
jektion, nur schwächer.
Beim Pfeile 4 Injektion von 1 ccm Pituglandol 1 : 50, wieder folgt auf eine primäre kräftige
Kontraktion eine sekundäre Dilatation.
Gefäßstreifen. Pituglandol vermag je nach der an-
gewandten Dosis sowohl den vasoconstrictorischen
als den vasodilatatorischen Mechanismus der Lungen-
gefäßedes Froscheszuerregen. Die Pituglandolwirkung
auf diese Gefäße ist gewissermaßen das Resultat
einer Konkurrenz zwischen diesen beiden Gefäß-
mechanismen.
6. Untersuchungen über die Wirkungsweise eines aktiven Prinzipes
der Milz (Lienin) auf überlebende Gefäße.
Stern und Rothlin!) haben in verschiedenen Mitteilungen
über die Wirkungsweise von Milzextrakten an überlebender
glatter Muskulatur berichtet, woselbst auch die Herstellung und
1) Stern und Rothlin, Compt. rend. de la soc. de phys. et d’histoire
naturelle de Genéve 24, 1416; Verh. der schweiz. Naturf. Gesellsch. 1917,
S. 306; Journ. de physiol. et pathol. génér. 18, 441. 1919; 18, 753. 1919.
21*
320 E. Rothlin:
Reinigung des aktiven Prinzipes behandelt ist. Das Resultat
der chemischen Untersuchungen, wie sie dort beschrieben und
seither von mir fortgesetzt wurden, ist noch nicht so weit gediehen,
daB ein analysenreifes Produkt vorliegt. Die hohe Wirksamkeit
eines wässerigen und besonders des alkoholischen Milzextraktes,
Tabelle I.
Tabellarische Übersicht über die Wirkungsweise der untersuchten
vasotonisierenden Substanzen auf isolierte Gefäßstreifen und
künstlich durchströmte Gefäßgebiete.
Art der Gefäße Oxalat-| Blut- | Adre- Hypo- Hista- Lienin
blut serum nalin physin min
Art. carotis v. Typ. x K | K | X K к! (К) К К
bov. et equin. |
Art. femoralis v. Typ. K K K (К) К | К
bov. et equin.
Art. mesenterica v.| К k K i (К) K K
Typ. bov. et equin.
Art. gastrica v. Typ. К K K (K) | К К
bov.
Art. splenica y. Typ. K | K (K) | C | К
bov. |
Art. renalis v. proxi- 4 K | schw.: D (K) K К
malen und distalenAb- st. K |
schnitt v. Typ. bov.
et equin.
Art. pulmonalis v. K K (K) K K
extra- u. intrapul- |
monalen Abschnitt, |
v. Typ. bov. et equin. | | |
Art. coronaris сог- K schw.: (K) ( K R
dis v. Typ. bo v. st.: D | :
Art. coronaris cor- K K (K) | K | k
dis v. Typ. equin. | | |
K aninchenohr | K K | K K
Hinterextremitit | | K K K k
des Frosches | |
Splanchnicusgebiet | K schw.: (D) | schw.: 2 schw.: (D)
des Frosches | st.: К st.: st.: K
Gesamtgefäßgebiet | K schw.: (D) | schw.: = schw.: (Р)
des Frosches außer st: K St.: K | st : K
den Lungen | i
Lungengefäße des | herve iD schw.: (D) schw.: (D)
Frosches | | st.: st: K
K = Kontraktion; D = Dilatation; () bedeutet, daß diese Wirkungsweise
beobachtet wurde, aber nicht regelmäßig. schw. bedeutet schwache Dosis;
st. bedeutet starke Dosis.
Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. Ш. 321
der Nachweis, daß es sich nicht um ein autolytisches Produkt
der überlebenden Milz handelt, das konstante Vorkommen bei
allen untersuchten Tierarten, berechtigen die Ansicht, daß es
sich hier evtl. um ein Produkt von physiologischer Bedeutung
handelt. Wir haben dieses aktive Prinzip Lienin genannt,
wodurch- über dessen chemische Konstitution nichts präjudiziert
‘wird. Ich unterlasse eine Wiederholung der experimentellen
Daten, wie sie in den genannten Arbeiten publiziert sind, und
verweise auf die nebenstehende tabellarische Übersicht. Daraus
erhellt, daß Lienin die isolierten Gefäßstreifen, die Ge-
fäße des Kaninchenohres und jene der verschiedenen
Organgebiete des Frosches vasoconstrictorisch beein-
flußt. Meine neuen Untersuchungen bei Durchströmung des ganzen
Frosches von der einen Aorta aus, sowie des Splanchnicusgebietes
ergaben, daß Lienin in kleinsten Dosen gefäßerweiternd
wirken kann. Weiterhin beobachtete ich einen Unterschied
in der Erregbarkeit der verschiedenen überlebenden
Gefäße, indem isolierte Gefäßstreifen und die Gefäße
des Kaninchenohres mit größerer Regelmäßigkeit und
in relativ geringeren Dosen auf Lienin reagieren, als
die Gefäße des Frosches. Damit konstatieren wir eine Ana-
logie mit der Wirkungsweise des Histamins.
Diskussion der Resultate.
Die experimentellen Ergebnisse im speziellen Teile haben uns
davon überzeugt, daß die Wirkungsweise des Adrenalins auf die
untersuchten überlebenden Gefäßsubstrate keine einheitliche ist.
Denn bei den einen Gefäßen wird der vasoconstrictorische, bei
anderen der vasodilatatorische und bei dritten beide Gefäß-
nıechanismen durch Adrenalin erregt. Diese Tatsache einer
bivalenten Reaktionsweise gewisser überlebender Gefäße gegen-
über Adrenalin steht in Übereinstimmung mit derselben Erschei-
nung erzeugt durch die indirekte, chronaxisch abgestufte elek-
trische Reizung der zu den Gefäßen führenden Nerven. Drei Ge-
sichtspunkte sind es, welche diese qualitativ verschiedene Reaktions-
weise überlebender Gefäße gegenüber Adrenalin charakterisieren:
1. Das verschiedene Verhalten überlebender Gefäße ver-
schiedener Organgebiete, bzw. die Herkunft der Ge-
fäße nach Organgebiet.
