UNIVERSITY OF CALIFORNIA
MEDICAL CENTER LIBRARY
SAN FRANCISCO
itschrift
1 Pathologie
1 - Frankfurt a. M.,
nann-Berlin
sertrand-Paris A.Bickel-
apel, G. Bredig- Karlsruhe
er-Stockholm, 8.Flexner-
L- Wien, E. Freund-Wien,
Amann-Berlin,O.v.Fürth-
gen, P. Hári- Budapest,
anri- Paris, V. Henriques-
i- Dahlem, W. Heubner-
lle a.S., F.Landolt-Buenos
inn- Berlin, P. A. Levene-
ork, 5. Loewe- Dorpat,
A. Magnus-Levy-Berlin,
lsbad, J. Meisenheimer-
Berlin, E.Münzer-Prag,
d-Leipzig, J. K. Parnas-
eslau, E. P. Pick-Wien,
Heidelberg, S. Salaskin-
Imann-Düsseldorf, S. P.
ndon, J. Stoklasa-Prag,
Kanazawa, U. Suzukl-
homs-Berlin, P, Tren-
W. Wichowski- Prag,
Biochemische Zeitschrift
Beiträge
zur chemischen Physiologie und Pathologie
Herausgegeben von
F. Hofmeister- Würzburg, C. von Noorden - Frankfurt a. M.,
E. Salkowski-Berlin, A. von Wassermann-Berlin
unter Mitwirkung von
M. Ascoli-Catania, L. Asher-Bern, M. Bergmann-Dresden, G. Bertrand-Paris A.Bickel-
Berlin, F. Blumenthal-Berlin, A. Bonanni-Rom, F. Bottazzi-Neapel, G. Bredig- Karlsruhe
L.B., R. Doerr- Basel. A. Durig-Wien, F.Ehrlich-Breslau, H.v.Euler-Stockholm, S.Flexner-
New York, J.Forssman-Lund, H. Franzen-Karlsruhe, S. Fränkel-Wien, E. Freund-Wien,
H.Freundlich-Berlin-Dahlem, E.Friedberger-Greifswald,E.Friedmann-Berlin,O.v.Fürth-
Wien, F. Haber-Berlin-Dahlem, H. J. Hamburger-Gro: ingen, P. Härl- Budapest,
F. Hayduck-Berlin, E. Hägglund-Abo, A. Heffter-Berlin, V. Itenri- Paris, V. Henriques-
Kopenhagen, R. O. Herzog - Berlin- Dahlem, K. Hess - Berl n- Dahlem, W. Heubner-
Göttingen, R.Höber-Kiel, M. Jacoby-Berlin, M. Kochmann-Halle a.S., F.Landolf-Buenos
Aires, L. Langsteln-Berlin, E.Laqueur-Amsterdam, O. Lemmermann-Berlin, P. A. Leveno«
New York, L. v. Liebermann - Budapest. J. Loch - New York. 5. Loewo- Dorpat,
A. Loewy-Davos, H. Lüers-München. Th. Madsen-Kopenhagen, A. Magnus-Levy-Berlin,
J. A. Mandel- New York, L. Marchlewski-Krakau, P. Mayer-Karlsbad, J. Meisenheimer«
Tübingen, L. Michaelis-Nagoya, H.Molisch- Wien, J.Morgenroth-Berlin. E.Münzer-Prag,
H. Murschhauser - Düsseldorf, W. Nernst-Berlin, W. Ostwald-Leipzig, J. K. Parnas«
Lemberg, Th. Paul-München, W. Pauli-Wien, R. Pfeiffer-Breslau, E. P. Pick-Wien,
J. Pohl- Breslau, Ch. Porcher-Lyon, P. Rona-Berlin, H. Sachs-Heidelberg, S. Salaskin«
St. Petersburg, T. Sasaki-Tokio, A.Scheunert-Berlin, A. Schloßmann-Düsseldorf, S. P.
L. Soerensen-Kopenhagen, K. Spiro-Basel, E. H. Starling-London, J. Stoklasa-Prag,
W. Straub- Freiburg i. B., A. Stutzer- Königsberg i. Pr.. K. Suto-Kanazawa. U. Suzukle
Tokio, H. v. Tappeiner-München, K. Thomase- Leipzig. H. Thums-Berlin, P, Trene
delenburg- Rostock, 0O. Warburg -Berlin. E. Widmark-Lund, W. Wichowski- Prag,
A. Wohl-Danzis, J. Wohlgemuth-Berlin.
Redigiert von
C. Neuberg-Berlin
Hundertzweiunddreißigster Band
Berlin
Verlag von Julius Springer
1922
Druck der Spamerschen Buchdruckerei in Leipzig
Inhaltsverzeichnis.
Koch, A.T .... 2 222.0.
Adlersberg, D. “Die NH;3-Ausse Keil. GE der Hunger-Ostropathie Ke
der chronischen Unterernährung . . 2 2 2 2 2 2 2 2 2 na.
Mansky, S. Der Einfluß von Saccharose auf das Grünen etiolierter Kotyle-
donen, die in verschiedenen Stadien des Keimens isoliert wurden . . .
Kanai, T. J. Biochemische Untersuchungen über die Entstehung der Typhus-
immanitate a 3: a e Gnade e oe Br ee a
Verzar, F. und W. Szányi. Die Vertretbarkeit von Kalium durch Uran
beim quergestreiften Muskel. (Beruhigung fibrillärer Zuckungen in NaCl-
EU EE
Verzär, F., J. Bögel und W. Szänyi. Spannung und Dehnbarkeit bei
Säurecontractur und chemischer Contractur des Muskels . .....
Rakusin, M. A. und Tatjana Gönke. Beiträge zur Kenntnis der negativen
Adsorption. II. Mitteilung. Berechnung der Menge des aufgenommenen
Eösüungsmiüttels Ar Cé Ara a KE d A ER, A
Salkowski, E. Ein Beitrag zur r Fi Dë nach der chemischen Natur der Toxine
und Antitoxine . . 2 2 2 HE Er rn. e
Ogata, Daizo.. Kann die avitaminöse Wachstunsstörung durch. chönnisch
definierte Substanzen beeinflußt werden? . .... E ean a A
Zwaardemaker, H. Die K- -Ca-Äquilibrierung in tierischen Systemen
Ederer, Stefan. Die Wirkung des SEET) Lichtes auf die alveolare
Kohlensäurespannung . 2 2 2 te m nn Er ren.
Lindberg, Ernst. Über GE EE
Wrzesnewski, A. N. Untersuchung der Pentaglykose eines neuen Falles
Von-Pentosurie ni 25. u u. de a e an a
Bornstein, A. und Kurt Holm. Über den Mechanismus der Parasympa-
thienselyKämiß. e w 3, 3. 0.2 Ya ar Se Bere RE ee
Scheminzky, Ferd. Über die verschiedene Empfindlie 'hkeit der Forellen-
eier während ihrer Entwicklung dem elektrischen Strom gegenüber
Fürth, Otto und Fritz Lieben. Weitere Untersuchungen über Milchsäure-
zerstörung durch Hefe . . 2. 2 2 EEE nenne
Lieben, Fritz. Über das Verhalten von einigen Aminosäuren Ferönüber
sauerstoffgelüfteter Hefe . . l.. LE Er e ren.
Ausenda, Camillo. Über die Carbaminoreaktion der Bluteiweißkörper und
ihre angebliche Bedeutung für den Kohlensäuretransport im Blute
Bokorny, Th. Hippursäure und Harnstoff als Nährsubstanzen für Pflanzen
Kickinger, Heinrich. Der Abbau von Citronensäure der Kuhmilch durch
einige Bakterien . . .. .
Endres, Gustav. Über Gesetzmäßigkeiten in der Beziehung zwischen der
wahren Harnreaktion und der alveolaren CO,-Spannung
Pincussen, Ludwig. Analytische Mitteilungen I . . 2.2...
Wirth, ©. Über die biologische Wirkung von Lymphdrüsenextrakt auf Or-
gane glatter Muskulatur, auf das Herz und den Blutdruck
Karezag, L. Studien über Oxydationskatalysen. III. Mitteilung
Karczag, L. und F. Sternberg. Studien an Blutzellen. I. Mitteilung. Über
die Säurebehandlung der Blutzellen . . 2... 2: 2 2 2 220.
Karczag, L. und F. Sternberg. Studien an Blutzellen. II. Mitteilung. Über
das Verhalten der Blutzellen gegen Wasserstoffsuperoxyd . ;
Seite
IV Inhaltsverzeichnis.
Karczag, L., F. Sternberg und J. Halmi. Studien an Blutzellen. III. Mit-
teilung. Uber die Anwendung der katalytischen a
auf mikroskopischem Gebiete . . 2.2... i EES
Sammartino, Ubaldo. Über einen neuen Extraktivstoff : aus siler Thy reoidea
Schaal, Hans. Schilddrüse und Flüssigkeitsaustausch. Beobachtungen hierzu
bei intravenösen Kochsalzfusionen und Wassergaben per os bei Kaninchen
vor und nach Entfernung der Schilddrüse . M AR
Rohonyi, H. Nachtrag zu der Arbeit: Die Entstehung elektrischer Ströme
in lebenden Geweben ... `
Maie, Shin. Die enterale Zufuhr von Ee in Ahon Beziehinzen zur
Anaphylaxie. Versuche an Meerschweinchen mit Hühnereiweiß und
Pferdeserum . . Be A de Werke Sad Dr Are here
Fürth, Otto und Fritz Lieben. Colorimetrische Untersuchungen über das
Tryptophan. VII. Mitteilung. Über den Tryptophanbedarf wachsender
Ratten (zugleich ein Beitrawr zur Frage der Cvelopviese)
Sammartino, Ubaldo., Beitrag zur Chemie der Leber
Orient, Julius. Die Wirkung der Amine auf die Gärung Se
Zondek, S. G. Über das Wesen der Vagus- und Sympathienstunktion. Die
Identität von Nerv- und Jonenwirkunt l AEN
Dernby, K. G. und Carl Näslund. Biochemische Studien über Tuberkel-
bacillen `, . . ge a a a ee An ee er
Dernby, K. G. und S. Siwe. "Die Anpassung der Diphtheriebacillen au H-
und Oll-Ionen S
Pichler, Friedrich und Artur W über. KO he Studien. über CH Ad-
sorption aus versehiedenen Metallsalzlösungen
Saccardi, Pietro. Über Melanine, die aus Adrenalin Kësescheng
— Melanine aus Pyrrolderivaten . .. ss a
Arnbeck, Otto. Untersuchungen über den E iak der SE
auf die Gelatineverflüssieunge und die Indolbildunge durch Bakterien
Wolff, P. Zur Ilerzwirkung der Alkohole in Beziehung zu ihrer chemischen
Konstitution . . . kt et ai d ne
Osato, Shungo., Der Boake Punkt iis G Jois SE Ee
Giemsa, G. Über einen einfachen und wirksamen a ara
zur Ultratiltration proteinhaltizer Sole er en A ee EE
Ijin, W. S. Wirkung der Kationen von Salzen auf den Zerfall und die
Bildung von Stärke in der Pllanze. 1. Mitteilung ... SÉ
— Synthese und Hydrolyse von Stärke unter dem Eınfluls der Kann von
Salzen in Pilanzen. Il. Mitteilung e e e ee d er ee
— Physiologischer Pflanzenschutz gegen schädliche Wirkung von Salzen.
III. Mitteilung DEE Ban e ern A ECH
Grunke, Wilhelm. Über die Ausscheidung des Cholesterins im Harn
Butkewitsech, W. und Fr. W. G. Orlow ft, Zur Frage nach den „okono-
mischen Koeffizienten“ bei Aspergillus niger i
Gehle, Heinrich. Vergärung von Zucker ber Gesenw in von Dina:
sulfit nach Neuberg und Reinfurth 3
Neuberg, C, d, Hirsch und E. Reinfurth. Weitore Mitte ken, über diè
äquivalente Bildung von Acetaldehyd und Glycerin bei der zweiten Ver-
eärunesform
BEACH CINE ee ee rer AE re Ze ie
Autovrenverzeiehnis . 2. 2 2 2 2 2 nn. koad BEN a ©
Seite
Bioshemische Zeitschrift. Bd. 182, Heft 1/8.
De Biochemische Zeitschrift
erscheint in zwanglosen Heften, die in kurzer Folge zur Aus-
gabe gelangen; je sechs Hefte bilden einen Band. Der Preis
des laufenden Bandes im Umfange von 40 Bogen beträgt M. 480.—.
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nicht mehr ale 1'/, Druckbogen umfassen. Sie werden mis dem Datum des
Bingangs versehen und der Reihe nach veröffentlicht, sofern die Verlasser
die Korrekturen rechtzeitig erledigen. — Mitteilungen polemischen Inhalts
werden nur dann zugelassen, wenn sie eine tatsächliche Richtigstellung ent-
halten und höchstens 2 Druckseiten einnehmen. Die Herren Mitarbeiter
werden jedoch in ihrem eigenen Interesse dringend gebeten, sich, wenn irgend
möglich, mit der kostenfrei zur Verfügung gestellien Anzahl zu begnügen,
und falls mehr Exemplare unbedingt erforderlich sind, deren Kosten vorher
vom Verlage zu erfragen, un unlicbsame Überraschungen zu vermeiden.
Manuskripisendungen sind an den Redakteur,
Herrn Prof. Dr. C, Neuberg, Berlin-Dahlem, Hittorfstr. 18,
zu richten.
Die Verfasser erhalten 100 Sonkerabdrücke ihrer Abhandlungen kosten-
frei bis zu einem Umfang von Dis Druckbogen, von größeren Arbeiten nur
75, weitere gegen Berechnung.
Verlagsbuchhandlung Julius Springer
Berlin W 9, Linkstraße 23/24
Boite
eebe Afees Se ee er e ne A 1
Adlersberg, D. Die NH,-Ausscheidung bei der Hunger-Osteopathie
~ and der chronischen Unterernährung - >... » 222.20.
Mansky, S. Der Einfluß von Saccharose auf das Grünen etiolierter
Kotyledonen, die in verschiedenen Stadien des Keimens isoliert
würden: a E a e e BE Aë re re la a 18
Kanal, T. J. Biochemische Untersuchungen über die Entstehung
der Typhusimmunität . . . 2 2 2 2 rn nenne. 26
Verzär, F. und W. Szänyl. Die Vertretbarkeit von Kalium durch Uran
beim quergestreiften Muskel. (Beruhigung fibrillärer Zuckungen
iú -Na0l-Eösung): = = =... male ee nn 63
Verzär, F., J. Bögel und W. Szänyl. Spannung und Dehnbarkeit
bei Säurecontractur und chemischer Contractur des Muskels . . 64
Fortsetzung des Inhaltsverzeichnisses siehe III. Umschlagseite!
A. Koch t.
Am 22. Juni starb nach längerem Leiden Professor
Dr. Alfred Koch, Direktor des landwirtschaftlich-bakterio-
‚logischen Instituts der Universität Göttingen. Der Heim-
gegangene, der 1858 in Erfurt geboren war, studierte in
Berlin und namentlich unter Leitung von de Bary in
Straßburg. Hier promovierte er 1884 und habilitierte
sich 1888 in Göttingen. Nach vorübergehender Tätigkeit
an der Lehranstalt für Obst-, Wein- und Gartenbau zu
Geisenheim a. Rh. folgte er einem Ruf an die neugegrün-
dete Weinbauschule zu Oppenheim. 1901 kehrte er nach
Göttingen zurück, um die Leitung des zu errichtenden
und 1904 in einem eigenen Gebäude untergebrachten
Universitätsinstituts für landwirtschaftliche Bakteriologie
zu übernehmen.
Die vielen ausgezeichneten Arbeiten Kochs betreffen
in erster Reihe die Welt der Bodenbakterien. Seinen
Untersuchungen sind wertvolle Erkenntnisse und Klä-
rungen bestehender Widersprüche zu danken. Am wich-
tigsten sind seine Forschungen über die Stickstoff-
anreicherung in der Ackererde durch frei lebende Bak-
terien und über die Bedeutung dieses Vorganges für die
Pflanzenernährung. Seine reichen Erfahrungen hat er in
einem mikrobiologischen Praktikum niedergelegt, das in
. Kürze erscheinen und dazu beitragen wird, die Erinne-
rung an A. Koch lebendig zu erhalten, der in gleicher
Weise hervorragend war als Forscher, Praktiker und
Lehrer. C.
Biochemische Zeitschrift Band 132. l
Die NH,-Ausscheidung bei der Hunger-Osteopatbie und der
chronischen Unterernährung.
Von
D. Adlersberg.
(Aus der I. medizinischen Klinik in Wien.)
(Eingegangen am 12. Mai 1922.)
Die Hunger-Osteopathie bildet das letzte Glied der Kette von Kriegs-
und Nachkriegskrankheiten: Amenorrhöe, gehäuftes Auftreten von
Skorbut, Morbus Barlow, Rhachitis, Hungerödem, Poly- und Pollakisurie,
Hungerosteopathie. In Wien wurden die ersten Fälle Anfang 1919
beobachtet und beschrieben, dann kamen zahlreiche Publikationen
aus Deutschland. In Russisch-Polen wurde die Krankheit schon in den
Jahren 1917/18 beobachtet, aber erst später beschrieben.
Fast alle Autoren stimmen darin überein, daß es sich bei der Hunger-
oseopathie um den Ausdruck einer lange anhaltenden Schädigung
des Knochensystems handelt und die schädliche Noxe kausal in innigster
Verbindung mit der nicht so sehr quantitativ als qualitativ unzureichen-
dem Nahrung steht.
So beschuldigt Schlesinger die chronische Unterernährung und hauptsächlich
„das langandauernde, unzureichende Kalk-Phosphorangebot der Nahrung",
Porges und Wagner die chronische Unterernährung, speziell die Stickstoffverluste
des Organismus, die zu einem N-Verlust des Knochens, damit zu einer Knochen-
einschmelzung führen. Simons’ Patienten bekamen ihre Knochenerkrankung
nach einer Grippe und er glaubt deshalb, daß die Infektion hier eine begünstigende
Rolle spiele; aber auch er schreibt das Auftreten der Hungererkrankungen des
Skelettsystems der chronischen Unterernährung zu. Alwens betrachtet die Er-
nährung mit einer eiweiB-kalk-phosphorarmen Nahrung als ätiologisches Moment.
Hanau führt die Erkrankung auf Mangel von Milch- und Milchderivaten zurück.
Auch Goldjlammn sowie Chelmonski beschuldigen den alimentären Faktor.
Daß bei der „echten“ Osteomalacie, hauptsächlich aber der puerperalen, die
Verhältnisse ganz anders liegen, daß hier der Ernährungsfaktor ätiologisch keine
Rolle spielt, wurde öfters hervorgehoben. Ein älterer Autor. Kehrer, schreibt:
„Etwa ein Drittel (seiner Patientinnen mit puerperaler Osteomalacie) ist wenigstens
im Anfang noch wohlgenährt.... Gegenüber der Ansicht, daß ungenügende Nah-
rung zur Krankheit disponiere,. möchte ich aus eigener Erfahrung anfügen, daß
ich außer 2 früheren Fällen in Heidelberg und Umgebung, unter 30 Fällen 10 Frauen
von Kaufleuten, Bäckern, Gastwirten und Fleischern an Osteomalacie in Behand-
lung gehabt habe, Individuen, denen es sicher nicht an Nahrung, am wenigsten
an Fleischnahrung gefehlt hat.‘ Auch nützt die reine Ernährungstherapie bei
der echten“ Osteomalacie, der senilen und puerperalen, bekanntlich recht wenig.
D. Adlersberg: NH,-Ausscheidung bei der IHunger-Östeopathie usw. 3
Wir hatten Gelegenheit einen Teil des Hunger-Östeopathiematerials
unserer Klinik, ungefähr 50 Fälle, in der Zeit von Anfang 1919 bis Mitte
1921 zu beobachten. Porges und Wagner haben das klinische Bild dieser
Krankheit auf Grund ihrer Beobachtungen an einem Teil desselben
Materials beschrieben, und sie vermuten, wie gesagt, die Ursache der
Krankheit in der chronischen Unterernährung, speziell in den großen
N-Verlusten des Organismus.
Wir gingen nun auf Anregung von Professor O. Porges daran, den
Eiweißstoffwechsel bei einigen dieser Fälle zu untersuchen und be-
schränkten uns dann, als uns die Verhältnisse des N und NH, im Harn
besonders auffielen, darauf, diese Werte bei 7 Patienten und 2 Kontroll-
fällen durch einige Tage dauernde Perioden zu bestimmen. Wir hatten
auch die Möglichkeit, 2 unserer Patienten, 15 Monate, nachdem sie die
Klinik geheilt verlassen haben, neuerlich zu untersuchen, und werden
auch darüber kurz berichten.
Der Harn wurde über Chloroform in geschlossenen Flaschen 24stündlich
esammelt. Dann wurden Menge und spezifisches Gewicht bestimmt und ein Teil
des Mischharnes wurde in Halbliterflaschen bis zur Bestimmung im Eis gehalten
und innerhalb der ersten 12 Stunden verarbeitet.
Der Gesamt-N wurde nach Kjeldahl, NH, nach Schlösing bestimmt. Es
wurden immer Doppelbestimmungen ausgeführt.
NH,-Bestimmungen nach Folin konnten wir wegen Mangel an guten Gummi-
schläuchen nicht ausführen, nach Krüger, Reich und Schittenhelm wegen Mangel
an Alkohol. Wir glauben aber, daß auch die Schlösingsche Methode durchaus
brauchbare Werte ergibt, wie wir das durch Kontrollen an Normalharn sehen
konnten.
Die Resultate unserer Bestimmungen sind in den Tafeln I—VII
zusammengefaßt. Tafel VIII bringt eine Übersicht der Mittelwerte
aller 7 Fälle. Tafel IX und X zeigen Bestimmungen an 2 Kontroll-
fällen, die wir zu verschiedenen Zeiten ausführten. Patient Kaw.
(Tafel IX) war ein Kaufmann, der sich zur Spitalskost noch täglich
mehrere Eier und Fleisch leistete, während Patient Klim. (Tafel X)
ausschließlich auf unsere ‚gemischte Kost“ angewiesen war. Tafel XI.
und XII zeigt das Resultat der zweiten Untersuchung an 2 Patienten.
Tabelle I.
Pat. Hau. Hunger-Osteopathie (weibl.).
Datum | dr ie Nr NH
Spannungd. | st DEE E GE LA AZ
ee 4 euren
14. IV. 6,33 1900 | 1011 R911 © 1.292 ` 1,064 | 11.94
15.IV. | 6,56 1600 1013 8,736 1.104 ı 0,909 | 10,41
16. IV. 6,30 1900 1010 8645 ` 1.045 | 0,860 9,96
17.IV.: 61 1009 9.135 1.232 | 1.013 | 11.09
Im Durch-
1.168 0,962 ` 10,55
(ke
schnitt. . 6.33
4 D. Adlersberg:
Tabelle II.
Pat. Pab. Hunger-Osteopathie (weibl.).
1 D CO.- Harn- N | S |
Datum g ch, NH `
‚ Spannung d. E 7 = A A-2.
va Alveolarluft| ` Menge SEN pro die pro die S `
15. IV. 2400 1010 7.224 0.804 — 0.662 9.165
16. IV. 6,28 2600 1010
17.IV. 6,56 1600 1015
6,608 | 0,528 0,434 ` 6,57
6,39 2300 1011 |
1,406 0.759
|
8.008 | 0,806 0,664 , 9.29
|
Im Durch- |
schnitt. . `
Tabelle III.
Pat. Wit. Hunger-Osteopathie (weibl.).
Datum Harn- o Nr NH, N, "A
1919 d Menge spezif. Gewicht pro die pro die
4. XII. Ə700 1011 6.304 OAI "OAI 6.44
5. NII. 2850 1012 1.30 0.83 0.65 9,24
6. XII. 3600 1012 7,092 1,06 0.88 12.30
Im Durch- `
schnitt. . 1,083 (NI (Li, 9,33
Tabelle IV.
Pat. He. Hunger-Osteopathie (männl.).
Datum o Ham Nr NH, N, \-Z
1919 Menge spezif. Gewicht | Dën die pro die
9. XII. | 2500 1013 T900 | 0,725 0,597 7.5K
11. XII. 2400 - 7,170 52
1015 S S
12. XI.
Im Durch-
schnitt. . 2433 | 1014
2400 1,912
7,529 0,730 (LI WI 1,98
Tabelle V.
Pat. Kam. Hunger-Osteopathie (männl.).
e = J
Datum Harn- Nr NH, N
A A.Z
1920 Ä Menge spezif. Gewicht pro die pro die
16. 1. 1600 1018 6.400 0.64 0.527 8,25
17.1. 1720 1018 6.638 0,69 0,566 8,52
18.1. 1620 1018 1,529 DAN 0,040 8,49
Im Durch-
schnitt. .
— mme O il . ` mmm, a — le
eescht —
N H,-Ausscheidung bei der Hunger-Osteopathie u. der chron. Unterernährung.
Tabelle VI.
Pat. Mar. Hunger-Osteopathie (weibl.).
5
Datum Harn- Nr NH, N a
É eat ie die a m
1920 Menge spezif. Gewicht | PTO die pro
20.1. 2500 1014 3.125, 0600 0,49 6,08
21.1. | 2000 1020 4,88. | 0,580 0,477 9,77
22.1. | 2350 1014 9,19 0,517 0,425 4,62
Im Durch-
schnitt... 2283 1016 7,398 0.566 0,465 6,80
Tabelle VII.
Pat. Men. Hunger (Osteopathie (weibl.).
um — Ä SE t a N A.-Z. B k
= | EEN SCH , pradie: Ce A | emerkungen
3_ (my. 1200 1023 | 7,104 0,828 0,681 | 9,59
ze 21V, 1900 1014 8569 0,741. 0,610, ZI
S (av 1750 1025 | 9012 0,630 0,518 | 5,75
23.V. 1800 1021 | 6,804 0,269 ' 0,221 | 3,25 1.50 NaHCO,
m 24.V. 2050 Ä 1021 7,195 0,209 0,172 | 238 IL 50g o
se) 25.V. 1900 1019 | 5,377 , 0.180 DE? 2,73 :ım. 50g „ Leichte
SE N l l Knöchelödeme.
=" | 26.V. 1900 1019 | 4.256 ! 0,148 | 0,122 2,86 Te 50g dgl.
27. V. 2450 1018 | 4,606 | 0,208 0171 372 | v. e dgl.
28. V. 2300 ' 1014 3,15 ı 0,453 | 0,373 7,24 |
Eu EK 2000 1016 | 6,44 | 0,788 | 0.649 10,07 Der Harn braust
>23 nicht, leicht al-
SS | | kalisch.
30. V. 1600 | 1015 7616: 0,696 | 0,575 | 1.52 |
Durchschnitts- | | |
werte der | ©
Vorperiode. . . 1617 | 1020 8.228 0,733 0,603 1,48
Hauptperiode. 2020 ` 1020 | 5,648 0203 0,167 299 |
Nachperiode. . 1967 : 1015 6,402 0,646 0532828 |
Tabelle VIII.
Durchschnittswerte der 7 Hunger-Östeopathien.
Name und © CO Nr | NH
h ın itts- e Se á Se, N .
3 Spannung d. a N; 1-2.
(seschlecht E Taea Menge l Gewicht Alveolarluft ` DË die ' pro die |
(lau, (w.) T 4 2075 : 1011 6,35 8,858 1,168 0,962 | 10,85
Pab. (w.) II 4 2225 : 1012 1.41 7311 0,724 0,596 | 811
Wit. (w.) IL 3 3056 , 1012 7,083 0,81 0,67 9,33
He. (m) IV 3 (2433| 1014 : 7,529 0,730 0,600 | 7,98
Kam. (m) V 3 11647: 1018 6,856 0,70 0,578 | 8,41
Mar. (w) VI 3 12283 | 1016 7.398 0,566 0,465 | 6,70
Men. (w) VII 3 1617 | 1020 | 8,228 0.733 0,603 | 7,48
i
;
Durchschnitts-
wert aller 7
Patienten. .
t
2190 | 1015 7.609 | 0.776 0.639
HA)
dh
1. Kontrollfall.
D. Adlersberg :
Tabelle IX.
Pat. Kaw. (männl.). Arthritis urica.
Datum N, NH, x
1919 pro die pro die a Al
6. \I 14.460 0.740 D GON 4,21
T. VI. 11.214 0,714 DDNS o: 5,24
8. VI 11,660 TALLU 0.444 4.23
Im Durchschnitt
2. Kontrollfall.
Datum
19A
6. l.
1.1.
NL
Im Durch-
schnitt. . 1760 1018 6,854 0.324 0.266 3.96
Tabelle XT.
Pat. He. (männl.). II. Untersuchung, Diagn. Unterernährung.
Datum ar: Ea AT NH, N, | A-Z
1921 Menge spezif. Gewicht pro die pro die |
1. HI. 1800 1016 9,576 0.659 0,542 IK
2.11. 2100 1018 11,760 1,029 0,847 1.20
3.111. 2500 1016 9,95 0,050 DTX? 2.85
4.1. . 2000 1015 10,274 0.726 (ën ` 5,74
Im Durch- Di
schnitt. . 2160 1016 10,390 (LA (LIN) Di)
Pat. Wit
Datum
1921
1. HI.
2.101.
Im Durch“,
schnitt
12.445 (Lis? 0.364 4,56
Tabelle X.
Pat. Kl. (männl.). Asthma bronchiale.
Harn- i o Nr | NH, N, A-Z.
Menge spezif. Gewicht pro die pro die
1900 1015 6,27 0,342 0.282 4,49
19X0 1016 1,98 0.297 0.244 3,06
1400 1023 6,314 0.333 0,274 4,33
Tabelle XII.
. (weibl.). II. Untersuchung, Diagn. Unterernährung.
en Ne loam os doaz
Menge ' spezif. Gewicht prodig | HES |
|
2000 1019 IR 0.994 0,818 Ä 13,27
3500 1012 12.145 1.96 Li 13,26
2730
1,214
13,26
NH3,-Ausscheidung bei der Hunger-Osteopathie u. der chron. Unterernährung. 1
Tabelle XIII.
Pat. Blaz. (weibl.). II. Aufenthalt, Diagn. Sklerodermie. Anfang 1920
. Hunger-Östeopathie.
Nr
Datum . Hurn- NH. | x E
| pS z l zi A A.
1921 Menge | spezif. Gewicht | PP die pro die `
10.IV. ou 1019 5,408 0,464 0,382 7,06
11.IV. | 1350 1021 4,306 0,418 084° 795
12. IV. 1200 1020 4,152 0,356
! `
Im Durch-
schnitt. . 1348 1020
4622 04% | 03306 | 736
Besprechung der Resultate.
Harnmenge und spezifisches Gewicht. Wir finden im Durchschnitt
2190 ccm Harn pro 24 Stunden mit einem spezifischen Gewichte von
1015. Das entspricht unserer ziemlich wasserreichen Spitalskost (viel
Suppen und Gemüse). Beim Kontrollfall Klim. beträgt die Durchschnitts-
harnmenge 1760 (1018).
Gesamt-N. Die Gesamt-N-Ausscheidung beträgt bei unseren Fällen
durchschnittlich 7,609g N pro Tag. Die absolute Menge des Harn-N
beträgt bei Normalen bei gemischter Kost 10—16 g. Die Eiweißzufuhr
in unserer gemischten Spitalskost war sicher relativ spärlich,
Wir konnten bei unseren Patienten keine N-Bilanzbestimmungen ausführen.
da wir bei der Knappheit der Lebensmittelvorräte keine Möglichkeit hatten, eine
Standardkost durch längere Zeit geben zu können. Wir können nur sagen, daß alle
Patienten der Tafeln I—VII und ST XII einen sehr großen Teil des zugeführten
N retinierten, was ohne weiteres verständlich ist.
Ammoniak. Die absolute Ammoniakausscheidung im Harn betrug
bei unseren Kranken durchschnittlich 0,776g NH, pro Tag (Tabelle VIII).
Als Normalwerte können wir wohl die Werte von Neubauer mit unseren
vergleichen. Neubauer fand in Übereinstimmung mit anderen Autoren
im 24stündlichen Harn des Erwachsenen im Mittel 0,6—0,8g NH, bei
gewöhnlicher gemischter Kost (Friedenskost natürlich). Die absolute
Ammoniakmenge war also in unseren Fällen nicht erhöht.
Da aber die NH,-Ausscheidung wesentlich von der Höhe des Eiweiß-
umsatzes abhängt und dieses in unserer Kost unter der Friedenskost
stand, so war anzunehmen, daß in unseren Fällen die NH,-Menge
relativ erhöht war. Das wird deutlich, wenn wir die NH,-Werte mit den
unserer Kontrollfälle vergleichen.
Unsere Fälle von Hungerosteopathie hatten im Mittel eine noch
höhere Ammoniakmenge als unser Kontrollfall Kaw. der reichlich Fleisch
und Eier aß und einen bedeutend höheren Eiweißumsatz hatte. Und
im Vergleich zum Kontrollfall Klim. der bei niedrigerer Eiweißzufuhr
S D. Adlersberg:
Tabelle XIV.
Mittelwert | |
Tabelle Name aus l N. NH, AZ.
Taxen ` `
A Klim. 3 6,854 0.324 3,96
IX Kaw. 3 12.445 ` (Linn 4,96
I VI ı Fälle 2:3 1,600 OTt 8.41
0,324 g NH, pro Tag ausschied, zeigen die Osteopathiefälle eine NH,-Aus-
scheidung, die mehr als das Doppelte beträgt.
Wir sehen also bei den Fällen von Hunger-Osteopathie eine nicht
erhöhte absolute, aber eine wesentlich erhöhte relative Ammoniakzunah me
im Harn.
Nun bildet aber nur das Verhältnis NH,-N : Gesamt-N eine geeignete
Grundlage für die Beurteilung des Umfanges der Ammoniakausscheidung
(Hasselbalch, Tanji, M. Krüger und Reicher, Magnus- Levy u. a.). Auch
wir berechnen in allen unseren Fällen das prozentische Verhältnis
NH,-N ` Gesamt-N und bezeichnen diesen Quotienten nach Hasselbalch
und Lindhard als Ammoniakzahl (A.-Z.). Diese ist also das Verhältnis
zwischen dem als Ammoniak ausgeschiedenen Stickstoff (N4) und der
totalen N-Menge im Harn (Np) mal 100 ( A.-Z. = "e
d T
Bevor wir nun zur Besprechung der A.-Z. unserer Fälle übergehen, möchten
wir kurz einiges über die A.-Z. in physiologischen und pathologischen Zuständen
erwähnen.
Weintraud fand bei gesunden Menschen unter gemischter Kost im Durch-
schnitt 4,1, Rumpf 4,64, Bartling gewöhnlich 4,98%, des Gesamt-N als NH,-N
ausgeschieden. Folin fand in einer ausführlichen Analyse von 30 normalen Harnen.
bei einer Standarddiät Werte von 4,3 im Durchschnitt, Gammeltoft fand ca. 4,0,
J. Ewing und C. G. L. Wolf 3,2, Magnus-Levy gibt 3—5—6 an, Long und Gephart
3,6—4,7. Wir möchten auf Grund dieser Angaben und eigener Bestimmungen
Werte zwischen 3—5 als normal ansehen.
Erhöhte A.-Z. wurden in 3 Gruppen von Fällen gefunden:
l. In Fällen von Acidose verschiedenen Ursprungs. So vor allem bei der
experimentellen Säurevergiftung (Walter), dann bei der diabetischen Acidose,
wo das NH, als Neutralisator der pathologischen Säuren dient. Hohe A.-Z. sind
im Hunger und bei qualitativ unzweckmäßiger Nahrung zu finden. Hierher
gehören die Bestimmungen an Hungerkünstlern von Lehmann, Müller, Munk,
Senator und Zuntz, Luciani, Brugsch und Freund. Brugsch fand beim Hunger-
künstler Succi in den letzten Tagen seines 30tärigen Hungers A.-Z. 15,44—-35,30
und sehr große Acetonmengen. Folin wies nach bei einem Geisteskranken, der
5 Tage, bevor der Harn gesammelt wurde, weder gegessen noch getrunken hat,
140, des Gesamt-N als Urea und 40°, als Ammoniak, in einem ähnlichen Falle
Mörner 26,79%, des Gesamt-N als NH}, Landergren wies bei kombiniertem Eiweiß-
und Kohlenhydrathunger bis 37,1°,, des Gesamt-N als NH, im Harne nach, bei
eroßen Mengen von Aceton, Acetessigsäure und f-Oxybuttersäure,
Dagegen liegen sehr spärliche Untersuchungsresultate über den NH,-N : N-Quo-
tienten am Menschen bei der chronischen Unterernährung vor. von Noorden fand
N H -Ausscheidung bei der Ilunger-Osteopathie u. der chron. Unterernährung. d
bei sehr kümmerlich genährten Magenkranken einigemal 8 1097. vereinzelt
auch 120, des Narn-N in Form von NH,. Jedesmal war aber Aceton vermehrt
und im Ätherextrakte ließen sich auch kleine Mengen von Acetessigsäure nach-
weisen.
Nach forcierter Arbeit sind von einigen Autoren bedeutend erhöhte A.-Z.
nachgewiesen worden (Hasselbalch, Schilling). Falta und Kahn fanden im teta-
nischen, Rohde im epileptischen Anfall erhöhte A.-Z. Hier wird das NH, im Or-
ganismus zur Neutralisation der gebildeten Milchsäure gebraucht.
2. Zu dieser Gruppe gehören Fälle von Leberstörungen mit vermehrter NH,- Aus-
scheidung. Experimentell fanden Hahn und Nencki u. a., daß nach Ausschaltung
der Leber durch Anlegung einer Eckschen Fistel die Ausscheidung des NH, auf
Kosten des Harnstoffs steigt. Dann sind in Fällen von Lebercirrhose öfters erhöhte
A.-Z. gefunden worden und zwar von Weintraud 7,5—-8,4, v. Noorden 8,5—12,6,
ebenso Stadelmann und Münzer u. a Daß aber die hohen Ammoniakzahlen nicht
immer bei Lebercirrhose gefunden werden, hebt v. Noorden ausdrücklich hervor.
Bei Gallenstauung sind auch gelegentlich erhöhte A.-Z. gefunden worden (v. Noorden
und Friedrichsen). ebenso beim Icterus catarrhalis bei großen N-Verlusten
(R. Schmidt).
Es wird von mehreren Autoren angenommen, daß die NH,-Vermehrung bei
Leberstörungen als Ausdruck einer ungenügenden harnstoffbildenden Funktion
des erkrankten Organs zu betrachten ist, worauf wir noch später zurückkommen.
3. In die letzte Gruppe gehören vereinzelte Untersuchungen über die Unter-
ernährung in Fällen, bei denen aber keine Acidose und auch kein Anhaltspunkt
für die Annahme einer besonderen Leberstörung vorhanden war.
Feigl untersuchte das Verhalten der Stickstoffkörper des Urins bei der Ödem-
krankheit an den Patienten von Knack und Neumann. Eine wesentliche Steigerung
zeigte die NH,-Ausscheidung, die in 8 der untersuchten Fälle 7,1—--7.5%, des
Gesamt-N betrug und in allen übrigen Fällen „Aochnormal‘‘ war.
Kohn hat in einem Falle von Unterernährung (Wien) in der Nachkriegszeit
eine A.-Z. von 8,6 gefunden bei einer Gesamt-N-Menge von 5,25 g. Happel studierte
experimentell den Einfluß der Kriegsernährung auf das Entstehen der Kriegs-
Poly- und Pollakisurie. Für uns ist es interessant bei ihrem Fall B. T. IV. (45 jährige
Arbeiterfrau, Diagnose: Ischias), bei dem sie durch 17 Tage der Vorperiode und
10 Tage der Versuchsperiode unter anderem auch die N-Zufuhr und Ausfuhr,
ferner die NH,-Ausscheidung bestimmte, uns die tägliche A.-Z. zu berechnen und
so die relative und absolute NH,- Ausscheidung in ihrem Falle zu beurteilen. Ihre
Frau B. scheidet während der 27tägigen Periode, bei einer Kost, die 14,23 g N
und 3200 Cal. pro Tag, mit geringen Schwankungen, enthält, durchschnittlich
7.614 g N und 0,796 g NH, pro Tag aus. Die durchschnittliche A.-Z. ist 9,57.
Wir möchten nun glauben, daß es sich in diesem Falle um eine unterernährte
Arbeiterfrau handle, wofür uns hauptsächlich die hochgradige Stickstoffretention
spricht und Happels Angabe, daß die Pat. „an Gewicht zunahm und Eiweiß
ansetzte‘, und möchten auch evtl. diese Werte als für die chronische Unter-
ernährung (ebenso wie die Werte Feigls und Kohns) charakteristisch halten.
Auch die Untersuchungsresultate von Folin sollen hier erwähnt werden.
Folin bestimmte u. a. auch Gesamt-N und NH, bei Menschen, die er durch 7—10
Tage auf eine besonders N-arme Kost (Stärke-Rahm-Kost) setzte und fand regel-
mäßig bei fallenden N-Werten (z. B. von 16,1—3,8 g pro die in seiner Tabelle II)
systematisch steigende Werte für die A.-Z. (von 3,7—13,6 in derselben Tabelle).
Ähnliche Untersuchungen sind vor Folin von Landergren mitgeteilt worden. In
seinen Versuchen über den spezifischen N-Hunger bei gemischter Kohlenhydrat-
Fettkost bestimmte Landergren in 2 Fällen (3 und 6) auch die Verteilung des
10 D. Adlersberg:
Harn-N auf Harnstoff, Harnsäure und Ammoniak und sagt dann: „Die prozen-
tische Verteilung des N auf Ur, Ur und NH, während der Versuche stimmt mit der
unter normalen Verhältnissen beobachteten überein.‘ Den Widerspruch klärt
Folin in seiner Arbeit nicht auf. Wir kommen weiter unten auf seine Resultate
zurück.
Nun betrachten wir unsere A.-Z. (siehe Tabelle VIII).
Wir fanden im Mittel 8,41. Das sind auffallend hohe A.-Z. Der
Durchschnittswert deckt sich fast mit dem Werte von Kohn (A.-Z. 8,6).
ist tiefer als die A.-Z. der ersten 10 Tage (10,83) und höher als die A.-Z.
der weiteren 17 Tage (8,31) des Falles von Happel. Wenn für die normale
A.-2. Werte zwischen 3—5 gehalten werden, so beträgt der Durchschn itts-
wert der Hunger-Osteopathiefälle (8,41) 280° des normalen tiefsten und
168°., des normalen höchsten Wertes.
Wir mußten uns nun die Frage vorlegen: Sind die relativ vermehrten
Ammoniakwerte dieser Fälle auf die Osteopathie oder auf die Unter-
ernährung oder auf die geringe N-Zufuhr an sich zurückzuführen ?
Bei der Hungerosteopathie wurden bisher keine diesbezüglichen Unter-
suchungen angestellt, auch nicht bei der senilen Osteoporose, der sie
klinisch noch am ähnlichsten ist. Es liegen aber N- und NH;-Bestin-
mungen bei der ‚echten‘ Osteomalacie vor. Wir möchten einen Fall
aus der Arbeit von Beck, die im Jahre 1894 in Wien (Abt. Limbeck)
ausgeführt wurde, berücksichtigen.
In diesem Falle beträgt die Durchschnittszahl für NH,-N 0,293 g.
NH, aus NH,-N berechnet 0,335, A.-Z. 4,3. Der niedrige NH,-Wert
ist durch den niedrigen Gesamt-N-Durchschnittswert (6,67 g) erklärt.
Beck erwähnt auch die geringe EßBlust der Patientin.
Eine Erhöhung der Ammoniakausscheidung wurde demnach bei der
„echten‘“ Osteomalacie unseres Wissens nicht gefunden.
Im akuten Hunger wurden, wie erwähnt, oft sehr hohe Ammoniak-
werte gefunden, aber daneben immer große Mengen pathologischer
Säuren, zu deren Neutralisation eben das NH, diente. In unseren
Fällen konnten wir aber mit den üblichen klinischen Methoden nie eine
Vermehrung von Aceton oder Acetessigsäure nachweisen.
Knack und Neumann erwähnen, daß sie bei Ödemkranken eine Vermehrung
des Gesamtacelons nachweisen konnten. „Während die auch beim Normalen nach-
weisbare Menge zwischen 3 und höchstens 5 mg schwankt, wurde bei einzelnen
frischen Ödemfällen eine Erhöhung bis zu 12 mg festgestellt.“ Wir glauben aber,
daß selbst Werte von 12 mg Gesamt-Aceton im Harn die Erhöhung von NH, Aus,
scheidung in unseren Fällen nicht erklären würden.
Novak und Porges konnten bekanntlich bei der puerperalen Osteomalacie
eine Herabsetzung der CO,-Spannung der Alveolarluft nachweisen, welcher Befund
die alten Osteomalacietheorien, die von einer pathologischen Blutsäuerung bei
der Osteomalacie als einem ätiologischen Faktor sprachen, wieder diskutabel
machten. Nun ergab aber die Untersuchung der Alveolarluft bei der Hunger-
osteopathie ein negatives Resultat (Porges und Wagner), womit auch unsere
NIl,-Ausscheidung bei der Hunger-(steopathie u. der chron. Unterernahrung. 11
an den Pat. Hau. und Pab. (Tafel I und II) nach der Pleschschen Methode er-
hobenen Befunde übereinstimmen.
In der Frage, ob dem Ammoniak nur eine neutralisierende Wirkung für die
Säuren des Organismus zukommt, oder ob es nicht, wie die französische Schule
behauptete, ein „Restammoniak“ gebe, das z. B. bei Leberstörungen als Aus-
druck einer ungenügenden harnstoffbildenden Funktion der Leber aufzufassen
wäre. sind noch die Akte eigentlich nicht abgeschlossen. Janney, der sich in einer
längeren Arbeit mit dieser Frage beschäftigte, konnte nur einen Autor (van den
Bergh) zitieren, der durch Alkali das NH, aus dem Harn des Normalen fast ganz
verdrängen konnte. Dagegen konnten andere Autoren das NH, durch Zufuhr
von Alkalien wohl herabdrücken, doch blieben immer nicht unbeträchtliche
NH;,-Mengen zurück.
Viele Forscher bemühten sich auch, die Tatsache des Restammoniaks zu
erklären. Besonders erwähnenswert ist da die Meinung von O. Neubauer, daß das
Restammoniak als Ausdruck einer umkehrbaren Reaktion gedeutet werden könnte.
Janney konnte dann zeigen, daß man mit 15 g Natr. bicarb. die Harnacidität
auf Null, die NH,-Ausscheidung (er berechnet immer das NH, und nicht das NH,)
auf ein Drittel herabdrücken kann. Dann führte er Patienten mit erhöhter NH,-
Ausscheidung (bei Leberstörungen) erst geringe, dann höhere Dosen, bis zu 60 g
Natr. bicarb. zu. Bei den Dosen von 60 g sank der NH,-Wert in einem Falle auf
0,0176 g pro die = 0,221°,, des Gesamt-N, im anderen auf
0,0111 g pro die = 0.129%, des Gesamtstickstoffes.
Janney bezeichnet diese Werte als die tiefsten, die unter Anwendung moderner
Methoden erreicht worden sind. Er glaubt, daß seine früheren weniger günstigen
Resultate durch zu geringe Alkaliendosen bedingt waren und daß man mit größeren
Dosen auch in jenen Fällen das Ammonium auf Null oder fast auf Null hätte
drücken können. Janney schlägt vor, daß man den Begriff „Restammoniak“
als “unbegründet überhaupt fallen lassen soll.
Um nun die Frage zu entscheiden, ob das NH, in unseren Fällen
nur eine säureneutralisierende Bedeutung habe, führten wir einem unserer
Fälle, Pat. Men. (Tabelle VII), durch einige Tage 50g Natr. bicarb.
pro Tag zu. Nach einer Vorperiode von 3 Tagen, während welcher
schon N- und NH,-Bestimmungen ausgeführt wurden, ließen wir die
Patientin durch 5 Tage 50 g NaHCO, pro Tag (diese Menge wurde in
einem Liter Wasser gelöst und Patientin trank dieses im Laute des Tages
aus) nehmen. Dann folgte eine Nachperiode von 3 Tagen. Größere
Alkalimengen konnten wir der Patientin kaum zuführen. Auch durften
wir schon von dieser Menge erwarten, daß sie das Ammoniak tief herab-
drücken wird. Ist es doch Janney gelungen, mit einem Drittel der von
uns verwendeten NaHC'O,-Menge, bei einem größeren N-Umsatz und
dementsprechender höherer Harn-N- Ausscheidung (12,21 bei gemischter
Kost, 9,72 g bei Milch-Mehlkost und 34,88 (!)g N bei großer Fleisch-
zufuhr) die NH,-Ausscheidung auf ein Drittel zu restringieren.
Was ergab die NaHCO,-Zufuhr in unserem Falle? Die Gesamt-N-
Ausscheidung wurde geringer, sie ist von 8,228g N der Vorperiode
auf 5,6489 N in der Hauptperiode gesunken, um dann in der Nach-
periode langsam anzusteigen: 5,15 —6,44—7,616g N pro die. Die
absolute NH,-Ausscheidung fällt in der Versuchsperiode im Durch-
12 D. Adlersberg:
schnitt auf 27,6°,, der durchschnittlichen NH,- Ausscheidung der Vor-
periode, von 0,733g NH, auf 0,203 und steigt dann zum Wert der
Nachperiode 0.646 y NH, an. Die A.-Z. fällt in den Durchschnittx-
werten von 7.48 auf 2,99. Der tiefste Wert ist 2,38. Dann steigt die
A.-2. von 3,72 des letzten Hauptperiodetages auf 7,24 (fast das Doppelte)
des ersten Nachperiodetages. Der durchschnittliche Nachperiodenwert
für die A.-Z. ist 8,28.
Wir konnten demnach in dem Hungerosteopathiefalle die absolute
und relative NH,-Ausscheidung viel weniger durch NaHCO, herab-
drücken als zu erwarten war. Nach den Erfahrungen von Janney.
Denis und Minot war das Resultat auffallend gering. Unsere Zahlen
der Hauptperiode stehen, was die absoluten Werte anlangt, zwischen
den Werten von (’ammerer jun. und Rumpf und Kleine, sie sind aber
höher in ihren relativen Zahlen. Und wenn wir berücksichtigen, daß
diese Autoren etwa mit einem Fünftel unserer Alkalimenge arbeiteten.
so müssen wir daraus schließen, daß in unserem Falle von Hungerosteo-
pathie durch Zufuhr verhältnismäßig großer Mengen von NaHCO, das
NAH, bedeutend weniger herabdrücken konnten als es nach den bisherigen
Erfahrungen zu erwarten war.
Wir möchten daraus folgern, daß das NH, in unseren Fällen neben
der normalen säureneutralisierenden Bedeutung noch eine andere haben
müsse. Wir kommen auf diese Frage noch zurück und möchten hier
nur hervorheben, daß wir die A.-Z. in unserem Falle um 4,49 im Durch-
schnitt herabdrücken konnten. Diese Zahl entspricht ungefähr der
A.-Z. des Normalen. Wir konnten also diese normale Menge durch
Alkalizufuhr zum Verschwinden bringen, nicht aber das Mehr an Am-
moniak, das pathologische Plus, das eben den ganzen Unterschied
zwischen dem Normalen und unseren Fällen ausmacht. Diesem Plus
kommt offenbar keine säureneutralisierende Wirkung zu. Für die abnorme
Ammoniakvermehrung im Harn konnten wir demnach weder durch
Aceton- und Acetessigsäurebestimmungen im Harn, noch durch Be-
stimmungen der CO,-Spannung der Alveolarluft, noch durch den Ver-
such, den Überschuß von NH, durch NaHCO, zum Verschwinden
zu bringen, eine besondere Säuerung des Blutes verantwortlich machen.
Wir stellten uns nun die Frage, ob nicht die geringen N-Zufuhren
eine Erklärung im Sinne von Folin für die erhöhten A.-Z. geben können.
Das ist aber aus mehreren Gründen unwahrscheinlich. Es besteht, wie
erwähnt, ein nicht aufgeklärter Widerspruch zwischen den Resultaten
von Folin und denen von Landergren. Dann waren die Gesamtwerte
unserer Fälle im Mittel 7,609 x pro Tag (Tabelle VIII), während Folin
gewöhnlich erst bei viel tieferen Werten erhöhte A.-Z. fand. Ob nun
unter diesen Umständen die Anwendung der Folinschen Versuchs-
resultate für unsere Fälle erlaubt ist. erscheint fraglich.
NI. Ausscheidung bei der Hunger-Osteopathie u. der chron. Unterernährung. 13
Erhöhte A.-Z. sind, unseres Wissens, bei einem Gesamt-N von über
7 g, wenn wir von den früher erwähnten 2 Gruppen absehen., nur in ganz
vereinzelten Fällen (unsere Gruppe III) gefunden worden, wo es sich
um eine langdauernde Unterernährung handelt.
In unseren Kontrollfällen, die im Spital dieselbe Kost wie die patho-
logischen hatten, die aber vorher nicht unterernährt waren, fanden wir
(z. B. Tabelle X) normale A.-Z. und auch die schon zitierten Resultate
von Beck: Gesamt-N im Mittel 6,67 g, A.-Z. 4,3, sind in dieser Hinsicht
normal. — Wir glauben, daß die abnorm hohe relative Ammoniak-
ausscheidung der Hungerosteopathien auf die chronische Unterernährung
zurückzuführen ist und werden diese Auffassung begründen.
Unsere zum zweitenmal wieder untersuchten Fälle (Tafel XI u. XII)
zeigen wiederum eine bedeutend erhöhte relative NH,-Ausscheidung.
Bei He. fanden wir bei der zweiten Untersuchung im Durchschnitt
0,841 g NH, und eine A.-Z. 6,61, bei Wit. 1,477 g NH, und eine A.-2.
13,25 pro die. Das war ungefähr 15 Monate nachdem die Patienten
das Spital geheilt verlassen hatten. Beide lebten aber auch nach ihrer
Spitalsentlassung in schlechten Ernährungsverhältnissen. Wenn auch
die Kost, die sie jetzt nahmen, reichlicher war als die vor ihrer Er-
krankung im Jahre 1919, so war doch ihr N-Gehalt sehr gering. Von
der Osteopathie zeigten sie keine Symptome mehr. Auch Pat. Blaz.
(Tabelle XIII), die zum zweitenmal wegen Sklerodermie auf der Klinik
in Beobachtung stand und zu dieser Zeit gar keine Zeichen der vor
Jahresfrist überstandenen Hunger-Osteopathie darbot, aber auch vor
ihrer zweiten Spitalaufnahme sich sehr schlecht genährt hatte, zeigt
eine durchschnittliche NH,- Ausscheidung von 0,4126 g NH, bei 4,622 g N
und eine A.-Z. von 7,36 im Durchschnitt.
Wir möchten also auf Grund dieser 3 Untersuchungen, angestellt
an Patienten, die ein Jahr und darüber nach ihrer Hunger-Osteopathie
beschwerdefrei waren, und die wir deshalb bei ihrem zweiten Aufenthalt
als chronische Unterernährung registrierten, die erhöhten Ammoniak-
werte der Hunger-Osteopathien auf die chronische Unterernährung zurück-
führen.
Leider hatten wir keine Gelegenheit einen Osteopathicfall wieder-
zusehen, der nach seiner Spitalsentlassung in günstigen Verhältnissen
gelebt hätte; das hängt eben damit zusammen, daß diese Patienten
ohne Ausnahme den ärmsten Schichten angehörten. Daß aber die
hohen Ammoniakwerte der Unterernährung zurückgehen können, sahen
wir an dem Pat. Brei. (Tabelle XV). Der Patient kam hochgradig ab-
gemagert in die Klinik. Die Ursache der Abmagerung war eine schwere
Dyspepsie, an der er seit längerer Zeit litt. Die Harnuntersuchung
erfolgte bei ihm 2 mal in Perioden zu je 3 Tagen. das erstemal kurz nach
seinem Eintritt auf die Klinik. das zweitemal nach einem ca. 7 wöchent-
14 D. Adlersberg:
lichen Intervall. Während dieser Zeit nahm Patient bei entsprechender
Therapie an Gewicht zu und erholte sich wesentlich, wenn auch die
Dyspepsie nicht ganz verschwunden war. Aceton und Acetessigsäure
waren nie vorhanden.
Tabelle XV.
Pat. Brei. (männl.). Dyspepsie, Unterernährung.
Harn- NH
jatum N. NASE N A2
FE EP spezif. i pro die EM er;
1921 Menge Gewicht
| kën 1700 1017 8.806 | 1,921 1,582 ' 17,90
Erste Periode 18. III. 1650 1014 2,405 1,303 1,073 | 19,87
(mam | 2300 | 1025 | 10,879 | 1.679 | 1,382 | 12,70
5. V. 1860 1028 10,341 | 0,744 | 0,612 5.91
Zweite Periode DA. 2070 1019 8,321 | 0.619 | 0,509 6,12
N 2050 1021 9,204 | 0,676 | 0,557 | 6,05
Durchschnitts- Il 17.—19. III. | 1883 1019 8,363 | 1,634 ° 1,346 | 16,82
werte | 5.—7.V. 1993 1023 9.289 | 0,680 | 0,559 | 6,03
Tabelle XV zeigt in der ersten Periode eine Gesamt-N-Ausscheidung
von durchschnittlich 8,363 g pro Tag, Ammoniak 1,634 g, was ungefähr
dem 3—4fachen des dem Gesamt-N zukoummenden NH,-Wertes des
Normalen entspricht. Die A.-Z. zeigt den höchsten Wert, den wir über-
haupt gesehen haben: 16,82. In der zweiten Periode steigt der N-Wert
nicht wesentlich an, der NH,-Wert fällt auf durchschnittlich 0,680,
die A.-Z. auf 6,03 pro Tag. Die NH,-Werte sind noch etwas erhöht,
doch ist der Unterschied zwischen den hochpathologischen Werten
der ersten Periode und den sich an das Physiologische ziemlich nähernden
der zweiten Periode ein ganz bedeutender.
Wie könnten wir die vermehrte relative NH,-Ausscheidung bei der
chronischen Unterernährung erklären ?
Da wir oben gezeigt hatten, daß der NH,-Vermehrung in unseren
Fällen keine säureneutralisierende Bedeutung zukomme, so ergab sich
der Gedanke, daß die NH,-Vermehrung, die auch bei reichlicher Er-
nährung noch Wochen anhält, vielleicht mit den beträchtlichen Ver-
lusten an Körpereiweiß, die der Organismus erlitten hat, in einem
innigeren kausalen Zusammenhang stehe. Daß ein bedeutender Zerfall
an Körpereiweiß und eine komplette Umstimmung des Stoffwechsels
beim akuten Hunger stattfindet, war längst bekannt, daß dies auch bei
langdauernder Unterernährung der Fall ist, wissen wir nach Arbeiten
der letzten Jahre. Nun könnte im Zustande des chronischen Eiweiß-
hungers und der lange dauernden Eiweißliquidierung der Gewebe das
Ammoniak noch eine andere Bedeutung haben.
NH;3-Ausscheidung bei der Hunger-Östeopathie u. der chron. Unterernährung. 15
Nach der Arbeit von O. Neubauer wiesen Grafe und Schloepfer zuerst nach,
daß eine Retention von N bei Zufuhr von Ammoniumchlorid oder Citrat statt-
findet. Sie führten ihre Untersuchungen erst an jungen Hunden, dann auch an
Schweinen aus, ließen sie erst eine Zeit hungern (1. Vorperiode), dann führten sie
in der 2. Vorperiode eine kalorien- und kohlenhydratreiche Nahrung zu, die aber
weit unter dem Minimum eiweißhaltig war. In der Hauptperiode gaben sie zur
Kost der 2. Vorperiode eine N-Zulage in Form von Ammoniaksalzen und fanden
durch genaueste Bestimmungen eine recht beträchtliche N-Retention. Mit größeren
Mengen Ammoniumeitrat konnte auch ein N-Gleichgewicht erzielt werden. Das
Körpergewicht nahm während der Ammonsalzfütterung zu, während es in den
Perioden ohne Zusatz abnahm. Der retinierte N wurde in den Nachperioden, die,
was die Kost anlangt, genau den 2 Vorperioden entsprachen, nicht ausgeschwemmt.
Dann kamen weitere experimentelle Untersuchungen von Grafe, Grafe und Turban,
(rafe und Wintz. Auch mit Harnstoff, einem ausgesprochenen Schlackenprodukte
des Organismus, konnte bei jungen Schweinen in Mengen von 3—15g pro Tag
N-Retention, ja unter Umständen N-Gleichgewicht erzielt werden. Grafe und
seine Mitarbeiter schließen daraus, daß Harnstoff ebenso wie Ammoniaksalze zur
Eiweißsynthese verwendet werden oder wenigstens das Körpereiweiß vor Zerfall
schützen. Ä
Grafes Mitteilungen sind von 4bderhalden, Abderhalden und Lampe, Abder
halden und Hirsch, Underhill und Goldschmidt u. a. angezweifelt worden, doch
konnte Gra/e durch Überprüfung seiner und der gegnerischen Versuche seine
frühere Behauptung aufrechterhalten, und konnte immer zeigen, daß ungünstige
Versuchsanordnungen an den verschiedenen Ergebnissen schuld waren.
Nach alldem scheint die Behauptung von Grafe, trotz allen Wider-
spruchs, den sie gefunden hat, viel Wahrscheinlichkeit für sich zu
haben, namentlich was die Ammoniaksalze betrifft, während die Wirkung
von Harnstoff noch recht unklar ist. Es wird vielleicht erlaubt sein,
die Ergebnisse seiner experimentellen Arbeiten, die zuletzt auch an
Menschen ausgeführt wurden, für unsere Frage heranzuziehen und wir
sind geneigt, zu glauben, daß das NH, in unseren Fällen vielleicht eine
Schutzvorrichtung des Körpers darstellt, daß bei den großen Anforde-
rungen, die ın der langen Zeit der chronischen Unterernährung an die
Eiweißvorräte des Körpers gestellt werden, sich der Organismus Streck-
mittel schaffen muß und diese für das Körpereiweiß vielleicht im Ammoniak
und seinen Salzen finde. Ob es sich dabei um eine eiweißsparende
Wirkung oder vielleicht um eine Heranziehung des Ammoniaks zur
Eiweißsynthese handelt, kann noch nicht entschieden werden und muß
weiterer Forschung vorbehalten bleiben.
Die Tatsache der hohen Ammoniakwerte bei der Hunger-Osteopathie,
besonders der hohen A.-Z., hat auch eine praktische Bedeutung. Die
Differentialdiagnose zwischen der sog. Hungerosteopathie und der
echten Osteomalacie kann unter Umständen klinisch sehr schwierig
werden, und wir möchten da der langen Reihe der Unterscheidungs-
ınerkmale der Hungerosteopathie gegenüber der Osteomalacie: plötz-
liches, gehäuftes Auftreten (eventuell in einer sonst osteomalaciearmen
Gegend) bei älteren Leuten der ärmsten Bevölkerungsschichten, Unter-
16 D. Adlersberg :
ernährungsanamnese, ausgezeichneter Einfluß reichlicherer Ernährung
und verhältnismäßig rasche Besserung des Krankheitsbildes und dem
negativen Symptome der nicht herabgesetzten CO,-Spannung der
Alveolarluft ( Porges und Wagner) noch einen Befund anschließen : erhöht:
Ammoniakzahlen bei der Hunger-Osteopathie im Gegensalze zur Osteo-
malacie. wo sie normal sind.
Zusammenfassung.
l. Wir fanden bei Fällen von chronischer Unterernährung, mit und
ohne Hungerosteopathie, eine bedeutende relative Ammoniakvermeh-
rung im Harn. Bei der Hungerosteopathie könnte man diese Tatsache
differentialdiagnostisch gegenüber der ‚echten‘ Osteomalacie verwenden.
2. Eine Säuerung des Blutes durch pathologische Produkte konnte
nicht nachgewiesen werden.
3. Es wird angenommen, daß das vermehrte Ammoniak in Fällen
hochgradigen, chronischen Eiweißhungers eine Schutzvorrichtung des
Organismus darstellt, daß es vielleicht im Sinne von Grafe eine eiweiß-
sparende Wirkung ausübe oder gar zur Eiweißsynthese verwendet werde.
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w
Bivechemische Zeitschrift Band 132. S
Der Einfluß von Saccharose auf das Grünen etiolierter Kotyle-
donen, die in verschiedenen Stadien des Keimens isoliert wurden.
Von
Frl. S. Mansky.
(Aus dem Pflanzenphysiologischen Institut der Universität Petersburg.)
(Eingegangen am 19. April 1922.)
Mit 1 Abbildung im Text.
Palladin hat die Bedeutung von Kohlenhydraten für das Grünen
bewiesen!), indem er etiolierte Blätter verschiedener Pflanzen im
Wasser am Lichte kultivierte. Er fand, daß die einen (Weizenblätter)
grün wurden, andere dagegen (Bohnen-, Lupinenblätter) gelb blieben.
In eine Lösung von Saccharose gelegt, wurden diese Blätter auch grün.
Als Material für das Aufspeichern von Chlorophyll können Glucose,
Raffinose, Fructose, Maltose, Glycerin und noch mehrere andere
Substanzen dienen?).
Die Konzentration einer Lösung hat eine hohe Bedeutung für das
Grünen). Starke Lösungen halten das Wachstum und Grünen auf, und
hemmen es in einigen Fällen ganz.
Monteverde und Lubimenkot) fanden, daß das Grünen etiolierter
Blätter von Luffa sogar von 1°% Lösung von Saccharose aufgehalten
wird. Diese Erscheinung haben sie nicht erklärt.
Palladin hat gefunden), daß Licht das Wachstum etiolierter Kotyle-
donen des Kürbis, die aber in mittleren Stadien des Keimens isoliert
wurden, stimuliert. Nebenbei hat er bemerkt, daß dieselbe Gesetz-
mäßigkeit sich auf den Prozeß des Grünens bezieht. Die Beobachtungen
!) Palladin. Ber. d. botan. Ges. 1891, S. 229; Ber. d. Naturforscherges. in
Charkow 26. 67.
?) Palladin, Revue générale de botanique 1897, H 385.
3) Palladin, Ber. d. dtsch. botan. Ges. 1902, S. 224. (Alle früher angeführten
Zitate sind der „Physiologie der Pflanzen“ von Palladin entnommen, Ausg. 8,
1917, S. 36.
IA. Monteverde und B. Lubimenko, Ber. d. russ. Akad. d. Wiss. 1913, S. 1027.
21 Palladin, Einfluß des Lichts auf das Wachstum ctiolierter, in den ver-
schiedenen Stadien des Keimens isolierter Kotyledonen des Kürbis und auf die
Bildung von Chlorophyll in ihnen.
S. Mansky: Einfluß von Saccharose auf das Grünen usw. 19
von Monteverde und Lubimenko werden so erklärt: die Kotyledonen in
ihren Versuchen waren in einem frühen Stadium des Keimens genom-
men, als sie noch viel eigenen Zucker enthielten, darum hat der von
außen zugeführte das Wachstum und Grünen aufgehalten.
Palladin weist darauf hin, daß noch Haberlandt!) und eine Reihe
anderer Forscher beobachtet haben, daß etiolierte Kotyledonen, die ganz
am Anfange des Keimens isoliert wurden, nicht fähig sind, am Lichte grün
zu werden. Zum genauen Studium dieser Frage ist von mir, auf die Auf-
forderung von Prof. Palladin hin und unter seiner Anleitung, vorliegende
Arbeit ausgeführt worden.
Samen von Speisekürbis von ovaler Form in für alle vorgemerkten
Versuche genügender Anzahl wurden gleichzeitig in einem Holzkasten,
der von oben mit einem Kartondeckel dicht verschlossen war, gesät.
Daraus wurde die für einen Versuch nötige Anzahl von Keimlingen in
verschiedenen Stadien des Keimens genommen. An einem nach Südwest
gelegenen Fenster wurden die Wasser- und Zuckerkulturen in flachen
Gefäßen aufgestellt.
Um den Kotyledonen die Möglichkeit zu geben, vor der Einwirkung
des Lichts eine Quantität Zucker der nötigen Konzentration zu erhalten,
wurden alle Wasser- sowie auch Saccharosekulturen erst 2—3 Tage im
Dunkeln gehalten, bevor sie ans Licht gebracht wurden. Die Versuche
wurden im April, während einer Reihe sonniger Tage ausgeführt. Auf
dem Tische, wo die Kulturen standen, schwankte die Temperatur
zwischen 18— 30°.
