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Full text of "Biochemische Zeitschrift 111.1920"

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Biochemische Zeitschrift 


Beiträge 
zur chemischen Physiologie und Pathologie 


Herausgegeben von 
F. Hofmeister - Würzburg, C. von Noorden -Frankfurt a. M., 
E. Salkowski-Berlin, А. von Wassermann- Berlin 


unter Mitwirkung von 


M. Ascoli-Catania, L. Asher-Bern, 6. Bertrand-Paris, A. Blekel-Berlin, F. Blumenthal- 
Berlin, A. Bonanni-Rom, F. Bottazzi-Neapel, 9. Bredig-Karlsruhe i. B., A. Durig-Wien, 
F. Ehrlieh-Breslau, H. v. Euler-Stockholm, J. Feigl-Hamburg, 8. Flexner-New York, 
J. Forssman-Lund, 8. Fränkel-Wien, E. Freund-Wien, H. Freundlich-Berlin-Dahlem, 
E. Fried berger- Greifswald, E. Friedmann-Berlin, O. v. Fürth-Wien, 6. Galeotti-Neapel, 
F. Haber-Berlin-Dahiem, H. J. Hamburger-Groningen, P. Hari-Budapest, Е. Hägglund- 
Abo, A. Heffter -Berlin, V. Henri-Paris, V. Henriques-Kopenhagen, W. Heubner- 
Göttingen, R. Höber-Kiel, M. Jacoby-Berlin, A. Koch-Göttingen, F. Landolf-Buenos 
Aires, L. Langstein - Berlin, P. A. Levene-New York, L. v. Liebermann - Budapest, 
J. Loeb- New York, A. Loewy-Berlin, A. Magnus-Levy-Berlin, J. A. Mandel- New York, 
L. Mareblewski-Krakau, P. Mayer-Karlsbad, J. Melsenhelmer-Greifswald, L. Michael is- 
Berlin, H. Molisch-Wien, J. Morgenroth-Berlin, E. Miinzer-Prug, W. Nernst-Berlin, 
W. Ostwald-Leipzig, W. Palladin-St. Petersburg, W. Pauli-Wien, R. Pfeiffer-Breslau, 
Е. Р. Pick-Wien, J. Pohl- Breslau, Ch. Poreher-Lyon, P. Rona- Berlin, H. Sachs- 
Heidelberg, 8. Balaskin -St. Petersburg. A. Scheunert- Berlin, N. Sieber - St. Petersburg, 
8. P. L. Sörensen-Kopenhagen, K. Spiro- Liestal, E. Н. Starling-London, J. Stoklasae 
Prag, W. Straub Freiburg i. B., A. Stutzer- Königsberg і. Рг, K. Suto - Kanazawa, 
H. v. Tappeiner-München, H. Thoms-Berlin, P. Trendelenburg- Rostock, O. Warburg? 
erlin, W. Wiechowski-Prag, A. Wohl-Danzig, J. Wohlgemuth-Berlin. 


Redigiert von 
C. Neuberg-Berlin 


Hundertundelfter Band 


Berlin 
Verlag von Julius Springer 
1920 


* 


Druck der Spamerschen Buchdruckerei in Leipzig. 


Inhaltsverzeichnis. 


Stosius, Karl und Karl Wiesler. Über den Ort der Doppelbindung 
bei der Ricinolsäure . .. . 22 2 2 2 2 we ee en 
Stepp, Wilhelm und Wilhelm Engelhardt. Über die quantitative 
Bestimmung von Aceton und Aldelıyd in ein und derselben 
Flüssigkeit е BROS w ae о OA 
Köhler, Erich. Weitere Beiträge zur Physiologie der Hefe 
Pribram, Hugo und Gustav Herrnheiser. Zur Kenntnis der adia- 
lysabeln Bestandteile des Menschenharnes . . . 
Kochmann, M. Beitrag zur Kenntnis der Wirkung des Rohlenaxede 
Straub, H. und Klothilde Meier. Blutgasanalysen. VII. Der Einfluß 
-von Bor, Aluminium und Lanthan auf Hämoglobin und Zelle . 
— — Blutgasanalysen. VIII. Der Einfluß einiger Digitaliskörper auf 
die Ionendurchgängigkeit menschlicher Erythrocyten 
Baumgardt, Gertrud und Maria Steuber. Ein Beitrag zur Kenntnis 
des Gaswechsels bei Knaben 
Biberfeld, Johannes. Zur Kenntnis der Gewöhnung. IV. Über Ge- 
wöhnung an Kodeinderivate (Eukodal und Parakodin) 
Michaelis, L. Die Bedeutung der Magensalzsiure. Erwiderung auf 
die Note von J. Traubtunu 
Feigl, Joh. Uber das Vorkommen von Phosphaten im menschlichen 
Blutserum. XI. Hyperphosphatämie und „Salzretention“ bei 


Morbus-Brigthii ....... CCC 
Rona, P. und P. György. Zur Kenntnis der Urease. Zugleich ein 
Beitrag zum Studium der Giftwir kungen 


Rona, P. und H. Petow. Beiträge zum Studium der Giftwirkungen. 
Versuche über die Giftwirkung des Thiodiglykols und seiner Deri- 
vate an Sojabohnenurease . . e 

Rona, P. und E. Bach. Beiträge zum Studium der Giftwirkung. 
Uber die Wirkung des Atoxyls auf Serumlipasse 

Ege, Rich. Die Verteilung der Glucose zwischen Plasma und roten 
Blutkörperchen. Zur Physiologie des Blutzuckers. IV... . 

Rothlin, E. Experimentelle Studien über die Eigenschaften über- 
lebender Gefäße unter Anwendung der chemischen Reizmethode 

— Experimentelle Untersuchungen über die Wirkungsweise einiger 
chemischer, vasotonisierender Substanzen organischer Natur auf 


überlebende Gefäße. ii d 


— Experimentelle Untersuchungen über die Wirkungsweise einiger 
chemischer, vasotonisierender Substanzen organischer Natur auf 
überlebende Gefäße. II ................. 

Autorenverzeichnis Ss. Be dër fr. a er 


Seite 


105 


108 


115 


134 


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ur r chemischen Physiologie und Pathologie S AN 2 1962 


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WV Herausgegeben von | 
eister-Würzburg, C. von Noorden -Frankfurt a. бап панад 2 


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E. Freund-Wien, Н. F ch - Berlin-Dahlem, 
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P. A. Levene-New York, L. v. Liebermann- Budapest, 
Magnus- vy-Berlin, J. A. Mandel-New York, 
J. Meisenheimer "и өүү L. 

„ Miinzer-Prag, Nernst-Berlin, 
. Pauli -Wien, Re Pfeitfer-Breslau, 


Ch. Poreher- р. Rona -Berlin, I. 
Siober-St. Petersburg, 
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t. Petersburg, A. Scheune 
A J. St 


neben, H. Thoms-Berlin, 
echowski-Prag, A W Wohl-Danaig, J. W 


Redigiert von 
C. Neuberg-Berlin 


Hundertundelfter Band 


Erstes bis drittes Heft 


Ausgegeben am 9. November 1920 


| Berlin 
"Verlag von Julius Springer 
1920 


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дии Zeitschrift. Bd. 111, H. 1/3. 


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Pig “Biochemische Zeitschrift 


erscheint in zwanglosen Heften, die in kurzer Folge zur Aus- 
gabe gelangen; je sechs Hefte bilden einen Band. Der Preis 
eines jeden Bandes beträgt M. 48.—. Die Biochemische Zeit- 
schrift ist durch jede Buchhandlung sowie durch die unter- 
zeichnete Verlagsbuchhandlung zu beziehen, 


In der Regel können Originalarbeiten nur Aufnahme finden, wenn ste 
nicht mehr als 1'/, Druckbogen umfassen. Sie werden mit dem Datum des 
Eingangs versehen und der Reihe nach veröffentlicht, sofern die Verfasser 
die Korrekturen rechtzeitig erledigen. — Mitteilungen polemischen Inhalts 
werden nur dann zugelassen, wenn sie eine tatsächliche Richtigstellung ent- 
halten und höchstens 2 Druckseiten einnehmen. 

Manuskriptsendungen sind an den Redakteur, 

Herrn Prof. Dr. C. Neuberg, Berlin-Dahlem, Hittorfstr. 18, 
zu richten. 

Die Verfasser erhalten 60 Sonderabdriicke ihrer Abhandlungen kosten- 
frei, weitere gegen Berechnung. Für den 16 seitigen Druckbogen wird ein 
Honorar von M. 40.— gezahlt. 


Verlagsbuchhandlung Julius Springer 
Berlin W 9, Linkstraße 23/24. 


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111. Band. | Inhaltsverzeichnis. 1./3. Heft. 
Seite 
Stosius, Karl und Karl Wiesler. Über den Ort der Doppelbindung 
ber dOr RIGO MADRE е а ов а Дс ENKEN 


Stepp, Wilhelm und Wilhelm Engelhardt. ‘Uber die quantitative 
Bestimmung von Aceton und Aldehyd in ein und derselben 


Flussigkeit. ee ` 2 
Köhler, Erich. W eitere Beiträge zur physiologie der Hefe.. . 17 
Pribram, Hugo und Gustav Herrnheiser. Zur Kenntnis der adialy- 

sabeln Bestandteile des Menschenharnes . . 2 2 2 2 2 20. 30 


Kochmann, M. Beitrag zur Kenntnis der W irkung des Kohlenoxyds 39 
Straub, H. und Klothilde Meier. Blutgasanalysen. VII. Der Einfluß 
von Bor, Aluminium und Lanthan auf Hämoglobin und Zelle 45 
Straub, H. und Klothilde Meier. Blutgasanalysen. VIII. Der Ein— 
йш einiger Digitaliskörper auf die lonendurchgängigkeit mensch- 


licher ШИЮ РИШ 2.5 3:50. 2 e E ана e * 
Baumgardt, Gertrud und Maria Steuber. Ein Beitrag zur Kenntnis 

des Gaswechsels bei Knaben Е 83 
Biberfeld, Johannes. Zur Kenntnis der Gewöhnung. IV. Uber 

Gewöhnung an Kodeinderivate (Eukodal und Parakodin) . e SI 
Michaelis, L. Die Bedeutung der Magensalzsiiure . . 105 


Feigl, Joh. Uber das Vorkommen von Phosphaten im menschlichen 
Blutserum. XI. Hyperphosphatämie und „Salzreętentiou“ bei 


%/ ᷣ f 215 5 ⁰ VVVWulAn Bee ene DEEN . 108 
Копа, P. und P. Gyorgy. Zur Kenntnis der Urease. Zugleich ein e 
Beitrag zum Studium der Giftwirkungen . . 115 


Rona, P. und H. Petow. Beiträge zum Studium der Giftwirkungen. 
Versuche über die Giftwirkung des Thiodiglykols und seiner Deri- 
Vals Өй Bojabahneninehse. =. au ĩ A ж ж» 134 

Rona, P. und E. Bach, Beiträge zum Studium der Giftwirkung. 
Uber die Wirkung des Atoxyls auf Serumlip asse 166 


Uber den Ort der Doppelbindung bei der Ricinolsäure. 


Von 
Karl Stosius und Karl Wiesler. 


(Aus dem pathologisch-chemischen Laboratorium der Krankenanstalt 
Rudolfstiftung, Wien.) 


(Eingegangen am 31. Juli 1920.) 


Wie in einer vorhergehenden Abhandlung!) erwähnt, hatten 
wir bei der Darstellung der — als Ausgangsmaterial für die 
Elektrosynthese der Tetradekamethylendicarbonsäure benötig- 
ten — Azelainsäure aus Ricinusöl Gelegenheit zu einigen bemer- 
kenswerten Beobachtungen, über welche wir hier berichten wollen. 

Für die Darstellung der Azelainsäure aus Ricinusöl kamen 
zwei Methoden in Betracht: die Oxydation des Ricinusöls mit 
Salpetersäure?) oder die Oxydation der Ricinolsäure in al- 
kalischer Lösung mit Kaliumpermanganat nach Maquenne?). 
Mit Rücksicht auf die Ausbeute wählten wir die letztere Methode, 
nach welcher angeblich die Azelainsäure in einer Menge von 
25% der verwendeten Ricinolsäure erhältlich sein soll. Wir 
erhielten auch ungefähr die angegebene Menge Dicarbonsäure, 
jedoch erwies sich diese als ein Gemisch fast gleicher Teile Azelain- 
säure und Korksäure. 

Als Ursache für die Bildung der Korksäure neben der Azelain- 
säure sind drei Möglichkeiten denkbar, nämlich a) daß in der 
Ricinolsäure zwei Isomere im Gleichgewicht vorhanden sind 

CH; - (CH,), CHOH. CH, - CH = CH. (CH,),- COOH = 
CH; - (CH),), - СНОН. (CHA. CH = ОН. (CH,), - COOH 
oder b) daß die Korksäure erst durch Oxydation der primär 
gebildeten 4 Azelainsäure entsteht, oder c) daß das unter a) er- 


) Diese Zeitschr. 108, 75. 1920. 
1 Arppe, Ann. 120, 288; 124, 86. 
) Bl. (3) 21, 1061. 1899. 


Biochemische Zeitschrift Band 111. : 


2 K. Stosius und K. Wiesler: 


wähnte Gleichgewicht sich erst in der alkalischen Lösung einstellt. 
Der Fall a) wird scheinbar durch Behrends Strukturbeweis!) 
ausgeschlossen. Es wird dort für die aus der Ricinolsäure dar- 
gestellte Ketooxystearinsäure durch die Beckmannsche Umlage- 
rung des Oxims und Spaltung der Umlagerungsprodukte folgende 
Formel bewiesen: 


CH, - (CH,), - CHOH - CH = СН. CO. (CH,),COOH . 


Daraus rückschließend werden folgende zwei Möglichkeiten 
für die Stelle der Doppelbindung in der Ricinolsäure abgeleitet: 


СН, . (СН,), · CHOH - CH, - CH = СН. (CH,), COOH 
oder 

CH, . (СН,), · СНОН. (CH,),CH = CH - (CH,), СООН. 

Die Wahl zwischen diesen beiden wird nun auf Grund der 
Tatsache getroffen, daß bei der Oxydation Azelainsäure ent- 
steht; da die zweite Formel dies nicht zu erklären vermag, wird 
die erste als richtig angenommen. Dieser Schluß ist aber nicht 
ganz einwandfrei; denn die von Arppe bei der Oxydation des 
Ricinusöls mit HNO, und nun auch in dieser Arbeit bei der 
Oxydation der Ricinolsäure mit KMnO, in alkalischer Lösung 
konstatierte Tatsache, daß neben der Azelainsäure auch Kork- 
säure entsteht, läßt noch die zweite Möglichkeit offen. 

Die Entscheidung brachte erst die kürzlich veröffentlichte 
Arbeit Noorduyns?), der für die Ricinolsäure durch Spaltung 
des Ozonids nach der Methode von Harries die erstgenannte 
Formel bewies. 

Was den Fall b) betrifft, so haben wir auf Azelainsäure in 
alkalischer Lösung eine Lösung von KMnO, unter den gleichen 
Konzentrations- und sonstigen Bedingungen einwirken lassen 
wie bei der Oxydation der Ricinolsäure, konnten aber im Reak- 
tionsprodukt keine Spur von Korksäure nachweisen. Schmelz- 
punkt, Titer und Kristallform waren völlig unverändert ge- 
blieben. Es kann also die Korksäure nicht durch Weiteroxydation 
der Azelainsäure entstanden sein. Nach Ausscheidung der beiden 
anderen Möglichkeiten bleibt nur die unter c) erwähnte An- 
nahme möglich, daß durch die Einwirkung des Alkali die Doppel- 
bindung teilweise um ein C-Atom gegen die Carboxylgruppe 

1) B. 29, 806. 1896. | 

2) C. 1920, I, 731 (Rec. trav. chim. Pays-Bas 38, 317. 1919). 


Ort der Doppelbindung bei der Ricinolsäure. - 3 


hin verschoben wird, und zwar wäre dann auf Grund der Mengen- 
verhältnisse der Ausbeuten an Azelainsäure und Korksäure das 
Gleichgewicht als ziemlich in der Mitte liegend anzunehmen. 

Diese Annahme steht in Analogie mit dem Ergebnis der um- 
fassenden Arbeiten Fittigs und seiner Mitarbeiter 1), durch 
welche nachgewiesen wurde, daß durch Einwirkung von sieden- 
dem Alkali auf Aaf oder APr ungesättigte einbasische Säuren 
die Doppelbindung teilweise verschoben wird, und zwar derart, 
daß immer ein Gleichgewicht zwischen der 4 f- und der APr-Säure 
entsteht; daneben tritt auch Wasseranlagerung unter Bildung 
der ß-Oxysäure ein. 

Ähnlich dürfte es sich auch bei der Ricinolsäure verhalten. 
Bei der Oxydation des Gemisches beider Isomere entsteht dann aus 

CH, . (CH); · CHOH . CH, - CH = СН. (CH,), COOH 
die Azelainsäure und aus. 

СН, - (CH,), - CHOH - (CH.) - CH = СН. (CH,), - COOH 
die Korksäure. 

Fittig hat außer den 4*f und Ar ungesättigten Säuren 
nur eine Arò-Säure, die Allylessigsäure?) auf ihr Verhalten gegen 
Alkali untersucht und konstatiert, daß eine Verschiebung der 
Doppelbindung in der Richtung gegen die Carboxylgruppe nicht 
eintritt. Dadurch ist aber die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, 
daß die Verschiebung ähnlich wie bei den A«#-Säuren in der 
entgegengesetzten Richtung eintritt und wieder ein Isomeren- 
paar — die 4r3- und die A°:-Säure — liefert. Ubergeht man 
dann das folgende Paar — die 4. und die 4°”-Säure, über 
welche keine Beobachtungen vorliegen —, so kommt man zu 
dem Isomerenpaar der 4% und der 4°:-Säure, zu welcher 
Gruppe der Fall. der Ricinolsäure in Analogie stünde. 

Diese Analogie wird durch folgendes Schema übersichtlich 
gemacht, in welchem je drei zusammengehörige Kohlenstoff- 
atome — entsprechend je zwei isomeren ungesättigten Säuren — 
durch eine Klammer verbunden sind: 


1) В. 24, 82. 1891; 26, 40. 1893; 27, 2676. 1894. 
3) В. 2%, 2676. 1894. 
1* 


4 K. Stosius und K. Wiesler: 


Die Analogie erstreckt sich auch auf die Tatsache, daß die 
aus der Ricinolsäure dargestellte Ricinstearolsäure — für welche 
ebenfalls die Möglichkeit von zwei Isomeren denkbar ist — durch 
Wasseranlagerung immer zur ö-Ketooxystearinsäure führt, ebenso 
wie durch Wasseranlagerung an die AH. oder die Afr-Säure 
immer die 8-Oxysäure entsteht, der Sauerstoff also an das mittel- 
ständige C-Atom tritt. 

Die Annahme einer teilweisen Verschiebung der Doppel- 
bindung in der Ricinolsäure durch Einwirkung der siedenden 
Kalilauge vermag also das Auftreten der Korksäure neben der 
Azelainsäure zu erklären und wird durch die Analogie mit Fittigs 
Arbeiten gerechtfertigt, wäre jedoch wohl noch durch einen 
direkteren Beweis zu bekräftigen. 


Experimenteller Teil. 


Darstellung der Ricinolsäure. 


Die Verseifung der Ricinolsäure geschah mit überschüssiger alkoho- 
lischer Natronlauge. 150g Ricinusöl wurden mit 240 ccm einer 4 normalen 
alkoholischen Natronlauge eine halbe Stunde lang auf dem Wasserbade 
erwärmt und dann einige Minuten gekocht. Hierauf wurde die Lösung mit 
dem gleichen Volumen heißen Wassers verdünnt und mit verd. Schwefel- 
säure angesäuert. Die Ricinolsäure schied sich als unlösliches Öl an der 
Oberfläche ab. Sie wurde mit heißem Wasser gewaschen und bei 100° 
getrocknet. Die Ausbeute betrug 135 g Ricinolsäure, d. i. 90% vom Ge- 
wichte des Ricinusöls. 


Oxydation der Rleinolsäure nach Maquenne. 


Diese rohe Ricinolsäure wurde der Oxydation unterworfen. 30g 
Ricinolsäure wurden mit 200 ccm einer 40 proz. Kalilauge versetzt und mäßig 
gekocht. Die zähflüssige Seife wurde auf einmal in einen 21 fassenden Kolben 
gegossen, der 75g KMnO, in 11 lauwarmem Wasser enthielt. Als kein 
festes KMnO, mehr am Boden des Kolbens vorhanden war, wurde noch 
eine halbe Stunde auf dem Wasserbade.erwirmt. Nun wurde mit heißer 
1: 3 verdünnter Schwefelsäure (90 g H,SO,) bis eben zur sauren Reaktion 
versetzt, und zwar in ganz kleinen Portionen, da die Mischung sich dabei 
stark erhitzte und infolge der Entwicklung von CO, aufschäumte. Dabei 
wurde der äußerst charakteristische Geruch des Önanthols beobachtet, der 
aber später wieder verschwand. 

Nach Beendigung der Reaktion wurde die heiße Flüssigkeit filtriert, 
der Rückstand auf dem Filter gründlich mit heißem Wasser gewaschen und 
schließlich noch mit Wasser ausgekocht, da er viel organische Substanz 
hartnäckig festhält. | 

Die vereinigten Filtrate wurden auf 500ccm eingeengt. Nach dem 
Abkühlen trat reichliche Kristallisation ein, welche aber nur aus anorga- 


Ort der Doppelbindung bei der Ricinolsäure. 5 


nischer Substanz — K,SO, — bestand. Auch bei öfterer Wiederholung 
gelang es nie, nach der Oxydation von je 30 g Ricinolsäure durch Einengen 
des Filtrats auf 500 ccm eine Kristallisation von Azelainsäure zu erhalten. 
Immer kristallisierte anorganische Substanz aus. Nach der Angabe Ma- 
quennes aber sollte man hier eine reichliche Kristallisation von Azelain- 
säure, die nach zweimaligem Umkristallisieren völlig rein ist, in einer’ Aus- 
beute von 25%, des Gewichtes der Ricinolsäure erhalten. Dies ist bei den 
angegebenen Mengenverhältnissen nicht der Fall. 

Man erhält jedoch eine Kristallisation von organischer Substanz, 
wenn man die Lösung statt auf 500 cem nur auf ca. 800 ccm einengt und 
abkühlen läßt. Diese Kristalle wurden aus heißem Wasser zweimal um- 
kristallisiert. Der Schmelzpunkt war aber auch dann nur 103°; doch hatten 
die Kristalle die für die Azelainsäure charakteristische Form vierseitiger 
Tafeln. Die Ausbeute betrug 10% des Gewichts der Ricinolsäure. 

Nach Abscheidung dieser organischen Kristallisation enthielt aber 
die Mutterlauge neben großen Mengen anorganischen Salzes noch orga- 
nische Substanz, welche durch Ausäthern der Lösung in einer Menge von 
nochmals ca. 10% des Gewichtes der Ricinolsäure gewonnen wurde. Beim 
Umkristallisieren dieses Produktes aus Wasser stieg der Schmelzpunkt 
schließlich bis 115°, war aber auch dann noch unscharf. 

Um einen Anhaltspunkt zu gewinnen, wurde diese Substanz ur 
siert. Die Titration mit "/,)-Natronlauge ergab: 


Berechnet für für 

(CH:): (COOH), (CH,)s(COOH), 
0,1331 g Subst. verbrauchten 14,85 cem 14,17 15,29 
0,1323 g „ be 14,78 ccm 14,08 15,21 


Die Werte waren also fiir Azelainsäure zu hoch und deuteten darauf 
hin, daß neben Azelainsäure noch eine andere Säure mit kleinerem Mole- 
kulargewicht vorhanden war. 

Ein ähnliches Resultat lieferte die Verbrennung: 


3,463 mg Subst. gaben 7,105 mg CO, und 2,597 mg H,O. 


In 100 Teilen Berechnet für (CH,),(COOH), für (CH-) (COOH), 
C. . . 55,97 57,45 55,17 
H.... 8,39 8,51 8,04 


Auch die Kristallform war von jener der Azelainsäure ganz verschieden 
und bestand in zarten büschelförmig angeordneten Nadeln. 

Diese Beobachtungen entsprachen ganz der von Laurent!), Ax ppe?) 
u. a. bei der Oxydation von Ölsäure, Ricinusöl und anderen Fetten mit Sal- 
petersäure bemerkten Tatsache, daß Azelainsäure und Korksäure neben- 
einander entstehen. Es war also naheliegend, auch hier anzunehmen, daß 
ein Gemisch dieser beiden Säuren vorlag. Diese Annahme entsprach auch 


1) Ann. 28, 258. 
2) Ann. 120, 288. 


6 K. Stosius und K. Wiesler: 


den obigen Analysenresultaten, wenn man diese mit den danebengestellten 
Werten für Korksäure und Azelainsäure verglich. 

Zur Isolierung beider homologer Säuren wurde die Methode der frak- 
tionierten Trennung verwendet, welche auf der Verschiedenheit ihres elektro- 
lytischen Dissoziationsgrades beruht. 

2,14 g des Säuregemisches wurden in Wasser gelöst und mit Natron- 
lauge eben neutralisiert. Zur Lösung wurde dann nacheinander je !/, der 
aus obiger Titration berechneten Säuremenge, d. i. je 60 ccm einer /. 
Salzsäure, zugefügt. Nach jedem Säurezusatz wurde mit Äther die gebildete 
freie Säure extrahiert. Nach dem Abdestillieren des Äthers wurde jede der 
vier Fraktionen aus Wasser umkristallisiert. Die erste Fraktion war Aze- 
lainsäure, die nach einmaligem Umkristallisieren vollkommen rein war; 
Schmelzp. 106°. Die zweite und die dritte Fraktion waren wieder Gemische, 
die vierte aber hatte den Schmelzp. 138°, der durch Umkristallisieren auf 
140°, den Schmelzpunkt der Korksäure, stieg. Von jeder Fraktion wurde 
eine gewogene Menge mit "/,,- Natronlauge titriert und das Resultat 
auf 0,1 g Substanz umgerechnet, um vergleichbare Werte zu erhalten. 


1. Fraktion: 0,1067 g Substanz verbrauchten 11,40 cem 


oder 0,1 g e e 10,69 „ 

2. Fraktion: 0,1089 g 59 Ge 11,85 „ 
oder 0,1 g НА H 10,88 „ 

3. Fraktion: 0,1028 g РМ S 11,55 „ 
oder 0,1 g H SH 11,23 „ 

4. Fraktion: 0,1058 g is КЕ 12,18 „ 
0,1030 g e j 11,80 „ 

oder 0,1 g s 2 11,47 „ 

Die Verbrennungen ergaben: S 


1. Fraktion: 3,268 mg Substanz gaben 6,879 mg CO, 57,41% C 
und 2,481 mg H,O 8,50% H 

2. Fraktion: 3,488 mg Substanz gaben 7,266 mg CO, 56,83% C 
und 2,601 mg H,O 8,34% H 
3. Fraktion: 3,916 mg Substanz gaben 8,034 mg CO, 55,97% C 
und 2,904 mg H,O 8,30% H 
4. Fraktion: 3,177 mg Substanz gaben 6,452 mg CO, 55,40%, С 
und 2,354 mg Н,О 8,29% H 

Diese Analysenresultate sind zum Vergleiche mit dem für Azelainsäure 

und Korksäure berechneten Werten in folgender Tabelle zusammengestellt: 


0,1g Substanz Prozentgehalt an 


verbrauchen ccm C H 
Berechnet für Azelainsaure 10,64 57,45 8,51 
Gefunden bei Fraktion 1 ....... 10,69 57,41 58,50 
55 ji Ge „ 10,88 56,83 8,34 
» » e = ve. sah eae ane 11,23 55,97 8,30 
» 55 e Be ыз abe. Жо 11,47 55,40 8,29 


Berechnet für Korksäure ....... 11,50 56,17 8,04 


Ort der Doppelbindung bei der Ricinolsäure. 1 


Damit war also erwiesen, daB bei der Oxydation der Ricinol- 
siure in alkalischer Lösung mit KMnO, Azelainsäure und Kork- 
säure nebeneinander entstehen. Was die Ausbeute betrifft, so 
betrug das Gesamtgewicht der gewonnenen organischen Substanz 
ca. 20%, des Gewichtes der Ricinolsäure; davon entfielen ca. 12% 
auf Azelainsäure und ca. 8%, auf Korksäure. 

Die Elementaranalysen wurden nach Pregls mikroanaly- 
tischer Methode durchgeführt. 


Uber die quantitative Bestimmung von Aceton und 
Aldehyd in ein und derselben Flüssigkeit. 


Von 
Wilhelm Stepp und Wilhelm Engelhardt. 


(Aus der Medizinischen Klinik zu Gießen [Prof. Voit].) 
(Eingegangen am 29. Juli 1920.) 


In einer vor kurzem in dieser Zeitschrift erschienenen Mit- 
teilung hatte der eine von uns (Stepp) über den Befund von 
aldehydartigen Substanzen im Blute von Diabetikern berichtet!). 
Als wir nun gemeinschaftlich daran gingen, die quantitativen 
Verhältnisse zu studieren, stießen wir sehr bald auf Schwierig- 
keiten. In den Fällen, wo das Blut aldehydartige Substanzen 
enthielt, war nämlich gleichzeitig auch stets Aceton zugegen, 
dessen Anwesenheit sich bei der Aldehydbestimmung störend 
bemerkbar machte. Umgekehrt störte bei dem für die Bestimmung 
des Acetons gewöhnlich benutzten Verfahren die Gegenwart 
von aldehydartigen Körpern; wir werden diese Verhältnisse im 
folgenden ganz kurz besprechen. | 


Fur die quantitative Ermittlung дев Acetons ist das уоп Messinger- 
Huppert angegebene Verfahren in der Art, wie es E m bde n und Schmitz) 
ausführen, ganz vortrefflich geeignet; es gibt, wenn man sich an die ge- 
gebenen Vorschriften halt, sehr genaue Werte. 

Ebenso geeignet wie das Messinger-Huppertsche Verfahren fiir die 
Ermittlung des Acetons ist fiir die Bestimmung der Aldehyde (die von 
Ripper angegebene Methode?) der Bindung an Bisulfit; auch hier ist die 
Genauigkeit sehr groß. 

Nun reagieren aber bei der Ausführung des Messinger-Huppertschen 
Verfahrens neben dem Aceton auch die gleichzeitig vorhandenen Aldehyde 


\ 


1) W. Stepp, diese Zeitschr., 10%, 60. 1920. 

2) Embden u. Schmitz im Handbuch der biochem. Arbeitsmethoden 
Bd. III, 2, S. 913 und 915. 1910. 

3) Max Ripper, Sitzungsber. d. Akademie d. Wissenschaften, ma- 
them.-naturw. Klasse, Abt. 2b 108—109, 844. 1899—1900. 


W. Stepp und W. Engelhardt: Quant. Best. von Aceton u. Aldehyd. 9 


mit Jod und Alkali unter Jodoformbildung und umgekehrt wird bei der 
Ripperschen Methode nicht nur Aldehyd, sondern auch vorhandenes Aceton 
angelagert. 
Dem Messinger-Huppertschen Verfahren liegen die folgenden Glei- 
chungen zugrunde: 
I. 2 NaOH + J, = NaOJ + NaJ + H,O. 
II. CH,COCH, + 3 NaOJ = СН + CH,COONa + 2 NaOH. 


Wie aus Gleichung II hervorgeht, verbraucht 1 Molekül Aceton 3 Mole- 
küle Natriumhypojodit. Nach Gleichung I sind zur Bildung von 1 Molekül 
Natriumhypojodit 2 Atome Jod nötig, so daß schließlich 1 Molekül Aceton 
6 Atome Jod erfordert. Beim Arbeiten mit ®/,,-Jodlésung entspricht somit 
jedem für die Jodoformbildung verbrauchten Kubikzentimeter Jodlösung 
½ ccm 2/,,-Acetonlésung. Man erhält so in Zahlen ausgedrückt, da das 
Molekulargewicht des Acetons 58 beträgt, für jeden Kubikzentimeter Jod- 
lösung one = 0,0009666... g Aceton oder, wie man gewöhnlich zu 
schreiben pflegt, 0,967 mg. 

Bei der Aldehydbindung an Jod handelt es sich um den gleichen 
chemischen Vorgang. Die Gleichung lautet hier: 


CH,CHO + 3 NaOJ = CJ,H + HCOONa + 2 NaOH. 


Also auch hier werden für 1 Molekül Aldehyd 3 Moleküle Natrium- 
hypojodid gebraucht, zu deren Bildung 6 Atome Jod nötig waren, nur daß 
hier an Stelle von Essigsäure Ameisensäure entsteht. Die Berechnung ge- 
staltet sich analog der beim Aceton. 1 ccm zur Jodoformbildung verbrauch- 
ter Jodlösung entspricht / ccm n/i-Aldehydlösung oder a = 0,00073 g 
Aldehyd, da das Molekulargewicht des Aldehyds 44 betrigt. 

Man könnte nach dem, was hier auseinandergesetzt wurde, erwarten, 
daß die Bestimmung des Aldehyds mittels der Jodoformbildungsmethode 
ebenso leicht und elegant durchzuführen wäre, wie die des Acetons. Diese 
Erwartung hat sich nach den Untersuchungen von Boas, Jerusalem, 
besonders aber nach den eingehenden Studien von O. v. Fürth und D. Char- 
nass!) nicht bestätigt. Je nach der Verdünnung des Aldehyds findet man 
nur einen verschieden großen Anteil der theoretisch geforderten Menge 
(etwa zwischen 32 und 79%); die Methode ist also in der gewöhnlichen 
Form nicht brauchbar. Nun haben Fürth und Charnass ganz bestimmte 
Bedingungen herausgefunden, bei deren Einhaltung es gelingt, richtige 
Werte zu bekommen. Diese Bedingungen sind: Hochgradige Verdünnung 
der Aldehydlösung, Zusatz der Jodlösung in kleinen Portionen zu der 
stark alkalischen Lösung, Einhaltung einer niedrigen Temperatur wäh- 
rend des ganzen Prozesses?). 

Man könnte also für die Zwecke der gleichzeitigen Bestimmung von 
Aceton und Aldehyd nebeneinander nach Messinger - Huppert zuerst 


1) O. v. Fürth und Char nass, diese Zeitschr. 26, 199. 1910. 
2) Näheres siehe in der Arbeit von Fürth und Char nass, 1. c. 


10 W. Stepp und W. Engelhardt: 


dic gesamte Jodbindung feststellen, indem man die von Fürth und Char- 
nass angegebenen Bedingungen einhält, dann durch Kochen mit Silberoxyd 
am Rückflußkühler in der von Embden - Masuda!) angegebenen Weise 
die Aldehyde zerstören und dann wiederum die Jodbindung feststellen. Es 
würde sich dann die noch verbleibende Jodbindung als Aceton, die Diffe- 
renz zwischen Gesamt- und Rest-Jodbindung als Aldehyd berechnen. 

Nun sagen aber Fürth und Charnass ausdrücklich, daß die Jodoform- 
bindungsmethode für die Ermittlung der Aldehyde in ihren Leistungen 
hinter dem Ripperschen Verfahren weit zurückbleibe, das, wie wir bereits 
in der Einleitung betonten, das gegebene Verfahren für die Aldehydbestim- 
mung ist. Es fragt sich also, ob und inwieweit die Rippersche Methode 
brauchbar ist, wenn es gilt, gleichzeitig vorhandenes Aceton quantitativ 
mit zu erfassen. Die Addition von Aceton an Bisulfit vollzieht sich im 
Prinzip genau so wie die von Aldehyd, wie aus den folgenden Gleichungen 
hervorgeht: 


I. CH,CHO + SO, HNa = CH,- CH(OH)- OSO, Na 
II. CH,COCH, + SO,HNa = (СН,), · C(OH)-0-SO,Na ` 


Von diesem Gesichtspunkt aus hat A. Jolles 2) das Bisulfitverfahren zur 
quantitativen Acetonbestimmung empfohlen. Wie aus den Formeln hervor- 
geht, verbrauchen sowohl 1 Molekül Aldehyd wie 1 Molekül Aceton je 1 Mole- 
kül Bisulfit. Da nun 1 Molekül Bisulfit zur Oxydation 2 Atome Jod ver- 
braucht nach der Gleichung: 


SO, + J; + 2 HO = H, SO,. + 2 HJ,. 


so entspricht 1 ccm ®/,„-Jodlösung 4/, ccm 1/10-Aldehyd bzw. 3/,9-Aceton. 
Da das Molekulargewicht des Acetaldehyds 44, das des Acetons 58 ist, so 


zeigt 1 com Jodlösung © 85 = 0,0022 g Aldehyd und = 0,0029 g 


Aceton an. 

Eine Schwierigkeit stand indessen der praktischen Verwertung der 
Ripperschen Methode für die Acetonbestimmung im Wege, nämlich die 
Tatsache, daß das Aceton in verdünnten Lösungen nur sehr langsam und 
träge mit dem Bisulfit reagiert. Nach den Untersuchungen von Jolles 
muß man das Reaktionsgemisch wenigstens 30 Stunden stehenlassen, 
wenn man sicher sein will, daß alles Aceton gebunden ist. Das ist natür- 
lich sehr umständlich, und ein weiterer Nachteil ist die leichte Veränder- 
lichkeit des Titers der Bisulfitlösung, die es notwendig macht, stets eine 
Kontrolle anzustellen, die die Titerabnahme angibt. 


Bei dieser Lage der Dinge schien es uns erwünscht, in einer 
größeren Zahl von Versuchen in Gemengen von reinen Aceton- 
und Aldehydlösungen die beiden Körper quantitativ sowohl 
mit der Jodoformmethode wie mit der Bisulfitmethode zu be- 
stimmen. Die verwendeten Präparate stammten von der Firma 


1) Diese Zeitschr. 45, 140. 1912. 
2) Chem. Ber. 39, 1306. 1906. 


Quantitative Bestimmung von Aceton und Aldehyd. 11 


Kahlbaum; der Acetaldehyd trug die Bezeichnung „Acet- 
aldehyd konz. (ca. 95%)“. 

Es kam uns hierbei nicht darauf an, mit absolut reinen Prä- 
paraten zu arbeiten, sondern wir stellten uns wäßrige Lösungen 
her, deren Gehalt wir beim Aceton mit dem Messinger-Huppert- 
schen und beim Acetaldehyd mit dem Ripperschen Verfahren - 
bestimmten. Aus den Lösungen wurden dann die Gemische be- 
reitet, die wir zu den Versuchen verwandten. 

Wir haben zunächst stark verdünnte Acetonlösungen ver- 
gleichend nach Messinger-Huppert und nach Ripper unter- 
sucht. Die Tabelle I gibt eine Übersicht über eine solche Ver- 
suchsreihe, bei der eine etwa 0, 1 proz. Lösung verwendet wor- 
den war. 

Tabelle I. 


5 von Aceton in reinen een 


Messinger- 


Rippersches Verfahren (in der Ausführung nach Ad. Jolles) uppertsches 
Verfahren 
Titer des vorgelegten 8 A "We | z 2 2 ы $ | 
Menge d. Vorge- |Bisulfits, ausgedrückt! = © © 2 - 3 © EE Ace Aceton 
Aceton- |legtesn/,-) іп ccm n/w-Jodlösg. | = © = 5 328828 ton- e | 
lösung | Bisulfit nach |5“ 951655 5 e|menge| Menge 
| vor dem | „55 eid 08 9 | 
Vaask. | 50 stg. 833271 © a | 
ccm cem ersuen Stehen ^з | ccm | in mgr in mgr 
er. у ү — — — | м i бе — = : 
0.5 3 48 47 {5 45 | 0,25 0,725 0,735 
] 10 16,2 16,1 15,65 | 0,45 1,3 1,12 
2 10 16,2 | 16,1 15,25 085 | 2,47 2,19 
4 10 16,2 | 16,1 14,45 | 1,65 | 4,79 4,41 
6 | 10 | 162 16,1 | 138 | 23 6,67 6,54 
БЕ в 965 | 9.6 65 | 31 8,99 8,67 


Die Tabelle gibt über alle Einzelheiten unseres Vorgehens 
näheren Aufschluß. Es wurden steigende Mengen der Aceton- 
lösung verwandt (0,5, 1, 2, 4, 6, 8 ccm), so daß man die mittels 
jeder Methode erhaltenen Werte auch untereinander gut ver- 
gleichen konnte. 

Die mit den beiden Methoden erhaltenen Acetonwerte 
finden sich in den beiden letzten Spalten der Tabelle. Wir sehen, 
daß die den steigenden Mengen der Lösung entsprechenden Aceton- 
werte recht genau proportional in die Höhe gehen. Aber auch 
die Übereinstimmung der mit den beiden Methoden gefundenen 
Werte untereinander ist sehr gut, die Differenzen übersteigen 


ER W. Stepp und W. Engelhardt: 


nicht Bruchteile eines Milligramms. Die Angaben von Jolles, 
daB das Bisulfitverfahren zur Acetonbestimmung sehr gut ver- 
wendet werden kénne, werden damit bestitigt; der einzige Nach- 
teil ist, daß man das Reaktionsgemisch 30 Stunden stehen lassen 
und den Titer der Bilsulfitlösung kontrollieren muß. 

In einer weiteren Versuchsreihe haben wir dann reine Alde- 
hydlösungen mit den beiden Methoden untersucht. Einige Bei- 
spiele gibt die Tabelle II wieder. Auch hier wurden steigende 
Mengen der gleichen Lösung verarbeitet, so daß die diesen Mengen 
entsprechenden Werte unmittelbar miteinander verglichen werden 
können. 

Tabelle II. 


Bestimmung des Acetaldehyds in reinen Lösungen. 


Bipper- 
chesVer- 
fahren 


Messinger-Huppertsches Verfahren 
(Modif. nach Fürth-Charnass) 


| Thiosul- 
Verdün- Jodwert 


Menge fatverbr. | Ап Alde- 
der Alde- | nung mit Laugen-|der Lauge п/,,-Јой-! ger un- yd 
hydlösg. Wasser zusatz n- Jod- zusatz | geb. Jod- geb. Jod- 
lösung lösung lösung 

сеш | cem | eem | сеш ccm ccm ccm 
0,5 500 60 0,36 4 2,6 1,04 | 0,762 1,21 
1 500 80 0,48 6 3,65 1,87 | 1,8707 | 2,2 
2 500 60 0,36 8 3,8 3,84 | 2,814 | 4.51 
2 800 80 0,48 8 3,35 4,17 | 8,0566 k 
4 800 60 0,36 10 2.1 7,54 5,5268] 8,8 
6 800 60 0,36 15 3,15 11,49 | 8,422 | 18,81 
8 800 60 0,36 20 4,95 14,69 10, 7677 17,82 


Betrachten wir hier wiederum die beiden letzten Spalten 
der Tabelle, in der die mit den beiden Methoden gefundenen Alde- 
hydwerte zusammengestellt sind, so zeigt sich hier ein großer 
Unterschied. Die mit der Jodoformbindungsmethode erhaltenen 
Werte betragen nur etwa 60—70% der mit dem Bisulfitverfahren 
erhaltenen. Trotz strengster Einhaltung der von Fürth und 
Charnass angegebenen Vorschriften findet man den Aldehyd 
hier nicht quantitativ wieder. Auffallend ist nur das eine, daß 
der erhaltene Prozentsatz der theoretisch geforderten Menge 
anscheinend ziemlich konstant ist, so daß man evtl. durch eine 
Anbringung einer Korrektur ungefähr richtige Werte erhalten 
könnte. 


13 


Quantitative Bestimmung von Aceton und Aldehyd. 


л 87'6 99 8 ©©© 918 St 9•81 


К 9981 9981 
9881 60˙9 62 1 L's! 8 x 82 
IL . 
8'8 wr $ өт ar 99 ai Sot 
78% rated 8 8'0 Тт 8 ы 6˙81 
И . 681 
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Tot L'O 990 s30 8'6 80 9 ˙8 
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ou ogueuln esuewypinsg [238 87 uon] шәр JOA dunsgl 
o du o 8 uo Buoys | әсәри! . genen = ЫИ Я eBuounginsier an 18 Bunegy -рАЧәргү 
WTA | -u09 4911993 чәрипдә әчәдәпдә Sunsoipor-"t/a ә8пә Ayınsıg-"/a 
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-әртү | -әоү | pagopry ay | uche ug u pomoz | рип uogaoy UY Veiane my | 29919 Puausozdsgus 98919320 | sop озор 
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666 | 6619 8981 | 179 og zO | Sp от | OF +003 980 ot сс |825] 25 || 008 al 
WK 69.7 858 | 987 6 70 | oF OT | OF 1891 95.0 82 9 38 34| S7 || 008 8 
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| 


ороцошеЗипршашиојорог ләр youu Jos fue) ut F Sunuunsegp4yopfy- uoqoo 
III 911993, 


14 W. Stepp und W. Engelhardt: 


Nachdem wir uns so über die Leistungsfähigkeit der beiden 
Verfahren, sowohl hinsichtlich des Acetons wie des Aldehyds 
Aufschluß verschafft hatten, stellten wir aus gleichen Teilen 
der beiden Lösungen, die uns zu den mitgeteilten Versuchen 
gedient hatten, Gemische her. In diesen wurde zuerst mit der 
Jodoformmethode, dann mit der Bisulfitmethode die Gesamt- 
menge von Aldehyd + Aceton ermittelt. Um dann die Menge 
von Aldehyd und Aceton im einzelnen zu erfahren, wurde in einem 
besonderen Versuch der Aldehyd durch 20 Minuten dauerndes 
Kochen mit Silberoxyd am Rückflußkühler (nach Embden- 
Masuda!) entfernt, und nun das zurückgebliebene Aceton be- 
stimmt. Die auf Aldehyd entfallende Menge ergab sich sehr 
einfach durch Subtraktion des auf das Aceton treffenden Jod- 
bindungswertes von dem Wert der gesamten Jodbindung. 

Tabelle III gibt eine solche Versuchsreihe wieder, in der das 
Jodoformverfahren, Tabelle IV eine weitere, bei der das Bisulfit- 
verfahren angewendet worden ist. Auch hier sind alle Einzel- 
heiten aus den Tabellen zu ersehen?). Zu den in Tabelle IV mit- 
geteilten Versuchen wäre noch zu bemerken, daß wir anfangs, 
als wir dem Vorschlage von Ad. Jolles folgend das 
Gemisch von Aceton und Aldehyd 30 Stunden reagieren 


Tabelle V. 


Lösungen von Aceton + Acetaldehyd. 


(Übersicht über die Ergebnisse der in Tabelle III und IV mitgeteilten 
Versuche.) 


Zur Bestimmung Es wurden gefunden an Aldehyd und Aceton in mg: 


verwandte 5 
Menge der n. d. Jodoformbindungsverfahren | nach dem Bisulfitverfahren 
. 8 Aldehyd ` Acte "e TT a Aldehyd Aceton 
e ES 115 
1 0,65 0,64 об 0% . 121 0,73 
2 1,5 1,3 2,42 1,3 
4- 2,99 2,54 ч 2,32 
8 5,9 4,6 4,64 
12 9,9 6,2 e i | 6,1 
16 10,96 8,74 17,7 | 9,43 


1) L е. 
2) Da die verwendete Lauge vielfach jodbindende Substanzen ent- 
hielt, ist der Jodbindungswert jedesmal besonders verzeichnet. 


Quantitative Bestimmung von Aceton und Aldehyd. 15 


x 


ließen, zu niedrige Werte bekamen. Im weiteren Verlauf 
der Untersuchungen stellte sich dann heraus, daß die Reaktions- 
zeit noch immer zu kurz war; erst, als wir sie auf42Stunden 
ausdehnten, bekamen wir genau übereinstimmende 
Werte. 

Die Ergebnisse der beiden Versuchsreihen III und IV finden 
sich zusammengestellt in Tabelle V. Hier können wir die mit 
den beiden Verfahren erhaltenen Werte unmittelbar vergleichen. 
Die Übereinstimmung der Acetonzahlen darf in Anbetracht der 
mannigfachen Eingriffe, denen die Lösungen bei der gleich- 
zeitigen Aldehyd- und Acetonbestimmung unterworfen werden 
müssen (Kochen mit Silberoxyd am Rückflußkühler, wobei 
Aceton in kleinen Spuren verlorengehen kann, Redestillation usw.), 
als sehr gut bezeichnet werden. Im Gegensatz hierzu fällt der 
starke Unterschied 'zwischen den mit den beiden Methoden 
erhaltenen Aldehydzahlen ganz besonders auf. Das Jodo- 
formverfahren ist demnach für die quantitative Be- 
stimmung von Aceton und Aldehyd in Gemischen 
nicht zu gebrauchen. Das einzige Verfahren, das 
genaue Werte liefert, ist das Rippersche; die Reak- 
tionszeit muß jedoch auf mindestens 40 Stunden 
ausgedehnt werden; die von Jolles für Lösungen 
von reinem Aceton als ausreichend befundene Zeit 
von 30 Stunden genügt nicht. 


Zusammenfassung. 


1. Die quantitative Bestimmung von Aceton und Aldehyd, 
die nebeneinander in Flüssigkeiten vorkommen, stößt auf Schwie- 
rigkeiten, da das für jeden der beiden Körper am besten brauchbare 
Bestimmungsverfahren sich nicht auch zur Ermittelung des 
anderen Körpers eignet; die für die quantitative Ermittelung 
des Acetons vorzüglich geeignete Jodoformmethode gibt für den 
Aldehyd zu niedrige Werte, während umgekehrt das den Aldehyd 
so genau bestimmende Rippersche Verfahren in der gewöhnlichen 
Form der Ausführung beim Aceton versagt. 

2. Es wird daher in reinen Lösungen von Aldehyd die von 
Fürth und Charnass dafür besonders angegebene Modifi- 
kation der Messinger-Huppertschen Methode, mit der es mög- 
lich sein soll, Aldehyd quantitativ zu erfassen, nachgeprüft. 


16 W. Stepp u. W. Engelhardt: Quant. Best. von Aceton u. Aldehyd. 


Dabei werden etwa nur 60—70% der nach Ripper erhaltenen 
Werte gefunden. Nach unseren Versuchen bieten also die von 
Fürth und Charnass gegebenen Vorschriften keine Gewähr 
für die quantitative Ermittelung der Aldehyde nach dem Jodo- 
formverfahren. 

3. Es wird dann in reinen Lösungen von Aceton die von 
Jolles zur Acetonbestimmung empfohlene Anwendung des 
Ripperschen Verfahrens, wobei die Reaktionszeit auf 30 Stunden 
ausgedehnt werden soll, nachgeprüft und eine ausgezeichnete 
Übereinstimmung der dabei erhaltenen Werte mit denen nach 
Messinger-Huppert gefunden. 

4. Schließlich werden Gemische von Aceton- und Aldehyd- 
lösungen einmal dem Jodoformverfahren in der Modifikation 
nach Fürth und Charnass, dann dem Ripperschen Verfahren 
(mit einer Reaktionszeit von 30 Stunden) unterworfen und во 
die gesamte Jodoformbindung bzw. die gesamte Bisulfitbindung 
festgestellt. Gleichzeitig wird in anderen Proben des Gemenges 
der Aldehyd durch Kochen mit Silberoxyd am Rückflußkühler 
nach Embden-Masuda zerstört und nun festgestellt, wie 
stark die Bindungswerte durch den Fortfall des Aldehyds ab- 
genommen haben. 

5. Dabei zeigt sich wiederum die Unbrauchbarkeit des Jodo- 
formverfahrens für die Aldehydbestimmung. Mit der Bisulfit- 
methode gelingt es dagegen sehr gut, sowohl Aceton wie Aldehyd 
quantitativ zu bestimmen, nur muß die Reaktionszeit auf 40 Stun- 
den verlängert werden, wenn man sicher sein will, daß alles Aceton 
gebunden ist. 


Weitere Beiträge zur Physiologie der Hefe. 


Von 
Erich Köhler. 


(Aus dem Botanischen Laboratorium der Hochschule Weihenstephan.) 


(Eingegangen am 4. August 1920.) 
Mit 1 Abbildung im Text. 


A. Über Fermentverbrauch und Fermentersatz. 


Nachdem über den Einfluß des Alkohols und des Zuckers 
auf die Kinetik der Gärung eine gewisse Klarheit gewonnen 
wurde, sell im folgenden die Frage nach der Abhängigkeit der 
Gärung von den Faktoren Fermentverbrauch und Ferment- 
ersatz einer kurzen Behandlung unterzogen werden. 

Methodik: Eine Suspension von Hefe in Leitungswasser 
wird in einem Gefäß durch Stehenlassen zum Absitzen gebracht. 
Nach dem Abgießen der überstehenden Flüssigkeit wird der 
Hefebrei mit einer Zuckerlösung versetzt, durch kräftiges Um- 
schütteln in der Lösung suspendiert und in einen Pasteurkolben 
eingefüllt. Die Gärung wird mit Hilfe der vom Verfasser!) an- 
gegebenen Gasblasenzählung verfolgt. Nach dem Einfüllen 
in den Kolben sitzt die Hefe ziemlich rasch ab. Kürzere oder 
längere Zeit darauf tritt ein Aufwallen der Hefe ein, verursacht 
durch den Auftrieb, der entsteht infolge der zwischen den Hefe- 
zellen festgehaltenen Gärungskohlensäure. Das Aufwallen er- 
folgt plötzlich; die Zeit, die zwischen dem Zusetzen des Zuckers 
und dem Aufwallen verstreicht, gibt in gewissen Grenzen einen 
Maßstab ab für die Intensität der Angärung. 

Versuch: Ca. 6com Hefebrei gewaschener Weihenstephaner?) Unter- 
hefe mit 100 ccm Maltoselösung (4 proz.) versetzt. Temperatur 21°. 


Ansetzen des Versuchs 85 15’ (erster Ansatz). 
Aufwallen 8» 22°. 


1) Diese Zeitschrift 108, 235. 1920. 
2) Die betreffende Hefe wurde ca. 24 Stunden nach Erneuerung 
des letzten Waschwassers verwendet. 


Biochemische Zeitschrift Band 111. 2 


18 E. Kohler: 


| Zahl der Blasen | Zahl der Blasen 
a (in ½ Min.) кош (in ½, Min.) 
gh 24° 28 gh ART 37 
e gh 267 44 8һ 507 44 
gh 28 46 gh 55’ 49 
gh 30 41 gh 00’ 46 
gh 32’ 29 gh 10° 48 
gh 34’ 33 gh 30 34 
gh 36’ 30 gh 50 22 
gh 38’ 32 10 30 11 
gh 40° 32 2h 00 6 


Überträgt man die Werte nebenstehender Tabelle in ein 
Koordinatensystem, so erhält man Kurve I, bei deren Betrach- 
tung die drei Kardinalpunkte a, 6, c auffallen. Wir bezeichnen 
das Maximum bei a als vorläufiges Maximum, dasjenige bei 
c als Hauptmaximum. Man sieht, daß auf einen sehr steilen 
Anstieg der Kurve bis a ein plötzliches Absinken nach 5 folgt. 


70 720 80 
Minuten 


Abb. 1. 


Der darauf folgende Anstieg zum Hauptmaximum, der das vor- 
läufige Maximum übertrifft, ist weniger steil als der erste An- 
stieg. Nachdem das Hauptmaximum erreicht ist, hält sich die 
Kurve eine Zeitlang auf annähernd der gleichen Höhe, um dann 
langsam abzusinken. | 

Um 2 Uhr nachmittags Unterbrechung des Versuchs. Durch- 
schütteln und Absitzenlassen der Hefe. Abgießen der Flüssig- 
keit und Zugeben einer frischen Maltoselösung, wie beim ersten 
Ansatz. 

Ansetzen des Versuchs 2,27 (zweiter Ansatz). 

Aufwallen 2,30. 


$ 


Weitere Beitrige zur Physiologie der Hefe. 19 


| Zahl der Blasen | Zahl der Blasen 
Zeit lin у, Min.) Zeit mn ½ Min.) 

2h 31’ 21 2h 50’ 16’ 

2h 32’ 36 2h 52° 13 

2h 33’ 47 2h 57’ 14 

2h 34’ 46 3h 02’ 15 

25 36’ 37 3h 07’ 15 

2h 38’ 36 3h 13 19 

2h 40’ 33 35 37’ 15 

2h 42’ 32 4h 05’ 11 

2h 44’ 29 4h 25’ 11 

2h 46’ 25 5h 30’ 9 

2h 48’ 20’ | 


Überträgt man die gewonnenen Werte in ein Koordinaten- 
system, so erhält man Kurve II. Punkt a“ (vorläufiges Maximum) 
b’ (Minimum), e (Hauptmaximum). Die Gärung setzt bedeutend 
rascher ein als bei I. Das vorläufige Maximum a’ ist 7 Minuten 
früher erreicht und übertrifft sogar a. Der darauffolgende Ab- 
fall nach b’ ist sehr tief im Vergleich zu I. Das Hauptmaximuin c’ 
erreicht bei weitem nicht das vorläufige Maximum a’. 

Einen Versuch zur Analyse der beiden Kurven bringen die 
folgenden Ausführungen: 

In der zum Versuch verwendeten Hefe ist eine gewisse, 
von der Vorbehandlung der Hefe abhängige Quantität akti- 
vierter Fermente disponibel: ,,Fermentspiegel.“ Versetzt 
man die Hefe mit einem Zucker, der rasch vergoren wird (Maltose), 
so wird diese Quantität durch die sofort einsetzende Gärung 
rasch aufgebraucht, und die Gärung würde zum Stillstand kom- 
men, wenn nicht von der Hefe Ferment restituiert würde. (Ich 
spreche vorläufig von „Ferment“ im allgemeinen, wenn auch 
Anhaltspunkte vorliegen für die Vermutung, daß es sich um die 
„Zymase handelt.) Der Anfangsverlauf der Kurven ist wesent- 
lich bedingt durch das Verhältnis Fermentverbrauch zu Ferment- 
ersatz. Wenn letzterer mit ersterem nicht Schritt halten kann, 
so muß sich dies in einer Abnahme der Gärungsgeschwindigkeit, 
also einem Absinken der Kurve, bemerkbar machen. Dies ist 
bei dem vorliegenden Versuch der Fall. Je langsamer die Ferment- 
restitution erfolgt, desto plötzlicher wird das Absinken eintreten, 
und desto tiefer wird der Abstieg sein. Wir müssen uns ferner 
vorstellen, daß die Gegenwart des Zuckers als Reiz auf das Plasma 
wirkt, und daß die Reaktion auf diesen Reiz in einer bis zur Er- 

2 * 


20 E. Kohler: 


reichung eines Maximums anwachsenden Fermentaktivierung 
besteht. Ein solches Maximum ist erreicht bei c. Von nun an 
macht sich die Abnahme der Zuckerkonzentration mehr und 
mehr geltend. Es wird immer weniger von der disponiblen, 
frisch aktivierten Fermentmenge verbraucht, die Kurve sinkt 
langsam ab. Es reichert sich also Ferment in der Hefe an, und es 
kommt zur Bildung des Fermentspiegels. DaB die Abnahme der 
Gärung nach Erreichung des Hauptmaximums in erster Linie 
auf die herabgesetzte Zuckerkonzentration zurückgeführt werden 
muß und richt auf den Mangel an Fermenten, geht aus der weiteren 
Führung des Versuchs hervor. 

Wenn man nämlich, nachdem das Hauptmaximum längst 
überschritten ist, die noch in Gärung befindliche Hefe von der 
alten Lösung befreit und mit einer frischen Maltoselösung 
versetzt, so kommt es sofort zu einer stürmischen Gärung, bei 
welcher der Fermentspiegel in Kürze aufgebraucht wird. Das 
dem vorläufigen Maximum (a) des ersten Ansatzes entsprechende 
Maximum a’ wird früher erreicht. Häufig liegt a’ bedeutend 
höher als a. Die relative Lage der Punkte a und a’ ist außer 
von der Geschwindigkeit des Fermentersatzes von der Stärke 
der beiden Fermentspiegel, wie sie vor dem Ansetzen zur Gärung 
in der Hefe vorhanden waren, abhängig. Da nun die Gärkraft 
der Hefe (die Fähigkeit „Ferment“ zu produzieren) infolge der 
vorangegangenen Beanspruchung eine Schwächung erfahren 
hat, so eıfolgt ein viel tieferes Absinken der Kurve als beim 
ersten Gäransatz (vgl. die einander entsprechenden Punkte b 
und 6’), und der zweite Anstieg erreicht bei weitem nicht mehr 
die Höhe des ersten (vgl. с und с’). Setzt man die Hefe zum 
dritten Male mit einer frischen Lösung an, so zeigen sich die 
Unterschiede in verstärktem Maße. Es liegt auf der Hand, daß 
die Erscheinung eines vorläufigen Maximums in den Fällen 
unterbleibt, wo gar kein oder nur ein schwacher Fermentspiegel 
in der verwendeten Hefe vorhanden ist. In solchen Fällen strebt 
die Gärung von Anfang an dem Hauptmaximum zu. In unserem 
Versuch I wäre das Absinken von a nach b auf Fermentmangel, 
das Absinken hinter c auf Zuckermangel zurückzuführen. 

Man sieht, daß ein starker Fermentspiegel auch in einer 
wenig gärkräftigen Hefe vorhanden sein kann, und daß die bei 
der Angärung entwickelte Gärungsintensität nur dann einen MaB- 


Weitere Beiträge zur Physiologie der Hefe. 21 


stab fiir die Garkraft liefern kann, wenn die Hefe keinen Ferment- 
spiegel in den Versuch mitbringt. Die Frage, welche Faktoren 
die Bildung des Fermentspiegels bedingen, soll in einer späteren 
Untersuchung behandelt werden. Die Überlegung zeigt, daß man 
bei Versuchen, in denen der Einfluß von irgendwelchen Stoffen 
auf die Fermentproduktion studiert werden soll, zu berück- 
sichtigen hat, ob die verwendete Hefe sich in einem Zustand 
der Fermentanreicherung befindet, da offenbar ist, daß die 
Gärung bei Gegenwart eines Fermentspiegels anderen Gesetzen 
folgt als ohne einen solchen. 


B. Über den Zusammenhang von Gärung und Wachstum. 
1. Assimilation und Gärung. 


Die heterotrophen Saprophyten unterscheiden sich von den 
autotrophen (grünen) Pflanzen grundsätzlich dadurch, daß sie 
auch ihre organischen Nährstoffe aus dem umgeberden Medium 
aufnehmen müssen. Die Assimilation der organischen 
Stoffe ist — wenigstens in ihren ersten Stufen — an die Peri- 
pherie der Zelle verlegt, an die Grenzen von Plasma 
und Nährmedium. Dies scheint mir ein wesentlicher Gesichts- 
punkt zu sein. 

Auch die Tiere sind ja auf organische Nahrungsstoffe an- 
gewiesen und nicht imstande, dieselben aus anorganischen Sub- 
stanzen aufzubauen. Von vornherein könnte daher erwartet 
werden, daß wir bei den Tieren einen ähnlichen Mechanismus 
der Nahrungsaufnahme antreffen wie bei den Saprophyten. 
Das ist auch bis zu einem gewissen Grad der Fall. Die gebotenen 
‚ Nahrungsstoffe müssen in beiden Fällen „körpereigen“ gemacht, 
also einer weitgehenden Umformung unterzogen werden. Nur 
die Art, wie das gemacht wird, ist grundverschieden. Beim 
Tier haben wir den Vorgang der Verdauung. Das heißt, die die 
Umformung besorgenden Stoffe werden in einen für den Prozeß 
der Umformung bestimmten Hohlraum im Innern des Körpers 
ausgeschieden, sezerniert. Die Sekrete sind Ektoenzyme. An- 
ders beim Saprophyten. Hier kann eine Sekretion der die Um- 
formung besorgenden Enzyme normalerweise nicht in Frage 
kommen in allen den Fällen, wo die Nährstoffe in einem flüssigen 
Substrat geboten sind. Um eine Enzymverschwendung zu ver- 
meiden, müssen die Nahrungsstoffe am Plasma ver- 


22 E. Kohler: 


/ 
ankert und im Zusammenhang mit dem Plasma um- 
geformt werden. | 

Сазе, die an der Регірһегіе дев Leibes gebildet werden, 
können ohne weiteres in das umgebende Medium difundieren 
und sind infolgedessen verhältnismäßig unschädlich. Fermen- 
tative, mit Gasentwicklung verbundene Umsetzungen im Ver- 
dauungstraktus eines Tieres, müßten besondere Einrichtungen 
zur Ableitung der Gase erforderlich machen. Damit dürfte es 
wohl zusammenhängen, daß bei den Tieren von der bei Pilzen 
und Bakterien so weit verbreiteten Möglichkeit der Spaltung 
unter Gasentwicklung kein Gebrauch gemacht wird. 

Die Anpassung an die Verwertung und Assimilierbarkeit 
der im Nährmedium gebotenen organischen Substanzen ist bei 
den verschiedenen Saprophyten ungleich weit fortgeschritten 
und hat sich in verschiedener Richtung spezialisiert. Dieses 
Vermögen, organische Stoffe zu verwerten, ist charakterisiert 
durch die Fähigkeit der peripheren Bezirke des Plasmas, die 
organischen Substanzen, entsprechend der Anpassungsstufe des 
betreffenden Organismus entweder unmittelbar als Bausteine 
zur Synthse der lebenden Masse aufzunehmen oder sie mit Hilfe 
von Fermenten für die Verwendung geeignet zu machen. 

Es liegt nahe, die in den Gärungsvorgang eingreifenden 
Fermente allgemein mit einer solchen ernährungsphysiologi- 
schen Funktion in Beziehung zu setzen, wie das schon für Einzel- 
fälle bekannt ist; so wissen wir beispielsweise aus den Versuchen 
von F. Ehrlich!), daß die den Hefen gebotenen Aminosäuren 
nicht ohne weiteres zum Aufbau der Leibessubstanz Verwen- 
dung finden können: sie müssen zuvor vergoren und umgeformt 
werden. 

Wir bringen also die Gärung allgemein in Zusam- 
menhang mit der Assimilation der Nährstoffe. Als 
eine schwierige, der Aufhellung bedürftige Frage könnte die fol- 
gende erscheinen: Wie kommt es, daß bei der Gärung häufig 
so gewaitige Mengen von Stoffen umgesetzt werden, ohne daß 
wir in diesem Vorgang einen direkten Vorteil für den Organismus 
erkennen können? Wenn wir auch die einleuchtende Annahme 
machen, daß der Gärungserreger erst die Spaltprodukte für die 


1) Zitiert nach Euler und Lindner, Chemie der Hefe, 1913, 
S. 212. 


Weitere Beiträge zur Physiologie der Hefe. 23 


Assimilation verwenden könne, so müssen wir uns doch fragen, 
wie kommt es, daß Spaltprodukte im Überfluß gebildet und nur 
zum kleinsten Teil vom Organismus ausgenützt werden? Wir 
wissen ja, daß das Wachstum nach ‚dem Gesetz des Minimums‘ 
erfolgt i). Ein im Überschuß vorhandener Nährstoff ist, soweit 
er nicht aufgespeichert wird, für den Organismus als Baustoff 
wertlos. Wenn wir auch nachgewiesen hätten, daß die fermen- 
tative Girang eine Voraussetzung für die Ausnützbarkeit gewisser 
Stoffe für den Aufbau der Leibessubstanz sei, so wäre damit 
die Bedeutung der „ überschüssigen“ Gärung noch unklar. 

Es ist nun wohl denkbar, daß eine solche Bedeutung über- 
haupt nicht vorhanden ist, daB es sich dabei um eine Nebenerschei- 
nung der Assimilation handelt, die allerdings bedeutende Aus- 
maße annehmen und indirekt durch Erzeugung von Kampf- 
stoffen (Lindner, Wortmann) dem Organismus von Nutzen 
sein kann. Wir kennen ja eine Fülle von Erscheinungen zweck- 
loser Energieentfaltung im ganzen Pflanzenreich. Es sei hier nur 
hingewiesen «uf das kürzlich erschienene Werk von K. Goebel“), 
in welchem ein bedeutendes Material kritisch verwertet wird. 
Die Frage nach der ökologischen Bedeutung der überschüssigen 
Gärung braucht uns demnach nicht weiter zu beunruhigen. 
Übrigens könnte man den Vorgang in Parallele setzen zu dem 
Leuchten der Bakterien und höheren Pilze?). 

In der Annahme, es könnten in vielen Fällen erst die Spalt- 
produkte für die Ernährung verwendet werden, würde nichts 
Befremdendes liegen, sobald sich nachweisen ließe, daß die Spalt- 
produkto für die Ernährung verwertet werden können. Wir 
wissen beispielsweise, daß das Glycerin und die Brenztrauben- 
säure — als Zwischenprodukte der alkoholischen Gärung (Neu- 
berg*) — gute Kohlenstoffquellen für Hefen sind. Wie es in dieser 
Hinsicht mit dem Acetaldehyd, einem hauptsächlichen Zwischen- 
produkte (Neuberg), steht, scheint noch unsicher zu sein. 
Daß grüne Pflanzen den als Zwischenprodukt bei der CO,-Assimi- 
lation entstehenden Formaldehyd in hervorragender Weise ver- 
wenden können, ist bekannt (Bokorny, Grafe, Jacoby) 


1) Vgl. Jost, Pflanzenphysiologie, 3. Aufl. 

2) Karl Goebel, Die Entfaltungsbewegungen der Pflanzen. Jena 1920. 
3) Vgl. Molisch, Leuchtende Pflanzen. Jena 1904. 

4) Unters. seit 1910. 


24 | E. Köhler: 


und es ist von vornherein wahrscheinlich, daß der Acetaldehyd 
von der Hefe assimiliert werden kann. 

Man könnte sich also vom Mechanismus der Gärung folgende 
Vorstellungen machen: Die Gärungsfermente bilden das Substrat 
zu Bausteinen um. Diese Bausteine werden zur Plasmasynthese | 
verwendet. Hierbei tritt das Gesetz des Minimums in Kraft. 
Hat die Zelle für die Bausteine keine Verwendung — und dieser 
Fall tritt ein, wenn andere für die Synthese erforderlichen Stoffe 
fehlen — so treten diese Stoffe ohne weitere Veränderung oder 
nach weiter erfolgtem Abbau als Gärprodukte in Freiheit ). 

Machen wir uns diese Vorstellungen zu eigen, 
so müssen wir damit rechnen, daß im Falle ausblei- 
bender Fermentproduktion ein Wachstum unmöglich 
wird. Dies führt uns auf die Frage, von welchen Faktoren ist die 
Fermentbildung abhängig? 

Um Unklarheiten zu begegnen, müssen zwei mögliche Fälle 
der Beeinflussung der Gärung lebender Hefe durch ein Agens 
scharf auseinandergehalten werden. Eine stimulierende Wirkung 
auf die Lebendgärung kann zustande kommen entweder direkt 
dadurch, daB das betreffende Agens die fermentative Uinsetzung 
stimulierend beeinflußt, (Beispiel: die COH-Gruppe; Neuberg), 
oder indirekt dadurch, daß es die Fermentproduktion fördernd 
beeinflußt (,, Reizwirkung“). Diese beiden Möglichkeiten wer- 
den nicht immer gebührend auseinandergehalten. Die Beein- 
flussung durch ein und dasselbe Agens muß nun offenbar in 
beiden Fällen nicht notwendig gleichsinnig sein. Es wäre bei- 
spielsweise wohl denkbar, daß ein Stoff auf die zellfreie Gärung 
stimulierend, auf die Fermentproduktion dagegen hemmend wir- 
ken könnte. 

Zur Beantwortung der aufgeworfenen Frage lassen sich ver- 
schiedene Beobachtungen heranziehen. Daß im Plasma die not- 
wendigen Baustoffe vorhanden sein müssen, ist eine selbstver- 
ständliche Voraussetzung. Es spielen aber entschieden noch andere 
Faktoren mit, die bis jetzt zu wenig Berücksichtigung erfahren 
haben. Wenn wir wieder den Prozeß der Verdauung und Resorp- 


1) Diese Vorstellung erlaubt es auch, einen Unterschied zwischen 
Atmung und Gärung zu präzisieren. Für die Atmung ist demnach charakte- 
ristisch die Zertrümmerung assimilicrter Teile, für die Gärung die Zer- 
triimmerung nicht assimilierter Stoffe. 


Weitere Beitrige zur Physiologie der Hefe. 25 


tion im Tierkörper als Analogon zu Hilfe nehmen, so liegt es nahe, 
auch hier wieder an eine vom Nährsubstrat ausgehende Reiz- 
wirkung zu denken. ö 


In umfassenden Versuchen wurde die Frage nach der Reizwirkung 
verschiedener Substanzen auf die Bildung der Gärungsfermente behandelt 
inder von Lange!) referierten Arbeit aus dem Institut für Gärungsgewerbe 
in Berlin, jedoch ohne daß der Zeitfaktor eine genügende Berücksichtigung 
erfahren hätte. — Jacoby?) fand, daß die Kulturen harnstoffspaltender 
Bakterien bei vollkommener Abwesenheit von Bouillon zwar am Leben und 
entwicklungsfähig blieben, daß aber Entwicklung und Fermentbildung | 
gehemmt war. Jacoby gelangt zu der Anschauung, „daß die Entwick- 
lungshemmung der Bakterien mit der Hemmung der Ferment- 
bildung zusammenhängt und wohl die Entwicklungshemmung 
auf die Hemmung der Fermentbildung zurückzuführen ist“. 
M. Jacoby fand außerdem, daß Substanzen aus dem Verwandtschaftskreis 
der Zucker die Fermentbildung — und damit auch Wachstum und Gärung — 
bei den harnstoffspaltenden Bakterien in verschiedenem Maße beeinflussen 
und teilt sie nach ihrer Wirksamkeit in vier Gruppen ein. Von den Zuckern 
gehören zu den unwirksamen Stoffen z. B. Saccharose und Lactose, zu den 
epurenweise wirksamen Maltose, zu den mäßig wirksamen d: Fructose, zu 
den hochwirksamen d-Glucose und d-Galaktose. 

Es ist nun sehr interessant, daß in einer jüngst erschienenen Veröffent- 
lichung von Boas, Leberle und Langkammerer?) ebenfalls festgestellt 
wird, daß die Lebenstätigkeit der Hefe in hohem Maß von der gebotenen 
Zuckerquelle abhängt. Die Autoren gelangen zur Aufstellung einer Zucker- 
reihe in der Folge: Saccharose, Lävulose, Dextrose, Maltose. Wenn auch 
nach den eigenen Untersuchungen des Verfassers “) eine gewisse Vorsicht am 
Platze ist allen Feststellungen gegenüber, die die Zuckerwirkung betreffen 
— da die Konzentration der gebotenen Zuckerquelle von ausschlaggebender 
Bedeutung ist —, so ist doch ohne Frage eine spezifische Zuckerwirkung er- 
wiesen, die wir auch wied@ mit der von Jacoby festgestellten Wirkung auf 
die Fermentbildung in Parallele setzen können. 


Die Annahme Jacob ys freilich, daß die fördernde Wirkung 
gewisser Substanzen mit deren Verwendbarkeit als Baustoffe 
der Urease zusammenhänge, erscheint mir wenig wahrscheinlich. 
Nach unserer Vorstellung hätten wir es mit einer Aktivierung 
der Fermentbildung zu tun, mit einer Reizwirkung auf die lebende 
Substanz, deren Kausalität noch nicht aufgeklärt ist. Dasselbe 
gilt wohl auch für die von Boas, Leberle und Langkammerer 


1) H. Lange, Wochenschr. f. Brauerei 24, 417. 1907. 
2) M. Jacoby, diese Zeitschr. 79 u. 80. 1917. 

3) Diese Zeitschr. 105, 199. 1920. 

4) E. Köhler, diese Zeitschr. 106, 194. 1920. 


26 E. Kohler: 


entdeckte „spezifische Zuckerwirkung“. Man braucht dann 
auch nicht die an sich unwahrscheinliche Annahme der Autoren 
von der Giftigkeit der Saccharose zu teilen. Die Saccharose ist 
bekanntlich ein ausgezeichnetes Konservierungsmittel für Hefe 
(Hansen); und wenn die Autoren nachgewiesen haben, daß 
Wachstum und Gärung bei alleiniger Darbietung von Saccharose 
als C-Quelle gering, von Maltose stark, in einer Mischung von 
gleichen Teilen Maltose und Saccharose ebenfalls stark ist, so 
offenbart sich darin das mangelhafte Vermögen der Saccharose, 
die Fermentproduktion anzuregen. Sind die Fermente einmal ge- 
bildet, so kann die Saccharose ebensogut verwertet werden wie 
die Maltose. 


2. Zur Lokalisierung der Gärungsfermente. 


Wenn wir finden, daß ganz geringe Unterschiede in den Kon- 
zentrationen der auf die Fermentproduktion als Reizstoffe wir- 
kenden Substanzen imstande sind, Gärung und Wachstum 
tiefgehend zu beeinflussen, so kann die Erwägung, ob die Dif- 
fusionsfähigkeit dieser Stoffe (in die Hefe) dabei eine wesentliche 
Rolle spiele, außer Betracht bleiben. Die Wirkung der Reizstoffe 
ist von ihren osmotischen Eigenschaften weitgehend unabhängig, 
und wir sind zu der Vorstellung berechtigt, daß die an der 
Gärung direkt beteiligten Umsetzungensichinden 
äußeren Regionen des Plasma abspielen. Den Fer- 
menten kommt dabei die Rolle von Seitenketten, Receptoren 
(im Sinne von P. Ehrlich) zu, die das Substratmolekül ergrei- 
fen und umgestalten. (Der Organismus “streckt dem Substrat- 
molekül die Fermente sozusagen entgegen.) Die Produkte dieser 
Tätigkeit werden dann von anderen benachbarten Seitenketten 
ergriffen und weiterhin umgeformt oder zur Synthese verwendet. 
Die den meisten Biologen gegenwärtig geläufige Vorstellung, daß 
ein Stoff tiefer in das Zellinnere eindringen müsse, um in Wirk- 
samkeit zu treten, dürfte sich kaum aufrecht erhalten lassen, 
wenigstens soweit sich die Betrachtung auf organische Substan- 
zen erstreckt. i) 


1) Dasselbe gilt auch für gewisse anorgan. Salze. Denn Paine 
fand (Proc. Roy. Soc. B. 84; 1912), daß nach 20 stündiger Einwirkung einer 
71% Natriumphosphatlösung auf Hefe der Eintritt von Phosphor in die 
Hefe nicht nachweisbar war. 


Weitere Beitrige zar Physiologie der Hefe. 27 


Wenn wir die mit der Gärung verbundenen Umsetzungen 
in die äußeren, an das Nährmedium grenzenden Bezirke des Plasma 
verlegen, so lösen sich zwanglos viele Widersprüche, die in An- 
betracht der Wirksamkeit eines Stoffes auf Gärung und Wachs- 
tum einerseits und dessen osmotischen Eigenschaften andererseits 
bestehen. Auch die Möglichkeit, nach C. Neubergs Methoden 
den bei der Gärung lebender Hefe als Zwischenprodukt entstehen- 
den Acetaldehyd „abzufangen“, ist eine Stütze für unsere Auf- 
fassung, was keiner weiteren Auseinandersetzung bedarf. 

Zwischen Plasma und Nährmedium ist die Zellmembran 
eingeschaltet. Der Quellungs- und Dehnungszustand der Zell- 
membran wird ohne Frage die Permeabilität beeinflussen, und 
man wird aus diesem Grunde das Studium der Zellmembran nicht 
vernachlässigen dürfen. 

Im folgenden einige Beispiele davon, wie sich bekannte Er- 
scheinungen zwanglos mit unseren Vorstellungen in Einklang 
bringen lassen. 

Ich zitiere aus einer Arbeit von H. Euler!), „Aktivierung lebender 
Hefe durch Hefenextrakt und durch Salze organischer Säuren“ wörtlich: 
„Euler und Berggren hatten 1912 die Beobachtung gemacht, daß die 
Gärung lebender Hefe durch einen Extrakt von Trockenhefe beschleunigt 
wird, und zwar hatten sie unter den von ihnen gewählten Bedingungen eine 
Beschleunigung von etwa 100% gefunden ®). Andererseits lag es nahe, diesen 
Befund mit der grundlegenden Entdeckung von Harden und Young in 
Beziehung zu setzen, daB bei der alkoholischen Gärung zwei Stoffe, bzw. 
Stoffgruppen wesentlich beteiligt sind, nämlich das als Zymase bezeichnete 
enzymatische Agens und außerdem ein sog. Co-Enzym, das durch seine 
Kochbeständigkeit charakterisiert ist?). 

Andererseits war a priori nicht zu erwarten, daß die Gärung durch 
lebende Hefe bei Zusatz von Co-Encymhaltigem Hefenextrakt eine Be- 
schleunigung erfahren würde, denn wie Harden und Young bei Be- 
sprechung des Euler- Berggrenschen Befundes hervorhoben®), 
ist die lebende Hefenzelle, wenn überhaupt, so nur sehr un- 
vollkommen für das Co-Enzym permeabel5). „Demgemäß ist die 


1) Zeitschr. f. techn. Biologie, Neue Folge der Zeitschr. f. Gärungs- 
physiol. 7, 155. 1919. | 

*) Ebenda 1, 203. 1912. 

з) Harden u. Young, Proc. Roy. Soc. В. 78, 369. 1906. 

4) Harden u. Young, Biochemical Journ. 7, 630. 1913. 

5) Von mir gesperrt. Man beachte die Fragestellung! Es ist m. E. 
die Frage ebenso berechtigt, ob überhaupt ein Eindringen des Co-Enzyms 
in die Zelle weiter als durch die Zellmembran hindurch notwendig ist, damit 
es in Wirksamkeit trete. 


28 E. Kohler: 


von Hardenund You ng aufgeworfene Frage berechtigt, ob die von Euler 
und Berggren gefundene Aktivierung nicht auf einen Zuwachs der Hefe 
zurückgeführt werden kann.“ 

Im Verlauf seiner Untersuchungen kommt Euler zu dem Ergebnis, 
S. 159: ,,Es bestätigt sich also zunächst unser Versuch vom Jahre 1913, daß 
die Gärung durch lebende Hefe bei Zusatz eines nicht enzymatischen Be- 
standteils, der als Co-Enzym bezeichnet werden kann, beschleunigt wird, 
ohne daß ein Zellenzuwachs eintritt.“ Im weiteren Verlauf der Arbeit ver- 
suchte nun Euler die Permeabilität zu verändern, indem er die Hefe der 
. Trocknung und der Einwirkung von Alkohol unterwarf. Bei der getrock- 
neten Hefe fand er das „auffallende“ Ergebnis, daß keine wesentliche Be- 
schleunigung der Aktivierung eintrat, bei der mit Alkohol behandelten 
Hefe zeigte es sich, daß „die Gärungsgeschwindigkeit offenbar bedeutend 
zurückgegangen war“. Euler bringt diese Ergebnisse nun nicht weiter 
mit seiner Fragestellung in Zusammenhang, äußert sich jedoch in einer 
Fußnote S. 162: ,, Falls es sich zeigt, daß die Enzymkomponente nicht wesent- 
lich durch die Alkoholbehandlung bzw. die Wasserextraktion verändert wird, 
würde man in obigen Resultaten weitere Anhaltspunkte für die bereits von 
Euler und Berggren geäußerte Vermutung sehen können, daß, außer 
dem anorganischen Phosphat und dem Hardenschen Co-Enzym noch wenig- 
stens ein weiterer Aktivator an der Gärung wesentlich beteiligt ist.“ 


Das Ergebnis der Eulerschen Arbeit läßt sich mit der von uns 
oben entwickelten Anschauung gut vereinbaren. Weder die 
Permeabilität, noch ein weiterer Aktivator ist für die Deutung 
der Ergebnisse notwendig; es handelt sich wohl in allen Fällen der 
Aktivierung durch Hefeextrakt um eine direkte Reizwirkung 
auf das die Enzyme erzeugende Plasma, und diese Reizwirkung 
kann durch Behandlung der Hefe mit Alkohol, Formiaten und 
anderen Salzen oder durch Trocknung in förderndem oder hem- 
mendem Sinn beeinflußt werden. 

Warum sollte auch ein grundsätzlicher Unterschied bestehen 
in der Wirkungsweise gelöster Stoffe auf die Produktion der Fer- 
mente und derjenigen fester Stoffe? Bei letzteren ist der Ge- 
sichtspunkt der Permeabilität von vornherein ausgeschaltet. 

Aus den Untersuchungen von Н. Prings hei mi) geht hervor, daß 
das die Zellulose hydrolysierende Ferment von den Zersetzern der Zellulose 
nur auf Grund eines Reizes zur Wirksamkeit gebracht wird, welcher von 
dem Polysaccharid auf seine Verzehrer ausgeübt wird. Die die Zellulose 
angreifenden Mikroorganismen gedeihen nur in direkter Berührung mit der 


Zellulose. — Daß die Zellwand der Organismen kein Hindernis zu sein 
braucht für die Möglichkeit eines unmittelbaren Kontaktes zwischen Sub- 


— 


1) H. Pringsheim, Zeitschr. f. physiol. Chemie 78, 266. 1912. 


Weitere Beiträge zur Physiologie der Hefe. 29 


strat und Plasma läßt sich aus den Mitteilungen von Hansteen - Cranner?) 
entnehmen, wonach man zu der Vorstellung berechtigt ist, daß die Zell- 
membran von Plasma durchsetzt ist. 

Eine andere Erscheinung, die oben schon gestreift wurde, 
bedarf einer weiteren Diskussion, nämlich die Erscheinung der 
überschüssigen Gärung. Es werden danach bedeutend mehr Fer- 
mente produziert als notwendig wären, um den für Assimilation 
und Wachstum benötigten Fermentbedarf zu decken. Diese 
Erscheinung können wir vielleicht in Parallele bringen mit der 
Bildung der Antitoxine im Blut höherer Tiere. Wir wissen z. B. 
aus den Untersuchungen von Knorr?), daß das Pferd nach In- 
jektion von Tetanusgift eine Antitoxinmenge produzieren kann, 
welche hinreicht das 100 000fache der verwendeten Dosis zu 
neutralisicren. Wenn wir nun, wie oben schon geschehen, die 
Gärungsfermente auffassen als Seitenketten des lebenden Proto- 
plasma, so liegt es nahe, bei der Fermentbildung nach ähnlichen 
Gesetzmäßigkeiten zu suchen, wie sie die Bildung der Antitoxine 
beberrschen. 


1) B. Hansteen - Cranner, Ber. d. Deutsch. botan. Ges. 1919, S. 380. 
s) Zit. nach Römer, Die Ehrlichsche Seitenkettentheorie 1904, S. 10. 


Zur Kenntnis der adialysabeln Bestandteile des 
Menschenharnes. 


Von 
Hugo Pribram und Gustay Herrnheiser. 


(Aus der үн. Medizinischen Klinik und dem Pharmakologischen Institut der 
deutschen Universität in Prag.) 


(Eingegangen am 5. August 1920). 


In früheren Arbeiten konnte der eine von uns!) zeigen, daß 
dem adialysabeln Anteile des Harnes eine biologische EE 
keit zukommt. 

Bei den weiteren Untersuchungen des Adialysates muBten 
sich folgende Fragen aufdrängen: 

1. Wie wirkt das Adialysat im akuten Tierversuch? 

2. Welcher Bestandteil der Harnkolloide ist Trager dieser 
Wirkung ? | 

Zur Beantwortung dieser Fragen wurden ргбЗеге Mengen 
von Menschenhain dialysiert und es wurde einerseits in vitro 
versucht, das Adialysat noch weiter zu fraktionieren, und anderer- 
seits die erhaltenen Fraktionen auf ihre chemischen Reaktionen 
und ihre Wirkung im Tierversuche gepriift. 

Es zeigte sich, daB der bei der Dialyse, deren technische 
Details weiter unten besprochen werden sollen, im Dialysier- 
schlauche zurückbleibende kolloide Anteil des Harnes, einem 
Kaninchen in die Ohrvene injiziert, regelmäßig Miose, die fast 
unmittelbar der Injektion folgte, und sehr häufig auch einen 
Schlafzustand mit herabgesetzter Reflexerregbarkeit bewirkte. 

Diese Wirkung kommt den im Harn vorhandenen organischen 
Kolloiden zu, was einerseits aus dem negativen Ausfall der Unter- 


1) H. Pribram, Dtsch. Arch. f. klin. Med. 1911 (daselbst Literatur) 
und Münch. med. Wochenschr. 1913. 


H. Pribram u. G. Herrnheiser: Adialys. Bestandteiled.Menschenhames. 31 


suchung auf einzelne anorganische Ionen, andererseits aus dem 
ungemein geringen Aschegehalt des Adialysates hervorgeht. 
(Auf 100g Ausgangsmaterial kam bloß 0,00034 g Asche.) 

Hervorgehoben sei ganz besonders mit Rücksicht auf die 
Beobachtung von Melzer, daß die intravenöse Injektion von 
CaCl, beim Kaninchen Pupillenverengerung bewirkt, daß auch 
kalkfrei dialysierter Harn miotisch und hypnotisch wirkt. | 

Untersuchungen am Kymographion ergaben, daß die Injek- 
tion von Adialysat zu lange andauernden Blutdrucksenkungen 
führt. Die Rectaltemperatur blieb dabei unverändert. Im 
Reagensglasversuche zeigte es sich, daß das Adialysat die Ge- 
rinnung unbedeutend hemmt und die Fähigkeit hat, rote Blut- 
körperchen in geringem Grade zu hämolysieren. Die Stickstoff- 
bestimmung der Trockensubstanz des Adialysates ergab eine dem 
Stickstoffgehalte des Eiweißes nahestehende Zahl (15,3%). 

Die Tierversuche erbrachten somit einen neuerlichen Beweis 
für die biologische Wirksamkeit der adialysabeln Stoffe des 
Harnes, was um so bemerkenswerter ist, als die absolute Menge 
der zur Injektion kommenden Substanzen sehr gering war. (0,03 g 
Trockensubstanz, in der, wie weitere Fraktionierungen ergaben, 
neben wirksamen auch biologisch unwirksame Stoffe enthalten 
waren, genügten zur Erzeugung einer deutlichen Wirkung.) 

Es war nun zu versuchen, die wirksame Substanz zu isolieren 
und sie chemisch zu charakterisieren. Eine Lösung dieser Aufgabe 
gelang jedoch in der gehofften Weise nicht. Immerhin konnte 
das Adialysat durch Fällung mit Essigsäure weiter in einen 
biologisch unwirksamen Niederschlag und in ein wirksames 
Filtrat fraktioniert werden. 

Der Niederschlag, der das normale Harneiweiß enthielt, 
wurde auf seinen Gehalt an Purinbasen untersucht. Wir gingen 
dabei von folgendem Gedankengang aus. Stammte das normale 
Harneiweiß aus der Niere, so mußte es als Organeiweiß nucleo- 
proteidhaltig und damit purinbasenliefernd sein; stammte es aus 
dem Blute, so war zu erwarten, daß bei der Hydrolyse keine 
Purinbasen gefunden würden. Purinbasen wurden nicht gefunden 
und damit war die Frage in dem Sinne entschieden, daß das 
normale Harneiweiß hämatogenen Ursprunges sein dürfte. 

Das Filtrat der Essigsäurefällung, das eine Reihe von Eiweiß- 
reaktionen ergab, andere, darunter recht wichtige, vermissen ließ, 


32 H. Pribram und G. Herrnheiser: 


(vide den experimentellen Teil), wirkte im Tierversuch ganz gleich 
dem unfraktioniertem Adialysat. 

Wir können somit das Ergebnis der Versuche, den Harn zu 
fraktionieren, in folgender Weise kurz darstellen: 


Genuiner Harn 


Dia lyaat Adialysat 
(biologisch wirksam) 
Essigsäureniederschlag Filtrat 
(Eiweiß, unwirksam) (wirksam) 


Weitere Versuche, das Essigsäurefiltrat des Adialysates zu 
fraktionieren, scheiterten, da bei allen weiteren Fällungsversuchen 
stets Filtrat wie Niederschlag im Tierversuch in gleicher Weise 
wirksam waren. 

Es war nun der Frage näherzutreten, welche Substanzen in 
dem Essigsaurefiltrat als Träger der Wirksamkeit enthalten waren. 
Vor allem waı an Eiweiß und seine Abbauprodukte zu denken. 
Das Eiweiß wur wohl zum großen Teile durch die Essigsäure- 
fällung entfernt worden, außerdem waren wichtige Reaktionen, 
wie z. B. die mit Essigsäure und Ferrocyankalium und andere im 
Essigsäurefiltrat negativ. 

Was Eiweißabbauprodukte betrifft, so kamen die Gg 
wegen ihrer Eigenschaft dialysabel zu sein nicht in Betracht. 
Albumosen, deren Nachweis mit der Methode von Devoto ver- 
sucht wurde, konnten jedoch nicht gefunden werden. Die Mög- 
lichkeit, daß es sich um Eiweißabbauprodukte handeln könnte, 
ist damit jedoch nicht in Abrede gestellt, nur kann es sich nicht 
um Albumosen oder Peptone handeln. 

Ob das wirksame Prinzip an die Fermente des Harnes ge- 
bunden ist, an die auch zu denken wäre, kann nicht entschieden 
werden, da diesbezüglich keine Untersuchungen angestellt wurden. 
Daß die Miose und Hypnose, die der Injektion folgten, nicht die 
Folge der Wirkung einer bestimmten Substanz, sondern vielleicht 
bloß die unspezifische Folge der Injektion von Stoffen, die in 
kolloidelem Zustand sich befinden, sein könnte, schien a priori 
unwahrscheinlich. Immerhin wurde durch eigene Versuche sicher- 
gestellt, daß andere Kolloide völlig wirkungslos waren. Zu denken 
war auch an die Möglichkeit, daß die wirksamen Stoffe dem Harne 


Adialysable Bestandteile des Menschenharnes. 33 


von der Niere beigegeben sein konnten. Gegen diese Möglichkeit 
sprach der Umstand, daß die Injektion von Menschennierenextrakt 
völlig wirkungslos blieb. 

Wir mußten auch daran denken, daß das wirksame Prinzip 
mit den Ermüdungsstoffen (Kenotoxine Weichhardt) identisch 
oder verwandt sein könnten. Hierzu ist zu bemerken, daß die 
Steigerung der Dosis zu keinerlei toxischen Symptomen führte. 

Das einmal in den Protokollen angeführte Auftreten von 
Streckkrämpfen, denen der sofortige Tod folgte, ist unter vielen 
Versuchen eine vereinzelte Beobachtung geblieben und wohl auf 
eine intravasculäre Gerinnung zurückzuführen. Gelegentlich 
gingen Tiere 2 Tage nach der Injektion ohne weitere Krankheits- 
symptome zugrunde. 

Schließlich sei noch bemerkt, daß wir, um sicherzustellen, 
ob die wirksame Substanz hitzebeständig ist oder nicht, Tier- 
versuche mit Adialysat, das im Wasserdampf erhitzt war, anstell- 
ten. Die Versuche ergaben jedoch kein einheitliches Resultat. 

Unsere Untersuchungen haben somit im Kolloid des nor- 
malen Harnes keine Stoffe von starker toxischer Wirkung, wie 
solche auf Grund früherer Arbeiten zahlreicher Autoren!) im Harne 
angenommen wurden, ergeben; sie zeigen jedoch, daß im Kolloid 
des normalen Menschenharnes immerhin Stoffe von physiologi- 
scher Wirksamkeit vorhanden sind 


Experimenteller Teil. 
I. Technik der Darstellung des Adialysates. 


Zur Dialyse wurden anfänglich, ebenso wie bei meinen früheren 
Untersuchungen Fischblasencondoms verwendet, deren Brauchbarkeit und 
Undurchlässigkeit gegen Kolloide mit Kongorotlösungen vor und nach 
ihrer Verwendung sichergestellt wurde. Da es sich herausstellte, daß eine 
große Anzahl der Condome a priori durchlässig und damit unbrauchbar 
war, wurden nach den Angaben Wiechowskis®) Dialysierschläuche aus 
Goldschlägerhäuten dargestellt und verwendet. Die Dialyse erfolgte unter 
dauerndem Zutropfen destillierten Wassers in das dem Dialysierschlauch 
möglichst eng angepaßte zylindrische Außengefäß, aus dem der Abfluß 
durch Heberwirkung konstant erfolgte®). 

Die Dialyse wurde wesentlich befördert durch die Verwendung eines 
im Dialysierschlauch rotierenden elektrisch betriebenen Glasrührers. Um 


1) Literatur vide Pribram l. с. und Malen Jahresberichte für Tierehemie. 
3) Die ausführliche Mitteilung der Methode erfolgt anderwärts. 
8) Diesbezüglich siehe Pribram 1. с. 


Biochemische Zeitschrift Band 111. 3 


€ 


34 H. Pribram und G. Herrnheiser: 


die Verpilzung des Harnes und damit ein Unbrauchbarwerden des Schlauches 
und seines Inhaltes zu verhindern, wurde sowohl dem Harne als der um- 
gebenden Wasserschicht ein Desinfiziens zugesetzt. Verwendet wurde Chloro- 
form, Phenol oder Toluol, welch letzteres sich am zweckmäßigsten erwies. 
Für spätere Versuche käme vielleicht wegen seiner oligodynamischen Wirkung 
die Einbringung eines Metalles in das Wasservorratsgefäß in Betracht. 

Es wurde entweder der genuine Harn dialysiert, dann eingeengt und 
abermals dialysiert, oder es wurde primär eine größere Menge Harnes (zur 
Verwendung kamen Harnquanten bis zu 201) noch vor der Dialyse ein- 
geengt. Die Einengung geschah um jedes, der biologischen Wirkung etwa 
schädliches Erhitzen zu vermeiden, in flachen Schalen bei Laboratoriums- 
temperatur durch Abblasen im Luftstrome!). 

Verwendet wurde durchwegs Menschenharn, der von nicht fiebernden, 
nicht venerisch infizierten, nieren- und stoffwechselgesunden Männern 
stammte. Als Endpunkt der Dialyse wurde die Chlorfreiheit des Dialysates 
angesehen. Freilich fanden sich in diesem Stadium manchmal geringe 
Mengen von Kalk und Phosphat im Adialysat vor, doch zeigte die Asche- 
bestimmung, daß die Menge derselben minimal war. 

Bei Dialyse des genuinen Harnes war die nötige Dauer meist etwa 
24 Stunden und etwas mehr, bei Verwendung eingeengten Harnes war die 
Dauer der Dialyse beträchtlicher, da das Steigen des Schlauchinhaltes 
die Dialyse verzögerte. Die Menge des zur Dialyse von etwa 2,51 Harn 
nötigen Wassers belief sich auf etwa 551. 

Das Adialysat war gelblich gefärbt und etwas trübe. Es blieb also 
vom Harnfarbstoffe etwas als adialysabel zurück. War zur Desinfektion 
Phenol verwendet worden, so war das Adialysat wesentlich dunkler. 


II. Die Fraktionlerung der Harnkolloide, ihre Reaktionen und 
die ihrer Fraktionen. 
a) Reaktionen des Harnkolloids: 


Folgende Reaktionen wurden als vorhanden gefunden: die Millonsche, 
die Biuretreaktion, die Fällung mit Essigsäure, mit Phosphorwolframsaure, . 
die Hitzekoagulation mit Salzzusatz, die Aussalzbarkeit mit schwefelsaurem 
Ammon. 


b) Die Fraktionierung des Adialysates und Reaktionen der 
Fraktionen. 


Das Adialysat wurde nach Austasten der hierzu erforderlichen Menge mit 
2n-Essigsäure gefällt. Das Filtrat dieser Fällung, das für die Anstellung von 
Tierversuchen anfänglich mit Alkali neutralisiert, später statt dessen säurefrei 
dialysiert wurde, verhielt sich bezüglich seiner Reaktionen folgendermaßen. 

Positive Reaktionen: Die Reaktionen von Molisch, Adamkiewicz, 
Pauli, Folin, Millon, die Biuretreaktion, Fällung mit Bleiessig, Tannin, 
gesättigter Lösung von schwefelsaurem Ammon, absolutem Alkohol, 
Jodquecksilberkalium, Phosphorwolframsäure, kolloidalem Eisenhydroxyd. 


1) Wiechowski, Biochem. Zeitschr. 81, 278. 1917; daselbat Be- 
schreibung des Apparates. 


Adialysable Bestandteile des Menschenharnes. 35 


Negative Reaktionen: Fällung mit Pikrinsäure, Bleizucker, Ferro- 
eyankalium und Essigsäure, die Probe mit Dimethylparamidobenzaldehyd, 
die Prüfung auf abspaltbaren Schwefel, die Hitzekoagulation. 

Die häufig an sich trübe Lösung wurde durch Zusatz von Essigsäure, 
Soda, Äther geklärt. Gewöhnlicher Alkohol ergab nach primärer Aufhellung 
nach weiterem Zusatz eine Fällung. 

Der Versuch, durch Ausätherung größere Mengen ätherlöslicher 
Bestandteile zu erhalten, hatte ein negatives Resultat. Die Prüfung des 
Harnkolloids, das aus 2,51 Originalharn dargestellt war, auf seinen Gehalt 
an Albumosen (Methode von Devoto) hatte ein negatives Ergebnis. 


c) Trockensubstanz-, Asche- und Stickstoffbestimmungen. 


5ccm Adialysat ergaben 0,0176 g Trockensubstanz, d. h. berechnet 
auf 100 cem Adialysat 0,352 g und auf 100 ccm Originalharn 0,02 g. 10 ccm 
Adialysat hatte einen Aschegehalt von 0,0006 g, d. h. in 100g Trocken- 
substanz war 1,7 g Asche. 

Der Stickstoffgehalt des Adialysates betrug: in 0,0352 g Trockensub- 
stanz 0,0054 g N, d. i. 15,3%, d. h. in 100 ccm Originalharn waren 0,0036 g 
adialysabler Stickstoff. 

Die Trockensubstanzbestimmung des Essigsäurefiltrates des Adia- 
lysates ergab: | 

In 1 com war 0,015 g Trockensubstanz, d. h. berechnet auf 100 cem 
Originalharn 0,00825 g. 

Die Priifung des Adialysates auf seine Einwirkung auf die Blutgerin- 

nung und auf seine hämolytische Fähigkeit ergab folgendes. 


Tabelle I. Gerinnungsversuch. 


Physiol. NaCl, Gerinnung 
Beginn. Komplett 


Adialysat | Kaninchenblut 


0,1 1 | ad2,5 20 Min. 24 Min. 
0,25 1 „2,5 45 Min. 55 Min. 
075 ' 1 „ 2,5 55 Min. 4 Stunden 
1,0 | 1 „ 2,5 oe Gerinnung 
155 1 | nach 18 Stunden 
0 | 1 0,1 |) Kontrolle kom- 

0 | 1 | 0,5 plette Gerinnung 
0 1 | 1,5 nach 20 Minuten 

Tabelle II. Hämolyseversuch. 
Adialysat| erythr. 5% Physiol. Nat) Häwmolyse, 


ccm Gem ecm nach 12 Stunden 


36 H. Pribram und G. Herrnheiser: 


ПТ. Tierversuche. 
(Auszugsweise Wiedergabe einzelner Protckolle.) 

1. Das Adialysat von 250 ccm Harn wurde zur Trockne abgeblasen, 
der Rückstand in Ringerlösung aufgelöst, das ungelöst Gebliebene abfiltriert. 
10 ccm hiervon, entsprechend 125 cem Originalharn wurde einem ca. 2 kg 
schweren Kaninchen in die Ohrvene injiziert. Unmittelbar nach der In- 
jektion eine Miose von 15 Minuten Dauer. Sonst wurde nichts Patholo- 
gisches am Tiere beobachtet. 

2. 9 cem Adialysat, von einem Trockensubstanzgehalt von 0,0318 g, 
entsprechend 158 cem Originalharn, wurde einem Kaninchen in die Ohr- 
vene injiziert. 

Nach 5 Minuten Miose und Entrundung der Pupillen. Schlafzustand. 
Das Tier nimmt Seitenlage ein, zeigt eine Lähmung der hinteren Extremi- 
täten. StoBweise Atmung. Entleerung von weichem Stuhl. Nach einer 
Dauer von 15 Minuten sind die Pupillen wieder normal weit. Rückgang 
der übrigen Symptome. 

3. 2 cem derselben Lösung wurde einer Rana temporaria von 38 g 
Gewicht in den Brustlymphsack gespritzt. Kein Effekt. 

4. Leem derselben Lösung wurde einer weißen Maus intraperitoneal 
injiziert. Kein Effekt. | 

5. 10ccm derselben Lösung wurde einem Kaninchen von 1850 g 
intravenös injiziert. Versuch am Kymographion. Urethannarkose, 1 g 
pro kg. Unmittelbar nach der Injektion Miose, die 11 Minuten andauerte. 
Gleichzeitig Auftreten einer beträchtlichen Blutdrucksenkung. Vertiefung 
der Atmung. 

6. Kontrollversuch mit der Lösung eines anderen Kolloids. Kaninchen. 
Intra venöse Injektion von einer 0,34 proz. Gummilösung. Keine Wirkung. 

7. Ebenso. Intra venöse Injektion einer 0,34 proz. Gelatinelösung. 
Keine Wirkung. 

8. Kontrolle. Intra venöse Injektion einer 1 proz. Lösung von Witte- 
pepton. Keine Wirkung. 

9. Kontrolle. Intra venöse Injektion von Menschennierenextrakt, 
welcher auf den Trockensubstanzgehalt des Harnkolloids gebracht worden 
war. Keine Wirkung. 

10. 10 cem Essigsäurefiltrat, entsprechend 175 cem Originalharn 
wurde schwach alkalisch gemacht und einem Kaninchen in die Ohr vene 
injiziert. 

Nach 11 Minuten Miose, Muskelzittern, Harnlassen. 

Nach 3 Minuten Miose maximal. 

Nach 4 Minuten vorübergehend Seitenlage. 

Nach 10 Minuten dauernde Seitenlage. Miose geringer. 

Nach 12 Minuten Reaktionslosigkeit gegenüber mechanischer Reizung 
der Extremitäten. | 

Nach 20 Minuten Schlaf, ruckweises Atmen, Frequenz 200. 

Nach 25 Minuten Pupillen normal, allmähliches Nachlassen der übrigen 
Symptome. 

Nach 1 Stunde ist das Tier wieder ganz normal. 


‚  Adialysable Bestandteile des Menschenharnes. 37 


11. Der bei der Essigsäurefällung erhaltene Niederschlag wurde 
gewaschen, in !/,,n-Kalilauge gelöst, mit !/,„n-Schwefelsäure auf leichte 
Alkalescenz gebracht. Die intravenöse Injektion von 10 ccm, entsprechend 
175 ccm Harn, bei einem Kaninchen war wirkungslos. Beobachtungs- 
dauer 90 Minuten. 

12. Das Essigsäurefiltrat wurde säurefrei dialysiert und 10 cem, ent- 
sprechend 175 ccm Harn, intravenös einem Kaninchen injiziert. Sofort 
Miose. Nach 4 Minuten Seitenlage. Nach 5 Minuten Augenblinzeln. Hypnose 
von der Dauer von etwa 30 Minuten. Temperatur, gemessen im Rectum 
vor und während des Versuches, gleich (40,3°). 

13. 10 сст derselben Lösung wurden einem Kaninchen intravenös 
injiziert. Kymographionversuch. Nach 1 Minute Miose. Starke Blut- 
drucksenkung, Pulsverlangsamung. 

14. Intravenöse Injektion des Essigsäurefiltrates. 2 ccm, d. i. 0,0153 g 
Trockensubstanz. Kein Effekt. Nach einer halben Stunde neuerliche 
Injektion von бесш derselben Lösung. Sofort Miose, Streckkrämpfe, 
verlangsamteAtmung, Exitus. Obduktionsbefund: Gravidität. Im Herzen 
ziemlich viele Thromben. 

15. Säurefrei dialysiertes Essigsäurefiltrat. Intravenöse Injektion 
bei einem Kaninchen. 10 ccm, entsprechend 200 ccm Originalharn. 

Nach !/, Minute deutliche Miose. Keine Hypnose. 

Nach 20 Minuten neuerliche Injektion von 8ccm derselben Lösung. 
Sofort maximale Miose. 

Nach 3 Minuten Atembeschleunigung. Das Tier legt sich nieder, 
läßt sich umherrollen. 

Nach 11 Minuten setzt sich das früher in Seitenlage befindliche Tier 
spontan auf, läßt sich jedoch leicht wieder in Seitenlage bringen. Nach 
21 Minuten ist die Hypnose vorüber. 

Am nächsten Tage hat das Tier keine FreBlust. Am 2. Tage ist das 
Tier wieder munter. Am 3. Tage Exitus. Obduktionsbefund: Thromben 
in dem Herzen. Marmorierung der Leber. Exsudat in Pleura und Peri- 
toneum. 

16. 15 cem derselben Lösung werden 1 Stunde auf dem Wasserbad 
erhitzt. Intravenöse Injektion an einem Kaninchen. Geringe Miose. 
Vielleicht etwas Schlaffheit der unteren Extremitäten. | 

17. 15 сот derselben Lésung werden durch eine Stunde auf 92° erhitzt. 
Intravenös einem Kaninchen injiziert. Keine Wirkung. Am nächsten Tag 
Exitus. Sektionsbefund negativ. 

18. Fällung des Essigsäurefiltrates mit gesättigter 1 von Ammon- 
sulfat. Waschen des Niederschlages mit Ammonsulfatlösung. Lösung des 
Niederschlages in Wasser. Wegdialysieren des Ammonsulfates. und Ein- 
engung. Intra venöse Injektion bei einem Kaninchen ergibt Miose, aber 
keine Hypnose. 

19. Intra venöse Injektion des salzfrei dialysierten Ammonsulfat- 
filtrates. Miose. 

20. Fällung des Essigsäurefiltrates mit kolloidalem Eisen. Filtrat 
einem Kaninchen intravenös injiziert ergibt: Miose. 


38 H. Pribram u. G. Herrnheiser: Adialys. Bestandteile d. Menschenharnes. 


21. Fällung des Essigsäurefiltrates mit Alkohol. Befreiung des Nieder- 
schlages vom Alkohol durch Abblasen zur Trockne. Lösung in Wasser. 
Intravenöse Injektion bei einem Kaninchen. Miose. 

22. Analoger Versuch mit dem Alkoholfiltrat. Miose. 


IV. Untersuchung des durch Fällung mit Essigsäure aus dem 
Adialysat erhaltenen Niederschlages. 


Der durch Fällung mit Essigsäure aus dem Adialysat erhaltene Nieder- 
schlag wurde mit Schwefelsäure hydrolysiert und dann nach Krüger und 
Schmid auf Purinbasen untersucht. Bei Untersuchung des Eiweißnieder- 
schlages aus 51 Harn wurde kein Purinbasenstickstoff gefunden. 


Beitrag zur Kenntnis der Wirkung des Kohlenoxyds. 


Von 
M. Kochmann. 


(Aus dem Pharmakologischen Institut der Universität Halle.) 


(Eingegangen am 9. August 1920.) 


Mit 2 Abbildungen im Text. 


Es bestehen bekanntlich zwei Ansichten über den Mechanis- 
mus der Kohlenoxydwirkung auf den tierischen Organismus. Die 
eine spricht sich dahin aus, daß die beobachteten Giftwirkungen 
lediglich die Folge der Verdrängung des Sauerstoffs aus der Hämo- 
globin verbindung seien. Da, wie Lewin!), einer der strengsten 
Vertreter dieser Meinung, es ausdrückt, das Kohlenoxydhämo- 
globin nicht imstande ist, den Sauerstoff zu transportieren, so 
entstehen je nach dem benötigten Funktions- bzw. Existenz- 
sauerstoff vitale Minderleistungen oder krankhafte Veränderungen. 

Die andere Ansicht geht dahin, daß das Kohlenoxyd neben 
der Blutveränderung und ihren Folgen auch noch einen unmittel- 
baren Einfluß auf das lebende Protoplasma, insbesondere die 
Zellen des Zentralnervensystems ausübe. Die Beweise für und 
gegen diese Ansichten hat Lewin in seinem schon genannten 
Buche zusammengestellt. 

Eine Wirkung auf das Nervensystem wurde besonders aus 
den Versuchen gefolgert, in denen Frösche in einer Kohlenoxyd- 
atmosphäre sehr viel schneller zugrunde gehen, als bei Einatmung 
eines indifferenten Gases. Eine zufällige Beobachtung legte mir 
den Gedanken nahe, diese Angaben einer Nachprüfung zu unter- 
ziehen. Frösche wurden unter eine Glasglocke gesetzt, die voll- 
kommen mit Wasser gefüllt wurde. Die Glasglocke trägt oben 
einen einfach durchbohrten Gummistopfen, durch den ein Glas- 


1) L. Lewin, Die Kohlenoxydvergiftung, Berlin 1920. 


40 M. Kochmann: 


rohr hindurchfihrt. Dieses stellt die Verbindung mit dem das 
Kohlenoxyd enthaltenden Garometer her. Das Wasser der Glas- 
glocke wird nunmehr durch Kohlenoxyd verdrängt, das durch 
Erhitzen von Oxalsäure mit Schwefelsäure dargestellt wurde. 
Das sich entwickelnde Gas, ein Gemisch von Kohlensäure und 
Kohlenoxyd wurde durch eine Waschflasche mit starker Kalilauge 
geleitet, um die Kohlensäure abzufangen. Die Frösche, die sich 
in einein derartigen Kohlenoxyd befanden, wurden im Verlauf 
von 10—15 Minuten zentral gelähmt, während Frösche, die in 
einer Atmosphäre reinen Wasserstoffs atmeten, erst nach zwei 
Stunden Lähmungserscheinungen zeigten. 

Es zeigte sich jedoch, daß durch eine mit Kalilauge gefüllte 
Waschflasche die Kohlensäure nicht vollkommen abzufangen war. 
Mit Hilfe der Hempelbürette wurde festgestellt, daß das Kohlen- 
oxyd noch etwa 15%, Kohlendioxyd enthielt. Selbst drei hinter- 
einander geschaltete, mit Kalilauge beschickte ` Waschflaschen 
verminderten den Kohlendioxydgehalt nur auf etwa 5%,, und erst 
durch mehrmaliges Waschen des sich entwickelnden Gasgemisches, 
das ganz langsam zwei- bis dreimal hintereinander durch je drei 
frischgefüllte Kalilaugevorlagen von einem Gasometer zum anderen 
gedrückt wurde, gelingt es, ein Kohlenoxyd zu erhalten, das bis 
auf nicht mehr meßbare Spuren frei von Kohlendioxyd ist. 