322 E. Rothlin:
2. Das verschiedene Verhalten derselben Gefäße verschie-
dener Tierarten, bzw. die Tierart.
3. Die verschiedene Beeinflußbarkeit derselben Gefäße je
nach der angewandten Dosis, bzw. die Intensität des
Adrenalinreizes.
Die tabellarische Übersicht auf S. 320 belegt das Gesagte
am besten und am kürzesten. |
Das Verhalten überlebender Gefäße verschiedener Organ-
gebiete bezieht sich nicht nur auf qualitative, sondern auch
auf quantitative Unterschiede, indem z. B. die Lungengefäße
des Frosches eine geringere Erregbarkeit gegenüber Adrenalin
aufweisen als die übrigen Gefäßgebiete desselben Tieres (Ex-
tremitäten, Splanchnicusgebiet usw.). Wir haben ferner gesehen,
daß der vasoconstrictorische Effekt selbst durch schwache Adre-
nalindosen, speziell bei gewissen isolierten Gefäßstreifen von sehr
langer Dauer ist. Dies trifft nicht zu für die Nieren und Lungen-
gefäße, für welche wir den raschen Eintritt der Erschlaffung
nach erreichtem Kulminationspunkt der Tonuserhöhung auf
einen primär vasoconstrictorischen Adrenalinreiz als charak-
teristisches Merkmal bezeichnet haben. Wenn wir nun die Wir-
kungsweise des Adrenalins in vivo nach intravenöser Injektion
mit den Beobachtungen am überlebenden Organe vergleichen,
so ergibt sich a priori ein frappanter Unterschied, da der typische
Adrenalineffekt in vivo in einer flüchtigen Blutdruckerhöhung
besteht und selbst sehr starke Dosen nicht einen anhaltenden
Effekt auszulösen imstande sind. Ich glaube nicht, dieses ver-
schiedene Verhalten der Wirkungsdauer darauf zurückführen zu
können, daß Adrenalin beim Versuch am überlebenden Organ
speziell bei der Gefäßstreifenmethode länger mit dem Versuchs-
objekt in Kontakt bleibt als in vivo. Denn Adrenalin wird in
Ringerlösung bei O,-Gegenwart und in den von mir verwendeten
Dosen sehr rasch schon nach wenigen Minuten zerstört. Ander-
seits habe ich mich davon überzeugt, daß Adrenalin im def. Blute
bzw. Blutserum trotz derselben Alkalität und O,-Gegenwart
sich stundenlang konservieren läßt. Es bleibt uns somit nur noch
die Annahme, daß in vivo sich rasch Mechanismen geltend machen,
welche die künstlich verursachte Blutdruckerhöhung kompen-
satorisch regulieren bzw. den Blutdruck nivellieren. Es ist nicht
meine Absicht, hier jene Faktoren zu verfolgen, welche in vivo
Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. III. 323
durch direkte Adrenalinreizung (Herz) oder im Sinne einer sen-
sorischen Kontrolle reflektorisch einspringen; ich möchte nur
jene Erscheinungen anführen, welche auf Grund meiner Studien
am überlebenden Organe evtl. eine Rolle übernehmen können.
Dabei denke ich an die Tatsache, daß gewisse überlebende Gefäße
durch Adrenalin dilatatorisch beeinflußt werden [Art. coronaris
cordis v. Typ. bov., Art. renalis und pulmonalis, die Gefäße des
Darmes (Ogawa)]. Dann ist es keine Seltenheit, daß sowohl
isolierte Gefäßstreifen wie künstlich durchströmte Gefäßgebiete
auf die Kontraktionsphase eine sekundäre Dilatation aufweisen.
Diese an überlebenden Gefäßen gemachten Beobachtungen können
wohl in vivo eine durch Adrenalin erzielte Blutdruckerhöhung
in ihrer Intensität und Dauer beeinflussen. Ich glaube aber nicht,
daß sie für die Flüchtigkeit der Adrenalinwirkung in vivo eine
nennenswerte Rolle spielen, wir müssen vielmehr die hauptsäch-
lichen Ursachen in den zentral bzw. reflektorisch ausgelösten
Vorgängen suchen, welche kompensatorisch eingreifen. Zwischen
der Dauer der Adrenalinwirkung in vivo und am
überlebenden Organ besteht somit eine Diskrepanz.
Die Untersuchungen von Neujean!), Moore und Puring-
ton?), Elliott?) sowie Hoskins und McClure‘) haben ferner
ergeben, daß die ersten wirksamen Adrenalindosen nach intra-
venöser Injektion eine Gefäßerweiterung bzw. eine Blutdrucksen-
kung auslösen. Eigene Versuche am Kaninchen ergaben mir
dasselbe Resultat mit Dosen von Leem 1 : 10—50 000 000.
Außerdem beobachtete ich, daß die ersten eben blutdrucksteigern-
den Adrenalindosen von einer stärkeren sekundären Blutdruck-
senkung gefolgt waren als folgende stärkere Adrenalindosen.
Diese Erscheinungen der Adrenalinwirkung in vivo sind nach
meinen bisherigen Erfahrungen auch dadurch gekennzeichnet,
daß sich der vasodilatatorische Gefäßmechanismus am besten zu
Beginn des Experimentes erregen läßt und nach Applikation
einiger constrictorisch wirksamen Dosen eine primäre Blutdruck-
senkung kaum mehr auslösbar ist. Ich glaube, daß wir in diesen
vasodilatatorischen Erscheinungen der Adrenalinwirkung in vivo
1) Neujean, Arch. internat. de pharmacodyn. 13, 45. 1094.
2) Moore und Purington, Arch. f. d. ges. Physiol. 81, 483. 1900.
3) Elliott, Amer. journ. of physiol. 32, 401. 1905. |
4) Hoskins und McClure, Amer. journ. of physiol. 31, 59. 1912.