Versuch 1: 11 tägige Keinlinge des Speisekürbis von ovaler Form. Es waren
5 Portionen von je 10 Kotyledonen genommen, deren Gewicht 1,15 g bzw. 1,15,
1,2, 1,15 und 1,12 g betrug. Für 3 Tage wurden alle Portionen in die Dunkelheit
gebracht, die 1. Portion mit Wasser, die 2. mit 1%, die 3. mit 5%, die 4. mit
10%, die 5. mit 20%, Saccharose.
Darauf wurden alle Kulturen ins grelle Sonnenlicht gestellt. Nach 3 Tagen
hatten sie folgendes Aussehen:
1. Portion: Alle Kotyledonen dunkelgrün, Gewicht 2,25 g (195)?), Zunahnie
1,1 g (952); trockene Substanz 0,22 g (100) oder 9,79%; Wasser 2,03 g (100) oder
90,325.
2. Portion: Alle Kotyledonen dunkelgrün, Gewicht 1,9g (165), Zunahme
0,75 g (65%), trockene Substanz 0,22 g (100) oder 11,5%, Wasser 1,68 g (82) oder
88,5%. Im Vergleich zur 1. Portion 0,35 g (18) Abnahme.
3. Portion: Kotyledonen hellgrün, mit teilweisem grellem Grün, Gewicht
1,7 g (141), Zunahme 0,5 g (41%), trockene Substanz 0,37 g (168) oder 21,795.
Im Vergleich zur 1. Portion 0,15 g Zunahme; Wasser 1,33 g (65) oder 78,32%.
Im Vergleich zur 1. Portion 0,7 g (35) Abnahme.
4. Portion: Alle Cotyledonen bellgrün, Gewicht 1,35 g (117), Zunahme 0,2 g
(17°65), trockene Substanz 0,32 g (145) oder 23,79%. Im Vergleich zur 1. Portion
~ 1) Haberlandt, Botan. Ztg. 1877, S. 361. Genannt in der Arbeit von Dostál,
Ber. d. botan. Ges. 1910, S. 193.
2) Wenn man das Gewicht eben abgenommener Kotyledonen (1,15 g) gleich
100 rechnet.
AS
20 S. Mansky: EinfluB von Saccharose auf das Grünen etiolierter
0,1 g (45%) Zunahme. Wasser 1,03 g (50) oder 76,3°,. Im Vergleich zur 1. Portion
1 g (50°,) Abnahme.
5. Portion: Schwaches Grün, Gewicht 1,12 g (100), trockene Substanz 0.32 z
(145) oder 28,5%. Im Vergleich zur 1. Portion 0,1 g (45%) Zunahme. Wasser
0.8 g (39) oder 1,5%5. Im Vergleich zur 1. Portion 1,23 g (61) Abnahme.
Wenn man das Gewicht der 1. Portion nach dem Versuche gleich 100 setzt.
so hat man:
l. Portion . . ... 225g = 100
3. Mr ..... L9 p= 84
3. 2 een. IE T5
4. 5 e me 1,35,„ = 60
5. Ge 22: LI ss 49
Der Versuch hatte folgendes Ergebnis:
Feuchte Substanz Trockene Substanz Wasser
1. Portion 100 100 100
2. Se HÄ 100 82
3. = T5 168 65
4. e 60 145 DO
D. 49 145 39
Junge etiolierte Kotyledonen grünen gut am Lichte bei Wasser-
kultur. Schwache Lösungen von Saccharose über gar keinen Einfluß
aus, Lösungen von stärkerer Konzentration halten das Grünen auf.
Die Bildung von Chlorophyll ist mit der Bildung von feuchter Substanz
verbunden, und verringert sich von der ersten Portion zur letzten.
Starke 20 proz. Lösungen halten besonders bemerkbar die Bildung von
Chlorophyll und das Wachstum auf. Folglich ist die Hemmung des
Wachstums durch Saccharose mit entsprechendem Verringern der Quan-
tität von Chlorophyll verbunden.
Versuch 2: 18tägige Keimlinge des Speisekürbis von ovaler Form. Es wurden
6 Portionen zu je 10 Kotyledonen angesetzt. Die 1. Portion (1,42 g) mit Wasser.
die 2. (1,42 g) mit Ia, die 3. (1,52 g) mit bo, die 4. (1,52 g) mit 10% , die 5. (1,52 g)
mit 20°, Saccharose, die 6. Portion mit 2°, Natrium hydrosulfit. Alle Portionen
wurden 2 Tage lang im Dunkeln aufbewahrt, darauf ins grelle Sonnenlicht ge-
stellt. Nach 4 Tagen hatten die Kotyledonen folgendes Aussehen:
1. Portion: 2 Kotyledonen gelb, die übrigen 8 schwachgrün, Gewicht 2.1 g
(147), Zunahme 0,68 g (4796), trockene Substanz 0,15 g (100) oder 7,19%, Wasser
1,95 g (100) oder 98,9%. l
2. Portion: Alle Kotyledonen grün (2 dunkelgrün), Gewicht 2,8 g (197).
Zunahme 1,38 g (9725), trockene Substanz 0,25 g (166) oder 8,9%, Zunahme im
Vergleich zur 1. Portion 0,1 g (66°). Wasser 2,55 g (130) oder 91,195, Zunahme
im Vergleich zur 1. Portion 0,6 g (30°20).
3. Portion: Alle Kotyledonen dunkelgrün, Gewicht 2,6g (171), Zunahme
1,08 g (71°), trockene Substanz 0,32 g (213) oder 12,30, Zunahme im Vergleich
zur l. Portion 0,17 g (113°,); Wasser 2,26 g (115) oder 87,7°,, Zunahme im Ver-
gleich zur 1. Portion 0,31 g (15°).
4. Portion: Alle Kotyledonen grün, Gewicht 2 g (131). Zunahme 0,48 g (31°).
trockene Substanz 0,33 e (220) oder 16,5°,, Zunahme im Vergleich zur 1. Portion
0,18 g (120); Wasser 1,67 g (85) oder 83,505, Abnahme im Vergleich zur 1. Portion
0,28 g (15°09).
Kotyledonen, die in verschiedenen Stadien des Keimens isoliert wurden. 21
5. Portion: Die Kotyledonen schwachgrün (sehr schwaches Grün), Gewicht
1,52 g (100), trockene Substanz 0,33 g (220) oder 21,7°,, Zunahme im Vergleich
zur l. Portion 0,18 g (120°); Wasser 1,19 g (61) oder 78,3°5, Abnahme im Ver-
gleich zur 1. Portion 0,79 g (39°).
6. Portion: Die Kotyledonen schwachgrün, Gewicht 2g (131), Zunahme
0,48 g (31°,), trockene Substanz 0,27 g (180) oder 13,5°,, Zunahme im Vergleich
zur l. Portion 0,12 g (8095); Wasser 1,73 g (88) oder 86,5°,, Abnahme im Vergleich
zur l. Portion 0,22 g (12°,,).
Wenn man das (Gewicht der 1. Portion nach dem Versuche :- 100 setzt,
so hat man:
l. Portion ..... 21g = 100
> EE EH 2,8g = 133
3. e gu, Jop A 2,0 29
4. Pr ee g E Ven
5 w aranh 1.52 gp = 72
Das Ergebnis des Versuches:
Feuchte Substanz Trockene Substanz Wasser
1. Portion 100 100 100
2 m 133 166 130
3. e 123 213 115
4. e 95 220 R5
KÉ a 12 220 61
Aus diesem Versuch sieht man, daß in älteren (l18tägigen) etiolierten
Kotyledonen des Speisekürbis von ovaler Form bei Kultur am Licht mit
Wasser sehr wenig Chlorophyll sich bildet. Zucker verstärkt das Auf-
speichern von Chlorophyll, ebenso das Wachstum und Aufspeichern
von feuchter Substanz. Die beste Konzentration ist eine 5 proz. Lösung
von Saccharose. Stärkere 20 proz. Lösungen, wie auch im ersten Ver-
suche, halten das Aufspeichern von Chorophyli auf.
In diesem Versuche wurde in der sechsten Portion — als Vorunter-
suchung — eine Lösung von Zucker mit Natrium hydrosulfit genommen.
Wenn man die dritte und sechste Portion vergleicht, so sieht man, daß
in der dritten Portion die Quantität feuchter Substanz (171) und Wasser
(115) größer ist, als in der sechsten Portion (131) (88). Damit ist auch
das schwache Grün in der sechsten Portion verbunden. Na,S,O, redu-
ziert sehr stark und hält das Aufspeichern von Chlorophyll in etiolierten
Kotyledonen auf.
Versuch 3: Alte 25tägige Keimlinge. Es wurden 5 Portionen zu je 10 Kotyle-
donen von je 1,55 g angesetzt; die 1. Portion mit Wasser, die 2. mit 1°,, die 3. mit
52o, die 4. mit 10°% , die 5. mit 20%, Saccharose. 2 Tage lang wurden alle Portionen
in die Dunkelheit gebracht. Darauf am Fenster aufgestellt. Nach 3 Tagen hatten
die Kotyledonen folgendes Aussehen:
1. Portion: Eine Kotyledone war grün und gewachsen, sie wurde vernichtet.
Die übrigen 9 hellgrün. Gewicht 1,7 g (109), Zunahme 0,15 g (9°,), trockene
Substanz 0,11 g (100) oder 6,494, Wasser 1,59 g (100) oder 93,6%; Oberfläche
15,4 qcm (100) (Abbildung 1).
2. Portion: 2 Kotyledonen intensiv grün, die übrigen gelblichgrün. Gewicht
2,1 g (135), Zunahme 0,55 (35°), trockene Substanz 0,18 g (163) oder 8,59%, `
22 S. Mansky: Einfluß von Saccharose auf das (Grünen etiolierter
Zunahme im Vergleich zur 1. Portion 0,07 g (63); Wasser 1,92 g (120) oder
91,5%; Zunahme im Vergleich zur 1. Portion 0,33 g (20).
3. Portion: Alle Kotyledonen intensiv grün. Gewicht 2,15 g (138), Zunahme
0,6 g (389%), trockene Substanz 0,2 g (181) oder 9,3% Zunahme im Vergleich
Il
II
I = mit Wasser (gelb). II = mit 5°, Saccharose (grün). III = mit 20% Saccharose (gelb).
zur l. Portion 0,09 (81° ,); Wasser 1,95 g ( 122) oder 90,7%; Oberfläche 20,0 gem
(129) (Abb. 1), Zunahme im Vergleich zur 1. Portion 4,6 qem (29° ,).
4. Portion: Alle Kotyledonen gelbgrün, Gewicht 1,85 g (119), Zunahme 0,3 g
(19%), trockene Substanz 0,25 g (227) oder 13,59%, Zunahme im Vergleich zur
l. Portion 0,14 g (1279 ,); Wasser 1,6 g (110,6) oder 86,5°,, Zunahme im Vergleich
zur l. Portion 0,01 g (0,6° „).
5. Portion: Vorwiegend gelbe Färbung, teilweises schwaches Grün, Oberfläche
12,3 qem (79) (Abb. 1), Abnahme im Vergleich zur 1. Portion 3,1 gem (219%)
Kotyledonen, die in verschiedenen Stadien des Keimens isoliert wurden. 23
Leider wurde ein Teil der Kotyledonen nach der photographischen Aufnahme
verloren, darum konnten die feuchte und trockene Substanz nicht genau bestimmt
werden.
Alle etiolierten Kotyledonen nach 3tägiger Kultur am Licht: I. mit Wasser
(gelb), II. mit 5% Saccharose (grün), III. mit 20°, Saccharose (gelb).
Färbung von Alkohaltinkturen:
l. Portion . . . . . intensiv gelb
2: e E grün
bt, ie 2.2... Intensiv grün
4. Ke Ste gelbgrün
Dir ap EEN gelb
Die Beobachtungen der Alkoholtinkturen der 2., 4., 5. Portion mit dem Spektro-
skop ergaben:
2. Portion viel Chlorophyll,
4. CR Chlorophyll vorhanden,
D. zm Spuren von Chlorophyll.
Setzt man das Gewicht der 1. Portion nach dem Versuche gleich 100, so
hat man:
l. Portion . . . .. 1,7 g = 100
2; med) Det 21g = 123
3. nie aa Be 2,15 g = 126
4. a Se D 1,85 g = 108
Der Versuch hatte folgendes Ergebnis:
Feuchte Trockene Wasser ODER Chlorophyl
Substanz Substanz fläche :
l. Portion 100 100 100 100 kein
2 = 123 163 120 sc vorhanden
3. z 126 IEN 122 129 mehr als in der zweiten
4, D 108 227 100.6 — weniger als in der zweiten
e i S — 19 Spuren
Dieser Versuch ergab folgendes:
1. Alte etiolierte Kotyledonen bleiben am Licht gelb.
2. Sie werden grün am Lichte nur bei Zuckerkulturen.
3. Die Quantität von Chlorophyll hängt von der Saccharosekonzen-
tration der Lösung ab. Am günstigsten ist die mittlere Konzentration
(52o). Starke Lösungen halten die Bildung von Chlorophyll auf bzw.
hemmen sie sogar gänzlich.
4. Man beobachtet folgendes Verhältnis zwischen dem Wachstum
und der Bildung von Chlorophyll: Je mehr feuchter Substanz während
der Kultur sich bildet (100, 123, 126), je mehr Wasser aufgenommen
wird (100, 120, 122), je größer die Oberfläche wird (100, 129), desto
mehr Chlorophyll wird aufgespeichert. E
ö. Bei starken Lösungen von Saccharose (20°,) wird das Wachstum
aufgehalten, die Trockensubstanz wird vermehrt, die Bildung von
Chlorophyll aufgehalten.
24 S. Mansky: Einfluß von Saccharose auf das Grünen etiolierter
Dieselbe Abhängigkeit besteht im Aufspeichern des Wassers
Wasser 1°, Saccharose 5°, Saccharose 10°, Saccharose 20°, Saccharose
l. Versuch 100 Hi 18) 65 1-- 35) 50 (— 50) 39 (— 61)
Z j 100 1301- 30) Ant: 15) 85(— 15) 61 (— 39
3. Sé 10 120( +20) 1220. 22) 100.6: 0,6) =
und der trockenen Substanz.
Wasser Im, Saccharose 5”, Saccharose 10%, Saccharose 20°; Saccharose
1. Versuch 100 J00 168 -4 689 145 (+ 45) 145 (+ 45)
Së z Io Ip ui 66) 2130: 113) 220 (+ 120) 220 (+ 120)
3. 2 100 1631: 63) (lui 81) 227(+ 127) £
In den späteren Stadien der Entwicklung sammelt sich die trockene
Nubstanz im Verhältnis zur Konzentrationsstärke der Lösung an. Der
Überschuß der Saccharose, der für das Wachstum schädlich ist, fördert
das Aufspeichern der vorrätigen Nährstoffe.
Wie man aus der beigefügten Tabelle sieht, besteht ein unbestreit-
barer Zusammenhang zwischen dem Grünen und dem Wachstum (dem
Aufspeichern von feuchter Substanz und Wasser), worauf schon Palla-
din in seiner letzten Arbeit hingewiesen hat.
Quantität von Chlorophyll.
1", 5%
Keimstadien Wasser e 10°; Saccharose 20%, Saccharose
lltärıre Keimlinse ` viel viel wenig weniger als in sehr wenig
der vorhergehenden
IR „ y Spuren wenig viel wenig Spuren
25 y 5> kein , 3 1 `
el ` Se e kein
Chlorophyll sammelt sich besonders energisch dann an, wenn die
Verhältnisse für das Wachstum besonders günstig sind.
Die verschiedenen Konzentrationen der Saccharose haben verschie-
denen Einfluß auf den Prozeß des Grünens. Es besteht ein Minimum,
Optimum und Maximum der Konzentrationen. Dabei sind diese drei
Punkte verschieden für die verschiedenen Keimstadien, so ist für die
Iltägigen Keimlinge das Optimum eine Konzentration der Saccharose
von weniger als Is aber für die 18tägigen ist das Optimum schon eine
5 proz. Lösung.
Kotyledonen von 3ltägigen Keimlingen grünten sogar bei der opti-
malen (5°) Konzentration nicht, wahrscheinlich infolge von beginnen-
dem Absterben der Plastiden.
Solche Resultate werden dadurch erklärt, daß das Grünen ein sehr
komplizierter Prozeß ist, der von vielen begrenzenden Faktoren ab-
hängig ist. Solche Faktoren sind : nicht vollständig ausgebildete Plastiden
und ein zurückgehaltenes (bei den isolierten Kotyledonen) Wachstum
in den Anfangsstadien, ein beginnender Zerfall der Plastiden in dem
späten Stadium der Entwickelung, Fehlen der nötigen Kohlenhydrate
usw.
Kotyledonen, die in verschiedenen Stadien des Keimens isoliert wurden. 25
Naccharose ist dann nützlich, wenn sie die fehlenden Kohlenhydrate
in passenden, wachstumsfördernden Quantitäten liefert, schädlich, wenn
sie das Wachstum hemmt, hat gar keine Bedeutung, wenn die Zellen ge-
nügend eigene Kohlenhydrate haben, wie in meinen Versuchen mit den
lltägigen Keimlingen.
Aus diesem Grunde hat eine Reihe von Autoren gefunden, daß
Kotyledonen, die von noch nicht keimenden Samen genommen wurden,
am Lichte lange nicht grünen.
Versuch 4: 3ltägige Keimlinge. Es wurden 2 Portionen Kotyledonen zu je
20 Kotyledonen, von je 2,82 g Gewicht genommen. Für 7 Tage wurden beide mit
Wasser ins Dunkle gestellt und dann die 1. Portion mit Wasser und Watte, die
2. mt 50, Saccharose belichtet. Nach 3 Tagen gingen die Kot yledonen der 1. Portion
gelb ein, die Kotyledonen der 2. Portion gingen nach 7 Tagen beinahe alle gelb
ein, mit Ausnahme von 2.
Folglich können sehr alte Kotyledonen nicht mehr grün werden, trotz der
Kultur am Licht bei der günstigsten 5proz. Lösung von Saccharose.
Alle diese Versuche zeigen, daß die Ernährung etiolierter Kotyledonen
von Speisekürbis von ovaler Form mit Saccharose ganz verschiedene
Resultate ergibt, von den Stadien ihrer Entwicklung abhängend. Saccha-
rose hat folgenden Einfluß auf das Aufspeichern von feuchter Substanz
in den verschiedenen Stadien der Entwicklung:
Wasser 1°, Saccharose 5°, Saccharose 10%, Saccharose 20°, Saccharose
1. Versuch 100 84 (— 16) 715 (— 35) CO (— 40) 49 (— 51)
7. si 100 133 (-+ 33) 123(-+ 23) 95(- 5) 12 (— 28)
De g 100 123 (+ 23) 126 (+ 26) 108 (+ 8) =
Folglich wird in frühen Entwickelungsstadien, wenn in den Cotyle-
donen noch viele Nährstoffe enthalten sind, und wenig Substanzen, die
den Turgor hervorrufen, das stärkste Wachstum beobachtet. In diesem
Falle hält sogar schon 1% Saccharose das Wachstum auf.
Im mittleren Stadium der Entwicklung ist das Hinzufügen einer
gewissen Quantität von Kohlenhydraten nützlich. Saccharose ver-
stärkt die Speicherung der feuchten Substanz (+33); 5°, Saccharose ist
weniger günstig, 10°, Saccharose hält schon das Wachstum auf.
Im späten Stadium der Entwicklung ist die beste Konzentration der
Saccharose Di.
Biochemische Untersuchungen über die Entstehung der
Typhusimmunität.
Von
T. J. Kanai.
(Aus den Medizinischen und Medizinisch-Chemischen Instituten der Medizinischen
Universität zu Osaka, Japan.)
(Eingegangen am 28. April 1922.)
Mit A Abbildungen im Text.
Inhultsverzeichnis.
I. Über die Einflüsse der Typhustazillen und des isolierten Typhustoxins auf
den Stickstoffun satz (S. 26).
a) Quantitative Schwankungen des Reststickstoffes im Blute nach Injektion
von Typhusbacillen und isoliertem Typhustoxin (S. 27).
b) Quantitative Bestimmung des Reststickstoffes im Typhusserum (S. 29).
c) Über die Beziehungen zwischen der gesamten Stickstoffmenge im Harne
und der Leukocytenzahl bei intravenöser Injektion von Typhus-
bacillen (S. 29).
IT. Über die spezifischen biologischen Reaktionen des Typhustoxins und des
Typhusblutes (S. 30).
a) Die Reaktionen des menschlichen Typhusserums und des Typhustoxins
auf das Froschauge (S. 31),
b) Die Reaktionen des menschlichen Typhusplasmas und der Typhus-
toxine auf das Kaninchenauge (ïN. 33).
c) Die Einflüsse von dem Typhusplasma und dem Typhustoxin auf die
Gefäßnerven (S. 36).
d) Di: Einflüsse von dem Typhusplasma und dem Typhustoxin auf den
Kaninchenuterus (N. 40).
Ill. Üb:r die Einflüsse der Typhusbaeillen und des Typhustoxins auf die Neben-
niere und die chemische Zusammensetzung des Blutes (S. 41).
a) Die Wirkung des Typhusplasmas und Typhustoxins nach der Resektion
der Nn. splanchnici und Nn. vagi auf die Kaninchenpupille (S. 41).
b) Die Einflüss> intravenöser Injektion der Typhusbacillen und des Ty phus-
toxins auf die Nebennierentätigkeit (S. 45).
c) Die Einflüsse subeutaner Adrenalininjektionen (S. 47).
I. Über die Einflüsse der Typhusbaeillen und des isolierten Typhustoxins
auf den Stickstoffumsatz.
Der schnelle Fortschritt der Kolloid- und Immunochemie brachte
zahlreiche wertvolle Studien über die Eigenschaften des Immunserums.
— Die chemische Isolierung der Immunstoffe ist aber bis heute noch
nicht gelungen. — Ich stellte nun Untersuchungen über den Stickstoff-
T. J. Kanai: Biochemische Untersuchungen über Typhusimmunität. 27
umsatz beim Typhus abdominalis an, um zu prüfen, welche Beziehungen
sich zwischen dem pathologischen Stoffwechsel bei Typhus abdominalis
und der Entstehung der Immunität ergeben.
a) Quantitative Schwankungen des Reststickstoffes im Blute nach Injektion
der Typhusbacillen und des Typhustoxins.
Ich benutzte die gleiche Methodik wie in meiner Arbeit!) „Über die
quantitativen Schwankungen des inkoagulablen Stickstoffes im Blute
nach intravenösen Injektionen von verschiedenen Chemikalien und
Bakteriengiften‘‘. Zuerst mußten Vorproben darüber angestellt werden,
inwiefern eine N-Schwankung die Folge einer spezifischen Wirkung
der gebrauchten Lösung ist oder nur durch einen unspezifischen physi-
kalisch-chemischen Reiz verursacht wird.
Daher habe ich folgende Untersuchungen angestellt:
l. Die Schwankung der inkoagulablen Stickstoffmenge bei einfacher
Körpertemperatursteigerung. Zu diesem Zwecke habe ich das Kaninchen
bestimmte Zeiten im Wärmekasten belassen.
2. Die Schwankung usw. bei einfachem physikalischen Reiz. —
Dem Kaninchen wurde Ringersche Lösung intravenös eingespritzt.
Tabelle Ia.
` ! | de Körper- | Inkoagıl.
Dat Körper- temperatur N-Menge
AIE gewicht. Behandlung |bei Blutent- in 100 cem Bemerkungen
ı nahme ' Blut
1915 ` g | ı in Graden | g
a "Se R Ga ee ep, = es Pe. - Tii fy ANES Mäe Lë Gët
12.V. 2160 3 — 382 0,193 Kontrolle
15. V. 2450 3 '1Occm von Ringer-; 39,6 0,186 Körpertemperatur vor
' Lösung intravenös der Injektion 38,5 °
| Blut 1 Std. nach In-
| jektion abgenommen.
29. V. 1750 3 40Min. im Wärme-| 41,4 0,326 Körpertemperatur
| kasten (38 -38,5°) | direkt vor Hin-
|
einführung in den
Wärmekasten (38.4).
Beim gesunden Kaninchen nimmt die Rest-N-Menge nach künstlicher Stei-
gerung der Körpertemperatur deutlich zu.
i
Die intravenöse Injektion von lebenden Typhusbacillen und iso-
liertem Typhustoxin hat stets eine deutliche Schwankung des Rest-N
zur Folge, die, wie Tabellen Ia und b zeigen, weder durch einen physi-
kalisch-chemischen Reiz noch durch die Temperatursteigerung her-
vorgerufen wird; man muß also das Auftreten einer solchen Schwan-
kung mit der spezifischen Wirkung der gebrauchten Vaccine bzw. des
Toxins erklären.
Direkt nach der Injektion (etwa bis 2!/, Stunden) nimmt die Rest-
stickstoffmenge deutlich ab, dann steigt sie allmählich wieder an.
Schon nach 6 Stunden kann der inkoagulable Stickstoff die Werte
2 T.J. Kanai:
Tabelle Ib.
ee Gesamt- Inkoagulable
: i Körper- , N-Menge in , N-Menge
FS: -Datum temperatur Harnmenge Reaktion 100 cem vom in 100 ccm
er in Graden Harne von Blute
1916 ecm H g
1. I. 38.2 180 schwach | 1,523 —
alkalisch ;
SIE 38,4 210 schwach | 1.416
vor Einbriner. | alkalisch :
Kani in den | :
EE m W GE | Ä
e) = r HM e
2850 u nach I Std. im
Wärmekasten |
(37-- 38)
2. H. 37.8 | 110 schwach 2,594 0.195
nach 4 Std. | sauer
t l
Aber nach intravenöser Injektion von Ringerscher Lösung lieB sich keine
Schwankung des Rest-N nachweisen.
Hier wie auch später werden in den Tabellen die Mittelwerte. die aus einer
größeren Kaninchenzahl erhalten wurden, aufgeführt.
Tabelle II.
e Bes Dosis der Zeitraum v. | Körper- '
PE A Körper- eingeführt. Injektion | temperatur Inkoagulable
Eug EE e gegicht Typhus- |, bis zur Blut- , bei Blut- ` N-Menge in
5 : vakzine pro abnahme | abnahme , 100 cem Blut
1915 tieren ` kg ' Kilo ccm Std. ' in Graden :
2R. V. Kaninch. Ss 21 0.1 1'/⁄> 382 0,150
28. Ve 9 0 23 OI 2 396 : 0,1%
UN. 10 | 238 0.1 2 A08 0,154
28. V. 11 125 0,1 3, 412 ' 0,140
CAN 12 22 IN 4 412.) 0,140
28.V. > 13 1 23 0.1 D'a 390 ' 0,154
3L V. es 14, 26 0,1 6'2 396 | 0,182?
(LVL x 15 2.8 IN 24 393 | 0215
Tabelle III.
| en i l u Dosis der Zeitraum v. , Körper- , u
END EN i Ver- Körper eingeführten | Injektion temperatur, Inkoagulable
tier Berg ) gewicht Typhus- : bis zur Blut- bei Blut- N-Menge in
3 vaccine pro ! abnahme abnahme 100 cem Blut
u 1915 = SS Meres kg Kilo cem > ‘Std. in Graden
IA Kaninch. | 39 | 21 > 01 1,0 336 ' 0,210
15. X. A a "On 1 217, 396 ' 0,168
15. X. 4 52 | 23 0,1 4 40,8 | 0,182
EA 3,25, OI 5 408 | 0,288
18.V III. a 20 18 | 0,1 6 39,3 0,196
18.VI. . 012,295, OI | 391 | 0,154
18. VII. „ | 23 ; 16, 01 3 41,8 01%
18V...» 4,20, Ol DU 41,2 | 0185
29
ged 8.
Biochemische Untersuchungen über Typhusimmunität.
des beim gesundenen Kaninch gefundenen oder noch höhere erreichen.
— Hier besteht eine wichtige Beziehung zür Zahl der Leukocyten, und
zwar derart, daß die Rest-N-Menge im Blute sich proportional zur
Leukocytenzahl im gleichen Blute verhält?).
b) Quantitative Bestimmung des ink oagulablen Stickstoffes im Typhusserum.
Tabelle IV. Tabelle V.
E oT D | Gesamt- | Inkoagal. 1 Gesamt- | Inkoagul.
| : N-Menge N-Menge keng ) N-Menge N-Meng
Versuchstier || Datum | in 100 eem, in 100 ccm ZE Patrom in 100 cem in 100 eg
l | Serum Serum SS Serum ` ` Serum
(ma e | g mm g Le
Pferd fe 8IL. 1,852 | 0.078 Kaninchen f 10. V. | 1834 | 1.169
Kontrolle) | 12.111.! 1,582 | 0,081 (Kontrolle)\ 2. VII. 1,725 0174
‚Pferd (mit í, | | e EE 10. V.
lB immu- J, RIM | Log | 0.106 im TB a 20. 586 „198
wert AT. 49 TIL, 1488 | 0.098 inne E De. Rt
2000 | | Gët (6400 - )
+++)
c) Über die Beziehungen zwischen der gesamten N-Menge im Harne und
der Leukocytenzahl bei intravenöser Injektion von TyphusbaciHen.
Obgleich die Menge des Gesamt-N im Harne beim Kaninchen schr
schwankt, so lassen sich doch durch Fütterung mit qualitativ und
quantitativ gleichmäßiger Nahrung und bei konstant gehaltener Zimmer-
temperatur ziemlich nahe beieinanderliegende Werte erzielen.
Tabelle VI.
S ! 2 Gesamte
“ereneng. | Rörper- Urin- ` Spez.- N-Menge
` Gen ‚gewicht Datum menge Reaktion Ge- im 100 eem Bemerkungen
i l wicht | Harn
' g IEN) ccm g |
25. I. 235 alkalisch 1012 0,945 ` Vor dem Versuche
26. 1. ISO e 1010 . 0,938 Se up =
27. I. um
kiin Za A.M. 10 Thy- DS . , , ,
in- I 1760 wie RB. in- f vorm.12 um S 1007 0.826 2 at. nach d. Injekt.
AE travenösDo-| nachm.2 60 schwach 1013 1.340: 4 e ee a
sis. 1 E:1 ccm sauer ` |
30 ccm
og g f vyorm.10 210 del 1012. 1471 MU...
SI nachm.10 110 del 100 Lin Men
4. Il. 250 alkalisch © 1012 0,972 Vor dem Versuche
5. II 340 “1010 0,980 no: S
6. IL. um
K 1 il z A.M.10 Thy- pe 2 .
"TT 9180 phusB in- f vorm. 12 0 S 1010 0,904 2Std. nach d. Injekt.
IND 'travenösDo-| naclım. ? 90 8 1012 1.045 4. MES
sin. 1 E:lccm
3.0 ccm
7. II. A.M. 10 130 schwach . 1020 1097 24
sauer
30 T. J. Kanai:
Als Ergebnis dieser Untersuchungen habe ich die Tatsache fest-
gestellt, daß die N-Verbindungen im Organismus durch Injektion von
Typhusbacillen sehr rasch abgebaut werden. Ähnliche Beobachtungen
von klinischer Seite liegen vor, nämlich die deutliche Zunahme der
Kreatin- und Kreatininmenge im Harn von Typhuskranken und die
fast konstant auftretende Diazoreaktion des Harnes.
Es steht außer allem Zweifel, daß ein so rascher N-Verbrauch im
Anfangsstadium des Typhus abdominalis eine wichtige Beziehung zur
Entstehung der Immunität hat.
Das zeitliche Zusammentreffen der Schwankung des Rest-N und
der Leukocytenzahl im Blut beim Typhuskaninchen ist die Folge eine
Funktionssteigerung der vermehrten Leukocyten bei der Immunitäts-
bildung. Doch es erfordert noch viele weitere Studien zur Lösung der -
Aufgabe, die Beziehung der Zunahme des inkoagulablen N zum Wesen
der Immunität festzustellen.
II. Über die spezifischen biologischen Reaktionen des Typhustoxins und
des Typhusblutes.
Mit Hilfe der bisher bekannten Methoden erscheint die Isolierung des Immun-
stoffes aus dem Serum undurchführbar. — Seit Jahren versuche ich unter anderem
auch mit den verschiedenen Verfahren der Eiweißfraktionierung zum Ziele zu
gelangen, ohne jedoch bisher überhaupt irgendeinen Anhaltspunkt gewonnen zu
haben. — Im Anschluß daran setzte ich meine Untersuchungen unter Benutzung
der biologischen spezifischen Reaktionen des Immunblutes fort, in der Hoffnung.
daß sich irgendwelche Beziehungen der Immunstoffe zu den Hormonen würden
nachweisen lassen.
Bei akuten fieberhaften Infektionskrankheiten stimmt in der Regel Pulszahl
und Fieber nach der zuerst von Liebermeister angegebenen Gleichung überein. —
Eine Ausnahme bildet fast stets der Typhus abdominalis. — Trotzdem ferner
bei einer großen Zahl von Patienten ein deutlicher Milztumor vorhanden ist,
zeigt sich die Leukocytenzahl im Blute, besonders im Anfangsstadium stark
vermindert.
Unter Berücksichtigung dieser Tatsachen habe ich versucht, die Funktion
der innersekretorischen Organe im Hinblick auf die Entstehung der Immunität
beim Typhus abdominalis zu ergründen.
Besonders bei den eigentlichen Stoffwechselkrankheiten, die durch eine
pathologische Veränderung innersekretorischer Organe verursacht werden, aber
auch bei vielen anderen Krankheiten, z. B. bei der Lungenphthise, Tabes, ortho-
statischen Albuminurie, beim Magengeschwür, bei der akuten Pneumonie, der
Kakke und beim Typhus abdominalis haben mehrere Autoren eine deutliche
abnorme Empfindlichkeit des vegetativen Nervensystems gegen verschiedene
Arzneimittel konstatiert. ` ` Im Anschluß hieran war ich bemüht, für den Typhus
abdominalis folgende Fragen experimentell zu beantworten:
l. Enthält das Typhusblut einen besonderen Stoff, welcher auf das vegetative
Nervensystem eine spezifische Wirkung ausübt ?
2. Welche Beziehungen hat dieser Stoff. falls er vorhanden ist, zur Immunitäts-
bildung ’
3. Wo stammt dieser Stoff her?
Biochemische Untersuchungen über Typhusimmunität. 31
Seit 6 Jahren habe ich mich mit der Aufklärung dieser Zusammenhänge
beschäftigt. Trotzdem viele Versuche an der Schwierigkeit der Ausführung ge-
scheitert oder erfolglos geblieben sind, glaube ich doch unter Zusammenfassung
aller bis heute erhaltenen Resultate schon jetzt diese Fragen fast exakt beant-
worten zu können.
a) Die Reaktionen des menschlichen Typhusseruns und des Typhustoxins
auf das Froschauge.
Die Meltzer-5) und Ehrinannsche Methode, die öfter als fehlerhaft bezeichnet
wurde, erscheint mir doch wertvoll, wenn sie sehr vorsichtig und unter Voran-
schickung zahlreicher strenger Vorproben vorgenommen wird. — Die Äquatorial-
halbierungsmethode hat nach meiner Erfahrung manche Schwierigkeiten. —
Man braucht ziemlich lange Zeit für die Operation, der Resektionsgrad muß bei
beiden Augäpfeln der gleiche sein, und manchmal läßt sich nach derAufbewahrung
in der Eiskammer die Pupillengröße nicht bestimmen. — Daher stellte ich meine
Versuche stets mit einem ganzen Augapfel an, ich benutzte beide Augäpfel eines
Frosches, der eine diente zur Kontrolle.
1. Vorprobe. Versuche mit gesundem Menschenserum und 0,6 proz. physio-
logischer NaCl-Lösung.
Tabelle VIIa. Tabelle VIIb.
'ersuch mit physiol. ClNa-Lösung. Versuch mit gesundem menschlichen
Z. T. 19—22°. Zeit der Untersuchung Serum. !
28. IV. bis 7. V. 1616.) (2. T. 20—26°. Zeit der Untersuchung
Fr Veränderung di 3. V. bis 7. V. 1916. Verdünnung des
fetter Pupiienwerte a Bemer- Serums: Leem auf 15 ccm UlNa-Liös.
Arzneien Fer K a kungen ——
RER a ; SHN; ik an i || Veränderung d. |Zeit der
0: eg Gebrauchte || Ppupillenweite | Beop. | Bemer-
Fiar i As ; Fall 8. Arzneien 1 TS Min kungen
Sirenen, | | | | 3— 20 re en Zr user, E RS
ICH-Lös | © C. Ad. 6 gtt. äis | A | A- | Fall d
| A. | A Fall 5. Adren. | | b Igel
| Na-Lös N e | N ` | R BT
('ovain. | | | 3—20 Sa i HCl-Lös.| C : C
HCIl-Lös- j| B. P h IA. | A. =
| 0. gtt. SN ` i Fall 2.
In, A. "IA Fall 8. Cocain- à | | [8—15 co. 8 gtt.
Asch, 1 E I T 18-90 CINa-Lös HCI ` B. | B. |
RS SU i 0 |
sulfatlös. B. ; B. At. ve? Se lo i A. | a 3—15. Fall 2.
Dan, A" A. Fall 5. neh < "Ti. Gen,
Eserin- EN E 20: KE w b | A.
sune M. AM en Ee e als ul Eal 2
pf: `" "Tea ) 8 gtt.
lösung `, M. i M. i | S
A = 20mm Q. B., 1.5mm L. B.; B = 2,5 mm Q. B., 2.0 mm L. B.; C = 3,0 mm
Q. B., 25 3 mm L.B.; D = 3.5 mm Q. B.. 3.0 mm L. Dr M = maximale Miosis;
MX = mydriasis.
J Q. B. = Querdurchmesser | IN. = Versuchsauge
l L. B. = Längsdurchmesserf \ K. = Kontrollauge
2. Untersuchungen über die Einflüsse des menschlichen Typhusserums auf
das Froschauge.
32 T. J. Kanai:
Tabelle VIII.
Versuch mit menschlichem Typhusserum.
(Z. T. 20-989, Zeit der Unteruchung 16. V. bis 21. VII. 1916.
Verdünnung: ] ecm Serum auf 15 cem CINa-Lösung.)
Veränderung der Zeit der
Gebrauchte —
eege Pupillenweite | Beob. Bemerkungen
Arzneien v k. Min.
IW A. A. de
Adren. um wu | soj 20 e e
hydrochl. ` Max. Mim, €“, Min. a i
KS Na `
MO 3 i | ae ae
sulfat ` ` B. Er `
WI | A. A. , Fall Ké
Corain ` ` ) A0 Gleich wie
hydrochl. IB. | B. gesundes.
0,5%, SE $ > "al 2.
sr Min. | Min.]3 20 Gleich wie
SERMO 5; ON Et | M. 10 gesundes.
Typhusserum hat eine deutliche mydriatisehe Wirkung auf das Froschauge
im Gegensatz zum Serum des Gesunden, das ohne Einfluß ist. - - Ferner hat das
Typhusserum dem Froschauge eine deutliche Empfindlichkeit gegen Adrenalır.
verliehen.
3. Untersuchung über die Einflüsse des isolierten Typhustoxins auf daa
Froschauge.
Ich habe 2 Arten von Toxinlösung angewandt. Eine 24stündige Schiefagar-
kultur wurde in 20 ccm 0,6 proz. Lösung aufgenommen, 30 Minuten mit dem
Apparat stark geschüttelt, dann durch Filtration von den Bakterienleibern voll-
ständig abgetrennt. — Das war die erste Toxinlösung. Zur Herstellung der zweiten
wurden die Bakterienleiber in der Reibschale vollkommen fein zerrieben, dann in
2 ccm 0,6 proz. NaCl- Lösung aufgenommen und stark geschüttelt.
Tabelle IX.
Versuch mit isoliertem Typhustoxin.
Z. T. 25—28° C. Zeit der Untersuchungen T. VL. bis 10. VI. 1916.
V. = Versuchsauee. K. - Kontrollaure.
` Veränderung der Weit der
no, Pupillenweite © | Beob. Bemerkungen
Arzneien V. K. Min.
KN A. A.
A\dren. 3.20
hyvdroehl. | Es C.
1%, À. A. Toxin 1: Clm,
\trop. WË Lös. 14.
ulf B B Bacillen nach
10 i 24 Std. Agal-
o, . f kultur.
Coecain | GE IE: lcemtINa-
hydrochl. B, B. Lis.
0.520 ER M. "UM
ern
kp M. M.
Biochemische Untersuchungen über Typhusimmunität.
Bei den isolierten Toxinlösun-
gen wurde gar keine Wirkung auf
das Froschauge beobachtet, auch
ließ sich keine erhöhte Empfind-
lichkeit gegenüber verschiedenen
Arzneimitteln nachweisen.
4. Untersuchungen über die
Wirkung verschiedener Kranken-
sera auf das Froschauge.
Wie aus den Versuchen her-
vorgeht, hat das Typhusserum dem
Froschauge eine deutliche Emp-
findlichkeit gegen Adrenalin ver-
liehen. — Auch nach subcutaner
Adrenalininjektion trat diese Emp-
findlichkeit auf. — lsoliertes
Typhustoxin und die Sera einiger
anderer Erkrankungen haben
keinen Einfluß auf das Frosch-
auge ausgeübt (bei der von mir
angewandten Verdünnung). Bei
dem Serum eines Falles von
Diabetes insipidus zeigte sich eine
ganz gegenteilige Wirkung; bei
dem Patienten wurde bei der
Sektion Hypophysengeschwulst
(Tuberkel) festgestellt.
b) Die Reaktion des mensch-
liehen Typhusplasmas und Ty-
phustoxins auf das Kaninchen-
auge.
Wie schon lange feststeht,
zeigen die Pupillen des gesunden
Menschen oder Kaninchens nach
Einträufelung einer 3promill.-
Lösung von Adrenalinhydrochlorid
in den Conjunctivalsack keine Re-
aktion. — Diese Tatsache führte
zur Ausarbeitung einer besonderen
Methode zum Nachweis von Adre-
nalin und adrenalinähnlichen Sub-
stanzen, über dieich früher!?)schon
berichtet habe. — Als Versuchstier
dient ein Kaninchen; die Methode
ist ziemlich einfach und gibt exakte
Resultate. — Sie sei hier mit-
geteilt:
Eine bestimmte Menge der
Versuchsflüssigkeit wird intra-
venös oder subcutan dem gesunden
Kaninchen eingespritzt. [Ich habe
Biochemische Zeitschrift Band 132.
Tabelle X.
Versuche mit Patientensera verschiedener Krankheiten.
At. = 1°%5-Atrop.-sulf.-
vdrochl. Lös.
`
(iaa Adren. h
(S. 1 ecm: ClNa-Lösung 14 cem).
Ad.
Verdünn. d. Serum.
Lösung.
Untersuchungen 10. V. bis 2. VIII. 1916.
der
Zeit
Z. T. 20- 28° C.
GA
KA
Bb
Li LU
' ua D rt a g
oz san nn = 23
; > Be | hel D ee? 3
l! +w > Leg mn PS) E
E EE E DT Le
e BS . = e
bk e Lei 2 = Tù
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34 T. J. Kanai:
als Versuchsmaterial stets Blutplasma (l ccm) gebraucht, da gegen Serum ver-
schiedene Einwände erhoben wurden.) 40—60 Minuten nach der Injektion
werden 2 Tropfen einer 0,5 promill. frisch dargestellten Adrenalinlösung in den
Conjunctivalsack eingeträufelt. — In Zeiträumen von 3, 5, 8, 10, 15, 20, 25, 30,
35, 40, 50 und 60 Minuten habe ich die Weite der Pupille des eingeträufelten Auges
mit der des anderen (nicht eingeträufelten) verglichen.
Ist in der Versuchsflüssigkeit oder im Blutplasma Adrenalin oder eine adre-
nalinähnliche Substanz nicht enthalten, so zeigt sich zwischen den beiden
Pupillen keine Differenz. Sind aber solche Substanzen vorhanden, so wird an
dem mit Adrenalinlösung eingeträufelten Auge eine deutliche Mydriasis hervor-
gerufen. — Nach 10—20 Minuten zeigt sich das Maximum der Pupillenweite,
Tabelle XI.
(Untersuchungen mit Atropin, Eserin, Pituitrin, Cocain ausgeführt.)
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Biochemische Untersuchungen über Typhusimmunität.
35
die Lichtreflexe sind erloschen und es tritt die sogenannte Pupillenstarre
Die Kontrollpupille zeigt dagegen keine beträchtliche Veränderung.
Tabelle XII.
Untersuchungen 1 Stunde nach der Injektion verschiedener Arzneien
ein.
wie Atropin, Eserin, Cocain und Pituitrin ausgeführt.
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prompt | promg nicht Pupillenstarre
| reagier.
| |
| |
gegen |
Adren.
prompt | prompt] nieht Kontrolle
reagier.
2
36 T. J. Kanai:
An jedem Versuchstier habe ich vor dem Gebrauch einen sogenannten Vor-
bereitungsversuch unternommen, indem ich am Tage vor dem Hauptversuch in beide
Conjunctivalsäcke des Kaninchens 2 Tropfen einer l promill. Adrenalinlösung ein-
träufelte und die Pupillen eine Stunde lang beobachtete. — Nach der Feststellung. daß
die Pupillen keine Erweiterung zeigen, habe ich mit physiologischer Kochsalzlösung
ausgespült unddann am nächsten Tage das Kaninchen zum Hauptversuch gebraucht.
— Den Erweiterungsgrad der Pupille habe ich zahlenmäßig mit dem Wesselyschen
Keratometer bestimmt; eine Verengerung durch die Annäherung des Kerato-
meters allein ist bei der Pupillenstarre der stark mydriatischen Augen unmöglieh.
Bei der Anwendung dieser Methode muß zuerst immer festgestellt werden. daß an
dem Versuchsauge weder eine Verletzung der Cornea noch eine Conjunctivitis vorhan-
den ist; der oben erwähnte sogenannte V vorher eitungsversuch ist daher unentbehrlich.
Von einigen Autoren ist öfter angeführt worden, daß das Kaninchen zu solchen
Untersuchungen nicht geeignet sei. — Aus den zahlreichen bisherigen physio-
logischen Untersuchungen über die Adrenalinwirkung beim Kaninchen??) und
Hund!!!) geht indessen hervor, daß die vorstehende Ansicht unbegründet ist. —
Gegen die oben beschriebene Ausführungsform meiner Methode zum Nachweis
von Adrenalin am Kaninchenauge läßt sich nichts einwenden, ja ich habe durch
meine vielen Untersuchungen feststellen können, daß das Kaninchen, was seine
Empfindlichkeit und Handhabung betrifft, viele Vorteile vor den Katzen bictet.
Ich habe zahlreiche derartige Untersuchungen vom 6. II. bis 30. IV. 1918
ausgeführt und bin schließlich zu folgendem Ergebnis gekommen:
L Das Typhusplasma enthält einen spezifischen Stoff, der der Kaninchen-
pupille eine deutliche Empfindlichkeit gegen Adrenalin verleiht.
2. Dagegen zeigen Typhusbacillen und deren Toxine 1—2 Stunden nach der
Injektion keinen Einfluß auf die Kaninchenpupille; 24 Stunden nach der Injektion
tritt ein mäßiger Einfluß auf die Pupille zutage, und zwar dann ebenso wie bei
dem Typhusplasma.
€) Die Einflüsse des Typhusplasma und der Typhustoxine auf die Gefäßnerven.
+ Zu dieser Untersuchung, bei der ich die Trendelenburgsche Methodik??)
benutzte, habe ich menschliches Typhusplasma aus dem Stadium der Rekon-
valeszenz, Plasma des Typhuskaninchens, Antityphusserum des Pferdes, Typhus-
bacillen und isolierte Typhustoxine angewandt. — Das Blutplasma gebrauchte ich
in Form des Cytoplasmas. — 3 cem einer 0,5 proz. Na-Citrat-Ringerlösung wurden
mit der gleichen Menge Blut versetzt, das Plasma durch starkes Zentrifugrieren
isoliert, dann mit Ringerlösung derart verdünnt, daß gesundes Plasma an den
Präparaten keine Reaktion zeigte.
1. Vorprobe: Versuch mit Adrenalin-Ringerlösung.
Tabelle XIII.
8.1V.1919. W. schön. F.T. 16°C. Druck 11.5cm (H,O-Säule). Bufo vulgaris.
W. = Wetter. F.T. = Flüssigkeitstemperatur.
Aıngerscha Adrenalin- Ringersche- Lösung
Lesung (1:1200 200x)
——
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|
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CG
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|
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|
Biochemische Untersuchungen über Typhusimmunität.
37
Versuch mit Natriumcitrat-Ringerlösung.
Tabelle XIV.
15. IV. 1919. W. schön. F.T. 17°C. Druck 10,5 cm (H,0O-Säule).
Ge Zeie Na-Oirat-Ringersche Lösung
Versuch mit gesundem menschlichen Blutplasma.
Tabelle XV.
W. schön. F. T. 18°C.. Druck 10,5 cm (H,O-Säule).
Äingersche Gesundene Menschenplasma-Lösung
Losung (Verdunning P 1: R-L.8)
20. IV. 1919.
Val
Tropfenzahl
S
3 32 Jahre (gesund). Bisher keinen Typhusabdom. durchgemacht.
2. Versuch mit menschlichem Typhusplasma.
Tabelle XVI. ` | 2
22. IV. 1919. W. schön. F; T. 19°C. Druck 10,5 cm (H,O-Säule).
Angersche Typhus- Plasmalösung
Losung (Verdurnurg P1:R-L.8)
2? 4 6 8 OO NRN H É BRV
Patientin R. M. Q 23 Jahre. Agglut. (15. IV.) 800 X (+-++). Krht.-Tag 37.
Rekonvaleszenz-Stadium. Puls 92. T. 36,4°C. Resp. 21.
38 T. J. Kanai:
3. Versuch mit Pferdeserum.
a) Versuch mit gesundem Pferdeserum.
Tabelle XVII.
13. IV. 1919. W. wolkig. F.T. 18°C. Druck 13,0 cm (H,O-Säule).
Ringersche Gesundene Pferdserum-
Lösung Lösung (Verd. A7 R:L.6) He
R
N
$7
NS
5
o Zet YMın)
2 u 6 8 WV R N H6 RB 20
b) Versuch mit Pferdeantityphusserum.
Tabelle X VIII.
14. IV. 1919. W. regnet. F.T. 19°C. Druck 12,5 ccm (H,O-Säule).
1200 X (++).
Ringersche Pferd -Antityohu, $-
Lösung Serumo Ringersohe Lösung
gemengten
Verd A7: R-L.6)
4. Versuch mit Kaninchenblutplasma.
a) Versuch mit gesundem Kaninchenblutplasma.
Tabelle XIX.
Agg. T.
20. VI. 1919. W. schön. F. T. 20,5°C. Druck 11,5 cm (H,O-Säule).
Ringersde Gesundene annhe. Aıngersche
Lösung: Kee P1: R-L8) eg
ee
BR
X
Y
È
5
F Je [mi d
Biochemische Untersuchungen über Typhusimmmunität. 39
b) Versuch mit Typhuskaninchenblutplasma.
c) 7 Tage nach der Injektion von Typhusbacillen.
Tabelle XX.
30. VI. 1919. W. schön. F. T. 21°C. Druck 12,5 cm (H,O-Säule).
Ringer: en
Ri a hila
Lösurg ops Kee
mg H
Werd. P1:R-L.8)
Tropfenzahl
ei
2 H 6 8 A TR MT RJV
Das Blut wurde am 7. Tage nach der Typhusbacillusinjektion entnommen
Aggl. 80 X (+++).
d) 21 Tage nach der Injektion von Typhusbacillen.
Tabelle XXI.
15. VI. 1919. W. schön. F. T. 22°C. Druck 12,5 cm (H,O-Säule).
Ringersche a
N =
Lösung Plasmalösung Rıngersche Lösung
[erd P1:R-L. 8)
Das Blut wurde am 21. Tage nach der Typhusbacillusinjektion entnommen.
Agg. T. 1800 x (+++).
5. Versuch mit Typhustoxinlösung.
. Tabelle XXII.
23. IV. 1919. W. schön. F. T. 17°C. Druck 10,5 cm (H,O-Säule).
Rn EH Typhus -Toxinlösung ee e
200 |
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X
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o Zeit Min)
2 u 6 8 "GW S H A9
Die Darstellungsweise der Toxinlösung wurde schon im 2. Kapitel beschrieben.
40 T. J. Kanai:
Ergebnis: Das Typhusplasma hat bei der vorgenommenen Verdünnung
dieselbe Gefäßkontraktionswirkung wie eine 0,8—1,0 millionenfach verdünnte
Adrenalinlösung. — Eine Lösung mit Typhustoxinen wirkt beim Frosch sehr schwach
vasodilatatorisch.
d) Die Einflüsse des Typhusplasmas und des Typhustoxins auf den
Kaninchenuterus.
Im zweiten Absatz des Kapitels II beschrieb ich meine neue Methode zum
Nachweis von Substanzen mit adrenalinähnlicher Wirkung an der Kaninchen-
pupille. — Die gleiche Wirkung prüfte ich auch mit der Kaninchenuterusmethode!®)
und konnte so wieder einen Nachweis für die Exaktheit der Ergebnisse der ersten
Methode erbringen. — Bei der Anwendung der zweiten benutzte ich einen von
mir neu konstruierten Apparat (siehe Abbildung), dessen Vorzüge gegenüber
vielen vorher gebrauchten in den Resultaten zutage traten.
Die Herstellung des Blutplasmas und seine Verdünnung habe ich im vorigen
Absatz mitgeteilt.
1. Untersuchungen mit isoliertem Typhustoxin.
2. Untersuchungen mit Kaninchentyphusplasma (1 : 10).
3. Untersuchungen mit Kaninchenplasma, das nach Injektion von mensch-
lichem Typhusplasma entnommen wurde (1:6).
Abb. 1. Der Apparat für Uteruskontraktiohsprüfung ‘(nach Kanai aus Nissin-igaku, Japan).
Hamnchen-
Ha uterus
Adrenalır-
Lösung
(:2909000X)
Gg 77 W. W.
33° 375" 3% 390’
Abb.2, Versuch mit Typhustoxinlösung.
Ee gt tege, iii eng ën
Biochemische Untersuchungen über Typhusimmunität. A)
Kaninchen-
URTUS l
[KC 2860gr)
87.20
Plasmalosung
lerrnemmen rah 25 gen
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Karınchen g 8.265097)
W W
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Abb. 8 Versuch mit Kaninchen-Typhusplasma.
Karınchen -
PR uerus
Æ (KG 2650gr)
PH., W. W W.
1021 7024" 7089’ 1030’
Abb.4. Versuch mit Kaninchen-Citoplasma (entnommen nach Injektion von Typhusplasma).
Das Plasma des Typhuskaninch:ns und das Kaninchenplasma, das 2 Stunden
rach der Injektion von menschlichem Typhusplasma gewonnen wurde, zeigen
bei der angewandten Verdünnung (1: 10 und 1:6) auf den Kaninch.nuterus
die gleiche Wirkung, wi: eine 1—2 millionenfach verdünnte Adrenalinlösung,
während das Typhustoxin auf den Kaninchenuterus eine lähmend Wirkung ausübt.
II. ‘Über die Einflüsse der Typhusbaeillen und des Typhustoxins auf
die Nebenniere und die chemische Zusammensetzung des Blutes.
Ich glaube aus den Resultaten aller bisher angegebenen: Versuche
folgende Tatsachen festgestellt zu haben:
l. Das Typhusblut enthält einen spezifischen Stoff, der auf das
vegetative Nervensystem eine starke adrenalinähnliche Wirkung hat
und verläuft die Wirkung stets proportional der Immunkraft des Blutes.
2. Ein solcher Stoff ist aber weder in den Typhusbacillen noch in
dem Typhustoxin enthalten; es wurde vielmehr eine entgegengesetzte
Wirkung auf das vegetative Nervensystem bemerkt.
Um eine Erklärung für die vorstehenden Tatsachen zu finden, prüfte ich
a) Die Wirkung des Typhusplasmas und Typhustoxins nach der Resektion
der Nn. splanchniei und Nn. vagi au! die Kaninchenpupille.
Es mußsich ermöglichen lassen, nach der Klärung des Mechanismus der adrenalin -
ähnlichen Wirkung obiger Substanzen auf das vegetative Nervensystem die hormo-
nale bzw. neurohormonale Beziehung dieser eigentümlichen Stoffe festzustellen.
Bei diesem Versuch berücksichtigte ich die Resultate der Experimente von
C. Bernard, Eckhard (Beitr. z. Anat. u. Physiol., Pathol. u. Therap. d. Ohr., d.
Nase u. d. Hals. 38. 1879), Watermann!”) und Joseph’). — Bei der Resektion
der Nn. splanchnici richtete ich mich nach der Schultzschen Methode. — Die Ver-
suche nach der Vagusresektion stellte ich stets innerhalb 2 Stunden nach der
Operation an. Eine Vaguspneumonie war nach meinen Erfahrungen nie innerhalb
von 10 Stunden nach der Resektion aufgetreten. — Als Versuchstier benutzte
ich auch hier das Kaninchen. — Die Versuche nach der Splanchnicusresektion
begannen nicht vor einem Monat nach der Operation und zwar nur nach völligem
Verschwinden des Operationseinflusses. — Ich benutzte zu dieser Feststellung die
Blutzählung vor und nach der Operation.
42 T. J. Kanai:
Nach dem Versuch wurden die Tiere getötet und durch Sektion die Voll-
kommenheit der Nervenresektion kontrolliert.
1. Versuche mit menschlichem Typhusplasma nach der Resektion der Nn.
splanchnici.
Tabelle xX IH.
RR RT NK sn
SS . on der Bo- Pupillenweite
e nach der Lichtreflex
ei: felte | obach- (Einträufelung rer Bemerkungen
R G Arz- tung
ZS a neien |
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y 25 5 5
2 V.|| 15958 | chlorid 18t] 5 | 6 dgl. = ` e Së
0,4 eem 35 5 5
subeut. 40 5 5
50 5 5
| 60 5 5
2. Versuche mit Typhustoxin nach der Resektion der Nn. splanchnici.
Tabelle XXIV a.
SS Pupillenw. | Einge- | Zeit Pupillen-
SS vor derEin-| träu- ‚der Be-| weite nach | Lichtreflex
„ 4 träufelung | felte | obach-| a. Einträuf Resul
v P mm Arz- tung
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S E Geh fk: Jet rm) Reakt. | nicusresek
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(links) | 40 5 5
| 50 5 5
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10 b | S
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5 (sl am | 8 | 5 | 5 Jeep) träge] vis dgl
30 5 5 |
85 5 5 Reakt.
40 5 6
50 5 6
| 60 D 6 |
Biochemische Untersuchungen über Typhusimmunität. 43
Tabelle XXIV b.
g | Nr. u. | EE Pupillenw. | Einge- | Zeit |Pupillenweite
= Gewicht P p [Vor ee Ein-| träu- |der Be-[nach der Ein-| Lichtreflex Resul-
À | des cK träufelung | felte | obach-| träufelung tat Bemerkungen
a | Kanin- sH mm Arz- tung
|| chens = afr] neien m RE
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j | 5 5 | 6 |
| | a A EK. | gegen
| | Typhus- (EAR 16 © 6 | Adre- | Mit demselben
toxin | Adren. | ai ZS 7 | ver: nalin Kaninchen der
æ.v.| ı7 | ?eem jast 5 | 5 | nyar. | 9 o T [pan] sehr | Tabelle 24a
? sub- 80 5 g [Prompt schw.
| 2 gtt. zi è e | emp- | (am nächsten
eutan | (links) ` | find- Tage)
40 5 Max. lich
| | 50 5 js
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op. 15 5 5 |
| | Adren. | ee 5 i träge | keine
DV. 18 hydr ës) 5 | 5 | dei 25 5 nail POEST heared ran dgl.
| 0.4 cem 30 5 5 (?) Reakt. |
| sube. | 86 5
| 40 5 1.8
| JEE
| | 60 5 6 |
3. Versuche mit menschlichem Typhusplasma aus dem Anfangsstadium und
dem Rekonvaleszenzstadium (Anfangsstadium 9 Tage). D
Tabelle XXV.
Versuch mit menschlichem Typhusplasma im Anfangsstadium (9 Tage).
ZE FS) I. Zr er
g | Nr. u. | = > Pupillenw. | Ein- Zeit | Pupillenweite
Z Gesicht Be- ` $ oeren geträu- | der Be- | nach derEin-| Lichtreflex | Resul-
Z Z E räufelung | felte obach- | träufelung tat Bemerkungen
EI mm Arz- tun
= str neien j Deeg > we
Ñ 2 [rechts links Min. |rechts | links [rechts | links |
ő 5 6 2. V. Splanch-
gem fr di = d 5 nicusresekt.
liches Sain er E R Pat. T. K. (35
r iG
at 19 Typhus- 1 St 5 5 get 25 5 5 i diong keine A. ie A x
. - prompt pro
1280 g ee (sum D o e | Reakt. K. Ht. Tage
inken š IX. Tage
Geet, Auge) | 40 5 5 K. T. 40°C.
50 A A Puls 100
60 5 | D
5 5 5
10 5 5
OS, SA = gegen
% Adren. | x ; H Adren. | B. V. Splanch-
AL hydr. |18St.]| 5 5 dgl. Ge | 5 prompt | prompt) 880Z nicus-
18108 | 04 cem 30 5 | 5 chwach| resektion
subeut. 85 5 5 reagiert
40 5 6
| 50 5 6
| 60 5
30 T. J. Kanai:
Als Ergebnis dieser Untersuchungen habe ich die Tatsache fest-
gestellt, daß die N-Verbindungen im Organismus durch Injektion von
Typhusbacillen sehr rasch abgebaut werden. Ähnliche Beobachtungen
von klinischer Seite liegen vor, nämlich die deutliche Zunahme der
Kreatin- und Kreatininmenge im Harn von Typhuskranken und die
fast konstant auftretende Diazoreaktion des Harnes.
Es steht außer allem Zweifel, daß ein so rascher N-Verbrauch im
Anfangsstadium des Typhus abdominalis eine wichtige Beziehung zur
Entstehung der Immunität hat.
Das zeitliche Zusammentreffen der Schwankung des Rest-N und
der Leukocytenzahl im Blut beim Typhuskaninchen ist die Folge eine
Funktionssteigerung der vermehrten Leukocyten bei der Immunitäts-
bildung. Doch es erfordert noch viele weitere Studien zur Lösung der
Aufgabe, die Beziehung der Zunahme des inkoagulablen N zum Wesen
der Immunität festzustellen.
II. Über die spezifischen biologischen Reaktionen des Typhustoxins und
des Typhusblutes.
Mit Hilfe der bisher bekannten Methoden erscheint die Isolierung des Immun-
stoffes aus dem Serum undurchführbar. — Seit Jahren versuche ich unter anderem
auch mit den verschiedenen Verfahren der Eiweißfraktionierung zum Ziele zu
gelangen, ohne jedoch bisher überhaupt irgendeinen Anhaltspunkt gewonnen zu
haben. — Im Anschluß daran setzte ich meine Untersuchungen unter Benutzung
der biologischen spezifischen Reaktionen des Immunblutes fort, in der Hoffnung,
daß sich irgendwelche Beziehungen der Immunstoffe zu den Hormonen würden
nachweisen lassen.
Bei akuten fieberhaften Infektionskrankheiten stimmt in der Regel Pulszahl
und Fieber nach der zuerst von Liebermeister angegebenen Gleichung überein. —
Eine Ausnahme bildet fast stets der Typhus abdominalis. — Trotzdem ferner
bei einer großen Zahl von Patienten ein deutlicher Milztumor vorhanden ist,
zeigt sich die Leukocytenzahl im Blute, besonders im Anfangsstadium stark
vermindert.
Unter Berücksichtigung dieser Tatsachen habe ich versucht, die Funktion
der innersekretorischen Organe im Hinblick auf die Entstehung der Immunität
beim Typhus abdominalis zu ergründen.
Besonders bei den eigentlichen Stoffwechselkrankheiten, die durch eine
pathologische Veränderung innersekretorischer Organe verursacht werden, aber
auch bei vielen anderen Krankheiten, z. B. bei der Lungenphthise, Tabes, ortho-
statischen Albuminurie, beim Magengeschwür, bei der akuten Pneumonie, der
Kakke und beim Typhus abdominalis haben mehrere Autoren eine deutliche
abnorme Empfindlichkeit des vegetativen Nervensystems gegen verschiedene
Arzneimittel konstatiert. - - Im Anschluß hieran war ich bemüht, für den Typhus
abdominalis folgende Fragen experimentell zu beantworten:
l. Enthält das Typhusblut einen besonderen Stoff. welcher auf das vegetative
Nervensystem eine spezifische Wirkung ausübt ?
2. Welche Beziehungen hat dieser Stoff. falls er vorhanden ist, zur Immunitäts-
bildung”
3. Wo stammt dieser Stoff her?
e Gëf Ee, EE EH, E EE „SEE a EU (1 U. ug in.
|
- wm „ ; u: _ |
Biochemische Untersuchungen über Typhusimmunität. 31
Seit 6 Jahren habe ich mich mit der Aufklärung dieser Zusammenhänge
beschäftigt. Trotzdem viele Versuche an der Schwierigkeit der Ausführung ge-
scheitert oder erfolglos geblieben sind, glaube ich doch unter Zusammenfassung
aller bis heute erhaltenen Resultate schon jetzt diese Fragen fast exakt beant-
worten zu können.
a) Die Reaktionen des menschlichen Typhusseruns und des Typhustoxins
auf das Froschauge.
Die Meltzer-°) und Ehrınannsche Methode, die öfter als fehlerhaft bezeichnet
wurde, erscheint mir doch wertvoll, wenn sie sehr vorsichtig und unter Voran-
schickung zahlreicher strenger Vorproben vorgenommen wird. — Die Äquatorial-
halbierungsmethode hat nach meiner Erfahrung manche Schwierigkeiten. --
Man braucht ziemlich lange Zeit für die Operation, der Resektionsgrad muß bei
beiden Augäpfeln der gleiche sein, und manchmal läßt sich nach derAufbewahrung
in der Eiskammer die Pupillengröße nicht bestimmen. — Daher stellte ich meine
Versuche stets mit einem ganzen Augapfel an, ich benutzte beide Augäpfel eines
Frosches, der eine diente zur Kontrolle.
1. Vorprobe. Versuche mit gesundem Menschenserum und 0,6 proz. physio-
logischer NaCl-Lösung.
Tabelle VIIa. Tabelle VIIb.
ersuch mit physiol. CLNa-Lösung. Versuch mit gesundem menschlichen
Z. T. 19— 22°. Zeit der Untersuchung Serum. |
28. IV. bis 7. V. 1616.) (Z. T. 20—26°. Zeit der Untersuchung
3. V. bis 7. V. 1916. Verdünnung des
Serums: 1 ccm auf 15 cem UlNa-l.ös.
'i Veränderung d. | Zeit. der
ebrauchte || Pupillenwerte | Beob.
Arzneien ij y ` — EE
ei Su == a e T Geb hte | verandering a Zeit der Bemer
: E sebrauc 1 Pupill it , Š
Wéi | A. A. | Fall 8. Arzneien ar en or kungen
\drenal. | | ; 3— 20 | ne eg ge ee SEA SE
IK l-Lös | C. C. Ad. Gett, Kë | A. KSE | Fall 2
a, IA | A. | Fall 5. Adren. | | | 13-15 et.
(oam, jo | er HCH-Lös.! © OG |
ICl-Lös. B. | B. Co. 8 gtt. l Ui, | A. A Fall 2.
1° D | A. f A. Fall 8. Cocain- u | ' | 3—15 Co. S gtt.
kom. II" 3—90 | ClNa-Lös. HCO B. ; B. |
ulfatlos. B. , B. | a 1° í A OA 15: Fall 2.
(Lä, A" A Fall 5. TT tr egen
Gin 1 [83—20 ëch e CR
. Ti 15 ccm 9 AÀ. | A. `
lasung MIM 5 SZT AN M. M. Fall 2.
| Sal Eserin- | a EI 3—15| E.S gtt.
lösung M. IM. |
A = 20mm Q. B.. 15mmL.B.; B = 2,5mm Q. B., 2.0mmL.B.; C = 3.0 mm
(PB. 25 mm L. B.; D = 535 mm Q. B.. 30 mm 1.B.; M = maximale Miosis;
MX = mydriasis.
J Q. B. = Querdurchmesser l $JV. = Versuchsaure\
lL. B. = Längsdurchmesser$ NK =: Kontrollauge f
2. Untersuchungen über die Einflüsse des menschlichen Typhusserums auf
das Froschauge.
20 S. Mansky: KinflußB von Saccharose auf das (Grünen etivlierter
0,1 g (45°%) Zunahme. Wasser 1,03 g (50) oder 76,3°o. Im Vergleich zur 1. Portion
Le (50%) Abnahme.
5. Portion: Schwaches Grün, Gewicht 1,12 g (100), trockene Substanz 0,32 g
(145) oder 28,5%. Im Vergleich zur 1. Portion 0,1 g (45°%,) Zunahme. Wasser
0.8 g (39) oder 1,5%5. Im Vergleich zur 1. Portion 1,23 g (61) Abnahme.