Werden nun die Frösche, Rana fusca, in ein derartig gereinigtes 
Kohlenoxyd eingebracht, so zeigen sie, ebenso wie in einer reinen 
Wasserstoffatmosphäre, erst nach ungefähr zwei Stunden die Er- 
scheinungen einer zentral bedingten, vollkommenen Lähmung, 
die nach Verbringen der Tiere in atmosphärische Luft in wenigen 
Minuten wieder verschwinden. 

Wenn frühere Untersucher eine stärkere Giftwirkung des 
Kohlenoxyds sahen, so. ist das zweifellos auf die Verunreinigung 
des Kohlenoxyds mit Kohlendioxyd zurückzuführen, das schon 
in verhältnismäßig kleinen Konzentrationen eine lähmende Wir- 
kung ausübt. 

Versuch I: R. fusca. 15g. 

11% 5“ Füllung der Glocke mit Kohlenoxyd, das einmal gewaschen, 

noch 15% Kohlensäure enthält. | 

11h 7’ schwerfällige Bewegungen. 

11" 8° Vorderkörper auf die senkrecht ausgestreckten Vorderbeine 


gestützt, hoch erhoben, dyspnoische Atembewegungen mit 
offenem Maul. 


Wirkung des Kohlenoxyds. 41 


115 17’ beim Springen Riickenlage, die nur mit Miihe aufgegeben wird. 
11% 20’ schlaffe Haltung, Maul offen, unbeweglich, reflexlos. 
11b 27’ Herz steht, Reizung des Ischiadicus ergibt Zuckung. 


Versuch 2: К. fusca 17р. 

4h 12’ kohlendioxydfreies СО in der Glocke. 

4h 45’ sitzt aufrecht, spontane Bewegungen, schnappt nach Luft. 

55 15’ dyspnoische Atmung, spontanes Springen, aber schwerfällige 
Bewegungen. 

55 37’ das Tier wird schlaffer, auf Reiz Bewegungen. 

65 10’ vollkommene Lähmung, Reflexe erloschen, Herz schlägt ziem- 
lich kräftig. | 

65 45’ vollkommen erholt. 

Versuch 3: R. fusca 16 g. 

115 Glocke mit reinem Wasserstoff gefüllt. 

11h 30’ schlaffe Haltung des Frosches und ungeschicktes Springen. 

11% 45’ schnappt nach Luft. 

12 Verharren in unbequemer Lage, spontanes Springen, wenn 
auch etwas ungeschickt. 

12h 25’ schlaffe Bauchlage, spontanes Springen, Hinterbeine werden 
schlecht angezogen. 

125 35’ ungeschickte Flucht versuche. 

12 45’ vollkommene Reflexlosigkeit, Herz schlägt, Erholung. 


Um die Frage von einer spezifischen Giftwirkung des Kohlen- 
oxyds weiter zu klären, wurden noch Versuche an Kaulquappen 


Abb. 1. Einwirkung von Abb. 2 Einwirkung von reinem CO. 
CO,-haltigem Kohlenoxyd Keine Veränderung. 
auf das isolierte Froschhers. 


Schädigung durch das Gift. und am isolierten Froschherzen an- 
Erholung naeh Abstellung gestellt. Dabei zeigte sich, daß 13 mm 

lange Kaulquappen bei Durchleiten 

von kohlensäurefreiem Kohlenoxyd keinerlei Veränderungen auf- 
weisen. In ungereinigtem Kohlenoxyd, mit etwa 15% Kohlen- 
säure, tritt nach etwa 15 Minuten unvollkommene Lähmung auf. 


42 M. Kochmann: 


| Die Versuche am isolierten Herzen wurden nach der Straubschen 
Methode angestellt; das Kohlenoxyd wurde durch die zur Füllung benutzte 
Ringerlösung in raschem Strom hindurchgeschickt oder in starkem Strom 
durch die feuchte Kammer geleitet, in der das Herz aufgehängt ist. Auf 
diese Weise befand sich das Herz in Kohlenoxydatmosphäre ohne Luft- 
beimengung. In manchen Versuchen wurde während der Kohlenoxyd- 
zuleitung der Sauerstoff abgestellt, in anderen gleichzeitig Sauerstoff durch 
die Ringerlösung geschickt. Auch bei diesen Versuchen konnte das gleiche 
beobachtet werden wie am ganzen Frosch und an den Kaulquappen: 
Nur wenn das Kohlenoxyd Kohlendioxyd enthält, läßt sich eine Schädigung 
des Froschherzens feststellen. Sonst, bei Durchleitung von gereinigtem 
Kohlenoxyd, blieben Pulsgröße und Frequenz unverändert. 


Es ergibt sich also aus diesen Versuchen, daß außer der 
Wirkung auf das Blut andere spezifische Giftwirkungen des 
Kohlenoxyds sich nicht nachweisen lassen. 

Im Anschluß daran wurde noch die Frage experimentell 
untersucht, ob im Leuchtgas die Kohlensäure an der Giftwirkung 
beteiligt sei. Das zu den Versuchen benutzte Leuchtgas hat 
folgende Zusammensetzung: 


co 14,7 СН, = CH, . 1,6 
CO,..... 4,4 55 1,1 
. 17,74 М жш ы з 14,19 
СН уж» 0,8 Н. зу ж-з 45,61 


Frösche, die unter eine mit Leuchtgas gefüllte Glasglocke 
gebracht werden, gehen sehr schnell, in etwa 20 Minuten, zugrunde. 
Die Lahmung ist gewohnlich irreversibel, wenn die Tiere nicht 
schon vor Eintritt einer vollkommenen Lähmung aus der Glocke 
herausgenommen werden. Auch nach sorgfältiger Entfernung der 
Kohlensäure werden die Tiere, wenn auch etwas langsamer als 
in unverändertem Leuchtgase, irreversibel gelähmt, sterben also. 
Erst nach mehrmaligem Waschen des Leuchtgases mit Brom- 
wasser und Entfernung der Bromdämpfe mit Kalilauge zeigen die 
Frösche eine zentral bedingte, reversible Lähmung, die nicht 
früher auftritt als auch sonst in reinem Kohlenoxyd oder Wasser- 

stoff. 


Versuch 4: R. fusca 18g. 

5h 15’ Beginn der Leuchtgaseinatmung (Leuchtgas unverändert). 
5h 35’ vollkommene Lähmung nach vorausgegangener Dyspnöe. 
Versuch 5: К. fusca 12р. 


115 23’ Beginn der Einatmung des CO,-freien Leuchtgases. 
11h 30’ schwerfälliges Springen, schlaffe Haltung. 


Wirkung des Kohlenoxyds. 43 


115 47’ Versuch sich aufzurichten miBlingt, Riickenlage kann nur 
nach langem Bemühen in die Bauchlage verwandelt werden. 
125 10’ vollkommene Lähmung, Erholung tritt nicht ein. 


Versuch 6: К. fusca 18р. . 

115 54’ Beginn der Einatmung von Leuchtgas, das von Kohlensäure 
durch Kalilauge befreit ist, und das zur Entferung des Acety- 
lens und der sog. schweren Kohlenwasserstoffe sorgfaltigst 
mit Bromwasser lange Zeit geschüttelt war. Die Bromdämpfe 
wurden durch Kalilauge entfernt. . 

122 Schlaffe Haltung, zeitweises Verharren in unbequemer Stellung. 

12510’ Atmung mit offenem Maul, Dyspnöe. 

12h 35’ schlaffere Haltung, schwerfällige Bewegungen, Hinterbeine 
mit Mühe angezogen. 

2h 10’ reflexlos, vollkommene Lähmung, Erholung in atmosphärischer 
Luft. 

Die Frage, ob die durch Kalilauge entfernbare Kohlensäure 
und die durch Bromwasser absorbierbaren Körper, Acetylen und 
die sog. schweren Kohlenwasserstoffe, an der Leuchtgasvergiftung 
des Menschen beteiligt sind, war nicht Gegenstand der Unter- 
suchung. Vahlen!) hat die Frage, ob neben dem Kohlenoxyd 
noch andere Substanzen in Betracht kommen, bekanntlich be- 
jaht, K u n kel?) sie entschieden verneint. Der Unterschied zwischen 
den geschilderten Versuchen am Frosch und den wirklich vorkom- 
menden Leuchtgasvergiftungen am Menschen sind sehr erhebliche. 
Die Frösche befanden sich in einer reinen Leuchtgasatmosphäfre, frei 
von atmosphärischem Sauerstoff, die Menschen atmen in der atmo- 
sphärischen Luft, der verhältnismäßiggeringe Mengen Leuchtgas bei- 
gemischt sind. Da schon 2% Kohlenoxyd in der Luft zu tödlichen 
Vergiftungen Anlaß geben können, so genügen bei einem Kohlen- 
oxydgehalt des Leuchtgases von 10—15%, Leuchtgasluftmischun- 
gen, die 1,3—-2% Leuchtgas enthalten. In diesen befinden sich aber 
nur noch Spuren von Kohlensäure, 0,06—0,09%, und etwa 0,04% 
schwere Kohlenwasserstoffe. Das sind so geringfügige Mengen, 
daß sie für die Giftwirkung des Leuchtgases kaum bestimmend 
sein werden. Doch bedarf dieses noch der näheren Untersuchung. 


Zusammenfassung. 


1. In einer Atmosphäre von reinem Kohlenoxyd werden 
Frösche in rund 2 Stunden reflexlos, in gewöhnlicher Luft tritt 


1) E. Vahlen, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 49, 245. 1903. 
з) A.J. Kunkel, Sitzber. d. Physik.-med. Ges. Würzburg 1902. 


es 


44 M. Kochmann: Wirkung des Kohlenoxyds. 


sehr schnell Erholung ein, die Lähmung in reinem Wasserstofi 
macht sich zur gleichen Zeit beme:kbar. 

2. Kaulquappen und das isolierte Froschherz werden durch 
reines Kohlenoxyd nicht geschädigt. 

3.. Nur wenn das Kohlenoxyd Kohlendioxyd enthält. werden 
am ganzen Frosch und am isolierten Organ reversible Lähmungr- 
erscheinungen beobachtet. 

4. In einer Leuchtgasatmosphäre werden Frösche i in 20 Minu- 
ten irreversibel gelähmt. Die Geschwindigkeit des Lähmungs- 
eintrittes wird zum Teil auf dem Kohlensäuregehalt des Leucht- 
gases, die Irreversibilität auf Substanzen beruhen, die, wie bei- 
spielsweise das Acetylen, durch Bromwasser absorbiert werden. 

5. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, daß bei Berücksichtigung 
der quantitativen Verhältnisse einer Leuchtgasvergiftung die 
durch Kalilauge und Bromwasser absorbierbaren Körper des 
Leuchtgases einen praktisch wichtigen Anteil an dem Zustande- 
kommen der Vergiftung besitzen. 


Blutgasanalysen. VII. 


Der Einfluß von Bor, Aluminium und Lanthan auf Hämoglobin 
und Zelle. 


Von 
H. Straub und Klothilde Meier. 


(Aus der I. medizinischen Klinik der Universität München und der medi- 
zinischen Poliklinik der Universitat Halle.) 


(Eingegangen am 10. August 1920.) 
Mit 4 Abbildungen im Text. 


Unsere Untersuchungen über die Wirkung der Alkalien und 
Erdalkalien!,2) hatten auf eine so weitgehende Gesetzmäßigkeit 
innerhalb des periodischen Systems der Elemente hingewiesen, 
Чай wir dieselben Versuche auch mit einigen Vertretern der 
dritten Reihe des periodischen Systems der Elemente durch- 
führten, in der die biologisch weniger wichtigen Erden ihren Platz 
finden. Während wir es bei den Salzen der Alkalien und Erd- 
alkalien mit Salzen starker Basen zu tun hatten, die elektrolytisch 
durchweg stark dissoziiert in der Lösung zu denken sind, traf 
diese Vorstellung bei den nunmehr untersuchten Substanzen 
nicht mehr durchweg zu. Zwar die Oxyde der seltenen Erden, 
als deren Vertreter wir das Lanthan wählten, sind starke Basen, 
nicht aber das Aluminiumhydroxyd, dessen salzsaures Salz dem- 
entsprechend zu erheblichem Teil hydrolytisch gespalten in 
Lösung geht. Um an einer einheitlichen Vorstellung festzuhalten, 
kann man den Vorgang der Lösung von Salzen in unsern Ver- 
suchen in zwei Vorgänge trennen und kann sagen, daß zuerst die 
Oxyde bzw. Hydroxyde des zu prüfenden Elementes in Lösung 
gegeben wurden, und daß dann je nach Bedarf mit Salzsäure 
neutralisiert wurde. Das so erreichte Endergebnis entspricht dem 


1) H. Straub und Kl. Meier, diese Zeitschr. 98, 228. 1919. 
з) H. Straub und Kl. Meier, diese Zeitschr. 109, 47. 1920. 


46 H. Straub und Kl. Meier: 


tatsächlich hergestellten Zustand chemisch und physikalisch 
vollkommen. Die gewählte Anschauungsweise hat aber den Vor- 
zug, daß sie auch für solche Hydroxyde ausreicht, die nicht die 
Eigenschaften starker Basen besitzen, also für das in den folgenden 
Versuchen vorkommende Aluminiumhydroxyd, das unter ent- 
sprechend gestalteten, im vorliegenden Falle allerdings nicht 
vorkommenden Versuchsbedingungen, als Säure auftreten und 
mit starken Basen Salze, Aluminate, bilden kann. Bei der in 
unsern Versuchen herrschenden Wasserstoffzahl sind diese Salze 
nicht . beständig, das Aluminiumhydroxyd hat vielmehr noch 
basische Eigenschaften. Größere Bedeutung erlangt unsere Be- 
trachtungsweise aber, wenn wir die Untersuchungen auch auf 
das zuvorderst in der dritten Reihe des periodischen Systems 
stehende Bor ausdehnen und zusehen, was sich ereignet, wenn 
wir dessen Hydroxyd, die Borsäure, unseren Blutlösungen zu- 
fügen. Das Borhydroxyd hat etwas stärker saure Eigenschaften 
als das Aluminiumhydroxyd und wird deshalb als Borsäure be- 
zeichnet (H,BO,). Die Bezeichnung ist etwas irreführend, denn 
die sauren Eigenschaften dieser Substanz sind so schwach, daß 
die Borsäure bei den von uns untersuchten Wasserstoffzahlen 
so gut wie vollkommen undissoziiert ist, d. h. weder saure noch 
basische Eigenschaften entfaltet, weder Wasserstoffionen noch 
Hydroxylionen abspaltet. Durch Zufügen von Borsäure ver- 
mehren wir also den Gehalt der Lösung um einen Nichtelektrolyten 
und brauchen zu seiner Neutralisation weder Säure noch Basen 
zuzufügen. Unsere Betrachtungsweise ist ungewöhnlich und um- 
ständlich. Sie hat nur dann einen Sinn, wenn es sich herausstellt, 
daß die Borsäure im Prinzip ebenso wirkt wie das ihr nachfolgende 
Aluminiumhydroxyd, oder vielmehr wie das tatsächlich zugesetzte 
Salz Aluminiumchlorid, bei dem wir uns die schwach basischen 
Eigenschaften des Hydroxyds durch Salzsäure neutralisiert 
dachten. | | 

Die folgenden Versuche konnten nicht so vollständig durch- 
geführt werden wie die bisher mitgeteilten. Zwar ließ sich die 
Wirkung der drei zu prüfenden Stoffe Borsäure, Aluminium- 
chlorid und Lanthanchlorid auf das Hämoglobin in der bisher 
geübten Weise feststellen, aber die Versuche an Zellsuspensionen 
konnten nur lückenhaft gestaltet werden. Das Aluminiumsalz- 
fiel wegen seiner schon bei niedrigen Dosen stark hämolysierenden 


Blutgasanalysen. VII. 47 


Wirkung aus. Von Lanthan konnten aus demselben Grunde nur 
ganz niedrige Konzentrationen untersucht werden. Auch dabei 
ergaben sich Schwierigkeiten, da die roten Blutkörperchen beim 
Waschen stark agglutinierten. Im Mikroskop waren die Zellen 
wohl erhalten, auch ließen sich die agglutinierten Massen zu einer 
gleichmäßigen Suspension aufschütteln, aber namentlich nach 
Zusatz von etwas Kohlensäure wurde die Lösung zu einer dicken 
Gallerte, die beim Schütteln Luftblasen in sich festhielt und 
schließlich so dickflüssig wurde, daß sie nicht mehr aus den 
Pipetten floB. Die Gasanalysen wurden dadurch unmöglich. 
Ein Waschversuch mit einem Gehalt der Suspensionsflüssigkeit 
von 0,02 Mol Lanthanchlorid konnte aus diesem Grunde überhaupt 
nicht durchgeführt werden. Auch bei niedrigeren Lanthan- 
konzentrationen wurden mit steigender Kohlensäurespannung 
die weiteren Gasanalysen schließlich unmöglich. Offensichtlich 
ist die Agglutination der Blutkörperchen darauf zu beziehen, daß 
sie, wie wir zeigen werden, bei Gegenwart von Lanthansalzen in 
geeigneter Konzentration sofort oder nach Zufügung sehr geringer 
Kohlensäuremengen ihre Ladung verlieren, die das Zusammen- 
ballen verhindert. Wir müssen es uns versagen, hier näher auf 
die bemerkenswerte Gallertbildung einzugehen. Die Beobachtung 
erinnert durchaus an analoge Erscheinungen anorganischer 
Gallerten. Z. B. kann eine wässerige Lösung von Aluminium 
hydroxyd durch Zusatz geringer Mengen von Säuren, Alkalien 
und vieler Salze in die unlösliche, gallertartige Form verwandelt 
werden. 

Wir teilen zunächst die Ergebnisse unserer Versuche mit: 


I. Borsäure. 
a) Hämolyseversuche. 


Schon früher!) hatten wir in einem Versuche die Wirkung der Ortho- 
borsäure auf die Lage des Hämoglobinknicks geprüft und bei einer Kon- 
zentration der Säure von ca. 0,03 Mol eine deutliche Verschiebung nach 
der basischen Seite festgestellt. Seit wir den starken Einfluß der Konzen- 
tration kennengelernt haben, halten wir eine Ergänzung mit Variation 
der Versuchsbedingungen für unentbehrlich. Setzt man zu defibriniertem 
Blute 0,005 Mol Borsäure zu und hämolysiert mit Saponin (Tabellen Nr. 1, 
Abb. 1, stehende Kreuze, ausgezogene Kurve), so findet sich der Knick 
schon deutlich nach der basischen Seite verschoben, bei p, = 7,07. Verdrei- 


1) H. Straub u. Kl. Meier, diese Zeitschr. 90, 305. 1918. 


48 H. Straub und Kl. Meier: 


fachung des Borzusatzes auf 0,015 Mol (Tabellen Nr. 2, Abb. 1, Ringe, 
punktierte Kurve) vérschiebt noch bedeutend weiter im Sinne des Prinzips b, 
auf ри = 7,23. Mit einer Konzentration von 0,02 Mol (Tabellen Nr. 3 u. 4, 
Abb. 1, Kreuzringe, gestrichelte Kurve) erreicht die Rechtsverschiebung 
ihr Maximum. Der Knick liegt bei pa = 7,33 bzw. 7,31; 7,29; 7,29 im einen 
und 7,36 bzw. 7,34 im andern Versuche. Hier fügt sich der frühere Ver- 
such ein [Tabellen der früheren Mitteilung!) Nr. XXIII, den wir in Abb. 1 
aufgenommen haben, liegende Kreuze, strichpunktierte Kurve] Die im 
Knick liegenden Punkte haben die pg = 7,12; 7,09; 7,07; 7,08. Die bei 
den Erdalkalien gemachte Erfahrung wiederholt sich also auch beim Bor. 
Mit steigender Konzentration macht sich zunächst das nach der basischen 
Seite verschiebende Prinzip b immer mehr geltend bis zu einem Maximum. 
9 Erhöht man die Konzentration noch 
<> weiter, so beginnt das antagonistische 
Prinzip a wirksam zu werden. In 
der Tat kommt mit weiterer Steige- 
rung der Konzentration das Prin- 
zip a noch mehr zur Geltung. Bei 
einer Konzentration von 0,1 Mol 
überwiegt es schon über das Prin- 


reegen rg O Tabellen Nr. 2 H,BO, 0,015 Mol. ZIP b, so daß eine Rechteverschie- 
Ф- - – - Tabellen Nr. 4. H. BO, 0,02 Mol. bung der Lage des Knicks auftritt. 
KLEER X Tab.') Nr. XXIII. H, BO, 0,08 Mol. 


o—————e Tabellen Nr. 5. H, BO, 0,! Mol. 
> > Tabellen Nr. 6. H,BO, 0,188 Mol. 
Abb. 1. Kohlensäurebindungskurve von Hä- 
molyseblut mit Zusats von Borsäure Abszisse: 
Partiardruck der Kohlensäure in mm Hg. Or- 
dinate: Kohlensäurekapazität in Volumpro- 
zenten. Schraffiertes Dreieck am Unterrande: 
physikalisch absorbierte Kohlensäure. Die von 
der linken unteren Ecke ausgehenden Kurven 
verbinden Punkte gleicher Wasserstoffzahl. 


Bei der Zusammenstellung der 


(Tabellen Nr. 5, Abb. 1, Punkte, 
ausgezogene Kurve.) pn liegt bei 
6,89 bzw. 6,90. Weitere Erhöhung 
der Borsäurekonzentration auf 0,133 
Mol (Tabellen Nr. 6, Abb. 1, Drei- 
sterne, ausgezogene Kurve) ändert 
an der Lage des Knicks nichts mehr, 
Py = 6,88 bzw. 6,91. 

Versuchsergebnisse erschienen uns 


die eben mitgeteilten Feststellungen prinzipiell so wichtig, daß wir sie durch 
Wiederholung sicherzustellen suchten. Wir gingen deshalb im Juli 1920 
daran, die eben mitgeteilten, vorwiegend im Juli 1919 angestellten Versuche 
zu wiederholen. Prinzipiell erhielten wir dieselben Ergebnisse wie das 
erstemal. Allein zu unserem Erstaunen wurde die maximale Linksverschie- 
bung bei einer anderen Dosierung erreicht wie in der ersten Versuchsreihe. 
Während wir in der ersten Reihe die Verschiebung auf pn = 7,32 mit 0,02 Mol 
Borsäure erhalten hatten, kamen wir auf etwa denselben Wert in der neuen 
Versuchsreihe schon mit 0,008 Mol (Tabellen Nr. 7 u. 8). Die maximale Ver- 
schiebung ist in diesen Versuchen nicht ganz erreicht. Aber weitere Steigerung 
des Borsäurezusatzes auf 0,01 Mol (Tabellen Nr. 9 u. 10) beginnt den Knick 
schon wieder nach rechts zu verschieben, die Werte liegen bei pg = 7,20; 
7,19; 7,16; 7,15 im einen und 7,19; 7,21 im andern Versuch. Mit 0,02 Mol 
schließlich (Tabellen Nr. 11), also dem Zusatz, der in der ersten Serie die maxi- 


1) H. Straub u. Kl. Meier, diese Zeitschr. 90, 305. 1918. 


Blutgasanalysen. УП. 49 


male Linksverschiebung ergeben hatte, ist diesmal die Verschiebung schon 
vollständig rückgängig geworden, die Punkte im Knick liegen bei рь = 
7,01; 6,98; 7,01; 6,98. In beiden Reihen hatten wir dem Blut die Borsäure 
in !/, molarer Lösung zugesetzt. Nun ist es zweifellos schwer, die genaue 
Normalität einer Borsäurelösung zu bestimmen. Aber die gefundenen Unter- 
schiede der Wirkungsstärke sind zu groß, um durch kleine Unterschiede 
in dem Borsäuregehalt der von uns gebrauchten Lösungen erklärt zu werden. 
Die Borsäure der von uns gebrauchten Lösungen war von verschiedener 
Herkunft. Es wäre möglich, anzunehmen, daß verschiedene Borsäuren ver- 
schiedener Herkunft die von uns nachgewiesene Eigenschaft der Veränderung 
kolloidaler Ladungen in verschieden hohem Maße besitzen. Als zweite Mög- 
lichkeit ist aber in Betracht zu ziehen, daß wir für unsere erste, 1919 durch- 
geführte Versuchsreihe eine Borsäurelösung benützten, die schon seit 2 Jah- 
ren, also seit 1917, von uns gehalten wurde. Man könnte also die beobach- 
tete Erscheinung mit einem Altern der Borsäure bezüglich der geprüften 
Eigenschaft erklären. Analogien für beide Möglichkeiten sind uns nicht 
bekannt. Wir werden später prüfen, ob die 1920 von uns gebrauchte Bor- 
säurelösung bei längerer Aufbewahrung an Wirkungsstärke einbüßt und 
hoffen dadurch später einen weiteren Beitrag zu der Frage liefern zu können. 


b) Waschversuche. 


Defibriniertes Blut wurde in physiologischer Kochsalzlösung gewaschen, 
wobei unter Wahrung der Isotonie ein Teil des Salzes durch Borsäure 
ersetzt wurde. Kleine Borsäurekonzentrationen ergaben nur sehr geringe 
oder gar keine Verschiebung des Knicks der roten Blutkörperchen. Mit 
0,002 Mol (Tabellen Nr. 12) liegt der Knick bei pn = 6,68, also nicht ver- 
ändert. Mit 0,01 Mol (Tabellen Nr. 13) findet sich eine ganz geringe Links- 
verschiebung auf pg = 6,71. Mit 0,015 Mol, also einer sehr geringen wei- 
teren Konzentrationssteigerung (Tabellen Nr. 14) ist kein Punkt im Knick 
selbst getroffen, dieser liegt zwischen pn = 6,84 und 6,64. Mit 0,02 Mol 
(Tabellen Nr. 15) und 0,03 Mol (Tabellen Nr. 16) tritt eine ganz geringe 
Rechtsverschiebung ein, Lage des Knicks bei p, = 6,62 bzw. 6,64; 6,64 
und 6,65. 

Da uns die Zahl dieser Versuche und die Variation der Konzentration 
nicht auszureichen schien, haben wir sie 1920 ergänzt und machten 
mit der neuen Borlösung dieselben Erfahrungen wie bei den oben mit- 
geteilten Hämolyseversuchen. Auch auf die ganzen Zellen erwies sich die 
neue Borlösung in viel niedrigeren Dosen wirksam als die alte. Schon mit 
einem Borsäuregehalt der Waschflüssigkeit von nur 0,00005 Mol (Tabellen 
Nr. 17) ergab sich eine deutliche Linksverschiebung des Knicks, er lag bei 
Pa = 6,74; 6,74; 6,78; 6,75; 6,75. Dieselbe Lage des Knicks ergab die 
vierfach größere Menge 0,0002 Mol (Tabellen Nr. 18). Gefunden wurde 
für den Knick p, = 6,74; 6,74. Etwas geringer war die Linksverschiebung 
mit 0,0005 Mol (Tabellen Nr. 19). Im Knick liegen die Werte p, = 6,74; 
6,70; 6,71; 6,69; 6,71. -Nochmalige Verdoppelung des Borsäurezusatzes 
bringt nun schon die Andeutung einer Rechtsverschiebung, bei 0,001 Mol 
(Tabellen Nr. 20) liegen im Knick die Punkte pg = 6,67; 6,67; 6,63. Weitere 


Biochemische Zeitschrift Band 111. 4 e 


50 H. Straub und Kl. Meier: 


Erhöhung des Borzusatzes auf 0,004 Mol (Tabellen Nr. 21) und auf 0,005 Mol 
(Tabellen Nr. 22) endlich ergibt deutliche Rechtsverschiebung auf die 
Werte pa = 6,55; 6,54; 6,55 bzw. 6,57; 6,56. Damit ist offenbar ein End- 
wert erreicht. 

Im Gegensatz zu der am Hämoglobin beobachteten Wirkung ist 
also die durch kleine Borsäuremengen erreichte Linksverschiebung an 
den ganzen Zellen eine sehr geringe. Auch bei dieser Versuchsreihe zeigt 
sich der Unterschied zwischen der alten und der frisch bereiteten Bor- 
säurelösung, und zwar noch viel ausgesprochener als am Hämoglobin. 
Die alte Lösung bewirkt nur in verhältnismäßig hoher Konzentration, 
0,01 Mol, und auch da nur schwach angedeutet eine Linksverschiebung, 
die bis 6,71 reicht, also die Fehlergrenzen der Methode kaum überschreitet. 
Die neue Lösung ergibt schon bei Zusatz von 0,00005 und noch deutlicher 
mit 0,0002 Mol eine Links verschiebung, die etwas weiter, bis рь = 6,74 
reicht. An den unversehrten Zellen wird die Wirkung des Prinzips b der 
Borsäure nur ganz undeutlich oder überhaupt nicht merkbar. In der Lite- 
ratur wird angegeben, daß die roten Blutkörperchen für Borsäure von 
allem Anfang an durchgängig seien. Der Begriff der Durchgängigkeit 
roter Blutkörperchen ist nach unserer Auffassung in Wandlung begriffen. 
Aber vielleicht weisen die Beobachtungen, die dieser Angabe der Literatur 
zugrunde liegen, doch darauf hin, daß die Wirksamkeit der Borsäure auf 
die Zellen Eigentümlichkeiten besitzt, die wir noch nicht ausreichend 
übersehen. Die scheinbare Unwirksamkeit des Prinzips b der Borsäure 
in den Versuchen an ganzen Zellen mag vielleicht mit diesen Beobachtungen 
in irgendeinem Zusammenhang stehen. Das Prinzip a der Borsäure da- 
gegen läßt sich bei geeigneter Dosierung an den intakten Blutkörperchen 
ebenso nachweisen wie an den Hämoglobinlösungen. Bei der ersten Ver- 
suchsreihe mit der alten Borlösung hatten wir diese hohen Konzentrationen 
nicht mehr prüfen können. Bei den Versuchen mit der frisch bereiteten 
Borlösung dagegen war die a-Wirkung einwandfrei nachgewiesen. Sie 
scheint den Knick endgültig bis auf p, = 6,55 zu verschieben. 


II. Aluminium. Hämolyseversuche. 


In unseren früheren Versuchen!) hatten wir auch die Wirkung des 
Aluminiums geprüft und festgestellt, daß dieses Salz in der verwendeten 
Dosierung eine deutliche Rechtsverschiebung des Hämoglobinknicks hervor- 
ruft. Auf die Prüfung anderer Konzentrationen hatten wir im Rahmen 
unserer damaligen Fragestellung verzichtet. In dem seitdem neu sich 
ergebenden Zusammenhang haben wir die Lücke ausgefüllt und namentlich 
die niedrigeren Aluminiumchloridkonzentrationen geprüft. Fügt man 
defibriniertem Blute 0,001 Mol Aluminiumchlorid zu und hämolysiert 
durch Saponin (Tabellen Nr. 23, Abb. 2, Ringe, ausgezogene Kurve), so 
erhält man eine deutliche, aber geringe Verschiebung nach der basischen 
Seite. Das Prinzip b tritt in Wirkung. Die Wasserstoffzahlen des Knicks 
liegen bei pa = 7,06; 7,06; 7,06. Verdoppelung der Aluminiumkonzen- 


1) H. Straub und Kl. Meier, diese Zeitschr. 90, 305. 1918. 


Blutgasanalysen. VII. 51 


tration auf 0,002 Mol (Tabellen Nr. 24, Abb. 2, Punkte, punktierte Kurve) 
läßt nun das Prinzip b sehr stark hervortreten. Der Knick liegt bei p, = 7,30. 
Schon bei geringer weiterer Steigerung der Aluminiumkonzentration aber 
auf 0,003 Mol (Tabellen Nr. 25, Abb. 2, Kreuze, gestrichelte Kurve) findet 
sich eine Rechteverschiebung. Das antagonistische Prinzip a ist voll zur 
Wirkung gekommen. Der Knick liegt bei ри = 6,90; 6,905. Bemerkens- 
wert ist bei diesen Versuchen die außerordentliche Labilität des Gleich- 
gewichts, wie sie bisher in dieser Weise noch nicht beobachtet war. Wäh- 
rend mit 0,002 Molen noch eine maximale Wirkung des Prinzips b unter 
sehr starker Linksverschiebung auf p, = 7,30 m bewirkt schon die 


ganz geringe Konzentrationssteige- i 
Г Ее 


rang auf 0,003 Mole maximale 
Rechtsverschiebung auf po = 6,90. 
7 482 „„ 
, 
A 2 . СЕА 224 


rung дег Dosierung kommt eine 
dazwischenliegende Anordnung des $ 
Knicks mit allmählichem Rück- 
gang der b-Wirkung beim Alu- 
minium nicht zur Beobachtung. 


Trotz der sehr vorsichtigen Steige- 
MH , 


í ў 35 Tabellen Nr. 28. AICI, 0,001 Mol. 
Sobald a überhaupt wirksam wird, ө......... ә Tabellen Nr. 24. AlCl, 0,002 Mol. 
ist seine Wirkung in diesem Falle +- - - Tabellen Nr. 25. AICI, 0,008 Mol. 


. . e Ё Abb. 2. Kohlensäurebindungskurve von HAmo- 
maximal. Wir zweifeln nicht, daß lyseblut mit Zusatz von Aluminiumchlorid. 


bei sehr vorsichtiger Steigerung Erklärung wie Abb. 1. 

der Dosen auch beim Aluminium eine solche mittlere Lage des Knicks 
gefunden werden könnte, wie das bei allen bisher geprüften Substanzen 
der Fall war. Worauf wir aber den Nachdruck legen, das ist die Tatsache, 
daß das Intervall, in dem bei passender Dosierung ein mittleres Gleich- 
gewicht zwischen Prinzip a und b erhalten wird, bei Aluminium so außer- 
ordentlich klein ist. Daß wir mit der Dosis von 0,003 Mol schon das Maxi- 
mum der a-Wirkung erreicht haben, schließen wir aus den früher mit- 
geteilten Versuchen (1, Tabellen Nr. XXXIIund X XXIII). Bei diesen war mit 
einer Konzentration von 0,01 Mol der Knick bei 6,91; 6,91 und mit einer Kon- 
zentration von 0,02 Mol der Knick zwischen 6,93 und 6,88 liegend gefunden 
worden (im letzten Versuche waren nur je ein Punkt dicht vor und dicht 
hinter dem Knick bestimmt worden). Die in diesen Versuchen mit viel 
höheren Konzentrationen bestimmten Werte für die Lage des Knicks ` 
stimmen also mit denen des neuen Versuches vollkommen überein. 


III. Lanthan. 
a) Hämolyseversuche. 


In unserer früheren Mitteilung?) hatten wir 3 Versuche über die Wir- 
kung des Lanthanchlorids auf den Hämoglobinknick angestellt, die wir 
dahin gedeutet hatten, daß Lanthan in niedrigen Dosen nach der basischen 
Seite verschiebt, also eine Wirkung entfaltet, die wir seitdem als Prinzip b 
bezeichnet haben. In großen Dosen verschiebt Lanthan nach der sauren 


1) H. Straub und Kl. Meier, diese Zeitschr. 90, 305. 1918. 
4* 


52 H. Straub und Kl. Meier: 


Seite, entfaltet also die Wirkung des Prinzips a. Einen bei mittleren Lan 
thandosen angestellten Versuch hatten wir so verstanden, daß dabei über- 
haupt kein Knick auftrete, daß also die Entladung des Hämoglobins dabei 
vollkommen verhindert werde. Die Umgebung des normalen Knicks zwi- 
schen 7,09 und 6,70 hatten wir dabei sehr sorgfältig mit 5 Punkten abgesucht 
und hatten diese Punkte vollkommen in einer geraden Linie liegend gefunden, 
die der Mehraufnahme von Kohlensäure allein durch Absorption entsprach. 
Nach unseren damaligen Kenntnissen konnten wir also kaum zu einer 
anderen Deutung unseres Versuches kommen. Seitdem haben wir aber 
gefunden, daß viel stärkere Verschiebungen des Hämoglobinknicks auch 
nach der basischen Seite vorkommen können, als wir damals annahmen. 
Als wir uns daraufhin die in dem fraglichen Versuche [!), Abb. 5, Kurve 2, 
Tabellen Nr. XXX] gezogene Kurve nochmals ansahen, kamen uns Zweifel, 
ob wir nicht in dem ersten Teile der Kurve, in dem nur ein Punkt bestimmt 
wurde, die Kurve falsch gezogen hatten. Die Abb. 5 der damaligen Mit- 
teilung zeigt, daß die Kurve in diesem Teile einen anderen Verlauf nimmt 
wie die übrigen in die Abbildung aufgenommenen Kurven. Die Kurve dieses 
Versuchs überkreuzt die anderen. So kamen wir auf die Vermutung, der 
Knick möchte in Wahrheit nicht fehlen, sondern da liegen, wo wir den 
ersten Punkt bestimmt hatten, also bei p, = 7,30 bzw. 7,29. Wir haben 
die Kurve, in dieser Weise gezeichnet, in Abb. 3 dieser Mitteilung nochmals 
aufgenommen. (Liegende Kreuze, ausgezogene Kurve.) Für diese Auf- 
fassung des Versuchs spricht auch die Tatsache, daß vom zweiten Punkte 
ab die Kurve nur mehr parallel dem Oberrande des schraffierten Dreiecks 
ansteigt, während die Kurven vor dem Knick im allgemeinen einen wenig- 
stens etwas steileren Anstieg zeigen. Um über die Frage endgültige Klarheit 
zu gewinnen, haben wir in der Nähe der fraglichen Konzentration (0,01 Mol) 
noch eine Reihe weiterer Versuche angestellt. Der Reihenfolge nach kommt 
zuerst der Versuch Nr. XXIX der früheren Mitteilung mit einem Zusatz von 
0,002 Mol Lanthanchlorid, der in der Abb. 5 der früheren Mitteilung als 
Kurve 1 dargestellt ist. Er zeigt eine schwache Wirkung des Prinzips b, 
der Knick liegt bei p, = 7,035; 7,04; 7,035. Mit einer Konzentration von 
0,008 Mol (Tabellen Nr. 26, Abb. 3 dieser Mitteilung, Punkte, strichpunk- 
tierte Kurve) ist das Prinzip b viel stärker wirksam. Lage des Knicks bei 
Pa = 7,14; 7,12. Geringe weitere Erhöhung der Lanthankonzentration 
auf 0,009 Mol (Tabellen Nr. 27, Abb. 3, Ringe, punktierte Kurve) verschiebt 
noch weiter nach links, der Knick liegt bei demselben Werte, den wir für 
unseren früheren Versuch vermutet hatten, wenn wir den ersten Punkt 
als im Knick liegend betrachten. Der im Knick liegende Punkt unseres 
neuen Versuchs hat p, = 7,31. Minimale weitere Erhöhung auf 0,0095 Mol 
(Tabellen Nr. 28, Abb. 3, Dreistern, gestrichelte Kurve) hat nun sofort 
eine fast maximale Wirkung des Prinzips a zur Folge. Der Knick liegt 
bei Pa = 6,93; 6,94; 6,94; 6,94. Und mit 0,01 Mol schließlich (Tabellen 
Nr. 29 u. 30, Abb. 3, stehende Kreuze, gestrichelte Kurve) finden sich 
für den Knick die Werte pn = 6,91 und 6,93. Damit stimmt die Lage des 
Knicks überein mit der in dem dritten früheren Versuch (Tabellen Nr. X XXI. 


1) H. Straub und KL Meier, diese Zeitschr. 90, 305. 1918. 


Blutgasanalysen. VII. 53 


Abb. 5, Kurve 3 der früheren Mitteilung) bei einer Konzentration von 
0,02 Mol gefundenen. Der damals bestimmte Wert fiir den Knick lag bei 
Pa = 6,88. Was wir beim Aluminium zum ersten Male beobachtet hatten, 
findet sich beim Lanthan wieder, bei dem wir die Erscheinung noch viel 
sorgfältiger mit ganz langsamer Änderung der Konzentration verfolgt 
haben. Während sich bei einer Konzentration, in vorliegendem Falle 
0,009 Mol, noch die maximale bh Wirkung gefunden hatte, hat eine minimale 
Steigerung auf 0,0095 Mol schon die Folge, daß die maximale a-Wirkung 


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.-.-. --e Tabellen Nr. 26. Тасі, 0,008 Mol. 
O2 2 O Tabellen Nr. 27. Тасі, 0,009 Mol. 
> < Tabellen Nr. 28, Lat *, 0095 Mol. 
+ - - Tabellen Nr. 29. LaCi, 0,01 Mol. 


— - A Alter Versuch. Tabellen Nr. XXX. LaCl, 0,01 Mol. 
Abb. 8. Kohlensäurebindungskurve von Hämolyseblut mit Zusatz von Lanthanchlorid. 
Erklärung wie Abb. 1. 
auftritt. Wenn wir in dem früher mitgeteilten Versuche, bei dem wir die 
Konzentration auf 0,01 Mol bewertet hatten, noch die maximale ö-Wirkung 
gefunden hatten, so liegt dies zweifellos an den unvermeidlichen Fehler- 
breiten beim Pipettieren der zugefügten Lanthanlösung. Da wir das Lanthan- 
chlorid in molaren Lösungen zugefügt hatten, handelt es sich um Differenzen 
von 0,009 — 0, Ol cem der zupipettierten Lösung. Auch bei Verwendung von 
Capillarpipetten, die in 0,001 ccm geteilt sind, muß wegen der Tropfengröße 
mit dieser Fehlerbreite der Mengenbestimmung gerechnet werden. Jeden- 
falls ergeben diese Beobachtungen den fast momentanen Umschlag von 
maximaler b-Wirkung zu maximaler a-Wirkung bei minimaler Steigerung 
der zugefügten Lanthanmengen. 
b) Waschversuche. 

Aus den in der Einleitung angeführten Gründen, vor allem wegen der 
Bildung einer zähflüssigen gelatinösen Masse an Stelle der Blutkörperchen- 
suspension, konnte die Wirkung des Lanthans auf die intakten roten Blut- 
körperchen nur in sehr kleinen Dosen untersucht werden. Mit Lanthan- 
chlorid 0,0005 Mol (Tabellen Nr. 31, Abb. 4, liegende Kreuze, gestrichelte 
Kurve), also einer Menge, die um eine Dezimale niedriger ist als die in den 
vorigen Versuchen in ihrer Wirkung auf das Hämoglobin geprüfte, findet 
sich schon eine deutliche Wirkung des Prinzips b. Der Knick liegt bei 
Pa = 6,91; 6,91; 6,89; 6,90. Verdoppelung der Lanthankonzentration auf 
0,001 Mol (Tabellen Nr. 32, Abb. 4, Ringe, ausgezogene Kurve) verschiebt 
weiter nach links, Knick bei рь = 7,08; 7,07; 7,06; 7,06. Und mit 0,003 Mol 


54 H. Straub und Kl. Meier: 
schließlich (Tabellen Nr. 33, Abb. 4, Punkte, punktierte Kurve) wird der 
Knick noch weiter nach links verschoben, er liegt bei pg = 7,14; 7,13; 


7,21. Ein Blick auf Abb. 4 zeigt, daß die Übereinstimmung der für diesen 
Knick bestimmten Werte besser ist, als es nach den Zahlen scheint. Der 


SC e 
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— 


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7 RE ГР, ГЕ 
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X----X Tabellen Nr. 81. LaCi, 0,0006 Mol. 
O © Tabellen Nr. 82. LaCl, 0,001 Mol. 
9 2 ө Tabellen Nr. 88. La Cl, 0,008 Mol. 


Abb. 4. Kohlensdurebindungskurve von Blutkörperchensuspenslonen in isotonischen 
Lösungen mit Zusatz von Lanthanchlorid. Erklärung wie Abb. 1. 


Knick verläuft dort sehr steil und die Linien gleicher Wasserstoffzahl 
liegen sehr nahe benachbart. Ob mit diesem Versuche das Maximum der 
d- Wirkung erreicht ist, bleibt ungewiß. Die Wirkung des Prinzips a ist 
bei den allein der Prüfung zugänglichen Dosen noch nicht nachweisbar. 


Besprechung der Ergebnisse. 

Die Untersuchung des Einflusses der drei Elemente Bor, 
Aluminium und Lanthan aus der dritten Reihe des periodischen 
Systems. in ihrer Wirkung auf Hämoglobin und Zelle hat fast 
wider Erwarten ebenfalls eine Gesetzmäßigkeit ergeben. Die 
Versuche an den unversehrten Zellen konnten nicht lückenlos 
durchgeführt werden wegen entgegenstehender technischer Schwie- 
rigkeiten, vor allem wegen auftretender Hämolyse. Für die 
weiteren Uberlegungen scheiden also diese Versuche aus. 

Um so bemerkenswerter sind die an hämolysiertem Blute 
beobachteten Ergebnisse. Der aus den früheren Untersuchungen 
bekannte Antagonismus der Prinzipien a und b findet sich auch 
hier durchweg wieder. Wieder überwiegt in schwachen Konzen- 
trationen das Prinzip b, in starken dagegen Prinzip a. Betrachten 
wir zunächst die erreichten maximalen Ausschläge. Bor verschiebt 
bei 0,02 molarer Konzentration auf р. = 7,31 als Mittel von 
5 Werten. Aluminium bei 0,002 molarer Konzentration auf 
Фн = 7,30. Und für Lathan findet sich bei 0,009 molarer Kon- 
zentration 7, 30 als Mittel von 3 Werten. Man sieht, der erreichte 


Blutgasanalysen. VII. 55 


maximale Wert der 5-Wirkung ist für alle 3 Substanzen absolut 
identisch. 

Das Maximum der a-Wirkung wird bei Bor in der Konzen- 
tration von 0,1 Mol erreicht. Als Durchschnitt von 4 Werten 
findet sich der Knick bei pg = 6,895. Mit Aluminium tritt das 
Maximum der a-Wirkung bei 0,003 molarer Konzentration auf. 
Als Mittel von 5 Werten findet sich der Knick bei pe = 6,90. 
Lanthanchlorid schließlich ergibt bei 0,01 molarer Konzentration 
den Knick bei pg = 6,91 als Mittel von 3 Werten. Man sieht, 
auch das Maximum der a-Wirkung ist für die 3 Substanzen 
dasselbe. 

Diese Beobachtung steht nicht im Einklang mit der Annahme, 
daß die Schulzesche Wertigkeitsregel diese Vorgänge bestimme. 
Nach dieser Regel wäre die Wirksamkeit eines Ions abhängig von 
der Ladung, die es trägt. Die starke Wirkung des Lanthans auf 
Kolloide wurde nach dieser Regel als die Folge der dreifachen 
positiven Ladung des Lanthanions aufgefaßt. Wir hatten schon 
früher!) darauf hingewiesen, daß sich unsere Beobachtungen über 
die Wirkungen der Alkaliionen mit dieser Regel nicht vertragen. 
Die Beobachtungen der vorliegenden Mitteilung scheinen uns 
mit dieser Regel ganz unvereinbar. Schon beim Aluminium 
ergeben sich die größten Schwierigkeiten. Wir hatten darauf 
hingewiesen, daß Aluminiumchlorid als das Salz einer schwachen 
Base nur zu einem kleinen Teil elektrolytisch dissoziiert ist, daß 
also nur verhältnismäßig wenige Aluminiumionen in Lösung 
zugegen sind. Ein erheblicher Teil des Salzes ist hydrolysiert zu 
denken, d. h. es ist zwar das Chlorion abgespalten, der Rest aber 
als Aluminiumhydroxyd in elektrisch neutraler Form zugegen. 
Obgleich also nur verhältnismäßig wenige dreifach positiv ge- 
ladene Aluminiumionen in der Lösung enthalten sind, wirkt 
Aluminium in viel geringerer Konzentration als das stark disso- 
ziierte Lanthan. Das Maximum der b- Wirkung wird mit 0,002 Mol 
Aluminiumchlorid, aber erst mit 0,009 Mol Lanthanchlorid er- 
reicht, das Maximum der a-Wirkung mit 0,003 Mol Aluminium- 
chlorid, aber erst mit 0,01 Mol Lanthanchlorid. Berücksichtigt 
man die vorwiegend hydrolytische Spaltung des Aluminium- 
chlorids, so müßte man den relativ wenig zahlreichen Aluminium- 
ionen, die tatsächlich auftreten, eine ganz ungeheuer viel stärkere 

1) H. Straub und Kl. Meier, diese Zeitschr. 98, 228. 1919. 


56 H. Straub und Kl. Meier: 


Wirkung zusprechen als den zahlreichen Lanthanionen. Es wird 
damit sehr fraglich, ob die von uns beobachtete Wirkung über- 
haupt an die dreifach positiv geladenen Ionen gebunden ist, oder 
ob es sich um eine Eigenschaft des Atoms handelt, die auch in 
undissoziierter, elektrisch neutraler Form zur Geltung kommen 
kann. 
Diese Überlegung wird nahezu zur Gewißheit, wenn man die 
mit Borsäurezusatz gemachten Erfahrungen berücksichtigt. Zwar 
ist es, wie wir schon früher ausgeführt haben!), schwierig zu 
beurteilen und keineswegs endgültig entschieden, in welcher Form 
die Borsäure in einer nahezu neutralen Lösung zugegen ist. Sicher 
ist, daß das Borhydroxyd, die Borsäure, bei dem hier in Betracht 
kommenden Säuregrad der Lösung praktisch noch keine Wasser- 
stoffionen abspaltet, daß also die Borsäure noch nicht als Anion 
auftritt, daß sie noch keine Säureeigenschaften entfaltet. Aber 
andererseits tritt doch offenbar die basische Eigenschaft des 
Borhydroxydes bei der hier vorkommenden Wasserstoffzahl 
ebenfalls ganz zurück. Es geht wohl kaum an, anzunehmen, 
daß alle drei Hydroxylionen der Borsäure abgespalten wären und 
das Bor analog dem Aluminium und Lanthan als dreifach positiv 
geladenes Borion auftreten könnte. Und trotzdem entfaltet die 
zugesetzte Borsäure im Prinzip genau dieselbe Wirkung wie das 
Aluminiumchlorid und Lanthanchlorid. Wir sehen demnach 
keine Möglichkeit, diese Wirkung, die uns hier interessiert und die 
offenbar biologisch die größte Bedeutung besitzt, an die Ionen 
gebunden zu denken. Offenbar muß sie vielmehr den Atomen 
zuerkannt werden. Die Annahme, daß andere Wirkungen an 
die Ionen gebunden sind und daß die elektrische Ladung der 
Ionen von Einfluß auf solche andersartige Vorgänge ist, wird 
davon nicht berührt. | 

Daß die Ionisation deshalb ganz ohne Einfluß auf den Wir- | 
kungsgrad sei, soll damit keineswegs behauptet werden. Sind 
doch von Bor viel größere Dosen nötig, um die maximalen Wir- 
kungen zu erreichen, als von den teilweise oder ganz ionisierten 
Elementen Aluminium und Lanthan. Die ö-Wirkung wurde mit 
der älteren Borlösung erst bei 0,02 molarer Konzentration maxi- 
mal, die a-Wirkung erst mit 0,1 molarer. Wir glauben diese 
Tatsache dahin verstehen zu sollen, daß der wirksame Faktor 
MH. Straub und Kl. Meier, diese Zeitschr. 90, 306. 1918. 


Blutgasanalysen. VII. 57 


von den Ionen leichter an den Wirkungsort herangebracht wird 
als von den nicht ionisierten Atomen. Wenn wir dieses Heran- 
bringen der Wirkung an den Wirkungsort in der Form einer 
Adsorption an der Oberfläche der Kolloide annehmen, so wird 
diese Meinung verständlich. Es wird auch verständlich, daß zur 
Erreichung der 6-Wirkung, die mit verhältnismäßig geringen 
Mengen erzielt wird, von der alten Borsäurelösung nur die doppelte 
Konzentration, von der frisch bereiteten Lösung sogar eine etwas 
geringere Konzentration gegenüber dem Lanthan erforderlich 
ist. Zur Erreichung der maximalen o Wirkung dagegen, die erst 
von ziemlich hohen Konzentrationen erzielt wird, ist von der 
alten Borsäurelösung die zehnfache Menge, von der frisch be- 
reiteten vermutlich etwa die dreifache Menge gegenüber dem 
Lanthan erforderlich. Offenbar ist es schwer, von dem großen 
Borsäuremolekül die erforderliche Menge an der Kolloidoberfläche 
zur Adsorption zu bringen, und diese Schwierigkeit wächst um so 
mehr, je größer die zur Wirkung erforderliche Konzentration ist. 
Die erforderliche größere Menge des Lanthanions dagegen an der 
Oberfläche zu adsorbieren, ist auch bei höheren Konzentrationen 
verhältnismäßig leichter möglich. 

Mit den Ergebnissen, die bei Prüfung der Erdalkalien erhalten 
wurden!), ergeben sich manche prinzipielle Ähnlichkeiten. Auch 
die Erdalkalien hatten in kleinen Dosen eine Wirkung im Sinne 
des Prinzips b entfaltet, in großen Dosen war das Prinzip a hervor- 
getreten. Die Größenordnung der wirksamen Konzentrationen 
ist bei Erdalkalien und Erden ungefähr dieselbe. Doch war das 
Prinzip b bei den Erdalkalien sehr schwach ausgesprochen, die 
Verschiebung des Knicks aus der Normallage nach der basischen 
Seite war nur eine sehr geringe. Bei den Erden dagegen ist das 
Prinzip b sehr stark vorhanden, die Verschiebung des Knicks ist 
eine sehr beträchtliche. Von рр = 7,00 wird er auf py, = 7,31 
bzw. 7,30 verschoben. Damit erreicht der Knick eine so hoch- 
gradige Verschiebung, wie wir sie bisher nur einmal, nämlich beim 
Caesium, gefunden hatten. Der für den Caesiumknick gefundene 
Wert von 7,34 stimmt mit dem bei den Erden ermittelten sehr 
nahezu überein. Das Prinzip a dagegen ist bei den Erden viel 
schwächer wirksam als bei den Erdalkalien. Die Erden verschieben 
den Hämoglobinknick in hohen Konzentrationen auf рд = 6,90, 

1) H. Straub und Kl. Meier, diese Zeitschr. 109, 47. 1920. 


58 H. Straub und Kl. Meier: 


während die Erdalkalien den Wert 6,80 ergeben hatten. Diese 
Wasserstoffzahlen sind, woran hier nochmals erinnert sei, Loga- 
rithmen. Schon früher bei der Untersuchung der Alkalien hatten 
wir in den Verschiebungen dieser logarithmischen Werte eigen- 
artige Gesetzmäßigkeiten gefunden. Bei den Alkalien war die 
Differenz der Wasserstoffzahlen in der Reihe Natrium, Kalium, 
Rubidium und Caesium stets von Element zu Element dieselbe 
gewesen. Der für das Caesium gefundene Endwert wird bei den 
Erden so nahezu wieder erreicht, daß man wohl annehmen darf, 
es handle sich um einen und denselben Wert.” Vielleicht kann 
eine noch bessere Übereinstimmung deshalb gar nicht erwartet 
werden, weil der Endwert der ö-Wirkung ja bei den Erden auf 
einem Gleichgewichtszustand zwischen Prinzip a und b beruht und 
weil dementsprechend der endgültige Wert der 5-Wirkung nur 
bei optimaler Konzentration erhalten werden kann. Es hatte 
sich gezeigt, daß schon ein minimales Überschreiten der optimalen 
Konzentration sofort die maximale a-Wirkung hervortreten läßt. 


Die Bestimmung des Endwertes der ö-Wirkung ist dadurch bei 


den Erden mit einer kleinen Unsicherheit behaftet. Beim Caesium 
dagegen war nur das Prinzip b wirksam. Aus diesen Überlegungen 
heraus wird man mit der Möglichkeit rechnen müssen, daß die 
nahe Nachbarschaft des Caesium- und des für die Erden gefundenen 
Wertes nicht auf einem bloßen Zufall beruht. 

Für die a-Wirkung ergibt sich dann die ebenfalls auffallende 
Tatsache, daß der Abstand von der Normallage für die Erd- 
alkalien genau doppelt so groß ist als für die Erden. Nun darf 
man freilich nicht aus dem Auge verlieren, daß die Methode der 
Bestimmung der Wasserstoffzahlen, die wir verwendet haben, 
doch immerhin eine nicht unerhebliche Fehlerbreite besitzt. Aber 
die ermittelten Werte der Endwirkung für jede Reihe von Elemen- 
ten stellen doch Durchschnittswerte aus einer ziemlich großen 
Anzahl von Bestimmungen dar und die Streuung der Fehlerbreite 
ist für jede Bestimmungsserie nicht so groß, daß man die ermittel- 
ten Durchschnittswerte nicht als recht gut charakterisiert an- 
sprechen könnte. Vielleicht wäre das, was man doch wohl aus 
unseren Beobachtungen folgern muß, besser begründet, wenn ein 
noch genaueres Verfahren zur Bestimmung der Wasserstoffzahl 
zur Verfügung stünde. Aber kein einziges bisher bekanntes hat 
eine wesentlich kleinere Fehlerbreite. So wird man es nur mit 


Blutgasanalysen. УП. 59 


einer gewissen Reserve aufnehmen, wenn aus unseren Beobach- 
tungen die Vermutung abgeleitet wird, es könnte die Wirkung, 
die wir als Verschiebung des Hämoglobin- und Zellknicks beob- 
achteten, durch Kräfte hervorgerufen werden, die nicht zu kon- 
tinuierlichem Verschieben im Prinzip befähigt sind, sondern die 
immer dann, wenn sie maximale Wirkung entfalten, diese Wirkung 
in Stufen erreichen, mit anderen Worten, daßessich um gequantelte 
Kräfte handelt. Welcher Art die in Betracht kommenden Ele- 
mentarquanten der wirksamen Kräfte sind, soll späteren Er- 
örterungen vorbehalten bleiben. 


Zusammenfassung. 


Bei Prüfung des Einflusses der drei Elemente der dritten 
Reihe des periodischen Systems Bor, Aluminium und Lanthan 
auf die Ladung des Hämoglobins ergab sich für alle’ drei eine 
prinzipiell gleichartige Wirkung. Bei allen war in schwachen 
Konzentrationen das die Entladung des Hämoglobins unter- 
stützende Prinzip b in sehr wirksamer Form nachweisbar. Bei 
allen tritt bei optimaler Konzentration die durch den Knick der 
Kohlensäurebindungskurve angezeigte Entladung des Hämo- 
globins schon bei der Wasserstoffzahl p, = etwa 7,31 ein, also 
ziemlich genau bei demselben Werte wie nach Caesiumzusatz. 

Mit Steigerung der Konzentration tritt bei allen drei Elementen 
das antagonistische Prinzip a auf, das bei genügend hoher Kon- 
zentration den Knick der Kohlensäurebindungskurve auf ру = 
6,90 verschiebt, also halb so stark, als bei Zusatz ausreichender 
Mengen von Erdalkalien. 

Das zugesetzte Lanthanchlorid ist stark dissoziiert, Lanthan 
vorwiegend als Ion zugegen; Aluminiumchlorid ist stark hydro- 
lytisch gespalten, nur ein kleiner Teil des Aluminiums ionisiert. 
Bor wurde als nicht dissoziierte Borsäure zugesetzt. Die beob- 
achtete Wirkung auf die Ladung des Hämoglobins ist also nicht 
an die Gegenwart der Ionen gebunden. Die Beobachtung steht 
nicht in Einklang mit der Schulzeschen Wertigkeitsregel, da 
Aluminium in größerer Verdünnung als Lanthan wirksam ist und 
da auch die nicht ionisierte Borsäure dieselbe Wirkung besitzt. 
Offenbar handelt es sich demnach um Wirkungen der Atome, 
nicht der Ionen. 

Die Wirkung der drei Elemente auf ganze Zellen konnte 


Н. Straub und KL Meier: 


& 


wegen auftretender Hämolyse nicht vollständig durchgeprüft 
werden. Bei Lanthan ließ sich die Wirkuug des Prinzipe b an 
ganzen Zellen ebenso wie am Hämoglobin nachweisen. Aluminium 
konnte nicht untersucht werden. Bei der Borsäure scheint das 
Prinzip b auf die Zelle nur schwach wirken zu können, das Prinzip a 
dagegen ist gut nachweisbar. 


Versuchsprotokolle. 
I. Borsäure. 


A. Himolyseversuche' ). 
Alte Lösung. 
1. Abb. 1. Stehende Kreuze, ausgezogene Kurve. 
Blut defibiriniert + H,BO, 0,005 Mol + Saponin. 


CO, Spannung. . . 17,6 344 506 641 72,6 924 
CO,-Kapazität. . 32,0 36,1 383 45,8 623 626 
49,2 601 

Dit ia eek 7.52 726 71 7,07 7,06 6,95 


Knick 7,04 6,93 
2. Abb. 1. Ringe, punktierte Kurve. 
Blut defibriniert + H,BO, 0,015 Mol + Saponin. 


CO,-Spanmnung. ....... 17,6 34,4 41,1 49,0 74,8 

CO,-Kapazitit........ 227 338 382 41,1 404 
23,6 39,1 
Ба ZC et Фо tay et 7,38 7,23 7,20 7,15 6,94 
7,39 Knick. 7,13 
3. Blut defibriniert + H,BO, 0,02 Mol + Saponin. 

CO,-Spannung. . . . . . .. 16,6 21,7 28,9 36,1 63,1 
CO,-Kapazitat........ 189 24,2 320 35,7 38,0 

23,1 36,3 
” Dees wees es. 4,38 7,31 77 7,93 7,00 
7,29 6,98 

Knick. 


4. Abb. 1. Kreuzringe, gestrichelte Kurve. 
Blut defibriniert + H,BO, 0,02 Mol + Saponin. 


CO. Spannung. . . . 16,4 25,0 292 37,3 49,0 70,1 
CO,-Kapazität. . . 25,3 31,8 363 35,6 36,3 367 
24,4 
O 7,46 7,38 7,34 72 710 6,93 
4 ale 
с 


1) Vgl. auch: Diese Zeitschr. 90, 305. 1918 Nr. XXIII, Abb. 1 dieser 
Mitteilung, liegende Kreuze, strichpunktierte Kurve. 


— 


Blutgasanalysen. VII. 6 


5. Abb. 1. Punkte, ausgezogene Kurve. 
Blut defibriniert + H, BO, 0,1 Mol + Saponin. 


CO, - Spannung 27,0 36,1 56,7 76,1 
CO,-Kapazitat...........~. 19,5 19,9 265 366 
ier A Ж Eur ели — 7,12 6,99 6,89 6,90 
— 
Knick. 


6. Abb. 1. Dreisterne, ausgezogene Kurve. 
Blut defibriniert + H, BO, 0,133 Mol + Saponin. 


CO,-Spannung. . . . 16,9 31,6 40,4 48,0 57,1 92,0 
CO,-Kapazität. . . . 16,0 18,3 21,5 21,5 27,6 31,3 
„„ 7,21 7,02 6, 96 6,88 6,91 6,72 
S kg 
Knick. 


Neue Lösung. 
7. Blut defibriniert + HBO, 0,008 Mol + Saponin. 


CO,-Spannung. . . . 10,8 20,5 28,5 37,8 87,3 106,2 

CO, Kapazität. . 17,8 30, 3 31,9 43,8 59,3 60,9 

15,6 27,4 | 62,3 

Фи ee оз 1,50 1,48 7,30 7,29 7,03 6,95 
м a” 

7,45 7,38 Knick. 6,96 


8. Blut defibriniert + H,BO, 0,008 Mol + Saponin. 


CO,-Spannung........ 15,7 29,2 38,3 55,2 79,7 
CO,-Kapazitét. ....... 22,7 34,6 39,4 47,9 50,3 
20,3 32,1 
J). 7,43 7, 32 7,25 7,16 7,00 
7,39 7,29 
— | — 
Knick. 


9. Blut defibriniert + H,BO, 0,01 Mol + Saponin. 
CO,-Spannung 7,4 24,0 321 40,3 484 556 1104 
CO,-Kapazitat 16,4 26,8 26,7 36,7 41,9 48,1 58,2 


56,1 
Dy - - - 7,64 7,30 7,20 7,19 7,16 7,15 6,90 
— 
Knick. 6,89 
10. Blut defibriniert + H,BO, 0,01 Mol + Saponin. 
CO,-Spannung. ....... 16,3 28,1 42,7 65,8 109,0 
CO,-Kapazität. ....... 29,2 31,8 38,5 51,9 50,1 
` 41,0 53,1 
J en бә 7,51 7,30 7,19 7,10 6,85 
7,21 6,87 


Knick. 


62 H. Straub und Kl. Meier. 
11. Blut defibriniert + H, BO, 0,02 Mol + Saponin. 
CO Spannung. . . 20,2 30,0 51,9 64,7 72,5 100,8 
CO,-Kapazität.. . . . 22,2 22,6 31,2 40,6 39,8 44,5 
29,3 37,9 
me... 781 713 7,01 7,08 6,95 6,83 
6,98 6,98 
REE г 
Knick. 


B. Waschversuche. 
Alte Lösung. 


12. Blutkörperchensuspension in H. BO, ES, Molar. 
NaCl 0,154 
CO,-Spannung . ....... 28,7 55,9 96,6 138,0 199,3 
CO,-Kapazitét. ....... 23,9 31,1 33,5 45,5 59,1 
. eae ka Оёз 7,18 6,97 6,72 6,68 6,61 
Knick. 
13. Blutkörperchensuspension in H, BO, 0 Molar. 
NaCl 0,15 
CO,- Spannung 70,1 92,4 138,1 206,6 
CO,-Kapazität. ,, ... 37,5 36,7 48,0 60,1 
77) ee eo 6,94 6,79 6,71 6,60 
Knick. 
14. Blutkörperchensuspension in H, BO, 0,015) Molar. 
NaCl 0,145] 
CO, - Spannung 22,9 56,8 68,0 1640 2167 
CO,-Kapazität.. . = 2 2... 168 29,2 20,1 498 62,7 
16,4 50,8 
Pye esses HI 693 684 6,64 6,61 
7,12 1 6,64 
Knick. 
15. Blutkö hensuspension in H,BO, 0,02 
mare NaCl 0145) кове 


CO,-Spannung 25,2 58,2 88,1 104,6 134,7 1943 269,6 
CO,-Kapazität 24,1 37,0 43,6 46,5 49,0 58,3 69,0 


44,1 
ри... 7,24 7,02 6,89 6,83 6,73 6,62 6,52 
6,90 Knick. 
16. Blutkörperchensuspension in H, BO, 0,03 
NaCl we Molar, 
CO,-Spannung . ....... 49,2 91,8 131,6 152,2 182,7 
CO,-Kapazität. . . . . . .. 21,0 26,2 40,4 48,7 46,4 
ФИ елы шу ГИСИ 6,86 6,64 6,64 6,65 6,54 
— eg 
Knick. 


$ 


Blutgasanalysen. УП. 63 
Neue Lösung. 
17. Blutkörperchensuspension in H,BO, ie Molar 
NaCl 0,155 ` 
CO,-Spannung. ..... . . 52,0 89,9 1024 119,7 162,3 
CO,-Kapazität. ....... 31,4 31,8 40,0 44,5 48,8 
32,0 37,3 
e EECHER 7,01 6,74 6,78 6,75 6,63 
6,74 6,75 
Knick. 
18. Blutkörperchensuspension in H, BO, С! Molar 
NaCl 0,155 | 
CO, Spannung 44,4 97,4 108,0 121,9 164,6 
CO.-Kapazität. . . . 2... 24,2 36,6 38,8 "41,4 44,8 
22,7 
ПОТЕ ee ЖО a 6,97 6,76 6,74 6,70 6,58 
aye Knick. 
19. Blutkörperchensuspension in H,BO, Sch Molar. 
| NaCl 0,155 
CO,-Spannung. ....... 51,9 107,4 128,3 138,9 . 179,5 
CO,-Kapazitét. ....... 26,7 39,2 44,9 48,8 48,2 
26,4 36,0 42,9 489,2 
"e E aaa ЗӨ RS Ser ШИЕ р 6,94 6,74 6,71 6,71 6,57 
6,93 6,70 6,69 6,58 
Knick. 
20. Blutkörperchensuspension in H,BO, 35 Molar. 
NaCl 0,155 
CO,-Spannung . . . . 23,2 55,9 84,5 107,6 134,6 184,8 
CO,- Kapazität. . 16,3 28,6 30,6 33,7 39,8 46,4 
14,8 29,3 33,5 
EE 7,12 6,93 6,75 6,67 6,63 6,53 
7,07 6,73 6,67 
— u 
Knick. 
21. Blutkérperchensuspension in H,BO, tel Molar. 
NaCl 0,15 
CO,-Spannung. . . . 17,0 56,7 88,0 145,9 211,5 248,5 
CO,-Kapazität. . . . 16,6 37,8 40,7 41,4 55,6 67,3 
‘ 14,2 54,2 
Dr ee ee A 7,27 7,03 6,86 6,61 6,55 6,55 
7,20 6,54 
—ů 


Knick. 


64 H. Straub und Kl. Meier: 
22. Blutkörperchensuspension in H, BO, ere Molar 
NaCl 0,15 j 
CO,-Spannung . ....... 29,2 52,9 68,4 82,2 128,2 
CO,-Kapazität. ....... 11,8 15,9 18,1 20,3 32,7 
10,0 15,4 
Da ae we ĩ EE ee EE R 6,85 6,69 6,61 6,57 6,56 
— —ẽ 
6,77 6.67 Knick. 


H. Aluminium. 
Hämolyseversuche!). 
23. Abb. 2. Ringe, ausgezogene Kurve. 
Blut defibriniert + AlCl, 0,001 Mol + Saponin. 


CO,-Spannung. . . . 22,6 39,4 49,1 67,8 65,1 93,0 
CO,-Kapazität. . . . 27,3 35,0 37,3 4,5 45,8 49,3 
27,7 35,0 40,2 
„„ 7,34 7,18 7,11 7,06 7,06 6,92 
7,35 7,08 7,06 
S a” 
Knick. 


24. Abb. 2. Punkte, punktierte Kurve. 
Blut defibriniert + AlCl, 0,002 Mol + Saponin. 


CO,-Spannung. ........... 18,4 42,7 65,9 83,6 
CO,-Kapazität. . . . 222200. 32,3 51,6 55,6 59,2 
29,9 
Ше Gaetan Hoe BOG, a ӨЛЕ ЛЕ. ГУ 7,50 7,30 7,14 7,05 
7,47 Knick. 


25. Abb.2. Kreuze, gestrichelte Kurve. | 
Blut defibriniert + AICI, 0,003 Mol + Saponin. 
CO,-Spannung 18,3 33,6 43,0 54,8 67,2 79,8 115,1 
CO,-Kapazitat 27,3 28,5 30,0 30,1 32,4 40,0 47,8 
pn. 7, 44 7,17 7,08 6,96 6,90 6,905 6,80 
eee 
Knick. 
III. Lanthan. 
A. Hämolyseversuche?). 
26. Abb. 3. Punkte, strichpunktierte Kurve. 
Blut defibriniert + LaCl, 0,008 Mol + Saponin. 


CO,- Spannung 26,8 61,8 94,0 137,5 
CO,-Kapazitét. .......... 38,4 53,0 69,0 70,6 
50,2 
РОТЕ ИЕ ТЕЕ" 7,40 7,14 7,06 6,89 
7,12 
Knick. 


1) Vgl. auch H. Straub und Kl. Meier, diese Zeitschr. 90, 305. 1918. 
Tabellen Nr. XXXII und XXXIII. 
2) Vgl. ebenda Tabellen Nr. XXIX, XXX und XXXI. 


Blutgasanalysen. VII. | 6 


CA 


27. Abb. 3. Ringe, punktierte Kurve. 
Blut defibriniert + LaCl, 0,009 Mol + Saponin. 


CO,-Spannung. ....... 25,7 42,0 72,6 94,3 118,9 
CO,-Kapazität. . . . . . .. 42,0 51,4 68,2 67,1 78,4 
Фаз жж Б л аж ш б 1,45 7,31 7,18 7,04 6,97 
Knick. 


28. Abb. 3. Dreistern, gestrichelte Kurve. 
Blut defibriniert + Lal, 0,0095 Mol + Saponin. 


CO, Spannung. . . 04 37,5 47,6 582 92 111,6 
СО, Карага... . 33,4 455 44,1 47,9 540 63,5 
48,9 562 62,8 

„ 7,16 7,31 - 719 713 6,93 6,94 
7,29 7,13 7,15 694 6,94 


— | 
Knick. 


29. Abb. 3. Stehende Kreuze, gestrichelte Kurve. 
Blut defibriniert + LaCl, 0,01 Mol + Saponin. 


CO,Spannung. . . . 19,3 328 48,8 97,0 119,3 1501 
60, Kapazitüt. . 334 42,6 45,6 DI 66,4 70,3 
32,3 
5 7,49 735 7,19 691 752 6,84 
748 "кшк 
А ICK. 


30. Blut defibriniert + LaCi, 0,01 Mol + Saponin. 


CO, - Spannung 26,4 64,7 78,4 89,1 165,3 
CO, -Kapazi ttt. 42,0 46,1 47,4 49,9 71,4 
47,8 
„„ EE 7,44 7,07 6,99 6,94 4 6,80 
6,92 | 
Knick. 


B. Waschversuche. 
31. Abb.4. Liegende Kreuze, gestrichelte Kurve. 


Blutkörperchensuspension in LaCl, Sech Molar 
NaCl 0,154 ) 
CO,-Spannung. . . . 49,8 65,2 84,5 104,2 188,5 171,4 
CO,-Kapazität. . . . 45,4 50,5 47,8 55,1 72,1 734 
47,4 54,4 73,5 
Ра > 7,18 7,10 6,96 6,91 6,89 6,79 
7,20 6,91 6,90 
— m) 
Knick. 


Biocbemische Zeitschrift Band 111. I 


66 H. Straub und Kl. Meier: Blutgasanalysen.. VII. 


32. Abb. A Ringe, ausgezogene Kurve. 
Blutkörperchensuspension іп ГАС, wee Molar 


NaCl 0,153 
CO,-Spannung........ 19,0 36,0 58,1 59,3 
CO,-Kapazitéat. ....... 26,9 31,8 43,2 39,9 
42,0 40,9 
(. GP у ake sa ed + 7,41 7,19 7,09 7,05 
7,07 7,06 
шше 
Knick. 
33. Abb. 4. Punkte, punktierte Kurve. 
Blutkérperchensuspension in LaCl, ere Mol. 
NaCl 0,149 
CO,-Spanmnung. .........-.-..-..--. 27,6 53,0 
CO,-Kapazität. .............. 21,2 52,6 
20,7 
)) a a кота em ale 7,14 7,21 
т 1,13 


96,8 
53,4 


6,93 


71,7 

65,0 

64,7 
7,16 
7,16 


Blutgasanalysen. VIII. 


Der Einfluß einiger Digitaliskörper auf die Ionendurehgingigkeit 
menschlicher Erythroeyten. 


Von 
H. Straub und Klothilde Meier. 


(Aus der I. medizinischen Klinik der Universität München und der medi- 
zinischen Poliklinik der Universität Halle a. S.) 


(Eingegangen am 10. August 1920.) 
Mit 3 Abbildungen im Text. 


Die Versuche von W. Straub - Freiburg!) über den Chemis- 
mus der Strophanthinwirkung erguben, daß bei der Strophanthin- 
vergiftung des Froschherzens sehr kleine Giftmengen verbraucht 
werden, und daß die physiologische Reaktion proportional der 
Konzentration ist, in der das Strophanthin die Herzelemente 
umgibt. 

W. Straub schließt aus dieser Beobachtung auf einen rein lokalen 
Charakter der Reaktion, lehnt ein Eindringen in das Innere der Ventrikel- 
zellen ab und sucht wie bei der Adstringierung nur an der Grenzschicht 
eine fast irreversible Reaktion. W. Straub erinnert in diesem Zusammen- 
hang an die nahe chemische Verwandtschaft der Digitalisglykoside mit 
ausgesprochenen Grenzschichtgiften, wie den Saponinen. Während aber 
nach der Berechnung у. Weizsäckers®) nach Eintritt der Wirkung die 
Konzentration des Strophanthins in Ringerlösung und Zelle die gleiche 
ist, 1886 sich bei Digitalin (Merck) eine sehr erhebliche Speicherung des 
Giftes im Herzen nachweisen. In der Volumeinheit der Zelle ist schlieBlich 
25 mal mehr Digitalin enthalten als im Milieu. Die Gesamtmenge des bei 
Eintritt der Herzwirkung gebundenen Giftes ist dieselbe, unabhängig von 
der Konzentration des Giftes in der Spülflüssigkeit. Der beherrschende 
Einfluß der Konzentration auf die Wirkungsgeschwindigkeit besteht in 
einer Zunahme der Bindungsgeschwindigkeit. In einer späteren Mitteilung 


1) W. Straub, diese Zeitschr. 28, 392. 1910. 
2) V. v. Weizsäcker, Arch. f. experim. Pathol. u, Pharmakui. 7%, 347, 
1913. | оч.» 


5* 


68 H. Straub und КІ. Meier: 


hat v. Weizsäcker!) gezeigt, daß im Gegensatz zum Strophanthin Gitalin 
(Kraft), Digitalin (Kiliani), Erythrophlein und Saponin (Merck) im Herzen 
in erheblichem Maße gespeichert werden. Bemerkenswert ist der Parallelis- 
mus zwischen Speicherungsfihigkeit und Oberflächenaktivität der unter- 
suchten Substanzen. Der Gedanke, daß die Wirkung der Digitaliskörper 
in Beziehungen zu ihrer Oberflächenaktivität steht, ist neuerdings besonders 
nachdrücklich von Pietrkowski®), $), ) aufgenommen worden. Die fällende 
Wirkung des Strophanthins auf ein Suspensionskolloid zeigte Pietrkows ki 
durch die Zunahme der Zahl der ultramikroskopisch sichtbaren Teilchen 
einer Goldlésung, die mit Strophanthin vergiftet wurde. Dabei übt das 
Strophanthin nach einiger Zeit auf die Goldlösung eine gewisse Schutz- 
wirkung gegen den fällenden Einfluß von КС] aus. Auch nimmt eine mit 
Strophanthin vergiftete Gelatine, also ein hydrophiles Kolloid, weniger 
Wasser auf als unvergiftete. Dementsprechend sieht Pietrkowski ganz 
direkt das Wesentliche der Digitaliswirkung in einer Adsorption an der 
Faseroberfläche mit Fällung und Verfestigung. 

Der Versuch, auf dem hier vorgezeichneten Wege tieferen Einblick 
in den Wirkungsmechanismus der Digitaliskörper zu bekommen, lenkt 
den Blick auf die nahe Verwandtschaft dieser Wirkung mit derjenigen 
bestimmter Elektrolyte, deren Einfluß neuerdings gleichfalls mit ihrer 
Oberflächenwirkung erklärt wird. Nachdem schon in älteren Versuchen 
von E. Grossi), R. Böh m'), F. B. Hofmann’) u. а. der Einfluß einiger 
anorganischer Salze auf die Tätigkeit des Herzens festgestellt worden war, 
ist die Beziehung zwischen Digitalis- und physiologischer Kationenwirkung 
namentlich von Löwi und seiner Schule“), ), 10), aber auch vielfach von 
anderer Seite eingehend untersucht worden. Löwi hat die weitgehenden 
Analogien aufgezeigt, die zwischen der Strophanthin- und der Calcium- 
wirkung bestehen. Löwi geht deshalb so weit, das Wesen der Strophanthin- 
wirkung auf das Herz ganz direkt in einer Sensibilisierung für Calcium zu 
sehen. Ganz dementsprechend sieht auch Pietrkowski auf Grund seiner 
Quellungsversuche an Gelatine und Agar das Wesen der Calciumwirkung 
vollkommen analog dem der Digitaliswirkung in einer Entquellung der 
Grenzschichten. 


- 


1) V. v. Weizsäcker, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol 8%, 
247. 1917. 

2) G. Pietrkowski, Arch. f. d. ges. Physiol. 132, 497. 1918. 

3) G. Pietrkows ki, diese Zeitschr. 98, 92. 1919. 

4) G. Pietrkowski, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 85, 300. 
1920. 

5) E. Gross, Arch. f. d. ges. Physiol. 99, 264. 1903. 

6) R. Böhm, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 75, 230. 1914. 

1) F. B. Hofmann, Zeitschr. f. Biol. 66, 293. 1915. 

з) А. v. Konschegg, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 74, 
251. 1913. 

э) O. Löwi, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 82, 131. 1917. 

10) O. Löwi, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 83, 366. 1918. 


Blutgasanalysen. УШ. 69 


Bei unseren Untersuchungen über die Ionendurchgängigkeit 
menschlicher roter Blutkérperchen?), ), 3) hatten wir Beobach- 
tungen gemacht, die in vielen Punkten mit den Beobachtungen ` 
am Herzen in Beziehung stehen. Unsere Befunde hatten wir nur 
in dem Sinne deuten können, daß die roten Blutkörperchen in 
schwach basischer Lösung für Elektrolyte undurchgängig sind. 
Durch den Einfluß des Wasserstoffions wird diese Eigenschaft 

der Blutkörperchen verändert, so daß bei Erreichung einer ganz 
bestimmten, scharf definierten Wasserstoffionenkonzentration die 
Blutkörperchen plötzlich ionendurchgängig werden. Die nunmehr 
in das Zellinnere eindringenden Säureanionen können mit dem 
im Zellinnern eingeschlossenen Hämoglobin in Reaktion treten, 
was wir daran erkannten, daß nunmehr plötzlich pro Mol Hämo- 
globin ein Mol Kohlensäure mehr gebunden werden kann. In dem 
hier erörterten Zusammenhang ist es nun von besonderer Wichtig- 
keit, daß auch andere Kationen als das Wasserstoffion von Ein- 
fluß auf diese Reaktion der Zellgrenzschicht sind. Fügt man der 
Suspensionsflüssigkeit Kaliumionen zu, so werden die Zellen schon 
bei niedrigerer Wasserstoffionenkonzentration durchgängig. Die 
Wirkung des Calciumions besteht in höheren Konzentrationen in 
einer Erschwerung der Durchgängigkeit der Erythrocyten, während 
ganz niedrige Calciumkonzentrationen eine ganz schwache Wirkung 
im entgegengesetzten Sinne entfalten, also das Kaliumion unter- 
stätzen können. Die bei unsern Versuchen beobachtete Änderung 
der Zelldurchgängigkeit entspricht dem, was man gemeinhin als 
eine Änderung der Zellgrenzschicht oder Zellmembran bezeichnet. 
Entspiechend der herrschenden Anschauung hatten wir es für 
überwiegend wahrscheinlich gehalten, daß die beobachtete Ionen- 
wirkung durch Adsorption des wirksamen Ions an der Zellober- 
fläche herbeigeführt wird. Wenn man diese Oberfläche ent- 
sprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch gerne als Membran 
bezeichnet, so ist dieser Ausdruck etwas irreführend. Denn es ist 
zur Erklärung der beobachteten Vorgänge keinesfalls erforderlich, 
diese Grenzschicht als eine körperliche Membran vorzustellen, 
d. h. als ein dünnes, beiderseits scharf abgegrenztes, flächenhaftes 
Gebilde, das sich in seiner Beschaffenheit, vielleicht gar durch 


1) H. Straub und Kl. Meier, diese Zeitschr. 98, 205. 1919. 
2) H. Straub und Kl. Meier, diese Zeitschr. 98, 228. 1919. 
3) H. Straub und Kl. Meier diese Zeitschr. 109, 47. 1920. 


10 | Н. Straub und Kl. Meier: 


die Art des Lösungsmittels, von Außenflüssigkeit und Zellinhalt 
unterscheidet. Mit andern Worten, es ist nicht notwendig, zwischen 
die wässerige Phase, in der die Zellen suspendiert sind, und die 
wässerige Phase des Zellinnern eine dritte, nicht wässerige oder 
wässerige Phase eingeschaltet zu denken. Ebensogut stimmen 
die gemachten Beobachtungen auch mit der Vorstellung überein, 
daß nur eine Phasengrenze zwischen Suspensionsflüssigkeit und 
Zelle besteht und daß sich die angenommenen Ionenadsorptionen 
an dieser Phasengrenze abspielen. Die Durchgängigkeitsänderung 
würde sich dann nicht als eine Veränderung der hypothetischen 
Membran darstellen, sondern als eine Zustandsänderung des 
ganzen Zellprotoplasmas oder der Protoplasmagrenzschicht. Ob 
das sogenannte Eindringen von Ionen in das Zellinnere dann nur 
auf einer Ionenadsorption an der Zelloberfläche oder auf einem 
Durchtreten der Ionen in das Zellprotoplasma beruht, bleibt 
dabei unentschieden. 

Jedenfalls beruht das Wesen der beobachteten Reaktion 
auf Vorgängen an den Grenzflächen. Die von uns benützte 
Methode gestattet es nun, abweichend von den bisher gebrauchten 
Verfahren, die fragliche Änderung der Grenzschicht für einen 
bestimmten, biologisch besonders bedeutungsvollen Punkt, näm- 
lich für den Augenblick, in dem die Durchgängigkeit eintritt, mit 
bisher nicht erreichter Genauigkeit zu messen. Wir bestimmen die 
Wasserstoffzahl, bei der plötzlich eine grundlegende Änderung 
der Zellkolloide auftritt. Da nun, besonders nach den Fest- 
stellungen v. Weizsäckers, die Digitaliskörper deutliche Ober- 
flächenaktivität besitzen, mußte es aussichtsreich erscheinen, die 
Art dieser Oberflächenwirkung mit unserem Verfahren zu prüfen. 
Die bisher teils durch Modellversuche, teils durch indirekte 
Beobachtungen am Froschherzen erschlossene Änderung der 
Zellpermeabilität unter dem Einfluß des Digitaliskörper mußte 
sich auf diesem Wege direkt und objektiv nachweisen und außer- 
dem quantitativ verfolgen lassen. Nun ist es freilich wahrschein- 
lich, daß die Digitaliskörper eine ganz besondere spezifische 
Affinität zu den Erfolgsorganen im Herzen besitzen. Damit ist 
aber keineswegs gesagt, daß sich nicht prinzipiell dieselben Er- 
scheinungen, wenn auch vielleicht in höheten Konzentrationen, 
auch an anderen Zellarten abspielen sollten. Ja, es ist durchaus 
damit zu rechnen, daß Digitaliskörper auch an nicht zellförmigen 


Blutgasanalysen. VIII. | 71 


Kolloiden angereichert und von der Oberfläche dieser Kolloide 
nur schwer wieder abgegeben werden. Jedenfalls fand Oppen- 
heimer?), wenn er zwei Froschherzen unter sonst gleichen Ver- 
suchsbedingungen mit gleichen Strophanthinmengen vergiftete, 
die im einen Fall in Ringerlösung, im andern in Serum gegeben 
wurden, eine gänzlich aufgehobene oder stark verzögerte Gift- 
wirkung im Serum, die auf eine Zurückhaltung des Giftes im 
Serum, wahrscheinlich durch reversible Adsorption an Serum- 
bestandteile, hinweist. Auch die erwähnten Versuche Pietr- 
kowskis über die Wirkung auf Goldlösungen sind ebenso zu 
deuten. 

Ist demnach eine Adsorption der Digitaliskörper schon an 
Serumbestandteile ohne Zellstruktur und an eine suspensoide 
Goldlösung anzunehmen, so konnte eine Adsorption an die Ober- 
fläche roter Blutkörperchen, die den Wirkungsorten im Herzen 
in ihrer Beschaffenheit viel näher stehen, um so eher erwartet 
werden. | 

Wenn sich durch unsere Versuche der Nachweis erbringen 
läßt, daß die Digitaliskörper Oberflächenwirkung entfalten, und 
wenn sich über die Art der Wirkung an der Grenzschicht genauere 
Vorstellungen ergeben, so ist damit natürlich keine Stellung 
genommen zu der Frage, an welchem Orte innerhalb des Herzens 
die Digitaliskörper ihre Wirkung entfalten. Die in den voran- 
gehenden Ausführungen erwähnten Autoren, die die Digitalis- 
wirkung als eine Wirkung an Grenzflächen aufgefaßt haben, hielten 
es für selbstverständlich, daß es sich dabei nur um die Grenz- 
flächen der Herzmuskelzellen handeln könne. Angesichts der 
quantitativen Feststellungen v. Weizsäckers über die abso- 
luten gebundenen Giftmengen derjenigen Digitaliskörper, die 
starke Speicherung aufweisen, ist es in der Tat sehr schwer, 
anzunehmen, daß die Speicherung an einer andern Stelle als am 
Herzmuskel stattfinde. Nimmt man nämlich an, daß in den Ver- 
suchen v. Weizsäckers die nach eingetretener Vergiftung im 
Herzen enthaltene Digitalinmenge sich auf die ganze Herzmus- 
kulatur gleichmäßig verteile, so ist die Konzentration des Giftes 
im Herzmuskel schon 25 mal so hoch wie in der Spülflüssigkeit. 
Wollte man annehmen, daß diese Menge nicht im Muskel, sondern 
in irgendeinem andern im Herzen jedenfalls nur in sehr geringer 

1) E. Oppenheimer, diese Zeitschr. 55, 134. 1913. 


72 H. Straub und Kl. Meier: 


Menge enthaltenen Substrat fixiert wäre, so käme man zu der 
Annahme einer Giftkonzentration von so“ ungeheuerlichen Aus- 
maßen, daß der Vorstellung dadurch ernstliche Schwierigkeiten 
entstehen. Und diese aus v. Weizsäckers Versuchen zu folgernde 
Speicherung des Digitalins in der Herzmuskelzelle als etwas 
Unspezifisches anzusehen, das mit der mechanischen Herzwirkung 
nicht im Zusammenhang steht, macht erhebliche Schwierigkeiten. 
Doch ist daran zu erinnern, daß Löwe!) neuerdings Versuche mit- 
geteilt hat, die darauf hinweisen, daß die Wirkung der Digitalis 
in einer Erregbarkeitssteigerung im Verlauf des von ihm an- 
genommenen intramuralen Reflexbogens des Herzens besteht. 
Löwe stellt Versuche in Aussicht, die zeigen sollen, ob die Digitalis 
an dem „Rückenmark“ dieses Reflexbogens, nämlich den ganglio- 
nären Vorhofselementen angreift, ob also die Digitalis als das 
„Strychnin des Herzens“ aufgefaßt werden muß. In die Ent- 
scheidung dieser noch ungeklärten Frage wollen wir mit unseren 
Versuchsergebnissen nicht eingreifen. 


Versuchsanordnung. 


Wie in den früheren Versuchen wurde durch Venae punctio gewonnenes, 
durch Oxalat ungerinnbar gemachtes menschliches Blut in physiologischer 
Kochsalzlösung gewaschen, der wechselnde Mengen der zu prüfenden 
Digitaliskörper zugesetzt waren. Wir mußten gut wasserlösliche Digitalis- 
körper zu der Prüfung verwenden und konnten außerdem nur solche Prä- 
parate gebrauchen, deren im Handel befindliche Lösung keine Spur von 
Alkohol enthält, weil wir über die Wirkung des Alkohols auf unser Test- 
objekt nichts wissen. Nachdem die Körperchen mehrfach in der zu prü- 
fenden Lösung gewaschen und so von jeder Spur von Serum befreit waren, 
wurde die Kohlensäurebindungskurve der Blutkörperchensuspension be- 
stimmt. Wir haben, da es uns nur auf prinzipielle Feststellung des Wirkungs- 
modus ankam, unsere Prüfung auf einige wenige Digitaliskörper beschränkt. 
Geprüft wurde bisher Strophanthin (Böhringer), Verodigen und Digi- 
folin. Zur Beurteilung der Wirkung sei daran erinnert, daß der Knick 
der Kohlensäurebindungskurve, der das Durchgängigwerden der roten Blut- 
körperchen anzeigt, bei Suspension in reiner Kochsalzlösung bei der Wasser- 
stoffzahl рь = 6,67 auftritt. Ersetzt man in der Suspensionsflüssigkeit 
einen Teil des Natriumchlorids durch gleiche Mengen Kaliumchlorid, so 
tritt der Knick schon früher, bei basischerer Reaktion ein, und zwar stets, 
wenn die Konzentration an Kaliumchlorid 0,03 Mol oder mehr beträgt, 
bei der Wasserstoffzahl 6, 80. Calcium andererseits, in Konzentrationen 
von mindestens 0,0075 Mol der Suspensionsflüssigkeit zugesetzt, verschiebt 


1) S. Löwe. Dtsch. med. Wochenschr. 1919, Nr. 52. 


— — me 


Blutgasanalysen. VIII. 73 


den Knick nach der saueren Seite, erschwert also das Durchgängig werden 
der Zelle. Erreicht die Calciumkonzentration 0,03 Mol oder mehr, so liegt 
der Knick bei der Wasserstoffzahl 6,42. Die antagonistische Wirkung des 
Kaliums und Calciums, die aus zahlreichen Erscheinungen an der lebenden 
Zelle bekannt ist, wird durch diese Beobachtung bestätigt und bis zu einem 
gewissen Grade erklärt. Das im Kalium nachgewiesene, das Wasserstoffion 
unterstützende Prinzip hatten wir, nichts vorwegnehmend, mit dem Buch- 
staben b bezeichnet, das antagonistische, im Calcium wirksame dagegen 
mit dem Buchstaben a. 


I. Strophanthin. 


Werden der zum Waschen der roten Blutkörperchen verwendeten 
physiologischen Kochsalzlösung kleine Strophanthinmengen zugesetzt, so 
ergibt sich eine deutliche Verschiebung der Laga des Knicks der Kohlen- 
säurebindungsekurve. Bei Zusatz von ½ mg Strophanthin zu 100 cem 


X * X Tabellen Nr. 1. Strophanthin 0,1 mg. , 
ө - – – - ө Tabellen Nr. 8. Strophantin 0,2 mg. 

OO Tabellen Nr. 5. Strophanthin 0,8 mg. 

<-...- < Tabellen Nr. 9. Strophanthin 1 mg. 


& Tabellen Nr. 10. Strophanthin 5 mg. 

Abb. 1. Kohlensäurebindungskurven von Blutkörperchensuspensionen in physiologischer 
Kochsalslösung mit Strophanthinzusats. X, ө, O, <, © tatsächlich bestimmte Punkte. 
Abszisse: Partiardruck der Kohlensäure in mm Hg. Ordinate: Kohlensäurekapasität in 
Volumprozenten. Schraffiertes Dreieck am Unterrande: pysikalisch absorbierte Kohlen- 
säure. Die von der linken unteren Ecke ausgehenden Kurven verbinden Punkte gleicher 
Wasserstoffzahl. 


der Waschflüssigkeit (Abb. 1, liegende Kreuze, punktierte Kurve, Tabellen 
Nr. 1) ergibt sich für die im Knick liegenden Punkte die Wasserstoffzahl 
Pa = 6,61; 6,64. In einem zweiten Versuche (Tabellen Nr. 2) mit derselben 
Dosis fanden sich im Knick die Werte p, = 6,64; 6,64; 6,64. Verdoppelung 
der Strophanthinmenge, ½ mg auf 100 ccm Waschflüssigkeit, verschiebt 
den Knick stärker (Tabellen Nr. 3, Abb. 1, Punkte, gestrichelte Kurve und 
Tabellen Nr. 4). Für die im Knick liegenden Punkte ergeben sich im ersten 


74 H. Straub und Kl. Meier: 


Versuche (Nr. 3) die Werte pn = 6, 57; 6,56; 6, 60; 6,58, im zweiten Ver- 
suche (Nr. 4) die Werte pg = 6,53; 6,53; 6,50; 6,52. рав im zweiten Versuche 
die Verschiebung eine etwas stärkere ist, kann an individuellen gering- 
fügigen Verschiedenheiten in der Strophanthinempfindlichkeit der ver- 
wendeten Blutkörperchen liegen. Da wir aber eine solche schwankende 
Empfindlichkeit bei den bisherigen Versuchen mit Elektrolyten nicht 
gefunden haben, mit Ausnahme des Lanthans, so ist es wahrscheinlicher, 
daß bei diesem Strophanthin versuch wie bei den früheren Lanthanversuchen 
die kleine Verschiedenheit der Lage des Knicks durch den Pipettierfehler 
zu erklären ist und daß im Versuch Nr. 4 etwas mehr Strophanthin in der 
Waschflüssigkeit enthalten war als im Versuch Nr. 3. Handelt es sich doch 
um das Zupipettieren von nur 0,2 cem Strophanthinlésung zu 100 ccm 
Waschflüssigkeit. Weitere Steigerung des Strophanthinzusatzes, %% mg 
auf 100ccm Kochsalzlösung, ergibt eine noch stärkere Verschiebung. 
(Abb. 1, Ringe, ausgezogene Kurve, Tabellen Nr. 5, 6, 7.) Die Werte der 
Wasserstoffzahl des Knicks sind 6,50; 6,50; 6,51 bzw. 6,49; 6,50; 6,48 bzw. 
6,50. Damit ist aber offenbar die endgiiltige Wirkung erreicht. Ein Zusatz 
von 5/10 mg auf 100 ccm Waschflüssigkeit (Tabellen Nr. 8) ergibt für den 
Knick рь = 6,49; 6,49. Weitere Steigerung, 1 mg Strophanthin auf 100 ccm 
Waschflüssigkeit (Abb. 1, Dreisterne, Kurve = Strich, 3 Punkte, Tabellen 
Nr. 9), ergibt pg = 6,49; 6,51 und schließlich ergeben auch 5 mg Strophan- 
thin auf 100 ccm Waschflüssigkeit (Abb. 1, Kreuzringe, ausgezogene Kurve, 
Tabellen Nr. 10) für den Knick die Werte p, = 6,55; 6,47; 6,45; 6,46. 
Diese letzten Werte liegen nur ganz unbedeutend weiter rechts als die bei 
2/10 mg gefundenen. Da gerade die letzte Kurve sehr tief liegt, ist außerdem 
die Fehlerbreite für diese Punkte größer. Als Durchschnitt aller 15 Werte, 
die bei Konzentrationen zwischen ®/,, und 5 mg erhalten wurden, findet 
sich demnach pg = 6,49 als endgültige Lage des Strophanthinknicks. 


II. Verodigen. 


Von Verodigen, der Gitalinfraktion der Digitalisblätter, wurde zu- 
nächst 0,1 mg auf 100 ccm physiologischer Kochsalzlösung zur Waschung 
verwendet. Schon diese kleine Menge ergibt eine starke Verschiebung 
(Abb. 2, Ringe, ausgezogene Kurve, Tabellen Nr. 11). Die im Knick lie- 
genden Punkte haben die p, = 6,50; 6,48; 6,49; 6,50. Der Knick hat also 
dieselbe Lage, die mit maximalen Strophanthindosen erreichbar ist. Stei- 
gerung der Dosis, 0,3 mg auf 100 ccm Waschflüssigkeit (Abb. 2, stehende 
Kreuze, punktierte Kurve, Tabellen Nr. 12) verschiebt weiter. Im Knick 
liegen die Werte p, = 6,40; 6,42; 6,38; 6,38. Weitere Steigerung, 0,5 mg 
auf 100 ccm, ergibt nur noch eine ganz unbedeutende weitere Verschigbung 
(Abb. 2, Punkte, gestrichelte Kurve, Tabellen Nr. 13). Im Knick findet 
sich p, = 6,35; 6,34. Damit ist die endgültige Lage erreicht. Denn 1 mg 
auf 100 ccm (Abb. 2, liegende Kreuze, gestrichelte Kurve, Tabellen Nr. 14) 
ergibt für den Knick ebenfalls pn = 6,34; 6,35. Ein weiterer Versuch mit 
derselben Dosierung (Tabellen Nr. 15) hatte eine weniger starke Verschie- 
bung zur Folge. Denn in diesem Falle lagen die bestimmten Werte bei 


Wel 


CO, -bokan Yo 
— 4 


bok 
S — an 

\ 

™ N 
SR A 
NN \ 


Blutgasanalysen. VIII. 15 


haman = 


O © Tabellen Nr. 11. Verodigen 0,1 mg. 
44 + Tabellen Nr. 12. Verodigen 0,8 mg. 
e----- ө Tabellen Nr. 18. Verodigen 0,5 mg. 
Х- ~ - -X Tabellen Nr. 14. Verodigen 1,0 mg. 


Abb. 2. Kohlensäurebindungskurven von Blutkörperchensuspensionen in physiologischer 
Kochsalslösung mit Verodigenzusatz. Erklärung wie Abb. 1. 


= 6,45; 6,43; 6,42; 6,42; 6,43; 6,39. Weshalb die Wirkung im vorlie- 
genden Falle etwas weniger stark war, vermögen wir nicht zu sagen. Mit 
mäßigen individuellen Schwankungen in dem Wirkungsgrade ist nach 
dem Ergebnis dieses Versuches offenbar zu rechnen. Als äußerste mit 
Verodigen erreichbare Wirkung muß jedenfalls die Wasserstoffzahl 6,35 
angesprochen werden. 


III. Digifolin. 


Von Digifolin entspricht nach Angabe der Firma 1 com der Wirkung 
von 0,1 g Folia Digitalis. 0,1 ccm dieser Digifolinlösung auf 100 cem Wasch- 
flissigkeit (Abb. 3, Punkte, gestrichelte Kurve, Tabellen Nr. 16) verschiebt 
den Knick auf pn = 6,51. Erhöhung der Konzentration auf 0,2 cem zu 
100 (Abb. 3, stehende Kreuze, ausgezogene Kurve, Tabellen Nr. 17) bewirkt 


— 


e----- ө Tabellen Nr. 16. Digifolin 0,1 ccm. 
+ + Tabellen Nr. 17. Digifolin 0,2 cem. 
X.... . . . Tabellen Nr. 18. Digifolin 0,8 ccm. 
O----O Tabellen Nr. 18. Digifolin 0,5 mg. 


Abb. 3. Kohlensäurebindungskurven von ee аана in Physiologischer 
Kochsalzlösung mit Digifolinzusatz. Erklärung wie Abb. 


16 Н. Straub und КЇ. Meier: 


weitere Verschiebung auf pn = 6,51; 6,47. Mit 0,3ccm auf 100 (Abb. 3, 
liegende Kreuze, punktierte Kurve, Tabellen Nr. 18) liegt der Knick bei 
Pa = 6,48; 6,44; 6,38; 6,39; 6,43; 6,38; 6,39. Die ersten dieser Werte sind 
wenig genau, weil die Linien gleicher Wasserstoffzahl in dieser Lage sehr 
nahe zusammenliegen. Der Wert 6,39 mu8 demnach, wie auch ein Blick 
auf Abb. 3 zeigt, als der richtige Durchschnittswert angesehen werden. 
0,5 ccm Digifolin schließlich auf 100 ccm Kochsalzlösung (Abb. 3, Ringe, 
gestrichelte Kurve, Tabellen Nr. 19) ergeben fiir den Knick die Werte 
Dy = 6,32; 6,30; 6,33. Bei einem zweiten Versuch mit derselben Konzen- 
tration (Tabellen Nr. 20) liegt der Knick frithestens bei derselben Wasser- 
stoffzahl. Bei der etwas héheren Lage der Bindungskurve konnte in diesem 
Versuch der Knick überhaupt nicht erreicht werden. Ob also mit der Wasser- 
stoffzahl 6,32, die der Versuch Nr. 19 für die Lage des Knicks ergeben hatte, 
die endgültige Verschiebung schon erreicht ist, oder ob höhere Konzentra- 
tionen eine noch stärkere Verschiebung bewirken würden, kann nicht mit 
voller Sicherheit gesagt werden. Aus äußeren Gründen waren wir nicht 
in der Lage, noch weitere Versuche mit höheren Konzentrationen anzustellen. 

Die mit drei verschiedenen Digitaliskörpern angestellten 
Versuche haben also ein im Prinzip durchaus einheitliches Er- 
gebnis. Alle drei Digitaliskörper verschieben den Knick der 
Kohlensäurebindungskurve nach rechte, d. h. es ist eine deutlich 
saurere Reaktion erforderlich als ohne Digitaliszusatz, ehe die 
Anionen in die roten Blutkörperchen eindringen und mit dem 
Hämoglobin in Reaktion treten können. Wenn man an der 
Membranvorstellung festhalten wollte, so würde man sagen, daß 
die Durchgängigkeit der Membran durch Digitalis erschwert, 
hinausgeschoben, verzögert werde. Im Rahmen der physikalisch- 
chemischen Vorstellungen, auf die die früheren Versuche geführt 
haben, wird man sagen, daß die Plasmakolloide der Blutkörperchen 
in ihrer Entladung gehemmt werden, so daß erst bei höherer 
Wasserstoffionenkonzentration der Suspensionsflüssigkeit eine 
Entladung der Kolloide und damit ihre isoelektrische Ausflockung 
stattfinden kann. Mit den bisherigen pharmakologischen Er- 
fahrungen steht es im besten Einklang, wenn wir finden, daß diese 
Wirkung durchaus der bei Calcium, überhaupt bei den Erdalkalien 
beobachteten entspricht. Auch bei den Erdalkalien hatten wir 
in entsprechender Dosierung dieselbe Verschiebung des Knicks 
festgestellt. Die auch bisher angenommene nahe Verwandtschaft 
der Wirkung von Digitalis und Calcium wird durch die Versuchs- 
ergebnisse vollkommen bestätigt. Die Frage, ob das Vorhanden- 
sein von Calcium in Suspensionsflüssigkeit oder Zelle eine un- 
bedingte Voraussetzung für das Zustandekommen der Digitalis- 


Blutgasanalysen. VIII. 177 


wirkung ist, kann nach. diesen Versuchen verneint werden. Das 
verwendete Blut war durch Oxalat ungerinnbar gemacht und 
damit jedes Calcium entfernt worden. Bei dem wiederholten 
Waschen waren dann alle etwa noch vorhandenen oder aus den 
Blutkörperchen herausdiffundierenden Calciumspuren sicher ent- 
fernt. Dennoch trat die typische Digitaliswirkung jedesmal ein. 
An den Blutkörperchen wirkt also die Digitalis in gleichem Sinne 
wie Calcium, aber Calciumgehalt ist für die Wirkung nicht un- 
entbehrlich. Es handelt sich also nicht um eine Sensibilisierung 
für Calcium durch Digitalis. Ein Unterschied der Digitaliswirkung 
gegenüber Calcium und allen andern Erdalkalien besteht in der 
Wirkung kleinster Dosen. Bei allen Erdalkalien hatte sich ergeben, 
daß die ganz kleinen Dosen eine dem Prinzip a antagonistische 
Wirkung entfalten, daß sie den Knick nach links verschieben, 
die Entladung der Zellen begünstigen und daß sie dadurch 
eine Eigenschaft besitzen, die dem Kalium und den andern 
Alkalien zukommt. Eine solche kaliumartige Wirkung, ein solches 
Prinzip b, hat sich bei keinem der geprüften Digitaliskörper ge- 
funden. | 

Wie bei den früher geprüften Elektrolyten, so fand sich auch 
bei den Digitaliskörpern, daß kleine Dosen nur eine mäßige Ver- 
schiebung des Knicks in der zu erwartenden Richtung herbei- 
führen, daß Steigerung der Dosis die Wirkung verstärkt, daß aber 
schließlich ein Endwert erreicht wird, der bei weiterer Erhöhung 
der Dosis nicht überschritten werden kann. Der Endwert ist 
offenbar erreicht, wenn die Oberfläche mit der wirksamen Sub- 
stanz gesättigt ist. Bemerkenswert und für die Theorie der Digi- 
taliswirkung von Interesse ist die Tatsache, daß der Wirkungsgrad 
von der Giftkonzentration der Waschflüssigkeit abhängig ist, daß 
es sich also um einen Gleichgewichtszustand zwischen Lösung und 
Zelle handelt. Eine Anreicherung, Stapelung des Giftes über 
diesen Gleichgewichtszustand hinaus tritt nicht ein, sonst müßte 
sich auch bei niedriger Giftkonzentration der Waschflüssigkeit 
durch sehr häufig wiederholtes Waschen mit immer neuer Gift- 
lösung eine maximale Sättigung der Zelloberflächen erreichen 
lassen. Da wir stets mit 100 cem Waschflüssigkeit eine kleine 
Menge von Blutkörperchen gewaschen haben, müßte in dem 
letzterwogenen Falle bei allen Versuchen dieselbe maximale 
Giftwirkung zur Beobachtung kommen. 


78 H. Straub und Kl. Meier: 


Der erreichte Endwert ist für die drei geprüften Digitalis- 
substanzen verschieden. Nach Strophanthinzusatz in ausreichen- 
der Dosis liegt der Knick bei 24 = 6,49, mit Verodigen bei 6,35 
und mit Digifolin ist der Knick bei рь = 6,32 vielleicht noch nicht 
ganz erreicht. Möglicherweise hängt dieser Unterschied mit der 
verschieden großen Oberflächenaktivität der .drei Körper zu- 
sammen. Doch sind wir dabei auf bloße Vermutungen angewiesen, 
solange vergleichende Untersuchungen über die Oberflächenaktivi- 
tät der drei Körper nicht vorliegen. Ob dem Unterschied in der 
Lage des Endwertes eine biologische Bedeutung zukommt, ver- 
mögen wir nicht zu entscheiden. Es läßt sich auch nicht sagen, 
ob die therapeutische Digitaliswirkung überhaupt bis zum End- 
werte der Wirkung getrieben wird, oder ob die erwünschte l 
auf einer Zwischenstufe stehen bleibt. 

Nach den mitgeteilten Versuchen ist anzunehinen, daß die 
Digitaliswirkung sich im Prinzip in derselben Weise an allen Zellen 
oder vielmehr vermutlich an allen oder wenigstens an bestimmten 
Kolloiden äußert. Wenn die Wirkung am ganzen Organismus, wie 
wohl als einwandfrei festgestellt angenommen werden muß, ganz vor- 
wiegend sich auf das Herz konzentriert, so muß wohl zur Erklärung 
angenommen werden, daB sich die Digitaliskörper hauptsächlich an 
den Oberflächen der Erfolgsorgane im Herzen anreichern. DaB aber 
wenigstens beim Warmblüter auch andere Körperzellen dem Digi- 
taliseinfluß unterliegen, zeigt die Erregung des Vagus- und Brechzen- 
trums, die schon bei therapeutisch möglichen Dosen eintreten kann. 


Zusammenfassung. | ~ 


Setzt man einer physiologischen Kochsalzlösung, in der 
menschliche Erythrocyten suspendiert werden, Digitaliskörper 
zu, so werden die Körperchen bei Erhöhung des Säuregrades der 
Lösung durch Zutitrieren von Kohlensäure ‘erst bei höherer 
Acidität anionendurchgängig als in reiner Kochsalzlösung. 

Dieselhe Änderung der Durchgängigkeit war auch unter 
dem Einfluß von Calcium- und anderen Erdalkalikationen in 
geeigneter Konzentration beobachtet worden. Sie ist der Wirkung 
des Kaliumions antagonistisch. Die pharmakologische Lehre, daß 
die Digitaliswirkung in Beziehung zur Calciumwirkung steht, 
wird dadurch bestätigt und ein tieferer Einblick i in die Art dieser 
Beziehungen ermöglicht. 


— 


-- —— шї —— 


Blutyasanalysen. УШ. 79 


Mit Strophanthinzusatz tritt die Entladung der Zellkolloide 
unter den eingehaltenen Versuchsbedingungen bei pg = 6,49 ein, 
mit Verodigen bei py = 6,35, mit Digifolin frühestens bei pg = 
6,32, vielleicht noch später. Ob diesen Unterschieden im erreichten 
Endwerte eine biologische Bedeutung zukommt, kann auf Grund 
der Versuche nicht entschieden werden. 


Versuchsprotokolle. 
I. Strophantin. 


1. Abb. 1. Kurve 1. Liegende Kreuze, punktierte Kurve. 
Strophanthin 0,1 mg. HCl norm. 0,3ccm. NaCl 0,85% ad 100,0 ccm. 


CO, - Spannung 15,0 44,4 120,2 150,0 182,3 
CO,-Kapazität. ....... 17,4 22,2 33,7 45,7 47,6 
nn! дА РЕ 7,84 6,93 6,61 6,64 6,55 
— 
Knick. 


2. Strophanthin 0,1 mg. HCl norm. 0,3 ccm. NaCl 0,85%, ad 100, O com. 


CO, - Spannung 41,4 106,6 121,8 170,9 
CO, -Kapazitllt .. 17,2 31,3 36,0 40,0 
31,1 0 
Deis eee as es Ps Ge. Boag АР ЕКЕНИ: 6,85 6,64 6,64 6,50 
6,64 
Knick. 


3. Abb. 1. Kurve 2. Punkte, gestrichelte Kurve. 
Strophanthin 0,2 mg. HCl norm. 0,14 ccm. NaCl 0,85%, ad 100,0 com. 


CO, Spannung 27,8 111,6 136,4 169,0 
CO,Kapazitét. t... 17,5 28,7 37,8 45,9 
28,1 
6,56 
Knick. 


4. Strophanthin 0,2 mg, НО norm. 0,2 com. NaCl 0,85% ad 100,0 ccm. 


CO,Spannung........ 182 65,6 120,7 2134 261,6 
60, Kapazität. 21,0 456 484 543 63,7 
21,9 49,9 53,9 66,8 
ee ee re at oe ee 7,33 70 6,78 653 6,50 
7,35 6,79 653 6,52 
— 


Knick. 


H. Straub und Ki. Meier: 


80 
5. Abb. 1. Kurve 3. Ringe, ausgezogene Kurve. 

Strophanthin 0,3 mg, HCl norm. 0,1 ccm. NaCl 0,85% ad 100,0 ccm. 
CO, Spannung 24,3 69,3 177,1 203,4 245,7 
CO,-Kapazitét. ....... 31,3 36,8 41,8 49,3 58,2 

41,6 56,4 
Mee a ine EC 7,36 6,94 6,50 6,51 6,49 
6,50 6,47 
a 
Knick. 
6. Strophanthin 0,3 mg. NaCl 0,85% ad 100,0 ccm. 
CO,-Spannung. ....... 24,6 128,8 171,6 215,0 284,3 
CO,-Kapazitädtt. 36,6 49,6 52,3 50,4 70,1 
\ 67,5 
F 7,42 6,76 663 6,49 6,50 
6,48 
Knick. 