324 E. Rothlin:
‘
ein Pendant zu jenen am überlebenden Organe haben. Dafür
spricht das experimentelle Ergebnis, daß Adrenalin an den ge-
nannten überlebenden Gefäßen in kleinsten Dosen eine Gefäß-
erschlaffung, in stärkeren Dosen aber mit jeder Regelmäßigkeit
eine Gefäßkontraktion verursachen. Wir müssen daher heute als
typische Adrenalinwirkung sowohl die Möglichkeit
der Erregung des vasodilatatorischen als des vaso-
constrictorischen Gefäßmechanismus bezeichnen. Unter
welchen Bedingungen im speziellen Falle das eine oder andere
zutrifft, habe ich am überlebenden Organe zu untersuchen ver-
sucht, im experimentellen Teile ausführlich analysiert und hier
synthetisiert. In Anbetracht der prinzipiell übereinstimmenden
Ergebnisse in vivo und am überlebenden Organe dürfen wir nicht
zögern, die Erscheinungen der Blutdruckveränderungen bzw.
Querschnittsveränderungen der verschiedenen Gefäße durch
Adrenalin zum allergrößten Teile als rein periphere den Gefäßen
eigenen Vorgänge zu betrachten, welche allerdings durch zentral
oder reflektorisch ausgelöste Vorgänge reguliert werden können.
Durch die Untersuchungen einer ganzen Reihe von Forschern,
ich erwähne speziell Lewandowsky, Langley und Elliott,
wurde bekanntlich eine funktionelle Beziehung zwischen der
Adrenalinwirkung und dem sympathischen Anteile des autonomen
Nervensystems erkannt, welche dann durch den embryologischen
Nachweis eines genetischen Zusammenhanges zwischen Adrenal-
system und dem Sympathicus eine Erhärtung erfahren hat.
Adrenalin wirkt nach diesen Autoren auf die sympathisch inner-
vierten Organe, und der jeweilige Adrenalineffekt am Erfolgs-
organ komnit einer Reizung der zugehörigen sympathischen
Fasern gleich. Diese Übereinstimmung der Adrenalinwirkung
und der sympathischen Nervenreizung zeigt sich angeblich
besonders gut in der motorischen Beeinflussung der glatten
Muskulatur, insbesondere bei den Gefäßen. Daher wurde sie für
die Erforschung der vasomotorischen sympathischen Innervation
der Gefäße herangezogen. Es hat sich gezeigt, daß dieser Zu-
sammenhang hinsichtlich der Vasoconstrictoren sozusagen glatt
stimmt. Denn da, wo mit Sicherheit bisher Vasoconstrictoren
festgestellt sind, gehören sie dem Sympathicus an, und Adrenalin
kann daselbst eine Kontraktion verursachen. Eine sympathisch
vasoconstrietorische Innervation ist bisher für die Gefäße des
Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. III. 395
Herzens, der Lungen und des Gehirns strittig. Die Untersuchungen
von Brodie und Cullis!) beim künstlich durchströmten Herzen,
die meinen an überlebenden Herzkranzarterien vom Pferde und
vielleicht auch vom Rinde beweisen, daß Adrenalin die Herz-
kranzgefäße, wenigstens unter gewissen Bedingungen zu verengern
vermag, und zwar mit Dosen, wie sie für Gefäße mit nachgewiesener
sympathischer vasoconstrictorischer Innervation notwendig sind.
Diese Bedingungen sind einmal die Intensität des Reizes, indem
beim Kaninchen und Rindvieh nur geringste Dosen Adrenalin
verengernd wirken, dann bestehen offenbar Unterschiede bei
verschiedenen Tierarten. Eine vasoconstrictorische Beeinflussung
der Lungengefäße durch Adrenalin können wir heute mit Sicher-
heit annehmen, wenn auch mit Bezug auf Tierart und wirksamen
Dosen gegenüber anderen Gefäßen Unterschiede bestehen. Denn
die Versuche am überlebenden Organ wie jene in vivo sprechen
mit Entschiedenheit dafür, daß die Lungengefäße durch Adrenalin
weniger intensiv beeinflußt werden. Eine Ausnahme machen
aber die isolierten Gefäßstreifen von Typ. bov. et equinus, da
sie keine geringere Erregbarkeit gegenüber Adrenalin besitzen wie
Mesenterialgefäße z. B. Über die Gefäße des Gehirns habe ich
keine eigenen Erfahrungen, aber von Biedl und Reiner?) u.a.
ist bei diesen Gefäßen ein verengender Einfluß durch Adrenalin
beobachtet worden. Da unsere obige Analyse eine Übereinstim-
mung der Ergebnisse am überlebenden Organe und in vivo,
insoweit eine Eindeutigkeit der Resultate überhaupt besteht,
ergeben hat, so ist auch für.die überlebenden Gefäße, Herzkranz-
arterien und Lungenarterien nicht anzunehmen, daß cs sich nun
gerade hier um ein spezielles Verhalten des überlebenden Organes
handeln kann. Wenn daher diese Gefäße sich unter den genannten
Bedingungen wie jene mit anerkannt sympathischer vasoconstric-
torischer Innervation gegenüber Adrenalin verhalten, und wenn
die Elliottsche Auffassung richtig ist, so liegt gar kein
Grund vor, diesen Gefäßen sympathische Vasocon-
strictoren abzusprechen.
Weniger übersichtlich liegen die Verhältnisse für die Vaso-
dilatatoren, und die Beantwortung dieser Frage bietet ent-
1) Brodie und Cullis, The innervation of the coronary vessels. Journ.
of physiol. 43, 313. 1911.
| t- 2) Bied] und Reiner, Arch. f. d. ges. Physiol. 79. 1899.
326 E. Rothlin:
schieden große Schwierigkeiten. Eine Gefäßerweiterung an iso-
lierten Gefäßstreifen und künstlich durchströmten Organen’ durch
Adrenalin haben wir an der Art. coronaris cordis von Typ. bov.
und beim Schwein, Art. renalis, sowie an den Froschlungengefäßen
beobachtet. Mittels indirekter elektrischer Reizung sympathischer
Nerven ist von Maas!) für die Herzkranzgefäße, von Bradford?)
für die Nieren- und Splanchnicusgefäße, von Dastre und Morat?)
für die Gefäße des Mundes ein vasodilatatorischer Effekt erzielt
worden. Nach der anatomischen Lokalisation verlassen diese
sympathischen Nerven das Rückenmark mit den Vorderwurzeln.