Wenn man das Gewicht der 1. Portion nach dem Versuche gleich 100 setzt.
so hat man:
1. Portion . .... 2,25 g = 100
2; Sp ..... 19 „= 84
3. ge d ée ei ee Et er 18
A. E o... 1,35, = 60
D. = u . 1,12,„ = 49
Der Versuch hatte folgendes Ergebnis:
Feuchte Substanz Trockene Substanz Wasser
1. Portion 100 100 100
2o 84 100 82
3. A T9 168 Di
4. PR 60 145 50
H; i 49 145 39
Junge etiolierte Kotyledonen grünen gut am Lichte bei Wasser-
kultur. Schwache Lösungen von Saccharose über gar keinen Einfluß
aus, Lösungen von stärkerer Konzentration halten das Grünen auf.
Die Bildung von Chlorophyll ist mit der Bildung von feuchter Substanz
verbunden, und verringert sich von der ersten Portion zur letzten.
Starke 20 proz. Lösungen halten besonders bemerkbar die Bildung von
Chlorophyll und das Wachstum auf. Folglich ist die Hemmung des
Wachstums durch Saccharose mit entsprechendem Verringern der Quan-
tität von Chlorophyll verbunden.
Versuch 2: 18tägige Keimlinge des Speisekürbis von ovaler Form. Es wurden
6 Portionen zu je 10 Kotyledonen angesetzt. Die 1. Portion (1,42 g) mit Wasser.
die 2. (1,42 g) mit (ia, die 3. (1,52 g) mit 5°., die 4. (1,52 g) mit 102., die 5. (1.52 g)
mit 20°, Saccharose, die 6. Portion mit 2°, Natrium hydrosulfit. Alle Portionen
wurden 2 Tage lang im Dunkeln aufbewahrt, darauf ins grelle Sonnenlicht ge-
stellt. Nach 4 Tagen hatten die Kotyledonen folgendes Aussehen:
l. Portion: 2 Kotyledonen gelb, die übrigen 8 schwachgrün, Gewicht 2,1 g
(147), Zunahme 0,68 g (47°), trockene Substanz 0,15 g (100) oder 7,195, Wasser
1,95 g (100) oder 98,99...
2. Portion: Alle Kotyledonen grün (2 dunkelgrün), Gewicht 2,8g (197).
Zunahme 1,38 g (9793), trockene Substanz 0,25 g (166) oder 8,999., Zunahme im
Vergleich zur 1. Portion 0,1 g (66°). Wasser 2,55 g (130) oder 91,1°,, Zunahme
im Vergleich zur 1. Portion 0,6 g (30°).
3. Portion: Alle Kotyledonen dunkelgrün, Gewicht 2,6g (171), Zunahme
1.08 g (lok, trockene Substanz 0,32 g (213) oder 12.3°,, Zunahme im Vergleich
zur l. Portion 0,17 g (113°); Wasser 2,26 g (115) oder 87,7°,, Zunahme im Ver-
gleich zur 1. Portion 0,31 g (15°,).
4. Portion: Alle Kotyledonen grün, Gewicht 2 g (131), Zunahme 0,48 g (312%).
trockene Substanz 0,33 g (220) oder 16.5°,, Zunahme im Vergleich zur 1. Portion
0,18 g (120); Wasser 1,67 g (85) oder 83,5% ,, Abnahme im Vergleich zur 1. Portion
0,28 g (15°).
Kotyledonen, die in verschiedenen Stadien des Keimens isoliert wurden. 2]
5. Portion: Die Kotyledonen schwachgrün (sehr schwaches Grün), Gewicht
1.52 g (100), trockene Substanz 0,33 g (220) oder 21,796, Zunahme im Vergleich
zur 1. Portion 0,18 g (12025); Wasser 1,19 g (61) oder 78,3°,, Abnahme im Ver-
gleich zur 1. Portion 0,79 g (39°95).
6. Portion: Die Kotyledonen schwachgrün, Gewicht 2g (131), Zunahme
0,48 g (31°53), trockene Substanz 0,27 g (180) oder 13,5°,, Zunahme im Vergleich
zur l. Portion 0,12 g (8095); Wasser 1,73 g (88) oder 86,50, Abnahme im Vergleich
zur l. Portion 0,22 g (12°,).
Wenn man das Gewicht der 1. Portion nach dem Versuche -- 100 setzt,
so hat man:
l. Portion . .... 21g = 100
2. ee a 28 g = 133
3. e eae d, 2,6 g 125
4 ss 2 g 95
5 = 1,52 g = 72
Das Ergebnis des Versuches:
Feuchte Substanz Trockene Substanz Wasser
l. Portion 100 100 100
2, d 133 166 130
3. & 123 213 115
4. = 95 220 N5
ð. Se 12 220 61
Aus diesem Versuch sieht man, daß in älteren (18tägigen) etiolierten
Kotyledonen des Speisekürbis von ovaler Forn bei Kultur am Licht mit
Wasser sehr wenig Chlorophyll sich bildet. Zucker verstärkt das Auf-
speichern von Chlorophyll, ebenso das Wachstum und Aufspeichern
von feuchter Substanz. Die beste Konzentration ist eine 5 proz. Lösung
von Saccharose. Stärkere 20 proz. Lösungen, wie auch im ersten Ver-
suche, halten das Aufspeichern von Chorophyll auf.
In diesem Versuche wurde in der sechsten Portion — als Vorunter-
suchung — eine Lösung von Zucker mit Natrium hydrosulfit genommen.
Wenn man die dritte und sechste Portion vergleicht, so sieht man, daß
in der dritten Portion die Quantität feuchter Substanz (171) und Wasser
(115) größer ist, als in der sechsten Portion (131) (88). Damit ist auch
das schwache Grün in der sechsten Portion verbunden. Na,S,0, redu-
ziert sehr stark und hält das Aufspeichern von Chlorophyll in etiolierten
Kotyledonen auf.
Versuch 3: Alte 25tägige Keimlinge. Es wurden 5 Portionen zu je 10 Kotyle-
donen von je 1,55 g angesetzt; die 1. Portion mit Wasser, die 2. mit 19%, die 3. mit
50%, die 4. mit 109%, die 5. mit 20%, Saccharose. 2 Tage lang wurden alle Portionen
in die Dunkelheit gebracht. Darauf am Fenster aufgestellt. Nach 3 Tagen hatten
die Kotyledonen folgendes Aussehen:
1. Portion: Eine Kotyledone war grün und gewachsen, sie wurde vernichtet.
Die übrigen 9 hellgrün. Gewicht 1,7 g (109), Zunahme 0,15 g (9%,), trockene
Substanz 0,11 g (100) oder 6,495, Wasser 1,59 g (100) oder 93,6%; Oberfläche
15,4 qcm (100) (Abbildung 1).
2. Portion: 2 Kotyledonen intensiv grün, die übrigen gelblichgrün. Gewicht
2,1g (135), Zunahme 0,55 (35°,,), trockene Substanz 0,18 g (163) oder 8,59%,
22 S. Mansky: Einfluß von Saccharose auf das Grünen etiolierter
Zunahme im Vergleich zur 1. Portion 0,07 g (63); Wasser 1,92 g (120) oder
91,5%; Zunahme im Vergleich zur 1. Portion 0,33 g (20).
3. Portion: Alle Kotyledonen intensiv grün. Gewicht 2,15 g (138), Zunahme
0,6 g (38%), trockene Substanz 0,2 g (181) oder 9,3% Zunahme im Vergleich
Il
III
I = mit Wasser (gelb). II = mit 5% Saccharose (grün). II = mit 20% Saccharose (gelb).
zur l. Portion 0,09 (819%); Wasser 1,95 g (122) oder 80,7%; Oberfläche 20,0 gem
(129) (Abb. 1), Zunahme im Vergleich zur 1. Portion 4,6 qem (29°95).
4. Portion: Alle Kotyledonen gelbgrün, Gewicht 1,85 g (119), Zunahme 0,3 g
(19%), trockene Substanz 0,25 g (227) oder 13,59%, Zunahme im Vergleich zur
l. Portion 0,14 g (127°); Wasser 1,6 g (110,6) oder 86,5°,, Zunahme im Vergleich
zur l. Portion 0,01 g (0,69%).
5. Portion: Vorwicgend gelbe Färbung, teilweises schwaches Grün, Oberfläche
12,3 qem (79) (Abb. 1), Abnahme im Vergleich zur 1. Portion 3,1 qem (21%
Kotyledonen, die in verschiedenen Stadien des Keimens isoliert wurden. 2)
Leider wurde ein Teil der Kotyledonen nach der photographischen Aufnahme
verloren, darum konnten die feuchte und trockene Substanz nicht genau bestimmt
werden.
Alle etiolierten Kotyledonen nach 3tägiger Kultur am Licht: I. mit Wasser
(gelb), II. mit 59%, Saccharose (grün), III. mit 20%, Saccharose (gelb).
Färbung von Alkohaltinkluren:
1. Portion . . . . . intensiv gelb
2: We Be SC grün
I 2020... Intensiv grün
d. 2 Dna Er gelbgrün
Os ap ee E gelb
Die Beobachtungen der Alkoholtinkturen der 2., 4., 5. Portion mit dem Spektro-
skop ergaben:
2. Portion viel Chlorophyll,
4. = Chlorophyll vorhanden,
TEER Spuren von Chlorophyll.
Setzt man das Gewicht der 1. Portion nach dem Versuche gleich 100, so
hat man:
1. Portion lg = 10
2 P 2i g = 123
3 ENEE 2,15 g = 126
Me Se 1,85 g = 108
Der Versuch hatte folgendes Ergebnis:
ee oo Wasser oo Chlorophyll
1. Portion 100 100 100 100 kein
2: SS 123 165 120 = vorhanden
Si A 126 181 122 129 mehr als in der zweiten
4 Ge 108 227 100.6 - wenivrer als in der zweiten
5 F = 19 Spuren
Dieser Versuch ergab folgendes:
1. Alte etiolierte Kotyledonen bleiben am Licht gelb.
2. Sie werden grün am Lichte nur bei Zuckerkulturen.
3. Die Quantität von Chlorophyll hängt von der Saccharosekunzen-
tration der Lösung ab. Am günstigsten ist die mittlere Konzentration
(Oil, Starke Lösungen halten die Bildung von Chlorophyll auf bzw.
hemmen sie sogar gänzlich.
4. Man beobachtet folgendes Verhältnis zwischen dem Wachstum
und der Bildung von Chlorophyll: Je mehr feuchter Substanz während
der Kultur sich bildet (100, 123, 126), je mehr Wasser aufgenommen
wird (100, 120, 122), je größer die Oberfläche wird (100, 129), desto
mehr Chlorophyll wird aufgespeichert.
5. Bei starken Lösungen von Saccharose (20° ,) wird das Wachstum
aufgehalten, die Trockensubstanz wird vermehrt, die Bildung von
Chlorophyll aufgehalten.
24 S. Mansky: Eintluß von Saccharose auf das Grünen etiolierter
Dieselbe Abhängigkeit besteht im Aufspeichern des Wassers
Wasser 1°% Saccharose 5% Saccharose 10% Saccharose 20% Saccharose
1. Versuch 100 82 (— 18) 65(— 35) 50 (— 50) 39 (— 61)
2: o 100 130 (+ 30) 45 (+ 15) 85 (— 15) 61 (— 39)
3. = 190 120 (+ 20) 122(+ 22) 100,6 ( + 0,6) —
und der trockenen Substanz.
Wasser 1% Saccharose 5°, Saccharose 10% Saccharose W°, Saccharose
l. Versuch 100 100 168 (+ 68) 145(+45) 145 (+ 45)
Ze 100 166 (+ 66) 213(+ 113) 220(+ 120) 220 (+ 120)
3 = 100 163 (+ 63) 181(+ 81) 227(+ 127) SS
In den späteren Stadien der Entwicklung sammelt sich die trockene
Substanz im Verhältnis zur Konzentrationsstärke der Lösung an. Der
Überschuß der Saccharose, der für das Wachstum schädlich ist, fördert
das Aufspeichern der vorrätigen Nährstoffe.
Wie man aus der beigefügten Tabelle sieht, besteht ein unbestreit-
barer Zusammenhang zwischen dem Grünen und dem Wachstum (dem
Aufspeichern von feuchter Substanz und Wasser), worauf schon Palla-
din in seiner letzten Arbeit hingewiesen hat.
Quantität von Chlorophyl.
Keimmstadien Wasser NS AT I 10°, Saccharose 20°, Saccharose
Iltäriee Keimlinge vigl viel wenig weniger als in sehr wenig
der vorhergehenden
18 .„, a Spuren wenig viel wenig Spuren
25 nm W kein NW ” Gi
Sek. u Ge i kein
Chlorophyll sammelt sich besonders energisch dann an, wenn die
Verhältnisse für das Wachstum besonders günstig sind.
Die verschiedenen Konzentrationen der Saccharose haben verschie-
denen Einfluß auf den Prozeß des Grünens. Es besteht ein Minimum,
Optimum und Maximum der Konzentrationen. Dabei sind diese drei
Punkte verschieden für die verschiedenen Keimstadien, so ist für die
ll tägigen Keimlinge das Optimum eine Konzentration der Saccharose
von weniger als 1°%, aber für die 18tägigen ist das Optimum schon eine
5 proz. Lösung.
Kotyledonen von 3ltägigen Keimlingen grünten sogar bei der opti-
malen (5°) Konzentration nicht, wahrscheinlich infolge von beginnen-
dem Absterben der Plastiden.
Solche Resultate werden dadurch erklärt, daß das Grünen ein sehr
komplizierter Prozeß ist, der von vielen begrenzenden Faktoren ab-
hängig ist. Solche Faktoren sind: nicht vollständig ausgebildete Plastiden
und ein zurückgehaltenes (bei den isolierten Kotyledonen) Wachstum
in den Anfangsstadien, ein beginnender Zerfall der Plastiden in dem
späten Stadium der Entwickelung, Fehlen der nötigen Kohlenhydrate
usw.
Kotyledonen, die in verschiedenen Stadien des Keimens isoliert wurden. 25
Saccharose ist dann nützlich, wenn sie die fehlenden Kohlenhydrate
in passenden, wachstumsfördernden Quantitäten liefert, schädlich, wenn
sie das Wachstum hemmt, hat gar keine Bedeutung, wenn die Zellen ge-
nügend eigene Kohlenhydrate haben, wie in meinen Versuchen mit den
lltägigen Keimlingen.
Aus diesem Grunde hat eine Reihe von Autoren gefunden, daß
Kotyledonen, die von noch nicht keimenden Samen genommen wurden,
am Lichte lange nicht grünen.
Versuch 4: 3ltägige Keimlinge. Es wurden 2 Portionen Kotyledonen zu je
20 Kotyledonen, von je 2,82 g Gewicht genommen. Für 7 Tage wurden beide mit
Wasser ins Dunkle gestellt und dann die 1. Portion mit Wasser und Watte, die
2. mt, 5%, Saccharose belichtet. Nach 3 Tagen gingen die Kot yledonen der 1. Portion
gelb ein, die Kotyledonen der 2. Portion gingen nach 7 Tagen beinahe alle gelb
ein, mit Ausnahme von 2.
Folglich können sehr alte Kotyledonen nicht mehr grün werden, trotz der
Kultur am Licht bei der günstigsten 5proz. Lösung von Saccharose.
Alle diese Versuche zeigen, daß die Ernährung etiolierter Kotyledonen
von Speisekürbis von ovaler Form mit Saccharose ganz verschiedene
Resultate ergibt, von den Stadien ihrer Entwicklung abhängend. Saccha-
rose hat folgenden Einfluß auf das Aufspeichern von feuchter Substanz,
in den verschiedenen Stadien der Entwicklung:
Wasser 1°, Saccharose 5°, Saccharose 10°, Saccharose 20%, Saccharose
1. Versuch 100 84 (— 16) 75 (— 25) €O (— 40) 49(—- 51)
En wi 100 133 (+ 33) 123 (-+ 23) 95 (— 5) 12 (— 28)
3 ge 100 123 (+ 23) 126(+ 26) 108(+ 8) de
Folglich wird in frühen Entwickelungsstadien, wenn in den Cotyle-
donen noch viele Nährstoffe enthalten sind, und wenig Substanzen, die
den Turgor hervorrufen, das stärkste Wachstum beobachtet. In diesem
Falle hält sogar schon 1%, Saccharose das Wachstum auf.
Im mittleren Stadium der Entwicklung ist das Hinzufügen einer
gewissen Quantität von Kohlenhydraten nützlich. Saccharose ver-
stärkt die Speicherung der feuchten Substanz (+33); 5°, Saccharose ist
weniger günstig, 10°, Saccharose hält schon das Wachstum auf.
Im späten Stadium der Entwicklung ist die beste Konzentration der
Saccharose 5°,.
Biochemische Untersuchungen über die Entstehung der
Typhusimmunität.
Von
T. J. Kanai.
(Aus den Medizinischen und Medizinisch-Chemischen Instituten der Medizinischen
Universität zu Osaka, Japan.)
(Eingegangen am 28. April 1922.)
Mit 4 Abbildungen im Text.
Inhaltsverzeichnis.
I. Über die Einflüsse der Typhustazillen und des isolierten Typhustoxins auf
den Stickstoffumsatz (S. 26). |
a) Quantitative Schwankungen des Reststickstoffes im Blute nach Injektion
von Typhusbacillen und isoliertem Typhustoxin (S. 27).
b) Quantitative Bestimmung des Reststickstoffes im Typhusserun (S. 29).
e) Über die Beziehungen zwischen der gesamten Stickstofimenge im Harne
und der Leukocytenzahl bei intravenöser Injektion von Typhus-
bacillen (S. 29).
Il. Über die spezifischen biologischen Reaktionen des Typhustoxins und des
Typhusblutes (S. 30).
a) Die Reaktionen des menschlichen Typhusserums und des Typhustoxins
auf das Froschauge (S. 31),
b) Die Reaktionen des menschlichen Typhusplasmas und der Typhus-
toxine auf das Kaninchenauge (S. 33).
cl Die Einflüsse von dem Typhusplasma und dem Typhustoxin auf die
Gafüßnerven (S. 36).
d) Di» Einflüsse von dem Typhusplasma und dem Typhustoxin auf den
Kaninchenuterus (S. 40).
IH. Uber die Einflüsse der Typhusbacillen und des Typhustoxins auf die Neben-
niere und die chemische Zusammensetzung des Blutes (S. 41).
a) Die Wirkung des Typhusplasmas und Typhustoxins nach der Resektion
der Nn. splanchnici und Nn. vagi auf die Kaninchenpupille (S. 41).
b) Die Einflüss> intravenöser Injektion der Typhusbacillen und des Typhus-
toxins auf die Nebennierentätigkeit (S. 45).
c) Die Einflüsse subeutaner Adrenalininjektionen (S. 47).
I. Über die Einflüsse der Typhusbacillen und des isolierten Typhustoxins
auf den Stickstolfumsatz.
Der schnelle Fortschritt der Kolloid- und Immunochemie brachte
zahlreiche wertvolle Studien über die Eigenschaften des Immunserums.
— Die chemische Isolierung der Iımmunstoffe ist aber bis heute noch
nicht gelungen. — Ich stellte nun Untersuchungen über den Stickstoff-
T. J. Kanai: Biochemische Untersuchungen über Typhusimmunität. 27
umsatz beim Typhus abdominalis an, um zu prüfen, welche Beziehungen
sich zwischen dem pathologischen Stoffwechsel bei Typhus abdominalis
und der Entstehung der Immunität ergeben.
a) Quantitative Schwankungen des Reststickstoffes im Blute nach Injektion
der Typhusbaeillen und des Typhustoxins.
Ich benutzte die gleiche Methodik wie in meiner Arbeit!) „Über die
quantitativen Schwankungen des inkoagulablen Stickstoffes im Blute
nach intravenösen Injektionen von verschiedenen Chemikalien und
Bakteriengiften‘‘. Zuerst mußten Vorproben darüber angestellt werden,
inwiefern eine N-Schwankung die Folge einer spezifischen Wirkung
der gebrauchten Lösung ist oder nur durch einen unspezifischen physi-
kalisch-chemischen Reiz verursacht wird.
Daher habe ich folgende Untersuchungen angestellt:
l. Die Schwankung der inkoagulablen Stickstoffmenge bei einfacher
Körpertemperatursteigerung. Zu diesem Zwecke habe ich das Kaninchen
bestimmte Zeiten im Wärmekasten belassen.
2. Die Schwankung usw. bei einfachem physikalischen Reiz. —
Dem Kaninchen wurde Ringersche Lösung intravenös ceingespritzt.
Tabelle Ia.
| | Körper- ' Inkoagul.
Datin { Körper- temperatur N-Menge
gewicht Behandlung bei Blutent- in 100 cem Bemerkungen
: nahme : Blut
1916 ` g ; in Graden | g
12. V. 2160 3 | = 382 0,193 Kontrolle
15. V. 2450 3 !1Occem von Ringer- ; 39,6 0,186 Körpertemperatur vor
` Lösung intravenös | der Injektion 38,5°
Blut 1 Std. nach In-
jektionabgenommen.
29. V. 1750 3 40Min. im Wärme-) 41,4 0,326 Körpertemperatur
"kasten (38-- 38,5°) | direkt vor Hin-
| einführune in den
| Wärmekasten (38.4).
Beim gesunden Kaninchen nimmt die Rest-N-Menge nach künstlicher Stei-
gerung der Körpertemperatur deutlich zu.
Die intravenöse Injektion von lebenden Typhusbacillen und iso-
liertem Typhustoxin hat stets eine deutliche Schwankung des Rest. A
zur Folge, die, wie Tabellen Ia und b zeigen, weder durch einen physi-
kalisch-chemischen Reiz noch durch die Temperatursteigerung her-
vorgerufen wird; man muß also das Auftreten einer solchen Schwan-
kung mit der spezifischen Wirkung der gebrauchten Vaccine bzw. des
Toxins erklären.
Direkt nach der Injektion (etwa bis 21/, Stunden) nimmt die Rest-
stickstoffmenge deutlich ab, dann steigt sie allmählich wieder an.
Schon nach 6 Stunden kann der inkoagulable Stickstoff die Werte
Vereine Das
ter
1916;
1. II.
2. HI.
Kanin-
chen 5 z
i W
IQ co zt
?. I.
hKerper-
t- mi -Tat ir
ih Galego
38.2
35.4
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Wärmekasten
41.5
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Warmekasten
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nach 4 Std.
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N-Merge m
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Harze
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Inkvagılatlr
N-Merse
in (äi com
vom Biute
g
0.195
Aber nach intravenöser Injektion von Ringerscher Lösung ließ sich keine
Schwankunz des Rest-N nachweisen.
Hier wie auch später werden in den Tabellen die Mittelwerte. die aus einer
rößeren Kaninchenzahl erhalten wurden, aufoefihrt.
Tubelle II.
E GE Dosis der ` ` Zeitraum v. Körper-
Datini Verne ” Ver- Körper- eingeluhrt. Injektion temperatur Inkoagulable
tier suchg. EEVICHE Typhus- bis zur Blut- bei Blut- N-Menge in
OR vakzine pro abnahme abnahme 100 ccm Blut
1915 beree: oe Kilo cem Std. in Graden
2R. V. Kaninchh 8 an DN H 38.2 u.150
28. V l 90023 0.1 SCT 39.6 0,19
Zb) , 10 IS (ul A 40.5 0.154
N i H. 33 0.1 SCH 41,2 0,149
V, i 1? 22 o] 4 412. 0.140
28. V. S 13 2.3 l SA 39.0 0.154
21. AV. , 4 26 0.1 0; 39.6 0.182
DND a END ol St " 39.3 0,215
Tabelle III.
E Dosis der | Zeitraum v. Körper-
Hatti e E SE Körper- eıngeiührten Injektion temperatur Inkoagulable
Te such,- gewicht Typhus- bis zur Blut- bei Blut- N-Menge ın
DR vaccine pro abnahıme abnahme 100 ccm Blut
1015 m = er kg Kilo cem Std. in Graden
l». X. Kaninch.! mu 9] OI 1,0 38.6 0.210
15. N. vu A 95 0.1 D 39.6 0,168
ES? o 52 27 0,1 4 40,8 0,182
15. N, S 330025 0.1 5 40,8 0,238
18. VIII 4001.20 + 1,8 0.1 6 39.3 | 0,196
18 VHI. f- 292 2) U.1 1 391 ; 0,154
I8&.VEL 4 O) 23 o l6 | 0,1 3 41,8 0,126
IS. VII. IM 20° oi P 412 0,185
= ëmge, tn ri
Aë EE vm „(Tem Tr ` eem
— rn
Biochemische Untersuchungen über Typhusimmunität. 29
des beim gesundenen Kaninch gefundenen oder noch höhere erreichen.
— Hier besteht eine wichtige Beziehung zur Zahl der Leukocyten, und
zwar derart, daß die Rest-N-Menge im Blute sich proportional zur
Leukocytenzahl im gleichen Blute verhält?).
b) Quantitative Bestimmung des ink oagulablen Stickstoffes im Typhusserum.
| 12. III. | 1,488
u)
Tabelle IV. Tabelle V.
u | Gesamt- Inkoagul. | Gesant- | Inkoagul.
N-Menge N-Menge . N-Menge N-Menge
Versuchstier Datum | in 100 eem. in 100 ccm Ser Daum in 100 eem , in 100 cem
| Serum | Serum TIET Serum Serum
| 1919 : g | g 1919 g g
Pferd fe 8.I. 1,652 | 0.079 Kaninchen f 10. V. | 1834 | 0,169
Kontrolle) 12.1. , 1582 . 0,081 (Kontrolle 2.V11. | 1,725 | 0,174
Ve (mit 1 | | Kaninchen ne | 1.869 0.198
. B. immu- l | , ES . 2 ) Role) ‚198
isiert A.T.) S H| 1,649 | Di or | IL 2010 0187
une “IV (6400 -)
c) Über die Beziehungen zwischen der gesamten N-Menge im Harne und
der Leukocytenzahl bei intravenöser Injektion von TyphusbaciHen.
Obgleich die Menge des Gesamt-N im Harne beim Kaninchen sehr
schwankt, so lassen sich doch durch Fütterung mit qualitativ und
quantitativ gleichmäßiger Nahrung und bei konstant gehaltener Zimmer-
temperatur ziemlich nahe beieinanderliegende Werte erzielen.
Tabelle VI.
‚ Gesamte
See, ll Körper- Datu Urin- Npez.- N-Menge
` ` į gewicht m menge Reaktion Ge- im 100 cem. Bemerkungen
tier wicht ` Harn
g LEM cem g i
25. 1. 235 alkalisch 1012 0,945 — Vor dem Versuche
26. I. 280 m 1010 0,938 | y = “=
27. I. um
TARE A.M. 10 Thy- l - l
Kanin- J 1760 phus B. in- f vorm.12 90 E 1007 0826 2 Std. nach d. Injekt.
cheng travenösDo-| nachm.2 60 schwach 1013 Ia AJ,
sis. LE:Iccm saner ' |
30 ccm |
og ] f vorm. 10 210 del. 1012 117124
"I nachm.10 110 del. 1010 1157 36. DE S
4. Il. 250 alkalisch; 1012 0.972 Vor dem Versuche
5. H. 340 e 1010 0,980 a e e
6. Il. um
RT A.M.10 Thy- f
Kanin- 2130 phusB in- f vorm. 12 70 H 1010 0,904 2Std. nach d. Tnjekt.
chen 3 ‚travenösDo-| naclım. ? 90 o ‚ 1012 1.045 4. dE
sis. 1 E:1 cem |
3.0 ccm |
GU AM In 130 schwach 10% 1097 24
saner |
30 T. J. Kanai:
Als Ergebnis dieser Untersuchungen habe ich die Tatsache fest-
gestellt, daß die N-Verbindungen im Organismus durch Injektion von
Typhusbacillen sehr rasch abgebaut werden. Ähnliche Beobachtungen
von klinischer Seite liegen vor, nämlich die deutliche Zunahme der
Kreatin- und Kreatininmenge im Harn von Typhuskranken und die
fast konstant auftretende Diazoreaktion des Harnes.
Es steht außer allem Zweifel, daß ein so rascher N-Verbrauch im
Anfangsstadium des Typhus abdominalis eine wichtige Beziehung zur
Entstehung der Immunität hat.
Das zeitliche Zusammentreffen der Schwankung des Rest-N und
der Leukocytenzahl im Blut beim Typhuskaninchen ist die Folge eine
Funktionssteigerung der vermehrten Leukocyten bei der Immunitäts-
bildung. Doch es erfordert noch viele weitere Studien zur Lösung der -
Aufgabe, die Beziehung der Zunahme des inkoagulablen N zum Wesen
der Immunität festzustellen.
II. Über die spezifischen biologischen Reaktionen des Typhustoxins und
des Typhusblutes.
Mit Hilfe der bisher bekannten Methoden erscheint die Isolierung des Immun-
stoffes aus dem Serum undurchführbar. — Seit Jahren versuche ich unter anderem
auch mit den verschiedenen Verfahren der Eiweißfraktionierung zum Ziele zu
gelangen, ohne jedoch bisher überhaupt irgendeinen Anhaltspunkt gewonnen zu
haben. — Im Anschluß daran setzte ich meine Untersuchungen unter Benutzung
der biologischen spezifischen Reaktionen des Immunblutes fort, in der Hoffnung,
daß sich irgendwelche Beziehungen der Immunstoffe zu den Hormonen würden
nachweisen lassen.
Bei akuten fieberhaften Infektionskrankheiten stimmt in der Regel Pulszahl
und Fieber nach der zuerst von Liebermeister angegebenen Gleichung überein. —
Eine Ausnahme bildet fast stets der Typhus abdominalis. — Trotzdem ferner
bei einer großen Zahl von Patienten ein deutlicher Milztumor vorhanden ist,
zeigt sich die Leukocytenzahl im Blute, besonders im Anfangsstadium stark
vermindert.
Unter Berücksichtigung dieser Tatsachen habe ich versucht, die Funktion
der innersekretorischen Organe im Hinblick auf die Entstehung der Immunität
beim Typhus abdominalis zu ergründen.
Besonders bei den eigentlichen Stoffwechselkrankheiten, die durch eine
pathologische Veränderung innersekretorischer Organe verursacht werden, aber
auch bei vielen anderen Krankheiten, z. B. bei der Lungenphthise, Tabes, ortho-
statischen Albuminurie, beim Magengeschwür, bei der akuten Pneumonie, der
Kakke und beim Typhus abdominalis haben mehrere Autoren eine deutliche
abnorme Empfindlichkeit des veretativen Nervensystems gegen verschiedene
Arzneimittel konstatiert. - Im Anschluß hieran war ich bemüht, für den Typhus
abdominalis folgende Fragen experimentell zu beantworten:
l. Enthält das Typhusblut einen besonderen Stoff, welcher auf das vegetative
Nervensystem eine spezifische Wirkung ausübt?
2, Welche Beziehungen hat dieser Stoff, falls er vorhanden ist, zur Immunitäts-
bildung ”
3. Wo stammt dieser Stoff her?
Biochemische Untersuchungen über Typhusimmunität.
yi
Seit 6 Jahren habe ich mich mit der Aufklärung dieser Zusammenhänge
beschäftigt. Trotzdem viele Versuche an der Schwierigkeit der Ausführung ge-
scheitert oder erfolglos geblieben sind, glaube ich doch unter Zusammenfassung
aller bis heute erhaltenen Resultate schon jetzt diese Fragen fast exakt beant-
worten zu können.
a) Die Reaktionen des menschlichen Typhusserums und des Typhustoxins
auf das Froschauge.
Die Melizer-5) und Ehrmannsche Methode, die öfter als fehlerhaft bezeichnet
wurde, erscheint mir doch wertvoll, wenn sie sehr vorsichtig und unter Voran-
schickung zahlreicher strenger Vorproben vorgenommen wird. — Die Äquatorial-
halbierungsmethode hat nach meiner Erfahrung manche Schwierigkeiten. —
Man braucht ziemlich lange Zeit für die Operation, der Resektionsgrad muß bei
beiden Augäpfeln der gleiche sein, und manchmal läßt sich nach der Aufbewahrung
in der Eiskammer die Pupillengröße nicht bestimmen. — Daher stellte ich meine
Versuche stets mit einem ganzen Augapfel an, ich benutzte beide Augäpfel eines
Frosches, der eine diente zur Kontrolle.
1. Vorprobe. Versuche mit gesundem Menschenserum und 0,6 proz. physio-
logischer NaCl-Lösung.
Tabelle VIIa. Tabelle VIIb.
Versuch mit physiol. ClNa-Lösung. Versuch mit gesundem menschlichen
pny 8 8
ıZ. T. 19—22°. Zeit der Untersuchung Serum. |
28. IV. bis 7. V. 1616.) (Z. T.20—26°. Zeit der Untersuchung
EE 3. V. bis 7. V. 1916. Verdünnung des
Gebrauchte | Pupillenwerte | Beob Serums: 1 ccm auf 15 ccm ClNa-Lös.
Arzneien ere a , z EE
EE | || Veränderung d. | Zeit der
| | Gebrauchte 1 Pupillenweite | Beob Bemer-
1%, | A. A. Arzneien Tu E Ma "| kungen
Adrenal. | | =_= - Mae a Be
E | u 1°/o0 A. |A- Fall 2
NI A | A. d Adren. | | | 3—15] 4d.6 gtt
Cocain. | | i | {3—20 en HCI-Lös.| C. C.
IC Los | B. | B. Co. 8 gtt. 19% | N. i A. - Fall 9.
1° | A. | A. Fall 8. Cocain- i TI, | 3—15 co. 8gtt.
Asch, | "1" 8201 CiNa-Lös. HC np | B. |
Sulfatlös. B. D | Be? 1% | A. A. a j5 Fall 9
05%, A "A | Fall 5. Atrop. ` IT? "ID At. ae
Bee | | a op d CINa-Lös. sulf B. B. |
Lem M.i A NEE 05% Ay) Än | Fall 2
nn le EE E. 8 gtt. Eserin- i | 7 | en 3—15 E D gtt.
E
lösung ` M. ' i |
A = 20mm Q. Bọ 15mmL.B.; B=2
25mm Q. Bọ, 20mm L. B.; C = 3,0 mm
Q.B., 25 mm L. B.; D= 55 mm Q. B. 3.0 mm L. B.; M= maximale Miosis;
MX = mydriasis.
J Q. B. = Querdurchmesser lU J V.
lL. B. = Längsdurchmesserf IK.
H l
Versuchsauge
Kontrollauge
2. Untersuchungen über die Einflüsse des menschlichen Typhusserums auf
das Froschauge.
32 T. J. Kanai:
Tabelle VIII.
Versuch mit menschlichem Typhusserum.
(Z. T. 20 -28°. Zeit der Untersuchung 16. V. bis 21. VII. 1916.
Verdünnung: 1 ccm Serum auf 15 ccm C1INa-Lösung.)
!
Gebrauchte |
Veränderung der
Arzrielen F Pupillenweite Beob. | Bemerkungen
REN y K. Min
TE a > SI euer u
1 u | N H A . a
Adren. ` | (5—10) | (8—15) 3-20. Fall 8.
u = Empfindlieh.
hydrochl. | Max. Min. €. Min. Emplinglich
1%, | ` SH S
sulfat ` "` B. ) eagiert.
o; l n
e ër Es A i Fall 2.
Cocain | | | | 3—20 Gleich wie
hydrochl. || R. It gesundes.
- A. ' A ] A
0 50 D a Po F Í I all 2.
ie. i Min. | Min. |3 20 Gleich wie
2 AM. Gu M. (20) gesundes.
[i
Typhusserum hat eine deutliche mydriatische Wirkung auf das Froschauge
im Gegensatz zum Serum des Gesunden, das ohne Einfluß ist. — Ferner hat das
Typhusserum dem Froschauge eine deutliche Empfindlichkeit gegen Adrenalir.
verliehen.
3. Untersuchung über die Einflüsse des isolierten Typhustoxins auf das
Froschauge.
Ich habe 2 Arten von Toxinlösung angewandt. Eine 24stündige Schiefagar-
kultur wurde in 20 ccm 0,6proz. Lösung aufgenommen, 30 Minuten mit dem
Apparat stark geschüttelt, dann durch Filtration von den Bakterienleibern voll-
ständig abgetrennt. — Das war die erste Toxinlösung. Zur Herstellung der zweiten
wurden die Bakterienleiber in der Reibschale vollkommen fein zerrieben, dann in
20 cem 0,6proz. NaCl-Lösung aufgenommen und stark geschüttelt.
Tabelle IX.
Versuch mit isoliertem Typhustoxin.
Z. T. 25—28° C. Zeit der Untersuchungen T. VI. bis 10. VI. 1916.
V. = Versuchsauge. K. = Kontrollauge.
E = Veränderung der Zeit der
re Pupillenweite Beob. | Bemerkungen
rzneien Get = Se $
en | - d
In A. d A.
Adren. ` i 3-20
hvdrochl. ` E C.
193 ` Ns W, Toxin 1:CINa-
Airon, ` ` | | 3—90) Lös. 14.
lE Bacillen nach
sulf. B. B. iSd Aal
o l DLA. Agal-
l de A | Se > nif Kultur.
Cocain ` | | 3—20 | 1%: 1eemCINa-
hydrochl. | B. B. Lös.
SE A. A.
0.590 E M. i M. oO O0
Eserin. ; ww; in] s
Biochemische Untersuchungen über Typhusimmunität.
Bei den isolierten Toxinlösun-
gen wurde gar keine Wirkung auf
das Froschauge beobachtet, auch
ließ sich keine erhöhte Empfind-
lichkeit gegenüber verschiedenen
Arzneimitteln nachweisen.
4. Untersuchungen über die
Wirkung verschiedener Kranken-
sera auf das Froschauge.
Wie aus den Versuchen her-
vorgeht, hat das Typhusserum dem
Froschauge eine deutliche Emp-
findlichkeit gegen Adrenalin ver-
liehen. — Auch nach subcutaner
Adrenalininjektion trat diese Emp-
findlichkeit auf. Isoliertes
Typhustoxin und die Sera einiger
anderer Erkrankungen haben
keinen Einfluß auf das Frosch-
auge ausgeübt (bei der von mir
angewandten Verdünnung). Bei
dem Serum eines Falles von
Diabetes insipidus zeigte sich eine
ganz gegenteilige Wirkung; bei
dem Patienten wurde bei der
Sektion Hypophysengeschwulst
(Tuberkel) festgestellt.
b) Die Reaktion des mensch-
lichen Typhusplasmas und Ty-
phustoxins auf das Kaninchen-
auge.
Wie schon lange feststeht,
zeigen die Pupillen des gesunden
Menschen oder Kaninchens nach
Einträufelung einer 3promill.-
Lösung von Adrenalinhydrochlorid
in den Conjunctivalsack keine Re-
aktion. — Diese Tatsache führte
zur Ausarbeitung einer besonderen
Methode zum Nachweis von Adre-
nalin und adrenalinähnlichen Sub-
stanzen, über dieich früher!?)schon
berichtet habe. — Als Versuchstier
dient ein Kaninchen; die Methode
ist ziemlich einfach und gibt exakte
Resultate. — Sie sei hier mit-
geteilt:
Eine bestimmte Menge der
Versuchsflüssigkeit wird intra-
venös oder subcutan dem gesunden
Kaninchen eingespritzt. [Ich habe
Biochemische Zeitschrift Band 182.
Tabelle X.
Versuche mit Patientensera verschiedener Krankheiten.
Ad.
28° C.
Z. T. 20—
19/9 Adren. hydrochl. Lös.
INa-Lösung 14 ecm).
Zeit der Untersuchungen 10. V. bis 2. VIH. 1916.
At. = 1%-Atrop.-sulf.-
S
7
em: (C
(Sed
Verdünn. d. Serum.
Lösung.
33
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Datum
1918 |
6, 1I |
6.11.
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6.11.
)
6.11.
34 T. J. Kanai:
als Versuchsmaterial stets Blutplasma (1 ccm) gebraucht, da gegen Serum ver-
schiedene Einwände erhoben wurden.] 40—60 Minuten nach der Injektion
werden 2 Tropfen einer 0,5 promill. frisch dargestellten Adrenalinlösung in den
Conjunctivalsack eingeträufelt. — In Zeiträumen von 3, 5, 8, 10, 15, 20, 25, 30,
35, 40, 50 und 60 Minuten habe ich die Weite der Pupille des eingeträufelten Auges
mit der des anderen (nicht eingeträufelten) verglichen.
Ist in der Versuchsflüssigkeit oder im Blutplasma Adrenalin oder eine adre-
nalinähnliche Substanz nicht enthalten, so zeigt sich zwischen den beiden
Pupillen keine Differenz. Sind aber solche Substanzen vorhanden, so wird an
dem mit Adrenalinlösung eingeträufelten Auge eine deutliche Mydriasis hervor-
gerufen. — Nach 10—20 Minuten zeigt sich das Maximum der Pupillenweite,
Tabelle XI.
(Untersuchungen mit Atropin, Eserin, Pituitrin, Cocain ausgeführt.)
5 O0
| E £ [Pupillengr.| Einge- |Zeit.d. Pupillen-
Nr. des| Be- |,&@|vord.Ein-| träu- |Beob-| grögen.der Licht-
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| 40 6 H
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—
| | 60
Biochemische Untersuchungen über Typhusimmunität.
35
die Lichtreflexe sind erloschen und es tritt die sogenannte Pupillenstarre
ein.
Tabelle XII.
Untersuchungen 1 Stunde nach der Injektion verschiedener Arzneien
wie Atropin, Eserin, Cocain und Pituitrin ausgeführt.
Die Kontrollpupille zeigt dagegen keine beträchtliche Veränderung.
f -5 RH
= § | Pupillengr.| Einge- |Zeit d.
Z || Nr. des! Be- > & | vor d. Ein-| träu- |Beob-
S | Kanin- | hand- | Ẹ Zf träufelung| felte | ach-
A | chens lung SS mm ATZ- | tung
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| mensch- 10
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Typhus-
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S.IL| 1025 g| lösung ASt 5 | 5 dgl. >
| Leem | | 30
| sub- | 35
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| 50
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| | 5
|
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Coli- SN
\ 26 Toxin- | 25
8.11 | 1040 g | lösung A4St| 5 | 5 dgl. =
I © 1 ccm Fa
| 85
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| cutan 50
| 60
| 5
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| Ofe | 15
| Adren. | 20
BI. 1100 g rhenana 5 | 5 | ac. | ©
| £ sub- 85
cutan 40
| 50
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2.0. 1080 g) — oe Ä ER 5 del. 25
| Q | 30
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fe, wan
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Einträufel. reflex tat Bemerkungen
rechts | links [rechts] links |
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5 5 | nach 1 Std.
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5 | 5 Adren. | -
5 | 5 prompt | prompt nicht | Kontrolle
5 | 5 reagier.
5 5
5 | 5D
5 | 5 i
3*
36 T. J. Kanai:
An jedem Versuchstier habe ich vor dem Gebrauch einen sogenannten Vor-
bereitungsversuch unternommen, indem ich am Tage vor dem Hauptversuch in beide
Conjunctivalsäcke des Kaninchens 2 Tropfen einer l promill. Adrenalinlösung ein-
träufelte und die Pupillen eine Stunde lang beobachtete. — Nach der Feststellung, da B
die Pupillen keine Erweiterung zeigen, habe ich mit physiologischer Kochsalzlösung
ausgespült und dann am nächsten Tage das Kaninchen zum Hauptversuch gebraucht.
— Den Erweiterungsgrad der Pupille habe ich zahlenmäßig mit dem Wessely schen
Keratometer bestimmt; eine Verengerung durch die Annäherung des Kerato-
meters allein ist bei der Pupillenstarre der stark mydriatischen Augen unmöglich.
Bei der Anwendung dieser Methode muß zuerst immer festgestellt werden, daß an
dem Versuchsauge weder eine Verletzung der Cornea noch eine Conjunctivitis vorhan-
den ist; der oben erwähnte sogenannte Vorbereitungsversuch ist daher unentbehrlich.
Von einigen Autoren ist öfter angeführt worden, daß das Kaninchen zu solchen
Untersuchungen nicht geeignet sei. — Aus den zahlreichen bisherigen physio-
logischen Untersuchungen über die Adrenalinwirkung beim Kaninchen!?) und
Hund!!) geht indessen hervor, daß die vorstehende Ansicht unbegründet ist. —
Gegen die oben beschriebene Ausführungsform meiner Methode zum Nachweis
von Adrenalin am Kaninchenauge läßt sich nichts einwenden, ja ich habe durch
meine vielen Untersuchungen feststellen können, daß das Kaninchen, was seine
Empfindlichkeit und Handhabung betrifft, viele Vorteile vor den Katzen bietet.
Ich habe zahlreiche derartige Untersuchungen vom 6. II. bis 30. IV. 1918
ausgeführt und bin schließlich zu folgendem Ergebnis gekommen:
l. Das Typhusplasnıa enthält einen spezifischen Stoff, der der Kaninchen-
pupille eine deutliche Empfindlichkeit gegen Adrenalin verleiht.
2. Dagegen zeigen Typhusbaeillen und deren Toxine 1—2 Stunden nach der
Injektion keinen Einfluß auf die Kaninchenpupille; 24 Stunden nach der Injektion
tritt ein mäßiger Einfluß auf die Pupille zutage, und zwar dann ebenso wie bei
dem Typhusplasma.
c) Die Einflüsse des Typhusplasma und der Typhustoxine auf die Gefäßnerven.
y Zu dieser Untersuchung, bei der ich die Trendelenburgsche Methodik!°)
benutzte, habe ich menschliches Typhusplasma aus dem Stadium der Rekon-
valeszenz, Plasma des Typhuskaninchens, Antityphusserum des Pferdes, Typhus-
bacillen und isolierte Typhustoxine angewandt. — Das Blutplasma gebrauchte ich
in Form des C'ytoplasmas. — 3 cem einer 0,5 proz. Na-Citrat-Ringerlösung wurden
mit der gleichen Menge Blut versetzt, das Plasma durch starkes Zentrifugieren
isoliert, dann mit Ringerlösung derart verdünnt, daß gesundes Plasma an den
Präparaten keine Reaktion zeigte.
l. Vorprobe: Versuch mit Adrenalin-Ringerlösung.
Tabelle XIII.
8. IV. 1919. W. schön. F.T. 16°C. Druck 11,5cm (H,O-Säule). Bufo vulgaris.
W. = Wetter. F.T. = Flüssigkeitstemperatur.
Äingerscha _ Adrenalin- Ringersche- Lösung
Losung (1:1200 000x)
ZAREN P
29
a
Trogferzahl
5
5
dë
H
|
|
ege mm einen ei. —, mmm Ke
Biochemische Untersuchungen über Typhusimmunität. 37
Versuch mit Natriumceitrat-Ringerlösung.
Tabelle XIV.
15. IV. 1919. W. schön. F.T. 17°C. Druck 10,5 cm (H,O-Säule).
Rıngersche
Losung 2°5fge Ma-Orat-Ringersche Lösung
—J—
2 4 6 8 0 VQ mW e R V
Versuch mit gesundem menschlichen Blutplasma.
Tabelle XV.
20. IV. 1919. W. schön. F. T. 18°C.. Druck 10,5 cm (H,O-Säule).
Ringersche Gesundene Menschenplasma -Lösung
Losung (Verdunrung P 1: R-L.8)
JNN
2 4 6 8 O0 2 U "e B 2
S 32 Jahre (gesund). Bisher keinen Typhusabdom. durchgemacht.
2. Versuch mit menschlichem Typhusplasma.
Tabelle XVI. |
22. IV. 1919. W. schön. F. T. 19°C. Druck 10,5 cm (H,O-Säule).
Angersche Typhus-Plasmalösung
losu (Versunung PT: R-L.6)
ZA I —
2 A 6 8 m RA KHU e "20
Patientin R. M. Q 23 Jahre. Agglut. (15. IV.) 800 >< (+ ++). Krht.-Tag 37.
Rekonvaleszenz-Stadium. Puls 92. T. 36,4°C. Resp. 21.
38 T. J. Kanai:
3. Versuch mit Pferdeserum.
a) Versuch mit gesundem Pferdeserum.
Tabelle XVII.
13. IV. 1919. W. wolkig. F.T. 18°C. Druck 13,0 cm (H,O-Säule).
he Doung dit Ri Dec
Losung Losung Ru Lö
20
ZS
70
N
5
o Let YMın)
2 4 6 8 RV GZ N HÉ B 20
b) Versuch mit Pferdeantityphusserum.
Tabelle X VIII.
14. IV. 1919. W. regnet. F.T. 19°C. Druck 12,5 ccm (H,O-Säule). Agg. T.
1200 X (+ +).
Ringersche Pferd-Antityphus- 5. i
Lösung Serumlösung AungerSche Lösung
Werd STRLE ° R
4. Versuch mit Kaninchenblutplasma.
a) Versuch mit gesundem Kaninchenblutplasma.
Tabelle XIX.
20. VI. 1918. W. schön. F. T. 20,5°C. Druck 11,5 cm (H,O-Säule).
Ringersche Gesundene Harinchenbluf- Rıngersche
2 Piasmalo: erd P1: R-L8) lös
Losung Plasma sung (Ve um
Biochemische Untersuchungen über Typhusimmunität
b) Versuch mit Typhuskaninchenblutplasma.
c) 7 Tage nach der Injektion von Typhusbatcillen.
Tabelle XX.
30. VI. 1919. W. schön. F. T. 21°C. Druck 12,5 cm (H,O-Säule)
rg
Ringersche RE R
E? apen Ringersche Lösung
207“ Beef D `
1
Š
5
Das Blut wurde am 7. Tage nach der Typhusbacillusinjektion entnommen
Aggl. 80 X (+++).
d) 21 Tage nach der Injektion von Typhusbacillen
Tabelle XXI.
15. VI. 1919. W. schön. F. T. 22°C. Druck 12,5 cm (H,O-Säule)
Marsnchen-
Rıngersch A -
(ëng y D eg Rıngersche Lösung
[Am [AmA
l ` 1 erd P1: R-L.8)
Das Blut wurde am 21. Tage nach der Typhusbacillusinjektion entnommen
Agg. T. 1800 x (+++).
5. Versuch mit Typhustoxinlösung.
Tabelle XXII.
23. IV. 1919. W. schön. F. T. 17°C. Druck 10,5 cm (H,O0-Säule)
Rn "ET ei Toxinlösung Typhus -Toxınlösung cw
7 a
15
||
y
K
5
0
Die Darstellungsweise CN Ke ee Ste im SEI Gene beschrieben
44
T. J. Kanai:
(Rekonvaleszenzstadium, 22 Tage.)
Tabelle XXVI.
Versuch mit menschlichem Typhusplasma im Rekonvaleszenzstadium
(22 Krankheitstage).
e Nr. u. | 53] Pupillenw. | Einge-
Z Gewicht, Be- > z vor der träu-
2 des hand- | & # f| Einträufel. felte
|| Kanin-| lung SS mm Arz-
chens ZS e -- neien
1918 | S 5 [rechts links
| | | 0,22.
| Adren.
| ee hydr.
EI plasma Ə gtt
16.VI.| a pr Lal 5 5 ll am
1380 | 2 zum
wegder (linken
| Auge)
0,590
Adren
24 hyd a
16. V]. 1285 d r. l St. D D del.
> 0,4 ccm
subeut.
Zeit
Pupillenweite
der Be- | nach der Ein- | Lichtreflex
obach- träufelung
tung
Min. [rechts | links |rechts| links
5 5 5 |
10 5 6 |
15 5 8
20 5 ‘S
25 5 8 Ver-
80 5 Max. [prompt schw.
35 5 = Starrh
40 5 e
50 5 =
60 5 +
5 5 5
10 5 5
15 5 5
20 5 5
25 5
30 5 6 prompt prompt
85 5 6
40 5 6
50 5 D
60 5 5
Resul-
tat | Bemerkungen
| 14. V. Splanch-
nicusresektion
d | Patient, der:
Gegen gelbe wie Tab.
A.D. | W.R. 1600 x
stark (+++)
emp- KT. 8» C
findlich' P. 85.
Nach Entfiebrg
| II. Tage.
|
Gegen
A.D.
fast |15. V. Splanch-
keine | nicusresektion.
Reak-
tion
4. Versuche mit dem Kaninchentyphusplasma nach der Resektion der Nn.
splanchnici.
g Nr u. | E © Pupillenw. | Einge-
3 Gewicht Be- rel vorder | träu-
ZS des | hand- E=| Einträufel.| felte
|2 £
Kanin-) Jung | s i mm Arz- l
chens E A — - ` d Deen !
191 SKI rechts links
| |
| Kanin- | 0,20 ..
chen- . Adren.
9 Typhus- hydr.
GAS 1320 plasma 1St.] 5 5 2 gtt.
Ro eem, (zum
| sub- i linken `
i eutan Auge)
|
| |
|
| Or
l Adren.
e 22. hydr. :
SE vk vë 5
' 1130 g 0,4 ccm m dgl.
| sub- N
i
cutan `
|
Tabelle XXVII.
! Zeit
Pupillenweite
‚der Be- [nach der Ein-| Lichtreflex
‚ obach- | träufelung
tung
ı Min rechts links rechts] links
| 56 5 5
' 10 SW i
15 5 6
Sai s ; H © Ver-
| n e a [prompt schw.
85 5 | 8 SNE?
40 5 Max.
50 Sr I
Di 5 e
5 5 5
10 5 |
15 5 5
| 20 Si P
z 2 : K prompt | prompt
85 5 5 |
40 bb: 6 |
| 50 SL |
60 5 5
emp-
findlic
30./IV. Splanch-
nicusresektion.
Kaninchen g
2100 g, nach
Injektion von
Typhusbaeillen
14 Tage
W. R. 12300 x
(+++)
30. IV. Splanch-
nieusresektion.
Biochemische Untersuchungen über Typhusimmunität. 43
Tabelle XXIV b.
e | Nr. u. | SE: Pupillenw. | Einge- | Zeit |Pupillenweite
= Gewicht Be- > = vor derEin-| träu- der Be-| nach der Ein- Lichtreflex Resul-
| des | hand- | 85] träufelung | felte | obach-| träufelung Bemerkungen
| E tat
| Kanin- | lung | am mm Arz- tung
chens =n neien
2918 | | S © [rechts links Min. {rechts | links [rechts | links
| | 5 5 5 | =
| | 10 ” 5,5 | gegen
| | Typhus- 0,2°/ o 15 Z Y Adre- | Mit demselben
toxin Adren. u 5 i ver- | Malin Kaninchen der
20. V. || 17 2 cem 24StI1 5 | 5 hydr. mt? ei | H prompt | h sehr | Tabelle 24a
|| sub- | 9 DU 5 8 sehw.j _ ächste
| | | 2 gtt. BE > e emp- (am nächsten
Cutan (links) > A "Fi find- Tage)
| 40 5 Max. . |
ii - a lich
) | | 50 Ə Di
d 60 5 pe
| 5 5 5
| | 10 5 5
TA 5 j5 |5
f Adren. | ge = | x or
20. V | Lg, a 5 aa | SE E ee Kom dgl.
| et OW", 5 5 (?) | Reakt.
N ebe 35 5 5 |
| f 40 5 6 |
| | 50 5 6
| 60 5 6 |
3. Versuche mit menschlichem Typhusplasma aus dem Anfangsstadium und
dem Rekonvaleszenzstadium (Anfangsstadium 9 Tage). ée
Tabelle XXV.
Versuch mit menschlichem Ze? im Anfangsstadium (9 Tage).
a en ae De —
= | Nr. u = = Pupillenw. Pupillenweite
Z Gewicht: Be- >= nach der Ein-
A des | hand- Eg obach- | träufelung Bemerkungen
Kanin- lung Iess tung
| chens | 2a ERAO Keser
1918 i KE rechts | links
o A 2. V. Splanch-
NEE 5 5 nicusresekt.
li Pat. T. K. (35
iches 20 5 5
A. GG. 400 x
EEA RL |Typhus-), e 25 5 5 keine (+++)
8 1280 g | plasma 4 30 H p [prompt | prompt Reakt. K. Ht. Tage
2 ccm 85 5 5 degen,
IX. Tage
DEER 40 5 5 K. T. 40°C.
50 5 5 Puls 100
60 5 5
5 5 5
10 5 5
OS 15 5 5 gegen
2% Adren = : £ Adren. | 8, V. Splanch-
8.VvL hydr. |1 St. prompt | prompt] 880Z nicus-
18108 | 04 eem 80 5 5 chwach| resektion
subeut. 85 5 5 reagiert
40 5 6
50 5 | 6
60 5 | AN
44 T. J. Kanai:
(Rekonvaleszenzstadium, 22 Tage.)
| Tabelle XXVI.
Versuch mit menschlichem Typhusplasma im Rekonvaleszenzstadium
(22 Krankheitstage).
|
a (es) p JEE Eër [Ringe | zer Eege
> jewicht fl Kc, A D " ‚der Be- [nach derEin-| Lichtreflex ?
ZS || des | hand- | 3%] Einträufel. felte | obach- GEoteteet, E | Bemerkungen
| Kanin- | lung Ss Gi mm Arz- tung
|| chens = a neien —— |
1918 | | N 2 [rechts| links Min. [rechts | links [rechts | links
l | | | 5 5 | 5 | | 14. V. Splane-
| Ss, 10 5 6 | nicusresektios
d | | Adren. 15 EK "dä | Patient, đer-
Typhus- hydr. 20 5 N | _ Gegen selbe wie Tab. 5.
wou Z | plasma 23 5 I Ze, 25 5 | 8 Ver- | AD. | es wens
“7 1380 | 2 ccm PON oN zum 80 5 Max. [Prompt Zeie? stark | (+++)
subcut. (linken 35 5 | = S5tarrn. omp- K.T. 365° C.
Auge) 40 5 | findlich P. 85.
50 5 Ge ‚Nach Entfiebrz.
| 60 wer | IL Tage.
| 5 5 | 5 |
10 5 5 |
OR 15 5 5 Gegen |
p | Adren | 20 5 5 | AD. |
16.VI. * | hydr. us 5 5 | dgl 25 5 compt! promptj fast |15. V. Splsnch-
3. VI | 125 | Froë iSt. > 5 H an 5 , prompt | prompt e | nicnersneltisl.
subeut. 35 5 6 Reak-
40 5 6 tion |
| | | 50 5 5
H | | l 60 5 U 5 i
4. Versuche mit dem Kaninchentyphusplasma nach der Resektion der Nn.
splanchnici. |
: Tabelle XXVII.
ce
g | Nr. u. | ER Fr SE Zeit Pupillenweite
8 | Er Wee en à Sr aber der Be- [nach der Ein-| Lichtreflex | Resul-
 ; hand- ` E # | Einträufel.| fe | obach-f träufelung tat Bemerkungen
Kanin-| Jung "sz mm Arz- tung
chens 2 al- -— -— neien e E Ee echte a Ze
1918 Ñ £ [rechts links Min. [rechts links [rechts| links
Bee en Se a = Tamm E Me ne en, | "ez E a = = - — = ——o
| Zeg SC E | 80./IV. Splanch-
Kanin- | 0,2%/00 15 5 6 nicusresektion.
| chen- | Adren. So 5 E Gegen | Kaninchen g
op aphan hydr. i ~S 3 | { Ver- | A.D. | 2100 g, nach
| T 2 cem i (zum | 85 5 ! Starrh] emp- | Typhusbaeillen
sub- | linken | De . [findlichh 14 Tage
40 5 Max
| | eutan Auge) 50 5 - W. R. 12800 x
| | Tea: a (+++)
| 5 5 5
' | 10 GR:
Ulf | 16 5 5 gegen
| Adren é 20 5 | 5 A. D.
rT SS. hydr. , 25 5 5 fast |80.IV. Splanch-
4. VI. | (386.1 B 5 t t LX, Sp
| 1130 g (4 cem | Gei 30 5 | PP keine | nicusresektion.
| sub- | IB 5 5 Reak-
| cutan . | 40 5 5 tion
50 5 | 5
| Ou dä A |
|
|
|
|
|
|
|
Biochemische Untersuchungen über Typhusimmunität.
45
5. Versuche mit menschlichem Typhusplasma nach der Resektion der Nn.
splanchnieci und vagi.
Tabelle XVIII.
e Nr. u. | = = | Pupillenw. | Einge- | Zeit |Pupillenweite
3 re N: Deeg rm ee nach der Ein-| Lichtreflex | Resul-
A | E as SET e el" Se "į felte | gie? träufelung tat
anın- ung sa Arz- | ung
| chens EN erg Peer neien DIETZ
1918 | N © [rechts links | Min. [rechts links [rechts links
| | Gei € e
| 5 5 5
| | |
10 D 6
Typhus- 0,2% 08 = 5 : Gegen
| 11. plasma Adren. = e 5 Ver- A. D.
2. VL 1250 2 ccm "Isi 5 5 hydr. ep 9 Max. | prompt | schw. | stark
| 4 O
| E| sub- | Sen, | 2 ` Starrh] emp-
eutan (links) 3 D findlich
| 40) 5 e
| 50 5 S
| 60 5
| e JS,
| D si D
10 5 5
0,5°/ IT | 15 D 5 gegen
Adren. 20 5 5 A.D
12. hydr. |+ o p | 25 5 5 N
9. VI. k 1 St. D 5 dgl. = . prompt | prompt] ganz
1300 g | 0,4 ccm 30 D 6
ut er o ) leicht |
Eh 39 9 5 reagiert
cutan | 40 D a 6 |
Durch diese Experimente wurde folgende
KU D 6 |
Bemerkungen
28. IV. Splanch-
nicusresektion
9.VI. P. M. 12°30
Vagusresektion
P. M. 2°. Versuch
ausgef. Patient
MN Fo SZL LA
St. rekonvale-
szenz.K.Ht.Tage
=: RW RT.
37 ’C.W.R.
1600x (+++)
28. IV. Splanch-
| nicusresektion
9. A FO P.M. 12°
40’ Vagusresek-
tion. PM 2° 20°
Versuch aus-
geführt
wichtige Tatsache festgestellt:
Auch nach Durchschneidung der Nn. vagi und splanchnici behielt das Typhus-
plasma des Menschen und des Kaninchens seine adrenalinähnliche Wirkung. —
Im Gegensatz hierzu war die Wirkung der Adrenalinlösung fast verschwunden.
b) Die Einflüsse intravenöser Injektion der Typhusbaeillen und des Typhus-
toxins auf die Nebennierentätigkeit.
Eine gewisse Zeit nach der Injektion von lebenden Typhusbacillen und von
Typhustoxin zeigten, wie oben nachgewiesen, die Versuchstiere eine große Empfind-
lichkeit gegen Adrenalin, obwohl sich weder im Toxin noch in den Bakterien ein die
Empfindlichkeitauf Adrenalin steigernder Stoff nachweisen ließ. — Daraufhin habeich
den Adrenalingehalt der Nebennieren auf Schwankungen untersucht, die etwa durch
Injektionen von Typhusbaeillen oder Toxin verursacht wurden. — Ich wollte so einen
eventuellen Einfluß der Injektionen auf die Funktion der Nebennieren feststellen.
Zu der quantitativen Bestimmung von Adrenalin auf chemischem Wege habe
ich die Resultate von Folin?’), Grüber?!), Mc Carrison??) und C'omessatti??) benutzt.
l.
Kontrollprobe:
Tabelle XXIX.
(Kontrollprobe. ) s
= Lë Gewicht Ad.-Menge in
Datum | Nr. des Körper- der beiden Gesamte | Gewicht pro 1g
— ki | gewicht | Nebennieren Ad.-Menge | Nebenniere
Ion | Be, 8 mg D mg |
15. IX | (o 1 2350 | 0,531 0,843 ' 1,587
16. EX, | 29 | 2450 | 0,413 0,744 | 1.360
ID | 32 | 2150! 050, | 079 1 1,518
46 T. J: Kanai:
2. Untersuchungen nach Injektion von Ringerlösung, von Typhusplasma
und Typhusbacillen.
Tabelle XXX.
t Zeitraum von Gesamt-
‚Nr. des
! z Körper- Injekt. bis Ex- gewicht der Gesamt- | Ad.-Menge
Datum | Kanin- gewicht Behandlung stirpation der beid. Neben- Menge Ges; prolg ' Resultat
| chens | Nebennieren nieren Ad. Nebenniere
1920 | l g Std. g mg mg
29.IX.|13 $ | 2700 2ccm Ringer- ir, 0.519 0.951 1.830 normal
| | scher Lösung
intravenös
AA 14 9 | 2650 2 cem Anti- 1:7 0.360 0.828 2290 Zunahme:
| typhusplasına
| Ä subceutan |
BA | 15 & 2600 2 ccm abgetötete 20 0.573 , 1.768 3.083 starke
| i Typhusbacillen | Zunahme‘
| intravenös
16.X. 199 2400 del. 14 0.496 0.860 1.472 deutliche
i Abnahme |
3. Untersuchungen mit Colibacillen und Pneumokokken. |
i Tabelle XX XI. |
Zeitraum von Gesamt- ) | |
Nr. des | körper- Injekt. bis Ex- | gewicht der, Gesamt- | Ad.-Menge |
Datum | Kanin- gewicht Behandlung * stirpation der beid. Neben- menge des ` u 1 TEEN Resuitat
chens | Nebennieren nieren Ad. Nebenniere
|
1920 g | Std. g mg | mg | |
Í
25.X.| 21Q | 2500 |2 cem abgetötete Ui, 0,322 | 0,896 | 2,785 (Zunahme! `
| | Colibaeillen | |
| intravenös |
26.X.| 239 | 1750 | del. 1!/, 0.364 0,870 2,390 | dgl.
29. X. 249 | 2700 2 ccm abgetötete 1!/e 0.633 2,362 3,372 | deutliche
Pneumokokken Zunahme!
intravenös |
30.X. | 259 | 2350 del. 1'/s | 0,733 2.482 3,382 | dgl.
Im Typhusimmunblut findet sich ein Stoff, der subcutan einem Kaninchen
injiziert eine deutliche Funktionssteigerung der Nebennieren verursacht. — Das
Typhustoxin hat im Gegensatz hierzu eine stark lähmende Wirkung auf die Funktion
der Nebennieren, die nach 24 Stunden wiederum eine deutliche Zunahme des
Adrenalingehalts aufweisen.
Die intravenöse Injektion von Colibacillen und Pneumokokken führt schon
nach kurzer Zeit zu einer erheblichen Funktionssteigerung. — Hier besteht eine
wichtige Beziehung zu den klinischen Symptomen, die bei durch Typhusbacillen,
olibacillen und Pneumokokken verursachten Erkrankungen auftreten. — Beim
Typhus, bei dem das Toxin die Nebennierentätigkeit lähmt, haben wir Brady-
kardie, hohes Fieber und starke Leukopenie.
Dagegen beginnt die akute Pneumonie, deren Erreger die Funktion der
Nebennieren steigernde Toxine produzieren, stets mit Tachykardie, hohem Fieber
und deutlicher Leukocytose. — Unter Berücksichtigung dieser Tatsachen führte
ich meine Versuche aus, um die Beziehung zwischen Nebennierenfunktion, Puls-
und Leukocytenzahl zu erklären.
Biochemische Untersuchungen über Typhusimmunität.
el Die Einflüsse subeutaner Adrenalininjektionen.
Zur Stickstoffbestimmung gebrauchte ich die im Kapitel I beschrie-
bene Methode. — Der Gegenstand meiner Untersuchungen nach Adre-
nalininjektionen war die Leukocytenzahl, Harnmenge, Zuckerausschei-
dung und Gesamtstickstoffmenge im Harn.
l. Die Einflüsse der Adrenalininjektion auf die Reststickstoffmenge im Blute.
Datum i
)
1917
Versuchstier
Kaninchen
SCH
Nr. der
Versuchs-
tierreihe
um
Tabelle XXXII.
|
| Eingespritzte |
i 1/00 Ad.-dosis
| Körper-Gewicht '
cem pro
| Zeitraum von
‘ Injektion bis
'lkgd.Körp.-Gew.| Blutabnahme `
kg ccm
i 2,3 0,2 45 Minuten
| 2,1 0.2 | KU
| 2.1 (LA 50 S
2, 0.4 1 Stunde
21 | 0,4 2,
21 0,2 Dans
EE 21 p
27 | 0.2 21
21 | 0,2 Ea
Eine Versuchäreihe bestand aus 4-6 Kaninchen.
Inkoagul. N-Menge
in 100 ccm Blute
g
0,1821
0,1401
0,1260
0,1681
0,1681
0,1401
0,1260
0,1681
0,1541
2. Die Beziehungen der Adrenalininjektionen zur Ausscheidung von Stickstoff
und Zucker im Harn.
Tabelle XXXIII.
Ver-
suchs-
tier
Kanin-
pi
Kanin-
Ge
RK
!