7. Strophanthin 0,3 mg, HCl Mol 0,3 ccm. NaCl 0,85% ad 100,0 ccm. 
63,4 89,3 119,5 142,8 1680 214,3 
9, 8 20,0 24,0 24,6 25,7 29,6 


CO,-Spannung 21,7 
6,43 6,33 6,22 6,16 


CO,-Kapazität 7,8 
pn. . . 6,81 6,29 6,50 
| Knick. 


8. Strophanthin 0,5 mg, HO Mol 0,13 ccm. NaCl 0,85%, ad 100,0 ccm. 
248,8 


со, Spannung 22,0 65,5 128,0 1584 184,0 222,2 
363 38,7 426 42,9 


CO,-Kapazität 19,2 23,6 28,4 
39,2 41,4 
n Tel 6,76 6,49 6,49 6,43 6,37 6,30 
— 
Knick. 6,44 6,28 


9. Abb. 1. Kurve 4. Dreisterne. Kurve = Strich, 3 Punkte. 


Strophanthin 1 mg, HO Mol 0,14 cem. NaCl 0,85% ad 100,0 ccm. 
21,7 74,8 131,1 178,1 232,1 


CO Spannung. 
CO, -Kapazitt!t . 19,9 22, 6 29,2 43,0 47,0 
20,1 
„F! EE A 7,23 6,67 6,49 6,51 6,40 
7,23 Knick 
ck. 


10. Abb. 1. Kurve 5. Kreuzringe. Ausgezogene Kurve. 


Strophanthin 5 mg. НСІ Mol 0,14 ccm. NaCl 0,85%, ad 100,0 ccm. 
144,3 173,1 214.2 


CO, - Spannung 48,3 116,2 
CO,-Kapazität. ....... 11,1 24,8 30,7 31,7 35,7 
23,8 
6,55 6,47 6,46 636 6,29 


Blutgasanalysen. VIII. 8 


— 


II. Verodigen. 
11. Abb. 2. Kurve 1. Ringe, ausgezogene Kurve. 
Verodigen 0,1 mg. НСІ Mol 0,14 ccm. NaCl 0, 85% ad 100,0 ccm. 


CO, Spannung 32,4 72,7 909 117,0 161,0 

CO„Kapazität. . . . . ... 13,0 162 193 26,6 33,9 
13,1 19,7 

)) 6,83 650 6,48 650 6,44 
6,83 6,49 
Knick. 


12. Abb. 2. Kurve 2. Stehende Kreuze, punktierte Kurve. 
Verodigen 0,3 mg. HCl Mol 0, 15 cem. NaCl 0, 85% ad 100,0 ccm. 


CO. Spannung 34,4 107,4 1236 1411 1722 
CO. Kapazit ttt 10,0 2, 777 26,1. 32,3 
| 10,6 
FETTE 6,60 640 6,42 638 6,38 
SN „————— 
6,71 Knick. 


13. Abb. 2. Kurve 3. Punkte, gestrichelte Kurve. 
Verodigen 0,5 mg. HCI Mol 0,15 ccm. NaCl 0, 85% ad 100,0 ccm. 


CO,-Spannung. ....... 33,2 75,6 151,6 210,7 231,6 
CO,-Kapazität. . . . . . .. 17,9 19,4 27,9 36,1 38,3 
15,9 227,5 
„„ Se tas a ge ey ng 6,98 6,59 6,35 6,31 6,28 
6,93 6,34 
Knick. 


14. Abb. 2. Kurve 4. Liegende Kreuze, gestrichelte Kurve. 
Verodigen 1,0 mg. НСІ Mol 0,15 cem. NaCl 0, 85% ad 100,0 ccm. 
CO- Spannung. 34.4 84,4 154,8 190,3 


CO,-Kapazität. . oo. 0000. . . 12,9 DÄ 213 34,8 
ea Se ем ыы E E 6,81 6,46 634 6,35 
те — 

Knick. 


j 
15. Verodigen 1,0 mg. HCl Mol 0,1 ccm. NaCl 0,85% ad 100,0 ccm. 
CO: Spannung 36,9 86,1 128,1 162,7 181,1 204,0 241,2 
CO,Kapazität 04 25, 77 331 366 42,8 47,8 


21,7 36,6 
pn. 699 6,65 6,45 £643 642 7, 6,39 
7,01 6,42 


III. Digifolin. 
16. Abb. 3. Kurve 1. Punkte, gestrichelte Kurve. 
Digifolin = 0,01 Fol. Digital. НСІ Mol 0,15 ccm. NaCl 0,85% ad 100,0 ccm. 


CO,Spannung .............. . 109,6 175,6 203, 3 
CO- Kapazitſvle .. 25, 3 33,4 37,2 
C a ы Ste EC 6,51 638 6,35 
Knick. 


Biochemische Zeitschrift Band 111. 6 


GA 


2 Н. Straub und Kl. Meier: Blutgasanalysen. УШ. 


17. Abb. 3. Kurve 2. Stehende Kreuze, ausgezogene Kurve. 
Digifolin = 0,02 Fol. Digital. HCl Mol 0,14 ccm. NaCl 0,85% ad 100,0 ccm. 


CO,-Spannung. ....... 31,1 65,5 90,5 122,0 144,3 
CO,-Kapazitét. ....... 9,6 14,3 18,9 24,0 26,4 
9,9 23,8 

Di 2.2. олы a е 6,72 6,51 6,47 6,42 6,37 

6,73 Knick. 6,30 


18. Abb. 3. Kurve 3. Liegende Kreuze, punktierte Kurve. 
Digifolin = 0,03 Fol. Digital. НСІ Mol 0,13 cem. NaCl 0,85% ad 100,0 cem. 
CO,-Spannung 29,8 76,6 90,3 113,4 131,2 152,3 190,7 239,5 
CO,-Kapazität 10,6 16,2 17,9 20,9 24,8 28,6 36,9 40,0 


26,3 
Pu ... 6,79 6,48 644 6,38 6,39 6,38 6,39 6,28 
6,43 
ed 
Knick. 


19. Abb. 3. Kurve 4. Ringe, gestrichelte Kurve. 
Digifolin = 0,05 Fol. Digital. НСІ Mol 0,18 сет. NaCl 0,85%, ad 100,0 естп 


CO,-Spannung . . 2.22.2200. 106,9 174,3 241,1 259,3 
CO,-Kapazität . . . 22222020. 25,8 30,1 41,2 47,0 
23,7 
Dee фо жолы е зр ЛИ Жели а БЫ a 6,54 6,32 6,30 6,33 
u ne 
90 Knick. 
20. Digifolin = 0,05 Fol. Digital. HCI Mol 0,14 cem. NaCl 0, 85% ad 
100,0 ccm. 


CO,-Spannung 32,3 71,7 114,3 152,2 169,9 195,9 227,0 
CO,-Kapazität 25,3 25,3 30,6 31,1 35,5 35,6 37,7 
Фи... 7,15 6,75 6,59 6,43 6,44 6,35 6,29 


Ein Beitrag zur Kenntnis des Gaswechsels bei Knaben. 


Von 
Gertrud Baumgardt und Maria Steuber. 


(Aus der Krankenabteilung des Waisenhauses der Stadt Berlin in Rummels- 
burg und dem Tierphysiologischen Institut der Landwirtschaftlichen Hoch- 
А schule in Berlin.) 


(Eingegangen am 10. August 1920.) 


Der Kraftwechsel bei Kindern ist von Sondén und Tiger- 
stedt!), Magnus- Levy und Falk?), Rubner?), Erich Mül- 
ler‘) und Du Bois?) studiert worden. Die Ergebnisse der Unter- 
suchungen stimmen im ganzen gut überein. Sie sind in Tabelle I 
zusammengestellt. Die Versuchsresultate dieser Autoren sollten 
alle Ruhewerte darstellen, d. h. es sollte jedes durch Muskelarbeit 
bewirkte Plus an Energiebedarf ausgeschlossen werden. Die Be- 
dingungen, unter denen sie gewonnen wurden, sind verschieden 
und halten strenger Kritik nicht durchweg stand. 

Es war nun unser Bemühen, in mehreren langdauernden 
Respirationsversuchen noch günstigere Bedingungen zur Aus- 
schaltung jedes den Ruhebedarf übersteigenden Energieverbrauchs 
zu schaffen. 

Wir haben an 2 Knaben im Alter von 11—13 Jahren Re- 
spirationsversuche angestellt — ursprünglich im Rahmen einer 
anderen Versuchsreihe®), deren wechselnde Bedingungen aber 

1) Sondén und Tigerstedt, Skandinav. Arch. f. Physiol. 6. 

2) Magnus - Levy und Falk, Engelmanns Archiv 1899, Suppl. 3/4. 

3) Rubner, Beiträge zur Ernährung im Knabenalter 1902. 

4) Erich Müller, Unveröffentlichte Arbeiten. Zeitschr. f. Kinderheilk. 
J. 1913. 

5) Du Bois, Arch. of Intern. Medic. 1%. 1916; Jahrb. f. Kinderheilk. 
84. 1916. 

6) G. Baumgardt, Der Einfluß des Basensäureverhältnisses der 
Nahrung auf den Kraft- und Stoffwechsel des Kindes. Arch. f. Kinder- 
heilk. 69. 


6* 


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Gaswechsel bei Knaben. 85 


~ 


mit Sicherheit ohne Einfluß auf den Gaswechsel gewesen sind, 
so daß wir die Ergebnisse der Versuche als physiologische Werte 
betrachten können!). 

Die Versuche wurden im pneumatischen Kabinett des tier- 
physiologischen Instituts der Landwirtschaftlichen Hochschule 
in der von Zuntz ausgearbeiteten Weise vorgenommen. 

Es sei an dieser Stelle in aufrichtiger Dankbarkeit des regen 
Interesses gedacht, mit dem N. Zuntz uns bei dieser Arbeit trotz 
seines schweren Leidens stets hilfsbereit zur Seite stand und sogar 
die Berechnungen zum Teil selbst ausführte. 

Die Versuchsanordnung war folgende: Die Kinder wurden 
abends, nachdem sie 2!/,—3 Stunden nichts zu sich genommen 
hatten, in dem gut ventilierten pneumatischen Kabinett unter- 
gebracht. Sie lagen am Boden auf Matratzen bequem neben- 
einander. Nachdem die Kammer verschlossen war, wurde 
durch ein nach außen leitendes Rohr eine Probe der mittels 
Ventilator gut durchmischten Luft entnommen, alsdann das Rohr 
wieder verschlossen. Durch ein Glasfenster, durch welches wir 
auch die Versuchskinder dauernd gut beobachten konnten, wurde 
nun stündlich der Stand eines in der Kammer befindlichen Psychro- 
meters abgelesen. Ein kleines außen angebrachtes Manometer 
zeigte den Innendruck an. Es war unser Bemühen, diesen letzteren 
so konstant wie möglich zu halten, um den stets eintretenden 
geringen Gasaustausch mit dem umgebenden Raum auf ein 
Minimum zu beschränken. Zu diesem Zweck, den wir auch erreicht 
zu haben glauben, regulierten wir die Temperatur im umgebenden 
Raum, indem wir dort nach Bedarf einen Gasofen heizten oder die 
Tür nach dem Hof öffneten. — Wir überwachten die Versuche 
selbst. | 

Den Kindern war eingeprägt worden, sich ganz ruhig zu ver- 
halten, was sie auch taten?). Sie schliefen sehr bald ein und lagen 
im Schlaf sehr still. Außer ein- bis zweimaligem Aufsitzen zum 
Urinieren und gelegentlichem Umdrehen auf dem Lager wurden 
keine willkürlichen Muskelbewegungen ausgeführt. Wir sahen 
auf Rat von N. Zuntz davon ab, diese geringen Leistungen zu 


1) Die Frage, ob der Energiebedarf nicht nur von Gewicht und Ober- 
fläche, sondern auch vom Lebensalter abhängt, kann hier nicht entschieden 
werden und bleibe unberücksichtigt. 

2) Auf eine Ausnahme wird noch zurückzukommen sein. 


86 G. Baumgardt und M. Steuber: 


registrieren und zu berechnen. Die Versuche dauerten genau 
je 10 Stunden. Des Morgens wurde wieder die Kammerluft eine 
Viertelstunde lang mit dem Ventilator gut durchmischt und dann 
eine Probe entnommen. Anfangs- und Endgas wurden analysiert. 

Der Berechnung liegt folgender Gedankengang zugrunde: 
Es wird erst der Gehalt der Kammerluft an CO,, O, und N in 
dem Anfangs- und Endgas bestimmt, alsdann berechnet, wieviel 
CO, und O, mit der infolge des leichten Überdrucks ausgeströmten 
Luft verlorenging und hieraus die wahre CO,-Produktion und 
O,-Aufnahme berechnet. i 

Bekannt sind: Volumen der Кіе егпег Luftdruck, 
Psychrometerstand, Temperatur bei Entnahme der Anfangs- und 
Endgasprobe und — aus den Analysen — der prozentuale Gehalt 
der Luft in der Kammer an CO,, O, und N bei Beginn und Schluß 
des Versuches. 

Es wird nun das Luftvolumen auf 760 mm Hg Druck und 
0° Temperatur reduziert. Hierbei muß als bestehender Druck 
der Barometerstand minus Höhe der Wasserspannung angesehen 
werden, welch letztere aus der psychrometrischen Differenz zu 
ermitteln ist. — Auf diese reduzierte Gasmenge wird nun der 
Gehalt an CO,, O, und N bezogen und die Werte des Anfangs- 
und Endgases miteinander verglichen. Die Zusammensetzung 
der durch die Undichtigkeit des pneumatischen Kabinetts aus- 
geströmten Luft wird mit dem Mittel des Anfangs- und End- 
gases in Rechnung gesetzt; es kann so berechnet werden, wieviel 
CO, und O, der verlorengegangenen Menge von N entsprachen. 
Berücksichtigt man diese Verluste, so erhält man die Werte der 
wahren CO,-Produktion und O,-Aufnahme. | 

Beis piel: Versuch vom 21, IIJ. 1919 9 Uhr abends bis 22. III. 1919 
7 Uhr früh. 

Das Kammervolumen beträgt abzüglich des von den Kindern, Matratze 
usw. eingenommenen Raumes!) 7859 Liter. Die aus dem Protokoll ersicht- 
lichen Unterlagen sind folgende: 


Thermometer 
Manometerstand in der Kammer 
nn in mm H,O feucht trocken Parometerstang 
21. III. gh abds. +3 16,8 21,0 749,8 


22. III. 7b früh +3 18,9 20,5 744,6 


1) Hierbei ist 1 kg = 11 gesetzt. 


Gaswechsel bei Knaben. 87 


Die Rechnung gestaltet sich nach N. Zuntz nun folgendermaBen: 
Bei Beginn des Versuches: 
Die psychrometrische Differenz 4,2° entspricht bei 21° einer H,O- 
Spannung von 11,7 mm Hg 
Wahrer Luftdruck !): 749,8 
— 11.7 
| 738,1 mm Hg 
Volumen der Luft in der Kammer bei 21° Temp. und 738,1 mm 
Druck: 7896,9 Liter, bei 0° Temp. und 760mm Druck: 6884 Liter. 
Die Gasanalysen ergaben: 
0,300% Co, 20,592% О, 79,108% N, 
Im Gesamtvolumen also 20,6521 CO, 1417,61 O, 5445,81 N, 
Bei SchluB des Versuches: 
Die psychrometrische Differenz 1,6 entspricht bei 20,5° einer HO. 
Spannung von 15,2 mm Hg 
Wahrer Luftdruck: 744,6 
— 15,2 
729,4 mm Hg 


Volumen der Luft in der Kammer bei 20,5° Temp. und 729,4 mm 
Hg-Druck: 7896,9 Liter, bei 0° Temp. und 760 mm Hg- Druck: 6818,8 Liter. 
Die Gasanalysen ergaben: 
2,582% CO, 18,232% О, 79,186% N, 
Im Gesamtvolumen 176,11 CO, 1243,21 O, 5399,41 N,. 
Der Unterschied gegenüber dem Anfangsgas beträgt also: 
+ 165,411 CO. — 174,41 O, — 46,41 N, 
Die bei dem Uberdruck in der Kammer ausgetretene Luftmenge 
hatte die mittlere Zusammensetzung von 
1,141% CO, 19,412% О, 79,146% N, 
79,1461 N, entsprechen also 1,1411 CO, und 19,4121 O,, 
46,41 N, entsprechen dann 0,6691 СО, und 11,3811 O. 


Wahre CO, - Produktion: Wahrer O,-Verbrauch: 
155,408 1 174,401 
+ 0,6691 — 11,381 
156,077 1 ~ 163,021 in 10 Std. 


Die Resultate unserer Versuche auf 24 Stunden bezogen sind 
in Tabelle II zusammengestellt. Unter den gut übereinstimmenden 
Werten fällt nur das Versuchsergebnis vom 16./17. IV. 1919 auf, 
das höher als die andern liegt. Hier haben die Kinder sich des 
Morgens nicht wie sonst ruhig verhalten, sondern mit einigen 


1) Der geringe Überdruck von 3mm H,O kommt nicht in Betracht. 


88 G. Baumgardt und M. Steuber: 


Tabelle II. 
Ergebnisse unserer Respirationsversuche (auf 24 Std. berechnet.) 


CO,-Produktion O,-Verbrauch 
d. Versuchs- (Liter) (Liter) 
kinder 
absol. kg qm Я kg | qm | abs 
I. Periode. 
4./5. II. | 50,7 | 2,075 170,8 |370, 117, 31!178,711844 36.5 892.8 0.96 
6./7. II. 150,7 2,075 339, 1 6, 7 163,70368,! 7 ‚62 186, 111893 :37,3,911,710,88 
II. Periode. 

21./22. III. Kei '2,114|1374,6 |7,2 1177,21385,7 | 7 Gr | 182 | 1955 | 37,5 |925 0,96 
26./27. III. 59,9 2114 380.7 7,3 1805 378,7 179,1J1911 36,6905 | 1,005 
III. a 
14./15. IV. 52,9 2, 135346, 16,5 |162,11385,6' 7,28 180,6 35,9 888,9 0,898 
16./17. IV. 52,9 2, 135]405,0 0:77 189,7 422,3, 7,98,197 ‚8 2099 7 983 096 


11./12. VI. 54,1 | 2,166/361 


IV. Periode. 
1166,8|411,5 7,6 | 190,0[2028,9 | 37,3 932.2 0.88 


‚2 6,7 
13./14. VI. 54,1 2.166 355,2 Gë '156,6 395,5 7.3 182.6 1947 36,0. ‚898,8 0,00 


Püffen einen kleinen Streit ausgetragen. Die Werte von 39,7 Ca- 
lorien für 1 kg Körpergewicht und 983 Calorien für 1 qm Ober- 
fläche stellen schon nicht mehr den reinen Grundumsatz dar. 
Im Durchschnitt betrug der Erhaltungsbedarf, wenn wir diesen 
nicht ganz einwandfreien Versuch vom 16./17. IV. unberücksichtigt 
lassen, 36,72 Calorien für 1 kg Körpergewicht und 907 Calorien 
für 1 qm Oberfläche in 24 Stunden — bei einer O,-Aufnahme 
von 5,2ccm pro kg Körpergewicht und 128,2 ccm pro qm Ober- 
fläche und einer CO,-Produktion von 4,8 bzw. 118,8 ccm in der 
Minute. 

Ein Vergleich dieser Ergebnisse mit den in Tabelle I zu- 


. sammengestellten zeigt, daß unsere Werte tiefer liegen als die der 


früheren Autoren, die an etwa gleich schweren Kindern Respira- 
tionsversuche anstellten!). Offenbar sind die anderen Versuche 
doch nicht dem reinen Grundumsatz so nahegekommen wie 
unsere, die ihn nur um die geringe Verdauungsarbeit überstieg. 


Auffallend erscheint noch der hohe respiratorische Quotient, der ein 
Ausdruck des Reichtums der Nahrung an Kohlehydraten — bzw. ihrer 
Armut an Eiweiß und besonders Fett — ist. Daß der respiratorische 
Quotient durch Fettbildung erhöht worden ist, kann in einigen Versuchen 


1) Dem Lebensalter kommt in dieser Lebensperiode sicher keine 
wesentliche Bedeutung zu. 


Gaswechsel bei Knaben. 89 


als wahrscheinlich betrachtet werden; sicher ist es in dem Versuch am 
26. /27. III. der Fall gewesen. Hier erreicht der RQ den Wert 1,0.: Ев muß, 
da neben Kohlenhydraten auch Fett und Eiweiß gereicht worden ist, durch 
Fettbildung soviel Sauerstoff frei geworden sein, wie zur Oxydation der 
O,-ärmeren Verbindungen — Eiweiß, Fett — gebraucht wurde. 

Wir haben auch den Brennwert der zugeführten Nahrung 
und des Kotes in Perioden von 7 Tagen bestimmt, und zwar 
fallen in jede solche Periode 2 Respirationsversuche. Da die 
Kinder offenbar ausreichend ernährt waren, im Durchschnitt 
weder fetter noch magerer wurden — also weder Energie zusetzten 
noch einsparten — läßt sich feststellen, wie groß ihr Gesamt- 
umsatz war, d. h. mit welchen Energiemengen der Nahrung sie 
mit ihren Leistungen, die wohl als durchschnittlich für Jungen 
in diesem Alter gelten können, auskamen. Der Brennwert der 
Nahrung betrug im Durchschnitt 69,3 Calorien für 1kg und 
1798 Calorien für 1 qm Oberfläche in 24 Stunden. 

Die für diese lebhaften Kinder notwendige Calorienzufuhr 
war hiernach höher als nach den Arbeiten von Uffelmann!), 
Camerer?), Siegert?) und Lungwitz‘); am nächsten stehen 
sie den Werten von Herbst. Die Werte von Erich und Franz 
Müller®) sind sehr hoch, was wohl auf besonders große Leb- 
haftigkeit der Kinder zurückzuführen ist. 

Der relativ große Gesamtbedarf neben dem Umsatz bei 
Körperruhe läßt erkennen, daß die Muskelarbeit der Knaben 
von nörmaler Lebhaftigkeit doch recht hoch zu veranschlagen 
ist. Der „Leistungszuwachs“ beträgt bei unseren Versuchs- 
kindern 88,7%, also erheblich mehr als Schloßmann®) und 
Stargerdter’) herausrechneten®). 


1) Zit. nach Lungwitz. 

3) Camerer, Stoffwechsel des Kindes. Tübingen 1896. 

3) Siegert, Verhandlungen der Gesellschaft der Kinderheilkunde. 
Stuttgart 1906. 

t) Lungwitz, Stoffwechselversuche über den Eiweißbedarf des Kin- 
des. Halle 1908. 

5) E. u. F. Müller, Veröffentlichungen der Zentralstelle für Balneo- 
logie 3, H. 6. 

6) SchloBmann, Handbuch der Kinderheilk. I. 

7) Stargerdter, Arch. f. Kinderheilk. 57. 1912. 

8) In der Tat ist der Leistungszuwachs noch größer, da im Respirations- 
versuch infolge der unvollständigen Ausschaltung der Verdauungsarbeit 
nicht der reine Grundumsatz erfaßt ist. 


90 G. Baumgardt und M. Steuber: Gaswechsel bei Knaben. 


Zusammenfassend läßt sich sagen: Bei weitgehender 
Ausschaltung aller Muskelarbeit ist der Ruheumsatz bei Knaben 
von 25,4—27,1 kg Körpergewicht im Respirationsversuch kleiner 
gefunden worden als in früheren Arbeiten (36,7 Calorien pro kg 
und 907,8 Calorien pro qm Oberfläche). Es ist zu vermuten, daß 
die übrigen in der Literatur bekannten Werte für Ruheumsatz 
bei Kindern auch zu hoch sind; offenbar ist die Muskelruhe der 
Versuchskinder weniger vollkommen erreicht worden als in unseren 
Versuchen. 

Die gesamte Nahrungszufuhr der Kinder betrug 69,3 Roh- 
calorien pro kg Körpergewicht bzw. 1798 Calorien für 1 qm Ober- 
fläche, also etwas mehr als allgemein berechnet wurde. 

Der hohe Leistungszuwachs von über 88,7%, des Grundum- 
satzes entspricht der diesem Alter eigenen Lebhaftigkeit. Selbst- 
verständlich wird dieser Wert — und damit auch der des Ge- 
samtumsatzes — weitgehenden Schwankungen unterliegen. 


Zur Kenntnis der Gewöhnung. IV. 
Über Gewöhnung an Kodeinderivate (Eukodal u. Parakodin). 


Von 


Johannes Biberfeld. 


(Aus dem Pharmakologischen Institut der Universität Breslau.) 


(Eingegangen am 12. August 1920.) 


Mit 17 Abbildungen im Text. 


Vom Kodein hat Воч талі) festgestellt, daß es trotz seiner 
nahen chemischen Verwandtschaft mit Morphin nicht zu den 
Giften gehört, an die Tiere gewöhnbar sind; die für Kodein 
charakteristischen Krämpfe traten bei seinen Hunden nach 
wiederholten Injektionen noch heftiger auf als bei nicht vor- 
behandelten Tieren. Doch hat schon Langer?) darauf aufmerk- 
sam gemacht, daß in Boumas Versuchsprotokollen eine partielle 
Gewöhnung erkennbar ist; in den ersten Tagen verzeichnet er 
eine leichte narkotische Wirkung (Benommenheit und Schläfrig- 
keit), später aber zeigten die Tiere nur die Symptome der Über- 
erregbarkeit. | 

Langer selbst hat beim Heroin, das bei Hunden’ sowohl 
narkotisch wie erregend wirkt, gefunden, daB die Tiere durch 
fortgesetzte Injektionen an die narkotische Komponente gewöhnt 
werden können, nicht aber an die erregende. 


1) Jac. Bouma, Über Gewöhnungsversuche mit Kodein. Arch. f. 
experim. Pathol. u. Pharmakol. 50, 353. 

з) Hans Langer, Über Heroinausscheidung und -gewöhnung. 
Diese Zeitschr. 45, 221. 


92 Joh. Biberfeld: 


In den letzten Jahren sind zwei Kodeinderivate — Eukodal 
und Parakodin!) — in die ärztliche Praxis eingeführt worden, 
denen eine stärkere sedative Wirkung, als sie dem Kodein eigen 
ist, zugeschrieben wird; besonders das Eukodal wird von manchen 
Verfassern als ein vollkommener Ersatz für Morphin angesprochen, 
ein Autor (Falk, Münch. med. Wochenschr. 1917, Nr. 12) gibt 
sogar an, es wirke auf das GroBhirn stärker als Morphin. Falk 
behauptet auch, daB es selbst bei linger dauerndem Gebrauch 
seine Wirkung behalte, es gebe beim Menschen keine Gewöhnung 
an Eukodal. Dem wurde bald von anderen widersprochen; so 
von König (Berl. klin. Wochenschr. 1919, Nr. 14), der 1!/, Jahre 
nach Einführung des Eukodals bereits über zwei Fälle von Euko- 
dalismus berichtet. Wenn Falk in seiner Entgegnung (Berl. klin. 
Wochenschr. 1919, Nr. 19) fehlerhafte Verordnungsweise für den 
Mißerfolg verantwortlich macht — es seien von vornherein zu 
große Dosen gegeben worden —, so ist dies natürlich gleichbe- 
deutend mit dem Zugeständnis der Gewöhnbarkeit?). 


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3) Ganz neuerdings wird wieder über einen Fall von Eukodalismus 
berichtet; A. Alexander, Münch. med. Wochenschr. 1920, S. 873. 


Gewöhnung. IV. 93 


Die bisher veröffentlichten Angaben über experimentell 
gesicherte Wirkungen des Eukodals!) sind sehr dürftig. 


Falk schreibt in seiner ersten Mitteilung, daß es nach Untersuchungen 
von R. Heinz die Empfindlichkeit deutlich herabsetze, nicht krampf- 
erregend, sondern betäubend wirke. Die Atmung werde verlangsamt; 
0,25 bringt bei großen kräftigen Kaninchen schwere Betäubung, aber nicht 
den Tod hervor. Falk selbst hat, wie er angibt, eine größere Anzahl von 
Tierversuchen gemacht, berichtet aber nicht genauer darüber. Er stellte 
fest, daß eine schädigende Wirkung auf das Herz fehlt. Dem narkotischen 
Stadium geht bei Kaninchen ein schnell vorübergehendes Reizstadium 
voraus. Auch bei Fröschen wirkt Eukodal rein narkotisch. An der Kanin- 
chencornea setze es, ohne zu reizen, die Empfindlichkeit herab. 

Genauere Angaben über systematisch angestellte Tierversuche gibt 
J. Vehres?), Er hat die Symptome der Eukodalwirkung bei Hunden, 
Katzen und Pferden genau beschrieben und die wirksamen Dosen fest- 
gestellt. Es lähmt bei Hunden das Großhirn (Herabsetzung der Sensibilität 
und Schlaf, aber nicht konstant), setzt die Puls- und meist auch die Atem- 
frequenz herab; bei Katzen und Pferden kamen dagegen nur Erregungs- 
erscheinungen vor — im ganzen also ebenso wie nach Morphin. Große, 
toxische Eukodalmengen versetzen die Hunde nicht in Schlaf (wie die ent- 
sprechenden Morphindosen), sondern erzeugen neben Benommenheit 
Unruhe und Krämpfe. — Eine schwache sedative Wirkung konnte Vehres 
am Hunde schon nach !/, und !/, mg pro kg subcutan feststellen, tödlich 
wirkte 0,05 pro kg. 


Auch in meinen an Kaninchen angestellten Versuchen war 
stets eine recht starke sedative Wirkung auf das Großhirn, die 
sich als Schlaf äußerte, vorhanden; 5 mg Eukodal intravenös 
wirkten in dieser Hinsicht manchmal stärker, als man es nach 
20 mg Morphin zu sehen gewohnt ist. Auch die Beeinflussung 
des Atemzentrums geht weit über die durch gleiche Dosen 
Morphins bewirkte hinaus. Als Beispiel führe ich die in den Abb. 1, 
2a,2b dargestellten Versuche an. 

Die auch mit kleinen Mengen Eukodals erhaltenen Kurven 
erinnern an die nach Heroininjektion entstehenden; doch wirkt 
dieses noch stärker ein, wie die Abb. 3a und b zeigen: 11/, mg 
läßt die Frequenz auf die Hälfte sinken und 2!/, mg verursachen 
schon lange Atempausen. 


1) Eukodal wird aus Thebain dargestellt; M. Freund und Edm. 
Speyer, Münch. med. Wochenschr. 1917, Nr. 12. 

2) Josef Vehres, Versuche über die Wirkung des Eukodals 
bei Hunden, Katzen und Pferden. Diss. Tierärztl. Hochschule Han- 
nover 1919. 


Joh. Biberfeld 


94 


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lange Atempausen. 


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dann 1 mg: Abnahme der Frequenz von 8—9 auf 5—6 in 10”. 


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Abb. 4. 21. VIT. Kaninchen 2000. 0,5 mg Eukodal in eine Ohrvene injiziert hat keine Wirkung, 


Abb. 3b. 24. VI. Dasselbe Tier wie in Abb. 8a, Gew. 2000. 2,5 mg Heroin in eine Ohrvene verursachen 


Trotzdem Eukodal in etwas höherer 
Dosis die Erregbarkeit des Atemzentrums 
soviel stärker herabsetzt als Morphin, ist 
doch die untere Grenze der Wirksam- 

— keit bei beiden Alkaloiden ungefähr die 
gleiche. Vom Eukodal wirkt, wie Abb. 4 

zeigt, ½ mg intravenös noch nicht, erst auf die weitere Injektion 
von 1 mg kommt es zu einer ganz schwachen Verringerung der 
Frequenz, und auch für Morphin muß man 1—2 mg subcutan als 
geringste, auf die Atmung noch wirksame Menge annehmen!). 

1) Vgl. Biberfeld, diese Zeitschr. 92, 200 (Anm.). 


Abb. За. Kaninchen 2200. 23. VI. 1,25 mg Heroin in eine Ohrvene. Abnahme der Frequenz von 5—6 auf 8 in 10”. 


96 Joh. Biberfeld: 


Trotz der starken, an die des Heroins erinnernde Wirksam- 
keit des Eukodals (bezüglich Atmung) ist aber seine Gefährlich- 
keit bei weitem nicht dieselbe. Während schon 0,01 Heroin intra- 
venös ein Kaninchen durch Atmungslähmung tötet, wird vom 
Eukodal die fünffache Menge vertragen, z. B. in folgendem 
Versuche: Zu 

Kan. 1900; 4° 35’ 0,05 Eukod alin eine Ohrvene, die Atmung sistiert, - 
das Tier legt sich auf die Seite. Nach 2 Minuten erhebt es sich plötzlich, 
Kopf steif im Nacken, allgemeiner krampfartiger Tremor. Dieser kurz- 
dauernde Anfall wiederholt sich noch zweimal, in der Zwischenzeit ist die 
Atmung etwas beschleunigt; während des Anfalls starke Protrusio bulbi. 
— Dann Verhalten ebenso wie nach den kleinen Dosen (Schlaf, seltene 
Atmung). 5h 43“ noch Schlaf, Atmung = 7—8 in 30”. — 6b Tier sitzt 
aufrecht, Atmung 25—26 in 30”; 6h 20’ Atmung 30 in 30”, sitzt. 

Auffallend ist, wie in diesem Versuche nach der relativ 
großen Dosis neben der narkotischen die dem Thebain (und 
Kodein) eigene erregende Wirkung zum Vorschein kommt; hierauf 
ist es wohl zu beziehen, daß die schon bei 5 mg so starke Schädigung 
des Atemzentrums auch bei der 10fachen Dosis nicht zu tödlicher 
Atmungslähmung wird. — Auffallend ist ferner das schnelle 
Abklingen der Symptome; mit 0,05 Morphin erzielt man eine 
mehrere Stunden anhaltende Narkose. — Auch bei den kleineren 
Dosen Eukodal gingen die Erscheinungen immer im Verhältnis 
zu ihrer Intensität schnell. vorüber. | 

Ein Versuch, Kaninchen an Eukodal zu gewöhnen, verlief 
folgendermaßen: | 

Kan. 2100; 22. VI. 5 mg in eine Ohrvene; Atmung setzt für ca, !/, Min. 
aus; dann stark verlangsamt (Abb. 5a), deutliche Betäubung. 

23. VI. 2000; 0,005 Ohrvene; deutliche Narkose und Atmungsver- 
langsamung. 

Bis zum 2. VII. täglich (mit Ausnahme des 27. VI.) 5 mg mit immer 
der gleichen Wirkung; die am 2. VII. auf die Injektion folgende Atmungs- 
verlangsamung zeigt Abb. 5b. — Am 3. VII. wieder 5 mg und vom 6. bis 
13. VII. täglich le mg intravenös (mit Ausnahme des 11. VII.). — Am 
14. VII. werden wieder nur 5 mg injiziert; wie Abb. 5c zeigt, ist die Wir- 
kung auf die Atmung die typische, und auch die auf das Großhirn war 
unverändert. 

Der Versuch beweist, daß die Dosis von 5 mg auch noch nach 
zehnmaliger Injektion unabgeschwächt wirksam ist, und daß 
das Tier auch durch die größere Dosis seine Empfindlichkeit 
gegen die kleine nicht verlor: nach siebenmaliger Injektion von 


0,01 war die Wirkung von 5 mg immer noch die ursprüngliche 


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Gewöhnung. IV. 


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Biochemische Zeitschrift Band 111. 


98 Joh. Biberfeld: 


Ich habe weiterhin festgestellt, wie Eukodal auf den nach 
Magnus isolierten Kaninchendarm wirkt; 1 mg (zu 75 cem) war 
unwirksam, 5 mg dagegen ließen, wie Abb. 6 zeigt, den Tonus 
sehr stark sinken und die rhythmischen Ausschlage auf ein Mini- 
mum herabgehen; 0,3 mg Pilocarpin war danach fast unwirksam. 
‘Auch in dieser Richtung wirkt also Eukodal stärker als Morphin. 

Anders als bei Kaninchen verlief der Versuch, einen Hund 
an Eukodal zu gewöhnen!): 


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Abb. 6. Kaninchendarm, 5 mg Eukodal zu 75 ccm Flüssigkeit 

zugesetzt bewirken Sinken des Tonus und Verringerung der 

Pendelausschläge. 0,5 mg Pilokarpin (4) lassen den Tonus nur 
schwach ansteigen. 


23. II. 1920. Hund 7000; 10" 0,05 Eukodal (= ca. 7 mg pro kg) 
subcutan. 102’ Harnentleerung, 10 4’ Defäkation; das vorher sehr un- 
ruhige Tier legt sich nieder. — Später leichter Schlaf, aus dem das Tier durch 
schwache Geräusche erweckt werden kann. — Pupille mittelgroß. — 12h 30’ 
stellt sich auf. 

25. П. 6800; 0,05 Morphin subcutan (9" 25’); 9% 27° Defäkation, 
die sich noch mehrfach wiederholt. 9435’ Müdigkeit; später leichter Schlaf, 
deutlich tiefer als am 23. й 

26. П. 6500; sehr lebhaft, 10h 15’ 0,1 Eukodal; 10°19’ schläft. — 
Kein Erbrechen. — Der Schlaf ist nicht tief, hält bis gegen 12h 30’ an. 

27. II. 6600; 9555’ 0,1 Eukodal. 10°10’ leichter Schlaf; 12h 30’ 
munter. 

28. II. 6300; 9" 25’ 0,1 Eukodal; 9b 30’ leichter Schlaf bis gegen 11". 

1. III. 6500; 9 35’ 0,1 Eukodal, Defäkation. 9" 40’ Müdigkeit, Schlaf 
tritt nicht ein. Das Tier ist sehr schreckhaft. 10530’ normal. 

2. III. 6300; 9" 15’ 0,1 Eukodal; nach 5 Min. leichter Schlaf, 10" 30’ 
normal. | 

3. III. 6000; 9" 15’ 0,1 Eukodal; nach 2 Min. legt es sich nieder, kein 
Schlaf. 10" steht auf. 

4. ПІ. 6600; 105 2’ 0,15 Eukodal; legt sich bald nieder, 10" 15’ leichter 
Schlaf. 10h 45’ steht wieder auf. 


1) Die zu diesem Versuche gebrauchte Menge Eukodal ist mir von 
der Chem. Fabrik E. Merck freundlichst überlassen worden. 


Gewöhnung. IV. x 99 


5. III. 6100; 9% 27“ 0,2 Eukodal subcutan. Oh 30’ Müdigkeit, liegt 
auf der Seite, Augen stets offen; springt bei dem leisesten Geräusch auf; 
10h 10° sitzt. — Bis 11" starke Unruhe. 

6. III. 6700; Injektion mißglückt wegen Unruhe des Tieres. 

7. und 8. keine Injektion. 9. III. 6400; 9h 25’ 0,2 subcutan. 9" 27’ 
Schwäche hinten, legt sich nieder, Müdigkeit, kein Schlaf. 

10. III. 5800; 9°30’ 0,2 subcutan. 95 32’ Schwäche und Müdigkeit; 
diese dauern bis gegen 11h 30’; kein Schlaf. | 

11. III. 6400; 9h 0,2 subcutan, Müdigkeit, aber viel weniger als am 10. 

12. III. 6200; 9" 8’ 0,25 subcutan; Schwäche, Müdigkeit, kein Schlaf. 

13. III. 5800; 9" 25’ 0,3 subcutan; nach 1 Min. Schwäche hinten» 
Miidigkeit, kein Schlaf. 

15. III. 6200; oh 15’ 0,3; Schwäche, Müdigkeit, sonst nichts. 

16. III. 6300; 9h20 0,3 subcutan; Müdigkeit, Schwäche, starke 
Schreckhaftig keit. 

17. III. 5800; 9" 30’ 0,3 subcutan, Müdigkeit, Schwäche, 9 50“ deut- 
liche Reflexübererregbarkeit, 9" 59“ plötzlicher Ausbruch von 
Krämpfen (nach Art der „Laufkrämpfe“), die са. 1 Min. anhalten; 
dann sitzt das Tier auf. — Das sonst zutrauliche Tier beißt um sich. — 
Gegen Mittag normal. 


‘18. III. 6000; 0,3 subcutan, Schwäche hinten, dann sehr bald Unruhe, 
die etwa 2 Stunden anhält; keine Krämpfe. 


19. III. 5800; 9h 25’ 0,3 subcutan. Sehr bald Unruhe; 9" 35’ Zuckungen, 
die bald in einen starken Krampfanfall übergehen; Dauer ca. 1 Min. Dann 
noch Aufgeregtheit. 


20. III. 5900; 9" 0,1 Morphin subcutan. Nach 1 Min. Salivation, 
später Müdigkeit und Schwäche; kein Schlaf. 
22. ПІ. 5700; 95 25’ 0,2 Morphin subcutan. Bald darauf Müdigkeit, 


die immer mehr zunimmt. Gegen 11" 30’ leichter Schlaf (leicht zu erwecken); 
12h Schlaf ziemlich fest. 


14. IV. 7200; 9532’ 0,1 Eudokal subcutan; 9535’ Schwäche der 
hinteren Extremitäten; Defäkation; 9" 40’ leichter Schlaf; 10" 15’ sehr 
unruhig, schläft aber bald wieder ein. — Der schlafsüchtige Zustand dauert 
bis gegen 12h, | 

Zu diesem Versuche ist folgendes zu bemerken. Die Anfangs- 
dosis betrug etwa 7 mg pro kg Hund; Vehres gibt, wie erwahnt, 
an schon bei !/,—!/, mg pro kg Hund Betäubungssymptome und 
nach 8mg neben schwach lähmender Wirkung hauptsächlich 
Erregungserscheinungen (Unruhe, z. T. Krämpfe) gesehen zu 
haben In meinem Versuche war von dem letzteren nichts vor- 
handen, sondern nur ein relativ leichter Betiiubungszustand ; 
allerdings war das Tier, wie der nach 2 Tagen angestellte Versuch 
mit der gleichen Morphinmenge zeigte, gegen eine narkotische 


7* 


100 Joh. Biberfeld: 


Wirkung ziemlich refraktär. Jedenfalls aber hat hier beim Hunde, 
im Gegensatz zum Kaninchen, Eukodal das Großhirn nicht 
stärker als Morphin beeinflußt. — An den nächsten Tagen bekam 
das Tier die doppelte Menge, etwa 14 mg Eukodal pro kg, eine 
Dosis, die nach Vehres schon schwer toxisch ist; wie aus dem 
Protokoll ersichtlich, war aber kaum an einzelnen Tagen eine 
gewisse Unruhe und Schreckhaftigkeit zu sehen, jederzeit über- 
wiegen die Symptome der Betäubung. — Auch bei den letzten 
Versuchen, in denen schon die nach Vehres eben tödliche Dosis 
von etwa 5 се pro kg gegeben wurde, sah ich in den ersten zwei 
Tagen nur Müdigkeit, erst am dritten zeigte das Tier eine Über- 
erregbarkeit und am vierten kam es zum Ausbruch von Krampfen ; 
am fünften war wieder nur Schwäche zu sehen, am sechsten traten 
dagegen wieder sehr starke Krämpfe auf, so daß eine Steigerung der 
Dosis aussichtslos erschien und der Versuch abgebrochen wurde. 

Aus dem Verlauf ist zu erkennen, daß der Hund sich an 
die, von vornherein relativ schwache, sedative Wirkung des 
Eukodals ziemlich schnell gewöhnt, während die bei den 
kleinen Dosen nicht erkennbare erregende Komponente trotz 
vielfacher Wiederholung der Injektion bei der großen Dosis un- 
geschwächt zum Vorschein kommt. — Das Eukodal verhält 
sich also bei Hunden im wesentlichen ebenso wie 
das Kodein. 

Im unmittelbaren Anschluß an die Eukodalinjektionen habe 
ich die Wirkung von Morphin auf dasselbe Tier untersucht; 
0,1 war fast wirkungslos, 0,2 verursachte leichten Schlaf. — Wenn 
demnach auch die Morphinwirkung sichtlich abgeschwächt war, so 
war doch eine Wirkung vorhanden, während Eukodal unwirksam 
geworden war. — Die Spezifität der Gewöhnung ist also auch hier 
zu sehen!). 

Wie der letzte Versuchstag zeigt, war die Gewöhnung an Eukodal 
nach einem freien Zwischenraume von etwa 25 Tagen vollständig 
verschwunden; das Tier reagierte auf Eukodal wie zu Anfang?). 


1) J. Biberfeld, Uber die Spezifität der Morphingewöhnung. Diese 
Zeitschr. 77, 283. 

2) Außer dem oben Besprochenen ist noch anzuführen, daß ich ebenso 
wie Vehres beim Hunde stets reichliche Salivation nach der Eukodal- 
injektion geschen habe; Gewöhnung trat auch hieran nicht ein. — Er- 
brechen trat weder bei diesem, noch bei einem anderen Hunde ein. 


Gewöhnung. IV. 101 


Ich habe auch versucht, ob sich etwas über das Schicksal 
des Eukodals im Hundeorganismus feststellen lasse; zu diesem 
Zwecke habe ich die Harne verschiedener Versuchstage auf dem 
Wasserbade bei saurer Reaktion zur Sirupskonsistenz eingeengt, 
dreimal mit heiBem Alkohol extrahiert, die Alkoholausziige ver- 
einigt, den Alkohol abdestilliert, den Rückstand mit salzsäure- 
haltigem Wasser extrahiert, filtriert, Filtrat mit Ammoniak 
alkalisch gemacht, mit alkoholhaltigem Chloroform (9 : 1) mehr- 
fach ausgeschüttelt und das Chloroform in flachen Schälchen 
verdunsten lassen. — Wenn nun auch nicht zu erwarten war, 
etwa vorhandenes Eukodal auf diesem Wege quantitativ aus dem 
Harne zu erhalten, so war doch mindestens eine Isolierung quali- 
tativ (chemisch oder pharmakologisch) bestimmbarer Mengen 
zu erhoffen; aus 5 cem einer 5 proz. wässerigen Lösung habe ich 
auf gleichem Wege einen Rückstand von 0,17 g erhalten. — Der 
auf diese Weise behandelte Harn des ersten Injektionstages ergab 
keinen Rückstand; aus dem des fünften Tages (28. II.) hinter- 
blieben einige weißliche Krystalle, die sich aber bei der Prüfung 
am Kaninchen als ohne Wirkung auf die Atmung erwiesen (wahr- 
scheinlich Harnstoff). 


II. 

Уот Para kodi ni) habe ich an Kaninchen ebenfalls haupt- 
sächlich die Wirkung auf die Atmung untersucht; es hält hierin 
keinen Vergleich mit Morphin oder gar Eukodal aus, wirkt aber 
deutlich stärker als Kodein, wie die Abb. 7 und 8 zeigen; 0, 045 
Paracod. bitartaric. setzte die Erregbarkeit des Atemzentrums viel 
mehr herab als 0,06 Codein. phosphor. und die Wirkung des 
ersteren hielt auch viel länger an. — Daß auch bei der in diesem 
Versuche angewendeten relativ kleinen Dosis Kodein die ihm 
eigene erregende Wirkung (auch auf die Atmung) besitzt, 
zeigt der geringe Ausschlag, den die sonst unbedingt stark wirk- 
same Menge von 0,005 nachher injizierten Eukodals gibt. 

Am isolierten Kaninchendar m erwies sich auch Parakodein 
als stark lähmend (Abb. 9). 


Ein Versuch, einen Hund an Parakodin zu gewöhnen, ver— 
lief folgendermaBen: 


1) Von der chem. Fabrik Knoll & Co., Ludwigshafen ist mir die für 
meine Versuche nötige Menge freundlichst zur Verfügung gestellt worden. 


Joh. Biberfeld 


102 


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9. II. Dasselbe Tier wie im Versuch vom 8. II. Gew. 1460. 3h 52’ 0,08 Codein. phosph. 


Abb. 8a. 


8h 57° nochmals 


während der Injektion Unruhe, Atmung ändert sich kaum. 
0,08 intravenös. Darauf eine geringe Abflachung und Abnahme der Frequenz (von 8—9 auf 


in eine Ohrvene, 


ca. 7 in 10“). 


103 


Gewöhnung. IV. 


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104 Joh. Biberfeld: Gewöhnung. IV. 


15. IV. Hund 7200; 125 0,15 subcutan; nach ganz kurzer Zeit Sali- 
vation, 12510’ Müdigkeit, legt sich nieder, 12h 15’ leichter Schlaf. Gegen 
In sitzt er wieder. 

16. IV. 6800; 11" 0,15 subcutan; nach kurzer Zeit Müdigkeit, Schlaf 
(anscheinend etwas fester als am Tage vorher). 12h steht wieder auf. 

17. IV. 6700; 10530’ 0,15 subcutan, Müdigkeit, ganz leichter Schlaf; 
11515’ steht. 

19. IV. 6600; 11" 0,15 spbeutan. — 11510 sehr starke Salivation, 
nur geringe Müdigkeit. 

20. IV. 6300; 0,15 subcutan, nur Müdigkeit. 

21. IV. 6300; 0,25 subcutan; starke Unruhe, sonst nichte. 

22. IV. 6200; 0,25 subcutan, Unruhe. 

23. IV. 6300; 0,25 subcutan, Unruhe. 

24. IV. 6100; 0,25, Unruhe. 

26. IV. 6100; 0,35 subcutan, Unruhe, gegen 105 anscheinend Hallu- 
zinationen. 

27. IV. 6500; 0,4 subcutan, nur Unruhe. 

28. IV. 6000; 10°30’ 0,45 subcutan, gegen 11" gesteigerte Reflex- 
erregbarkeit, 122 wieder normal. | 

29. IV. 5600; 11h 0,45 subcutan. 11" 30° Reflexübererregbarkeit. 
12h spontane Zuckungen, Steifigkeit der Extremitäten, 12h 5 Krampfanfall 
mit starkem Trismus, 12" 20° wieder normal. 

Das Tier hat sich also an die anfangs ziemlich starke sedative 
Wirkung schnell gewöhnt, die Empfindlichkeit gegen die ex- 
zitierende ist geblieben —- eine vollkommene Analogie zum 


Kodein. 
Zusammenfassung. 


l. Eukodal lähmt die Atmung viel stärker als Morphin, 
ist aber weniger giftig als Heroin; die Allgemeinnarkose ist eben- 
falls stärker, aber flüchtiger als nach Morphin. 

2. Kaninchen gewöhnen sich nicht an Eukodal (Atmung 
und Großhirn); bei Hunden geht die sedative Wirkung durch 
häufige Wiederholung der Injektionen schnell verloren und es 
komint dann die den größeren Dosen eigene exzitierende zum 
Vorschein. 

3. Parakodin wirkt auf die Atmung stärker als Kodein, 
schwächer als Eukodal und Morphin; Hunde zeigen eine Ge- 
wöhnung an die sedative Komponente der Wirkung. 

4. Eukodal und Parakodin lähmen den isolierten Kaninchen- 


darm. 


Die Bedeutung der Magensalzsäure. 
Erwiderung auf die Note von J. Traube.!) 


Von 


L. Michaelis. 
(Eingegangen am 31. August 1920.) 


Von keiner Seite wird dagegen Widerspruch erhoben werden, daß die 
Verdauung von festem Eiweiß von seinem physikalischen Zustand, von 
der Feinheit seiner Zerteilung und von seinem Quellungszustand, abhängt. 
Da nun der Quellungszustand von festem Eiweiß von der Acidität der 
Lösung abhängt, so lag die Frage nahe, ob die Notwendigkeit der freien HCl 
für die Pepsinwirkung nicht in ausreichender Weise dadurch ihre Erklärung 
findet, daß die Säure einfach das EiweiBkoagulum durch die Quellung 
für die Pepsinwirkung vorbereitet. J. Traube?) hat nun mit Recht darauf 
hingewiesen, daß diejenige Acidität, welche für einige der in den gewöhn- 
lichen Nahrungsmitteln vorhandenen Eiweißstoffe das Quellungsoptimum ` 
darstellt, gleichzeitig das Optimum für die Pepsinverdauung ist. Daraus 
Zieht J. Traube!) den Schluß, daß „ein Eiweißstoff im Magen um so 
leichter und schneller verdaut wird, je größer seine Quellung bei der vor- 
handenen Salzsäurekonzentration ist“. Diese Behauptung dürfte für 
physiologisch vorkommende Bedingungen wohl im ganzen richtig sein. Sie 
ist jedoch, ohne weiteren Zusatz ausgesprochen, geeignet die Physiologen 
dazu zu verleiten, die zwar zweifellos vorhandene Rolle des Quellungs- 
zustandes gewaltig zu überschätzen, und, allgemein als Aussage über 
die Pepsinverdauung ausgesprochen, ist sie bisweilen geradezu unzu- 
treffend. Ich habe gezeigt“), daß auch Sulfosalicylsiure das Pepsin zu 
aktivieren vermag, obwohl diese Säure die Eiweißkörper nicht zur Quel- 
lung, sondern zur Fällung bringt. Man vergegenwärtige sich: Serum- oder 
Eiereiweiß, welches bei neutraler, ja selbst schwach saurer Lösung (vn 
etwa = 4) nicht nur verquollen, sondern sogar gelöst ist, wird von Pepsin 
nicht verdaut. Fällt man in dieser Lösung das Eiweiß durch Sulfosalicyl- 
säure, so wird dieses gefällte, entquollene Eiweiß vom Pepsin verdaut. 
Ich habe ferner darauf hingewiesen, daß das von M. Jacoby eingeführte 
Ricinusglobulin, welches aus seiner klaren wässerigen Lösung durch HCl 
ausgefällt wird, vom Pepsin nur in diesem, durch HCl gefällten Zustand 
verdaut wird. Es gibt also Fälle, wo die Angreifbarkeit des Eiweiß durch 
Pepsin dem Quellungszustand geradezu entgegengesetzt ist. Freilich sind 
das keine im lebenden Organismus vorkommenden Fälle. Es wäre auch, 


106 L. Michaelis: 


teleologisch betrachtet, eine unzweckmäßige Einrichtung, wenn dasjenige 
Agens (НСІ), welches die Pepsinwirkung erst ermöglicht, gleichzeitig die 
angreifbare Oberfläche des Eiweiß stark verminderte. Und so finden sich 
solche Fälle bei der natürlichen Verdauung wohl auch kaum. Um so geeig- 
neter sind sie, um zu demonstrieren, daß der Quellungszustand des Eiweißer 
keineswegs der einzige bestimmende Faktor für die Angreifbarkeit durch 
Pepsin ist, sondern daß die Quellung zur Not auch ungünstig sein darf, 
daß aber die Ansäuerung nicht entbehrt werden kann und eine Aktivierung 
bewirkt selbst unter Uniständen, wo sie gleichzeitig die Quellung sogar 
herabsetzt. Die Ansäuerung ist die conditio sine qua non, die Quellung ist 
es nicht. Für das Maß der Ansäuerung ist aber maßgeblich die H-Ionen- 
konzentration; andere physiologisch vorkommende Ionenarten sind zwar 
nicht ganz belanglos, ihr Einfluß ist aber so klein, daß er als bloße ,,Kor- 
rektur‘‘ des H-Einflusses in Rechnung gezogen werden kann, wie der 
„Salzfehler‘‘ eines Indicators. 

Es könnte müßig erscheinen, die Wirkungsbedingungen des Pepsins 
so zu zergliedern. Das ist aber für eine allgemeine Theorie der Ferment- 
wirkung erforderlich. Es gibt fermentative Spaltungen, bei denen von ver- 
schiedenen Quellungszuständen des Substrats keine Rede sein kann, z. B. 
die fermentative Rohrzuckerhydrolyse. Für diese wurde nun von Sörensen 
und von mir gezeigt, daß sie in hohem Maße von den H-Ionen abhängt. 
Der Fall des Pepsins zeigt nun, daß diese Anschauung auch für fermentative 
Prozesse mit quellbarem Substrat zutrifft, und daß das Hinzukommen der 
Quellungserscheinungen wohl mit zu berücksichtigen ist, aber von jenem 
anderen Agens unter Umständen unabhängig ist und ihn nicht aufhebt. 

Der Überschätzung der H’-Ionen, die Herr J. Traube mir vorhält, 
kann ich mich nicht schuldig fühlen. Auch dürfte es nicht erforderlich sein, 
mir vorzuhalten, daß auch andere Ionen eine Wirkung haben; denn ich habe 
in einer ganzen Reihe von Arbeiten!) die Wirkung anderer Ionen experi- 
mentell und theoretisch behandelt. Es bleibt aber zu Recht bestehen, daß 
für viele physiologisch wichtigen Vorgänge von allen unter physiologischen 
Bedingungen vorkommenden Ionenarten die H. bzw. OH’-Ionen den 
weitaus größten Einfluß haben, und daß noch bis vor wenigen Jahren über 
die Messung und Bedeutung der Н -Ionen die größte Unklarheit herrschte. 
Es ist bezeichnend, daß z. B. die umladende Wirkung der Lanthan-Ionen 
auf Blutkörperchen“) eher bekannt wurde als die der H-Ionen®)! Ionen 
von starker Wirksamkeit in diesem Sinne waren vordem nur in, Form der 
physiologisch nicht vorkommenden seltenen Erden und Schwermetalle be- 
kannt, und es mußte erst nachträglich gezeigt werden, daß die ganz ge- 
wöhnlichen H-Ionen auch zu diesen gehören, ja die anderen oft noch über- 
treffen. Es sei auch daran erinnert, daß J. Traube selbst einen Zusammen- 
hang der Alkalität mit einer sehr wichtigen Eigenschaft von (z. B. Chinin-) 
Lösungen, nämlich der Oberflächenspannung — in der hohen Bewertung 
dieser Eigenschaft werde ich bei Herrn Traube gewiß nicht auf Wider- 
stand stoßen — gefunden hat. Nur hat sich Traube leider immer noch 
nicht entschlossen, bei diesen Untersuchungen eine Messung der H-Ionen- 
konzentration auszuführen. 


Magensalzsäure. Erwiderung an J. Traube. 107 


Herr Traube will dem alten Begriff der Titrationsacidität wieder zu 
seinem Recht verhelfen. Das ist gar nicht nötig, dieses Recht ist niemals 
bestritten worden. Für diejenigen Fälle, in denen ich behauptet habe, 
daß die H-Konzentration das Maßgebliche ist und nicht die Titrations- 
acidität, habe ich das auch experimentell bewiesen, indem ich zeigte, daß 
Puffer von gleicher H'-Konzentration, aber verschiedener Titrationsacidi- 
tät, gleich wirken. Für solche Fälle, wo das nicht zutrifft, habe ich es 
auch nicht behauptet. Die theoretische Deutung, welche ich der Wirkung 
der H-Ionen gegeben habe, schließt nicht einmal andeutungsweise die 
Behauptung in sich ein, daß es nicht noch andere wirksame Agenzien als 
H-Ionen gäbe. 


— 


Literatur. 


1) J. Traube, diese Zeitschr. 10%, 295 (1920). — 2) J. Traube, 
Deutsche med. Wochenschr. 1919, Nr. 27. — 3) L. Michaelis, Deutsche 
med. Wochenschr. 1920, Nr. 5. Genauer auf meine Veranlassung untersucht 
von A. Gye mant, diese Zeitschr. 105, 155 (1920). — ) L. Michaelis, 
und P. Ro na, diese Zeitschr. 94, 225 (1919). — L. Michaelis, und 
А. v. Sz Ent- Györgyi, diese Zeitschr. 103, 178 (1920). — L. Michaelis, 
diese Zeitschr. 103, 225 und 106 83 (1920). — Siehe auch: L. Michae- 
lis und H. Pechstein, diese Zeitschr. 47, 250 (1912); L. Michaelis und 
H. Pechstein, diese Zeitschr. 59, 77 (1914); L. Michaelis und P. Rona, 
diese Zeitschr. 97, 85 (1919); L. Michaelis und A. Gye mant, diese 
Zeitschr. 109, 165 (1920). — 5) R. Höber, Arch. d. ges. Physiol. 101, 
627 (1904) und 102, 196 (1904). — 6) L. Michaelis und D. Takahashi 
diese Zeitschr. 29, 439 (1910); E. Landsteiner, diese Zeitschr. 50, 176 
(1913); Koza wa, diese Zeitschr. 60, 146 (1914). 


Uber das Vorkommen von Phosphaten im menschlichen 
Blutserum. XI. 


Hyperphosphatämie und ,,Salzretention® hei Morbus-Brightii. 


Von 


Joh. Feigl. 


(Aus dem chemisch-physiologischen Laboratorium des Allgem. Kranken- 
hauses Hamburg-Barmbeck.) 


(Eingegangen am 1. September 1920.) 


Durch methodische und beschreibende Studien von J. Green- 
wald, die 1915 eingeleitet wurden, gelangte die Frage der Phosphat- 
ämie in Fluß. Ihrer Wichtigkeit entsprechend, wurde sie alsbald 
von Feigl (1915) aufgenommen. Die inzwischen erzielten Er- 
gebnisse dieses Autors (1915) bis 1920) zeigen, in wie frucht- 
barer Weise sich der Anstoß in Breite und Tiefe entwickeln ließ. 
Die methodischen Verhältnisse sind eingehend beforscht worden 
und das System der P-Verteilung im Blute steht heute in den 
Haupttatsachen gesichert vor uns. Es ist in früheren Mitteilungen 
des Verfassers gesagt worden, von welchem Werte auch die 
späteren Arbeiten Greenwalds auf diesem Gebiete sind, und 
daß Marriott sowie andere Forscher wichtige Seitenlinien der 
Aufgabe (methodisch), sowie beschreibende Erträge (sachlich) 
bereicherten. Inzwischen hat auch W. R. Bloor, dessen ana- 
lytisches System für das Lipämiegebiet so reiche Möglichkeiten 
schuf, die wichtigen Probleme durch methodische und beschrei- 
bende Resultate wesentlich bereichert. Es darf auch in dem hier 
verfolgten Zusammenhange schon betont werden, daß Green- 
walds analytisches Prinzip ein Wurf von prinzipieller Bedeutung 
geworden ist, wie die jüngste Literatur zeigt, mit der wir uns 
a. О. zu beschäftigen haben. Soweit sich die bisher erzielten 
Erträge beurteilen lassen, haben wir es mit Resultaten zu tun, 
die von Greenwald bis Bloor zwar auf verschiedenen Wegen 


Joh. Feigl: Phosphate im menschlichen Blutserum. XI. 109 


heranreiften, sich aber weitgehend untereinander stiitzen; ja man 
wird von prinzipieller Sicherstellung der erstrebten Ziele sprechen 
dürfen, wenn auch immer aufs neue im verwickelten, methodischen 
System Einzelfragen auftauchen, die auf weitere Abrundung, 
Prazisierung und restlose Abgleichung dringen. 

Greenwald schuf derzeit den Begriff des säurelöslichen 
Phosphors im Gegensatz zum „unlöslichen“. Es hat eine ideale 
Fraktionierung erreicht, die ihrerseits durch Feigl weiter syste- 
matisiert wurde. Greenwald sowie Feigl haben mit gutem 
Rechte sich angelegen sein lassen, den komplexen Begriff als solchen 
zu benutzen. Daß das mit anderen Erträgen, welche die Aufteilung 
ermöglicht hat, auch heute noch für manche Aufgaben in 
Einklang steht, darf betont werden. 

Greenwalds sowie Feigls beschreibende Ergebnisse, die 
schon 1917 in genügender Breite vorlagen, geben nun Anstoß 
zu einer Verwertung auf einem praktisch eminent wichtigen 
Spezialgebiete. 


Man fand, daß der säurelösliche P bei Nierenstörungen mehr oder 
minder erheblich die normale Breite zu überschreiten vermöge, wobei ein 
Zusammenhang mit den azotämischen Werten — durch Parallelität der 
Bewegungen einerseits, durch erzielte (relative) Höhen andererseits — 
sich nicht aufzeigen ließ. Vor allen darf, wie Feigl später betonte, dieser 
Ertrag nicht unterschätzt werden. Ihm ist vielmehr hoher Wert beizu- 
messen, besonders seit sich Näheres über den Komplexbegriff des P ge- 
winnen ließ. Feigl verfolgte den eingeschlagenen Weg alsbald und 
gelangte an Hand eines systematisch gesicherten, pathochemischen Materials 
großer Breite zunächst dahin, daß außer Brightischen Vorbedingungen 
auch andere (schwere) Schädigungen den säurelöslichen P in erhöhten 
Beträgen darbieten könnten. Er gelangte zu näherem Einblick (und zu 
vergleichender Kritik) erst mit Hilfe der Aufteilung unter Nutzbar- 
machung des Rest-P-Begriffes. Schwierigere Verhältnisse, die die Haupt- 
fraktion in toto erhöht darboten, konnten unter Umständen erst durch die 
Gliederung näher gekennzeichnet werden. Immerhin blieb — als Ganzes — 
die Tatsache bestehen, daß der säurelösliche P seine entschiedensten An- 
stiege in der Nierenpathologie zu verzeichen hatte. 

Andererseits gelangen keine Bemühungen, Azotämie und Phosphat- 
ämie pathochemischer Breiten (im Gebiete der Nierenschädigungen) durch- 
sichtig auf gleiche Basis zu stellen. Erst eindringlichere Betrachtung des 
Materiales legte die Möglichkeit gewisser Verknüpfungen nahe. Sie ent- 
fernten sich jedoch von dem analytisch (und diagnostisch) einfachen Prinzip 
der Arbeit mit dem säurelöslichen P. War in derzeitigen und späteren 
Untersuchungen wenigstens die eine Aufgabe — Beschreibung pathochemi- 
schen Vorkommens — überhaupt in Umrissen gelöst, so mußte trotz der 


110 Joh. Feigl: 


verwickelten Bedingungen, welche fiir die Gesamtpathologie der P-Ver- 
teilung in Frage kamen, sicher an der bis zum gewissen Grade einfachen 
Tatsache — des Vorkommens gesteigerten säurelöslichen Phosphors bei 
Morbus Brightii — wieder angeknüpft werden. Auf die derzeitigen Er- 
gebnisse und Folgerungen, sowie auf die Versuche, mit Kombinationen 
zu ertragreicheren Deutungen zu kommen, kann hier im einzelnen nicht 
eingegangen werden. Es genüge zu sagen, daß die damaligen Auffassungen. 
sowohl der Ergänzung wie der Revision, vor allem aber der Schemati- 
sierung und Übertragung auf einfachere, der Anwendung förderliche Ge- 
sichtspunkte fähig sind. Als wichtig wurde, mit Recht, angesehen, daß 
Rest-N und säurelöslicher P eine durchgehende Parallelität (s. 0.) nicht 
zeigten, aber auch, daß in akuten Glomerulonephritiden der Orthophos- 
phat-P (des säurelöslichen P) an erster Stelle stünde, während dies in 
sonstigen Bildern nicht so ausgeprägt sei. Als nicht aussichtsreich hat 
sich dagegen erwiesen, zwischen Chlorion und säurelöslichen P zu Parallelen 
zu gelangen. 

Jedenfalls haben wir, wenn das Typische betont werden 
soll, eine wichtige Tatsache vor uns. Bekanntlich hat das Vol- 
hard- Fahrsche System des Morb. Brightii unter anderem 
die Bedeutung der „Salzfunktion“ der Niere hervorgehoben). 
Während es zutrifft, daß die N-Funktion durch relativ einfache 
Blutanalysen (RN) ‘der Prüfung zugänglich ist (wennschon 
Feigl und K nac k für diffizile Verhältnisse auch hier dynamischen 
Anordnungen mit Erfolg und mit Recht das Wort redeten), fällt 
das für die Salzfunktion fort. Man hat mit NaCl (Chlorion)- 
Analysen Erfolge kaum erzielt. Auch mir und meinen Mitarbeitern 
sind in 6jähriger Arbeit irgendwelche Erträge trotz eingehender 
Bemühungen nicht beschieden gewesen. Andererseits bedarf 
der Kochsalzversuch vermutlich einer Ergänzung, die aus uns 
bekannten Gründen auf blutchemischen Wegen verschlossen ist. 
Die Ödemkrankheit als Stadium der schweren Kriegsunter- 
ernährung (,, Hungerödem“) gelangte in der Hand von Falta 
und Quittner indes zu blutchemischen Erträgen (,,Chlorid- 
ödeme“). Auch an anderer Stelle hat man oder wenigstens will 
man (es lagen auch Berichte von Untersuchern vor, denen kein 
großer Wert hinsichtlich methodischer Strenge nachgesagt werden 
darf) Ähnliches gesehen haben, während wir selbst allzu häufig, 
jedenfalls im einzelnen Falle typisch, die Erscheinung nicht, die 


1) Mehrfach gebrauchter, gekürzter Ausdruck für das Verhalten der 
kranken Niere hinsichtlich der Elimination der Salze, spez. des NaCl (als 
des technisch handlichsten Typs). 


Phosphate im menschlichen Blutserum. XI.. 111 


Tatsache des Vorkommens andererseits wohl, sahen. Ganz kürz- 
lich hat nun (zwar nicht in gerader Beziehung zum Hungerödem) 
Magnus-Levy wiederum dargetan, daß man von Chlorion 
auf Natriumion als wichtiger chemischer Ödemkonstante über- 
gehen solle, ein Ergebnis, das uns in Hinsicht auf die anorganischen 
Blutbestandteile noch eingehend beschäftigen wird. Wir hatten 
derzeit (Hungerödem) ein Verdrängen des K-Ions durch Na-Ion, 
oft sogar absolut, meist jedoch relativ, gesehen und stehen seither 
(1917) auf demselben Standpunkte wie der letztgenannte Autor. 

Während mit dem anorganischen Chlor (Chlorion, praktisch 
NaCl) in Gestalt einfacher Blutanalysen auf dem Gebiete der 
Nierenpathologie nicht weiterzukommen ist (es wäre das Vorgehen 
durchaus wünschenswert und, wie bekannt, methodisch durchaus 
einfach, übersehbar und in kleinsten Maßstäben durchführbar), 
woran ja auch therapeutische und diätetische Maßnahmen Anteil 
haben, scheint es nach Feigl und Knack wohl durchaus an- 
gängig und befriedigend, den dynamischen Kochsalzversuch in 
Reihenordnung auf Serum zu übertragen. 

Dabei gelangt man jedoch zu komplizierten, jedenfalls auch 
technisch nicht ganz einfachen, analytischen Aufgaben, die in der 
breiteren Praxis kaum genügende Verwendung finden können. 
Das Hauptgewicht ist auf Einfachheit in sicheren und nicht zu 
sehr gespannten methodischen Verhältnissen zulegen, wobei 
noch der Forderung einwandfreier Unterlagen betr. Norm usw. 
weitgehend zu genügen ist. Nach Ansicht und Erfahrungen des 
Verfassers trifft das für die Frage der Hyperphosphutämie, prak- | 
tisch in Form des Begriffes vom säurelöslichen Phosphor, durchaus 
zu. Die Tatsache mehr oder minder erheblicher, zumeist beträcht- 
licher Anstiege (deren Ausschläge genügen) ist vollauf belegt. 
Die Konstanten nur. sind auf der Basis des vorgeschlagenen 
Arbeitsganges durchaus zureichend (und weiterhin gestützt sogar 
durch Parallelen anderer methodischer Prinzipien) bearbeitet und 
bekannt (Feigl). Eine Auflösung des Komplexbegriffes (säure- 
löslicher P) zugunsten des Orthophosphats P ist nicht vonnöten, 
da für die einschlägigen pathologischen Sonderverhältnisse reiches, 
beschreibendes Material vorliegt. 

Die Norm wird nach Feigl, dessen Ergebnisse in der ein- 
schlägigen Literatur bis zu Bloor (1919) gesichert dastehen, mit 
rund 4,0mg Р für 100 cem Serum begrenzt, während alimentäre. 


112 Joh. Feigl: 


individuelle, tägliche Schwankungen seines Vorkommens u. a. 
eingehend beschrieben sind. Unter Hinweis auf die Tabelle VIII 
(A, B) und die Tabelle IX der 1. Mitteilung über Phosphate im 
Serum (1917) darf festgestellt werden, daß Werte zwischen 5,0 mg 
und 8,0 mg P bereits reichlich vorkommen und daß solche über, 
10,0 mg P in guten Breiten auftreten. Wir haben solche gesehen, 
die 20,0 mg P hinter sich ließen, ohne daß irgend unklare diagnos- 
tische Verhältnisse hineinspielten. Die Hyperphosphatämie bei 
Morb. Brightii ist also eine verbreitete und im Gebiete der 
„Salzfunktion‘‘ zunächst alleinstehende Erscheinung, die bereits 
nach bisherigen Erträgen ein guter Indicator ist. Sie ist nach den 
seit 1915 gesammelten Ergebnissen eine bedeutungsvolle, inhaltlich 
gesicherte Anschauungsform für die Salzfunktion. Wir haben sie, 
was pathologisch wichtig ist, losgelöst von azotämischen Aus- 
schlägen höheren Grades bei Nephrosen gesehen, auch bei Glome- 
rulonephritiden und Kombinationsformen sowie Übergängen unter 
gleichen Begleiterscheinungen. 

Naturgemäß zieht, wie früher gesagt, die Frage der Hyper- 
phosphatämie, wenn deren Schwergewicht in anorganischer Form 
gesucht wird, andere nach sich. Ältere Arbeiten legten Gewicht 
auf Beziehungen zu Ca, K, Cl, (Denstedt und Rumpf, Erben, 
Freund und Obermeyer, v. Moraczeswki, Albu und 
Neuberg), denen man erst auf Grund neuer Normalien etwas 
abgewinnen wird. Eines mag an dieser Stelle als unseres Erachtens 
wichtig hervorgehoben werden: sehr verbreitet fand sich (besonders 
in hohen Graden von Hyperphosphatämie) gesteigerte Ammoniak- 
amie (die seither meist nach der besten Methode, von Henriquez 
und Soerensen untersucht wurde!). Diese Tatsache darf als 


1) Kürzlich haben Hahn und Root: (diese Zeitschr. 105, 220. 1920) 
über die Methodik der Ammoniakanalyse Beiträge geliefert und dabei 
auch die Verhältnisse des Blutes bedacht. In Hinsicht auf andere Arbeiten 
ergiebig mit dieser Aufgabe beschäftigt, müssen wir unter voller Anerken- 
nung dieser mühevollen und zum Teil dankenswerten Beiträge doch be- 
dauern, daß die Autoren die exakte und sehr wichtige Arbeit der dänischen 
Autoren nicht zu ihrem Rechte kommen lassen, noch sich der seit 1916 
(Folin) wichtig gewordenen , direkten“ Neßlerisation, die auch 1919 er- 
weitert wurde, bedienen. Auch das Urteil über das Fehlen einer Standard- 
methode für Blut kann zu falschen Auffassungen führen, um so mehr, 
als nach unseren Erfahrungen die neue Technik hinter der der dänischen 
Autoren weit zurückbleibt. | 


Phosphate im menschlichen Blutserum. XI. 113 


pathologisch interessant angesehen werden, weil sie unter Um- 
ständen einer Anschauung (,, Urämie als Säure vergiftung“) förder- 
lich werden kann, andererseits die vielseitigen Probleme der 
Bindung an Anionen und deren relative Verhältnisse mit zu be- 
leuchten gestattet. 

Zu den methodischen Fragen, die für die Anwendung auch 
in dieser Sache bedeutungsvoll sein werden, gehört in prinzipieller 
Hinsicht folgende. Man arbeitet mit dem Komplexbegriff des 
krystalloiden, säurelöslichen Phosphors und zielt auf anorganische 
Phosphate. In einer späteren methodischen Erörterung vird 
abzuwägen sein, welche Gründe für praktische Forderungen maß- 
gebend sind, und welche Wege in Konkurrenz zum Greenwald- 
schen System treten können. Am besten fundiert ist technisch 
aus den beschreibenden Vorarbeiten noch jedenfalls dieses auf 
EnteiweiBung und Extraktion mit einem zuverlässigen Mittel 
gestellte Vorgehen, welches nach Greenwald und anderen Au- 
toren (s, später) breitere Bedeutung, ja fast prinzipiellen Wert 
für die Analyse anorganischer Stoffe des Blutes gewonnen hat. 
Vergleichsanalysen nach der Bloorschen bzw. Feiglschen 
Technik (1919) bzw. nach Marriott stehen noch aus, und die 
direkte Fällung im nativen Serum bedarf größerer Vorarbeit, 
ohne sicherer zu sein. Die Bestimmung, welche nephelometrisch 
nach dem Mo- Strychninverfahren auszuführen ist (weil sie sich 
an sehr kleine Mengen wendet, und daher breiter Anwendung 
nicht hinderlich sein wird) stellt sich als allseitig durchgearbeitetes 
(Kleinmann 1919) genau im einzelnen charakterisiertes Prä- 
zisions verfahren dar, dessen Handhabung im Nephelometer von 
Schmidt und Haensch (Feigl und Klein mann) geringere 
Schwierigkeiten macht, als manches anscheinend einfachere, 
geläufigere Verfahren. Ob eine präzise Colorimetrie großer 
Empfindlichkeit (Mo- Ferrocyankaliumreaktion, Kleinmann, 
1919; Reichweite von 1,0 mg P, O, bis 0,1 mg P, O;; 0,5% Fehler) 
unter Steigerung der Serummenge in der Analyse auf 5,0 ccm 
an deren Stelle treten kann, ist auch zu priifen. Meines Erachtens 
hängt die Wahl dann von der Einstellung des Untersuchers 
gegenüber dem analytischen Prinzip, damit vom Instrument, ab. 
Da jedoch ohne Nephelometrie gerade die benachbarten Gebiete 
(Lipämiekomplex) analytisch weniger günstig zugänglich sind, 
sei dieser der Vorrang eingeräumt. Unsere eigenen Ergebnisse 


Biochemische Zeitschrift Band 111. 8 


114 Joh. Feigl: Phosphate im menschlichen Blutserum. XI. 


können bei der Wichtigkeit der Sache nur im engen Zusammen- 
hange mit klinischen Berichten gegeben werden. 


Literatur. 


Joh. Feigl, Phosphate I. Diese Zeitschr. 81, 380. 1917; II, 83, 81. 
1917; ТП, 83, 218. 1917; IV, 84, 231. 1917; V, 86, 395. 1918; VI, 87, 237. 
1918; VII, 92, 1. 1918; VIII, 94, 293. 1919; X, 102, 131. 1920. — Joh. 
Feigl, Über Ödeme. Diese Zeitschr. 85, 365. 1918. — H. Kleinmann, 
Diese Zeitschr. 99. 1919, 1. bis 6. H. — A. Magnus - Levy, Dtsch. med. 
Wochenschr. 46, 594. 1920. (Gegenäußerung zu Widals Schule.) — 
Joh. Feigl, Zentralbl. f. inn. Med. 1920, Nr. 2. — Fernere Literatur in 
obigen Arbeiten sowie in der nächsten Mitteilung. 


Zur Kenntnis der Urease. Zugleich ein Beitrag zum 
Studium der Giftwirkungen. 


Von 
Р. Rona und P. György. 


(Aus dem biochemischen Laboratorium des städt. Krankenhauses am 
Urban, Berlin.) 


(Eingegangen am 15. Juni 1920.) 


Die physikalisch-chemischen Methoden und die in den 
letzten Jahren angewandten Mikromethoden ermöglichen es, 
Wirkungen von Fermenten, die verschiedensten Fermentgruppen 
angehören, ohne Aufwand besonders zeitraubender Versuche mit 
großer Exaktheit festzustellen. Dies setzt uns auch in die Lage, 
Änderungen dieser Fermentwirkungen, wie sie unter optimalen 
Bedingungen beobachtet werden, unter dem Einfluß äußerer 
Faktoren genau zu studieren. Unter diesen kommen vor allem 
die „Gifte“ in Betracht. Untersuchungen in dieser Richtung 
sind zunächst vom biologischen Standpunkt aus von Wichtigkeit, 
da die „Zellgifte“ letzten Endes vielfach im wesentlichen „Fer- 
mentgifte sind, so daß wir bei der Beobachtung der fermentativen 
Spaltung unter dem Einfluß des betreffenden Giftes manche Auf- 
klärung über den feineren Mechanismus der Giftwirkung erhoffen 
dürfen!). Ferner ist Aussicht vorhanden — worauf bereits auch 
andere Autoren hingewiesen haben —, daß die genaue Dosierung 
der Gifte in Verbindung mit dem quantitativen Studium des Ver- 
laufes der enzymatischen Spaltung zu gewissen quantitativen 
Beziehungen zwischen Ferment und Gift führen könnte?), die auch 
Anhaltspunkte für die Größenordnung der Träger der Ferment- 
wirkung zu geben imstande wären. Geeignete Fermente würden 
wohl auch ein exaktes Maß für gewisse Giftwirkungen abgeben. 

1) Vgl. hierzu besonders die Ausführungen von M. Jacoby, diese 
Zeitschr. 76, 275. 1916. 


2) Vgl. hierzu O. Warburg, Sitzungsber. d. Heidelberger Akad. 
d. Wiss, Bd. 1. 1914. 


— 


8 * 


116 Р. Rona und Р. György: 


Es liegt demnach ein großes Feld der Forschung offen, das selbst- 
verständlich bisher auch nicht brach lag. Die Beobachtungen über die Wir- 
kung der Antiseptica sind ja zum Teil nichts anderes als solche über „Gift- 
wirkung“ auf Fermente!), und überaus zahlreich sind auch die verstreuten 
gelegentlichen Angaben über Hemmung und Förderung der Ferment- 
wirkung durch verschiedene Stoffe. Systematische Untersuchungen, von 
pharmakologischen Gesichtspunkten aus angestellt, sind jedoch nur spär 
lich. Hier wären vor allem Arbeiten von M. Jacoby®), O. Warburg?) 
Euler und Svanbergt) zu nennen. Ferner hat F. Flury die Wirkung 
einiger erst in den letzten Jahren näher bekannt gewordener Gifte auf 
Katalase geprüft®). Angeregt durch diese letzten Versuche stellten wir 
uns die Aufgabe, zunächst einige Untersuchungen über den Einfluß einer 
Reihe organischer Arsenverbindungen, deren Giftwirkung auf den Organis- 
mus in neuerer Zeit größere Beachtung gefunden hat, auf Urease aus Soja- 
bohnen und auf Serumlipase anzustellen und dehnten dann unsere Unter- 
suchungen auch auf andere Ferment- und Giftgruppen aus. In der vor- 
liegenden Abhandlung sollen nur die zuerst erwähnten Versuche mehr 
orientierenden Charakters mitgeteilt werden. 


1. Bevor wir an unsere eigentliche Aufgabe gingen, mußten 
wir die Bedingungen, die für die Wirkung der Urease maß- 
gebend sind, einer Prüfung unterziehen, da nur bei genauer 
Kenntnis der „physiologischen“ Einflüsse eine sichere Unterlage 
für die späteren Untersuchungen gegeben ist. 


Die Urease wurde aus fein gemahlenen Sojabohnen nach der Vor- 
schrift von Jacoby, später nach der von van Slyke-Cullen“) herge- 
stellt. Nach der letzteren werden 100 g entfettetes Sojamehl mit der 
fünffachen Menge Wasser verrührt. Nach zweistündigem Stehen trennt 
man durch Zentrifugieren den Bodensatz von der Lösung. Aus letzterer 
wird die Urease durch Zufügen von Aceton gefällt, nach dem Absitzen des 
Niederschlages abfiltriert. Den Niederschlag trocknet man im Exsiooator. 
Zur Bereitung der Ureaselösung ließen wir vor jedem Versuch ein be- 
stimmtes Quantum Ureasepulver (1—2 g auf 100 ccm Wasser) im destil- 
lierten Wasser aufquellen, erwärmten bis ca. 45° und ließen 1—2 Stunden 
stehen. Die Lösung kam filtriert zur Anwendung. Wenn nicht anders an- 


1) Vgl. namentlich Th. Paul, G. Birstein, A. ReuB, diese Zeitschr. 
29, 202. 1910, vgl. auch E. Laqueur, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmak. 
55, 240 (1906). 

2) Le. 

3) О. Warburg, Zeitschr. f. physiol. Chemie 71, 479; 76, 331. Diese 
Zeitschr. 100, 230. 

4) Н. v. Euler und О. Svanberg, Arch. för Kemi etc. 7, 1. 19%. 
Fermentforschung 3, 330. 1920. | 

5) Nicht veröffentlichte Versuche. Mündliche Mitteilung. 

6) Journ. of Biol. Chem. 19, 211. 1914. 


Urease. Studium der Giftwirkungen. 117 


gegeben, sind die Versuche bei Zimmertemperatur ausgefiihrt. Die einzel- 
nen Proben wurden mit je 2 Tropfen Toluol versetzt. 

Von grundlegender Bedeutung ist der Einfluß der H-Ionen- 
konzentration auf das Ausmaß der fermentativen Spaltung!). 
Dies zeigen folgende Versuche. 


Tabelle I. 


| N E 
stoff- abge- | Dauer 
Nr. lösung А 


spalten (bel 87°) р 


| Harn- H N 3 
= stoff- atoff-N St Phosphatgemisch abge- | Dauer 4 
* "jlösun D 1/, molar; cem = 


1 20,0; 3 pr. 1 sek. 26 
2 | 15,0 | 52,92 | 5,0 | 20,0; 2 рг. 1 sek. | 6,8 | 6,8 49 
3 15,0 | 52,92 | 5,0 | 20,0; 1 pr. 1 sek. | 6,8 | 7,2 74 
4 | 15,0 | 52,92 | 5,0 | 20,0; 1 рг. 4 eek. | 7,0 | 7,6 79 
5 | 15,0 | 52,92 | 5,0 | 20,0; 1 pr. 8 sek. | 7,2 | 7,8 79 
Tabelle III. 

Pu N E 

Kr Phosphatgemisch | colorimetrisch | abge- | Dauer д 
lösung ½ molar; ccm gemessen spalten (bei 37°); > 

| cem vorher nachher mg % 


52,92 


Т Die in diese Richtung fallenden Versuche, an denen Herr Dr. у. Sla- 
bey beteiligt war, sind im Frühjahr 1914 ausgeführt worden. (Vgl. hierzu 
M. Jacoby, Diese Zeitschr. 68, 46. 1915.) Ungefähr zur selben Zeit und 
später haben van Slyke (vgl.u.a. D. D. van Slyke und Gl. E. Cullen, 
Journ. of Biol. Chem. 19, 141; van Slyke und Zacharias, Ebenda S. 181), 
dann Barendrecht (Koninkl. Akad. van Wetenschappen te Amsterdam 
21, 1126. 1919) sich mit dem Problem beschäftigt und unsere Kenntnis 
über die Urease sehr wesentlich gefördert. Vgl. auch H. E. Armstrong, 
M. S. Benjamin und E. Horton, Proc. Royal Soc. London 86, 328. 1913. 


118 P. Rona und P. György: 


Tabelle IV. 


½ molar; ccm 


| 3 З Phosppatgemisch 
St 
ccm 


5,0 10,0 20,0; 3 pr. 1 sek. 
5,0 | 10,0 20,0; 1 pr. 1 sek. 


1 || 20,0 | 82,88 

2 || 20,0 | 82,88 

3 | 20,0 | 82,88 5,0 | 10,0 | 20,0; 1 pr. 3 sek. 
4 

5 


20.0 82.88 5,0 10,0 20,0; 1 pr. 8 sek. 
20,0 | 82,88 5,0 10,0 20,0; 1 pr. 32 sek. 


Tabelle V. 


Phosphatgemisch 


1/, molar; ccm 


20,0 | 60,25 | 5,0 10,0 | 20,0; 4 pr. 1 sek. 62 | 68 | 68 sm | In 5 


1 

2 || 20,0 | 60,25 5,0 10.0 20,0; 3 pr. 1 sek. 64 | 7,0 | 6,9 | 24,08 | 1530’ 39 
3 || 20,0 | 60,25 5,0 | 10,0: 20,0; 2 pr. 1 sek. 6,6 | 7,0 | 7,0 | 24,08 | 1830’ 139 
4 || 20,0 | 60,25 | 5,0 10,0 | 20,0; 1 pr. 1 sek. 6.8 | 7,2 | 7,3 | 30,24 | 1530’ 50 
5 || 20,0 | 60,25 5,0 10,0 20,0; 1 pr. 2 sek. 6,9 | 7,7 | 7,8 | 30,80 | 1530’ 51 


i | 


Tabelle VI. 


Phosphatgemisch 
½ molar; ccm 


9° Umasats 


10,0 | 20,0; 2 pr. 1 sek. | 6,6 | 6,4 | 7,3 | 7,3 143,12 | 25 | 49 
10,0 | 20,0; l pr. I sek. | 6,8 | 6,8 | 7,5 | 7,6 | 50,96 | 25 |59 
10,0 | 20,0; 1 pr. 3sek. | 7,0 | — | 8,1 | 8,4 | 44,24 | 25 51 
10,0 | 20,0; 1 рг. Sack | 7,3 | 7,4 | 8,4 | 8,6 | 39,2 | 26 45 
10,0 | 20,0; 1рг.16веК. | 7,6 | — | 8,4 | 8,6 | 34,16 2 39 


Tabelle VII. 


Phosphatgemisch 
1/, molar; ccm 


10,0 | 20,0; 2 pr. 1 sek. | 30,03 25 3ʃ 


1 

2 10,0 | 20,0; 1 pr. 1 sek. IR 47 
3 || 20,0 | 86,36 | 5,0 | 10,0 | 20,0; 1 pr. 1 sek. 2h 45 
4 | 20,0 | 86,36 | 5,0 | 10,0 | 20,0; 1 pr. 2 sek. 2b |49 
5 | 20,0 | 86,36 | 5,0 | 10,0 20,0; 1 pr. 2 sek. 2b 49 
6 || 20,0 | 86,36 | 5,0 | 10,0) 20,0; 1 pr. 3 sek. 2 46 


Urease. Studium der Giftwirkungen. 119 


Aus diesen Versuchen ergibt es sich, daB die optimale 
H-Ionenkonzentration für die Urease bei etwa pg = 7,3—7,5 liegt. 
Mit diesen übereinstimmende Werte haben bereits van Slyke, 
ferner Barendrecht angegeben. Abweichungen nach der saueren 
oder nach der alkalischen Seite vermindern das Ausmaß der 
fermentativen Spaltung bedeutend, woraus folgt, daß nur bei 
einer durch Puffer festgelegten H-Ionenkonzentration, soweit 
dies experimentell möglich ist, der Einfluß fremder Stoffe 
geprüft werden kann. Eine mehr oder weniger deutliche Ver- 
schiebung der Reaktion nach der alkalischen Seite war trotz 
Pufferung in den meisten unserer Versuche zu beobachten. Ohne 
Puffer ist diese Verschiebung natürlich ganz bedeutend (vgl. z. B. 
Tabelle IX, Ia) und vereitelt es, die Wirkung irgendeines 
anderweitigen Einflusses auf den Fermentvorgang sicher zu be- 
werten. 

Es lag daher nahe, zu prüfen, ob der von M. Jatoby!) 
angegebene fördernde Einfluß des Serums nicht einfach auf eine 
Pufferwirkung desselben zurückzuführen ist, zumal die dies- 
bezüglichen Versuche von Jacoby ohne кашын уоп 
Reaktionsregulatoren angestellt worden sind. 

In einer Reihe von Versuchen wurde die Spaltung einmal 
mit, einmal ohne Serum (benutzt wurde, wenn nicht anders 
angegeben, Menschenserum) bei optimaler Wasserstoffionen- 
konzentration beobachtet. 


Tabelle VIII. 


Phosphatgemisch 
1/, molar; ccm 


20,0; . 1 sek. | 11,0 


— 1 7,3 

1b || 20,0 | 79,64 |5,0 |1,0 | 20,0; 1 pr. 1 sek. | 10,0 7,3 
2a || 20,0 | 79,64 | 5,0 | — | 20,0; 1 pr. 1 sek. | 12,0 7,3 
2b |: 20,0 | 79,64 5,0 2,0 20,0; 1 pr. 1 sek. | 10,0 7,3 
За | 20,0 |79,06 | 5,0 | — | 20,0; 1 pr. 1 sek. |11,0 7,1 
ЗЪ у 20,0 | 79,06 5,0 1,0 20,0; 1 pr. 1 sek. | 10,0 7,1 
1 7,1 

1 1,1 


4a | 20,0 | 79,06 | 5,0 | — | 20,0; 
4b || 20,0 | 79,06 | 5,0 | 2,0 | 20,0; 


pr. 1 sek. | 12,0 
рг. 1 sek. | 10,0 


“ 


1) Vgl. M. Falk, diese Zeitschr. 59, 316. 1914. M. Jacoby 
N. Umeda, Ebd. 68, 23. 1915. 


120 P. Rona und P. György: 


Tabelle IX. 


Harn- | { 
кі Phosphatgemisch 
mone 5 ı/, melar; ccm 


mg сеш cem , 


1a | 20,0 |74,98 | 5,0|— | 20,0; J pr. J sek. | 1,0 | 68 


7,1 38 
1b | 20,0 | 74,98 5,0 1.0 20,0; 1 pr.1 век. | — | 68 | 7,1 | 28,56 |38 
2a | 20,0 | 74,98 5,0 — | 20,0; 1 pr. 1 век. | 1,5 | 6,8 | 7,1 | 29,12 |39 
2b | 20,0 | 74,98 5,0 11,5 20,0; 1 pr. 1 век. | — | 68 | 7,1 | 31,36 |41 
За | 20,0 | 74,98 5,0 — | 20,0; 1 pr. 1 век. | 2,0] 68 | 7,1 | 38,08 50 
3b | 20,0 | 74,98 5,0 2,0 20,0; I рг. 1 век. | — | 68 | 7,1 | 30,92 53 
Ia | 20,0 | 83,89 | 5,0 | — = — | 68 | 90 [364 43 
Ib | 20,0 83,89 5,0 — ! 20,0; 1 Pr. 1 sek. | — | 68 | 7,1 [53,2 63 


In allen diesen Versuchen zeigte sich keine Andeutung einer 
Serumwirkung. Die Unterschiede der Umsätze mit und ohne 
Serum überschreiten die Fehler der Methodik nirgends, ja in den 
meisten Fällen decken sich die beiden Werte vollkommen. 

Man könnte meinen, daß Spaltungen bei einer ungünstigen 
H-Ionenkonzentration durch Serum eine fördernde Beeinflussung 
erfahren. Dies ist aber auch nicht der Fall, wie die folgenden 
Versuche zeigen. 


Tabelle X. 

aD ela 

| 23 Phosphatgemisch be- Dauer | abge- 8 

as 1/, molar; ccm rech- (bei 87°) spalten | 5 

| ecm | net | me | % 

1a | 20,0 | 184 |5,0/2,0/ 20,0 | 20,0; 1 рг. 1 sek. | 6,7 "ën 30“ 62,84 | 34,1 
l b | 20,0 | 184 |5,0|— | 22,0 | 20,0; 1 pr. 1 sek. | 6,7 = 30“ 61,20 | 33,2 
2a | 20,0 | 184 5,0 2,0 20,0 | 20,0; 1 pr. 8 sek. 7,7 !2h 30“ 47,13 | 25,6 
2b | 20,0 | 184 5,0 — | 22,0 | 20,0; 1 pr. 8 sek. | — |28 30“ 48,77 26.4 

Tabelle XI. 
Harn- в) 2 © [ж | al N 3 
Harn. |2° 3| 8 | = 8 7 2 
stoff- | ATD- | = $| Phosphatgemisch | be- |55 | abge- 

Nr. | dsung®OA-N -£ = E 1/, molar; cem са ER spalten В 
ccm | mg cem oem com net = mg % 

Іа | 20,0 | 184 5,0 2,0 10,0, 20,0; 1 pr. 1 век. | 6,7 | 2% | 58,25 31,5 
1b | 20,0 | 184 |5,0|— |120| 20,0; 1 pr. 1 век | — | 2% 59.45 |321 
2a | 20,0 | 184 |5,0 2,0 10,0 | 20,0; I pr. 8 sek. | 7,7 | 2" | 45,68 24,7 
2b || 20,0 | 184 |5,0|— | 12,0 20, 0; 1 pr. 8 sek. | — | 2% | 45,48 | 24,6 
За || 20,0 | 184 5,0 2,0 10,0 | 20,0; 1 pr. 16 sek. | 8,0 | 2h | 40,90 | 22,2 
3b | 20,0 | 184 5,0 — 12,0 20,0; 1 pr. 16 sek. | — 23 | 41,50 |225 


Urease. Studium der Giftwirkungen. 121 


' Tabelle XII. 


20,0 | 184 5,0 2,0 10,0 | 20,0; 1 pr. 1 sek. | 6,7 | 2b | 66,15 


la | 35,8 
1b 20,0 | 184 5,0 — | 12,0 | 20,0; 1 pr. 1 sek. | 6,7 | 25 | 64,73 | 35,1 
24 20,0 | 184 5,0 2,0 10,0 | 20,0; 1 pr. 8 sek. | 7,7 | 25 | 50,07 27,2 
2b 20,0 | 184 5,0 — |12,0 | 20,0; 1 pr. 8 sek. | 7,7 2 | 49,15 | 26,7 
За 20, | 184 5,0 2,0 10,0 | 20,0; 1 pr. 16 sek. | 8,0 | 25 | 43,89 23,7 
3b 20,0 | 184 5,0 — |12,0 | 20,0; 1 pr. 16 sek. | 8,0 2 | 43,29 | 23,4 
48 20, 0 184 5,0 2,0 10,0 — — | 2h | 41,29 22,3 
4b 20,0 | 184 |5,0|— | 12,0 — — 2d | 41,29 22,3 


Nach diesen Versuchen wäre also dem Serum, entgegen den 
Angaben von M. Jacoby, keine beschleunigende Wirkung zu- 
zuschreiben. Daß diese Annahme jedoch trotz der eindeutigen 
Ergebnisse, die bisher mitgeteilt worden sind, nicht berechtigt 
ist, zeigen die Versuche, die nicht wie bis jetzt in kurz dauernder 
Spaltung den Umsatz feststellten, sondern die Urease 20—24 Stun- 
den auf das Substrat einwirken ließen. Bei diesen Untersuchungen 
wurde in allen Fällen die Mikro-Kjeldahl-Methode angewandt, 
wodurch die Verarbeitung größerer Serien erst möglich wurde. 


‘ Im einzelnen wurden die Versuche folgendermaßen angesetzt. Die 
Zusammensetzung des Systems, in dem die Spaltung erfolgte, bestand aus 
1 ccm einer 2proz. Harnstofflösung, 2 ccm eines ”/, Phosphatgemisches, 
2 ccm Wasser (oder Serum) und 0,2—0,5 ccm Ureaselösung verschiedener 
Stärke. Die Konzentration des Gemisches an Phosphationen betrug also 
са. %. Bei einer vollständigen Spaltung der gesamten Harnstoffmenge 
beträgt die Konzentration des Gemisches ап NH, ca. °/,5. Selbst in einer 
so hohen Pufferkonzentration konnte demnach bei einer weitgehenden 
Spaltung des Harnstoffes die Pufferwirkung aufgehoben und die Reaktion 
des Gemisches nach der alkalischen Seite verschoben werden, wie wir dies 
bereits in den oben mitgeteilten Makro-Versuchen gesehen haben. Nach 
Ablauf der festgesetzten Spaltungszeit werden 1 Tropfen Methylorange 
und 1—1,5 ccm 1l n-HCl dem Gemisch zugefügt und damit die Ferment- 
wirkung unterbrochen. Die Bestimmung des abgespaltenen Ammoniaks 
erfolgte im Mikro-Kjeldahl-Apparat nach der Bangschen Vorschrift. 
Zum Verjagen des Ammoniaks wurde eine Lösung von 10% Na, CO, + 
10%, NaCl verwendet und davon dem Gemisch so viel zugefügt, daß die 
(rote) Farbe desselben eben in Gelb umschlug. Im allgemeinen erfolgte 
die Ammoniakbestimmung in 1—2 ccm des Gemisches; vorgelegt wurde 
10—20 ccm ¥/199-HCl. Die Rücktitration erfolgte jodometrisch. — Die 
Spaltung verlief bei 37°. 


122 Р. Rona und P. György: 


Sollten kurz- und langdauernde Versuche miteinander ver- 
glichen werden, so mußte man in beiden Reihen den gleichen oder 
einen sehr naheliegenden Umsatz erzielen. Arbeitet man unter 
optimalen Bedingungen, so ist natürlich bei den langdauernden 
Versuchen eine entsprechende kleinere Fermentmenge zur Spal- 
tung zu benutzen. Folgende Versuche in Tabelle XIII geben die 
Verhältnisse bei verschiedener Versuchsdauer und verschiedenen 
Fermentmengen wieder. 


Tabelle XIII. 


2% Phosphat- d 
= Ham: кыы 5 | Ureaselösung ы, 
asser ы 
stoffisg. 1/, molar | F mgN | 0% 

1 1 cem 2 cem 4: 1 2 cem 0,2 ccm 50% | 6,1 3 2,97 | 31,8 
2 1 cem 2 cem 1: 1 2 cem 0,2 cem 5% | 6,7 | Zu 4,91 | 52,6 
З |1 cem 2 cem 1: 4 2 cem 0,2 ccm 5% 7,3 3 4,84 | 52,0 
4 [1 cem 2 cem 1:8 2 cem 0,2 cem 5% | 7,7 | 33 4, 10 44,0 
5 |1 cem 2 cem 1:1 1, 7 cem 0,5 cem 5% | 6,7 3h 9,20 | 99,0 
6 1 cem 2 cem 1:4 11,7 cem 0,5 cem 5% 7,3 3%] 9,12 | 98,0 
7 |1 cem 2 cem 1: 1 2 cem 0,2 cem 2,50% 6,7 | 3 2,86 | 30,7 
8 Il cem 2 cem 1:4 2 cem 0,2 ccm 2,5% 7,3 3h 2,88 | 30,9 
9 |1 cem 2 ccm 1:1 | 2ccm| 0,2 cem 1% | 6,7 | 3 0,64 | 69 
10 |1 cem 2 ccm 1:4 | 2 cem 0,2 cem 1% 7,3 3 1,25 | 13,35 
11 Il cem 2 cem 4:1 2 cem 0,2 cem 5% | 6,1 20 | 8,58 | 91,5 
12 | l cem 2 cem 1: 1 2 cem 0,2 cem 5% | 6,7 20h 8,68 | 93,0 
13 |1 cem 2 ccm 1: 42 cem 0,2 ccm 5% | 7,3 | 20h | 9,18 | 98,4 
14 |1 cem 2ccm 1:8 | 2ccm| 0,2 cem 5% | 7,7 | 202] 9,05 | 96,9 
15 |1 com} 2 cem 1: 16 2 cem 0,2 eem 5% | 8,0 | 20h | 8,21 | 87,95 
16 1 cem 2 cem 1:1 |1,7cem! 0,5 cem 5% | 6,7 | 20h] 9,28 | 99,5 
17 |1 сет! 2 ccm 1: 4 |1,7ccm| 0,5 сет 5% | 7,3 | 208] 9,05 | 96,9 
18 |1 сет 2ccm 1:1 2 cem 0,2 cem 2,5%, 6,7 | 20% | 8,56 | 96,7 
19 |1 com! 2 cem 1:4 2 cem | 0,2 ccm 2, 50% 7,3 20h] 6,04 | 64,7 
20 |1 cem 2 cem 1:1 2ccm! 0,2 ccm 1% | 6,7 | 20h 1,91 | 20,5 
21 |l cem 2ccm 1:4 | 2ccm| 0,2 cem 1% | 7,3 | 20h | 1,82 | 19,65 


Während 0,2 ccm 5proz. Ureaselösung bei den gegebenen Versuchs- 
bedingungen innerhalb 3 Stunden einen Umsatz von ca. 50%, bewirkt hat. 
war der Umsatz bei derselben Fermentmenge innerhalb 20 Stunden fast 
vollständig. — 0,2 cem 1 proz. Ureaselösung erzielte im Optimum innerhalb 
3 Stunden bloß 13% Umsatz, in 20 Stunden schon 20%. — Wir verwendeten 
auf Grund der gewonnenen Anhaltspunkte in unseren Versuchsreihen, 
in denen kurz- und langdauernde Spaltungen verglichen werden sollten, 
0,2 ccm 5 proz. Ureaselösung bei den kurz-, 0,3 cem 1,25 proz. Ureaselösung 
bei den langdauernden Versuchen. 


Die Versuche sind in den Tabellen XIV und XV wieder- 
gegeben. In dieser Versuchsreihe kamen außer Menschenserum 
noch Sera von Kaninchen, Meerschweinchen und von Hammel 
zur Anwendung. 


Urease. Stadium der Giftwirkungen. 123 


Tabelle XIV. 

| „2% | Phosphat- |5 ¢ 5% Umsatz In 
Nr. Harn- | gemisch |2 3 Seram о 

| stoffisg.|'/, mol; 1:2 А Е Urease mg N 0% 
1 1,5 0,5 cem Kaninchen 0,2 ccm | 5,60 | 59,6 
2 1,8 0,2 „ ek 0,2 ccm | 5,57 | 59,45 
3 1,5 | 0,5 cem Meerschwein. 0,2 ccm | 5,73 | 61,65 
4 1,8 | 0,2 ccm = 0,2 ccm | 5,70 | 61,5 
5 1,5 | 0,5 cem Hammel 0,2 ccm | 5,38 | 57,75 
6 1,8 | 0,2 „ 7 | 0,2 ccm | 5,72 | 61,6 
7 1,5 | 0,5 cem Menschen-S. 0,2 ccm | 5,40 58, 15 
8 1,8 | 0,2 ccm a 0,2 ccm | 5.68 | 61,1 
9 2,0 — 0,2 cem | 5,55 | 59,3 

Versuchsdauer: 3 Stunden. pu berechnet = 7,00. 
Tabelle XV. 
2% | Phosphat- | © 
Nr. Harn- beten S g Serum 1,25% саза з 
stofflag.|1/,mol; 1:2 ° Urease | mgN | o 

1 | Leem: 2 ccm |1,5 | 0,5 cem Kaninchen 0,3 сет | 8,55 | 91,8 
2 lccm! 2 ccm |1,8 | 0,2 „ SN 0,3 ccm | 8,58 | 92,1 
З lcem 2 cem |1,5 | 0,5 cem Meerschwein. 0,3 ccm | 8,18 | 87,7 
4 [lcem 2 cem 1,8 0,2 „ Mr 0,3 ccm | 8,33 | 89,3 
5 | leem| 2 ccm 1,5 0,5 cem Hammel-S. 0,3 ccm | 8,46 | 90,8 
6 |\lccm| 2 ccm 1,8 02 „ an 0,3 ccm | 8,38 | 89,75 
7 | lcem| 2 cem |1,5 | 0,5 cem Menschen-S. | 0,3 ccm | 9,31 [100,0 
8 |lccm| 2 ccm 1,8 0,2 ccm H 0,3 ccm | 7,25 | 77,8 
9 [lcem 2 ccm | 2,0 — 0,3 cem | 4,76 | 50,8 


Versuchsdauer: 20 Stunden. рн berechnet = 7,00. 


Aus diesen Versuchsreihen ist zu ersehen, daß, während bei 
den kurzdauernden eine Wirkung des Serumzusatzes nicht fest- 
zustellen ist, bei den langdauernden in allen Fällen eine sehr starke 
Beschleunigung der spaltenden Wirkung der Urease stattfand. 
Es sei noch darauf hingewiesen, daß in beiden Reihen in den 
Kontrollversuchen ohne Serum der gleiche Umsatz erzielt wurde. 

In diesen Versuchen war einmal eine hohe, einmal eine nied- 
rige Fermentkonzentration der Serumwirkung ausgesetzt. 

Damit trotz etwas größerer Fermentmengen die langdauern- 
den Versuche zu einem nicht zu weitgehenden Umsatz führten, 
wodurch der Nachweis einer fördernden Wirkung unmöglich ge- 
worden wäre, sind folgende Versuche bei ungünstigen H-Ionen- 
konzentrationen pg = 5,9—6,4 angestellt worden. Auch hier 
konnte eine fördernde Wirkung des Serums nachgewiesen werden. 


124 Р. Rona und Р. György: 


Tabelle XVI. 


Tabelle XVII. 
Harn- SES Destill. Ver- 
Nr. stoff 2 Py | Wasser Serum suchs- шм ш 
сеш cem prim.: se cem cem | % cem] dauer | mg N % 
1 1,0 | 2,0 6:1 5,9 1,5 — — 20 | — — 
2 1,0 2,0 6:1 5, 9 2,0 | — 1,0 0,2 0,67 | 7,15 
3 1,0 | 2,0 6:1 5,9 1,5 0,5 11,0 | 0,2 2.00 | 21,4 
4 10 2,0 4:1 6,1 20 | — 11,00, 2 0,99 | 10,6 
5 1,0 12,0) 4:1 6,1 1,5 0,5 11,0 | 0,2 2,34 | 25,1 
6 10 12,0 | 2:1 6,4 20 | — 11,0|0,2 1,12 | 12,0 
7 1,0 2,0 2:1 6,4 1,5 0,5 11,0; 0,2 3,74 | 40,0 
8 1,0 | 2,0 2:1 6,4 2,0 — |1,5 [0,2 1,42 | 15,2 
9 1,0 | 2,0 2:1 6,4 1,5 | 0,5 1,5 0,2 3,03 | 38,0 
10 1,0 | 2,0 6:1 5,9 2,0 — 12,0 |0,2 0,74 | 7,8 
11 1,0 [2,0 6:1 5,9 1,5 0512002 2,24 | 24,0 
12 | 1,0 120) 4:1 |в 2,0 | — 12,0 [0,2 1,01 | 10,8 
13 1,0 12,0 | 4:1 6,1 1,5 0,5 12,0 | 0,2 2,71 | 29,0 
14 1,0 2,0 2:1 6,4 2,0 — 12,0 | 0,2 29,5 
15 1,0 | 2,0 2:1 6,4 1,5 0,5 12,0 | 0,2 40.5 


Nur in langdauernden Versuchen ist demnach der 
begünstigende Einfluß des Serums vorhanden. Eine 
Erklärung hierfür zu geben, ist schwer. Eine Pufferwirkung des 
Serums kommt nicht in Betracht; waren doch die starken Phos- 
phatgemische kaum ausreichend, die Reaktion aufrechtzuerhalten. 
In der Tat zeigt der Versuch (Tabelle XII4a u. b) einmal ohne jeden 
Puffer, dann mit Serum denselben (gegen den bei optimaler Re- 
aktion schlechten) Umsatz. Auch der Gedanke, daß das Serum 
selbst eine schwache spaltende Wirkung auf Harnstoff ausübt, 
die erst bei langdauernden Versuchen in Erscheinung tritt, muß 
fallengelassen werden, da das Serum, wie dies bereits M. Jacoby 
gezeigt hat, eine solche Fähigkeit nicht hat. Dies zeigt die folgende 
Tabelle, die außerdem noch einige, aus den Angaben leicht verständ- 
liche Kontrollversuche enthält. Dauer der Versuche 19 Stunden. 


1) Vgl. R. Neumann, diese Zeitschr. 69, 134. 1915. 


Urease. Studium der Giftwirkungen. 125 


Tabelle XVIII. 


2% Harn- Phosphat | va gants | 2% БссР 
Nr. || stoffisg. "it, mol; 1:2 Wasser Urease 
| есш | ccm | cem Art cem ecm mg N| % 
l 1 2 2 = 02 | 606% 65 
2 1 2 1,5 Serum 0,5 0,2 7,98 85 
3 l 2 1,7 Serum 0,5 — 0 
4 — 2 | 25 Serum 0.5 0.2 0 | 
5 — 2 | 2,7 Serum 0,5 — 0 — 
6 — 2 | 39 a z 0,2 0 = 
7 1 2 2,2 = — 0 iz 
8 1 — 4,2 - - 0 
9 — — NM e Serum 0,5 0 — 
10 — — | 5 — — 0,2 0 — 
119 l 2 2 — — 0.2 0,35 3,75 
12*) | 1 2 | 1,5 | Serum | 0,5 0,2 0,55 5,9 
*) No. 11 und 12 mit Urease angesetzt, die !/, Stunde auf 100° erhitzt 
e. 


Man wird an die Serumeiweißkörper als Schutzkolloide denken 
müssen, die das Ferment durch Adsorptionsvorgänge oder durch 
chemische Bindung des gebildeten Ammoniaks vor diesem Spalt- 
produkt schützen. Für eine solche Vorstellung spräche auch, daß 
wir mit Gelatine häufig eine ähnliche fördernde Wirkung beobachten 
konnten; diese Befunde waren jedoch nicht stets reproduzierbar, 
so daß wir von deren Wiedergabe absehen. Eine Vorstellung, daß 


eine gewisse chemische Konfiguration, nach M. Jacob y die Amino- . 


gruppe, die Träger der fördernden Wirkung wären, ist zurück- 
zuweisen, da es kaum verständlich wäre, warum diese nicht unab- 
hängig von der Dauer der Spaltung ihren Einfluß entfalten sollten. 


Tabelle XIX. 


11 сстю | 2 cem | — | 2,0 сот 5% Glykokoll 4,20 45,05 
21 com] 2 com! 1,0 | 1,0 cem 5% Glykokoll 4,92 52,75 
3 |1 ссю| 2 cem — | 2,0 cm 1% Glykokoll 0,2 | 3% | 4,25 45, 10 
4 1 com 2 сот 1,0 | 1,0ccm 1% Glykokoll | 0,2 | 35 | 4,27 45,75 
5 1 cm 2 cem | 1,5 | 0,5com 1% Glykokoll | 0,2 | 35 | 4,92 | 52,75 
61 om 2 ccm — | 2,0ccm 1% Alanin 0,2 | 3h | 4,33 46,25 
7 |1 ccm} 2 ccm | 1,0 1.0 om 1% Alanin | 0,2 | 38 [4,09 |4385 
8 11 cem 2 cem 1,5 0,5 cm 1% Alanin 0,2 3 4,48 48,66 
91 cem 2 cem — | 2,0 cem 0,2% Tyrosin 0,2 | 3h | 4,96 53,24. 
101 cem 2 ccm | 1,0 | 1,0ccm 0,2% Tyrosin | 0,2. 35 | 4,37 48,54 
11 |1 cem|2 com | — | 2,0 сот 1,0% Leucin | 0,2 | 3% | 4,20 | 45,05 
121 cem 2 ccm | 1,0 | 1,0 ccm 1% Leucin 0,2 | 35 | 4,58 49, 14 
13| 1 m 2 ccm | 1,5 | 0,5cem 1% Leucin 0,2 ! 3h | 4,58 2945 
14| 1 eem 2 ccm 2,0 — 0,2 In 4.92 52,75 
pn (berechnet) = 7,00 | 


м 


126 P. Rona und P. György: 


In Zusammenhang hiermit konnten wir auch mit Amino- 
säuren weder in kurz- noch in langdauernden Versuchen irgend- 
eine Wirkung auf die Harnstoffspaltung finden. Dies zeigen 
gen Tabellen (XIX—XXII): 


Tabelle XX. 