Andererseits hat Stricker*) 1876 durch Reizung des peripheren
Endes der Hinterwurzeln eine Gefäßerweiterung beschrieben.
welche von Gärtner?) bestätigt wurde. Bayliss®) gelang es,
zwar ebenfalls durch Reizung von Hinterwurzeln an der Hinter-
extremität eine Gefäßerweiterung zu erzeugen. Aber Bayliss
konnte nachweisen, daß die gereizten Nerven Neuriten von Spinal-
ganglien der Hinterwurzeln sind und die Gefäßerweiterung auf
dem Wege eines Axonreflexes „antidromically“ durch Kollateralen
zustande kommt, welche von den sensiblen Fasern zu den Gefäßen
der Haut gehen. Denn nach der Entfernung der Haut konnte
diese Wirkung nicht mehr erzielt werden. Ferner können wir mit
der Methode der Nervendegeneration und der chronaxisch ab-
gestuften Nervenreizung eine Gefäßerweiterung auslösen. Und
schließlich besitzen wir Mittel, um mit Adrenalin da eine Gefäß-
erweiterung zu erzielen, wo normalerweise eine Kontraktion
beobachtet wird, so nach Einwirkung von Ergotoxin nach Dale‘)
und angeblich nach Durchströmung eines Gefäßpräparates mit
Ca-freier Ringerlösung nach Pearce®). Alle diese Daten sind
aber so wenig eindeutig oder unter abnormen Versuchsbedingungen
ausgeführt, daß wir daraus nicht auf die Existenz spezieller ana-
tomisch definierter Vasodilatatoren schließen dürfen. Meine Ver-
1) Maas, Arch. f. d. ges. Physiol. 74, 281. 1899.
2) Bradford, Proc. of the royal. Soc. of London 43, 369. 1889.
3) Dastre und Morat, Compt. rend. de la soc. de biol. 41, 393. 1810.
4) Stricker, Sitzgber. d. Akad. der Wissensch. Wien 74, 173. 1876.
III. Abt.
5) Gartner, Zentralbl. f. Physiol. 3, 761. 1889.
) Bayliss, Amer. journ. of physiol. 26, 173. 1901.
7) H. H. Dale, Amer. journ. of physiol. 34, 163. 1906.
8) Pearce, Zeitschr. f. Biol. 6%, 243. 1913.
W irkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. III. 327
suchsergebnisse an genannten überlebenden Gefäßen beweisen
aber, daß wir mit Adrenalin gewissermaßen unter physiologischen
Bedingungen, d.h. ohne Ausschaltung der vasoconstric-
torischen Beeinflußbarkeit eine Gefäßerweiterung aus-
lösen können. Diese Beobachtungen decken sich übrigens gut mit
den Erfahrungen in vivo. Dieselben Gefäße erleiden durch entgegen-
gesetzte Adrenalindosen eine Kontraktion. Wenn daher die Auf-
fassung über den funktionellen Zusammenhang zwischen der Adre-
nalinwirkung und sympathischer Innervation zu Recht besteht, so
müssen wir logischerweise schließen, daß diese Gefäße sowohl |
sympathische Constrictoren als Dilatatoren besitzen.
Oder dann ist diese Auffassung nicht richtig und wirsind gezwungen,
für diese bivalente Adrenalinwirkung eine andere Erklärung zu
suchen. Einmal kann die Elliottsche Auffassung zu intensiv
gefaßt sein und Adrenalin nicht nur wie sympathische Vasomoto-
ren, sondern auch wie solche anderer Herkunft wirken. Die Gefäße
können ferner nur sympathisch innerviert sein, und der jeweilige
Adrenalineffekt ist dann der Ausdruck entweder einer Hemmung
bzw. Dilatation oder einer Erregung bzw. Kontraktion des Gefäßes.
Schließlich besteht die Möglichkeit, daß Adrenalin nicht durch
Übermittlung eines nervösen Apparates, sondern auf den Muskel
direkt einwirkt und mit der Innervation in keiner direkten funktio-
nellen Beziehung steht. Ich möchte vorläufig nur die Tatsache fest-
halten, daß Adrenalin unter gewissen Bedingungen an derselben Ge-
fäßart sowohl einen vasodilatatorischen als constrictorischen Ge-
fäßBmechanismus auszulösen vermag, also von bivalen.
ter Wirkung seinkann. Ob wir für diese Wirkungsweise des
Adrenalins zwei verschiedene reizübertragende anatomische Sub-
strate bzw. nur eines annehmen müssen, oder als Angriffspunkt
den Muskel selbst betrachten können, will ich hier nicht durch
theoretische Erörterungen zu entscheiden versuchen, obwohl
meine wiedergegebenen allgemeinen und speziellen Resultate
mich dazu verleiten, die ich aber für bindende Schlüsse nicht hin-
reichend erachte. Ohne meinen experimentellen Daten, welche
für die Untersuchung dieses Problems ausgeführt wurden, vor-
greifen zu wollen, neige ich zu der letzten Hypothese einer direkten
Muskelwirkung. Aber nicht in dem. Sinne wie Cannon und
Lyman!), welche den jeweiligen Tonuszustand der Gefäße für
1) Cannon und Lyman, Amer. journ. of physiol. 31, 376. 1913.
328 E. Rothlin:
den Eintritt eines constrictorischen bzw. dilatatorischen Effektes
verantwortlich machen, alle meine Erfahrungen sowohl. am
überlebenden Organ als in vivo sprechen gegen diese Ansicht.
Die schr lange Erregbarkeit überlebender Gefäße, das Fehlen von
nervösen Organen mit zentralen Funktionen in den Gefäßen,
die identische Adrenalinwirkung nach degeneriertem peripheren
Nervennetz in denselben und der ganz zweifelhafte Nachweis
von speziellen anatomischen definierten Vasodilatatoren (aus-
genommen jene des autonomen Systems) bestärken mich in meiner
Annahme. Nachdem ich die Wirkungsweise von anorganischen
vasotonisierenden Substanzen als nächste Fortsetzung dieser
Arbeit mitgeteilt habe, werde ich auf dieses Problem des Angriffs-
punktes der vasotonisierenden Substanzen zurückkommen. Dort
werde ich mich auch mit den hier genannten Hypothesen und den
Ansichten anderer Autoren über diesen Gegenstand auseinander-
zusetzen haben.