. Körper-, Zeitliche Beziehung |
gewicht von Ad. - Injektion .
und Urinuntersuch. |
sg
1580
le mau
Urin-
22.1.1920 i
23. I. 1920
24.1
ge
E
Um vorm. 10,
4 I
Um vorm. 10 £
SIE orm.
nachm. 10.
1. 11. 1920
ns
.
vorm.
12.
0,5 ccm
SE
1° A.D.
10.
1°/s A.D. =-
Ne cem
EI
FR
3
Ki
dv
=
2
nachm.
2.
vorm. 10. |
|
nachm. l
2;
| sauer
Reaktion Ä
Gesamt-
menge | des !Spez. Gew. | gehalt N-Menge im |
Haten 4er Harnes, Harne S: Harne i
ER Gr. in 100 ccm
ccm Je ,
EE E EE 0.927
alkalisch| |
310 | del. 1,010 | — | 0,950
180 del. 1,007. 1,375 0,838
| SE
140 schwach| 1.013 0,838: 1,560
sauer | |
210 | del. | 1.020 DA ? 1.157
130 Se hwach) 1,010 | — 0.995
alkalisch. |
280 del. j 1.013 | — 0.976
del. |
250 dgl. 1012 | — | 0.983
60 ; del. 1,012 | 1.036 | 0,916
|
80 del. 1.012 |1145 1,08
120 schwach, 1,020 "rr 0,035
| i
Zucker-
Bemerkung
Vor der In-
jektion
derl.
2 Std. nach
der Injektion
4 Std. nach
der Injektion
24 Std. nach
der Injektion
Ap Std. nach
det Injektion
| Vor der In-
jektion
| del.
> Std. nach
der Injektion
4 Std. nach
der Injektion
24 Std. nach
der Injektion
48 T. J. Kanai:
3. Die Einflüsse der Adrenalininjektionen auf das Blutbild.
Tabelle XXXIV.
(Literatur vgl. Nr. 1.)
l Zeiträume von
ës Körper- Datum und Zeit der | Eingespritzte | Injektion bis Erythrocyten- En
Sucns- Gewicht Ad.-Injektion Ad.-Menge | Blutuntersuch. zahl eo
tier z z343]
g cem Std. |
j
SE LALO Kontrolle vor der Injekt. 5500000 0 S
Kanin- 3.X1. 20 nachm. 12P 30° 1° oo Ad. 0.5 | DÄIN) ` Hen
chen 1250 YXL>O vorm. IP30 d 23 | T0ONMO Jen
2 " 0 nachin. 1" 1° oo Ad. 0.5 (11. In). | 620000) Zu
5. NI 20 vorm. 12 SE 24 . 5650100 Nw
Kae, D. NI. 20 Kontrolle vorderInjekt. 640000 7i
chen SE 6. XI agjfverm. leh IT aa Ad. 0.5 l Dirumnt i5
ag 1350 "0 fnachn. 28 = 4 6500000. 13
2 8 N1. 20 vorm. 10h AN 6400000 ` Ju
Infolge der Adrenalininjektionen zeigte sich also nach bestimmten Zeiten
eine deutliche Zunahme des Rest-N und der Leukoevtenzahl. — Diese Tatsache
dient uns zur Erklärung für die nach der Injektion von Bakteriengiften auftretenden
Verhältnisse:
l. Nach intravenöser Zufuhr von Pneumokokken und Colibacillen ist der
Adrenalinzchalt der Nebennieren stets vermehrt, es sind also die gleichen Ver-
hältnisse wie nach Adrenalininjektionen geschaffen. -— Und in der Tat zeigt sieh
auch bei der Pneumonie und bei vielen durch Coli verursachten Erkrankungen
im Anfangsstadium eine deutliche Leukoevtose.
2. Nach intravenöser Zufuhr von Typhusbacillen mit ihrer die Funktion der
Nebennieren stark hemmenden Wirkung, wurde stets eine starke Verminderung
der Adrenalinmenge beobachtet und ebenso zeigt sich zu Beginn des Typhus abdo-
minalis stets eine deutliche Leukopenie.
Im Anschluß hieran glaube ich für die folgenden schon von mehreren Autoren
mitgeteilten Beobachtungen die bis dahin noch fehlende Erklärung geben zu
können.
l. Ein Tier, das aus irgendeiner Ursache im hyperelvkämischen Zustand ist,
zeigt eine größere Widerstandsfähigkeit??) gegen verschiedene Krankheitserreger
als normale Tiere.
2. Wird einem Bakterientoxin??) in ganz geringer Menge Adrenalin hinzu-
gefügt, so wird die für das Versuchstier letale Dosis eine vielfach größere.
3. Der Adrenalingehalt der Nebennieren von Menschen- oder Tierleichen
ist je nach der Todesursache völlig verschieden. — Ist der Tod infolge einer Infek-
tionskrankheit eingetreten, so ist der Adrenalingehalt stets auffallend kleiner,
als wenn eine andere Erkrankung vorgelesen hat?°).
Aus meinen zahlreichen Experimenten geht deutlich hervor, daß
stets eine Leukocytose und Vermehrung des Rest-N im Blute auftritt.
wenn man mit irgendeiner Methode eine Funktionssteigerung der
Nebennieren verursacht oder direkt dem Tiere Adrenalin einspritzt. —
Hierbei ist die Widerstandsfähigkeit des Organismus gegen Infektions-
erreger eine große. — So erklärt sich dann auch die Bedeutung des
sog. hyperglykämischen Zustandes bei fieberhaften Erkrankungen für
Biochemische Untersuchungen über Typhusimimunität. 49
die Immunität, denn zugleich mit der Leukocytose und der Vermehrung
des Rest-N läßt sich auch eine deutliche Hyperglykämie nachweisen,
wenn man auf irgendeine Weise die Funktion der Nebennieren steigert.
Die verschiedenen klinischen Symptome beim Typhus abdominalis
sind nicht auf eine direkte Wirkung der Bacillen oder des Toxins zurück-
zuführen, die Mehrzahl ist vielmehr durch eine bedeutende Veränderung
des intermediären Stoffwechsels und durch einen abnormen Funktions-
zustand der innersekretorischen Organe verursacht.
Ferner habe ich Studien über die Entstehungsweise der adrenalin-
ähnlichen Substanz im Typhusblut angestellt, um festzustellen, ob
dieser Stoff nur aus der Nebenniere stammt oder vielleicht auch aus
der entsprechenden Aminosäure durch die Typhusbaeillen gebildet
wird. Zu diesem Zweck habe ich die Typhusbacillen in eiweißfreien
Nährböden mit chemisch-reinem (l) Tyrosin und seinen nächsten physio-
logischen Spaltungsprodukten 40—60 Tage kultiviert. Danach suchte
ich in der Nährflüssigkeit auf chemische und biologische Weise nach
adrenalinähnlichen Substanzen. — Das Resultat war stets negativ.
Das Rezept des Nährbodens (nach Kanai):
NACH rt i Se er 6,0 g
COHNa .. ee... 4% 30g
I. phosph K ...... 2,0 g
SOME .. a. 20% 0,05 g
Ammon. carb.. . . . e, 2,0g
Glycerin. . . . ..2.......20,0 eem
Aq. dest. `... 1000,0 ccm
(l1) Tyrosin habe ich aus Fibrin unter Benutzung von Trypsin dargestellt,
Oxyphenylbrenztraubensäure und -milchsäure habe ich synthetisiert,
Tabelle XXXV.
(Diese Flüssigkeit hat keine adrenalinähnliche Wirkung auf das Kanin-
chenauge und die Froschgefäße gezeigt.)
= = = - —
i Substanz u. deren Menge, | Krystallisierbarer Átherrückstand
Datum ` Nr. d. '
l. Kuitivierung G fäßes welche zur Kulturtlüssig- ' = ö S ee GC Bemerkung
2. Untersuchung | j ` keit beigemcngt wurde saure Reaktion alkal. Reaktion
1. 13. X1. 1917: I Kontrolle | = | es Heakt, alk.
2.6.1. 1918 | | Rn
1. 13. XI. 1917 ` orth. Oxyphenvl- (d) orth. Oxyphenyl- 'Reakt. neutr.
2. 6. I. 1918 II brenztraubensäure milchsäure als Zink- — links drehend
4.0 g (als Na. Salz) salz 0.13 0,14
1. 13. XI 1917 ° | para. Oxyphenyl- (d) para Oxyphenyl- Reakt. sauer
2.6.1. 1918 III brenztranbensäure milehsäure als Zink- x Iınks drehend
4,0 g (als Na. Salz) | salz 0,05 Ä Ä 0,06
1. 13. X1. 1917 (dl) para. Oxyphenyl- Geringe Spur von (dl)' heakt. sauer
2.6.1.1918 © IV : milchsäure 40 ce | para Oxyphenyl- == | SES
(als Na. Salz) mulchsäure
Biochemische Zeitschrift Band 132. 4
50 T. J. Kanai:
Tabelle XXXVI.
!
Datum Nr. d. Substanz u. deren Menge, Kry statlisierbar. Atnerrückstand
1. Kultivierung o pe weiche zur Kulturflüssig- — — Bemerkung
2 EUER FIRBEN: keit et enureReaktionlalkal. Reakti Sg
l; 3. IV. 1920 | I | D Ké rosin 20 o — — Diese Flüssigkeit t
2, 8. V. 1920 | ÈL.) © keine adrenalir āzi-
liche Wirkung auf te
Kaninchenauge ur.
die Froschgefäbe z+
zeigt
del.
x
d
| |
|
3.10.1920 IU | () Tyrosin 60 e
8. V. 1920 rm,
IL pesch
Über die Entstehung und die Bedeutung der adrenalinähnlichen Substanz
im Typhusblut.
Es ist ohne Zweifel, daß der Immunstoff keine so einfache Substanz
wie eine Aminosäure oder ein ihr nahestehender Stoff ist. — Das ist
verständlich, wenn man die chemische Reaktionsweise der Immun-
stoffe berücksichtigt.
Die Beziehungen zwischen dem Adrenalin und der adrenalinähnlichen
Substanz sind vorläufig folgende:
l. Sie zeigen eine deutliche Differenz im Wirkungsmechanismus der
biologischen Reaktionen (Kapitel III, Absatz a).
2. Sie zeigen eine große Verschiedenheit in der Eer (Kapitel II,
Absatz c und d).
Die quantitativeSchwankung der adrenalinähnlichen Substanz ist aber
immer proportional der Nebennierenfunktion (Kapitel II, Kapitel III,
Absatz c), ferner dem Rest-N und der Leukocytenzahl. — Diese Schwan-
kungen lassen sich aber auch durch Adrenalininjektionen auffallend
deutlich hervorbringen (Literatur Nr. 1, Kapitel I und Kapitel II).
Ich vermute aus allen diesen Feststellungen daher. daß diese 2 Stoffe
genetisch ganz gleich sind, daß die adrenalinähnliche Substanz aus dem
Adrenalin im Organismus gebildet wird, worauf sich dann die Stabilität
im Blute und die Wirkungsweise auf das vegetative Nervensystem
verändert. — Die im Kern des Adrenalins enthaltene OH-Gruppe
läßt sich in der Tat sehr leicht durch andere Atome oder Atomgruppen
ersetzen.
Fasse ich alle bisherigen Versuche zusammen, so besteht zwischen
der adrenalinähnlichen Substanz und der Immunitätsbildung folgende
Beziehung: Die Leukopenie zu Beginn des Typhus ist der Ausdruck
einer hemmenden Wirkung des Bakterientoxins auf die Nebennieren-
tätigkeit (Kapitel III, Absatz b). Allmählich steigert sich die Neben-
nierenfunktion und nun kommt es zu einer deutlichen Leukocytose. —
Die Leukocyten stellen die Immunsubstanzen dar (Literatur Nr. 2)
Biochemische Untersuchungen über Typhusimmnunität. 51
und in diese Zeit fällt der Beginn der Immunitätsbildung; klinisch ist
das das sog. II. Nägelische Stadium. — Die Funktionssteigerung und
Vermehrung der Leukocyten führen zu einem gesteigerten Stickstoff-
verbrauch und mit ihm zu einer Vermehrung des Rest-N im Blute und
des Gesamt-N im Harn.
Die Entstehungsweise der adrenalinähnlichen Substanz aus dem
Adrenalin bleibt der Mittelpunkt meiner Forschung.
Zusammenfassung.
l. Nach intravenöser Injektion von Typhusbacillen und Typhus-
toxin schwankt der Rest-N im Blute und der Gesamt-N im Harne
proportional mit der Leukocytenzahl.
2. Das immunisierte Typhusblut enthält einen spezifischen Stoff,
welcher auf das Froschauge, die Kaninchenpupille, die Froschgefäße
und den Kaninchenuterus eine deutliche adrenalinähnliche Wirkung
ausübt.
3. Die Typhusbacillen und das Typhustoxin haben auf obenbezeich-
nete Präparate eine ganz entgegengesetzte Wirkung.
4. Zur Konstatierung der Anwesenheit von Adrenalin oder adrenalin-
ähnlicher Substanz in einer Flüssigkeit ist meine Methode, die die Augen
lebender Kaninchen benutzt, durch ihre bequeme Handhabung und
durch die Exaktheit der Resultate brauchbar.
5. Die Typhusbacillen und das Typhustoxin haben nach intravenöser
Injektion beim Kaninchen eine deutlich hemmende Wirkung auf die
Nebennierenfunktion gezeigt, dagegen haben die Pneumokokken und
die Colibacillen eine deutlich erregende Wirkung auf die Nebennieren
ausgeübt.
6. Nach intravenöser Injektion von Typhusbacillen entsteht die
Immunität immer in dem Zeitpunkt, wenn im Blute eine deutliche
Zunahme der Leukocytenzahl, der Reststickstoffmenge und des Adre-
nalins oder der adrenalinähnlichen Substanz nachzuweisen ist.
7. Der hyperglykämische Zustand, welcher durch Injektion eines
Krankheitserregers verursacht wird, läßt sich immer durch Funktions-
steigerung der Nebennierentätigkeit erklären. Bei der Injektion der-
selben Menge von Bakterien und Bakteriengiften zeigen die Typhus-
bacillen eine starke hemmende Wirkung auf die Nebennierentätigkeit
und die Pncumokokken und die Colibacillen lassen eine starke erregende
Wirkung erkennen.
8. Die Typhusbacillen können nicht in eiweißfreien Nährboden
direkt aus dem (l) Tyrosin, p-Oxyphenylbrenztraubensäure, p-Oxyphenyl-
milchsäure und o-Oxyphenylbrenztraubensäure eine adrenalinähnliche
Substanz darstellen.
4*
52 T.J. Kanai: Biochemische Untersuchungen über Typhusimmunität,
- Literatur.
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series B 91, Nr. 636, S. 103. 1920. --- 3) Tachigara, Imamura und Saiki, Monats-
schr. d. inn. med. Ges. (Japan) 3%. Nr. 11. N. 659 u. 674. — %4) Marie, A., Ann.
de l’inst. Pasteur 32%, Nr. 3,8. 1. 1918. — >) C'omessatti, G., Berl. klin. Wochenschr.
48. 356. — =) Comessatti, G., Schmiedebergs Arch. 62. 190. 1910.
(Es. (EEE mi mm
r e nn nn — mm gen, — fe ii
Die Vertretbarkeit von Kalium durch Uran beim quergestreiften
Muskel.
(Beruhigung fibrillärer Zuckungen in NaCl-Lösung.)
Von
F. Verzär und W. Szänyi.
(Aus dem Institut für allg. Pathologie der Universität in Debrecen.)
(Eingegangen am 12. Mai 1922.)
Zwaardemakers Untersuchungen!) über die Vertretbarkeit des Kaliums
durch radioaktive Stoffe, wie sie insbesondere am Froschherz ausgeführt
wurden, haben ganz neue Ausblicke bezüglich der Wirkung des Kaliums
auf die Zellen ergeben.
Es ist ohne weiteres klar, und das wird auch von Zwaardemaker
hervorgehoben, daß das Kalium im Tierkörper nicht nur durch seine
Strahlung wirksam sein kann, sondern daß es, ebenso wie andere Salze,
auch reine Salzwirkungen, sowohl Ionen als molekulare Wirkungen
haben muß. — Es ist nun Aufgabe weiterer Forschung, zu untersuchen,
inwiefern die verschiedenen bekannten Wirkungen des Kaliums auf
Zellen auf Grund seiner Radioaktivität oder auf Grund von Salz- bzw.
Ionenwirkungen erklärbar sind. Erstens muß untersucht werden, ob
eine gewisse K-Wirkung durch andere radioaktive Substanzen ver-
tretbar ist, und zweitens muß — wenn ein solcher Vertreter gefunden
ist — geprüft werden, ob auch die quantitativen Verhältnisse der radio-
aktiven Wirkungsweise entsprechen.
Als Objekt zu einer diesbezüglichen Untersuchung haben wir jene
bekannte Wirkung der Kaliumsalze gewählt, daß sie die in NaCl-Lösung
auftretenden fibrillären Zuckungen von quergestreiften Muskeln hem-
men und haben uns gefragt, ob diese Hemmung auch mit Uraniumsalzen
erreicht werden kann.
In Zwaardemakers Versuchen wird das stillstehende Herz durch K wieder
zum Schlagen gebracht, beim quergestreiften Muskel hören umgekehrt die fibril-
lären Zuckungen nach Hinzufügen von Kalium auf. Scheinbar qualitativ ver-
schiedene Wirkungen, die aber doch der Ausdruck eines Antagonismus von Na
und K sind?).
1), Zuuardemarker, Fıg. d. Physiologie 1921. XIX. 326.
2) Bayliss, General physiology 217 schreibt: Die Wirkung von K ist im wesent-
lichen, aber nicht immer, eine lähmende, wie man das z. B. im Falle des Herzens
sieht. Gleichzeitig ist seine Gegenwart nötig. um die entgegengesetzte Wirkung
des Calciums zu hemmen.“
54 Fr. Verzar und W. Szanyi:
Die von uns befolgte Methodik war sehr einfach.
Der M. sartorius von Rana esculenta wurde präpariert, an beiden Enden
mit einem Faden versehen und in eine flache Schale mit 15 ccm 0,65 proz. NaCl
gebracht. Eine getreue graphische Registrierung der fibrillären Zuckungen ist schwer
möglich, weil sie mit äußerst geringer Kraft vor sich gehen, und wir fanden, daß
Beobachtung mit dem Auge viel zuverlässigere Resultate gibt als eventuelle
graphische Registrierungen und haben uns deshalb mit ersterer begnügt.
Nachdem in NaCl die fibrillären Zuckungen 5 Minuten beobachtet waren.
wurde aus einer l ccm-Pipette so lange l proz. KCl-Lösung bzw. andere zu unter-
suchende Lösungen zugegeben, bis die fibrillären Zuckungen aufhörten. Die zu
untersuchenden Lösungen wurden in Pausen von 1 Minute hinzugesetzt. Ruhe
wurde nur dann protokolliert, wenn mindestens 3 Minuten lang keine Zuckungen
erfolgt waren. Die Bestimmung der Grenzwerte ist nicht sehr genau, denn wenn
man die Konzentration nach und nach steigert, so werden die fibrillären Zuckunzen
nach und nach seltener, bis es zu einer vollständigen Beruhigung kommt.
Die ersten Versuche wurden im Frühjahr 1921 an frisch gefangenen
Fröschen ausgeführt, die weiteren Versuche im Herbst und Winter
1921/22. Bereits die ersten Versuche zeigten, daß die in NaCl auf-
tretenden fibrillären Zuckungen, ebenso wie durch KCI und KNO,
auch durch UO,(NO,), gehemmt werden. Kalium ist also auch hier
durch Uranium vertretbar.
Tabelle T.
Fibrilläre Zuckungen in l5ccm 0,65proz. NaCl wurden beruhigt
durch cem.
Versuch EH K Cl | 1%, K NO, 1% Uranylnitrat 1°, Uranacetat
108 SN 22 0.60
l4 1.14 —- 0.4 Ss
15 -— 0.1 = 05— 0,9 =
16 — 0.7 0.6 -0,8 es
Bei diesen Versuchen wurden immer 2 parallele Muskeln präpariert.
Beide kamen gleichzeitig in NaCl-Lösung und erhielten gleichzeitig
je ein Kaliumsalz bzw. ein Uraniumsalz. Gegenüber ein und demselben
Salz verhalten sich 2 Parallelmuskeln ganz gleichmäßig wie die folgenden
Kontrollversuche beweisen.
Tabelle IT.
Versuch 17 1°/, KCI beruhigt: rechts 0,6 cem links 0,6 cem
= 18 (in UOAN O3) „06 ecm a 0.6 cem
Die ersten Versuche schienen jedoch darauf hinzuweisen, daß zwischen
der Kalium- und Uraniumwirkung insofern ein Unterschied besteht,
als die Uraniumwirkung nicht reversibel ist. — Wenn man langsam
tastend Uranlösung hinzufügt, bis die fibrillären Zuckungen aufhören
und dann wieder in 0,65 proz. NaCl überführt, so beginnen die fibrillären
Zuckungen nicht wieder. — Derselbe Versuch gelingt mit KOL dagegen
Vertretbarkeit von Kalium durch Uran beim quergestreiften Muskel. 55
sehr leicht. Hat man dort mit KCl beruhigt und bringt nach 5 Minuten
Ruhe in NaCl-Lösung, so beginnen die fibrillären Zuckungen sofort mit
der größten Intensität. Dieser Versuch läßt sich mit KCl oder KNO,
beliebig oft wiederholen, gibt man aber dann vorsichtig im Laufe von
1—2 Minuten UO,(NO,),, so hören zwar die fibrillären Zuckungen auf.
aber sie kehren in NaCl-Lösung nicht wieder zurück.
Es gelingt jedoch mit besonderer Versuchstechnik eine vollständige
Reversibilität zu erreichen. Man muß nur so verfahren, daß man den
Muskel nur kurz mit der Uranlösung in Berührung läßt. Dann ist die
Uranhemmung ebenso reversibel wie die K-Hemmung. Das haben wir
so ausgeführt, daß wir zu dem Muskel auf einmal die bestimmt hemmende
Dosis Uranylnitrat zusetzten, damit momentan Hemmung bekamen
und schon nach einer Minute in Kochsalzlösung übertrugen. — Wenn
man so verfährt, so kann man den Versuch ebenso wie mit KCl mehrere-
mal wiederholen. Als Beleg diene Tabelle III, in welcher zuerst 4 Ver-
suche aufgenommen sind, die so ausgeführt wurden, daß zur Bestimmung
der wirksamen Grenzkonzentration das Uranylnitrat allmählich hinzu-
gesetzt wurde. Hier war die Wirkung irreversibel, während in den näch-
sten 8 Versuchen 7 mal die Wirkung wiederholt reversibel war, wie aus
der Tabelle ersichtlich ist. In letzteren wurde der Muskel 3mal abwech-
selnd in UO,(NO,),-Lösung und dazwischen immer in NaCl-Lösung
gebracht und in dieser öfters ausgewaschen. In letzterer traten starke
Zuckungen auf, in UO,(NO,), verschwanden sie.
Tabelle III.
(ER ` Reizschwelle RA cm
Versuchs- | [9 NO,), cem Reversibilität + fibrilläre | -—
nummer |; allmählich hinzu- | Zuckungen in Kat) ' in |in NaCl am
gesetzt , anfangs UrO,(NO,),: Schluß
141 | Se SE NEE
501 0.9 -- 21 17 10
502 1.0 2 25 15 8
303 1,2 _ 25,5 20 15
UO,(NO,), cem :
auf einmal hinzu-
gesetzt
304 1.0 — 21,5 16,5 14,5
505 1,0 in NaCl dreimal — 25 16 d
in UO Nils, viermal — |
506 1.0 dgl. 3 | 15 11
307 1.0 del. 22 ' 16 12
JOR 1,0 in NaCl zuerst. +- 2 20 17
| dann jedoch —
309 1.5 del. 25 19 16
148 1.0 in NaCl dreimal - 24,5 20 18
dann jedoch — |
151 1.0 dgl. 25 20 15
56 Fr. Verzär und W. Szänyi:
Außer den angeführten besitzen wir noch 15 Versuche, die hier nicht
wiedergegeben sind, in welchen das Uranylnitrat nur allmählich hinzu-
gesetzt wurde und die fibrillären Zuckungen deshalb in NaCl nicht wieder
auftraten, die Uranwirkung also irreversibel war.
Die Versuche der Tabelle III antworten auch auf die Frage, wie sich
die Erregbarkeit durch Uranylnitrat ändert. Man könnte nämlich daran
denken, daß die fibrillären NaCl-Zuckungen deshalb verschwinden, weil
durch eine starke Giftwirkung der Uransalze die Erregbarkeit herab-
gesetzt wird. Besonders auch die Irreversibilität der fibrillären
Zuckungen, wie sie eintreten, wenn der Muskel lange in Berührung mit
der Uranlösung ist, spricht hierfür. Es wurde deshalb bei allen Ver-
suchen. der Tabelle III die Reizschwelle mit Induktionsschlägen be-
stimmt und in der Tabelle in Zentimetern Rollenabstand (R.-A.) an-
gegeben. Wie man sieht, ändert sich die Erregbarkeit in Uranlösung
nicht wesentlich bzw. sie nimmt ab, aber diese Abnahme ist auch
nachher in der NaCl-Lösung noch bemerkbar.
Die Abnahme der Erregbarkeit ist unspezifisch; sie verläuft ebenso
in NaCl-Lösung nach der Präparation. Ganz unabhängig hiervon
verschwinden in der Uranlösung die fibrillären Zuckungen bzw. treten
in NaCl-Lösung wieder auf. Aus den ersten 5 Versuchen der Tabelle
geht hervor, daß auch in Fällen, in welchen die fibrillären Zuckungen
nicht mehr auftreten, die Erregbarkeit sich nicht wesentlich geändert
hat. Hiernach beruht also die Hemmung der NaCl-fibrillären Zuckungen
durch Uransalze nicht auf einer Erregbarkeitsänderung. Ebenso ist
auch die hemmende Wirkung des Kaliums nicht mit einer Herabsetzung
der Krregbarkeit verbunden.
Während die bisherigen Versuche gezeigt haben, daß K durch
U auch bezüglich der fibrillären Muskelzuckungen vertretbar ist, gibt
die folgende Versuchsreihe bezüglich der quantitativen Verhältnisse
Antwort (s. Tabelle IV).
Von gleich konzentrierten Lösungen (l proz.) mußte also im Durch-
schnitt vom Uransalz 2—4 mal soviel genommen werden als von den
Kalisalzen, nämlich im Durchschnitt 0,2ccm KNO, bzw. 0,35 ccm RO
und 0,8l ccm UO,(NO,),. — Beruhigend wirkte eine Lösung, die im
Liter enthielt 233 mg KCl oder 540 mg UO,(NO,), 6 H,O.
Wenn man die molare Konzentration berechnet, so erhält man
nicht sehr verschiedene Werte. — Bedenkt man, daß der wirksamen
Grenzwertbestimmung hier — wie erwähnt — sehr bedeutende metho-
dische Schwierigkeiten gegenüberstehen, so wird dieses Resultat als
Übereinstimmung der molaren Konzentrationen betrachtet werden
können.
Nun hat aber Zwaardemaker bezüglich der Wirkung von Kalium
und Uranium auf das Froschherz gezeigt, daß die beiden Substanzen
Vertretbarkeit von Kalium durch Uran beim querrestreiften Muskel. 57
Tabelle IV.
Hemmende Dosis
Versuchs- ccm 1% Lösung zu 15 ccm 0,85%
nummer NaCl hinzugesetzt Anmerkung
KNO, , KC | 10,wo,,
134 (2.3) — 1,6 Kaliwirkung irreversibel. Versuch zur
Mittelwertberechnung verworfen.
135 02 = 0,5
136 0,2 = 0,8
137 (1.4) — 0,9 Kaliwirkung fast irreversibel. Versuch
| zur Mittelwertberechnung verworfen.
138 0,2 -- D.)
124 — 03 |} 12
125 = 0,3 | 1,1
126 ` = 03 `> 12
127 — | 04 1,4
128 — 0.4 0,6
129 — | O4 0,6
130 = 0,3 0,6
131 8 0,3 0,6
132 --- 0,5 10
133 = (0,8) 0,6 Kaliwirkung irreversibel. Versuch zur
Mittelwertbestimmung verworfen.
Mittel: | 020 035 ' 081
Molare | m | m mi
Konz. || 760 ' 320 915
*) Wenn man UOA ANO 6 H,O nimmt. Ohne Kristallwasser wäre die
: m
Lösung 717°
sich nicht äquimolekular, sondern äquiradioaktiv vertreten, und nach
dem Uranylnitrat ein stärkerer Strahler ist als KCl, so muß von diesem
weniger gebraucht werden. Tatsächlich fand er, daß 4—10 mal weniger
Uranylnitrat nötig ist als KCl, um das Herz zum Schlagen zu bringen. —
Auf S. 350 Le gibt er folgende Zusammenstellung:
Wirksanıe Mengen KCI im Sommer 10—50 mg im Winter 100 me
5 3 UON Oa) n e 05 % A IF y
In unseren Versuchen ist das Verhältnis der wirksamen Kalium-
und Uraniummengen also gerade umgekehrt; es wurde nämlich nicht
4—10 mal weniger, sondern 2—4ınal mehr Uranylnitrat benötigt als
KCl, um dieselbe Wirkung zu entfalten. — Die Unterschiede gegen-
über den Dosen, die gefunden werden müßten, wenn es sich um
Äquoradioaktivität handeln würde, sind so groß, daß es sich auch
nicht um Zufälligkeiten handeln kann und deshalb scheint uns dieser
Befund dagegen zu sprechen, daß es sich bei dieser Wirkung des Ka-
liums um eine radioaktive K- bzw. U-Wirkung handeln könnte. — Die
äquimolekulare Vertretbarkeit der beiden Substanzen zeigt dagegen.
daB es sich um Salzwirkungen handelt.
58 Fr. Verzär und W. Szänyi:
Doch läßt sich hier ein berechtigter Einwand gegen unsere Versuche
machen. Uranylnitrat wirkt stark eiweißfällend. Auch die von uns
benützte Konzentration von etwa l ccm lproz. UO,(NO,),- auf 15 cem
Kochsalzlösung (0,625 mg UO,(NO,), im Liter) kann Eiweißfällung
bewirken. Es ist also denkbar, daß das Uransalz die äußere Schicht
der Muskelfasern fällt und deshalb sehr viel geringere Uranmengen
in die Faser gelangen, so daß innerhalb der Faser nicht dieselbe Konzen-
tration herrschen würde wie außen, sondern eine viel geringere. Beim
leicht und rasch diffundierenden KCI, das keine Eiweißfällung bewirkt,
kann man annehmen, daß die Konzentration in und außer der Faser
gleich ist. Dieser zahlenmäßige Beweis ist also nicht unanfechtbar,
denn es wäre denkbar, daß innerhalb der Faser äquoradioaktive Uran-
mengen das K vertreten. Wir kommen unten nochmals auf diese Wir-
kung der Uransalze zu sprechen.
In einer weiteren Versuchsreihe prüften wir, ob es größerer KCl-
und UO,(NO,),-Dosen bedarf, wenn die fibrillären Zuckungen in kon-
zentrierteren NaCl-Lösungen zustande kommen. Hierzu wurden die
beiden Mm. sartorii eines Frosches präpariert und der eine in 0,65 proz..
der andere in 0,9 proz. NaCl-Lösung gebracht. In der konzentrierteren
Lösung waren die fibrillären Zuckungen viel lebhafter. Es wurde dann
in einer Versuchsreihe mit KOL in einer anderen mit UO,(NO,), tie
beruhigende Konzentration bestimmt (Tabelle V u. VI).
Es zeigte sich, daß man zur Beruhigung der fibrillären Zuckungen
in der konzentrierteren NaCl-Lösung auch größere KCl- und UO,(NO,);-
Konzentrationen nötig hat.
Aus den Mittelwerten geht überzeugend hervor, daß die Verhält-
nisse ganz gleich sind. So bedarf es zur Beruhigung der fibrillären Zuk-
kungen in der konzentrierteren (0,9 proz.) NaCl-Lösung, die 28%, mehr
NaCl enthält als die 0,65 proz. Lösung, 32%, KCI und 36°, UO,(NO,),
mehr als zur Beruhigung in der 0,65 proz. Lösung nötig ist. Wenn es
sich nur um Äquoradioaktivität handeln würde, so könnte bereits viel
Tabelle V.
Versuchs- Fibrilläre Fe Fibrilläre re
: r Ke : ‘Oo o s
ee ee a EN
328 0.65 proz. NaUl-Lös. 1,0 0.9 proz. NaCl-Lös. 122
528a 06I . 0,8 0.9., S | 1,0
529 065 i Ou Ou Se 20
20 Um - S (3.2) (Lu = (3.5)
5831 065 - à 1,0 0,9 1,4
532 065 . S 1,0 0.9 1,2
33 065 , S 0.8 8 R 1,2
Mittel: ı = | 0,9 Ss 1.33
*) Zum Mittelwert nicht benützt.
Vertretbarkeit von Kalium durch Uran beim quergestreiften Muskel. 59
Tabelle VI.
' Ge In nl o 3 i i h à A ` l
Versuchs- Fibrilläre i TEEN Fibrilläre ne a
Zuckungen in = ae Zuckungen in ro za ahe
PUNIME | ccm ecm
>24 0,65 proz. NaCl-Lös. 0.5 0,9 proz. Nat'l-Lös. 0,8
325 l OGD p, "i 0.4 09 S O,
525a 065 2 0.5 09 . e 0,8
526 "Oth 0.6 0.9
Mittel: |;
i
weniger Uranylnitrat die Wirkung der konzentrierten NaCl-Lösung
kompensieren als der Mehrbedarf an KCI! ist. Auch diese Versuchsreihe
gibt uns also keinen Anhaltspunkt dafür, daß K und U sich in radio-
aktiven Dosen vertritt.
Doch müssen hier noch Versuche erwähnt werden, deren Resultat
an das von Zwaardemaker beschriebene Paradoxon I erinnert.
Zwaardemaker beschrieb, daß, wenn ein Herz in K-haltiger Ringer-
lösung schlägt, es zum Stillstehen gebracht wird, wenn man, ohne daß
man kalilose Ringerlösung dazwischen schaltet, Uran-Ringerlösung
zufließen läßt. Auch umgekehrt bleibt das Herz stehen, wenn man von
Uran-Ringerdurchströmung direkt auf Kali-Ringer übergeht.
Tabelle VII.
EES KCI ccm 1% UNO: Resultat nach dem Zusetzen des Urans
nummer ccm 1%
510 1.0 | 0,8 wenig, selten fibrillire Zuckungen
511 0,4 Ä 0.9 rullt
512 0.5 1.5 ruhig
513 / 0.5 1.9 langsame, wenige Zusammenziehungen
514 0,4 Lo im Momente des Hinzusetzens fibr. Zuekungen
154 0,2 1.2 ‚, wenig fibr. Zuckung., besonders bei Berührung
160 ` 0.2 1.5 sehr geringe, fast unmerkliche fibr. Zuckungen
163 0,2 1.0 ruhig
165 0,2 1.5 ` ruhig
Tabelle VIII.
Versuchs- UO:(NO,), | KCI cem 1% Resultat nach dem Zusetzen des KC!
nummer | ccm 1% | |
: |
160 ı 1.6 0,4 wenig fibrilläre Zuekungen
162 | 1.0 0.5 starke fibrilläre Zuckungen
164 | 1.5 0.4 zuerst starke, dann seltene und schwache fibrilläre
Zuckungen
154 1.0 0.4 wenig fibrilläre Zuckungen
515 0.9 0,4 wenig fibrilläre Zuckungen
Analog gingen wir folgendermaßen vor (Tabelle VII): In Kochsalz-
lösung fibrillär zuckende Muskeln werden mit KCl beruhigt. Dann
wurde so viel UO,(NO,), dazugegeben, als KCI zu vertreten imstande ist,
60 Fr Verzär und W. Szänyi:
also ohne Zwischenschaltung einer reinen NaCl-Lösung. In 5 Versuchen
von 9 begann der Muskel bei der Hinzufügung von UO,(NO,), einigemal
zu zucken. Allerdings kam es niemals zu regelrechten fibrillären
Zuckungen wie in NaCl-Lösung, sondern eher nur zu einzelnen, auch
qualitativ verschiedenen sehr gedehnten Kontraktionen. In 4 Versuchen
waren auch diese geringen Wirkungen nicht zu sehen.
Auch das umgekehrte Verhalten wurde beobachtet ebenso wie
in den Versuchen am Herzen. Wenn man einen in Uranlösung still-
stehenden Muskel in K-Lösung bringt ohne Zwischenschaltung von
NaCl-Lösung, so sind einige fibrilläre Zuckungen zu beobachten. Es
wurde in 5 Versuchen (Tabelle VIII) so vorgegangen, daB zuerst in
reiner NaCl-Lösung die fibrillären Zuckungen beobachtet wurden, dann
UO,(NO,), hinzugefügt wurde in Quantitäten, die diese Muskeln sicher
zum Stillstehen brachten, worauf sogleich KCl in ebenfalls an sich
vollständig hemmender Dosis hinzugefügt wurde. — In allen 5 Ver-
suchen erfolgten auf Hinzufügen des KCl einige fibrilläre Zuckungen,
in 2 Versuchen sogar recht intensive und langdauernde Zuckungen. —
Dieses Verhalten ist deshalb paradox, da ja U ebenso wie K erwiesener-
maßen die Na-fibrillären Zuckungen hemmt und zu erwarten wäre, daß
beide zusammen auch hemmen.
Auf eine mögliche Erklärung dieser Erscheinung sei nur hingewiesen.
— Wenn die U- und K-Wirkung identisch ist, so könnte wegen der
verschiedenen Wanderungsgeschwindigkeit der U- und K-Ionen beim
Austausch derselben durch die Zellmembranen eine derartige Ver-
schiebung des Membrangleichgewichts eintreten, daß die Equilibrierung
Na—U bzw. Na—K für kurze Zeit gestört ist. Deshalb dauert diese
paradoxe Erscheinung auch nur vorübergehende kurze Zeit.
Von dem Gedanken ausgehend, ob es sich nicht zeigen ließe, daß
die beruhigende K-Wirkung auf Radioaktivität beruht, haben wir
auch eine Versuchsreihe (8 Versuche) ausgeführt, in welchen Zma-
nation benützt wurde, um das K zu vertreten, so wie das beim Herz
möglich ist.
Die stets in physiologischer NaCl-Lösung frisch gesättigte Emana-
tionslösung wurde in flache Petrischalen gegossen, in welchen sich der
Muskel befand und sofort mit gut schließendem Glasdeckel bedeckt.
Innerhalb der Versuchsdauer konnte es also zu keiner wesentlichen
Verdunstung der Emanation kommen.
Wurde eine Kochsalzlösung mit Emanation gesättigt. so daß 100 ccm
1100 ME. enthielten, so traten die fibrillären Zuckungen ebenso auf
wie in gewöhnlicher physiologischer NaCl-Lösung!).
1) Wir verdanken die Emanation Herrn Stadtphysikus Dr. E Varga. dem wir
auch hiermit unseren besten Dank aussprechen.
Vertretbarkeit von Kalium durch Uran beim quergestreiften Muskel. 61
Auch nach physiologischer NaCl-Lösung beruhigte emanation-
haltige NaCl-Lösung nicht. Diese Versuche, die verschiedentlich variiert
wurden, zeigten also, daß Emanation die beruhigende Wirkung des
KCl auf den Muskel nicht vertreten kann.
In unseren bisherigen Versuchen haben wir also gefunden, daß die
fibrillären Zuckungen, welche Muskeln in Kochsalzlösung ausführen,
ebenso wie durch Kalisalze auch durch Uransalze gehemmt werden.
Wir fanden, daß die Wirkung bei kurzer Einwirkung der Lösung rever-
sibel ist, daß sie ohne Verminderung der Erregbarkeit zustande kommt
und daß ähnliche Paradoxa zu beobachten sind wie sie beim Herzen
beschrieben wurden. — Doch fanden wir andererseits, daß die quanti-
tativen Verhältnisse, in welchen sich K und U vertreten, keinen Beweis
dafür bringen konnten, daß es sich um ‚Strahlen‘‘wirkungen und nicht
um „Salzwirkungen‘‘ handelt. — Es war daran zu denken, daß bei den
beobachteten Uransalzwirkungen eventuell auch Eiweißfällung eine
. Rolle spielt. — Wir haben das weiter oben als einen berechtigten Ein-
wand gegen unsere Berechnungen angeführt, nach welchen sich K- und
U-Salze nicht in äquiradioaktiven, sondern in äquimolekularen Quan-
titäten vertreten. Es wäre denkbar, daß die Uransalze ihre hemmende
Wirkung jener Eigenschaft verdanken, daß sie die äußerste Schicht
der Muskelfasern fällen.
Um diese Möglichkeit zu prüfen, wurden die in Tabelle IX an-
geführten Versuche an beiden Sartorii von Fröschen gemacht mit dem
Resultat, daß 2 eiweißfällende Substanzen, die ganz anderen chemischen
Gruppen angehören, ebenfalls die fibrillären Zuckungen in NaCl hemmen,
nämlich HgCl, und Formaldehyd. — Beide hemmen in ähnlichen
Konzentrationen wie K- und U-Salze und auch hier ist die Wirkung
reversibel, wenn man die Muskeln nur kurze Zeit dem Gift aussetzt
und dann mehrfach in NaCl auswäscht. — In sämtlichen Versuchen
konnte beobachtet werden, daß, wenn man die fibrillär zuckenden
Muskeln mit HgCl, oder mit HCOH beruhigt hatte und dann in reine
physiologische NaCl-Lösung zurückbrachte, die fibrillären Zuckungen
bald wieder auftraten.
Tabelle IX.
Versuchs- | Beruhigende Dosis Beruhigende Dosis ı ibili
nummer , von 1% HgCl, ccm von 1% Formalin | er
317 0,4 | 0,8
518 Ä 0,6 LLN
5 ( \ NM H . KÉ `
>19 | 0,6 0,8 War in allen Fällen nach wieder-
520 | 0,6 (LD SE SS
Di Je - -holtem Auswaschen in 0,65 proz.
521 0,3 d NaCl-Lösune vorhanden
322 i (3 0,6 | en m E
523 0.5 0.6
SET 0,5 | 0.6
62 Fr. Verzar und W. Szanyi:
Da bei diesen Substanzen jede Strahlenwirkung ausgeschlossen ist,
so liegt es nahe, daran zu denken, daß auch die Wirkung der Uransalze
auf ihrer eiweißfällenden Wirkung beruhen dürfte. Schwer verständlich
bleibt dann allerdings, wieso alle diese Wirkungen reversibel sind.
Vielleicht handelt es sich jedoch hier noch um keine eigentlichen Eiweiß-
fällungen, sondern nur um Teilchenvergrößerung, die nach Entfernung
der fällenden Substanz wieder rückgängig würde. Höber (Physikalische
Chemie der Zelle und Gewebe 1911, S. 408) führt ja auch an, daß die
Änderungen der Erregbarkeit und Kolloidkonsistenz der Plasmahaut
etwas miteinander zu tun haben und ist geneigt, auch die K-Wirkungen
durch Wirkungen auf die Kolloidkonsistenz zu erklären. Mit dem würde
übereinstimmen, daß die Fällung hydrophiler Kolloide durch Neutral-
salze reversibel ist (l. e S. 353). Dagegen sind die von Schwermetall-
salzen in hydrophilen Kolloiden bedingten Niederschläge irreversibel
(S. 370). Wir begegnen also noch Schwierigkeiten, wenn wir die hem-
mende Wirkung dieser Substanzen durch ihre eiweißfällende Wirkung
erklären wollen.
Wir fanden also:
l. Daß Uranylnitrat ebenso wie KCI und KNO, die fibrillären
Zuckungen in NaCl-Lösungen beruhigt, also U auch hier ein K-Ver-
treter ist.
2. Die Wirkungen sind reversibel, aber nur dann, wenn das U-Salz
nicht lange gewirkt hat.
3. Die U-Wirkung beruht nicht auf einer toxischen Herabsetzung
der Erregbarkeit durch Uranium. Auch am irreversibel durch U ge-
hemmten Muskel ist die Reizschwelle für elektrische Reize nicht wesent-
lich herabgesetzt.
4. Gegenüber NaCl haben antagonistische Wirkungen nicht äqui-
radioaktive, sondern äquimolekulare Lösungen von Kalium- und Uran-
salzen. — Es scheint sich also bei dieser Wirkung der U-Salze im Gegen-
satz zu den Wirkungen am Herzen um molekulare bzw. Ionen- und nicht
um Strahlenwirkungen zu handeln.
5. Die Wirkung konzentrierterer Kochsalzlösungen wird durch
ebenso mehr konzentrierte KCI- oder Uranylnitratlösungen kompensiert.
6. Es gelang nicht, durch Emanation die fibrillären Zuckungen in
NaCl-Lösung zu beeinflussen. l
7. Andererseits wurde ein ähnliches Paradoxon getunden, wie es
Zwaardemaker für das Herz beschreibt, nämlich Reizwirkungen bei
gleichzeitigem Vorhandensein von K- und U-Salzen.
8. Endlich wird gezeigt, daß nicht nur Uransalze. sondern auch
andere eiweißfällend wirkende Substanzen, HgCl, und HCOH, die
fibrillären Zuckungen in NaCl-Lösung reversibel beruhigen können.
Vertretbarkeit von Kalium durch Uran beim quergestreiften Muskel. 63
9. Es liegt deshalb nahe, daran zu denken, daß auch die hemmende
Wirkung der Uranlösungen auf ihrer eiweißfällenden bzw. die Kolloid-
konsistenz der Plasmahaut beeinflussenden Wirkung beruht, womit
allerdings die Reversibilität vorerst schwer erklärbar ist.
10. Die Salze des Kaliums müssen neben ihren Strahlenwirkungen
auch Ionen- und molekulare Wirkungen haben, die hemmende Wirkung
auf die fibrillären Zuckungen des quergestreiften Muskels gehören wohl
zu letzteren. — Es scheint auf Grund unserer Versuche, daß die hem-
mende Wirkung auf die fibrillären Zuckungen des quergestreiften
Muskels in NaCl von Kalisalzen ebenso wie von Uranylnitrat und
anderen eiweißfällenden Giften auf ihrer ‚‚die Plasmahaut der Muskel-
fasern verdichtenden" Wirkung beruht.
Spannung und Dehnbarkeit bei Säurecontractur und
chemischer Contractur des Muskels.
Von
F. Verzär, J. Bögel und W. Szänyi.
(Aus dem Institut für allg. Pathologie der Universität in Debrecen.)
(Eingegangen am 12. Mai 1922.)
Mit 14 Abbildungen im Text.
Nach der heute meistverbreiteten Ansicht beruht die Verkürzung
der Muskelfaser beim Kontraktionsvorgang auf einer Quellung der
Fibrille bzw. ihrer Teile durch die entstehende Milchsäure, wie das
besonders v. Fürth in seiner Arbeit über ‚Die Kolloidchemie des Muskel
und ihre Beziehungen zu den Problemen der Contraction‘‘!) eingehend
dargestellt hat. Eine der wesentlichen Stützen dieser Lehre ist, daß
Säure und die durch dieselbe bedingte Quellung, ebenso wie bei einem
Modell (einer Saite), so auch bei der Muskelfaser eine Verkürzung (Con-
tractur) verursacht.
Das Wesentliche beim Contractionsvorgang ist jedoch nicht die
Verkürzung der Faser, sondern die entstehende Spannung, und die Rolle
und Bedeutung der Säure bei der Contraction kann nur dann richtig
bewertet werden, wenn wir untersuchen, welche Spannung durch die
Säurecontractur bewirkt wird.
Spannung bei Contraetur.
Deshalb wurden Versuche über die Spannungsentwicklung bei
Contractur ausgeführt und untersucht, ob die durch Säure bewirkte
Verkürzung des quergestreiften Muskels mit solcher Spannung vor sich
geht, wie es dem Contractionsvorgang entsprechen würde. Wir haben
dann diese Versuche vergleichsweise auch auf durch andere Substanzen
entstehende Contracturen ausgedehnt.
1) Ergebn. d. Physiol. 17, 363. 1919. v. Fürth schreibt auf S. 556: „Weit
davon entfernt, sie [die Säurequellungstheorie] für abgeschlossen oder gar für
bewiesen zu halten, und in vollem Bewußtsein der ungeheuren Lücken unserer
Erkenntnis auf diesem Gebiete der Lehre vom Lebendigen, glaube ich immerhin
die Hypothese in dieser Form als Arbeitshypothese — allerdings auch nur als solche
— in Diskussion stellen zu dürfen.“
Fr. Verzär, J. Bögel und W. Szänyi: Chemische Contractur des Muskels. 65
P-k Versuche über die Bestimmung der Spannung von contracturierten
Muskeln können so ausgeführt werden, daß man am isometrischen
Muskelhebel die Spannungsänderungen des Muskels direkt registriert.
Dabei stellte es sich bald heraus, daß die Säurecontractur mit sehr ge-
ringer Spannung einhergeht.
Schon Schwenker!) hat im Institut von Bethe derartige Untersuchungen aus-
geführt und fand: ‚‚Zeigten die früheren Versuche bei Anwendung eines isotonischen
Hebels mit geringer Belastung, daß ein Muskel bei Zufuhr der Verkürzungssubstanz
eine maximale Verkürzung erreichen kann, die hinter Tetanushöhe nicht zurück-
bleibt, so zeigen nun die Versuche mit isometrischem Hebel, daß die Kraft, die
im ersten Falle ausgeübt wird, die Kraft des maximalen Tetanus bei weitem nicht
erreicht‘ (S. 443). An anderer Stelle wird gesagt, daß „die durch chemische Substan-
zen erzeugte Spannung (isometrisches Verfahren) beträchtlich hinter der Spannung
im Tetanus zurückbleibt‘. Er fährt dann fort: ‚Sie kann aber viel länger aufrecht-
erhalten werden, so daß die Tragerecorde bei chemischer Verkürzung erheblich
größer sind als im Tetanus.“ Als „Tragerekord‘‘ definiert Bethe Last x Zeit
pro l qmm bei isometrischem Hebel. Der größere Tragerekord kommt dadurch
a Kalibrierung des Spannungshebels. b Maximale isometrische Tetani. c Isometrische Contrac-
tur nach Chloroform. d Maximale isometrische Tetani. e Eintauchen in HClI-Ringer (pH 2,6)
gibt keine Spannungserhöhung.
Abb. 1.
zustande, daß bei gewissen chemischen Contracturen zwar geringe Spannung, aber,
wie aus unseren folgenden Versuchen deutlich hervorgehen wird, auch sehr ver-
minderte Dehnbarkeit vorhanden ist.
Wir haben eine Reihe von Substanzen darauf geprüft, ob sie eine
Spannung im Muskel entwickeln können. Es wurde der Muskel an einem
isometrischen Hebel befestigt. Der Muskel befand sich in einem engen
Gefäß mit 10 ccm Inhalt und es wurde untersucht, wie sich seine Span-
nung beim Eintauchen in verschiedene Flüssigkeiten ändert. Von allen
untersuchten Substanzen wurde in anderen Versuchen gezeigt, daß sie
am isotonischen (nur mit 2gm belasteten) Hebel eine bedeutende Ver-
kürzung (Contractur) verursachen. Solche Substanzen sind eine sauer
Ringerlösung (pe unter 3), konzentrierte wässerige Chloroformlösung,
Äthyl- und Methylalkohol, Glycerin, Anilin, Ammoniak usw. Einige
Versuche sind abgebildet. Die Resultate bestätigen bezüglich der
Säurewirkung die Befunde von Schwenker. Die Säure kann fast keine
Spannung verursachen. Hierin unterscheidet sich diese Contractur
1) Schwenker, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 157, 371. 1914; siehe auch
Kopyloff, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 153, 129. 1913.
Biochemische Zeitschrift Band 182.
on
66 Fr. Verzar, J. Bövel und W. Szänyi:
von der natürlichen Muskelkontraktion, bei welcher die entwickelte
Spannung sehr bedeutend ist. Zum Vergleich wurde bei tetanischer
Reizung der Muskeln mit maximalen Reizen in jedem Versuch die
Mettiylalkohel
Anılın
4o C Ringer
Formaldehyd
Glycerin
konz Nac}
NH,OH
Abb. 2,
maximal entwickelte Spannung
gemessen. — Die Zuleitung des
Stromes geschah durch die beiden
Befestigungsstellen des Muskels. —
Wie aus Abb. 1 ersichtlich, über-
trifft diese die Spannung bei Säure-
contractur um das Vielfache.
Im Gegensatz zur Contractur
durch Säure läßt sich bei Contrac-
tur durch eiwcißBfällende Substan-
zen eine recht bedeutende Span-
nung erreichen. In Abb.1 ist
zuerst die Kalibrierung unseres
isometrischen Spannungshebels zu
sehen (a). Dann folgt ein Versuch
mit Chloroformeontractur. Zuerst
wurden in allen diesen Versuchen
mehrere isometrische Tetani bei
maximaler Reizung in Ringerlösung
ausgeführt (b, d). Dann folgte das
Eintauchen des Muskels in die con-
tracturerzeugende Substanz. Wie
man sieht, war bei Contractur durch
Chloroform (c) die Spannung sehr
bedeutend und betrug etwa die
Hälfte wie bei isometrischem Te-
tanus. Mit dem Sartorius der an-
deren Seite wurde derselbe Versuch
ausgeführt, jedoch so, daß als con-
tracturerregende Substanz Ringer-
lösung von py 2,6 benutzt wurde.
Diese gibt am isotonischen unbe-
lasteten Hebel, wie das aus Abb. 3
zu sehen ist, eine sehr große Con-
tractur, aus der Spannungskurve dagegen geht hervor, daß fast gar
keine Spannung entwickelt wurde (e).
_ Ebenso wie Chloroform verhielt sich (Abb. 2) Methylalkohol, Anilin
und Eiweißfällung durch Erwärmung auf 45°C, und auch Formalin.
Substanzen, die Contractur durch Wasserentziehung verursachen,
wie Glycerin und konzentrierte NaCl-Lösung, gaben keine bzw. geringe
Pa
yo u ae ES
e gg, -
Nom
eeng en — "Se
geet ——mee
` ef, Lg. in Di
nn ge, E '—
Chemische Contractur des Muskels. OT
Spannung. Auch die Contractur durch NH,OH gab im Verhältnis zu
der sehr großen Spannung, die der benutzte Muskel beim Tetanus
entwickelte, nur sehr geringe Spannung.
Von allen diesen Substanzen ist es bekannt, daß sie am isotonischen
Hebel bei geringer Belastung sehr bedeutende Contracturen, sehr starke
Verkürzungen zeigen. Aus den Dehnungskurven der nächsten Ab-
bildungen ist ersichtlich, daß bei 2 g Hebelbelastung die Contracturen
sehr groß waren.
Wir wollen hier vorerst keine weiteren Folgerungen daraus ziehen,
wie sich die Entwicklung von Spannung bei anderen Contracturen
verhält und nur darauf hinweisen, daß bei Säurecontractur keine Spannung
entwickelt wird, während bei Contractur durch Eiweißfällung starke
Spannung entsteht.
Nachdem sich somit herausgestellt hatte, daß die Säurecontractur
sich darin wesentlich von der natürlichen Kontraktion unterscheidet,
daß trotz starker Verkürzung nur minimale Spannung entwickelt wird,
gingen wir über auf die Untersuchung der |
Dehnbarkeit von contracturierten Muskeln.
Dehnungskurven gewinnt man, wenn man den Muskel nacheinander
mit verschiedenen Gewichten belastet und die Länge registriert.
Als Ausdruck der Dehnbarkeit benützen wir einen willkürlichen
Wert, nämlich das Areal, welches die Dehnungskurve mit der Ordinate
und der Abszisse ihres höchsten Punktes einschließt. Dabei wird als
Ordinate immer die Länge des unbelasteten Muskels benutzt. Je größer
die Dehnbarkeit eines Muskels ist, desto größer ist dieser Wert. Beim
normalen Muskel bezeichnen wir dieses Feld mit ABC, beim contractu-
rierten mit DEF.
Dreser!) hat hierfür einen anderen Wert benützt. Er berechnete nämlich das
Areal des von der Dehnungskurve und der aus dem Nullpunkt erhobenen Abszisse
und Ordinate umschlossenen Raumes und brachte diesen Wert in Vergleich zu
dem Dreieck, das entsteht, wenn man die 3 Endpunkte verbindet. Auch dieser
Wert ist natürlich willkürlich gewählt und schien uns für unsere Zwecke vor
der erwähnten einfacheren Ausdrucksweise keinen Vorteil zu bieten
Bezüglich der Methodik verfuhren wir ebenso wie seit Dreser?) und
Boudet?) üblich.
Wir belasteten die Muskeln mit steigenden Gewichten und registrierten die
Länge bei 5facher Vergrößerung auf dem Kymographion. Die bei jeder Belastung
gefundene Länge wurde auf Millimeterpapier eingetragen (Ausgezogene Kurve
—e—e—e—e—), Oberhalb der Ordinate bedeutet Verlängerung des Muskels, unter-
halb derselben Verkürzung. Sämtliche Versuche wurden am M. sartorius von R.
esculenta ausgeführt.
1) H. Dreser, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 23, 50 (vgl. Heinz, Handb.
d. exp. Pathol. u. Pharmakol. Bd. I (2), S. 513; I. (1), S. 576—587 1905).
2) Dreser, ]. c.
3) Boudet, De l’elasticite musculaire. These de med. Paris 1880.
5*
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Ier Afr Were a ea Eer, musten die folzenden besonderen
kr nter sate eL testa D'et Weier, Boe ene Ir onunsaurve aufgenommen
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3 Mar cter. ara tir än re Latet, Beier ort aset 3 Minuten und dann immer
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P-.a-t.r.. der pa tree nit Je lv: merr bis zu w z asföenommen. del
Aaner hanere 3 Met, mas earran sietas Zerfall lang ist. um den
MN .-kel af die Tose ber dieser Raas, ermi kham Lange zu bringen.
Nacn Ertisa-tino ketzze bert M oaet anf Ae Artarcsiinge zurück. Die Muskeln
kefanden ahoan einem ern Berater viet Ip cin Nermalversuchen mit Ringer-
henne zeit war: dene wurde darn a’ een ursi an ihre Stelle die zu unter-
irnende. Contrai tur ern ende Ss eraf Zei, ef Ip Kinoerkeuns: gegossen. Die
Contrarturentwinee “ch sb: h. mertens ind 5 Minuten. Dann wurde von
neuem mit den vers Rietenen Beiasto.r..en bezonnen und die neue Dehnunss-
kurye ren-"mert Io GE?
In vielen Versuchen wurden auch de maximalen Kontraktionen des unver-
‚ifteten Mnskels bei Belastung nat denselten Gewichten. de zur Dehnung benutzt
wurden. registrert »--<—- 2.2.2, Zur K-ızunz wunien maximale Öffnun,s-
sé hilare benutzt. Dre St romzulertun. ess E Al einerseits dee, due Hebel. anieri:
wata durch die untere Befestizunz de~s Miskels.
Säurecontraetur.
Es wurde zuerst gepruft. bei welcher H -Konzentration Säure-
contraetur zu-tande kommt und wie sich dabei die Dehnbarkeit
verhält.
Die Muskeln wurden hierzu in Rinzerlosung von verschiedener py
getaucht. Die Ringerlösung wurde ohne Carbonat gemacht und mittelst
N HCI bzw. Po NaOH die entsprechende H -Konzentration herge-
stellt und nach der Indieatormethode von Michaelis!) gemessen.
In der Tab. I sind die Resultate von 32 Bestimmungen an 22 Muskeln
zusammengestellt. Die Größe der Contractur ist in Millimetern des
/aigerausschlages angegeben. Die Größen der Ausschläge in verschie-
denen Versuchen sind nicht direkt miteinander vergleichbar. weil sie
an verschiedenen Muskeln aufgenommen wurden.
Wie aus der Tabelle ersichtlich ist. konnte bis zu py 3.8 überhaupt
keine Contraetur erreicht werden. Erst von py 3 abwärts entwickeln
rich regelmäßig starke Contracturen. In einigen Fällen konnte auch in
alkalischen Lösungen bei pg 9 bis py 10 eine geringe Alkalicontractur
beobachtet werden. jedoch nicht konstant. In dem ganzen Bereich
von pa A bis Du 7,5 ist gar keine Contractur zu erreichen. Versuche mit
verdünnter HCI in physiologischer NaCl-Lösung gaben etwa dieselben
tesultate, wie Lösungen von derselben py in Ringerlösung. Zur Er-
reichung einer Contractur bedarf es also einer Dn = 3.
!) Diese Zeitschr. 109, 165. 1920.
Chemische Contractur des .Muskels. 69
Tabelle I.
Säurecontracturen.
Versuch | PH | Contractur Bemerkung
mm
Dee, Te MAE EUR VEEREDNEESSSEHESESERBRRNEEN
V8 | 1,4 50 |
7 78 2,1 40
B553 | 20 28
B 36/2 | 2,5 38
B 38/2 ` 2,5 38
B37 | 25 40
B35 | 2,5 51
B 62 2,6 44
BB | 26 40 32/1- HCI, ähnlich wirkt
B 55/2 | 2,6 24 3 n/ 100, 3 Dia "/ 100, Hie HCI.
V 86 2,61 m.
B6 3,1 66 |
B 36/2 3,8 4 Innerhalb d. Versuchsfehler.
Vo ' 41 0 |
pen | 54 o |
V 82 6,1 0
B 63/1 | SCH | 0
63/4 | 7,1 0 |
B39 | 7,5 ` 0
v9 - 7,67 0
B 63 8.2 0
B 46 8,5 0
B 55 9,0 7
V85 9,4 0
B47 9.6 0
v8 | 100 14
B 63/3 10,5 0
Nach Burridge!) wurde eine maximale Contractur erreicht bei einer H-Ionen-
konzentration von 1,5-10 * bei Anwendung von HCl, und bei Anwendung von
Essigsäure bei einer H-Ionenkonzentration 3,2 - In. Diese Werte entsprechen
den hier gefundenen.
Nach Schwenker (l. c.) ist die H-Ionenkonzentration, bei der sie eben noch
eine Contractur erzeugen können, davon abhängig, wie hoch sie in der Reihe der
aliphatischen Reihe stehen, also mit ihrem Dissoziationsgrad verbunden.
An den durch die Säure in Contractur geratenen Muskeln wurden
nun Dehnungskurven ausgeführt, die in den Kurven gestrichelt wieder-
gegeben sind. Als Beispiel ist Versuch V 78 und V 84 abgebildet (Abb. 3).
Man sieht, daß die säurecontracturierten Muskeln sehr stark dehnbar
sind.
Wie aus den Dehnungskurven ersichtlich, ist ein mit 10 g belasteter
Muskel in Säure ebenso lang wie ein unbelasteter. Etwa bei 30—40 gm
sind die Muskeln in gewöhnlicher und in saurer Lösung ganz gleich lang.
Als Maß für die Dehnbarkeit haben wir oben das Areal ABC beim nor-
malen und EFG beim durch Säure verkürzten Muskel eingeführt. Wie
1) Burridge, Journ. of physiol. 41, 285. 1910.
H E E E
Man AE sT Lewes Leu "een Misa-ı ız Saurerontractur bedeutend
aT Lef Aus e m oa puen n Bunders int E wt. Die Dehnbarkeit
S F
7'r. ABC drückt das aus.
Po 28:27 Hre etwa Doret = Moue Lenntars-it an. wie am normalen
L
; i S . .- i .
Lef um Terir Tre IT er — fon Ei, TI d
Wrfnier b= A Leier Dhur sAr geringer Spannung
Es st Arie Ee V Dien., Se 77 2 vert maximale Tetanus
bei leier rir Le Cer Lier Seuwtizz in zewohnlicher Ringer-
Si war cie mit —o—o—o— be-
=>; we z-a treten MKürven;. Man kann
Pa pema ie et erbei ut bei keiner Be-
«4 3
. KA
Jann cens berkärzungsgrade er-
den. wa a hei natürlicher Kon-
D eeng mea ups Hierzu wäre
= a vi "«meraen. daß nach den
f Ae vn Berridge. Schwenker,
X A d SC ÄM va und Dale!) die
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A
`
H
U
2 oo olerti nrar sind. Selbst diese er-
. m. Ce ra:n unseren Erfahrungen
| mant ie Veraurzungsgrade normaler
| EA Get Kontraktionen. Schwen-
ar. der auch die Größe der Con-
CAE ünteruchte. fand. daß die
Saunweortractur diese erreichen
| | kann We wir nachträglich be-
X
| | ersen. e’alart sich das aus seiner
WI
J
I
N
1
Uu Verirsaneominung Wenn er, wie
das meist geschah. wahrend der
Fır.asrkur.g der centraeturerzeüuzerien NSutstanz die Muskeln tetani-
TePe. zo war die Contractur Immer hoher. als wenn er das nicht tat
(~. 414, Wir reizten nicht dazwischen und haben deshalb auch nicht
on habe Cortracturen erhalten. Eine geruzente Erklärung für die
or rartur-te.zernde Wirkung von Kontraktionen hegt nicht vor.
Wenn man bedenkt. daß LL ım Muskel niemals so hohe Säuregrade
ent-teben, wie wir sie notwendig fanden. um eine Contractur zu ver-
"re. EA e VEER
ur-achen "ten = 3). dab 2. die Saurecontractur mit sehr geringer Spannung
und 3. nt großer Dehnbarkeit einhergeht. so wird man zugeben müssen,
dah diese Versuche durchaus nicht zugunsten der Naurequellungstheorie
der Mu-kelkontraktion sprechen. Die Säure dringt. wie aus vielfachen
Versuchen bekannt ist, sehr leicht in das Innere der Muskelfaser. Es
H) Minea und Dale. Joum. of physiol 42. 29. 1011.
Chemische Contractur des Muskels. 71
kann also kein Zweifel darüber bestehen, daß sie auch in diesen Ver-
suchen tatsächlich eingedrungen ist und auch jene Faserteilchen mit
Säure durchtränkt sind, die nach der Säuretheorie der Muskelkontrak-
tion durch die Säure quellen und die Verkürzung zur Folge haben.
Trotzdem ist die Spannung und die Dehnbarkeit ganz anders als bei
natürlicher Kontraktion. |
Contractur durch Eiweißfällung.
Chloroform!). Abb. 4.
Ringerlösung wurde mit Chloroform geschüttelt und diese ge-
sättigte Chloroformlösung zum Muskel gegossen. — Als Beispiel von
4 Versuchen diene Versuch b 24a. Die Contractur ohne Belastung (2 g)
ist sehr groß.
Die Dehnbarkeit ist geringer oder ebenso groß wie beim normalen
Muskel, denn es wurde bis zur Zerreißung der Muskelfasern (Versuch V 91)
kein Gewicht gefunden, durch welches
der Muskel auf seine normale Länge
gedehnt wurde. So ist das Dehnungs-
areal in Versuch B 24 A normal 8,26,
in Chloroformstarre 6,34, das Verhält-
nis EFG : ABC = 6,34 : 8,26 = 0,8.
Die Größe der Contractur erreicht
jene der maximalen tetanischen Kon-
traktion, wie das z. B. in Versuch V 91
zu sehen ist. Die Verkürzung des
normalen Muskels beim Heben von
Gewichten erreicht nie die Größe
der Chloroformcontractur bei dersel-
ben Belastung. Die ‚Arbeitsleistung‘
des Muskels in Chloroformstarre ist
also größer als die des normalen
Muskels.
Bei einer Belastung oberhalb 40 g kann oft eine plötzliche Dehnung
stattfinden. Diese dürfte die Folge einer Zerreißung von Fibrillen sein.
Sie tritt in den Kurven als ein Knick auf. Sie ist also nicht ein Ausdruck
der zunehmenden Dehnbarkeit des Muskels, sondern nur ein Beweis
geringerer Festigkeit des chloroformstarren Muskels.
In solchen Fällen kann man die Dehnbarkeitskurven des normalen
und contracturierten Muskels nur bis zur Knickung vergleichen. Auch
das Dehnbarkeitsareal ist nur soweit berechenbar.
Versuch b 24a Versuch V 91
Abb. 4.
1) Es werden immer nur Versuchsbeispiele von zahlreichen gleichen Versuchen
angeführt.
12 Fr. Verzär. J. Bogel und W. Szanvi:
Methylalkohol. Abb. 5.