Harn- Phosphat | Destill. 1,25% | Ver- 
Nr. stofflsg. |!/, шо: 1:2| Wasser Aminosäure Urease | suchs- sn 

| 9%; ccm ccm ccm m ccm | dauer mg N | % 
1} 1,0 2,0 — 2,0 5% Glykokoll| 0,3 | 20h 17,92 | 85,0 
21 1,0 2,0 ‚0 | 1,0 5% Glykokoll| 0,3 20 | 6,68 | 71,7 
31 1,0 2,0 — | 2,0 1% Glykokoll| 0,3 | 20h | 7,08 | 76,02 
4| 1,0 2,0 1,0 | 1,0 1% Glykokoll| 0,3 | 20h | 7,96 | 85,55 
51 1,0 2,0 1,5 | 0,5 1% Glykokoll| 0,3 | 205 |7,96 | 85,55 
6! 1,0 2,0 — 2,0 1% Alanin 0,3 | 20b ! 7,45 | 80,0 
Vu 1,0 2,0 10 | 1,0 1% Alanin 0,3 | 20° | 8,33 | 89,6 
81,0 2,0 1,5 | 0,5 1% Alanin 0,3 | 205 | 626 | 67,25 
9 1,0 2,0 — 2,0 0,2%, Tyrosin | 0,3 20 | 6,63 | 71,2 
10| 1,0 2,0 LO | 1,0 0,2%, Tyrosin | 0,3 | 20% [|8,03 | 86,25 
11} 1,0 2,0 1,0 | 1,0 1% keucin 0,3 20 | 6,03 | 64,8 
12| 1,0 2,0 1,5 | 0,5 1% Leucin 0,3 | 20h | 8,24 | 88,4 
13! 1,0 2,0 2,0 — — 0,3 | 20h 17,80 83,8 

фи (berechnet) = 7,00. 


р Harn- 
Nr. || stoffisg. 
%; ccm 


Tabelle XXI. 
Phosphat Destill. 


i | 1% | Ver- | Umsatz in 
Aminosäure Urease | suchs- 
sem ccm | dauer | mg N | % 


1/,mol; 1:2| Wasser 
cem ccm 


11 1,0 2,0 — — 0,2 | 19" 1.36 14,5 
2i 1,0 ‚0 | 1,0 5% Glykokoll | 0,2 | 19h [1,6 | 17,2 
3 — 2,0 | 1,0 5% Glykokoll} 0,2 | 19 I— |; — 
4| 1,0 1,0 | 1,0 1% Alanin 0,2 | 195 [1,4 | 15,0 
5 — 2,0 | 1,0 1% Alanin 0,2 | 19h I — — 
6! 1,0 1,0 | 1,0 0,2% Tyrosin | 0,2 | 19h 1,4 | 15,0 
7 — 2,0 | 1,0 0,2%, Tyrosin | 0,2 | 19% — — 
81,0 1,0 | 1,0 1% Leucin 0,2 | 195 41,8 | 19,0 
9 2,0 | 1,0 1% Leucin 0,2 19 |— | — 


Pu (berechnet) = 7,00. 
Tabelle XXII. 


Harn- Pbosphat Destill. Aminoaa 1% Ver- 
Nr. | stoffisg. / mol; 1:2| Wasser mmoseure Urease | suchs- 
2%; ccm сет ccm cm ccm | dauer 


] 0 20 | 20 Set 0,2 | 19> 4,19 45,0 
ah 10! 20 1,0 | 1,0 5% Glykokoll| 0,2 | 19" |4,29 | 46,0 
3 — 2,0 2,0 | 1,0 5% Glykokoll| 0,2 | 19 lo,sı | 8,7 
41 1,0 2,0 1,0 | 1,0 1% Alanin 0,2 | 19" |3,68 | 39,5 
5 10 2,0 1,0 | 1,0 0,2%, Tyrosin | 0,2 | 19% [3,51 | 37,7 
6 — 2.0 2,0 | 1,0 0,2% Tyrosin | 0,2 | 19 0,03 — 
7i 1,0 2.0 1,0 | 1,0% 1 Leucin 0,2 | 19% | 4,57 | 49,0 
8 — 2,0 2,0 | 1,0 1% Leucin 0,2 | 19% [0,17| 1,8 
Pu tberechnet) = 7,00. 


Urease. Studium der Giftwirkungen. 127 


Eine hemmende Wirkung von Kochsalz oder Wasser konnten 
wir bei unserer Versuchsanordnung weder in kurz- noch in lang- 
dauernden Versuchen beobachten. In den diesbezüglichen Ver- 
suchen von M. Jacoby und Umeda!) war die Fermentwirkung 
so schwach, daß der Umsatz in 19 Stunden nur 4—10% betrug; 
die Versuchsbedingungen waren daher für vergleichende Unter- 
suchungen der Spaltungsgeschwindigkeit wenig günstig. 

Die Versuche sind in folgenden Tabellen wiedergegeben: 


Tabelle XXIII. 


Harr- Phosphat- Destill. PhysioL 
Nr. | stoffisg. gemisch Wasser | NaCl-Lösung 
| 29%; cem ½ m; 1:2; cem ccm cem 
| 
| 2,0 
| 1,0 
| 0,5 


Versuchsdauer: 3 Stunden. p, = 7,00. 


Tabelle XXIV. 


1 1.0 2,0 — 2,0 0,3 4,75 50,1 
2 1,0 2,0 1,0 1,0 0,3 4,82 51,65 
3 1,0 2,0 2,0 — 0,3 4,73 50,08 
4 1,0 2,0 3,0 — 0,3 5,18 55,05 
5 1,0 2,0 5, — 0,3 5,19 55,7 
6 1,0 2,0 7,0 — 0,3 5,11 55,0 


Versuchsdauer: 20 Stunden. p, = 7,00. 


Zusammenfassend kann also gesagt werden, daß, um gut 
vergleichbare Versuche anzustellen, man am besten einen Um- 
satz von 40—50% bei kurzer Versuchsdauer anstreben muß. 
Bei langdauernden Versuchen können Zusätze, wie Serum, die 
Spaltung in unübersichtlicher Weise beeinflussen. 

2. Auf Grund der obigen Befunde dehnten wir bei unseren 
in folgendem mitgeteilten orientierenden Versuchen zum 
Studium der Giftwirkung die Fermentwirkung nicht über 
3 Stunden aus und erzielten bei den Kontrollen einen Umsatz 
von 20—50%. Die Zusammensetzung dieser war die gleiche 


1) Diese Zeitschr. 68, 24. 1915. 


128 P. Rona und P. Gyorgy: 


wie oben angegeben: 1 сст 2proz. Harnstofflösung, 2 ccm 
1/,m Bhosphatgemisch, 2 cem dest. Wasser, 0,2 cem 1 proz. 
(filtrierte) Ureaselösung. In den Proben mit den Giften kam 
an Stelle des Wassers die entsprechende Giftlésung, eben- 
falls 2 cem. Das Abbrechen der Versuche und die Ammoniak- 
bestimmung erfolgte in der oben angegebenen Weise’). 

Als Gifte kamen organische Arsen verbindungen zur Ver- 
wendung 2): Atoxyl, Methylarsinoxyd, Phenylarsinoxyd, Phenyl- 
arsinchlorid, Diphenylarsinoxyd, Diphenylarsinehlorid, ferner 
eine anorganische Arsen verbindung, die arsenige Säure. Mit Aus- 
nahme des Atoxyls figuriert das Arsen in sämtlichen verwendeten 
Verbindungen in der 3wertigen Form, allein im Atoxyl erscheint 
es 5wertig. — Arsenige Säure, Atoxyl und Methylarsinoxyd 
wurden in Wasser gelöst, und wurden in Lösungen zu 1% ver- 
wendet. Da im Gesamtvolumen von 5, 2 cem 2 cem dieser Gift- 
lösungen sich befand, beträgt die Konzentration des Systems 
an den erwähnten Substanzen ca. 0,04%, also bei Atoxyl ca. 2, 
bei arseniger Säure und Methylarsinoxyd ca. 4 Millimol / Liter. 
Die übrigen verwendeten Arsen verbindungen sind in Wasser 
praktisch unlöslich. Wir erwärmten eine wässerige Aufschwem- 
mung von Phenyl- und Diphenylarsinoxyd bis ca. 50°, filtrierten; 
die so gelöste Arsenmenge blieb noch unter der analytisch nach- 
weisbaren Größenordnung des Arsenspiegels. In einigen Ver- 
suchen fügten wir nun zu der wässerigen Aufschwemmung des 
Phenyl- und Diphenylarsinoxydes bzw. -Chlorids !/, Teil Alkohol, 
erwärmten ebenfalls bis ca. 50° und filtrierten dann; in anderen 
Versuchen bereiteten wir von diesen Verbindungen alkoholische 
Lösungen, indem wir 0,1 g in 20 cem warmem absolutem Athyl- 
alkohol lösten. Die so gewonnene alkoholische Lösung wurde mit 
Wasser auf 100 aufgefüllt. Hierdurch fiel ein sehr großer Teil 
der gelösten Stoffe, namentlich der Diphenylverbindung, zuerst 
kolloidal aus. Die Lösungen wurden filtriert, blieben aber na- 
mentlich bei Diphenylarsinoxyd mäßig opak. (In den Tabellen 
als „alkohol. Lösung“ bezeichnet.) Ä 


1) Uber den Einfluß verschiedener Substanzen auf Urease vgl. auch 
Naosuke Onodera, diese Zeitschr. 9, 544. 1915. Über Einwirkung von 
Aldehyden auf Urease vgl. M. Jacoby 85, 358. 1918. 

2) Diese Stoffe verdanke ich der Liebenswürdigkeit des Herrn 
Prof. F. Flury. 


Urease. Studium der Giftwirkungen. 129 


Um eine mögliche, wenn auch nicht wahrscheinliche Ver- 
schiebung der H-Ionenkonzentration durch die Arsenverbindungen 
zu entdecken, haben wir in einer Versuchsreihe (vgl. Tabelle X XV) 
die H-Ionenkonzentration mittels Konzentrationsketten zu. Be- 
ginn des Versuches bestimmt. Eine Änderung der H-Ionen- 
konzentration konnte durch die zugefügten Arsenverbindungen 
nicht beobachtet werden. Im Falle des Atoxyls konnte die H- 
Ionenkonzentration elektrometrisch auch bei ständiger Durch- 
leitung von Wasserstoff nicht festgestellt werden, da sich ein 
konstantes Potential nicht einstellte. 


Tabelle XXV. 


| дй | Phosphat- 


Nr. gemisch Substanz © be- | gefund. 8 8 
e е / m; 1:4; cem 5 rech- | (elek- | & 8 
—— | ccm ccm | net | trom.) | > 
1/ 10 a} 10 | 2,0 | Phenylarsinoxyd 0,2 1,63 rs 
| (wass. Lösung) 
1.0 2,0 | Phenylarsinoxyd 0,2 0,45 | 4,83 
| | (alkoh. Lösung) 
3 1,0 | 20 | Diphenylarsinchlo- | 0,2 н 0 
| rid (wäss. Lösg.) 
4} 1,0 | 2,0 | Diphenylarsinchlo- | 0,2 — | 0 
| rid (alkohol Lés.) 
5 | 1,0 2,0 Diphenylarsinoxyd 0,2 1,08 | 11,66 
| |. (wass. Lösg.) | 
6; 1,0 2,0 | Diphenylarsinoxyd ‘0,2 0,407 4,32 
| |  (alkoh. Lösg.) | 
71 1,0 | 20 | Arsenige Säure 0.2 2,23 | 23,92 
8i 10 | 2,0 моху 0,2 2,87 | 30,81 
9 10 , 2,0 Methylarsinoxyd 0,2 0,90 | 9,66 
10 | 1,0 2,0 Alkohol 1:4 0,2 2,05 | 22,11 
11“ 1,0 2,0 Destilliertes Wasser | 0,2 2,04 | 21,93 
12 1,0 2,0 Destilliertes Wasser | — — | 0 


AuBer den Kontrollen mit reinem Wasser wurden auch solche 
mit 20 proz. Athylalkohol angestellt, um Vergleiche mit den ,,alko- 
holischen Lösungen“ der Arsenverbindungen ausführen zu können. 

Wie ersichtlich, beeinträchtigen fast sämtliche Arsenverbin- 
dungen die Harnstoffspaltung durch Urease und zwar verschieden 
stark. Während in den Kontrollen ein Umsatz von über 20% 
erzielt wurde, ist in den Proben mit Diphenylarsinchlorid die 
Urease-Wirkung vollständig gehemmt, und sie erreicht in den 
alkoholischen Lösungen von Diphenylarsinoxyd und Phenyl- 
arsinoxyd bloß 4%, in den wässerigen Lösungen dieser Stoffe 
mit den minimalen gelösten Mengen etwa 10%. Methylarsinoxyd 


Biochemische Zeitschrift Band 111. | 9 


130 Р. Rona und P. György: 


hemmte gleichfalls die Urease- Wirkung, während Zusatz von 
Atoxyl und von arseniger Säure wirkungslos verlief. 

Ganz dieselben Resultate ergaben die folgenden zwei Ver- 
suchsreihen, die in den Tabellen XXVI und XXVII wieder- 


gegeben sind. Tabelle XXVI. 


. | Phospat- Urease- й 
Nr 1 gemisch Substanz lösung ver 
i 2%; ccm 3/,m; 1:2; ccm 1% 
| cem 


2,0 Phenylarsinoxyd | 
(wass. Lésung) | | 
2,0 ` Phenylarsinoxyd ı 03 , 3b 


2 0,98 | 10,6 
(alkoh. Lösung) | 
3 1,0 2,0 Diphenylarsinchlo- 0,3 Zu | 1,16 | 12,3 
| rid (wäss. Lösung) 
4 10 2,0 Diphenylarsinoxyd O, 3 Zu | 2,75 | 29,5 
| | (wäss. Lösung) | 
5 | 1,0 | 2,0 | Diphenylarsinchlo- , 0,3. 38 0,93 | 10,25 
| rid (alkoh. Lösg.) | 
6 10 2,0 Diphenylarsinoxyd оз 3% | 0,76 | 82 
| | (alkoh. Lösung) | | 
7 10 2.0 | Arsenige Säure 0,3 3h 3,96 | 42,55 
8 10 2,0 | Atoxyl 0,3 3 | 4,75 | 50,8 
9 10 2.0 Alkohol 20% ' 0,3 Zu | 4,53 | 48,45 
10 10 : 2,0 Destilliertes Wasser | 0.3 35 | 4,66 | 50,3 
11 | 1,0 | 2,0 | Destilliertes Wasser | 0,3 | gh 5,04 | 54,1 


ри (berechnet) = 7,00. 
Tabelle XXVII. 


m s — — m KE 


1 1,0 2,0 | Phenylarsinoxyd | 0,3 | A | 1,50 | 16,09 
! (wass. Lösung) | 

2 | 1,0 2,0 Phenylarsinoxyd 0,3 4h 0,51 5,5 
| (alkoh. Lösung) 

3 1,0 2,0 Diphenylarsinchlo- 0,3 4 1059 | 64 
| rid (wäss, Lösg.) 

4! 1,0 2,0 | Diphenylarsinoxyd | 0,3 | 4" | 1,91 | 20,5 
| (wäss. Lösung) | 

5 10 2,0 Diphenylarsinchlo- 0,3 | 4h 0,52 5,6 
| | rid (alkoh. Lösg.) 

6 1,0 2,0 | Diphenylarsinoxyd 0,3 4h 0,36 | 3,85 

(alkoh. Lösung) 

7 10 | 20 | Arsenige Säure оз 4 | 2,53 | 27,0 

8 1,0 2,0 | Atoxyl 03 | 40 | 3,47 | 37,2 

9 | 1,0 20 |Methylarsinoxyd . | 0,3 | 4% | 1,31 14,05 

10 1,0 2,0 | Alkohol 20% 0,3 4h 3,15 А 

11 | 1,0 2,0 | Destilliertes Wasser | 0,3 | 4" | 3,43 | 36,6 

12 | 1,0 2,0 Destilliertes Wasser | 0,3 4h 3,37 | 36,3 

13 1,0 2,0 | Destilliertes Wasser | — | 4% | — | 0 
Pa (berechnet) = 7,00. 


Urease. Studium der Giftwirkungen. 131 


Um den Einfluß der Giftkonzentration festzustellen, haben 
wir eine Reihe vorläufiger, orientierender Versuche mit ver- 
schiedenen Verdünnungen von Methylarsinoxyd angestellt. Es 
zeigte sich, daß bei der angewandten Versuchsanordnung die 
Hemmung noch stark ausgeprägt war bei 1 cem der 1%, 
Methylarsinlösung in 5,2ccm Gesamtvolumen, d.i. bei ca. 1 Milli- 
mol/Liter der Substanz; weniger deutlich ist sie bei der nächst- 
folgenden Verdünnung von 0,5 Millimol, bei 0,25 Millimol ist sie 
nicht mehr nachweisbar. Bei 1 und 2 Millimol war, wenigstens 
nach den bisherigen Beobachtungen, ein Unterschied in der Wir- 
kung nicht zu beobachten. 


Tabelle XXVIII. 


Ké Phospat- | Methylar- Urease- Ver 
Nr. lösung gemisch sinoxyd lösung Destill. inchi: 
2% Im: 1:2; 1% 1% Wasser Auer 
ccm ccm | cem ccm | 

1 1,0 2,0 2,0 0,3 — 3h 
2 1.0 2,0 1,0 0,3 1,0 3h 
3 | 1,0 2,0 0,5 0,3 1,5 3h 
4 1,0 2,0 0,25 0,3 1,75 3h 
5 | 1,0 2,0 0,125 0,3 1,875 | 3b 
6 | 1,0 2,0 0,0625 0,3 1,94 on 
7 1,0 2,0 — 0,3 2,4 Zn 


pn (berechnet) = 7,00. 


3. Ein anderes, einer anderen Fermentgruppe angehörendes 
Ferment, die Esterase des Blutserums, läßt sich mit der Tropf- 
methode von Rona und Michaelis ebenfalls bequem genau in 
ihrer Wirkung verfolgen. Wir zogen daher auch dieses Ferment 
in den Kreis unserer Untersuchungen. Verwendet wurden Ka- 
ninchen- und Meerschweinchenserum 10fach verdünnt, ent- 
weder mit Wasser oder mit der entsprechenden Giftlösung. Als 
solche benutzten wir die oben erwähnten Arsen verbindungen. 
Die Lösungen blieben ½ bis 1 Stunde mit dem Serum zusammen, 
dann erfolgte die Vermischung von 1 cem dieser Verdünnung 
mit 50 cem einer frisch hergestellten, gesättigten wässerigen 
Tributyrinlösung, die außerdem noch das zur optimalen Reaktion 
nötige Phosphatgemisch (1:7) enthielt. Die erste Tropfenzählung 
erfolgte sofort nach der Vermischung und wurde nach !/, 1, 2, 
in einigen Fällen 3 Stunden wiederholt. 

Wie in den Versuchen mit Urease, konnte auch bei Lipase 
eine starke Schädigung durch Arsenverbindungen festgestellt 


dh 


132 Р. Rona und P. György: 


werden. Im Gegensatz zu Urease wirkten aber Atoxyl und arse- 
nige Säure stark hemmend auf die Lipase, während bei Methyl- 
arsinoxyd keine Wirkung nachzuweisen war. Die übrigen Verbin- 
dungen verhielten sich ähnlich wie in den Versuchen mit Urease; 
auch hier waren die ‚alkoholischen Lösungen“ von Dimethyl- 
arsinoxyd und -chlorid viel wirksamer, als in der rein wässerigen. 
Über interessante quantitative Beziehungen zwischen Atoxyl 
und Lipase wird weiter unten!) ausführlich berichtet werden. 


Tabelle XXIX. Kaninchenserum-Lipase. 


Tropfenzahl nach 


Nr. | Substanz 
| 15’ | 1а 2 


1 | Diphen Geet 
(alkoh. Lösung) 

2 || Arsenige Säure 

3 | Atoxyl 

4 | Methylarsinoxyd 

5 | Alkohol 10% 

6 | Destilliertes Wasser 


Wasserwert der Capillare: 99 Tropfen; Tributyrinwert: 144 Tropfen. 


Tabelle XXX. Kaninchenserum-Lipase. 
Nr 


| Substanz Tropfenzahl nach рл 
-n sofort] m | аъ | i th 


1 || Methylarsinoxyd (wäss. Lösung) 

2 || Diphenylarsinchlorid (wäss. Lösg.) 
3 || Diphenylarsinchlorid (alkoh. Lösg.) 
4 || Diphenylarsinoxyd (alkoh. Lösg.) 
5 
6 
7 


Methylarsinoxyd 
Alkohol 10% 
Destilliertes Wasser 


Wasserwert der Kapillare: 99 Tropfen; Tributyrinwert: 147 Tropfen. 
Tabelle XXXI. Menschenserum-Lipase. 


Tropfenzahl nach Umsatz 
sofort 15“ | Ih | gn in % 


Substanz 


1 | Phenylarsinoxyd (alkoh. Lösg.) | 132 | 127 | 125 | 125 | 2 
2 | Phenylarsinoxyd (wäss. Lösg.) 130 | 129 | 128 | 127 | 22 
3 | Diphenylarsinchlorid (wäss. Lösg.) | 133 | 128 | 123 | 118 | 47 
5 Diphenylarsinoxyd (wäss. Lösg.) | 133 | 129 | 127 | 118 | 47 


Arsenige Säure 133 | 128 | 128 | 127 | 22 
e Atoxyl . 130 | 129 | 129 | 128 | 21,5 
7 || Destilliertes Wasser 129 | 123 | 120 | 116 | 50 


Wasserwert der Capillare: 95 Tropfen; Tributyrinwert: 135 Tropfen. 
1) Vgl. S. 166. 


Urease. Studium der Giftwirkungen. 133 


Tabelle XXXII. Menschenserum-Lipase. 


Nr. Substanz Tropfenzahl nach { үш 
sofort 15° | 1һ | 20 | am in % 
1 | Phenglarsinoxys 140 | 136 | 134 | 130 | 124 53,5 
(wäss. Lösung) 
Phenylarsinoxyd 142 | 140 | 132 | 131 | 130 36,6 
(alkoh. Lösung) 


3 | Diphenylarsinchlo- 143 | 132 | 128 | 126 122 57,0 
rid (wäss. Lösg.) 

Diphenylarsinoxyd 142 | 138 | 128 | 126 | 115 69,0 
(wäss. Lösung) 

Diphenylarsinchlo- 142 | 140 | 132 | 124 | 120 60,6 
rid (alkoh. Lösg.) 

6 | Destilliertes Wasser | 140 | 137 | 128 | 120 | 111 76,5 


Wasserwert der Capillare: 99 Tropfen; Tributyrinwert: 144 Tropfen. 


> 


Zusammenfassung. 


1. Das Optimum der Sojabohnen-Urease wurde, in Uber- 
einstimmung mit den Angaben anderer Forscher, bei pe = 7,3-7,5 
gefunden. | 

2. Der уоп M. Jacoby zuerst beschriebene fördernde Ein- 
fluß des Serums auf die Urease-Wirkung tritt nur bei langdauern- 
den Versuchen auf. 

3. Eine fördernde Wirkung von Aminosäuren, eine hemmende 
von Wasser und Kochsalz konnte nicht gefunden werden. 

4. Die Wirkung einer Reihe organischer Arsenverbindungen 
auf Urease und Lipase wurde untersucht und auf die allgemeine 
Bedeutung der Fermente zum Studium der Giftwirkungen hin- 
gewiesen. 


Beiträge zum Studium der Giftwirkungen. 


Versuche über die Giftwirkung des Thiodiglykols und seiner 
Derivate an Sojabohnenurease. 


Von 
P. Rona und H. Petow. 


(Aus dem Kaiser Wilhelm-Institut für physikalische Chemie und Elek- 
trochemie, Berlin-Dahlem.) 


(Hingegangen am 1. September 1920.) 
Mit 6 Abbildungen im Text. 


I. 


Die Giftigkeit der Halogenderivate des Thiodiglykols ist 
zuerst von Viktor Meyer!) beschrieben worden. Auf seine 
Veranlassung angestellte Versuche ergaben, daß Thiodiglykol 
gar nicht oder doch nur wenig giftig ist, daß aber seine Chlor- 
derivate um so giftiger sind, je mehr Chlor das Molekül ent- 
hält. Über den Symptomkomplex der Vergiftung mit diesen 
Stoffen ist in letzter Zeit eine überaus reiche Literatur ent- 
standen, auf die hier nicht eingegangen werden soll. Heub ner?) 
nennt die Erkrankungen, die diese Gifte verursachen ,,Muster- 
beispiele krankhafter Veränderungen, bei denen die pharma- 
kologische Analyse der Giftwirkung zugleich der Formung, Ent- 
wicklung und Befestigung allgemein-pathologischer Begriffe dient.“ 
Die esterartigen Derivate des Thiodiglykols zerfallen in Wasser 
ziemlich schnell hydrolytisch unter Abspaltung von Säure. Es 
liegt daher nahe, ihre Giftwirkung wenigstens zum Teil auf die 
in den Zellen entstehende Säure zurückzuführen. Der exakten 
Prüfung dieser Annahme stellen sich jedoch mancherlei Schwierig- 
keiten entgegen. Man kann das Schicksal, das diese Stoffe in 


1) Ber. d. deutsch. chem. Ges. 1888 und 1889. 
2) Vgl. Naturwissenschaften 8, 247. 


P. Rona u. H. Petow: Giftwirkung d. Thiodiglykols usw. auf Urease. 135 


der Zelle erleiden, nicht so verfolgen wie im Reagensglase. Es 
ist daher im folgenden versucht worden, ihre Wirkung an einem 
übersichtlicheren System zu untersuchen, als es die lebende Zelle 
ist, an einem Ferment nämlich, das leicht zu handhaben, dessen 
Wirkungsgrad bequem und exakt festzustellen und das gegen 
Änderungen der Wasserstoffionenkonzentration genügend emp- 
findlich ist. Wir wählten nach diesen Gesichtspunkten die Soja- 
bohnenurease. Ihr Wirkungsgrad ist recht genau festzustellen, 
indem man die Menge des aus Harnstoff entstandenen Ammoniaks 
bestimmt. Ihre Empfindlichkeit gegen Reaktionsänderungen ist 
groß. Das Reaktionsoptimum der Urease liegt zwischen py 7,3 
und 7,6. Unterhalb pg 7,2 und oberhalb pg 7,7 fällt die Kurve 
steil ab 1). Außerhalb des optimalen Gebietes genügen recht geringe 
Änderungen der Wasserstoffionenkonzentration, um den Wir- 
kungsgrad des Fermentes stark zu verkleinern. Unsere Versuche sind 
als Modellversuche gedacht. Auch aus anderen Gründen schien 
es von Bedeutung zu sein, die Wirkung dieser Gifte gerade auf 
ein Ferment zu untersuchen. Wir stellten uns vor, daß Stoffe, 
die in so geringen Mengen so große physiologische Wirkung ent- 
falten, wie die Halogenderivate des Thiodiglykols, im. Organismus 
chemische Verbindungen angreifen müssen, die für das Leben 
von ausschlaggebender Bedeutung sind, und zu deren Zerstörung 
geringste Quantitäten des Giftes genügen. Solche Verbindungen 
dürften die Fermente sein. Gifte, die elektiv gewisse Fermente 
ausschalten, müßten in der Tat in sehr geringen Mengen deletäre 
Wirkungen zeitigen. Zeigten sich die untersuchten Stoffe als 
Fermentgifte, so konnte man andererseits hoffen, auch über das 
Ferment etwas zu erfahren. 
Wir untersuchten folgende Verbindungen: 

Thiodiglyk®l (Th.) Dichlordiäthylsulfid (Dels.) Tetrachlordiäthylsulfid (Tcls.) 


/CH,— CH,OH x CH, — CH, Cl / CHCI = CH, Cl 

8 8 8 

\CH,—CH,0H "cp, CHA HCI CH, Cl 
Thiodiglykolacetat (Tha.) Sulfon 


oll. cr. CH. O0. неон 
2 
\CH,—CH,(CH,CO,) CH. CH. Cl 
Mit Ausnahme der letzten sind sie alle ölige Flüssigkeiten. 
Das Sulfon ist fest. Da diese Stoffe mit Ausnahme des Thio- 


1) Vgl. hierzu S. 119, dann vor allem: Barendrecht l. с. 


136 P. Rona und H. Petow: 


diglykols in Wasser wenig löslich sind, behandelten wir sie so, 
daB wir geringe Mengen in wenig 90 proz. Alkohol lösten. Bringt 
man die alkoholische Lösung in Wasser, so fallen die gelösten 
Körper zwar zum Teil auch aus, aber es resultiert doch eine 
feinere Verteilung, als wenn man sie direkt in Wasser gebracht 
hätte. 


II. 


Wie schon erwähnt, zerfallen die Ester des Thiodiglykols 
in Wasser unter Abspaltung von Säure. Wir suchten uns deshalb 
zunächst Klarheit darüber zu verschaffen wie schnell und in 
welcher Weise die Hydrolyse vor sich geht. Wir bedienten uns 
dazu der Methode der elektrolytischen Leitfähigkeitsmessung 
nach Kohlra usch, indem wir beobachteten, wie die Leitfähigkeit 
sich ändert, wenn man eine gewogene Menge des Giftes in Wasser 
löst. In dem Maße, in dem die untersuchten Stoffe Säurereste 
abspalten, muß die elektrische Leitfähigkeit der Lösung wachsen. 
Unter der berechtigten Voraussetzung, daß der Elektrizitäts- 
transport so gut wie ausschließlich durch die entstandene Säure 
geleistet wird, kann man aus der Leitfähigkeit die jeweilig vor- 
handene Menge Säure berechnen. 


Versuchsanordnung. 


In einem Elektrodengefäß von bekannter Widerstandskapazität 
wird der Widerstand von Leitfähigkeitswasser (Kahlbaum) gemessen zu 
mehr als 50000 Ohm. In eine abgemessene Menge dieses Wassers wird 
eine genau abgemessene Menge der alkoholischen Giftlösung gebracht und 
in demselben Elektrodengefäß bei Zimmertemperatur der Widerstand 
von 2 zu 2 Minuten gemessen. Wir gewannen so eine Anzahl von Werten. 
Nach 24 Stunden wurde noch einmal der Widerstand Beet um den 
Endwert zu erhalten. 

. 1. Thiodiglykol (Th.), ca. 0,02 g Th., in 1 cem 90 proz. Alkohol gelöst, 
werden zu 19 ccm Leitfähigkeitswasser in das Elektrodengefäß gegeben. 
Eine Trübung entsteht nicht. Temperatur rund 19°. 

Der Widerstand ändert sich nicht. Er beträgt noch nach 48 Stunden 

ca. 50 000 Ohm. 

2a. Dichlordiäthylsulfid (Dels.), 0,1513 д Dels. werden in 7 ccm 
90 proz. Alkohol gelöst. I ccm davon wird іп 100 ccm Wasser, dessen Wider- 
stand zu über 50000 Ohm gemessen ist, gegeben. Es entsteht eine 
milchige Trübung, die schnell vergeht. Temperatur ca. 19°. Konstante 
des Elektrodengefäßes 0,47. Die 100 cem Wasser enthalten 0,0216 g Dels. 
= 13,6 - 10-5 Grammolekiile. 


Giftwirkung des Thiodiglykols usw. auf Urease. 137 


Nach 4 Min. ist der Widerstand gesunken auf ca. 2900 Ohm 


9 6 99 з э zg 99 575 2 2200 ‚э 
99 8 nm эз ээ H 99 nm ээ 1550 55 
9 10 5 » } 99 „ > ээ „э 
ээ 12 „ nm ээ э ” IT 1100 d 
ээ 14 99 ээ ээ 5 nm nm ээ 990 99 
ээ 16 „э эз ээ d | 99 эя ээ 900 99 
„э 18 5 nm ээ э 99 nm sm 825 „э 
ээ 20 99 эз ээ э | » nm 2 185 ээ 
52 22 ” nm 7 „э i d sp „» 745 ” 
„э 24 9 > э „ з „ 716 d 
ap 28 „э э ээ ээ „э nm „ 615 „э 
„ 24 Stdn. „ „ ge e „ „ 515 „ 


Die Anfangs werte sind nicht sehr genau, da infolge der raschen Anderung 
des Widerstandes und der geringen Elektrolytkonzentration die Minima des 
Telephontones nicht sehr scharf ` Gen 
waren. DieWiderstandswertesind ” 
durchweg auf 5 abgerundet ange- Kä 
geben. Trägt man die gefundenen ne 
Werte in ein Koordinatensystem, 
dessen Abszisse die Zeit darstellt, % 
wahrend seine Ordinate die ge- 
messenen Werte des Widerstandes 7900 
in Ohm wiedergibt, so resultiert 
eine stetige Kurve von der Ferm 400 
einer Exponentialkurve (Abb. 1). 

Bedeutet a die anfangs pro 1 ccm Lésungsmittel vorhandene Menge 
Dels. = 13,6 - 10-7 Mol./1 com und жх den jeweils zerfallenen Teil 
davon, so gilt unter der Voraussetzung eines monomolekularen Zerfalles 


log eu. kt (wo k eine Konstante, t die Zeit in Minuten ist). In folgen- 


der Tabelle sind die zu den angegebenen Zeiten berechneten Mengen HCI (7), 
die jeweils zersetzten Mengen Dols. (z), der jeweils noch vorhandene Teil 


Dels. (a—z) und die Werte der Funktion log — zusammengestellt. 


8 
24 Stunden 24,57 


138 


Trägt man die Werte von log 


P. Rona und H. Petow: 


a 
deed: o 


in ein Koordinatensystem ein, 


dessen Abszisse die Zeit bedeutet, so liegen sie mit genügender Genauigkeit 
auf einer Geraden (Abb. 2). 

Die Konstante der Reaktionsgleichung berechnet sich nach der Me- 
thode der kleinsten Fehlerquadratsumme zu 0,01867: 


Abb. 8. 


Berechnet man mit dieser Konstante die Werte für kt, so zeigt sich eine 
große Übereinstimmung mit den aus den gemessenen Widerständen auf dem 


oben angegebenen Wege berechneten Werten für log 


a 
а — x 


, wie folgende 


Tabelle und Kurve (Abb. 3) zeigt. 


a 
___47% ___ 


0,078 
0,112 
0,149 


0,224 
0,261 
0,299 
0,336 
0,373 
0,410 
0,448 


0,523 


Die Kreuze in der Kurve bedeuten die Werte 
für æ, die aus log — berechnet wurden, die Kreise 


die Werte für z, die aus bt berechnet wurden. 

Nach 24 Stunden waren von 13, 6-10 5 g Mole- 
küle Dols., die anfangs vorhanden waren, 12,29 · 10-5 
zersetzt, d. h. praktisch alles. 

2 b) Ein Tropfen Dels. wird in 1 ccm 90 proz. 
Alkohol gelöst und mit 100 cem Wasser, das auf 
2° abgekühlt ist, verdünnt und die Widerstände bei 
derselben Temperatur gemessen. Der Widerstand 
ändert sich unmeßbar langsam. Er beträgt nach 
1 Stunde ca. 30000 Ohm. 

2 с) 0,0225 Dels. = 14,0. 10 5g Moleküle werden 
in 1 com 90 proz. Alkohol gelöst und mit 100 com 


Wasser verdünnt, das auf 10° abgekühlt ist, und die Widerstände wiederum 
bei etwa 10° von 2 zu 2 Minuten gemessen. 


Nach 6 Min. ist der Widerstand gesunken auf ca. 6200 Ohm 


8 
10 
12 
14 
16 
18 


39 


LE 99 LA ээ 99 5150 Le 
ээ ээ 99 ээ 99 4100 ээ 
99 99 ДА ээ 99 3550 ээ 
ээ э? 99 99 97 3090 ээ 
ээ ээ ээ H 99 2670 ээ 


Giftwirkung des Thiodiglykols usw. auf Urease. 139 


Nach 20 Min. ist der Widerstand gesunken auf ca. 2170 Ohm 


ээ 22 LE ээ 92 99 99 ээ LA 1975 ээ 
LE 24 99 ээ 99 99 ээ ?9 ээ 1800 99 
99 30 ээ ээ 99 ээ ээ ээ ээ 1525 ээ 
39 40 99 ээ LA ээ | LE 99 LEI 1160 99 


Berechnet man aus diesen Werten wie oben jeweils zersetzte Menge 


Gift (z) und bildet daraus die Funktion y = log 
1 ccm vorhandene Menge Посів. be- 
deutet, und trägt diese Werte in ein 
Koordinatensystem, dessen Abszisse 
die Zeit angibt, so liegen die Werte 
wiederum auf einer Geraden. Folgende 
Tabelle faßt die Werte von z, a— z, 


log 


, wo a die anfangs pro 


zusammen. 
a— x 


Die Konstante berechnet sich 
hierzu 0,0049. Die damit berechneten 
Werte von kt sind in der Tabelle unter der Rubrik 4 (kt) eingetragen. Die 
Übereinstimmung mit den gemessenen Werten ist vollkommen (Abb. 4). 


Abb. 4. 


k-t 
0,039 
0,049 
0,059 
14 2,00 0,066 0,069 
16° 2,32 0,078 0,078 
18 2,56 0,087 
20 2,85 0,098 0,098 
22 3,13 0,109 0,108 
24 3,44 0,121 0,118 
30 4,06 0,147 0,147 
40 5,33 0,206 0,196 
Die Reaktionskonstante ändert sich also zwischen 10° und 20° im 
0, 0049 1 
Verhältnis 0,0187 3.8 : 


2d) O, 0228 g Dols. werden in 1 ccm 90 proz. Alkohol gelöst und mit 
50 ccm Wasser von 20° verdünnt. 

Nach ca. 10 Minuten ist der Widerstand gesunken auf 505 Ohm. 
Nach 20 Minuten auf 340 Ohm. Zersetzt sind nach10 Minuten also 12, 25.10 7 
nach 20 Minuten 18,19. 10 7 Mol. pro 1 ccm. 

Die Reaktionskonstante berechnet sich zu 0,0196, steht also in guter 
Übereinstimmung mit dem oben gefundenen Werte. Sie ist also unabhängig 
von der Wassermenge. 

Dasselbe zeigt folgender Versuch: | 

2e) 0,1538 g Dels. werden in 7 ccm Alkohol gelöst und je 1 ccm bei 
Zimmertemperatur (21°) mit verschiedenen Mengen Wasser verdünnt. 


140 Р. Rona und Н. Petow: 


Nach 24 Stunden ist in allen Fällen unabhängig von der Wassermenge 
praktisch alles zerfallen. Der nach 24 Stunden abgelesene Widerstandswert 
ist konstant. (Nach 48 Stunden kaum verändert.) Folgende Tabelle gibt 
die Werte. Die in der 5. Reihe angegebenen Zahlen des berechneten Grenz- 
widerstandes sind die Werte, die sich theoretisch ergeben müßten, wenn 
die in der ersten Reihe verzeichneten Mengen Dels. vollkommen zer- 
fallen wären. 


Camm Wasser | 1 ушым „ 2 е2 
И ани ene A 
0,022 200 875 Ohm 850 Ohm 885 100 
0,022 100 440 „ 427 „ 400 100 
0,022 50 233 „ 227 „ 220 100 
0,022 40 186 „ 180 „ 184 100 
0,022 30 160 „ 140 „ 143 100 
0,022 20 114 „, 103 „ 90 fast 1100 
0,022 10 58,5 „ 57 „ 46,8 100 


Die Frage, inwiefern ein Überschuß von Th. den Zerfall von Dels. beein- 
flußt, sucht folgender Versuch zu beantworten: 

2 f) 0,0228 р Dels. sind in 1 ccm Alkohol gelöst und in 100 ccm Wasser, 
in dem schon 10 Tropfen — etwa 0,2g — Th. gelöst sind, verdünnt. 
Temperatur 20°. 

Die Tabelle (vgl. Abb. 5) gibt die Werte für den gemessenen Widerstand. 
In der 3. Reihe sind die daraus berechneten Werte für die jeweils zerfallene 


Menge Dels., in der 4. Reihe die Werteder Funktionen log 2 


a— zr 
Die Reaktionskonstante berechnet sich daraus zu 0,0223. 


eingetragen. 


Minuten; Ohm | г | log а 

er FFF 
4 2100 — — 
6 1500 — — 
8 1185 — — 
10 | 1025 | 6,03 0,238 
12 905 | 6,83 0,282 
14 -820 | 7,54 0,325 
16 775 | 7,98 0,355 
18 730 | 8,47 0,390 
20 700 | 8,84 0,418 
30) 626 — = 

24Std.| 510 | 12,13 — 


Die Anwesenheit von Th. verlangsamt die Reaktion demnach nicht 
merklich. Nach 24 Stunden ist alles Dels. zersetzt. 

3. Tetrachlordiäthylsulfid (Tels.). 0,0187 g werden in 1 cem 
90 proz. Alkohol gelöst und mit 100 cem Wasser verdünnt. Es entsteht in 
dem Wasser sofort eine gelbliche Trübung, die nicht vergeht, sondern eher 


Giftwirkung des Thiodiglykols usw. auf Urease. 141 


stärker wird. Temperatur rund 19°. Gefäßkonstante 0,47. Folgende 
Tabelle verzeichnet die gemessenen Widerstände und die daraus ebenso 


‚ Minuten Ohm |z- 107| (a—z)107| log —* — 
Ii aA 
4 1250 2,47 5,73 0,156 
6 1050 2,94 5,26 0,193 
8 | 920 | 3,36 4,84 0,229 
10 | 850 | 3,64 | 4,56 0,255 
12 | 810 | 3,82 | 4,38 0,272 
14 | 780 | 3,96 | 4,24 0,286 
16 | 765 | 404 | 416 0,246 

735 | 4,21 | 3,99 0,313 
24 Std.“ 580 | 5,33 | 2,87 


wie oben berechneten Mengen des jeweils zersetzten Giftes. Hierbei 
wurde die Voraussetzung gemacht, daß jedes Molekül Tcls. 4 Atome Cl 
abspaltet. Reihe 4 gibt die Werte der Funktion (a— x), Reihe 5 die 
S а = 0,0187 g in 100 ccm entsprechend 8,2. 10 7g Moleküle 
pro 1 ccm. 
Die Widerstände liegen auch hier auf einer ähnlich gebildeten Kurve 
wie bei Dels. (Abb. 6). Trägt man die f 
Werte von log = 
a— х 
tensystem, so liegen sie aber nicht auf 
einer Geraden, sondern auf einer stetig 7000 
gekrümmten Kurve. Der Typus der 
Zerfallsreaktion ist demnach nicht der 600 
einfach monomolekulare. Die Zersetzung 
ist hier sicher komplizierter; wahrschein- Abb. 6. 
lich wird dabei auch Schwefel ab- | 
gespalten. Nach einigen Stunden findet sich ein gelber, pulverförmiger 
Niederschlag auf dem Boden des Glases, in dem das Tels. zerfallen ist. 
Nach 24 Stunden sind nach der Äquivalentleitfähigkeit 21, 32 - 1077р Mol 
НСІ pro 1 ccm vorhanden, während, wenn die ganze Menge Ci des Giftes 
als Ion abgespalten wäre, 32,8:10-? g-Mol. HCl in der Lösung sein müßte. 
Es sind demnach nur höchstens 65%, des Cl als Ion in die Erscheinung 
getreten. 


4. Thiodiglykolacetat (Tha.). ca. 0,20 g Tha. werden in 10 ccm 90- 
proz. Alkohol gelöst. 1 ccm davon wird zu rund 20 ccm Leitfähigkeitswasser 
in das Elektrodengefäß gebracht. Eine Trübung entsteht nicht. Tem- 
peratur 19°. Der Widerstand ändert sich zunächst nicht meßbar. Nach 
24 Stunden beträgt er noch etwa 17000 Ohm. In diesem Falle ist jedoch 
die angewandte Methode zur Feststellung einer Zersetzung der Verbin- 
dung naturgemäß nicht gut brauchbar. 


5. Das Sulfon. 0,12 g Sulfon werden in 6 ccm 90 proz. Alkohol gelöst 
Es löst sich erst nach längerem Schütteln. 1 ccm davon wird zu 20 ccm 


von log 


e e е 2 
in ein Koordina- 7200 


4 8 72 16 Z0 Minuten 


142 P. Rona und H. Petow: 


Wasser in das Leitfähigkeitsgefäß gegeben. Temperatur rund 19°. Der 
Widerstand ändert sich nicht. Er beträgt noch nach 72 Stunden ca. 
50 000 Ohm. Das Sulfon gibt also keinen Elektrolyten ab. Es scheint 
demnach der Sauerstoff am Schwefel das Molekül zu stabilisieren. 


III. 


Nachdem wir uns derart einen Einblick in das Schicksal, 
das die untersuchten Stoffe in Wasser erleiden, verschafft hatten, 
konnten wir daran gehen, ihre Wirkung auf unser Ferment zu 
studieren. 


Die Urease wurde nach der Vorschrift von van Slyke - Cullen her- 
gestellt. Aus der gewonnenen trockenen Substanz stellten wir für jeden 
Versuch frisch eine Fermentlösung her, indem wir einige Dezigramme 
mit der 50- oder 100fachen Menge destillierten Wassers aufschwemmten, 
einige Stunden unter häufigem Schütteln bei 35—45° stehenlieBen und 
abfiltrierten. Wir bezeichnen diese Fermentlösung in der Folge als ein- 
bzw. zweiprozentig, je nachdem die 50- oder 100fache Menge Wasser 
benutzt war. 


Die Versuche wurden im allgemeinen so angesetzt, daß wir in 
einemGesamtvolumen von 10 cem, 1 ccm 2 proz. oder 2 cem 1 proz. 
Ureaselösung mit 1 ccm 2 proz. oder 3 proz. Harnstofflösung, die 
ebenfalls täglich frisch hergestellt wurde, mischten. Dazu wurden 
wechselnde Mengen bis höchstens 1 ccm alkoholische Giftlösung 
gegeben. In den Kontrollen wurde die gleiche Menge Alkohol 
ohne Giftzusatz zugegeben. Der Rest des Gesamtvolumen bestand 
aus destilliertem Wasser oder einem Gemisch von / primärem 
und sekundärem Natriumphosphat. Durch letzteres wurde die 
Reaktion geregelt. 


Die alkoholische Giftlösung wurde täglich frisch kurz vor Ansetzen 
der Versuche bereitet. Wir stellten zunächst das durchschnittliche Tropfen- 
gewicht unserer Stoffe fest, indem wir wiederholt einige Tropfen in ver- 
schlossenen Wageschälchen auswogen und das Gemisch durch die Tropfen- 
zahl dividierten. Ein Tropfen der von uns untersuchten Stoffe wiegt rund 
0,02 g. Von den festen Stoffen wogen wir Mengen von derselben Größen- 
ordnung ab. Die Reihenfolge, in der wir die Reagenzien mischten, war 
im allgemeinen ohne Pause: Urease, Gift, Harnstoff. Bei einigen besonders 
erwähnten Versuchen ist davon abgewichen worden. Nach der Mischung 
blieben die Versuche 2 Stunden bei Zimmertemperatur gut verkorkt stehen. 
Darauf wurde der Fermentprozeß unterbrochen, indem zu jedem Versuch 
20 ccm 0,1 n-HCl-Lösung pipettiert wurde. Das Gesamtvolumen wird 
dadurch auf 30 ccm vermehrt. In je 10 ccm wurde die entstandene Menge 


Giftwirkung des Thiodiglykols usw. auf Urease. 143 


Ammoniak gemessen. Das Ammoniak wurde im Mikro-Kjeldahl-Apparat 
in der Anordnung von Ivar Bang mit Wasserdampf in eine Vorlage von 
0,01 n-HCl-Lösung überdestilliert, nachdem die Analysenprobe im ge- 
schlossenen Apparat mit Soda (10% Soda in 10proz. NaCl-Lösung) gegen 
Neutralrot eben alkalisch gemacht war. Die Vorlage wurde jodometrisch 
titriert. Der Fehler dieser Methode beträgt nach Ivar Bang bei der Destil- 
lation einiger Milligramm Ammoniak höchstens 0,07 mg NH. Unsere Vor- 
versuche ergaben dasselbe Resultat. Da wir nun zu einer Destillation den 
3. Teil des Gesamtvolumens benutzten, tritt bei Berechnung des Gesamt- 
umsatzes der evtl. Fehler dreifach vergrößert in Rechnung. Wir haben 
deshalb mit einem Gesamtfehler von 0,3 mg gerechnet und nehmen 
im folgenden eine Hemmung nur dann an, wenn die Differenz gegen die 
Kontrolle diese Fehlergrenze übersteigt, und wenn diese Differenz bei 
öfterer Wiederholung des Versuches immer wieder beobachtet wurde. 
Bei einer großen Anzahl von Versuchen haben wir die Wasserstoffionen- 
konzentrationen gemessen, soweit es anging, elektrometrisch gegen eine 
gesättigte Kalomelelektrode. Wir benutzen dazu eine Durchströmungs- 
elektrode nach Michaelis. Bei Lösungen, die Gift, besonders Dels und Tels 
enthielten, versagte aber die elektrische Methode, weil das Potential sich 
nicht richtig einstellte, sei es deshalb, weil das Gift die Elektrode vergiftet, 
sei es, weil es die Wasserstoffatmosphäre verunreinigt. Bei diesen Lösungen 
maßen wir die Reaktion kolorimetrisch nach der Methode von Michaelis, 
bei alkalischer und neutraler Reaktion mit m-Nitrophenol als Indicator, 
bei saurer mit p-Nitrophenol oder mit Dinitrophenol. Die Werte, die diese 
Methode gibt, stimmen (in den Fällen, wo ein Vergleich möglich ist) mit 
den elektrometrisch gemessenen sehr gut überein. Eine Differenz macht 
sich meist erst in der zweiten Dezimale geltend. Alle Versuche sind doppelt 
angesetzt, und nur solche Versuche sind verwendet, bei denen die Kon- 
trollen gute Übereinstimmung ergaben. 


I. Thiodiglykol. 


Einige Tropfen Thiodiglykol sind in so viel ccm 90 proz. Alko- 
hol gelöst, daß 1 ccm Alkohol 2 Tropfen (ca. 0,04 g) enthält. 
lccm dieser Lösung wird zum Versuch benutzt. Die weitere 
Anordnung ergibt sich aus dem oben Mitgeteilten und aus 
folgender Tabelle. In zwei besonderen Gläsern Nr. 1 und Nr. 4 
wurde kurz vor Unterbrechung des Versuches, also 2 Stunden 
nach Ansetzen der Mischung, die [H'] gemessen (kolorimetrisch). 
Die Lösungen enthalten keine Puffer. 

Die Reaktion ist nach 2 Stunden stark alkalisch (pa = 9,50 und 9,57). 
Es sind in allen Gläsern 77—80%, des Harnstoffs gespalten. Die maximale 


Differenz zwischen den einzelnen Werten beträgt 0,36 mg N, übersteigt also 
nicht die Fehlergrenze. 


144 P. Rona und H. Petow: 


f! 


Dest. 
Nr. — — 2 Urease Hare Umsatz 
| ccm Gem | ccm | Tropfen] сс cem — mg N % [relativ 


1 7 1 1 Alkohol — 
90% 
2 7 1 1 ə — 1 
3 7 1 1 e — | d 
4 7 1 1 Thiodi- 2 1 
glykol 
5 7 1 1 = 2 1 
6 7 1 1 A 9 2 1 


Resultat: Thiodiglykol hemmt die Urease (їп pufferfreier 
Lésung) nicht. 


Der nächste Versuch wurde in einem Gemisch von primä- 
rem und sekundärem Phosphat im Verhältnis 1:2 angesetzt. 
Die Reaktion der Mischung ist elektrometrisch gemessen 
Рн = 7,06. In einem besonderen Glase wurde die Reaktion, 
nachdem Urease und 1 ccm Alkohol zugesetzt waren, noch einmal 
kolorimetrisch bestimmt (Nr. 3) und рд = 7,12 gefunden. In zwei 
anderen Gläsern, deren Inhalt wie die übrigen zusammengestellt 
ist, wurde 2 Stunden nach Ansetzen, kurz bevor die zur Analyse 
bestimmten Versuche unterbrochen wurden, die [H] wiederum 
kolorimetrisch gemessen (Nr. 4 und 5) und pg zu 7,47 und 7,42 ge- 
funden. Auch hier ist die Mischung alkalischer geworden, aber 
bei weitem nicht in dem Maße wie bei dem pufferfreien Versuch. 

In allen G-dsern sind 62—67% des Harnstoffes gespalten. 
Die maximale Differenz liegt innerhalb der Fehlergrenze. 


Tabelle II. 


Phosphat 
Aa Mol. Umsatz 
Nr. 1 prim :2sek. 


orher nachher] mg №) % 'relativ 


[Tropfen] ccm 


Alkohol 
90% 


fe 


Thiodi- 
glykol 
39 


WI 


Resultat: Thiodiglykol hemmt Urease nicht. 


IN NAUN = 


rr м | | | 
м Fe 


Giftwirkung des Thiodiglykols usw. auf Urease. 145 


Ganz ähnlich sind die folgenden Versuche zusammengestellt. 
Alle enthalten starke Phosphatpuffer von neutraler bis leicht 
alkalischer Reaktion. 

Bei allen diesen Versuchen ergibt sich, daß in allen Gläsern, 
mit und ohne Thiodiglykol, gleich viel Harnstoff gespalten ist 
(siehe die folgenden Tabellen). Überall liegen die Differenzen 
innerhalb der Fehlergrenzen. Bei dem letzten dieser Versuche 
hatte das Thiodiglykol ca. 20 Stunden auf die Urease eingewirkt, 
ehe zum Schluß Harnstoff zugefügt wurde. | 

Als Resultat also ist festzustellen, daB Thiodiglykol fir 
Urease weder in pufferfreier noch in pufferhaltiger Lésung giftig ist. 

Versuch 3: Die Giftlösung enthält “2 Tropfen in 1 ccm Alkohol. 
0,5 ccm davon werden zu jedem Versuch benutzt. In Nr. 1 und 2 werden 
Urease, Harnstoff und Gift kurz hintereinander in die Phosphatmischung 


gebracht. In Nr. 3 und 4 folgt der Harnstoff 2 Stunden, nachdem Ferment 
und Gift gemischt sind. Reaktion neutral. 


Tabelle III. 


Phosphat 
2/, Mol 
1 pr.: 2 sek. 


Nr. 


Alkohol 90°/, 


1 0,5144 

| Thiodiglykol 0,5 [4,4 
3 Alkohol 90°/, 0,5144 (4 100 
4 0,5143 


Thiodiglykol 

In allen Gläsern ist der Umsatz gleich groß. Resultat: Thio- 
diglykol hemmt nicht, auch wenn es längere Zeit (2 Stunden) 
in harnstoffreier Lösung auf das Ferment wirkt. 

Versuch 4: Anordnung wie im Versuch 3. Die Giftlösung enthält 
2 Tropfen Th. pro 1 ccm Alkohol. In Nr. 1—3 ist die Versuchsmischung 
ohne Pause angesetzt, in Nr. 4—6 ist Harnstoff zwei Stunden, nachdem 
Ferment und Gift gemischt worden zugegeben. Reaktion neutral. 


Tabelle IV. 


Umsatz 


Img N % | relativ 


©» Ol ьо м 
ооо о оо 


Auch in diesem Versuch hat Th. die Urease nicht gehemmt. 


Biochemische Zeitschrift Band 111. | 10 


146 P. Rona und H. Petow: 


Versuch 5: In diesem Versuch ist eine dreimal stärkere Menge Th. 
angewendet. Anordnung wie im Versuch 3. Nr. 1, 2, 5, 6 ohne Pause 
gemischt; in Nr. 3, 4, 7, 8 Harnstoff angesetzt nach einer Pause von 
2 Stunden. Reaktion neutral. 


Tabelle V. 


CONG с ць OO м = 
On HH OG О: ег MN CH 
bet bei pd мыз bet bech уй dam 
bet bech be Eech Eech Eech paad — 


Resultat: Umsatz in allen Gläsern (fast) gleich. Th. hat 
nicht gehemmt. 

Versuch 6: Mischung wie in Versuch 5. Nr. 1—4 ohne Pause gemischt. 
In Nr. 4—8 wird zunächst nur Ferment- und Giftlösung in die Phosphat- 


mischung gebracht und 20 Stunden stehen gelassen. Erst nach Ablauf 
dieser Zeit folgt der Harnstoff nach. Reaktion neutral. 


Tabelle VI. 


8 
See СЕ ы геме stoff 
ecm ccm | ccm 


______|Тторепсе: cem mg N А _% | relativ relativ 


11 6 1 1 Alkohol 90% — 155 59 
2 6 1 1 | К — 11153 |57 
3 6 1 1 |1 Th. 3 1450 54 
4 6 1 1 |1 Th. 3 1450540100 
5 6 1 1 | 1 [Alkohol 90% — | 1 [5,6 60 
6 6 1 1 |1 à — 115.2 56 
716 1 1 |1 Th. з 11153 57 
8 6 1 1 |1 Th. 3 1115,1 55 


= 


Resultat: Th. hemmt das Ferment auch dann nicht, wenn 
es 20 Stunden auf dasselbe eingewirkt hat. 
Zusammenfassung: Thiodiglykol ist für Urease nicht 
giftig. 
II. Thiodiglykolacetat (Tha.). 


Versuch 1: Versuchsanordnung wie oben in pufferfreier Lösung. 
Die Giftlösung enthält 2 Tropfen pro 1 ccm Alkohol. Die [H] wurde 
in einem besonderen Glase (Nr. 1) elektrometrisch gemessen, nachdem 


N 


Giftwirkung des Thiodiglykols usw. auf Urease. 147 


Wasser Urease und 1 ccm Alkohol gemischt waren. — Dy = 7,21, die Reak- 
tion ist also leicht alkalisch, In 2 weiteren Gläsern, die genau wie die übrigen 
zusammengesetzt sind, ist die H'] 3 Stunden nach dem Ansetzen des Ver- 
suches, kurz vor Unterbrechung der zur Analyse bestimmten Versuche, 
colorimetrisch gemessen worden; рь = 9,31 und 9,20 (Nr. 2 und 4). Die 
Reaktion ist also sowohl in dem giftfreien (Nr. 2), wie in dem gifthaltigen 
Glase (Nr. 4) stark alkalisch geworden, d. h. das Tha hat nicht soviel Säure 
abgespalten, daß dadurch die Alkalität der Ammoniaklösung beeinflußt 
worden wäre. Unterbrochen wurde nach 3 Stunden (siehe Tabelle VII). 

Das Resultat dieses Versuches: 

Der Umsatz beträgt in allen Gläsern 56%. Eine Hemmung 
ist nicht zu verzeichnen. 

Ähnlich liegen die Verhältnisse im Versuch 2 (Tabelle VIII). 

Das Resultat entspricht dem des vorigen Versuches: 

Es ist keine Säuerung eingetreten und das Ferment ist nicht 
gehemmt worden. 


Tabelle VII. 


2% 
Dest. 2% 
Harn- Umsatz 
Nr. || Wasser | Urease stoff 
ccm cem opfen | ccm | vorherjnachher|mg N relativ 


l 7 1 | 
2 1 1 
S 7o 1 1 5.2 56 100 
5 т i i 5,2 |56 
5 7 1 1 ‚ 
6167 1 1 5,2 56 1100 
Tabelle VIII. 
Dest. | 2% 2% Vn ey Pe ee 
Nr. Wasser Urease | Harnstoff Gift Umsatz 
Ж, com Tropfen | ccm | mg N | % | relativ 
ı| 7 Alkohol 90% 
2] 7 | 1 | 1 | 
3 7 1 1 
4 7 1 1 


Versuch 3: Dieser Versuch ist in Phosphatmischung 1: 2 angesetzt. 
Die Reaktion des Puffergemisches ist elektrometrisch gemessen py, = 6,95, 
ist also neutral. Im Glas Nr. 1 ist die Reaktion, nachdem Phosphat, Urease 
und 1 ccm Alkohol gemischt waren, noch einmal colorimetrisch bestimmt 
zu py = 7,12. Außerdem wurde in 2 Gläsern, die die Zusammensetzung der 
übrigen hatten, pe noch einmal nach 2 Stunden, kurz vor der Unterbrechung 
des Versuches colorimetrisch gemessen zu рь = 7,51 (Nr. 2) und рь = 7,40 
(Nr. 5). Die Reaktion ist auch hier wenig alkalischer geworden. Jedenfalls 
ist durch das Tha keine Säuerung eingetreten (Tabelle IX). 


10* 


148 P. Rona und H. Petow: 


Tabelle IX. 


Resultat: Das Ferment ist nicht gehemmt worden. 
Zusammenfassung : Thiodiglykolacetat verändert die Reaktion 
des Versuchsgemisches nicht wesentlich und hemmt die Urease nicht. 


III. Das Sulfon. 


Nach Leitfähigkeitsmessungen ist auch vom Sulfon keine Verachie- 
bung der [Н] nach der sauren Seite zu erwarten. Der folgende Ver- 
such ist in reinem Wasser angesetzt. In Glas Nr. 1 wurde die [H] 
wie oben colorimetrisch gemessen, nachdem Urease und 1 ccm Alkohol 
in das Wasser gebracht waren: py = 7,12. In zwei weiteren Gläsern 
(Nr. 2 und 5) wird die Reaktion nach 3 Stunden kurz vor Unterbrechung 
des Versuches bestimmt. In dem giftfreien Glase Nr. 2 wird рь = 9,57. 
in dem gifthaltigen Nr. 5 py = 8,73 gefunden. Beide Versuche sind also 
alkalisch geworden, aber der gifthaltige nicht so stark wie die Kontrolle. 
Das erklärt sich dadurch, daß in diesem Glase weniger Ammoniak ent- 
standen ist (6,30 mg N gegenüber rund 7,2). Die Giftlösung enthielt ca. 
0,04 g Sulfon pro 1 ccm Alkohol. 


Resultat: Das Sulfon hat die Fermentwirkung deutlich, wenn 
auch in geringem Grade gehemmt. Die Differenz der N-Werte 
mit und ohne Gift beträgt rund 1 mg N. Das liegt deutlich 
außerhalb der Fehlergrenze (s. Tabelle X). 


Tabelle X. 


Dest. 
Wasser 


2% 
Urease 


Nr. 


1 1 

; Ч | 7,19 | 76 

3 7 1 | 7 

4| 1 Е 1 7.35 | 79 100 
5 7 Sulfon |0,04| 1 

6 7 en 0,04| 1 6,30 | 68 | 87 
7 7 М 0,04| 1 6,30 | 69 


Giftwirkung des Thiodiglykols usw. auf Urease. 149 


Ähnlich liegen die Verhältnisse beim Versuch 2 (Tabelle X1). 


Tabelle XI. 
Dest. 2% 2% 
м. Wasser ee aoe Gift Umsatz 
P Tropfen e ccm | mg N ah relativ 
Le 7 
Г 1 
3 7 
4 7 
5 7 


Der dritte Versuch (Tabelle XII) ist in einem Phosphatgemisch 
angesetzt, dessen Reaktion elektrometrisch gemessen wurde zu py = 7,06. 
In Glas 1 wurde die [Н`] wieder gemessen, ehe Gift oder Harnstoff zugesetzt 
waren: Go = 7,12. In Nr. 2 und 5 wurde die [H'] 2 Stunden nach Ansetzen 
des Versuches kurz vor Unterbrechung colorimetrisch bestimmt. In der 
giftfreien Lösung Nr. 2 ist po = 7,37, in der gifthaltigen Nr. 5 pg = 7,32. 
Die Reaktion ist also in beiden wenig, aber in gleicher Weise alkalisch ge- 
worden. Der Versuch wurde nach 2 Stunden unterbrochen. 


Tabelle XII. 


= 
Phosphat 2% 


Dest. 2% ; 

Nr.] ¼ Mol | Wasser | Urease 2. Gift Umsatz 

Pa =7,08 cem vorher nachher g cem ſ ms N % relativ 
166 1 1 1 | 7,12 Alkohol| — | 1 

| 90% 
216 1 1 1 7,37 а — |1 
31 6 1 1 1 ч — | 1 J 5,7761 bag 
d 6 1 1 1 n — | 1 |6,20|66 
b 6 1 1 1 7,32 | Sulfon 0,04 1 
6| 6 1 1 1 „ |0,04| 1 [4,90 |45 Lo 
7, 6 1 1 1° „ {004| 1 4,2045 


Als Resultat des letzten Versuches ist zu vermerken, daß in 
den gifthaltigen Gläsern nur 4,2 mg N gegen 6 mg N in den Kon- 
trollen gefunden wurde. Das Sulfon hat das Ferment also deut- 
lich gehemmt. 

Zusammenfassung: Das Sulfon ändert die Reaktion nicht. 
Es hemmt aber das Ferment in pufferfreier und in pufferhaltiger 
Lösung, zwar nicht stark, aber deutlich und gut reproduzierbar. 
Diese Hemmung (,, Giftwirkung“) ist demnach nicht die Wirkung 
einer ungünstigen Reaktion. | 


IV. Dichlordiäthylsulfid (Deis.). 
Wie die Leitfähigkeitsmessungen gezeigt haben, zerfällt das 
Dichlordiäthylsulfid in Wasser ziemlich schnell unter Abspaltung 


150 P. Rona und H. Petow: 


von freier Salzsäure. Bringt man also einen Tropfen davon, in 
etwas Alkohol gelöst, in etwa 10 ccm reines Wasser, so muß 
dieses schnell erheblich sauer werden. Ein Tropfen Dichlordiäthyl- 
sulfid wiegt rund 0,02 g — etwa 13,8 10 "e Moleküle (in 10ccm 
Wasser), d. h. 13,8 107° pro 1 ccm Wasser. Die Reaktionskonstante 
des Zerfalls war oben bei 20° etwa zu 0,02 berechnet worden. 
Mit dieser Konstanten ist die nach einer bestimmten Zeit zerfallene 
Menge Dichlordiäthylsulfid leicht zu berechnen. a sei die anfangs 
pro 1 cem vorhandene Menge Dichlordiäthylsulfid (13,8 10°), 
x sei die zur Zeit t gleich 2 Stunden — 120 Minuten — zerfallene 
Menge Dichlordiäthylsulfid. Setzen wir diese Werte in die Reak- 
tionsformel ein, so ergibt sich | 


13,8 - 10-6 
lo звон 10027 120 = 2,4. 

x = 13,7 10-6 g Moleküle pro 1 ccm. d.h. nach 2 Stunden ist 
praktisch alles Dichlordiäthylsulfid zerfallen. Aus den zerfallenen 
13,7 107% pro 1ссш, (das macht 13,7 10 5g Moleküle pro 10 ccm 
zerfallenden Giftes), sind 26,6 10" "e Moleküle HCl in den 10 cem 
Wasser entstanden, d. h. 0,0266 Mol pro Liter. Die Lösung ist 
also 0,0266 normal in bezug auf Salzsäure geworden. Eine so 
starke Säure muß eine erhebliche Hemmung der Fermentwir- 
kung zur Folge haben. Der nächste Versuch bestätigt das. 

Versuch 1: Die Giftlösung enthält 2 Tropfen Dels in 1 ccm Alkohol. 
0,5 ccm davon werden zu jedem Versuch benutzt, entsprechend einem Gift- 
gehalt von einem Tropfen Gift. Der Versuch ist in reinem Wasser angesetzt. 
In Glas Nr. 1 wurde die Reaktion gemessen, ehe Gift und Harnstoff zugetan 


Dest. 2% ` 
Nr. Wasser | Urease н 
ecm ccm 


1 1 [Alkohol! — Los 73 
90% 


Tabelle XIII. 


1 С Ol нь со LÉI — 
їч чч м 
сл &л «л сл сл Cn or 
ма а pb bech ма bech 


9 


Die Tabelle zeigt, daß in den gifthaltigen Gläsern die Fer- 
mentwirkung vollkommen gehemmt worden ist. 


Giftwirkung des Thiodiglykols usw. auf Urease. 151 


waren, 20 py = 7, 30. Die anfängliche Reaktion ist also leicht alkalisch, 
optimal. In zwei anderen Gläsern, die wie die übrigen zusammengesetzt 
sind, wird die [H'] nach 2 Stunden, kurz vor Unterbrechung des Versuches 
ebenfalls colorimetrisch bestimmt. In der giftfreien Lösung Nr. 2 findet 
sich py = 8,92, in der gifthaltigen (Nr. 5) dagegen p, = 2,5. Während 
die Kontrolle stark alkalisch geworden ist, hat das Dcls die Lösung stark 
sauer gemacht. Die Tabelle XIII zeigt, daß in den gifthaltigen Gläsern 
das Ferment vollkommen gehemmt worden ist, während in den Kon- 
trollen rund 40%, Harnstoff umgesetzt sind. 


Ganz analog verläuft der 2. Versuch (Tabelle XIV), doch enthält die 
Giftlösung hier nur einen halben Tropfen Dels pro Versuch. Auch hier 
weist die Messung дег [H`] in den Kontrollen eine starke Reaktionsänderung 
nach der alkalischen Seite hin nach (Nr. 1: pa = 9,50), während die 
Versuche mit Dcls stark sauer geworden sind (Nr. 4: pe = 4,2). 


Tabelle XIV. 
Dest. | 2% 2% ; 

ы; Urease |Harnstoff Gift Рн __ Umsatz Bi 

| ccm ccm | | Tropfen | ccm nachher | mg N | % relativ 
1167 11 1 [Alkoholi — 1 
2 11 me | 1 5,68 
3 | 7 | 1 1 n 1 5,65 \ во 100 
4 7 1 1 Dels. "ie 1 
5 1 7 1 1 d | 7 1 0 0 0 
6 7 1 1 Е 7. 1 0 0 0 


Auch in diesem Versuch hat Dels. die Urease völlig gehemmt. 


Auch der 3. Versuch bestätigt das (vgl. Tabelle XV). Die Giftlösung 
enthielt hier wieder einen Tropfen pro Versuch. Die Reaktion wird nach 
Ablauf von 2 Stunden in der Kontrolle Nr. 2 stark alkalisch gefunden: 
Pu = 9,32, in der Giftlösung aber stark sauer, py = 2,5. Resultat: 
völlige Hemmung. 


Tabelle XV. 


| 


Das Dels hemmt also in pufferfreier Lösung die Ureasewirkung voll- 
kommen in Mengen von !/,—1 Tropfen іп 10 ccm Wasser. Diese Hemmung 


ës о 1010 


ГА 


152 P. Rona und H. Petow: 


wird durch die starke Säure, die durch den Zerfall des Giftes eingetreten ist, 
durchaus erklärt. 

Um zu prüfen, ob das Dels, auch abgesehen von der Säurebildung, eine 
Hemmung auf das Ferment ausübt, mußte man die Reaktionsänderung 
zu verhindern suchen dadurch, daß man die [Н`] durch starke Puffer fest- 
legte. Wir setzten daher die folgenden Versuche in einem Gemisch von 
primärer und sekundärer M/,-Phosphatlösung an. 

War anfangs die durch die Puffermischung festgelegte [H] 1. 1077, 
so berechnet sich nach einem Zufügen von einem Tropfen Dels bei den vor- 
handenen Versuchsbedingungen die [H'] nach 2 Stunden auf etwa 1,6 · 10-7, 
eine relativ geringe Anderung. Dabei ist das etwa entstehende Ammoniak 
außer Acht gelassen, das die Vermehrung дег [Н] zum Teil kompensiert. 
Bei Benutzung von 1 cem 2 proz. Harnstofflösung, wie das in unseren Ver- 
suchen meist der Fall war, würde, wenn der gesamte Harnstoff gespalten 
würde, ein Drittel mg-Mol. NH, entstehen, bei einem Umsatz von 50% 
also ein Sechstel mg Mol, Die [H'] würde dabei etwa den Wert 1,2. 10 
annehmen. 

Das Resultat dieser Uberlegungen ist also, daß bei der von uns ver- 
wendeten Menge Puffer eine für die Urease ungünstigere [H'] nicht ent- 
stehen kann, daß somit die Puffer die durch die Säurewirkung allein be- 
wirkte Hemmung verhindern können. Um sicher zu gehen, haben wir auch 
die [Н] in mehreren Versuchen gemessen, und zwar, wie schon mehrfach oben 
beschrieben, vorher, d. h. in einem besonderen Glase, ehe Gift und Harnstoff 
zugegeben waren, und nachher, d. h. nach Ablauf von 2 Stunden, kurz ehe 
die zur Analyse bestimmten ebenso zusammengesetzten Versuche unter- 
brochen wurden. 

Der folgende 4. Versuch ist wie oben beschrieben zusammengesetzt. 
Die Reaktion ist durch Phosphatgemisch 1: 2 festgelegt. 


Tabelle XVI. 


Phosphat Dest. 1% 


Mol Urease 


Das Resultat ist: in den Gläsern, die Gift enthielten, sind 
2,5 mg N gefunden, in den Kontrollen dagegen 3,2 mg, eine Diffe- 
renz, die die Fehlergrenze deutlich, wenn auch im mäßigen Grade 
überschreitet. Der Umsatz ist also durch Dichlordiäthylsulfid 
auch in der pufferhaltigen Lösung um rund 25% herabgesetzt. 

Ganz ebenso verläuft der Versuch 5 (s. Tabelle XVII). 


Giftwirkung des Thiodiglykols usw. auf Urease. 153 


Tabelle XVII. 
Phosphat SBV 
Dest. 1% 2% e 
Nr. Ч, Mol | Wasser | Urease | Harnstoff Gift Umsatz 
Ipr.: 2sek. EEE IE | 
ali бет | -Com SC ccm | Tropfen | cem [mg N] % relativ 


Während in den Kontrollen ca. 3,3 mg N gefunden worden 
sind, enthalten die gifthaltigen Gläser nur 2,5 mg. Also auch 
hier eine Herabsetzung des Umsatzes um 25%. 

Der Versuch 6 (s. Tabelle XVIII) ergibt dasselbe Resultat. 


Tabelle XVIII. 


Phosphat 
Nr. "fa Mol та: ese Е Umsatz 
pr.: 2 век. 


0,5 | 4,5 | 49 


0,5 | 4,4 | 48 
0,5 | 3,6 | 38 75 
0,5] 2,7 |29| 61 


In den gifthaltigen Gläsern werden höchstens 3,6 mg, in den 
Kontrollen dagegen 4,4—4,5 mg N gefunden. Hemmung um 25%. 

Dichlordiäthylsulfid hemmt also die Urease auch in einer 
Lösung, in der eine wesentliche Änderung der [H'] nicht eintreten 
konnte. Diese Hemmung ist gering, aber deutlich und gut repro- 
duzierbar. Während in dem letzten Versuche (6) die Gläser 1—3 
in der üblichen Weise gemischt waren, so daß alle Reagenzien 
kurz hintereinander in die Phosphatlösung gebracht wurden, 
war bei Nr. 4, Harnstoff erst 2 Stunden, nachdem die übrigen 
Stoffe gemischt waren, zugegeben worden. In diesem Glase ist 
nun ein wesentlich geringerer Umsatz als in Nr. 3 zu bemerken. 
Es hatte so zunächst den Anschein, als ob der Harnstoff in Nr. 3 
eine gewisse Schutzwirkung auf das Ferment ausgeübt hätte, 
so daß die Hemmung hier nicht so stark ausfiel wie in der Lösung 
Nr. 4, in der das Gift 2 Stunden ohne die Anwesenheit von Harn- 
stoff auf das Ferment gewirkt hatte. Diese „Schutzwirkung“ 
des Harnstoffes ist ohne Schwierigkeiten erklärlich, wenn man 
bedenkt, daß zwar nicht der Harnstoff, aber das entstehende 


154 P. Rona und H. Petow: 


Ammoniak die Pufferwirkung unterstützt, indem es eine Verschie- 
bung der [H'] nach der sauren Seite verhindert. Diese Schutzwir- 
kung muß noch deutlicher in die Erscheinung treten, wenn man bei 
derselben Versuchsanordnung größere Mengen Dichlordiäthylsulfid 
verwendet, die soviel Säure abspalten, daß die Phosphatpuffer allein 
eine Säuerung nicht verhindern können, so daß also die Hemmung, 
die aus einer ungünstigen [H)] resultiert, sich wieder geltendmachen 
kann. Zur Prüfung dieser Frage haben wir einige besondere Versuche 
angestellt. Die Versuchsanordnung war dabei die folgende. 
Zu einem in der oben beschriebenen Weise angesetzten Ver- 
suche, bei dem alle Reagenzien zu gleicher Zeit gemischt wurden, 
wird ein Parallelversuch angesetzt derart, daß der Harnstoff 
zuletzt und zwar erst nach Ablauf von 2 Stunden zugegeben 
wird, so daß also das Gift 2 Stunden in harnstoffreier Lösung auf 
das Ferment wirkt, ehe die Wirkung desselben geprüft wird. 
Versuch 7: (Tabelle XIX). Die Giftlösung enthält 1 Tropfen Dels 


pro Versuch. In Nr. 1—3 sind alle Stoffe zugleich gemischt, in 4—6 ist der 
Harnstoff erst nach 2 Stunden zugegeben. 


Tabelle XIX. 


Phosphat 2° 

| di Mol 2% | A Gift Umsatz 
Nr. | 1 pr.: 2 sek Urease stoff * 

| cem ccm | ccm Tropfen сст | mg N % |relativ 
1| e 1 | 1 |Аікоһо!905/,| — 0.54.62 | 49,5} 100 
2:1 6 1 1 Dels 1 0,5 | 3,61 | 38,6 | 78 
3 | 6 1 1 Б 1 0,5 | 3,86 | 41,3| 83 
4 6 1 1 Alkohol 90% — 0,5 4,66 | 50,0 100 
5 6 1 1 Dels 0,5 | 3,65 Io л 79 
el 6 111 Dels 1 10,5 [3,65 


Resultat: Ein Unterschied zwischen den beiden zu verschie- 
denen Zeiten gemischten Versuchen zeigt sich nicht. Wohl aber 
ist eine in allen Gläsern, die Gift enthielten, gleichmäßige Hemmung 
um rund 20% zu verzeichnen, die sicher außerhalb der Fehler- 
grenzen der Methode fällt. 

Versuch 8 (Tabelle XX): Zusammensetzung wie in Versuch 7. Nr.1—6 
Mischung aller Teile zu gleicher Zeit, Nr. 7—9 Harnstoff zuletzt nach 
2 Stunden zugesetzt. In diesem Versuch wurde auch die [Н] gemessen. 
Die Pufferlösung hat einen py von 6,95. Colorimetrisch wird vor dem Ver- 
such die Reaktion gemessen zu py = 7,2, nach dem Versuch in den gift- 
haltigen Gläsern zu py = 7,1; es ist also keine Änderung der Reaktion ein- 
getreten und zwar weder in den Gläsern, in denen Harnstoff sofort, noch in 
denen, in denen er nach 2 Stunden zugegeben wurde. 


Giftwirkung des Thiodiglykols usw. auf Urease. 155 


Tabelle XX. 


Phosphat 
Nr, J Мо! % | Harn- 
T. 1 pr.:2sek. 

| ccm i ecm 


CO 00 N OD сь о м — 


' 


6 1 

6 1 = 
6 1 кы 

| 6 | 1 1 1 
6 1 1 1 

1 6 1 1 |1 

6 1 1 1 

| 6 1 1 1 
6 1 1 1 


Resultat: Hemmung von 30—35%, in allen Gläsern, die 
Gift enthielten und zwar in allen gleichmäßig. 

In den folgenden Versuchen wurde eine weit größere Menge 
Dichlordiäthylsulfid zur Anwendung gebracht. Die Giftlösung 
enthielt bei diesen Versuchen 3 Tropfen pro ccm Alkohol, war 
also dreimal so stark wie bisher. 


Versuch 9 (Tabelle XXI): Nr. 1—3 sind zu gleicher Zeit gemischt, 
in Nr. 4—6 mit einer Pause von 2 Stunden vor der Zugabe von Harnstoff. 


Tabelle XXI. 


2% 

Phosphat| Dest. 2% = 
Nr.] ½¼ Mol Wasser Urease а 
ccm | com cem cem _|Tropfen!cem|mgN| % |relativ 
il 6 | 1 1 1 [Atkohot 90% — | 1 | 4,5 48 100 
2 6 1 | 1 Dels. 3 | 1] 2,9 30 Je 
3 6 1 1 1 $ 3 1 | 2,9 |30 
4 6 1 1 1 Alkohol 90% — 1 14,2 45 100 
56 111 | 1 Dels. 3 | 1] 1,0 [11| 24 
6 | 6 1 1 1 o 3 1 11,3 |14| 31 


Resultat: In allen Gläsern, die Gift enthielten, erhebliche 
Hemmung und zwar wesentlich stärker in Nr. 5 und 6 als in Nr. 2 
und 3. Hier ist also die „Schutzwirkung‘‘ des Harnstoffs oder 
besser des Ammoniaks wieder deutlich zu beobachten. Die ent- 
wickelte Säuremenge war hier so groß, daß die Puffer nicht mehr 
ausreichten, um die [H'] festzuhalten. Eine einfache Überschlags- 
rechnung zeigt, daß die entstandenen / Millimol HCl die Reaktion 
auf ри = 63 verschieben mußten. Durch die gleichzeitige 
Ammoniakbildung wird das zum Teil kompensiert, was als,, Schutz- 
wirkung“ in Erscheinung tritt. 


Nr. 


Le | 


= 


NND 


156 P. Rona und H. Petow: 


Bei allen oben beschriebenen Versuchen konnte eine Hem- 
mung durch Dichlordiäthylsulfid auch in starken Pufferlösungen 
beobachtet werden. Solange die Reaktion des Mediums nun neutral 
ist, kann man trotz der Puffer im Zweifel sein, ob nicht doch die 
entstehende Säure das hemmende Agens ist, denn da die ungefähr 
neutrale Reaktion die Grenze für das Optimum der Wasserstoffio- 
nenkonzentration darstellt, so könnte durch Vermehrung der [H! 
die Reaktion nur ungünstiger werden. Wählt man aber von 
vornherein eine alkalische, nicht optimale Reaktion, so kann 
eine Verschiebung der Reaktion nach neutral hin, falls sie über- 
haupt zustande kommt, die [H'] nur günstiger gestalten. Dichlor- 
diäthylsulfid müßte in diesem Falle die Ureasewirkung begün- 
stigen, wenn seine Wirkung nur auf einer Vermehrung der [H’] 
beruhte. 

Die folgenden Versuche sind deshalb bei alkalischer Reaktion 
angesetzt. Die [H] von den Puffern sowohl als auch von der 
Reaktionsmischung wurde dabei vor und nach Ablauf des zwei- 
stündigen Versuches gemessen. 


Versuch 10 (Tabelle XXII): pe der Phosphatmischung 7,6; pg des 
Reaktionsgemisches zu Anfang 7,6, nach Ablauf von 2 Stunden 7,5, also 
keine wesentliche Änderung der [H]. 


Tabelle XXII. 
Phosphat |, „ | 2% 
“ls Mol Ge Dec Harn- Gift Pu Umsatz 
рн 7.6 stoff een | 
com | cem | ccm | cm | Tropfen eem |vorher|nachhe mg N| % relativ 
6 1 1 1 Alkohol“ — 1 | 7,8 
5 ү 90% 
1 1 ч == 1 8,8 | 94 
Era с EES E 84 | 89 | 100 
6 1 1 1 Dels 1 1 7,5 
6 1 1 1 s 1 1 6,7 |71 76 
6 1 1 1 š 1 1 6,7 |71 


Resultat: Hemmung um 24% wie bei den früheren Ver- 
suchen. | 

Versuch 11 (Tabelle XXIII): Anordnung wie in Versuch 10. p, des 
Puffers 7,54, des Reaktionsgemisches vor Beginn der Spaltung 7,64, nach 
Ablauf von 2 Stunden 7,56, also keine Reaktionsänderung. 

Versuch 12 (Tabelle XXIV): Giftlösung doppelt so stark wie in Ver- 
such 11; pn 8,1 (reines sekundäres Natriumphosphat); pn des Reaktions- 
gemisches zu Beginn 8,26, gegen Ende (nach 3 Stunden) des Versuches in 
den Kontrollen 9,30, in den gifthaltigen Gläsern 7,81. 


©» CH he сэ К к=з 


Nr. 


Giftwirkung des Thiodiglykols usw. auf Urease. 157 


Tabelle XXIII. 


Umsatz 


1 | 7,64 


1 5,7 |61 
1 5,7 |61] 190 
1 1,56 
1 3,5 |37 
1 3,6 |38 761 
Resultat: Hemmung um 40%. 
Tabelle XXIV. 
Phosphat! Dest. | 2% | 2% 
рн 8,1 | Wasser | Urease See Gift Pu Umsatz 
| сеш com ccm ccm Tropfen ccm fvorher|nachherfme& N| % |relativ 


die Reaktion stark alkalisch war, und 


Resultat: Obgleic 
obgleich die Reaktion in den gifthaltigen Proben günstiger ist 
als in den Kontrollen, Hemmung um 26%. 

Es ergab sich also, daß auch in den Versuchen, die bei einer 
anfänglich alkalischen Reaktion angesetzt waren und bei denen, 
wenn eine Änderung der [H'] eingetreten ist, diese die Reaktion 
nur günstiger gestalten konnte (vgl. besonders Vers. 12), in allen 
Fällen eine Hemmung der Fermentwirkung zu beobachten war. 

Wir untersuchten weiterhin, ob auch das zerfallene Dichlor- 
diäthylsulfid auf die Urease hemmend wirkt. In pufferfreien 
Lösungen ist das von vornherein anzunehmen wegen der starken 
Säurebildung. Wird aber die Säurewirkung ausgeschaltet, sei es 
durch Puffer, sei es dadurch, daß die entstandene Säure neutralisiert 
wird, so ist eine Hemmung nicht von vornherein zu erwarten, da 
das gebildete Neutralsalz ebensowenig hemmt wie Thiodiglykol. 

Die Versuche sind so angelegt, daß in einem Teil derselben 
(Versuch 13, Tabelle 25, Nr. 14—21) 1 cem alkoholische Gift- 
lösung, ½ Tropfen Dichlordiäthylsulfid enthaltend, zu 7 ccm 
dest. Wasser, in einem anderen Teil (Nr. 22—25) ebensoviel 


mg N] SCH |relativ 


158 P. Rona und H. Petow: 


Gift in 6 com neutrale Phosphat mischung + 1 ccm dest. Wasser 
gegeben wurde. Alle diese Versuche blieben 24 Stunden bei 
Zimmertemperatur stehen. Ein Teil der pufferfreien Lésungen 
wurde nunmehr gegen Neutralrot mit 0,01 n NaOH-Lösung 
neutralisiert (Nr. 18—21). Von jeder Kategorie wurde die [Н] 
elektrometrisch bestimmt, je 1 cem 2 proz. Urease und 1 ccm 
2 proz. Harnstoff zugefügt. Nach 2 Stunden wurden die Versuche 
unterbrochen, nachdem wieder in je einem Glase die H'] gemessen 
worden war. Zur Kontrolle wurden mit derselben Ferment lösung und 
derselben Giftmenge Versuche angesetzt, bei denen alle Teile zu 
gleicher Zeit gemischt wurden. Auch bei diesen Versuchen 
wurde die Reaktion gemessen (Nr. 1—13). 


Tabelle XXV. 

Phosphat] Dest. | 2% oe Gift Umsatz 
Nr. Wasser | Urease | н | 

com ри | осш | ccm | ocm ccm [vorher |nachher| mg N | relativ 
1{—|—| 7 1 | 1 [Alkohol 1 9,5 

90% 

91—1—| 7 111 e 1 5,63 Leg 
3i—|—| 7 1 11 S 1 5,65 
All 7 1 1 | Dels. | 1 2,4 

bI1— | —| 7 1 1 А 1 0 }о 
61—1—| 7 1 1 Я 1 0 
716/71} 1 1 1 [Alkohol | 1 | 7,22 

90% 

816 1 1 1 S 1 7,42 i 

9 | 6 1 1 1 М 1 30 
10 | 6 ılı |1 SE d 6,28 } 100 
11 | 6 1 1 1 Dels 1 7,37 
12 | 6 1 1 1 К 1 5,20 E 
13 | 6 1 1 1 i 1 4,91 
144——4 7 11 К 1 | 3,0 
15 1—1—| 7 1 1 $ 1 2,6 
16 l= =I 7 1 1 х 1 0 lo 
i7/—!—] 7 1 1 S 1 0 
18 /—|—| 7 1 1 $ 1 | 7,25 
19 | — — l 1 1 И 1 9,50 ти 
20 — — 1 1 i 1 
ai—|—| 7 1 1 EDE 411 | 65,5 
2216/71] 1 1 1 ү 1 | 7,07 
23/6 —| 1 1 1 _ 1 7,30 
246 — 1 1 1 К 1 4,69 Le 
25 6 — 1 1 1 „ 1 4.20 

Zu Nr. 18 wurden bis neutral gegen Neutralrot gegeben 11,6 

A чес уы сй S К » 117185 

A9 9 20 79 99 7 7? 5 77 19 12,2 Te 


21 57 21 1 19 19 17 7? 99 12,2 


Giftwirkung des Thiodiglykols usw. auf Urease. 159 


Tabelle XXVa. 


ь | com | om |] 


1 = 7 | 1 | 1 [Au. 90% 
?|—|—|т1т |1  ı[ „ 1 
J ИШ АЕ Ж. 
41—1— {7 1 1 Dels. 
si—|-1 7; 1] 17] „ 
6I-/-| 7 | 1] 1] 4 
716 6,50 1 | 1 | 1 [au. 90% 
816695 1 1 | ı | a 
916695 1 116, 
106 695) 1 1 | ı | „ 
11 || 6 695) 1 | 1 | 1 | Dds 
126 695} 1 | 1] 1] a 
13 | 6 695 1 | 1 |] 1 | OY 
Wiel 7] ri id, 
wi—|—] 7 |] 1 | a] y 
Gj) a} ahaa G 
iesch u ОК 
18—— 7 | 1 | 1 и 
19|—|—| 7 | 1 | 1 ú 
ю|—|—|1 |1 | 1 і 
CHE 7 | 1 | 1 ч 
22 || 6 1 | 1 |1 e 
23 || 6 1 |1 |1 4 
2 | 6 1 |1 |1 d 
25 6 1 |1 |1 А 


Zu Nr. 18 wurden bis neutral gegen Neutralrot gegeben 13,35 


19 37 19 77 7 7? 9 79 97 12,90 28 
A * 20 D n 1 n 19 n 12,90 a 2 
э? n» 21 7 э 97 7 7 9 1 3,25 


Umsatz 

Nr pr.: Asek. 

| ecm cem N| 9 _| relativ 
if 6 11 | 1 Alk. 90% .— 15,3 57 | 100 
2 6 1 1 1 Dels. 1 1 13,9 

3 6 1 1 1 1 l 

4 6 1 1 1 a 1 | 

5 6 1 1 1 IDeͤls. zers. 1 1 | 3,8 42 74 
6 6 1 1 1 R 1 1 | 3,8 

71 6 [111 à 1 |1]38 


In Tabelle XXV b, Nr. 5—7 stand die alkoholische Dels.- 
Lösung 24 Stunden lang in der Phosphatlösung; dann wurde 
Harnstoff und Urease zugefügt. Unterbrechung nach 3 Stunden 
mit 20 cem ½0 nHCl. 


160 P. Rona und H. Petow: 


Aus den Versuchen ergibt sich folgendes: 

1. In pufferfreier Lösung hemmt auch zersetztes Dichlordiä- 
thylsulfid die Urease vollkommen (Nr. 16 und 17). Die stark saure 
Reaktion in diesen Proben gibt hierfür eine genügende Erklärung. 

2. Wird die entstandene Säure neutralisiert, so kommt die 
Ureasewirkung wieder zur Geltung (Nr. 20 und 21), aber nicht 
in demselben Maße wie in giftfreier Lösung (Nr. 20 und 21 ver- 
glichen mit Nr. 9 und 10). Es bleibt eine Hemmung von rund 40%. 

3. Wird durch die Puffer eine wesentliche Änderung der TH" 
verhindert, so ist auch bei völlig zersetztem Dichlordiäthylsulfid eine 
Hemmungswirkung zu beobachten, dievonderselbenGrößenordnung 
ist wie die des unzersetzten Dichlordiäthylsulfids in pufferhaltiger 
Lösung (vgl. Nr. 24 und 25 mit Nr. 12 und 13 und mit Nr, 8 und 9). 

Die letzten Versuche sprechen dafür, daß auch das zersetzte 
Dichlordiäthylsulfid eine von der Reaktionsänderung unabhängige 
Giftwirkung entfaltet. Da, wie oben festgestellt worden ist, das 
Thiodiglykol nicht giftig ist, so hat es den Anschein, als ob bei dem 
Zerfall von Dichlordiäthylsulfid neben dem Thiodiglykol noch (in 
geringen Mengen) eine auf das Ferment giftig wirkende Verbindung 
entstände. 

V. Tetrachlordiäthylsulfid (Tels.). 

Ganz ähnliche Überlegungen wie für das Dichlordiäthylsulfid 
gelten auch für das Tetrachlordiäthylsulfid. Auch dieser Stoff 
spaltet in Wasser große Mengen Chlor ab, und es tritt eine erheb- 
liche Säuerung der Lösung durch den Zerfall desselben ein. Infolge- 
dessen ist auch eine starke Fermenthemmung zu erwarten. Der 
Versuch bestätigt dies. | 


Versuch 1 (Tabelle XXVI): Die Giftlösung enthält 1 Tropfen Tels. 
in 1 ccm Alkohol. Die Versuchsanordnung ist dieselbe wie in früheren 
Versuchen. Kein Puffer. Unterbrechung nach 3 Stunden. 


-Tabelle XXVI. 


Giftwirkung des Thiodiglykols usw. auf Urease. 161 


Resultat: Wie erwartet, ist in der gifthaltigen Probe eine 
erhebliche Säuerung eingetreten (рн 5,2 gegen 9,6 in den Kon- 
trollen), dementsprechend eine völlige Hemmung des Fermentes. 
Die Messung der [H'] der Lösung, die eine bräunliche Trübung 
aufwies, geschah kolorimetrisch unter den neuerdings von Micha- 
elis angegebenen VorsichtsmaBregeln. 


Versuch 2 (Tabelle XXVII): Die folgenden Versuche sind wieder mit 
starken Phosphatpuffern von neutraler Reaktion: versehen. Selbst wenn 
man annimmt, daß alles Cl als НСІ abgespalten wird, so würden die Puffer 
dennoch ausreichen, um eine Verschiebung der Reaktion zu verhindern, 
denn zu jedem Versuch benutzten wir höchstens ½ Tropfen Tels. ent- 
sprechend einer Cl-Menge, wie sie noch etwa in 1 Tropfen Dels. enthalten ist. 


Tabelle XXVII. 


Tabelle XXVIIa. 


Phosphat 


í Dest. 1% 2% ; 
a ч oe Wasser | Urease ar Gift Umsatz en 
ecm com | сеш | ocm Тгорѓеп!сеш { те № | % relativ 
1 6 0,5 2 1 Alkohol 90% — 0.5 4,2 | 45 100 
2 6 0,5 2 1 e — 10,5] 5,9 63 
3 6 0,5 2 1 Tels. 1/, 1051 0 | 0 \ 0 
4 6 0,5 2 1 e 1/3 0,51 0 | 0 


Versuch 4 (Tabelle XXVIII): In diesem Versuch wurde die [H'] ge- 
messen. In den Kontrollen ist die Reaktion etwas alkalisch geworden 
(ри 7,53); in den gifthaltigen Proben ist eine Reaktionsänderung kaum 
bemerkbar (рь 7,12). 


Tabelle XXVIII. 
2% 


stofl 
ccm 


[Phosphat 
Nr. PH 6,9 


| ccm 


Dest. 2% 
Wasser | Urease 


com 


е1 Сә Сл нь со DD 
keck bech bech ыа peed д 
pmi þad bel pd рад 


Biochemische Zeitschrift Band 111. 11 


162 P. Rona und H. Petow: 


Alle drei Versuche lassen eine vollkommene Hemmung des 
Fermentes erkennen, die nicht durch eine ungünstige [Н`] bedingt 
sein kann. 

Noch deutlicher wird dies in folgenden zwei Versuchen, 
bei denen so geringe Giftmengen zur Anwendung kommen, daß 
von einer irgendwie bemerkbaren Säuerung nicht die Rede sein 
kann. 


Versuch 5 (Tabelle XXIX): Die Giftlösung enthält 1 Tropfen in 
1 eem Alkohol, davon werden 0,2 ccm, entsprechend / Tropfen Substanz, 
benutzt. 


Tabelle XXIX. 


4 6 4,5 2 | 15 = — |— |во 164 100 
21 6 45 | 2 | 15 | таз. % 10,810 0 А 
36 45 2 | 15 „ 1, 10210 0 


Versuch 6 (Tabelle XXX): Die Giftlösung ist so stark wie in Ver- 
such 5. Zur Verwendung gelangen davon nur 0,1 —0,05 ccm, entsprechend 
einer Giftmenge von !/,, bis ½ Tropfen. 


Tabelle XXX. 


1 6 0,5 2,5 1 — 
2 6 0,5 2,5 1 — 
3 6 — 2,5 1 Tels 
16 — 28 115 
5 | 6 | — 2,5 1 Ж 
6 | 6 — 2,5 1 e 


Beide Versuche zeigen, daß auch noch sehr geringe Mengen 
Tetrachlordiäthylsulfid die Urease stark hemmen. ½ Tropfen 
hat schon vollkommen gehemmt, 1/,,—!/„ Tropfen setzt den 
Umsatz um ca. 50% herab. 

Vers uch 7 (Tabelle XXXI): Ahnlich wie bei Dels. haben wir auch 
hier einige Versuche bei alkalischer Reaktion angesetzt, um ganz sicher zu 
gehen, daß nicht die Säurewirkung allein die Fermenthemmung bewirkt. 


Giftwirkung des Thiodiglykols usw. auf Urease. 163 


Tabelle XXXI. 


ed рн 7,54 | Wasser | Urease 
“| om 


Die Reaktion ist in den gifthaltigen Proben dem Optimum 
am nächsten; trotzdem hat das Tetrachlordiäthylsulfid voll- 
kommen gehemmt. 

Versuch 8 (Tabelle XXXII): Anordnung wie vorher. 


Tabelle XXXII. 


— = — — — 
З Gift Umsatz 
Tropfen com |mgN| % | relativ 


Resultat: Vollkommene Hemmung. 

Wir suchten noch die Frage zu beantworten, wie das größten- 
teils zersetzte Tetrachlordiäthylsulfid auf die Urease wirkt. Daß 
in pufferfreier Lösung vollkommene Hemmung zustande kommen 
muß, bedurfte keiner Untersuchung. Folgender Versuch (9) (Ta- 
belle ХХХ ПІ) wurde deshalb in neutralem Phosphatpuffergemisch 
so angesetzt, daß von einer Giftlösung, die 1 Tropfen pro 1 ccm 
Alkohol enthielt, in einem Teil der Gläser 0,5—0,25 ccm in die 
Phosphatlösung gebracht wurde und so 24 Stunden bei Zimmer- 
temperatur stehen blieb (Nr. 7—10). In dem anderen Teil der 
Gläser wurden die betreffenden Verbindungen in der üblichen 
Weise so gemischt, daß alle Teile zu gleicher Zeit zusammen- 
gegeben wurden. Nach 24 Stunden wurde auch in den 1. Teil 
(Nr. 7—10) Urease und Harnstoff gegeben. 

Es stellte sich heraus, daß in dem Teile, der ohne Pause an- 
gesetzt war, wie zu erwarten, vollkommene Hemmung eingetreten 


11* 


164 P. Rona und H. Petow: 


war; in dem anderen Teil aber war die Hemmung schwächer 
ausgefallen: das Tetrachlordiäthylsulfid hat also durch die Zer- 
setzung an Giftigkeit eingebüßt. Da es nach unserer Vorunter- 
suchung möglich ist, daß auch nach 24 Stunden noch nicht alles 
Tetrachlordiäthylsulfid zersetzt ist, so bleibt die Frage offen, 
ob die Giftigkeit des „zersetzten“ Tetrachlordiäthylsulfids durch 
den noch vorhandenen Rest unzersetzten Giftes oder aber durch 
Zerfallsprodukte bedingt ist. 


Tabelle XXXIII. 


Phosphat 
J Mol 

Nr. ipr.:2sek. 

ccm 


Dest. 


Wasser | Urease 


1 6 2,0 1 1 

2 6 2,0 1 1 — 

3 6 1.5 1 1 Tels. ½ 10,5 0 
4 6 1.5 1 1 e J |0,5 0 
5 6 1,75 1 1 н 104 929 0 
6 6 1,75 1 1 Ge / 0,25 0 
7 6 1,5 1 1 | Tels. zersetzt 2/4, |0,5 1,40 10] 31 
8 6 1,5 1 1 2 з 0,5 11,58|11| 35 
9 6 1,75 1 1 S 1/4 0,25 1,90 14 42 
10 6 1.75 1 1 S / 10,2511,70|13| 38 


Zum SchluB teilen wir einen Ubersichtsversuch mit, an dem 
alle untersuchten Stoffe beteiligt waren. Der Versuch zeigt noch 
einmal die Größenordnung der Hemmung, die durch die einzelnen 
Gifte bedingt wird, wenn die Hemmung durch Säure ausgeschlossen 
wird. Vgl. Tabelle XXXIV. 


Tabelle XXXIV. 


Phosphat 1% 2% Basen 

5 1/, Mal Harn- Gift Umsatz 
Nr 1 pr. : 2 sek. paces’ Se: 

ccm ccm | ccm cem % relativ 
1 6 2 1 Alkohol 90% 1 |3,2 \з6 
3 e 2 Thiodiglykol | 34 | 

6 iodiglyko 1 | 3,4 
+ 2 2 | 1 , 1 |36 [18 100 
5 6 2 1 Thiodiglykolacetat 1130 \з 4 | 
1 > 1 | Dichloraithyteutia | 1 | 25 

6 2 ichlordiäthylsu 1 | 2, 
в 6 2 | 3 СЫ] 1 | 2°3 |16 70 

6 2 1 ulfon 1121 
101 6 2 | 1 $ 1 |21 (122 |p 63 
11 6 2 1 | Tetrachlordiäthylsulfid | 1 | 0 ho } 0 
12 6 2 1 110 


97 


Giftwirkung des Thiodiglykols usw. auf Urease. 165 


Rückblickend läßt sich also folgendes feststellen. Der wich- 
tigste Körper der untersuchten Gruppe, das Dichlordiäthylsulfid, 
hemmt die Urease weitaus in der Hauptsache durch Abspal- 
tung von Säure. Aber auch wenn eine Reaktionsänderung ver- 
hindert wird, konnte eine deutliche und gut reproduzierbare 
Giftwirkung beobachtet werden, die nicht als Säurewirkung er- 
klärt werden kann. Eine solche nicht von der Säurebildung her- 
rührende Wirkung von derselben Größenordnung hat auch das 
Sulfon dieser Verbindung. Weitaus am giftigsten ist das Tetra- 
chlordiäthylsulfid. Bei diesem Körper ist die Giftigkeit voll- 
kommen unabhängig von der Säurebildung. 


Zusammenfassung. 


1. Die Beständigkeit einiger Derivate des Thiodiglykols 
gegen Wasser wurde mittels Leitfähigkeitsmessung untersucht. 

2. Die Giftwirkung dieser Verbindungen auf Sojabohnen- 
Urease wurde untersucht, unter genauer Berücksichtigung der 
H’-Ionenkonzentration. Es wurde gefunden: 


a) Thiodiglykol ist für Urease nicht giftig. 

b) Auch das Acetat ist nicht giftig. Die [H'] der Lösung 
wird von der Verbindung nicht beeinflußt. 

c) Das Sulfon beeinflußt die Reaktion der Lösung nicht, 
ist aber dennoch in mäßigem Grade giftig. 

а) Das Dichlordiäthylsulfid beeinflußt die [H'] der Lösung 
durch Säurewirkung stark und hemmt das Ferment da- 
durch schon in geringen Mengen vollkommen. Aber auch 
wenn eine Reaktionsänderung verhindert wird, hemmt 
es die Urease, allerdings nur in geringem Maße. 

е) Das Tetrachlordiäthylsulfid ändert die [H'] der Lösung 
ebenfalls stark. Es hemmt die Urease schon in geringen 
Mengen, auch wenn eine Reaktionsänderung verhindert 
wird, vollkommen. 


Beiträge zum Studium der Giftwirkung. 
Uber die Wirkung des Atoxyls auf Serumlipase. 


Von 
P. Rona und E. Bach. 


{Aus dem biochemischen Laboratorium des städt. Krankenhauses am 
Urban, Berlin). 


(Eingegangen am 1. September 1920.) 
Mit 11 Abbildungen im Text. 


In der vorhergehenden Arbeit haben wir darauf hinge- 
wiesen, daß die Prüfung von Giftwirkungen auf fermentative 
Vorgänge bei passender Wahl des Fermentes und des Giftes ge- 
eignete Objekte für das Verfolgen quantitativer Verhältnisse 
zwischen Gift und Substrat liefern kann. Das Studium des Ein- 
flusses des Atoxyls auf die Serumlipase erweist sich als sehr ge- 
eignet zu diesem Zwecke. Benutzt wurde hierbei Kaninchen- und 
Katzenserum, in einigen Versuchen auch Meerschweinchen- und 
Menschenserum. Die einzelnen Tierarten verhielten sich jedoch 
— wie dies später ausführlicher erörtert werden wird — sehr ver- 
schieden. Meerschweinchenserumlipase ist gegen Atoxyl so wenig 
empfindlich, daß sie wenig geeignet für die gestellte Aufgabe 
ist; bei der Menschenlipase lag wiederum der Grenzwert der nicht 
mehr wirksamen und der der total hemmenden Giftmenge so 
nahe, daß nur wenig Spielraum bei der Variierung der Giftkon- 
zentration möglich war. Bei Kaninchen- und Katzenserum- 
lipase wirkte hingegen bereits eine äußerst geringe Atoxylkonzen- 
tration (z. В. O, Ol mg Atoxyl in 35 cem Gesamtvolumen) stark 
hemmend auf die Fermentwirkung, trotzdem haben verhältnis- 
mäßig große Giftdosen (z. В. 10 mg Atoxyl in 35 ccm Gesamt- 
volumen) diese noch nicht ganz aufgehoben; da konnte die Gift- 
konzentration in weitem Bereich variiert und ihr Einfluß auf das 
Ferment untersucht werden. 


® 


P. Rona und E. Bach: Wirkung des Atoxyls auf Serumlipase. 167 


Die Bestimmung der Lipasewirkung erfolgte stalagmometrisch 
nach Rona und Michaelis. Wir stellten eine 5—10fache Ver- 
dünnung des Serums mit destilliertem Wasser her. Zu 1—2 ccm 
dieses verdiinnten Serums fügten wir wechselnde Mengen der 
Atoxyllösungen, dabei war die Atoxylkonzentration so her- 
gestellt, daß die verschiedenen, den Sera zugefügten Giftmengen 
in 1—2 cem Wasser gelöst waren. Nach Zufügung von 3 com 
Regulatorgemisch (1 Teil !/, mol. primäres Phosphat, 10 Teile 
1/, mol. sekund. Phosphat) blieben die Sera mit der Giftlösung 
45—60 Minuten stehen. Das Gesamtvolumen des Gemisches 
Serum-Gift-Regulator betrug demnach 5—6 ccm; in einer und 
derselben Versuchsreihe waren die Volumina stets gleich. Nach 
45—60 Minuten wurden 30 ccm einer stets frisch hergestellten 
gesättigten Tributyrinlösung zugefügt und sofort die Tropfenzahl 
bestimmt. Die Tropfenzählungen wurden dann je nach der 
Stärke des Fermentes nach 15, 30, 45, 60 usw. Minuten wiederholt. 
Um die vielen Zählungen zu erleichtern, ist es vorteilhaft (nach 
dem Vorschlag von Herrn Dr. Bien), unter der Tropfcapillare ein 
mit Linoleum bespanntes Brett, das mit Blaustift in Felder von 
ca. 2 qem geteilt ist, vorbeizuziehen. Man erreicht leicht, daß in 
jedes Feld ein Tropfen zu liegen kommt; die Zahl der Tropfen 
kann mit einem Blick festgestellt werden. 


I. 


In den folgenden Versuchen (Versuch 1—11) waren die 
Fermentkonzentrationen innerhalb einer Versuchsreihe gleich, die 
Atoxylkonzentrationen verschieden. Die gewählten Giftkon- 
zentrationen verhielten sich wie die Glieder einer geometrischen 
Reihe. Als Maß der Hemmung diente die Abnahme der Ge- 
schwindigkeitskonstante der Tributyrinspaltung. 

In früheren Arbeiten konnte gezeigt werden, daß der Verlauf 
der Spaltung des Tributyrins durch die Lipase (Esterase) des 
Kaninchenserums sich praktisch mit genügender Genauigkeit durch 
die Formel einer monomolekularen Reaktion darstellen läßt. Auch 
in den vorliegenden Fällen zeigte sich zwischen 20—70% Umsatz 
eine gute Übereinstimmung der gefundenen mit den nach der 
monomolekularen Formel berechneten Werten. Bei der Katzen- 
serumlipase verläuft die Spaltung bis ca. 70%, Umsatz fast gerad- 


168 P. Rona und E. Bach: 


a 


linig, so daß wir anstatt der Gleichung k = _ In die Gleichung 


a—ı 
k= 7 benutzen konnten. Nach früheren Untersuchungen!) sind 


bei gleichen Umsätzen die Fermentmengen den Zeiten indirekt 
proportional; das gilt auch für die Geschwindigkeitskonstanten. 
Diese können demnach als das Maß der Fermentwirkung benutzt 


werden. Die Versuche wurden bei Zimmertemperatur ausgeführt. 
Der Verlauf der einzelnen Versuche war der folgende. 


Versuch 1 [Abb. 12)]. 


| Уогһапдепев 
к | Atoxyl 555 Tributyrin nach] у О ЧОН log 4 | h= Ss k 
inmg | = Le [slo] OBBE “azaj no 

ıl o | o 0,048 = 0 

2 1 0,012 1 0,026 0,46 
3 | 0,025 2 0,021 0,56 
4 || 0,050 4 0,016 0,67 
5 || 0,10 8 0,012 0,75 


Ferment: 3ccm fach verdünntes Kaninchenserum. Ge- 
samtvolumen 39 ccm. pg = 7,55 (elektrometrisch). 


Versuch 2 (Abb. 2). 


Vorhandenes 1 ы a u ko — k 
0.23431 a- fe 
0,041 | 0 
0,021 | 0,49 
0,019 0,54 
0.016 | 0.61 
0,013 0,68 


Ferment: 3ccm 5 fach verdünntes Kaninchenserum. Gesamt- 
volumen 39 ccm. рн = 7,55 (elektrometrisch). 


1) Vgl. P. Rona, diese Zeitschr. 33, 413 (1911) und P. Rona und 
J. Ebsen, diese Zeitschr. 39, 21. 1912. 

2) Auf der Ordinate sind die Geschwindigkeitskonstanten, auf der 
Abszisse die Logarithmen der Giftkonzentrationen aufgetragen, wobei als 
Einheit der Giftkonzentration die berechnete, eben nicht mehr wirksame 
Giftkonzentration C, genommen wird. Die experimentell bestimmten Punkte 
sind mit den Nummern des betreffenden Versuches versehen. Der Schnitt- 
punkt der Linie, die die experimentell bestimmten Punkte verbindet, 
mit der Ordinate gibt die Geschwindigkeitskonstante k,, d.h. die Ge- 
schwindigkeitskonstante der Fermentwirkung ohne Gift, der Schnitt- 
punkt mit der Abszisse die eben vollkommen hemmende Giftkonzentra- 
tion an. 


4 


Abb. 1 (C. =°1,25 · 10-5 g/L). Abb. 2 (C, = 8,87 -10-6 g/L). 


Versuch 3 (Abb. 3). 


Relative 


Vorhandenes e | A ke — k 


Se 
i = 943430 Baa a 


Ferment: 1 ccm 5fach verdünntes Kaninchenserum. Gesamt- 
volumen 36 ccm. pe = 7,52 (elektrometrisch). 


Versuch 4 (Abb. 4). 


| Relative Vorhandenes 1 | x x 
Nr. Atoxyl Кызы Tributyrin nach |p = log = “0 — 

|! Oonzen- р — 

in mg | tration | U en | 90 |120 F ko 
11 0 | о 110070 58 46 0,0061 | 0 
2 | 0,01 1 10075 64 54 0.0048 0,21 
3 | 0,02 2 110078 66 58 0,0044 0,28 
4 | 0,05 5 100 — 72 63 0,0038 0,38 
5 0, 10 10 100 — 75 | 65 0,0034 0,44 
6 || 0,20 20 1100| — 7867 0,0030 0,51 
7 | 0,50 50 100 — | 81 72 0,0025 0,58 
8! 10 100 100 — | 84 78 0:0020 0:67 


Ferment: 1 ccm 5fach verdünntes Kaninchenserum. Gesamt- 
volumen 36 ccm. pg (elektrometrisch) = 7,52. 


170 P. Rona und E. Bach: 


Abb. 8 (C, = 156- 10-5 g/L). Abb, 4 (C, = 


8,28 - 10-5 g/L). 


Versuch 5 (Abb. 5). 


Atoxyl е = 
Эч à nt Ten e 
| in mg | tration | | o 
1 | 0 | о |100| 66 | 41 | 21 0,0144 0 
2 0,01 1 100 76 | 58 | 39 0,0096 0,33 
3 0,10 10 100 82 | 66 49 0,0071 0,51 
4| 10 100 100 86 | 74 | 60 0,0052 0,64 
5 10,0 | 1000 1100 90 | 82 | 73 0,0034 0,76 


Ferment: 1 ccm 5fach verdünntes Kaninchenserum. Gesamt- 
volumen 35 ccm. pn (elektrometrisch) = 7,74. 