Die experimentellen Ergebnisse über die Wirkungsweise des
ß-Imidazolyläthylamins oder Hista mins an überlebenden
Gefäßen sind ebenfalls nicht einheitlich. Ich verweise den Leser
auf die tabellarische Übersicht S. 320. Isolierte Gefäßstreifen und
die Gefäße des Kaninchenohres werden durch Histamin durch-
wegs in auch für Adrenalin wirksamen Dosen kontrahiert. Die
künstlich durchströmten Gefäßgebiete des Frosches unterscheiden
sich davon in qualitativer und quantitativer Hinsicht. Diese
Gefäße sind allgemein gegenüber Histamin weniger erregbar, mit
Ausnahme der Lungengefäße, wo in bezug auf Er-
regbarkeit für Adrenalin und Histamin ein guter
Parallelismus besteht. Der qualitative Unterschied gegen-
über den isolierten Gefäßstreifen äußert sich dadurch, daß die Ge-
fäße destotaldurchströmten Frosches, desSplanchnicusgebietesund
der Lungen durch geringste Histamindosen dilatiert, durch stärkere
Dosen dagegen kontrahiert werden. Der dilatatorische Effekt ist
zwar schwer zu treffen, wurde aber sicher konstatiert. Dale und
Laidlaws beobachtete Diskrepanz im Verhalten des Blutdruckes
in vivo gegenüber Histamin bei Hund und Katze einerseits, beim
Kaninchen und Meerschweinchen anderseits findet gewissermaßen
ein Analogon in meinen Versuchen beim Frosche. Dale und Laid-
law fanden aber, daß die Histaminwirkung beim Kaninchen vom
Grade der Narkose weitgehend abhängig ist, indem bei schwacher
Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. III. 329
Narkose Blutdrucksenkung, bei intensiver Narkose dagegen Blut-
druckerhöhung auftrat. Es scheint doch daraus hervorzugehen, daß
die aussehließlich vasodilatatorische Histaminwirkung nicht: die
ursprüngliche periphere Gefäßwirkung darstellt, sondern evtl. eine
zentral nervös bedingte Erscheinung ist. Dies ist um so wahr-
scheinlicher, als wir wissen, daß Histamin schon in geringen
Dosen, dem Organismus auf intravenösem Wege einverleibt, zu
einem schockartigen Zustande führt. Meine Ergebnisse an künst-
lich durchströmten Gefäßgebieten des Frosches dürften vielleicht
eine Brücke schlagen zwischen der ausschließlich vasoconstric-
torischen Wirkungsweise des Histamins auf isolierte Gefäßstreifen
und isolierter, künstlich durchströmter Organe von Warmblütern
(Dale und Laidlaw) einerseits und dem ausschließlich vaso-
dilatatorischen Histamineffekt in vivo bei gewissen Tieren ander-
seits. Meine Versuchsresultate veranlassen mich daher zur An-
nahme, daß Histamin gewisse Gefäßgebiete unter bestimmten
Bedingungen (Tierart und Konzentration) sowohl zu dilatieren
als zu kontrahieren vermag. Eine Gefäßerweiterung würde aber
nur durch geringste Dosen und bei gewissen Tierarten als ein Aus-
druck eigentlicher peripherer Gefäßwirkung zu betrachten sein,
stärkere Dosen dagegen ausschließlich und alle Gefäße vasocon-
strictorisch beeinflussen. Der in vivo beobachtete dilatatorische
Effekt wäre nicht eine periphere, sondern eine reflektorische, durch
Histamin affizierter Zentren ausgelöste Gefäßerscheinung. Daß
es sich nicht um eine einfache Diskrepanz zufolge verschiedenem
Verhalten der Gefäße verschiedener Tierarten handeln kann,
geht aus den Angaben von Dale und Laidlaw hervor, denn die
Gefäße isoliert durchströmter Organe werden durch Histamin
sowohl bei Hund und Katze als beim Kaninchen und Meerschwein-
chen kontrahiert.
Ich unterlasse es, hier eingehend einer Beziehung zwischen
der Histaminwirkung und der Gefäßinnervation bzw. Angriffs-
punkt desselben nachzugehen. Doch will ich bemerken, daß eine
scharfe Trennung, wie sie in dieser Hinsicht zwischen Adrenalin
und Histamin allgemein üblich ist, indem Adrenalin via Sympathi-
cus, Histamin dagegen auf den Gefäßmuskel direkt wirke, mir nicht
statthaft erscheint. Dagegen sprechen die Möglichkeit einer
bivalenten Wirkungsweise auf gewisse Gefäße durch Histamin
und das gegensinnige Verhalten der Blutgefäße verschiedener
330 E. Rothlin:
Tierarten in vivo. Mit Sicherheit läßt sich nur soviel sagen, daß
Histamin in seiner Wirkungsweise nicht die intimen funktionellen
Analogien mit der Sympathikusreizung aufweist wie das Adre-
nalin. Damit scheint mir aber über den Angriffspunkt weder für
die eine noch die andere vasotonisierende Substanz etwas Ein-
deutiges ausgesagt zu sein.
Pituglandol bzw. Infundibularextrakt von Hoffmann
La Roche ergibt die zuverlässigste Wirkung beim Kaninchenohr,
während die isolierten Gefäße durch Pituglandol verglichen mit
Adrenalin nur wenig erregbar sind; der mit Sicherheit beobachtete
Erfolg ist stets eine Kontraktion. Darin unterscheidet sich Pitu-
glandol sowohl gegenüber Adrenalin als Histamin. Übereinstim-
mend mit Histamin ist die Wirkung des Pituglandols auf die Gefäße
des Frosches, und bei den Lungengefäßen des Frosches läßt sich
mit Pituglandol der vasodilatatorische und constrictorische Gefäß-
mechanismus ebensogut nachweisen wie mit Adrenalin und besser
als mit Histamin. Da wir bei jedem Hypophysenextrakt mit
einem Gemisch von chemisch noch wenig definierten Substanzen
arbeiten, deren physiologische Wirkungen auch verschieden sind,
so ist das Ergebnis stets die Resultante von verschiedenen Reizen.