Ähnlich wie mit Chloroform fielen die Versuche mit verschiedenen
Alkoholen aus. In allem Wesentlichen herrscht Übereinstimmung mit
ersterem, das als Typus für die Contractur durch Eiweißfällung betrachtet
werden kann. Mit 50°/, Methylalkohol war die Contractur, wie aus den
Versuchen B3la und V 80 hervorgeht, sehr bedeutend. Die Größe
B
A n g Is des len
Rn 22 32 «%2 22 32 wë 352
SÉ
PR eg
Ze
Versuch B Bla Versuch V Mi Versuch V 109
Abb. 5. Abb. 6.
der Contractur erreichte bei 2g Belastung jedoch nicht die Größe des
maximalen Tetanus. Die Dehnbarkeit des contracturierten Muskels
war gering. Geringer als die des normalen. EFG : ABC = 3.14 : 7,64
= 0,4 bzw. 11,7 : 12,2 = 0,9. Bei jeder Belastung, außer der geringsten,
war jedoch die tetanische Kontraktion bedeutend niedriger als die Con-
tractur, wenn am contracturierten Muskel dasselbe Gewicht befestigt
wurde. Die scheinbare Arbeitsleistung des contracturierten Muskels
war also auch hier größer als beim Tetanus.
Äthylalkohol. Abb. 6.
Gabin der Konzentration von 750/, viel geringere Contractur als Methyl-
alkohol. Jedoch war die Dehnbarkeit geringer als normal. EFG: ABC
= 3,52 : 9,48 = 0,4. Nur bei Anwendung von 50 g Belastung war die
tetanische Kontraktion niedriger als die Dehnung des contracturierten
Muskels durch dasselbe Gewicht.
Amylalkohol. Abb. 7.
Gibt bereits in 2proz. Lösung sehr bedeutende Contractur von der
Größe eines maximalen Tetanus. Das Dehnbarkeitsareal beträgt in
Versuch B 25a EFG : ABC = 7.48 : 8.00 = 0.9, in Versuch V 77 = 1.5.
Chenische Contractur des Muskels. 73
Die Dehnbarkeit ist also auch hier geringer als in Ringerlösung.
Die Festigkeit des Muskels ist auch hier vermindert, wie z. B. aus Ver-
such V 77 hervorgeht, in welchem die Dehnungskurve als Folge einer
Zerreißung der Fasern einen Knick nach oben zeigt. — Die Länge des
contracturierten Muskels bei Belastung war außer bei geringster Be-
lastung immer größer als bei tetanischer Kontraktion, die scheinbare
Arbeitsleistung des contracturierten Muskels also größer.
Formaldehyd. Abb. 8.
Gibt in 5 proz. Lösung Contractur, die nicht die Größe der maximalen
tetanischen Kontraktion erreicht. Die Dehnbarkeit ist vermindert.
Versuch b 25a Versuch V 77 Versuch b 67a Versuch b 67 b
(proz. HCOH) (10 proz. HCOH)
Abb. 8.
Abb. 7.
Es wurde kein Gewicht gefunden, mit welchem der Muskel auf seine
ursprüngliche Länge verlängert worden wäre. Der contracturierte Muskel
ist bei jeder Belastung (über 2g) immer länger als bei tetanischer
Kontraktion mit derselben Belastung. — Die scheinbare Arbeitsleistung
bei Contractur ist also größer als die wirkliche Arbeit beim Tetanus.
Anilin. Abb. 9.
l proz. Lösungen machen sehr bedeutende, fast maximale Contrac-
turen.
Die Dehnbarkeit ist etwas größer als beim normalen Muskel. Die
Areale betrugen in Versuch B 27 12,2 : 8,2 = 1,5, in Versuch V 95
= 20,4 : 15,1 = 1,3. Auffallend ist die langsame Nachdehnung. Der
Muskel wird nicht sogleich, sondern erst nach und nach verlängert.
Das Anilin wirkt also nicht ganz so, wie die typischen eiweißfällenden
Contracturerreger. Trotzdem ist die Länge des contracturierten Muskels
66 Fr. Verzar, J. Börel und W. Szanyi:
von der natürlichen Muskelkontraktion, bei welcher die entwickelte
Spannung sehr bedeutend ist. Zum Vergleich wurde bei tetanischer
Reizung der Muskeln mit maximalen Reizen in jedem Versuch die
Methylalkohol
Anilin
45 C Ringer
Formaldehyd
Glycerin
konz NaCl
NH,OH
Abb. 2.
maximal entwickelte Spannung
gemessen. — Die Zuleitung des
Stromes geschah durch die beiden
Befestigungsstellen des Muskels. —
Wie aus Abb. 1 ersichtlich, über-
trifft diese die Spannung bei Säure-
contractur um das Vielfache.
Im Gegensatz zur Contractur
durch Säure läßt sich bei Contrac-
tur durch eiweißfällende Substan-
zen eine recht bedeutende Span-
nung erreichen. In Abb.1 ist
zuerst die Kalibrierung unseres
isometrischen Spannungshebels zu
sehen (a). Dann folgt ein Versuch
mit Chloroformeontractur. Zuerst
wurden in allen diesen Versuchen
mehrere isometrische Tetani bei
maximaler Reizung in Ringerlösung
ausgeführt (b, d). Dann folgte das
Eintauchen des Muskels in die con-
tracturerzeugende Substanz. Wie
man sieht, war bei Contractur durch
Chloroform (c) die Spannung sehr
bedeutend und betrug etwa die
Hälfte wie bei isometrischem Te-
tanus. Mit dem Sartorius der an-
deren Seite wurde derselbe Versuch
ausgeführt, jedoch so, daß als con-
tracturerregende Substanz Ringer-
lösung von py 2,6 benutzt wurde.
Diese gibt am isotonischen unbe-
lasteten Hebel, wie das aus Abb. 3
zu sehen ist, eine sehr große Con-
tractur, aus der Spannungskurve dagegen geht hervor, daß fast gar
keine Spannung entwickelt wurde (e).
Ebenso wie Chloroform verhielt sich (Abb. 2) Methylalkohol, Anilin
und Eiweißfällung durch Erwärmung auf 45° C, und auch Formalin.
Substanzen, die Contractur durch Wasserentziehung verursachen,
wie Glycerin und konzentrierte NaCl-Lösung, gaben keine bzw. geringe
5
Noe eg, „EEE. ge, A
Chemische Contractur des Muskels. 47
Spannung. Auch die Contractur durch NH,OH gab im Verhältnis zu
der sehr großen Spannung, die der benutzte Muskel beim Tetanus
entwickelte, nur sehr geringe Spannung.
Von allen diesen Substanzen ist es bekannt, daß sie am isotonischen
Hebel bei geringer Belastung sehr bedeutende Contracturen, sehr starke
Verkürzungen zeigen. Aus den Dehnungskurven der nächsten Ab-
bildungen ist ersichtlich, daß bei 2 g Hebelbelastung die Contracturen
sehr groß waren. |
Wir wollen hier vorerst keine weiteren Folgerungen daraus ziehen,
wie sich die Entwicklung von Spannung bei anderen Contracturen
verhält und nur darauf hinweisen, daß bei Säurecontractur keine Spannung
entwickelt wird, während bei Contractur durch Eiweißfällung starke
Spannung entstebt.
Nachdem sich somit herausgestellt hatte, daß die Säurecontractur
sich darin wesentlich von der natürlichen Kontraktion unterscheidet,
daß trotz starker Verkürzung nur minimale Spannung entwickelt wird,
gingen wir über auf die Untersuchung der
Dehnbarkeit von contracturierten Muskeln.
Dehnungskurven gewinnt man, wenn man den Muskel nacheinander
mit verschiedenen Gewichten belastet und die Länge registriert.
Als Ausdruck der Dehnbarkeit benützen wir einen willkürlichen
Wert, nämlich das Areal, welches die Dehnungskurve mit der Ordinate
und der Abszisse ihres höchsten Punktes einschließt. Dabei wird als
Ordinate immer die Länge des unbelasteten Muskels benutzt. Je größer
die Dehnbarkeit eines Muskels ist, desto größer ist dieser Wert. Beim
normalen Muskel bezeichnen wir dieses Feld mit ABC, beim contractu-
rierten mit DEF.
Dreser!) hat hierfür einen anderen Wert benützt. Er berechnete nämlich das
Areal des von der Dehnungskurve und der aus dem Nullpunkt erhobenen Abszisse
und Ordinate umschlossenen Raumes und brachte diesen Wert in Vergleich zu
dem Dreieck, das entsteht, wenn man die 3 Endpunkte verbindet. Auch dieser
Wert ist natürlich willkürlich gewählt und schien uns für unsere Zwecke vor
der erwähnten einfacheren Ausdrucksweise keinen Vorteil zu bieten
Bezüglich der Methodik verfuhren wir ebenso wie seit Dreser?) und
Boudet?) üblich.
Wir belasteten die Muskeln mit steigenden Gewichten und registrierten die
Länge bei öfacher Vergrößerung auf dem Kymographion. Die bei jeder Belastung
gefundene Länge wurde auf Millimeterpapier eingetragen (Ausgezogene Kurve
—e—e—e—e—). Oberhalb der Ordinate bedeutet Verlängerung des Muskels, unter-
halb derselben Verkürzung. Sämtliche Versuche wurden am M. sartorius von R.
esculenta ausgeführt.
1) H. Dreser, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. %7, 50 (vgl. Heinz, Handb.
d. exp. Pathol. u. Pharmakol. Bd. I (2), S. 513; I. (1), S. 576—587 1905).
2) Dreser, l. c.
3) Boudet, De lélasticité musculaire. Thèse de med. Paris 1880.
5*
68 Fr. Verzär, J. Bögel und W. Szänyi:
Um vergleichbare Werte zu bekommen, mußten die folgenden besonderen
Vorsichtsmaßregeln beobachtet werden. Ehe eine Dehnungskurve aufgenommen
wurde, mußte eine konstante Länge des Muskels erreicht werden. Er wurde deshalb
3 Minuten lang mit 50 g belastet, wieder entlastet (3 Minuten) und dann immer
in 3 Minuten-Perioden das 3 mal wiederholt. Man erhält so reversible Werte;
der Muskel kehrt dann immer auf die gleiche Länge zurück. — Erst dann wird
die Dehnungskurve aufgenommen. Der erste Punkt (‚„unbelastet‘‘) war mit 2 g
Belastung, der nächste mit je 10g mehr bis zu 50 g aufgenommen. Jede
Belastung dauerte 3 Minuten, was erfahrungsgemäß genügend lang ist, um den
Muskel auf die größte bei dieser Belastung erreichbare Länge zu bringen.
Nach Entlastung kehrte der Muskel auf die Anfangslänge zurück. Die Muskeln
befanden sich in einem engen Behälter, der in den Normalversuchen mit Ringer-
lösung gefüllt war; diese wurde dann abgelassen und an ihre Stelle die zu unter-
suchende, Contractur erregende Substanz (gelöst in Ringerlösung) gegossen. Die
Contractur entwickelte sich sogleich, meistens in 3—5 Minuten. Dann wurde von
neuem mit den verschiedenen Belastungen begonnen und die neue Dehnungs-
kurve registriert (— — — — "— — L
In vielen Versuchen wurden auch die maximalen Kontraktionen des unver-
gifteten Muskels bei Belastung mit denselben Gewichten, die zur Dehnung benutzt
wurden, registriert (—o—o—o—o—). Zur Reizung wurden maximale Öffnungs-
schläge benutzt. Die Stromzuleitung geschah einerseits durch den Hebel, anderer-
seits durch die untere Befestigung des Muskels.
Säurecontraectur.
Es wurde zuerst geprüft, bei welcher H -Konzentration Säure-
contractur zustande kommt und wie sich dabei die Dehnbarkeit
verhält.
Die Muskeln wurden hierzu in Ringerlösung von verschiedener Py
getaucht. Die Ringerlösung wurde ohne Carbonat gemacht und mittelst
Die HCl bzw. n/ „NaOH die entsprechende H -Konzentration herge-
stellt und nach der Indicatormethode von Michaelis!) gemessen.
In der Tab. I sind die Resultate von 32 Bestimmungen an 22 Muskeln
zusammengestellt. Die Größe der Contractur ist in Millimetern des
Zeigerausschlages angegeben. Die Größen der Ausschläge in verschie-
denen Versuchen sind nicht direkt miteinander vergleichbar, weil sie
an verschiedenen Muskeln aufgenommen wurden.
Wie aus der Tabelle ersichtlich ist, konnte bis zu py 3,8 überhaupt
keine Contractur erreicht werden. Erst von pe 3 abwärts entwickeln
sich regelmäßig starke Contracturen. In einigen Fällen konnte auch in
alkalischen Lösungen bei Ge 9 bis pe 10 eine geringe Alkalicontractur
beobachtet werden, jedoch nicht konstant. In dem ganzen Bereich
von De 3 bis Ge 7,5 ist gar keine Contractur zu erreichen. Versuche mit
verdünnter HCl in physiologischer NaCl-Lösung gaben etwa dieselben
Resultate, wie Lösungen von derselben pg in Ringerlösung. Zur Er-
reichung einer Contractur bedarf es also einer py = 3.
1) Diese Zeitschr. 109, 165. 1920.
— —— a |
Chemische Contractur des Muskels. 69
Tabelle I.
Säurecontracturen.
| )
Versuch PH , Contractur | Bemerkung
f mm |
A RÄ 1,4 30 |
V8 21o A0
B 55/3 20 | 28 |
B 36/2 2,5 38 Ä
B 38/2 2,5 38 |
B 37 25 | 0.
B 35 2,5 51 Ä
B 62 2,6 44
B 58 2,6 40 | 30/0007 HCl, ähnlich wirkt
B 55/2 2,6 24 3 Bian, 3 wit R/ 100, a/10- HC].
V 86 2,61 | T
B 61 3,1 66
B 36/2 3,8 | 4 ! Innerhalb d. Versuchsfehler.
\96 4,1 0 |
B 63/5 5,4 0
V8? 6,1 | 0
B 63/1 7,1 0
63/4 ‘1 0
B 39 15° 0
v 93 1,67 0
B 63 8,2 d
B 46 8,5 0
B55 9,0 T
v85 i 9,4 0 |
B47 9,6 () |
VH n 10,0 14
B 63/3 10,5 0
Nach Burridge!) wurde eine maximale Contractur erreicht bei einer H-Ionen-
konzentration von 1,5 : 10 ? bei Anwendung von HC], und bei Anwendung von
Essigsäure bei einer H-Ionenkonzentration 3,2 - 10°n. Diese Werte entsprechen
den hier gefundenen.
Nach Schwenker (l. c.) ist die H-Ionenkonzentration, bei der sie eben noch
eine Contractur erzeugen können, davon abhängig, wie hoch sie in der Reihe der
aliphatischen Reihe stehen, also mit ihrem Dissoziationsgrad verbunden,
An den durch die Säure in Contractur geratenen Muskeln wurden
nun Dehnungskurven ausgeführt, die in den Kurven gestrichelt wieder-
gegeben sind. Als Beispiel ist Versuch V 78 und V 84 abgebildet (Abb. 3).
Man sieht, daß die säurecontracturierten Muskeln sehr stark dehnbar
sind.
Wie aus den Dehnungskurven ersichtlich, ist ein mit 10 g belasteter
Muskel in Säure ebenso lang wie ein unbelasteter. Etwa bei 30—40 gm
sind die Muskeln in gewöhnlicher und in saurer Lösung ganz gleich lang.
Als Maß für die Dehnbarkeit haben wir oben das Areal ABC beim nor-
malen und EFG beim durch Säure verkürzten Muskel eingeführt. Wie
1) Burridge, Journ. of physiol. 41, 285. 1910.
0 Fr. Verzär, J. Bögel und W. Szänyi:
man sieht, ist dieses Areal beim Muskel in Säurecontractur bedeutend
größer als beim normalen (in Ringerlösung von Py 7,4). Die Dehnbarkeit
ist also bedeutend größer. Das Verhältnis EFG : ABC drückt das aus.
Es zeigt eine etwa doppelt so große Dehnbarkeit an, wie am normalen
Muskel. EFG : ABC = 1,9.
Wir finden also, daß die Säurecontractur mit sehr geringer Spannung
und großer Dehnbarkeit einhergeht.
Es ist auch untersucht worden, wie groß der maximale Tetanus
bei jeder zur Dehnung benutzten Belastung in gewöhnlicher Ringer-
£ lösung war (die mit —o—o—o— be-
zeichneten Kurven). Man kann
durch Säurecontractur bei keiner Be-
lastung jene Verkürzungsgrade er-
reichen, wie sie bei natürlicher Kon-
traktion möglich sind. Hierzu wäre
noch zu bemerken, daß nach den
Angaben von Burridge, Schwenker,
Kopyloff, Mines und Dale!) die
stärksten .Contracturen durch 2/10-
HCl erreichbar sind. Selbst diese er-
reichen nach unseren Erfahrungen
nicht die Verkürzungsgrade normaler
tetanischer Kontraktionen. Schwen-
ker, der auch die Größe der Con-
tractur untersuchte, fand, daß die
Säurecontractur diese erreichen
kann. Wie wir nachträglich be-
merken, erklärt sich das aus seiner
Versuch V 78 Versuch V 84 Versuchsanordnung. Wenn er, wie
u das meist geschah, während der
Einwirkung der contracturerzeugenden Substanz die Muskeln tetani-
sierte, so war die Contractur immer höher, als wenn er das nicht tat
(S. 414). Wir reizten nicht dazwischen und haben deshalb auch nicht
so hohe Contracturen erhalten. Eine genügende Erklärung für die
contractursteigernde Wirkung von Kontraktionen liegt nicht vor.
Wenn man bedenkt, daß l. im Muskel niemals so hohe Säuregrade
entstehen, wie wir sie notwendig fanden, um eine Contractur zu ver-
ursachen (Py = 3), daß 2. die Säurecontractur mit sehr geringer Spannung
und 3. mit großer Dehnbarkeit einhergeht, so wird man zugeben müssen,
daß diese Versuche durchaus nicht zugunsten der Säurequellungstheorie
der Muskelkontraktion sprechen. Die Säure dringt, wie aus vielfachen
Versuchen bekannt ist, sehr leicht in das Innere der Muskelfaser. Es
| 1) Mines und Dale, Journ. of physiol. 42. 29. 1911.
SR
wë +
Chemische Contractur des Muskels. 71
kann also kein Zweifel darüber bestehen, daß sie auch in diesen Ver-
suchen tatsächlich eingedrungen ist und auch jene Faserteilchen mit
Säure durchtränkt sind, die nach der Säuretheorie der Muskelkontrak-
tion durch die Säure quellen und die Verkürzung zur Folge haben.
Trotzdem ist die Spannung und die Dehnbarkeit ganz anders als bei
natürlicher Kontraktion. |
Contractur durch Eiweißfällung.
Chloroform!). Abb. 4.
Ringerlösung wurde mit Chloroform geschüttelt und diese ge-
sättigte Chloroformlösung zum Muskel gegossen. — Als Beispiel von
4 Versuchen diene Versuch b 24a. Die Contractur ohne Belastung (2 g)
ist sehr groß.
Die Dehnbarkeit ist geringer oder ebenso groß wie beim normalen
Muskel, denn es wurde bis zur Zerreißung der Muskelfasern (Versuch V 91)
kein Gewicht gefunden, durch welches
der Muskel auf seine normale Länge
gedehnt wurde. So ist das Dehnungs-
areal in Versuch B 24 A normal 8,26,
in Chloroformstarre 6,34, das Verhält-
nis EFG : ABC = 6,34 : 8,26 = 0,8.
Die Größe der Contractur erreicht
jene der maximalen tetanischen Kon-
traktion, wie das z. B. in Versuch V 91
zu sehen ist. Die Verkürzung des
normalen Muskels beim Heben von
SG
2 22 32 wë
i i i n £
Gewichten erreicht nie die Größe 27
der Chloroformcontractur bei dersel- Ba
ben Belastung. Die ‚Arbeitsleistung‘‘ PR
des Muskels in Chloroformstarre ist 12 e
also ößer als die des normalen Versuch b 24a Versuch Y 91
er | Abb. 4.
Muskels.
Bei einer Belastung oberhalb 40 g kann oft eine plötzliche Dehnung
stattfinden. Diese dürfte die Folge einer Zerreißung von Fibrillen sein.
Sie tritt in den Kurven als ein Knick auf. Sie ist also nicht ein Ausdruck
der zunehmenden Dehnbarkeit des Muskels, sondern nur ein Beweis
geringerer Festigkeit des chloroformstarren Muskels.
In solchen Fällen kann man die Dehnbarkeitskurven des normalen
und contracturierten Muskels nur bis zur Knickung vergleichen. Auch
das Dehnbarkeitsareal ist nur soweit berechenbar.
1) Es werden immer nur Versuchsbeispiele von zahlreichen gleichen Versuchen
angeführt.
12 Fr. Verzär, J. Börel und W. Szanyt:
Methylalkohol. Abb. 5.
Ähnlich wie mit Chloroform fielen die Versuche mit verschiedenen
Alkoholen aus. In allem Wesentlichen herrscht Übereinstimmung mit
ersterem, das als Typus für die Contractur durch Eiweißfällung betrachtet
werden kann. Mit 50°/, Methylalkohol war die Contractur, wie aus den
Versuchen B3la und V 80 hervorgeht, sehr bedeutend. Die Größe
B
ja E EE E EE ERS
D 22 32 42 72 {22 32 a 52
PE
së
LEE
Ze
Versuch B 81a Versuch V 80 Versuch V 109
Abb. 5. Abb. 6.
der Contractur erreichte bei 2g Belastung jedoch nicht die Größe des
maximalen Tetanus. Die Dehnbarkeit des contracturierten Muskels
war gering. Geringer als die des normalen. EFG : ABC = 3,14 : 7,64
= 0,4 bzw. 11,7 : 12,2 = 0,9. Bei jeder Belastung, außer der geringsten,
war jedoch die tetanische Kontraktion bedeutend niedriger als die Con-
tractur, wenn am contracturierten Muskel dasselbe Gewicht befestigt.
wurde. Die scheinbare Arbeitsleistung des contracturierten Muskels
war also auch hier größer als beim Tetanus.
Äthylalkohol. Abb. 6.
Gabin der Konzentration von 750/ viel geringere Contractur als Methyl-
alkohol. Jedoch war die Dehnbarkeit geringer als normal. EFG: ABC
= 3,52 : 9,48 = 0,4. Nur bei Anwendung von 50 g Belastung war die
tetanische Kontraktion niedriger als die Dehnung des contracturierten
Muskels durch dasselbe Gewicht.
Amylalkohol. Abb. 7.
Gibt bereits in 2proz. Lösung sehr bedeutende Contractur von der
Größe eines maximalen Tetanus. Das Dehnbarkeitsareal beträgt in
Versuch B 25a EFG : ABC = 7.48 : 8,00 = 0,9, in Versuch V 77 = 1.5.
+
Chemische Contractur des Muskels. 73
Die Dehnbarkeit ist also auch hier geringer als in Ringerlösung.
Die Festigkeit des Muskels ist auch hier vermindert, wie z. B. aus Ver-
such V 77 hervorgeht, in welchem die Dehnungskurve als Folge einer
Zerreißung der Fasern einen Knick nach oben zeigt. — Die Länge des
contracturierten Muskels bei Belastung war außer bei geringster Be-
lastung immer größer als bei tetanischer Kontraktion, die scheinbare
Arbeitsleistung des contracturierten Muskels also größer.
Formaldehyd. Abb. 8.
Gibt in 5 proz. Lösung Contractur, die nicht die Größe der maximalen
tetanischen Kontraktion erreicht. Die Dehnbarkeit ist vermindert.
Versuch b 25a Versuch V 77 Versuch b 67a Versuch b 67 b
(5 proz. HCOH) (10 proz. HCOH)
Abb. 7. Abb. 8.
Es wurde kein Gewicht gefunden, mit welchem der Muskel auf seine
ursprüngliche Länge verlängert worden wäre. Der contracturierte Muskel
ist bei jeder Belastung (über 2g) immer länger als bei tetanischer
Kontraktion mit derselben Belastung. — Die scheinbare Arbeitsleistung
bei Contractur ist also größer als die wirkliche Arbeit beim Tetanus.
Anilin. Abb. 9.
l proz. Lösungen machen sehr bedeutende, fast maximale C'ontrac-
turen.
Die Dehnbarkeit ist etwas größer als beim normalen Muskel. Die
Areale betrugen in Versuch B 27 12,2 : 8,2 = 1,5, in Versuch V 95
= 20,4 : 15,1 = 1,3. Auffallend ist die langsame Nachdehnung. Der
Muskel wird nicht sogleich, sondern erst nach und nach verlängert.
Das Anilin wirkt also nicht ganz so, wie die typischen eiweißfällenden
Contracturerreger. Trotzdem ist die Länge des contracturierten Muskels
T4 Fr. Verzár, J. Bögel und W. Szányi:
bei Belastung immer größer als bei entsprechender tetanischer Kon-
traktion, die Arbeitsleistung bei Contractur also größer.
8 Allen diesen eiweißfällenden Sub-
stanzen ist also gemeinsam, daß sie
starke Contracluren verursachen [am
wenigsten Äthylalkohol und Form-
,/ € aldehyd!)]. Diese kann die Größe
eines maximalen Tetanus erreichen.
Sie geht mit geringer Dehnbarkeit ein-
her, so daß der Muskel durch kein
Gewicht auf seine Anfangslänge ge-
dehnt werden kann. Hierin unter-
scheidet sich die Contractur durch
Eiweißfällung sehr wesentlich von der
Säurecontractur. Diese Eigenschaft
des chemisch contracturierten Muskels
bringt es mit sich, daß die contractu-
rierten Muskeln bei Belastung immer
länger sind als bei tetanischer Con-
Versuch B 27 Versuch V95 traction mit demselben Gewicht.
Abb. 9. Diese Eigenschaft ist gerade das
Gegenteil von dem, was bei der Säurecontractur beobachtet wurde.
Man könnte den Wert Gewicht- Verkürzung der Muskelfaser bei
der C'ontractur als ‚scheinbare Arbeitsleistung‘ bezeichnen. Nach diesen
e Befunden wäre dieser Wert bei dem säurecontracturier-
ten Muskel kleiner, bei dem chemischcontracturierten
größer als die normale Arbeitsleistung. Die Arbeits-
kurve des normalen Muskels liegt bei Säurecontrac-
tur unterhalb der Dehnungskurve (= Kurve der
scheinbaren Arbeitsleistung in der Contractur); bei
j chemischer Contractur dagegen oberhalb dieser.
| r
22 32 e Y2 52
d Konzentrierte NaCl-Lösung. Abb. 10.
Ihre Wirkung kann wohl im wesentlichen als die
Folge von Wasserentziehung aus dem Muskel auf-
gefaßt werden. Es entsteht eine starke, maximalen
Versuch V 79 Reizen an Größe entsprechende Contractur.
N Die Dehnbarkeit ist geringer als bei Säurecontrac-
tur. jedoch größer als bei Contractur durch Eiweißfällung. Die Dehnbar-
keitsareale waren z. B. in Versuch V 79 EFG : ABC = 19,3 : 12,2 = 1,6.
Erst durch 38 e kann der Muskel auf die ursprüngliche Länge gedehnt
E,
1) Die Größe und der zeitliche Ablauf der Contracturen bei den Alkoholen,
Chloroform usw. ist bei Schwenker beschrieben.
Chemische Contractur des Muskels. 75
werden, aber selbst bei der größten Belastung erreicht er nicht die
entsprechende Länge wie in Ringerlösung. Bei jeder Belastung (außer
der geringsten) ist der contracturierte Muskel länger als der mit der-
selben Belastung tetanisch kontraktierte. — Die ‚scheinbare Arbeits-
leistung‘ bei der Contractur ist also größer. |
Glycerin. Abb. 11.
Wirkt auch im wesentlichen durch Wasserentziehung. Eine 15 proz.
Glycerinlösung machte eine geringe Contractur, auch 50 proz. Glycerin
gab nur eine Contractur, die bedeutend kleiner war wie durch maxi-
malen Tetanus erreicht werden kann. Die Dehnbarkeit des Muskels
ist nur wenig anders als die der normalen, mit keinem Gewicht aber
könnte erreicht werden, daß der Muskel auf dieselbe Länge gebracht
wird wie in Ringerlösung. l
Die Dehnbarkeitsareale waren in
Versuch V 97 EFG : ABC = 8.3: 9,1
-= 0,8, in Versuch B 33 EFG : ABC
= 13,7 : 10,6 = 1,3.
Nebenbei sei noch erwähnt, daß
die Contractur durch Wasserentzie-
hung durch Glycerin bedeutend ver-
stärkt wird, wenn man nachträglich
noch eine eiweißfällende Substanz
verwendet, z. B. Chloroform oder
Amylalkohol.
Wie aus Versuch V 97 hervor-
geht, ist außer bei den geringsten Versuch V 97 Versuch B 39
Belastungen der Muskel bei tetani- Abb. 11.
scher Kontraktion immer länger als
bei entsprechender Dehnung durch das Gewicht am contracturierten
Muskel.
Aus diesen Versuchen geht hervor, daß durch Wasserverschiebung
bedeutende Contracturen eintreten können, die allerdings nicht die
Größe erreichen wie bei manchen Contracturen durch Eiweißfällung. Die
Dehnbarkeit ist hier kaum größer als beim normalen. Die Verhältnisse
sind also ähnlich jenen bei Eiweißfällung. Die ‚scheinbare Arbeits-
leistung‘ ist größer als die Arbeitsleistung beim Tetanus.
Destilliertes Wasser (Abb. 12).
nmıacht ganz geringe Contracturen. Die Dehnbarkeit ist etwas größer
als normal. Versuch V 83 diene als Beispiel. Die Dehnbarkeitsareale
sind EFG : ABC = 12,3 : 9,4 = 1,3. :
Die Verkürzung des Muskels bei tetanischer Kontraktion war immer
größer, als wenn der contracturierte Muskel das Gewicht hielt.
16 Fr. Verzär, J. Bögel und W. Szänyi:
Andere Contracturformen. Abb. 13.
Von anderen Contracturformen haben wir jene durch NH,OH und
die sogenannte Wärmecontractur untersucht. Keine von beiden kann
direkt in die vorigen Gruppen eingeteilt werden.
Ammoniak,
Die Contractur durch NH,OH ist von Bernstein!) genau studiert und,be-
schrieben worden und auf Grund dieser Beobachtungen hat Bernstein eine Auf-
fassung der Contractur und Kontraktion entwickelt, die den modernsten An-
schauungen sehr ähnlich ist.
Die Contractur war in allen 4 Versuchen sehr bedeutend und erreichte
die Größe der maximalen Kontraktion bei elektrischer Reizung.
Wie aus den Dehnungskurven hervorgeht, ist die Dehnbarkeit
der Muskeln sehr groß. Eine Belastung von 8—12 g dehnt den Muskel
auf seine normale Länge. Die Dehnbarkeitskurven sind vollkommen
2 & 32 WM 52
Y2 32
d 72 /22 32
F>
F>
Versuch V Mäi Versuch V 98 Versuch V 1%
Abb. 12. Abb. 18.
ähnlich jenen bei Säurecontractur. Die Dehnbarkeit ist sehr bedeutend
vergrößert, wie das aus den Dehnbarkeitsarealen hervorgeht. In den
beiden abgebildeten Versuchen war DEF : ABC = 44,3 : 11.5 = 3,9
bzw. DEF : ABC = 38,6 : 12,0 = 3,2.
Ebenso wie bei der Säurecontractur, so ist auch hier die Verkürzung
des Muskels durch tetanische Kontraktion größer als die Verkürzung
durch Zug des Gewichts am contraeturierten Muskel, die ‚scheinbare
Arbeitsleistung‘ bei Contractur also geringer!
Die ganze Form der Contractur erinnert durchaus an die Säure-
contraeturen, als welche auch Bernstein. diese Contractur aufgefaßt hat.
1) Bernstein, zit. nach Fürth, X. 468 (7).
Chemische Contractur des Muskels. 77
Wärmecontractur. Abb. 14.
Die Versuche wurden so ausgeführt, daß der Muskel in warme
Ringerlösung getaucht wurde bzw. solche in das Gefäß mit dem Muskel
gegossen wurde. Die Lösung kühlte hier ziemlich rasch ab. Je nach
der Temperatur, die angewendet wurde, erhielten wir verschiedene
Resultate. Immer war die Contractur sehr groß, etwa entsprechend
dem maximalen Tetanus ohne Belastung. Bei geringerer Erwärmung
(Versuch 102 bei 45°C) war die Dehnbarkeit groß. Der Muskel konnte
durch etwa 10g auf seine ursprüngliche Länge gebracht werden; bei
stärkerer Erwärmung (Versuch B 23b, 53°C) war die Dehnbarkeit viel
geringer und erst 32 g konnten die Verlängerung verhindern.
In ersterem Fall hatte die Dehnbarkeitskurve dieselbe Form wie
bei Säurecontractur, in letzterem näherte sie sich eher der Dehnbarkeits-
kurve von durch Eiweißfällung er-
starrten Muskeln. Die Dehnungs-
areale waren in ersterem Falle 45,7 :
10,7 = 4,3, im zweiten 18,2: 9,0 = 2,0.
In dem ersteren Versuch ist auch
gezeigt, daß die Verkürzung durch
tetanische Kontraktion bei diesem
(besonders kräftigen) Muskel immer
größer war als die Länge des contrac-
turierten Muskels bei entsprechender
Belastung.
Diese beiden Formen der Wärme-
contractur mit geringer und größerer
Dehnbarkeit erkläre ich mir so, daß
durch den geringeren Temperaturreiz
eine plötzliche Säurebildung und da-
durch Totenstarre eingetreten ist. — Dagegen hat die höhere Tempe-
ratur eine mehr oder weniger vollkommene Eiweißgerinnung zur Folge
gehabt, so daß die Spannung und Dehnbarkeit ebenso verlief wie in
Versuchen mit Eiweißfällung.
Wir fassen sowohl die Contractur durch geringe Erwärmungen, als
auch die Contractur durch NH,OH als eine mit großer Milchsäurebildung
einhergehende plötzliche Totenstarre auf. Wie weiter unten gezeigt wird,
verläuft die Spannung und Dehnbarkeit bei dieser ganz ähnlich wie eine
Säurecontractur, jedoch sehr verschieden von der Kontraktion, die mit
großer Spannung einhergeht. Es können diese Contracturen wohl mit
Recht so aufgefaßt werden, daß dabei plötzlich der Muskel abgetötet
wird (er bleibt auch unerregbar), dabei entwickelt sich Milchsäure in
großen Mengen und auch eine Contractur bzw. Totenstarre. Die Spannung
und Dehnbarkeitsverhältnisse entsprechen jenen der Totenstarre
Versuch 102 Versuch i8b
Abb. 14.
H Fr. Verzär, J. Bögel und W. Szanyı:
einerseits, der Säurecontractur andererseits. Demgegenüber ist die
Contractur durch hohe Temperaturen einfach eine Eiweißfällungs-
contractur mit relativ geringer Dehnbarkeit.
Auch nach Golttschlich!) ist die Dehnbarkeit wärmestarrer Muskeln vermindert.
Die Verkürzung der Wärmestarre laßt sich nur bei geringer Belastung beobachten.
16—20 g/ymm verhindert die Verkürzung vollständig. Dasselbe fanden auch
Brodie und Richardson?) und Fick’) konstatierte aus demselben Grunde die sehr
geringe Arbeitsleistung des wärmestarren Muskels.
Diskussion der Versuchsresultate.
Wir haben die verschiedenen Contracturformen in 4 Gruppen eingeteilt.
Die erste Gruppe wird durch die Säurecontractur gebildet; in die zweite Gruppe
gehören die durch Eiweißfällung, in die dritte die durch Wasserentziehung bzw.
osmotisch bedingten Contracturen und endlich in die vierte Gruppe jene, deren
Zustandekommen wahrscheinlich als Säurecontractur aufgefaßt werden darf.
Bei Anwendung aller dieser Substanzen wurde gezeigt, daß am M. sartorius
von R. esculenta an fast gewichtlosem isotonischem Hebel befestigt (bzw. nur mit
2 g belastet, was eben genügte, um den Faden zu spannen) sehr bedeutende
Contracturen zustande kommen.
Die (Größe dieser Contracturen ohne Belastung ist bei den eiweißfällenden
Substanzen, besonders Chloroform und Amxylalkohol. so groB wie die maximale
Verkürzung beim Tetanus (weniger bei Methvlalkohol und Anilin, noch weniger
bei Äthylalkohol).
Bei Contractur durch Wasserentziehung in konzentrierter NaCl-Lösung war
die Contractur auch so groß wie der maximale Tetanus: viel weniger bei Glycerin.
Dagegen wurde mit Säurecontractur keine so große Contractur erreicht, wie
sie bei maximalem Tetanus möglich ist.
Endlich haben die eine besondere Besprechung verlangenden Contracturen
durch NH,OH und Wärme ebenso große Contracturen verursacht, wie ohne Be-
lastung mit maximalem Tetanus erreichbar ist.
Untersucht man jedoch die Größe der Contractur dieser Substanzen am iso-
metrischem Ilebel, mißt man also die bei der Contractur sich entwickelnde Spannung,
so findet man, daß insbesondere die Säurecontractur nieht zustande kommt bzw.
keine oder nur ganz minimale Spannung entwickelt wird. Die Spannung ist, wie
man sich aus den Kalibrierungskurven des Spannungshebels überzeugen kann,
geringer als 5g.
Dagegen gab mehr oder weniger starke Spannung Chloroform und andere
eiweißfällend wirkende Substanzen, während nur geringe bzw. keine Spannung
entwickelt wurde durch die Contractur durch Wasserentziehung (Glycerin, konz.
NaCl). Es läßt sich also in Übereinstimmung mit Schwenker sagen, daB bei Säure-
contractur nur sehr geringe, fast keine Spannung entwickelt wird. während ohne
Belastung große Contracturen zustande kommen. Bei Eiweißfällungsceontractur
dagegen ist die Spannung nach unseren Befunden groß.
Die Dehnbarkeit der Muskeln zeigt charakteristische Unterschiede zwischen
den einzelnen Gruppen. Dehnungskurven wurden so gewonnen, daB der Muskel
mit verschiedenen Gewichten belastet wurde, und bei jeder Belastung seine Länge
1) Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 54. 123. 1893. zit. in Nagels Handb. Bd. IV
S. 432.
2) Journ. of physiol. 21, 365. 1897.
3) Zit. nach Nagels Handb. Bd. IV, S. 432.
(Chemische Contractur des Muskels. | vU
registriert und in ein Koordinatensystem eingetragen wurde, Als willkürlicher
Wert der Dehnbarkeit wurde die durch die Dehnungskurve und die Koordinaten
des höchsten Punktes begrenzte Fläche benützt. Wenn dieser Wert größer ist,
so ist auch die Dehnbarkeit vergrößert.
Wir fanden, daß bei der Säurecontractur die Dehnbarkeit sehr stark vergrößert
ist, so daß es gelingt, schon mit geringen Gewichten, etwa 10 g, den Muskel auf
seine normale Länge zu dehnen. Bei etwas größeren Gewichten ist die Länge des
säurecontracturierten Muskels dieselbe wie die des normalen bei derselben Belastung.
Die Dehnungskurven von Muskeln, die durch Ziweißfällung contracturiert
waren, sehen ganz anders aus. Als Typus dient Chloroform; ähnlich wirken die
Alkohole und Anilin. Die Dehnungskurven liegen fast ganz unter der Ordinate,
d. h. daß es mit keinerlei Belastung gelingt, den Muskel auf die Länge des normalen
Muskels zu dehnen. — Es drückt sich das darin aus, daß die Dehnbarkeitsareale
hier kleiner, gleich groß oder nur unwesentlich größer sind als beim normalen
Muskel. Das Verhältnis der beiden ist bei den Säurecontracturen um 2, bei den
Eiweißfällungscontracturen um 1 (0,4—1,5).
Contracturen durch Wasserentziehung bilden ein Zwischenglied zwischen
Eiweißfällungscontractur und Säurecontractur. Mit sehr großen Gewichten (50 g)
gelingt es, den Muskel beinahe auf dieselbe Länge zu bringen wie der normale
Muskel bei dieser Belastung.
Die Dehnbarkeit des Muskels in Ammoniakecontractur und Wärmecontraetur
verhielt sich ähnlich wie bei Säurecontractur. Bei stärkerer Erwärmung eher so
wie bei Eiweißfällung.
Endlich wurde die scheinbare Arbeitsleistung der contraclurierten Muskeln
mit der wirklichen Arbeitsleistung der Muskeln verglichen: Wir bestimmten mit
jedem Gewicht, das zur Dehnung des Muskels benutzt wurde, die Größe der Kon-
traktion des normalen Muskels bei maximaler tetanischer Reizung. Die Ver-
kürzung der Muskeln —o—o—o—o— ist in dasselbe Koordinatensystem eingetragen,
in welchem die Dehnungskurve des normalen ——e—e—e— und des contracturierten
—— — e — — — e — — —e— —- — Muskels abgebildet ist. Die Arbeit läßt sich aus
unseren Kurven als Gewicht x Verkürzung der Muskelfaser bestimmen. Die Ver-
kürzung der Fasern ist die Entfernung des Punktes bei Kontraktion von jenem,
der die Länge des normalen ruhenden Muskels bei derselben Belastung angibt.
Ebenso läßt sich die „scheinbare Arbeitsleistung‘‘ des contracturierten Muskels
bestimmen. Dieser leistet natürlich nur scheinbar Arbeit, wenn er konstant ver-
kürzt ein Gewicht hält. Die scheinbare Arbeitsleistung läßt sich also aus den
Kurven bestimmen, wenn man jedes Gewicht mit der durch die Contractur ent-
standenen Verkürzung multipliziert.
Wenn man nun die „Arbeitsleistung“ bei natürlicher Kontraktion mit der
„scheinbaren Arbeitsleistung‘‘ bei Contractur und Belastung mit demselben Cie-
wicht vergleicht, so wird dieser Wert um so größer sein, je größer die Verkürzung
der Muskelfasern bei ein und demselben Gewicht ist, Aus unseren Kurven läßt
sich deshalb das folgende ablesen:
Bei Säurecontractur ist die „scheinbare Arbeitsleistung‘ viel geringer als die
natürliche Arbeitsleistung. Die große Dehnbarkeit des durch Säure contracturierten
Muskels bringt es mit sich, daß seine Länge größer ist als die bei Belastung und
tetanischer Kontraktion. Die Dehnungskurve des durch Säure contracturierten
Muskels liegt über der Kontraktionskurre.
Umgekehrt ist das Verhalten des Muskels bei Contractur durch Eiweiß-
fällung (z. B. Chloroform, Methyl, Amylalkohol, Anilin). Hier ist die Verkürzung
beim Heben eines Gewichtes bei tetanischer Kontraktion geringer als die Ver-
kürzung des contracturierten Muskels bei derselben Belastung. Die scheinbare
Arbeitsleistung ist also größer als die Arbeitsleistung beim Tetanus. In den Kurven
80 Fr. Verzár, J. Börel und W. Szänyi:
äußert sich das darin, daß die Dehnungskurve des durch Eiweißfällung contractu-
rierten Muskels unter der Kontraktionskurve liegt.
Bei Contracturen durch Wasserentziehung ist die scheinbare Arbeitsleistung
auch größer als die wirkliche Arbeitsleistung.
In den beiden letzteren Fällen ist die Ursache der größeren „scheinbaren
Arbeitsleistung“ der contracturierten Muskeln die größere Spannung der Muskel-
fasern sowie ihre geringere Dehnbarkeit, und umgekehrt ist die Ursache für die
verminderte scheinbare Arbeitsleistung der säurecontracturierten Muskeln ihre
geringe Spannung und vergrößerte Dehnbarkeit.
Bei Contractur durch Ammoniak sowie durch 45° Ringerlösung war die
„scheinbare Arbeitsleistung“ geringer als die Arbeit der Kontraktion. Die Deh-
nungskurven der contracturierten Muskeln liegen über den Kontraktionskurven,
ebenso wie bei der Säurecontractur.
Wir haben diese Untersuchungen deshalb ausgeführt, um Anhaltspunkte
dafür zu bekommen, ob das Verhalten von durch Säure contracturierten Muskeln
die Annahme stützt, daß die bei der Kontraktion gebildete Säure bzw. die durch
sie entstehende Quellung die Ursache der Kontraktion ist.
Wir fanden jedoch, daß 1. die bei Säurequellung gebildete Spannung so gering
ist, daß sie sich vollkommen von der mit großer Spannung einhergehenden Kon-
traktion unterscheidet und 2., daß die Dehnbarkeit der durch Säure contractu-
rierten Muskeln sehr groß ist, wodurch 3. ihre „scheinbare Arbeitsleistung“ geringer
ist als die Arbeitsleistung normaler Muskeln.
Unsere Resultate zeigen also einen großen Unterschied zwischen Säure-
contractur und natürlicher Kontraktion und sprechen nicht zugunsten der Säure-
quellungstheoriet). Es kann nicht bezweifelt werden, daß die Säure tatsächlich in
die Muskelfaser eingedrungen ist. Alle daraufhin z. B. auch von Schwenker mit
Indicatoren ausgeführten Versuche haben das erwiesen. Der Einwand kann noch
gemacht werden, daß die Anordnung der quellenden Teile im Muskel eine irgendwie
so spezifisch eigenartige wäre, daß die Quellung bei normaler Kontraktion mit
anderen physikalisch-chemischen Erscheinungen einherginge, als wenn die Säure
von außen eindringt. Es dürfte schwierig sein, dies näher zu begründen.
Die durch Eiweißfällung in den Muskelfasern bedingten Zustandsänderungen
stehen insofern näher zur natürlichen Kontraktion als dabei die Spannung ver-
größert und die Dehnbarkeit nicht vergrößert, sondern eher vermindert wird und
die „scheinbare Arbeitsleistung‘ auch größer ist. Es scheint also Wasserentziehung
und Eiweißfällung in dieser Beziehung noch geeigneter zu sein als die Säurequellung,
um als Erklärung der Arbeitsleistung zu dienen.
Dagegen hat die Verkürzung der Muskeln in der Totenstarre weitgehende
Ähnlichkeit mit der Säurecontractur.
Baumann?) hat bei Grützner gezeigt, daß die Totenstarre mit sehr geringer
Spannung einhergeht. „Für mittelstarke Froschmuskeln liegen die Werte, die
die Totenstarrewirkung hemmen können, bei 5—10 qmm, abgesehen vom Gastro-
cnemius, der stärker ist.“ Das sind Belastungen, mit welchen auch die Säure-
contractur verhindert werden kann. Wir glauben, daß es wohl möglich ist, daß
die Totenstarre eine Säurecontractur ist, bei welcher durch die entstehende Milch-
säure die Fasern quellen. Ebenso dürfte auch die durch gelindes Erwärmen ent-
stehende Contractur einfach als Totenstarre aufgefaßt werden, bei welcher auch
durch die nachweislich entstehende Milchsäure Quellung zustande kommt. Auch
für die merkwürdige Contractur durch NH,OH dürfte dasselbe gelten. Möglicher-
1) N. hierzu auch: Verzäar. Arch. Neerland. 1922.
2) Pflügers Arch. f. d. ges. Phvsiol. 117, 167. 1917.
datz
Chemische Contractur des Muskels. 81
weise entsteht dabei eine plötzliche Abtötung mit großer Säurebildung, deren
Folge die Contractur (Totenstarre) ist. Die Dehnbarkeit ist auch hier ganz ähnlich
wie bei Säurecontractur oder Totenstarre!).
Zusammenfassung.
Säurecontractur verläuft im Gegensatz zur natürlichen Kontraktion
mit sehr geringer Spannung, während: bei Contractur durch Eiweiß-
fällung bedeutende Spannung entsteht.
Die Dehnbarkeit des Muskels ist gegenüber der normalen, bei Säure-
contractur vergrößert, bei den anderen Contracturformen eher ver-
mindert.
Die scheinbare Arbeitsleistung bei Säurecontractur ist geringer,
jene bei Eiweißfällungscontractur. oder Wasserentziehung größer, als
die maximale natürliche Arbeitsleistung.
Die Totenstarre hat gewisse Ähnlichkeit mit der Säurecontractur.
dagegen zeigt die Kontraktion des quergestreiften Muskels, wie die vor-
stehenden Resultate zeigen, sehr wesentliche Unterschiede gegenüber
der Säurequellung.
1) Die von Bernstein beschriebene Abnahme der Contractur dürfte darauf
beruhen, daß die gebildete Milchsäure nach und nach durch das H,NOH neutrali-
siert wird.
Biochemische Zeitschrift Band 132. 6
Beiträge zur Kenntnis der negativen Adsorption.
II. Mitteilung!).
Berechnung der Menge des aufgenommenen Lösungsmittels.
i Von
M. A. Rakusin und Tatjana Gönke.
(Physiologisch-chemisches Laboratorium des wissenschaftlich-technischen Staats-
instituts, Petrograd.)
(Eingegangen am 12. Mai 1922.)
In der vorigen Abhandlung gelang es Rakusin nachzuweisen, daß
die negative Adsorption durch Kaolin usw., d. h. durch Zinsaugung
hervorgerufen, nur eine Folge der elektrolytischen Dissoziation der gelösten
Substanz ist. |
Für die positive Adsorption hat bekanntlich @urwitsch?) angegeben,
wie die Menge der adsorbierten Substanz zu berechnen ist. Würden
wir nun diese Formel in Anwendung auf die negative Adsorption in
umgekehrter Form schreiben, d. h.:
100 (ce — c’)
10 e ’
so würden wir das Änderungsgesetz der Konzentration der Lösung
bei konstanter Menge des Adsorbens, gegebenenfalls Kaolin, und bei
variabler Konzentration der Lösung finden. Bei c = 0 ist auch X = 0.
Die Menge des bei der negativen Adsorption aufgenommenen Lösungs-
mittels (fürs erste Wasser) berechnet sich wie folgt: Wenn
X =
X die Menge des aus 100g Lösung aufgenommenen H,O be-
deutet, ferner
p das Volumen der Lösung in Kubikzentimetern,
e die Konzentration der Lösung vor der Adsorption und
Co die Konzentration der Lösung nach der Adsorption,
1) J. Mitteilung: Vgl. diese Zeitschr. 130. 282. 1922: M. Rakusin, Über den
Zusammenhang zwischen Adsorption und elektrolvtischer Dissoziation.
2) Jeo (urwitsch, Über die physiko-chemische Attraktionskraft. Zeitschr.
f. phvsikal. Chem. 87. 324. 1914.
M. A. Rakusin und T. Gönke: Negative Adsorption. II. 83
so können wir das Volumen des ‚adsorbierten‘‘ Wassers in Kubikzenti-
metern aus der Differenz der Volumina der Lösung vor und nach der
Absorption berechnen, und zwar ist:
X-p-% = M(ing).
Diese Wassermenge wurde aus pcem Lösung aufgenommen. Somit
ist- die aus 100 ccm Lösung aufgenommene Wassermenge die folgende:
100 M 100(C — ei
Re wa
p C
Für reines Wasser, d. h. bei ce = 0 ist X = 100°, was ohne weiteres
klar ist.
Mit diesen 2 Mitteilungen seien die Arbeiten auf dem Gebiete der
negativen Adsorption im Sinne von Lagergreen angebahnt und ist es
einleuchtend, daß diese Arbeiten auch auf Tierkohle und dergleichen
Stoffe ausgedehnt werden müssen.
In kürzester Zeit hoffen wir unsere zahlreichen Versuche der nega-
tiven Adsorption in ihrem Zusammenhange mit den Erscheinungen
der Quellung zum Abschluß zu bringen und auf die richtige theoretische
Deutung der gewonnenen Resultate zu kommen.
Ein Beitrag zur Frage nach der chemischen Natur der Toxine
und Antitoxine.
Von
E. Salkowski.
(Aus der Chemischen Abteilung des Pathologischen Instituts der Universität
Berlin.)
(Eingegangen am 13. Mai 1922.
Durch einen Zufall fiel mir kürzlich ein Separatabdruck aus dem
Handbuch der Biochemie von Oppenheimer Bd. II, 1. Hälfte, 1909 in
die Hände und zwar der von Oppenheimer selbst verfaßte Abschnitt
über Toxine und Antitoxine. Oppenheimer sagt daselbst S. 357: „Unsere
Kenntnisse über die chemische Natur der Antitoxine sind äußerst spär-
lich. Wir wissen nicht einmal die erste Frage zu beantworten, ob sie
Eiweißkörper sind oder ob sie nur mit den Eiweißkörpern der Sera
so eng verbunden sind, daß sie von ihnen nur sehr schwer zu trennen
sind.“ S. 362 unten heißt es: ‚Jedenfalls aber unterliegt es heute keinem
Zweifel mehr, daß es die Globuline sind, an die die antitoxischen Funk-
tionen geknüpft sind.“ Durch diese Äußerungen wurde ich an Versuche
erinnert, die ich vor langer Zeit — im Jahre 1896 — über diese Frage
angestellt habe, in denen es mir gelang, völlig eiweißfreies oder in anderen
Fällen fast völlig eiweißfreies Antitoxin aus Diphtherie-Heilserum
darzustellen. Ich weiß nun nicht, welche Fortschritte inzwischen ge-
macht worden sind; meines Wissens ist die aufgeworfene Frage noch
nicht entschieden. Sollte es doch der Fall sein, so würden die mitzu-
teilenden Versuche allerdings nur ein gewisses historisches Interesse haben.
Nach einer Reihe von Vorversuchen blieb ich bei folgendem Ver-
fahren zur Darstellung des Antitoxins aus Diphtherie-Heilserum stehen.
Das Heilserum wird mit feingepulvertem Chlornatrium durch
anhaltendes Schütteln gesättigt, dann das doppelte Volumen gesättigter
Salzlösung hinzugesetzt und nunmehr Trichloressigsäure in Substanz
oder in mindestens 10 proz. Chlornatriumlösung, so lange noch etwas
ausfällt. Auf 30 cem Flüssigkeit ist dazu etwa lg Trichloressigsäure
erforderlich, man kommt vielleicht aber auch mit weniger aus. Der
entstehende Eiweißniederschlag reißt das Antitoxin mehr oder weniger
E. Salkowski: Chemische Natur des Toxins und Antitoxins. 85
vollständig mit. Nach halbstündigem Stehen wird die Mischung filtriert,
wobei sie ein wasserklares farbloses Filtrat liefert. Es ist völlig eiweißfrei
oder so gut wie eiweißfrei. Der Niederschlag wird mit gesättigter Salz-
lösung gewaschen, auf mechanischem Wege (Auflegen des Filters
auf Filtrierpapier) von der anhängenden Flüssigkeit möglichst befreit, .
dann mit Wasser übergossen, verrieben und nach halbstündigem Stehen
filtriert, das Filtrat ist wasserklar und stellt eine eiweißfreie oder so
gut wie eiweißfreie Lösung des Antitoxins dar, die nach Zusatz von etwas
Natriumcarbonat zum Neutralisieren der anhängenden Trichloressig-
säure im Vakuum konzentriert werden kann. Der geringe Gehalt an
C'hlornatrium und Trichloressigsäure (als Natriumsalz) beeinträchtigt
die Anwendung nicht.
Die Brauchbarkeit des Verfahrens geht aus den nachfolgenden Ver-
suchen hervor. Ich bemerke dazu, daß das angewendete Heilserum
käufliches war, die Antitoxinlösyung Ehrlich selbst mir freundlichst
überlassen hatte. Es war eine wässerige, mit Toluol versetzte Lösung,
von der 0,1 cem für 500 g Meerschweinchen tödlich war. Als Heilserum
wurde solches von 100 Immunitätseinheiten angewendet. Meiner Er-
innerung nach war es Höchster, es kann aber außerdem auch anderes
angewendet sein.
Versuch I vom 10. III. 1896. |
Es wurden gemischt a) 2ccm Diphtherietoxin und 8cem Wasser = 10 cem,
also Verdünnung auf !/,, b) Leem Heilserum und 9 cem Wasser. l cem dieses
verdünnten Heilserums enthielt also 10 1.-E.
a) Tier 1 von 356 Gewicht erhält 1 cem = 2 1.-E.!) Diphtherietoxin, stirbt
am 11. III. vormittags. Bei der Sektion Nebenniere Rinde hyperämisch, Mark-
substanz schokoladenfarbig. |
b) Tier2. Es werden gemischt: 2 ccm verdünntes Diphtheriegift und 0,8 cem
verdünntes Heilserum = 2,8 ccm, enthaltend 4 G.-E. und 81.-E. Hiervon einem
Meerschweinchen von 344 g injiziert 1,4 ccm = 2G.-E. und 41.-E. Das Tier
bleibt gesund, noch nach Wochen konstatiert.
Versuch II vom 11. III. 1896.
5ccm Heilserum von 1001.-E. + 10 cem Wasser +5g Chlornatrnum in
Substanz + öccm von mit Chlornatrium gesättigter Lösung von Trichloressig-
säure, nach kurzem Stehen filtriert, der Niederschlag noch 2 mal auf dem Filter
mit Kochsalzlösung gewaschen, das Filter auf Filtrierpapier ausgebreitet, der
Niederschlag mit 25 ccm Wasser durchgerührt, filtriert. Das Filtrat ist völlig
klar, fast absolut eiweißfrei; das Filtrat mit Wasser auf 25 ccm aufgefüllt?).
a) Tier 3. Meerschweinchen von 463 g erhält 1 cem des in Versuch I benützten
verdünnten Diphtheriegiftes = 2G.-E. Am nächsten Tage noch am Leben, stirbt
am folgenden Tage 9 Uhr vormittags. Nebenniere charakteristisch.
b) Tier 4 von 330 g. Es werden gemischt: 1 ccm verdünntes Diphtherietoxin
= 2G.-E. und Leem des Filtrats (falls alles Antitoxin gefällt und ausgezogen
wäre, würde dieses 20 I.-E. entsprechen). Hiervon injiziert 1,7 ccm = 1,7 G.-E.
1) G.-E. = Gifteinheit, I.-E. = Immunitätsei nheit im Sinne von Ehrlich.
2) Es wäre richtiger gewesen, die Auffüllung auf 25 ccm zu unterlassen.
86 E. Salkowski:
und 17 LE Das Tier bleibt am Leben und völlig munter; am 11. IV. tot gefunden.
Sektionsbefund völlig negativ.
Versuch III vom 14. III. 1896.
a) Tier 5 von 324 g erhält Leem verdünntes Diphtheriegift (frische Mischung)
= 2 G.-E. In der Nacht vom 16. zum 17. gestorben. Befund an den Nebennieren
charakteristisch.
b) Tier 6 von 269 g. Es werden gemischt: 2 ccm desselben verdünnten Diph-
theriegiftes = 4G.-E. und 0,8ccem des Filtrats = 16 I.-E., zusammen 2,8 cem.
Davon werden injiziert 1,4 ccm = 2G.-E. und 81.-E.
Am 16. munter, ebenso am 17., am 18. krank, in der Nacht vom 18. zum 19.
gestorben. Nebennieren charakteristisch für Diphtherie. Daraus folgt, daß in
dem Filtrat noch nicht !/, des Antitoxins vorhanden gewesen war, immerhin war
der tödliche Ausgang der Erkrankung hinausgeschoben.
Versuch IV vom 17. III. 1896.
a) Tier 7 von 736 g erhält 1,5 ccm von dem am 14. gemischten verdünnten
Diphtherietoxin = 3G.-E. Am 18. munter, am 19. krank, in der Nacht vom 19.
zum 20. gestorben. Nebennieren charakteristisch, sehr dunkel, zum Teil von
besonderem Pigment.
b) Tier 8 von 694g. Es wurden gemischt: 0.5 cem Heilserum und 9,5 ccm
Wasser = 10cem. lccm =51.-E. (0,2ccm = 11.-E.). Es wurden gemischt
2ccm verdünntes Diphtherietoxin (vom 14. III., wie bei Tier 7) = 4G.-E. und
0,4 ccm des verdünnten Heilserums = 2 1.-E., zusammen 2,4 ccm (GK zu 1.-E.
=2:1). Hiervon wurden injiziert 1.8cem = 3G.-E. und 1!/, I-E. Das Tier
bleibt dauernd am Leben.
Versuch V vom 20. III. 1896.
a) Tier 9 von 383 g!). Diphtheriegift frisch verdünnt, wie bisher l cem
= 2(5.-E. Es wird ] cem eingespritzt. Das Tier stirbt am 22. morgens 6%/, Uhr.
Nebennieren charakteristisch.
b) Tier 10 von 270 g. Es wurden gemischt: 2 ccm des verdünnten Diphtheric-
toxins = 4G.-E. und Leem des Filtrates = 201.-E. Davon injiziert 1,5 cem
:= 3 G.-E. und 101.-E.?). Das Tier bleibt dauernd am Leben.
Versuch VI vom 26. III. 1896.
a) Tier 11 von 519g. 1 ccm verdünntes Diphtherietoxin injiziert = 2 G.-E..
tot gefunden am 29. früh. Nebennieren charakteristisch.
b) Tier 12 von 458 g?) Es wurden gemischt: 2 ccm desselben verdünnten
Diphtherietoxins = 4 G.-E. und 0,5 cem des Filtrats = 10 1.-E. Davon werden
injiziert 1,25cem =2G.-E. und 5L-E. (Verhältnis G.-E. LE == 1,0 : 2.5).
Das Tier bleibt gesund.
Versuch VII vom 1. IV. 1896.
a) Tier 13 von 432 g. 1 ccm des verdünnten Diphtherietoxins vom 1]. II..
welches durch Chloroformzusatz konserviert war (das vom 14. IL war nach Zusatz
von konzentrierter Schwefelsäure fortgegossen, da es am 20. III. faulig befunden
wurde) wird injiziert. Das Tier wird am 4. IV. morgens tot gefunden.
b) Tier 14 von 422g. Es werden gemischt: 2 cem verdünntes Diphtherie-
toxin = 4 G.-E. vom 11. IM. und 0.25 ccm des Filtrats = 51L-E. Flüssirkeit
1) Um ganz sicher zu sein, habe ich von einem Paar Tiere immer das kleiner"
zu dem eigentlichen Versuch genommen, das größere zum Kontrollversuch.
2) Immer unter der Voraussetzung berechnet. daß das „Filtrat“ alles Anti-
toxin enthält. was natürlich nicht zutrifft.
Chemische Natur des Toxins und Antitoxins. 87
zusammen 2,25ccm. Davon eingespritzt 1,2ccm = 2,13G.-E. und 2,66 I.-E.
Tier tot gefunden am 5. IV. morgens. Nebennieren charakteristisch.
Daraus folgt:
Bei Anwendung von Heilserum direkt blieb die Giftwirkung aus bei
einem Verhältnis G.E. : I.E. = 2:1(1:0,5), bei Anwendung des Filtrats
aber nur bei einem Verhältnis G.E. : I.E. = 1 : 2,5. Es ist somit ein
Maximum nur 20%, des vorhandenen Antitorins durch das Verjahren
erhalten worden.
Hieran möchte ich noch einige Bemerkungen knüpfen, zunächst
bezüglich des Verfahrens:
1. Es ist wahrscheinlich, daß man statt des Chlornatriums auch
andere Neutralsalze anwenden kann, z. B. Natriumsulfat oder Magne-
siumsulfat (vielleicht haben diese sogar Vorzüge), ferner, daß an Stelle
der Trichloressigsäure auch Metaphosphorsäure oder Sulfosalicylsäure
benutzt werden könnte; vielleicht würde auch die Fällung mit Alkohol
anwendbar sein.
2. Wie ich mich von dem völligen Freisein des betreffenden Filtrates
von Eiweiß überzeugt habe, geht aus den Protokollen leider nicht
hervor, in Erinnerung habe ich es nicht mehr, zweifle aber nicht an der
Richtigkeit des Befundes.
3. Es hätte nahegelegen, das erste Filtrat zu benutzen, da in diesem
nach den Tierversuchen ein großer Teil des Antitoxins zu erwarten
war und die Salze durch Dialyse zu entfernen. Ob dabei aber das Anti-
toxin nicht gelitten hätte, steht dahin.
4. Auch Blut gibt unter den angegebenen Bedingungen ein klares,
farbloses, eiweißfreies Filtrat.
5. Daß man auch Toxine auf diesem Wege isolieren kann, war von
vornherein anzunehmen; hierüber vergleiche die weiter unten mit-
geteilten Ergebnisse der Versuche von Ferd. Blumenthal.
Ergeben sich nun durch meine Versuche auch praktische Konse-
quenzen für das Heilserum !
Es ließen sich einige Gesichtspunkte anführen, die für mein Ver-
fahren sprechen: .
L Nicht selten stellt sich bekanntlich nach Einspritzung von Diph-
therie-Heilserum!) ein unangenehmes Exanthem ein. Das würde aller
Wahrscheinlichkeit nach bei dem nach meinem Verfahren hergestellten
Filtrat nicht der Fall sein.
2. Die parenterale Zufuhr an Eiweiß (in dem Pferdeserum) ist, wie
sich mehr und mehr herausstellt, kein ganz gleichgültiger Eingriff;
bei etwaiger wiederholter Heilserumeinspritzung ist, worauf ich von
1) Auf die Frage, ob Pferdeserum an sich dieselbe Heilwirkung ausübt wie
Heilserum, wie bekanntlich manche Autoren behaupten, kann ich natürlich nicht
eingehen.
NN E. Salkowski: Chemische Natur des Toxins und Antitoxins.
befreundeter Seite aufmerksam gemacht bin, auch das Auftreten von
Anaphylaxie zu befürchten.
Als Gegengründe kann man anführen:
l. Das Präparat würde sich natürlich viel teurer stellen, als das
Heilserum selbst.
2. Das in die Venen einzuspritzende Volumen würde mindestens
5mal größer sein müssen. da man ja höchstens 20°, des Antitoxins
gewinnt. Das würde heutzutage, wo man sich nicht scheut, erhebliche
Flüssigkeitsmengen in die Venen einzuspritzen, kein Grund gegen die
Anwendung sein.
3. Ich habe bisher nur mit sehr schwachem Heilserum gearbeitet;
wie sich hochkonzentriertes Heilserum verhält, ist noch durchaus
zweifelhaft.
Oben bemerkte ich. da man ohne Zweifel auch Toxine auf diesem
Wege isolieren könne. Dieser Versuch ist bereits gemacht. In einer
Arbeit „Beiträge zur Kenntnis des Tetanus“ sagt Ferd. Blumenthal!)
(l. e. 8.6 u. 7 des 8.-A.): „War die namentlich von Goldscheider ver-
tretene Ansicht richtig, so mußte im Rückenmark sich chemisch das
Toxin nachweisen lassen. Zu diesem Zweck verrieb ich das feingehackte
Rückenmark (nämlich einer an Tetanus gestorbenen Frau) mit Chloro-
formwasser, um Fäulnis zu vermeiden, ließ es 2 Tage in einer Flasche
stehen und fällte dann nach einem auf Anraten von Prof. E. Salkowski
angewendeten Verfahren die Eiweißstoffe und das Toxin. Das letztere
wurde dann durch Digerieren mit warmem Wasser von dem Eiweiß
getrennt. So gelang es, l2cem wässeriger Lösung zu erhalten.“ Die
Injektion desselben — die Einzelheiten können übergangen werden —
bewirkte bei Mäusen tödlichen Tetanus.
Schließlich könnte man vielleicht fragen, warum ich meine Versuche
so lange habe liegenlassen, ohne sie zu veröffentlichen. Die Gründe
sind folgende: Erstens war ich von dem Erfolge nach der Richtung der
Ausbeute nicht befriedigt und zweitens lag der Gegenstand doch etwas
außerhalb meines Arbeitsgebietes. Schließlich war die ganze Sache in
Vergessenheit geraten. Es würde mir sehr erfreulich sein, wenn der
Gegenstand von anderer Seite aufgenommen werden würde.
—
1) Zeitschr. f. klin. Med. 30, H.5 u. 6, Separatabdruck. 1896.
Kann die avitaminöse Wachstumsstörung durch chemisch
definierte Substanzen beeinflußt werden ?
Von
Daizo Ogata (Fukuoka).
(Aus der Experimentell-biologischen Abteilung des Pathologischen Instituts
der Universität Berlin.) l
(Eingegangen am 14. Mai 1922.)
Mit 6 Abbildungen im Text.
In seiner Arbeit über die Theorie der Vitaminfunktion definierte
Professor Bickel (Klin. Wochenschr. 1, Nr. 3, S. 110) die Vitaminwirkung
auf Grund ausgedehnter Stoffwechselversuche in dem Sinne, daß das
Vitamin die Körperzellen zur Assimilation der Nahrung befähigt.
Das heißt: Der Körper hungert gewissermaßen mit der vitaminfreien
Nahrung, obgleich er mit kalorisch genügenden Nahrungsmengen ver-
schen ist, und er zersetzt sich dabei obendrein fortwährend selbst.
Daraus folgt ohne weiteres, daß, wenn ein avitaminöses Tier einen Stoff
bekommt, welcher die Dissimilation der Körperzellen steigert, es schneller
als sonst abmagern müßte.