Versuch 6 СА 6). 
= — K 


I Relative vorhandenes 

Juegt Gift- Tributyrin nach log —— 
konzen- ~ 0,434 4343 t 

in mg | tration |0 |30 70’ | er 


> 


1 > Io. 

2 0.010 0,08 
8 || 0,025 d 5 0,37 
4 || 0,050 | 5 0,60 
5 || 0,10 | 10 | 0,89 
6 | 0,50 | 50 1,00 


Ferment: 1 ccm 5fach verdünntes Menschenserum. Gesamt- 
volumen 36ccm. pe = 7,52 (elektrometrisch). 


1) Diese Werte sind nach 60’ und 100’ bestimmt. 


Wirkung des Atoxyls auf Serumlipase. 171 


Abb. 5 (С, = 1,48- 10 -6 g/L). Abb. 6 (C, = 221 -10 -+ g/L). 


Versuch 7 (Abb. 7). 


| 


Relative Vorhandenes 
Nr.|Atoxyl | Git- | Tributyrin nach 1 1 og @ 5 bock 
Е konzen- — 

_ |in mg | tration | 0 | 10’ | 20 | 307 аА аА 8 
1 0 0 0,035 0 

2 | 0,0078 1 0,035 0 
3 | 0,0158 2 0,030 0,14 
4 | 0,0312 4 0,022 0,87 
5 || 0,0625 8 0,014 0,60 
6 | 0,125 16 0,007 0,80 
7 || 0,250 32 0,001 0,97 
8 10, 64 0 1,00 


Ferment: 1 cem unverdünntes Menschenserum. Gesamt- 
volumen 35 cem. pe = 7,57 (elektrometrisch). 


Abb. 7 (C. = 2,26 -10-4 g/L). Abb. 8 (C. = 1,50 · 10-8 g/L). 


172 P. Rona und E. Bach: 


Versuch 8 (Abb. 8). 


1! 0 0 
2 | 0,005 1 
3 | 0,010 2 
4 | 0, 4 
5 0,040 8 


Ferment: Leem 5fach verdünntes Katzenserum. Gesamt- 
volumen 36 ccm. py = 7,69 (elektrometrisch). 


Versuch 9 (Abb. 9). 


Relative 


Atoxyl Giftkonzen- 


Ferment: 1 cem 5fach verdünntes Katzenserum. Gesamt- 
volumen 35,5ccm. ру = 7,69 (elektrometrisch). 


Versuch 10 (Abb. 10). 


Ferment: 1 cem 10fach verdünntes Katzenserum. Gesamt- 
volumen 35 cem. py = 7,77 (elektrometrisch). 


—U—— —’⁰ ä —— —— ä— ͤ — Ee rn — — ддм e 


Wirkung des Atoxyls auf Serumlipase. 173 


Abb. 9 (С, = 1,89: 10-7 g/L). Abb 10 (С, = 250 -10-7 g/L). 


Versuch 11 (Abb. 11). 


Vorhandenes Tributyrin 
nach 


Ferment: 1 ccm 10fach verdünntes Katzenserum. Gesamt- 
volumen 35ccm. pe = 7,74 (elektrometrisch). 


Geet 


Abb. 11 (C, = 2,84- 10-8 g/L). 


174 P. Rona und E. Bach: 


In den Versuchen 12—16 sind die Parallelversuche (a, b usw.) 
je mit demselben Serum und unter den gleichen Versuchs- 
bedingungen angestellt worden. Nur die Fermentkonzentration 
variierte. 


Versuch 12a. 


Ferment: 1 com 5fach verdünntes Katzenserum. Gesamt- 
volumen 35 cem. pg = 7,75 (elektrometrisch). 


Versuch 12 b. 


Vorhandenes Tributyrin 
nach 


1 0 o 1100 58 — — 1,40 0 

2 0,001 1 1100 72| 4 —] 0,93 0,34 
3 0,1 100 | 100 78| 58 36| oa 0,49 
4 | 100 10000 |100| 85 | 69| 59] 0,2 0,70 


Ferment: 1 ccm 10fach verdünntes Katzenserum. Gesamt- 
volumen 35 cem. pq = 7,75 (elektrometrisch). 


Versuch 12c. 


Vorhandenes Tributyrin 
nach 


Relative 


Ferment: 1 ccm 20fach verdünntes Katzenserum. Gesamt- 
volumen 35 cem. pg = 7,75 (elektrometrisch). 


— = 


Wirkung des Atoxyls auf Serumlipase. 175 


Versuch 13a. 
Relative 
Nr. Atoxyl | Gittkon- ha 2 й 
in mg |zentration ko 
11 0 о 1100 65 | 48 | 117 0 
9 | 0,001 1 [100 | 77 | 67 | 0,79 0,32 
3101 100 100 83 | 77 | 0,54 0,54 


Ferment: 1 cem 5fach verdünntes Katzenserum. Gesamt- 
volumen 35ccm. pg = 7,62 (elektrometrisch). 


Versuch 13b. 


“|... | Relative | vorhand 
Nr. Atoxyl 5 Tributyrin nach EU SE ko — k 
in mg zentration] o | 60” 90 t ke 
11 0 о 100 65 | 44 0 
2 0,001 1 0,31 
3 | 0,1 100 051 


| Ferment: 1 ccm 10fach verdünntes Katzenserum. Gesamt- 
volumen 35 cem. ру = 7,62 (elektrometrisch). 


Versuch 14а. 


Vorhandenes 
Tributyrin nach 


E E ee 
— 043431 а — 1 


Ferment: l cem 10fach verdünntes Kaninchenserum. Ge- 
samtvolumen 35 cem. pq = 7,55 (elektrometrisch). 


Versuch 14b. 


Ferment: 1 ccm 20fach verdünntes Kaninchenserum. Ge- 
samtvolumen 35 ccm. ри = 7,55 (elektrometrisch). 


176 P. Rona und E. Bach: 


Versuch 15a. 


Relative 
Giftkon- I 
zentration 


| 
| Atoxyl 


| in mg 


Nr. 


салы a 


il с 0 0,0121 0 
2 | 0,00001 1 0.0121 0 
3 | 0.001 100 0.0105 0,13 
4101 | 10 000 0.0063 | 0,48 
5 100 1000000 0.0017 0.86) 


Ferment: 1 cem fach verdünntes Kaninchenserum. Ge- 
samtvolumen 35 cem. рн = 7,62 (elektrometrisch). 


Versuch 15 b. 
8 SE 
Nr. Atoxyl Giftkon- [. Tributyrin nach |ý m ES h= — К 
I in mg |zentration] O. |30 | 60 90. | 3 
1 0 01 100; 83| 70 | 58 0,0061 0 
2 || 0,00001 11 100| 83| 70 | 58 0,0061 0 
3 || 0,001 100 1 100; 83; 73 | 63 0,0055 0,10 
4 | 0,1 10 000 | 100| 90| 80 | 73 0,0034 0,44 
5 110,0 1 000000 |(100 1190 | 95 | 90 0,0010 0,84) 


Ferment: 1 ccm 10fach verdünntes Kaninchenserum. Ge- 
samtvolumen 35 cem. pe = 7,62 (elektrometrisch). 


Versuch 16a. 


р Relative Vorhandenes 
Nr. Atoxyl | Gitt- Tributyrin nach h = ko — К 
konzen- ene Kee ee ke 
in mg | tration Ké 60° 11207 |180 240 | 


1 0 О 10089 81 | 74 | 62 0 
2 || 0,0001 1 [100 89| 81 | 74 | 62 0 
3 | 0,001 10 100 — 85 | 77 | 67 0,21 
4 | 0,01 100 100 — | 89 | 81 | 74 0,42 
5 | 0,1 1000 10 — 92 | 89 | 81 0,63 
6 | 1,0 10000 |100|— | 96 | 96 | 92 0,84 


Ferment: l ccm 25fach verdünntes Kaninchenserum. Ge- 
samtvolumen 35 ccm. рн = 7,32 (elektrometrisch). 


Wie aus diesen Tabellen ersichtlich, besteht zwischen Ferment- 
wirkung und Giftkonzentration eine leicht übersehbare gesetz- 
mäßige Beziehung. Nehmen wir in den einzelnen Versuchen die 
Verhältnisse der Giftmengen (bzw. da in jeder Versuchsreihe die 
Volumina gleich waren, der Giftkonzentrationen), die eine geo- 


Wirkung des Atoxyls auf Serumlipase. 177 


Versuch 16b. 


| | Relative] Vorhendenes | k —k 
Tributyrin nach * N = 0 

an 043431 "Tee ы? 
0,0052 0 
0,0051 0 
0,0043 0,17 
0,0031 0,40 
0,0019 0,63 
0,0007 0,86 


Ferment: Leem 10fach verdünntes Kaninchenserum. Ge- 
samtvolumen 35 ccm. рн = 7,32 (elektrometrisch). 


metrische Reihe bilden und die entsprechenden Geschwindigkeits- 
konstanten, so erhalten wir folgende Zahlen: 


Verhältnis der Giftmenge Geschwindigkeitskonstanten 
Versuch 1 1:2:4:8 26, 21, 16, 12. 10-3 
Versuch 2 1:2:4:8 21, 19, 16, 13. 10-3 
Versuch 3 1: 4: 16: 64 81, 65, 49, 34. 10-4 
Versuch 4 1:2:5:10: 20: 50: 100 48, 44, 38, 34, 30, 25, 20. 1074 
Versuch 5 1:10: 102: 103 96, 71, 52, 34-1074 
Versuch 6 1:2,5:5:10: 50 62, 57, 39, 25, 0,7- 1074 
Versuch 7 1:2:4:8:16: 32: 64 (35), 30, 22, 14, 07, 0,1 - 10° è 
Versuch 8 1:2:4:8 1,11, 1,02, 0,93, 0,84 
Versuch 9 1:10: 102: 103: 104 2,20, 1,74, 1,38, 0,89, 0,38 
Versuch 10 1:10: 102: 103 : 104: 10° (1,43), 1,15, 0,96, 0,81, 0,66, 0,46 
Versuch 11 1:10: 102: 10 0,91, 0,81, 0,72, 0,65 


Die Giftmengen A, B,C, Dusw. verhalten sich in den Versuchen 
wie die Glieder einer geometrischen Reihe: 


4 1 4 % 4 
B a’ O0 n? D p eet 


und log B — log A = logn ; logC — log A = 2 logn ; 
log D — log A = 3 logn usw. 
Die entsprechenden Geschwindigkeitskonstanten zeigten eine 
arithmetische Abnahme: 
1. — e = d, y-ke=2d, ky—kp = 3d usv. 
Daraus folgt: 


_ka—ks __k-k _ kb ,._ с 
logB—logA logC—logA logD—logA — logn ` 
konst. 


Biochemische Zeitschrift Band 111. 12 


178 P. Rona und E. Bach: 


Das Verhältnis der Differenzen der Geschwindigkeitskon- 
stanten und der Differenzen der Logarithmen der entsprechenden 
Giftkonzentrationen ist konstant. 


ka — Ев > 
log В log4 
kı — kp = x (log В log 4), (1) 


wo A und B die Giftkonzentrationen, k, und k, die ent- 
sprechenden Geschwindigkeitskonstanten bezeichnen. x ist eine 
Konstante, deren Größe von der Stärke des Fermentes und von 
der Empfindlichkeit derselben gegen das Gift abhängig ist. 

Zur Ermittlung von x müssen zwei Geschwindigkeitskon- 
stanten bei zwei verschiedenen Giftkonzentrationen bestimmt 
werden. Die bei verschiedenen Giftkonzentrationspaaren be- 
stimmten Werte von x zeigen, wie aus den folgenden Tabellen 
ersichtlich, eine befriedigende Übereinstimmung. 


Ber. aus Nr. 28 24 25 3—4 8-5 4-5 Mittelwert 


І versuch, S 0,0166 0,0166 0,0155 0,0166 0,0149 0,0139 0,0166 
2 versuch. Ber- aus Nr. 2—4 25 8—4 8-5 4—5 Mittelwert 
х ae 0,0088 0,0099 0,0099 0,0099 0, 0,0088 
3. Versuch. Ber. aus Nr. 2— 2—4 2—5 3—4 3—5 4—5 Mittelwert 
r x 00205 0.00206 0,00260 0,00266 0,00257 0,0049 0,00260 
Ber. aus Nr. 2—8 2—4 2—5 2-6 2-7 2-8 8—4 8—5 8—6 
„ 500183 0,0014 0,0014 0,0014 0,0018 0,0014 0,0015 0,0014 0,0014 
; Ber. aus Nr. 8—7 3—8 4—6 4—6 4—7 4-8 56 5—7 
„уен х 700014 0,0014 0,0014 0,0018 0,013 0,0018 0,0014 0,0018 
Ber. aus Nr. 5—8 6—7 6-8 Mittelwert 
„ 5,0013 0,0014 0,0014 0,0014 
Б. Versuch Ber. aus Nr. 2 Nr. 2—8 220—4 | 2—5 8-4 3—6 4—5 Mittelwert 
х ~~ 0,0025 6,0022 0,0021 0,0019 0,0019 0,0018 00021 
всей: Вет. aus Nr. 2—3 2—4 2—5 3—4 3—5 Mittelwert 
х 0,0045 70,0046 0.0050 0,0047 0,0053 0,0048 
7 Vemuch, Ber. aus Nr. 3—4 3-5 8-6 3—7 4-5 4-6 4—7 5—6 Mittelwert 
х 0,02: 0,027 0,026 0,024 0,027 0,025 0,023 0,023 0,025 
8. Versuch. Ber. aus Хг. 2—3 2—4 2-5 8—4 8-5 4—5 Mittelwert 
х озо 030 030 0.30 0,30 0,30 0,30 
9. Versuch, Ber aus №. 2—3 2-4 2—6 2-6 3—5 3—6 4—6 4-6 5-6 Mittelwert 
x 0,46 0,41 O44 0,46 043 0,44 0,49 0,50 0,51 0,48 
10. Verauch. Ber. at aus Nr. 84 3--5 3--6 3—7 4—5 4-6 4-7 5-6 6-7 6—7 Mittelwert 
х 0,19 0.17 0,16 O17 0.15 0,15 0,17 0,15 0,18 0,20 0,17 
їй erh Ber. aus Nr. 2—3 2—4 2-5 3-4 3 5 4—0 Mittelwert 
x 0,10 0,09 0 0,09 0,08 90,07 0,09 


Die Konstante х bedeutet diejenige Geschwindigkeits- 
konstante, die man erhalt unter der Wirkung des zehnten Teiles 
der eben total hemmenden Giftmenge. 


In diesem Falle ist logB—logA = 1 und kz, = 0, d. h. die Gift- 
menge ist so groß, daß sie vollständige Hemmung verursacht. 


Wirkung des Atoxyls auf Serumlipase. 179 


Mit Hilfe der Gleichung 1 läßt sich die eben total henimende 
wie die eben nicht mehr hemmende Giftmenge berechnen. Be- 
zeichnen wir die total hemmende Giftkonzentration mit C,, so 
bekommt man, da Ё = 0 


log C. ч +logA. | (2) 


Ist andererseits die dem Ferment zugefügte Giftmenge so 
gering, daß sie keine hemmende Wirkung mehr ausübt, so wird 
die Geschwindigkeitskonstante so groß sein wie die bei der Spal- 
tung ohne Gift. Wird letztere mit K bezeichnet, die betreffende 
kleine Giftdose mit Co und kọ = К, so erhält man 


Іов = . + logA. (3) 


Wahlen wir fiir A die Einheit der Giftmenge, so vereinfachen 
sich die Gleichungen, indem das Glied log A wegfällt: B bedeutet 
dann in der Gleichung 1 die Giftkonzentration auf A als Einheit 
bezogen. 

Mit Hilfe dieser Gleichungen können wir aus x und einer 
Geschwindigkeitskonstante den Verlauf der Fermentspaltung 
bei einer beliebigen Giftkonzentration berechnen. 

Als Beispiel diene die Versuchsreihe 3: 


a k berechnet aus Gleichung (1) „х= = 0,0026 


= биз ла 


aus Nr. 2 ans Nr.8 aus Nr. 4 aus Nr. 5 
gefunden | (ka = сб, | 1 ` Фа = 0,0065) (k4 = 0,0049) (ky = 0,0084) 
0,0081 0,0081 0,0081 0,0080 0,0081 
0,0065 0,0065 0,0065 0,0065 0,0065 
.0,0049 0,0050 0,0049 0,0049 0,0050 
0,0034 0,0034 0,0034 0,0033 0,0034 


Da eine sehr große Zunahme der Giftkonzentration nur eine 
geringe Abnahme der Geschwindigkeitskonstante (also eine ge- 
ringe Hemmungszunahme) verursacht, wird man eine Über- 
einstimmung der berechneten und der experimentell gefundenen 
Werte für die total und die eben-hemmende Giftdosis nur der 
Größenordnung nach erwarten dürfen, wobei noch beachtet werden 
muß, daß beide Werte naturgemäß eine gewisse Breite besitzen 
müssen. 

Nehmen wir z. B. die Versuchsreihe 5 (Kaninchenserum), so berechnet 
sich für logC, (C, = total hemmende Giftkonzentration) aus Versuchs- 


12* 


180 P. Rona und E. Bach: 


Nr. 3, 4, 5, 6 bzw. 2,57, 2,38, 2,48, 2,62 im Mittel 2,525. Die größte Ab- 
weichung in Nr. 4 weicht 6% vom Mittelwert ab. Die entsprechenden 
Werte für C, (in mg Gift für 35 ccm Gesamtvolumen) sind: 3,7, 2,4, 3,0, 
4,2. 108, im Mittel 3,4. 102. Die größte Abweichung vom Mittelwert 
beträgt 30%. 

In der Versuchsreihe 6 (Menschenserum) berechnet sich die total 
hemmende Giftkonzentration aus Versuchs-Nr. 2, 3, 4, 5 bzw. zu .0,14, 
0,15, 0,13, 0,14 mg Gift für 36 ccm Gesamtvolumen; die eben nicht mehr 
wirkende Giftmenge hingegen zu 0,008, 0,009, 0,009, 0,008, im Mittel 
0,0085 mg Gift für 36 ccm Gesamtvolumen. Die experimentelle Beobach- 
tung ergab, daß eine Atoxylkonzentration von 0,01 mg auf 36ccm eine 
sehr geringe Hemmung und 0,1 mg auf dieselbe Flüssigkeitsmenge eine 
fast vollständige Fermenthemmung (89%, Hemmung) verursacht. Bei 
0,5 mg Atoxyl haben wir nach 2 Stunden keine Spaltung festgestellt. 
Die gefundenen und die berechneten Werte zeigen demnach eine befrie- 
digende Übereinstimmung. 


II. 
Bei der Untersuchung der hemmenden Wirkung des Atoxyls 
auf verschiedene Fer mentmengen ist es von Vorteil, den 
Hemmungskoeffizienten (h) einzuführen: 


wobei k, die Geschwindigkeitskonstante ohne Gift bedeutet. 


Seien die Geschwindigkeitskonstanten bei der Giftkonzentration 4 
und В k, und ks, die Hemmungskoeffizienten k, und x, so ist 


„es und „ 
ko ko 
woraus i L ~ 
ha = hp = В S 2 
und da 0 
kg — ky = х (log А log В) 
so ist . 


hı — hg = 4 dog А — log В). (4) 


In den folgenden Versuchen 12—16 ist die Giftwirkung auf 
verschiedene Fermentmengen untersucht. 

Im Versuch 12 wurden von einem und demselben Serum drei 
Verdiinnungen dargestellt und die hemmende Wirkung von drei 
verschiedenen Giftkonzentrationen untersucht. Wie ersichtlich, 
sind die Hemmungskoeffizienten (k x 100 = Hemmung in %) 
innerhalb des Versuchsfehlers gleich. 


— eee ль pe _ 


Wirkung des Atoxyls auf Serumlipase. 181 


{ 5 fach verd. |10 fach verd. 20 fach verd. 
Katzen- Katzen- | Katzen- 
Bat a e ð K , serum derum | serum ` 
Henan ed Giftkonzent. 2,8 %% А 0,35 0,34 0,98 
5 <2 28 / 0,58 0,49 0,45 
н i A SCH 0/60 | 0.68 0,70 0,70 
Geschwindigkeitskonstante ohne Gift . . 1 3,06 1,40 0,74 
x | 0,25 0,13 0,077 


Die Fermentmengen verhielten sich im Versuch wie 1 : 2 : 4; 
die Werte von x verhalten sich nun wie die Fermentmengen bzw. 
die Geschwindigkeitskonstanten. 


Denn wenn auf verschiedene Fermentmengen dieselben Giftkonzen- 
trationen wirken, ist 


h,—hy = р, (os — log В) 


und 
h — * = A х Бад log В), 
da aber 
| ha = №, und hs = hi, D ` 
a h, e Ae = h’ чей A, 
ko = 15 „* 


Das Verhältnis von = bei einem und demselben Ferment, 
0 


aber in verschiedenen Konzentrationen ist demnach konstant. 


Mit Hilfe von — kénnen wir die Giftwirkung bei verschiedenen 


Gift- und Fermentkonzentrationen berechnen. Der Wert von 2 
0 


hangt von der relativen Empfindlichkeit des Fermentes gegen das 
Gift ab (d. h. von der Empfindlichkeit gegen die Anderung der 
Giftkonzentration). 

In den folgenden Tabellen sind die Hemmungskoeffizienten 
in den Versuchen 13—16 zusammengestellt. 


Zu Versuch 13. 


тл | 5 fach verd. | 10 fach verd. 
к Katzenserum 


Hemmungskoeffiz. bei Giftkonz. 2.8 - 10-5 0% 0,32 | 0,31 
й ` А 2,8 + 10-3 0/6 | 0,54 0,51 
Geschwindigkeitskonstante ohne Gift, ko. 1,17 0,59 
x | 0,18 | 0,06 
i ' оп TI om 

|! [ 


70 


182 P . Rona und E, Bach: 


Zu Versuch 14. 


10 fach verd. | 20 fach verd. 
Katzenserum Katzenserum 


— + — ee —— о за аа = 
— — IE IE II — — — — — ——— — — — — — 


Hemmungskoeffiz. bei Giftkonz. 98. 10- 0% 0 | 0,17 | 0,22 
n a II 2, 8. 10- А 9% 0 | 43 | 0,45 
у „ n 2,8 10 2% 0 i 0,68 i 0,67 
Gesch windigkeitskonstante ohne Gift, ko 0,0099 0,0049 
x -0,0025 0,0011 
e 0.252 02224 
ky | | | | 
es Versuch 15. 
о eat |10fach vara 
Kaninchen- | Kaninchen- 
EU EVER Be cia ылы dee a | F 
Hemmungskoeffizient bei Giftkonzentr. 26. 8-10- = А ү 
9 3 I / 1 7 
: 4 „ 28810 | 048 | 0,44 
| h „ 238 10 „% 086 084 
Geschwindigkeitskonstante ohne Gift ko ' 0,0121 0,061 
x ! 0,0022 0,0011 
x | | 
Zu Versuch 16. 
ee ee Io tach verd. 25 fach verd. 
| Kaninchen- | Kaninchen- 
nn ee ee en Denen Dur, elleng un 55 
Hemmungskoeffizient bei Giftkonzentr. 28. 10- 1% і ; 0 9210 
” nm n 2, 8 10-5 Гоо 0,17 
i R R 28. 10 % 0,40 | 0,42 
э | A м 2,8 -10°° 0 оо 0,63 0,63 
„ а. 2 5 Р 2,8-10 % 0,86 0.84 
Geschwindigkeitskonstante ohne Gift ko 0.0052 0,0019 
2 х d 0,0012 
| a | 1 


Te | 0,23 0,21 


Die Konstante S ist unabhängig von dem absoluten Wert 


der Geschwindigkeitskonstanten; sie ist um so größer, je empfind- 
licher das Ferment gegen die Änderung der Giftkonzentration ist. 


Je kleiner der Wert von 2 ist, desto größere Unterschiede der 
0 

Giftkonzentration verursachen nachweisbare Hemmungszunahmen. 

Wie leicht ersichtlich, bedeutet = die Zunahme des Hemmungs- 


0 


Wirkung des Atoxvls auf Serumlipase. 183 


koeffizienten (der Hemmung) wenn die Giftkonzentration 10fach 
vergrößert wird. 

Die Giftkonzentrationen C, bis С, geben uns die Breite der 
Giftwirkung. Da bei der tödlichen Giftkonzentration (C,) der 
Hemmungskoeffizient A, gleich 1 wird (da b, = 0 ist), bei der 
nicht mehr wirksamen Giftkonzentration ho = O ist, so erhält 
man aus Gleichung 


hy — % = ү (0g C. — 1080), 
0 " 


wenn man Co, die eben nicht mehr wirksame Giftkonzentration 
gleich 1 setzt 


logC, = 8 А 


Der reziproke Wert der Konstante — gibt demnach die Breite 
der Giftwirkung?). 


III. 
Es muß weiterhin geprüft werden, wie die Werte der eben 
nicht mehr wirksamen, der total hemmenden Giftkonzentration, 


EEE А 2 ; 
ferner von i bei einem und demselben Tier zu verschiedenen Zeiten, 
0 


dann bei verschiedenen Individuen derselben Tierart, schlieBlich 
bei verschiedenen Tierarten sich verhalten. | 

Die folgende Tabelle enthält eine Reihe von Versuchen, in 
der das Verhalten dieser Werte bei einem und demselben Tier 
(Kaninchen) untersucht wurde. 


Tag der . „„ | 

Blut- 1 „ Sem) | (% 
entnahme 5 | 

у. 17. v. | 022 1.510 | 4,4 - 10 
19. V. 0,23 | 38-10-* 7,510 
2. VI. ul | 0,23 | 5,5-10-* | 7.10 
17. Vl. 18. vl. 025 | 5310-5. 10 
21. VI. 022 1.3. 10-5210 
23. VI. 025 1,110 11.10 
25. VI. 019 2.2.10 | 7,8-.10-' 
23. VI. 23. VI. 020 1.510 5,8 10 
25. l. 019 35.10-74.10 
29. vl. 021 6.10» | 39-107! 


=й 


ы. 


5 ky 
1) Die Beziehung С, = 10, läßt sich auch leicht aus den Abbildungen 
direkt ableiten. | 


184 P. Rona und E. Bach: 


Im allgemeinen konnten wir bei längerer Beobachtung der 
Fermentlösung, falls kein Fäulnisprozeß eintrat, eine wesentliche 
Änderung der Giftempfindlichkeit nicht beobachten. In den 
meisten Fällen änderte sich auch die Fermentaktivität nicht 
bedeutend; nur in zwei Fällen haben wir innerhalb kurzer Zeit 
eine größere Abnahme der Aktivität beobachtet: 


Ferment: 5fach verdünntes Kaninchenserum. 


Versuchs- | | ж 
ag 5” | * | | Dis | 081) 


17. V. | 0,0116 | 0,0026 | 0,22 | 1,5-10- 
19. V. 00061 | | 


Ferment: 10fach verdiinntes Meerschweinchenserum. 


— — — ä — — nn 


ve he- | і | 
аи р | 5 | Gem) | C (eL) 
14. v. 00220 | 0,0030 | 014 © 1,8-10-2 | 1,2-10-5 
15. v. 0.0103 | 0.0013 | 013 : 08-10-* | 68-1075 


Obgleich die Fermentaktivität in diesen Fällen bis auf die 
Hälfte vermindert war, blieben die tödliche und nicht mehr wirk- 


same Giftdosis, sowie = gleich. Die Abschwächung der Ferment- 
0 


aktivität äußerte sich so, wie wenn die Fermentkonzentration ver- 
ringert wäre. 

In unseren Versuchen benutzten wir Kaninchen-, Katzen-, 
Meerschweinchen- und Menschenserum. Die verschiedenen Tier- 
arten zeigten nun große Unterschiede in ihrer relativen Empfind- 
lichkeit (Empfindlichkeit gegen Änderung der Giftwirkung) gegen 


das Gift, so daß die Konstante GE (deren Größe abhängt von der 
0 


Hemmungszunahme mit der Zunahme der Giftkonzentration) bei 
den verschiedenen Tierarten sehr verschieden ist. Gewisse indi- 
viduelle Unterschiede innerhalb einer und derselben Tierart sind 
zwar auch vorhanden, sind aber viel geringer. 

Die folgende Zusammenstellung gibt ein übersichtliches Bild 
über die hier vorliegenden Verhältnisse: 


Wirkung des Atoxyls auf Serumlipase. 185 


Tierart i Co (g/L) | С, (g/L) 
0 
Kanninchen | 0,22 10- > | 46.107? 
e | 0,31 8-10-* | 1,1-10-' 
Я | 0,33 1.5. 101.5. 102 
Katze | 0,13 | 1,5-10-7 | 18 
22 0,10 | 2,6 10-* 2,5 + 10? 
К 0,14 2,8 10-° 23 
Meerschweinchen || 0,13 | 1,3 10—2 — 
Mensch 081 | 2,2. Ю-* 3,9- 107? 
” | 0,61 1,7 -10 =* 7,3 10-3 
| 0,63 | 2,1-10°* 1,6 - 10° 
Die Werte von Ж bewegen sich demnach | 
0 
bei Kaninchen 0,22 — 0,33 
„ Katte 0,10—0,14 
„ Meerschweinchen . 0,13 
„ Mensch ....... 0,61 — 0,81 


Nach diesen Befunden ist die Empfindlichkeit gegen die 
Konzentrationsänderungen des Giftes bei der Menschenserum- 
lipase sehr groB, bei der Katzen- und Meerschweinchenserum- 
lipase sehr klein, in der Mitte liegt die Kaninchenserumlipase. 
Dementsprechend stehen die Grenzwerte der total hemmenden 
und noch nicht wirksamen Giftkonzentrationen (C und Co) bei 
der Lipase des Menschenserums sehr nahe, bei der Lipase des 
Katzen- und Meerschweinchenserums sehr weit voneinander. 
So wurde beim Menschen eine Giftkonzentration von 7—8 · 10 Zeit, 
als tödlich, eine von 1— 2. 10 g/L als unwirksam gefunden. 
Im Gegenteil hemmten bei der Katze schon sehr geringe Gift- 
konzentrationen (schon 10 7 g/l), und doch heben sehr große ` 
Giftdosen (mehrere % % die Fermentwirkung noch nicht auf. 
Eine verhältnismäßig große Resistenz gegen Atoxyl zeigt die 
Meerschweinchenserumlipase. Man wird schwerlich diese Unter- 
schiede auf verschiedene Arten von Lipasen bei den verschiedenen 
Tierarten zurückführen. Viel eher ist anzunehmen, daß der 
Grund des verschiedenen Verhaltens in den entsprechenden 
Seren liegt, dessen Natur allerdings erst zu erforschen ist. 


IV. 
Bei den bisherigen Versuchen war die Anordnung so, daß 
die Sera (das Ferment) vor der Zufügung der Tributyrinlösung 
ca. 1 Stunde lang mit den Giftlösungen standen. In den folgenden 


186 P. Rona und E. Bach: 


Versuchen haben wir gleiche Giftmengen auf gleiche Ferment- 
mengen wirken lassen, aber die Reihenfolge des Zusammen- 
bringens von Gift, Ferment, Substrat und auch die Wirkungs- 
dauer des Giftes auf das Ferment werden variiert. 


Versuch 17). 


Vorhandenes 
Nr Н Tributyrin | nach 


Serum + Tributyrin (ohne Gift). . [100 | 74 | 54 | 41 | 0,0101 0 
Tributyrin + Gift, dann Serum. . 1100 | 77 | 61 50 0,0082 | 0,19 
Tributyrin + Serum, dann Gift . . [100 | 77 | 61 | 501 0,0082 | 0,19 


1 
3 
4 Serum + Gift, dann Tributyrin . . [100 | 85 | 69 | 58] 0,0059 | 0,42 
5 | Serum + Gift, nach 30° Tributyrin |100 | 92 | 89 | 81 | 0,0023 | 0,78 
6 || Serum + Gift, nach GO Tributyrin [100 (96) 89 | 81 | 0,0021 | 0,80 


Versuch 18!). 


Vorhandenes = 
Tributyrin D Dach ` 


1 Senin + Tributyrin (ohne Gift). 
2 | Tributyrin + Gift, dann Serum. 
3 | Tributyrin + Serum, dann Gift. 
4 Serum + Gift, dann Tributyrin . . 
5 : S 


Tributyrin nach Е 
0 | 15' |30 | 45’ 


1 | | Serum + Tributyrin (ohne Gift). 
2 Tributyrin + Gift, dann Serum . 0,26 
3 |Serum + Gift, dann Tributyrin . . 0,58 
4 | Serum + Gift, nach 10’ Tributyrin | 100; — 0,89 
5 || Serum + Gift, nach 60’ Tributyrin [100] — 0,94 


Vorhandenes | 
Tributyrin nach k | А 


o |15° 30 |45 


Serum + Tributyrin (ohne Gift) . 100 61 | 37 | 20 I 0,033 0 

aus + Gift, dann Serum. . . 100 66 | 42 | 25 0,029 0,12 
з erum + Gift, dann Tributyrin. .. 100 81 | 69 ! 55 10,013 ` 0,60 
4 1115 + Gift, nach 30° Tributyrin 100 — 92 | 85 | 0,003 | 0,91 
5 5 | Serum erum + Gift, nach 120’ Tributy rin 100 — | 92 | 85 | 0,003 | 0,91 


от) Angewendet wurde Kaninchenserum. Wo keine besondere Angabe 
ist, sind die einzelnen Bestandteile des Gemisches ohne Pause zusammen- 
gegeben worden. 


Wirkung des Atoxyls auf Serumlipase. 187 


Aus diesen Versuchen ist folgendes zu entnehmen: 

1. Es macht keinen Unterschied, ob das Serum der Tributyrin- 
Giftmischung oder ob das Gift der Tributyrin-Serummischung 
zugefügt wird. 

2. Die Hemmung ist größer, wenn das Tributyrin dem Serum- 
| Giftgemisch zugefügt wird, als wenn das Tributyrin zuerst mit 
dem Serum vermischt und dann das Gift zugefügt wird. 

3. Die Hemmung ist bedeutend größer, wenn das Tributyrin 
der Serum-Giftmischung zugefügt wird, nachdem diese Mischung 
eine Zeitlang gestanden hat, als wenn das Tributyrin der Serum- 
Giftmischung sofort zugefügt wird. Und zwar macht es keinen 
Unterschied, wenn das Tributyrin nach 30’ oder später der Serum- 
Giftmischung zugesetzt wird. 

4. Es besteht ein großer Unterschied, ob das Tributyrin der 
Serum-Giftmischung, oder ob das Serum der Tributyrin-Gift- 
mischung zugesetzt wird, und zwar ist im ersten Falle die Hem- 
mung bedeutend stärker. 

Die Versuche zeigen, daß die hemmende Wirkung des Atoxyls 
nicht sofort, sondern erst nach einer gewissen Zeit (15—30’) sich 
auf den endgültigen, höchsten Wert einstellt. Andererseits sieht 
man auch, daß, wenn das Atoxyl zuerst mit dem Tributyrin zu- 
sammengebracht wird, und erst dann mit dem Ferment, die 
hemmende Wirkung viel geringer ist, als wenn das Atoxyl gleich 
mit dem Ferment zusammenkommt. Man könnte annehmen, 
daß im letzteren Fall und bei dem sofortigen Zufügen von Tribu- 
tyrin zu der Gift-Fermentmischung ein Teil des Atoxyls von der 
Fermentoberfläche durch das Tributyrin verdrängt" würde; 
nach einem Stehen der Ferment-Giftmischung von 15—30 Mi- 
nuten entstehen hingegen irreversible Änderungen am Ferment. 


Zusammenfassung. 
1. Die Giftwirkung des Atoxyls auf die Serumlipase ver- 
schiedener Tiere wurde quantitativ verfolgt. 
2. Es ergab sich, daß bei der Zunahme der Giftkonzentration 
nach einer geometrischen Reihe die Geschwindigkeitskonstanten 
des fermentativen Prozesses nach einer arithmetischen Reihe ab- 


nehmen. Es besteht demnach die Beziehung 10 ka — Ёв = konst. 


gB—logA 
(x), wo Ё, und k, die Geschwindigkeitskonstanten bei den Giftkon- 
zentrationen A und B bedeuten. 


188 P. Rona und E. Bach: Wirkung des Atoxyls auf Serumlipase. 


3. Wirken auf verschiedene Fermentmengen dieselben Giftkon- 
ke — ky 

ke’ 
wo die k, die Geschwindigkeitskonstante ohne Gift, Е, die bei der 
Giftkonzentrationen A ist) gleich. Daraus folgt die Beziehung 


zentrationen, so sind die Hemmungskoeffizienten (В, = 


Е · = konst. Der Wert dieser Konstanten hängt von der relativen 


Empfindlichkeit des Fermentes von dem Gift ab, d. h. von der 
Empfindlichkeit des Fermentes gegen die Anderung der Gift- 
konzentration. 

4. Sowohl die absolute wie die relative Empfindlichkeit des 
Fermentes gegen das Gift ist bei den verschiedenen Tierarten 
verschieden. | | 

5. Tributyrin übt eine „Schutzwirkung“ gegen die hemmende 
Wirkung des Atoxyl aus. 


188 P. Rona und E. Bach: Wirkung des Atoxyls auf Serumlipase. 


3. Wirken auf verschiedene Fermentmengen dieselben Giftkon- 


. І г. Е, — k 
zentrationen, so sind die Hemmungskoeffizienten (h, = ы S 0 


wo die k, die Geschwindigkcitskonstante ohne Gift, k, die bei der 
Giftkonzentrationen A ist) gleich. Daraus folgt die Beziehung 


х = 
- = konst. Der Wert dieser Konstanten hängt von der relativen 
0 


Empfindlichkeit des Fermentes von dem Gift ab, d. h. von der 
Empfindlichkeit des Fermentes gegen die Anderung der Gift- 
konzentration. | 

4. Sowohl die absolute wie die relative Empfindlichkeit des 
Fermentes gegen das Gift ist bei den verschiedenen Tierarten 
verschieden. 3 | 

5. Tributyrin übt eine „Schutzwirkung“ gegen die hemmende 
Wirkung des Atoxyl aus. 


NM 


Biochemische Zeitschrift 


Beiträge 
zur chemischen Physiologie und Pathologie 


Herausgegeben von G. MEDICAL 


F. Hofmeister -Wiirzburg, C. von Noorden -Frankfurt a. M., 


E. Salkowski-Berlin, A. von Wassermann-Berlin JAN 2 


unter Mitwirkung von 


М. Ascoli-Catania, L. Asher-Bern, G. Bertrand-Paris, A. Bickel-Berlin, F. Blume 

Berlin, A. Bonannl-Rom, F. Bottazzi-Neapel, G. Bredig-Karlsruhe і. B., А. Durig- 

F. Ehrlieh-Breslau, H. v. Euler- Stockholm, J. Felgl-Hamburg, 8. Flexner-New York, 
J. Forasman- Lund, 8, Fränkel-Wien, E. Freund-Wien, H. Freundlich - Berlin - Dahlem, 
E. Friedberger-Greifswald, E. Friedmann-Berlin, O. v. Fürth-Wien, G. Galeott!-Neapel, 
F. Haber-Berlin-Dahlem, Н. J. Hamburger-Groningen, Р. Häri-Budapest, E. Hägglund- 
Äbo, A. Heffter- Berlin, V. Henri-Paris, V. Henriques-Kopenhagen, W. Heubner- 
Göttingen, R. Höber-Kiel, =. Jacoby-Berlin, А. Koch-Göttingen, F. Landolf-Buenos 
Aires, L. Langstein-Berlin, P. A. Levene-New York, L. v. Liebermann - Budapest, 
J. Loeb-New York, A. Loewy-Berlin, А. Magnus-Levy-Berlin, J. A. Mandel-New York, 
L. Marchlewski-Krakau, P. Mayer-Karlsbad, J. Meisenhelmer-Greiiswald, L. Michaelis- 
Berlin, Н. Molisch-Wien, J. Morgenroth-Berlin, E. Miinzer-Prag, W. Nernst-Berlin, 
W. Ostwald-Leipzig, W. Palladin-St. Petersburg, W. Paull-Wien, R. Pfelffer-Breslau, 
E. P. Plek-Wien, J. Pohl- Breslau, Ch. Porcher-Lyon, P. Копа - Bern, Н. Sachs- 
Heidelberg, S. Salaskin-St. Petersburg, A. Scheunert-Berlin, N. Sleber-St. Petersburg, 
8. P. L. Sörensen-Kopenhagen, K. Spiro-Liestal, E. H. Starling-London, J. Stoklasa- 
Prag, W. Straub- Freiburg і. B., A. Stutzer- Königsberg i. Pr, K. Suto - Kanazawa, 
H. v. Tappeiner- München, H. Thoms-Berlin. P. Trendelenburg-Rostock, O. Warburg- 

Berlin, W. Wiechowski-Prag, A. Wohl-Danzig, J. Wohlgemuth-Berlin. 


Redigiert von 
C. Neuberg-Berlin 


Hundertundelfter Band 
Viertes bis sechstes Heft 


Ausgegeben am 25, November 1920 


Berlin 
Verlag von Julius Springer 
1920 


Francisco, 


EE 
beträgt М. es e 


ріге dungen ‚sind an den Redakteur, ` 
-rof. Dr. С. N euberg, Berlin- Dahlem, 


fasser erhalten 60 Sonderabdrücke ihrer 
gegen Berechnung. Für den 16 seitigen 
M. 40.— gezahlt. 


Verlagsbuchhandlung 
Berlin W 9, Linkst 


Inhalts verzeichnis. 


Die Verteilung der Glucose zwischen 
perchen. Zur Physiologie des Blutzucke 
Experimentelle Studien uber die Eigenscha 
unter Anwendung der chemischen Вејл 
Experimentelle Untersuchungen über 

hemischer, vasotonisierender Substanzen | 
lebende Gefäße. III. 

' Experimentelle Untersuchungen über d 
‚chemischer, vasotonisierender Substanzen { 
erlebende Gefäße. III. 


rerzeichnis 


Die Verteilung der Glucose zwischen Plasma und roten 
Blutkörperchen. 


Zur Physiologie des Blutzuckers. IV. 


Von 
Rich. Ege. 


(Aus dem Physiologischen Institut der Universität Kopenhagen.) 
(Eingegangen am 16. August 1920.) 


Trotz zahlreicher, von einer Reihe von Forschern ausgeführter 
Versuche herrscht doch noch große Uneinigkeit über die Ver 
teilung der Glucose im Blute. 


Bevor ich zu einer systematischen Durchnahme der Literatur über- 
gehe, werde ich zum Beweis dafür, auf wie unsicherer Grundlage unser 
gegenwärtiges Wissen beruht, Höbers Äußerung darüber anführen (,, Phy- 
sikalische Chemie der Zelle und der Gewebe“, 4. Aufl., S. 369; 1914). 

„ . Man findet z. B. zwar häufig die Blutkörperchen von Kaninchen 
leer von Zucker, in anderen Fällen enthalten sie nicht unerhebliche Mengen. 
Oder es kommt vor, daß die Blutkörperchen vom Menschen einmal gar 
keinen Zucker enthalten, obwohl sie in einem zuckerhaltigen Plasma 
schwimmen, oder es kommt auch das Umgekehrte vor, daß der Zucker- 
gehalt innen über den außen überwiegt. Ferner ist bei einigen Glykämien 
relativ viel Zucker im Plasma, bei anderen relativ viel in den Körperchen. 
Kurz, man begegnet auf Schritt und Tritt bei diesem Nahrungsstoff Ver- 
hältnissen, welche vom Standpunkt einer einfachen Verteilung infolge 
Diffusion durch Membranen von verschiedener, aber wohl definierter 
Durchlässigkeit bis jetzt nicht zu verstehen sind.““ 

Die älteste Untersuchung über den Glucosegehalt von Blutkörperchen 
stammt von Otto"), der zu beweisen sucht, daß die allgemeine Annahme, 
daß die Blutkörperchen zuckerfrei sind, richtig ist. Sind die Blutkörperchen 
zuckerfrei, so muß man Hoppe-Seylers Methode zur Bestimmung des 
Blutkörperchenvolumens modifizieren können. | 

Die Methode erfordert nur eine quantitative Bestimmung irgendeines 
Stoffes — der nicht in den Blutkérperchen vorhanden ist — in einer 
Plasma- und einer Gesamtblutprobe. 


1) Virchows Archiv 12. 
Biochemische Zeitschrift Band 111. 13 


$ e 


190 Rich. Ege: 


Bestimmt men den Glucoseprozentsatz im Plasma und Gesamtblut, 
во muß man daraus einen Wert des Volumens der Blutl.örperchen berechnen 
können, der mit. dem durch die Fibrinmethode erhaltenen Wert überein- 
stimmt, unter der Voraussetzung, daß die Glucose tatsächlich in den Blut 
körperchen n‘cht vorhanden ist. 

Eine Übereinstimmung zwischen den beiden Methoden ist ein Beweis 
dessen, daß in den Blutkörperchen kein Zucker vorhanden ist. Otto hat 
2 Versuche mit Pferdeblut ausgeführt und findet eine schöne Überein 
stimmung zwischen dem aus dem Fibrinprozentsatz in Blut und Serum 
und dem aus dem Glucoseprozentsatz in Blut und Serum berechneten 
Blutkörperchenvolumen. Die Blutkörperchen des Pferdes enthalten also 
keine Glucose. 

Wenn eine Reihe von grundlegenden Untersuchungen über die Per- 
meabilität der Blutkörperchen von Greng, Hedin, Koeppe und Ham- 
burger auch anscheinend durchaus widerspruchslos (wenn auch indirekt) 
dargetan zu haben scheinen, daß die Glucose nicht in die Blutkörperchen 
hineinzudringen vermag, so scheint es mir doch leichtsinnig, wenn spätere 
Untersucher — Lyttkens und Sandgren — die Blutkörperchen zu 
wiederholten Malen mit 0,9 proz. NaCl-Lösung waschen, um anhängendes 
Plasma zu entfernen, bevor sie zu der quantitativen Bestimmung der 
Glucose in den Blutkörperchen übergehen. Die Frage von dem Glucose- 
gehalt der Blutkörperchen hängt jedoch so innig mit der Frage von ihrer 
Permeabilität gezenüber Glucose zusammen, daß es kaum als zulässig 
bezeichnet werden kann, davon auszugehen, daß der etwaige Zuckergehalt 
der Blutkörperchen von dem wiederholten Waschen unberührt bleibt. 

Gegen die erte Arbeit von Rona und Michaelis!) muß man den- 
selben Einwand erheben, gegen die nächste Arbeit?) ist einzuwenden, 
daß sie keine Bestimmung des Blutkörperchenvolumens enthält. Die Un- 
sicherheit dieser Arbeit ist behoben worden in einer Arbeit von Rona und 
Takahashi“), indem hier mit dem Hämatokrit quantitative Volumen- 
bestimmungen unternommen worden sind. Die Resultate stimmen im großen 
und ganzen mit denen von Rona und Michaelis überein. 

Von interessierenden Versuchen führe ich folgende an: 


Hund Glucosekonzentration in Bi 
Plasma Blutkörperchen Р 
1. Frohe 0,158 0,157 99,4 
45 Min. später. . . 0,203 0,155 76,5 
1½ Std. später . . 0,393 0,04 1,0 
Bei der Katze betrug > von 4 — 144%. 


Beim Kaninchen „ „ „ O—39%. 


1) Diese Zeitschr. 16. 1909. 
2) Diese Zeitschr. 18. 1909. 
з) Diese Zeitschr. 30. 1911. 


4) 5 ist das Verhältnis zwischen den Glucosekonzentrationen in Blut- 


körperchen und Plasma (oder Serum). 


Blutzucker. IV. 191 


“A. Hollinger?) findet durch Vergleich zwischen der Blutzucker- 
konzentration im Gesamtblut und Plasma bei Menschen, daß die Glucose 
sich auch in den Blutkörperchen findet, bald in etwas größerer, bald in 
etwas kleinerer Menge als im Plasma — unter normalen Verhältnissen — 
in der Regel in identischen Mengen. Lyttkens und Sandgren?) finden, 
daß gewaschene Blutkörperchen (Kaninchen) bedeutende Mengen von 
reduzierender Substanz enthalten (Bangs Hydroxylaminmethode); aber die 
Reduktion verschwindet nicht bei der Vergärung. Die Blutkörperchen ent- 
halten also keine Glucose. Daß die Glucose nicht herausdiffundiert sein 
kann, läßt sich aus dem Umstand schließen, daß der Zuckergehalt in Se- 
rum + Spülwasser dem Zuckergehalt im Serum gleich war. Von Menschen- 
blutkörperchen gilt dasselbe (diese Zeitschr. 31; 1911). Franks) findet 
in der Regel ein gleich starkes Reduktionsvermögen für Plasma und Ge- 
samtblut sowohl beim Menschen als beim Hund. Ab und zu ist das Re- 
duktionsvermögen sogar stärker im Gesamtblut, d. h. daß die Glucose- 
konzentration in der Regel im Plasma und in den Blutkörperchen gleich 
groß, mitunter jedoch in den Blutkörperchen größer ist. In anderen Fällen 
ist die Gesamtzuckerkonzentration um so viel geringer als die des Plasmas, 
daß das Blutkörperchen zuckerfrei gewesen sein muß. Das Reduktions- 
vermögen verschwand bei Vergärung. Ganz dasselbe, behaupten Frank 
und Bretschneider“), ist der Fall bei Kaninchenblut. Hier ist das Blut- 
suckervolumen bestimmt. Der Zuckerprozentsatz des Blutkörperchens 
kann daher quantitativ angegeben werden. In 2 von 8 Versuchen mit nor- 


malen Kaninchen int 5 = 0, in 5 Versuchen ist das Verteilungsverhältnis 


bzw. 32, 79, 91 und 123%, (2 Fälle), in 4 Versuchen mit Hyperglykämie 
33%, oder darunter. Entsprechende Resultate werden von Höber mit- 
geteilt (nach Versuchen von Felix Sperling); bei normalen Hunden 


schwankt 5 von 97 bis zu 33, in Fällen von Hyperglykämie von 38 bis 


zu 0,0; bei (hyperglykämischen) Kaninchen schwankt der Quotient zwischen 
110 und 8,79. 


Die Zucker verteilung zwischen den Blutkörperchen und dem 
Plasma scheint also kein einfaches Gesetz zu befolgen — eine Spur 
von Gesetzmäßigkeit liegt doch vor, insofern Menschen- und 
Hundeblutkörperchen in den meisten Fällen und nach den meisten 
Untersuchern Glucose enthalten sollen, wohingegen die Gluoose 
bei den übrigen Tieren oft fehlt, und wenn hier Glucose vorhanden 
ist, findet sie sich in der Regel in einer geringeren Konzentration 
als im Plasma; dies ist aber, wie bemerkt, nur ein in großen und 
groben Zügen zutreffendes Gesetz, von dem es zahlreiche Aus- 

1) Diese Zeitschr. 17. 1900. 

з) Diese Zeitschr. 26. 1910. 


3) Zeitschr. f. physicl. Chemie 90. 1910—1911:: 
4) H. 76. 1911—1912. 


13* 


192 Rich. Ege: 


nahmen gibt. Ebenso widerspruchsvoll sind die ersten Angaben 

über die Verteilung der Glucose, wenn diese dem Blut künstlich 

zugeführt wird. ; 
Direkte Permebialitätsuntersuchungen von Rona und Michaelis 1) 


haben gezeigt, daß die Glucose bei Zusatz außerhalb des Organismus nicht 


in Blutkörperchen von Schafen und Hunden einzudringen vermochte. 
Die Versuche sind jedoch absolut nicht eindeutig, was die Hundeblut- 
körperchen betrifft. Bei Katzen betrug 3 von 4—114% und bei Kaninchen 
von 0,0—39%. Später haben Rona und Döblin?) zu zeigen versucht, 
daß die Blutkörperchen tatsächlich für Glucose permeabel sind (die Unter- 
suchungen wurden mit Menschenblutkörperchen angestellt, aber Rona 
und Döblin verallgemeinern offenbar ihre Resultate). Die Zuckerkonzen- 
tration wird in dem ursprünglichen Blut (Gesamtblut und Plasma) be- 
stimmt. Das Blutkörperchenvolumen wird mittels Hämatokrit bestimmt. 
Die Glucose wird polarimetrisch bestimmt. In dem ursprünglichen Blut 


betrug 5 91, 32 und 68%. Danach wird Glucose zugesetzt, 2 Min. später 


wird die Gluoosekonzentration wieder bestimmt, und man fand nun fol- 
gende Verteilungs verhältnisse: 80, 59, 62, 66, 55. Entsprechende Ver- 
hältnisse galten merkwürdigerweise nicht von der Verteilung zwischen Blut- 
körperchen und Serum; die Menge Glucose, die hier primär in den Blut- 
körperchen vorhanden ist, ist viel kleiner (in 3 Fällen von 7 gleich O, O), 
und das Verteilungsverhältnis ist nach Zusatz von Zucker in den meisten 
Fällen unter 33%. 


Ebenso stark schwankende Resultate, wie Höber in betreff der Ver- 


teilung von Glucose in vivo fand, findet er auch nach Zusatz von Glucose 
zu Blutproben außerhalb des Organismus. Die Bestimmungen werden teils 
unmittelbar nach dem Zusatz, teils etwa 1/, Std. später unternommen. 


Kaninchen Plasma Blutkörperchen 
Bofort эзе Gy eg 4 0,652 0,372 
38 Min. später 0,712 0,000 


[Die Glucose ist also aus den Blutkörperchen ins Plasma, von der 
Stelle der niedrigeren Zuckerkonzentration bis zur Stelle der höheren 
hinausgedrungen. 

Sich über diese zahlreichen — oft einander direkt wider- 
sprechenden — Resultate einen Überblick zu bilden, ist sehr 
schwer; entweder muß eine Reihe der obengenannten Bestim- 
mungen irrtümlich sein, oder auch muß man behaupten, daß 
nicht nur zwischen den verschiedenen Tierarten ein Unterschied 
besteht in betreff der Durchlässigkeit des Blutkörperchenhäutchens 


1) Diese Zeitschr. 18. 1909. 
2) Diese Zeitschr. 31. 1912. 


Blutzucker. IV. 193 


fiir Glucose, nein, dieselbe muB auch von Individuum zu Indivi- 
duum schwanken. Aber wenn wir auch geneigt wären, eine so 
sonderbare Erklärung zu akzeptieren, so ist uns damit nicht viel 
geholfen; eine Reihe von Zahlen aus den Versuchen von Rona 
und Michaelis und deren Mitarbeitern zeigen, falls sie richtig 
sind, daß die Auswechslung von Zucker zwischen Blutkörperchen 
und Plasma sich nicht durch eine einfache physikalische Diffusion 
erklären läßt. Wenn Rona und Takahashi und Höber z. B. 
in kontinuierten Proben finden, daß die Blutzuckerkonzentration 
im Plasma steigt, in den Blutkörperchen fällt, so läßt dies sich 
nicht gut erklären ohne Annahme von aktiver Sekretion von 
Zucker seitens der Blutkörperchen. So sagt Höber!): 

„Wir müssen daher schließen, daß die Blutkörperchen ihren Zucker- 
gehalt von sich aus regeln, indem sie aktiv den Import bzw. Export be- 
sorgen“, eine Annahme, die nur sehr schlecht mit unseren Kenntnissen 
von dem Säugetierblutkörperchen übereinstimmt. 

Da hier indessen Versuche gegen Versuche stehen, glaube ich, 
daß es notwendig ist, neue Versuche anzustellen, bevor man so weit- 
greifende Konsequenzen zieht. Hier kommt es in erster Reihe darauf 
an, die Fehlerquellen zu vermeiden, mit denen frühere Versuche 
behaftet waren. Von solchen Fehlerquellen können wir anführen: 

1. Ungenaue (oder fehlende) Bestimmung des Blutkörperchen- 
volumens. 

2. Waschen der Blutkörperchen. 

3. Die Glykolyse. 

4. Unvollständige Kenntnis der Restreduktion oder Rest- 
drehung bei der benutzten Methode. 

5. Ungenauigkeiten bei der Zuckeranalyse selbst. 

Die letzte von diesen Fehlerquellen ist sicherlich in vielen 
Fällen die wesentlichste. Der Zuckergehalt der Blutkörperchen 
wird von dem Zuckergehalt des Gesamtblutes und des Plasmas 
aus berechnet; der Fehler des Zuckergehalts der Blutkörperchen 
kann dabei ganz außerordentlich groß werden. Michaelis und 
Rona?) setzen den Fehler ihrer Polarisationsanalyse zu bis 10% 
von jeder einzelnen Bestimmung an — Lyttkens und Sandgren 
wollen sogar behaupten, daß er 20% beträgt?). 


1) Diese Zeitschr. 45. 1912. 
з) Diese Zeitschr. 18. 1909. 
3) Diese Zeitschr. 31. 1911. 


194 Rich. Ege: 


Der Einfluß, den dies auf das endgültige Resultat ausübt, 
ist am leichtesten aus einem Beispiel zu ersehen. Wollen wir 
annehmen, daß nach Rona und Michaelis die Zuckerkonzen- 
tration im Plasma = 0,090%, im Gesamtblut = 0,090% wäre, so 
bedeutet dies, daß der Zuckerprozentsatz in den Blutkörperchen 
und im Plasma identisch ist; da die Bestimmungen bis um 10% 
verkehrt sein können, ist es möglich, daß die wahren Werte im 
Plasma = 0,10%, und im Gesamtblut = 0,08%, sind. 

Ist das Blutkörperchenvolumen nun gering, z. B. 20%, so 
bedeuten diese Zahlen, daß die Blutkörperchen keinen Zucker 
enthalten. Mit anderen Worten, sind die Fehlergrenzen der 
Methode so groß, daß sich in einem Falle, wie dem obengenannten, 
nicht mit Sicherheit entscheiden läßt, inwiefern die Blutkörperchen 
und das Plasma gleich viel Glucose enthalten, oder ob das Plasma 
0,100 und die Blutkörperchen 0,00 enthält. 

Die besten und zahlreichsten Untersuchungen über 
die Glucoseverteilung zwischen Blutkörperchen und Plasnıa 
nach Zusatz von Glucose rühren von Masing?) her. 

Einer von den Gründen dazu, daß Masings Versuchsresultate 
unter sich eine weit bessere Übereinstimmung zwischen den einzel- 
nen Resultaten aufweisen, liegt meiner Meinung nach in seiner 
direkten Bestimmung des Zuckergehaltes der Blutkörperchen; 
statt diesen von der Zuckerkonzentration des Plasmas und des 
Gesamtblutes aus zu berechnen, bestimmt Masing den Zucker- 
gehalt des Plasmas und einer soweit wie möglich plasmafreien 
Blutkörperchenmelasse, in welcher die Plasmamenge in der Regel 
bestimmt wird. 

Eine Unsicherheit bergen dennoch Masings Bestimmungen 
in sich, indem seine Angaben über das Blutkörperchenvolumen 
auf Bleibtreus Methode, eine Methode, die ganz falsche Werte 
für das Blutkörperchenvolumen zu geben vermag?), beruhen; in 
den Versuchen, in denen er mit einer ungefähr plasmafreien Blut- 
körperchenmelasse arbeitete, hat dieses keine wesentliche Be- 
deutung. 

Die Resultate von Masings Versuchen sind, daß die Blutkö en 


von folgenden Tieren für Glucose absolut impermeabel sind: Gans, Ka- 
ninchen, Schwein und Schaf?). Dagegen sind Rinder-, Hunde- und Men- 
1) Arch. f. d. ges. Physiol. 156. 1914. 
2) Rich. Ege, diese Zeitschr. 109. 1920. 
з) Nur ein Versuch mit jeder Tierart. 


Blutzucker. LV. - 195 


schenblutkérperchen permeabel fiir Glucose; jedoch ist von keiner Aus- 
gleichung der Zuckerkonzentration die Rede; bei Hund und Rind beträgt 
der Verteilungsquotient etwa 10%, bei Menschen etwa 70%; dieses Verhält- 
nis ist jedoch nicht konstant; der Verteilungsquotient ist bei Menschen 
ein fallender bei steigender Zuckerkonzentration; während er bei Zucker- 
konzentrationen von 0, 2% in der äußeren Lösung 70%, beträgt, macht er 
bei einer Zuckerkonzentration von 2%, etwa 50% aus. Die Geschwindig- 
keit, mit der die Glucose in das Menschenblut hineindringt, ist nicht 
quantitativ bestimmt worden; jedoch wird sie bei 20° nach weniger als 
1/,—1 Std., bei 0° dagegen erst nach 18 Std. eingedrungen sein. 

Behandelt man die Blutkérperchen mit Formol, so wird die Glucose 
sich so nahezu gleichmäßig zwischen Blutkörperchen und äußerer Flüssig- 
keit (Ringer) verteilen, daß der Unterschied innerhalb der Fehlergrenze 
liegt; dies gilt sowohl von den früher impermeablen Blutkörperchen (Gans) 
als von denen des Menschen. | 

Ahnliche Untersuchungen sind von Kozawal) angestellt worden; er 
findet gleichfalls, daß der Zucker in Menschen- (und Affen-) Blutkörperchen 
eindringt, ohne daß jedoch ein Konzentrationsgleichgewicht erlangt wird. 
Das Verteilungsverhältnis von Glucose zwischen Blutkörperchen und 
Plasma ist bedeutend weniger konstant als nach Masings Befunden, 
nämlch 38, 37, 72, 86, 58, 72, 86, 86, 62, 39, 60, 60, sämtlich bei einer 
äußeren Konzentration von 0,6%. e 

Die Hundeblutkérperchen waren gleichfalls permeabel fir x Zucker — 
hier finden sich keine direkten Analysen für Glucose, für die übrigen ein- 
fachen Zuckerarten ein Verteilungsverhältnis von etwa 25%. Sämtliche 
Zuckeranalysen begannen 15 Min. nach dem Zuckerzusatz. Die Bestim- 
mungen fanden nur statt im Plasma und Gesamtblut; die Zuckerkonzen- 
tration der Blutkörperchen wurde berechnet. 


Die Blutkörperchen von Kaninchen, Schwein und Katze 
sind dagegen impermeabel für die einfachen Zuckerarten. Koza- 
was und namentlich Masings Untersuchungen haben in vielen 
Stücken unser Wissen von der Permeabilität der Blutkörperchen 
gegenüber Glucose bereichert, aber gleichzeitig erheben sich eine 
Reihe neuer Fragen, die ihrer Lösung harren. 

1. Entsprechen die gefundenen Verteilungsverhältnisse, die 
nach Masing beim Menschen etwa 70%, beim Rind und Hund 
von 33 bis 10%, betragen, einem tatsächlichen Gleichgewichts- 
zustand ? 

2. Ist das Verteilungsverhältnis konstant, oder ist es, wie 
Masing behauptet, von der Zuckerkonzentration der äußeren 
Flüssigkeit abhängig? 


1) Diese Zeitschr. 60. 1914 und Journ. of physiol. 53. 1919. 


196 | Rich. Ege: 


3. Gilt die Gesetzmäßigkeit, die Masing in betreff der Ver- 
teilung von zugesetztem Zucker findet, auch von der Verteilung 
der Glucose unter normalen Verhältnissen, oder sind die Analysen 
der früheren Untersucher richtig, nach denen anzunehmen war, 
` daß die Blutkörperchen imstande sein müßten, ihren Zuckergehalt 
aktiv zu regulieren? 

4. Wie ist die Zuckerverteilung zwischen Blutkörperchen und 
Plasma zu erklären? * | 


Eigene Versuche. 


Eine rein empirische Untersuchung über das Mengenverhältnis 
von Glucose in Plasma und Blutkörperchen ist an und für sich 
nur wenig befriedigend. Man wird unwillkürlich die Frage erheben: 
Was ist die Ursache dieser Verteilung und welchen Gesetzen 
unterliegt sie? Man darf aber natürlicherweise die beiden Fragen, 
die Verteilung der präformierten Glucose zwischen Blutkörperchen 
und Plasma und die Verteilung von zugesetzter Glucose, nicht 
voneinander trennen, wie die meisten früheren Untersucher getan 
haben; die ersten bestimmten nur die Verteilung der präformierten 
Glucose, Masing dagegen untersucht nur die Verteilung der zu- 
gesetzten Glucose. Eins von den wichtigsten Mitteln zur Klar- 
legung der Kräfte, welche für die Zuckerverteilung maßgebend 
sind, ist eben die Untersuchung des Verhaltens der zugesetzten 
Glucose, während man natürlicherweise die gefundenen Gesetze 
mittels der Verteilungsverhältnisse unter normalen Verhältnissen 
zu verifizieren suchen wird. 

Wie ich früher bemerkt habe, muß man die Glucosekonzen- 
tration im Plasma und in einer Blutkörperchenbreimelasse (mit 
bekanntem Plasmagehalt) bestimmen; analysiert man außerdem 
das Gesamtblut, so erhält man eine Kontrolle von der Genauigkeit 
der Analysen. Erst später, nach der Anschaffung einer schnell- 
laufenden Zentrifuge wurde es möglich, durchaus plasmafreie 
Blutkörperchen für die Analyse zu gewinnen, wodurch die Sache 
natürlich ganz wesentlich vereinfacht wird. 

Die Analysen wurden nach Bangs Mikromethode mit der 
von mir beschriebenen Modifikation ausgeführt. Da die Methode, 
wie aus einer früheren Arbeit hervorgeht!), nur eine ganz geringe 
Restreduktion ergibt, sind die Reduktionswerte, die man durch 


1) Diese Zeitschr. 107. 


| Blutzucker. IV. 197 


die Analysen findet, sehr nahezu ein Maß vom Inhalt des Blutes 
an einfachen vergärungsfähigen Kohlenhydraten. 

In den folgenden Tabellen, in denen die Versuchsresultate 
angeführt sind, gibt die erste Kolonne die laufende Nummer, die 
zweite die Art des Blutes (defibriniert, Oxalat usw.), die dritte 
Zuckerzusatz oder keinen Zuckerzusatz sowie die Zeit zwischen 
dem Zuckerzusatz und der Trennung von Blutkörperchen und 
Blutflüssigkeit, die vierte den Blutkörperchenzuckerprozentsatz, 
die fünfte Plasma- oder Serumprozentsatz, die sechste den Zucker- 


Tabelle I. 


Die Zuckerverteilung zwischen Blutkörperchen und Blutflüssig- 
keit bei der Ziege. | 


112 3 4 5 6 7 8 9 
Blut- | Plasma Gesamt- Gesamt- в B, 
körper- oder |blut, ge- | blut, be- P Pi 

x chen Serum | funden | rechnet 

1 | Def. Ohne Zucker- 0,005 | 0,046 | 0,039 | 0,037 | 11,0 

zusatz " 

2 — Mit Zucker- 0,002 | 0,084 | 0,064 | 0,066 2,4 | ~8,0 

zusatz ` 

. 3 Stunden 

3 — Mit Zucker- 0,0162) 0,118 | 0,095 (13,6)| (15,3) 

zusatz 
3 Stunden 
4 — Mit Zucker- | 0,007 | 0,163 | 0,129 | 0,128 4,3 1,7 
zusatz 
3 Stunden 

5 Oxalat Ohne Zucker- 0,005 | 0,042 | 0,034 | 0,034 | 11,9 

zusatz 

6 — Mit Zucker- | 0,002 | 0,123 | 0,091 | 0,097 1,6 | 40 

' zusatz 

› 2 Stunden 
7 — Mit Zucker- 0,004 | 0,144 | 0,12] | 0,114 2,8 | —10 
zusatz 
2 Stunden 

5 Nach 24 Std. 0,009 | 0,042 10,0 

7 Stehenlassen 0,007 | 0,144 20 

8 | Def. Ohne Zucker- 0,007 | 0,067 | 0,059 | 0,057 | 12,7 

zusatz e 
9 — | Mit Zucker- | 0,021 | 0,197 10,7 10,7 
zusatz 
1 Stunde 
10 — Mit Zucker- 0,010 | 0,378 | 0,326 | 0,317 3,1 1,0 
zusatz 
1 Stunde 
M=1,5 


1) Berechnet. 260 


198 Rich. Ege: 


Tabelle II. 
Die Verteilung beim Rind. 


1| 2 3 | 4 5 | 6 | 7 | 8 d 
| Blut- | Biut- Gesamt- Gesamt-| р B, 
körper- | filissig- blut, ge- | blut, be- P P. 
chen keit funden | rechnet l 
i | Fluorid [Ohne Zucker-| 0,023 | 0,081 28 
zusatz 
2 Mit Zucker- 0,024 | 0,205 11,7 0,8 
zusatz 
| . 2 Stunden 
3 e — 0,050; 0,810 | 758 48 
4 | Def. Ohne Zucker- 0,002 | 0,107 tz Lä 
zusatz 
5 Mit Zucker- | 0,012! 0,221 5,4] 5,4 
zusatz 
3 Stunden 
6 — 0,027 | 0,650 42|) 4,2 
7 | Oxalat Ohne Zucker-| 0,020 | 0,077 | 0,065 | 0,058 | 26 
zusatz 
8 Mit Zucker- | 0,024 | 0,203 11,8| 3,2 
zusatz t 
3 Stunden 
9 — 0,019 | 0,323 12,01 6,1 
10 — 0,058 | 0,640 91) 6,7 
11 = 0.032 | 1,39 2,3 0,9 
12 | Def. Ohne Zucker-| 0,026 | 0,260 10 
zusatz 
Mit Zucker- 0,031 | 0,681 4,5; 1,2 
zusatz 
2 Stunden 
— 0,027 | 0,640 ‚| gesättigt 
mit CO, 
M = 40 
708 


prozentsatz im Totalblut, gefunden durch direkte Analyse, die 
siebente denselben berechnet, die achte das Verhältnis zwischen 
dem Zuckergehalt in den Blutkörperchen und in der Blutflissig- 


keit, ausgedruckt in Prozent (5) , die neunte das Verhältnis zwischen 


P 
der Zuckerzunahme in den Blutkörperchen und der Blutflüssig- 
keit an (50 S 
P, i 


Ein Blick auf die oben angeführten Tabellen wird genügen, 
um zu zeigen, daß die Zuckerverteilung beim Menschen ganz 
andere Gesetze befolgt als bei den anderen untersuchten Tieren. 

Bei einer weiteren Behandlung der gewonnenen Resultate 
ist das Material daher in zwei Abteilungen zu teilen: 


Blutzucker. IV. 199 


Tabelle III. 
Die Verteilung beim Kaninchen. 


Gesamt- 
e | blut, be- 
rechnet 


; 0,054) 0,055 


Blut- 
körper- 
chen 


zusatz 
2 Mit Zucker- | 0,005 | 0,092 | 0,070 | 0,072 5,6 
zusatz 
2 Stunden 
3 — `1 0,007 | 0,128 | 0,101 | 0,101 5,6 
4 — 0,003 | 0,173 | 0,128 | 0,134 — 1,0 
5 | Def.“) [Ohne Zucker- 0,027 | 0,095 
zusatz 
6 Mit Zucker- | 0,040 | 0,528 
zusatz 
6 Stunden 
— 0,027 0,478?) (0,1% mit Bezug 
auf KCl) 
8 — 0,0380, 4670 (01% mit Bezug 
auf CaCl,) 
9 | Oxalat Ohne Zucker- 0,007 | 0,144 | 0,102 | 0,106 
zusatz 
10 Mit Zucker- | 0,008 | 0,186 | 0,132 | 0,136 2,4 
zusatz 
4 Stunden 
11 — 0,003 | 9,196 | 0,159 | 0,151 — 1,1 
М = 1,0 
225 


I. Verteilung bei den untersuchten Tieren (mit Ausnahme 
des Menschen). 

II. Verteilung beim Menschen. 

I. Die Glucoseverteilung ist hier untersucht worden bei Hund, 
Ziege, Rind und Kaninchen. Zwischen diesen Tierarten unter sich 
besteht kein wesentlicher Unterschied. 

Der Zuckerprozentsatz wurde bestimmt in der Blutkörper- 
chenmelasse und im Plasma, in einigen Versuchen außerdem im 
Gesamtblut; da man ja sowohl die Glucosekonzentration der Blut- 
körperchen als die des Plasmas kennt, kann der Zuckergehalt des 


1) Der niedrige Zuckerprozentsatz beruht auf einer Beimischung 
von Ringerscher Lösung. 

2) In 7 und 8 sollte dieselbe Zuckerkonzentration vorliegen wie in 6; 
wenn sie doch etwas davon abweicht, so beruht dies auf der Verdünnung 
mit bzw. Leem 1 proz. KCl und CaCl, zu 10 ccm Blut 1 com Glucoselösung. 

3) Nierenexstirpation 6 Tage vorher, Restreduktion nicht bestimmt. 


200 Rich. Ege: 


Tabelle IV. 
Die Verteilung beim Hund. 


Blut- Blut- | Gesamt- | Gesamt- 
körper- | flüssig- | blut, ge- | blut, be- 
chen keit funden | rechnet 


1 | Defibr. |Ohne Zucker-| 0,008 | 0,107 | 0,057 | 0,068 


zusatz 
2 — 0,027 | 0,082 | 0,065 | 0,065 3,3 
A Mit Zucker- | 0,034?) 0,118 | 0,093 - (29) (19) 
zusatz 
24 Stunden 
4 — 0,030 | 0,164 | 0,127 | 0,127 18 3,7 
5 — 0,032 | 0,164 20 6,1 
6 | Oxalat |Ohne Zucker-| 0,046 | 0,074 62 
zusatz 
7 Mit Zucker- | 0,040 | 0,245 16 | 3,5 
zusatz 
6 Stunden 
8 | Defibr. Ohne Zucker- 0,022 | 0,149 | 0,109 | 0,108 14 
zusatz 
9 Mit Zucker- | 0,024 | 0,438 | 0,307 | 0,316 5,5 0,7 
zusatz 
1 Stunde 
10 — 0,029 | 0,672} 0,513 | 0,492 4,3 1,3 
11 — 0,026 | 1,25 | 0,940 | 0,950 2,6 0,0 
12 | Fluorid|Ohne Zucker-| 0,034 | 0,100 34 
zusatz 
13 — Mit Zucker- | 0,016!) 0,144 | 0,094 (+11) [C 41) 
zusatz 
6 Stunden 
14 — — 0,045 | 0,375 12,6 4,3 
15 — — 0,030 | 1,16 2,7 0,0 
16 | Oxalat Ohne Zucker-| 0,040 | 0,202 20 
zusatz 
17 Mit Zucker- | 0,048 | 1,59 3 0,1 
zusatz 
3 Stunden | 
M= 1,4 
+10 


Gesamtblutes auch berechnet werden, wodurch man eine Kontrolle 
für die Richtigkeit und Genauigkeit des Versuches erhält®). 

einzelnen Versuchen ist die Blutkörperchenanalyse verlorenge- 
gangen; in diesen Fällen wurde der Wert berechnet; diesen Be- 


1) Berechnet. 

2) Die einzige Bestimmung, die ohne Kontrolle bleibt, ist das Blut- 
körperchenvolumen; wenn dieser Bestimmung auch ein gewisser systema- 
tischer sowie zufälliger Fehler anhaftete, so würde doch eine schöne 
Übereinstimmung zwischen dem gefundenen und dem berechneten Ge- 
samtblut erzielt werden können. 


. Blutzucker. IV. 201 


Tabelle V. 
Die Verteilung beim Menschen. 
1 2 3 67 
Blut- Blut- | Gesamt- Gesamt- | B B, 
körper- | flüssig- blut, ge- | blut, eg P P 
chen keit funden | rechnet 1 


zusatz 
2 Sg 
3 Mit Zucker- 
zusatz 
1½ Stunde 
4 ES 
5 Set 
6 Be 
7 = 
8 Mit Zucker- 
zusatz 
24 Stunden 
9 25: 
10 
11 — 
12 Ohne Zucker- 
zusatz 
13 Mit Zucker- 
zusatz 
2 Stunden 
14 — 
15 Ohne Zucker- 
zusatz 
16 Ohne Zucker- 
zusatz 
17 Mit Zucker- 


zusatz 
3 Stunden 


stimmungen kann jedoch nicht eine so groBe Bedeutung bei- 
gemessen werden wie den übrigen Bestimmungen. 

Die zugesetzte Glucose wurde entweder, in NaCl gelöst, in 
einer solchen Menge zugesetzt, daß die Lösung mit 0,9 proz. NaCl 
isosmotisch ist, oder in abwechselnder Menge einer mit dem Blut 
isosmotischen Glucoselösung (5—6%). 

Wenn es richtig ist, daß die Glykolyse vorzugsweise oder aus- 
schließlich in den Blutkörperchen stattfindet, wird eine etwaige 
Glykolyse das wahre Verteilungsverhältnis vollständig ver- 
schleiern können; kurze Zeit nach Anfang der Zentrifugierung 
sind die Blutkörperchen einigermaßen vollständig daran verhindert, 


1) Placentarblut. 


202. Rich. Ege: . 


einen etwaigen Zuckerverbrauch durch Diffusion von dem Plasma 
ausgeglichen zu erhalten, wenn das Häutchen auch für Glucose 
permeabel ist. Da oft über 1—2 Stunden vom Anfang der Zentri- 
fugierung an bis zur Trennung von Blutkörperchen und Blut- 
flüssigkeit nebst der darauffolgenden Fällung der Proteinstoffe 
und Hemmung sämtlicher enzymatischer Prozesse verstreichen, 
wird eine kräftige Glykolyse ein vollständiges Verschwinden des 
ganzen Zuckergehaltes des Blutkörperchens bewirkt haben und 
somit eine Impermeabilität für Glucose vorspiegeln können. 
Um sich auf das gefundene Verteilungsverhältnis verlassen zu 
können, muß man daher die Glykolyse verhindern. 

Die ersten Versuche wurden daher angestellt mit Blut, zu 
dem Natriumfluorid (2% ) oder Kaliumoxalat (1°/,,) gesetzt 
worden war, durch welchen Zusatz die Glykolyse den allgemeinen 
Angaben gemäß gehemmt wird; nach meinen eigenen Versuchen 
kann man meiner Ansicht nach noch weiter gehen und behaupten, 
daß die Glykolyse in den meisten Fällen vollständig aufgehoben 
wird. Da es indessen möglich ist, daB die Zuckerverteilung in 
dem normalen Blut eine andere ist, wird man genötigt sein, auch 
in defibriniertem Blut Bestimmungen anzustellen. Um zu unter- 
suchen, ob die Glykolyse in dem Falle so groß ist, daß sie auf die 
Resultate wird einwirken können, stellte ich ein paar Bestim- 
mungen des Grades der Glykolyse in defibriniertem Blut bei Ziege 
und Hund bei gewöhnlichgr Temperatur an. 


Schwund 
Ziege: pro Stunde 
Die Zuckerkonzentration sofort. 0,156% 0,6% 
e 5 nach 1544. Stehen . 0,155% 0,5% 
55 7 „ SU Ed. „ . 013% 0,5% 
en A „ 44std. „ . 0, 118% 779 
Нора: 
Die Zuckerkonzentration sofort. 0,074% 
» » nach einem Stehen von 3 Std. 2,1% 
und 15 Min. 0,068% 
ә „ nach einem Stehen von 20 Std. 0,8% 
und 15 Min 0, 062% 
Versuch mit zugesetzter Glucose: 
Die Zucker konzentration sofort. 0,480% 
„ 8 nach einem Stehen von 3 Std. 


und 15 Min 0,473%. 


Blutzucker. IV. 203: 


Der Zuckerschwund beim Stehenlassen (Glykolyse?) ist nicht 
groß; da die verschwundene Menge dieselbe absolute Größe hat, 
ist der prozentische Zuckerschwund in den Versuchen mit zu- 
gesetztem Zucker noch geringer, in der Regel so gering, daß man 
davon absehen kann; dies wäre dagegen kaum geraten in Versuchen 
mit niedrigen Zucker konzentrationen. Ein Schwund von 2% des 
Gesamt blutzuckers pro Stunde wird einen Schwund von 6 des 
Blutkörperchenzuckerprozentsatzes ausmachen, falls das Volumen 
der Blutkörperchen 330% beträgt und die ganze Glykolyse in den 
Blutkörperchen stattfindet. 

Da die Glykolyse den Zahlen anderer V gemäß be- 
deutend größer sein kann, namentlich bei den Tieren, deren Blut- 
körperchen Glucose enthalten, muß man besondere Maßregeln 
treffen, um die Glykolyse zu verhindern, wenn man mit defi- 
briniertem Blut arbeitet. | 

Ich habe daher die Zentrifuge it einem Mantel umgeben, in den eine 
Kältemischung getan wurde Bei kurzwieriger Zentrifugierung konnte die 
Temperatur auf 7—9° gehalten werden; da ich befürchtete, daß diese 
Temperatur nicht niedrig genug sei für eine effektive Herabsetzung der 
Glykolyse, würden die kleinen Zentrifugengläser, die das Blut enthielten, 
in größeren Gläsern angebracht, die darauf mit Eis gefüllt wurden. 

Nach dem Zuckerzusatz blieben die Proben bei gewöhnlicher Tem- 
peratur stehen, aber von dem Augenblick an, wo die Abpipettierung statt- 
fand, bis zu dem Augenblick, wo die Glykolyse durch Fällung der Protein- 
stoffe durch Kochen in der Salzlösung absolut verhindert war, standen die 


Proben auf Eis. 


Von den Kolumnen der Tabellen haben 5 und = das meiste Interesse 
1 


fiir uns und von ihnen vielleicht wiederum die letztere Größe, von welcher 
aus man воќе entscheiden können, ob die Glucose durch die Membrane 
des Blutkörperchens hineindringt oder nicht. 


= Osein, hat Bı einen positiven 
P, P, 


Wert, so ist das Häutchen permeabel für Glucose. Ä 

Der Erklärung der Zuckerverteilung zwischen Blutkörperchen und 
Plasma ist die allgemeine Betrachtung der Blutkörperchen als Zellen 
zugrunde gelegt, die von einer Zellenmembran umgeben sind, welche für 
gewisse Stoffe permeabel, für andere Stoffe impermeabel ist. Inwiefern 
diese Auffassung berechtigt ist oder nicht, wird in einer späteren Publi- 
kation erörtert ee 


Die. Größe. p — ist nun. bei diesen Kate O oder sehr nahe zu 0. 
Die RRE Zahl der Kolumne P ist allerdings positiv, aber vom 
Rinde abgesehen, ist sie kleiner als 2— ‘Smal den mittleren: Fehler, was 


Ist die Membrane impermeabel, soll; 


204 Rich. Ege: 


bedeutet, daß der positive Wert von Versuchsfehlern herrühren kann und 
sicherlich davon herrührt. 

Nur beim Rinde ist die mittlere Zahl größer als 2—3 mal den mitt- 
leren Fehler. 

In Übereinstimmung mit einer Reihe früherer Verfasser 
möchte man sich daher vielleicht versucht fühlen, die Rinder- 
blutkörperchen als wenig permeabel für Glucose zu bezeichnen. 
Dieser Begriff selbst ist indessen sinnlos, wenn er nicht nur schwer 
permeabel bezeichnen soll, was er jedoch im größten Teil der 
Permeabilitatsliteratur nicht tut. Wenn die Membran überhaupt 
permeabel ist, muß die Konzentration des Stoffes, wenn das 
Gleichgewicht erreicht ist, durch das Verteilungsverhältnis des 
Stoffes zwischen den beiden Medien bestimmt und von der Mem- 
bran vollständig unabhängig sein, wenn von der Masse der 
Membran abgesehen wird — die Membran ist nur maßgebend 
für die Zeit, welche vor dem Eintreten des Gleichgewichts ver- 
streicht, nicht aber für die Stoffverteilung nach dem Eintreten 
des Gleichgewichts. 


Der geringe, aber doch deutlich positive Wert von = beim 
1 


Rinde beruht sicherlich auf einem systematischen Versuchsfebler, 
indem es bei der langsam laufenden Zentrifuge nicht möglich war, 
die Rinderblutkörperchen absolut quantitativ zusammen zu 
zentrifugieren, wie man dies bei dem Blut der anderen Tierarten 
zu tun vermochte. 

Bei der Untersuchung der Stoffverteilung ist es daher von 
entscheidender Bedeutung, zu wissen, ob man tatsächlich dem 
Gleichgewichtszustande gegenüber steht. 

Wenn ich auch ursprünglich davon ausging, daB das Gleich- 
gewicht infolge der gewaltigen Oberfläche und des minimalen 
Diffusionsweges sich einigermaßen momentan einstellen müsse, 
so zeigte eine Reihe von Versuchen, die späterhin veröffentlicht 
werden sollen, daß man, was die Anionen betrifft, damit rechnen 
muß, daß die Diffusion vom Plasma zu dem Blutkörperchen eine 
beträchtliche Zeit in Anspruch nehmen müsse. Es ist daher 
möglich, daß die gefundene Zuckerverteilung nicht dem Gleich- 
gewichtszustande entspricht. Eine solche Ansicht scheint sofort 
von den genannten Tabellen widerlegt zu werden, aus denen man 
sieht, daß das Verteilungsverhältnis einigermaßen unabhängig 
davon ist, ob die Glucose 1, 2 oder 6 Stunden vor der Trennung 


Blutzucker. IV. 205 


zugesetzt wurde, ja sogar ein 24stiindiges Stehen mit der Glucose 
scheint keinen merkbaren EinfluB gehabt zu haben. 

In einem besonderen Versuch, in welchem ich Rinderblut- 
körperchen mit etwa 5% Glucose mischte und die Mischung 2 Tage 
stehen ließ, enthielt das Plasma zu diesem Zeitpunkt 3,33%, 
Glucose, die Blutkörperchen 0,15%, Glucose, >= 4,5%. 

Es ist daher nicht möglich, die Versuche in anderer Weise 
zu deuten, als daß das Blutkörperchenhäutchen bei Kaninchen, 
Ziege, Rind und Hund für Glucose impermeabel ist!). 

Die Versuche wurden ausgeführt sowohl mit defibriniertem 
Blut als mit Blut, zu dem Natriumfluorid, Kaliumionen (sowohl 
in Form von Kaliumoxalat als Kaliumchlorid) und Calciumchlorid 
gesetzt war; ein Unterschied war nicht zu bemerken; die Blut- 
körperchenmembran war in allen Fällen impermeabel für Glucose. 
Es zeigte sich ferner, daß Veränderungen der CO,-Spannung keine 
Veränderung bewirkten. 


Von nicht geringem Interesse ist das Verhältnis Е. das die 


Verteilung von reduzierenden Stoffen zwischen Blutkörperchen 
und Plasma unter natürlichen Verhältnissen angibt. Die Tiere, 
deren Blutkörperchen impermeabel für Zucker sind, enthalten 
nur kleine Mengen von reduzierender Substanz, aber der Gehalt 
ist doch in der Regel so groß und so konstant, daß von Versuchs- 
fehlern kaum die Rede sein kann. Die Menge von reduzierender 
Substanz schwankt bei Ziege und Kaninchen zwischen 0,004 


1) Brinkmann und van Dam haben (Arch. internat. de physio- 
logie 1919 und diese Zeitschr. 105. 1920) zu zeigen gesucht, daß die Blut- 
körperchen sowohl des Menschen als des Frosches unter normalen Ver- 
hältnissen für Glucose impermeabel sind, daß sie aber, wenn das Blut 
aus den Gefäßen hinauskommt, permeabel werden. Diese Permeabilität 
ist daher nicht als normale Eigenschaft aufzufassen, sondern als eine Folge 
einer in den allerersten Phasen der Koagulation des Blutes auftretenden 
Beschädigung, die gleichfalls beim Gebrauch der meisten koagulations- 
hindernden Mittel auftritt, da diese die ersten Phasen am Koagulations- 
prozeß nicht hindern. 

Auf den Hauptpunkt von Brinkmann und van Dams Abhand- 
lung werde ich später zurückkommen, hier möchte ich nur vor einer 
Verallgemeinerung ihrer Resultate warnen. Die Blutkörperchen der ge- 
nannten Tiere sind und bleiben impermeabel trotz des Eintretens der 
Koagulation und trotz des Gebrauchs der koagulationshindernden Mittel. 


Biochemische Zeitschrift Band 111. 14 


206 Rich. Ege: 


und 0,007, welche Größe also der Menge der Restreduktion ent- 
spricht. Etwas anders stellt sich das Verhältnis beim Hunde; 
hier ist die Menge der reduzierenden Substanz in den Blutkörper- 
chen in den meisten Fällen so groß, daß auch der Umstand, daß 
sämtliche reduzierende Stoffe des Blutes sich in den Blutkörperchen 
befänden, nicht genügen würde, um das große Reduktionsvermögen 
zu erklären. 

Da ich in einer früheren Arbeit!) gezeigt habe, daß die rest- 
reduzierenden Stoffe sich einigermaßen gleichmäßig zwischen 
Plasma und Blutkörperchen verteilen, herrscht also kein Zweifel 
darüber, daß die Hundeblutkörperchen eine gewisse geringe Menge 
Zucker enthalten, während sie sich bei Versuchen in vitro als 
impermeabel für Glucose erwiesen. 

Es läßt sich wohl kaum leugnen, daß die einfachste Erklärung 
dafür, daß die Glucose — sei es, daß sie sich präformiert vor- 
findet oder dem Plasma zugesetzt worden ist — nicht in die Blut- 
körperchen hineindringt, die ist, daß das Blutkörperchen von einer 
für Glucose impermeablen Membran umgeben ist. 

Nichtsdestoweniger würde es von großem Interesse sein, zu 
untersuchen, wie die Glucose sich zwischen Plasma und Blut- 
körperchengehalt verteilen würde, wenn die impermeable Mem- 
bran entfernt oder zerstört würde. Wie die Glucose sich in solchen 
Fällen verteilen würde, habe ich in 3 verschiedenen Weisen fest- 
zustellen versucht: 

1. Durch Untersuchung der Glucosekonzentration im Plasma 
und Blutkörperchensaft bei voller Sättigung. 

2. Durch Dialysieren von glucoschaltigem Plasma gegen 
glucosehaltigen Blutkörperchensaft. 

3. Durch Untersuchung der Glucoseverteilung zwischen 
Plasma und Blutkörperchen nach Formolbehandlung. 

1. Verteilung bei voller Sättigung. 

10 cem Blutkörperchensaft (cin Rinderblutkörperchenbrei, 
19% Plasma enthaltend, mit Sand gerieben und mit Kieselgur 
gepreßt) und 

10ccm Plasma wurden mit Glucose gesättigt durch Sstündiges 
Schütteln mit Überschuß von Glucose; um die Lösungen von auf- 
geschwemmten Glucosepartikeln zu befreien, wurden sie 11/, Stun- 
den zentrifugiert. 

h Diese Zeitschr. 107. 1920. 


Blutzucker. IV. 207 


Die Zuckeranalyse ergab: 


1 ccm Plasma enthielt....... 0,41 g 
1 ccm Blutkörperchens aft. 0,33 g. 


Das Verteilungsverhältnis bei voller Sättigung!) ist also 80%. 


Die Trockenstoffbestimmung ergab in dem 


Blutkörperchensaft 71 Volumenprozent H,O 
Plasma 92 m H,O. 


Das Verhältnis zwischen den Wassermengen = 77. 


Bei voller Sättigung ist das Glucoseverteilungsverhältnis ` 
zwischen dem Blutkörpercheninhalt und dem Plasma ungefähr 
gleich dem Verhältnis zwischen den Wassermengen. 

2. Um zu untersuchen, ob diese Regel auch bei den niedrigen 
Zuckerkonzentrationen Stich hält, bei denen die Versuche aus- 
geführt wurden, suchte ich Plasma und Blutkörperchensaft gegen- 
einander zu dialysieren. 

Leider ergaben diese Versuche kein brauchbares Resultat. 
Das Gleichgewicht stellt sich nämlich, trotzdem eine fortwährende 
Mischung sowohl der inneren als der äußeren Lösung stattfindet, 
so langsam ein, daB man keine Garantie dafür hat, daß das absolute 
Gleichgewicht eingetreten sein wird, bevor die Flüssigkeiten zu 
verfaulen beginnen und der Versuch daher unterbrochen werden „ 
muß. | 

Wenn ich, trotzdem ich Versuche angestellt habe mit Plasma 
und Blutkörperchensaft, wozu ich Glucose gesetzt hatte, sodaß 
das Verteilungsverhältnis um 75% zu liegen kam und das Gleich- 
gewicht daher — nach dem vorhergehenden Versuche zu urteilen — 
von vornherein vorhanden sein mußte, doch nicht zu behaupten 
wage, daß nach 4tägiger Dialysierung ein Gleichgewicht erziclt 
war, so beruht dies darauf, daß es mir nicht möglich gewesen war, 
einen Glucoseschwund zu verhindern, und daß dieser anscheinend 
im Blutkörperchensaft am größten war. 

Die Verteilungsverhältnisse, die ich nach dieser Methode 
zwischen 40 und 60% liegend fand, betrachte ich daher nicht als 
reell. 

3. Masing hat gezeigt, daß das Blutkörperchenhäutchen 
nach einer angemessenen Formolbehandlung für Glucose permeabel 


—— 


1) Es mag zweifelhaft sein, ob die volle Sättigung erreicht wurde, da 
aber die Proben durchaus gleich behandelt wurden, hat man es sicherlich 
erreicht, einigermaßen denselben Sättigungsgrad zu erzielen. 


14* 


208 Rich. Ege: 


wird; nach der Formolbehandlung wird die Glucose sich ,,einiger- 
maßen gleichmäßig“ zwischen Blutkörperchen und Plasma ver- 
teilen bei den Tieren, bei denen das Häutchen sonst für Glucose 
impermeabel ist. 

Dazu kann ich noch den Aufschluß fügen, daß die Formol- 
behandlung (das Blut zu etwa 2%, wird etwa 24 Stunden stehen 
gelassen) das Blutkörperchenhäutchen überaus leicht permeabel 
für Elektrolyten macht, wie ich dies in einer späteren Arbeit 
eingehender darstellen werde. 

Durch Untersuchungen über die Glucoseverteilung zwischen 
Plasma und formolbehandelten Blutkörperchen sollte man 
also das Verteilungsverhältnis bestimmen können, so wie dies 
sich von der impermeablen Membrane unabhängig einstellen 
müßte. 

In einer Reihe von den Versuchen, in denen das Verteilungs- 
verhältnis unter normalen Verhältnissen untersucht wurde, habe 
ich Formol (1/3 Vol. etwa 40 proz. Formo!) zugesetzt und die Proben 
bis zum nächsten Tag stehen lassen. Blutkörperchen und Plasma 
trennen sich, und das Formol wird weggekocht, wonach die 
Zuckeranalysen wie gewöhnlich ausgeführt werden. 

‚ Die Versuche enthalten jedoch eine Schwierigkeit. Die 
Formolbehandlung scheint auf das Blutkörperchenvolumen ein- 
zuwirken, weshalb neue Hämatokritbestimmungen angestellt 
werden müssen; da es aber nicht möglich war, die Blutkörperchen- 
säule lackfarbig zu machen, hat man keine Garantie dafür, daß 
man eine Bestimmung des wahren Blutkörperchenvolumens 
erhält. In einzelnen Fällen war es ganz unmöglich, eine Bestim- 
mung des Blutkörperchenvolumens zu erhalten. Bei Behandlung 
mit Formol kann das Plasma so viscös werden, daß es vollständig 
unmöglich wird, die Blutkörperchen sogar in der schnellaufenden 
Zentrifuge hinabzuzentrifugieren, in anderen Fällen gelang es 
allerdings, die Blutkörperchen und das Plasma zu scheiden. Wenn 
die gefundenen Volumina aber das wahre Blutkörperchenvolumen 
vertreten, müßte man annehmen, daß die Blutkörperchen infolge 
der Formolbehandlung um 100% geschwollen waren, was nach 
einer direkten mikroskopischen Untersuchung aber nicht der 
Fall war; diese Versuche konnten daher nur zeigen, daß die Glucose 
in die Blutkörperchen hineingedrungen war; in wie großen Mengen, 
ließ sich aber nicht entscheiden. 


Blutzucker. IV. 209 


Die laufenden Nummern beziehen sich auf die Versuche vor 
der Formolbehandlung. Die etwaige Volumenveränderung infolge 
der Formolbehandlung ist unberücksichtigt geblieben. 


Nr Blut- Blut- Totalblut, Totalblut, B 
` körperchen flüssigkeit bestimmt berechnet P 
Ziege: | 
8 0,031 0,062 0,077 0,056 50 
9 0,075 0,160 46- 
0,137 0,360 0,319 0,320 38 
Rind: 

12 0,116 0,196 59 
13 0,240 0,527 | 45 
Kaninchen: 

5 0,063 0,082 78 
6 0,236 0,492 48 


Die Glucoseverteilung nach dem Formolzusatz zeigt wieder, 
daß ein Verteilungsverhältnis ч gleich oder nahezu gleich 0 sich 


nur durch die Annahme eines das Blutkörperchen umgebenden 
Häutchens erklären läßt, das für Glucose impermeabel ist und 
dagegen weder durch eine geringe Löslichkeit gegenüber Glucose 
in betreff des Blutkörperchengehaltes noch durch eine besondere 
Affinität für Glucose seitens des Plasmas. | 

Die Glucoseverteilung zwischen Blutkérperchen und Plasma 
bei diesen Tieren nach der Formolbehandlung erinnert — von den 
etwas niedrigeren Verteilungsverhältnissen abgesehen — an die 
Glucoseverteilung beim Menschen ohne diese Behandlung. Wie 
nahe es auch liegen mag, zu behaupten, daß diese Ähnlichkeit 
rationell begründet ist, neige ich doch mehr zu der Ansicht, daß 
wir hier einem zufälligen Umstande gegenüberstehen. 

Es ist gleichfalls eine sehr große Frage, ob diese Verteilung 
derjenigen entspricht, die wir erhalten müßten, wenn wir die 
Blutkörperchenmembran bei diesen Tieren durch eine künstliche 
Membran ersetzten, die für dieselben Stoffe impermeabel und 
permeabel wäre wie das Blutkörperchenhäutchen, abgesehen von 
der Glucose, für die sie permeabel sein sollte. Denn teils erhält 
man nach der Formolbehandlung eine ganz andere Verteilung 
der Elektrolyten der beiden Phasen, teils eine Destruktion des 
Proteinstoffes, und schließlich deutet die gesteigerte Viscosität 
sowohl des Plasmas als des Blutkörperchensaftes nach dem 


210 Rich. Eye: 


Formolzusatz (ein nicht besonders konzentrierter Blutkörperchen- 
saft wird nach dem Formolzusatz zu einem vollständig steifen 
Gelee) auf ganz andere disponible Wassermengen als unter 
normalen Verhältnissen. 


Die Zuckerverteilung beim Menschen. 


Die Tabelle über die Verteilung des Blutzuckers zeigt sofort, 
daß die Menschenblutkörperchen sich gegenüber Glucoseganzanders 
verhalten als die Blutkörperchen der früher behandelten Tiere). 

Die Blutkörperchen enthalten unter normalen Verhältnissen 


Б berechnet, во findet 


man einen einigermaBen konstanten Wert zwischen 70 und 80%. 
Der Zuckerprozentsatz der Blutkörperchen beträgt somit annähe- 
rungsweise 3/, von dem des Plasmas. Die Blutzuckerprozentsatz- 
bestimmung in der Klinik findet sozusagen immer an Gesamtblut 
statt; dies geschieht jedoch sicherlich nur aus rein praktischen 
Gründen, da man wohl darüber einig sein kann, daß die Kenntnis 
der Plasmazuckerkonzentration die größte Bedeutung hat. Bön- 
niger?) hat daher auch behaupten wollen, daß man stets den 
Zuckerprozentsatz des Plasmas bestimmen sollte. 

Die vorliegenden Analysen zeigen, daß die Zuckerverteilung 
beim Menschen von einer solchen Art ist, daß es ohne Bedeutung 
ist, ob die Zuckerbestimmungen am Plasma oder am Gesamtblut 
ausgeführt werden. Allerdings könnte man sich Fälle vorstellen, 
in denen ein Unterschied am Zuckergehalt des Gesamtblutes nicht 
auch einen Unterschied der Plasmazuckerkonzentration zu be- 
deuten brauchte, sondern von einem Unterschied im Blutkörper- 
chenvolumen oder im Verteilungsverhältnis herrühren könnte; 
aber der Unterschied kann infolge des hohen und einigermaßen 
konstanten Verteilungsquotienten nicht groß sein. Ein Übergang 
zu Plasmazuckerbestimmungen statt der Zuckerbestimmungen am 
Gesamtblut würde daher kaum irgendwelchen Gewinn abgeben, 
um so weniger, als das Entscheidende in allen Fällen, wo man 


immer Glucose in merkbaren Mengen; wird 


') Dicse Permeabilität gegenüber Glucose findet sich auch in Blut, 
а ssen Koagul :ti n mittels Hirudin ve hindert ist. Die ent egengesetzte 
Ang be von Falta ига Richter-Quittner trifft, wie aus Hage- 
dorns und meinen Untersuchungen (diese Zeitschr. 10%. 1929) hervorgeht, 
ni.ht zu. 

2) Dtsch. med. Wochenschr. 1908. 


Blutzucker. IV. 211 


den Blutzuckerbestimmungen die Plasmazuckerbestimmungen 
vorziehen wiirde, nicht der Plasmazuckerprozentsatz ist, sondern 
man vielmehr die Plasmazuckertension zu kennen wünscht, und 
über diese erhält man doch keinen absolut zuverlässigen Aufschluß 
durch eine gewöhnliche Zuckeranalyse. 

Dagegen muß man darüber im klaren sein, daß die Plasma- 
zuckerkonzentration bedeutend höher beim Tiere als beim 
Menschen ist, wenn die Zuckerkonzentration des Gesamtblutes 
identisch ist; findet man andererseits folgende Blutzuckerprozent- 
sätze: 0,10% beim Menschen und 0,07% beim Rinde, welche 
Zahlen wohl den normalen Durchschnittswerten entsprechen, 
so bedeutet das keineswegs einen entsprechenden Unterschied 
des Plasmazuckerprozentsatzes. Nimmt man an, daß das Blut- 


körperchenvolumen 35%, beträgt und das Verteilungsverhältnis ч 


beim Menschen = 75%, beim Rinde = 0 ist, so findet man beim 
Menschen eine Plasmazuckerkonzentration von 0,111 und beim 
Rinde eine solche von 0,108, also praktisch gesprochen dieselben 
Werte. a 

Untersucht man die Zuckerverteilung nach dem Zusatz von 
Glucose zu Menschenblut, so findet man, wie das hohe und konstante 
Verteilungsverhältnis unter normalen Verhältnissen vermuten 
läßt, daß die Blutkörperchen wesentliche Mengen der zugesetzten 
Glucose aufnehmen; bei Berechnung des Verhältnisses 5 oder 5. 
zeigt sich, daß dies Verhältnis nicht konstant ist, sondern, von 
unregelmäßigen Schwankungen abgesehen, bei zunehmenden 
Plasmakonzentrationen fällt, wie auch Masi ng festgestellt hat. 

Auf die eigentliche Diskussion der Frage: Ist die in der Blut- 
körperchenmelasse beim Menschen vorkommende Glucose an die 
Oberfläche des Blutkörperchens gebunden, oder ist sie in der 
Blutkörperchenflüssigkeit in freier Lösung vorhanden? werde 
ich in einer späteren Arbeit zurückkommen; hier soll nur be- 
sprochen werden, was man eventuell aus dem Verteilungsverhältnis 
schließen kann!). 

1) Dieses vertritt sowohl in meinen wie in Masings Versuchen kaum 
den absoluten Gleichgewichtszustand, wie später dargelegt werden soll. 
Innerhalb desselben Versuches ist die Verteilung bei den verschiedenen 


Konzentrationen nach genau gleich langem Stehenlassen ausgeführt worden, 
so daß die Zahlen trotzdem direkt vergleichbar sind. 


212 Rich. Ege: 


Masing macht darauf aufmerksam, daß das mit steigender 
Zuckerkonzentration fallende Verteilungsverhältnis sofort den 
Gedanken auf eine Adsorption hinleitet, kommt aber doch zu 
dem Resultat, daß die Glucose nichtsdestoweniger in der Blut- 
flüssigkeit frei gelöst sein muß. 


Das mit der Zuckerkonzentration schwankende Verteilungsverhältnis 
steht indessen in direktem Widerspruch zu Nernsts Verteilungsgesetz, 
nach dem das Verteilungsverhältnis eines Stoffes zwischen 2 Lösungs- 
mitteln von der Konzentration des Stoffes unabhängig ist, solange der 
Stoff wohl zu bemerken in den beiden Phasen in demselben Molekular- 
zustand vorhanden ist. Das Gesetz ist auf theoretischem Wege hergeleitet 
und experimentell bestätigt worden; in einigen Fällen trifft man anschei- 
nende Ausnahmen, aber in solchen Fällen hat man gezeigt, daß man in 
den beiden Phasen mit verschiedenen Dissoziationsgraden zu tun hatte 
(wenn der Stoff ein Elektrolyt und das eine Lösungsmittel Wasser war), 
in anderen Fällen wiederum ist man zu befriedigenden Erklärungen der 
Abweichungen gekommen, indem man annahm, daß der Stoff in der einen 
Phase als ein Doppelmolekül (oder ein Komplex von 3 oder mehr Mole- 
külen) vorhanden war, aber in anderen Fällen haben die tatsächlich ge- 
fundenen Verteilungsverhältnisse sich nicht in den. Rahmen des Verteilungs- 
gesetzes hineinfügen lassen 1). 

Fragt man daher, ob das variable Verteilungsverhältnis als Argument 
für oder wider eine einfache Lösung der Glucose in den beiden Phasen 
gebraucht werden kann, so muß die Antwort vorläufig eine ablehnende sein. 

Möglicherweise kann man geltend machen, daß man eigentlich nicht 
Nernsts Verteilungsgesetz anzuwenden braucht, indem man vielleicht aus- 
schließlich in beiden Phasen demselben Lösungsmittel für Glucose, näm- 
lich Wasser, gegenübersteht; — diese Betrachtung wird nur berechtigt 
sein können, falls die Glucose gar nicht in der dispersen Phase des Blut- 
körperchens und des Plasmas gelöst werden kann, — aber in dem Falle 


müßte man gleichfalls eines konstanten Verteilungsverhältnisses 5 gewartig 


sein, und dies müßte dann — Wassermenge des Blutkörperchen ein. 
Wassermenge des Plasmas 


Aber dies Gesetz gilt auch nicht; wenn es auch anscheinend bei nied- 
rigen Zuckerkonzentrationen gilt, kann es rn nicht gelten, wenn die 
Zuckerkonzentration zunimmt. 


Zusammenfassung. 


I. Bei Ziege, Rind und Kaninchen enthält das Blutkörperchen 
keine Glucose; beim Hund dagegen kleine — aber deutliche — 
Mengen, etwa !/, vom Plasma; beim Menschen beträgt die Glucose- 
konzentration etwa 3/, von der des Plasmas. 


1) Siehe eine Reihe Tabellen bei Landolt und Boernstein, 4. Aufl. 


Blutzucker. IV. 213 


II. Wird Glucose zu Blut von Ziege, Rind, Kaninchen und 
Hund gesetzt, so bleibt die ganze Menge im Plasma; da die Glucose 
im Blutkérperchengehalt löslich ist, muß das Blutkörperchen- 
häutchen bei diesen Tieren impermeabel für Glucose sein. 

III. Diese Impermeabilitét wird durch Behandlung der Blut- 
körperchen mit Formol aufgehoben, durch welche Behandlung 
die Blutkörperchen übrigens auch für Elektrolyten permeabel 
werden. 

IV. Nach dieser Formolbehandlung sind die Glucosekonzen- 
trationen in den Blutkörperchen und im Plasma nicht identisch. 

V. Wird die für Glucose impermeable Membrane zerstört, 
so hat man zu erwarten, daß die Glucose sich zwischen den beiden 
Phasen in einem dem Verhältnis zwischen dem Wassergehalt der 
Phasen entsprechenden Verhältnis verteilt. 

VI. Wird dem Menschenblut Glucose zugesetzt, so verteilt 
sie sich zwischen Blutkörperchen und Plasma. Das Verteilungs- 


verhältnis 3 ist nach gleich langem Stehenlassen variabel, von 


etwa 75 bei niedrigen Glucosekonzentrationen bis zu etwa 50 bei 
hohen fallend. | 


Im Gegensatz zu früheren Verfassern, die nur eine empirische 
Bestimmung der Glucoseverteilung zwischen Plasma und Blut- 
körperchen anstellten, suchen Kozawa und namentlich Masing, 
die gefundenen Verteilungsverhältnisse zu erklären. 

Nach Masing gibt es drei Erklärungsmöglichkeiten: 

l. Die Glucose kann durch das Blutkörperchenhäutchen 
eindringen und hier frei vorkommen. | 

2. Die Glucose kann an den Blutkörpercheninhalt gebunden 
werden!). 


1) Die zweite Erklärungsmöglichkeit steht nicht, wie Masing anzu- 
nehmen scheint, in einem direkten Gegensatzverhältnis zu der ersten. 
Soll die Glucose an den Blutkörpercheninhalt gebunden werden, muß sie 
erst durch das Blutkörperchenhäutchen eindringen und sich in den beiden 
Phasen verteilen, so daß ein partielles osmotisches Gleichgewicht für die 
Glucose erzielt wird. Mittels der von Masing angewendeten Hämatokrit- 
und Hämolyseversuche müßte man, wenn die Versuche wirklich durch- 
geführt würden, entscheiden können, ob es die dritte Erklärungsmöglich- 
keit ist, welche die rechte ist, oder ob es eine von den beiden anderen ist; 
aber inwiefern 1 oder 2 die rechte ist, kann man nicht in dieser Weise ent- 
scheiden. 


214 Rich. Ege: 


3. Die Glucose kann an die Blutkörperchenoberfläche ad- 
sorbiert sein. 

Masing und Kozawa suchen nun, zu entscheiden, welche 
von diesen Möglichkeiten die rechte ist, indem sie untersuchen, 
ob die Blutkörperchen in „isotonischen“ Lösungen hämolysieren, 
oder indem sie die Volumenveränderungen der Blutkörperchen 
in einer ‚„isotonischen“ Glucoselésung oder isotonischen Salz- 
lésung mit Zusatz von Glucose bestimmen; sowohl Masing 
als Kozawa meinen, daß ihre Versuche die Richtigkeit der ersten 
Erklärungsmöglichkeit dartun. 

Nach der allgemeinen Auffassung bedingt der osmotische 
Druck der äußeren Flüssigkeit das Volumen der Blutkörperchen. 
Wenn die äußere Flüssigkeit dieselbe osmotische Konzentration 
hat wie die innere, werden die Blutkörperchen ein gewisses Volumen 
haben; hat die Flüssigkeit einen anderen osmotischen Druck, wird 
eine Ausgleichung stattfinden; besteht die Flüssigkeit aus Stoffen, 
für die das Blutkörperchenhäutchen impermeabel ist — und dies 
gilt von den meisten Stoffen — so kann die Ausgleichung der 
osmotischen Konzentration nur durch eine Verschiebung von 
Wasser stattfinden, für das das Blutkörperchenhäutchen permeabel 
ist; es muß daher Wasser von dem Blutkörperchenhäutchen in die 
äußere Flüssigkeit hinaus abgehen oder umgekehrt, bis ein neuer 
Gleichgewichtszustand erreicht worden ist. 

Ist die osmotische Konzentration der äußeren Flüssigkeit 
geringer als die des Blutkörpercheninhalts, wird das Wasser in 
die Blutkörperchen hineindringen; diese werden daher anschwellen, 
bis die osmotische Druckdifferenz aufgehoben ist!). Wenn die 
osmotische Konzentration der äußeren Flüssigkeit besonders 
niedrig ist, muß eine sehr starke Wasserverschiebung stattfinden, 
bevor das Gleichgewicht erreicht wird; da das Blutkörperchen- 
häutchen nur eine gewisse Spannung verträgt, wird das An- 
schwellen der Blutkörperchen eine Sprengung des Häutchens 
bewirken, weshalb in Wasser und sehr hypotonischen Lösungen 
Hämolyse stattfinden muß. 

Diese Betrachtungen treffen nur zu, wenn das Blutkörperchen- 
häutchen für die Stoffe der äußeren Flüssigkeit impermeabel ist. 
Besteht die äußere Flüssigkeit dagegen ausschließlich aus einem 


1) Inwiefern ein absolutes Gleichgewicht erreicht wird oder nicht, soll 
später erörtert werden. 


Blutzucker. IV. 215 


Stoff, für den das Häutchen permeabel ist, so muß dieser Stoff 
sich gleichmäßig zwischen der äußeren Flüssigkeit und dem Blut- 
körperchen verteilen. Die osmotische Konzentration wird dann 
für diesen Stoff gleich groß sein in der äußeren und in der inneren 
Flüssigkeit; da in den Blutkörperchen ein der normalen osmo- 
tischen Konzentration der Blutkörperchen entsprechender osmo- 
tischer Überdruck vorhanden ist, muß daraus folgen, daß die 
Blutkörperchen hämolysieren werden, als ob die äußere Flüssig- 
keit ausschließlich aus Wasser bestände, wie dies tatsächlich mit 
Blutkörperchen in Lösungen von Harnstoff und anderen Stoffen, 
die in das Blutkörperchen hineindringen, der Fall ist. 

Es ist daher unmöglich, aus diesen Stoffen eine isotonische 
Lösung herzustellen, falls wir unter einer isotonischen Lösung in 
Übereinstimmung mit Hamburger!) eine Lösung verstehen 
wollen, in der die Blutkörperchen ihr Volumen bewahren. Eine 
Lösung, die dem Blute isotonisch ist, d. h. eine Lösung, in der 
die Blutkörperchen dasselbe Volumen haben wie in dem natür- 
lichen Plasma, braucht nicht dem Plasma isosmotisch zu sein, 
wie wir dies an einer Reihe von Beispielen später zu sehen be- 
kommen werden. 