Es scheint mir nun mehr als gewagt, aus der dem Adrenalin ent-
gegengesetzten Wirkungsweise des Pituglandols auf isolierte
Nierenarterien mit Pal!) zu schließen, daß Pituglandol über das
parasympathische System wirke. Dasselbe gilt für Baehr und
Pie k)), wenn sie behaupten, daß ,,Hypophysin ausnahmslos dem
Adrenalin antagonistische“ Wirkungen auf die Gefäße des Frosches
habe, und daraus eine Beziehung mit dem Parasympathicus her-
leiten. Die tabellarische Übersicht meiner diesbezüglichen Re-
sultate überzeugt, daß dem nicht so ist. Ich halte es so lange für
verfrüht, über diesen Gegenstand ein sicheres Urteil fällen zu
können, als wir nicht wissen, mit wieviel und was für Substanzen
wir es in dem Hypophysenextrakte zu tun haben. Die experi-
mentellen Daten in vivo sind in dieser Beziehung gar nicht ein-
heitlicher und es dürfte dieselbe Ursache zugrunde liegen.
Das Lienin, das wirksame Prinzip der Milz hat auf über-
lebende Gefäße ganz analoge vasotonisierende Wirkungen wie
1) Pal, Wien. med. Wochenschr. 1909, Zentralbl. f. Physiol. 23, 253. 1909.
2) Baehr und Pick, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 74,
65. 1913.
Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. III. 331
das Histamin. Die Versuche in vivo haben wohl zufolge des noch
unreinen Produktes zu keinen einheitlichen Resultaten geführt,
aber es wurde sowohl Blutdrucksenkung als Blutdruckerhöhung
beobachtet, also vielleicht auch hier eine Analogie mit Histamin.
Ich unterlasse bei der übereinstimmenden Wirkungsweise der beiden
Substanzen auf überlebende Gefäße eine weitere Besprechung.
Aus dieser Analogie der physiologischen Wirkungsweise soll aber
nicht auf eine Identität der chemischen Konstitution geschlossen
werden. Darüber wird die chemische Analyse zu entscheiden
haben. |
Auch die vasotonisierenden Eigenschaften des Blutser ums
bzw. des defibrinierten Blutes stimmen mit jenen von
Histamin und Lienin überein. Im Oxalatblut konnte bisher mit
Sicherheit nur Adrenalin nachgewiesen werden, dessen Wirkungs-
weise wir oben abgehandelt haben.
| Schlußfolgerung.
Die Ergebnisse vorliegender Untersuchungen der drei Abhand-
lungen an überlebenden Gefäßen können, wie folgt, zusammen-
gefaßt werden. 3
I. Allgemeiner Teil. Die Ergebnisse der Untersuchungen
tiber allgemeine Eigenschaften und deren Leistungsfahigkeit als
Testobjekt.
1. Isolierte Gefäßstreifen weisen in Ringerlös ung
einen selbständigen Tonus auf. Bei der Einstellung eines
GefaBstreifens in den mittleren Tonuszustand sind drei Phasen
zu erkennen, a) die Deh nungs phase, b) die Phase der sekun-
dären Retraktion und c) die definitive Phase des mitt-
leren Tonus. Die erforderlichen Versuchsbedingungen für diese
Einstellung sind: geeignete Belastung, Körpertemperatur
und kontinuierliche Versorgung mit Sauerstoff. Der
Sauerstoff muß für isolierte GefaBstreifen als sehr wirksames.
tonisierendes Agens betrachtet werden; er kommt im
Gegensatz zu den Angaben von Loening in Ringerlösung
also bei Ausschluß jeder vasotonisierenden Substanz eben-
sogut wie in Serum zur Geltung. Der Tonus ist in
Ringer geradezu eine Funktion des О, - Druckes und
stellt ein labiles Gleichgewicht dar, ein Plus an O, steigert,
ein Minus an O, erniedrigt den Tonus. Die Einstellung und
332 E. Rothlin:
die Erhaltung im mittleren Tonuszustand unter stän-
diger O,-Versorgung ist für die normale Erregbarkeit
und Leistungsfähigkeit von Gefäßstreifen in qualita-
tiver und quantitativer Hinsicht ein unbedingtes Er-
fordernis.
2. Der mittlere Tonuszustand isolierter Gefäßstreifen ist
häufig dadurch charakterisiert, daß mehr oder weniger aus-
gesprochene rhythmische Schwankungen auftreten. Diese
rhythmische Tätigkeit zeigt folgende. Merkmale: größte Varia-
bilität in der Form, Frequenz und Amplitude. Die Fre-
quenz ist allgemein sehr träge, die Amplitude erreicht sehr
selten einen größeren Verkürzungsgrad als 10%, der Länge des
Gefäßstreifens. Ausgesprochener Rhythmus bei isolierten
Gefäßen und künstlich durchströmten Gefäßen kann auch in
reiner mit O,-gesattigter Ringerlösung beobachtet werden.
Tonuserhöhende chemische Agenzien lösen häufig rhyth-
mische Tätigkeit bei überlebenden Gefäßen aus, welche in
Ringerlösung keinen Rhythmus zeigen. Tonusherabsetzende
Substanzen lösen nie Rhythmus aus und hemmen einen
schon bestehenden Rhythmus. Der Sauerstoff hat nicht nur
einen günstigen Einfluß, sondern kann wie andere vasoconstric-
torische Reize Rhythmus auslösen. Auch kommt die rhythmus-
auslösende Eigenschaft vasoconstrictorisch wirksamer Reize nur
bei genügender O,-Versorgung gut zur Geltung.
II. Spezieller Teil. Ergebnisse über die spezielle Wirkungs-
weise vasotonisierender Substanzen auf überlebende Gefäße.
1. Reines peripheres Oxalatblut bzw. Normalblut
ist entweder inaktiv oder besitzt eine schwach vasotoni-
sierende Wirkung, welche nur dem Adrenalin eigen
sein kann. Wenn Oxalatblut eine andere vasotonisierende Eigen-
schaft aufweist, so ist dieselbe auf ein Kunstprodukt zurückzu-
führen, welche mit dem Gerinnungsprozesse im genetischen
Zusammenhange steht. Diese vasotonisierende Eigenschaft
kommt dann jener des Blutserums gleich.