Auf Veranlassung von Professor Bickel führte ich die folgenden
Experimente aus, welche geeignet sind, die Richtigkeit der eingangs
erörterten Hypothese zu erhärten. Die Versuche wurden an jungen
ca. 6 Wochen alten Ratten vorgenommen und in folgender Weise durch-
geführt. Es gelangten im ganzen 18 Ratten zur Untersuchung, welche in
6 Gruppen zu je 3 eingeteilt wurden. Die 3 Gruppen (A. B und OC
erhielten Normalnahrung mit einem Stück Butter; die Gruppe A ohne
Zulage, die Gruppe B mit Zulage von JNa, die Gruppe C mit Zulage von
Thyreoideum (Merck). Die anderen 3 Gruppen (D, E und F) bekamen
vitaminfreies Nahrungsgemisch, bestehend aus poliertem Reis mit einem
Salzgemisch (Kochsalz 250,0 g, Calc. lactic. 100,0g, Mag. citric. 100,0 g,
Ferr. citric. 25,0 g); die Gruppe D erhielt dieses ganze Nahrungs-Salz-
gemisch ohne anderweitige Zulage, die Gruppe E mit Zulage von JNa, die
Gruppe F mit Zulage von Thyreoideum. Die Menge des JNa betrug täg-
lich 0,025 g für 3 Ratten, d. h. für etwa 100,0 g Körpergewicht, und die
des 'Thyreoideums 0,01 g für dasselbe Körpergewicht (100,0g). Die
Dosen wurden aber den Veränderungen im Körpergewicht der Tiere
angepaßt, so daß die anfängliche Relation konstant blieb. Den 3 Ratten
wurde Salzgemisch in einer Menge von 0,15g an einem Tage gegeben.
Die Tiere wurden täglich 2 mal gefüttert, morgens und abends, und das
90 D. Ogata: Kann die avitaminose
Körpergewicht wöchentlich einmal bestimmt. Weil es unmöglich war.
viele Tiere von demselben Wurfe zu bekommen, variierten die Anfangs-
gewichte ziemlich stark voneinander. Daher ist die absolute Gewichts-
zu- und -abnahme von geringerer Bedeutung als die relative, d. h. die
auf das Anfangskörpergewicht umgerechnete.
Das Verhalten der Tiere unter den geschilderten Bedingungen geht
aus der nachfolgenden Tabelle I hervor. Es ist in dieser jedesmal das
Körpergewicht angegeben. Die Gewichtsab- und zunahmen beziehen sich
prozentual auf das Gewicht, welches die Tiere am Beginn des Versuches
aufwiesen. Außerdem ist eine graphische Darstellung der Tabelle
beigefügt, bei der jedesmal die Art der Ernährung noch einmal auf-
geführt worden ist und die die Körpergewichtsveränderungen anzeigt.
Tabelle TI.
Gruppe und An- Körpergewicht mit seiner prozentualen Zu- (+) resp. Abnahme (-ı
SEI ee am Ende L--V]. Woche
- i gewicht. ——- e
der Ratten g L 11. IH. IV. V. VI.
A! 33.0 HIO g Dau g 90 e so) g 95.0 g -—
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B 1 30.0 350 vu | 340g 340% 31.0 u eg eg
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Wachstumsstörung durch chemisch definierte Substanzen beeinflußt werden ?
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Gruppe A. Normalnahrung + Butter.
Gruppe B. Normalnahrung + Butter + JNa.
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E EE E
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Gruppe C. Normalnahrung + Butter + Thsreoideum.
D. Ogata: Kann die avitaminöse
Man sieht, daß in der Gruppe A das Körpergewicht stetig zunimmt.
In den Gruppen B und C ist das gleiche zu beobachten, aber in geringerem
92
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E = € E
3 Ze N E
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3 Wochen), länger lebten die
sie das Ausgangsgewicht stark überwogen. Die Tiere der Gruppe E
ind am frühesten gestorben (nach 2—
S
Wachstumsstörung durch chemisch definierte Substanzen beeinflußt werden? 93
der Gruppen B, C und F. Die der übrigen 2 Gruppen A und D über-
dauerten das ganze Experiment (6 Wochen). Das erste Tier der Gruppe A
(A 1) wurde kurz vor dem Abschluß der Versuchsreihe in die Gruppe B
eingesetzt und lebte länger als bis zum Ende der 6. Woche. Die durch-
schnittlichen Zu- resp. Abnahmen des Körpergewichts sind in der
Tabelle II verzeichnet.
Tabelle II.
| Durchschnittliche, prozentuale Zu- resp. Abnahme des Körpergewichtes
Gruppe am Ende 1.—VI. Woche
1. WO? Im. IV. V. ei
A 1176% © +47,0% +79,3% | +75,5% , 1101,6% ` +100,6%
BETTEN Age l o
C = 82% i + 61% tr 99% — +183% " 85% — 11,2%
DO + M% 0% = 6A 6 15,0%
E. Aos = 2 = 8
F 0 —-69% -11,3% -91% -3.0% = ie
Wenn man die Gruppen entsprechend ihrer Körpergewichtszunahme
in einer Reihe ordnet, so erhält man folgende Relationen:
Ende der I. Woche.. A>B>D>E>F>C
S e E, n... A>B>C>D>E>F
e „Il. „ ....A>C>B>D>E>F
R IV ; A>C>B>D>FE
d Ne p EE Eeer EI
ge „VL. „ ...A>C>D
Die Gruppen A, B und C stehen immer auf der linken Seite, mit
Ausnahme der 1. Woche, wo C am rechten Ende der Reihe liegt. Dies
bedeutet, daß der Zuwachs an Körpergewicht hier am geringsten ist.
Der Grund hierfür ist das Verhalten des 1. Tieres der Gruppe C, dessen
Grewichtseinbuße zu dieser Zeit das Mittelgewicht der ganzen Gruppe
nachteilig beeinflußte. Warum gerade das 1. Tier so besonders lebhaft
auf das Thyreoideum reagierte, kann mit Sicherheit nicht angegeben
werden. Es handelt sich wahrscheinlich um eine individuelle Reaktion.
‚Jedenfalls ist die Stellung von C am rechten Ende der Reihe als eine
zufällige anzusehen.
Wenn andererseits A, B, C resp. D, E, E untereinander verglichen
werden, steht A immer links von B und C, ferner D immer links von
E und F. Dieser Vergleich zeigt, daß die Körpergewichtszunahme bei
der Nahrung ohne Zulage, gleichgültig ob vitaminhaltig oder vitaminfrei.
stets größer ist als durch dieselbe Nahrung mit JNa- oder Thyreoideum-
zusatz. Während das Gewicht von E in der Regel größer als das von
F ist, ist das von B nicht immer größer als das von C. Dies zeigt, daß
94 D. Ogata: Kann die avitaminöse Wachstumsstörung usw.
in den geschilderten Versuchen das Jodnatrium und das Thyreoideum
bei vitaminhaltiger Nahrung ungefähr gleichsinnig das Körpergewicht
beeinflußt haben. Wenn auch eine chronische Vergiftung durch JNa
nicht absolut ausgeschlossen werden kann, ist sie doch nicht wahr-
scheinlich, weil die Menge des Jodnatriums sehr klein ist.
Bekannt ist es, daß der Körpergewichtszuwachs der heranwachsenden
Tiere auf dem Überwiegen der Assimilation über die Dissimilation beruht,
wie es bei der Gruppe A der Fall ist. Bekannt ist auch schon lange,
daß das Jodpräparat und das Thyreoideapräparat mehr oder weniger
starke Abmagerung verursachen. Wenn nun die oben erwähnte Theorie
der Vitaminwirkung als richtig angenommen wird, so werden die Resul-
tate dieser Experimente gut erklärt.
In den beiden großen Gruppen A, B, C oder D, E, F steht A oder D
am linken Ende der Reihenfolge. Bei den Gruppen B, C, E und F ist
JNa resp. Thyreoideum zugesetzt zu der Nahrung, welche die Dissi-
milation steigern. Daher ist die Körpergewichtszunahme geringer bei
den Gruppen B und C als bei der Gruppe A, und die bei den Gruppen
E und F geringer als bei der Gruppe D. In den Reihen A>B>C>D
> E > F und anderen liegt D, E und F rechts von B und C, und selbst-
verständlich von A, d. h. die Körpergewichtszunahme ist größer bei
den Gruppen A, B und C als bei den Gruppen D, E und F. Man muß
immer berücksichtigen, daß die avitaminösen Tiere häufig einen ge-
ringeren Appetit haben als die normalen Tiere. Auf der anderen Seite
aber konnte man feststellen, daß die Tiere der Gruppe B ebenfalls
keinen starken Appetit hatten; während die Tiere der Gruppe C sehr
viel fraßen, und je mehr die Tiere fraßen, desto mehr steigerte sich die
Dissimilation und trotzdem blieben B und C größer als D, E und F.
Diese Tatsache ist nur erklärbar, wenn man auf Grund der obigen
Hypothese annimmt, daß bei vitaminfreier Nahrung eine verminderte
Assimilation statthatte. Obwohl bei den Gruppen B und C die Dissi-
milation vermehrt war, wurde doch die Assimilation keineswegs gestört.
und das Überwiegen der Assimilation hatte die Körpergewichtszunahme
zur Folge. Im Gegensatz dazu war bei den Gruppen D, E und F die
Assimilation mehr oder weniger stark vermindert. Es muß also häufiger
durchschnittlich die Dissimilation die Assimilation überwogen haben.
Aus allen diesen Ergebnissen geht hervor, daß die zu Anfang dieser
Arbeit geschilderte Überlegung, aus welcher die befolgte Versuchsanord-
nung hergeleitet wurde, zu Recht besteht, und daß die eingangs for-
mulierte Hypothese somit zum mindesten als eine zur Klärung dieser
für die gesamte Medizin fundamentalen Frage sehr geeignete Arbeits-
hypothese angesehen werden muß.
Die K-Ca-Äquilibrierung in tierischen Systemen.
Von
H. Zwaardemaker (Utrecht).
(Eingegangen am 14. Mai 1922.)
Mit 3 Abbildungen im Text.
Den frei diffundierenden Kalium- und Calciumionen kommt, wie
das Studium der künstlichen Durchströmungsflüssigkeiten ergeben hat,
in den tierischen Systemen eine hervorragende Bedeutung zu. K und Ca
machen sich dabei gesondert geltend und halten dazu noch in einem be-
stimmten Verhältnis sich die Wage. Erstere Erscheinung wird uns
hier nicht beschäftigen. Ich habe sie anderswo behandelt, worauf ver-
wiesen sein mag!). Bloß der zweiten Erscheinung möchte ich einige
Zeilen widmen. Dazu besteht um so eher Veranlassung, weil sie in
neuerer Zeit in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt wird und —
obgleich nur einen Teil der Kalium-Calcium-Frage umfassend — vielfach
als das Essentielle der Ionenwirkungen betrachtet wird. Wirkliche
Kenner des Problems, wie z. B. R. Höber?), K. Spiro?) u. a., stehen einer
solchen Einseitigkeit natürlich fern, sie schätzen nach Gebühr die spezi-
fische Wirkung der Elemente, aber manche anderen glauben das Ge-
schehen in der Physiologie erklärt zu haben, wenn sie die Erscheinung
auf die An- oder Abwesenheit einer ungefähren, mit der Norm überein-
stimmenden Äquilibrierung der K- und Ca-Ionenkonzentration zurück-
geführt haben.
. Die künstlichen Durchströmungsflüssigkeiten haben einigen Be-
dingungen zu genügen, die nicht aufgegeben werden sollen, wenn man
in absichtlichen Versuchen das Verhältnis K :Ca variiert. In erster
Linie muß der osmotische Druck konstant gehalten werden; dann muß
die Lösung mit Sauerstoff gesättigt bleiben und endlich die Konzen-
tration an Natriumcarbonat in der Weise gestellt werden, daß eine Alkali-
nität pg =7,4 (nach elektrischer Methode) oder p =7,6 (nach Indikatoren-
methode gemessen) resultiert. In Balanzierungsversuchen ist es geeignet,
bis auf py = 7,4 (nach Indikatorenmethode) herabzugehen, weil sonst
1) H. Zwaardemaker, Ergebn. d. Physiol. 19, 326. 1921; Arch. internat. de
physiol. 18, 282, wo auch die früheren Publikationen angeführt werden.
2) R. Höber, Dtsch. med. Wochenschr. 1920, Nr. 16.
1) K. Spiro, Baseler Antrittsvorlesung am 1. THI. 1921.
96 H. Zwaardemaker:
bei Erhöhung der Ca-Konzentration die Gefahr der Präcipitation oder
des Übergangs in dispersen, kolloidalen Zustand droht. Insofern ist
der klassische Brauch, NaHCO, 0,02%, zu nehmen, empfehlenswert.
Vermittels der Zugabe einiger Tropfen Neutralrotlösung überzeugt
man sich übrigens von der richtigen Alkalinität (Umschlag bei pyu = 7.4)
und schafft sich zu gleicher Zeit die Gelegenheit, einer leichten Ansäuerung
der durchströmten Gewebe, falls eine solche stattfindet, auf die Spur
zu kommen.
Über physiologisch äquilibrierte Salzlösungen sind im Laufe der
Zeit zwei Theorien angegeben worden. Inerster Linie die Theorie J. Loebs.
Er führte den Zusammenhang der empirisch bewährten Konzentrationen
auf das Massengesetz von Guldberg und Waage zurück, und nimmt dabei
umkehrbare Verbindungen zwischen Eiweiß und Elektrolyten an. Die
Jonen würden sich gegenseitig aus den Verbindungen verdrängen.
wobei selbstverständlich auch die Wertigkeit sich geltend macht.
In neuerer Zeit wurde dazu noch den Donnanschen Grenzschicht-
Gleichgewichten Rechnung getragen. Eine andere Theorie ist von
T. P. Feenstra angegeben. Es werden in den Grenzflächen des Proto-
plasma fixe Metallverbindungen vorausgesetzt, die bei der Umspülung
mit einer wässerigen Flüssigkeit eine Lösungstension ergeben, welche
zu einer Ausstoßung von Na-, K-, Ca-Ionen führt, wobei das fixe Depot
negativ geladen zurückbleibt. Dieses Spiel schreitet fort, bis es zu
einem Gleichgewicht mit den in der Flüssigkeit vorhandenen Ionen
gleicher Art gekommen ist. Die Potentiale der drei Depots Na,K, Ca
haben bloß dann einen gleichen Wert, wenn in der Lösung zwischen
den Ionen das Verhältnis besteht, das erfahrungsgemäß in einer guten
Ringerschen Lösung vorhanden ist. Die beiden hier kurz skizzierten
Theorien sind ganz allgemein. Sie gelten für alle lonen, die gelegentlich
in den Gewebsflüssigkeiten angetroffen sind oder die man absichtlich
den Geweben aufdrängt.
Vom kolloidehemischen Standpunkt haben R. Höber!), K. Spiro?)
u. a. Ansätze gegeben für recht interessante Betrachtungsweisen, die
namentlich von besonderem Wert sind für Funktionen, die mit der
Permeabilität der Grenzflächen zusammenhängen. Höber!) schließt,
nachdem er eine Übersicht über die Caleiumwirkungen gehalten hat,
daß den Kaliumionen ein leicht lockernder, den Calciumionen ein leicht
schrumpfender Einfluß zukommt. Spiro?) hat einen ähnlichen Gedanken
geäußert, bringt jedoch das Auflockernde mit einer von ihm experimentell
festgestellten Löslichkeitssteigerung von Glykokoll und Leucin durch
Kalium, das Schrumpfende mit einer Löslichkeitsherabsetzung dieser
Aminosäuren durch Calcium in Zusammenhang. Die Höberschen und
1) R. Höber, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 182, 104. 1920.
2) K. Spiro, Schweiz. med. Wochenschr. 1921. Nr. 20.
K-Ca-Aquilibrierung in tierischen Systemen, 97
die Spiroschen Ausführungen sind einander sehr verwandt!). Mit der
lockernden resp. lösenden Wirkung wird von vielen eine erhöhte, mit
der schrumpfenden resp. dichtenden Wirkung eine erniedrigte Permeabi-
lität in Verbindung gebracht. Da die gestörte Äquilibrierung die Funktion
vieler Organe schädigt. muß m. E. gefolgert werden, daß die hypo-
thetischen Permeabilitätsänderungen sich auf hochwichtige Agentia,
wie Sauerstoff, Kohlensäure oder Kalium beziehen?). Zu einer Verall-
gemeinerung auf alle Ionen, so daß auch die Verhältnisse Na: K und
Mg : Ca beobachtet werden können, gelangt man auf diesem Wege
nicht. Auch wenn man versucht, „,
die Äquilibrierungsformel auf die ua
lvotropen Reihen auszudehnen, also
K
D ? .. s 0005
neben ` ` auch noch die Verhältnisse
Ca
Li : Na : Rb : Cs l SN Vë 2
Ba. Mu. Sr. Ba annımmt, bleiben 4
Balanzierungen innerhalb einer sel-
ben Reihe unaufgeklärt. In dieser
Hinsicht stehen die Höberschen und
Spiroschen Ansätze hinter denen ` det
Loebs und F'eenstras zurück. Das ist
gewiß sehr zu bedauern, denn es gar
wäre ein großer Fortschritt. wenn
man, Höber und Spiro folgend, un- m
Seege Bi e m e Ae E
. S ; don Qa as 00% 0006
sere Vorstellungen in eine kolloid- mal la.
. 1 .. Abb. 1. Auf der Achse der Abscissen sind die
chemische Form fassen könnte. Mengen der Calciumionen, auf der Achse der
Wer bekannt ist mit den in den Ordinaten die Mengen der Kaliumvertreter
J h ; : I A angegeben, beide in molaren Werten. 1 gibt
letzten Jahren in meinem Institut die Äquilibrierung K : Ca; 2 die Äqnilibrierung
zutage geförderten Tatsachen wird Rb:Ca; 3 die Äquilibrierung Ca: UO, ; 4 die
i i g Auyuilibrierung Ca: Th wieder.
diese Hypothesen nicht bloß den
Aquilibrierungen Na :Ca, K:Ca, K : Sr, sondern bei absichtlich vor-
genommener Entfernung des diffusibeln Kaliums auch noch den Aquili-
brierungen UO, : Ca und Th : Ca anzupassen haben. Wir waren 1916
gelegentlich einer Untersuchung über die radioäquivalente Vertretung
des Kaliums sehr überrascht, auf sehr frappante Beziehungen in dieser
Hinsicht zu stoßen. Wenn Ca als variabel genommen wird, hat man
U
»
Ge
J
1) Nach Höber rührt der Gedanke, dem Calcium eine dichtende Wirkung
zuzuschreiben, ursprünglich von Hans Meyer her.
*) Wenn man z. B. die Hypothesen Mansfelds und Szent Györgys verfolgt.
nach welchen Kohlensäure die Ursache des Herzschlags sein sollte (Pflügers Arch.
f. d. ges. Physiol. 184, 236), könnte man glauben, daß das Kohlensäure- Anion
nur bei intakter Permeabilität Zugang zum Inneren der Muskelzelle des Herzens
bekommt.
Biochemische Zeitschrift Band 13%.
98 H. Zwaardenmaker:
auch die Kalium-, Rubidium-, Uranyl- und Thoriumdosen ahzuar. == \
Wir fanden eine vollkommen lineare Beziehung!).
Die numerischen Beziehungen sind folgende:
K Rb 3 Ca Ca
mg Lo, in
Genau verfolgt sind diese Balanzierungen für das Kaltblüterbr |
(Frosch, Kröte, Aal, Petromyzon), jedoch wir fanden sie ebenfi-
für mehrere andere Organe (Darm, Uterus z. B.). Mit der Radio a rte
als solcher haben sie wahrscheinlich nichts zu tun, vielmehr hat mi
sie als Äußerungen der allgemeinen Ionenäquilibrierung zu betrachte:
Es fragt sich nun, ob auch die kolloidchemische Erklärung weise ==
sie anwendbar sei.
Uranylnitrat (Acetat, Sulfat) und Thoriumnitrat sind Salze der
Schwermetalle, die bekanntlich mit Eiweiß umkehrbare Koagulatıom:
geben?). Man könnte also meinen, daß sie eventuell noch mehr dichter
werden als es die Caleiumsalze vermögen. Man hat also in der Fait, |
Schwellung-Schrumpfung das Calcium in die Mitte zu stellen?). Ihe
Beziehungen werden also:
K:Ca=2:]l; Ca : UO, = 35:1
Rb : Ca = 3: 2; Ca :Th = 20:1.
Das neu gewonnene Ergebnis hat natürlich keinen Wert für die-
jenigen, die unsere radiophysiologischen Versuche nachprüften und nicht
bestätigen konnten. Ich möchte diese Herren bitten, keine willkürlichen
Abänderunyen des experimentellen Verfahrens anzubringen, bevor sie
das ausführlich beschriebene, absichtlich systematisch eingeschränkte,
ursprüngliche angewendet habent). Andere, die zwar die Herzen während
einer halben Stunde oder länger pulsieren sahen, wegen zufälligen Fre-
quenzunterschieden jedoch keine normale Automatie anerkennen
wollen und lieber an eine Reizung durch Uranyl oder Thorium glauben,
werden die neuen Äquilibrierungen Ca ` UO, und Ca : Th ohne Frage
mit Freude begrüßen. Sie werden mir unmittelbar die Frage vorlegen,
ob nun auch die beiden äußeren Glieder, die univalenten Leichtmetalle
und die mehrwertigen Schwermetalle, gegeneinander aufgewogen werden
können. Die Frage muß unbedingt bejaht werden, wenn man aus-
schließlich nicht-radioaktive Schwermetalle für die Versuche verwendet.
Die Muskellähmung durch Kalium fand Höber durch Ca, Mn, Ni, Zn
——
= 20.
wg —. nn o
1) T. P. Feenstra. Onderz. Physiol. Lab. Utrecht, 6. R., Bd. II, S. 1. 1921.
*) G. Galeotti, Zeitschr. f. physiol. Chem. 40, 492. 1904.
" Der Mansjeldt-Györgyschen Hypothese folgend, würde man zwei intakte Per-
meabilitäten anzunehmen haben, eine bei gewöhnlicher Dichtigkeit und eine bei
der abnorm hohen Dichte der Kombination Ca : Uranyl oder Thorium.
1) So stellte z. B. 8. G. Zondek, diese Zeitschr. 121, 76, ganz andere Versuche
an als wir und wunderte sich dann, daß er etwas anderes fand.
< — Game" TT
K-Ca-Äquilibrierung in tierischen Systemen. 99
umkehrbar beseitigt. Jedoch auch in diesem Fall muß man den Vor-
behalt machen, univalente Ionen, Calcium und polyvalente Ionen
nicht zu einer ununterbrochenen Reihe aneinander zu gliedern, denn die
2 Gleichungen univalent : Ca und Ca : polyvalent können für einen
gegebenen Fall nie gleichzeitig richtig sein. Wenn eine bestimmte
Funktion sich bloß mit einer bestimmten Permeabilität verträgt, kann
nicht zur selben Zeit eine andere Permeabilität mit ihren umliegenden
Werten, viel niedriger oder viel höher eingestellt, auch richtig sein.
Deshalb soll es entweder heißen: univalent :Ca = konstant, oder
Ca : polyvalent = konstant,, oder univalent : polyvalent = konstant,.
Sogar wenn man sich dieses Vorbehaltes bewußt bleibt, ist es inzwischen
nicht erlaubt in der dritten Formel radioaktive lonen aufzunehmen,
denn radioaktive Leicht- und Schwermetalle sind wahre Antagonisten,
während es sich bei den Äquilibrierungen, wofür wir die Formel auf-
stellten, um Pseudoantagonisten (Spiro) handelt.
Für die radioaktiven Ionen gelten andere Regeln. Man kann zwar
einige Zusammenstellungen, in welchen Vertreter der im wahren Sinn
antagonistischen Gruppen zusammengebracht sind, ausfindig machen,
wobei eine Funktion auch auf die Dauer möglich ist, aber bei genauerem
Gegeneinanderaufwägen kommt man immer zu einer Zone des voll-
kommenen Funktionsausfalls, beiderseits begrenzt durch Zonen der
Überlegenheit einer der Wirkungen!). Wir haben viele solcher Gleich-
gewichtspunkte aufgesucht und fließende Linien durch sie gelegt, die `
sich nach ganz bestimmten Gesetzen benehmen. Sehr begreiflich ist
dies alles, wenn man den radiophysiologischen Standpunkt einnimmt,
gänzlich unerklärlich durch Balanzierungsregeln. Sogar ein Anhänger
der letzteren, der geneigt sein möchte, eine sprungweise Änderung
der erforderlichen Permeabilität anzunehmen, z. B. unter dem Einfluß
einer gleichzeitig stattfindenden H-Ionenkonzentration (in den Ver-
suchen jedoch ausgeschlossen, weil unter der Kontrolle mit Neutralrot
die Alkalinität konstant gehalten wird), muß angesichts der Tatsachen
einen solchen Gedanken aufgeben. Untenstehende Abbildung schildert
den Übergang eines Froschherzens von einer permanenten Durch-
strömung mit kaliumhaltiger Ringer scher Flüssigkeit auf eine permanente
Durchströmung mit thoriumhaltiger Ringerscher Flüssigkeit, aus welcher
das Kalium fortgelassen ist. Die Funktion bleibt vollkommen un-
geändert, wenn man von einer ganz leichten Zunahme des Tonus ab-
sieht. Irgendeine Störung im Momente des hypothetischen Permeabili-
tätssprungs — falls man diese Denkmöglichkeit noch verteidigen möchte
— findet nicht statt.
1) Bei Pseudoantagonisten, wie sie physiologisch äquilibrierte Salzlösungen
veranlassen, befindet sich eine Zone der Funktionierung zwischen zwei Zonen
des Funktionsausfalls.
Tr
100 Il. Zwaardemaker:
Und wenn man andere Fälle beobachtet, in welchen die von mir
beschriebenen radiophysiologischen Paradoxen erscheinen, ist die rasch
vorübergehende Störung manchmal einseitig vorkommend,. wenn man
von Uran auf Kalium. nicht wenn man von Kalium auf Uran übergeht.
EN NS 8Min.
A ` i
|| | | ` I | ii | ` i
150 mg KCI 50 mg Thoriumnitrat
Abb. 2. Übergang von Kalium auf Thorium (am isolierten Froschventrikel). Der Übergang
von einer Ringerlösung mit 150 mg KCI pro Liter auf eine mit 50 mg Thoriumnitrat (ohne
Kalium) pro Liter findet 7 Min. nach dem Anfang der Kurve statt. Die Anwesenheit des
Thoriums ohne gleichzeitige Anwesenheit von Kalium bringt eine ganz leichte Zunahme des
Tonus zustande.
Abb. 8. Übergang K -> U und U —> K (am isolierten Froschventrikel). Die Übergänge von
einer Ringerlösung mit 250 mg KCI pro Liter auf eine mit 25 mg Uranylnitrat pro Liter. oder
umgekehrt, sind von weißen Punkten angegeben. Punkt 1 von U auf K, Punkt2 von K auf U,
Punkt 3 von U auf K, Punkt 4 von K auf U, Punkt 5 von U auf K. Unmittelbar nach Punkt 2
und 4 fällt ein Schlag aus, aber sonst gehen die Pulsationen ruhig weiter. Nur entwickelt
sich allmählich eine gewisse Tonuserhöhung. Beim ersten, dritten und fünften Punkt findet der
umgekehrte Übergang statt. Unmittelbar folgt ein 2 Min. anhaltender Stillstand. Während
dieses sogenannten Paradoxons befindet sich der Ventrikel in Erschlafflung. Nach dem para-
doxalen Stillstand kehren die ursprünglichen Kaliumpulsationen mit ursprünglicher Hubhöhe
zurück. I cm der Abseisse entspricht etwa 4 Min.
Diese Dinge sind vom radiophysiologischen Standpunkt leicht zu
verstehen. Hier äußert sich der Gegensatz zwischen dem negativ ge-
ladene Elektronen aussendenden Kalium und dem positiv geladene
Heliumatome auswerfenden Uran. Während des Übergangs findet in
den Lacunen des Herzens eine Mischung der Kalium- und Uranvlionen
K-Ca-Ayuilibrierune in tierischen Systemen. 101
statt. die in einem gegebenen Moment, in bestimmten, sich gegenseitig
aufhebenden Mengen von den Muskelzellen des Organs adsorbiert
werden. Beim Übergang Uran-Kalium wird wegen der großen Wande-
rungsgeschwindigkeit der Kaliumionen, die aus der weiten Ventrikel-
höhle in die engen Lacunen vordringen, das Gleichgewicht plötzlich
erreicht, beim Übergang Kalium-Uran, weil langsam diffundierende
Uranylionen in die engen Lacunen hinein müssen und das Gleichgewicht
niedriger gestellt ist, weniger schroff. Bloß wenn, wie im Winter, der
Antagonismus für verschiedene Konzentrationen gleichmäßig ist. zeigt
sich das Paradoxon nach beiden Seiten für alle Übergänge.
Eine ausschließlich auf Valenzregel und Ivoptrope Reihen fußende
Betrachtungsweise steht diesen Erscheinungen, die sich in vielen
Kombinationen und Permutationen variieren lassen, die in den bleiben-
den Gleichgewichten und den fließenden Gleichgewichtslinien ihren
schärfsten und reinsten Ausdruck fanden, vollkommen ratlos gegenüber,
auch wenn sie die experimentell unbegründete, theoretisch irrationelle
Annahme zweier getrennter in demselben Organ vorkommender physio-
logischer Permeabilitäten wagen möchte!).
Die radiophysiologischen Phänomene sollen nicht mit den Ionen-
äquilibrierungen zusammengeworfen werden, weil sie im Wesen ver-
schieden sind. Beide existieren nebeneinander. Eine physiologische
Äquilibrierung der vorhandenen Salze und eine physiologische Dosis
Radioaktivität sind offenbar von einander unabhängige Bedingungen,
denen ein Organ (Herz, Darm, Uterus, Synapsen) zu genügen hat,
um auf die Dauer normal zu funktionieren.
1) Ein Anhänger dieser irrationellen Annahme ist vielleicht geneigt, sich die
Sachen in der Weise zurechtzulegen, daß er voraussetzt:
l. Ca ohne Gegengewicht macht die Grenzschichten für wichtige, zum Leben
unbedingt notwendige, von außen einzuführende Stoffe impermeabel,
ruft also Funktionsausfall hervor.
2. Sowohl K nach der einen Seite als UO, nach der anderen Seite kann das
Gegengewicht herschaffen.
3. K und UO, zusammen sind auch unter sich einander antagonistisch, so
daß bei gleichzeitigem Vorhandensein dieser Ionen Ca wieder ohne Gegen-
gewicht ist.
Akzeptiert man diese 3 Hypothesen, so stellt sich das merkwürdige Ergebnis
heraus, daß K und U in sub 3 einander in radio-äquivalenten Dosen entgegen-
gesetzt sein müssen. 1916 fanden wir für Winterdosen, die sich bei Mischung
vegenseitig aufheben:
K 53 EE Th 24.
So lauten die empirischen Zahlen.
Berechnet nach physikalischen Daten findet man als radio-äquivalente Werte:
K 53 U3 Th 9.
D D . D . k . . . .
Diese kolloidehemisch vollkommen unbegreifliche Übereinstimmung ist radio-
biologisch ohne weiteres klar.
H. Zwaardemaker: K-Ca-Auuilibrierune in tierischen Systemen.
l d
Die Ionenäquilibrierungen haben gewiß ihre praktische Bedeutung
bei der Ausführung radiophysiologischer Versuche!), berühren jedoch
die Theorie der Kaliumradioaktivität nicht unmittelbar.
Zusammenfassung.
l. Wenn man neben den Theorien allgemeiner Ionenäquilibrierung
eine spezielle kolloidchemische Betrachtungsweise stellen will, hat man
eine dreifache Äquilibrierung anzunehmen:
Leichtmetalle :Ca, Ca : Schwermetalle und Leichtmetalle : Schwermetalle.
2. Die radioaktiven Schwermetalle haben in der Gleichung Leicht-
metalle : Schwermetalle keinen Platz, weil sie wahre Antagonisten sind,
während es sich bei den Äquilibrierungen bekanntlich (Spiro) um einen
Pseudoantagonismus handelt.
3. Die Erscheinungen der Radiophysiologie können vorläufig nicht
rein kolloidehemisch erklärt werden.
1) Es bleibt ein Nachteil, wenn man in radio-physiologischen Versuchen die
Ionenäquilibrierung durchbrechen muß. Namentlich wenn der Versuch viel Zeit
in Anspruch nimmt, wiegt der Nachteil schwer.
— m wë rn ne ~ —
Die Wirkung des künstlichen Lichtes auf die alveolare
Kohlensäurespannung.
Von
Stefan Ederer.
(Aus dem Physiologischen Institut der ungarischen Universität in Budapest.)
(Eingegangen am 15. Mai 1922.)
Die Auffassung der CO,-Spannung des Blutes als ein Indicator
des Säure-Basengleichgewichtes gründet sich auf die Arbeiten von
Haldane und Prystley, Hasselbach, van Slyke und Winterstein. Es wird
hervorgehoben, daß infolge der Neutralitätsregulation durch Puffer-
gemische eine Änderung der Wasserstoffzahl nur die extremen Fälle
der Versagung des Regulationsmechanismus bedeutet (inkompensierte
Acidosis oder Alkalosis). Über die kompensierten Verschiebungen des
Säure-Basengleichgewichtes aber innerhalb dieser Grenzen sagt der
Py-Wert nichts aus. Die Gleichung der Blutwasserstoffzahl
l CO,
E NaHCO,
“bedeutet mehr als eine einfache Definition dieses Wertes, bestimmt
durch das Verhältnis der freien und gebundenen Kohlensäure, denn
die absolute Größe dieser Faktoren charakterisiert zugleich die Verteilung
des Alkalis (Na) zwischen Kohlensäure und den fixen Säuren des Blutes.
Da die Kohlensäurespannung von der Ventilation und von dem
Bicarbonatgehalt des Blutes abhängt, so wird bei konstant regulierter
Py die Verminderung der Kohlensäurespannung entweder durch eine
stärkere Ventilation verursacht infolge primär erhöhter Erregbarkeit
des Atemzentrums gegen die Wasserstoffionen des Blutes (zentrale
Hypokapnie, kompensiertes CO,-Defizit) oder durch eine Vermehrung
der fixen Säuren des Blutes, die mit Beschlagnahme des Alkalis einher-
geht und somit zur Verminderung des Bicarbonatgehaltes führt (kom-
pensiertes Alkalidefizit, hämatogene Hypokapnie, relative Acidosis).
Erhöhte Kohlensäurespannung bedeutet entweder primär abgesch wächte
Erregbarkeit des Atemzentrums mit ungenügender Ventilation (zentrale
Hyperkapnie, kompensierter Kohlensäureüberschuß) oder eine Ver-
mehrung des Blutalkalis (hämatogene Hyperkapnie, kompensierter
Alkaliüberschuß, relative Alkalosis).
104 St. Ederer:
Die bisherigen Belichtungsversuche haben zu der ganz allgemeinen Schlub-
folgerungr geführt, daß die haufigste Folgeerscheinung intensiver, direkter Belich-
tung die Herabsetzung der alveolaren Kohlensäurespannung ist. Zur Erklärung
dieser Erscheinung wird die Erhöhung der Ventilationsgröße herangezogen. Die
Versuche wurden teils im Hochgebirge ausgeführt, wo die Versuchspersonen
stundenlang der Höhensonne ausgesetzt waren, wie während den Höhenklima-
forschungen von Durig. Schröftter, Zuntz und von Hasselbach. Lindhard!), teils
bediente sich Hasselbach der Kohlenbogenlampe. Die Erniedrigung der Kohlen-
säurespannung erfolgte nach einem Lichtbad von einer Stunde Dauer, das ein
kräftiges, universelles Erythem nach sieh zog, mit nachfolgender Abschuppung
der Haut und Pigmentierung. Dieselben Folgen sind auch in den Hochgebirus-
versuchen erwähnt. Bei einigen Versuchspersonen hat sich die Kohlensäure-
spannung nicht geändert. Diese Unterschiede werden auf individuelle Empfind-
lichkeit der Haut gegen Lichtreize und auf Verschiedenheit der Lichtintensität
bezogen. Es befinden sich aber in diesen Versuchsprotokollen auch einige Angaben
die bei der Schlußfolgerung unbeachtet geblieben sind. namlich eine Erhöhung
der Kohlensäurespannung*).
Um die "Bedingungen dieser verschiedenen Reaktionsformen zu
prüfen, wurden die gegenwärtigen Belichtungsversuche so gestaltet.
daß einerseits der Lichtreiz verschieden dosiert wurde, andererseits
der Ablauf der Reaktion in kürzeren Zeiträumen während der Versuchs-
tage gemessen wurde. Als Lichtquelle diente eine noch wenig gebrauchte
Quarzlampe (.. künstliche Höhensonne“, Quarzlampen-Gesellschaft Ha-
nau). Die alveolare Kohlensäurespannung wurde nach der Methode von
Plesch bestimmt. Um Fehlerquellen der verschiedenen Diätform, der un-
gleichmäßigen Lebensweise und der ungleichförmigen Atmungstechnik zu
vermeiden, habe ich durch wegs Selbstversuche gemacht. Damit haftet den
Versuchen natürlich der individuelle Charakter an, die Wirkungen der
verschiedenen Reizintensitäten aber müssen desto isolierter hervortreten.
Die Normalversuche, die vor jeder Belichtungsperiode ungefähr
eine Woche lang dauerten, berichten über die normale Schwankung«*-
breite der Kohlensäurespannung (Tabelle I). Die Grenzwerte erstrecken
sich in den Versuchen vom November zwischen 38,4—45,6 mm Hg,
im Dezember 37,3—45,8 mm Hg und im Januar von 41,0— 45,2 mm Hg.
Die entsprechenden Mittelwerte sind 41,6, 41,3 und 43,0 mm Hg. Die
normalen Abweichungen vom Mittelwert ergeben in den 3 Perioden
-+- 40 mm und — 3,2 mm: + 45mm und — 3,5 mm; + 2,2 mm’ und
— 2,0 mm; im Mittel + 3,23 mm im Werte von 7,7%. Der erste, Wert
ist vor jeglicher Belichtung am Anfang der Versuchsreihe bestimmt
worden. Die den zweiten und dritten Mittelwert zugrunde liegenden
Normalversuche wurden 19—7 Tage nach der letzten vorangehenden
Belichtung vorgenommen.
` en Lindhard, Skandinav. Arch. f. Physiol. 26. 285. 1912. Die Erhöhung wird
auf einen unbekannten Faktor bezogen, der die Lichtwirkung deckt, — A. Durig,
H. v. Schrötter. N. Zuntz, diese Zeitschr. 39, 469. 1912. Besonnungsversuche an
Col d’olen, 27. VIII. 1903 (S. 486). Versuchsperson Zuntz. Versuchsreihe vom
4. IV. 1911: Versuchsperson Carrière.
Wirkung des künstlichen Lichtes auf die alveolare Kohlensäurespannung. 105
Tabelle I.
Ze Zeitpunkt. | | CO,
= = „ex Versuches en SS Spannung Bemerkungen
es mm-Hx
a TE
1 LAT 185° 65 DH 38.4
a 2. X. Ob 30° 790.6 d ee 41.8 LL Vorperiode,
3 3. X1. 1015 751.0 | 39.2 Nr. 1-7.
4 A ALL T” 748,9 5.61 421 Am Anfang der Ver-
5 d. XI. "hau 748.7 6.09. 45,6 suche vor jeglicher Be-
6 d AL n 754.1 9.70 43.6 liehtuner.
7 6. Al 27207 ı 7502000541 40.1
33 1. AM. 1P 40° | 7515 ST o PY
34 1. XID 128 407, 754.7 DA" Aa?
35 2. Alt 5015) >13 6.09 45N i A
ap Lil Ind i 7531 5.0? 37.8 23
37 3. XII. 66207) 7530 5.41 40.8 Kine E Ju nach der
28 4 NIL | 582 © J 41.4 letten "Bette
39 4. XII. 7P 708.4 3.40 40.9 am 24. NI.
40) >. XIL 115°; 756.0 5.14 38.9
41 6. XI. 9 10°: 7548. 521 39,3
42 T. ATI 118 30° 752.5 "AN 42.0
61 28 XI. 5815 750.6 CH 44.4
DI 30. XIL 1P D eg 55l 41.6 > orperiode.,
63 2al 680° 751.0 6,10 45.2 61-67.
64 3.1.6, 30 1375 605 — 446 Zwei orhen nach der
Di 4. LI | 732.0 5.50 41,0 letzten Bestrahlung
Cp 4. I. 31 20° T320 573 41.9 am 16. NHI.
D AL ch I 73805 0 579 o R3
Die erste bereet (Tabelle I) dauerte vom 9. XI. bis
30. XI., umfaßt also 20 Versuchstage, während dessen 5 Belichtungen
vorgenommen wurden in stufenweise erhöhter Intensität von 5—10 bis
20 — 30 Minuten Dauer und 1 m Entfernung, die stärkste von 40 Minuten
Dauer und !/,m Entfernung. Die Bestrahlung erstreckte sich anfangs
auf den begrenzten Hautbezirk von Gesicht und Hals, später wurde
die bestrahlte Fläche auf die entblößte Brust erweitert.
Die erste Bestrahlung von 5 Minuten war ohne Wirkung, die darauf-
folgende von 10 Minuten Dauer aber bewirkte schon nach 3 Stunden
eine Erniedrigung der Kohlensäurespannung unter die Norm, ohne ein
Erythem zu verursachen. Nach der nächsten 20 Minutenbestrahlung
3 Tage nachher erhöhte sich die CO,-Spannung, blieb aber noch unter
der Normalgrenze. Eine übernormale Erhöhung bewirkte die den
nächsten Tag folgende Dreißigminutenbestrahlung binnen 5 Stunden,
nach 21 Stunden war sie schon nicht nachweisbar. Die nach einer Pause
von 4 Tagen erfolgte Bestrahlung von 40 Minuten Dauer hatte eine
Senkung der Kohlensäurespannung zur Folge bis 36,6 mm Hg (4,75°,
CO,), die nach 2!/, Stunden schon einsetzte und in 8 Stunden vorüber
war. Diese Bestrahlung verursachte ein kräftiges Erythem der ganzen
belichteten Hautpartie, das 2 Tage andauerte, mit nachfolgender
106 St. Ederer:
Tabelle II.
€ te i i
SS Zeitpunkt © Baro- | Alveo- CO,-
z SI des Versuches : meter- | lare | Spannung Bemerkungen
= stand © CO," mm/Hg
>S 19212
8 9.XL1MmY 558 433 1. Belichtungsperinde, Nr. 8—32.
146,6
9 10.X1. 7935|, 747,8 5.67 | 42.4 12445 5 Min. Bestrahl., 1 m Entfern.
10 11.X1. 61517542 502! 37.7 106% 10 . e Im 2
11 °12.X1. 1e 1750.5| 518 39.3
12 13.X1. 1815’: 7605 5.25 | 39.9
13 14.X1.1122° 762 , 522: 398 10h 05°. 20 Min. Bestrahl.. Im Entfern.
4,
14 14.Xl. 130° 757.3: 5.36 41,
15 14. XI. "hä "Why 544 41.9 `
16 . 15. XI. 10° am | 759,9 584 444 1130. 30 Min. Bestrahl.. 1 m Entfern.
17 15.XL. 3 |7544, 6.10 | 460
18 16.X]. 2» :750 1562 | 422 ı
20 18.X1. Dh 155537, 40,6 |
21 24.X1.11h45 765.9 5.09 39.0 1045. 40 Min. Bestrahl., 50 cem Entf.
22 24.Xl. 210° 765,9 478 36,6 `
23 24.Xl. 435 7701 475. 36.6 Beginnendes Erythem.
24 24.X1. 625° 770 5.22 40,2
|
19 17.X1. 130° 751.3. 5.21 | 39,2 |
l
25 25. X1.10}4p 764 5.61 42,9 i Starkes Erythem.
26 25.X1. II 7637 5.31 40,6 |
27 25.X1. 66 ' 760.2 5.06 38T |
28 26. XI. 1720’ 761.2 5.50 44,9 ' Erythem dauert an.
29 29. XI. 420° 7542 hui 438 |Sehuppung der Haut. Pigmentation.
30 29.X1. 6h15 7546 565, 426
31 30.X1. 130 751.8 567: 427
29 30.XI. 5h45 751.7 589 | 443
Abschuppung und Pigmentation. Während der Zeit des Erythems
und der unangenehmen subjektiven Symptome schwankt die Kohlen-
säurespannung zwischen normalen Grenzen.
Es ist schon nach diesen Versuchen sichtbar, daß man von einer
einheitlichen Wirkung des Lichtes nicht sprechen kann. Diese wechselt
nach der Intensität des Reizes. Die Reizintensität kann nicht unmittel-
bar an der Belichtungsdauer und Entfernung gemessen werden, sie
hängt von der aktuellen Reizbarkeit der Haut ab.
Dieser Umstand trat in der zweiten Belichtungsperiode vom 8. XII.
bis 22. XII. deutlich hervor (Tabelle III). Schon die erste Bestrahlung
dieser Periode von 40 Minuten Dauer — die nach einer Pause von
2 Wochen vorgenommen wurde, um die Folgen der früheren Bestrah-
lung ausklingen zu lassen —, bewirkte keine Erniedrigung der Kohlen-
säurespannung. Sie erhöhte sich bis 49,1mm Hg (6,56 CO,-%) in
T! Stunden. Das Erythem trat schon 2 Stunden nach der Belichtung
auf und wurde immer kräftiger. Den folgenden Tag stürzte die Kohlen-
säurespannung bis auf 35.6 mm Hg (4,79 CO,-°%%), während dieser Zeit
waren die subjektiven Symptome, das Brennen und Spannungsgefühl
der entzündeten Haut am unleidlichsten. Schon gegen Abend linderte
Wirkung des künstlichen Lichtes auf die alveolare Kohlensäurespannung. 107
sich das Gefühl und die Kohlensäurespannung erhöhte sich wieder,
um den nächsten Tag andauernd übernormal zu bleiben. Das Erythem
schwächte sich ab und machte einem subjektiven Wohlgefühl Platz.
Den 3. Tag erreichte die CO,-Spannung wieder die Norm.
Tabelle III.
= 0— eme — e <- — gn
D
—
Zeitpunkt ' Baro- | ge CO,-
= z des Versuches | meter- lare | Spannung Bemerkungen
D2., ‘stand | CO,% mm/Hg
mn 1921/22 | | | !
43 8. XII. 11P 107: 747,8: 5.66 42,4 vn Belichtungsperiode, Nr. 43—60.
44 |! 8. XII. 48 40, 747,3 5.92 44.2 11h 50. 40 Min. Bestrahl.. 50 cem Entf.
45 i 8. XII. 7b 15| 748,2 6.56 49,1 |Erythem.
46 " 9. XII. Op 30 142,5 6,27 46,6 Spannung. Brennen.
47 | 9. XII. 11» 454 741,9 4,79 35,6 |
48 i 9. XII. 2h 741,9: 5,74 42.6 ,
49 " 9. XII. 5b 756,0: 5.64 426 |
50 | 9. XII. 6645’! 757.0 6,0 454
51 ,10. XII. 10b 10 746,0 6,22 46.5 |Erythem schwächer. SubjektivesWohl-
52 10. XI. 56 50. 750,0 . 6,34 475 į gefühl.
53 11. XD. 12% 307 754,3 ; 5,57 420 |
54 15. XII. 66 40°. 756,3 | 5,61 42.4 |
55 16. XD. 66.01’: 755,2 6.05 45.6 9b. 40 Min. Bestrahlung, 50 cm Entf.
56 :16. XIL 6740 755.0 603 455
57,17. XII. mp 750,0] 6,38 | 47,8
58 '19. XII. 11r 30° 745,9 | 5,97 | 44,6
59 '20. XII. 5230 | 747,0 6,56 | 491
60.21. XIL Ah 7517 591 | 444
Die folgende Belichtung nahm ich nach einer Woche vor, neuerdings
von 40 Minuten Dauer. In 9 Stunden konnte schon eine Erhöhung
nachgewiesen werden. Die erhöhte Spannung dauerte diesmal mit
einer kleineren vorübergehenden Schwankung 4 Tage lang (Versuch
Nr. 55—60). Der maximale Wert war 49,1 mm Hg (6,56 CO,-°%), das
eine Abweichung vom Durchschnitt der Vorperiode um 15,8%% ausmacht.
Der Durchschnittswert dieser 4 Tage war 45.9 mm Hg, um 4,6 mm Hg
höher als der Mittelwert der Vorperiode 41,3 mm Hg. Zur Zeit dieser
Belichtung war die Haut noch pigmentiert von der vorangehenden
Bestrahlung. Das erfolgte Erythem war diesmal schwächer und blaßte
in 2 Tagen ab. Während dieser und folgender Tage verspürte ich erhöhte
Arbeitsfähigkeit, Unermüdlichkeit und ausgesprochene Übererregbarkeit.
In der dritten, nach 2wöchentlicher Ruhezeit begonnenen Belich-
tungsperiode (Tabelle IV) wurde die Dosierung so gewählt, wie sie in
der Lichttherapie üblich ist. Nach anfänglicher stufenmäßiger Steige-
rung der Bestrahlungsdauer von 15—30 Minuten blieb ich bei dieser
mittelstarken Dosis stehen und wendete sie in 2—4tägigen Zeiträumen
in einer Entfernung von 55cm an. Diese Dosis verursacht jetzt nur
mehr ein schwaches Erythem mit nachfolgender Abschilferung des
108 St. KEderer:
Tabelle IV.
Zeitpunkt ` Baro- Alveo- CO,-
des Versuches meter- lare Spannung Bemerkungen
stand CO-%, mmHg
1721/22
€" Versuchs-
nummer
685. 1. 10h 394 5.72 4.1 III. Belichtungsperiode, Nr. 68— 95.
15 Min. Bestrahl. 60 cm Entfernung.
. 121307 7402 56l 41.5 (äh An. 20 Min. Bestrahle. (cm Entt.
. 9207 7485 5.54 41.4 Mittelmäßiges Erythem.
, fb 151.8 5.75 43,3
, DhIN 750,9 5.60 42.5 Db 30°. 25 Min. Bestrahle. 55 em Entf.
. 10h ‚753.6 5,77 43.5
. 6h 30 : 7545 541 +0.8 Dh 45°. 30 Min. Bestrahlg. 55 em Entf.
. 11215 7540: 613 ° 46.2 ` Ervthem.
|
l
|
l
I
|
R |
6 1l. I. 28 ‚154,0 5.22 | 39.4
ec 11.1. 7030’ 752,9: 6.20 46.7
T8 12.1. TR30 "AAA 6,38 47.5 Abschilferg. d. Epithels. Pigmentation.
T9 13. L 1»30 748,0 An: 424 Ip An. 30 Min. Bestrahlg. 55cm Entf.
80 14. I. 12h 15° : 750,6; 582 43.7 Schwaches Ervthem.
HI 14.1.6615’ 1 753,0 610 46.0
82 15. p Ma 17460 598 447
83 16. I. 630° "740,5 58T 43,5
84 17.1. 2b 45.0 551 41.0 2h 15°, 30 Min. Bestrahle. 55 em Fintt.
85 18. I. 1039 746.9 DOR- 446
D 19. 1. 730 7471 599- 447 7a 50. 30 Min. Bestrahle. 50 cm Entf.
87 20. I. ch T486 6.22 7 466
88 21. [. 7b 7543 531393
89 22. I. 6307 | — re 30 Min. Bestrahlung. 55 em Entfernung.
99 23.1. 515° I 7611 Al 43.5 Mittelstarkes Iċrythem.
gE 23. 17% ll 60 , An:
92 24. 1. 106 30° 762,6 6.12 | 46.7
GEM E ER | 7574 6.15 ' 46,6 Haut. pigmentiert.
94 26. 1. 1525” 1 756,6, 569, 43.6
95127. 1. "hän !7573 599; 454
Epithels. Außer Jucken fehlten jegliche subjektive Symptome. Die
graphische Kurve (Tabelle V) dieser Periode zeigt zusammenfassend die
Resultate. Einerseits die Wirkungslosigkeit der zu schwachen Reize,
en le Sr
Besmrahlungszeit 15' A0 25° A0
und - Dover
“Aormalma pi} gä
a YNT A
Datum: 5. 6 EE EE
E
#52
andererseits zeigt sich nach den mittelstarken Dosen eindeutig — zwar
nicht in jedem Falle — die Erhöhung der Kohlensäurespannung. Diese
Erhöhung setzte den nachfolgenden Tag ein und war meistens in
24 Stunden erloschen. Die Höchstwerte übersteigen den Durchschnitts-
Wirkung des künstlichen Lachtes auf die alveolare Kohlensäurespannune. 109
wert der Vorperiode von 43,0 mm Hg um 3.0—4.5 mm, während die
Schwankungen dieser Ruheperiode 1,6—2,0 mm ausmachten.
Zusammenfassend kann also festgestellt werden, daß die Wirkung
des künstlichen Lichtes auf die Kohlensäurespannung unabhängig ist
von den Entzündungssymptomen der Haut.
Schwache Lichtreize sind wirkungslos. mittelstarke erhöhen die
(‘O,-Spannung, starke Reize führen zur Erniedrigung.
Die Intensität des Reizes ist außer der Bestrahlungsintensität von
der Ansprechbarkeit der Haut bestimmt. — Während in der ersten
Belichtungsperiode schon die Bestrahlung von 10 Minuten Dauer und
später erst von 40 Minuten Dauer erniedrigend wirkte, also einen starken
Reiz darstellt, können die Vierzigminutenbestrahlungen der zweiten
Belichtungsperiode nur mehr als mittelstarke Reize gelten. da sich die
Haut durch die vorherigen Belichtungen verändert hat.
Die hyperkapnische Wirkung des Lichtes kann nicht zentralen
Ursprungs sein. Die allgemeine Übererregbarkeit des Körpers nach
solchen mittelstarken Lichtreizen spricht durchwegs gegen irgendeinen
lähmenden Einfluß auf das Atemzentrum. Auch vom Standpunkt der
allgemeinen Biologie des Reizes scheint es von vornherein unwahr-
scheinlich, daß ein geringerer Reiz erregbarkeitsherabsetzend und ein
stärkerer Reiz erhöhend wirken soll. Weiterhin konnte ich durch
direkte Betäubung des Atemzentrums mit Morphiuminjektionen (2 mal
0,01 g binnen 2 Stunden) nur eine Erhöhung der Kohlensäurespannung
bis 46,7 mm Hg nachweisen — was eine positive Schwankung von 5,1 mm
vom Normalwert darstellte —, während die maximale Erhöhung durch
den Lichtreiz 49.1 mm Hg war. das ist 7,8 mm über den vorherbestimm-
ten Normalwert.
Die Lichthyperkapnie kann somit nur hämatogen bedingt sein.
als Zeichen einer relativen Alkalosis. Als Ursachen kommen in Betracht:
1. Vermehrung des Alkaligehaltes im Blut. Die Haut- und die Gewebe,
zellen geben unter dem Lichtreiz Alkali ins Blut ab. 2. Verminderung
der Säureprodukte des Stoffwechsels. 3. Änderung im Kolloidzustande
des Bluteiweißes. die eine größere Dissoziation der Alkali-Eiweiß-
verbindungen zur Folge hat.
Zur Prüfung dieser Frage werden weitere Versuche veranstaltet.
Literatur.
1) Haldane und Pristley, Journ. of physiol. 32. 1905. - - ?) Hasselbach, K. A..
diese Zeitschr. 46, 403. 1912. —- 3) Slyke, D. van, Journ. of biol. chem. 30, 289. 1917
und 48, 153. 1921. — 4) Winterstein, H., diese Zeitschr. 70,45. 1915. — °) Durig, A.
H. v. Schrötter, N. Zuntz, diese Zeitschr. 39, 469. 1912. —- ®) Hasselbach. Skandinav.
Arch. f. Physiol. 17, 431. 1905; Hasselbach und Lindhard, Skandinav. Arch. f.
Physiol. 25, 361. 1911; Lindhard. Skandinav. Arch. f. Physiol. 36. 1912. 7) Plesch,
Hämodvnamische Studien. Berlin 1909.
Über Gärungsaktivatoren.
Von
Ernst Lindberg.
(Aus dem Biochemischen Laboratorium der Universität Stockholm.)
(Eingegangen am 16. Mai 1922.)
Mit 6 Abbildungen im Text.
Inhaltsverzeichnis.
Einleitung (S. 110).
Methodik (S. 112).
I. Biokatalysatoren und Aktivatoren der Gärung (S. 114).
l. Aktivierende Wirkung des Hefewassers und daraus hergestellter Prä-
parate auf frische Hefe und ausgewaschene Trockenhefe (S. 114).
2. Aktivierende Wirkung des Co-Enzynis auf frische und mit Phosphat-
lösung ausgewaschene Trockenhefe (S. 115).
3. Aktivierung durch Milch und Nährlösung (S. 116).
4. Wirkung von organischen Substanzen bekannter Konstitution (N. 122).
II. Versuche mit brenztraubensauren und milchsauren Salzen (S. 124).
l. Selbsteärung der Trockenhefe (S. 124).
2. Auswaschungsversuche an Trockenhefe (S. 126).
3. Verhalten gegen Brenztraubensäure (S. 127).
Anhang: Einige Versuche über das Verhalten der Stockholmer H-Hefe
gegen Milchsäure (S. 131).
ITI. Über die Gärkraft der angewandten frischen Hefe (S. 134).
Einleitung.
Die Beschleunigung der alkoholischen Gärung durch nicht enzy-
matische Stoffe hat seit dem Aufblühen der Vitaminforschung ein
erhöhtes Interesse gewonnen. Nachdem sich gezeigt hat, daß Extrakte
vitaminreicher Organe die alkoholische Gärung beschleunigen, ist vor-
geschlagen worden, die Gehaltsbestimmung der wasserlöslichen B-Vita-
mine durch ihre Gärungsbeschleunigung auszuführen.
Diese Methode hat vor denjenigen, welche sich auf den Zuwachs
der Hefezellen gründen — Methoden, wie sie von Williams!), Eddy
und Stevenson?), Bachmann?) u. a. ausgearbeitet worden sind — den
1) Williams. Journ. of biol. chem. 38. 465. 1919; 4%, 259. 1920; 46, 113. 1921.
2) Eddy und Sterenson, Journ. of biol. chem. 43, 295. 1920; 47, 249. 1921. —
Siehe ferner Eddy. W. H., The vitamine Manual, Baltimore 1921. — Funk, C.,
Die Vitamine usw. München 1922.
3) Bachmann. Journ. of biol. chem. 39, 235. 1919.
E. Lindberg: Gärungsaktivatoren. 111
Vorzug, daßder beschleunigteVorgang der alkoholischen Gärung, wenn er
sich auch aus Teilreaktionen zusammensetzt, bedeutend einheitlicher
ist, als der Komplex von jetzt noch unbekannten Vorgängen, welche den
Zellenzuwachs veranlassen!). Was mit Sicherheit gesagt werden kann,
ist, daß die Erhöhung der Gärkraft einer derjenigen Faktoren ist, welche
eine Beschleunigung des Zuwachses hervorrufen. Was dann den Vor-
schlag betrifft, den Vitamingehalt durch die Gärungsbeschleunigung
zu messen, so tritt bei Anwendung lebender Hefe — die Abderhalden
und Schaumann?), Fränkel und Schwarz?) bei ihren meisten Versuchen
anwenden — die Komplikation auf, daß die Zellenzahl der Hefe während
der Gärung vergrößert und das Alter der Zellen geändert wird, so daß
nicht ungestört die Wirkung eines Aktivators auf eine gegebene Zymase-
menge festgestellt wird.
Was die Verwendung von Trockenhefe angeht — auch diese ist
zur Messung der Aktivierung mehrfach, u. a. auch von Abderhalden
benutzt worden — so muß betont werden, daß die Vitaminbestimmungs-
methode, bei welcher Trockenhefe zur Anwendung kommt, einer gründ-
lichen Durcharbeitung wert und dringend bedürftig ist.
Wie nämlich Euler und Mwyrbäck*) hervorgehoben haben, muß es
die erste Aufgabe sein, in einer solchen Trockenhefe die Aktivierung
des Zymasesystems und diese selbst quantitativ zu charakterisieren.
Nach einer früheren Darlegung von Euler und Myrbäck ist für die
Trockenhefe festzustellen:
1. Die Anzahl Gramm der Trockenhefe, deren sämtliche Aktivatoren
(nach Zerstörung der ‚„Zymase‘) erforderlich sind, um (bei gegebenen
Gärungsbedingungen) 1 g der Trockenhefe auf das halbe Maximum der
Gärkraft (CO, per Stunde) zu bringen, |
2. Die Anzahl Gramm der Trockenhefe, deren sämtliche Akti-
vatoren (nach Zerstörung der ‚„Zymase‘“) erforderlich sind, um 1g
der ausgewaschenen Trockenhefe auf das halbe Maximum der Gär-
kraft zu bringen, |
3. Die Anzahl Gramm der Trockenhefe, deren Biokatalysatoren B II
(= sämtliche hierher gehörenden Gärungsaktivatoren minus Co-Enzym)
erforderlich sind, um Le der Trockenhefe auf das halbe Minimum der
Gärkraft zu bringen.
1) Siehe zur Kritik der genannten Methoden auch Hoet. Arch. Int. Physiol. 19,
129. 1922.
2) Abderhalden und Schaumann, Pflürers Arch. f. d. ges. Physiol. 132. 1. 1918;
176, 209. 1919. Fermentforsch. 2, 120. 1918; Abderhalden, Fermentforsch. 3, 44.
1919.
3) Fränkel und Schwarz, diese Zeitschr. 112, 203. 1920.
4) Euler und Myrbäck, Zeitschr. f. physiol. Chem. 115, 163. 1921.
112 E. Landbereo :
Ferner ist für eine gewisse Menge Hefe das Maximum der Gar-
kraft vorläufig ermittelt worden?). Die angestrebte Klarstellung wird
nun dadurch erschwert, daß das Co-Enzym der Hefe durch andere
Biokatalvsatoren nicht?), oder nur in sehr geringem Grad?) ersetzt
werden Kannt). Um so wichtiger ist es, die Rolle des Co-Enzyms gegen
die anderer Gärungsaktivatoren genau abzugrenzen. Solange dies
nicht geschehen kann, muß die Trockenhefe indirekt durch Vergleich
mit dem entsprechenden ausgewaschenen Präparate, durch Messung
der Brenztraubensäurespaltung ihrer maximalen Gärkraft charak-
terisiert werden.
Jedenfalls sind also bei den Gärungsaktivierungen — abgesehen
von Phosphat — drei verschiedene Aktivatoren zu unterscheiden:
l. Das Hardensche Co-Enzym evtl. Co-Enzyme:’), welche für die
Gärung unentbehrlich zu sein scheinen.
2. Biokatalysatoren und auch evtl. die Vitamine,
3. Aktivatoren bekannter Konstitution. Hierher gehören u.a.
die Zymophosphate. die Salze gewisser Fettsäuren, Nucleinate und
andere wasserlösliche Stoffe, deren Kenntnis man besonders Neuberg
und seinen Schülern’) verdankt.
Durch die vorliegenden Messungen sollte in erster Linie ein Beitrag
geliefert werden zu einer genauen Systematik der Gärungsaktivatoren.
Eine solche hat sich für die Vitaminforschung als sehr notwendig er-
wiesen. Zur Aufstellung einer Bilanz von B-Vitaminen (evtl. Bio-
katalysatoren B) an Kindern wurde im hiesigen Laboratorium eine Unter-
suchung der Milch bezüglich ihres Verhaltens auf Hefe ausgeführt. Die
Versuche mit diesem Stoffe konnten jedoch noch nicht abgeschlossen
werden, da zunächst methodische Fragen zu erledigen waren. Immer-
hin wurde die aktive Wirksamkeit der Milch unzweifelhaft nachgewiesen.
Methodik.
Die Gärungsversuche wurden teils mit frischer, teils mit getrockneter
und mit ausgewaschener Hefe angestellt. Die Gärungsmischung wurde
in Erlenmeyer-Kölbehen von 100 cem Inhalt eingeführt. die fein
1" Euler und Myrbäck, Zeitschr. f. physiol. Chemie 117, 28. 1921.
2) Euler, Nv. Vet. Akad. Arkiv f. Kemi, 8, Nr. 20. 1922.
2) Meyerhof, Zeitschr. f. physiol. Chemie 101, 165. 1918. — 102, 1. 1918.
3) Nach Neuberg könnte hier Pyruvinat als Ersatz für Co-Enzym in Betracht
kommen: Neuberg und Schwenk, diese Zeitschr. 741, 135. 1915; siehe hierzu auch
Harden, Biochem. ‚Journ. IE, 64. 1917.
$) Auffallend ist es jedenfalls, wenn in neueren Arbeiten über Gärunwsbe -
schleunigunsen durch Hefewasser bezw. Hefeextrakt und Vitamine, die seit 1906
bekannte Rolle des Hardenschen Co-Enzyms überhaupt nicht erwähnt wird.
ò) Neuberg und verschiedene Mitarbeit r, zahlreiche Abhandlungen in dieser
Zeitschrift; besonders sind in diesem Zusammenhang zu erwähnen: Neuberg und
Sandberg, diese Zeitschr. 109, 290. 1920; Neuberg, Reinfurth und Sandberg, diese
Zuitschr. 128. 215. 1921; Neuberg und Sandberg, diese Zeitschr. 125, 202. 1921.
(särungsaktivatoren. 113
pulverisierte Menge Hefe zugewogen und die Kölbchen nach dem
Einführen in den Wasserthermostaten nach Temperaturausgleich ver-
mittels Capillarröhren an ihre Quecksilberbüretten angeschlossen. Der
Thermostat war elektrisch geheizt und die Temperatur konnte bei
30° + 0,2° C. monatelang gehalten werden. Im Anfang wurden die
Kölbchen vor dem Einführen in den Thermostaten mit Kohlensäure
gesättigt, oft aber zeigte es sich, daß dies eine starke Hemmung der
weiteren Gärung zur Folge hatte, weshalb die letzten Versuche ohne
FOrNEng CO,-Sättigung unternommen wurden. Die Kölbchen wurden
1/ stündlich sowie vor dem Ablesen kräftig geschüttelt. Die Zimmer-
temperatur war 20°.
Es wurden zwei verschiedene Heferassen verwendet, nämlich teils
eine Oberhefe von der Fabrik ‚Stockholms Norra Jästfabrik‘‘ in Ro-
tebro (im folgenden als R-Hefe bezeichnet) und teils auch die im hiesigen
Laboratorium seit vielen Jahren studierte Unterhefe von St. Eriks
Brauerei in Stockholm (im folgenden als H-Hefe bezeichnet). Die
Oberhefe wurde uns in ausgezeichneter Reinheit überlassen?t); dieselbe
konnte direkt zu Gärungsversuchen verwendet werden, während die
Unterhefe erst mit fließendem Wasser kräftig gespült wurde, darauf
abgepreßt und endlich abgewogen. Jedesmal wurde das Trocken-
gewicht bestimmt, dasselbe betrug etwa 25—27%.
Die Darstellung der Trockenhefe geschah in folgender Weise. Die
Hefe wurde scharf abgepreßt. Nach feiner Verteilung in dünner Schicht
wurden die beiden Rassen dann bei Zimmertemperatur während 3 bis
4 Tagen getrocknet und e gelbes Pulver mit aromatischem Geruch
wurde erhalten. Um zu konstatieren, ob man Präparate mit derselben
Gärkraft bei verschiedenen Trocknungsprozessen erhielt, wurden die
Fraktionen miteinander nicht gemischt; es hat sich gezeigt, daß die
Gärkraft (wie auch die anderen Eigenschaften) der so zu verschie-
denen Zeiten erhaltenen Trockenhefepräparate innerhalb ca. 10%
konstant ist. Die Präparate wurden in gut verschlossenen Flaschen
trocken und vor Licht geschützt aufbewahrt und eine Änderung in
ihrer enzymatischen Wirkung konnte nicht wahrgenommen werden.
Beim Arbeiten mit ausgewaschener Hefe wurde 1 g Trockenhefe
in einer kleinen Flasche mit 25 ccm Wasser übergossen und dann
während einer Stunde in der Schüttelmaschine geschüttelt, der Rück-
stand wurde von der Lösung abzentrifugiert und in die zu vergärende
Lösung gebracht.
Alle Gärungsversuche wurden immer unter Zusatz einer Mischung
von Kalium- und Natriumphosphat (KH,PO, und Na,HPO,. im fol-
genden als Phosphat bezeichnet) bei py etwa 5,0 angestellt.
1) Stockholms Norra Jästfabrik. besonders Herrn Oberingenieur H. Brahmer
sei für die Überlassung der Hefe bestens gedankt.