Die Wörter isotonisch und isosmotisch werden in der Regel durch- 
einander gebraucht; ersteres stammt von Hugo de Vries, letzteres von . 
Tamman her. Von diesen Wörtern ist isosmotisch sicherlich vorzuziehen 
als Bezeichnung der physikalischen Eigenschaft, daß die Flüssigkeiten 
„üquimolar“ sind?), während der Begriff „Isotonie“, da kaum ein Grund 
vorliegt, für denselben Begriff zwei Termini zu haben, ausschließlich in der 
Hamburgerschen Bedeutung als Bezeichnung einer Lösung anzuwenden 
ist, welche die rein biologische Eigenschaft besitzt, daß in ihr aufge- 
schwemmte Zellen ihr ursprüngliches Volumen bewahren. Die Ursache 
dafür, daß diese beiden Bezeichnungen in der Regel durch die Bank an- 
gewendet werden, liegt unzweifelhaft in der Auffassung, daB man meinte, 
daß äquimolare — isosmotische — Lösungen tatsächlich dasselbe Blut- 
körperchenvolumen ergäben, und umgekehrt, daß Lösungen, die dasselbe 
Blutkörperchenvolumen ergeben, äquimolar sein müßten; da dies aber 
nicht der Fall ist, ist es sicherlich geraten, diese Sonderung konsequent 
durchzuführen. 

Schwemmt man Blutkörperchen in einer dem Blute isosmo- 
tischen Lösung eines Stoffes, der mit geringer Geschwindigkeit 
in die Blutkörperchen hineindringt, so müssen die Blutkörperchen 


1) Osmotischer Druck und Ionenlehre, I, S. 187. 
3) Nicht zu verwechseln mit äquimolekular. 


216 Rich. Ege: 


anschwellen, da nur die Differenz zwischen der Konzentration 
des Stoffes auBen und innen imstande ist, den osmotischen 
Gegendruck zu leisten. Die äußere Flüssigkeit wird allmählich 
hyposmotisch im Vergleich mit dem Blutkörpercheninhalt, die 
Blutkörperchen schwellen an, um schließlich zu hämolysieren. 

Setzt man einen Stoff, für den das Blutkörperchenhäutchen 
permeabel ist, zu einer 0,9 proz. NaCl-Lösung (einer sogenannten 
isotonischen Lösung), so soll das Blutkörperchenvolumen unver- 
ändert bleiben, oder wenn der Stoff langsam eingeht, muß sich 
erst ein Schrumpfen einstellen, das wieder schwindet, allmählich 
wie der Stoff sich gleichmäßig zwischen den beiden Phasen ver- 
teilt. Dringt ein Stoff in die Blutkörperchen ein, muß dies sich 
daher in folgender Weise zeigen: 

1. Die Blutkörperchen werden schwellen und allmählich in 
Lösungen des betreffenden Stoffes hämolysieren, und zwar sowohl 
wenn die Lösung isosmotisch, als wenn sie hyperosmotisch ist. 
Dringt der Stoff schnell ein, wird das Anschwellen sich nicht fest- 
stellen lassen; man sieht nur die augenblickliche Hämolyse. In 
dem Falle muß man natürlicherweise untersuchen, ob wir mit 
einer Schwellungshämolyse zu tun haben oder nicht. 

2. In einer 0,9 proz. Lösung oder in einer anderen isotonischen 
‘ Lösung, die durch Zusatz von etwas von dem betr. Stoff hyper- 
osmotisch gemacht worden ist, sollen die Blutkörperchen entweder 
ihr Volumen unverändert behalten oder, wenn der Stoff langsaın 
eindringt, schrumpfen. Das Schrumpfen darf jedoch nicht von 
bleibender Art sein, sondern muß sofort durch ein Schwellen 
abgelöst werden, das erst wieder aufhört, wenn das ursprüngliche 
Volumen erreicht worden ist. 

Von diesen und entsprechenden Voraussetzungen ausgehend, 
stellen Masing und Kozawa eine Reihe von osmotischen Unter- 
suchungen an, um festzustellen, ob die Glucose und andere 
Zuckerarten tatsächlich in Menschen- und Hundeblutkörperchen 
eindringen. 

Es muß jedoch angeführt werden, daß weder Masing noch 
Kozawa diese Grundsätze formulieren; wir sehen daher auch in 
ihren Versuchen Verhältnisse vorkommen, die diesen Voraus- 
setzungen widersprechen, ohne daß dies auf ihre Schlußfolgerungen 
einen Einfluß ausübt. Bei Kozawa finden wir eine Reihe quanti- 
tativer Untersuchungen über das Anschwellen von Menschenblut- 


Blutzucker. IV. 217 


körperchen in osmotischen Lösungen von Glucose (und anderen 
Monohexosen); er stellt in allen mit Glucose ausgeführten Ver- 
suchen ein sehr bedeutendes Schwellen fest; von diesen 9 Versuchen 
erstrecken sich fünf über 6—7 Stunden, vier über längere Zeit 
(17—22 Stunden); nur in einem von den 9 Versuchen hat Hämolyse 
stattgefunden. Kozawa führt an, daß Hundeblutkörperchen ohne 
vorhergehendes Anschwellen in „isotonischer“ Glucoselésung 
hämolysieren. Bei Mischung von gleichen Teilen Ringerscher 
Lösung oder 0,9proz. NaCl-Lösung und isotonischer Glucose- 
lösung tritt gegen Erwarten kein Schwellen ein, dagegen bleibt 
das Schrumpfen in .einer 0,9proz. NaCl-Lösung aus, die stark 
hyperosmotisch gemacht worden ist, indem sie gleichzeitig 2,5% 
Glucose enthielt. Ganz entsprechende Verhältnisse findet Masing, 
wenn seine osmotischen Untersuchungen auch nicht so eingehend 
sind wie die von Kozawa angestellten. Auch er findet, daß 
Menschenblutkörperchen in osmotischer Glucoselösung anschwel- 
len, und daß die Hämolyse nach 5—6 Stunden eintritt (fängt 
bereits nach 1—2 Stunden an). Hundeblutkörperschen hämo- 
lysieren in einer isosmotischen Glucoselösung, aber ohne vorher- 
gehendes Schwellen. Aus diesen Versuchen schließen Masing 
und Koza wa, daß die Glucose in die Blutkörperchen des Menschen 
eindringt und sich hier in einem osmotisch aktiven Zustande 
findet. 

Dies gilt nach Masing und Kozawa auch von Hundeblut- 
körperchen. Masing und Kozawas Untersuchungen enthalten 
doch einen Widerspruch um den anderen, was bei einer näheren 
Betrachtung der Versuche sehr deutlich zutage tritt. Nach den 
direkten chemischen Bestimmungen schließen Masing und 
К ozawa, daß nach 1/,—1 Stunde Diffusionsgleichgewicht erreicht 
worden ist; zu dem Zeitpunkt sollte die Zuckertension außen und 
innen identisch sein, weshalb man spätestens zu dem Zeitpunkt 
erwarten müßte, eine ebenso totale Hämolyse zu erhalten, als wenn 
die Blutkörperchen in reinem Wasser aufgeschwemmt worden 
wären. Masing gibt allerdings an, daß Menschenblutkörperchen 
in isosmotischen Glucoselösungen hämolysieren, und daß die 
Hämolyse nach 5 Stunden fast vollständig ist; nach 2 Stunden 
ist dagegen nur eine Spur davon da. Kozawa findet in einer 
Reihe von über 6 Stunden sich erstreckenden Versuchen keine 
Hämolyse, nur in einem Fall von über 21 Stunden wird „Hämo- 


218 Rich. Ege: Blutzucker. IV. 


lyse“ angeführt, während diese in anderen über 23 Stunden 
dauernden Versuchen nicht eintrat. — Masing und Kozawa 
benutzen, wie erwähnt, die angeführten Versuche als Beweis 
dafür, daß die Glucose in die Blutkörperchen eindringt; ein 
kritischer Leser wird sicherlich zu einem etwas anderen Resultat 
kommen. Meiner Meinung nach sind drei Möglichkeiten denkbar: 

1. Entweder müssen Masings und Kozawas direkte 
chemische Analysen durchaus irrtümlich sein, aber diese Erklärung 
ist, wie wir teils gesehen haben und teils noch sehen werden, nicht 
die rechte; | 

2. oder auch müssen die Volumen- und Hämolysenunter- 
suchungen, die sie angestellt haben, irrtümlich oder wenigstens 
nicht direkt vergleichbar sein mit den direkten chemischen Ver- 
suchen; da aber auch diese Versuche, wie wir späterhin sehen 
werden, im großen ganzen korrekt sind, sollte man meinen, daß 
es keine andere Möglichkeit gebe als die dritte; 

3. daß die allgemeine osmotische Auffassung der Volumen- 
veränderungen und des Hämolysenverhältnisses der Blutkörper- 
chen einer Revision bedarf. 

Als letzte Möglichkeit könnte man sich vorstellen, daß die 
Glucose erst in der Membranphase absorbiert wird und dann 
allmählich ganz langsam in die Blutkörperchenflüssigkeit hinein- 
dringt. 


Experimentelle Studien über die Eigenschaften 
überlebender Gefäße unter Anwendung der chemischen 
| Reizmethode ). 


Von 
E. Rothlin. 


(Aus dem Physiologischen Institut der Universität Zürich.) 
(Eingegangen am 29. Juni 1920.) 


Mit 21 Abbildungen im Text. 


Den Versuch am überlebenden Organ nennen wir jenes 
experimentelle Vorgehen, wo der Forscher unter mehr oder weniger 
willkürlich gestalteten, aber möglichst, physiologischen“ Versuchs- 
bedingungen die funktionellen Leistungen eines Organes oder 
Organkomplexes einer Analyse unterwirft. Dabei betrachten wir 
das Resultat als das Ergebnis der ursprünglichen Leistungsfähig- 
keit des untersuchten Organes, unabhängig von den chemischen 
und nervösen Einflüssen, welche im normalen Organismus fördernd 
oder hemmend eingreifen können. Es gibt kein Gebiet der Physio- 
logie, dessen Kenntnisse durch dieses methodisöhe Vorgehen nicht 
erweitert worden wären, ich nenne die Muskel- und Nervenphysio- 
logie, die Physiologie des gesamten Zirkulationsapparates, die 
mechanischen und physiologisch-chemischen Leistungen des Magen- 
Darmtraktus, die Funktionen des Urogenitalsystems, der Leber 
usw. Ich bin mir aber bewußt, daß sich das Vorgehen meiner 
Studien an überlebenden Gefäßen nicht durch die anerkannten 
Erfolge dieser Methode auf anderen Gebieten der Physiologie 
rechtfertigen läßt. Aber wir können uns doch nicht verschweigen, 
daß jedes experimentelle Vorgehen mehr oder weniger ausgeprägte 
künstliche Versuchsverhältnisse schafft, und auch im sog. Versuch 
in vivo, wie man sich ausdrückt, schalten wir bewußt oder unbe-. 


| 1) Diese Arbeit wurde im April 1920 der med. Fakultät der Uni- 
versität Zürich als Habilitationsschrift eingereicht. 


220 E. Rothlin: 


wußt gewisse Faktoren aus, andere ein, verändern dadurch die 
normalen Lebensbedingungen des Versuchsobjektes, deren Trag- 
weite wir im einzelnen Falle nicht immer bemessen können, aber 
stets bei der Beurteilung der Ergebnisse mit berücksichtigen 
sollten. Denken wir an die Folgen der Narkose mit der veränderten 
Tätigkeit der corticalen und subcorticalen Nervenzentren, an die 
Folgen eines chirurgischen Eingriffes, wobei in mannigfacher 
Weise eine Umstimmung der normalen inneren Lebensbedingungen 
eintreten kann — ich erwähne das Auftreten von Hypergiykämie 
unter solchen Maßnahmen —, so gelingt es offenbar praktisch 
nie unter absolut normalen „physiologischen“ Bedingungen zu 
experimentieren. Trotzdem darf uns eine solche Erkenntnis nicht 
zu einem sterilen Pessimismus verleiten. Durch eine kritische 
Sichtung aller vermeidbaren Versuchsfehlerquellen suchen wir 
das Experiment, sei es in vivo, sei es am überlebenden Organe 
unter möglichst „physiologischen“ Bedingungen auszuführen. 
Die Bewertung der erzielten Ergebnisse werden wir nicht in 
absolutem, sondern in relativem Sinne, d. h. mit strenger Berück- 
sichtigung der veränderten Versuchsbedingungen vornebmen. 
Durch ein solches Vorgehen gelangen wir dann praktisch doch zu 
Resultaten, wie wir sie in unserem Lehrschatze über die Gesetz- 
mäßigkeiten des Ablaufes physiologischer Vorgänge besitzen. Die 
Methodik am überlebenden Organ kann aber ohne Zweifel leicht 
zu Irrtümern führen, sobald bei der Schaffung der Versuchs- 
bedingungen zu große Willkür herrscht und vor allem, wenn die 
Auslegung der gewonnenen Resultate nicht unter dem leitenden 
Gesichtspunkte der Komplexität der möglichen Fehlerquellen 
statthat. Wir werden uns stets vor Augen halten, daß wir bei 
diesem experimentellen Vorgehen die funktionellen Leistungen 
der Gefäße isoliert betrachten, daß wir die den Gefäßen eigenen 
Leistungen unabhängig von den komplexen chemischen und 
nervösen Einflüssen des übrigen Organismus unter Versuchs- 
bedingungen untersuchen, welche den wirklichen physiologischen 
Verhältnissen der Gefäße in ihrem natürlichen Bett nicht analog 
sind. Von dieser Kenntnis geleitet wird die Analyse der Resultate 
stets vorsichtig und kritisch bemessen sein. 

Unser Ziel in der ersten Abhandlung ist darauf beschränkt, 
neue Kenntnisse der allgemeinen, möglichst ,,physiolo- 
gischen“ Versuchsbedingungen für das Experimentieren 


Eigenschaften überleb. Gefäße unter Anwend. d. chem. Reizmethode. 221 


an überlebenden Gefäßen zu gewinnen. Diese Daten über das all- 
gemeine Verhalten überlebender Gefäßsubstrate werden uns als Basis 
begleitend dazu dienen, in einem zweiten und dritten Teile die be- 
sonderen Leistungen Überlebender Gefäße auf einige spezifisch 
che mische Reize sog. vasotonisierender Substanzen 
organischer Natur zu untersuchen und mit schon Bekanntem 
zu vergleichen. Diese spezielle Analyse der chemischen Beein- 
flussung der überlebenden Gefäße werden wir vorläufig so weit 
durchführen, als es sich um organische vasotonisierende Produkte 
handelt, deren Vorkommen auf Grund der Forschungen über die 
Stoff wechselprodukte an Organen ohne äußeren Ausführungsgang 
im Organismus zum Teil sicher, zum Teil wahrscheinlich ist. 
Besonderes Augenmerk lege ich dabei auf folgende Faktoren: 
a uf die feine Differenzierung der angewandten Dosis, 
um dad urch nicht nur quantitative, sondern eventuell 
qualitative Unterschiede zu erzielen; auf das Ver- 
halten verschiedener GefaBgebiete gegenüber den ver- 
schiedenen chemischen Reizen; auf die Berücksichti- 
gung der Variabilität bei verschiedenen Tierarten. 
Diese Abhandlung gibt einen Teil meiner seit Jahren gesammelten 
Erfahrungen auf diesem Gebiete wieder. Von der Unvollkommen- 
heit meiner Ergebnisse bin ich zwar überzeugt, doch dürfte das 
Gesamtresultat die Ansicht berechtigen, daß systematische Unter- 
suchungen am überlebenden Organ über die ursprünglichen 
Eigenschaften der Gefäße prinzipiell Neues aufzufinden erlauben 
und daß diese Daten in einer gemeinsamen Betrachtung mit den 
Ergebnissen in vivo unsere Auffassung über den Gefäßmechanis- 
mus weitgehend zu fördern imstande sind. 


Methodik. 


Meine Untersuchungen an überlebenden Gefäßen!) beziehen 
sich auf isolierte Gefäßstreifen, auf künstlich durchströmte Gefäß- 
gebiete des Frosches und des Kaninchenohres, für die Untersuchungen 
an isolierten Gefäßstreifen verwendete ich die Versuchsanordnung von Mac 
William?) und O. B. Meyer’). Ein quer aufgeschnittener Arterienring 


1) Herrn Dr. Schellenberg, Dir. des Schlachthofes in Zürich, 
sage ich für seine stete Dienstfertigkeit meinen verbindlichsten Dank. 

з) Mac, William, Proceed. of the Royal Soc. of London. 69, р. 190. 
1901; 70, 109. 1902. 

з) О. В. Meyer, Zeitschr. f. Biol. 48, 352. 1906. 


Biochemische Zeitschrift Band 111. 15 


222 | E. Rothlin: 


wird an einem Ende durch ein Gewicht beschwert und am andern Ende 
ist derselbe mit einem Schreibhebel in Verbindung, welcher die Längs- 
veränderungen des Gefäßstreifens auf einem Kymographion registriert. 
Das Testobjekt befindet sich in einem mit physiologischer Nährflüssigkeit 
versetzten, 50 ccm fassenden Glasgefäß und letzteres in einem Thermostaten. 
Das Glasgefäß hat unten einen Ausfluß, wodurch die Versuchsflüssigkeit, 
ohne irgendwelche Störung des Testobjektes durch Aushebern ausgewechselt 
werden kann. Auf weitere Einzelheiten der Methodik gehe ich hier nicht 
ein, da die prinzipiell wichtigen Faktoren im allgemeinen Teile eine ein- 
gehende Besprechung erfahren werden. Die Versuchsanordnung für die 
Experimente mit künstlicher Durchstrémung verschiedener 
Gefäß gebiete beim Frosch und beim Kaninchenohr beruht 
in einer Uberlaufmethode, wie sie von Fleisch!) im hiesigen Institute aus- 
gearbeitet worden ist. Eine Mariott esche Flasche dient dabei als Reservoir 
für die Durchströmungsflüssigkeit, welche in mit O, gesättigter Ringerlösung 
besteht. Diese Reservoirflasche befindet sich in erhöhter Lage an einem leicht 
verstellbaren Stativ. Der Ausfluß dieser Flasche ist mit einem y-Ronr in Ver- 
bindung, von welchem der eine Schenkel zum Gefä Ba pparat führt, während 
der andere den Uberlauf darstellt. Gerade hinter dem y-Rohr ist eine 
Glascapillare eingeschaltet, deren Masse dem erwünschten DurchfluB- 
volumen angepaßt sind. Die TotaldurchfluBmenge durch das ganze System 
beim Abschluß des Schenkels, welcher zum Versuchspraparate führt, 
ist bedingt durch die Höhendifferenz zwischen der Reservoirflasche und 
dem Niveau der Abtropffläche am Überlauf. Dieselbe kann bei erhaltener 
Konstanz des Niveaus der Abtropffliche am Überlauf durch Variation 
der Höhe der Reservoirflasche, sowie durch die eingeschaltete Glas:apillare 
von verschiedener Weite und Länge variiert werden. Während des Ver- 
suches wird die Konstanz der Durchflußmenge durch das ganze System 
dadurch erreicht, daß der Flüssigkeitsspiegel der Reservoirflasche auf 
demselben Niveau gehalten wird. Ein Teil der Gesamtdurchflußmenge 
fließt dann von dem einen Schenkel durch das Versuchspräparat, der andere 
durch den Uberlauf. Der Druck, welcher auf dem Versuchspräparat 
lastet, ist gegeben durch die Wassersäule zwischen dem Niveau der Ab- 
tropffläche am Überlauf und demjenigen des Versuchspriparates. Der 
Versuch gestaltet sich nun folgendermaßen: nach erfolgter Präparation 
des Gefäßpräparates wird die Einflußkanüle desselben an den zugehörigen 
Schenkel des y-Rohres angeschlossen, die Reservoirflasche wird dann auf 
ein solches Niveau eingestellt, daß die Tropfenzahl am Überlauf pro Minute 
10—12 beträgt, denn eine solche Tropfenzahl hat sich auch bei meinen 
Versuchspräparaten als geeignet erwiesen, wie dies schon von Fleisch 
angegeben wurde. Durch diese Überlaufmethode wird nun erreicht, 
daß der Druck, welcher auf dem Versuchsobjekt lastet, unter 
allen Bedingungen konstant bleibt, und Tonusveränderungen 
der Gefäße ohne jeden Einfluß auf denselben sind. Daraus 
folgt anderseits, daß die beobachteten Änderungen des Durch- 


1) A. Fleisch, Arch. f. d. ges. Physiol. 171, 86. 1918. 


Eigenschaften tiberleb. Gefäße unter Anwend. d. chem. Reizmethode. 223 


flußvolumens durch.das Gefäßpräparat einzig und allein 
auf die Tonusschwankungen der Gefäße zu beziehen sind. 
Wir registrieren im Versuche die Tropfenzahl der Überlaufmenge auf einer 
berußten Trommel, wobei mit dem Jaquetschen Chronographen die 
Sekunden markiert werden. Eine Gefäßkontraktion führt zu einer Ver- 
mehrung, eine Gefäßdilatation zu einer Verminderung der Tropfenzahl 
am Überlauf in derselben Zeit. Die im Experiment erhaltenen Kurven 
geben somit die Durchflußmenge des Überlaufens, d. h. Gesamtdurchfluß- 
menge minus Durchflußmenge durch das Gefäßpräparat wieder. Die 
Bildungszeit eines jeden Tropfens kann auf der Kurve auf 0,1 Sek. genau 
abgelesen werden. Man bestimmt außerdem den Zeitpunkt, in dem ein 
gebildeter Tropfen fällt, wobei der Ausgangspunkt des Experimentes 
gleich O gesetzt wird. Dieser Zeitpunkt eines gefallenen Tropfens wird 
jeweils als Abszisse in ein Koordinatensystem eingetragen. Als Ordinate 
desselben Tropfens berechnet man jene Anzahl Tropfen, welche unter den- 
selben Versuchsbedingungen in einer Minute durch den Überlauf gehen 
würden. Man dividiert daher die Bildungszeit des Tropfens durch 60. 
Bei der Konstruktion meiner wiedergegebenen Kurven bin ich so verfahren, 
daß die Berechnung nicht für alle Tropfen durchgeführt wurde, sondern 
für diejenigen, welche die charakteristischen Veränderungen der Durch- 
flußmenge wiedergeben. Da, wo nur ganz geringe Schwankungen vor- 
handen waren, nahm ich das Mittel aus mehreren Tropfen. Auf diese Weise 
gelangen wir zur Darstellung der Durchflußmenge durch den Überlauf, 
unser Ziel aber ist die Kenntnis der Durchflußmenge durch das Versuchs- 
präparat. „Wir haben somit noch die Differenz zu bilden zwischen der 
Gesamtzuflußmenge und der Überlaufmenge. Das geschieht am einfachsten 
graphisch, indem wir die Kurve einfach um 180° drehen, d. h. auf den 
Kopf stellen. Haben wir bei der Konstruktion der Kurve die Werte von 
rechts nach links eingetragen, so entspricht nun die auf den Kopf gestellte 
Kurve von links nach rechts gelesen der Kurve des Durchströmungs- 
volumens durch den Frosch. Die Ordinatennullinie geht durch den Kurven- 
punkt, welcher gefunden wird, wenn der Abflu8 durch den Frosch durch 
Abklemmen der Zweigleitung unterbrochen, also das Durchflußvolumen 
gleich null ist“ (Fleisch). Ich verweise den Leser über weitere Einzel- 
heiten der Methodik auf die Originalarbeit von Fleisch. Die für meine 
Versuche verwendeten Nährflüssigkeiten waren folgende: 

a) für Warmblüter: 0,9 NaCl; 0,01 NaHCO,; 0,01 CaCl,; 0,01 KCl. 

b) für Kaltblüter: 0,7 NaCl; 0,61 NaHCO,; 0,01 CaCl,; 0,01 KCI. 
Die Druckwerte, welche fiir meine Versuche angewandt wurden, sind: 

a) für die Totaldurchströmung des Frosches von einer Aorta aus: 


30—40 cm H,O, 

b) fiir die Durchströmung der Splanchnicusgefäße des Frosches 
30—40 cm H,O. 

c) für die isolierte Durchströmung der einen Froschlunge 20—30 cm 
H,O. 


d) für die Hinterextremität des Frosches 20—30 cm H,O. 
e) für die isolierte Durchströmung des Kaninchenohres 50—60 cm H,O. 


15* 


224 E. Rothlin: 


Die Injektion der zu untersuchenden Substanzen machte ich hinter 
der eingeschalteten Glascapillare mit einer Pravatzschen Spritze durch 
den Gummischlauch. Dadurch wird bei langsamer Injektion jede Stérung 
der DurchfluBmenge auch am Uberlauf verhindert; auf den Druck, der 
auf dem GefaBsystem lastet, hat die Injektion nach dem oben Gesagten 
sowieso keinen Einfluß. Bei diesem Vorgehen ist aber zu berücksichtigen, 
daß die Substanz bevor sie zum Gefäßpräparat gelangt, einen Weg zurück- 
zulegen hat, wodurch die Latenzzeit verlängert wird. Außerdem fließt 
nicht die Gesamtmenge der injizierten Substanz zum Gefäßapparat, da 
ein Teil durch den kommunizierenden Überlauf geht, der allerdings berechnet 
werden kann. 

Über die Präparation meiner untersuchten Gefäßsubstrate habe ich 
folgendes zu bemerken. Für die Versuche am isoliert durchströmten 
Kaninchenohr bin ich nach Rischbieter!), für jene am Läwen-Tren- 
delenburgschen Froschpräparate nach Fühner verfahren. Für das 
Läwen-Trendelenburgsche Präparat verwendete ich stets nur eine 
Hinterextremität, indem ich die in die Aorta abdominalis eingeführte 
Kanüle in die eine Art. iliaca vorschob. Ich glaube durch dieses Vorgehen 
eine sichere Gewähr für die Ausschaltung einer Fehlerquelle zu haben, 
welche darin besteht, daß bei der Präparation der Aorta abdominalis beim 
Durchtrennen der unteren Art. renales und besonders der Art. mesent. 
post. undichte Stellen entstehen, welche beim Einbinden der Kanüle 
nur in die Aorta evtl. nicht abgeschlossen werden. Die Durchströmung 
des Gesamtfrosches, nach Zerstörung von Gehirn und Rückenmark 
habe ich durch Einführen einer Kanüle in die Aorta des einen Truncus 
arteriosus ausgeführt. Dabei hat man sich zu überzeugen, daß die Kanüle 
wirklich in die Aorta und nicht evtl. in den Canalis communis bzw. in den 
Canalis pulmo-cutaneus des dreiteiligen Truncus zu liegen kommt. Die 
Verwendung der Binokularlupe von Zeiß hat mir für diese Zwecke sehr 
gute Dienste geleistet. Bei dieser Lage der Kanüle in der einen Aorta wird 
der ganze Frosch durchströmt, mit Ausnahme der beiden Lungen. Denn 
einmal kommunizieren die beiden Aortae, wodurch die gegenseitige obere 
Körperhälfte durch Rückfluß durchströmt wird, und außerdem bestehen 
Kollateralen zwischen der Aorta und dem Canalis carotis communis. 
Die Injektion von Methylenblau überzeugte mich von dem richtigen Funk- 
tionieren dieser Kollateralen. Der Ausfluß in diesen Versuchen ging durch 
den eröffneten rechten Vorhof und die freigelegte Vena abdominalis. 

Die Präparation der isoliert durchströmten Froschlunge gestaltet 
sich folgendermaßen: Der Frosch mit zerstörtem Gehirn und Rückenmark 
wird in Rückenlage auf einem Korkbrett befestigt, das Sternum entfernt, 
sowie das Perikard möglichst weit entlang des einen Truncus arteriosus 
freipräpariert. Die drei Verzweigungen dieses Truncus arteriosus: Aorta, 
Canalis communis und Canalis pulmo-cutaneus werden vorsichtig und 
übersichtlich isoliert. Sodann die vom Canalis pulmo-cutaneus abgehende 
Art. cutanea magna freipräpariert und unterbunden. Am Ursprung des 


1) W. Rischbieter, Zeitschr. f. exp. Med. 1, 355. 1913. 


Eigenschaften überleb. Gefäße unter Anwend. d. chem. Reizmethode. 225 


betreffenden Truncus wird nun ebenfalls eine Ligatur angelegt, der Truncus 
am Faden hochgehalten, der Canalis pulmo-cutaneus eröffnet und die 
feine Kanüle eingeführt und festgebunden. Der Ausfluß geschieht durch 
den eröffneten linken Vorhof. Trotz der Feinheit der anatomischen Ver- 
hältnisse gelingen diese Manipulationen mit etwas Übung und bei Verwen- 
dung der Binokularlupe sicher. Die vorher mit O,-gesättigtem Froschringer 
gefüllte Kanüle (Luftblasen!) wird nun an die oben beschriebene Apparatur 
angeschlossen. Zur Kontrolle, daß ausschließlich die betreffende Lunge 
durchströmt war, habe ich mich am Schlusse jedes Versuches davon über- 
zeugt, daß die Durchflußmenge bei Abschluß des zum Gefäßpräparat 
führenden Schenkels, also die Totaldurchflußmenge durch das ganze System, 
dieselbe war, wie bei Unterb:ndung der Art. pulmonalis, in welcher die 
Kanüle lag. Ein solches Lungenpräparat zeigt während ca. 2 Stunden eine 
ziemlich konstante Durchflußnfenge und gute Erregbarkeit. Darauf nimmt 
die Durchflußmenge in der Regel spontan ab, wohl zufolge des eintretenden 
Ödems. Ä 


I. Experimentelle Untersuchungen über allgemeine Eigenschaften 

überlebender Gefäßstreifen und über die Leistungsfähigkeit der 

Gefäßstreiflenmethode für den Nachweis vasotonisierender Sub- 
stanzen. 


A. Untersuchungen über den Tonus an isolierten Gefäßstreifen. 


Die Existenz eines Tonus, d. h. eines dauernden mittleren Kon- 
traktionszustandes der Gefäße ist vom physiologischen Standpunkte aus 
eine theoretische Forderung, denn nur durch die Möglichkeit von Quer- 
schnittsveränderungen nach zwei Richtungen, durch Erhöhung bzw. 
Erniedrigung des normalen Gefäßtonus erreichen wir eine rationelle peri- 
phere Regulierung der Blutverteilung im Gesamtorganismus. Durch die peri- 
pheren Vorgänge lokaler Verengerung oder Erweiterung des Gefäßvolumens 
können einerseits die Blutdruckverhältnisse im ganzen Zirkulationssystem 
nivelliert werden und anderseits wird auf diese Weise das Gefäßsystem 
dem verschiedenen Blutbedürfnis der einzelnen Organgebiete bzw. 
Organe gerecht. Einen solchen normalen Tonus müssen wir auf Grund 
der experimentellen Daten nicht nur für die Arterien, sondern wahrscheinlich 
auch für die Capillaren [Steinach und Kahn!)] und Venen [Goltz?), 
Cavazzini und Manca’) und Velich*)] annehmen. Die ursächlichen 
Momente für das Zustandekommen und die Aufrechterhaltung dieses 
mittleren Tonuszustandes im lebenden Organismus sind teils zentraler, 
teils peripherer Natur. Der zentrale Einfluß auf den Gefäßtonus erhellt 
aus dem Vorhandensein und der nachgewiesenen Bedeutung der Gefäß- 
zentren in der Medulla oblongata und im Rückenmark. Die etappenweise 


1) Steinach und Kahn, Arch. f. d. ges. Physiol. 9%, 10. 1903. 
2) Goltz, Virchows Archiv 29, 399. 1864. 

3) Cavazzini und Manca, Arch. ital. de Biol. 24, 33. 1895. 
4) Velich, Arch. f. d. ges. Physiol. 95, 264. 


226 E. Rothlin: 


Ausschaltung dieser bulbären und spinalen Gefäßzentren führt bekanntlich 
zu einem vorübergehenden Abfall des Gefäßtonus. Die Tatsache aber, 
daß nach einem gewissen Zeitintervall eine mehr oder weniger vollkommene 
Erholung eintritt, spricht für die Annahme von peripheren Faktoren, 
welche den Gefäßtonus zu beeinflussen vermögen. As her!), welcher diesen 
Gegenstand in einem zusammenfassenden Artikel behandelt, kommt zu 
keiner endgültigen Entscheidung und schließt folgendermaßen: „Der 
Tonus der Blutgefäße wird unterhalten durch die Einwirkung des zentralen 
Nervensystems auf periphere Einrichtungen in den Gefäßen; fällt diese 
Einwirkung weg, so können in der Peripherie sich allmählich Zustände 
ausbilden, welche die vom Zentralnervensystem unabhängige Entstehung 
des Gefäßtonus gewährleisten“. Zu einem ganz analogen Schlusse gelangt 
Hofmann?). Langley hat ferner in eklatanter Weise nachgewiesen, 
daß ein Gefäßtonus nach Ausschaltung der sympathischen Ganglien als 
periphere tonische Zentren durch Lähmung mit Nicotin erhalten bleibt, 
wodurch wohl in einwandfreier Weise dargelegt ist, daß aie Blutgefäße 
selbst die Eigenschaft für die Aufrechterhaltung eines gewissen Tonus 
in sich bergen. Die Gefäße besitzen somit in sich die erforderlichen Be- 
dingungen für einen gewissen selbständigen Tonus, welcher durch nervöse 
Einflüsse von Zentren fördernd oder hemmend beeinflußt bzw. reguliert 
wird. Die Existenz eines Gefäßtonus und die Erzielung von Tonusschwan- 
kungen nach vollständiger Ausschaltung des Zentralnervensystems einschl. 
des autonomen Nervensystems ist aber heute nicht nur in vivo dargetan, 
sondern die Untersuchungen von Mac William“), О. B. Meyer‘) u. a. 
haben ergeben, daß überlebende Gefäße auf verschiedene Reizarten eine 
große Reaktionsfähigkeit aufweisen. 

Diese Untersuchungsmethode wurde bisher für die Frage 
des peripheren Gefäßtonus sozusagen nicht verwertet. Tatsäch- 
lich haben meine Untersuchungen ergeben, daß überlebende 
Arterienstreifen unter gewissen Versuchsbedingungen einen dauern- 
den Tonus einnehmen können. Unsere Aufgabo wird es nun sein, 
diejenigen einflußreichen Faktoren zu charakterisieren, welche 
für das Zustandekommen und die Aufrechterhaltung eines solchen 
Gefäßtonus am überlebenden Organ erforderlich sind, wie er analog 
in einem vom Zentralnervensystem beraubten Gefäßgebiete 
in vivo existieren dürfte. Ich beschreibe im folgenden kurz das 


Vorgehen, wie ich es für die Erzielung eines Tonuszustandes an 


1) Asher, Ergebnisse der Physiologie Asher und Spiro. 1. Jg. 2. Abt. | 
S. 372. 1902. 

2) Hofmann, Nagels Handbuch der Physiologie des Menschen 1 
287. 1909. 

3) Mac William, Proceed. of the Royal Soc. of London. 69, 190—193 
1901. 70, 109—153. 1902. 

t) О. B. Meyer, Zeitschr. f. Biol. 48, 352—397. 1906. 


Eigenschaften überleb. Gefäße unter Anwend. d. chem. Reizmethode. 227 


einem überlebenden Gefäßstreifen als notwendig erachte, um dann 
diejenigen Punkte speziell zu berücksichtigen, welche sich nach 
meinen Erfahrungen als wesentlich erwiesen haben. 

Ein Arterienring, vom umgebenden Gewebe sorgfältig befreit, 
wird quer durchschnitten und in den oben kurz skizzierten Apparat 
eingespannt. Unter einer angemessenen Belastung, bei einer 
Temperatur von 38—39°, in O,-gesättigtem Ringer, erfährt der 


Abb. 1 a. 


ААА Аа д ана Ta ee 


Abb. 1b. 


Abb. 1a und b. Die beiden Gefäße stammen von derselben Arteria mesenterica einer Kuh. 
Die Belastung beträgt je 20 g. Das Gefäß B befindet sich von Beginn des Experimentes in 
mit O,-gesättigtem Ringer, welcher außerdem fortwährend mit O, durchperlt wird. Das 
Gefäß A dagegen ist in O,-armem, gewöhnlichem Ringer, es wird erst bei der Marke + О, 
Sauerstoff zu dessen Ringerlösung zugeströmt. Beide Gefäße dehnen sich erst rasch, dann 
langsamer (Dehnungsphase). Das Gefäß B beginnt die Kontraktionsphase zu Beginn der 
Abb. b, und erreicht am Schlusse der Kurve die Phase des mittleren Tonuszustandes. Zu- 
folge des O,-Mangels blelbt das Gefäß B länger dilatiert, tritt aber nach Zufluß von O, eben 
falls in die Kontraktionsphase ein. Verkl. /. 


Gefäßstreifen Veränderungen, welche wir in drei Phasen auf- 
teilen können. In einer ersten Phase dehnt sich das Gefäß erst 
rasch, dann immer langsamer bis zu einem Maximum; es ist dies 
die Phase der eigentlichen Dehnung des Gefäßes. Es folgt die 
zweite Phase, charakterisiert durch einen in der Regel erst lang- 
samen, dann rascher werdenden Anstieg des Schreibhebels, d. h. 
das Gefäß verkürzt sich bis zu einem gewissen Grade, es ist dies 
die Kontraktionsphase. Bei konstanter Innehaltung der 
erwähnten Versuchsbedingungen wird nun das Gefäß in diesem 


228 E. Rothlin: 


verkürzten Zustande stundenlang verweilen, oder um diesen ` 


mittleren Kontraktionszustand durch mehr oder weniger aus- 
geprägte Schwankungen pendeln. Es stellt dies die dritte Phase 
bei der Einstellung eines überlebenden Gefäßstreifens in einen 
Tonuszustand dar, es ist die endgültige Phase des mitt- 
leren Tonus. Das Gesagte wird klar durch die Abb. la und b 
illustriert. | 

Für die Einstellung eines isolierten Gefäßstreifens in einen 
mittleren Tonuszustand spielen folgende Faktoren eine wesent- 
liche Rolle: 

1. Die Art und Weise der Dehnung des Gefäßes, 

2. der Einfluß der Temperatur und 

3. der Einfluß des Sauerstoffes. 
Diese 3 Faktoren sollen eine nähere Analyse erfahren. 


1. Die Dehnung des Gefäßstreifens. 


Nach Mac Williams!) Untersuchungen über die Eigenschaften der 
isolierten Gefäße tritt kurz nach dem Tode des Tieres an denselben ein 
hypertonischer Zustand auf. Die Bedingungen für das Zustandekommen 
dieses Hypertonus sind nach Mac William: mechanische Reizung, Ab- 
kühlung, oder Berührung mit der Luft. Dieser postmortale hypertonische 
Zustand kann nach diesem Autor bis zu 14 Tagen nach der Entnahme 
des Gefäßes aus dem Organismus sich erhalten, dabei bleiben angeblich 
diese Gefäße auf mechanische und elektrische Reize erregbar. Dieser 
hypertonische Kontraktionszustand ist auch von andern Autoren konstatiert 
worden, welche mit isolierten Gefäßen arbeiteten. Ich kann dies insofern 
bestätigen, als ein brauchbares Testobjekt nur unter der Bedingung einer 
geeigneten Dehnung der aus dem Organismus isolierten in Ringerlösung 
im Eisschrank aufbewahrten Gefäße zu erreichen ist. Denn die Lösung 
dieses Hypertonus ist für die Erzielung einer normalen Erregbarkeit eines 
solchen Gefäßstreifens unbedingt notwendig. Mac William hält das 
Ausfrierenlassen in einer Kältemischung für das geeignete Vorgehen, 
welche Methode auch von Grützner und Du-Bois-Reymond emp- 
fohlen wurde. Dieses Vorgehen ist nicht nur unbequem, weil es Stunden 
dauert und deshalb ein frisches Gefäß überhaupt nicht untersucht werden 
kann, sondern nach meinem Dafürhalten auch unphysiologisch. О. В. 
Meyer?) empfiehlt eine Dehnung der Gefäße unter hoher Belastung, so 
für eine Rinderkarotis mit 85 gin warmer Ringerlösung während ca. 15 Min. 
Dabei verlängern sich die Gefäße z. B. von 8,5 mm auf 22—23 mm. Meyer 
gibt an, daß eine Retraktion nach Verringerung der Belastung auf 6—8 g 
fast gar nicht eintrat. wir werden später sehen, warum. Ähnlich wie Meyer 


1) Mac, William, 1. с. S. 226. 
2) О. B. Meyer, loc. cit. S. 226. 


Eigenschaften überleb. Gefäße unter Anwend. d. chem. Reizmethode. 229 


sind Full!) und Günther?) verfahren. Siccardi?) und Loredan haben 
systematische Versuche mit Dehnung beihoher und niedriger Belastung in mit 
O,-gesättigtem Ringer bei 40° durchgeführt. Die Autoren geben dem letz- 
teren Verfahren entschieden den Vorzug, wegen der größeren erzielten 
Erregbarkeit der Gefäße. Meine Erfahrungen sprechen ganz im Sinne von 
Siccardi und Loredan. Ich verwende daher je nach der Dicke und 
Länge der Gefäßstreifen ein Gewicht von 2—25 g und dehne das Gefäß 
in O,-Ringer bei 39°. Zur Versuchslösung lasse ich kontinuierlich einen 
O,-Strom in kleinen Bläschen hinzuperlen. Nun warte ich, bis das Gefäß 
in die dritte Phase der oben beschriebenen Tonuseinstellung eingetreten 
ist, d. h. sich im Zustande eines mittleren Tonus befindet.. Dies ist graphisch 
in der Abb. 1 a und b wiedergegeben. Die Dauer einer solchen Dehnung 
bzw. Einstellung in den mittleren Tonuszustand beträgt ca. 1 Stunde. 
Die Lösung des postmortalen Hypertonus durch eine so hohe Belastung, 
wie dies besonders von Meyer angegeben wurde, halte ich aus verschie- 
denen Gründen für ungeeignet. Denn es zeigte sich, daB die nach Meyer 
gedehnten Gefäße in ihrer funktionellen Leistungsfähigkeit in qualitativer 
wie quantitativer Hinsicht den nach meiner Methode behandelten nach- 
stehen. Die Gefäße fand ich nicht nur allgemein unempfindlicher, sondern 
als besonders mangelhaft empfand ich das meist völlige Fehlen der Mög- 
lichkeit einer Erschlaffung der Gefäße auf einen vasodilatatorischen che- 
mischen Reiz. Die Gefäße werden eben durch die hohe Belastung sozusagen 
maximal gedehnt, es fehlt somit ein anständiger Tonus. Dies geht auch in 
gewissem Grade aus den Angaben von Meyer hervor, da bei den auf seine 
Weise gedehnten Gefäßen auch nach der teilweisen Entlastung in den 
meisten Fällen keine sekundäre Retraktion eintrat. Das Fehlen eines mitt- 
leren Tonus beim isolierten Gefäß müssen wir aber als ein Manko betrachten, 
da den physiologischen Verhältnissen widersprechend, wo wir auch nach 
vollständiger Ausschaltung der nervösen Innervation noch einen mehr 
oder weniger ausgesprochenen Tonus bei den Gefäßen besitzen. Eine 
weitere Ursache der sekundären Retraktion werden wir soeben kennen 
lernen. Die von Meyer empfohlene hohe Belastung zur Dehnung der 
Gefäße mag auf Grund einer Anlehnung an die Spannungsverhältnisse 
in vivo theoretisch stimmen, eine plötzliche, so hohe Belastung eines iso- 
lierten Arterienstreifens, der aus seinem natürlichen, stützenden Bett 
entfernt, der normalen Ernährung und jeder nervösen Beeinflussung 
beraubt ist, halte ich aber für wenig schonungsvoll. Das Experiment hat 
mir auch ferner gezeigt, daß in praxi eine solche Behandlung keine opti- 
male Versuchsbedingungen in qualitativer und quantitativer Hinsicht schafft. 


2. Der Einfluß der Temperatur. 


Die Dehnung der isolierten Gefäße, wie sie soeben beschrieben 
wurde, trifft nur unter der Bedingung zu, daß wir bei einer Tem- 


1) Full, Zeitschr. f. Biol. 61, 287. 1913. 
2) Günther, Zeitschr. f. Biol. 65, 401. 1915. 
3) Siccardi und Loredan, Zeitschr. f. allg. Physiol. 15, 85. 1913. 


230 E. Rothlin: 


peratur von 38—39° arbeiten. Bei niedrigeren Temperaturen 
geht die Dehnungsphase viel langsamer vor sich und ist nicht so 
intensiv. Der postmortale Hypertonus wird gewissermaßen nicht 
genügend gelöst. Die folgende ,,Kontraktionsphase“ ist dement- 
sprechend viel schwächer ausgeprägt und tritt später ein. Das 
Gefäß ist unter diesen Umständen in einem hohen Tonuszustande, 
ist aber was uns mehr interessiert, viel weniger empfindlich als bei 
einer Einstellung bei 38—39°. Oberhalb dieser Temperatur zeigen 
die zwei ersten Phasen keine wesentlichen Änderungen, als daß 
sie rascher verlaufen. Das Gefäß verkürzt sich aber allmählich 
und kontinuierlich weiter und zwar um so stärker, je höher die 
Temperatur ist. Untersucht habe ich dies bis auf 45°. Die Erreg- 
barkeit ist bis zu dieser Temperatur noch vorhanden, aber je 
höher die Temperatur, desto geringer und flüchtiger ist dieselbe. 
Der Einfluß auf die Tonuseinstellung zeigt sich ferner eklatant 
in folgendem Versuche. Ein nach meinen Angaben belastetes 
Gefäß wird in mit O,-gesättigtem Ringer eingespannt und man 
läßt außerdem O, zuperlen. Die Temperatur sei zu Beginn auf 
15°. Nun wird der Thermostat allmählich auf 39° eingestellt 
Das Gefäß erweitert sich erst beim Erwärmen langsam und ziem- 
lich konstant bis zu einer Temperatur von ca. 20°, dann wird die 
Dehnung rascher, bis zu einer Temperatur von ca. 30°. Darauf 
beginnt das Gefäß sich mehr oder weniger rasch zu kontrahieren 
und verbleibt bei 39° bei dem erreichten Tonuszustande. Es ist 
dies ein Befund, wie er in ähnlicher Weise von O. B. Meyer?) 
und Cow?) beschrieben worden ist. Wir sehen aus allen diesen 
Angaben, daß die Einstellung isolierter Gefäßstreifen 
ір den mittleren Tonuszustand auch von der Tempera- 
tur abhängig ist, und die Körpertemperatur sowohl 
für den mittleren Tonus als für eine „nor male“ Reak- 
tionsfähigkeit die geeignetste erscheint. 


3. Der Einfluß des Sauerstoffes. 


Der dritte wesentliche Faktor für die Einstellung isolierter 
Gefäße in einen mittleren Tonus ist die Versorgung desselben 
mit Sauerstoff. Der Dehnung des Gefäßes folgt nach meinen obigen 
Angaben (Abb. la u. b) die Kontraktionsphase, deren Ausbleiben 


1) В. О. Meyer, 1. с. S. 226. 
2) D. Cow, Journ. of physiol. 4%, 125. 1911. 


Eigenschaften überleb. Gefäße unter Anwend. d. chem. Reizmethode. 231 


beim Vorgehen nach O. B. Meyer als typisch erwähnt wurde. 
Ich betrachte diese Retraktion des Gefäßes für ein wichtiges 
Kriterium bei der richtigen Einstellung eines isolierten Gefäßes 
in den mittleren Tonuszustand. Ich lege um so größeres Gewicht 
darauf, als keiner der früheren Autoren darauf genügend Augen- 
merk legte. Das Ausbleiben dieser „sekundären Retraktion“ bei 
O. B. Meyer hat seinen Grund nicht nur in der starken Dehnung 
der Gefäße, sondern ist vielleicht noch mehr auf das Fehlen eines 
unbedingt notwendigen Sauerstoffdruckes in der Versuchsflüssig- 
keit zu suchen. Von Mac William!), Bayliss*), Meyer)), 
Full‘), Günther), Loening®) u. a. ist der tonuserhöhende 
Einfluß des Sauerstoffes auf überlebende Arterienstreifen beob- 
achtet worden. Meyer und Full fanden das O, Bedürfnis solcher 
Gefäße gering und Loening schließt auf Grund seiner Versuche 
auf S.120: „Sauerstoff vermag nur in Plasma oder Serum eine 
stärker tonisierende Wirkung auf die überlebende Gefäßwand 
auszuüben. In Ringerlösung kommt diese seine vasotonisierende 
Wirkung fast gar nicht zur Geltung.“ So überflüssig es mir auf 
Grund der bestehenden Daten über den Einfluß des O, auf isolierte 
Gefäße erschien, eine schon bekannte Sache neu zu entdecken, 
veranlaßten mich Loenings Ergebnisse doch systematische 
Untersuchungen über diesen Gegenstand vorzunehmen, und ich ge- 
langte dabei zu neuen Resultaten, welche die Bedeutung des 
Sauerstoffes für die richtige Tonuseinstellung, die Erhaltung des 
Tonus und die optimale Erregbarkeit und Leistungsfähigkeit 
isolierter Gefäße dartun. Die Abb. la u. b bringt den Unterschied 
in der Tonuseinstellung von zwei Parallelgefäßen unter verschie- 
denen Sauerstoffverhältnissen zur Darstellung. Gefäß A befindet 
sich zu Beginn des Versuches in gewöhnlicher, gestandener 
Ringerlösung, Gefäß B dagegen in mit O,-gesättigtem Ringer, 
zu welchem außerdem fortwährend O, hinzuperlt. Die übrigen 
Versuchsbedingungen sind ganz identisch. Der Unterschied der 
beiden Gefäße in ihrem Verhalten ist ganz frappant. Das Gefäß A 


1) Mac William, 1. с. S. 226. 

3) W. M. Bayliss, Journ. of physiol. 28, 220. 1902. 
з) О. В. Meyer, 1. с. 8. 226. 

4) Full, L с. 8. 229. 

5) G. Günther, Le S. 229. 

) Loening, Zeitschr. f. Biol. 62, 541. 1913. 


232 E. Rothlin: 


verweilt in relaxiertem Zustande, während Gefäß B schon in die 
zweite bzw. dritte Phase der Tonuseinstellung eingetreten ist. 
Daß wir die Ursache dieses verschiedenen Verhaltens der beiden 
Gefäße nur in der verschiedenen O,-Versorgung zu suchen haben, 
geht daraus hervor, daß Gefäß A unter dem Einfluß von О, nun 
nach einer ziemlich langen Latenzzeit ebenfalls in die Kontraktions- 
phase eintritt. Die zweite Phase der Tonuseinstellung tritt nur 
unter der Einwirkung des Sawerstoffes in der Weise selbst bei 
Gefäßen von 2—5 Tage Alter zur Beobachtung. Ich kann füglich 
sagen, daß jedes Gefäß, besonders im frischen Zustande und bei 
sorgfältiger Behandlung demselben Einfluß des Sauerstoffes 
unterliegt. Es bestehen in dieser Beziehung bei den verschiedenen 
Gefäßen wohl quantitative Unterschiede, die aber in der Regel 
mit einer geringeren Erregbarkeit der Gefäße überhaupt zu- 
sammenfallen. Wir können auf Grund dieser Erfahrungen 
sagen, daß der Sauerstoff für die zweite Phase der Tonus- 
einstellung geradezu das auslösende Moment darstellt. 
Wenn frühere Autoren diesen Faktor unter den notwendigen 
Versuchsbedingungen beim Arbeiten mit überlebenden Gefäßen 
nicht geäußert haben, so liegt die Erklärung in der Tatsache, 
daß das Vorhandensein eines gewissen Gefäßtonus für 
eine vollwertige Untersuchung an isolierten Gefäß- 
streifen nicht berücksichtigt wurde. 

Der Einfluß des Sauerstoffes in der dritten Phase, d.h. im 
Zustande des mittleren Tonus besteht nun darin, daß der einmal 
eingenommene Tonus des isolierten Gefäßes bei ständiger O,-Zufuhr 
zur Versuchsflüssigkeit während Stunden erhalten werden kann. 
Ja man hat es geradezu in der Hand willkürlich durch mehr oder. 
weniger reichliche O,- Zufuhr den Tonus zu variieren. Abnahme 
des O,-Gehaltes der Versuchsflüssigkeit führt zu einer Tonus- 
erschlaffung, Zunahme Jesselben zu einer Tonuserhöhung. Das 
Verhalten überlebender Gefäße gegenüber Sauerstoff in der dritten 
Phase nach eingenommenem mittleren Tonus ist in den Abb. 2—4 
wiedergegeben. 

Damit ist eigentlich der Einfluß des Sauerstoffes auf über- 
lebende Gefäßstreifen in Ringerlösung bewiesen. Aber Loe nings 
Auffassung über die Wirkungsweise des Sauerstoffes auf über- 
lebende Gefäße veranlassen mich, diese Analyse weiter zu ver- 
folgen. In der Abb. 2 ist der Einfluß des Sauerstoffes auf isolierte 


Eigenschaften überleb. Gefäße unter Anwend. d. chem. Reizmethode. 233 


Gefäßstreifen dargestellt, deren Tonus durch O,-armen Ringer 
niedrig gehalten ist. Durch das Zuperlen von ca. 80 Gasbläschen 
pro Minute erfahren beide Gefäße eine sehr kräftige Tonuserhöhung, 
die in ihrer Form geradezu einer Gefäßkontraktion gleichkommt. 
Wenn also Autoren wie Meyer, Full und Loening sagen, daß 


Abb. 2. Art. renalis einer Kuh. Die Belastung beider Gefäße beträgt 25 g. Die Gefäße 
werden 1 Stunde nach dem Tode des Tieres untersucht. Zeitmarkierung alle 6 Sek. Beide 
Gefäße befinden sich zu Beginn der Kurven in O,-armer Ringerlösung. Bei O, wird Sauer- 
stoff zugeperlt. Nach einer Latenzzeit von 2—2!/, Minuten tritt eine raschansteigende, 
kräftige Tonuserhöhung ein, welche geradezu als eine Muskelkontraktion bezeichnet werden 
könnte. Verkl. !/,. 
das Sauerstoffbedürfnis überlebender Gefäße nicht nur gering 
anzuschlagen sei, sondern der Einfluß des O, in Ringerlösung, 
fast gar nicht zur Geltung gelange (Loening), so scheint mir 
durch diese wiedergegebenen experimentellen Daten das Gegen- 


teil bewiesen zu sein. Loening glaubt gewisse Fehlerquellen 


Abb. 3. Art. renalis von 6 jähriger Kuh. Die Gefäße sind 24 Stunden alt. Belastung je 25 g. 
Zeitmarkierung alle 6 Sek. Vor der Marke I befinden sich die Gefäße A und Bin O,-armer 
Ringerlösung, bei der Marke I wird diese Versuchsflüssigkeit mit vorgewärmtem O,-armem 
Ringer ausgewechselt. Es tritt keine Veränderung des Tonus der Gefäße ein. Bei der Marke II 
wird ebenfalls mit vorgewärmtem aber O,-gesättigtem Ringer ausgewechselt, es erfolgt in 
beiden Gefäßen eine kräftige Tonuserhöhung. Verkl. !/,. 
nicht ausschließen zu dürfen, wenn man О, in die Nährlösung, 
also zu Ringer, während des Versuches hinzuperlen läßt, indem 
dabei zwei physikalische Faktoren reizend auf die Gefäße ein- 
wirken könnten: nämlich der mechanische Reiz durch die Gas- 
blasen und die Abkühlung durch dieselben. Meine Versuche, 
wie dies in der Abb. 3 wiedergegeben ist, erlauben aber diese Be- 


denken ohne weiteres auszuschließen. Denn die Gefäße, welche 


234 E. Rothlin: 


in Orarmem Ringer sich befinden, werden durch den Wechsel 
mit vorgewärmtem O,-armen Ringer gar nicht beeinflußt, wohl 
aber erleiden dieselben durch O,-gesättigten und vorgewärmten 
Ringer eine Tonuserhöhung, wie wir dies beim Durchperlen von 


Abb. 4a. 


Abb. 4b. 


Abb. Ae, 


Abb. 4a, b, с. Art. mesent. vom Stier. Die Gefäße gelangen 1 Stunde nach dem Tode des 
Tieres zur Untersuchung. Die Belastung beträgt 20 g. Zeitmarkierung alle 6 Sek. Bei der 
Abb. a befinden sich die Gefäße in O,-armem Ringer. Bei + O, läßt man Sauerstoff zu- 
strömen, es tritt eine erhebliche Tonuserhöhung unter dem Einfluß des O, ein, welche außer- 
dem von rhythmischen Bewegungen begleitet ist. Der O,-reiche Ringer wird nun durch 
O,-armen ersetzt, sodann mit O,-freiem Blutserum. Die Abb. b zeigt, daß keine Tonuser- 
höhung erzielt wurde. Bei der Marke O, wird zu dem Blutserum als Versuchsflüssigkeit 
(Abb. c) Sauerstoff zugeperlt, worauf, wie vorher in Ringer, eine Tonuserhöhung mit rhyth- 
mischen Bewegungen eintritt. Verkl, */;. 


O, durch den Ringer bewirken können. Diese beiden Faktoren 
kommen als Feblerquellen sicher nicht in Betracht, solange der 
zufließende Sauerstoffstrom nicht in zu großen und allzu zahl- 
reichen Blasen besteht. Ich ließ in meinen Versuchen 60—80 
O,-Blaschen zuströmen. In diesem Zusammenhange müssen wir 
die Auffassung Loenings über die Wirkung des Sauerstoffes 
auf überlebende Gefäße, wie sie in obigem Zitat wiedergegeben 


Eigenschaften überleb. Gefäße unter Anwend. d. chem. Reizmethode. 235 


ist, weiter besprechen. Die Abb. 4a, b, с geben den Einfluß des 
Sauerstoffes auf zwei Parallelgefäße in Ringer und in Blutserum 
wieder. Daraus entnehmen wir mit jeder Deutlichkeit, daß Sauer- 
stoff auf dieselben Gefäße nicht nur in Serum, sondern auch in 
Ringerlösung eine tonisierende Wirkung hat. Die Kurven der 
Abb. 4a u. с sind einander nicht nur in qualitativer, sondern auch 
in quantitativer Hinsicht sozusagen identisch. Die Latenzzeit, 
die Art und Größe des Tonusanstieges, selbst die rhythmischen 
Erscheinungen werden durch den Sauerstoff in Ringer wie in 
Serum in gleicher Weise beeinflußt. Loenings Ansicht, daß 
Blutserum sozusagen einen O,-übertragenden Aktivator enthält, 
könnte ich somit nur unter dem Vorbehalte teilen, wenn er einen 
solchen auch für Ringer annehmen würde und dieser Aktivator 
somit nicht etwa organischer, sondern anorganischer Natur ist. 
Auf die besondere Wirkung des Sauerstoffes in Blutserum werde 
ich im speziellen Teile dieser Arbeit zurückkommen. Aus diesen 
experimentellen Daten dürfen wir schließen, daß der Sauer- 
stoff in Ringerlösung für die Einstellung eines über- 
lebenden Gefäßes in einen mittleren Tonuszustand 
notwendigist. Dieser dauernde mittlere Tonuszustand 
eines solchen Testobjektes in Ringerlösung kann bei 
geeigneter Belastungund Versuchstemperaturtreffend 
als eine Funktion des Sauerstoffdruckes in der Nähr- 
lösung betrachtet werden. Der Tonus eines überleben- 
den Gefäßstreifens unter diesen Versuchsbedingungen 
stellt ein labiles Gleichgewicht dar, welches durch ein 
Plus oder Minus von Sauerstoff gestört wird im Sinne 
einer Zu- bzw. Abnahme des bestehenden Tonus. 
Diese Ergebnisse an isolierten Arterienstreifen von Warm- 
blütern konnte Fleisch!) bei seinen Versuchen über den Einfluß 
des Sauerstoffmangels an der Froschextremität nicht nachweisen, 
da ,,Sauerstoffmangel immer eine rasche und intensive Gefäß- 
verengerung auslöst“. Hooker?) hat aber schon früher bei dem- 
selben Versuchsobjekt durch Sauerstoffmangel eine vasodila- 
tatorische Wirkung beobachtet. Es gelang mir nicht, bei einer 
Nachprüfung dieser widersprechenden Versuchsresultate eine 
Entscheidung zu erzielen, da ich mit ausgekochtem, wie bei 40° 


1) A. Fleisch, Arch. f. d. ges. Physiol. 171, 86—133. 1918. 
3) D. R. Hooker, Amer. journ. of physiol. %8, 361. 1911. 


236 E. Rothlin: 


susgepumptem Ringer, der mit Paraffinöl überschichtet war, 
sowohl eine ganz geringe Erweiterung oder eine ebenso schwache 
Verengerung bzw. eine vollständige Indifferenz beobachtete. 
Die Ursache dieser Differenzen ist mir nicht klar und bedarf einer 
weiteren Untersuchung. Als zu berücksichtigende Faktoren 
kommen dabei in Frage: verschiedener Gehalt an Sauerstoff, die 
Zusammensetzung der Durchströmungsflüssigkeit, besonders die 
vorliegende (H-)Ionenkonzentration, sodann eine verschiedene 
Empfindlichkeit der verschiedenen Froscharten. An dem Resultat 
über den Einfluß des Sauerstoffes auf isolierte Gefäßstreifen von 
Warmblütern kann der Ausfall einer solehen Untersuchung nichts 
ändern. Es unterliegt keinem Zweifel, daß der Gefäßtonus 
nach völliger Ausschaltung der Einflüsse des zentralen 
und autonomen Nervensystemsin vivo unter gewissen 
Versuchsbedingungen auch an überlebenden Gefäßen 
von Warmbliternreproduziert werden kann. Als wesent- 
liche Faktoren, welche das Zustandekommen dieses Tonus be- 
dingen, wurde eine angemessene Belastung (bzw. Dehnung) der 
Gefäße, eine Versuchstemperatur von ca. 38—39° und vor allem 
eine genügende Sauerstoffversorgung erkannt. Es liegt die Ver- 
mutung nahe, daß auch in vivo der Sauerstoff für die Auf- 
rechterhaltung des restierenden Gefäßtonus nach Aus- 
schaltung aller nervösen Einflüsse neben der im Blute 
normalerweise vorhandenen vasoconstrictorischen 
Substanzen eine wesentliche Rolle spielt. 


В. Über rhythmische Tonusschwankungen bei überlebenden Gefäßen, 


Die Frage der Existenz und der Bedeutung von rhythmischen Tonus- 
schwankungen bei Blutgefäßen ist seit der Entdeckung rhythmischer vom 
Pulse unabhängiger Querschnitts veränderungen von Schiff am Kaninchen- 
ohr von zahlreichen Forschern bearbeitet worden. Das Vorkommen solcher 
rhythmischer Bewegungen der Gefäße kann auf Grund der Ergebnisse 
als tatsächlich bewiesen erachtet werden. Problematisch dagegen war 
bis in die neueste Zeit die Lokalisation des Ursprunges dieser rhythmischen 
Erscheinungen bei den Gefäßen und deren Bedeutung im Dienste der 
Hämodynamik. Es ist nicht mein Ziel, die Geschichte dieses hämo- 
dynamisch wichtigen Untersuchungsgegenstandes hier bibliographisch 
aufzurollen und ich verweise auf die diesbezüglichen Arbeiten von Hess*) 


з) W. R. Hess, Arch. f. d. ges. Physiol. 163, 555. 1916. Arch. f. 
Anat. u. Physiol. 1914, S. 8. Arch. f. d. ges. Physiol. 173, 243—264. 1919. 


Eigenschaften überleb. Gefäße unter Anwend. d. chem. Reizmethode. 237 


und Fleisch!). In diesem Rahmen verfolgen wir die rhythmischen Erschei- 
nungen insoweit, als dieselben an überlebenden Gefäßen beobachtet wurden. 
Das Auftreten von rhythmischen Tonusschwankungen an überlebenden iso- 
lierten Arterienstreifen wurde von O. B. Meyer?) in seiner ausführlichen 
Arbeit über die Eigenschaften überlebender Arterienstreifen verneint, 
„denn sie konnten damals nie auch nicht andeutungsweise“ und zwar 
weder in Ringer, noch in Blutserum und ebensowenig nach Einwirkung 
von chemischen Reizen beobachtet werden. Me yer betrachtet das Fehlen 
von rhythmischen Erscheinungen an diesen Testobjekten als einen wesent- 
lichen Vorzug der Gefäßstreifenmethode gegenüber andern Testobjekten 
mit ausgesprochener Rhythmik, wie Darm, Uterus usw. Indes konnte 
Meyer?) bald darauf von solchen rhythmischen Gefäßbewegungen am über- 
lebenden Organ berichten und wie er sagt: „fehlen die spontanen rhyth- 
mischen Kontraktionen beim Verweilen der Arterien in Ringerlösung. 
Dagegen kamen sie wiederholt zur Beobachtung, nachdem die Präparate 
in Blut bzw. in Blutserum längere Zeit eingetaucht waren. Auffallend 
war hierbei, daß die in Blut suspendierten Präparate wesentlich später 
mit den Eigenbewegungen begannen und sie auch seltener zeigten. Durch 
Zufuhr von O, können nach Meyer die rhythmischen Kontraktionen 
fast völlig unterdrückt werden. Durch O,-Mangel, sowie durch indifferente 
Gase wie Wasserstoff oder Stickstoff kann die Rhythmik gefördert werden. 
Die vom Autor ausgeführten diesbezüglichen 1—2 Versuche lassen aber 
keinen bindenden Schluß zu. Meyer führt den Unterschied im Auftreten 
der rhythmischen Erscheinungen in Blut und im Blutserum ebenfalls 
auf den verschiedenen Sauerstoffgehalt zurück, und der Autor bezeichnet 
die rhythmischen Erscheinungen geradezu als „Erstickungskrämpfe“. 
Full*) hat, ebenfalls unter von Freys Leitung, die Untersuchungen 
Meyers über die rhythmischen Erscheinungen an isolierten Arterienstreifen 
weiter experimentell verfolgt. Auch er findet die gewöhnlichen Salzlösungen 
ungeeignet für das Auftreten autonomer Gefäßbewegungen, „nur Serum 
bzw. unbekannte Bestandteile desselben sind imstande, die für die auto- 
matischen Bewegungen maßgebenden Strukturen längere Zeit am Leben 
zu erhalten“. Full glaubt, daß die Gefäße durch O,-arme Tauchflüssigkeit 
in einen Zustand hoher Erregbarkeit geraten, wobei dann ein beliebiger 
Reiz „besonders ein tonisierender Anstoß wie H,O-Zusatz, ein elektr. Reiz 
usw. geeignet ist, spontane Rhythmik auszulösen“. Ich möchte bemerken, 
daß wir nicht mehr von Spontaneität sprechen können, wenn ein vasotoni- 
sierender Reiz für die Auslösung der Rhythmik notwendig ist. Ich ver- 
stehe aber nicht, wie Full diese „spontanen“ Bewegungen eher als Er- 
stickungserscheinungen, denn normale Tonusschwankungen betrachten 
kann, da der Autor das Fortbestehen von Rhythmik bei Sauerstoffzufuhr 


1) Fleisch, Schweiz. med. Wochenschr. 1920, Nr. 24. 

2) O. B. Meyer, 1. с. S. 226. 

3) O. B. Meyer, Zeitschr. f. Biol. 61, 275—286. 1913, und Zentralbl. 
f. Physiol. 23, 685. 1909. 

) H. Full, 1. o. 5. 229. 


Blochemische Zeitschrift Band 111. 16 


238 E. Rothlin: 


konstatiert. Die Auslegung der Resultate von Meyer und von Full, 
sowie der Versuchsbedingungen für das Auftreten von rhythmischen Er- 
scheinungen an isolierten Arterienstreifen scheinen mir sehr unsicher zu 
sein. Günther!) verwendete für seine Untersuchungen über rhythmische 
Erscheinungen an überlebenden Gefäßstreifen Carotiden von Pferden. 
Rhythmik tritt nach Günther „mit staunenswerter Regelmäßigkeit“ 
und während Stunden auf, wenn der Ringerlösung, der an sich für rhyth- 
mische Bewegungen untauglichsten Versuchsflüssigkeit, Blut oder Adre- 
nalin, wenn auch nur in ganz minimalen Dosen zugesetzt wird. Günther 
ist geneigt, das Vorhandensein solcher rhythmischer Kontraktionen an 
Arterienstreifen geradezu als ein Kennzeichen ihrer vollen Lebenstätigkeit 
zu betrachten. Sauerstoff ist nach diesem Autor für die Erscheinungen 
ohne wesentlichen Einfluß. Müller?) berichtet von einem Fall rhyth- 
mischer Tonusschwankungen bei einem vorerst mit Yohimbin behandelten 
24 Stunden alten Gefäßstreifen. Weiterhin haben De Bonis und Susanna?) 
in Ringer nie, dagegen nach chemischer Reizung überlebender Gefäße 
rhythmische Bewegungen auftreten gesehen. Auch Siccardi und Loreda n“) 
waren häufig in der Lage nach Reizung mit Organextrakten: Hypophyse, 
Thymus, Niere, Ovarium, Testikel, Thyreoidea und Uterusmukosa an 
solchen Gefäßen rhythmische Tonusschwankungen auszulösen. Loenings“) 
Erfahrungen decken sich mit jenen von Meyer und Full, die spontanen 
Bewegungen isolierter Gefäßstreifen sind nach ihm ebenfalls als Erstickungs- 
krämpfe zu betrachten. Endlich berichtet Cow*) von rhythmischen Kon- 
traktionen, deren Analyse der Autor in seiner Arbeit unterläßt. Aber auf 
Grund der Frequenz der Rhythmik an isolierten Gefäßen glaubt der Autor, 
daß die sog. Traube-Heringschen Wellen evtl. nicht zentral, sondern 
. peripher in den Gefäßen selbst bedingt sind. Ich gebe in folgendem erst 
einige Beispiele meiner diesbezüglichen Beobachtungen, um zum Schlusse 
meine Resultate mit jenen anderer Autoren vergleichend zu diskutieren. 


Unter den oben ausgeführten Versuchsbedingungen für die 
Einstellung eines isolierten Gefäßstreifens in den „mittleren 
Tonuszustand“ ist es ein sehr häufiger aber kein regelmäßiger 
Befund, daß wir rhythmische Tonusschwankungen registrieren 
können. Als ein wesentliches Resultat meiner Untersuchungen 
über rhythmische Bewegungen an überlebenden Arterienstreifen 
betrachte ich den Befund, daß Sauerstoff das Auftreten dieser 
Bewegungen nicht hemmt, sondern im Gegenteil fördert. Ich ver- 
weise auf die Abb. 6 u. 7, welche eklatante Beispiele dafür sind. 


1) G. Günther, l. с. S. 229. 

2) Fr. Müller, Arch. f. Anat. u. Physiol. Suppl. 1906, S. 411—425. 
1) De Bonis und Susanna, Zentralbl. f. Physiol. 23, RES 1909. 
4) Siccardi und Loredan, |. c. S. 229. 

>) Loening, 1. с. S. 231. 

6) D. Cow, Journ. of physiol. 42, 125. 1911 


Eigenschaften überleb. Gefäße unter Anwend. d. chem. Reizmethode. 239 


Abb. 5. Art. meseut. einer Kuh. Die Gefäße sind ca. 24 Stunden alt und wurden im Eisschrank in O,-Ringer 
aufbewahrt. Die Belastung der Parallelgefäße beträgt je 20 g. Zeitmarkierung alle 6 Sek. In der Abbildung 
wurden die Minuten stärker hervorgehoben. Die Gefäße befinden sich in einem mittleren Tonuszustand in 
mit O, gesittigtem Ringer, es perlen zudem 80 O,-Bläschen pro Minute zur Versuchsflüssigkeit. Beide Ge- 
fäße zeigen eine ausgesprochene, ziemlich regelmäßige rhythmische Tätigkeit. Die Maße betragen 16 mm Länge 


und 10 mm Breite. Die maximale Kontraktionshöhe des unteren Gefäßes beträgt 10 mm, red. 2 mm, da die 
Vergrößerung durch die Hebelübertragung 5 ist. Das Gefäß verkürzt sich somit um !/,, d. h. um ca. 18% 
seiner Länge. Verkl. / 


Abb. 6. Art. mesent. einer Kuh. Das Gefäß ist frisch. Belastung 15 g. Zeitmarkierung alle 6 Sek. Versuchs- 

flüssigkeit ist Ringerlösung. Zu Beginn der Kurve befindet sich das Gefäß in O,-armem Ringer. Bei der Marke O, 

wird Sauerstoff zum Ringer hinzugeperlt, ca. 80 Bläschen pro Minute. Nach einer langen Latenzzeit erfolgt eine 

kleine Kontraktion, die rasch von einer zweiten viel stärkeren gefolgt ist. Die weiteren Kontraktionen sind un- 

gefähr von derselben Hubhöhe. Außer diesem Rhythmus ist eine Zunahme des Tonus zu erkennen. Die Gefäßmaße 

betragen: 12 mm Länge und 8 mm Breite. Die maximale Verkürzung beträgt 22 mm, red. 4,4 mm, d.h. in Pro- 
zenten 36,66. Verkl. !/,. 


Abb. 7a 


Abb. 7 b. 


Abb. 7a und b. Art. renalis einer Kuh. Das Gefäß ist 24 Stunden alt. Belastung beträgt 20 g. Zeit- 
markierung alle 6 Sek. Das Gefäß ist seit 5 Stunden im Apparat eingespannt und zeigt gegenüber Adre- 
nalin eine gute Erregbarkeit. Zwei Stunden vor dem Auftreten dieser rhythmischen Kontraktionen 
führte das Gefäß auf Zusatz von n-HCI 1: 200 eine kräftige Kontraktion aus. Der Sauerstoffgehalt. 
fst zu Beginn vorliegender Kurve gering, dieser wird durch erhöhten Zufluß zum Versuchsgläschen 
erhöht. Die rhythmischen Erscheinungen werden dadurch allmählich rascher und von geringerer Ampli- 
tude. Gleichzeitig steigt der Tonus des Gefäßes. Zu Beginn der Abb. b wird der Sauerstoffstrom ab- 
gestellt. (— О,.) Der Tonus sinkt, die Frequenz des Rhythmus wird geringer und die Hubhöhe immer 
kleiner. Erneuter Zufluß von O,, bei der Marke + О, hat wieder das Auftreten von Rhythmus und 
Tonusansteg zur Folge, Abstellen des Sauerstoffstromes bei — O, dagegen Aufhören des Rhythmus und 
ES VETRI ‘h. | 


16* 


240 E. Rothlin: 


In sauerstoffarmem Ringer (Abb. 6) ist das Gefäß erschlafft und 
ohne Rhythmus, nach Zuleitung von Sauerstoff tritt neben der 
Tonuserhöhung eine äußerst kräftige rhythmische Tätigkeit auf. 
ohne daß die äußeren Versuchsbedingungen irgendeine andere 
Veränderung erfahren. Die Kurven der Abb. 7 zeigen uns dies 
noch in schönerer Weise. Ebenda sehen wir außerdem, daß dieser 
fördernde Einfluß des Sauerstoffes sich sehr leicht bei demselben 
Gefäße mehrmals wiederholen läßt. Die Parallelgefäße der Abb. 5 
befinden sich ebenfalls in mit O, gesättigter Ringerlösung, und wir 
erkennen, daß die beiden Gefäßstreifen von derselben Arterie 
hinsichtlich ihrer rhythmischen Tätigkeit sehr gleichartig sind. 
Frequenz und Amplitude weisen nur geringe Unterschiede auf. 
Es kann kein Zweifel bestehen, daß bei solchen experimen- 
tellen Ergebnissen der Sauerstoff für dierhythmische 
Tätigkeit isolierter Arterienstreifen entschieden als 
fördernder Faktor angesprochen werden muß. Ja, dieser Ein- 
fluß des Sauerstoffes scheint nicht nur ein fördernder, sondern 
für unsere Versuchsbedingungen als ein notwendiger Faktor 
für das Auftreten von rhythmischer Tätigkeit bei 
isolierten Arterienstreifen zu sein. Da alle bisher erwähnten 
Beispiele von Rhythmus sich auf Ringerlösung als Versuchs- 
flüssigkeit beziehen, dürfen wir ebenso sicher schließen, daß 
rhythmische Tonusschwankungen bei überlebenden 
Gefäßstreifen in mit O,-versorgter Ringerlösung auf- 
treten. Es liegt nach meinen sehr zahlreichen Versuchen gar 
kein Grund vor, diese rhythmischen Tonusschwankungen bei iso- 
lierten Gefäßstreifen im Sinne von Meyer, Full und Loening 
mit dem O,- Mangel der Versuchslösung in einen genetischen 
Zusammenhang zu bringen. Ich kann auch nicht mit Günther 
annehmen, daß Sauerstoff diese Erscheinungen nicht beeinflußt. 
Alle meine Ergebnisse veranlassen mich zur Ansicht, daß der 
Sauerstoff einen fördernden Einfluß für das Auftreten 
und das Bestehen von rhythmischen Tonusschwan- 
kungen bei isolierten Arterienstreifen ausübt. Parallel 
zu der Erscheinung der Tonuserhöhung durch Sauerstoff geht eine 
fördernde Beeinflussung der rhythmischen Tätigkeit auf isolierte 
Gefäßstreifen. O,- Mangel dagegen setzt einen bestehen- 
den mittleren Tonus eines Gefäßstreifens herab und 
schwächt gleichzeitig vorhandene rhythmischeSchwan- 


Eigenschaften überleb. Gefäße unter Anwend. d. chem. Reizmethode. 241 


kungen in ihrer Intensität ab und bringt sie evtl. 
vollständig zum Verschwinden (Abb.7). Wenn Günther 
diese Erscheinung nicht ebenfalls konstatierte, so liegt der Grund 
voraussichtlich in dem Umstande, daß der Autor durch bloßes 
Abstellen der O,-Durchleitung zur Versuchslösung den notwen- 
digen Grad. der O,-Verarmung in der aufgewandten Versuchs- 
dauer nicht erreicht oder wenig empfindliche Gefäße vor sich 
hat. Dies scheint mir um eo wahrscheinlicher als in seinem 
wiedergegebenen Versuche auf S. 410 der Tonus des Gefäßes 
durch Abstellen der O,-Durchleitung nur ganz unwesentlich 
herabgesetzt wird. 

Diese rhythmischen Tonusschwankungen in Ringerlösung, 
wie sie hier geschildert wurden, waren, wie schon erwähnt, keines- 
wegs regelmäßig, jedoch sehr häufig, zeigten aber in ihrem Auf- 
treten die größten Variationen in bezug auf Frequenz sowohl 
als auf die Amplitude. Die in den Abb. 5—7 wiedergegebenen 
Beispiele gehören zu den gelungensten Versuchen, wie ich sie 
nur äußerst selten beobachten konnte. Geringe kaum erkennbare 
Tonusschwankungen, bei der verwendeten 5fachen Hebelüber- 
tragung, traten dagegen besonders bei Innehaltung der beschrie- 
benen optimalen Versuchsbedingungen sehr häufig auf. Mit dem 
Alter der Gefäße nahmen die Intensität und die Regelmäßigkeit 
des Rhythmus ab. Nach meinen Erfahrungen bestehen auch 
keine Unterschiede für das Auftreten von solchen rhythmischen 
Erscheinungen bei den Gefäßen der verschiedenen Körperregionen, 
da dieselben sowohl bei Art. mes. carotis, coronaris, cordis, pul- 
monalis, renalis von Pferd und Rindvieh zur Beobachtung ge- 
langten. Wenn aber ein Gefäßstreifen einer Arterie rhythmische 
Tonusschwankungen aufwies, so konnten solche in der Regel 
mit Streifen entlang des ganzen Gefäßes erzielt werden, welche 
aber nicht selten in qualitativer und quantitativer Beziehung 
variierten. Ein solches Beispiel ist in der Abb. 5 wiedergegeben. 
Günthers Ansicht, daß bei den Gefäßen gewisse, für Rhythmik 
prädilektionierte Partien existieren, wie beim Darm, kann ich 
nicht bestätigen. Diese etwas gesuchte Analogie stützt Günther 
auf eine ähnliche Lokalisation von Ganglienzellen in den Gefäßen 
wie beim Darm. Es ist dies eine Annahme, welche bisher der 
anatomischen Grundlagen entbehrt und durch das Experiment 
nicht bewiesen ist. 


242 FE. Rothlin: 


Bei scheinbar absolutem Fehlen von rhythmischer Tatigkeit 
eines Gefäßstreifens in mit O,-gesättigtem Ringer konnten solche 
im Verlaufe der Untersuchungen durch chemische Reize aus- 
gelöst werden. Unter diesen Umständen zeigte sich, daß bei durch 
einen chemischen Reiz aufgetretenem Rhythmus durch Auswaschen 
des Gefäßstreifens mit Ringerlösung bzw. durch die Entfernung 
des Reizes die rhythmischen Tonusschwankungen aufhörten und 
zwar meist mit einer überraschenden Promptheit. Ebenso sicher 
wie der Rhythmus durch einen chemischen Reiz sich einstellt, 
ebenso prompt verschwindet derselbe nach dem Auswaschen des 
Gefäßes. Dieses Auftreten und Verschwinden des Rhythmus 
kann mehreremal, mit quantitativen Differenzen allerdings, an 
demselben Gefäßpräparat wiederholt werden. Nur in jenen Fällen, 
_ wo auch vor der Applikation des chemischen Reizes, also in Ringer- 
lösung, schon eine rhythmische Tätigkeit bestand, war dieselbe 
auch nach dem Auswaschen noch vorhanden. Die Natur des 
chemischen Reizes spielt offenbar keine wesentliche Rolle, 
denn alle meine bisher untersuchten tonuserhöhenden Substanzen 
besitzen die Fähigkeit unter diesen Umständen Rhythmus aus- 
zulösen. Dabei treten allerdings qualitative und quantitative 
Unterschiede in der Rhythmik zutage. Die von mir untersuchten 
Substanzen sind sowohl anorganischer als organischer Natur, 
nämlich: KCl (in höheren Konzentrationen) BaCl,, def. Blut, 
Blutserum, Adrenalin, Hypophvsin, Lienin (Milzextrakt), 8-Imida- 
zolyläthylamin usw. Aber ich betone, daß Zusatz irgendeines 
dieser genannten chemischen Reize, in einer tonuserhöhenden 
Konzentration, nicht stets Rhythmus auslöst, aber wenn einer 
dieser Reize rhythmische Tätigkeit an einem isolierten Gefäß- 
streifen in Gang bringt, so können dies mit größter Wahrschein- 
lichkeit auch alle übrigen. Die rhvthmische Tätigkeit der Gefäße 
scheint somit nicht an chemische Reize von spezifischem Charak- 
ter gebunden zu sein. Dabei muß ich allerdings hinzufügen, daß 
def. Blut bzw. Blutserum von allen erwähnten chemischen Reiz- 
substanzen am regelmäßigsten und vielleicht am intensivsten 
wirkt. Ich verweise auf die Abb. 8. Beispiele für die Auslösung 
von Rhythmus durch chemische Reize sind in den Abb. 8—10 
wiedergegeben. 

Iın Gegensatz zum Auftreten rhythmischer Tätigkeit bei 
isolierten Gefäßen auf chemische Reize von tonuserhöhendem 


Eigenschaften überleb. Gefäße unter Anwend. d. chem. Reizmethode. 243 


Charakter, habe ich bei denselben Gefäßpräparaten im Anschluß 
an chemische Reize von tonuserniedrigender Wirkung nie 
die Auslösung von Rhythmus beobachtet. Als solche kommen in 
Betracht: Sauerstoffmangel, Kohlensäure, Säuren in starken 
Verdünnungen, KCl in schwacher Konzentration, Adrenalin auf 


Abb. 8 Art. mesent. einer Kuh. Die beiden Gefäßstreifen sind mit je 15 g belastet. 

Zeitmarkierung in Minuten. In mit O, gesättigtem Ringer besteht kein Rhythmus. Bei der 

Marke 1 wird (Lienin, alkohol. Milzextrakt) in einer Dosis von 1 : 10 000 hinzugefügt. Es 

erfolgt in beiden Gefäßstreifen in ganz analoger Weise eine kräftige Tonuserhöhung, welche 

von einem regelmäßigen ausgesprochenen Rhythmus begleitet wird. Nach dem Auswaschen 
der Gefäße mit Ringerlösung verschwindet der Rhythmus prompt. Verkl.!/.. 


die Herzkranzgefäße. Ich bringe hier ein Beispiel zur Darstellung 
in der Abb. 9. Im übrigen verweise ich auf die Abb. 7 für O, 
Mangel S. 239. Die Abb. 9 gibt rhythmische Erscheinungen in 
mit O,-gesättigtem Ringer von ganz speziellem Charakter wieder. 
Man erkennt Tonusschwankungen zweierlei Art, nämlich lange 


a 


Abb. 9. Art. renalis von einem Rind. Belastung 25 g. Zeitmarkierung in Minuten. Das 

Gefäß befindet sich in mit О, ges&ttigtem Ringer. Der Tonus nimmt von Beginn der Kurve 

bis zum Ende zu. Außerdem weist das Gefäß rhythmische Schwankungen auf. Diese sind 

zweierlei Art: große Schwankungen, auf welchen im aufsteigenden Schenkel kleinere auf- 

gesetzt sind. Am absteigenden Schenkel der großen Tonusschwankungen dagegen sind keine 
kleinen Erhebungen zu erkennen. Verkl. ½. 


ausgezogene rhythmische Kontraktionen auf denen kleinere, 
ebenfalls rhythmische Erhebungen sich nur auf dem aufsteigenden 
Schenkel der großen Tonusschwankungen befinden, nicht aber 
auf dem absteigenden Schenkel. Ebenso gelingt es, nachzuweisen, 
daß KCl in geringer Dosis einen in Ringer bestehenden Rhythmus 
zum Verschwinden bringt, dabei aber gleichzeitig den Tonus der 
Gefäßstreifen herabsetzt. Wir können sagen, daß jede 


244 E. Rothlin: 


Verkl. 1/5. 


Verkl. */;. 


Abb. 10. Art. mesent. von einem Rind. Ganz frisches Gefäß. Belastung 15 g. Zeit- 
Sowohl die Kontraktionshöhe als die rhythmischen Schwankungen sind weniger er- 


markierung in Minuten. Bei der Marke 1 wird Adrenalin in elner Konzentration von 
1 : 1000000 zugesetzt, worauf sich eine sehr kräftige Kontraktion des Gefäßes einstellt, 


welche von regelmäßigen rhythmischen Tonusschwankungen begleitet ist. 


tonusherabsetzende Ur- 
sache bei überlebenden Ge- 
fäßstreifennieeinenRhyth- 
mus auslöst, sondern einen 
schonbestehendenmitjeder 
Regelmäßigkeit zum Ver- 
schwinden bringt. 

Meyer, Full sowie Sic- 
cardi und Loredan haben die 
Überlebensdauer der rhythmischen Tätigkeit bei isolierten Gefäß- 
streifen auf ca. 24 Stunden festgesetzt, während Günther selbst 
nach 8 Tagen bei gut konservierten Arterien Rhythmus beobachten 
konnte. Meine Erfahrungen stimmen ganz mit jenen von Gün- 
ther überein. Die diesbezüglichen Belege in den Abb. 12 u. 13 
zeigen, daß ein Gefäß von 8 Tagen selbst in Ringerlösung ohne 
tonisierenden und Rhythmus auslösenden Reiz Tonusschwan- 
kungen aufweisen kann, der durch Adrenalin allerdings verstärkt 


Art. mesent. von demselben Gefäß wie in der Abb. 10, welches 8 Tage im Eisschrank aufbewahrt wurde. Belastung 
heblich als im vorigen Versuch mit dem frischen Gefäße derselben Arterie. 


15 g. Zeit marklerung in Minuten. Es besteht schon in Ringer ein zwar unerheblicher Rhythmus. Bel der Marke 1 wird 
Adrenalin in einer Konzentration von 1000000 zugesetzt, worauf eine langsam ansteigende Kontraktion erfolgt, begleitet 


von rhythmischen Schwankungen. 


Abb. 11. 


Eigenschaften tiberleb. Gefäße unter Anwend. d. chem. Reizmethode. 245 


wird. Der Vergleich der beiden Kurven in Abb. 10 u. 11 ergibt 
außerdem, daß nicht nur der Rhythmus im älteren Gefäße geringer 
ist, sondern auch die Erregbarkeit des Gefäßes. Diese Eigen- 
schaften nehmen somit mit dem Alter beide ab. 

Nachdem wir die Bedingungen für das Auftreten und das 
Bestehen von rhythmischen Tonusschwankungen bei überlebenden 
Gefäßstreifen kennengelernt haben, erübrigt uns, diese Eigen- 
schaft im Detail zu analysieren und deren physiologische Bedeu- 
tung zu bewerten. Die Form dieser Tonusschwankungen müssen 
wir auf Grund der wiedergegebenen Abbildungen als eine äußerst 
variable bezeichnen. Es ist nach meinen Erfahrungen nicht mög- 
lich einen allgemeinen Typus aufzustellen, wie dies Günther 
in Anlehnung an die Kontraktionskurve des Froschmagens von 
Grützner auf einen einmaligen elektrischen Reiz tut. Denn die 
rhythmische Kontraktionskurve bei isolierten Gefäßen besteht 
nur in den wenigsten Fällen in einem scharf ansteigenden Schenkel, 
dem kurzen Plateau und einem etwas langsamer absteigenden 
Schenkel. Wir können ebensogut das Gegenteil beobachten. 
Aufsteigender und absteigender Schenkel können ferner ganz 
symmetrisch ausfallen. Ohne auf eine weitere Beschreibung der 
verschiedenen Kontraktionsformen einzugehen, wovon ein Blick 
auf die wiedergegebenen Kurven überzeugt, können wir sagen, 
daß die Form der rhythmischen Kontraktionen bei isolierten 
Gefäßen äußerst abwechslungsreich ist und gerade diese große 
Variabilität der Kontraktionsform als ein Merkmal 
für die rhythmischen Tonusschwankungen isolierter 
Gefäßstreifen bezeichnet werden kann. 

Was uns weiterhin an diesen rhythmischen Tonusschwan- 
kungen interessieren muß, sind die Frequenz und die Ampli- 
tude dieser Kontraktionen. Günther, welcher bisher wohl die 
regelmäßigsten rhythmischen Erscheinungen bei solchen Ver- 
suchspräparaten beobachtet hat, legt auf diese vom Standpunkt 
des Physiologen wesentlichsten Punkte kein besonderes Augen- 
merk. Hinsichtlich der Frequenz können wir aus Günthers 
experimentellen Daten berechnen, daß dieselbe bei den verschie- 
denen Gefäßen zwischen 1—9 Minuten variiert. Vergleichen wir 
mit meinen Ergebnissen, so finden wir, daß im Versuch der Abb. 5 
auf je 2 Min. ungefähr eine Kontraktion erfolgt, in der Abb. 6 
auf 6—8 Min., in der Abb. 7 haben wir ganz verschiedene Zeiten, 


246 E. Rothlin: 


von ca. 30 Sek. bis 2 Min. Die Frequenz des Rhythmus bei 
überlebenden Gefäßstreifen ist somit sehr variabel 
und verglichen mit der Frequenz des Pulses muß sie 
allgemein als sehr träge bezeichnet werden. Es zeigt sich, 
daß Frequenz des Rhythmus und Amplitude der Kontrak- 
tionen sich gegensinnig verhalten; denn ist die Frequenz relativ 
groß, so ist die Amplitude der Kontraktionen klein und vice versa. 
Damit haben wir auch eine weitere wesentliche Eigenschaft der 
rhythmischen Kontraktionen berührt, welche für eine eventuelle 
praktische Ausnutzung derselben im Dienste der Hämodynamik 
von Bedeutung ist. Wenn wir bei den zwei oben genannten 
Grenzfällen für die Frequenz (1 und 9 Min.) aus der Arbeit von 
Günther die Amplitude der jeweiligen Kontraktionen berechnen, 
die er mit einer 17 fachen Vergrößerung registriert hat, so gelangen 
wir zu folgenden Resultaten. Ich benutze für diese Berechnung 
die Zahlenangaben der Gefäßmaße, welche Günther als die 
durchschnittliche Länge der untersuchten Carotisstreifen von 
Pferden angibt. Bei einer Gefäßlänge von 30 mm und einer 
registrierten Amplitude von 5 mm, red. 0,3 mm, so erhalten wir 
eine Verkürzung des Gefäßes um 19%. Im zweiten Versuche der 
Abb. 2, S. 409, beträgt die Amplitude im Versuch 8 mm red. 
rund 0,5 mm, d. h. eine Verkürzung von rund 1,7%. Wenn wir 
vergleichend dieselbe Berechnung für meine Versuche in den 
Abb. 5 u. 6 ausführen, so erhalten wir für den ersten Versuch 
eine Verkürzung um 13°, und im zweiten Versuche eine solche um 
36,6%. Das sind aber, wenn ich so sagen darf, zwei Idealfälle. 
Denn dieselbe Berechnung für andere Versuchsbeispiele ergibt 
uns in der Regel Werte, die unter jenem des Versuches 5 zu stehen 
kommen. Durch diese einfache rechnerische Betrachtung wird 
nun die Bedeutung der rhvthmischen Tonusschwankungen an 
isolierten Gefäßstreifen in ein ganz anderes aber in ein oppor- 
tunistisches Licht gerückt. So faszinierend die von Günther 
wiedergegebenen Kurven auf den ersten Blick erscheinen mögen, 
eine zahlenmäßige Übersetzung der registrierten Kurven in die 
Wirklichkeit, zeigt uns ohne weiteres die Geringfügigkeit dieser 
Tonusschwankungen. Meine eigenen Ergebnisse scheinen aber 
anderseits für eine viel höhere Leistungsfähigkeit dieser rhyth- 
mischen Kontraktionen zu sprechen. Ich betone aber nochmals 
daß ein Rhythmus, wie in der Abb. 6 dargestellt ist, unter meinen 


Eigenschaften überleb. Gefäße unter Anwend. d. chem. Reizmethode. 247 


mehreren hundert Versuchen nur 5 mal in dieser Intensität zur 
Beobachtung gelangte. Rhythmische Schwankungen, wie sie 
Abb.5 wiedergibt, sind dagegen keine Seltenheit. Wir können 
daher sagen, daß rhythmische Schwankungen, deren 
Amplitude einen Verkürzungsgrad von 10% der ur- 
sprünglichen Gefäßlänge beträgt, nicht selten sowohl 
in mit O,-gesättigter Ringerlösung als auf vasotoni- 
sierende Reize an isolierten Gefäßstreifen beobachtet 
werden. 

Wir besitzen nun zwar tatsächlich genügend positive Daten, 
daß rhythmische Tätigkeit von Arterien an überlebenden Gefäßen 
ebenso sicher vorkommt wie in vivo. Ich habe bisher nur meine 
Beobachtungen an isolierten Arterienstreifen von Warmblütern 
beschrieben. Die Ergebnisse an den künstlich durchströmten 
Gefäßgebieten beim Frosch, sowie am Kaninchenohr sind prin- 
zipiell mit diesen Daten im Einklang. Auch bei diesen Versuchs- 
präparaten kommt Rhythmik in Ringerlösung, aber vor allem 
nach Einwirkung von chemisch tonuserhöhenden Reizen vor. 
Wegen der Analogie unterlasse ich eine eingehende Analyse und 
verweise den Leser auf die Abb. 50, 54, 63, 64, 66 im speziellen 
Teile dieser Arbeit. Das Vorkommen von rhythmischen Tonus- 
schwankungen bietet aber noch keineswegs die genügende Gewähr, 
daß diese rhythmischen Kontraktionen eine allgemeine und eine 
stete Eigenschaft der Gefäßmuskulatur ist. Sowohl die Versuchs- 
resultate in vivo wie am überlebenden Organe sprechen dagegen. 
Trotzdem hat diese biologisch zwar recht interessante Erschei- 
nung der Gefäßmuskulatur viele Forscher verleitet, diesen Tonus- 
schwankungen eine wichtige funktionelle Bedeutung im Dienst 
der Hämodynamik zuzuschreiben. Mares und sein Schüler 
Hühne!), Hasebroek?), Stübels) und Grützner“) glauben 
an ein aktives Eingreifen der Gefäßmuskulatur für die periphere 
Blutbeförderung, und Grützner spricht geradezu von „peri- 
pheren Herzen“. Full, Günther, Müller, De Bonis und 
Susanna schließen sich einer solchen Auffassung auf Grund 
ihrer Ergebnisse an isolierten Gefäßstreifen an. Eine quantitative 


1) Mares, Arch. f. d. ges. Phys. 165, 194, 337, 381, 180. 1916. 
2) K. Hasebroek, Arch. f. d. ges. Physiol. 168, 247. 1917. 
8) H. Stübel, Arch. f. d. ges. Physiol. 129, 1. 1909. 

4) P. Grützner, Dtsch. Archiv f. klin. Med. 89, 132. 


248 E. Rothlin: 


Betrachtung dieser rhythmischen Erscheinungen, wie dies oben 
vorgenommen wurde, mahnt zu groBer Vorsicht vor solchen 
Schlüssen. Denn wir sehen, daß die Anforderungen, welche Heß!) 
mit Recht an eine nutzbare Auswertung solcher rhythmischer 
Kontraktionen an Gefäßen im Sinne einer aktiven Förderwirkung 
bzw. als ,,peripheres Herz“ stellt, keineswegs erfüllt sind. Einmal 
fehlt in der Regel die von Heß geforderte ‚erhebliche Amplitude”. 
Die größten bisher an isolierten Gefäßstreifen mit rhythmischer 
Tätigkeit beobachteten Amplituden sind in den Abb. 5 u. 6 wieder- 
gegeben und erreichen eine Verkürzung von 13 bzw. 36%. Ich 
habe oben betont, daß selbst unter günstigen Versuchsbedingungen 
eine Verkürzung von über 10% nur sehr selten registriert 
werden kann. Aber wenn wir selbst die Konzession machen, daß 
in vivo unter den günstigeren biologischen Verhältnissen die 
Amplitude dieser rhythmischen Kontraktionen durchwegs von 
dieser Größenordnung ist, so genügt dies allein noch nicht, um 
eine aktive Förderbewegung des Blutes in den Gefäßen in einer 
bestimmten Richtung zu erzeugen, da bei dem unvollständigen 
Verschluß des Gefäßes während der Kontraktion sich sofort ein 
Ausgleich der Druckdifferenz zwischen dem peripheren und dem 
zentralen von der kontrahierten Partie gelegenen Anteile ein- 
stellen wird. Für eine wirksame Ausnutzung der rhythmischen 
Kontraktionen müßte sich daher die zweite von Heß geforderte 
Bedingung erfüllen: „daß diese allfällig auftretende Arbeitsleistung 
nur dann in einen nach der Peripherie gerichteten Strömungs- 
antrieb ausgewertet werden kann, wenn für diese Auswertung ein 
spezieller strömungsrichtender Mechanismus vorhanden ist.“ 
Dieser geforderte Mechanismus besteht in einem Klappenapparat 
und fehlt bekanntlich im arteriellen Gefäßsystem. Weiterhin 
spricht die oben erwähnte Trägheit, besonders bei Vorhandensein 
von kräftigen Amplituden dieser rhythmischen Kontraktionen 
für die Hinfälligkeit der Ansicht, daß diese Eigenschaft der Gefäß- 
muskulatur als wirksames Förderungsmittel des Blutes in Be- 
tracht kommt. Eine rationelle hämodynamische Ausnutzung der 
rhythmischen Gefäßkontraktionen erfordert ferner, daß diese 
Bewegungen gewissermaßen in Form einer Welle vom zentralen 
zum peripheren Abschnitte der Arterie gegen die Capillaren hin 
in koordinierter Weise verlaufen, wie wir dies in dem typischen 
h) W. R. Hess, Arch. f. d. ges. Phys. 123, 243—264. 1919. 


Eigenschaften überleb. Gefäße unter Anwend. d. chem. Reizmethode. 249 


Beispiel der rhythmischen Tatigkeit in der Vene des Fledermaus- 
flügels (Jones, Luchsinger, Heß) besitzen. Riegel!) konnte 
aber an der Froschschwimmhaut beobachten, daß „diese rhyth- 
mischen Kontraktionen durchaus nicht gleichmäßig eine Arterie 
in ihrer ganzen Länge betreffen, sondern daß enge mit etwas 
weiteren, mit ganz weiten in der unregelmäßigsten Weise ab- 
wechseln.“ Heß?) hat einen ebenso unkoordinierten Ablauf der 
rhythmischen Kontraktionen der Art. auric. des Kaninchenohres 
ausführlich beschrieben und zahlenmäßig analysiert. 

Unsere experimentellen Studien an isolierten Gefäßstreifen 
von Warmblütern lassen sicher die Existenz von rhythmischen 
Tonusschwankungen beweisen. Dies Ergebnis ist insofern inter- 
essant, als wir dadurch annehmen dürfen, daß die in vivo be- 
obachteten analogen Vorgänge der Gefäßmuskulatur nicht durch 
das Zentralnervensystem bedingt sind, sondern eine Eigenschaft 
der Gefäßmuskulatur darstellen. Die Analyse der notwendigen 
Bedingungen für eine aktive Förderleistung des Blutstromes 
durch diese rhythmischen Tonusschwankungen der Arterien 
ergibt, daß eine solche zufolge der geringen Frequenz, der wegen 
des Fehlens eines strömungsrichtenden Klappenapparates in den 
Arterien ungenügenden Amplituden der Kontraktionen und des 
unkoordinierten Verlaufes der Kontraktionswelle in vivo im all- 
gemeinen nicht angenommen werden kann. Daß eine solche doch 
vorkommt, beweisen z. B. die Untersuchungen von Jones, 
Luchsinger und Heß an den pulsierenden Venen des Fleder- 
mausflügels. Die besprochenen rhythmischen Tonusschwankungen 
der Arterien können aber wohl durch die Querschnittsverände- 
rungen die Widerstandsverhältnisse im Gefäßsystem beeinflussen. 

Die bei den isolierten Gefäßstreifen gemachten Erfahrungen 
über die rhythmischen Tonusschwankungen sind: 


1. Rhythmische Tonusschwankungen an isolierten 

‚ Arterienstreifen von Warmblütern können sehr 

häufig, aber nicht regelmäßig registriert werden. 

2. Die Rhythmik ist charakterisiert durch eine 

große Variabilität hinsichtlich der Form, Fre- 
quenz und Amplitude der Kontraktionen. 


1) Riegel, Arch. f. d. ges. Physiol. 4, 350. 1871. 
2) W. R. Hess, I. c. S. 248. 


250 E. Rothlin: 


3. Rhythmische Tonusschwankungen an isolierten 
Arterienstreifen treten auch auf in reiner O,- 
gesättigter Ringerlösung. Da der Sauerstoff 
sowohl das Auftreten als die Aufrechterhaltung 
der rhythmischen Tätigkeit fördert, kann die- 
selbe keineswegs als Erstickungskrämpfe be- 
trachtet werden, wiedies Meyer, Fullund Loening 
tun, sondern dieselbe stellt eine physiologische 
Erscheinungüberlebender Gefäßmuskulaturdar. 

4. Rhythmus kann an isolierten Gefäßstreifen sehr 
häufig durch tonuserhöhende chemische Reize 
ausgelöst werden, wo ein solcher in mit О,-ре- 
sättigtem Ringer nicht besteht. Tonusherab- 
setzende chemische Reize verursachen dagegen 
nie Rhythmus und eine vorher bestehenderhyth- 
mische Tätig keit wird durch diese Reize gehemmt. 

5. Die Bedingungen für eine aktive Förderleistung 
des Blutes durch diese rhythmischen Tonus- 
schwankungen der Arterien muskulatur im Sinne 
„peripheren Herzens“ sind nicht erfüllt. 

Dieses negative Ergebnis der physiologischen Auswertung 
der rhythmischen Kontraktionen im Dienste der Hämodynamik 
führt uns zu einer anderen Auffassung über die Existenz und 
Bedeutung dieser Eigenschaft der Gefäßmuskulatur. Rhythmus 
an isolierten Arterienstreifen erscheint am regelmäßigsten unter 
solchen Bedingungen, wo entweder das Gefäß sich in einem 
mittleren Tonus befindet oder durch tonuserhöhenden chemischen 
Reiz in einen höheren Tonus versetzt wird. In keinem Falle da- 
gegen konnte bisher rhythmische Tätigkeit an solchen Gefäß- 
präparaten durch ein tonusherabsetzendes Agens ausgelöst werden. 
Im Gegenteil trat unter diesen Bedingungen stets eine Hemmung 
schon bestehender Rhythmik ein. Wir dürfen daraus ohne Be- 
denken schließen, daß zwischen dem Gefäßtonus bzw. dessen 
Schwankungen und der rhythmischen Tätigkeit eine ganz enge 
Beziehung in dem Sinne besteht, daß rhythmische Tätigkeit ent- 
weder mit einem bestehenden mittleren Tonus oder mit einer 
provozierten Tonuserhöhung koindiziert: m. a. W. können wir 
sagen; daß überlebende Gefäßstreifen einen anhaltenden Tonus 
nicht in Form einer gleichmäßigen Dauerkontraktion, sondern 


Eigenschaften überleb. Gefäße unter Anwend. d. chem. Reizmethode. 251 


sehr häufig durch mehr oder weniger ausgesprochen rhythmische 
Schwankungen aufrechterhalten. Ebenso ist die Form der Kurve 
eines Gefäßstreifens häufig auf einen tonuserhöhenden Reiz 
nicht jener einer einfachen Muskelkontraktion analog, sondern 
durch rhythmische, stufenförmige, sinuswellenförmige Schwan- 
kungen charakterisiert. Aus diesen Überlegungen geht hervor, 
daß die isolierte Gefäßmuskulatur speziell dann rhythmische 
Tätigkeit aufweist, wenn sie Arbeit leistet. Diese rhythmische 
Tätigkeit erscheint uns somit als eine Eigenschaft, welche die 
Gefäßmuskulatur mit anderen glatten Muskeln teilt, wie mit 
jener des Magen-Darmtraktus und des Urogenitalsystems. Auch 
hier kennen wir Organe, die einen Rhythmus nur bei Ausübung 
ihrer physiologischen Funktionen aufweisen, z. B. der Uterus, 
die Vesicula seminalis usw. Entwicklungsgeschichtlich betrachtet 
besteht auch große Wahrscheinlichkeit, daß die ursprüngliche 
Art der Arbeitsleistung der Gefäßmuskulatur überhaupt eine 
rhythmische ist. Was wir daher heute an rhythmischen Erschei- 
nungen bei der Gefäßmuskulatur beobachten, können wir vielleicht 
als ein phylogenetisches Erbstück betrachten, welches sich 
bei Wirbeltieren wenigstens mit gut ausgebildetem, den Blut- 
kreislauf unterhaltendem zentralem Antriebsorgan, zum aller- 
größten Teile nur rudimentär erhalten hat. Diese ursprüngliche 
Eigenschaft der rhythmischen Tätigkeit der Gefäße hätte sich 
gewissermaßen auf das Herz konzentriert und dieses somit bei 
der morphologischen und funktionellen Differenzierung des Zir- 
kulationsapparates eine Funktion übernommen, welche auf einer 
früheren Stufe der Entwicklung den Gefäßen, besonders den 
Arterien, oblag. Diese entwicklungsgeschichtliche Betrachtungs- 
weise ist zwar eine Hypothese, scheint mir aber geeignet, nicht 
nur die Existenz der rhythmischen Erscheinungen an den Gefäßen 
zu erklären, sondern auch die verschiedene Form des Auftretens und 
deren physiologische Bedeutung in ein richtiges Licht zu rücken. 


C. Über die Leistungsfähigkeit der GefaSstreifenmethode als Test- 
objekt für den Nachweis von vasotonisierenden Substanzen. 


Nachdem wir die optimalen Versuchsbedingungen der Gefäß- 
streifenmethode kennen, wollen wir uns über deren Leistungs- 
fähigkeit Rechenschaft geben. Die obigen Ausführungen über die 
Tonuseinstellung isolierter Gefäßstreifen gewinnt ihre. Bedeutung 


252 E. Rothlin: 


erst mit deren Erkenntnis, daß ein solcher Arterienring vor dem 
Eintritt in einen mittleren Tonuszustand, also in der ersten und 
zweiten Phase der Tonuseinstellung sozusagen unempfindlich 
gegenüber chemischen Reizen ist. Eine normale Erregbarkeit 
tritt nämlich erst in der dritten Phase, im Zustande des mittleren 


Abb. 12. Art. mesent. einer Kuh. Belastung 20 g. Zeit markierung alle 6 Sek. Bei der Marke 1 

wird Adrenalin 1: 1 000 000 zugesetzt. Es erfolgt eine Kontraktion des Gefäßes, beim Pfeile 

wird das Gefäß ausgewaschen. Bei der Marke 2 wird dieselbe Adrenalindosis appliziert, die 
Verkürzung des Gefälles beträgt gut das dreifache wie im ersten Versuche. Verkl. /. 


Tonus ein. Dabei zeigte sich mit jeder Regelmäßigkeit, daß der 
erste applizierte vasotonisierende Reiz einen viel geringeren Effekt 
auslöst als der zweite bzw. die folgenden von derselben Qualität und 
Intensität. Die Abb. 12 u. 13 liefern für das Gesagte den Beweis. 

Der zweite vasotonisierende Reiz kann das fünf- und mehr- 
fache des ersten erreichen. Diese Erscheinung habe ich nach- 


Abb. 13a. 


Abb. 13 b. 


Abb. 13a und b. Art. coronaris cordis vom Rind: Belastung 15 g. Zeitschreibung alle 6 Sek. 
In beiden Versuchen wird Adrenalin 1: 1 000 000 appliziert. Während im ersten Versuche 
sozusagen keine Verlängerung des (refäßes zu erkennen ist, wird dasselbe Gefäß im zweiten 
Versuche stark erschlafft. Verkl. Ais, 
gewiesen für Blut bzw. Blutserum, Adrenalin, Histamin, Hypo- 
physenextrakt, Milzextrakt. Ob dies für alle vasotonisierenden 
Substanzen gilt, bin ich nicht in der Lage zu entscheiden. Sicher 
ist aber, daß diese Erscheinung auch bei tonuserniedrigenden 
Reizen, wie Adrenalin auf die Herzkranzarterie von Rindvieh, 
ausgelöst werden kann, wie Abb. 13 zeigt. Dieser Befund ist von 
Wichtigkeit, sobald quantitative Schlüsse aus solchen Unter- 


Eigenschaften überleb. Gefäße unter Anwend. d. chem. Reizmethode. 253 


suchungen gezogen werden sollen. Der Arterienstreifen erfährt 
somit durch den ersten wirksamen Reiz gewissermaßen eine 
Steigerung der Erregbarkeit, er wird, wie wir sagen, sensibili- 
siert. Ob es sich um eine tatsächliche Sensibilisierung oder um 
eine ähnliche Erscheinung, wie wir dies in der sog. Treppe bei 
der Ermüdungskurve des quergestreiften Muskels gefunden haben, 
handelt, will ich hier nicht verfolgen. 

Die Reaktionsfähigkeit eines in einen mittleren Tonus ein- 
gestellten Gefäßstreifens kann 10 und selbst mehr Stunden dauern, 
vorausgesetzt, daß während der Versuchsreihe das Gefäß stets 
mit O, versorgt wird, die Reize nicht zu rasch aufeinanderfolgen 
und nur Dosen innerhalb physiologischer Grenzen angewandt 
werden. Öftere Reizung mit Dosen von maximaler Wirkung 
setzen die Erregbarkeit des Testobjektes infolge Ermüdung rasch 
herab. Die Überlebensdauer der Erregbarkeit der isolierten 
Arterien gegenüber chemischen Reizen kann bei geeigneter Kon- 
servierung 8—10 Tage erreichen, wie dies schon von anderen 
Autoren beobachtet wurde (Mac William, Meyer usw.). Dazu 
werden die Gefäße am besten in mit O,-gesattigter, täglich zu 
wechselnder Ringerlösung im Eisschrank aufbewahrt. Auf diese 
Weise konservierte Gefäße zeigen nach 1—2 Tagen kaum eine 
Herabsetzung der Erregbarkeit, mit dem weiteren Alter nimmt 
dieselbe aber allmählich ab. Diese Gefäße bewahren nicht nur 
ihre Erregbarkeit gegenüber chemischen Reizen, sondern besitzen 
die notwendigen Bedingungen für das Auftreten von rhythmischen 
Erscheinungen. Ein Beispiel soll uns noch von der äußerst zähen 
Lebensfähigkeit isolierter Gefäße überzeugen. Abb.14b zeigt 
uns die Tonuserschlaffung (abwärtsgerichtete Pfeile) zweier 
Arterienringe eines Nierengefäßes zufolge Abstellen der O,-Durch- 
strömung und Herabsetzung der Temperatur von 39° auf 15°. 
Das Gefäß verharrt nun während 12 Stunden bei gleichbleibender 
Belastung von 20g bei 15° im Apparat. Nach Einstellen der 
Versuchstemperatur auf 39° und unter der O,-Wirkung steigt der 
Tonus wieder (aufwärts gerichtete Pfeile). Die Abb. 14а u. c 
belegen nun, daß die Erregbarkeit dieser Arterienstreifen durch 
diese Behandlung nur sehr wenig eingebüßt hat. Meyer?) be- 
schreibt ein solches Beispiel in seiner Arbeit, betrachtet aber den 
Abfall des Tonus als ein sicheres Kriterium für den eingetretenen 

1) O. B. Meyer, l. c. S. 221. 


Biochemische Zeitschrift Band 111. 17 


254 E. Rothlin: 


Tod des Gefäßes. Daß dem nicht so ist, erfolgt aus dem erneuten 
Tonusanstieg beim Verbringen der Gefäße unter normale Versuchs- 
bedingungen und der nur wenig herabgesetzten Erregbarkeit 
gegenüber demselben chemischen Reize. 

Es erübrigt mir die Ergebnisse über die allgemeine Reaktions- 
fähigkeit noch zu erwähnen, welche geeignet sind die Methode der 


Abb. 14а. 


Abb. 14b. Abb. lic. 


Abb. 14a, b, c. Zwei Arterienstreifen einer Art. renalis. Belastung 20 g. Zeitmarkierung alle 
8 Sek. In Abb. 14b ist der Tonus bei 39° und in mit О, gesättigtem Ringer registriert, die 
abwärts gerichteten Pfeile zeigen die Tonuserschlaffung der Gefäße durch die Abnahme der 
Temperatur auf 15° und Abstellen des O,-Stromes. Die aufwärts gerichteten Pfeile zeigen die 
Zunahme des Tonus unter Erwärmung auf 39° unter O,-Zuströmung, nachdem die Gefäße 
während 12 Stunden unter Belastung bei 15° im Apparat eingespannt verblieben. Die Abb. a 
und c geben die Erregbarkeitsverhältnisse gegenüber #-Imido wieder. Bei den Marken 3 in 
Abb. a wird eine Dosis von 1 : 1000 000 bzw. bei 4 im oberen Gefäße 1 : 500 000 zugesetzt. 
In der Abb. c wird bei der Marke 5 zum oberen Gefäß 1: 500 000 und zum unteren Gefäß 
1 : 1 000 000 zugesetzt. Man sieht, daß die Erregbarkeit gegenüber demselben Reiz nur un- 
wesentlich abgenommen hat. Verkl. bei Abb. a '/,, bei Abb. b und с J. 