2. Das Blutserum bzw. das def. Blut hat eine a usschließ-
lich vasoconstrictorische Wirkung auf isolierte Gefäßstreifen,
dieselbe darf daher nicht als „adrenali nähnlich“ bezeichnet
werden, denn gewisse Gefäßstreifen werden durch Adrenalin ein-
deutig dilatiert. Da diese ausschließlich vasoconstrictorische Eigen-
Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. Ш. 333
schaft des Blutserums im reinen Oxalatblut bzw. Normalblute
nicht vorkommt und ein an sich inaktives Oxalatblut durch
„spontane“ Gerinnung während eines Versuches eine ebenso
starke ausschließlich vasoconstrictorische Eigenschaft
gewinnt wie das Blutserum, muß diese Substanzalsein Pro-
dukt der Gerinnung betrachtet werden. Diese vasoconstric-
torische Eigenschaft ist allen Sera mit quantitativen Unterschie-
den eigen und für diejenigen der untersuchten Tierarten (Rindvieh,
Pferd, Schwein, Schaf und Kaninchen) in der Wirkung einheitlich,
sie ist nicht spezifisch, thermostabil, dialysierbar und alkohollöslich.
Die „O, aktivierende“ Rolle des Blutserums für die
Wirkungsmöglichkeit des Sauerstoffes auf isolierte Gefäß-
streifen, wie dies Loening annimmt, ist eine müßige An-
nahme, da der Sauerstoff auch in bloßer Ringerlösung
ebensogut zur Wirkung gelangt, im Blutserum aber deut-
licher sein kann zufolge der stark vasoconstrictorischen Eigen-
schaft desselben, welche sich zur tonisierenden Wirkung des
Sauerstoffes addiert.
3. A. Adrenalin hat auf die Mehrzahl der untersuchten
überlebenden Gefäße verschiedener Organgebiete eine aus-
schließlich vasoconstrictorische Wirkung; so auf die iso-
lierten Gefäßstreifen der Extremitäten, Mesenterialarterien, Magen-
und Milzarterien, sowie auf die Gefäße künstlich durchströmter
Extremititeu, Splanchnicusgebiet und Totaldurchströmung beim
Frosche, ferner beim Kaninchenohr.
B. Adrenalin vermag anderseits unter gewissen Bedin-
gungen sowohl den vasoconstrictorischen als den vaso-
dilatatorischen Gefäßmechanismus bei demselben Gefäß-
Bubstrate zu erregen, es kann somiteinebivalenteReaktions-
weise auslösen. Diese Bedingungen für letztere habe ich vor
läufig in drei Gesichtspunkten zusammenfassen können: a) sie
tritt nur bei Gefäßen gewisser Organgebiete auf, b) es bestehen
diesbezüglich bei verschiedenen Tierarten Unterschiede,
c) sie ist abhängig von der Intensität des Adrenalinreizes,
indem kleinste und stärkere Dosen eine entgegengesetzte Wirkung
ausüben. Isolierte Nierenarterien im proximalen und distalen
Abschnitte können durch kleinste Dosen dilatiert, durch stärkere
Dosen kontrahiert werden, ebendasselbe treffen wir bei den künst-
lich durchströmten Lungengefäßen des Frosches an. Während
Biochemische Zeitschrift Band 111. 22
334 E. Rothlin:
die Herz kranzarterien vom Typus bovinus durch kleinste
Adrenalindosen wahrscheinlich kontrahiert werden können, 186
der typische Adrenalineffekt auf stärkere Dosen eine kräftige
Erweiterung. Die Herzkranzgefäße vom Typus equinus
werden durch Adrenalin in allen wirksamen Dosen
ausschließlich kontrahiert. Die Erregbarkeit derselben
wurde zwar als ganz normal gefunden; der Verkürzungsgrad
erreicht aber, verglichen mit anderen Gefäßen, nur sehr geringe
Grade, was eine anatomische Unterlage hat, indem die Muscularis
im Verhältnis zur Elastica nur schwach ausgebildet ist. Die Ge-
fäße der Lunge werden durch Adrenalin im Vergleich
zu den übrigen Gefäßgebieten des Frosches nur durch stärkere
Dosen erregt.
4. В - Imidazolyläthyla min, das Histamin, weist eben-
falls kei ne einheitliche Wirkungsweise auf die überlebenden
Gefäße auf. Isolierte Gefäßstreifen, das Kaninchenohr, die Hinter-
extremität des Frosches werden ausschließlich vasoconstrictorisch
beeinflußt, die Splanchnicusgefäße, die Lungengefäße des Frosches
können offenbar durch kleinste Dosen dilatiert, durch stärkere
Dosen kontrahiert werden. Diese bivalente Wirkungsweise
bzw. die ausschließliche Dilatation ist zwar schwer zu treffen,
wurde aber sicher beobachtet. In der Erregbarkeit gegen-
über Histamin besteht bei isolierten Gefäßstreifen und
dem Kaninchenohr einerseits, den künstlich durchströmten
Gefäßgebieten des Frosches anderseits ein wesentlicher
Unterschied, die ersteren sind auf Histamin in relativ viel
kleineren Dosen, auBerdem regelmäßiger erregbar als die
letzteren. Ferner können bei den Gefäßen des Frosches inner-
halb der untersuchten Dosen absolute Versager auftreten.
5. Pituglandol wirkt auf isolierte Gefäßstreifen, das Kanin-
chenohr und die Froschhinterextremität, wenn überhaupt, aus-
schließlich vasoconstrictorisch. Bei künstlicher Durchströmung
des ganzen Frosches, sowie bei dessen Splanchnicus- und Lungen-
gefäßen kann durch geringe Dosen eine Dilatation, durch stärkere
Dosen eine Kontraktion ausgelöst werden. Diese bivalente
Wirkungsweise des Pituglandols ist an den Lungengefäßen
am sichersten nachweisbar. Das Kaninchenohr erwies sich
aber als das durch Pituglandol am regelmäßigsten beeinflußte
Testobjekt.
Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. III. 335
6. Lienin, ein aktives Prinzip der Milz, verhält sich in seinen
vasotonisierenden Eigenschaften ganz analog dem Histamin,
sowohl gegenüber isolierten Gefäßstreifen wie dem Kaninchenohr
und den künstlich durchströmten Gefäßgebieten des Frosches.
Es bestehen auch dieselben Verhältnisse in bezug auf die Erreg-
barkeit der verschiedenen untersuchten überlebenden Gefäße.