Biochemische Zeitschrift Band 132. 8
114 E. Lindberg:
Bei allen Versuchsreihen wurden stets zwei Parallelproben aus-
geführt und die in den folgenden Tabellen angegebenen Resultate
(Kubikzentimeter CO,) sind als Mittel zu betrachten.
I. Biokatalysatoren und Aktivatoren der Gärung.
Um die aktivierende Einwirkung der verschiedenen studierten
Stoffe feststellen zu können, habe ich dieselbe Bestimmungsmethode
wie Euler und Pettersson!), Euler und Myrbäck?), sowie Tholin?) benutzt,
nämlich die Messung der Gärungsbeschleunigung von ausgewaschener
und nicht ausgewaschener Trockenhefe. Die von mir untersuchten
Stoffe sind: Bestandteile des Hefewassers, aus Hefewasser hergestelltes
Co-Enzym und Kuhmilch. Im Anschluß hieran wurden Versuche an-
gestellt mit gebräuchlichen Nährlösungen sowie unter Zusatz einiger
schwerlöslichen organischen Stoffe (Abietinsäure, Amyrin und Chole-
sterin).
1. Aktivierende Wirkung des Hefewassers und daraus hergestellter
Präparate auf frische Hefe) und ausgewaschene Trockenhefe.
Das Hefewasser wurde durch Extrahieren von 10 g Hefe mit 50 ccm
Wasser während einer Stunde bei 60° bereitet und sofort nach dem
Filtrieren angewandt. Die beschleunigende Wirkung auf frische Hefe
geht aus der folgenden Tabelle hervor.
Tabelle I.
0,25 g frische Hefe.
25 ccm 4proz. Rohrzuckerlösung + 20 com Phosphat.
j 2 cem Hefe- 4 cem Hefe- Ä 1/ ccm Hefe-
Min. | l wasser wasser ! wasser
“ 5cem H,O "Beem H,O ` 1 ccm H,O 5 cem H,O
2? I 10 | S = 8
29: 195 | 13 2 | 16
T5 49 | 42 20 | 34
134 66 TR AU 65
184 | 82 109 99 102
229 Im" l 141 108
268 122 | 168 | 166 124
295 | 129 174 174 =
328 133 183 181 ==
Auch ausgewaschene Hefe wird durch Hefewasser aktiviert, wie die
folgende Tabelle zeigt.
1) Euler und Pettersson, Zeitschr. f. physiol. Chem. 114, 4. 1921.
2) Euler und Myrbäck, Zeitschr. f. physiol. Chem. 115. 155. 1921.
3) Tholin, Zeitschr. f. physiol. Chem. 115, 235. 1921.
4) Siehe hierzu auch Euler u. Heintze, Zeitschr. f. physiol. Chem. 108, 166. 1919.
(rärungsaktivatoren. 115
Tabelle II. (Abb. D
lg mit Phosphat ausgewaschener Trockenhefe (H).
25 ccm Phosphat + 15 com Wasser + 2 g Glucose.
|
10 ccm 10 ccm
Min: | Wasser | Hefewasser
ag. 2 j 3
15 | 3 i
115 4 | 10
165 5 | 12
195 ı 55 | 15,5
240 | 6 | 18
2. Aktivierende Wirkung des Co-Enzyms auf frische und mit, Phos-
phat ausgewaschene Trockenhefe. i
Viel bequemer und besser dosierbar als das Hefewasser ist ein Co-
enzymhaltiges Präparat, das in folgender Weise dargestellt wird:
400 g Trockenhefe (R-Hefe) wurden mit
2000 ccm Wasser während 4 Stunden bei
60—65°C extrahiert; die Hefe abfiltriert
und das Filtrat bei 60° unter vermindertem
Druck bis auf sein halbes Volumen ein-
gedunstet und mit dem dreifachen Volumen
Alkohol gefällt; 1 Stunde stehen gelassen,
abfiltriert und im Vakuumexsiccator bis
zum Verschwinden des Alkoholgeruchs aufbewahrt. Das so erhaltene
Präparat war ein weißes, nicht hygroskopisches Pulver, das sich leicht
in Wasser löste. Die Analyse ergab 30,6% Asche und 9,2% P,O,.
Später wurde ein anderes Präparat in derselben Weise dargestellt; die
Analyse ergab 31,8% Asche und 13,7% P,O,.
Die Beschleunigung der frischen Hefe ergibt sich aus folgender
Tabelle.
Tabelle III.
0,25 g frische Hefe. (Trockensubstanz 26,3°/,.)
25 cem 4 proz. Rohrzuckerlösung -+ 20 ccm Phosphat +5 cem H,O.
Min. | Ohne 0,1 g 10 g
( Zusatz Co-Enzym | Co-Enzym
3 Ar e 2 ee ra
20 8 2 | 65
49 11 E 15 1983
70 17,5 | 235 | 215
90 205 | 315 | 36
® D D .. D .. e ..
Die kleine anfängliche Verzögerung ist öfters beobachtet worden;
nach 1 Stunde macht sich die Beschleunigung bemerkbar.
CA
116 E. Lindberg:
Der Grad der aktivierenden Wirkung des von mir dargestellten Co-
Enzympräparates auf Trockenhefe geht aus der folgenden Tabelle hervor.
Tabelle IV. (Abb. 2.)
0,5 g Trockenhefe (R).
25 ccm 4 proz. Rohrzuckerlösung + 20 ccm Phosphat + 5 ccm H,O
Min. | Ohe 018 | 108
i Zusatz Co-Enzym | Co-Enzym
30 21 16,5 17
60 23 19.5 21
dp 28 24 30,5
176 39 39 67
235 Bm 106
345 109° 123 207
372 100 1.139 ` 230
3. Aktivierung durch Milch und Nährlösung.
Die Versuche mit Milch hatten den Zweck, die Aktivierung der
Hefe durch die in der Milch enthaltenen wasserlöslichen und evtl.
auch die fettlöslichen Biokatalysatoren zu messen. |
Die Milch, die uns
jeden Tag von ‚Mjölk-
centralen, Stockholm‘
überlassen wurde, war sog.
„Kindermilch“, die früh
des Morgens gemolken, nur
gesiebt und bis 2—3° C.
abgekühlt war. Die Milch
war also nicht pasteuri-
siert worden, was viel-
leicht die Vitamine ge-
O schädigt haben könnte.
a | en Sie wurde teils direkt
SS, E verwendet, teils zentri-
O 30 60 eg 120 150 180 210 Zi 270 J00 330 360 390 fugiert, teils auch mit
—>NMn
An Äther und Petroleum-
äther behandelt, um die
fetten Bestandteile abzutrennen. Näheres hierüber findet sich bei den
verschiedenen Versuchsreihen. Auch wurde die sog. Aschenwirkung
untersucht, d. h. eine Menge (100 cem) Milch wurde bis zum Trocknen
eingedunstet und dann verascht; die Asche wurde vermittels einiger
Tröpfchen verdünnter Salzsäure in Wasser gelöst, die Lösung neutrali-
siert und der Gärungsmischung zugesetzt, ohne daß eine aktivierengle
Wirkung wahrgenommen wurde. Ich gehe nun dazu über, die einzelnen
Resultate zu besprechen.
(särungrsaktivatoren. 117
Daß unsere Milch genügend frei von Hefe und anderen Zellen war, welche
eine CO,-Entwicklung in der mit Zucker versetzten Milch veranlassen konnt: n,
ist durch besondere Versuche festgestellt worden. 25 ccm Phosphat + 15 ccm
H,O + 2 g Glucose + 10 ccm Milch gaben einmal nach 435 Minuten nur 1,25 cem
CO, ein anderes Mal nach 480 Minuten 1,1 cem CO,.
Die ersten Versuche wurden mit ausgewaschener Hefe angestellt.
Die Resultate sind:
Tabelle V. l g ausgewaschene Hefe (H).
25 cem e + 2 g Glucose.
Min. | 25 ccm 5 ccm | 5 ccm | 10 eem
| H,O Hefewasser | Milch | Milch
45 l 15 3 ? 3
75 2.5 3 3.5 4
105 2.5 4 5 T
145 | 2.5 5 6 | 8,2
195 3,5 5.5 d 12,5
235 4 D 11 | 17.5
320 4.5 85 23 | 34
350 | D 11 28 | 41
(BI 6 12 33 i 50
Ich habe dann untersucht, in welcher Hinsicht eine Variation desMilch-
yehalts die Aktivierung beeinflußt und einen Vergleich angestellt zwischen
der Aktivierung durch Milch und durch mein Co-Enzympräparat!).
Tabelle VI. 1 g ausgewaschene Hefe (H).
25 ccm pn + 2 g Glucose.
Min. pr dom mo. 25 ce ccm H,O 15 cem H,O | 5 ccm H,O
0,25g Co-Enzym | 10 ccm Milch ! 20 cem Milch
1 D 4 3;
75 1.5 R.D 7 T
105 2.5 14 iD 8
145 3.5 20 9.5 10
185 05 25 11,5 11,5
240 |} 8 39 | 14.5 14
Der ursprüngliche Plan, die Biokatalysatoren der Milch durch
dasjenige Mengenverhältnis zu charakterisieren, in welchem diese das
Co-Enzym zur Aktivierung einer gewissen Normalgärungsgeschwindig-
keit ersetzen können, wurde dadurch vereitelt, daß sich im Laufe der
Untersuchung herausstellte, daß das Co-Enzym sich hinsichtlich der
Beschleunigung der Gärungsreaktion durch andere bis jetzt bekannte
Biokatalysatoren nicht ersetzen läßt; daß vielmehr die bis jetzt darauf-
hin untersuchten Stoffe nur in Gegenwart einer bestimmten Menge
Co-Enzym wirksam werden?). Es ergab sich hierzu die andere Aufgabe,
die Aktivierung in Hefe von gewissem Co-Enzymgehalt zu studieren.
1) Unter „Co-Enzym“ wird im folgenden stets mein Co-Enzympräparat ver-
standen.
?) Siehe hierzu Zuler 1. c.
118 E. Lindberg:
Versuche mit nicht ausgewaschener Hefe zeigten eine große Akti-
vierung durch Milch:
Tabelle VII.
l g Trockenhefe (H).
\ | 25 ccm Phosphat
e | 25 cem Phosphat 15 cem H,O
= lee HO 2 g Glucose
EE 10 cem Milch
15 ! 1.3 20
30 2.0 3.0
60 2,7 4,0
105 3.8 9.4
120 | 4,9 11.7
180 10.0 15,8
210 14.5 21,2
240 16.5 27,5
270 20.0 37,0
300 ` 22.7 45.6
360 | 28.2 60.7
Die aktivierende Einwirkung der Milch-Biokatalysatoren konnte
noch gesteigert werden, nämlich durch Zusatz von Nährsalzen und
organischen Nährstoffen, welche ich in folgender Mischung angewandt
habe.
In 11 Wasser werden gelöst:
12,5g KH. DO,
10,0g Acetamid (oder 12,5 x Pepton),
1,25 g MgSO, 7 aq.,
0,50 g CaSO, Zoo,
Die erhaltenen Werte sind:
Tabelle VIII.
l g Trockenhefe (H).
25 cem Phosphat 2 Cem Phosphat 25 cem Phosphat 25 cem Phosphat
; AS nn 10 cem HO . 15 cem H,O 15 ccm Nährlösung
SCH e ne i15 cem Nährlösung 10 cem Milch 10 ccm Milch
= en 2 g Glucose 2 g Glucose 2 g Glucose
|
30. 3.3 3.1 | 2 2,5
HIR Én - 4,1 6,2
40 DD 6,8 6,3 | 10,5
120 9,2 dÉ, | N | 19.0
130 11.7 12.1 13,2 23,5
Lat 137 155 | 15,7 30,1
210, 17.1 S 19.7 38,8
240 19.2 = 23.1 E
270 22 — 30.2 62,3
300 26.5 = na 70,5
330 27.1] 27.0 42% 18,8
D90 32.4 _ 8,2 99,3
HO. 35.1 = | 67,5 115,5
4x0) 39.1 u HÄ) 137,8
Gärungsaktivatoren. 119
Man sieht deutlich, daß die Nährlösung die Wirkung der Milch
gesteigert hat.
Eine neue Versuchsreihe, die einige Tage später gemacht wurde,
zeigte:
Tabelle IX.
lg Trockenhefe (H).
Re 25 ccm Phosphat 25 ccm Phosphat 25 ccm Phosphat
|
Min. SCH Se 10 eem H,O ' 15 eem H.O Eor Nährlösung
2 g Glucose 15 cem Nährlösung 10 cem Milch 10 cem Milch
' 2g Glucose 2 g Glucose ' 2 g Glucose
30 2,8 4,1 2,6 1.3
60 4,4 19 3.1 12,5
90 5,1 10,8 8.4 20.8
120 5.5 13.0 10.7 27.8
180 9,7 18.2 18.0 42.9
240 15,1 24,1 26.0 DRB
270 17,5 26.6 32.5 66,2
330 : 22,4 33,1 51,2 86.2
390 ' 27,9 39,4 67.7 112,2
420 | 30,1 41.9 N 123,9
130 A
120 —
110
100
9
er —
70
60
50 Ps
GC SR
|
Set LJ
0 30 60 90 120 180 e 20 240 270 309 333 350 390 420
Abb. 8.
Es zeigt sich aus letzterer Tabelle noch besser als aus der vorher-
gehenden, daß die Aktivierung durch die Milch erheblich stärker ist
als diejenige, durch die angewandte Nährlösung von der S. 118 an-
gegebenen Zusammensetzung.
Um näher zu studieren, wie die Konzentration der Nährlösung auf
die Hefe einwirkt, wurden Lösungen hergestellt, die auf 11 Wasser
die zweifache und vierfache Menge Salze enthielten. Sie sind im folgen-
den mit 2W und 4W bezeichnet, und ihre Einwirkung ist die folgende:
120 E. Lindberg:
„Tabelle X. l g Trockenhefe (H).
|25 ccm Phosphat
EZ ccm Phosphat 25 ccm ccm Phosphat 25 ccm | Phosphat
15 ccm AW 15 com 2W ' 15 com W
SESCH er ce 10 ccm H,O | 10ccem H,O > 10 ccm HO
I 2 g Glucose | 2 g Glucose 2 g Glucose
30 | 23 | 2,7 3.2 SE
60 3,3 3,4 4,5 6,5
90 42 4.3 5,8 9,4
120 | 5.3 5.2 7,1 11,4
150 | 7,0 5,7 8,6 14,0
180 ' 9,0 6.6 10,2 17,2
210 11,9 ho 11,7 20,6
240 15,1 | 7,7 13,7 24,1
300 19,9 | 10,0 16,2 30,6
360 23.2 | 11.5 20,0 34,1
Es ergab sich das bemerkenswerte Resultat, daß die aktivierende
Wirkung der obigen Nährlösung bereits durch Verdoppelung der Kon-
zentration in eine Hemmung übergeht.
Anläßlich der großen Aktivierung wurde vor und nach der Gärung
eine Zellenrechnung in der Thoma schen Zählkammer vorgenommen, ohne
daß eine Vermehrung der Zellen beobachtet werden konnte, und zwar
hielt sich also die Zellenzahl von (2,6 + 0,1) 105° pro Kubikmillimeter
während der Gärungszeit von ca. 6 Stunden sehr annähernd konstant.
Versuche wurden auch angestellt, ob Acetamid oder Pepton eine
verschiedene Einwirkung auf den Gärungsverlauf hatten, was jedoch
nicht der Fall ist.
Durch Behandlung der Milch mit Äther und Petroleumäther, also
durch die Entfernung des Fettes, wurde keine Änderung in ihrer Wirkung
beobachtet.
Der fette Teil der Milch konnte auch durch Zentrifugieren abgetrennt
werden. Verschiedene Versuche mit der nicht entfetteten Milch, mit
dem Rahm und mit der abgerahmten Milch wurden ausgeführt. Hier-
bei zeigte es sich, daß sowohl die fetthaltige, natürliche als die ab-
gerahmte Milch gute Aktivatoren sind, während ich mich über die
aktivierende Wirkung des Rahms noch nicht aussprechen will.
Ich gebe hier einige Resultate an.
Tabelle XI. 1 g Trockenhefe (H).
|25 ccm , Phosphat | 25 ccm Phosphat 25 ee ccm Phosphat
.3 ccm Phosphat
"oo ` 25 eem nicht be-| 5 eem Rahm 25 ccmabgerahmte
Min. 25 ccm H,O
2 g Glucose í handelte Milch 20 cem H,O | Milch
2 g Glucose 2 g Glucose 2 g Glucose
30 2,0 2.0 20 1,9
60 3,0 IK 5,0 IR
90, 4,0 7,0 7,5 7:8
120 5.5 12.0 12,5 14.0
255 13,5 38,5 30,5 25,0
285 15,5 49.5 | 37,5 38,2
360 20.0 | 83.5 51,5 65,7
Gärungsaktivatoren.
121
Tabelle XII.
l g Trockenhefe (H).
E ccm Phosphat
25 ccm H,O
2 g Glucose
Min.
|
|25 cem Phosphat 25 ccm Phosphat 25 ccm Phosphat
'25 cem nicht be-
: handelte Milch
| 5 eem Rahm ccm abgerahmte
, 2% ccm H,O Milch
2 g Glucose ; 2g Glucose 2 g Glucose
2.0 25 2,5
5.0 5,5 GË
1,5 9,5 | 12,5
10,5 13.5 | 19,0
15,0 17,5 24,5
21,0 23,0 33.5
28,0 28,5 42,0
34,5 35,5 53,0
60,5 59,5 76,0
gä 770 99,0
104,5 | 94.0 120,5
Tabelle XIII.
l g Trockenhefe (H).
; 1,0
60 2,5
90 4,0
120 | 4.5
(IR 1,0
180 . 8,5
210 | 10,5
240 : 13,0 Ä
330 | 17.5 |
360 ` 21,5
420 | 25.0
Min. 25 ccm H,O
2 g Glucose
60 5,0
120 GO |
180 11,0 ,
240 | 14,5
300. 19,0 |
375 | 32,0
420 26.5
Daß die Aktivatoren
= | ag
«25 ccm Phosphat |
: 25 ccm. Phosphat : 25 cem nicht be- !
2 ccm Phosphat
er u 26 ccm abgerahmte
handelte Milch $ Milch
Oe Glucose EES 2 g Glucose
55 8.0 | 7,0
12.5 14,0 | 14,0
20,0 21,5 25,0
32,0 34,0 40,0
46,0 445 | 56,5
68,5 645 82,0
89,0 | 82.5 109,0
beim Erhitzen an der Luft nicht wärme-
beständig sind, wurde dadurch festgestellt, daß die Milch zu 90° erhitzt
wurde, wobei die be-
schleunigende Wirkung
verschwand.
Als Zusammenfassung
der vielen Versuche mit
Milch kann ich also sagen,
daß dieselbe gute Gärungs-
aktivatoren, und zwar Bio-
katalysatoren von begrenz-
ter Kochbeständigkeit ent-
hät, und daß die wirk-
samen Bestandteile in
dem fettfreien Teil vor-
handen sind.
710
|
m0} EE
| |
gp p
80 u, E De
|
Gg
re
so- +—-
40 EE
N ! |
Ssot--t: '
MR l o]
E" i | j ;
eg
oe 30 60 90 120 150 180 210 240 210 300 330 360 390 420
——Mın
Abb. 4.
122 E. Lindberg:
Schließlich wurde auch untersucht, ob die Milch noch eine akti-
vierende Einwirkung besaß, nachdem dieselbe der folgenden Behand-
lung ausgesetzt worden war.
100 cem Milch wurde mit Natronlauge bis zur alkalischen Reaktion
versetzt, darauf aufgekocht und nach dem Abkühlen mit Phosphor-
säure neutralisiert. Durch diese Behandlung sind mit Sicherheit alle
Estergruppen verseift worden.
Mit der so behandelten Milch wurden jetzt die folgenden Versuche
angestellt.
Tabelle XIV.
l g Trockenhefe (H).
| Ee ccm Phosphat 25 ccm Phosphat
125 cem Phosphat 16 cem H,O 15 eem H,O
Min. © 25 eem H,O | 10 cem Milch | 10 ccm Milch
2 g Glucose __unbehandelt vorbehandelt
d 2 g Glucose | 2 g Glucose
120 6 | 6 | 5
150 | 8 fi T
270 | 19 17 | 15
360 " 30 30 | 24
420 ` 34 38 | 29
480 | 40 | 49 38
Es scheint also, daß die Eiweißstoffe der Milch keine Beschleuni-
gung hervorrufen und daß die früher gefundene Aktivierung von der
Milch auf die alkoholische Gärung von verseifbaren Stoffen herrührt.
4. Wirkung von organischen Substanzen bekannter Konstitution.
Es sind bereits zahlreiche organische Substanzen bekannter Kon-
stitution untersucht, welche die alkoholische Gärung ,stimulieren‘‘.
In neuester Zeit hat Neuberg interessante Beiträge geliefert!).
Es hat sich dabei gezeigt, daß mehrere Stoffe, die der Puringruppe
angehören, schwerlösliche aliphatische Fettsäuren, eine aktivierende
Einwirkung auf die alkoholische Gärung haben. Jedoch ist diese Akti-
vierung oft sehr gering. Neubergs Versuche sind teils mit Hefesus-
pension, d. h. mit lebenden Zellen, teils mit Hefesaft ausgeführt, wes-
halb die von mir mit Trockenhefe gemachten Messungen nicht ohne
weiteres mit den früheren Beobachtungen vergleichbar sind.
Abvetinsäure, Amyrin und Cholesterin.
Die Abietinsäure, die mir in reinem Zustand von Prof. K. A. Vesterberg
überlassen wurde, ist von Neuberg und Sandberg?) als ein guter „Stimu-
lator“ angegeben worden. Bei meinen Versuchen verfuhr ich auf
1) Neuberg und Sandberg, diese Zeitschr. 109, 290. 1920; Neuberg, Reinfurth
und Sandberg, diese Zeitschr. 1%1, 215. 1921; Neuberg und Sandberg, diese Zeitschr.
125, 202. 1921.
2) Neuberg und Sandberg, diese Zeitschr. 125, 202. 1921.
särungsaktivatoren. 123
wesentlich zwei verschiedene Weisen. Die Säure ist ja bekanntlich
im Wasser ganz unlöslich, in warmem Alkohol dagegen löslich. Um
die größtmögliche Oberfläche der Abietinsäuremenge zu erhalten,
wurde die Säure daher zuerst in der kleinsten Menge Alkohol gelöst
und die Lösung der Gärungsmischung zugesetzt, wobei die Säure als
ein weißes Gel ausfiel. Ein Parallelversuch mit der gleichen Menge
Alkohol wurde ebenfalls ausgeführt und es zeigte sich, daß eine starke
Hemmung der Gärung eintritt. Einmal wurde mit Abietinsäure streng
nach den Vorschriften Neubergs verfahren, ohne daß eine Hemmung
bzw. Beschleunigung der Reaktion festgestellt werden konnte.
Bei den ausgeführten Versuchen, bei denen die angewandten organi-
schen Stoffe zuerst in Alkohol gelöst wurden, ist die Frage, ob die
Stoffe aktivieren oder nicht, nicht ohne weiteres zu entscheiden, da
der Alkohol eine Hemmung der alkoholischen Gärung hervorruft. Die
folgende Tabelle zeigt die von mir abgelesenen CO,-Volumina beim
Zusatz von Abietinsäure, die zuerst in Alkohol gelöst war.
Tabelle XV.
1 g Trockenhefe (H).
25 ccm Phosphat
25 ccm Phosphat 20 ccm H,O
Min. 25 ccm H,O | 2 g Glucose
p! 2 g Glucose : 0,05 g Abietinsäure
in 5 cem Alkohol
15 1,3 SER
30 2.0 22
o Ch 2,3
105 3,7 | 3,6
120 4.9 | 41
180 10,0 4:
210 14,5 5.5
240 16,5 6.2
270 20.0 Gu
300° 22.7 7.1
360 : 28.2 2
Nach Neuberg wurde die Säure direkt in das Kölbehen eingeführt
und kräftig geschüttelt.
Tabelle XVI.
1 g Trockenhefe (H).
z —
.25 ccm Phosphat Zi ccm Phosphat
Min. 25 ccm HO - = oh H,O
2 g Glucose 2 g Glucose
0,25 g Abietinsäure
15 Ip
210° 22 | 22
270 27 29
330 33 33
124 E. Lindberg:
Keine Wirkung wurde festgestellt.
Amyrin (reines Präparat von Prof. K. A. Vesterberg) wurde ganz
analog wie Abietinsäure behandelt; ein Aktivierungseffekt wurde
nicht gefunden.
Später wurde der Aktivierungsversuch mit Amyrin noch einmal
ausgeführt, ohne daß sich eine aktivierende Wirkung zeigte.
Die Versuche mit Cholesterin, das im Wasser auch ganz unlöslich
ist, sind den vorhergehenden ganz ähnlich. Es wurde festgestellt, daß
keine Beschleunigung eintritt.
II. Versuche mit brenztraubensauren und milchsauren Salzen.
Um die ausgewaschene Hefe näher definieren zu können, liegt es
nach den Ergebnissen von Neuberg!) nahe, ihr Verhalten zur Brenz-
traubensäure zugrundezulegen?). Wie Euler betont hat, bleibt die
Proportionalität zwischen der ‚Carboxylase‘‘ und dem enzymatischen
Anteil der ,Zymase“ erst noch zu beweisen; immerhin dürfte die
Stabilität beider Enzyme bzw. Enzymwirkungen annähernd parallel
gehen, so daß sich feststellen läßt, in welchem Grad der enzymatische
Bestandteil der Zymase durch das Auswaschen geschädigt worden ist.
Durch erschöpfendes Auswaschen bringt man die Hefe so weit.
daß sie — schon infolge Mangels an aktivierendem Co-Enzym — nicht
mehr imstande ist Glucose zu vergären. Es wurde näher untersucht,
wie sich die ausgewaschene und die Trockenhefe in dieser Hinsicht
verhielten. Zuerst aber wurde die Selbstgärung der Trockenhefe unter-
sucht.
1. Selbstgärung der Trockenhefe.
a) Ausgewaschene Trockenhefe.
Es wurde beim ersten Versuch gefunden, daß l g ausgewaschene
Hefe (dieselbe ist gegen Brenztraubensäure noch vollständig aktiv)
+ 25 ccm Phosphat + 25 ccm Wasser nach 225 Minuten nur 3 ccm
CO, gab; beim zweiten Versuch gaben 2 g derselben Hefe nach 360 Minu-
- ten unter denselben Versuchsbedingungen 2,2 ccm CO,. Diese CO,-
Entwicklungen beziehen sich auf optimale Acidität.
b) Nicht ausgewaschene Trockenhefe.
Ganz anders verhält sich gewöhnliche Trockenhefe, was die folgenden
Tabellen zeigen. Wurde nämlich 1 g Trockenhefe mit 15 cem
Wasser + 25 ccm Phosphat, bei 30° und bei verschiedenen Initialaci-
ditäten stehen gelassen, so wurden die folgenden CO,-Volumina ge-
funden:
1) Neuberg und Karczag, diese Zeitschr. 36, 68. 1911 und 36, 76. 1911.
2) Siehe Euler, Sv. Vet. Akad. Arkiv f. Kemi 8, Nr. 20. 1922. — Euler und
Löwenhamn, Zeitschr. f. physiol. Chem. 9%, 279. 1916.
(färungsaktivatoren. 125
Tabelle XVII. (Abb. 5.) 1g Trockenhefe (H).
Min. % ccm Phosphat + 15 ccm Wasser
PH ne am | A oa | 8,49
30 | 15 | 20 1 0,5
6o 20 3,0 l 0,5
120 2.0 4.0 2 0,5
3,0 6,5 0,5
3,0 8,5 0,5
3,0 9,5 05
vi
-<
pu nach der |
Garung | 467 | 5,17 6,7 | 77
Aus der Tabelle geht deutlich hervor, daß die Selbstgärung ein
Maximum bei Ge etwa 5 haben muß, und dieses Verhalten wird in
der folgenden Tabelle noch deutlicher, die mit einem anderen Präparat
derselben Hefe dargestellt ist. Die beiden Präparate sind zuerst mit-
einander verglichen und zeigten dieselbe Gärkraft gegen Glucose.
Tabelle XVIII. (Abb. 5.) 2g Trockenhefe (H).
Min. | 25 cem Phosphat + D ccm Wasser
pu vor der | =
u mamm "a
30 30 A8 | 20 05
60 35 ; 8&0 : 20 ; 05
120 ; 40 ' 180 20 | 05
180 i 65 28,5 2,5 | 0,5
240 | 70 320 25 | 05
300 | 70 34,5 25 | 05
360 T5 | 8355 2,5 0,5
1-200 9,0 405 | 65 2,0
pu nach der
4,67
Auch hier kann man ein
bestimmtes Maximum bei
Pa = etwa 5 finden.
Vergleicht man also bei
optimaler Acidität die Selbst-
gärung der ausgewaschenen
und nicht ausgewaschenen
Hefe, so kommt man zu dem, 20
wie mir scheint, nicht unwich-
D
TTN
tigen Ergebnis, daß auch die E
Selbstgärung einen spezifi- e"
schen Aktivator braucht. Aller © 5 TI Räis
Wahrscheinlichkeit nach ist j ATF”
dieser Aktivator mit dem Har- 0 7 2 9
denschen Co-Enzym identisch. Abb. 5.
126 E. Lindbere:
2. Auswaschungsversuche an Trockenhefe!).
Für das Studium der Biokatalysatoren ist es das beste, mit aus-
gewaschener Hefe zu arbeiten, da ja hierbei alle anderen störenden
Phänomene eliminiert werden. Der Effekt bei diesen Versuchen rührt
dann von dem direkten Einfluß des Biokatalysators her?). Jedoch
ist dieses Auswaschen sehr schwierig, denn entweder erhält man
Präparate, die im folgenden ganz inaktiv sind, oder auch solche, die
zu viel von den ursprünglichen Aktivatoren behalten und bei welchen
deswegen der studierte Effekt von vielen anderen Faktoren beeinflußt
wird. !
Zuerst wurde versucht ein ausgewaschenes Hefepräparat herzu-
stellen, das einmal gemessen und dann aufbewahrt werden konnte.
Es zeigte sich bald, daß dies auf große Schwierigkeiten stößt?) und daß
man das unbequemere Verfahren anwenden mußte, nämlich die Ver-
wendung frisch ausgewaschener Trockenhefe.
Die ersten Versuche wurden so angestellt, daß 20 g Trockenhefe
4 mal mit je 100ccm Wasser während 30 Minuten bei 20—25°C extra-
hiert und nachher an der Luft auf Tontellern getrocknet wurden.
Mit einem solchen Präparat wurden die folgenden Versuche ausgeführt.
Tabelle XIX.
0,483 g ausgewaschene Hefe (H).
25 ccm 4 proz. Rohrzuckerlösung + 20 cem Phosphat +5 ccm HA).
| 2. H e
H d r 4 0,1 g 1,0 g
Min. © Ohne Zusatz | Co-Enzym Co-Enzym
17 18,5 17,5 12
43 22,0 | 19.0 15
In | 23,0 19.0 17
90 23.0 20,0 19
115 24,0 21,5 2]
145 30 | RO 22
Die Tabelle zeigt also: 1. daß die Hefe nicht genügend ausgewaschen
war (Spalte 2) und 2. daß ein durch Alkoholfällung von Hefenextrakt
hergestelltes Co-Enzympräparat einen sehr geringen Einfluß hatte.
Deshalb wurde das Auswaschen in folgender Weise geändert: Nach
dem Extrahieren mit Wasser wurden 300 ccm Alkohol zugesetzt; dann
1) Über die ältere Literatur siehe: Euler und Berggren, Zeitschr. f. Gärungs-
physiologie 1, 203. 1912; Euler und Heintze, Zeitschr. f. physiol. Chem. 108. 165.
1919; Euler, Zeitschr. f. techn. Biol. 7, 200. 1919.
2) Im folgenden ist die von Harden- Young aufgeklärte Mitwirkung des an-
organischen Phosphates vorausgesetzt.
3) Offenbar ist die ausgewaschene Trockenhefe durch die Trocknung mit
Alkohol sehr geschädigt worden.
(rärungsaktivatoren. 127
wurde 30 Minuten stehen gelassen, abfiltriert und im Vakuumexsiccator
getrocknet. Die Gärungsversuche gaben nur geringe Effekte.
Auch der Zusatz von Toluol hatte keinen Einfluß.
Die Methode wurde nun so geändert, daß nach dem vorigen Ver-
fahren noch 300 ccm Alkohol zugesetzt wurden, wonach die Trocknung
im Vakuumexsiccator geschah.
Folgende Resultate wurden erhalten:
Tabelle XX. 0,5 g ausgewaschene Hefe (R).
0,1 1,0
Min. | Ohne Zusatz | Co-E en Co-Ensym
17 | 6 7 | 12
39 | 8 115 14,5
52 8 | 13 16
68 | 85 á ; 14,5 17
90. 9 | 16 18
145 ' 9 16 19
175 ! 9 | 165 nn
210 | 9,5 175 | 20
260 10 ap" 2
Wie sich später zeigt, läßt sich die Oberhefe wesentlich schwie-
riger als die Unterhefe auswaschen; eine Tatsache, die schon von
H. v. Euler und Karl Myrbäck!) gefunden ist.
Die Unterhefe ist nach dem Schüttelverfahren sehr leicht aus-
zuwaschen; es ist mir gelungen ein Präparat, das nach 300 Minuten
nur 1,8ccm CO, gab, darzustellen und das gegen Brenztraubensäure
unverändert aktiv war.
Auch sind Versuche, die Hefe mit KH,PO,-Lösung auszuwaschen,
ausgeführt worden: 1 g Hefe wurde mit 25 ccm 4 proz. Phosphatlösung
während einer Stunde behandelt, darauf abzentrifugiert (Tab. XXI).
Tabelle XXI. lg mit 3. Verhalten gegen Brenztraubensäure.
Phosphat ausgewasche- a) Ausgewaschene Trockenhefe.
ner Hefe (H). Die Säure wurde nur als Na-Salz ver-
25 ccm Phosphat + 25 ccom wendet. 4,0 der freien Säure (Kahlbaum)
H,O + 2 g Glucose. wurden mit NaOH neutralisiert und bis
100 ccm verdünnt. 5 ccm dieser Lösung kön-
. | Ohne | 0,25
aa | Zusatz | Co-Enzym nen bei Spaltung nach der Formel?)
25 | a a CH, : CO : CO,H > CH,CHO + OO,
45 1,5 D bei 20° und 760 mm Hg ein CO,-Volumen
75 2 6,5 i S
110 > T5 von 50,5 ccm geben?).
145° 25 | 85 in, BEEN
2345| 25 | 85 ) Euler und Mwyrbäck, Zeitschr. f. physiol.
Chem. 117, 28. 1921.
2) Neuberg und Karczag, diese Zeitschr. 36, 68. 1911.
3) Wieviel von der CO, an die in der Lösung vorhandene Base gebunden wird,
hängt natürlich von der Acidität der Lösung ab.
128 E. Lindberg:
Alle Versuche sind immer unter Zusatz von Phosphat (ne = 5)
ausgeführt.
Ein Versuch mit ausgewaschener Hefe gab (Tab. XXII):
Wie zu erwarten, verläuft die Spaltung
Tabelle XXII. 1g aus- von Brenztraubensäure schneller als die Ver-
gewaschene Hefe (H): gärung der Glucose. Dabei wird immer nur
etwa das halbe nach der theoretischen Glei-
25cem Phosphat + 25cem hung berechnete Volumen CO, erhalten.
Wasser.
Es wurde untersucht, ob Cholesterin diese
|
Beem Spaltung aktivierte; dies war nicht der Fall; viel-
Min. ‘2g Glucose Na-pyru- mehr wurde eine schwache Hemmung beobachtet.
A Sue, Wee b) Nicht ausgewaschene Trockenhefe.
45 | 2 17 Ganz anders verhält sich die nicht aus-
= en 7 gewaschene Trockenhefe. Es wurden hier
180 | 65 IG gleichzeitig die folgenden Versuchsıeihen mit
2351 75 Se Milch und mit Cholesterin angestellt.
Tabelle XXIII.
0,25 g Trockenhefe (H).
25 ccm Phosphat + 5 ccm Na-pyruvinat.
fı
l 10 ccm H,O PEA
Min. | 2% ccm H,O d 0,1 g Cholesterin
„se lieh im 10 ccm Alkohol
10 = au 72
20 3,5 12,1 9,0
45 8,7 160. 11,5
60 = 18,7 13,6
65 11,5 2i SS
80 12,5 - -
85 SS 20,9 15,5
105 23,0 17,3
110,132 Ä =
120 | = 25,1 | 18,5
140 | 135 = m
150 ` — 26,7 | 19,6
170 13,5 =
180 ` = 27.8 20,6
200 13,5 sE -
210 = 28,8 21,8
240 ` S 29.2 225
260 ` 13,5 = e
300 — 29.8 23,5
Hier tritt eine deutliche Beschleunigung hervor.
Ohne hier auf die Kinetik der Brenztraubensäurespaltung einzu-
gehen, kann ich das Verhältnis der CO,-Entwicklungen aus Brenz-
traubensäure und aus Glucose einfach dadurch darstellen, daß die
anfangs gemessenen beiden Reaktionen verglichen werden. Ich messe
Gärungsaktivatoren. 129
dazu die Zeiten, welche erforderlich sind, um z. B. !/, der theoretischen
Mengen Endprodukte zu erhalten. Das Verhältnis der beiden Zahlen
bezeichnet Euler mit N [Neuberg-Koeffizient!)].
Daher wurden die folgenden Versuche angestellt. 4,885 g Brenz-
traubensäure (Kahlbaum) wurden zu 100 ccm verdünnt. Die Lösung
war 0,555 normal (die angewandte NaOH-Lösung war auch 0,555
normal) und 20 ccm davon entwickelt, bei 20° und 760 mm Hg, 267 ccm
CO,. Dieses Volumen entspricht genau der Menge CO,, die aus l g
Glucose, bei der Bestimmung der ‚„Halbgärzeit“ nach Willstätter und
Steibelt?) erhalten wird. !/, des theoretisch erhaltenen CO,-Volumen =
33 cem CO,, und diese Menge wird bei der Spaltung von Brenztrauben-
säure nach 27 Minuten erhalten, während bei de Vergärung der Glucose
dieselbe Menge CO, erst nach 204 Minuten gebildet sind (siehe die
2
folgende Tabelle). Der Quotient N ist also: = 0,132.
204
Tabelle XXIV.
1 g Tiockenhefe (H).
(92 °/, Trockengewicht.)
| u
| 20 ccm Brenz- | 20 ccm Brenz- 20 cem Brenz-
l traubensäure traubensänre traubensäure Gei te ee
Min. | 20 ccm NaOH 10 eem NaOH 5 eem NaOH Se E
| 2gKH,PO, 28KH,PO, — Ze KH.PO, Se:
SE am ` I ZOR u ug B a
l TO (ST EECH "SEET S = SEN rer | Der ee me re
15 | 21.0 | (LU (LO 2.2
30 j 35,0 (),2 0,5 4,2
45 | 51,0 0,2 0,5 6,8
60 56,5 0,2 0,5 90
90 73,0 | 0.5 0,5 12,9
120 92,5 0,5 0,5 —
150 107,5 | 0,5 0,5 23,0
180 117,5 | 0,5 0,5 28,0
240 136,5 0,5 0,5 39,5
pH i
nach der 6.32 | = | =
(erung ,
Später wurde die Spaltung der
Brenztraubensäure mit dem folgenden
Resultat noch einmal untersucht.
BEER ER Cen
1) Euler und Karlsson, diese Zeitschr. SH
130, 550. 1922.
2) Willstätter und Steibelt, Zeitschr. f. EE
phvsiol. Chem. 115, 219. 1921. 0
60 90 70 750 7180
= Mın
27 204
Abb, 6.
210 240 270
Biochemische Zeitschrift Band 18X. 9
130 E. Lindberg:
Tabelle XXV.
1 g Trockenhefe (H).
20 ccm Brenz- _ 20 ccm Brenz- | 20 ccm Brenz- 10 cem Brenz-
Min. traubensäure traubensäure ' traubensäure traubensäure
~ ° 2% ccm NaOH 16 cem NaOH | 2% ccm H,O | 15 cem NaOH
' 1g KH,PO, I g KH,PO, ` Ip KH,PO, 1 g KH.PO,
pu vorder = 5 E Me
ärın = 8,84 1,52 -7 0,88 | 5,17
15 20,5 l 0.5 16.7
50 48 1.5 0.5 34,2
om 61 2.5 0.7 | 45.2
90 " [a 2.5 0,7 33,0
120 ` 80 25 0,7 | 59,0
150 | 92,5 29 0,7 HIT
I80 102.5 Së OT 65,0
210 il 108 Kén OT 67.0
240 | 112.5 23 O =
330 | 118 2,5 0.7 | —
pu | BR | e
nach der ` 1,16 | — — l 6.12
Gärung |
Es wurde auch untersucht, in welchem Grad der Zusatz von Phos-
phat auf die Spaltung der Brenztraubensäure einwiıkte, und zwar
wurde eine kleine Steigerung mit zunehmender Phosphatmenge beob-
achtet, wie aus der folgenden Tabelle ersichtlich wird.
Tabelle XXVI.
l g Trockenhefe (H).
20 ccm Brenztraubensäure + 20 ccm NaOH.
|
Min. | 2g KH,PO, | 8g KH,PO, | 4 g KH.PO,
| BR 3,39 322
|
15 15 13 | 20
30.0: 33.5 305 35,5
Ai ` Ay 45.5 | 51.5
60; ATD 35,5 60
II Hu is 82.5
In 91,5 95 | 89.5
150 106 108 1065
180 118,5 124,5 120,5
240: 1355 150 150,5
300 | 151,5 170 174
PH | f
nach der | 6,13 5,86 ' 2,98
Gärung | |
Auch wurde die Einwirkung von Calciumzymophosphat unter-
sucht. Dieses Salz ist ja bekanntlich ein guter Aktivator der alko-
holischen Gärung!). Bei der Spaltung der Brenztraubensäure wurde
1) Euler und Bäckström, Zeitschr. f. physiol. Chem. 77, 394. 1912.
——
Gärungsaktivatoren. 131
jedoch keine Beschleunigung festgestellt. Das angewandte Präparat
war Calciumzymophosphat von den Farbenfabriken vorm. Friedr.
Bayer & Co., Elberfeld.
Anhang: Einige Versuche über das Verhalten der Stockholmer H-Hefe
gegen Milchsäure.
Zur Verwendung kam das Na-Salz, das durch Neutralisation der freien
Säure mit Natronlauge dargestellt wurde. 15,0 g Milchsäure wurden zu 300 cem
verdünnt; die so erhaltene Lösung war 0,4013-normal und die angewandte Natron-
lauge war 0,3040-normal.
Bei verschiedenen Werten von pa im Anfang der Gärung wurde eine starke
Variation der gebildeten CO, Menge festgestellt, die jedoch auf die schon früher
erwähnte Selbstgärung der Hefe zurückzuführen ist. Die erhaltenen Resultate
sind aus den zwei folgenden Tabellen ersichtlich.
Tabelle XXVII.
l g Trockenhefe (H).
| 10 cem Milchsäure (0, ln).
Min. | 182 cem NaOH (0,3040-n)
| 25 eem Phosphat
pu vor der 4,58
Gärung |
ol 12 | o 0
DI ` 1.5 G5 0
0 20 0,5 0
180 Ah Oh ` 0
240 | 507 05 0
1050 10.2 705 >: 0
pu ` u
nach der 3,03 —
Gärung | |
Tabelle XXVIII.
l g Trockenhefe (H),
DI ccm Milchsäure IC 10 ccm 1 Milchsäure 10. ccm Milchsäure 10 10 € ccm Milchsäure
Min. | 13,2 ccm NaOH | 88 ccm NaOH : 4,4 ccm NaOH ` —
125 ccm | Phosphat, 25 cer ccm ne 2 cc ccm Phosphat 25 ccm Phosphat
pu vor der 5,10 LC 334 3,24 | 2,76
30 1,0 0,5 | 0.5 0
60 1,5 0,7 | 0.5 0
120 4 3.0 0,7 | 0.5 0
180 | 5,0 0,7 0.5 0
240 7,0 0.7 05 0
300 SE 2,0 | 0,5 0
1260 13.5 20) | 1.0 05
pu | |
nach der | 3,24 — _
GWärung
dh
13 E. Lindberg :
Der Zusatz von Toluol wurde studiert und die gefundenen Werte sind:
Tabelle XXIX. 1 g Trockenhefe (H).
0,5 cem Toluol zu jedem Kölbchen.
10 cem Milchsäure' 10 ccm Milchsäure 10 eem Milchsäureil0 ccm Milchsäure
Min. | 44 ccm NaOH | 13.2 ccm NaOH | 18,2 ccm NaOH | 18,2 ccm NaOH
|25 eem Phosphat 25 cem Phosphat 25 ccm Phosphat | 8 cem Phosphat
ni WE? r 3.24 4.87 6,4 | 9,07
t
30 ` 0,5 1.0 0.0 0,0
60 0.5 1.5 0.5 0.0
120 0,7 2. 0.5 | 0.0
180 ` (LV 23 1,0 0,0
240 ` 0,7 2. 1.0 UA)
300 | OT 4.5 1.0 0,0
1140 >: IL. G.D 1.0 0,0
pH | _ K
nach der 3.55 4.x] 6.51 1.28
Gärung |
Optimum der CO,-Entwicklung auch einer bei ca. pa = 5. Die CO,-Ent-
wicklung ist durch Toluol ein wenig gehemmt.
Auch wurden hier dieselben Versuchsreihen mit einem anderen Hefepräparat
angestellt. |
Tabelle XXX. 2g Trockenhefe (H,).
"10 ccm Milchsäure 10 cem Milchsäure 10 ccm Milchsäure 10 ecm Milchsäure
Min. 44 ccm NaOH 138 com NaOH 133 cem NaOH 188 cem NaOH
25 ccm Phosphat 25 ccm Phosphat 25 cem Phosphat 25 cem Phosphat
SE 3,24 457 | 7,03 8,42
A ` 1.5 20 20 1.0
(ui ` 1,5 br Ä 2.0 1.0
120 ` 20 14.0 | 29 1.0
180 20 20.0 | 2. 1.0
>40 2 24.0 St 1.0
300 2.9 dn 4.0 1.0
360 22 285 4,0 1.0
1080 25 32.0 12,0 2.7
pH l
nach der A.H | >30 3.92 6.93
Gärung |
Zunächst geht aus den Tabellen hervor, daß durch unsere Trockenhefe (H)
Laktate, bezw. Milchsäure bei keiner der untersuchten Aciditäten zerlegt werden.
Es scheint vielmehr beim Vergleich der Tabellen S. 131, daß die Selbstgärung
vom Na-Laktat gehemmt wird.
Es war auch in Rücksicht auf Versuche von T. Thunberg!) von Interesse zu
studieren. wie Trockenpräparate dieser Rasse H sich gegen Na-laktat in Gegen-
wart von Methylenblau verhielten?). Nach Palladin und Lowtschinowskaja?) wird
die CO,- Entwicklung dadurch erhöht. Zuerst wurde die Selbstgärung in der
Gegenwart von Methylenblau untersucht. Das angewandte Präparat war Me
thylenblau BB von den Farbenfabriken vorm. Fr. Bayer & Co., Elberfeld.
1) Thunberg. Skand. Arch. f. Physiol. 40. 1. 1920.
2) Val. hierzu Abderhalden und Fodor, Fermentforsch. 5, 138. 1921.
3) Palladin und Lowtschinowskaja, diese Zeitschr. 65, 129. 1914.
(rärungsaktivatoren. 133
Tabelle XXXI.
2 g Trockenhefe (H,).
25 cem Phosphat + 15 cem Wasser.
0,05 g | 0,10 g 025g
Minuten | Ohne Zusatz Methylenblau Methylenblau | Methylenblau
BB BB | BB
|
30 20 2.5 2.5 1,5
60 5.5 7.2 6.0 3,7
120 14,5 17,0 12.0 6,7
180 22,0 23.0 17,5 9,2
240 25.0 25.5 | 19,5 10,2
300 21,5 28,0 23,5 12,5
360 . 29,5 29,0 26,5 1 gi
1200 | 38.5 ké 37.0 23.7
Da der Mischungen vor der Gärung 4,87, nach der Gärung 5,37.
Der Zusatz von 0,05 und 0,10 g Methylenblau hatte hier also keinen EinfluB
auf die Selbstgärung. Beim Zusatz davon zu den Milchsäuremischungen konnte
keine Beschleunigung der CO,-Bildung festgestellt werden; die Variationen der
zugesetzten Methylenblaumengen nebst ihrer Einwirkung auf die Gärung gehen
aus den folgenden zwei Tabellen deutlich hervor.
Bei den kleinsten Konzentrationen von Methylenblau, 0,01 und 0,05 g, konnte
nach einer Stunde eine deutliche Abnahme der Färbung der Lösung wahrgenommen
werden.
Tabelle XXXII.
2 g Trockenhefe (H,). Py = 5-
m | 10 cem Milchsäure = | D E ccm Müchsäure ’
| 188 ccm NaOH | 26,6 ccm NaOH
Minuten i 0,25 g | 0,50 g 0,25 g | 0,50 g
| Methylenblau | Methyjļenblau ` Methylenblau ' Methylenblau
| BB BB | BB BB
60 | 40 4,0 Sg, 10
120 | 7,7 7.0 BSO i 4,5
180 | 10,5 9,5 ar | 6,2
240 12:5 11,0 10,5 15
300 ` 15,5 14,0 ER 9,2
1260 24.0 22,0 17.0 15.5
Tabelle XXXIII.
2 g Trockenhefe (H A. Py =°.
10 cem Milchsäure + 35,2 cem NaOH + 25 cem Phosphat.
|
f
0,05 g 0,10 g 0,01 g
Minuten | Ohne Zusatz ` Methylenblau Methylenblau Methylenblau
| | | BB | BB BB
el a 15 es "se
210 ' 11,5 12.2 10,5 11,2
240 | 3, 15,0 14.0 13,0
300 15. 16.5 15.0 14,7
1200 , 19,5 21,0 20.0 20,0
134 E. Lindberg: Gärungvsaktivatoren.
IH. Über die Gärkraft der angewandten frischen Hefen.
Obwohl bis jetzt unsere Kenntnisse über die Kinetik der Teil-
reaktionen der alkoholischen Gärung noch zu ungenügend sind, um die
Beziehung der Gärkraft der frischen Hefe und derjenigen ihrer Trocken-
präparate, besonders der von Aktivatoren befreiten, klarstellen zu
können, habe ich geglaubt, die angewandte Trockenhefe auch durch
die Gärkraft der entsprechenden Frischhefen charakterisieren zu sollen,
wodurch auch ein experimenteller Beitrag für eine spätere theoretische
Behandlung des Zymasesystems geliefert wird.
Über die Konstanz eines speziellen Enzymsystems, namentlich die
Saccharase in frischer Hefe, liegen seit mehreren Jahren Versuche
aus dem hiesigen Laboratorium vor?).
Die Bestimmung der Gärkraft der frischen Hefe geschah immer
nach der Methode von Willstätter und Steibelt?).
Bei den Bestimmungen wurden 0,95 g Rohrzucker eingewogen,
die bei 20° und 760 mm Hg ein CO,-Volumen von 267 ccm gaben.
Die Zeiten, die zur Bildung von der Hälfte davon (= 134 ccm CO.)
in der Gegenwart von etwa 0,2 g Trockenhefe wurden bestimmt und
einige dieser Resultate sind in der folgenden Zusammenstellung an-
gegeben.
Tabele XXXIV.
Halbgärzeit.
R-Hefe | H-Hefe
Datum | Minuten | Datum ` Minuten
ORO | wes `
16. II. 121 15.111. 143
IX. JI. 142 30. HI. 155
28. IH. 163 24. IV. 160
LIV. 157 29. IV. 158
1) Siehe die Tabelle bei Euler und Svanberg, Zeitschr. f. physiol. Chem. 166,
201 und zwar 217. 1919.
2) Willstätter und Steibelt, Zeitschr. f. physiol. Chem. 115, 211. 1921.
Untersuchung der Pentaglykose eines neuen Falles von
Pentosurie.
Von
A.N. Wrzesnewski (Moskau).
(Eingegangen am 19. Mai 1922.)
Salkowski beschrieb 1892 den ersten Fall von Pentaglykosenaus
scheidung durch den Urin, und dann sind wohl mehr als 30 Fälle dieser
Stoffwechselabweichung bekannt gemacht. Es ist das Verdienst von
Bial und Blumenthal, durch besondere Stoffwechseluntersuchungen
an mit Pentosurie behafteter Patienten gefunden zu haben, daß diese
abnorme Ausscheidung von Pentosen nicht mit der Ernährung zu-
sammenhängen kann, nachdem verfütterte Pentosen oder pentose-
haltige Pflanzenbestandteile und ebensolche Tierorgane keinen Einfluß
auf die Menge der Pento:e im Harn haben.
Die Natur der ausgeschiedenen Pentose war unbekannt, bis Neuberg
mit einer guten chemischen Methode die Charakteristik besorgte.
Dieser Forscher isolierte nach Eindickung von Pentosurikerharn durch
Ausziehen mit starkem Alkohol die Zuckersubstanz dadurch, daß sie
in der Alkoholauflösung mit Diphenylhydrazin ein Hydrazon bildete
von der Formulierung (C,H,),N N :CH -CHOH - CHOH - CHOH
-CH,OH. Dieses Hydrazon war ohne Einfluß auf den polarisierten
Lichtstrahl ganz ebenso, wie die Pentaglykose, die daraus nach Auf-
spaltung durch Formalin entsteht. Neuberg hat sie als die racemische
Arabinose durch Identifikation festgestellt. Dieselbe Pentaglykose
haben Schüler, Aron und andere Verfasser in ihren Beispielen von
Pentosurie aufgefunden. Daneben scheinen auch andere Pentosurie-
ausscheidungen vorzukomnen, als da sind Fälle mit i-Ribose nach
Elliot und Raper, ferner mit einer i-Xyloketose von Zerner und Walk
tuch; doch bilden sie Ausnahmen.
Ich hatte Gelegenheit einen neuen Fall zu untersuchen. Es war
eine jüdische Frau von 42!/, Jahren. Der Urin war auffallend dadurch,
daß eine Unstimmigkeit vorherrschte zwischen Zirkumpolarisation
und dem Titrationseffekt, gemessen nach Knapps Verfahren. Das
Drehvermögen war an verschiedenen Tagen wie das einer 0.2—0,3 proz.
Dextroselösung, das Reduktionswirken gleich 0,72 bis 0,87 °%.
136 A. N. Wrzesnewski:
Wenn ich den Urin — 200 ccm mit 2 g Hefe 1 Tag vergor —
verschwand die Drehkraft; aber die Knapp-Bestimmung zeigte noch
immer fast genau 0,48% Zucker an. Vor und nach Anwendung von
Hefen waren die angestellten Proben mit Orcin und Phloroglucin
sehr kräftig (Tollens-Salkowski).
Daher konnte ich die Isolierung der Pentaglykose angreifen, wobei
ich dem Neubergschen Vorgehen folgte. Denn der schon früher ver-
geblich gemachte Versuch, den Zucker mit Barythydrat in alkoholischer
Lösung zu fassen (nach Bergel und Blumenthal), versagte auch bei
mir. Ich engte 24 l des vergorenen Harns ein, dessen einzelne
- Portionen zuvor mit Chloroform nach Salkowski gegen Fäulnis geschützt
waren und verarbeitete wie Neuberg empfahl. Das zur Fällung benutzte
Diphenylhydrazinium war bei mehrjährigem Stehen gedunkelt, aber
nicht zerflossen, und konnte nun durch Waschen mit Naphthafraktion
wieder hellgelb gemacht werden.
20 g davon wurden in dem Alkoholdekokt aufgelöst und !/, Stunde
gekocht. Beim Kühlen schieden sich reichliche Krystalle ab, die später
abfiltriert wurden. Sie waren anfangs fleischfarbig, doch nahm ihnen
Spiritus die Farbe. Nach Umkrystallisieren wurden nun ganz weiße
Nadelbüschel erhalten, die Identität mit racemischen Arabinosedipheny|-
hydrazon zeigten. Ihr Schmelzen erfolgte bei 202— 204°.
N = 8,5%; berechnet N = 8,9%.
Bei Prüfung in Alkohol-Pyridinmischung kam keine Drehung zum
Vorschein, obgleich völlig klare Durchsicht möglich war. (Hingegen
zeigte das Diphenylhydrazon der gewöhnlichen l-Arabinose Rechts-
drehung, in Übereinstimmung mit den Feststellungen Neubergs und
Tollens und Muthers.) Die Zerlegung der Hydrazinverbindung verläuft
schwieriger und ich habe sie unterlassen, dafür aber nach Salkowskıs
alter Angabe das Osazon aus dem Harn direkt, und zwar nach Ver-
gärung, dargestellt. Das gelang leicht. Die Osazonverbindung wurde
zweimal aus heißem Wasser mit Hinzufügung von wenig Alkohol
unmkrystallisiert. Nach dem Trockenwerden schmolz sie bei 162 — 164 °C.
Die Drehung, bestimmt nach Allen und Tollens oder nach Neuberg,
war auch hier gleich Null.
N= 17,3%; berechnet N = 17,1 os
Zum Schluß habe ich noch eine Prüfung nach Zerner und Walktuch
gemacht. Sie hielten die Pentaglykose des Pentosurikers für d-Xylose
und etwas später für d-Xyloketose und rieten an, dies zu beweisen
durch Beigabe gleicher Menge gewöhnlichen 1-Xyloseosazons zu dem
Harnzuckerosazon, wobei das inaktive Xyloseosazon sich bilde, das
bedeutend höher, nämlich bei 210°, schmilzt.
Pentaglykose eines neuen Pentosuriefalles. 137
Ich machte diese Mischprobe, fand aber nach Zumischung gleicher
Quantität von 1-Xyloseosazon kein Heraufgehen des Schmelzpunktes,
vielmehr Herabsinken auf 152°.
In meinem Falle ist also, wie in denen von Salkowski, Neuberg,
dron, Schüler und anderen, die inaktive Arabinose gebildet, die von
Dextrose begleitet und durch Vergärung der letzteren leicht kenntlich
zu machen ist.
Literatur.
Salkowski, Hoppe-Seyler Zeitschr. f. physiol. Chem. 27. 1899. — Bial und
Blumenthal, Dtsch. med. Wochenschr. 1901. — Neuberg, Chem. Ber. 33. 1900. —
Aron, Monatsschr. f. Kinderheilk. 1%. 1913. — Schüler, Berl. klin. Wochenschr.
1910. — Elliot und Raper, Biol. Chem. 11. 1912. — Allen und Tollens, Liebigs
Annalen 269. 1890. — Zerner und Woalktuch, Monatshefte der Chemie in Wien
34 u. 35. 1913.
Über den Mechanismus der Parasympathieusglykämie.
Von
"A. Bornstein und Kurt Holm.
(Aus dem Pharmakologischen Institut der Universität Hamburg [Krankenhaus
St. Geore).)
(Eingegangen am 21. Mai 1922.)
Durch eine Reihe im vorigen Jahre veröffentlichter Versuche aus
diesem Institut!) wurde gezeigt, daß die Parasympathicusreizgifte
Cholin, Acetylcholin, Pilocarpin und Physostigmin eine Erhöhung
des Blutzuckerspiegels bewirken. Diese Hyperglykämie wird durch
Atropin antagonistisch beeinflußt, geht einher mit einer Mobilisation
von Glykogen aus der Leber und den Muskeln und unterscheidet sich
anscheinend von der durch Adrenalin auf dem Wege der Sympathicus-
reizung erzeugten Hyperglykämie dadurch, daß der zur Ausschüttung
gelangende Zucker sofortiger Verbrennung verfällt, was bei der Adre-
nalinhyperglykämie nicht der Fall ist. Aus diesen Unterschieden erklärt
sich zwanglos die Tatsache, daß der Blutzucker nach Parasympathicus-
reizgiften nicht so hoch ansteigt, und daß er seltener oder gar nicht
zu Glykosurie führt. Adrenalin gleichzeitig mit einem der genannten
Parasympathicusreizgifte gespritzt, zeigt eine anfängliche Hemmung
der Adrenalinhyperglykämie. Diese wird erst deutlich nach Abklingen
der Vagusreizung. Ginge die Hyperglykämie nach Parasympathicus-
reizgiften auf dem Wege über die Nebennieren vor sich, so wäre diese
Tatsache einer ‚‚dissimilatorischen Umkehr“ schlecht zu erklären. Es
war also ein durch diese Erscheinung nahegelegter Weg, daß man
zur schärferen Umgrenzung der Parasympathicusreizhyperglykämie
zuerst ihre Beziehungen zu den Nebennieren untersuchte.
Versuche, in denen die Ausschüttung von Adrenalin aus den Neben-
nieren von Ratten und Hunden nach Pilocarpinvergiftung geprüft
wurde mittels der von Folin, Cannon und Denis?) angegebenen colori-
metrischen Adrenalinbestimmungsmethode, führten zu keinem ver-
wertbaren Ergebnis. Die Versuchsanordnung litt an nicht ausschalt -
baren, das Bild der reinen Pilocarpinvergiftung verdeckenden Neben
1) Bornstein und Vogel, diese Zeitschr. 118, 122, 126; Bornstein und Müller
diese Zeitschr. 126; Hornemann. diese Zeitschr. 122.
2) Folin, Cannon und Denis, Journ. of biol. chem. 18, 477. 1912/13.
A. Bornstein und K. Holm: Parasympathieuselvkänmie. 139
einflüssen. Die Versuche wurden abgebrochen mit dem Ergebnis, daß
eine Ausschüttung von Adrenalin nicht nachgewiesen werden konnte
unter dem Einfluß der Pilocarpinvergiftung, während andere Einflüsse,
wie z. B. wiederholte Narkose zusammen mit Schmerzreiz und Fesse-
lung starke Adrenalinausschüttung bewirkten. Dabei konnte aus
diesem Unvermögen nicht der umgekehrte Schluß gezogen werden,
daß nämlich die Pilocarpinhyperglykämie tatsächlich ohne Mitwirkung
der Nebennieren zustande kommt. Als ein Nebenbefund hat sich bei
diesen Versuchen ergeben, daß Ratten eine relativ sehr große Dosis —
15 mg pro Kilogramm Körpergewicht — Pilocarpin gut vertragen.
Die gestellte Frage, ob nämlich die Hyperglykämie nach pharma-
kologischer Reizung des Parasympathicus ohne Beteiligung der Neben-
nieren zustande käme, konnte nur eine befriedigende Antwort erfahren,
wenn unter Ausschaltung der Nebennieren gearbeitet wurde. Dieses
wurde nun getan, und zwar wurde die erste Versuchsreihe an Kaninchen
angestellt.
Es wurde im wesentlichen die Versuchsanordnung beobachtet, die
Freund und Marchand!) zur Prüfung der Wirksamkeit des Zucker-
stichs an epinephrektomierten Kaninchen benutzt haben:
Die Entfernung der Nebennieren geschah per Laparatomiam, wodurch infolge
Übersichtlichkeit des Operationsfeldes eine radikale Entfernung des Nebennieren
ohne Zerstückelung derselben und eine kurze Operationszeit — von 12—20 Min. —
erzielt wurde. Zur Narkose wurde Äther verwandt. Um Abkühlung zu vermeiden,
lagen die Tiere während der Operation auf einem Heißwasserkissen, und die even-
trierten Därme wurden in ein Tuch mit warmer physiologischer Kochsalzlösung
geschlagen. Gleich nach der Operation kamen die Tiere in einen Wärmeschrank
bei 30°, soweit in den heißen Sommermonaten das Laboratorium nicht schon
selber eine Temperatur von 28° und mehr hatte. Die Blutentnahmen zur Zucker-
bestimmung geschahen, wenn es möglich war, aus der Ohrvene, sonst aus der frei-
präparierten Vena femoralis. Die Zuckerbestimmungen selber erfolgten nach der
Bangschen Mikromethode mit je 4 Parallelbestimmungen. Die bei einer gewissen
Anzahl von Versuchen durchgeführten Hämoglobinbestimmungen wurden mit
Hilfe des Autenriethschen Colorimeters ausgeführt, die Temperatur rectal ge-
messen.
Vor den eigentlichen Versuchen (Tabelle III) wurde in Vorversuchen der
Ablauf der Hyperglykämie nach subcutaner Pilocarpinapplikation an normalen
Kaninchen und das Verhalten epinephrektomierter Kaninchen ohne Pilocarpin-
einwirkung beobachtet (Tab. I u. II). Die Wirksamkeit des Pilocarpins konnte
in allen Fällen während der Versuche-an Speichelfluß, Darm- und Blasenentleerun-
gen festgestellt werden. Die Blutentnahmen geschahen, wie aus den Tabellen
ersichtlich ist, in regelmäßigen Abständen vor der Operation, vor der Pilocarpin-
spritze und dann fortlaufend bis zum Exitus, die letzte Probe meist aus dem noch
schlagenden Herzen. Zur Bestimmung ihres Glykogengehaltes wurde in vielen
Fällen die Leber sofort nach dem Tode des Tieres gewogen, zerkleinert und in
heiße Kalilauge getan. Das Glykogen wurde nach Pflüger?) gefällt und der durch
1) Freund und Marchand, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 26.
2) Pflüger, Abderhalden 2, 1070.
140 A. Bornstein und K. Holm:
(lykolyse aus dem Glykogen gewonnene Zucker nach der Bertrandschen!) Methode
bestimmt. Die Tiere hatten vor dem Versuch 2 Tage gehungert, z. T. bekamen
sie am Vortage des Versuchs nur 6—8 g Dextrose pro kg Körpergewicht per os.
Tabelle I.
Blutzucker normaler, mit 4 mg Pilocarpin pro kg subcutan
gespritzter Kaninchen.
Nr.
S I Stunde 2 Stunden
| 0.106 0.157 0.186 2
2 0.142 0.2354 0,262 0.276 0,195
3 0.163 0.216 0.210 0.215 0.183
e bedeutet: Zeitpunkt der Injektion.
In Tabelle I ist die blutzuckererhöhende Wirkung des Pilocarpins
an normalen Kaninchen deutlich sichtbar. Sie setzt nach !/, Stunde
ein, steigt in einem Falle sogar auf etwa 180°, des Anfangswertes,
beginnt aber nach 1 Stunde schon wieder abzufallen. Dies ist nach
den eingangs erwähnten Unterschieden der Hyperglykämie nach
Pilocarpin und den verwandten Giften im Gegensatz zu Adrenalin
gut erklärlich. Ein Unterschied zwischen den am Vortage mit Dextrose
und den nicht damit gefütterten Tieren ist bei diesen kurzdauernden
Versuchen an normalen Tieren nicht festzustellen, auch
erwarten.
nicht zu
Tabelle II.
Nebennierenlose Kaninchen ohne Pilocarpin.
y | Std. 2 Std. 3Std.4Std. 5 Std. 6 Std. 7Std. 8Std. 9Std.10Std. 11 Std.
0.106. 0.0980.1000.0520.030 0.047 (ups,
0.138 0.2190.1540.1260.105 0,105 =
0.106 0.1970.1890.1340.061 (ul: —
0.1017 — 0.094 — 0,0534 Am Vortaue b 3
Dextrose prok
Leberglykogen: 0.014% del.
y zeigt den Zeitpunkt der Operation an.
+ bedeutet Blutentnahme aus dem Herzen nach Atemstillstand.
Tabelle TI bestätigt die Befunde von Freund und Marchand. Blut
zucker und Temperatur (in der Tabelle nicht eingetragen) fallen nach
unregelmäßigem, anfänglichem Anstiege von der zweiten Stunde bis
zum Tode ab. Die beiden am Vortage mit Dextrose gefütterten Tiere
zeigen höhere Blutzuckerwerte als das dritte. Bei dem letzten Tiere
ist eine Glykogenbestimmung der Leber gemacht worden. Es findet
sich nur noch ein ganz geringer Gehalt. Bei diesem Kaninchen fand:
sich eine kleine akzessorische Nebenniere. doch ohne Markgewebe.
Bei dem einen Tiere ist die Vena femoralis präpariert worden, da aus
!) Bertrand, in Neuberg, Der Harn 1, 396.
Y
Parasympathicusglykänmie, 141
der Ohrvene kein Blut mehr zu bekommen war. In diesem Falle ist
die Manipulation an der Vene anscheinend nicht von störendem Ein-
fluß gewesen, im Gegensatz zu den meisten entsprechenden Versuchen
der folgenden Tabelle. Es läßt sich nämlich meist nach dieser Präpa-
ration ein unregelmäßiges Ansteigen und Schwanken des Blutzucker-
spiegels feststellen, was ziemlich sicher auf die kaum vermeidliche
Zerrung und Quetschung des Nervus ischiadicus bei der Bloßlegung
der Vene und den dann folgenden Entnahmen zurückzuführen sein
wird. Über das Verhalten der Tiere nach der Operation ist folgendes
zu sagen:
Einige Tiere setzten sich sofort auf und nahmen ihre natürliche
Haltung ein, wenn sie vom ÖOperationstisch losgeschnallt wurden.