überlebenden Arterienstreifen als Testobjekt für den Nachweis 
von vasotonisierenden Substanzen zu bewerten. Zu den wesent- 
lichen Anforderungen für die Brauchbarkeit einer solchen Methode 
gehören außer den schon erwähnten Faktoren: die Konstanz 
der Reaktionsweise, eine hohe Empfindlichkeit des 
Testobjektes und die Möglichkeit der qualitativen 
Differenzierung der zu untersuchenden Substanz. Was 
die Konstanz der Reaktionsweise überlebender Arterienstreifen 
anbelangt, so haben mich meine mehrjährigen Erfahrungen davon 


Eigenschaften überleb. Gefäße unter Anwend. d. chem. Reizmethode. 255 


überzeugt, daß bei vorsichtiger Präparation und Konservierung 
solche Gefäße unter den beschriebenen methodischen Voraus- 
setzungen wünschbar gute Resultate geben. Die Qualität des Er- 
folges ist zwar bei den verschiedenen Gefäßen auf denselben 
chemischen Reiz nicht identisch. Aber aus meinen Ergebnissen 
im folgenden speziellen Teile geht doch hervor, daß diese Ver- 
schiedenheiten gesetzmäßig sind. Die Ursachen werden wir dort 
kennen lernen. Wenn wir an den isolierten Arterienstreifen ein 
sich konstant verhaltendes Testobjekt besitzen, so muß aber für 
seine Brauchbarkeit die Forderung einer hohen Erregbarkeit 
gegenüber vasotonisierenden Reizen erfüllt sein. Meyer hat für 
Adrenalin eine Reizschwelle von 1 : 1 000 000 000 angegeben. 
Dies konnte bisher von keinem anderen Autor bestätigt werden. 
Auch ich war weniger glücklich als Meyer und muß die mittlere 
Reizschwelle für Adrenalin auf 1: 10 000 000 anschlagen. Tat- 
sächlich erzielte ich eine solche von 100 000 000, aber das sind 
seltene Ausnahmen. Meyer gibt übrigens an, daß in seinem 
betreffenden Versuche die verdünnte Adrenalinlösung vorgewärmt 
wurde. Das ist, insoweit es die Temperatur betrifft, sicher korrekt. 
Aber eine Adrenalinlösung in mit O,-gesättigtem Ringer von 
1 : 1 000 000 war in meinen Versuchen nach ca. 10 Min. unwirk- 
sam, weshalb ich in meinen Versuchen nicht die verdünnte Adre- 
nalinlösung vorwärmte, sondern in konz. Form in das Versuchs- 
gefäß von 50 ccm Inhalt hinzugab. Meyers Adrenalinlösung 
war aber stärker verdünnt, und bekanntlich steigt die Zerstörbar- 
keit des Adrenalins mit der Verdünnung. Wie Meyer auf obige 
Weise zu seinem Erfolg gelangte ist mir unklar. Ich halte somit 
dafür, daß eine Erregbarkeit gegenüber Adrenalin von 
mindestens 1:1000000 für die Brauchbarkeit eines 
jeden Gefäßes gefordert werden muß. Es unterliegt daher 
keinem Zweifel, daß die Gefäßstreifenmethode in bezug auf 
Empfindlichkeit gegenüber Adrenalin anderen Testobjekten, wie 
der ‘Froschextremitat oder dem Kaninchenohr weit nachsteht, 
da dort Dosen von 1:10-78 nach eigenen Erfahrungen von ganz 
erheblichem Erfolge begleitet sind, und del Ca m po?) gibt an, 
daß Dosen von Leem Adrenalin 1: 1 Billion beim isolierten 
Kaninchenohr noch „sehr deutliche Wirkungen geben". Die uns 
weiterhin interessierende Frage, ob es sich bei einer zu unter- 
1) E. del Campo, Zeitschr. f. Biol. 69, 111, 124. 1918. 
17* 


256 E. Rothlin: Eigensch. tiberl. Gefäße unt. Anw. d. chem. Reizmethode. 


suchenden vasotonisierenden Substanz um Adrenalin handelt, 
kann aber durch keines der beiden sehr empfindlichen Testobjekte 
entschieden werden, da auch eine andere vasotonisierende Sub- 
stanz dieselbe qualitative Erscheinung auslésen kann. Dagegen 
erlaubt die Gefäßstreifenmethode innerhalb der angeführten 
Dosen eine ziemlich sichere Entscheidung, da die Art. coronaris 
vom Rindvieh auf Adrenalin eine Gefäßerweiterung erfährt, 
während die Art. carotis bzw. mesent. kontrahiert werden. Da 
wir bisher keine org. vasotonisierende Substanz mit derselben 
qualitativ verschiedenen Wirkungsweise auf Art. coronaris und 
Art. mesent. kennen, so läßt ein solches Versuchsresultat mit 
diesen zwei Gefäßstreifen mit großer Sicherheit auf Adrenalin 
schließen. Werden die Art. carotis bzw. mesent. durch die Sub- 
stanz wie die Art. coron. cordis dilatiert, so können wir das Vor- 
liegen von Adrenalin gerade so gut ausschließen wie im vorigen 
Falle annehmen. Diese Tatsache beleuchtet, daß die 
Gefäßstreifenmethode in qualitativem Sinne mehr 
leisten kann, als die genannten empfindlicheren Test- 
objekte, diese letzteren aberin quantitativer Hinsicht 
entschieden den Vorzug haben. Die Kombination der 
beiden Methoden dürfte daher das Optimum leisten. 
Für andere vasotonisierende Substanzen habe ich eine solche 
Differenzierung nicht nachweisen können. Auf jeden Fall kann 
ich die Gefäßstreifenmethode nicht leichthin als inferior bezeich- 
nen, wie das Müller!) tut, wenn er sagt: , Gerade um zu zeigen, 
wie ein launenhaftes und schwer zu beherrschendes Untersuchungs- 
objekt der überlebende Gefäßmuskel ist, sollen die von mir 
gewonnenen Ergebnisse ganz kurz mitgeteilt werden.“ Eine solche 
Ansicht muß ich auf Grund meiner reichlichen Erfahrungen auf 
eine mangelhafte Technik zurückführen, wofür übrigens die Re- 
sultate im speziellen Teile genügend Beweise liefern. Solche An- 
sichten, wie jene von Müller über die Leistungsfähigkeit der 
Gefäßstreifenmethode mögen leider das abschätzende Urteil über 
die Brauchbarkeit und Leistungsfähigkeit der Gefäßstreifenme- 
thode von O’Connor und Gottlieb?) beeinflußt haben. 


1) Fr. Müller, 1. с. S. 238. 
2) O'Connor und Gottlieb, Handbuch der biochem. Arbeits- 
methoden, 4, 585. 1912. | 


Experimentelle Untersuchungen über die Wirkungsweise 
einiger chemischer, vasotonisierender Substanzen orga- 
nischer Natur auf überlebende Gefäße. II. 


Von 
E. Rothlin. 


(Aus dem Physiologischen Institut der Universitat Zürich.) 
(Eingegangen am 29. Juni 1920.) 
Mit 24 Abbildungen im Text. 


Nachdem wir die Ergebnisse der Untersuchungen über all- 
gemeine Eigenschaften und die Leistungsfähigkeit der Methode 
an isolierten Gefäßstreifen kennen, sollen dieselben im folgenden 
eine nutzbare Anwendung finden. Wie schon einleitend bemerkt, 
ist unser Ziel die Kenntnis der Wirkungsweise einiger vasotoni- 
sierender chemischer Reize auf überlebende Gefäße. Untersucht 
werden: Blut bzw. Oxalatblut, def. Blut bzw. Blutserum, Adre- 
nalin, f-Imidazolyläthylamin (Histamin), Hypophysenextrakt 
(Pituglandol) und Milzextrakt (Lienin). Die Resultate an über- 
lebenden GefaBstreifen werden der Vollständigkeit halber mit 
denjenigen anderer Präparate überlebender Gefäße verglichen. 
Wir beginnen unsere Analyse mit folgender Untersuchung: 


1. Untersuchungen über die vasotonisierende Wirkung des Blutes. 


Die Untersuchung der vasotonisierenden Eigenschaften des Blutes 
ist von besonderem Interesse. Denn einerseits lehrt uns eine solche Kenntnis, 
welchen Anteil das Blut für die Aufrechterhaltung des normalen Gefäß- 
tonus hat und andererseits müßte es dem Kliniker sehr willkommen sein, 
abnorme Schwankungen der vasotonisierenden Eigenschaft des Blutes 
konstatieren und ev. mit Erfolg für die Erklärung von Krankheitsbildern 
und deren therapeutischen Beeinflussung verwerten zu können. Es soll 
daher versucht werden, jene chemischen Produkte aus ihrer Wirkung 
nachzuweisen und zu charakterisieren, welche wir auf Grund der Unter- 
suchungen an Organen ohne äußeren Ausführungsgang als sog. vasotoni- 


258 E. Rothlin: 


sierende Substanzen im Blute zu erwarten haben. Dieses Problem hat seit 
1894, seit der Entdeckung des auf das Gefäßsystem sehr intensiv wirkenden 
Nebennierenextraktes durch Oliver und Schäfer immer wieder die Auf- 
merksamkeit der Forscher erregt. Es sind seither eine ganze Reihe Methoden 
entstanden, um solche vasotonisierende Substanzen auf biologischem Wege 
nachzuweisen. Ich verweise auf die diesbezüglichen zusammenfassenden 
Arbeiten von Biedl!) und O'Connor und Gottlieb?). Die Schwierigkeit 
eines quantitativen Nachweises der vasotonisierenden Substanzen des 
Blutes liegt einerseits in der Blutgerinnung, bzw. der damit verbundenen 
Vorgänge und anderseits in der Methodik bzw. der Wahl eines brauchbaren 
Testobjektes. Ein solches Testobjekt für den Nachweis vasotonisierender 
Substanzen muB sowohl vasokonstriktorische als vasodilatorische Wirkungen 
in geringsten Konzentrationen anzeigen. Ideal ist aber ein Testobjekt 
erst, wenn dasselbe nicht nur feine quantitative Unterschiede der vaso- 
tonisierenden Wirkung messen läßt, sondern, wenn der Erfolg am Test- 
objekt auf die Natur des chemischen Reizes Rückschlüsse zuläßt. Oben 
wurde gezeigt, inwieweit wir in der GefiiBstreifenmethode ein solch ideales 
Testobjekt besitzen und nun soll dessen Leistungsfähigkeit für unsere 
Untersuchung herangezogen werden. 


Um Normalblut für eine solche Untersuchung verwenden zu 
können, muß die Gerinnung desselben verhindert werden. Hirudin 
konnte ich mir in den notwendigen Mengen nicht verschaffen, so 
war ich genötigt, meine Versuche mit Oxalatblut zu unternehmen. 
Dieses Vorgehen ist zwar nicht ideal, wie es vielleicht jenes bei 
Verwendung von Hirudin sein dürfte, aber Vorversuche zeigten, 
daß ein Zusatz von 1 promill. Natriumoxalat in Ringer zu den 
verwendeten Testobjekten einen bestehenden Tonus nicht beein- 
flußte, wenigstens nicht für die Dauer eines Versuches. Das 
untersuchte Blut ist somit peripheres Oxalatblut, 
welches aus der Carotis geschlachteter Tiere in ein Gefäß mit ent- 
sprechender Menge Natriumoxalat aufgefangen wurde. Das 
def. Blut ist durch vorsichtiges Schlagen und das Blutserum 
durch spontanes Auspressenlassen des Blutkuchens im Eisschrank 
gewonnen. Als Testobjekte verwende ich in der Regel gleichzeitig 
zwei Gefäßstreifen verschiedener Gefäßgebiete: Art. coronaris 
cordis vom Rindvieh und eine Art. mesenterica, deren Verhalten 
gegenüber Adrenalin ein gegensätzliches ist. Ich gebe erst einige 
Beispiele wieder. | 

1) A. Biedl, Innere Sekretion, 3. Aufl. 1916. Urban & Schwarzen- 
berg, Berlin— Wien. 

2) O'Connor und Gottlieb, Handbuch der biochem. Arbeitsmethoden 
4, 585. 1912. 


Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. II. 259 


Die vasotonisierende Wirkung des Oxalatblutes auf isolierte 
Gefäßstreifen muß, aus den Versuchen der Abb. 1—4 zu schlie- 
Ben, als inkonstant bezeichnet werden. Bald besteht eine 
Indifferenz (Abb. 3), bald tritt eine ganz geringe Kontraktion 
der Gefäße ein (Abb. 2) und TTT 
schließlich können die Art. me- 
sent. und die Art. coronaris 
cordis durch dasselbe Oxalat- Е. + ——— 
blut in entgegengesetztem Sinne Abb 1. A. Art. coron. vom Rind. B. Art. 


mesent. vom Rind. Beide Gefäße werden mit. 


beeinflußt, die erstere kontra- 15 f belastet. Zeitmarkierung in Minuten. Zu 
. . ИР beiden Gefäßen wird bei der Marke X Oxalat- 
hiert, die letztere dilatiert wer- blut in einer Verdünnung von 1: 2 mit Ringer- 


den (Abb. 1). Das Oxalatblut tot amet, Dle Henican rie er 
enthalt somit vasotonisierende sich kontrahlert. Verkl. '/,. 

Substanzen, die nicht nur inkonstant, sondern auch nicht che- 
misch einheitlicher Natur zu sein scheinen. Die Art. mesent. 
wird durch Oxalatblut entweder gar nicht oder dann vasocon- 
strictorisch beeinflußt. Die Abb. 1—3 geben aber Zeugnis 


dafür, daß die Wirkungsweise des Oxalatblutes auf die Art. 


Abb. 2. A. Art. coronaris. B. Art. mesent. von einer Kuh. Belastung je 20 g Zeitmarkie- 

rung alle 6 Sek. Bei der Marke 2 wird zu beiden Gefäßen Oxalatblut mit Ringer auf 1: 25 

verdünnt zugesetzt. Beide Gefäße erfahren eine eben deutliche Kontraktion. Der Pfeil 

bedeutet Auswaschen des Gefäßes mit Ringer. Bei der Marke 3 wird zu beiden Gefäßen def. 

Blut mit Ringer auf 1 : 25 verdünnt zugesetzt, worauf eine kräftige Kontraktion beider 
Gefäße erfolgt. Verkl. */;. 


coronaris cordis verschiedensinnig ausfallen kann, d. h. es kann 
Indifferenz bestehen, oder solche Gefäße können kontrahiert 
bzw. auch dilatiert werden. Aus diesen verschiedenen Verhalten 
der beiden Testobjekte versuchen wir uns über die Natur der 
verschiedenen im Oxalatblute vorkommenden vasotonisierenden 
Substanzen klar zu werden. Von allen jenen vasotonisierenden 
Substanzen, welche im Blute entweder sicher (Adrenalin und 
Hypophysenextrakt) oder hypothetisch (ß-Imidazolyläthylamin 


260 E. Rothlin: 


und Milzextrakt) vorkommen können, ist es Adrenalin allein, 
welches diese gegensätzliche Wirkungsweise auf diese beiden 


1 


Abb. 3. A. Art. coronaris cordis; B. Art. mesent. von einem Rind. Belastung je 15 g. 
Zeitmarkierung alle 6 Sek. Bel der Marke 6 Zusatz von Oxalatblut mit Ringer 1 :5. Beide 
Gefäße verhalten sich indifferent. Auswaschen des Gefäßes und Pause während 10 Min. 
Bei der Marke 7 wird wieder Oxalatbiut 1 : 5 dem Adrenalin in einer Konzentration von 
1 : 10 000 000 zugesetzt wurde. Die Herzkranzarterie wird nun erweitert, die Mesenterial- 
arterie dagegen verengert. Verkl. !/,. 

Testobjekte auszuüben vermag, wie dies die Abb. 1 zur Dar- 
stellung bringt. Eine analoge Wirkung kommt zwar dem wässe- 
rigen und alkoholischen Zymparüsenextrakt zu, wie Stern und 
Rothlin!)gezeigt haben, aber 

als regelmäßiges Agens im 

A1 Blute kommt dies kaum in 


Ich glaube daher 


Betracht. 
| 1 у \ = keinen FehlschluB zu gehen, 


Abb. 4. Gefäße A und B stammen von einer 
Art. mesenterica von einem Rind. Belastung 15 g. 
Zeitmarkierung alle 6 Sek. Beide Gefäße rea- 
gieren mit kräftiger Kontraktion auf Adrenalin 
von 1:1 000 000. Bei der Marke 1 wird zu Gefäß A 
Oxalatblut in einer Konzentration von 1: 25, zu 
- Gefäß B Rinderserum in derselben Konzentration 
zugesetzt. Während Gefäß A im ursprünglichen 
Tonus verbleibt, kontrahiert sich das Gefäß B. 
Bei der Marke 2 wird bei Gefäß A die Konzen- 
tration des Oxalatblutes verdoppelt 1:12,5. Nun 
erfolgt hier eine kräftige Kontraktion des Gefäßes 
in zwei Phasen. Beim Versuch, die Gefäße mit 
Ringer auszuwaschen, zeigte sich, daß im Ver- 
suchsgläschen des Gefäßes A das Oxalatblut ge- 
ronnen war, worauf die konstriktorische Wirkung 
zurückzuführen ist, da ein erneuter Kontrollver- 
such mit Oxalatblut von 1: 12,5 bei demselben 
Сеї& Ве ohne jeden Erfolg blieb. Verkl. !/,. 


wenn ich diese Substanz 
im Oxalatblut, welche 
diese Wirkungsweise auf 
diese zwei verschiedenen 
GefaBsubstrate ausübt, 
perexclusionem als Adre- 
nalin bezeichne. Ich nenne 
diese der Einfachheit halber 
die I. vasotonisierende 
Substanz des Oxalatblutes. 
Wenn in anderen Versuchen 
das Oxalatblut auf dieselben 


Testobjekte ohne jeden vasotonisierenden Einfluß ist, so ist daran 
zu denken, daß in demselben eine dem Adrenalin entgegengesetzt 


wirkende Substanz vorkommt. 


1) Stern und Rothlin, Journ. de physiol. et de pathol. gen. 18, 


441. 1919. 


Alle bisherigen experimentellen 


Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. II. 261 


Daten, auch jene anderer Autoren, mit anderen Testobjekten sind 
aber derart, daß eine solche Annahme nicht gerechtfertigt ist. Ich 
glaube daher vielmehr mit der Tatsache rechnen zu müssen, daß 
die Konzentration dieser I. vasotonisierenden Substanz bzw. des 
Adrenalins nicht groß genug ist, um den Schwellenwert für die 
verwendeten Testobjekte zu erreichen. Aus dem Umstande aber, 
daß Adrenalin, zu einem an sich unwirksamen Oxalatblut in einer 
Konzentration von 1 : 10 000 000 zugesetzt, eine sehr kräftige 
Kontraktion bzw. Dilatation verursacht (Abb. 3), läßt sich sagen, 
daß die Konzentration des Adrenalins im peripheren Blute be- 
deutend unter derjenigen des künstlich zugesetzten Adrenalins 
gelegen sein muß. Ich unterstehe mich nicht, daraus auf eine 
bestimmte Konzentration zu schließen, ich werde in einer anderen 
Arbeit auf diesen Gegenstand zurückkommen und zeigen, wie weit 
sich unsere bisherigen Anschauungen über den Adrenalingehalt 
des peripheren Blutes halten lassen. 

In jenen Versuchen, wo Oxalatblut auf die beiden Testobjekte 
Art. coronaris cordis und Art. mesenterica einen gleichsinnigen 
vasoconstrictorischen Erfolg auslöst, müssen wir nach dem 
Gesagten unbedingt annehmen, daß die wirksame Substanz nicht 
Adrenalin sein kann. Die Versuche in den Abb. 1, 2u. 4 geben 
uns den Schlüssel für eine Erklärung. Während ein Zusatz von 
Oxalatblut auf beide Gefäße in der Abb. 2 eine zwar sehr geringe 
aber deutliche Kontraktion verursacht, hat def. Blut in derselben 
Konzentration und von demselben Tiere eine sehr kräftige Ver- 
kürzung der beiden Gefäße zur Folge. Wir sehen daraus, daß 
unter Umständen def. Blut und Oxalatblut sich nur quantitativ, 
nicht aber qualitativ in ihrer Wirkung auf diese gegenüber Adre- 
nalin sich gegensinnig verhaltenden Testobjekte unterscheiden. 
Def. Blut und Blutserum verhalten sich unter den angegebenen 
Versuchsbedingungen stets ganz analog. Die Ursache dieser 
gleichen Wirkungsweise von Oxalatblut und def. Blut bzw. Blut- 
serum geht nun aus dem Versuche der Abb. 4 hervor. Oxalatblut 
in einer Konzentration von 1 :25 bei Gefäß A ist ohne jeden 
vasotonisierenden Einfluß, das Rinderserum von demselben 
Blute und in derselben Konzentration bei Gefäß B bedingt eine 
sehr kräftige Kontraktion. Nachdem nun die Konzentration des 
Oxalatblutes bei Gefäß A verdoppelt, erfolgt bald eine erhebliche 
Kontraktion in 2 Phasen. Eine solche erhebliche Kontraktion war, 


262 E. Rothlin: 


weil nie vorher beobachtet, ganz unerklärlich und äußerst frappant. 
Ich dachte an Versuchsfehler und wollte zur Kontrolle den Versuch 
unter denselben Bedingungen wiederholen. Beim Auswaschen 
des Gefäßes mit Ringer löste sich aber das Rätsel, denn es zeigte 
sich, daß das Oxalatblut in dem Versuchsgläschen geronnen war. 
Ein Kontrollversuch mit demselben Oxalatblut und denselben 
Gefäßen mit einer Konzentration von 1 : 5 zeigte mir die Unwirk- 
samkeit des Oxalatblutes unter normalen Bedingungen. Es kann 
somit keinem Zweifel unterliegen, daß der vasoconstrictorische 
Effekt im Versuche der Abb. 4 bei Gefäß A auf das Freiwerden 
einer sehr wirksamen Substanz zufolge der Gerinnung des Oxalat- 
blutes zurückzuführen ist. Solche Versuche mit „spontaner“ 
Gerinnung des Oxalatblutes während des Experimentes habe ich 
einige erlebt und stets mit demselben Erfolge. Der Ursache der 
Gerinnung bin ich weiter nicht nachgegangen. Aber ich konnte 
mich durch Kontrollversuche davon überzeugen, daß diese 
vasoconstrictorische Substanz im reinen Oxalatblut 
nicht a priori frei vorhanden war. Dies gilt allerdings nur 
mit einer gewissen Einschränkung. In den vielen Versuchen, wo 
Oxalatblut zur Untersuchung gelangte, zeigte es sich nicht selten, 
daß in demselben eine auf beide Testobjekte gleichsinnig wirkende 
also rein vasoconstrictorisch wirksame Substanz anzutreffen war 
wie im Blutserum (Abb. 2). Bei der Unregelmäßigkeit des Auf- 
tretens dieser Erscheinung, bei den quantitativ großen Diffe- 
renzen dieser zweiten vasotonisierenden Eigenschaft im Oxalat- 
blute, bei der qualitativ übereinstimmenden Wirkungsweise dieses 
Agens mit der wirksamen Substanz des def. Blutes bzw. des Blut- 
serums, glaube ich annehmen zu dürfen, daß diese zweite 
vasotonisierende Eigenschaft des Oxalatblutes im 
Normalblut nicht vorhanden und als ein Produkt der 
Gerinnung zu betrachten ist. Diese soll im folgenden als 
Gerinnungssubstanz bezeichnet werden. Es bestehen aber 
anderseits Gründe dafür, daß im Oxalatblut trotz der Hemmung 
der Blutgerinnung durch das Ca-bindende Agens Prozesse sich 
` abspielen, welche der makroskopisch erkennbaren Gerinnung 
vorausgehen und für die Bildung dieser Gerinnungssubstanz 
verantwortlich zu machen sind: So die beobachtete auffallend 
rasche Gerinnung während des Versuches, wie in Abb. 4; die 
Zunahme dieser vasoconstrictorischen Eigenschaft des Oxalat- 


Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. II. 263 


blutes mit dem Alter, wie schon in früheren Versuchen von 
Stern und Rothlin!) dargelegt wurde. Daraus geht aber weiter- 
hin hervor, daß es mit sehr großen Schwierigkeiten verbunden 
ist, ein Oxalatblut zu gewinnen, welches alsrein bezeichnet werden 
kann, d. h. keine vasotonisierende Gerinnungssubstanz enthält. 
Diese Tatsache dürfte auch die in der bisherigen Literatur be- 
stehenden widersprechenden Ansichten über die wirklichen vaso- 
tonisierenden Eigenschaften des normalen Blutes genügend 
erklären. O’Connor?) stieß bei seinen gewissenhaften Untersu- 
chungen am Läwen-Trendelenburgschen Präparate, am über- 
lebenden Darme und Uterus als Testobjekte auf dieselben Schwierig- 
keiten, die bei der Gewinnung eines reinen Plasmas bestehen. 
Aber O’Connor konnte auch nachweisen, daß reines Plasma 
von peripherem Blute auf die genannten Testobjekte entweder 
gar keine Reaktion oder dann eine Adrenalinwirkung auslöste. 
Demgegenüber stehen die Versuchsresultate von Loening?), 
welcher findet, daß jedes Plasma bzw. noch ungeronnenes Blut 
(durch Hirudinzusatz z. B.) vasoconstrictorisch wirkt. Loening 
läßt dabei allerdings die Frage offen, um was für eine vasoconstric- 
torische Substanz es sich handelt, er differenziert nicht. Es muß 
sich aber nach allen seinen Versuchen ausschließlich um die sog. 
Gerinnungssubstanz handeln. Gegen seinen obigen Schluß sind 
folgende Einwände zu erheben. Erstens scheint es sich bei Loe- 
ning im ganzen um einen Versuch mit 2 Parallelgefäßen mit 
Hirudinblut zu handeln, wobei zweitens in beiden Versuchen 
während des Experimentes eine Gerinnung des Blutes eintrat 
und drittens ist der Versuch nicht eindeutig, weil es Loening 
zu Beginn desselben am nötigen Sauerstoff fehlen ließ, der die im 
II. Teile des Versuches beobachtete Tonuserhöhung mitbeein- 
flußte, die letztere also nicht allein auf die tonussteigernde Wir- 
kung des Hirudinblutes bezogen werden darf, wie dies Loening 
tut. Allein schon die Tatsache der Gerinnung des Blutes während 
des Versuches hätte eine ganz genaue Kontrolle erfordert, wenn 


-< e = 


1) Stern und Rothlin, Journ. de Physiol. et de Pathol. génér. 
18, 441. 1919. 

2) J. M. O'Connor, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 67, 
195 — 232, 1912. 

3) Loening, Zeitschr. f. Biol. 62, 54. 1913, und Habilitationsschr. 
Marburz 1913. 


264 E. Rothlin: 


aus dem Versuche wie folgt geschlossen werden soll (S. 114): 
„Man wird also dem noch ungeronnenen Bluteoder Plasma 
örtlich vasotonisierende Eigenschaften keineswegs absprechen 
dürfen.“ Loening nimmt zwar quantitative Unterschiede in 
der vasoconstrictorischen Wirkung zugunsten des Blutserums an, 
sagt aber dann merkwürdigerweise: „Durch eine ausreichende 
O,-Versorgung des noch ungeronnenen Plasmas mögen dessen 
schwächere Leistungen bis zu einem gewissen Grade wenigstens 
wieder ausgeglichen werden können.“ Ich glaube nicht, daß unter 
gleichen O,-Versuchsbedingungen, und das ist als unbedingte 
Voraussetzung zu fordern, der krasse Unterschied der vasotoni- 
sierenden Wirkung zwischen Blutplasma und Blutserum durch 
einen verschiedenen Einfluß des Sauerstoffes im Plasma und Serum 
auch nicht bis zu einem gewissen Grade sich ausgleichen kann. 
Alle meine Versuche sprechen dagegen und Loening bleibt den 
Beweis dafür schuldig. Darüber aber kann kein Zweifel bestehen, 
nach dem was ich im allgemeinen Teile über die Wirkung des 
Sauerstoffes auf isolierte Gefäßstreifen gesagt habe, daß ein solches 
Gefäß, welches in O,-armem Ringer sich befindet, nach Ersatz 
desselben mit Blutplasma + Sauerstoff eine Tonuserhöhung 
erfahren muß. Diese ist aber nicht notwendigerweise durch die 
vasotonisierende Substanz des Plasmas, sondern allein schon 
durch das Plus an Sauerstoff bedingt. 

AufGrundderbisherigensicherenexperimentellen 
Daten glaube ich annehmen zu können, daß im reinen 
peripheren Oxalatblute bzw. im Normalblute außer 
Adrenalin mit Sicherheit keine vasotonisierende Sub- 
stanz mit einiger Regelmäßigkeit mit den verwendeten 
biologischenTestobjekten nachweisbarist. Wirkungen, 
welche auf andere vasotonisierende Substanzen als 
auf Adrenalin zurückzuführen sind, werden durch ein 
vasoconstrictorisch wirkendes Agens bedingt, welches 
erst bei dem Gerinnungsprozesse entsteht. 

Dafür spricht auch die Auffassung jener Autoren, welche die 
bei der Gerinnung entstehende vasoconstrictorisch wirkende Sub- 
stanz mit dem Zerfall der Blutplättchen in einen genetischen 
Zusammenhang bringen wie O'Connor). Zucker und Stewart?) 

1) O'Connor, 1. с. S. 263. 

2) Zucker und Stewart, Zentralbl. f. Physiol. 27, 85. 1913. 


Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. II. 265 


und Kaufmann!). Denn Extrakte von Blutplättchen zeigten die 
Wirkung von Blutserum, während das Blutplasma inaktiv war. 
Daß ferner die Blutplättchen sehr leicht zerfallen, ist bekannt, 
und daher ist ein teilweiser Zerfall auch schon im Oxalatblute 
wohl möglich, vor allem wenn die Gewinnung des Blutes nicht mit 
aller Vorsicht geschieht. Dadurch erklärt sich wohl auch das 
beobachtete Auftreten von geringen Mengen dieser vasoconstric- 
torischen Substanz im Oxalatblute. 


2. Versuche mit Blutserum. 


Die relativ schwache Wirksamkeit des Oxalatblutes bzw. 
Blutplasmas auf überlebende Gefäßstreifen steht im krassen 
Gegensatz zur stark tonisierenden Wirkung des Blutserums bzw. 
des def. Blutes. Darauf hat schon Mosso?) im Jahre 1874 auf- 
merksam gemacht. Aber man möchte sagen, daß dieser Unter- 
schied mit einem gewissen Konservatismus in vielen wissenschaft- 
lichen Arbeiten bis auf heute vernachlässigt wurde, welche die 
tonisierende Wirkung von Blut und Blutserum zum Gegenstand 
` ihrer Untersuchungen hatten. Die von mir angeführten Beispiele 
über die Wirkungsweise von Blutserum auf isolierte Gefäße sind 
in den Abb. 2, 5—7 wiedergegeben. Wir sehen daraus, daß ` 
sowohl die Art. coronaris cordis wie die Art. mesenterica durch 
Blutserum kontrahiert werden, woraus der prinzipielle Unterschied 
im Vergleich zur Wirkung des Oxalatblutes erhellt. Es geht daraus 
ganz eindeutig hervor, daß es sich nicht um Adrenalin handeln 
kann. Von Stern und Rothlin?) wurde übrigens nachgewiesen, 
daß die Wirkung des Blutserums auf die Organe mit glatter 
Muskulatur überhaupt stets eine tonuserhöhende ist, auch da, 
wo Adrenalin eine ganz unzweideutige Tonuserschlaffung zur 
Folge hat. Wenn nun О. B. Meyer‘), O'Connor), Loening’), 
Günther“) u. а. von einer ,,adrenalinahnlichen“ Wirkung spre- 
chen, trotzdem sie sich selbst zum Teil von der entgegengesetzten 


1) P. Kaufmann, Zentralbl. f. Physiol. 2%, 527. 1913. 

2) Mosso, Ludwigs Arbeiten (Berichte der sächsischen Gesellsch.) 
1874, S. 305. 

3) Stern und Rothlin, 1. с. S. 263. 

4) O. B. Meyer, Zeitschr. f. Biol. 48, 352. 1906. 

5) O'Connor, 1. с. S. 263. 

6) Loening, 1. с. S. 263. 

7) Günther, Zeitschr. f. Biol. 65, 401. 1915. 


266 | E. Rothlin: 


Wirkung des Blutserums überzeugt hatten, so führt das zu einer 
begrifflichen Verwirrung. Denn mit eben demselben Rechte könnte 
man von einer dem Adrenalin entgegengesetzten Wirkung spre- 
chen. Und wenn Streuli!) neuerdings sagt: „Das unbekannte 
Hormon, das wir dort (im Blutserum) vermuteten, ist mit großer 
Wahrscheinlichkeit identisch mit Adrenalin, es gibt nichts, das 
dieser Vermutung widerspräche“, dann verweise ich Streuli 
auf die obengenannten Arbeiten und die experimentellen Daten 
vorliegender Arbeit. Übrigens wird durch eine sehr einfache 
Überlegung die Unhaltbarkeit einer solchen Auffassung über die 
Natur der vasotonisierenden Substanz im Blutserum dargetan. 


А DT ENEE EE EE SRAASAASAAAAADABABSAASAADAAL eee i 


4! 


Abb. 5. 4 und В sind Parallelstreifen eines Mesenterialgefäßes von einer Kuh. Belastung 

je 15 g. Zeitmarkierung alle 6 Sek. In Abb. 5 wird zu Gefäß A Rinderserum 1:50 

und zu Gefäß B Adrenalin 1: 1000 000 zugesetzt, es erfolgt in beiden Gefäßen ungefähr 
dieselbe Kontraktion. 

In den Versuchen der Abb. 5 ist die Wirksamkeit von Blut- 
serum mit jener von Adrenalin auf dieselben Testobjekte ver- 
glichen. Wenn wir aus der Stärke der Verkürzung dieser beiden 
vasotonisierenden Medien eine Überschlagsrechnung machen, so 
gelangen wir zu einer Adrenalinkonzentration im Blutserum von 
1: 200 000 und eine solche Konzentration müßten wir dann 
folglich auch im peripheren Normalblute annehmen, da niemand 
die Bildung von Adrenalin durch den Gerinnungsprozeß annehmen 
wird. Kein anderes Argument scheint mir die Unmöglichkeit 
einer solchen Auffassung so klar zu demonstrieren, wie dieser ein- 
fache Versuch. Gestützt auf diese Ausführungen schließen wir, 
daß die vasoconstrictorische Wirkung des Blutserums 
bzw. des def. Blutesin toto auf Grund der Verschiedenheiten 


1) Streuli, Zeitschr. f. Biol. 66, 167. 1916. 


Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. II. 267 


in der biologischen Wirkung nicht mit Adrenalin identifi- 
ziert werden darf. Dieses aktive Prinzip wirkt zwar 
a uf gewisse Testobjekte „adrenali nähnlich“, auf andere 
a ber geradezu entgegengesetzt, es muß daher dasselbe 
sowohlin seiner biologischen Wirkung als nach seiner 
chemischen Konstitution als etwas sui generis be- 
trachtet werden. 

Über die Wirkungsweise des Blutserums sind ferner noch 
Ansichten geäußert worden, die hier Erwähnung finden müssen. 
Loening!) sagt S. 63: „daß ein und dasselbe Serum, je nach 
seiner O,-Versorgung einen schon vorhandenen Tonus sowohl zu 
erhöhen als auch zur Erschlaffung zu bringen vermag, daß der 
Ausfall der Wirkung in beiden Fällen also nur davon abhängig 
ist, ob die O,-Sättigung des Serums eine mehr oder weniger voll- 
kommene ist.“ Ich habe im ersten Teile dieser Arbeit die Auf- 
fassung Loenings über den Einfluß des Sauerstoffes auf isolierte 
Gefäße in Ringerlösung widerlegt. Einen dilatatorischen Einfluß 
durch Blutserum auf überlebende Gefäßstreifen kann Loening 
sicher nur dann erzielen, wenn er O,-armes Serum zu einem 
Gefäßstreifen hinzugibt, dessen Tonus durch O,-gesättigten Ringer 
sehr hoch gehalten war. In diesem Falle handelt es sich aber nicht 
um einen tonuserschlaffenden Einfluß des Blutserums, sondern 
es ist dies ein Effekt, welcher durch O,-Mangel erzielt wird. Ich 
verweise auf die Abb. 4a, b, c S. 234 der ersten Abhandlung, wo sich 
die Wirkung des Sauerstoffes in Ringer und in Blutserum. sehr 
deutlich erkennen läßt. Wenn in diesen zwei Versuchen ein ge- 
ringer quantitativer Unterschied besteht, so handelt es sich eben 
um zwei ganz verschiedene Milieus, deren Einfluß auf überlebende 
Gefäße an sich grundverschieden ist. Die Erklärung dafür bietet 
aber gar keine Schwierigkeiten. Denn Serum enthält eben eine 
oder mehrere vasotonisierende Substanzen, welche glatte Musku- 
latur überhaupt zur Kontraktion veranlassen, und diese fehlen 
selbstverständlich im Ringer. Diese vasotonisierende Substanz des 
Blutserums kommt aber bei Sauerstoffgegenwart eigentlich erst zur 
Wirkung, da, wie früher erwähnt, die überlebenden Gefäße nur bei 
genügender Sauerstoffversorgung eine normale Erregbarkeit auf- 
weisen. Die Ansicht, welche Loening S. 64 äußert: „Es erschien 
nicht ausgeschlossen, daß nur in einer solchen, die O,-Übertragung 

1) Loening, 1. с. S. 263. 


268 E. Rothlin: 


auf die Zellen resp. eine O,-Aktivierung besonders begünstigende 
Eigenschaft des Serums eine Hauptursache seiner tonisierenden 
Leistungen mit zu finden sei“, scheint mir nicht nur ausgeschlossen, 
sondern die Wirkungsweise des Sauerstoffes auf überlebende 
Gefäßstreifen einerseits und jene der vasoconstrictorischen Substanz 
des Blutserums andererseits auf den Kopf stellen. Loening ist 
konsequent, denn er hält diese eben besprochene Ansicht über die 
Wirkungsweise des Blutserums auch für andere vasotonisierende 
Substanzen aus Organextrakten für zutreffend. Nach Loening 
käme nicht das aktive Prinzip dieser vasotonisierenden Substanzen 
selbst zur Wirkung, sondern dieselbe bestünde in einer O,-über- 
tragenden Rolle dieser wirksamen Substanzen. Da in meinen Ver- 
suchen der Sauerstoff auch in Ringerlösung stark vasotonisierend 
auf isolierte Gefäße wirkt, so ist die Annahme einer solchen 
„Oz aktivierenden“ Rolle von seiten des Blutserums und anderen 
Organextrakten für die Wirkung des Sauerstoffes überflüssig. 
Anderseits kann jede an sich indifferente Substanz isolierte Gefäße 
zu einer Dilatation bzw. Kontraktion führen, wenn wir nur dafür - 
Sorge tragen, daß vor und nach der Applikation derselben die 
O,-Versorgung diametral entgegengesetzt gehalten wird. Vaso- 
tonisierende Substanzen gelangen aber als solche nur dann zu 
einer deutlichen Wirkung, wenn das Gefäß stets mit O, gut ver- 
sorgt wird, da das Gefäß nur unter diesen Umständen eine ,,nor- 
male“ Erregbarkeit und Reaktionsfähigkeit besitzt. 

Battelli!) hat ferner im Blutserum verschiedener Tierarten sog. 
„Vasoconstrict ines“ von spezifischem Charakter nachgewiesen. In Analogie 
zu den Immunkörpern, wie den Hämolysinen bestehen diese Vasoconstric- 
tines von Battelli auszwei Komponenten, dem thermostabilen spezifischen 
Amboceptor und dem thermolabilen nicht spezifischen Komplement. Die 
Sera der verschiedenen Tierarten sind, wie Battelli angibt, verschieden 
stark vasokonstrictorisch aktiv. Gegenüber den Gefäßen des Meerschwein- 
chens, Kaninchens und Hundes besteht im allgemeinen dieselbe Reihen- 
folge mit abnehmendem Wirkungsgrad: Serum von Rind, Hund, Schaf, 
Kaninchen und Pferd. Die vasoconstrictorische Wirkung dieser Blutsera 
kann durch Erwärmen derselben auf 57° während 15 Minuten inaktiviert 
werden. Das Pferdeserum enthält aber ausschließlich das Komplement, 
im Gegensatz zu den übrigen Sera. Ein Rinderserum auf 57° während 


15 Min. inaktiviert, kann durch Zusatz von an sich inaktivem Pferdeserum 
(Komplementzusatz) reaktiviert werden. Die Wirkung dieser Vasocon- 


1) F. Battelli, Journ. de Physiol. et Pathol. génér. 7, 625—638 u. 
651—664. 1905. 


Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. II 269 


strictine bezieht sich nach Battelli sowohl auf die Arteriolen, als auf 
größere Arterien, wie Art. axillaris und femoralis, dieselbe wurde von 
Battelli auf künstlich durchströmte Meerschweinchen, Kaninchen und 
Hunden von der Aorta aus quantitativ untersucht. Ich prüfte nun in- 
wieweit sich dieser an sich sehr interessante Befund von Battelli auch an 
überlebenden Gefäßstreifen nachweisen ließ. Dazu verwendete ich die 
vasoconstrictorische Eigenschaft von gewöhnlichem Blutserum, (20 Min. 
bei 58°) inaktiviertem Serum und enteiweißtem Serum (Filtrat) einer Tier- 
art auf überlebende Gefäßstreifen derselben und einer anderen Tierart. 
Meine Untersuchungen bezichen sich auf folgende Fälle: 


Rinderserum auf Gefäße von Rind, Pferd und Schwein 


Pferdeserum e se Se p e y у» 
Schweineserum „э „э 99 55 „э ” „э 
Schafserum Т 55 55 ” „э „э „э 


Ich gebe im folgenden nur einige Beispiele meiner diesbeziig- 
lichen Ergebnisse wieder, da die Resultate in allen Versuchen 
ohne Ausnahme qualitativ völlig übereinstimmen. 

Die untersuchten Sera verschiedener Tierarten auf isolierte 
Gefäßstreifen zeigen die von Battelli beobachtete spezifische 
Wirkung in keiner Weise, wie aus den Abb. 6 u. 7 hervorgeht. Die 
vasoconstrictorische Wirkung eines Blutserums einer Tierart ist 
ebenso ausgesprochen auf die überlebenden Gefäßstreifen derselben 
wie anderer Tierarten. Außerdem ist der vasoconstrictorische Effekt 
eines Blutserums durch den Vorgang der Inaktivierung, sowie 
durch Enteiweißung gar nicht beeinträchtigt. Denn die erzielte 
Wirkung ist sowohl qualitativ wie quantitativ identisch, gleich- 
gültig ob wir dabei gewöhnliches, inaktiviertes oder selbst ent- 
eiweißtes Blutserum verwenden. Die mit diesen Testobjekten 
nachgewiesene vasoconstrictorische Substanz aller untersuchten 
Blutsera ist nicht thermolabil und nicht spezifisch. Von Kauf- 
mann!), Stern und Rothlin?) ist weiterhin gezeigt worden, 
daß diese vasotonisierende Substanz des Blutserums alkohol- 
löslich und auch auf die Gefäße des Frosches und des Kaninchen- 
ohres wirksam ist. Zugegeben sei, daß in bezug auf die Menge 
der im Serum vorkommenden aktiven Substanz bei den verschie- 
denen Tierarten Unterschiede bestehen, ja bei ein und derselben 
Tierart Schwankungen auftreten. Stets konnte ich aber nach- 
weisen, daß auch das Pferdeserum vasotonisierende Eigenschaften 
besitzt. Ob die differenten Resultate von Battelli und mir 


1) Kaufmann, 1. с. 8. 265. 
2) Stern und Rothlin, 1. с. S. 263. 


Biochemische Zeitschrift Band 111. 18 


270 E. Rothlin: 


auf die Verschiedenheit der verwendeten Testobjekte, Battelli 
durchströmte das gesamte Gefäßsystem des getöteten Tieres von 
der Aorta aus, zurückzuführen 
sind, kann ich nicht annehmen, 
denn es läßt sich kein triftiger 
Grund dafür finden, warum sich 
diese Unterschiede nur bei Ver- 
wendung von inaktivierten Sera, 
nicht aber für die gewöhnlichen 
Sera ergaben. Außerdem müßten 
Abb. 6. A. Art. carotis, B. Art. mesen- die spezifischen Vasoconstrictine 
terica von Rind. Belastung 25 g. Zeit- p 

markierung alle 6 Sek. Bei der Marke + von Battelli, welche übrigens 


wird Serum von Schwein in einer Konzen- А A А e 
tration von 1: 50 zugesetzt, es läßt ia bel. sehr intensiv wirkten, auch im 


den Gefäßen eine Kontraktion aus. Ent- normalen Blute vorhanden sein 
Gefäßen zugesetzt, ergibt gleich starke und nicht als ein Produkt der 

et Gerinnung betrachtet werden 
können. Ich habe oben gezeigt, daß die Intensität der vasotoni- 
sierenden Wirkung zwischen Blut und Blutserum qualitativ und 


Abb. 7 b. 


Abb. 7c. 
Abb. 7a, b und c. Art. mesenterica von Kuh. Belastung 20 g. Zeitmarkierung alle 6 Sek. 
Bei der Marke + wie in Abb. a Serum von Schaf 1 : 50, in Abb. b von demselben Seram 
bei 58° während 20 Min. inaktiviert und bei Abb. c von dem enteiweißten Filtrat in einer 
Verdünnung von 1:50 zugesetzt. In allen drei Versuchen ist der vasoconstrictorische 
Effekt gleich stark. Verkl. ½. 


quantitativ verschieden ist, im Blutserum aber zufolge des starken 
Überwiegens der Gerinnungssubstanz nur der rein vasoconstric- 
torische Effekt zum Ausdrucke gelangt. Die von Battelli im 


Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. II. 271 


Serum gefundenen spezifischen Vasoconstrictine kann ich auf 
Grund meiner Versuche nicht als spezifische normale Be- 
standteile des Blutes betrachten, es handelt sich viel- 
mehr bei allen Seren um jene vasoconstrictorisch wirk- 
same Substanz, welche bei dem Gerinnungsprozesse 
entsteht. Dieses aktive Prinzip findet sich in allen 
bisher untersuchten Sera, es ist thermostabil, filtrier- 
bar, dialysierbar und alkoholléslich. Dasselbe scheint 
für alle Sera, wenigstens aus seiner vasoconstrictorischen 
Wirkung zu schließen, einheitlicher also nicht spezifischer 
Naturzusein. Über dessen chemische Konstitution kann heute 
noch nichts sicheres ausgesagt werden. O’Connor hat auch keine 
Analysenresultate zur Verfügung, sagt aber: „Wir wollen es aber 
nicht unterlassen, auf die Ähnlichkeit ihrer Wirkungen mit denen 
der Base f̃-Imidazolyläthylamin hinzuweisen.“ Eine solche Auf- 
fassung kann ich zwar mit Hinsicht der analogen Wirkungsweise 
beider vasoconstrictorischen Substanzen teilen, möchte aber 
daraus nicht auf die chemische Identität schließen. Was die 
Herkunft der vasoconstrictorischen Substanz im Blutserum an- 
langt, verweise ich auf das S. 264 Gesagte. 

Die vasoconstrictorische Substanz des Blutserums kommt 
im reinen Oxalatblute nachgewiesenermaßen nicht vor und das- 
selbe dürfte auch für das Normalblut zutreffen. Diese vaso- 
constrictorische Eigenschaft des Blutserums hat somit physio- 
logischerweise im Organismus keine funktionelle Rolle. Trotz- 
dem soll hier noch ganz kurz die mehrfache Bedeutung besprochen 
werden, wozu diese Eigenschaft des Blutserums Veranlassung 
gibt. Dieselbe ist sowohl theoretischer als praktischer Art. Theore- 
tisch gibt die Tatsache der Bildung einer vasoconstrictorischen 
Substanz beim Gerinnungsprozeß Anlaß für die Annahme von 
Spaltungsprozessen bei der Gerinnung des Blutes. Diese vaso- 
constrictorische Substanz ist ja nicht kolloidal, da leicht dialysier- 
bar und die Ausfällung der kolloidalen Serumbestandteile ändert 
gar nichts an der Wirksamkeit des Filtrates. Es ist ferner kaum 
anzunehmen, daß das Entstehen dieser Substanz durch den bloßen 
Zerfall der Blutplättchen bedingt ist, da es schwer erklärlich 
wäre, wieso die leicht dialysierbare Substanz im Normalblut 
nicht frei vorkommt. Es müßte denn eine semipermeable Membran 
bei den betreffenden Zellen für diese Substanz existieren, oder beim 


18* 


272 E. Rothlin: 


Zerfall dieser Zellen die an kolloidale Teilchen adsorbierte vaso- 
constrictorische Substanz frei werden. Die Entstehung durch 
hydrolytische Spaltung scheint mir bei unserer heutigen Auf- 
fassung tiber den Gerinnungsvorgang das Wahrscheinlichere. Die 
praktische Bedeutung ist einmal, wenn wir so sagen dürfen, 
eine teleologische, indem beim Gerinnungsvorgang neben der 
Ausbildung eines Koagulums als mechanisches Hindernis fir die 
weitere Blutung, eine vasoconstrictorisch wirksame Substanz 
entsteht, welcher eine hämostatische Bedeutung zukommen 
dürfte. Darauf hat auch O’Connor aufmerksam gemacht. 
Weiterhin ist die Tatsache zu erwähnen, daß bei Versuchen mit 
künstlicher Durchblutung die Verwendung von Serum als Durch- 
strömungsflüssigkeit, oder Blutserum als Lösungsmittel für andere 
zu untersuchende vasotonisierende Substanzen durch die Vernach- 
lässigung der Existenz der vasoconstrictorischen Substanz des 
Blutserums große Irrtümer entstehen können. 


3. Untersuchungen über die Wirkungsweise des Adrenalins auf 
überlebende Gefäße verschiedener Organgebiete und verschiedener 
Tierarten. 


Bei der Tatsache, daß Adrenalin im normalen Blute nach- 
gewiesen werden kann, muß uns die Wirkungsweise dieses chemisch 
definierten Hormons auf die überlebenden Gefäße besonders 
interessieren. Bei den schon bestehenden sehr zahlreichen Ver- 
suchsdaten auf diesem Gebiete, werde ich den gesamten Unter- 
suchungsgegenstand zugunsten einer besseren Übersicht nach 
Gefäßgebieten abhandeln, welches Einteilungsprinzip sich mir 
als das zweckmäßigste ergab. Diese Untersuchungen beziehen 
sich auf folgende überlebende Gefäßgebiete: auf die Gefäße der 
Extremitäten und des Magen-Darmtraktus, auf die Nierengefäße, 
auf die Herzkranz- und Lungengefäße. Eine zusammenfassende 
Übersicht der Wirkungsweise des Adrenalins auf die verschie- 
denen Gefäßgebiete ist in der tabellarischen Darstellung auf S. 320 
wiedergegeben. 

a) Versuche über den Einfluß des Adrenalins an überlebenden Gefäßen 
der Extremitäten und des Magen-Darmtraktus. 

Meine Versuche mit isolierten Gefäßstreifen der Art. sub- 
clavia, carotis, brachialis, femoralis vom Typus bovinus und 
equinus haben mir auf Adrenalin regelmäßig eine Verkürzung 


Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. II. 273 


ergeben. Diese Resultate stehen in vollem Einklang mit den 
Ergebnissen von Meyer), Siccardi und Loredan?), Cow’) 
und Barbour‘). Meine Bemühungen durch feine Abstufung 
der Adrenalindosen bei den genannten Gefäßstreifen eine primäre 
Erschlaffung zu erzielen, waren alle ohne Erfolg. Stets trat bei 
jedem überschwelligen Adrenalinreiz eine Verkürzung des Gefäß- 
streifens ein. Die Kontraktionskurve bei diesen Testobjekten 
durch Adrenalin war, wie oben im allgemeinen Teile schon er- 
wähnt, dadurch charakterisiert, daß der Tonusanstieg relativ 
rasch eintrat und nach erreichtem Maximum der Verkürzung 
nach stark wirksamen Dosen selbst stundenlang anhielt, trotzdem 
das Adrenalin aus der Versuchsflüssigkeit durch Auswaschen 
entfernt worden war (Abb. 10 im ersten Teile S. 244). Ganz ana- 
loge Resultate erzielte ich an der Froschhinterextremität nach 
vollständiger Zerstörung des Zentralnervensystems und der Durch- 
schneidung des Nervus ischiadicus. Nie sah ich hier eine primäre 
Erweiterung auftreten. 


Pari°) berichtete von einer Gefäßerweiterung bei Durchströmungs- 
versuchen der Hinterextremität von Kaninchen, sagt aber: „Ce résultat 
nous permet de penser, que l’adrenaline même à doses extremement petites 
ne fait jamais diminuer la pression, tandisque des vieilles solutions altérées 
auraient cette action“. Die von Pari beobachtete Gefäßerweiterung trat 
auch nur sehr selten auf und dürfte andere Ursachen haben als einen 
Adrenalinreiz. Ogawa®), welcher an überlebenden Hautmuskelgefäßen 
von Kaninchen mit Dosen von Iccm Adrenalin von 1 : 10 000 000 eine 
kräftige Kontraktion erzielte, konstatierte aber, daß dieselbe von einer 
sekundären Gefäßerweiterung gefolgt war, welche, wie Ogawa bemerkt: 
„in allen Fällen eintritt, wenn man lang genug wartet“. Eine primäre Er- 
weiterung konnte er aber weder beim Kaninchen noch bei der Frosch- 
hinterextremität nachweisen. Was diese sekundäre Erweiterung anlangt, 
во beobachtete auch ich eine solche ab und zu sowohl bei überlebenden 
Gefäßstreifen, als bei der Froschhinterextremität. Dabei zeigte es sich 
aber in der Regel, daß der Gefäßtonus vor der Applikation des Adrenalins 
hoch war und der niedere Tonus nach dem Adrenalinreiz anhielt. Auf die 


1) O. B. Meyer, 1. с. S. 265. 
2) Siccardi und Loredan, Zeitschr. f. allg. Physiol. 15, 85. 1913. 
3) D. Cow, Journ. of physiol. 42, 125. 1911. 
4) H. S. Barbour, Ar.h. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 68, 
‚41. 1912. 

5) G. A. Pari, Arch. di Pharm. sperim. 4, 161. 1905, und Arch 
ital. de Biol. 46, 209. 1905. 

6) Ogawa, Arch. f. experim. Pathol. und Pharmakol. 67, 89. 1912. 


274 E. Rothlin: 
ө 

Gefäßerweiterung, wie sie von Dale!) nach Ergotoxineinwirkung, Bauer 
und Fröhlich?) nach Applikation von toxischen Adrenalindosen und 
Pearce?) nach Durchströmung mit Ca-freier Ringerlösung beobachtet 
haben, gehe ich an dieser Stelle nicht ein, diese Befunde werden uns in einer 
späteren Abhandlung beschäftigen. Auch am isoliert durchströmten 
Kaninchenohr gelang es mir ebensowenig wie del Campo‘), durch Adre- 
nalin eine Gefäßerweiterung zu erzielen. 

Was die Gefäße des Magen-Darmtraktus anlangt (Art. 
mesenterica sup. und inf., Art. gastrica, sowie der Art. splenica), 
so verhielten sich dieselben gegenüber Adrenalin ganz analog, 
wie die Gefäße der Extremitäten. Auch gelang es mir nicht beim 
Frosche, bei Durchströmung desselben von der Aorta aus unter 
Abklemmen der Aorta abdominalis, eine dilatatorische Wirkung 
durch Adrenalin im Splanchnicusgebiete zu erzielen. Nach 
Ogawa ‚ist dagegen gerade an den Darmgefäßen eine primäre 
Erweiterung ohne vorangehende Verengerung bei Einwirkung 
von verdünnten Adrenalinlösungen (eine primäre Erweiterung) 
einwandfrei zu beobachten“. Die Resultate von Ogawa beziehen 
sich auf Durchströmungsversuche an überlebenden Darmpartien 
von Kaninchen, Katzen und Hunden. Dieser gegensätzliche Be- 
fund zwischen den Ergebnissen von Ogawa und den meinen an 
isolierten Gefäßstreifen des Magen-Darmtraktus lassen sich evtl. 
darauf zurückführen, daß sich meine Versuche nur auf relativ 
große Arterien beziehen, während bei Ogawa auch die kleinen 
Arterien und Capillaren mit in den Untersuchungsbereich gezogen 
waren. Weiterhin besteht die Möglichkeit, daß bei den isolierten 
Gefäßen der dilatatorische Mechanismus überhaupt sich nicht gut 
konserviert. Die vasoconstrictorische Beeinflussung der Milz- 
arterien durch Adrenalin stimmen mit den Versuchsergebnissen 
von Ott und Scotts) überein, welche auf onkometrischem Wege 
in vivo ebenfalls eine Gefäßverengerung nachgewiesen haben. 
Resümierend können wir sagen, daß die isolierten Arterien- 
streifen der Extremitäten des Typus bovinus und 
equinus, die Gefäße der Froschhinterextremität, des 


1) H. H. Dale, Journ. of physiol. 34, 1906. 

2) Bauer und Fröhlich, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 
84, 33. 1918. 

3) Pea rce, Zeitschr. f. Biol. 62, 243. 1912. 

4) Del Campo, Zeitschr. f. Biol. 69, 111. 1918. 

5) Ott und Scott, Proc. Soc. experim. Biol. a. Med. 11, 32. 1913. 


Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. II. 276 


isoliert durchstrémten Kaninchenohres, die Art. me- 
sent. gastrica und splenica, sowie die Splanchnicus- 
gefäße des Frosches durch Adrenalin ausschließlich 
kontrahiert werden. Eine primäre Erweiterung dieser Gefäße 
konnte auch bei kleinsten Adrenalindosen nie erzielt werden. 


b) Versuche über den Einfluß des Adrenalins auf die isolierten 
Nierengefäße. 


Die folgenden Versuche der Abb. 8—10 an isolierten Gefäßstreifen 
der Nierenarterien vom Typus bovinus geben uns Aufschluß darüber. 


Eine aufmerksame Durchsicht dieser experimentellen Daten 
über die Wirkungsweise des Adrenalins auf die überlebenden 


Abb. 8a. 


Abb. 8b. 


Abb. 8c. 
Abb. 8a, b und c. Art. renalis proximaler Arterienstreifen. Belastung 25 g. Zeitmarkierung 
alle Minuten. Bei der Marke 8 wird Adrenalin in elner Konzentration von 1 : 5 000 000 
zugesetst, worauf eine Gefäßerschlaffung eintritt. In der Abb. b wird bei der Marke 4 Adrena- 
lin 1: 1 000 000 und bei der Marke 4’ Adrenalin 1: 500 000 zugefügt, bei 4 verkürzt sich der 
Gefäßstreifen nur ganz schwach, bei 4’ dagegen etwas stärker. Die Dauer der Kontraktion 
ist sehr kurz. In der Abb. c erfolgt bei der Marke 6 auf Adrenalin 1 : 200 000 eine sehr 
kräftige Verkürzung des Gefäßes, die von rel. langer Dauer ist. Hier A wird ausgewaschen, 
was auf den Verlauf der Kurve ohne Einfluß ist. Verkl. ½. 


Nierenarterien vom Typus bovinus führt uns zu folgenden 
Schlüssen: 
l. Die Erregbarkeit der Nierengefäße gegenüber 
Adrenalin kann im Vergleich zu den anderen 
Gefäßstreifen als normal bezeichnet werden. 


276 E. Rothlin: 


2. Dieisolierten Nierenarterienkönnendurch Adre- 
nalin sowohl dilatiert als kontrahiert werden. 
Der jeweilige Erfolg ist eine Funktion der Adre- 
nalinkonzentration, kleinste Dosen dilatieren, 
stirkere Dosen kontrahieren. 


Abb. 9. a distaler, b proximaler Arterienstreifen einer Nierenarterie von Kuh. Belastung 

je 20 g. Zeitschreibung alle 6 Sek. Bei der Marke 1 wird in Abb. a zu beiden Gefäßstreifen 

Adrenalin 1 : 25 000 000 zugesetzt, worauf nur bei Gefäß b eine rasch vorübergehende 

Kontraktion erfolgt, die von rhythmischen Schwankungen begleitet ist. Bei der Marke 3 

wird bei den Gefäßen Adrenalin 1 : 5 000 000 appliziert, beide Gefäße kontrahieren sich erst, 

das Gefäß a kaum sichtbar, Gefäß b sehr deutlich, aber nur flüchtig, in beiden Testobjekten 
erfolgt sodann eine starke Erschlaffung. Verkl. ?/,. 


3. Die Arterienstreifen sowohl des proximalen als 
des distalen Abschnittes der Nierenarterien ver- 
halten sich gegenüber Adrenalin ganz gleich 


Abb. 10. Das obere Gefäß ist ein distaler, das untere Gefäß ein proximaler Streifen einer 

Nierenarterie von einem Rind. Belastung je 20 g. Zeitschreibung alle 6 Sek. Bei der Marke 1 

wird zu beiden Gefäßen Adrenalin 1 : 1000000 zugesetzt. Es erfolgt in beiden Gefäßen 

eine sehr kräftige Verkürzung, die besonders bei Gefäß b rasch das Maximum erreicht, um 

dann rasch den ursprünglichen Tonus wieder zu erreichen. Bei dem Gefäß a sind beide Phasen 
etwas gedehnter. Verkl. ?/,. 


Diese Schlüsse sollen durch eine Betrachtung der angeführten 
Beispiele belegt werden. Im allgemeinen Teile wurde ausgeführt, 
daß eine Erregbarkeit überlebender Arterienstreifen für Adrenalin 
innerhalb Dosen von 1 : 10 000 000 als normal bezeichnet werden 
kann. Dies trifft in der Tat für die Nierengefäße zu. Der zweite 


Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. II. 277 


von uns gezogene Schluß ist für uns wohl der interessanteste. 
Die Abb. 8 u. 9 sind sichere Belege dafür, daß dieselben 
Nierengefäße durch Adrenalin einerseits dilatiert, anderseits auch 
kontrahiert werden können. Ein Vergleich der angewandten 
Adrenalindosen in diesen Versuchsbeispielen mit vasodilatatori- 
schem und vasoconstrictorischem Erfolge ergibt, daß die gerin- 
geren Dosen dilatieren, die stärkeren dagegen kontrahieren, somit 
der jeweilige Adrenalineffekt als eine Funktion der Adrenalin- 
konzentration betrachtet werden muß. In dieser Hinsicht erfor- 
dert der Versuch in der Abb. 8 keinen weiteren Kommentar. 
Dagegen erscheint das Ergebnis in dem Versuche der Abb. 9 
nicht so eindeutig. Es besteht hier in erster Linie ein scheinbarer 
Unterschied zwischen dem distalen und proximalen Gefäßstreifen. 
Der distale Streifen folgt der eben beschriebenen Regel. Der 
proximale Streifen erfährt auf Adrenalin 1 : 25 000 000 eine Tonus- 
erhöhung, begleitet von rhythmischen Schwankungen und auf 
Adrenalin 1 : 5 000 000 eine geringe Verkürzung mit nachfolgender 
ausgesprochener Erschlaffung. Diese scheinbare Unstimmigkeit 
findet ihre Lösung in der Tatsache, daß dieser Arterienstreifen 
schon in O,-Ringer rhythmische Schwankungen aufwies, wasin der 
Abb.9 auf S. 243 derersten Abhandlungfürein Beispiel vonspezieller 
Form von Rhythmik wiedergegeben ist. Der geringste Reiz durch 
eine vasotonisierende Substanz auf ein Gefäß mit rhythmischer 
Tätigkeit in Ringerlösung hat aber auf Grund unserer Analyse über 
den Rhythmus und dessen Auftreten bei isolierten Gefäßen die Aus- 
lösung oder eine Verstärkung dieser Erscheinung zur Folge. In 
diesem Sinne sind die beiden Tonuserhöhungen in der Abb. 9 
bei der Marke 1 u. 3 nicht als eigentliche Kontraktionen durch 
einen vasoconstrictorischen Reiz zu betrachten, sondern als einen 
Ausdruck von rhythmischen Erscheinungen auf einen vasotoni- 
sierenden Reiz. Es ist nun zu bemerken, daß eine solche beschrie- 
bene primäre Gefäßerschlaffung durch Adrenalin nicht bei allen 
Nierenarterien erzielt werden konnte und dieselbe, wenn über- 
haupt auslösbar, in der Regel nur zu Beginn der Versuche bei 
demselben Gefäße auftrat. Wenn nun kleinste Adrenalindosen 
auf überlebende Nierengefäße eine Dilatation, größere Dosen 
aber eine Kontraktion desselben Gefäßes hervorrufen, so führt eine 
einfache Überlegung zur Frage, ob sich für solche Gefäße eine 
Adrenalinkonzentration finden läßt, welche die Resultante dieser 


278 E. Rothlin: 


beiden Effekte darstellt, d. h. gibt es eine mittlere Adrenalin- 
konzentration, welche diese Nierengefäße nicht beeinflußt? Diese 
Frage kann ich durch die experimentellen Ergebnisse in be- 
jahendem Sinne beantworten. So zeigt das Gefäß in Abb. 8b 
auf Adrenalin 1 : 1 000 000 nur eine ganz schwache Kontraktion, 
während eine niedrigere Adrenalindosis eine Dilatation, eine stär- 
kere Dosis eine erhebliche Kontraktion zur Folge haben. Bei 
der Tatsache, daß Adrenalin bei isolierten Nierengefäßen sowohl 
den dilatatorischen als den constrictorischen Mechanismus zu 
erregen vermag, war zu untersuchen, ob diese doppelte Be- 
einflussung nicht auch in der Form der Kurven nach scheinbar 
ausschließlich constrictorisch wirksamen Adrenalindosen zur Gel- 
tung kam. Dies gelangt in der Abb. 8—10 zur Illustration. 
Die beiden Gefäße in der Abb.10 erfahren durch Adrenalin 
1: 1 000 000 eine ganz kräftige Kontraktion, aber nach erreichtem 
Maximum des Tonusanstieges fällt der Schreibhebel besonders beim 
Gefäße b in sehr raschem Tempo wieder auf die ursprüngliche 
Abscisse zurück. Die Erschlaffungsphase ist nicht wesentlich 
länger als die Kontraktionsphase, eine Erscheinung, wie wir dies 
bei überlebenden Gefäßen nicht zu sehen gewohnt sind. Bei Nieren- 
gefäßen registriert man ferner oft eine dritte Phase, indem die 
Gefäße auf einen tonuserhöhenden Adrenalinreiz, nachdem sie 
den ursprünglichen Tonus wieder erreicht haben, sich noch weiter 
erschlaffen, also eine Phase der sekundären Erschlaffung 
aufweisen. Diese Erscheinungen, der rasche Eintritt der Er- 
schlaffungsphase nach erreichtem Maximum der Verkürzung 
und die sekundäre Erweiterung im Anschluß an die normale 
Erschlaffungsphase sind zwei charakteristische Merkmale des 
Erregungsablaufes überlebender Nierenarterien auf Adrenalin- 
dosen, welche eine primäre Kontraktion auslösen. Die Erklärung 
dieser Erscheinungen finden wir wohl in der oben belegten Tat- 
sache, daß Adrenalin sowohl den dilatatorischen als 
constrictorischen Mechanismus der Nierengefäße zu 
erregen vermag, wodurch zufolge deren antagonistischen Wir- 
kung der flüchtige Verlauf der Kontraktion bzw. die sekundäre 
Dilatation bedingt ist. Schließlich geht aus den wiedergegebenen 
Versuchen hervor, daß die überlebenden Nierengefäße in ihrer 
ganzen Ausdehnung sowohl im proximalen als distalen Abschnitte 
sich gegenüber Adrenalin ganz identisch verhalten. Wir sehen, 


Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. II. 279 


daß die oben gezogenen Schlüsse auf Grund unserer Experiment- 
ergebnisse zu Recht bestehen. 


Versuche über die Wirkungsweise von Adrenalin an überlebenden 
Nierengefäßen sind mir aus der Literatur von Cow!) bekannt. Der Autor 
findet, daß diese Gefäßstreifen durch Adrenalin in eindeutiger Weise nur 
vasoconstrictorisch beeinflußt werden. Es ergibt sich somit ein scheinbarer 
Widerspruch mit meinen Daten, da ich ganz unzweideutig durch Adrenalin 
unter gewissen Bedingungen eine Erschlaffung der Nierenarterien erzielen 
konnte. Aber bei den Versuchsbedingungen von Cow, welcher für alle seine 
Versuche mit Adrenalin in stereotyper Weise eine Konzentration von 
1 : 100 000 verwendete, ist nach allem, was wir nun über die Wirkungs- 
weise des Adrenalins bei Nierengefäßen beobachtet haben, kein anderes 
Resultat zu erwarten. Mit so starken Konzentrationen konnte auch ich 
ausschließlich eine Verkürzung dieser Gefäße konstatieren, wobei dann 
de Kontraktion ebenfalls von langer Dauer war, wie dies die Abb. 8b 
zur Darstellung bringt. Cow differenziert nicht und seine gezogenen 
Schlüsse dürfen daher keine allgemeine Gültigkeit beanspruchen, seine 
Ergebnisse müssen intensiv, d. h. für die angewandten Dosen interpretiert 
werden. Unter diesen Umständen besteht zwischen seinen und meinen 
Resultaten volle Übereinstimmung. Ich möchte aber bemerken, daß solche 
hohe Adrenalindosen, wie sie Cow verwendet, nicht mehr als physio- 
logische bezeichnet werden dürfen und daß unter solchen Bedingungen 
Schlüsse über die physiologische Wirkungsweise des Adrenalins auf die 
Gefäße mit großer Vorsicht zu verwerten sind. 

Wenn wir unsere Resultate mit jenen Versuchsergebnissen vergleichen, 
welche von andern Autoren an künstlich durchströmten Nieren erhalten 
wurden, so finden wir zum Teil eine glatte Übereinstimmung mit meinen 
Ergebnissen. Jonescu?) spricht von einer besonders hohen Empfindlich- 
keit der Nierengefäße gegenüber Adrenalin, da er auf onkometrischem 
Wege nach intravenöser Injektion von Adrenalin bei Kaninchen schon 
eine Volumenabnahme der Nieren konstatieren konnte, wenn der arterielle 
Blutdruck noch vollständig unverändert blieb. Pari’) beobachtete bei 
seinen Versuchen bei künstlich durchströmten Nieren in einem Falle eine 
Gefäßerweiterung, welche aber der Autor wie bei den Gefäßen der Ex- 
tremitäten nicht auf Adrenalin, sondern auf Zersetzungsprodukte des- 
selben bezog. Pentimalli und Quercia?) sagen auf Grund ihrer Versuche 
bei künstlich durchströmten Nieren: „L’adrenaline exerce presque une 
action spécifique sur les vaisseaux du rein“. Dabei ließen die Autoren 
Adrenalindosen von 1 : 100 000 bis 1 : 300 000 während Minuten durch 
die Gefäße fließen. Es erscheint mir daher etwas kühn, unter diesen 
Umständen von einer spezifischen Wirkung des Adrenalins auf die Nieren- 


1) D. Cow, I. c. S. 273. 

2) Jonescu, Wien. klin. Wochenschr. 1908, S. 513. 

3) Pari, 1. c. S. 273. 

4) Pentimalli und Quercia, Arch. ital. de biol. 58, 33. 1912. 


280 E. Rothlin: 


gefäße zu sprechen, nachdem selbst isolierte Gefäßstreifen auf Dosen 
von 1 : 20—50 000 000 reagieren. Eine genaue Durchsicht der Versuchs- 
resultate dieser Autoren läßt aber noch methodische Mängel vermuten. 
Denn wenn in einem Versuche das Durchflußvolumen schon normalerweise 
bei den verschiedenen Versuchen so erhebliche Differenzen aufweist, daß 
z. B. bei einem Hund von 10 kg 9—27 ccm, bei einem Kaninchen 1,6 kg 
200 ccm pro 10 Min. durchfließen, so scheint mir die physiologische Va- 
riationsbreite mehr als überschritten und ich glaube, die Schlußfolgerung 
der Autoren „la sensibilité de l’appareil circulatoire du rein envers cette 
substance est en effect très grande et l’on comprend facilement, quelles graves 
lésions fonctionelles et anatomiques du rein peuvent se produire, lorsque 
avec le sang circule un excès d’adrenaline capables de produire de longues 
et fortes vasoconstrictions dans cet organe“, dahin berichtigen zu dürfen, 
daB Pentimalli und Quercia auf sehr starke, ja selbst toxische Dosen 
Adrenalin eine starke Gefäßverengerung der Nierengefäße beobachtet 
haben. Besser wird die Ansicht von Jonescu durch die Versuche von 
Ogawa!) gestützt, welcher mit derselben Methodik bei Hund, Katze und 
Kaninchen mit Adrenalindosen von 1 : 40—50 000 000 eine primäre Er- 
weiterung und mit Dosen von 1 : 5 000 000 regelmäßig eine Verengerung 
der Nierengefäße erzielte, welche im letzteren Falle nicht selten von einer 
sekundären Gefäßerweiterung gefolgt war. Ogawa sagt daher, „daß 
Adrenalin die receptiven Substanzen der Vasoconstrictoren und der Vaso- 
dilatatoren in Erregungszustand versetzt“. Meine Ergebnisse an isolierten 
Nierenarterien bestätigen die Resultate von Ogawa voll und ganz. Ver- 
suche in vivo sind mir außer den genannten keine bekannt. Aber die 
Tatsache, daß Adrenalin die überlebenden Gefäße der Niere 
je nach der angewandten Dosis sowohl zu erweitern als zu 
verengern vermag, läßt vermuten, daß dies auch unter nor- 
malen Verhältnissen zutreffen dürfte. 


c) Versuche über den Einfluß des Adrenalins auf isolierte Herzkranz- 
gefaBe. 


Langendorff?) versuchte 1907 die widersprechenden Resultate 
von Maas?) und Schäfer!) über die Innervation der Herzkranzgefäße 
zu lösen. Denn während Maas auf Grund seiner Experimente am isoliert 
durchströmten in situ gelassenen Herzen durch elektr. Reizung der zum 
Herzen führenden Nerven die Constrictoren dem Vagus (wenigstens haupt- 
sächlich), die Dilatatoren dem Sympaticus zuschrieb, gelangte Schaefer 
bei demselben methodischen Vorgehen zu einem negativen Resultate. 
Letzterer fand ferner, daß auch Adrenalin unter diesen Versuchsbedin- 
gungen ohne Einfluß auf das Durchflußvolumen der Kranzarterien war. 
Nach den erfolglosen Versuchen am isoliert durchströmten Herzen ver- 


1) Ogawa, 1. c. S. 273. 

2) O. Langendorf, Zentralbl. f. Physiol. 21, 551. 1907. 
3) Maas, Arch. f. d. ges. Physiol. 74, 281. 1899. 

4) E. A. Schäfer, Arch. des sciences biol. 1904, 251. 


Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überieb. Gefäße. II. 281 


suchte Langendorff an überlebenden Herzkranzarterien mit der Gefäß- 
streifenmethode zu einem Resultate zu gelangen. Als geeignetes Test- 
objekt fand Langendorff die Gefäße vom Rind. und seine diesbezüg- 
lichen Resultate faßt er wie folgt zusammen: „Diese Versuche an den 
Coronararterien haben nun das auf den ersten Blick unerwartete Re- 
sultat ergeben, daf durch Suprarenin oder Adrenalin zuweilen, doch nur 
selten, gar keine Wirkung, meistens aber eine unzweifelhafte, oft recht 
beträchtliche Verlängerung des Gefäßstreifens eintritt.“ Daraus schließt 
Langendorff weiter: „daß die Kranzgefäße des Herzens vom Sym- 
pathicus mit gefäßerweiternden Fasern versehen werden“. Diese er- 
schlaffende Wirkung des Adrenalins auf isolierte Gefäßstreifen der Herz- 
kranzgefäße ist dann von verschiedenen Autoren bestätigt worden, so von 
Meyer, Cow, Barbour, Parke, Siccardi und Loredan, Loening. 
Ich gebe im folgenden erst die Resultate meiner Untersuchungen, worauf 
die Diskussion derselben folgt. 


Der Einfluß von Adrenalin auf überlebende Gefäßstreifen 
der Herzkranzarterien verschiedener Tierarten ist nicht gleich- 
sinnig, wie die Abb. 11 u. 12 wiedergeben. Bei den Herzkranz- 
gefäßen des Typus bovinus: Rind, Kuh, Ochs, Stier, kann mit 
jeder Regelmäßigkeit bei richtiger Technik durch Adrenalin eine 
Erschlaffung des Gefäßstreifens erzielt werden. Beim Typus 
equinus dagegen werden dieselben Gefäße durch Adrenalin 
kontrahiert (Abb. 12). Daß es sich bei meinen Untersuchungen 
nicht um eine zufällige Umkehr der Adrenalinwirkung bei der 
Pferdherzarterie handelt, beweist die regelmäßige Wiederkehr 
dieser Wirkungsweise von Adrenalin bei 30 Herzkranzarterien 
von Pferden verschiedenen Alters und verschiedener Rasse; 
außerdem kann diese constrictorische Adrenalinwirkung bei dem- 
selben Gefäße stets mehreremal mit demselben Erfolge wiederholt 
werden. Differenzen der Adrenalinwirkung bei diesen zwei Tier- 
arten bestehen aber nicht nur in qualitativer, sondern auch 
in quantitativer Hinsicht. In den Abb. 11 u. 12 habe ich die 
Längenmaße und den red. Verlängerungs- bzw. Verkürzungsgrad 
der beiden Arterienstreifen angegeben. Wird für beide Gefäße 
die Längenveränderung durch Adrenalin in Prozenten ausgedrückt, 
so erreicht die Herzkranzarterie vom Rind eine Verlängerung 
von 24%, diejenige vom Pferd eine Verkürzung von ca. 10%. 
Solche quantitative Unterschiede konnte ich für diese beiden 
Gefäßtypen regelmäßig nachweisen, trotzdem die Länge der 
Herzkranzgefäße vom Typus equinus diejenige vom Typus bovinus 
stets übertraf und die Empfindlichkeit der beiden Gefäßtypen 


282 E. Rothlin: 


gegeniiber Adrenalin gleich war. Der Versuch in der Abb. 12 
gibt übrigens die größte bei Pferdegefäßen beobachtete Kontrak- 
tion wieder. Es ge- 
lang mir auch nie, 
selbst durch sehr 
starke Adrenalindo- 
sen eine stärkere Ver- 
kürzung der Pferde- 
gefäße zu erwirken. 
Eine weitere eigen- 
artige Erscheinung an 
der Herzkranzarterie 
des Pferdes ist die 
meist stundenlang 
anhaltende Verkür- 
zung eines durch 
Adrenalin zur Kon- 
traktion versetzten 
Streifens trotz mehr- 
maligem Auswaschen 
mit Ringerlésung. 
Die Herzkranzarterien vom Typus bovinus 
verhalten sich in dieser Beziehung wie die 
übrigen Gefäße, 2. B. der Extremitäten. 
Der diesbezügliche Unterschied bei den 
beiden Herzkranzgefäßtypen gelangt auch 
in den Abb. 11 u. 12 zum Ausdrucke, wo 
das Gefäß vom Rind nach dem Auswaschen 
sich allmählich in den ursprünglichen Tonus 
begibt, während das Gefäß vom Pferd nach 
dem Auswaschen sich selbst noch verkürzt. 
Es besteht somit zwischen diesen beiden 
Gefäßtypen sowohl eine qualitative 
als eine quantitative Diskrepanz. 
Eine Erklärung dieser letzteren Erscheinung 
versuche ich auf folgende Weise. Schon die 
makroskopische Betrachtung der beiden Gefäßtypen ließ eine 
offensichtliche Verschiedenheit in der anatomischen Struktur 
vermuten. Die histologische Untersuchung ergab, daß die quan- 


‚+ mm. 


prünglichen Tonus- 


› bei einer fünffachen Vergrößerung, also red. 2 


Die wirkliche Verlängerung des Gefäßes beträgt somit 24%. Verki. /. 


> 
"e: 
~ 
— 
— 
bm, A 
— 
— 
— 
=> 
~ 
— 
— 
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— 
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— 
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— 
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~ 
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Б. 
SI 
=. 
— 
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+ 
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— 
— 
* 
~. 
+ 
+ 
~ 
~ 
~~ 
> 
+ 
Ké 


Abb. 12. Art. coronaris cordis von Pferd. Belastung des Gefäßes 20 g. 

Zeitmarkierung alle 5 Sek. Bei der Marke 1 wird Adrenalin 1: 1 000 000 

zugesetzt, worauf nach ca. 10 Sek. Latenzzeit eine Gefäßverengerung er- 
Die Gesamtverkürzung aufgerundet 10%. Verkl. :/,. 


folgt. Diese beträgt 10 Min. nach Applikation des Reizes 7 mm, red. 1,4 mm. 
Die Länge des Gefäßstreifens im ursprünglichen Tonuszustand ist 15 mm. 


Abb. 11. Art. coronaris cordis von Rind. Belastung 20 g. Zeitschreibung alle 5 Sek. Bei der Marke 2 wird Adrenalin 1: 1 000 000 


zugesetzt, worauf nach ca. 40 Sek. eine erhebliche Gefäßerweiterung erfolgt. Die Länge des Gefäßes beträgt im urs 


zustand im Ringer 10 mm, die Verlängerung des Gefäßes nach 10 Min. 12 mm 


Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. II. 283 


titative Diskrepanz der beiden Gefäße ihre Ursache wahrscheinlich 
in dem verschiedenen Massenverhältnis von muskularem und 
elastischem Gewebe hat. Während die Herzkranzarterie vom 
Typus bovinus in der Media eine kräftig ausgebildete Muscularis 
besitzt, ist bei dem Typus equinus das elastische Gewebe relativ 
bedeutend stärker entwickelt als die contractile Komponente. 
Für die qualitative Diskrepanz dürfte in der verschiedenen ana- 
tomischen Struktur der beiden Gefäßtypen eine annehmbare 
Erklärung gefunden sein. 

Dieser Befund, daß die Herzkranzgefäße verschiedener Tier- 
arten auf Adrenalin gegensinnig reagieren, veranlaßte mich, 
eine systematische Unter- 
suchung über die Reiz- 
schwelle und den Einfluß 
verschiedener Konzentra- 
tionen auf dieselben Gefäße 
vorzunehmen. Denn es 
bestand doch die Möglich- 
keit, daß dieses qualitative 
verschiedene Verhalten der 
beiden Gefäßtypen sich in ae en 20 g. 5 
einfacher Weise durch einen nuten: Ве der 9 paras We 
evtl. differenten Einfluß senter.) wird kräftig kontrahiert, Gefäß В (coron.) 
verschiedener Adrenalin- Die Wioderbolung -des Veriuchen тш ае 


e 8 Adrenalindosis ergibt dasselbe Resultat. Eine 
konzentrationen aufklären Adrenalindosis von 1: 1 000 000 hatte dagegen bel 


ließe. Diese Vermutung hat dem Gefäß b (coron.) einer erhebliche Verlängerung 
Ө zur Folge. 

sich aber nicht erfüllt. Nie 

konnte bei Herzkranzarterien vom Pferd eine andere Be- 
einflussung der Reaktionsrichtung durch Abstufung der Adre- 
nalindosen registriert werden als die beschriebene. Jeder über- 
schwellige Adrenalinreiz ließ mich immer nur eine Kontraktion 
des Gefäßes konstatieren. Die erste wirksame Dosis fand ich 
bei 1:20 000 000. Auffallend war dabei, daß der Adrenalin- 
effekt bei der Herzkranzarterie durch eine eben wirksame Dosis 
maximal ausfiel, denn 10—50fach stärkere Dosen erzielten 
kaum eine intensivere Kontraktion. Man ist versucht, daran 
zu denken, daß hier ein eindeutiger Fall des „Alles oder 
Nichts-Gesetzes“‘ vorliegt. Die analoge Untersuchung bei den 
Herzkranzgefäßen vom Typus bovinus ergab etwas andere Re- 


284 E. Rothlin: 


sultate. Es gelang mir dreimal, mit jeder Deutlichkeit und an- 
gewandter Kontrolle durch eben überschwellige Adrenalinreize 
statt einer erwarteten Dilatation eine ganz schwache Kontraktion 
auszulösen. Dieser Erfolg konnte an denselben Gefäßen auch 
wiederholt werden, wie dies in der Abb. 13 illustriert ist. 
Stärkere Adrenalindosen hatten aber dann bei denselben Gefäßen 
wieder die typische Verlängerung der Gefäße zur Folge. Wenn 
es mir auch nur selten gelang, eine solche Kontraktion primär durch 
Adrenalin bei der Herzkranzarterie des Typus bovinus zu erzielen, 
so weist doch die charakteristische Adrenalinkurve bei Herzkranz- 
gefäßen vom Typus bovinus Eigenschaften auf, welche dafür 
sprechen, daß Adrenalin auch hier sowohl den constric- 
torischen als dilatatorischen Mechanismus zu erregen 
vermag. So zeigt die Adrenalinkurve beim Typus bovinus eine 
lange Latenzzeit, die das 3—5fache jener eines Mesenterial- 
gefäßes beträgt, wie die Abb. 11—13 zur Anschauung bringen. 
Dazu kommt ferner, daß der Schreibhebel bei der Herzkranz- 
arterie sich nur sehr langsam senkt, und nicht selten zeigt dieKurve 
erst eine leichte Erhebung, bevor sich das Gefäß verlängert. Es 
fehlt somit das scharfe Einsetzen der Adrenalinwirkung, wie dies 

bei jenen Kurven zu sehen ist, wo ein typischer vasoconstric- 

torischer Effekt besteht (Abb. 13). Diese Erscheinungen glaube 

ich am besten durch die Annahme erklären zu können, daß in 

diesen Versuchen das Adrenalin sowohl den vasoconstrictorischen 

als den vasodilatatorischen Mechanismus in Bewegung versetzt. 

Der primäre Adrenalineffekt ist dann das Resultat einer Kon- 

kurrenzwirkung zwischen diesen zwei antagonistischen Mechanis- 

men, und der sekundäre resultierende Effekt beruht auf dem Über- 

wiegen des vasodilatatorischen Mechanismus. Wir hätten somit 

bei den Herzkranzgefäßen vom Typus bovinus gerade umgekehrte 

Verhältnisse, wie wir sie für die Nierengefäße beschrieben haben, 

wo der vasoconstrictorische Mechanismus über den dilatatorischen 

überwiegt. 

Unsere Ergebnisse über das Verhalten überlebender Herz- 
kranzgefäße gegenüber Adrenalin können wir folgendermaßen 
zusammenfassen: 

Adrenalin hat auf die isolierten Herzkranzgefäße 
verschiedener Tierarten einen qualitativ und quanti- 
tativ verschiedenen Einfluß. Die Gefäße vom Typus 


Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. II. 285 


equinus werden durch Adrenalin ausschlieBlich kon- 
trahiert. Geringste Adrenalindosen kénnen die Herz- 
kranzgefaBe vom Typus bovinus zu schwacher Kon- 
traktion bringen, stärkere Dosen verursachen dagegen 
nach relativ langer Latenzzeit regelmäßig eine Dila- 
tation. Ganz analog verhalten sich in dieser Beziehung 
die Gefäße vom Schwein und Schaf. Es bestehen An- 
zeichen, daß beidenletzteren Gefäßen durch Adrenalin 
sowohl der vasoconstrictorische Mechanismus erregt 
wird. Die Adrenalinwirkung ist unter gleichen Ver- 
suchsbedingungen beim Typus bovinus nicht nur im 
Verhältnis zur Gefäßlänge, sondern absolut stärker, 
was offenbar durch die geringere Entwicklung des 
contractilen Gewebes bei Herzkranzgefäßenvom Typus 
equinus bedingt ist. 

Auf Grund dieser Ergebnisse sind wir in der Lage, die Ver- 
schiedenheiten der Resultate, welche an isolierten Herzkranz- 
gefäßen von anderen Autoren erhalten wurden, in einen gewissen 
Einklang zu bringen. Langendorffs Ansicht über die Adrenalin- 
wirkung auf isolierte Herzkranzgefäße besteht unter gewissen 
Einschränkungen zu Recht, eine allgemeine Anwendung 
kommt aber dieser Auffassung nicht zu. Denn einerseits läßt sich 
ein und dasselbe Gefäß vom Typus bovinus je nach der Adrenalin- 
konzentration sowohl kontrahieren als dilatieren und anderseits 
gibt es Herzkranzgefäße, wie jene vom Typus equinus, welche 
durch Adrenalin ausschließlich kontrahiert werden. Die Versuche 
von Par ke!) verlieren durch diese Resultate ebenfalls an allgemeiner 
Bedeutung, wenn er bei Ochsenkranzarterien auch mit geringsten 
Adrenalindosen nie eine Kontraktion, sondern stets nur eine 
Tonuserschlaffung erzielen konnte, sie gelten eben nur für die unter- 
suchten Gefäße. Ferner werden die von Parke geäußerten Be- 
denken gegen Barbours?) Beobachtung, daß menschliche Herz- 
kranzarterien im Gegensatz zu den untersuchten Säugetiergefäßen 
auf Adrenalin sich kontrahieren, durch meine analogen Ergebnisse 
bei Pferdekranzarterien abgeschwächt. Auf jeden Fall kann 
eine Entscheidung nicht durch einen Analogieschluß, wie dies 
Parke tut, sondern nur durch ein einwandfreies Experiment 


1) E. Parke, Journ. of experim. Med. 16, 532. 1912. 
| 2) Barbour, L с. S. 273. 


Biochemische Zeitschrift Band 111. 19 


286 E. Rothlin: 


herbeigefiihrt werden. Wenn andere Autoren bisher eine diffe- 
renzierende Adrenalinwirkung, wie ich sie oben an Herzkranz- 
arterien vom Typus bovinus dargelegt habe, bei ihren Versuchen 
nicht konstatieren konnten, so liegt dies offenbar in dem metho- 
dischen Vorgehen. Denn Cow!) arbeitet z. B. durchwegs mit 
Dosen von 1 : 100 000 und Barbour mit solchen von 1: 200 000, 
also ohne jede Abstufung des Reizes und mit Adrenalinkonzen- 
trationen, wie wir sie kaum mehr als physiologisch bezeichnen 
dürfen. Meine Ergebnisse scheinen ferner geeignet, etwas Auf- 
klärung in die Unstimmigkeiten der experimentellen Daten jener 
Forscher zu bringen, welche am künstlich durchströmten Herzen 
den Einfluß des Adrenalins auf die Herzgefäße untersuchten. 
Während Langendorff zu keinem befriedigenden Resultate 
gelangte, konstatierten Brodie und Cullis?) beim Kaninchen 
auf Adrenalin eine primäre vasoconstrictorische Phase, welche 
sekundär von einer vasodilatatorischen gefolgt war. Dieser Erfolg 
war zwar nicht regelmäßig oder nicht immer deutlich ausgespro- 
chen. Wir finden hier eine vollkommene Übereinstimmung mit 
meinem Resultate beim Typus bovinus. Diese Ergebnisse von 
Brodie und Cullis hat Krawkow?) bei demselben Tiere nicht 
bestätigen können, da er stets nur eine Verengerung konstatierte. 
Dabei ist aber zu sagen, daß Krawkow, indem er das Herz durch 
Sauerstoffmangel zum Stillstand brachte, auch die normale Er- 
regbarkeit der Gefäße beeinträchtigt hat. Ra be“) beobachtete 
auf Adrenalin von 1: 2 000 000 eine starke Gefäßverengerung 
beim Hund, Katze und Kaninchen. Morawitz und Zahn“) 
dagegen nach intra venöser Injektion von 0,3 mg Adrenalin eine 
3—4 fache Zunahme des Durchfluß volumens, und Meyer®) bestätigt 
diese Angaben. Schließlich fanden Markwalder und Starling’) 
am isolierten Herzlungenkreislauf durch Messung des DurchfluB- 
volumens nach Morawitz eine GefaBerweiterung. Der Divergenz 
dieser Resultate können nach meinen Erfahrungen zwei Ursachen 
zugrunde liegen. Einerseits die Möglichkeit, daß Adrenalin die 
9) P. Cow, l. c. S. 273. 

2) Brodie und Cullis, Journ. of physiol. 43, 313. 1911. 

3) Krawkow, Arch. f. d. ges. Physiol. 157, 501. 1914. 

4) T. Rabe, Zeitschr. f. experim. Pathol. und Ther. 11, 175. 1912. 

5) Mora witz und Zahn, Zentralbl. f. Physiol. 26, 465. 1912. 


6) F. Meyer, Berl. klin. Wochenschr. 50, 920. 1913. 
7) Markwalder und Starling, Journ. of physiol. 47, 275. 1913-1914. 


Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. U. 287 


Herzkranzarterien bei verschiedenen Tierarten verschiedensinnig 
beeinflußt und andererseits, daß die genannten Autoren eine 
differenzierende Beeinflussung durch verschiedene Adrenalinkon- 
zentrationen nicht berücksichtigten. Die Notwendigkeit der 
sorgfältigen Berücksichtigung dieser Faktoren geht sicher aus 
meinen Ergebnissen an überlebenden Gefäßstreifen hervor. Dazu 
gesellen sich bei den Untersuchungen am künstlich durchströmten 
Herzen Schwierigkeiten von seiten der Herztätigkeit, da Adre- 
nalin dieselbe sehr stark beeinflußt, und ferner entstehen bei der 
Herztätigkeit Abbauprodukte, welche auf die Gefäße einwirken 
können. Es handelt sich hier in erster Linie um saure Stoffwechsel- 
produkte, welche die Gefäße zu dilatieren vermögen. Dadurch 
wird natürlich der eigentliche Adrenalineffekt auf die Herzkranz- 
gefäße verwischt. Eine Untersuchung über den Einfluß des 
Adrenalins auf die isolierten Herzkranzgefäße, sei es mit Gefäß- 
streifenmethode, sei es am künstlich durchströmten Herzen, 
dürfte bei Berücksichtigung der von mir angegebenen Gesichts- 
punkte bei den Versuchsbedingungen zu besser übtreinstimmenden 
Resultaten führen. 


d) Versuche über den Einfluß des Adrenalins auf überlebende 
Lungengefäße. 


Die Frage der Existenz der Vasomotoren der Lungengefäße ist heute 
noch eines der umstrittensten Probleme der Gefäßinnervation. Tiger- 
stedt!) kam 1903 in seiner zusammenfassenden Abhandlung über diesen 
Gegenstand, speziell gestützt auf die grundlegenden Untersuchungen von 
Bradford und Dean, sowie von Francois-Frank zu einem positiven 
Ergebnis über die Existenz der Lungenvasomotoren, und zwar sollen die 
betreffenden gefäßverengernden Nerven für die Lungen das Rückenmark 
mit den oberen Brustnerven verlassen. Tigerstedt aber schreibt S. 584: 
„Über ihre wirkliche Bedeutung, ob sie einen Tonus besitzen, unter welchen 
Umständen sie normal erregt werden usw., darüber wissen wir nichts 
Bestimmtes. Es ist aber natürlich, daß sie, weil sie einmal existieren, 
in irgendeiner Weise bei der Regulation der Blutzufuhr zum linken Herzen 
dienen müssen.“ Dies ist das Resultat der Untersuchungen, wobei durch 
operative Eingriffe die normalen Verhältnisse mehr oder weniger modi- 
fiziert waren. Dieses Resultat kann als der reflektorische Ausdruck von 
Druckveränderungen im kleinen Kreislaufe zufolge verschiedenartiger 
experimenteller Einflüsse mechanischer oder nervöser Art betrachtet wer- 
den. In vorliegender Arbeit versuchen wir diesem Gegenstande auf einem 


1) R. Tigerstedt, Ergebnisse der Physiologie. Asher u. Spiro. 
2. Jahrg. II. Abt. S. 571. 1903. 


19% 


288 Е. Rothlin: 


andern Wege näher zu treten, indem wir auf Grund der schon bestehenden 
und hier wiedergegebenen experimentellen Daten die Reaktionsweise der 
Lungengefäße gegenüber chemischen Reizen in diesem Kapitel auf Adre- 
nalin analysieren, um dann daraus evtl. einen Schluß über die Existenz 
von Vasomotoren der Lungengefäße zu ziehen. Bei der großen Variabilität 
der schon bestehenden Resultate gebe ich erst einen kurzen Überblick 
derselben, indem wir dabei schrittweise von den Daten an überlebenden 
Gefäßstreifen, dann an künstlich durchströmten Lungen, schließlich zum 
Verhalten der Lungengefäße gegenüber Adrenalin in vivo vordringen. 
Langendorff!) beobachtete einen vasoconstrictorischen Einfluß von 
Adrenalin auf überlebende Lungenarterienstreifen vom Schaf, Schwein, 
Kalb sowie Katze, und Meyer?) konstatierte dieselbe Erscheinung beim 
Kalb, Cow?) beim Ochs und Schaf. Diese Resultate gelten für extra- 
pulmonale Arterienstiicke. Barbour‘) gelangt mit isolierten Lungen- 
arterien vom Kaninchen zu demselben Ergebnis. Bei 7 extrapulmonalen 
Arterienstreifen vom Kalb beobachtete dieser Autor 4mal eine leichte 
Kontraktion, 2 mal eine zweifelhafte Dilatation und in einem Falle In- 
differenz gegenüber Adrenalin. Durch diese zwei zweifelhaften Versuche 
Barbours mit Verlängerung der Gefäßstreifen auf Adrenalin dürfte die 
Übereinstimmung der Resultate über die Wirkungsweise von Adrenalin 
auf extra pulmonale Lungenarterienstreifen nicht gestört werden. 
Cow schreibt nun: „The artery contained within the lung tissue showed 
no reaction to the drug.“ Der Autor gibt nicht an, um wieviel Versuche 
es sich handelt und ob es eine regelmäßige Erscheinung war. 

An künstlich durchströmten Lungen in situ und bei unversehrter 
Innervation haben Brodie und Dixon?) keine nennenswerte Verengerung 
der Lungengefäße erzielt (beim Hund, Katze und Kaninchen), nach Rei- 
zung der zentralen und peripheren nervösen Zentren, sowie der zu den 
Lungen führenden Nerven: ,, Although distinct dilatation is the commun 
result which follows an injection of adrenalin into the pulmonary vessels, 
we have on many occassions observed it to produce, but little if any effect.“ 
Die notwendigen Dosen betrugen 1--5 cem einer Adrenalinkonzentration 
von 1: 20—50 000. Plumier®) konnte bei Hunden auf Dosen von 0,5 ccm 
1: 10000 eine deutliche Gefäßverengerung konstatieren, sie trat nicht 
regelmäßig, Gefäßerweiterung aber nie ein. Wiggers’) erzielte bei Durch- 
strömungsversuchen der Lungen von Katze und Hund mit Adrenalin- 
dosen von 0,02 mg und mehr eine beträchtliche Gefäßverengerung. Ca m- 
pell®) kam zu demselben Resultate bei Katze und Kaninchen mit Adre- 


1) O. Langendorff, 1. с. 8. 280. 

2) O. B. Meyer, Zeitschr. f. Biol. 48. 352—397. 1906. 

з) D. Cow, 1. с. S. 273. 

4) Barbour, l. c. S. 273. 

*) Brodie und Dixon, Journ. of physiol. 30, 476. 1904. 

6) L. Plumier, Journ. de phvsiol. et pathol. génér. 6, 655. 1904. 
‘) J. C. Wiggers, Journ. of pharmakol. and exp. therap. 30, 344. 1909. 
8) A. Campell, Quart. Journ. of physiol. 4, 1. 1911. 


Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. П. 289 


nalindosen von 1: 60—120 000. Fühner und Starling!) beobachteten 
am isolierten Herzlungenkreislauf bei Hunden durch 0,01 mg eine Ver- 
engerung der Lungengefäße, während Baehr und Pick?) an der Meer- 
echweinchenlunge mit 0,01 mg Adrenalin keinen Effekt erzielen konnten. 
Tribe?) glaubte erst, daß die von Brodie und Dixon beobachtete Er- 
weiterung der Lungengefäße durch Adrenalin auf den Chloretonzusatz 
im Adrenalin von Parke Davis & Co. zurückzuführen sei. Systematische 
Untersuchungen mit der von Brodie und Dixon angewandten Methode 
der Lungendurchströmung in situ (beim Hund, Katze, Kaninchen usw.) 
veranlaßten den Autor, seine diesbezügliche Ansicht aufzugeben, da alle 
Adrenalinpräparate, Parke Davis mit und ohne Chloretonzusatz‘), „Hemi- 
sine von Bourough and Wellcome in Dosen von 0,002—0,00002 mg, aus- 
schließlich eine Gefäßerweiterung, Dosen von 0,01—2 mg dagegen eine 
Kontraktion mit evtl. nachfolgender sekundärer Dilatation verursachten. 
Schafer und Lim?) konstatierten neuerdings bei künstlich durchströmten 
Lungen von Kaninchen auf Adrenalindosen von 1 ccm 1 : 21—80 000 
eine Gefäßverengerung, eine Erweiterung der Lungengefäße haben die 
Autoren nicht beobachtet. Analoge Versuche bei Katzenlungen ergaben 
unregelmäßigere Resultate, meist waren noch stärkere Dosen notwendig, 
um überhaupt einen Effekt zu erzielen, selbst Adrenalin von 1 com 1 : 4000 
war in einem Versuche wirkungslos. Die experimentellen Ergebnisse über 
den Einfluß von Adrenalin auf die Lungengefäße in vivo, welche seit 
Cybulski ausgeführt wurden, haben die Adrenalinwirkung auf diese 
Gefäße gar nicht eindeutig gelöst. Cybulski’), Velich?), Gerhardt“), 
Mellin“), Petitjean !“) konstatierten wohl eine Blutdrucksteigerung 
durch Adrenalin nach intravenöser Injektion beim Hunde, Katze und 
Kaninchen in der Art. pulmonalis. Aber ihre Interpretation dieser Er- 
scheinung geht übereinstimmend darauf hinaus, daß aus diesem Ergebnis 
kein Schluß für eine direkte pulmonale Vasokonstriktion gezogen werden 
darf, da die durch Adrenalin hervorgerufene intracardiale Blutdruck- 
steigerung zufolge der Erhöhung des allgemeinen Blutdruckes im großen 


. 1) Fühner und Starling, Journ. of physiol. 47, 263. 1913, 1914. 

2) Baehr und Pick, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 74, 
65. 1913. 

з) E.N. Tribe, Journ. of physiol. 48, 154. 1914. 

4) Eine Nachprüfung mit Chloreton in Ringerlösung in einer Konzen- 
tration, wie dies von Parke, Davis & Co. zur Konservierung des Adrena- 
lins verwendet wird, ergab auf die Lungengefäße des Frosches ein absolut 
negatives Resultat. 

5) Schafer und Lim, Quart. Journ. of physiol. 52, 157. 1917. 

6) Cybulski, zit. nach Velich. 

7) Velich, Wien. med. Blätter. 15—21. 1896, und Wien. klin. 
Rundschau 1898. 

8) Gerhardt, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 44, 171. 1900. 

э) Mellin, Skand. Archiv f. Physiol. 1904. 

10) Petitjean, Journ. de physiol. et pathol. génér. 10, 412. 1908. 


290 E. Rothlin: 


Kreislauf gentigt, um die geringe im kleinen Kreislauf beobachtete Blut- 
drucksteigerung zu erklären. Auf ähnliche Weise erklären Anderes und 
Cloetta!) sowie Krogh?) die durch Adrenalin in der Pulmonalarterie 
verursachte Blutdrucksteigerung. Denn trotzdem das Adrenalin bei 
intravenöser Applikation früher zu den Pulmonalgefäßen gelangt als zu 
jenen des großen Blutkreislaufes, tritt die Blutdruckerhöhung in der Pul- 
monalis nicht früher, sondern später als im großen Kreislaufe auf. Hégér 
und Philippson?), Beresin‘), Jackson?) glauben auf Grund ihrer 
Ergebnisse dem Adrenalin auf die Lungengefäße einen erweiternden Einfluß 
zuschreiben zu können. Edmunds“), Langlois und Desbouis’) be- 
obachteten eine Zunahme des Durchflußvolumens durch die Lungen- 
gefäße nach schwachen Adrenalindosen und eine Abnahme derselben durch 
stärkere Adrenalindosen. Weber“) findet, daß Adrenalin eine primäre 
Verengerung der Lungengefäße verursacht, welche von einer sekundären, 
ebenfalls aktiven Erweiterung derselben gefolgt ist. Weber glaubt diese 
Ansicht am besten dadurch zu stützen, daß er dieselben Erscheinungen 
auch durch elektrische Reizung der zu den Lungen führenden Nerven 
beobachtet hat. Schafer und Lim?) sind der Ansicht, daß die Lungen- 
gefäße beim Kaninchen in vivo durch Adrenalin in Übereinstimmung 
mit den Resultaten an der künstlich durchströmten Lunge kontrahiert 
werden. Nach intravenöser Injektion tritt im kleinen Kreislaufe eine 
Gefäßverengerung auf, bevor eine solche im großen Kreislaufe zu beob- 
achten ist. Im übrigen entsprechen ihre Resultate jenen von Weber 
bei der Katze mit dem Unterschied, daß Schafer und Lim die sekundäre 
Gefäßerweiterung nicht als einen aktiven, sondern passiven Vorgang be- 
trachten. Denn eine Injektion von Adrenalin durch die Carotis läßt die 
primäre Verengerung nicht eintreten. Bei der Katze können dieselben 
Erscheinungen auf Adrenalin eintreten, aber meist erscheint die Blut- 
drucksteigerung in beiden Kreisläufen gleichzeitig nach intravenöser 
Injektion, welche die Autoren für kardialen Ursprungs halten. 


Wenn wir diese unerwünscht mannigfaltigen Resultate über 
die Wirkungsweise von Adrenalin auf die Lungengefäße unter den 


1) Cloetta und Anderes, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 
76, 125. 1914 u. 79, 301. 1916. 

2) A. Krogh, Skand. Archiv f. Physiol. 27, 243. 1912. 

3) Hégér und Philippson, Bull. de l’acad. гоу. de med. de Belgique 
26, 1912. 

4) W. J. Beresin, Arch. f. d. ges. Physiol. 158, 219. 1914. 

5) D. E. Jackson, Journ. of pharmacol. a. exp. therapeut. 4, 291. 1913. 

6) Edmunds, Amer. Journ. of physiol. 18, 129. 1907. 

7) Desbouis und Langlois, Journ. de physiol. et pathol. génér. 
14, 282 u. 1113. 1912. 

8) E. Weber, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1910/11, S. 377. Suppbd., 
1912, S. 383. 

э) Schafer und Lim, Quarterly Journ. of experim. Physiol. 12, 
157. 1919. | 


Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. II. 291 


verschiedenen experimentellen Versuchsbedingungen überblicken, 
so wird uns eines klar, daß es unmöglich ist, dieselben in eine Re- 
sultante zusammenzufassen. Relativ klar und einfach liegen die 
Verhältnisse bei den überlebenden Lungenarterienstreifen. Diese 
werden im extrapulmonalen Abschnitte durch Adrenalin kon- 
trahiert, während im intrapulmonalen Abschnitte die Lungen- 
arterien auf Adrenalin unempfindlich sein sollen. Die Ergebnisse 


Abb. 14b. 


ТТТ. ТҮТТҮ ТҮҮ L 1. 14 Peewerlruuseeuees ТҮТҮГҮ! i 


Abb. 14c. 
Abb. 14 a,b, c. Art. pulmonalis vom extrapulmonalen Abschnitte. Belastung 10 g. . Zeit- 
schreibung alle 6 Sek. Die Länge des Gefäßes beträgt 16 mm, die Breite 10 mm. Bei der 
Marke 3’ in Abb. 14a wird Adrenalin 1 : 5 000 000 zugesetzt, da ohne Erfolg, wird die Dosis 
bei 3 auf 1 :2 500 000 erhöht, worauf eine schwache und flüchtige Kontraktion eintritt. 
In der Abb. 14b wird bei der Marke 4 und 5 Adrenalin 1 : 1 000 000 zugesetzt, es erfolgt 
beidemal eine kräftige, aber flüchtige Kontraktion des Gefäßstreifens. In der Abb. Lie wird 
zu demselben Gefäße wie bel a und b Adrenalin 1 : 350 000 zugefügt, worauf eine sehr kräftige 
Verkürzung erfolgt; sie erreicht nach ca. 3 Min. das Maximum und beträgt ca. 48%. Trotz- 
dem das Gefäß nicht mit Ringer ausgewaschen wird, erschlafft dasselbe relativ rasch 
nach erreichtem Maximum. Verkl. !/,. 


an künstlich durchströmten Lungen und jene in vivo sind geradezu 
widersprechend. Während einige Autoren eine Unerregbarkeit 
gegenüber Adrenalin annehmen, finden andere eine Gefäßverenge- 
rung, dritte eine Erweiterung und Tribe, Edmunds, Langlois 
und Desbouis und Weber glauben schlieBlich, daB die Lungen- 
gefäße sowohl dilatiert als kontrahiert werden. 

Meine Versuche an Lungengefäßen beziehen sich auf isolierte 
Arterienstreifen vom extra- und intrapulmonalen Gefäßabschnitte, 
sowie auf die künstlich durchströmte Lunge vom Frosch. 


292 E. Rothlin: 


Uberlebende Streifen von extrapulmonalen Lungenarterien 
vom Typus bovinus und equinus, wie ich sie untersucht habe, 
werden durch Adrenalin bei richtiger Technik ganz regelmäßig 
verkürzt. Die Abb. 14 beweist ferner, daß die Erregbarkeit der 
Lungengefäße gegenüber Adrenalin im Vergleich zu anderen 
isolierten Gefäßstreifen nicht zurücksteht, sie kann als normal 
bezeichnet werden. In Abb. 14a u. b sehen wir ferner Kontrak- 
tionskurven, wie wir dies bei frischen Art. mesent. oder carotis 
kaum zu Gesicht bekommen, wohl aber schon bei den Nierengefäßen 
angetroffen haben. Die Gefäße verharren nicht lange im ver- 
kürzten Zustande, sondern nach erreichtem Maximum erschlaffen 
sie relativ rasch. Dies tritt besonders im Versuche der Abb. 14c 
zutage, wo auf Adrenalin 1 : 350 000 eine Verkürzung von 48% 
der ursprünglichen Gefäßlänge eintritt, welche aber ohne das 


Abb. 15. Art. pulmonalis vom intrapulmonalen Abschnitte. Belastung 2 g. Zeitschreibung 

alle Minuten. Bei der Marke 1 wird Adrenalin 1 : 2 000 000 zugesetzt, es erfolgt eine schwache 

und flüchtige Kontraktion. Bei der Marke 2 wird Adrenalin 1-: 1 000 000 zugefügt, worauf 
eine etwas atärkere Verkürzung des Gefäßes erfolgt. Verkl. ’/,. 


Gefäß auszuwaschen, schon nach relativ kurzer Zeit auf den Aus- 
gangstonus zurückgeht. Nach Cow und Barbour war zu er- 
warten, daß Arterienstreifen vom intrapulmonalen Gefäß- 
abschnitte gegenüber Adrenalin indifferent bleiben. Die Abb. 15 
gibt uns ein solches Beispiel wieder, zeigt aber, daß solche Gefäß- 
streifen durch Adrenalin in normalen Dosen kontrahiert werden 
können. Die von mir verwendeten Dosen sind 10—20 mal schwä- 
cher als jene von Cow und Barbour. Die Verkürzung war tat- 
sächlich nie erheblich, auch nicht auf viel stärkere Adrenalin- 
dosen. Aber schon die makroskopische Betrachtung solcher 
Lungenarterien überzeugt von der geringen Menge contractilen 
Gewebes im Vergleich zu anderen Gefäßen, weshalb in den Ver- 
suchen eine entsprechend geringere Belastung angewandt wurde. 
Auch intrapulmonale Arterienstreifen vom Typus 
bovinus und equinus können durch Adrenalin mit 
normalen Dosen kontrahiert werden, aber die Verkür- 
zung ist stets gering. 

Der Versuch, durch abgestufte Adrenalindosen an überleben- 


Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. II. 293 


den Lungenarterienstreifen evtl. qualitative Unterschiede in der 
Reaktionsweise zu erzielen, schlug ganz fehl. Es gelang mir nie, 
durch Adrenalin bei diesem Vorgehen weder einen extra- noch 
intrapulmonalen Gefäßstreifen zu verlängern. Diese meine Er- 
gebnisse stehen somit in Übereinstimmung mit jenen der anderen 
Autoren, soweit es sich um extrapulmonale Arterienstreifen 
handelt. Dagegen widersprechen sich meine Resultate und jene 
von Cow und Barbour für intrapulmonale Gefäßstreifen. Es 
kann sich nicht um Differenzen bei verschiedenen Tierarten 


/ropfenzahl pro Minute 


20 
Zeit in Minuten 
Abb. 16. Rana temp. & mit zerstörtem Gehirn und Rückenmarke. Isolierte Durchströ- 
mung der linken Lunge. Registrierung der Durchflußmenge mit der Überlaufmethode nach 
Fleisch. Bei dem Pfeile 1 wird 1 ccm Adrenalin 1:2 000 000 injiziert. Die Tropfenzahl 
nimmt sehr erheblich ab, die Gefäßerweiterung dauert ca. 12 Min., bei dem Pfeile 2 wird 1 ccm 
Adrenalin 1 : 1000 000 injiziert, worauf wieder eine noch stärkere Gefäßerweiterung erfolgt. 
Adrenalin 1 ccm 1: 500 000 hatte bei diesem Präparate eine Verengerung zur Folge. 


handeln, da die Versuche jener Autoren ebenfalls mit Gefäßen 
vom Typus bovinus ausgeführt sind. Dagegen halte ich es für 
wahrscheinlich, daß die Unterschiede in der verschiedenen Hand- 
habung der Methodik liegen. 