7. Ein ständiger Vergleich der Resultate über die Wirkungs-
weise der untersuchten vasotonisierenden Substanzen an über-
lebenden Gefäßen mit jenen in vivo gewonnenen, ergibt keine
prinzipiellen Unterschiede. Da, wo Differenzen bestehen, sind die
in vivo bisher gemachten Beobachtungen nicht eindeutig.
8. Auf Grund der gewonnenen Resultate an überlebenden
Gefäßen wird weiterhin das Problem über die Wirkungsweise
vasotonisierender Substanzen und der Innervation der Gefäße
bzw. dem Angriffspunkte dieser chemischen Agenzien diskutiert.
Trotz der geübten Vorsicht bei der Bewertung meiner Ver-
suchsergebnisse an überlebenden Gefäßen dürften die einleitend
gehegten Hoffnungen nicht getäuscht sein. Im Gegenteil. Bei
der überraschenden prinzipiellen Übereinstimmung der Versuchs-
resultate am überlebenden Organ mit jenen in vivo dürften durch
diese Studien unsere Kenntnisse über die allgemeinen Eigenschaften
und die Leistungsfähigkeit der Gefäßmuskulatur, über die spezielle
Wirkungsweise der untersuchten vasotonisierenden Substanzen,
sowie über das Problem des Gefäßmechanismus überhaupt, nicht
nur ausgedehnt, sondern auch vertieft worden sein. Diese Resul-
tate an überlebenden Gefäßen zeugen dafür, daß die in vivo
beobachteten Erscheinungen an den Gefäßen zum allergrößten
Teile der Ausdruck deren selbständigen Funktionen sind.
Berichtigung.
In Band 109 auf Seite 207 ist statt der Tabellenüberschrift
„zu addierender Salzfehler“
zu lesen:
| „zu subtrahierender Salzfehler“.
22”
Autorenverzeichnis.
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Baumgardt,Gertrudu.Maria
Steuber. Ein Beitrag zur Kennt-
nis des Gaswechsels bei Knaben.
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Kenntnis der Gewöhnung. IV.
Über Gewöhnung an Kodeinderi-
vate (Eukodal und Parakodin).
S. 91.
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Blutkörperchen. Zur Physiologie
des Blutzuckers. IV. S. 189.
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Blutserum. XI. Hyperphosphat-
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nis der Wirkung des Kohlenoxyds.
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zur Physiologie der Hefe. S. 17.
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die Note von J. Traube. S. 105.
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der adialysabeln Bestandteile des
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Kenntnis der Urease. Zugleich ein
Beitrag zum Studium der Gift-
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zum Studium der Giftwirkungen.
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des Thiodiglykols und seiner Deri-
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auf Serumlipase. S. 166.
Rothlin, E. Experimentelle Studien
über die Eigenschaften überleben-
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über die Wirkungsweise einiger
chemischer, vasotonisierender Sub-
stanzen organischer Natur auf
überlebende Gefäße. IL S. 257.
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chemischer, vasotonisierender Sub-
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überlebende Gefäße. III. S. 299.
Stepp, Wilhelm und Wilhelm
Engelhardt. Uber die quanti-
tative Bestimmung von Aceton und
Aldehyd in ein und derselben
Flüssigkeit. S. 8.
Steuber, Maria s. Baumgardt.
Stosius, Karlu. Karl Wiesler.
Uber den Ort der Doppelbindung
bei der Ricinolsäure. S. 1.
Straub, H. und Klothilde Meier.
Blutgasanalysen. VII. Der Einfluß
von Bor, Aluminium und Lanthan
auf Hämoglobin und Zelle. S. 45.
— — Blutgasanalysen. УШ. Der
Einfluß einiger Digitalisk örper auf
die Ionendurchgängigkeit mensch-
licher Erythrocyten. S. 67.
Wiesler, Karl s. Stosius.
Biochemische Zeitschrift. Bd. 111, Н. 4/6.
Gute Bücher für Weihnachten!
Soeben erschien:
Geschichte der organischen Chemie
Erster Band
von
Professor Dr. Carl Graebe
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Preis M. 28.—; gebunden M. 41:60
... Wir haben in Graebes Geschichte der organischen Chemie ein Werk
erhalten, das auf tiefgründigen Studien, auf eigenen Erlebnissen und auf echter
Sachlichkeit aufgebaut ist. Nirgends merkt man etwas von einseitiger Stellung-
nahme, und so warmherzig Graebe sein Thema vorträgt, überall hat er das Für
und Wider genau abgewogen und sich immer bemüht, gerecht zu sein. Er hat,
wie auch Edv. Hjelt, als wirklicher Historiker eben über den Ereignissen ge-
standen und nie dem Gefühle und persönlichen Empfinden die Herrschaft über
den Verstand oder über die Gerechtigkeit gegeben...
Graebes Buch sei allen Chemikern wärmstens empfoh-
len,besondersaber der studierenden Jugend. Man kann eine
Wissenschaft nur dann voll und ganz verstehen, wenn man ihre Geschichte kennt.
Wie atmete der Strebende seinerzeit auf, als ihm die grundlegenden Abhandlungen
mit den nötigen Kommentaren in Ostwalds Klassikern erschlossen wurden. Durch
Graebes Geschichte der organischen Chemie hat es die heutige Generation noch
viel leichter, sie findet das Wesentlichste anregend, klar und sachlich, gleich in
die großen Zusammenhänge eingereiht, vor. Möchte das wertvolle, würdig aus-
gestattete Buch recht viel und fleißig gelesen werden!
Е. „Naturwissenschaften”, Heft 40, 1920)
Entstehung und Ausbreitung
der Alchemie
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Direktor der „Zuckerraffinerie Halle“ in Halle a. S.
1919 — Preis M. 36.—; gebunden M. 45.—
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geschichte von großer Bedeutung und wird infolge seiner Reichhaltigkeit und
Gründlichkeit als Quellenwerk vielfach benutzt werden. Es besitzt aber auch
für einen weiteren Leserkreis ein entschiedenes Interesse, denn trotz der Häufung
der Angaben und Einzelheiten hat es der Veriasser verstanden, kein trockenes
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(Literaturblatt der Frankfurter Zeitung, Nr. 12, 1919.)
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