Meine Resultate der Untersuchungen an künstlich durch- 
strömten Froschlungen sind in den Abb. 16—18 wiedergegeben. 

Der Gesamteindruck einer Betrachtung der Versuche in 
den Abb. 16—18 über den Einfluß des Adrenalins auf die Gefäße 
der künstlich durchströmten Froschlunge ist ein mannigfaltiger. 
Die genaue Analyse dieser Ergebnisse wird uns aber ohne Schwie- 
rigkeit eine Gesetzmäßigkeit herausschälen lassen. In der Abb. 16 


294 E. Rothlin: 


haben wir ein Beispiel der Gefäßerweiterung der LungengefaBe 
durch Adrenalin vor uns, welche recht beträchtliche Werte er- 
reichen kann, denn die Tropfenzahl erreicht nahezu das Doppelte. 
Diese Gefäßerweiterung durch Adrenalin kann bei demselben 
Präparate mit demselben Erfolge wiederholt werden, was eine 
Gewähr für die Richtigkeit dieses Befundes bietet. Die Erwei- 
terung der Gefäße durch Adrenalin der künstlich durch- 
strömten Lunge des Frosches ist somit reversibel und 


Tropfensah! pro Minute 
З 


Zeit in Minuten 

Abb. 17. Вапа temp. G mit zerstörtem Gehirn und Riickenmarke. Isollerte Durch- 
strömung der linken Lunge. Registrierung der Durchflußmenge mit der Überlaufmethode 
nach Fleisch. 

Beim Pfeile 1 wird 1 ccm Adrenalin 1 : 1 000 000 injiziert, es folgt Gefäßverengerung 


` „ 2 „ 1 cem 1: 1 000 000 = 
LU) 99 3 DA) 1 ccm LU 1 : 500 000 39 57 ДА 
os IA) 4 э” 1 ccm 1 : 500 000 LA) 77 LEI 


75 „ 5 „ 1 cem A 1 : 200 000 эў ТШЕ Se 
Die Gef&Bverengerung in den einzelnen Versuchen geht der Dosis ziemlich parallel. 
reproduzierbar. Die Dauer der Wirkung unter den ange- 
wandten Dosen beträgt 5—10 Min. Gleichsam das Gegenstück 
dieses Befundes an der Froschlunge auf einen Adrenalinreiz haben 
wir in den Versuchen in der Abb.17, wo wir eine eindeutige 
Gefäßverengerung durch Adrenalin konstatieren. Dieselbe ist 
ebenfalls reversibel und an demselben Gefäßpräparate mehrmals 
wiederholbar. Die Abnahme der Tropfenzahl geht ferner der 
angewandten Adrenalindosis parallel und der Abfall der Kurve 
ist um so steiler, je intensiver die Gefäßverengerung. Bei diesen 
Versuchen zeigt sich, daß die Phase der Kontraktion kürzer ist 
als jene der Erholung, während in den Versuchen der Gefäßerwei- 
terung beide Schenkel fast gleich ausfallen. Die Versuche in der 


. 12 


Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. IL 295 


Abb. 18 geben uns etwas kompliziertere Verhältnisse wieder als in 
den bisher besprochenen Fällen. Hier erfolgt auf eine erste 
Adrenalininjektion von 1 ccm 1 : 50 000 000 eine kräftige Gefäß- 
erweiterung, die nur partiell zurückgeht. Durch Adrenalin von 
l cem 1: 20 000 000 werden die Gefäße dann nochmals erweitert. 
Eine folgende Injektion von 1 ccm Adrenalin 1 : 1000000 in 


Т а 
| Se 


5 


pro Minute 


nN, 


Trop, 
5 


i 

| ' 1 4 ’ . 
d 20 30 “0 50 60 0 
| Zeit in Kinuden 
Abb. 18. Rana temp. G mit zerstörtem Gehirn- und Rückenmarke. Isolierte Durchströ- 
mung der linken Lunge. Registrierung der Durchflußmenge mit der Überlaufmethode nach 
Fleisch. Beim Pfeile1 wird 1 ccm Adrenalin 1: 50 000 000 injiziert, es folgt eine starke Ge- 
fäßerweiterung, welche nicht mehr vollständig zurückgeht. Beim Pfeile 2 wird 1 ccm Adrena- 
lin 1: 20 000 000 injiziert, ea folgt wieder eine Zunahme der Tropfenzahl (Gefäßerweiterung). 
Vor der Erholung der Gefäße wird beim Pfeile 3 1 ccm Adrenalin 1 : 1 000 000 injiziert, wo- 
rauf eine Verengerung der Gefäße erfolgt mit sekundärer Erweiterung. Beim Pfeile 4 wird 
1 ccm Adrenalin 1 : 500 000 injiziert, die Folge ist eine stärkere Abnahme der Tropfenzahl 
wie zuvor, ohne sekundäre Erweiterung. Bei den Pfeilen 5 und 6 wird je Adrenalin 1 ccm 

1 : 100 000 injiziert, es erfolgt beidemal eine erhebliche Gefäßverengerung. 


0 


diesem erweiterten Zustande der Gefäße verursacht eine primäre 
Verengerung, welche von einer sekundären Erweiterung gefolgt 
ist. Stärkere Adrenalindosen auf dasselbe Präparat lösen aus- 
schließlich eine Gefäßkontraktion aus. Hier muß nun bemerkt 
werden, daß eine allmähliche Erweiterung der Lungengefäße 
auch ganz spontan eintreten kann, d. h. bei bloßer Durchströmung 
mit Ringerlösung. Die Kurve hat dann aber einen ganz anderen 
Charakter, sie ist durch einen allmählichen Verlauf gekennzeichnet. 
Diese kann daher mit dem steilen Verlauf der Adrenalinkurve 


296 | E. Rothlin: 


nicht verwechselt werden. Ich vermute aber in dieser Erscheinung 
die Ursache, weshalb die einmal durch Adrenalin erweiterten Ge- 
fäße nicht mehr zum ursprünglichen Tonus zurückkehren. 

Adrenalin hat somit auf die künstlich durchströmte Frosch- 
iunge nicht immer dieselbe qualitative Wirkung, sondern löst 
Innerhalb der Grenzen der wirksamen Dosen überhaupt, entweder 
eine Gefäßerweiterung oder eine Gefäßverengerung aus, welch 
letztere evtl. von einer sekundären Erweiterung gefolgt sein kann. 
Der jeweilige qualitative Ausschlag ist unter Berücksichtigung 
der verschiedenen Erregbarkeit der Präparate ausschließlich 
bedingt durch die angewandte Adrenalindosis. Die ersten wirk- 
samen Adrenalindosen nach überschrittener Reizschwelle verur- 
sachen eine Erweiterung der überlebenden Froschlungengefäße, 
während stärkere Dosen bei demselben Präparate mit einer 
Gefäßverengerung beantwortet werden. Dies geht am besten 
aus der Versuchsreihe der Abb.18 hervor. Dabei ist es aber prak- 
tisch nicht möglich, diese qualitativ verschieden wirksamen 
Adrenalindosen schematisch abzugrenzen. So sehen wir, daß in 
der Abb. 16 1 ccm Adrenalin 1: 100 000 die Lungengefäße er- 
weitert, Leem 1: 500 000 dieselben aber verengt. Anderseits 
hat in der Abb. 18 1 ccm 1 : 50 000 000 eine Erweiterung und 
l ccm 1: 1 000 000 dagegen eine Verengerung zur Folge. Immer- 
hin glaube ich auf Grund meiner Versuche sagen zu können, daß 
allgemein die Adrenalindosis von 1 ccm 1 : 1 000 000 den Wende- 
punkt darstellt, wo je nach der Erregbarkeit des Praparates eine 
Erweiterung bzw. eine Verengerung auftreten kann. Als Reiz- 
schwelle dürfte eine Adrenalindosis von Leem 1 : 100 000 000 
gelten. Die Erregbarkeit der künstlich durchstrémten Frosch- 
lunge ist aber sehr schwankend und es kommt selbst vor, daß ein 
Präparat sich gegenüber Adrenalindosen von 1 ccm 1 : 50 000 bis 
1 : 20000 refraktär verhält. 

Meine Ergebnisse über die Adrenalinwirkung auf die künst- 
lich durchströmte Lunge des Frosches mit zerstörtem Gehirn 
und Riickenmark lassen sich wie folgt zusammenfassen: Adre- 
nalin kann die Gefäße der Froschlunge sowohlerweitern 
als verengern. Der qualitative Ausschlag ist jeweilig 
bedingt durch die Konzentration der angewandten 
Adrenalindosis. Allgemein lösen schwache Dosen eine 
Erweiterung, stärkere Dosen eine Verengerung der 


Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. II. 297 


Froschlungengefäße aus. Wir besitzen in diesen Er- 
gebnissen ein weiteres Beispiel für die Tatsache, daß 
Adrenalin bei gewissen Gefäßen sowohl den constric- 
torischen als den dilatatorischen Mechanismus zu 
erregen vermag. 

Wenn wir nun einen quantitativen Vergleich ziehen zwischen 
der Adrenalinwirkung bei den überlebenden Froschlungengefäßen 
und jenen der Hinterextremität bzw. des Splanchnicusgebietes, 
so können wir ohne Zweifel sagen, daß die kleinste auf die letzteren 
wirksame Dosis bei den ersteren ohne Erfolg ist, die Lungen- 
gefaBe somit auf Adrenalin eine geringere Erregbarkeit 
aufweisen. Ich erwähnte auch oben, daß ich Versager bis auf 
Dosen von 1 ccm 1 * 50 000 antraf. Ferner sehen wir 2. В. aus den 
Versuchen in der Abb. 18, daß die Lungengefäße selbst auf sehr 
starke, ja toxisch zu nennende Adrenalindosen nie jenen Grad 
der Verengerung erreichen, wie dies bei der Hinterextremität 
auf 10—100fach schwächere Dosen leicht erzielt werden kann. 
Zu der geringeren Erregbarkeit der Lungengefäße 
gegenüber Adrenalingeselltsichaußerdemeine weniger 
intensive Contractilität derselben. Analoge Resultate hat 
Tribe!) für Lungengefäße von Säugern beschrieben. 

Meine Resultate über die Wirkungsweise des Adrenalins an 
isolierten Gefäßen von extra- und intrapulmonalen Arterienstreifen 
und diejenigen an der künstlich durchströmten Froschlunge 
widersprechen sich insofern, als bei den ersteren ausschließlich 
eine Kontraktion, bei den letzteren dagegen je nach der Adre- 
nalindosis eine Dilatation bzw. eine Kontraktion nachweisbar 
ist. Die Ursache dieser Divergenz mag darin liegen, daß bei der 
Gefäßstreifenmethode nur relativ große Gefäße zur Untersuchung 
gelangen, wir somit das Verhalten der Arteriolen und der Capillaren 
nicht berücksichtigen. Ferner könnte ein verschiedenes Verhalten 
bei verschiedenen Tierarten vorliegen, oder selbst der dilatatorische 
Mechanismus an isolierten Gefäßen sich schlechter konservieren 
lassen, wie das für die Nierenarterien der Fall ist. Die Ergebnisse 
an der Froschlunge sprechen aber in dem Sinne, daß der Wider- 
spruch der Resultate, wie wir sie im bibliographischen Überblick 
über die Wirkungsweise des Adrenalins an künstlich durchströmten 
Lungen und im Experiment in vivo kennen gelernt haben, ein 
) Tribe, L c. S. 289. 


298 E. Rothlin: Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Substanzen. 


scheinbarer ist. Denn zufolge der zweifachen, von der Dosis 
abhängigen Beeinflußbarkeit der Lungengefäße, sowie der ge- 
ringeren Erregbarkeit gegenüber Adrenalin überhaupt, ist je nach 
den besonderen Umständen der Nachweis einer Dilatation bzw. 
Kontraktion oder einer Indifferenz ermöglicht. Ohne auf Grund 
dieser Daten an der Froschlunge direkt per analogiam auf die 
Verhältnisse in vivo und künstlich durchströmter Organe anderer 
Tierarten schließen zu wollen, so dürften bei Berücksichtigung 
dieser wesentlichen Punkte über das Verhalten der Lungengefäße 
gegenüber Adrenalin die experimentellen Ergebnisse auch bei jenen 
Versuchsbedingungen einheitlicher ausfallen, als dies bisher der 
Fall war. Bei dem Experiment in vivo sind allerdings noch andere 
Faktoren zu berücksichtigen. Einmal können blutdruckregulie- 
rende Mechanismen mechanischer und nervöser Art die ursprüng- 
liche Adrenalinwirkung auf die Lungengefäße beeinflussen. Ferner 
verursachen die durch operative Eingriffe veränderten Lebens- 
bedingungen der Lungen, welche eine solche Untersuchung in vivo 
notwendigerweise erfordert, Schwierigkeiten, deren Bedeutung 
auch daraus erhellt, daß die Meinungsverschiedenheiten über die 
Wirkungsweise des Adrenalins auf die Lungengefäße gerade in 
neuester Zeit (Weber, Cloetta u. a.) dadurch bedingt zu sein 
scheinen. Über die Frage der Vasomotoren der Lungengefäße 
wird in der allgemeinen Diskussion der experimentellen Daten 
die Rede sein. 


Experimentelle Untersuchungen über die Wirkungsweise 
einiger chemischer, vasotonisierender Substanzen orga- 
nischer Natur auf überlebende Gefäße. II. 


Von 
E. Rothlin. 


(Aus dem physiologischen Institut der Universität Zürich.) 
(Eingegangen am 29. Juni 1920.) 
Mit 18 Abbildungen im Text. 


In der vorhergehenden Mitteilung sind die Resultate über die 
vasotonisierenden Eigenschaften des Oxalat- bzw. Normalblutes, 
des Blutserums und des Adrenalins mitgeteilt. Unsere diesbezüg- 
liche Analyse soll im folgenden durch eine analoge Untersuchung 
mit ß-Imidazolyläthylamin (Histamin), Pituglandol und Lienin 
(Milzextrakt) vervollständigt werden. Im Anschluß daran folgt 
eine Diskussion der experimentellen Daten aller hier untersuchten 
vasotonisierenden Substanzen. 


4. Versuche mit 8-Imidazolyläthylamin auf überlebende Gefäße 
verschiedener Organgebiete und verschiedener Tierarten. 


ß-Imidazolyläthylamin, auch Histamin genannt, wurde von Acker- 
mann!) durch bakteriellen Abbau aus dem Histidin gewonnen, Berthelot 
und Bertrand?) sowie gleichzeitig Mellanby und Tworth?) konnten 
aus dem Darminhalt Bakterien gewinnen, welche Histidin in das Histamin 
verwandeln. Kutscher“) isolierte dann aus dem Mutterkorn eine Base, 
von deren physiologischen Wirkungen Ackermann und Kutscher’) 
schrieben: „Nach diesen Versuchen scheint die Secalebase ein Körper zu 
sein, der chemisch dem Imidazolyläthylamin nahesteht, sich in seiner 


1) Ackermann, Zeitschr. f. physiol. Chemie 64, 504. 1910. 

2) Berthelot und Bertrand, Compt. rend. de la soc. de biol. 154, 
643. 1912. 

3) Mellanby und Tworth, Amer. journ. of physiol. 45, 53. 1912. 

4) Kutscher, Zentralbl. f. Physiol. 24, 163. 1910. 

5) Ackermann und Kutscher, Zeitschr. f. Biol. 54, 387. 1910. 


300 E. Rothlin: 


physiologischen Wirkung aber wesentlich davon unterscheidet.“ Barger 
und Dale!) gelang es aber, diese Secalebase als Histamin zu identifizieren. 
Außerdem konnten Barger und Dale?) dieselbe Base im Extrakte der Darm- 
schleimhaut nachweisen und ebenso im Secretin von Bayliss und Starling. 
Barger und Dale nehmen ferner an, daß im „Vasodilatin“ von Po- 
pielski*), Popielski und Panek‘*), welches ebenfalls aus der Schleim- 
haut des Darmtraktus gewonnen wird, das Histamin eine aktive Kompo- 
nente darstellt. Die Wirkungen des Histamin sind sowohl vom physiolo- 
gischen als pathologischen Standpunkte äußerst interessant und dies um so 
mehr, als auf Grund der obigen Mitteilungen die Anzeichen sich mebren, 
daß diese Base im Stoffwechsel des Organismus vorkommt und evtl. gewisse 
Funktionen ausübt. Im Rahmen vorliegender Arbeit soll uns die vaso- 
tonisierende Eigenschaft dieser Base beschäftigen. Die ersten systema- 
tischen Untersuchungen über die vasotonisierende Wirkung des Histamins 
stammen von Dale und Laidlaw‘). Nach diesen Autoren hat Histamin 
auf die Gefäße vom Körper isolierter, künstlich durchströmter Organe beim 
Hund und Katze stets einen vasoconstrictorischen Effekt zur Folge; so auf 
die Gefäße der Extremitäten, Lunge und Niere. Damit stimmen die Ergeb- 
nisse an isolierten Gefäßstreifen von Barbour®) überein; die Gefäße der 
Extremitäten und des Herzens werden durch Histamin kontrahiert. Ebenso 
fand Krawkow’) am isoliert durchströmten durch O,-Mangel zum Still- 
stand gebrachten Kaninchenherzen, daß Histamin in Dosen von 1 : 500 000 
bis 5 000 000 eine starke Verengerung der Herzkranzarterie auslöst. Ra be“) 
konstatierte dagegen in 2 Fällen Erhöhung, in zwei anderen Fällen Abnahme 
der Durchflußmenge durch das künstlich durchströmte Herz des Hundes 
nach Applikation von Histamin. Baehr und Pick?) konnten bei der über- 
lebenden Meerschweinchenlunge mit Histamindosen von 0,001 g überhaupt 
keine vasotonisierende Wirkung beobachten. Handowsky und Pick!) 
fanden, daß 0,001 g Histamin bei der Froschhinterextremität nach Läwen- 
Trendelenburg primär keine nennenswerte Gefäßerweiterung verursacht. 
Wird aber der Tonus des Froschgefäßpräparates durch eine vasoconstric- 
torisch wirksame Substanz (Adrenalin oder Blutserum) erhöht, „dann läßt 
sich sofort die Wirkung der Base, und zwar als mächtige Dilatation nach- 
weisen“. Adrenalin und Histamin haben für diese Autoren eine antagoni- 


1) Barger und Dale, Zentralbl. f. Physiol. 24, 885. 1910. 

2) Barger und Dale, Amer. journ. of physiol. 41, 499. 1911. 

8) Popielski, Arch. f. d. ges. Physiol. 128, 191. 1909. 

) Popielski und Panek, Zentralbl. f. Physiol. 23, 137. 1909. 

5) Dale und Laidlaw, Amer. journ. of physiol. 41, 318. 1910—11 
und 43, 182. 1911—12. 

6) Barbour, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. 68, 41. 1912. 

7) Krawkow, Arch. f. d. ges. Physiol. 157, 501. 1914. 

8) Rabe, Zeitschr f. exper. Pathol. u. Ther. 11, 175. 1912. 

a Baehr und Pick, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. 74, 65. 1913. 

10) Handowsky und Pick, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 
71, 89. 1913. 


Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. IIT. 301 


stische vasotonisierende Wirkung. Dale und Laidlaw haben ferner zuerst 
die Wirkung des Histamins auf den Blutdruck in vivo untersucht. Dabei 
ergab sich eine frappante Diskrepanz gegenüber den Versuchen an über- 
lebenden Gefäßen derselben Tiere. Histamin verursacht nach diesen Autoren 
beim Hund und Katze, Affen und Huhn nach intravenöser Injektion eine 
Blutdrucksenkung im großen Blutkreislauf. Beim Meerschweinchen und 
Kaninchen tritt unter denselben Versuchsbedingungen eine Blutdruck- 
senkung ein. Die Lungengefäße machen dabei eine Ausnahme, denn: „the 
pulmonary arteries on the other hand constrict in repons to the drug whether 
in the body or isoslated‘‘. Da Dale und Laidlaw auch nach Exstirpation 
des zugehörigen sympathischen Neurons die Gefäßerweiterung in der be- 
treffenden Vorderextremität bei der Katze nach wie vor beobachteten, er- 
klären die Autoren: „we must conclud therefore, that the vasodilator effect 
of B- iminazolylethylamin in the dog, cat and some other animals is a primary 
action, periphereal in origine, independent of the integrity of the sympa- 
thetic neurones. Its failure to occur in the isolated perfused organe is still 
inexplained.“ Cloetta und Anderes!) haben diese Diskrepanz der Wir- 
kungsweise des Histamins auf den Blutdruck des großen und kleinen Kreis- 
laufes bei der Katze bestätigen können, während Weber?) durch diese Base 
eine Erweiterung der Lungengefäße konstatierte. Weber glaubt, daß die 
Blutdruckerhöhung im kleinen Kreislauf durch Histamin von Cloetta und 
Anderes und damit notwendigerweise auch jene von Dale und Laidlaw 
durch die constrictorische Wirkung des Histamins auf die Bronchialmusku- 
latur zurückzuführen sei. 


Meine Untersuchungen über die vasotonisierende Wirkung 
des Histamins sind an überlebenden Gefäßen mit „Imido“ La 
Roche?) ausgeführt, und zwar an isolierten Gefäßstreifen verschie- 
dener Gefäßgebiete von Warmblütern, am isoliert durchströmten 
Kaninchenohr und ferner an verschiedenen Gefäßgebieten beim 
Frosch (das Gesamtgefäßsystem, Splanchnicusgefäße, die Gefäße 
der Extremitäten und der Lunge). 


a) Versuche an Isolierten Arterienstreifen. 


Diese Beispiele (Abb. 1—3, S. 302) an isolierten Arterien- 
streifen zeigen, daß Histamin auf diese Testobjekte stets einen 
vasoconstrictorischen Einfluß ausübt, gleichgültig von welchem 
Gefäßgebiete die Arterienstreifen stammen. Untersucht habe 
ich folgende Gefäße: Art. carotis, femoralis, mesenterica, gastrica, 


1) Cloetta und Anderes, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. 76, 
125. 1914. 

2) Weber, Arch. f. Physiol. 1910/12. 377. u. 383. Supplb. 79, 301. 1916. 

3) Der Firma Hoffmann La Roche verdanke ich die freundliche Uber- 
lassung des Präparates. 


Biochemische Zeitschrift Band 111. 20 


302 E. Rothlin: 


Abb. la. 


Abb. 1b. 


Abb. la und b. A distaler, B proximaler Streifen einer Nierenarterie von Kuh. 
Belastung je 20 g. Zeitmarkierung alle 6 Sek. Bei der Marke 1 wird zu beiden Gefäßen 
Histamin 1 : 25 000 000, bei der Marke 2 Histamin 1 : 10 000 000, bei Gefäß B tritt nach lan. 
ger Latenzzeit eine Verkürzung mit rhythmischen Schwankungen ein, da bel Gefäß A kein 
Erfolg eintritt, wird die Konzentration auf 1 : 5 000 000 erhöht, worauf eine ganz unerheb- 
liche Verkürzung auftritt, auch hier wird der Tonus rhythmisch erhöht. In der Abb. b wird 
zu beiden Gefäßen bei der Marke 4 Histamin 1 : 1 000 000 zugesetzt, worauf in beiden Ge- 
fäßen eine Kontraktion mit rhythmischen Schwankungen erfolgt. Verkl.’/.. 


Abb. 2. Art. lienalis von Kuh. А distaler, B proximaler Streifen. Belastung је 20 g. Zeit- 
schreibung alle 6 Sek. Bei der Marke 1 wird Histamin 1: 1 000 000 zugesetzt. Es tritt bei 
beiden Gefäßen eine Verkürzung ein. Verkl.?/.. 


Abb. 3. B Art. coronaris cordis von Kuh. A Art. coronaris cordis von Pferd. Belastung 
der Gefäße mit je 25 g. Zeitschreibung alle 6 Sck. Histamin 1: 1 000 000 bringt beide Ge- 
fäße zur Verkürzung. Verkl. !/,. 


Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. III. 303 


splenica, renalis, pulmonalis und coronaris cordis. Die Resultate 
für die Gefäße von Typus bovinus, equinus und vom Schwein 
stimmen ganz überein. Die wirksame Dosis liegt ungefähr 
bai derselben Konzentration wie für Adrenalin. Eine 
qualitativ verschiedene Wirkung durch Abstufung der Konzentra- 
tion, wie dies für Adrenalin mit positivem Erfolge an der Art. 
renalis z. B. durchgeführt wurde, ergab ein negatives Resultat, 
stets löste jeder überschwellige Reiz eine Verkürzung 
des Gefäßstreifens aus. Gefäßerweiterung wurde nie 
erzielt. Das Histamin wirkt auch ebenso regelmäßig auf isolierte 
Gefäßstreifen wie das Adrenalin, Versager habe ich keine 
beobachtet. 
b) Versuche am isoliert durchströmten Kaninchenohr. 

Der Versuch in der Abb.4 ergibt, daß Histamin auf die 
Gefäße des isolierten, künstlich durchströmten Kaninchenohres 
in sehr verdünnter Konzentration eine kräftige vasoconstric- 


7 


— al 
Vie 


40 D 
Zeit in Minder 
Abb. 4. Versuch am isoliert durchströmten Kaninchenohr. Registrierung der Durchfluß. 
menge, mit der Überlaufmethode von Fleisch. Versuchstemperatur 17°. 
Pfeil 1 Injektion von 1 ccm Ringer zur Kontrolle. 
Pfeil 2 Injektion von I ccm Ringer zur Kontrolle. 
Pfeil 3 Injektion von 1 ccm Ringer zur Kontrolle. 
Pfeil 4 Injektion von 1 ccm Adrenalin 1: 1 000 000 000, starke Gefäßkontraktion. 
Pfeil 5 und 6 Injektion von 1 ccm Ringer zur Kontrolle. 
Pfeil 7 Injektion von 1 ccm Adrenalin 1: 10 000 000 000, Gefäßkontraktion. 
Pfeil 8 Injektion von 1 ccm Histamin 1 : 10 000 000 000, Gefäßkontraktion. 
Pfeil 9 Injektion von 1 ccm Ringer zur Kontrolle. 


torische Wirkung ausübt. Wie aus diesem Versuch hervorgeht, 
ist die Wirksamkeit des Histamins verglichen mit jener des Adre- 
.nalins bei demselben Präparate etwas größer. Diese Beein- 
flussung der Gefäße des Kaninchenohres durch Histamin kann 
regelmäßig erzielt werden, es bestehen allerdings Unterschiede 


20* 


304 E. Rothlin: 


der Erregbarkcit der einzelnen GefaBpraparate. Dabei zeigte sich 
stets, daB, wenn eine geringe Erregbarkeit gegenüber Histamin 
bestand, dieselbe auch für Adrenalin herabgesetzt war. Mit 
ß-Imidazolyläthylamin konnte bei überlebenden Gefäßen des 
Kaninchenohres nie eine Gefäßerweiterung beobachtet werden. 


е) Versuche an isoliert durchströmten Gefäßgebieten des Frosches. 
Die Versuche der Abb. 5—9 sind einige typische Beispiele 

für die Wirkungsweise des Histamins auf die überlebenden Gefäß- 
gebiete beim Frosche. Aus dem Versuche der Abb. 5 können wir 
schließen, daß diese Base einen vasoconstrictorischen Effekt 
auf die überlebenden Gefäße der Froschhinterextremität 
hat. Diese Wirkungsweise des Histamins auf dieses Gefäßpräparat 
dürfte in der Mehrzahl der 
Fälle zutreffen, läßt sich aber 


8 = entschieden nicht mit jener 
© Regelmäßigkeit auslösen wie 
N bei den isolierten Gefäßstreifen 
N 70 und am Kaninchenohr. Meist 
À sind Dosen von 1: 1—40 000 000 
N vasoconstrictorisch wirk- 


sam, aber nicht selten sind selbst 
70 Dosen von 1 : 50—100 000 von 
Zeit in Minuten 


Abb. 5. Isolierte Durchströmung der rechten Nur ganz geringem oder sogar 


Hinterextremität des Frosches mit zerstörtem ied 181 d 
onn en vasotonisierende 
Gehirn und Riickenmarke. Registrierung der h ou to п 


Durchflußmenge mit der Überlaufmethode Einfluß. Die Gefäßkontraktion 
Beim Pfeile 1 een 1 ccm Histamin bei der Froschhinterextremitat 

a fit ene Verengeune der durch Histamin ist nicht nur 
Beim Pfeile 2 Injektion von 1 cem Histamin in konstant, sondern ver- 

1: 2 000 000, der Effekt ist йш glichen mit der Wirksamkeit 
des Adrenalins ist sie weniger intensiv. Es kann also eine Be- 
sonderheit der Histaminwirkung auf die Froschhinterextremität 
betrachtet werden, daß ein Präparat entweder schon auf geringe 
Dosen wie 1: 10—20 000 000 anspricht, oder dann selbst auf 
10—100 fache Dosen nicht teagiert. Stärkere Dosen als 1: 100 000 
habe ich nicht untersucht, da ich solche Dosen auBerhalb der 
physiologischen Grenze erachte. Wenn ein solches GefaBpraparat 
auf eine Histamindosis eine Gefäß verengerung aufweist, so kann 
dieselbe mit derselben Dosis wiederholt werden (Abb. 5), dieser 


zweite Effekt ist dem ersten gewöhnlich analog. 


Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. Ш. 305 


Nie konnte ich mit Histamin bei der Froschhinter- 
extremität eine Gefäßerweiterung erzielen. Meine Re- 
sultate über die Wirkung des Histamins stehen somit in Wider- 
spruch mit jenen von Handowsky und Pick!), welche durch 
Histamin nur eine Tonuserschlaffung nachweisen konnten, und 


Tropfenzahl pro Minute 


10 


20 

Zeit in Minuten 

Abb. 6. Künstliche Durchströmung des ganzen Gefäßsystems eines Frosches mit zer- 

störtem Gehirn und Rückenmarke, von der linken Aorta aus. Registrierung der Durchfluß- 
menge mit der Überlaufsmethode von Fleisch. 

Beim Pfeile 1 Injektion von loccm Histamin 1 : 400 000, Gefäßkontraktion. 

Beim Pfeile 2 Injektion von 1 ccm Histamin 1 : 400 000 Gefäßkontraktion. 

Beim Pfeile 3 Injektion von 1 ccm Lienin 1 : 200, Gefäßkontraktion. 

Beim Pfelle 4 Injektion von 1 ccm Histamin 1 : 1000 000, Gefäßkontraktion. 

Beim Pfeile 5 Injektion von 1 ccm Histamin 1: 10 000 000 Gefäßerweiterung. 

Beim Pfeile 6 Injektion von 1 ccm Histamin 1 : 1 000 000 Gefäßköntraktion. 


zwar besonders unter Veısuchsbedingungen, wo der Gefäßtonus 
vorerst durch Adrenalin oder Blutserum erhöht worden war. 
Diesbezügliche Versuche ergaben mir nicht nur bei der Frosch- 
extremität, sondern auch bei der Durchströmung des ganzen Gefäß- 
systeme von der Aorta aus stets dasselbe Resultat, welches in 
dem vasoconstrictorischen Effekt des Histamins besteht. In der 


1) Handowsky und Pick, l. с. S. 300. 


306 E. Rothlin: 


Abb. 7 ist ein solches Beispiel wiedergegeben. Diese Diskrepanz 
ist mir unerklärlich, es müßte denn sein, daß dieselbe durch die 
von Handowsky und Pick verwendeten sehr hohen Dosen 
verschuldet sind, denn die Autoren applizierten regelmäßig 1 mg, 
eine Dosis, welche nach Berthelot und Bertrand!) für lkg 
Kaninchen toxisch ist. 

Der Einfluß des Histamins auf das ganze Gefäßsystem 
des Frosches mit zerstértem Gehirn und Rückenmarke, mit Aus- 
nahme der Lungengefäße, ist in den Abb. 6 u. 7 wiedergegeben. 


DU 


дел in Minuten 


Abb. 7. Künstliche Durchströmung des ganzen Gefäßsystems eines Frosches mit zerstortem 
Gehirn und Rückenmarke, von der linken Aorta aus. Registrierung der Durchflußmenze 
mit der Überlaufmethode von Fleisch. 

Beim Pfeile 1 Injektion von 1 ccm Histamin 1: 10 000 000 Gefäßverengerung. 

Beim Pfeile 2 Injektion von 1 ccm Histamin 1 : 10 000 000 Gefäßverengerung. 

Beim Pfeile 3 Injektion von 1 ccm H stamin 1 : 10 000 000 Gefäßverengerung. 

Beim Pfeile 4 Injektion von 1 ccm Adrenalin 1 : 500 000 Gefäßverengerung. 

Beim Pfeile 5 Injektion von 1 ccm Histamin 1 : 10 000 000 Gefäßverengerung. 

Beim Pfeile 6 Injektion von 1 cem Adrenalin 1: 10 000 000 Gefäßverengerung. 

Beim Pfeile 7 Injektion von 1 ccm Pituglandol 1 : 1000 Gefäßverengerung. 


Die Versuche zeigen, daß Histamin unter diesen Bedingungen 
in Konzentrationen von 1: 400 000 bis 1 : 10 000 000 eine erheb- 
liche Gefäßverengerung auslösen kann, welche mit demselben 
Erfolge beim gleichen Präparate reproduzierbar ist. Auch unter 
diesen Durchströmungsverhältnissen besteht keine Konstanz 
der Histaminwirkung, es treten auch hier innerhalb Dosen von 
1 : 50 000—10 000 000 absolute Versager auf. Auf ganz ge- 
ringe Dosen kann eine Gefäßerweiterung durch Histamin 
auftreten, wie dies im Versuch der Abb. 6 (bei der 5. Injektion, 
Histamin 1: 20 000 000) der Fall ist. Ein solcher vasodilatierender 


1) Berthelot und Bertrand, Compt. rend. de la soc. de biol. 155, 
360. 1912. 


30 


Tropferrzahl pro Minde 


8 


Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. III. 307 


Effekt durch Histamin läßt sich am ehesten zu Beginn des Ex- 
perimentes auslösen, aber ohne Regelmäßigkeit. Eine solche 
Gefäßerweiterung darf nur dann als eine Folge der Histamin- 
wirkung betrachtet werden, wenn sie rasch eintritt, reversibel 
und reproduzierbar an demselben Präparate ist. Denn eine all- 
mähliche Erweiterung der Gefäße in der ersten halben Stunde 
nach Beginn des Experimentes kommt auch bei bloßer Durch- 
strömung mit Ringerlösung vor. Eine Gefäßerweiterung konnte 
ich ferner bei isolierter Durchströmung der TA nchnicus- 


Abb. 8. Isolierte Durchströmung der rechten Lunge eines Frosches mit zerstörtem Gehirn 
und Rückenmarke. Registrierung der Durchflußmenge mit der Überlaufmethode von Fleisch. 
Beim Pfeile 1 Injektion von 1 ccm Histamin 1 : 10 000 000 Gefäßkontraktion. 


Beim Pfeile 2 Injektion von 1 ccm Histamin 1: 10 000 000 Gefäßkontraktion. 
Beim Pfeile 3 Injektion von 1 ccm Histamin 1 : 100 000 000 Gefäßdilatation. 
Beim Pfeile 4 Injektion von 1 ccm Histamin 1: 1 000 000 Gefäßkontraktion. 
Beim Pfeile 5 Injektion von 1 ccm Histamin 1: 1 000 000 Gefäßkontraktion. 
Beim Pfeile 6 Injektion von 1 ccm Histamin 1: 500 000 Gefäßkontraktion. 
Beim Pfeile 7 Injektion von 1 ccm Adrenalin 1: 1 000 000 Gefäßerweiterung. 
Beim Pfeile 8 Injektion von 1 ccm Histamin 1: 500 000 Gefäßkontraktion. 
gefäße des Frosches beobachten, aber auch hier tritt sienursehr 
selten ein und ebenfalls nur auf ganz geringe Histamindosen. 
Diese Erscheinung ist nicht im Einklang mit den Resultaten von 
Dale und Laidlaw!), welche bei überlebenden Gefäßen stets 
nur einen vasoconstrictorischen Effekt erzielten, auch bei Hund 
und Katze, wo in vivo durch Histamin der Blutdruck erniedrigt 
wird. Es scheint aber, daß beim Frosch unter gewissen Be- 
dingungen und bei gewissen Gefäßgebieten durch Histamin der 
dilatatorische Mechanismus auch im überlebenden Zustande 
erregt werden kann. 

Die Beeinflussung der Lungengefäße des Frosches durch 


Histamin ist in den Abb. 8 u. 9 dargestellt. Die Versuchsserie 
1) Dale und Laidlaw, l. с. S. 300. 


308 E. Rothlin: 


in der Abb. 8 zeigt, daß Histamin die überlebenden Lungengefäße 
zu kontrahieren vermag, in Dosen bis zu 1 : 10000 000. Stär- 
kere Histamindosen haben einen stärkeren vasoconstrictorischen 
Effekt. Diese Wirkung kann mehrere Male mit demselben Er- 
folge beim gleichen Präparate wiederholt werden. In derselben 
Versuchsreihe zeigt sich ferner, daß ganz geringe Histamindosen 
(3. Injektion) die Lungengefäße dilatieren können. Ich bemerke 
aber, daß auch hier eine solche Wirkung nicht regelmäßig 


Tropfenzah! pro Minute 


Abb. 9. Isolierte Durchströmung der linken Lunge eines Frosches mit zerstörtem Gehirn 
und Rückenmarke. Registrierung der Durchflußmenge mit der Überlaufmethode von Fleisch. 
Beim Pfeile 1 Injektion von 1 ccm Histamin 1: 10 000 000 Gefäßkontraktion. 

Beim Pfeile 2 Injektion von 1 ccm Histamin 1: 2 000 000 Gefäßkontraktion mit Rhyth- 


mus. 
Beim Pfeile 8 Injektion von 1 cem Histamin 1: 500 000 Gefäßkontraktion mit Rhyth- 
mus. 


Beim Pfeile 4 Injektion von 1 ccm Histamin 1: 2 000 000 Gefäßkontraktion. 


auslösbar ist. Die Versuchsreihe der Abb. 9 bringt wieder den 
vasoconstrictorischen Einfluß des Histamins auf die Lungengefäße 
des Frosches zur Anschauung. Dabei tritt in sehr markanter 
Weise die Auslösung von rhythmischer Tätigkeit auf. Solche 
erhebliche rhythmische Schwankungen habe ich bei bloBer Durch- 
strömung mit Ringerlösung nie beobachtet. In der Abb. 8 sind 
zu Beginn des Versuches solche rhythmische Schwankungen 
registriert, wie sie bei Ringerdurchströmung nicht selten auf- 
treten. Die Auslösung von rhythmischen Schwankungen wie im 
Versuch der Abb. 9 ist aber nicht eine regelmäßige Erscheinung 


Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. III. 309 


der Histaminwirkung. Histamin ist ferner auch auf die Lungen- 
gefäße bei gewissen Präparaten absolut unwirksam, wenigstens 
innerhalb der von mir untersuchten Dosen. 

Wir können sagen, daß Histamin in der Regel die 
isoliert durchströmtenLungengefäße des Frosches kon- 
trahiert, die wirksame Grenzdosis liegt bei 0,000001 bis 
0,0000001 g, schwächere Dosen können wahrscheinlich 
eine Gefäßerweiterung verursachen. 

Diese Ergebnisse decken sich insofern mit jenen von Dale 
und Laidlaw bei überlebenden Gefäßen und in vivo, sowie mit 
jenen von Cloetta und Anderes in vivo, als dieselben einen 
vasoconstrictorischen Effekt auf die Lungengefäße annehmen. 
Die beobachtete Gefäßerweiterung deckt sich mit dem Befund 
von Weber in vivo nur insoweit, als ich eine Erschlaffung des 
Tonus der Lungengefäße unter gewissen. Umständen möglich 
erachte. Weber glaubt aber, daß Histamin die Lungengefäße 
nicht kontrahiert. Die weitere Forschung wird zeigen können, 
ob sich diese Verschiedenheiten der Resultate evtl. durch einen 
qualitativ verschiedenen Einfluß der angewandten Konzentration 
erklären lassen, wie dies für die überlebenden Gefäße des Frosches 
der Fall zu sein scheint. 

Die Schlußbetrachtung über die Wirkungsweise des Histamins 
auf die untersuchten überlebenden Gefäße führt uns zu folgenden 
Ergebnissen: Es besteht ein qualitativer Unterschied in der 
BeeinfiussungüberlebenderGefäßedurchHistamin. Die 
isolierten Arterienstreifen der verschiedensten Gefäß- 
gebiete und verschiedener Tierarten, sowie die Gefäße 
des KaninchenohreswerdenmitjederRegelmäßigkeitdurch 
jeden überschwelligen Reiz kontrahiert, und zwarin Konzen- 
trationen, wiesie für dieselben Gefäßpräparateauch für Adrenalin be- 
stehen. Alleuntersuchten Gefäßgebiete desFrosches, das 
Gesamtgefäßsystem bei Durchströmung von der Aorta 
aus, die Hinterextremität, die SplanchnicusgefaBe 
und die Lungengefäße weisen eine Inkonstanz der 
Erregbarkeit für Histamin auf, was für Adrenalin 
außer den Lungengefäßen keineswegs zutrifft. Bei 
allen diesen Präparatentretenabsolute Versager inner- 
halb der untersuchten Konzentrationen auf. Die Frosch- 
hintere xtremität wird, wenn überhaupt, durch Histamin nur 


310 E. Rothlin: 


vasoconstrictorisch beeinflußt. Das Gesa mtgefäßsyste m, 
die Splanchnicusgefäße sowie die Lungengefäße dagegen 
können durch die ersten überschwelligen Reize wahr- 
scheinlich dilatiert, durch stärkere Dosen in der Regel 
kontrahiert werden. Die wirksamen Dosen für Histamin 
beidiesen GefaBpraparaten, Hinterextremität, Splanch- 
nicusgebietuud GesamtgefaBsystem stehenim Vergleich 
zu jenen des Adrenalins 10—100fach zurück. Bei den 
Lungengefäßen dagegen sind die wirksamen Histamin- 
dosen jenen für Adrenalin ungefähr gleich. Es wird 
weiterer Untersuchungen bedürfen, um die Ursachen der Inkon- 
stanz sowie der evtl. Möglichkeit einer doppelsinnigen Beeinflus- 
sung gewisser Gefäße durch Histamin zu erforschen. Auf jeden 
Fall scheint durch meine Resultate beim Frosche eine Brücke 
geschlagen zu sein für die von Dale und Laidlaw beobachtete 
Diskrepanz der Histaminwirkung in vivo und am überlebenden 


Organ. 


5. Untersuchungen über den Einfluß von Pituglandol auf über- 
lebende Gefäße. 


Seitdem Oliver und Schäfer im Jahre 1894 die blutdrucksteigernde 
Wirkung des Hypophysenextraktes nach intravenöser Injektion nachge- 
wiesen haben, ist die Untersuchung der vasotonisierenden Eigenschaft der 
wirksamen Bestandteile der Hypophyse oft Gegenstand experimenteller 
Forschung gewesen. Wir verfolgen in dieser Arbeit speziell den Einfluß des 
Hypophysenextraktes auf überlebende Gefäße. Von Pal!), de Bonis 
und Susanna), Siccardi und Loredan?) und Cow*) wurde der Einfluß 
des Hypophysenextraktes auf überlebende Gefäßstreifen verschiedener 
Gefäßgebiete und verschiedener Tierarten untersucht. Pal konstatierte 
eine Verkürzung unter dem Einfluß von Hypophysenextrakt bei der Art. 
carotis. mesenterica, femoralis, coronaris cordis, sowie der Art. renalis im 
proximalen Abschnitte. Arterienstreifen des distalen Abschnittes der Nieren- 
arterien wurden dagegen durch Hypophysin dilatiert. De Bonis und Su- 
sanna konnten bei Art. carotis, cruralis, pulmonalis und coronaris cordis 
durch Hypophysenextrakt nur einen vasoconstrictorischen Effekt erzielen. 
Siccardi und Loredan haben an Art. carotis, coronaris cordis und gastrica 
ebenfalls eine manifeste Kontraktion durch Hypophysenextrakt beob- 


1) Pal, Wien. med. Wochenschr. 1909 und Zentralbl. f. Physiol. 23, 
253. 1909. 

2) De Bonis und Susanna, Zentralbl. f. Physiol. 23, 159. 1919. 

3) Siccardi und Loredan, Zeitschr. f. allgem. Physiol. 15, 85. 1913. 

) D. Cow, Journ. of physiol. 42, 125. 1911. 


Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. Ш. 311 


achtet. Cow findet einen ausschließlich vasoconstrictorischen Einfluß 
durch Hypophysenextrakt bei den Art. carotis und facialis, bald kontrahiert, 
bald dilatiert wird die Art. coronaris cordis; die Art. gastrica, hepatica, 
splenica und renalis werden nur dilatatorisch beeinflußt und zwar um so 
stärker, je distaler der untersuchte Arterienstreifen vom Ursprung des Ge- 
fäßes gewählt wird. Cows Gefäße stammen vom Schaf, die verwendeten 
Dosen betragen 1 : 50—1 : 500. Herring!) hat den Einfluß des 1 proz. 
Extraktes aus dem Infundibularteile der Hypophyse beim künstlich durch- 
strömten Frosche untersucht und konstatierte eine Gefäß verengerung. Am 
Laewen-Trendelenburgschen Präparate hat Ke pi now?) einen vasocon- 
striotorischen Effekt durch Hypophysenextrakt erzielt. Und schließlich 
fand Ris chbie ter?) am isoliert durchströmten Kaninchenohr, daß Hypo- 
physenextrakt diese Gefäße kontrahiert. Aus dieser bibliogra phischen 
Ubersicht sehen wir, daß der Hypophysenextrakt keine einheitliche Wirkung 
auf die untersuchten überlebenden Gefäße ausübt. 

Meine eigenen Untersuchungen sind mit Pituglandol®) 
La Roche an isolierten Gefäßstreifen, am künstlich durchströmten 
Kaninchenohr sowie an verschiedenen Gefäßgebieten des Frosches 


ausgeführt. 


a) Versuche an isolierten Gefäßstreifen. 


Die Versuche in den Abb. 10 u. 11 stellen typische Beispiele 
für die Wirkungsweise des Pituglandols auf isolierte Arterien- 
streifen dar. In keinem aller untersuchten Gefäßstreifen habe ich 
bei einer überhaupt wirksamen Pituglandoldosis eine Verlängerung 
konstatieren können, dagegen konnten folgende Gefäße zur Ver- 
kürzung gebracht werden: Art. carotis, mesenterica, splenica, 
gastrica, renalis, pulmonalis und coronaris cordis. Die wirksame 
Dosis lag zwischen 1:50 bis 1: 1000 Pituglandol La Roche. 
Der Erfolg trat bei den genannten Gefäßen nicht regelmäßig ein, 
selbst gegenüber einer Dosis von 1:50 Pituglandol verhielten 
sich gewisse Gefäße refraktär. Als eine typische Erscheinung darf 
die Auslösung von rhythmischen Erscheinungen durch Pituglandol 
betrachtet werden, wie dies De BonisundSusannaauch angeben. 
Eine primäre Verlängerung der distalen Gefäßstreifen, wie sie 
von Pal und Cow für die Nierenarterie, von Cow für die Art. 
mesent. gastrica, splenica und coronaris cordis beobachtet wurden, 


1) Herring, Amer. journ. of physiol. 31, 429. 1904. 

2) D. Kepinow, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 62. 1912. 

3) W. Rischbieter, Zeitschr. f. d. ges. exp. Med. I, 355. 1913. 

4) Das Pituglandol wurde mir von der Firma Hoffmann La Roche in 
Basel in freundlicher Weise zugestellt. 


312 | E. Rothlin: 


konnte ich bei den angewandten Pituglandoldosen nie registrieren. 
Dagegen trat in einem Versuche mit einem proximalen und distalen 
GefaBstreifen einer Art. gastrica nach dem Auswaschen der Gefäße 
auf eine Pituglandoldosis хоп] : 100 eine leichte Verlängerung 
der Gefäßstreifen ein. Ferner beobachtete ich in zwei Versuchen 
ein verschiedenes Verhalten der Erregbarkeit des proximalen 
und des distalen Streifens der Nierenarterie gegenüber Adrenalin 


Abb. 10. Art. mesenterica vom Rind. Belastung des Gefäßes 20 g. Zeitschreibung alle 
6 Sek. Bei der Marke 3 wird Pituglandol 1: 100 zugefügt, was eine schöne rhythmische 
Tätigkeit ohne wesentliche Tonusveränderung zur Folge hat. 


und Pituglandol. Der proximale Streifen war dabei empfindlicher 
auf Adrenalin, der distale auf Pituglandol. Der Unterschied der 
proximalen und distalen Gefäßstreifen im Verhältnis gegenüber 
Pituglandol, wie dies Pal und Cow angeben, kann ich nicht be- 
stätigen, denn in meinen Versuchen an 20 verschiedenen Nieren- 
arterien verhielten sich dieselben gleichartig und wenn ein Erfolg 
erzielt wurde, so war es eine Verkürzung. Ich glaube nicht, daß 


Abb. 11. Art. renalis vom Stier. Der obere ist ein proximaler, der untere ein distaler GetaB- 

streifen von demselben Gefäße. Belastung je 20 g. Zeitschreibung alle 6 Sek. Bei der Marke 2 

wird Pituglandol 1 : 100 zugesetzt, worauf in beiden Gefäßen eine langsam ansteigende Ge- 
fäßkontraktion erfolgt. 


die erwähnten Erscheinungen der sekundären Erweiterung nach 
dem Auswaschen und die verschiedene Erregbarkeit von Nieren- 
gefäßen gegenüber Adrenalin und Pituglandol genügend Anhalts- 
punkte bieten für die Annahme von Pal und Cow. Allerdings 
fanden Magnus und Schäfer!) und Schäfer und Herring?) 
nach intravenöser Injektion von Hypophysenextrakt neben einer 
gesteigerten Nierensekretion meist auch eine Gefäßerweiterung 


1) Magnus und Schäfer, Journ. of physiol. 27, 9. 1901—02. 
2) Schäfer und Herring. Proc. of Rov. Soc. London 77, 571. 1906. 


Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. III. 313¢ 


und HallionundCarrion!)konstatierten auf Hypophysenextrakt 
eine primäre Verengerung der Nierengefäße mit nachfolgender 
anhaltender Erweiterung derselben. Aus all dem geht hervor, 
daß der Einfluß des Hypophysenextraktes auf die N ierengefäße 
nicht eindeutig dargelegt ist. Eine Durchsicht der bestehenden 


Literatur über die Wir- 


kung des Hypopl®ysen- 
extraktes auf den Blut- 


druck überhaupt zeigt 


uns ebenfalls divergie- 
rende Ansichten, was 
ohne Zweifel mit der 
komplexen chemischen 
Zusammensetzung al- 
ler bisherigen Hypo- 
physenextrakte in Zu- 
sammenhang steht. 
Durch Füh ners) che- 
mische und biologische 
Arbeiten ist diese An- 
sicht gut begründet. 
Solange wir nicht mit 
definierten Substanzen 
arbeiten können, wie 
beim Adrenalin, wird 
die Erstrebung einheit- 
licher Resultate illu- 
sorisch sein. 

b) Versuche am isolier- 

ten Kaninchenohr. 


Mit Pituglandol 
La Roche kann beim 


Tronfenzohl pro Minute 


10 20 
Zeit in Minuten 


Abb. 12. Versuch am isoliert durchströmten Kaninchen- 
ohr. Registrierung der Durchflußmenge mit der Uberlauf-. 
methode von Fleisch. Versuchstemperatur 14°. 
Beim Pfeile 1 Injektion von 1 ccm Adrenalin 1: 1 000 000 
Gefäßverengerung. 

Beim Pfeile 2 Injektion von 1ccm Pituglandol 1: 1000 
schwache Gefäßverengerung. 

Beim Pfeile 3 Injektion von 1 ccm Pituglandol 1 : 100 
schwache Gefäßverengerung. 

Beim Pfeile 4 Injektion von 1 ccm Pituglandol 1:10 
starke Gefäßverengerung. 


Kaninchenohr regelmäßig eine Verengerung der Gefäße ausgelöst 
werden, absolute Versager bis zu Dosen von 1:10 habe ich nie be- 
obachtet. Dosen von Leem 1: 10000—50000 des 20 proz. Pituglandol 


1) Hallion und Carrion, Soc. de ther. Mars. 1907 und Bull. génér. 


de thér. 1907, S. 459. 


2) Н. Fühner, Münch. med. Wochenschr. 1912, Nr. 16, S. 853; 
Deutsch. med. Wochenschr. 1913, Nr. 11, S. 491. 


$14 E. Rothlin: 


(auf die Trockensubstanz bezogen) kénnen noch eine Wirkung 
austiben, wie dies auch von Rischbieter!) beobachtet wurde. 
Wiederholung des Pituglandoleffektes ist an demselben Praparate 
möglich. Unter gleichen Versuchsbedingungen hat Pituglandol 
in einer ca. 10 000—100 000fach stärkeren Dosis denselben vaso- 
constrictorischen Effekt wie das Adrenalin, was übrigens mit den 
Versuchen an isolierten Gefäßstreifen übereinstnmt. Eine Ge- 
fäßerweiterung durch Pituglandol habe ich am Kaninchenohr 
nicht konstatiert. Die Abb. 12 gibt ein Beispiel für die Wir- 
kungsweise des Pituglandols auf das Kaninchenohr wieder. 


c) Versuche an künstlich durchströmten Gefäßgebieten des Frosches. 
I. Versuche an der Froschhinterextremität. 
Pituglandol La Roche hat auf die Gefäße der künstlich 


durchströmten Hinterextremität des Frosches mit zerstörtem 
Gehirn und Rückenmarke 


30 

: | | |z | einen vasoconstrictori- 
g | | schen Einfluß. Eine Dosis 
Sy А | l cem 1 : 20 000 war noch 
8 wirksam. Dieser vasocon- 
® strictorische Effekt kann 
N | bei diesem Gefäßpräparat 
а К = in der Regel mit derselben 


Dosis und demselben Er- 
folge wiederholt werden. 
Als eine typische Erschei- 
nung kann die Auslösung 


10 20 30 
Zeit in Minuten 

Abb. 13. Isolierte Durchströmung der linken Hinter- 

extremität eines Frosches mit zerstörtem Gehirn 


und Rückenmark. Registrierung der Durchflußmenge 
mit der Uberlaufmethode von Fleisch. Beim Pfeile 1 
Injektion von 1 ccm Pituglandol 1 : 10 000, es folgt 
eine schwache Verengerung Чез Gefă Bes. Beim Pfeile 2 
Injektion von 1 ccm Pituglandol 1 : 10 000, es erfolgt 
wieder eine etwas stärkere Gefäßkontraktion. Wäh- 
rend des ganzen Versuches nach der ersten Pitu- 
glandolinjektion sind kleine rhythmische Tonus- 
schwankungen zu beobachten. Zwei weitere Injektio- 
nen von derselben Konzentration sind von demselben 
Erfolge begleitet. 


von Rhythmus betrach- 
tet werden, wie dies in 
beiden Abb. 13 und bei 14 
demonstriert ist. Die rhyth- 
mischen Schwankungen 
sind meist unregelmäßiger 
als jene bei isolierten Gefäß- 
streifen. Die vasoconstric- 


torische Wirkung von Pituglandol auf die Froschhinterextremität 
kann aber nicht mit jeder Regelmäßigkeit ausgelöst werden, 


1) Rischbieter, I. с. S. 311., 


Wirkungsweise einiger chem.. vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. III. 315 


selbst Dosen von 1 cem 1:10 können unwirksam sein. Meine 
Resultate stimmen mit jenen von Herring!) und Kepinow?) 
überein, differieren dagegen mit jenen von Fröhlich und Pick?), . 
welche bei demselben Versuchsobjekt mit Pituglandoldosen von 
Leem 1: 50—100 eine Gefäßerweiterung beobachteten, also 
mit Konzentrationen, die mir nur eine Verengerung ergaben. 
Fröhlich und Pick konstatierten eine Gefäßerweiterung beson- 
ders deutlich, wenn der Gefäßtonus vorerst durch eine tonus- 


Tropfenzah/ pro Minute 


20 
Zeit in Minuten 


Abb. 14. Isolierte Durchströmung der linken Hinterextremität eines Frosches mit zerstör- 
tem Gehirn und Rückenmark. Registrierung der Durchflußmenge mit der Uberlaufmethode 
von Fleisch. 
Beim Pfeile 1 Injektion von 1 cem Pituglandol 1 : 1000, es erfolgt eine leichte Abnahme der 
Tropfenzahl. | 
Beim Pfeile 2 Injektion von 1 cem Pituglandol 1 : 10, es erfolgt eine Gefäßverengerung, 
welche in sehr ausgeprägten Rhythmus übergeht, 


erhöhende Substanz erhöht wurde. Aber auch unter diesen Be- 
dingungen konstatierte ich ausschließlich einen constrictorischen 
Effekt durch Applikation von Pituglandol (siehe Abb. 7, S. 306). 
Da Fröhlich und Pick dasselbe Pituglandolpräparat für ihre 
Versuche verwendeten, wie ich, bleibt diese Differenz unauf- 
geklärt. Der von Fröhlich und Pick angenommene Antagonis- 
mus der Wirkungsweise von Adrenalin und Pituglandol wird durch 
die experimentellen Ergebnisse widerlegt. 


1) Hering, Journ. of physiol. 31, 429. 1904. 

2) Kepinow, Arch, f. exper. Pathol. u. Pharmakol. 67. 1912. 

3) Fröhlich und Pick, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 74, 
107. 1913. ' 


E. Rothlin: 


316 


2. Versuche am gesamten Gefäßsystem und am Splanchnicusgebiet 


des Frosches. 
Wie die Abb. 15 zeigt, hat Pituglandol auf das Gefäßsystem 


des Frosches, von der Aorta aus durchströmt, eine vasocon- 


strictorische Wirkung, dieselbe tritt sowohl bei niedrigem, 


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an u] 


wie durch Adrenalin erhöhtem Gefäßtonus auf. Ein analoger Ver- 


such ist in der Abb. 7 


wiedergegeben (7. Injektion). In 


‚ 5. 306, 


der Abb. 15 sehen wir ferner, daß Pituglandol nach vorheriger 
Adrenalininjektion die Erschlaffung der kontrahierten Gefäße 


nicht fördert, sondern die Gefäße werden noch mehr verengert. 
Die wirksamen Dosen sind in derselben Größenordnung wie bei 


Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf tiberleb. Gefäße. III. 317 


der Hinterextremität. Der Erfolg ist auch hier inkonstant. 
Die Versuche bei Durchströmung des Splanchnicusgebietes von der 
einen Aorta aus, bei Unterbindung der Aorta abdominalis, ergaben 
mir ganz übereinstimmende Resultate. Die Abb. 15 (4. Injektion) 
zeigt aber, daß Pituglandol gewisse Gefäße des Frosches zu dila- 
tieren vermag, denn die Injektion von 1 cem 1: 10 Pituglandol 
hat nach einer schwachen und flüchtigen Kontraktion eine Zu- 
nahme der Tropfenzahl zur Folge, welche aber nur von kurzer 
Dauer ist und dann von einer stärkeren lange dauernden Gefäß- 
verengerung gefolgt ist. Eine solche vasodilatorische Beeinflussung 
bei Durchströmung des ganzen Frosches, sowie der Splanchnicus- 
gefäße habe ich tatsächlich, aber selten und gewöhnlich nur durch 
schwache Dosen beobachtet. Da bei der Froschhinterextremität 
eine solche Beeinflussung durch Pituglandol nie beobachtet wurde, 
sondern nur in den Versuchen bei Durchströmung des ganzen 
Frosches und der Splanchnicusgefäße, so ist daran zu denken, 
daß Pituglandol bei gewissen Gefäßen des Splanchnicus- 
gebietes sowohl den vasodilatatorischen als den vasoconstric- 
torischen Mechanismus zu erregen vermag. 


d) Versuche an den Lungengefäßen des Frosches. 


Die vasotonisierende Wirkung von Pituglandol auf die künst- 
lich durchströmten Lungengefäße des Frosches mit zerstörtem 
Gehirn und Rückenmark kann ohne Zweifel eine doppelsinnige 
sein, wie aus den Versuchen der Abb. 16 u. 17 hervorgeht, da 
primär entweder eine Gefäßerweiterung oder eine Ver- 
engerung derselben eintritt. Diese primäre Wirkung durch 
Pituglandol wird häufig durch eine sekundäre antagonistische 
abgelöst, eine primäre Erweiterung von einer sekundären Ver- 
engerung und vice versa. Dies ist in Abb. 16 u. 17 ganz eindeutig 
wiedergegeben. Es zeigt sich nun, daß der jeweilige Erfolg des 
Pituglandols auf diese Lungengefäße eine Funktion der Konzen- 
tration ist. Schwache Dosen lösen eine Gefäßerweiterung 
(Abb. 49, 1. Injektion), mittlere Dosen eine primäre Ver- 
engerung, mit sekundärer Erweiterung (Abb. 17, 2., 3. u. 
4. Injektion), starke Dosen ausschließlich eine Gefäß- 
verengerung. Dies dürfte die Regel sein. Da aber Pituglandol 
offenbar sowohl den vasoconstrictorischen wie den vasodilatatori- 
schen Mechanismus der Froschlungengefäße zu erregen vermag 


Biochemische Zeitschrift Band 111. 21 


318 E. Rothlin: 


und die Erregbarkeit der verschiedenen Präparate nicht gleich 
ist, kann eine genaue Abgrenzung der ausschlieBlich constricto- 
risch bzw. dilatatorisch wirksamen Dosen nicht durchgeführt 
werden. Es ist auch hier zu erwähnen, daß innerhalb der an- 
gewandten Dosen, d. h. bis 1 ccm 1 : 10, ab und zu Versager auf- 
treten können. Wenn wir ferner noch die Verhältnisse der wirk- 
samen Dosen für Adrenalin und Pituglandol auf die Lungen- 
gefäße des Frosches betrachten, so sehen wir, daß Adrenalin auf das 
20 proz. Pituglandol La Roche bezogen, in ca. 10 000 fach stärkerer 
Verdünnung dieselbe Wirkung hat wie Pituglandol. Es ist dies 
30 


Minute 


| 
| 
t 
| 


EBEN ке 
| 

q ы шш = 
| 


20 22 7, 

Zeit in Minuten 

Abb. 16. Isolierte Durchströmung der linken Lunge eines Frosches mit zerstörtem Gehirn 
und Rückenmark. Registrierung der Durchflußmenge mit der Uberlaufmethode von Fleisch 
Beim Pfeile wird 1 cem Pituglandol 1: 100 injiziert. Es erfolgt erst eine mäßige Zunahme 
der Tropfenzahl (Gefäßerweiterung), welche von elner sehr kräftigen Gefäßkontraktion ge- 
folgt ist. Auch hier sind rhythmische Schwankungen zu erkennen. Die Erholung der Lungen- 

gefäße geht sehr langsam vor sich. 

ein Verhältnis, wie wir es auch für isolierte Gefäßstreifen gefunden 
haben. 

Wenn wir die Wirkung des Pituglandols auf die untersuchten 
überlebenden Gefäße zusammenfassen, so können wir sagen, daß 
diese vasotonisierende Substanz auf isolierte Gefäßstreifen 
mit Sicherheit nur eine Verkürzung verursacht: oft 
wird Rhythmus ausgelöst, ohne daß der Tonus verändert 
wird. Ein Unterschied der Arterienstreifen verschie- 
dener Gefäßgebiete wurde nicht konstatiert. Die Gefäße 
des Kaninchenohres werden durch Pituglandol regel- 
mäßig kontrahiert. Die Gefäße der Froschhinterextre- 
mität, des ganzen Frosches (mit Ausnahme der Lungen- 
gefäße), des Splanchnicusgebietes können durch Pitu- 


Al pro Minute 


7 


Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. III. 319 


glandol kontrahiert werden, die Wirkung tritt nicht 
regelmäßig ein. Eine Gefäßerweiterung durch Pitu- 
glandol habe ich nur ausnahmsweise beim Durchströ- 
men des ganzen Frosches und des Spla nch nic usgebietes 
beobachtet, nie an der Hintere xtremität oder isolierten 


ту 
Poe 


50 
Zeit in Axa 
Abb. 17. Isolierte Durchströmung der rechten Lunge eines Frosches mit zerstörtem Gehirn 
und Rückenmark. Registrierung der Durchflußmenge mit der Überlaufmethode von Fleisch. 
Beim Pfeile 1 Injektion von 1 ccm Pituglandol 1: 1000, Gefäßerweiterung. 
Beim Pfeile 2 Injektion von 1 ccm Pituglandol 1 : 100, auf eine Gefäßverengerung folgt 
sekundär eine Gefäßerweiterung. 
Beim Pfeile 3 Injektion von 1 ccm Pituglandol 1 : 100, derselbe Effekt wie nach der II. In- 
jektion, nur schwächer. 
Beim Pfeile 4 Injektion von 1 ccm Pituglandol 1 : 50, wieder folgt auf eine primäre kräftige 
Kontraktion eine sekundäre Dilatation. 
Gefäßstreifen. Pituglandol vermag je nach der an- 
gewandten Dosis sowohl den vasoconstrictorischen 
als den vasodilatatorischen Mechanismus der Lungen- 
gefäßedes Froscheszuerregen. Die Pituglandolwirkung 
auf diese Gefäße ist gewissermaßen das Resultat 
einer Konkurrenz zwischen diesen beiden Gefäß- 


mechanismen. 


6. Untersuchungen über die Wirkungsweise eines aktiven Prinzipes 
der Milz (Lienin) auf überlebende Gefäße. 


Stern und Rothlin!) haben in verschiedenen Mitteilungen 
über die Wirkungsweise von Milzextrakten an überlebender 
glatter Muskulatur berichtet, woselbst auch die Herstellung und 


1) Stern und Rothlin, Compt. rend. de la soc. de phys. et d’histoire 
naturelle de Genéve 24, 1416; Verh. der schweiz. Naturf. Gesellsch. 1917, 


S. 306; Journ. de physiol. et pathol. génér. 18, 441. 1919; 18, 753. 1919. 


21* 


320 E. Rothlin: 


Reinigung des aktiven Prinzipes behandelt ist. Das Resultat 
der chemischen Untersuchungen, wie sie dort beschrieben und 
seither von mir fortgesetzt wurden, ist noch nicht so weit gediehen, 
daB ein analysenreifes Produkt vorliegt. Die hohe Wirksamkeit 
eines wässerigen und besonders des alkoholischen Milzextraktes, 


Tabelle I. 


Tabellarische Übersicht über die Wirkungsweise der untersuchten 
vasotonisierenden Substanzen auf isolierte Gefäßstreifen und 
künstlich durchströmte Gefäßgebiete. 


Art der Gefäße Oxalat-| Blut- | Adre- Hypo- Hista- Lienin 
blut serum nalin physin min 

Art. carotis v. Typ. x K | K | X K к! (К) К К 
bov. et equin. | 

Art. femoralis v. Typ. K K K (К) К | К 
bov. et equin. 

Art. mesenterica v.| К k K i (К) K K 
Typ. bov. et equin. 

Art. gastrica v. Typ. К K K (K) | К К 
bov. 

Art. splenica y. Typ. K | K (K) | C | К 
bov. | 

Art. renalis v. proxi- 4 K | schw.: D (K) K К 
malen und distalenAb- st. K | 
schnitt v. Typ. bov. 
et equin. 

Art. pulmonalis v. K K (K) K K 
extra- u. intrapul- | 
monalen Abschnitt, | 
v. Typ. bov. et equin. | | | 

Art. coronaris сог- K schw.: (K) ( K R 
dis v. Typ. bo v. st.: D | : 

Art. coronaris cor- K K (K) | K | k 
dis v. Typ. equin. | | | 

K aninchenohr | K K | K K 

Hinterextremitit | | K K K k 
des Frosches | | 

Splanchnicusgebiet | K schw.: (D) | schw.: 2 schw.: (D) 
des Frosches | st.: К st.: st.: K 

Gesamtgefäßgebiet | K schw.: (D) | schw.: = schw.: (Р) 
des Frosches außer st: K St.: K | st : K 
den Lungen | i 

Lungengefäße des | herve iD schw.: (D) schw.: (D) 

Frosches | | st.: st: K 


K = Kontraktion; D = Dilatation; () bedeutet, daß diese Wirkungsweise 
beobachtet wurde, aber nicht regelmäßig. schw. bedeutet schwache Dosis; 
st. bedeutet starke Dosis. 


Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. Ш. 321 


der Nachweis, daß es sich nicht um ein autolytisches Produkt 
der überlebenden Milz handelt, das konstante Vorkommen bei 
allen untersuchten Tierarten, berechtigen die Ansicht, daß es 
sich hier evtl. um ein Produkt von physiologischer Bedeutung 
handelt. Wir haben dieses aktive Prinzip Lienin genannt, 
wodurch- über dessen chemische Konstitution nichts präjudiziert 
‘wird. Ich unterlasse eine Wiederholung der experimentellen 
Daten, wie sie in den genannten Arbeiten publiziert sind, und 
verweise auf die nebenstehende tabellarische Übersicht. Daraus 
erhellt, daß Lienin die isolierten Gefäßstreifen, die Ge- 
fäße des Kaninchenohres und jene der verschiedenen 
Organgebiete des Frosches vasoconstrictorisch beein- 
flußt. Meine neuen Untersuchungen bei Durchströmung des ganzen 
Frosches von der einen Aorta aus, sowie des Splanchnicusgebietes 
ergaben, daß Lienin in kleinsten Dosen gefäßerweiternd 
wirken kann. Weiterhin beobachtete ich einen Unterschied 
in der Erregbarkeit der verschiedenen überlebenden 
Gefäße, indem isolierte Gefäßstreifen und die Gefäße 
des Kaninchenohres mit größerer Regelmäßigkeit und 
in relativ geringeren Dosen auf Lienin reagieren, als 
die Gefäße des Frosches. Damit konstatieren wir eine Ana- 
logie mit der Wirkungsweise des Histamins. 


Diskussion der Resultate. 


Die experimentellen Ergebnisse im speziellen Teile haben uns 
davon überzeugt, daß die Wirkungsweise des Adrenalins auf die 
untersuchten überlebenden Gefäßsubstrate keine einheitliche ist. 
Denn bei den einen Gefäßen wird der vasoconstrictorische, bei 
anderen der vasodilatatorische und bei dritten beide Gefäß- 
nıechanismen durch Adrenalin erregt. Diese Tatsache einer 
bivalenten Reaktionsweise gewisser überlebender Gefäße gegen- 
über Adrenalin steht in Übereinstimmung mit derselben Erschei- 
nung erzeugt durch die indirekte, chronaxisch abgestufte elek- 
trische Reizung der zu den Gefäßen führenden Nerven. Drei Ge- 
sichtspunkte sind es, welche diese qualitativ verschiedene Reaktions- 
weise überlebender Gefäße gegenüber Adrenalin charakterisieren: 

1. Das verschiedene Verhalten überlebender Gefäße ver- 

schiedener Organgebiete, bzw. die Herkunft der Ge- 
fäße nach Organgebiet. 


322 E. Rothlin: 


2. Das verschiedene Verhalten derselben Gefäße verschie- 
dener Tierarten, bzw. die Tierart. 

3. Die verschiedene Beeinflußbarkeit derselben Gefäße je 
nach der angewandten Dosis, bzw. die Intensität des 
Adrenalinreizes. 

Die tabellarische Übersicht auf S. 320 belegt das Gesagte 

am besten und am kürzesten. | 

Das Verhalten überlebender Gefäße verschiedener Organ- 

gebiete bezieht sich nicht nur auf qualitative, sondern auch 
auf quantitative Unterschiede, indem z. B. die Lungengefäße 
des Frosches eine geringere Erregbarkeit gegenüber Adrenalin 
aufweisen als die übrigen Gefäßgebiete desselben Tieres (Ex- 
tremitäten, Splanchnicusgebiet usw.). Wir haben ferner gesehen, 
daß der vasoconstrictorische Effekt selbst durch schwache Adre- 
nalindosen, speziell bei gewissen isolierten Gefäßstreifen von sehr 
langer Dauer ist. Dies trifft nicht zu für die Nieren und Lungen- 
gefäße, für welche wir den raschen Eintritt der Erschlaffung 
nach erreichtem Kulminationspunkt der Tonuserhöhung auf 
einen primär vasoconstrictorischen Adrenalinreiz als charak- 
teristisches Merkmal bezeichnet haben. Wenn wir nun die Wir- 
kungsweise des Adrenalins in vivo nach intravenöser Injektion 
mit den Beobachtungen am überlebenden Organe vergleichen, 
so ergibt sich a priori ein frappanter Unterschied, da der typische 
Adrenalineffekt in vivo in einer flüchtigen Blutdruckerhöhung 
besteht und selbst sehr starke Dosen nicht einen anhaltenden 
Effekt auszulösen imstande sind. Ich glaube nicht, dieses ver- 
schiedene Verhalten der Wirkungsdauer darauf zurückführen zu 
können, daß Adrenalin beim Versuch am überlebenden Organ 
speziell bei der Gefäßstreifenmethode länger mit dem Versuchs- 
objekt in Kontakt bleibt als in vivo. Denn Adrenalin wird in 
Ringerlösung bei O,-Gegenwart und in den von mir verwendeten 
Dosen sehr rasch schon nach wenigen Minuten zerstört. Ander- 
seits habe ich mich davon überzeugt, daß Adrenalin im def. Blute 
bzw. Blutserum trotz derselben Alkalität und O,-Gegenwart 
sich stundenlang konservieren läßt. Es bleibt uns somit nur noch 
die Annahme, daß in vivo sich rasch Mechanismen geltend machen, 
welche die künstlich verursachte Blutdruckerhöhung kompen- 
satorisch regulieren bzw. den Blutdruck nivellieren. Es ist nicht 
meine Absicht, hier jene Faktoren zu verfolgen, welche in vivo 


Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. III. 323 


durch direkte Adrenalinreizung (Herz) oder im Sinne einer sen- 
sorischen Kontrolle reflektorisch einspringen; ich möchte nur 
jene Erscheinungen anführen, welche auf Grund meiner Studien 
am überlebenden Organe evtl. eine Rolle übernehmen können. 
Dabei denke ich an die Tatsache, daß gewisse überlebende Gefäße 
durch Adrenalin dilatatorisch beeinflußt werden [Art. coronaris 
cordis v. Typ. bov., Art. renalis und pulmonalis, die Gefäße des 
Darmes (Ogawa)]. Dann ist es keine Seltenheit, daß sowohl 
isolierte Gefäßstreifen wie künstlich durchströmte Gefäßgebiete 
auf die Kontraktionsphase eine sekundäre Dilatation aufweisen. 
Diese an überlebenden Gefäßen gemachten Beobachtungen können 
wohl in vivo eine durch Adrenalin erzielte Blutdruckerhöhung 
in ihrer Intensität und Dauer beeinflussen. Ich glaube aber nicht, 
daß sie für die Flüchtigkeit der Adrenalinwirkung in vivo eine 
nennenswerte Rolle spielen, wir müssen vielmehr die hauptsäch- 
lichen Ursachen in den zentral bzw. reflektorisch ausgelösten 
Vorgängen suchen, welche kompensatorisch eingreifen. Zwischen 
der Dauer der Adrenalinwirkung in vivo und am 
überlebenden Organ besteht somit eine Diskrepanz. 
Die Untersuchungen von Neujean!), Moore und Puring- 
ton?), Elliott?) sowie Hoskins und McClure‘) haben ferner 
ergeben, daß die ersten wirksamen Adrenalindosen nach intra- 
venöser Injektion eine Gefäßerweiterung bzw. eine Blutdrucksen- 
kung auslösen. Eigene Versuche am Kaninchen ergaben mir 
dasselbe Resultat mit Dosen von Leem 1 : 10—50 000 000. 
Außerdem beobachtete ich, daß die ersten eben blutdrucksteigern- 
den Adrenalindosen von einer stärkeren sekundären Blutdruck- 
senkung gefolgt waren als folgende stärkere Adrenalindosen. 
Diese Erscheinungen der Adrenalinwirkung in vivo sind nach 
meinen bisherigen Erfahrungen auch dadurch gekennzeichnet, 
daß sich der vasodilatatorische Gefäßmechanismus am besten zu 
Beginn des Experimentes erregen läßt und nach Applikation 
einiger constrictorisch wirksamen Dosen eine primäre Blutdruck- 
senkung kaum mehr auslösbar ist. Ich glaube, daß wir in diesen 
vasodilatatorischen Erscheinungen der Adrenalinwirkung in vivo 


1) Neujean, Arch. internat. de pharmacodyn. 13, 45. 1094. 

2) Moore und Purington, Arch. f. d. ges. Physiol. 81, 483. 1900. 
3) Elliott, Amer. journ. of physiol. 32, 401. 1905. | 

4) Hoskins und McClure, Amer. journ. of physiol. 31, 59. 1912. 


324 E. Rothlin: 


‘ 


ein Pendant zu jenen am überlebenden Organe haben. Dafür 
spricht das experimentelle Ergebnis, daß Adrenalin an den ge- 
nannten überlebenden Gefäßen in kleinsten Dosen eine Gefäß- 
erschlaffung, in stärkeren Dosen aber mit jeder Regelmäßigkeit 
eine Gefäßkontraktion verursachen. Wir müssen daher heute als 
typische Adrenalinwirkung sowohl die Möglichkeit 
der Erregung des vasodilatatorischen als des vaso- 
constrictorischen Gefäßmechanismus bezeichnen. Unter 
welchen Bedingungen im speziellen Falle das eine oder andere 
zutrifft, habe ich am überlebenden Organe zu untersuchen ver- 
sucht, im experimentellen Teile ausführlich analysiert und hier 
synthetisiert. In Anbetracht der prinzipiell übereinstimmenden 
Ergebnisse in vivo und am überlebenden Organe dürfen wir nicht 
zögern, die Erscheinungen der Blutdruckveränderungen bzw. 
Querschnittsveränderungen der verschiedenen Gefäße durch 
Adrenalin zum allergrößten Teile als rein periphere den Gefäßen 
eigenen Vorgänge zu betrachten, welche allerdings durch zentral 
oder reflektorisch ausgelöste Vorgänge reguliert werden können. 

Durch die Untersuchungen einer ganzen Reihe von Forschern, 
ich erwähne speziell Lewandowsky, Langley und Elliott, 
wurde bekanntlich eine funktionelle Beziehung zwischen der 
Adrenalinwirkung und dem sympathischen Anteile des autonomen 
Nervensystems erkannt, welche dann durch den embryologischen 
Nachweis eines genetischen Zusammenhanges zwischen Adrenal- 
system und dem Sympathicus eine Erhärtung erfahren hat. 
Adrenalin wirkt nach diesen Autoren auf die sympathisch inner- 
vierten Organe, und der jeweilige Adrenalineffekt am Erfolgs- 
organ komnit einer Reizung der zugehörigen sympathischen 
Fasern gleich. Diese Übereinstimmung der Adrenalinwirkung 
und der sympathischen Nervenreizung zeigt sich angeblich 
besonders gut in der motorischen Beeinflussung der glatten 
Muskulatur, insbesondere bei den Gefäßen. Daher wurde sie für 
die Erforschung der vasomotorischen sympathischen Innervation 
der Gefäße herangezogen. Es hat sich gezeigt, daß dieser Zu- 
sammenhang hinsichtlich der Vasoconstrictoren sozusagen glatt 
stimmt. Denn da, wo mit Sicherheit bisher Vasoconstrictoren 
festgestellt sind, gehören sie dem Sympathicus an, und Adrenalin 
kann daselbst eine Kontraktion verursachen. Eine sympathisch 
vasoconstrietorische Innervation ist bisher für die Gefäße des 


Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. III. 395 


Herzens, der Lungen und des Gehirns strittig. Die Untersuchungen 
von Brodie und Cullis!) beim künstlich durchströmten Herzen, 
die meinen an überlebenden Herzkranzarterien vom Pferde und 
vielleicht auch vom Rinde beweisen, daß Adrenalin die Herz- 
kranzgefäße, wenigstens unter gewissen Bedingungen zu verengern 
vermag, und zwar mit Dosen, wie sie für Gefäße mit nachgewiesener 
sympathischer vasoconstrictorischer Innervation notwendig sind. 
Diese Bedingungen sind einmal die Intensität des Reizes, indem 
beim Kaninchen und Rindvieh nur geringste Dosen Adrenalin 
verengernd wirken, dann bestehen offenbar Unterschiede bei 
verschiedenen Tierarten. Eine vasoconstrictorische Beeinflussung 
der Lungengefäße durch Adrenalin können wir heute mit Sicher- 
heit annehmen, wenn auch mit Bezug auf Tierart und wirksamen 
Dosen gegenüber anderen Gefäßen Unterschiede bestehen. Denn 
die Versuche am überlebenden Organ wie jene in vivo sprechen 
mit Entschiedenheit dafür, daß die Lungengefäße durch Adrenalin 
weniger intensiv beeinflußt werden. Eine Ausnahme machen 
aber die isolierten Gefäßstreifen von Typ. bov. et equinus, da 
sie keine geringere Erregbarkeit gegenüber Adrenalin besitzen wie 
Mesenterialgefäße z. B. Über die Gefäße des Gehirns habe ich 
keine eigenen Erfahrungen, aber von Biedl und Reiner?) u.a. 
ist bei diesen Gefäßen ein verengender Einfluß durch Adrenalin 
beobachtet worden. Da unsere obige Analyse eine Übereinstim- 
mung der Ergebnisse am überlebenden Organe und in vivo, 
insoweit eine Eindeutigkeit der Resultate überhaupt besteht, 
ergeben hat, so ist auch für.die überlebenden Gefäße, Herzkranz- 
arterien und Lungenarterien nicht anzunehmen, daß cs sich nun 
gerade hier um ein spezielles Verhalten des überlebenden Organes 
handeln kann. Wenn daher diese Gefäße sich unter den genannten 
Bedingungen wie jene mit anerkannt sympathischer vasoconstric- 
torischer Innervation gegenüber Adrenalin verhalten, und wenn 
die Elliottsche Auffassung richtig ist, so liegt gar kein 
Grund vor, diesen Gefäßen sympathische Vasocon- 
strictoren abzusprechen. 

Weniger übersichtlich liegen die Verhältnisse für die Vaso- 
dilatatoren, und die Beantwortung dieser Frage bietet ent- 


1) Brodie und Cullis, The innervation of the coronary vessels. Journ. 
of physiol. 43, 313. 1911. 
| t- 2) Bied] und Reiner, Arch. f. d. ges. Physiol. 79. 1899. 


326 E. Rothlin: 


schieden große Schwierigkeiten. Eine Gefäßerweiterung an iso- 
lierten Gefäßstreifen und künstlich durchströmten Organen’ durch 
Adrenalin haben wir an der Art. coronaris cordis von Typ. bov. 
und beim Schwein, Art. renalis, sowie an den Froschlungengefäßen 
beobachtet. Mittels indirekter elektrischer Reizung sympathischer 
Nerven ist von Maas!) für die Herzkranzgefäße, von Bradford?) 
für die Nieren- und Splanchnicusgefäße, von Dastre und Morat?) 
für die Gefäße des Mundes ein vasodilatatorischer Effekt erzielt 
worden. Nach der anatomischen Lokalisation verlassen diese 
sympathischen Nerven das Rückenmark mit den Vorderwurzeln. 
Andererseits hat Stricker*) 1876 durch Reizung des peripheren 
Endes der Hinterwurzeln eine Gefäßerweiterung beschrieben. 
welche von Gärtner?) bestätigt wurde. Bayliss®) gelang es, 
zwar ebenfalls durch Reizung von Hinterwurzeln an der Hinter- 
extremität eine Gefäßerweiterung zu erzeugen. Aber Bayliss 
konnte nachweisen, daß die gereizten Nerven Neuriten von Spinal- 
ganglien der Hinterwurzeln sind und die Gefäßerweiterung auf 
dem Wege eines Axonreflexes „antidromically“ durch Kollateralen 
zustande kommt, welche von den sensiblen Fasern zu den Gefäßen 
der Haut gehen. Denn nach der Entfernung der Haut konnte 
diese Wirkung nicht mehr erzielt werden. Ferner können wir mit 
der Methode der Nervendegeneration und der chronaxisch ab- 
gestuften Nervenreizung eine Gefäßerweiterung auslösen. Und 
schließlich besitzen wir Mittel, um mit Adrenalin da eine Gefäß- 
erweiterung zu erzielen, wo normalerweise eine Kontraktion 
beobachtet wird, so nach Einwirkung von Ergotoxin nach Dale‘) 
und angeblich nach Durchströmung eines Gefäßpräparates mit 
Ca-freier Ringerlösung nach Pearce®). Alle diese Daten sind 
aber so wenig eindeutig oder unter abnormen Versuchsbedingungen 
ausgeführt, daß wir daraus nicht auf die Existenz spezieller ana- 
tomisch definierter Vasodilatatoren schließen dürfen. Meine Ver- 


1) Maas, Arch. f. d. ges. Physiol. 74, 281. 1899. 

2) Bradford, Proc. of the royal. Soc. of London 43, 369. 1889. 

3) Dastre und Morat, Compt. rend. de la soc. de biol. 41, 393. 1810. 

4) Stricker, Sitzgber. d. Akad. der Wissensch. Wien 74, 173. 1876. 
III. Abt. 

5) Gartner, Zentralbl. f. Physiol. 3, 761. 1889. 

) Bayliss, Amer. journ. of physiol. 26, 173. 1901. 

7) H. H. Dale, Amer. journ. of physiol. 34, 163. 1906. 

8) Pearce, Zeitschr. f. Biol. 6%, 243. 1913. 


W irkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. III. 327 


suchsergebnisse an genannten überlebenden Gefäßen beweisen 
aber, daß wir mit Adrenalin gewissermaßen unter physiologischen 
Bedingungen, d.h. ohne Ausschaltung der vasoconstric- 
torischen Beeinflußbarkeit eine Gefäßerweiterung aus- 
lösen können. Diese Beobachtungen decken sich übrigens gut mit 
den Erfahrungen in vivo. Dieselben Gefäße erleiden durch entgegen- 
gesetzte Adrenalindosen eine Kontraktion. Wenn daher die Auf- 
fassung über den funktionellen Zusammenhang zwischen der Adre- 
nalinwirkung und sympathischer Innervation zu Recht besteht, so 
müssen wir logischerweise schließen, daß diese Gefäße sowohl | 
sympathische Constrictoren als Dilatatoren besitzen. 
Oder dann ist diese Auffassung nicht richtig und wirsind gezwungen, 
für diese bivalente Adrenalinwirkung eine andere Erklärung zu 
suchen. Einmal kann die Elliottsche Auffassung zu intensiv 
gefaßt sein und Adrenalin nicht nur wie sympathische Vasomoto- 
ren, sondern auch wie solche anderer Herkunft wirken. Die Gefäße 
können ferner nur sympathisch innerviert sein, und der jeweilige 
Adrenalineffekt ist dann der Ausdruck entweder einer Hemmung 
bzw. Dilatation oder einer Erregung bzw. Kontraktion des Gefäßes. 
Schließlich besteht die Möglichkeit, daß Adrenalin nicht durch 
Übermittlung eines nervösen Apparates, sondern auf den Muskel 
direkt einwirkt und mit der Innervation in keiner direkten funktio- 
nellen Beziehung steht. Ich möchte vorläufig nur die Tatsache fest- 
halten, daß Adrenalin unter gewissen Bedingungen an derselben Ge- 
fäßart sowohl einen vasodilatatorischen als constrictorischen Ge- 
fäßBmechanismus auszulösen vermag, also von bivalen. 
ter Wirkung seinkann. Ob wir für diese Wirkungsweise des 
Adrenalins zwei verschiedene reizübertragende anatomische Sub- 
strate bzw. nur eines annehmen müssen, oder als Angriffspunkt 
den Muskel selbst betrachten können, will ich hier nicht durch 
theoretische Erörterungen zu entscheiden versuchen, obwohl 
meine wiedergegebenen allgemeinen und speziellen Resultate 
mich dazu verleiten, die ich aber für bindende Schlüsse nicht hin- 
reichend erachte. Ohne meinen experimentellen Daten, welche 
für die Untersuchung dieses Problems ausgeführt wurden, vor- 
greifen zu wollen, neige ich zu der letzten Hypothese einer direkten 
Muskelwirkung. Aber nicht in dem. Sinne wie Cannon und 
Lyman!), welche den jeweiligen Tonuszustand der Gefäße für 

1) Cannon und Lyman, Amer. journ. of physiol. 31, 376. 1913. 


328 E. Rothlin: 


den Eintritt eines constrictorischen bzw. dilatatorischen Effektes 
verantwortlich machen, alle meine Erfahrungen sowohl. am 
überlebenden Organ als in vivo sprechen gegen diese Ansicht. 
Die schr lange Erregbarkeit überlebender Gefäße, das Fehlen von 
nervösen Organen mit zentralen Funktionen in den Gefäßen, 
die identische Adrenalinwirkung nach degeneriertem peripheren 
Nervennetz in denselben und der ganz zweifelhafte Nachweis 
von speziellen anatomischen definierten Vasodilatatoren (aus- 
genommen jene des autonomen Systems) bestärken mich in meiner 
Annahme. Nachdem ich die Wirkungsweise von anorganischen 
vasotonisierenden Substanzen als nächste Fortsetzung dieser 
Arbeit mitgeteilt habe, werde ich auf dieses Problem des Angriffs- 
punktes der vasotonisierenden Substanzen zurückkommen. Dort 
werde ich mich auch mit den hier genannten Hypothesen und den 
Ansichten anderer Autoren über diesen Gegenstand auseinander- 
zusetzen haben. 

Die experimentellen Ergebnisse über die Wirkungsweise des 
ß-Imidazolyläthylamins oder Hista mins an überlebenden 
Gefäßen sind ebenfalls nicht einheitlich. Ich verweise den Leser 
auf die tabellarische Übersicht S. 320. Isolierte Gefäßstreifen und 
die Gefäße des Kaninchenohres werden durch Histamin durch- 
wegs in auch für Adrenalin wirksamen Dosen kontrahiert. Die 
künstlich durchströmten Gefäßgebiete des Frosches unterscheiden 
sich davon in qualitativer und quantitativer Hinsicht. Diese 
Gefäße sind allgemein gegenüber Histamin weniger erregbar, mit 
Ausnahme der Lungengefäße, wo in bezug auf Er- 
regbarkeit für Adrenalin und Histamin ein guter 
Parallelismus besteht. Der qualitative Unterschied gegen- 
über den isolierten Gefäßstreifen äußert sich dadurch, daß die Ge- 
fäße destotaldurchströmten Frosches, desSplanchnicusgebietesund 
der Lungen durch geringste Histamindosen dilatiert, durch stärkere 
Dosen dagegen kontrahiert werden. Der dilatatorische Effekt ist 
zwar schwer zu treffen, wurde aber sicher konstatiert. Dale und 
Laidlaws beobachtete Diskrepanz im Verhalten des Blutdruckes 
in vivo gegenüber Histamin bei Hund und Katze einerseits, beim 
Kaninchen und Meerschweinchen anderseits findet gewissermaßen 
ein Analogon in meinen Versuchen beim Frosche. Dale und Laid- 
law fanden aber, daß die Histaminwirkung beim Kaninchen vom 
Grade der Narkose weitgehend abhängig ist, indem bei schwacher 


Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. III. 329 


Narkose Blutdrucksenkung, bei intensiver Narkose dagegen Blut- 
druckerhöhung auftrat. Es scheint doch daraus hervorzugehen, daß 
die aussehließlich vasodilatatorische Histaminwirkung nicht: die 
ursprüngliche periphere Gefäßwirkung darstellt, sondern evtl. eine 
zentral nervös bedingte Erscheinung ist. Dies ist um so wahr- 
scheinlicher, als wir wissen, daß Histamin schon in geringen 
Dosen, dem Organismus auf intravenösem Wege einverleibt, zu 
einem schockartigen Zustande führt. Meine Ergebnisse an künst- 
lich durchströmten Gefäßgebieten des Frosches dürften vielleicht 
eine Brücke schlagen zwischen der ausschließlich vasoconstric- 
torischen Wirkungsweise des Histamins auf isolierte Gefäßstreifen 
und isolierter, künstlich durchströmter Organe von Warmblütern 
(Dale und Laidlaw) einerseits und dem ausschließlich vaso- 
dilatatorischen Histamineffekt in vivo bei gewissen Tieren ander- 
seits. Meine Versuchsresultate veranlassen mich daher zur An- 
nahme, daß Histamin gewisse Gefäßgebiete unter bestimmten 
Bedingungen (Tierart und Konzentration) sowohl zu dilatieren 
als zu kontrahieren vermag. Eine Gefäßerweiterung würde aber 
nur durch geringste Dosen und bei gewissen Tierarten als ein Aus- 
druck eigentlicher peripherer Gefäßwirkung zu betrachten sein, 
stärkere Dosen dagegen ausschließlich und alle Gefäße vasocon- 
strictorisch beeinflussen. Der in vivo beobachtete dilatatorische 
Effekt wäre nicht eine periphere, sondern eine reflektorische, durch 
Histamin affizierter Zentren ausgelöste Gefäßerscheinung. Daß 
es sich nicht um eine einfache Diskrepanz zufolge verschiedenem 
Verhalten der Gefäße verschiedener Tierarten handeln kann, 
geht aus den Angaben von Dale und Laidlaw hervor, denn die 
Gefäße isoliert durchströmter Organe werden durch Histamin 
sowohl bei Hund und Katze als beim Kaninchen und Meerschwein- 
chen kontrahiert. 

Ich unterlasse es, hier eingehend einer Beziehung zwischen 
der Histaminwirkung und der Gefäßinnervation bzw. Angriffs- 
punkt desselben nachzugehen. Doch will ich bemerken, daß eine 
scharfe Trennung, wie sie in dieser Hinsicht zwischen Adrenalin 
und Histamin allgemein üblich ist, indem Adrenalin via Sympathi- 
cus, Histamin dagegen auf den Gefäßmuskel direkt wirke, mir nicht 
statthaft erscheint. Dagegen sprechen die Möglichkeit einer 
bivalenten Wirkungsweise auf gewisse Gefäße durch Histamin 
und das gegensinnige Verhalten der Blutgefäße verschiedener 


330 E. Rothlin: 


Tierarten in vivo. Mit Sicherheit läßt sich nur soviel sagen, daß 
Histamin in seiner Wirkungsweise nicht die intimen funktionellen 
Analogien mit der Sympathikusreizung aufweist wie das Adre- 
nalin. Damit scheint mir aber über den Angriffspunkt weder für 
die eine noch die andere vasotonisierende Substanz etwas Ein- 
deutiges ausgesagt zu sein. 

Pituglandol bzw. Infundibularextrakt von Hoffmann 
La Roche ergibt die zuverlässigste Wirkung beim Kaninchenohr, 
während die isolierten Gefäße durch Pituglandol verglichen mit 
Adrenalin nur wenig erregbar sind; der mit Sicherheit beobachtete 
Erfolg ist stets eine Kontraktion. Darin unterscheidet sich Pitu- 
glandol sowohl gegenüber Adrenalin als Histamin. Übereinstim- 
mend mit Histamin ist die Wirkung des Pituglandols auf die Gefäße 
des Frosches, und bei den Lungengefäßen des Frosches läßt sich 
mit Pituglandol der vasodilatatorische und constrictorische Gefäß- 
mechanismus ebensogut nachweisen wie mit Adrenalin und besser 
als mit Histamin. Da wir bei jedem Hypophysenextrakt mit 
einem Gemisch von chemisch noch wenig definierten Substanzen 
arbeiten, deren physiologische Wirkungen auch verschieden sind, 
so ist das Ergebnis stets die Resultante von verschiedenen Reizen. 
Es scheint mir nun mehr als gewagt, aus der dem Adrenalin ent- 
gegengesetzten Wirkungsweise des Pituglandols auf isolierte 
Nierenarterien mit Pal!) zu schließen, daß Pituglandol über das 
parasympathische System wirke. Dasselbe gilt für Baehr und 
Pie k)), wenn sie behaupten, daß ,,Hypophysin ausnahmslos dem 
Adrenalin antagonistische“ Wirkungen auf die Gefäße des Frosches 
habe, und daraus eine Beziehung mit dem Parasympathicus her- 
leiten. Die tabellarische Übersicht meiner diesbezüglichen Re- 
sultate überzeugt, daß dem nicht so ist. Ich halte es so lange für 
verfrüht, über diesen Gegenstand ein sicheres Urteil fällen zu 
können, als wir nicht wissen, mit wieviel und was für Substanzen 
wir es in dem Hypophysenextrakte zu tun haben. Die experi- 
mentellen Daten in vivo sind in dieser Beziehung gar nicht ein- 
heitlicher und es dürfte dieselbe Ursache zugrunde liegen. 

Das Lienin, das wirksame Prinzip der Milz hat auf über- 
lebende Gefäße ganz analoge vasotonisierende Wirkungen wie 


1) Pal, Wien. med. Wochenschr. 1909, Zentralbl. f. Physiol. 23, 253. 1909. 
2) Baehr und Pick, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 74, 
65. 1913. 


Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. III. 331 


das Histamin. Die Versuche in vivo haben wohl zufolge des noch 
unreinen Produktes zu keinen einheitlichen Resultaten geführt, 
aber es wurde sowohl Blutdrucksenkung als Blutdruckerhöhung 
beobachtet, also vielleicht auch hier eine Analogie mit Histamin. 
Ich unterlasse bei der übereinstimmenden Wirkungsweise der beiden 
Substanzen auf überlebende Gefäße eine weitere Besprechung. 
Aus dieser Analogie der physiologischen Wirkungsweise soll aber 
nicht auf eine Identität der chemischen Konstitution geschlossen 
werden. Darüber wird die chemische Analyse zu entscheiden 
haben. | 

Auch die vasotonisierenden Eigenschaften des Blutser ums 
bzw. des defibrinierten Blutes stimmen mit jenen von 
Histamin und Lienin überein. Im Oxalatblut konnte bisher mit 
Sicherheit nur Adrenalin nachgewiesen werden, dessen Wirkungs- 
weise wir oben abgehandelt haben. 


| Schlußfolgerung. 

Die Ergebnisse vorliegender Untersuchungen der drei Abhand- 
lungen an überlebenden Gefäßen können, wie folgt, zusammen- 
gefaßt werden. 3 

I. Allgemeiner Teil. Die Ergebnisse der Untersuchungen 
tiber allgemeine Eigenschaften und deren Leistungsfahigkeit als 
Testobjekt. 

1. Isolierte Gefäßstreifen weisen in Ringerlös ung 
einen selbständigen Tonus auf. Bei der Einstellung eines 
GefaBstreifens in den mittleren Tonuszustand sind drei Phasen 
zu erkennen, a) die Deh nungs phase, b) die Phase der sekun- 
dären Retraktion und c) die definitive Phase des mitt- 
leren Tonus. Die erforderlichen Versuchsbedingungen für diese 
Einstellung sind: geeignete Belastung, Körpertemperatur 
und kontinuierliche Versorgung mit Sauerstoff. Der 
Sauerstoff muß für isolierte GefaBstreifen als sehr wirksames. 
tonisierendes Agens betrachtet werden; er kommt im 
Gegensatz zu den Angaben von Loening in Ringerlösung 
also bei Ausschluß jeder vasotonisierenden Substanz eben- 
sogut wie in Serum zur Geltung. Der Tonus ist in 
Ringer geradezu eine Funktion des О, - Druckes und 
stellt ein labiles Gleichgewicht dar, ein Plus an O, steigert, 
ein Minus an O, erniedrigt den Tonus. Die Einstellung und 


332 E. Rothlin: 


die Erhaltung im mittleren Tonuszustand unter stän- 
diger O,-Versorgung ist für die normale Erregbarkeit 
und Leistungsfähigkeit von Gefäßstreifen in qualita- 
tiver und quantitativer Hinsicht ein unbedingtes Er- 
fordernis. 

2. Der mittlere Tonuszustand isolierter Gefäßstreifen ist 
häufig dadurch charakterisiert, daß mehr oder weniger aus- 
gesprochene rhythmische Schwankungen auftreten. Diese 
rhythmische Tätigkeit zeigt folgende. Merkmale: größte Varia- 
bilität in der Form, Frequenz und Amplitude. Die Fre- 
quenz ist allgemein sehr träge, die Amplitude erreicht sehr 
selten einen größeren Verkürzungsgrad als 10%, der Länge des 
Gefäßstreifens. Ausgesprochener Rhythmus bei isolierten 
Gefäßen und künstlich durchströmten Gefäßen kann auch in 
reiner mit O,-gesattigter Ringerlösung beobachtet werden. 
Tonuserhöhende chemische Agenzien lösen häufig rhyth- 
mische Tätigkeit bei überlebenden Gefäßen aus, welche in 
Ringerlösung keinen Rhythmus zeigen. Tonusherabsetzende 
Substanzen lösen nie Rhythmus aus und hemmen einen 
schon bestehenden Rhythmus. Der Sauerstoff hat nicht nur 
einen günstigen Einfluß, sondern kann wie andere vasoconstric- 
torische Reize Rhythmus auslösen. Auch kommt die rhythmus- 
auslösende Eigenschaft vasoconstrictorisch wirksamer Reize nur 
bei genügender O,-Versorgung gut zur Geltung. 

II. Spezieller Teil. Ergebnisse über die spezielle Wirkungs- 
weise vasotonisierender Substanzen auf überlebende Gefäße. 

1. Reines peripheres Oxalatblut bzw. Normalblut 
ist entweder inaktiv oder besitzt eine schwach vasotoni- 
sierende Wirkung, welche nur dem Adrenalin eigen 
sein kann. Wenn Oxalatblut eine andere vasotonisierende Eigen- 
schaft aufweist, so ist dieselbe auf ein Kunstprodukt zurückzu- 
führen, welche mit dem Gerinnungsprozesse im genetischen 
Zusammenhange steht. Diese vasotonisierende Eigenschaft 
kommt dann jener des Blutserums gleich. 

2. Das Blutserum bzw. das def. Blut hat eine a usschließ- 
lich vasoconstrictorische Wirkung auf isolierte Gefäßstreifen, 
dieselbe darf daher nicht als „adrenali nähnlich“ bezeichnet 
werden, denn gewisse Gefäßstreifen werden durch Adrenalin ein- 
deutig dilatiert. Da diese ausschließlich vasoconstrictorische Eigen- 


Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. Ш. 333 


schaft des Blutserums im reinen Oxalatblut bzw. Normalblute 
nicht vorkommt und ein an sich inaktives Oxalatblut durch 
„spontane“ Gerinnung während eines Versuches eine ebenso 
starke ausschließlich vasoconstrictorische Eigenschaft 
gewinnt wie das Blutserum, muß diese Substanzalsein Pro- 
dukt der Gerinnung betrachtet werden. Diese vasoconstric- 
torische Eigenschaft ist allen Sera mit quantitativen Unterschie- 
den eigen und für diejenigen der untersuchten Tierarten (Rindvieh, 
Pferd, Schwein, Schaf und Kaninchen) in der Wirkung einheitlich, 
sie ist nicht spezifisch, thermostabil, dialysierbar und alkohollöslich. 

Die „O, aktivierende“ Rolle des Blutserums für die 
Wirkungsmöglichkeit des Sauerstoffes auf isolierte Gefäß- 
streifen, wie dies Loening annimmt, ist eine müßige An- 
nahme, da der Sauerstoff auch in bloßer Ringerlösung 
ebensogut zur Wirkung gelangt, im Blutserum aber deut- 
licher sein kann zufolge der stark vasoconstrictorischen Eigen- 
schaft desselben, welche sich zur tonisierenden Wirkung des 
Sauerstoffes addiert. 

3. A. Adrenalin hat auf die Mehrzahl der untersuchten 
überlebenden Gefäße verschiedener Organgebiete eine aus- 
schließlich vasoconstrictorische Wirkung; so auf die iso- 
lierten Gefäßstreifen der Extremitäten, Mesenterialarterien, Magen- 
und Milzarterien, sowie auf die Gefäße künstlich durchströmter 
Extremititeu, Splanchnicusgebiet und Totaldurchströmung beim 
Frosche, ferner beim Kaninchenohr. 

B. Adrenalin vermag anderseits unter gewissen Bedin- 
gungen sowohl den vasoconstrictorischen als den vaso- 
dilatatorischen Gefäßmechanismus bei demselben Gefäß- 
Bubstrate zu erregen, es kann somiteinebivalenteReaktions- 
weise auslösen. Diese Bedingungen für letztere habe ich vor 
läufig in drei Gesichtspunkten zusammenfassen können: a) sie 
tritt nur bei Gefäßen gewisser Organgebiete auf, b) es bestehen 
diesbezüglich bei verschiedenen Tierarten Unterschiede, 
c) sie ist abhängig von der Intensität des Adrenalinreizes, 
indem kleinste und stärkere Dosen eine entgegengesetzte Wirkung 
ausüben. Isolierte Nierenarterien im proximalen und distalen 
Abschnitte können durch kleinste Dosen dilatiert, durch stärkere 
Dosen kontrahiert werden, ebendasselbe treffen wir bei den künst- 
lich durchströmten Lungengefäßen des Frosches an. Während 


Biochemische Zeitschrift Band 111. 22 


334 E. Rothlin: 


die Herz kranzarterien vom Typus bovinus durch kleinste 
Adrenalindosen wahrscheinlich kontrahiert werden können, 186 
der typische Adrenalineffekt auf stärkere Dosen eine kräftige 
Erweiterung. Die Herzkranzgefäße vom Typus equinus 
werden durch Adrenalin in allen wirksamen Dosen 
ausschließlich kontrahiert. Die Erregbarkeit derselben 
wurde zwar als ganz normal gefunden; der Verkürzungsgrad 
erreicht aber, verglichen mit anderen Gefäßen, nur sehr geringe 
Grade, was eine anatomische Unterlage hat, indem die Muscularis 
im Verhältnis zur Elastica nur schwach ausgebildet ist. Die Ge- 
fäße der Lunge werden durch Adrenalin im Vergleich 
zu den übrigen Gefäßgebieten des Frosches nur durch stärkere 
Dosen erregt. 

4. В - Imidazolyläthyla min, das Histamin, weist eben- 
falls kei ne einheitliche Wirkungsweise auf die überlebenden 
Gefäße auf. Isolierte Gefäßstreifen, das Kaninchenohr, die Hinter- 
extremität des Frosches werden ausschließlich vasoconstrictorisch 
beeinflußt, die Splanchnicusgefäße, die Lungengefäße des Frosches 
können offenbar durch kleinste Dosen dilatiert, durch stärkere 
Dosen kontrahiert werden. Diese bivalente Wirkungsweise 
bzw. die ausschließliche Dilatation ist zwar schwer zu treffen, 
wurde aber sicher beobachtet. In der Erregbarkeit gegen- 
über Histamin besteht bei isolierten Gefäßstreifen und 
dem Kaninchenohr einerseits, den künstlich durchströmten 
Gefäßgebieten des Frosches anderseits ein wesentlicher 
Unterschied, die ersteren sind auf Histamin in relativ viel 
kleineren Dosen, auBerdem regelmäßiger erregbar als die 
letzteren. Ferner können bei den Gefäßen des Frosches inner- 
halb der untersuchten Dosen absolute Versager auftreten. 

5. Pituglandol wirkt auf isolierte Gefäßstreifen, das Kanin- 
chenohr und die Froschhinterextremität, wenn überhaupt, aus- 
schließlich vasoconstrictorisch. Bei künstlicher Durchströmung 
des ganzen Frosches, sowie bei dessen Splanchnicus- und Lungen- 
gefäßen kann durch geringe Dosen eine Dilatation, durch stärkere 
Dosen eine Kontraktion ausgelöst werden. Diese bivalente 
Wirkungsweise des Pituglandols ist an den Lungengefäßen 
am sichersten nachweisbar. Das Kaninchenohr erwies sich 
aber als das durch Pituglandol am regelmäßigsten beeinflußte 
Testobjekt. 


Wirkungsweise einiger chem., vasotonis. Subst. auf überleb. Gefäße. III. 335 


6. Lienin, ein aktives Prinzip der Milz, verhält sich in seinen 
vasotonisierenden Eigenschaften ganz analog dem Histamin, 
sowohl gegenüber isolierten Gefäßstreifen wie dem Kaninchenohr 
und den künstlich durchströmten Gefäßgebieten des Frosches. 
Es bestehen auch dieselben Verhältnisse in bezug auf die Erreg- 
barkeit der verschiedenen untersuchten überlebenden Gefäße. 

7. Ein ständiger Vergleich der Resultate über die Wirkungs- 
weise der untersuchten vasotonisierenden Substanzen an über- 
lebenden Gefäßen mit jenen in vivo gewonnenen, ergibt keine 
prinzipiellen Unterschiede. Da, wo Differenzen bestehen, sind die 
in vivo bisher gemachten Beobachtungen nicht eindeutig. 

8. Auf Grund der gewonnenen Resultate an überlebenden 
Gefäßen wird weiterhin das Problem über die Wirkungsweise 
vasotonisierender Substanzen und der Innervation der Gefäße 
bzw. dem Angriffspunkte dieser chemischen Agenzien diskutiert. 

Trotz der geübten Vorsicht bei der Bewertung meiner Ver- 
suchsergebnisse an überlebenden Gefäßen dürften die einleitend 
gehegten Hoffnungen nicht getäuscht sein. Im Gegenteil. Bei 
der überraschenden prinzipiellen Übereinstimmung der Versuchs- 
resultate am überlebenden Organ mit jenen in vivo dürften durch 
diese Studien unsere Kenntnisse über die allgemeinen Eigenschaften 
und die Leistungsfähigkeit der Gefäßmuskulatur, über die spezielle 
Wirkungsweise der untersuchten vasotonisierenden Substanzen, 
sowie über das Problem des Gefäßmechanismus überhaupt, nicht 
nur ausgedehnt, sondern auch vertieft worden sein. Diese Resul- 
tate an überlebenden Gefäßen zeugen dafür, daß die in vivo 
beobachteten Erscheinungen an den Gefäßen zum allergrößten 
Teile der Ausdruck deren selbständigen Funktionen sind. 


Berichtigung. 
In Band 109 auf Seite 207 ist statt der Tabellenüberschrift 
„zu addierender Salzfehler“ 


zu lesen: 
| „zu subtrahierender Salzfehler“. 


22” 


Autorenverzeichnis. 


Bach, E. s. Rona. 

Baumgardt,Gertrudu.Maria 
Steuber. Ein Beitrag zur Kennt- 
nis des Gaswechsels bei Knaben. 
S. 83. 

Biberfeld, Johannes. Zur 
Kenntnis der Gewöhnung. IV. 
Über Gewöhnung an Kodeinderi- 
vate (Eukodal und Parakodin). 
S. 91. 

Ege, Rich. Die Verteilung der 
Glucose zwischen Plasma und roten 
Blutkörperchen. Zur Physiologie 
des Blutzuckers. IV. S. 189. 

Engelhardt, Wilhelm s. Stepp. 

Feigl, Joh. Uber das Vorkommen 
von Phosphaten im menschlichen 
Blutserum. XI. Hyperphosphat- 
ämie und ,Salzretention® bei Mor- 
bus-Brightii. S. 108. 

György, P. s. Rona. 

Herrnheiser, Gustav s. Pri- 
bram. 

Kochmann,M. Beitrag zur Kennt- 
nis der Wirkung des Kohlenoxyds. 
S. 39. 

Köhler, Erich. Weitere Beiträge 
zur Physiologie der Hefe. S. 17. 

Meier, Klothilde s. Straub. 

Michaelis, L. Die Bedeutung der 
Magensalzsdure. Erwiderung auf 
die Note von J. Traube. S. 105. 

Petow, H. s. Rona. 

Pribram, Hugo und Gustav 
Herrnheiser. Zur Kenntnis 
der adialysabeln Bestandteile des 
Menschenharnes. S. 30. 

Rona, P. und P.György. Zur 
Kenntnis der Urease. Zugleich ein 
Beitrag zum Studium der Gift- 
wirkungen. S. 115. 


Rona,P.undH.Petow. Beiträge 
zum Studium der Giftwirkungen. 
Versuche über die Giftwirkung 
des Thiodiglykols und seiner Deri- 
vate an Sojabohnenurease. S. 134. 

Rona, P.und E. Bach. Beiträge 
zum Studium der Giftwirkung. 
Über die Wirkung des Atoxyls 
auf Serumlipase. S. 166. 

Rothlin, E. Experimentelle Studien 
über die Eigenschaften überleben- 
der Gefäße unter Anwendung der 
chemischen Reizmethode. S. 219. 

— Experimentelle Untersuchungen 
über die Wirkungsweise einiger 
chemischer, vasotonisierender Sub- 
stanzen organischer Natur auf 
überlebende Gefäße. IL S. 257. 

— Experimentelle Untersuchungen 
über die Wirkungsweise einiger 
chemischer, vasotonisierender Sub- 
stanzen organischer Natur auf 
überlebende Gefäße. III. S. 299. 

Stepp, Wilhelm und Wilhelm 
Engelhardt. Uber die quanti- 
tative Bestimmung von Aceton und 
Aldehyd in ein und derselben 
Flüssigkeit. S. 8. 

Steuber, Maria s. Baumgardt. 

Stosius, Karlu. Karl Wiesler. 
Uber den Ort der Doppelbindung 
bei der Ricinolsäure. S. 1. 

Straub, H. und Klothilde Meier. 
Blutgasanalysen. VII. Der Einfluß 
von Bor, Aluminium und Lanthan 
auf Hämoglobin und Zelle. S. 45. 

— — Blutgasanalysen. УШ. Der 
Einfluß einiger Digitalisk örper auf 
die Ionendurchgängigkeit mensch- 
licher Erythrocyten. S. 67. 

Wiesler, Karl s. Stosius. 


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und Wider genau abgewogen und sich immer bemüht, gerecht zu sein. Er hat, 
wie auch Edv. Hjelt, als wirklicher Historiker eben über den Ereignissen ge- 
standen und nie dem Gefühle und persönlichen Empfinden die Herrschaft über 
den Verstand oder über die Gerechtigkeit gegeben... 

Graebes Buch sei allen Chemikern wärmstens empfoh- 
len,besondersaber der studierenden Jugend. Man kann eine 
Wissenschaft nur dann voll und ganz verstehen, wenn man ihre Geschichte kennt. 
Wie atmete der Strebende seinerzeit auf, als ihm die grundlegenden Abhandlungen 
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