Die übrigen erholten sich auch alle ausnahmslos rasch und krochen
umher. Spätestens nach !/, Stunde war den Tieren von der über-
standenen Operation nichts mehr anzumerken. Erst später entwickelte
sich ganz regelmäßig das zum Tode führende Bild des Nebennieren-
ausfalls. Dies zeigte sich in zunehmender Schwäche, verminderter Reak-
tion auf äußere Reize, Temperaturabfall und angestrengter Atmung
mit schließlichem Atemstillstand. Der akute Nebennierenausfall führt
also beim Kaninchen unter ganz bestimmten, stets zu beobachtenden
Erscheinungen in wenigen Stunden zum Tode. Wir haben immer
einzeitig operiert, trotzdem wie bekannt, zweizeitig operierte Tiere
länger leben. Worauf die längere Lebensdauer zweizeitig operierter
Tiere beruht, soll hier nicht erörtert werden. Es soll hier nur der von
den Verfechtern der zweizeitigen Operationsmethode häufig geäußerten
Ansicht entgegengetreten werden, daß die einzeitig operierten Tiere
an den allgemeinen Folgen der schweren Operation zugrunde gingen.
Davon kann nach den hier gemachten Beobachtungen gar nicht die
Rede sein. Bei diesen Versuchen kam es weniger auf eine lange Über-
lebensdauer der Versuchstiere als auf eine plötzliche und radikale Aus-,
schaltung der Nebennieren an, ohne daß sich für die ausgefallenen
Organe auf irgendeine Weise ein Ersatz durch Gewöhnung an den Zu-
stand verminderter Nebennierenleistung herausbilden konnte, wie man
es sich für zweizeitig operierte Tiere wohl vorstellen könnte.
Tabelle III zeigt nun die eigentlichen Versuche mit Pilocarpin an
nebennierenlosen Kaninchen. Über das allgemeine Verhalten der Tiere
ist zu sagen, daß sie infolge des Nebennierenausfalls plus der Pilocarpin-
spritze natürlich noch etwas rascher hinfällig werden als die nur epi-
nephrektomierten Tiere. Im übrigen zeigen sie die Wirkungen der
Pilocarpinvergiftung und der Epinephrektomie einfach summiert ohne
weitere Besonderheiten. Durchschnittlich haben sie die Operation um
3!/,—4 Stunden überstanden. Nach den Ergebnissen der Tabelle II
konnte mit der Pilocarpingabe nicht vor Ablauf der zweiten Stunde
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B 8—9 IPVO A WV | FZO'O ı 260°0
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-[Oysnm | -19q91
L
2j8895u® JOZIInN IMZ 351 uoyofuj au
tu 2220 FIEO
— = EOOTO
= ı +8110 0800
— Lucu 6610
8970 £910 SETO re 06T'O
1 IETOJA TIISUZ $ |
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|
'+902°0 1910 oO 0270
| urdaedong Su p ^
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"201 20 pt |
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|
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142
III NPW
Parasympathicusglykämie. 143
begonnen werden, denn erst von dann an hat der Blutzucker an-
gefangen, sich in fallender Kurve zu bewegen, wie es in Tabelle III,
abgesehen von den Entnahmen aus der Vena femoralis, auch ausnahms-
los der Fall ist. Versuch 1—4 zeigen nach der Pilocarpinspritze zwar
keinen Anstieg des Blutzuckers, doch ist eine Hemmung des sonst
um diese Zeit beobachteten Abfalls festzustellen, während bei 5 aller-
dings ein leichter Abfall eintritt. Versuch 6—10 reagieren alle mit
mehr oder minder steigender Blutzuckerkurve auf die Pilocarpinein-
spritzung. In Versuch 10 tritt die Steigerung ein, nachdem Pilocarpin
zum zweiten Male nachgegeben worden ist. Ebenso reagiert das Tier
in Versuch 8 noch auf die zweite Spritze, während Tier 6 die zweite
Pilocarpingabe kaum mehr überlebt und nur noch aus dem Herzen
kurz nach Atemstillstand Blut gewonnen werden kann. Diese aus
dem Herzen unmittelbar nach Atemstillstand entnommenen Proben
sind bisher bei der Beurteilung der Blutzuckerkurven noch nicht berück-
sichtigt worden, ebenso nicht der letzte Wert in Versuch 1, der noch
kurz vor der Herzpunktion vom sterbenden Tiere aus der Ohrvene
gewonnen werden konnte, aber doch wohl dem sonst nach Atemstill-
stand entnommenen Blute gleichzusetzen ist. Diese letzten — auf
der Tabelle mit + versehenen Werte — schienen anfangs gänzlich
regellos zu sein. Erst die zahlreicher vorgenommenen Glykogenbestim-
mungen ließen eine Gesetzmäßigkeit erkennen: Die Blutzuckerkurve
steigt mit erlöschender Atemtätigkeit ganz plötzlich an, wenn noch
genügend Glykogen in der Leber vorhanden ist; der Anstieg bleibt
aus bei zu geringen Glykogenmengen. Genügend ist nach diesen Tabellen
0,09°%,, ungenügend heißt 0,01%. Hierbei können auch die Versuche 11
bis 14 in die Betrachtung einbezogen werden, die aus den unter Tabelle II
angeführten Gründen wegen der Entnahme aus der Vena femoralis
zur Beurteilung der Blutzuckerkurven sonst ungeeignet sind. Diese
Gesetzmäßigkeit des terminalen Anstiegs bei genügendem Glykogen-
gehalt der Leber läßt auch Versuch 5 erkennen, der sonst merkwürdig
verläuft, insofern als sich der Blutzucker während des ganzen Versuchs
relativ niedrig hält und in der Leber post mortem eine erhebliche Menge
Glykogen gefunden wird. Wenn man jedoch bedenkt, daß der Umfang
der Kohlenhydratverbrennung nicht beobachtet worden ist, so wird
man sich über derartige scheinbare Ausnahmen nicht zu wundern
brauchen, da nach den eingangs erwähnten, im hiesigen Institut ge-
machten Beobachtungen die Verbrennung der Kohlenhydrate bei
einer Pilocarpinvergiftung sehr rasch einsetzt und deshalb diese Hyper-
glykämie zu einer flüchtigeren macht als z. B. die Adrenalinhyper-
glykämie. Eine Beeinflussung der Höhe der Blutzucker- und Glykogen-
werte durch den am Vortage gegebenen Traubenzucker ist aus der
Tabelle nicht ersichtlich. Bezüglich der Glykogenwerte läßt sich aber
144 A. Bornstein und K. Holm:
noch sagen, daß die Tiere nicht an Glykogenmangel zugrunde gehen.
denn sie sterben sowohl mit als auch ohne genügenden Glykogengehalt.
In allen Versuchen dieser Reihe war bei der Sektion keine akzessorische
Nebenniere mehr zu finden: einmal wurde eine solche bei der Operation
in Höhe der Vena renalis auf der Vena cava liegend gefunden und
entfernt. Die gefundenen Hämoglobinwerte lassen im allgemeinen eine
leichte Eindickung des Blutes erkennen, die aber zur Erklärung der
Blutzuckerschwankungen bei weitem nicht ausreicht. Die Temperatur
ist in der Regel gefallen wie bei den Tieren der Tabelle II.
Erheblich eindeutigere Resultate als die Versuche an Kaninchen
hat die zweite Versuchsreihe an Hunden ergeben. Bei Hunden bereiten
die Blutentnahmen keine Schwierigkeiten, und der Blutzuckerspiegel
schwankt infolge der Operation nicht so stark wie bei Kaninchen.
Über die Versuchsanordnung. die dieselbe war wie bei den Versuchen
der Tabelle I—II. ist weiter nichts zu sagen außer, daß die Hunde
meist nur | Tag gehungert hatten. Die Tabellen IV—VI geben die
Resultate der entsprechenden Versuche wieder.
Tabelle IV.
Blutzucker normaler Hunde nach Pilocarpin 2—3 mg
pro kg Körpergewicht.
B.Z. 118. 26.X1.20. vorher ', Std.
10.55kg. 20mg Piloe. 0096 0.145
Alfons. N. IV.22. 1 Std. vorher 5—10 Min. 1, Std. tt (ad 2 std. (ai
10.55kg. 20 me Piloe. 00753 0O00 0090 LI O144 OTIR 0074 (LD,
Pinscher. 11. IV. Ji 1 Std. vorher ', Std. N, Std. 1 Std. 2 Std. 4 Std.
l4 mg Piloe. 0088 00810124 0184 0205 0136 0.077
Terrier. 11. IV. 22. "te Std. vorher 1Std. 1, Std. 1Std. 2Std. A Std.
12 me Piloe. 0.091 DORT 010? 0.140 0110 0096 0.100
Sehr mager. (0.101)
dé 118. 6. NJ. 20. vorner 18 Min. 26 Min. 1 Std. 2 Std. 3 Std. 4 Std. 5 Std.
2.27 ke. 30 mg ln. 0097 0.131 OTS 0.137 0.170 0,138 0.119 (Un
B. 7.118. 3.X1].20. vorher !. Std. Land P, Std. 2%, Std. H, Std.
6.54ke. 20 me Piloe. 0.109 0.190 0.149 0.106 0089 0.098
(ckt, 15. IV. 229, - ">>8td. vorher ix Std. M, Std. 1 Std. 2 Std. 4 Std.
15 me Piloe. 0.093 0.089 0131 (Im 0.18? (INN 0.103
Pınscher. 18.1V.?22. st vorber "ix Bi. It, Std. 1 Std. 2 Std. 4 Std.
22? me Piloe. 0095 0008 OITO 0184 0.173 (LIN) 0.083
In Tabelle IV sind zum Teil Versuche aus einer früher von unseren
Institut veröffentlichten Arbeit enthalten; diese sind durch RB Z. 118°
gekennzeichnet. Die Mehrzahl der Versuche ist neu. Es sind den Ver-
suchstieren 2 und 3 mg Pilocarpin pro Kilogramm Körpergewicht
gegeben worden. Der Blutzucker ist nach Li, Stunde deutlich angestiegen,
hat seine größte Höhe nach 1.,---2 Stunden erlangt. worauf er wieder
6 ME
DR.
Parasympathieuselykätnie. 145
abfällt und nach 4 Stunden seinen Nüchternwert erreicht oder sogar
nach unten überschritten hat. Ein Unterschied zwischen den mit
2 mg und den mit 3 mg Pilocarpin behandelten Tieren ist nicht fest-
zustellen; vielleicht spielt der in diesen Versuchen nicht bestimmte
(Glykogengehalt die entscheidende Rolle. was, abgesehen von den oben
erwähnten Versuchen von Hornemann, hier besonders durch das Ver-
halten des äußerst abgemagerten Terriers im Versuch vom 11. IV.
nahegelegt wird, der nur mit einer Erhöhung um etwa 50°% reagiert,
während die übrigen Tiere eine Erhöhung um 80— 150°, des Nüchtern-
wertes zeigen. Speicheln, Erbrechen, Blasen- und Darmentleerungen
setzten wie bei den Kaninchen nach wenigen Minuten ein.
Tabelle V.
Nebennierenlose Hunde ohne Pilocarpin.
231. Į ker. vorher a, Std. 177, Std. 2, Std. 84, Std. Ari, Std. 7 Std. TU, Std.
1.000 Op 01100089 0.094 0.086 0.076 0.078 = 0.06%
Leberelykogen 0%,
>11]. 22. vorher Min. (ix Std. 27 Std. 877, Std. 4Std. Di, Std. 6, Std. 71, Std. SU, Std.
13.17 ke. 0.115 Op 0164 0.135 (MÄ 0,091. 0,084 0,073 OOTI (Lin,
Thyreoidektom. Leberelykoren 0.0339,
x. III. 21 ' ‚Std. vorher 5Min. 181.20M. 25t.20M. 88t.20M.
0.115 0.117 Op O.114 0095 0,075 (OI?
12. IV. 22, vorher 2 Std. 28t.50M. BSt.50M. 4St.40M. 58t.40M. 686.30M. 7SL2OM. TS3SU2WM.
Prinz. 16.65 kr. 0,098 Op 0,080 0,08] VOTS (DU) (Lin OOTO OOR?
Leberelvkogen 0,059590, Muskelglykogen 0.611820.
Die vier Versuche der Tabelle V zeigen deutlich, daß bei Hunden
der Blutzuckeranstieg infolge der Operation bedeutend geringer ist,
als er bei den Kaninchen gefunden wurde. Bei drei Versuchen bleibt
der störende Anstieg überhaupt ganz aus. Der dann folgende Abfall
des Blutzuckers ist nicht sehr stark ausgesprochen: Die Blutzucker-
kurve bewegt sich ohne Schwankungen ganz langsam abwärts. Beim
Tode des Tieres hat sie noch keine extrem niedrigen Werte erreicht.
Es bestätigt sich auch hier die bei den Kaninchen gefundene Tatsache,
daß ein terminaler Anstieg ohne genügende Glykogenmengen der
Leber nicht zustande kommt. Auffallend ist allerdings der relativ
hohe Glykogengehalt der Muskeln in dem einen Falle, wo er bestimmt
wurde. Vielleicht ist das Muskelglykogen für den asphyktischen Reiz
weniger leicht angreifbar als das Leberglykogen? Bestimmtes lässt
sich bei diesem vereinzelten Befunde natürlich nicht darüber sagen.
Erwähnt sei noch, dass der Hund des zweiten Versuchs vor mehreren
Wochen thyreoidektomiert worden war, ohne hier in diesen Versuchen
eine Abweichung von den anderen Hunden zu zeigen. Der dritte Ver-
such ist nicht weiter aufgezeichnet worden, da der Hund zu anderen
Zwecken weiter verwendet wurde. Die Temperatur lag zwar bei den
Biochemische Zeitschrift Band 132. 10
146 A. Bornstein und K. Holm:
Hunden dieser Versuchsreihe im allgemeinen nach der Operation
etwas niedriger als vorher, doch stieg sie dann wieder bis auf den Normal-
wert an und hielt sich bis zum Tode.
Tabelle VI.
Nebennierenlose Pilocarpinhunde.
Ju III. 22. vorher I Std. Da Std. 2 Std. 21/, Std. 2',, Std.
11 ke. 0.090 Op 0.094 0.097 0.070 0,069 Piloearpin 3
21 Dextrose. nach Piloe.: Std. ` "e Std. 1 Std. 18Std. 10Min.
am Ze IM. 0.105 0105 ` (ma) +0085 Leberelykogen 0.406%,
11. III. ?2. vorher I Std. 1!i, Std. 2 Std. 2!., Std. 21, Std.
30.4 ku, 0.076 Op 0.073 0,072 0.076 0,058 Piloearpin 3 mg
4. IV.
6.6 kır.
nach Piloc.: !,, Std. ", Std. I Std. D Std. 2 Std. 23%, Std.
0.069 0.092 0.085 0082 0.015 +0,019 Leberelyk. 0,0019,
SEI vorher (and, MW, std 2Std. 2, Std. 2j, Std.
0,086 Op 0,064 0,062 0,075 0.086 Pilocarpin 3 mg
Rübenzucker nach Piloe.: 31. Std. 1. Std. 1Std. 11, Std. 2Std. 07. Std. 8 Std.
am 3. IV. 0.084 0.096 0.107 0.093 0,085 0068 +-0.056 Leheralek- TANK.
1:18:22; vorher DI, Std. 2 Std. 2!/, Std. 3 Std. 8 Std.
4.8 ke. 0.083 Op 0,076 0.054 0.045 0,041 Pilocarpin 2 mg
übenzucker nach Piloe.: Y, Std. 17,8td. 18Std. 1, Std. 2/, Std.
GE 0,054 ugi 0.057 0057 +0,076 Leberelyk. 1.78%,
+ bedeutet Blutentnahme aus dem Herzen nach Atemstillstand.
Tabelle VI gibt die in allen angestellten Versuchen deutliche Er-
höhung des Blutzuckerspiegels nebennierenloser Hunde durch Pilo-
carpin wieder. Die leichte Ausführbarkeit der Blutentnahmen ermög-
lichte eine fortlaufende Blutzuckeruntersuchung. Die Erhöhung in-
folge der Pilocarpinspritze ist nach !/,—!/, Stunde deutlich und beträgt
25—100°, des letzten Wertes vor der Pilocarpinapplikation. Die
Erhöhung hält nur kurze Zeit an, um dann der wiederbeginnenden
Blutzuckersenkung Platz zu machen. Die Glykogenwerte der Leber
sind zweimal recht hoch, verbunden mit einem terminalen Blutzucker-
anstieg des nach Atemstillstand aus dem Herzen gewonnenen Blutes,
zweimal finden sich nur noch minimale Glykogenmengen in der Leber,
wobei der erwähnte Blutzuckeranstieg auch ausgeblieben ist — genau
so, wie es bei den Kaninchen beobachtet worden ist. Die übrigen Wir-
kungen des Pilocarpins: Speicheln, Erbrechen, Blasen- und Darment-
leerungen sowie Bluteindiekung fanden sich bei den epinephrekto-
mierten Tieren in derselben Weise wie bei normalen, sowohl nach
Intensität wie Zeit.
Besprechung: Nachdem wir festgestellt haben, daß die Pilocarpin-
elykämie auch bei nebennierenlosen Hunden und Kaninchen zustande
kommt, können wir erörtern, welche Vorstellungen wir uns vom Wesen
der Parasympathicusglykämie zu machen haben. Wir gehen dabei am
a a A
Parasyimpathicuselykämie. 147
besten von der Wirkungsweise des Zuckerstichs aus. Der durch den
Stich im Zuckerzentrum gesetzte Reiz erreicht auf dem Wege des
Sympathicus die Leber, wo er zur Glykogenmobilisation führt. Im
Gegensatz zu früheren, methodisch nicht ganz zureichenden Unter-
suchungen fanden Freund und Marchand (l. c.), sowie Trendelenburg
und Fleischhauer!), daß der Zuckerstich ohne Beteiligung der Neben-
nieren durch direkte nervöse Beeinflussung der Leberzellen zustande
komme. Pollack?) unterscheidet von den Glykosurien, die auf dem
Wege des Sympathicus vom Zuckerzentrum mit Beteiligung der
Nebennieren zur Leberzelle gelangen, als zweite Hauptgruppe
solche, die peripher den Sympathicus reizen. Hierher rechnet er
die Asphyxsie nach Curare- und Kohlenoxydvergiftung und die
Adrenalinapplikation da sie Hyperglykämie bei durchschnittenen
Splanchici ergeben.
Nach Binswanger?) ist auch die Kohlensäure in höheren Konzen-
trationen hierzu zu zählen, da sie bei Nebennierenexstirpation, Splanchni-
cotomie und hoher Rückenmarksdurchschneidung zustande kommt.
Keiner der bisher aufgeführten Autoren zieht die Möglichkeit der Leitung
durch den Parasympathicus ernstlich in Betracht. Billigheimert)
rechnet mit einer indirekten Mitbeteiligung des Parasympathicus bei
der Glykogenmobilisation in der Leber: Der Tonus des parasympathi-
schen Systems soll denjenigen des sympathischen beeinflussen und
umgekehrt. Er bringt als experimentelle Grundlage zwei Versuche
probatorischer Adrenalininjektion an Patienten, von denen er den
einen mit Pilocarpin, den anderen mit Atropin vorbehandelt hat, wo-
durch ein vermehrter bzw. verminderter Tonus des Parasympathicus
und damit parallel gehend des Sympathicus erzielt worden sein soll.
Wir können wegen der Zahl und geringen Ausschläge der Versuche,
sowie der Erfahrungen, die hier mit der Ungleichmäßigkeit der
Hyperglykänmie selbst an derselben Versuchsperson bei subcutaner
Adrenalinapplikation gemacht worden sind, Billigheimer nicht ohne
weiteres zustimmen. Wir fanden öfters am gleichen Patienten, der an
verschiedenen Tagen untersucht wurde, Abweichungen, die sehr viel
rößer waren, als die von Billigheimer in seinen Atropin- und Pilocarpin-
versuchen beobachteten. Solche Schwankungen mögen zum Teil auf
einen verschiedenen Glykogengehalt des Organismus zurückzuführen
sein. Sie finden sich aber auch, wenn man am gleichen Patienten
von einer gleichen Ernährung ausgeht. Zur Illustration diene folgendes
Beispiel:
1) Trendelenburg und Fleischhauer, Zeitschr. f. d. ges. exp. Med. 1, 369. 1913.
71 Pollack, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 61.
3) Binswanger, Pflügers Arch. f. d. ves. Physiol. 193, 261. 1922.
1) Billigheimer, Arch. f. klin. Med. 136, 1. 1921.
1U*
145 A Bornstein und K. Holm:
Patientin Dr.. 4.2 ke. Seit mehr als 12 Stunden nuchtern nach:
subeutan |] mg Fettdiat Haferdiät
Adrenalin. Blutzucker I. NII. lo. NHE. 24. XI. 20. XII.
vorher: MOS??? (Ian, 2.0097’, (LUS.
nach 43 Min.: 0.150, 0.1839, 0.101", 0.169,
nach 72 Min.: 0.146°,, DIS9°,, DIS., 0,1372.,
nach 132 Min.: 0.1140, 0.1209, 03.147", 0.104",
nach 252 Min.: 0.1209, 0,0950, (LU, IW
Wir können also nach diesen und anderen Versuchen bestätigen. dab
die normale Reaktion des Blutzuckers auf Adrenalin im allgemeinen
so verläuft. wie Belligheimer sie angegeben hat (Typus l und 2 seiner
Arbeit). Wenn aber die Versuchsanordnung in seinen Atropin- und
Pilocarpinversuchen beweisend sein soll. müßte sie sich wegen der
großen Schwankungen beim gleichen Individuum auf ein sehr großes
Untersuchungsmaterial stützen.
Schließlich gibt es noch eine Anzahl Beobachtungen. die am ein-
fachsten durch eine unmittelbare Einwirkung auf die glvkogenhaltigen
Leberzellen ohne Mitbeteiligung des Nervensystems zu erklären sind.
so 2. B. die Versuche von Lesser!). der die Zuckermobilisation bei Salz-
glykämie auf Wasserentziehung zurückführt, die die räumliche Tren-
nung von Glykogen und Diastase verringern und dadurch die Diastase
wirksamer machen soll. Man könnte sich auch denken. daß eine Hyper-
elykämie so zustande kommt. daß eine Verbrennungshemmung in
den verbrauchenden Zellen zu einer Aufstauung des fortlaufend aus
dem Glykogen gebildeten Zuckers im Blute führt. Binswanger erwägt
diese Möglichkeit zur Erklärung der CO,-Hyperglykämie, um sie dann
aber als unwahrscheinlich zu verwerfen, da über die Zellwirkung der
Kohlensäure in dieser Beziehung zu wenig bekannt sei.
Will man nun die durch Parasympathicusreizung hervorgerufene
Hyperglykämie den eben angeführten Möglichkeiten entsprechend ein-
ordnen, so scheidet nach den vorliegenden Untersuchungen die Mit-
beteiligung der Nebennieren aus. Die verringerte Reaktion des Blut-
zuckerspiegels bei epinephrektomierten Tieren, im Gegensatz zu nor-
malen, ist zwanglos dadurch zu erklären. daß die Pilocarpineinwirkung
bei den nebennierenlosen Tieren auf einen im Fallen begriffenen Blut-
zucker einsetzt, und daß durch die vorangegangene Operation und
durch das Fehlen der Nebennieren der Glykogengehalt der Leber ein
gegenüber dem Normalen herabgesetzter ist, was bei der sicher vor-
handenen Beziehung der Pilocarpinhyperglykämie zu dem vorhan-
denen Glvkogenbestande von besonderer Bedeutung sein kann.
Durch diese Einordnung wird die Pilocarpinhyperglykämie in eine
teihe mit der CO-Hyperglykämie gesetzt. Diese muß nach der Ansicht
P’ollacks peripher den Sympathicus angreifen. Möglich wäre immer-
I) Lesser, E. J., diese Ztschr. 119, 108. 1924.
Parasyimpatlieuselykämie.
149
hin, daß sie sich des Parasympathicus bediene. Wäre dieses der Fall,
so müßte sie durch Atropin verhindert werden können.
In
dieser
Richtung angestellte Versuche führten zu einem negativen Ergebnis.
Es wurde die hyperglykämisierende Fähigkeit von CO (Leuchtgas) an
normalen epinephrektomierten und an epinephrektomierten stark mit
Atropin vergifteten Kaninchen untersucht.
Die Wirksamkeit und
Stärke der CO-Vergiftung wurde an den auftretenden Krämpfen erkannt.
In allen drei Versuchsanordnungen trat die CO-Hyperglykämie ein
Tabelle VII).
(s.
ND
Ar. I
10b 55: 0,09320
1181Y: Gas
11. 21°:0.1299,,
11 35°:0,1109%,
1152: 0.14005
Nr. 2
Tabelle VII.
a) Blutzucker normaler Kaninchen bei CO-Atmung.
Kaninchen
1% 50°:0.1309,
Ih HY: Gas
2h 11^: 0.1
ro.
Din
OORT Wé
35 307:0.1339,,
Nr. G
1115: 0,116‘
11P 27°: Gas
11h42’
11338
121307
)
OU
:0,120°%,
g 0,12620
:0.1340,,
1h 30: 0.0932
Ar. Ss l
LORO OLIS? o
10 10°’: Gas
108 16°: Gas
106 21%: 0,1992
10h 46°:0,191%
11628°:0,116%,
128 4Y:0,1049,
b) Blutzucker nebennierenloser Kaninchen bei CO-Atmung.
Kaninchen
Nr.
11255:
12h 507:
3h 55:
2b 59%;
3h (2°;
3h 107:
3h 30%:
8
0,06990
N.-Exst.
0,1480,
Gas
Gas
0,2019%
0,17085
Nr.
du
10b 02:
11? 45°:
: 0,12529
2h 20°
12h 28:
12h 29°;
12b 371’:
12h 49:
4
0,06720
N.-Exst.
0,1549,
Gas
(as
Gas
0.09829
Nr. 7
xh jp’
gh A):
30°:
12h 17°:
121 29°:
] 1P
12h 27:
Ih 10:
R 0,1 1099
N.-E\st.
0.113,
Gas
(1as
0,17189
0.1049,
©) Blutzucker nebennierenloser atropinisierter Kaninchen bei ÜO-Atmung.
Nr.9 Nr. 10
45':0.100% 8!30: 0,1229%
WOY: N. -Exst. b50: N.-Exst.
'45°:0.14195 1031:
mäi": Aren, 1102: 0,1229%
113: Gas 11615’: Atrop.
MAY: Gas 1145: 0,095%
1248’: 0115o 1153: Gas
11H56: 0.119%
12810: 0,110%
12615
Es heißt: N.-Exst.: Nebennierenexstirpation :;
S 0.08320
Nr. 12
q7b50:
: N.-Exst.
0.13299 1102:
II
11h25°:
RL
1140:
1146:
IEN
0.136%
0.1069,
Atrop.
0,1 10%
Gas
Gas
0.18996
Nr. 13
4h35’:0,123%
yh4y’
11028
11PR3O
11259
12517
BASE S
[2121
PRL: 0,24829
12545: 0,23620
10:3: 0,11999
Atrop: 0,1
S di l Sc
: Atrop.
. IL IW
: Gas
: 0.206209
: (ras
ıN.-Exst.
Nr. 14 Nr. 15
855°: 0,14099 9635’: 0,18295
9h45: N.-Exst. 10820: N.-Exst.
10R40’: 0.1909, 1225: 0.26199
10158: Atrop. 12530°: Atrop.
1145°:0.116%, 1225: 0.23205
1159: (Gras 1531: (ras
(3 - (Uu 136%: 0,24826
12a] P: 0,1319% 1941’: Gas
121967: 0.12309 10477: 0.2589,
TRI ENTR `. RUE
3h00’: 0,15429
-0,3 g Atropin pro kg Körper-
sewicht subeutan; Gas: 30--60 Sek. lange Kinwirkung von Leuchtgas unter einer Gaswlocke
"s zum Auftreten von Krämpfen.
150 A. Bornstein und K. Holm:
Demnach besteht zwischen der CO-Hyperglykämie und derjenigen
nach Pilocarpin und verwandten Giften, die durch vorherige Atropin-
gabe verhindert wird, ein Unterschied. Die CO-Hyperglykämie gehört
zu den asphyktischen, zu denen unter anderen die durch Äther. Aceton
und Curare hervorgerufenen Glykämien gehören. Diese lassen sich
durch Sauerstoffzufuhr verhindern [Seeligt), Franz Müller?),. Sauer)].
Nach dem Vorgang von Seelig hat Hornemann (l. c.) durch intravenöse
O,-Zufuhr die Pilocarpinhyperglykämie zu verhindern versucht, jedoch
mit völlig negativem Erfolge. Man kann vielleicht darüber im Zweifel
sein, ob die z. B. dem einen der verwendeten Hunde von 5 kg Gewicht
pro Stunde intravenös zugeführten 250 cem Sauerstoff hinreichend
sind, um eine angenommene Asphyxie zu verhindern. Nimmt man
an, daß der verwendete Hund einen normalen O,-Umsatz von 40 ccm
O, in der Minute hat, die 2400 cem O, in der Stunde entsprechen, so
ist durch diese intravenöse Infusion nur 10°, des normalen O,-Bedarfs
gedeckt. Da der Verbrauch nach Pilocarpin aber bis auf das Doppelte
gesteigert ist. so würden im ungünstigsten Falle durch die intravenöse
O,-Infusion nur 5°, des Verbrauches gedeckt werden. Nun ließ sich
zwar durch Respirationsversuche beweisen, daß sehr große O,-Mengern
während der Pilocarpinglykämie durch die Lungen aufgenommen
werden und die entsprechenden Mengen CO, den Organismus ver-
lassen. Man könnte jedoch auch annehmen. daß trotzdem eine Asphyxie
bestände, daß das O,-Bedürfnis der Gewebe noch größer als das Dop-
pelte der Norm sei und daß die O,-Aufnahme durch die Lungen nur
deswegen nicht noch größer sei. weil die Kreislaufverhältnisse bei der
Pilocarpineinwirkung einen größeren O,-Transport nicht gestatten
würden. Dann müßte aber durch Blutgasanalvsen die Asphyxie deut-
lich nachweisbar sein. d. h. es müßte das venöse Blut ganz oder fast
ganz frei von Sauerstoff gefunden werden.
Aus den Versuchen von Binswanger (l. e.) läßt sich schließen. daß
die CO,-Spannung des venösen Blutes wenigstens doppelt so hoch
wie normal sein muß. um eine asphyktische Glykämie zu erzeugen.
Schr viel schwerer ist nach dem gleichen Autor eine asphyktische
Glykämie durch O,-Mangel zu erzeugen. Man muß annehmen, daß
dazu ein Verbrauch des Blutsauerstoffes bis auf Spuren notwendig
ist. Wir stellten einige Versuche an Hunden an, in denen wir neben
dem Blutzucker den O,-Gehalt des venösen, zum Teil auch des arteri-
ellen Blutes bestimmten. Die Bestimmungen wurden mit der Bar-
croftschen Methode ausgeführt. Um dem verschiedenen O,-Gehalt
des Blutes aus verschiedenen Gefäßabschnitten Rechnung zu tragen.
1) Seelig, Arch. f. exp. Pathol. 52. 451.
2) Franz Müller, ibid. 46, 61.
3) Sauer, Pflügers Arch. L d. ges. Physiol. 49, 423.
Parasympathicuselykämie. 151
Tabelle VIII.
Normal Nach Pilocarpin
Zu en Ä a che unten nun hen den as ne ne
Sauerstoff Sauerstoff in der
l | Blut ou SET Blut- Hb s ge Lunge
Nr. Zucker p en | zucker Zen ae a Pilv-
| arter. venös 'Zehrun arter. venös 'Zehrun Sord
u a a k aha Fe 2 — ZS 2
1. | |
Juvularis — 0,059 | — = 1.3 — 10138 | — — Ar Ae —
20 mg | |
Pilocarpin
II. \ |
Jurularis ; 0,075 == — 8.3 — 10,076 - — ch p = —
1,5 mg `
Pilocarpin
|
TIT. i |
Femoralis ! 0.089 | 93 1 156 | 62 9410142 | 115 |165 73: 9021 8
20 me
Pilocarpin `
IV. | | |
Femoralis © 0,080 | 103 | 174 | 5,2 12,2 | 0,150 | 117 | 168 3,0 | 13.8 Ss
20 mg
Pilocarpin
entnahmen wir das Blut einmal aus der Jugularis, in anderen Ver-
suchen aus der Femoralis. Die zweite Blutprobe wurde auf der Höhe
der Vergiftung entnommen, nach unseren Erfahrungen etwa 40`Minuten
nach der Pilocarpininjektion. Wie Tabelle VIII zeigt, fand sich in
drei Versuchen weniger O,, in einem Versuche mehr O, im Venen-
blute nach Pilocarpin. In allen Fällen aber war noch reichlich O,
vorhanden; der O,-Gehalt schwankte zwischen 3,0 und 7,3°%%, lag also
noch innerhalb normaler Grenze Es war demnach jedenfalls den
Geweben genügend O, angeboten worden. so daß nicht aller O,
des Blutes verbraucht wurde; eine Asphyxie aus O,-Mangel bestand
nicht.
Dagegen war die Sättigung des Blutes in den Lungen in den beiden
Fällen, in denen der arterielle Sauerstoff bestimmt wurde, nicht ganz
so gut wie normalerweise. Dies beruht offenbar auf einer erhöhten
Strömungsgeschwindigkeit des Blutes, die wir annehmen müssen.
Diese Versuche waren bei Atmung gewöhnlicher Luft angestellt worden.
Wenn wir nun die O,-Sättigung des Blutes dadurch verbesserten, daß
wir wie in den früheren Versuchen O, intravenös gaben, so läßt sich
natürlich mit noch größerer Sicherheit sagen, daß eine Asphyxie nicht
stattgefunden haben kann. "Besser als intravenöse O,-Infusion schien
uns aber Atmung von reinem O, für diesen Zweck zu sein.
152 A. Bornstein und K. Holm:
Denn da namentlich die O,-Sätigung in den Lungen nicht vollkommen war.
so ließ sich der O,-Gehalt des arteriellen Blutes durch O,-Atmung vermehren, und
‚war würde dadurch O, auf zweierlei Art gewonnen werden:
1. Durch vollkommene Sättigung des Hämoglobins. Das Hämoglobin fanden
wir im Vergleich zum Normalblut im arteriellen Pilocarpinblut nur zu etwa 85",
gesättigt, d. h. 150, des Hämoglobins sind im Pilocarpinblut weniger gesättigt
als im normalen arteriellen Blute. Durch O,-Atmung würde also an Hämoglobin
mehr gebunden werden: 15%, von 17°, Oa d. h. etwa 21/,°6 OD
2. Durch physikalische Absorption könnte durch reine O,-Atmung gewonnen
werden etwa 11/05 O»
Zusammen können durch O,-Atmung gewonnen werden: 21/, + 11/5 = 40, Oa
d h. etwa !/, des gebrauchten Sauerstoffes.
Sollte also doch noch eine geringe Asphyxie vorhanden sein, so
könnte sie durch O,-Atmung kompensiert werden. Trotzdem fanden
wir in einem Versuche mit Atmung von reinem O, durch Tracheal-
kanüle bei einem Hunde eine Pilocarpinglykämie von normalem Um-
fange. Der Blutzucker blieb durch die O,-Atmung an sich unverändert
(vorher 0,079%, während O,-Atmung 0,077%); bei fortdauernder
O,-Atmung wurden 2 mg Pilocarpin pro Kilogramm Tier gegeben.
Der Blutzucker erreichte nach einer halben Stunde ein Maximum
von 0,164°%,. Also auch in diesem Versuche zeigte sich Unabhängig-
keit der Pilocarpinglykämie von der O,-Zufuhr.
Die Möglichkeit, daß die Hyperglykämie infolge Nichtverbrennens
den fortlaufend aus der Leber mobilisierten Zuckers zustande komme.
schließen unsere Respirationsversuche aus, nach denen gerade der
durch Pilocarpin mobilisierte Zucker besonders reichlich verbrannt
wird. Es handelt sich also nicht um ein Aufstauen des Zuckers im
Blute, was bei der Adrenalinhyperglykämie vielleicht eine Rolle spielt.
Die Hypothese vom Sympathicuszucker und Parasympathicuszucker,
die in einer früheren Arbeit aufgestellt wurde und für die in der Er-
scheinung einer ‚„Dissimilatorischen Umkehr“ (l. c.) eine weitere Stütze
gesehen wurde, ist durch vorliegende Untersuchung noch wahrschein-
licher geworden, da alle anderen Erklärungsmöglichkeiten nıcht befriedigen.
Nicht eingeschlossen in diese ‚anderen Erklärungsmöglichkeiten“
sind bisher die Theorien, die sich mit einer direkten chemischen oder
einer chemisch-physikalischen Einwirkung von Fermenten, Salzen.
Säuregrad und Diffusionsgeschwindigkeiten beschäftigen [u. a. Lesser
IL cl Zangfeldt!), Embden?)]. Diese Theorien sollen zum Teil die
Mitwirkung des Nervensystems nicht ausschließen, sondern sich mit
dem weiteren Vorgang der Zuckermobilisation unter dem Einfluß
des Nervensystems bzw. nach Anstoß von diesem auseinander setzen.
Da sämtliche den Parasympathicus reizenden Gifte in gleicher Weise
die Hyperglykämie hervorrufen, sonst aber keine weiteren gemein-
1) Langfeldt. Journ. of biol. Chem. 1921.
2) Embden, Diskussionsbemerkung Pharmakologenkongreß 1921.
Parasympatlieuselykämie. 153
samen chemischen oder andere Eigenschaften dieser Stoffe bekannt
sind, wäre es gesucht, sich ihre Wirkungsweise anders als über den
Parasympathicus zu erklären. Man müßte sich demzufolge vorstellen,
daß die Leberzelle den Impuls zur Zuckermobilisation von beiden
Seiten — der sympathischen und der vagischen — erhalten kann. Wie
dieses dann weiter vor sich geht, kann nicht im einzelnen entschieden
werden, da z. B. bei den widersprechenden Ansichten der Autoren
noch nicht einmal entschieden ist, ob in der Leber noch untergeordnete
(anglienzellen zwischengeschaltet sind, die, ähnlich wie im Darm der
„iuerbachsche Plexus, eine Automatie des Vorganges unter dem Ein-
fluß des autonomen Nervensystems bedingen könnten.
Zusammenfassung.
l. Einzeitig epinephrektomierte Kaninchen und Hunde gehen in
wenigen Stunden unter immer wieder zu beobachtenden Erscheinungen
von zunehmender Schwäche, verminderter Reaktion auf äußere Reize,
Atemnot und schließlichem Atemstillstand, nach welchem das Herz
noch eine Weile weiterschlägt, zugrunde. Begleitet ist dieser Komplex
äußerer Symptome von einem Abfall des Blutzuckerspiegels, doch ist
der Tod nicht abhängig von dem Fortschritt des Blutzuckerabfalles.
Er tritt sowohl bei noch relativ hohem wie bei ganz niedrigem Blut-
zuckergehalt ein. Ebenso verhält es sich mit dem Glykogengehalt
der Leber, Leberglykogen und Blutzucker sind aber insofern mit-
einander verknüpft, als ein noch relativ hoher Glykogengehalt immer
mit einem im Augenblick des Todes einsetzenden Blutzuckeranstieg
einhergeht, wie die Zuckerbestimmungen des nach Atemstillstand
gewonnenen Herzblutes zeigen.
2. Die bei normalen Tieren beobachtete Hyperglykämie nach sub-
cutaner Pilocarpinapplikation ist auch bei epinephrektomierten Kanin-
chen und Hunden hervorzurufen. Hunde eignen sich zu diesen Ver-
suchen besser als Kaninchen, da bei ihnen der Blutzucker infolge der
vorangegangenen Operation nicht so starke Schwankungen zeigt.
Die Pilocarpinhyperglykämie epinephrektomierter Hunde ist nicht so groß
wie diejenige normaler. Sie beträgt im Durchschnitt etwa 50%, der letzte-
ren, was wohl auf das allmähliche Verschwinden desGlykogens nach Neben-
nierenexstirpation zurückzuführen ist. Blutzuckerabfall, Leberglykogen
und Tod des Tieres zeigen dieselben gesetzmäßigen Zusammenhänge wie
bei den epinephrektomierten nicht mit Pilocarpin behandelten Tieren.
3. Die CO-Glykämie komnit bei epinephrektomierten Kaninchen
auch dann zustande, wenn den Tieren Atropin gegeben wird; sie ist
daher mit der Pilocarpinglykämie nicht wesensgleich. Blutgasanalysen
zeigen, daß eine Asphyxie bei der Pilocarpinglykämie nicht besteht;
sie kann auch durch O,-Atmung nicht beeinflußt werden.
Über die verschiedene Empfindlichkeit der Forelleneier während
ihrer Entwicklung dem elektrischen Strom gegenüber.
Von
Ferd. Scheminzky (Wien).
(Aus dem physiologischen Institut der Universität Wien.)
(Eingegangen am 21. Mai 1922.)
Mit 4 Abbildungen im Text.
Gelegentlich einer größeren Arbeitenreihe über die Elektrokultur
der verschiedensten Lebewesen, deren erste Mitteilung demnächst ver-
öffentlicht werden soll, habe ich einige interessante Beobachtungen
über Koagulationserscheinungen an Forelleneiern machen können. Es
hat sich dabei herausgestellt, daß die Eier in den verschiedenen Ent-
wicklungsphasen eine verschiedene, abnehmende Empfindlichkeit be-
sitzen, welche aber nicht durch ihr ‚Alter‘ bedingt ist, sondern eine
Funktion der Entwicklung darstellt. Über diese Beobachtungen soll
hier kurz berichtet werden.
Die Forellen laichen gewöhnlich in den Monaten November bis März. Die
Eier, welche das Weibchen ablegt, werden stets in einzelnen Portionen von ver-
schiedenen Männchen befruchtet und entwickeln sich etwa bei einer Temperatur
von ca. 3—4°. In der Natur schlüpfen die Tiere am 72. Tag aus; findet hingegen
die Entwicklung bei einer höheren Temperatur statt, z. B. 10°, wie es ja stets im
Laboratorium der Fall ist, so wird die Entwicklung in etwa 53 Tagen durchlaufen.
Versuche von Runnström!) haben nun gezeigt, daß während der Entwicklung
der osmotische Druck abnimmt. Gefrierpunktsbestimmungen an Eiern von Salmo
salvelinus ergaben, daß die Eier knapp nach der Ablage bereits einen um 6°,
niedrigeren, osmotischen Druck haben, als jene des Oviduktes, während der gleiche
Wert bei ausgeschlüpften Larven noch um ca. 2°, tiefer liegt.
Der Durchmesser eines Eies beträgt ca. 4—5 mm. Es ist von einer festen
Membran umgeben, welche am lebenden Ei farblos und völlig durchscheinend ist.
am toten hingegen milchweiss wird. Eine genaue physiologische Untersuchung
des Forelleneies verdanken wir Gray?). dem ich hier in der Darstellung folge. Gray
gibt an: Der Eiinhalt ist klebrig, durchsichtig und schwach gelblich. Er hat einen
beträchtlichen osmotischen Druck, und ist ein guter Flektrizitätsleiter. Zu den
wesentlichen Bestandteilen des Eidotters gehört das Globulin, das die bekannten
teaktionen gibt und in der lebenden Zelle durch Neutralsalze in Lösung gehalten
wird. In Wasser bildet es einen weißen Niederschlag, welcher in Säuren, Alkalien
und neutralen Salzlösungen löslich ist. Abgestorbene Eier werden opak durch
den Globulinausfall, klären sich aber wieder beim Einlegen in Neutralsalzlösungen
auf. Das Auftreten der Trübung erklärt der genannte Autor durch den Nachweis,
nn. a e, gue... ne CHE
F. Scheminzky : Empfindlichkeit d. Forelleneier während ihrer Entwickl. usw. 155
daß das Globulin sich mit den Alkalien und Säuren verbindet, andererseits durch
den Hinweis auf die Tatsache, daß in abgestorbenen Eiern infolge Aufhören der
Membranfunktion ein Eintreten von Wasser und dadurch ein Ansteigen des osmo-
tischen Druckes erfolgt. Das Verschwinden der Trübung ist durch Lösung des
Globulins in den Neutralsalzgemischen zu erklären.
Der Dotter ist von dem umgebenden Wasser durch zwei Membranen getrennt.
Die äußere ist die bereits erwähnte Eimembran, die innere ist eine dünne Plasma-
schichte, welche sich an einer Stelle zur Keimscheibe verdickt. Am gesunden Ei
lassen die Membranen keine Salze austreten. Wenn aber eine Schädigung oder
Verletzung eintritt, so ist sofort ein Austreten von Elektrolyten aus dem Ei zu
bemerken. Dies kann etwa an dem Abfall des Widerstandes gegenüber dem elck-
trischen Strom im Versuchsgefäß festgestellt werden. Die Größe der Widerstands-
abnahme steht stets in einer genauen Beziehung zur Zahl der geschädigten Eier.
Für intracelluläre Proteine und Fett auch in gelöstem Zustand ist die Eimembran
stets undurchlässig. Eine besonders starke Exosmose kann durch Plasmagifte
wie Alkohol, Anilin u. dergl. erzielt werden. Befruchtete Eier sollen nach dem
genannten Autor verschiedenen Schädigungen gegenüber empfindlicher sein als
unbefruchtete. Nach der Befruchtung findet kein Verlust von Elektrolyten statt.
Werden Forelleneier in verdünnte Säurelösung gebracht, so findet in dem
selben eine rasche Abnahme der Säurekonzentration statt. Es handelt sich dabei,
wie ebenfalls Gray?) gezeigt hat, nicht um eine Absorption, sondern um einen Neu-
tralisierungsvorgang, in dem die Eier ein Kation, wahrscheinlich K’ abgeben,
dafür werden H’-Ionen aufgenommen.
Als ich nun die Literatur über die Forelleneier durchging, fand
ich Angaben von Hein‘), welcher bei anderen Schädigungen Variationen
in der Empfindlichkeit festgestellt hat. Hein hat den Druck gemessen.
mit dem man die Eier noch ca. 10—20 Minuten lang belasten kann.
ohne daß sie in ihrer Entwicklung Schaden leiden. Es ließ sich zeigen.
daß die Werte der Empfindlichkeit — dargestellt durch die Gewichts-
zahlen — kurz nach der Befruchtung am kleinsten sind (ca. 245 g).
dann gegen den 21. Versuchstag zunehmen, an diesem Tage ihr Maxi-
mum erreichen (ca. 5950 g), dann aber wieder abklingen, derart, daß
gegen das Ende der Entwicklung nur mehr die halben Werte des Maxi-
mums ertragen werden. Nebenbei zeigte sich, daß die gedrückten
Tiere infolge einer Membranbeschädigung um einige Tage früher
schlüpften, als die Kontrolltiere.
Weitere Untersuchungen stellte er mit thermischen Schädigungen
an. Dabei zeigte sich, daß die Wirkung der Wärme eine derartige ist.
daß sie entweder zum Tode der Eier führt, oder überhaupt keine be-
sonderen Reizerscheinungen erzeugt. Auch in diesen Versuchen ließ
sich eine verschiedene Empfindlichkeit der Eier in den verschiedenen
Perioden nachweisen. In Übereinstimmung mit den Belastungsver-
suchen zeigte sich das Maximum der Widerstandsfähigkeit wieder am
(nde des ersten Fünftels der Entwicklung. Die Empfindlichkeit
gegenüber Temperaturschwankungen fällt daher in gleicher Weise
bis zum 14. Tage nach der Befruchtung. um dann gegen das Ende der
Entwicklung wieder anzusteigen.
156 F. Scheminzky: Über die verschiedene Empfindlichkeit der Forelleneier
Es ist von außerordentlich großem Interesse, daß die Eier während
ihrer Entwicklung eine verschiedene Empfindlichkeit zeigen. Ähn-
liche Verhältnisse sind von Hein auch an den ausgeschlüpften Tieren
beobachtet worden. Welche physikalisch-chemischen Ursachen aber
hier im Spiele sind, ist natürlich ohne weiteres nicht anzugeben.
Meine Beobachtungen könnten aber vielleicht einiges Licht in die
Sache bringen.
fi + Methodik: Die Eier wurden in fließen-
U dem Wasser aufgezogen. Als Behälter
dienten runde Glasschalen mit umgeboge-
nem, abgeschliffenen Rand. Ihr Durch-
messer betrug 12 cm, ihre Höhe ca. 8 cm.
Das Wasser stand 6cm hoch. Um das
Niveau konstant zu halten, mußte eine
Vorrichtung verwendet werden, die jedes
Versagen ausschließt. Es erwies sich für
diesen Zweck am besten, die Gläser in der
gewünschten Höhe anzubohren und das
Loch durch einen Kork mit Glasröhrchen
zu verschließen. Der Boden der Gefäße
war ca. !/, cm mit Sand bedeckt.
Als Elektroden dienten Platten aus
; E A Retortenkohle, wie man sie für galvanische
a SE y Elemente verwendet. Sie waren noch un-
gebraucht, wurden aber zur Vorsicht einige
Tage in verdünnte Salpetersäure gelegt
Abb. 1. Schema eines Versuchsglases. und dann längere Zeit in fließendem Was-
K = Kohlenelektroden; 4 = Abflug; Ser gewaschen. Um die Platten im Gefäß
g = Zufluß; 5 = Sand, den Boden be- nicht, umfallen zu lassen, wurden auf den
eckend ; G - U-förmiger Glasstab im
Sand; d = U-förmiger Glasstab auf Grund, wie auf den Rand des Gefäßes je
u ee ‘er ein U-förmig gebogener Glasstab gelegt.
Die den Strom zuführenden Drähte wurden
etwa 10 cm über dem Wasserspiegel durch Zinkklemmen an die
Kohlenplatten herangeführt. Die Elektroden hatten eine Größe von
70 x 150 x 5mm, davon war eine Fläche von 60 x 70 mm, das ist
4200 qmm von Wasser bedeckt.
Das Wasser wurde der städtischen Leitung entnommen. Es gelangte
zuerst in einen Rezipienten und wurde von diesem aus durch T-Stücke
und Quetschhähne auf die einzelnen Gläser verteilt. Pro Minute flossen
den Gefäßen ca. 80—100 cem Wasser zu. Wenn wir den Inhalt eines
solchen Gefäßes im Mittel mit 650—700 ccm berechnen, so können
wir sagen, daß der Inhalt in ca. 6—8 Minuten vollständig erneuert
worden ist. Der Wasserwechsel war auch ein völlig ausreichender,
ANEN E,
GE
SE
IHR s
V CL a
GUTE
während ihrer Entwicklung dem elektrischen Strom gegenuber. 157
um etwaige Elektrolysenprodukte zu entfernen. Ein Schema der Ver-
suchsanordnung in einem Glas gibt die Abb. 1.
Zu den Versuchen wurde nur Gleichstrom verwendet. Dieser wurde
zum Teil von Akkumulatorenbatterien geliefert, zum Teil aus einem
Gefälle des städtischen Gleichstromnetzes entnommen. Dieser Stronı
ist in einem Verlaufe durchaus nicht konstant, sondern zeigt Schwan-
kungen in dem Rhythmus, in welchem die Kollektorbürsten über die
Nuten des Ankers gleiten; der verwendete Strom der Gemeinde Wien
zeigt 774 solcher Schwankungen pro Sekunde. Der Akkumulatoren-
strom ist hingegen als völlig konstant anzusehen. Außer der Strom-
quelle und dem Versuchsglas mit den Kohleelektroden wurde noch
ein großer veränderlicher Widerstand eingeschaltet, um durch Ver-
ringerung desselben ein Sinken der Spannung bei den Batterien zu
kompensieren. Endlich war noch eine Wippe eingeschaltet, welche
gestattet, nach Bedarf ein Milliamperemeter in den Kreis zu bringen.
Die Angaben des Meßinstrumentes geben nur die den Draht durch-
fließenden Stromstärken an, nicht aber diejenige. welche in dem Ver-
suchsgefäß zwischen den Elektroden übergeht und auf das Ei wirkt.
Erst wenn wir die abgelesenen Zahlen auf die Querschnittseinheit des
Veersuchsgefäßes umrechnen, so erhalten wir die Stromdichte. Wenn
wir diese angeben, so sind wir von der jeweiligen Versuchsanordnung
unabhängig und können die einzelnen Werte miteinander vergleichen.
In den folgenden Zahlenangaben sind immer die Stromdichten ver-
standen worden.
Die Temperatur war in den Gläsern während der ganzen Versuche
9—11°. Bei der Unterbringung der Eier in den Gläsern mußten nun
drei Forderungen erfüllt werden: leichte Zugänglichkeit für die Strom-
linien, allseitiges Umspültwerden durch das frische Wasser, endlich
möglichst geringe Emtfernung von der Oberfläche, um eine genügende
Versorgung mit Sauerstoff zu gewährleisten. Um diese Forderungen
zu erfüllen, wurden die Eier in folgender Weise untergebracht. Zwischen
den beiden Ästen des auf dem Rand des Glases liegenden U-Rohres.
das die Aufgabe hatte. ein Zusammenfallen der oberen Enden der
Elektroden zu verhindern. wurde ein Stückchen 8 cm breiter Verband-
stoff mit groben Maschen derart befestigt, daß er in leichtem Bogen
nach unten hing, und dabei etwa Lem weit unter der Oberfläche zu
liegen kam. In Abb. l ist V der Verbandstoff, welcher von der einen
Seite des U-förmigen Stabes G, zur anderen hinüberzieht. Auf ihn
wurden die Eier gelegt. Diese Anordnung hat sich sehr gut bewährt
und es sind keine Todesfälle vorgekommen, welche nicht durch Ein-
wirkung des Stromes verständlich sind.
Die Versuche wurden im Dezember 1921 bis Januar 1922 im physio-
logischen Institut in Wien durchgeführt. Es wurden die Eier von der
158 F. Scheminzky: Über die verschiedene Empfindlichkeit der Forelleneier
Seeforelle, Salmo lacustris, verwendet. Zu einigen Kontrollversuchen
benutzte ich auch Eier der Bachforelle. Es sei hier gleich bemerkt,
daß beide sich in ganz der gleichen Weise verhalten haben, sodaß in den
folgenden Mitteilungen zwischen den beiden Eisorten kein Unterschied
mehr gemacht werden wird. Das Forellenmaterial wurde mir von der
Leitung der biologischen Station in Lunz in liebenswürdiger Weise
zur Verfügung gestellt, und es ist mir eine angenehme Pflicht, Herrn
Dr. Fr. Ruttner für sein Entgegenkommen zu danken. Die Eier wurden
am 28. XI. 1921 um 9 Uhr früh befruchtet (in Lunz), hierauf in Schalen
gelegt, welche gepreßten Schnee enthielten. Die Schalen wurden in
wärmeisolierende Substanzen verpackt und mit nach Wien genommen,
wo sie bereits 12 Stunden nach der Befruchtung in die Versuchsgläser
eingesetzt wurden. Fast alle Eier hatten den Transport gut vertragen.
Die Versuche wurden nun so ausgeführt, daß im Glas 1 die Vor-
ratsversuchstiere gehalten wurden, während im Glase 2 eine Reihe
von Tieren als Kontrollen während der ganzen Versuchszeit unbeein-
flußt aufgezogen wurden. Im Glase 3 befanden sich die Eier unter dem
Einflusse des konstanten Akkumulatorenstroms, endlich in 4 unter
dem Einflusse des Maschinengleichstiomes. Es wurden nun alle paar
Tage diejenige Stromstärke bestimmt, welche hinreichte, um die Eier
innerhalb eines Zeitraumes von 24 Stunden zu töten. Das Zugrunde-
gehen der Eier ist ja stets an dem Trübwerden derselben leicht zu
erkennen. |
In den Kontrollgläsern sind während der Versuchszeit keine Todes-
fälle vorgekommen. Durch das fließende Wasser ist Wärmewirkung
und die Wirkung der chemischen Elektrolysenprodukte wohl aus-
geschlossen. Die Tötung der Eier und die merkwürdigen Beobachtungen,
welche im folgenden zu beschreiben sein werden, müssen daher als
direkte Wirkungen des elektrischen Stromes aufgefaßt werden.
Ergebnisse.
Wie bereits die Versuche von Hein cıwaıten ließen, zeigten die
Forelleneier während der verschiedenen Entwicklungsphasen eine ver-
schiedene Empfindlichkeit, welche aber nicht, wie bei Hein, am Ende
des ersten Fünftels der Entwicklung ein Minimum aufweist; meine Ver-
suche haben ergeben, daß die Empfindlichkeit vom Momente der Be-
fiuchtung kontinuierlich abnimmt und beim Schlüpfen etwa Tue des
Betrages ausmacht, welcher in ganz jungen Stadien konstatiert wurde
Während die Stromstärke, um die Eier innerhalb der genannten Zeit
zu töten. etwa bis zum 27. Versuchstag annähernd gleich bleibt, stieg
sie von diesem Zeitpunkt an zuerst langsam, dann immer rascher an,
um dann beim Schlüpfen einen gewissen Endwert zu erreichen. In
Abb. 2 sind die jeweils notwendigen Intensitäten graphisch zur Dar-
während ihrer Entwicklung «dem elektrischen Strom gegenüber. 159
stellung gebracht, und zwar ist in dieser als Abszisse die Zeit als Ordinate,
für die strichpunktiert gezeichnete Stromstärkekurve die an diesem
Tage notwendige absolute Stromstärke aufgetragen.
Wenn wir nun an einem Tage feststellen können, daß die Strom-
stärke doppelt so groß sein muß wie die ursprüngliche, so wird der
reziproke Wert dieser Zahl die Empfindlichkeit des Eies charakteri-
sieren. In unserem Beispiel wird die Empfindlichkeit !/, geworden
sein. Allgemein gesprochen: der Quotient aus der an einem Versuchs-
tag gerade notwendigen Intensität /, und der Anfangsintensität I,
wird angeben, wie oftmals mehr Strom zur Trübung notwendig war.
Der reziproke Wert davon /,/I:; stellt dann die jeweilige Empfindlich-
keit dar. Tragen wir diese Werte als Ordinate, die Versuchstage aber
als Abszisse auf, so erhalten wir die in Abb. 2 vollgezeichnete Kurve,
welche die Abnahme der Eé
Empfindlichkeit des Eies %,
gegenüber elektrischen Ein-
fimen gt B i ier ef
nochmals besonders darauf ge
hingewiesen, daß zu den Ver- ¿y
suchen nur solche Eier ver- S RES RRS ER EES
wendet wurden, die bis ou ` GEES EE je
dem jeweiligen Versuchstag — n 15. 20. 2. A 30 SSVI
von elektrischen Strömen Abb. 2. Stromstärkekurve Be und Empfind-
S lichkeitskurve (voll gezeichnet). Als Abszisse die Ver-
verschont geblieben waren. suchstage, als Ordinate für die Stromstärkekurve rechts
Mit diesen Beobachtungen die absuluten Intensitäten, für die Empfindlichkeitskurve
links der Quotient If.
steht auch eine andere in
Übereinstimmung, welche bei Elektrokulturversuchen gemacht wurde,
nämlich, daß die Sterblichkeit der Eier bei nicht momentan letalwirken-
den Strömen doch der Stromstärke direkt proportional ist.
Zur Trübung der Eier ist stets eine gewisse Strommenge nötig.
Stärkere Ströme trüben in kurzer Zeit, schwächere brauchen dazu
länger. Eine Gewöhnung an den Strom ist dabei nicht zur Beobachtung
gelangt. Wenn wir z. B. ein Ei längere Zeit mit Strom behandeln, welcher
seiner Stärke nach zur baldigen Trübung nicht ausreicht, und bringen
wir dieses Ei in ein stärkeres Feld, so geht dieses früher zugrunde, als
ein gleichzeitig eingebrachtes nicht vorbehandeltes Ei. Wenn man
ein Ei hingegen mit einer letal wirkenden Intensität behandelt, das-
selbe aber nicht während der nötigen Zeit im Stromfelde beläßt, sondern
dasselbe noch vor Auftreten der Trübung entfernt, so kann dasselbe
noch längere Zeit klar und durchsichtig bleiben.
Die Abnahme der Empfindlichkeit ist eine Funktion der Entwick-
lung und nicht etwa des Alters; denn unbefruchtete Eier aus dem-
selben Laich bewahren während der ganzen Versuchszeit unentwegt
160 F. Scheminzky: Über die verschiedene Empfindlichkeit der Forelleneie:
ihre frühere Empfindlichkeit. Werden aus demselben Laich unbefruch-
tete Eier und spätere Entwicklungsstadien, bei denen eine Abnahme
der Empfindlichkeit bereits erfolgt ist, gleichzeitig nebeneinander m!
übermaximalen elektrischen Reizen behandelt, so gehen die unbefruch-
teten Eier allemal früher zugrunde, als die befruchteten. So ist e
mir schon nahe dem Ende der Versuche passiert, daß durch einen
Kurzschluß zwischen zwei Leitungen in zwei Versuchsgläsern, in denen
Eier mit nicht letalen Intensitäten behandelt wurden, auf die Dauer
von einigen Minuten ein sehr starker Strom durchging. Schon nach
einigen Minuten begannen die unbefruchteten Eier trüb zu werden.
und nach einer Stunde waren sie alle tot. Nicht ein unbefruchtete
Ei blieb in einem der Gläser übrig, aber auch
nicht ein befruchtetes wurde der geringeren
Empfindlichkeit halber in irgendeiner Weis
beschädigt. In diesem Fall sehen wir wieder
die Unterschiede zwischen den Entwicklungs-
stadien und dem ursprünglichen Zustand.
Hein hat an seinen Belastungsversuchen und
den Versuchen mit thermischer Schädigung gezeigt.
daß die Empfindlichkeitskurven für verschieden
Reize nicht gleichartig verlaufen. Die hier mit-
geteilten Resultate bei elektrischer Schädigung
differieren gleichfalls mit den Angaben des genann-
ten Forschers für die Wärme und den mechanischen
Druck. Die Trübung, die durch den elektrischen
Strom eintritt, ist in der gleichen Weise durch den
Globulinausfall bedingt, wie die Trübung, die auch
sonst am Forellenei beobachtet werden kann. Bringt
Abb. 3. Durch den elektrischen man ein elektrisch getrübtes Ei in 0,7 proz. Koch-
Strom halbseitig getrübte Eier alleng, so zeigen sie wie bei den Versuchen von
Ken. (ERDE E E EE (ray?) schon na 'h 15 Minuten eine völli Aufhel-
ausfall. Die getrübte Seite lag A Ra H inuten eine SOSS siure
dem + Pol zu). lung. Bringt man sie dann in Leitungswasser zurück.
so tritt die Trübung nach kurzer Zeit wieder ein.
Von großem Interesse ist es nun, daß die Trübung an jener Seite
des Eies beginnt, die dem + Pol zugekehrt ist. Ich habe diese Beob-
achtung in völlig eindeutiger Weise an etwa 400 Eiern gemacht. Diese
Erscheinung war ungemein deutlich. Die Trübung begann immer
genau an jener Stelle, wo die Stromlinien in das Ei eintraten. Von
dieser Stelle aus verbreitete sich die Globulinkoagulation gegen die
Mittelebene des Eies weiter. In einem bestimmten Stadium war die
eine Seite des Eies ganz klar, die andere hingegen völlig opak und weiß.
Die Trennungsebene zwischen den beiden Partien stand stets senkrecht
auf die Richtung der Stromlinien. Eine Reihe solcher Eier zeigt die
Abb. 3, an denen man ganz deutlich die getrübte und die nicht ge-
trübte (nach der Fixation dunkle) Hälfte und die scharfe Trennungslinie
während ihrer Entwicklung dem elektrischen Strom wveventiber. 161
deutlich erkennen kann. Wir werden auf die chemische Seite dieser
Erscheinung später eingehen.
Es interessierte mich nun festzustellen, ob das Absterben des Eies
eine Folge der Globulinkoagulation ist, oder ob die Trübung eine
sekundäre Folge des Todes ist. Am 46. Tage nach der Befruchtung
habe ich eine Reihe von. Eiern dem elektrischen Strom ausgesetzt,
der eine Dichte von 0,00 364 M.A.mm? aufwies. Nach 15 Minuten
reagierte der Embryo im Ei nicht mehr auf Druck, während un-
beeinflußte Tiere dabei kräftig mit dem Schwanze schlagen. Das
auspräparierte Tier zeigte aber noch Bewegungen der Brustflossen,
Herzschlag und auf mechanische Reizung Bewegungen des Schwanzes.
Ein anderes Ei, nach 1 Stunde aus dem elektrischen Feld entfernt,
enthielt nur mehr einen toten Embryo. Die restlichen Eier, welche
nicht aus dem Stromfeld genommen wurden, zeigte nach 24 Stunden
totale Trübung. Aus diesem Versuche ist zu schließen, daß das Ab-
sterben des Eies jedenfalls der Trübung vorangeht. Wir dürfen dabei
aber nicht vergessen, daß die Trübung im Gefolge jeder Eischädigung
auftritt. Ich habe darauf besonders mein Augenmerk gelegt: Ein-
bringen des zerquetschten Eies in Leitungswasser, Berühren des intakten
Eies mit einem heißen Spatel, Bringen der Eier in eine Fixationsflüssig-
keit usw. ergeben immer die Trübung an der geschädigten Stelle. Nur
Formol macht eine Ausnahme. Wir werden aus diesen Gründen die
Globulinausscheidung als einen Teil des Absterbens betrachten.
Die bis jetzt beschriebenen Erscheinungen sind mit Akkumulatoren-
strom und Maschinenstrom in der gleichen Weise erzielt worden. Nur
bei ganz jungen Stadien wirkte der Maschinenstrom etwas heftiger, so
daß die Trübung wiederholt — selbstverständlich bei gleichen Intensi-
täten — früher eintrat. Vom 20. Versuchstag an trat dieser Unterschied
nicht mehr sehr deutlich zutage, so daß die Versuche von dieser Zeit
an aus Bequemlichkeitsgründen nur mehr mit Maschinenstrom fort-
gesetzt wurden. l
In den letzten Stadien der Entwicklung bewirkt der elektrische
Strom eine ausgiebige Schädigung der Eimembran, welche sich auch
in Analogie mit den Versuchen von Hein in einem früheren Schlüpfen
der behandelten Tiere kundtat. Dabei kam es wiederholt zu einem
Platzen des Eies, dessen Inhalt dann ausfloB und im Wasser koagu-
lierte. Ein solcher Fall ist in Abb. 4 abgebildet. Das Platzen erfolgte
wieder an jener Seite, welche dem + Pol zugekehrt war. Durch die
Öffnung sah stets der Kopf des Embryos heraus. Diese Lage ist
offenbar durch Galvanotropismus bedingt, welcher, wie ich feststellen
konnte, schon im Ei auftritt. Sofort, nachdem das Ei in das Feld
gebracht wird, schlägt der Embryo solange herum, bis er mit dem
Kopf zum + Pol zu liegt. Einige Male konnte auch beobachtet
Biochemische Zeitschrift Band 132. 1l
162 F. Scheminzky: Über die verschiedene Empfindlichkeit der Forelleneier
werden, daß der Inhalt nach Art einer elektrischen Kataphorese gegen
den genannten Pol zu hin ausfließt.
Es sei noch erwähnt, daß das Ausfließen keine direkte Wirkung
des Stromes ist. Wenn man die Eier knapp vor der Zeit, in der diese
Erscheinung zu erwarten ist, aus dem Feld entfernt, so tritt sie den-
noch ein. Das Aufplatzen pflegt um so früher einzutreten, je länger
der Strom eingewirkt hat. Die Stromwirkung dürfte so zu denken
sein, daß der Strom einfach die Membran zerstört oder in ihrer Permea-
bilität und Widerstandsfähigkeit ändert und Wasser eindringt, so daß
im Inneren sich Quellungserscheinungen abspielen, die dann den Inhalt
durch das Loch nach außen pressen, ‚wenn im Inneren‘ durch die
Quellung ein höherer Druck
herrscht.
Die gleichen Erscheinungen
konnten beobachtet werden.
wenn die Wirkung der Elektro-
Iysenprodukte mit Sicherheit
ausgeschlossen war. Für diese
Kontrollversuche kamen die
Eier in ein U-Rohr, welches
an seinen beiden unteren En-
den mit Pergament verschlos-
Abb. 4. Durch den elektrischen Strom zum Platzen sen wurde. Die beiden Schen-
gebrachtes Ei en SC Der Eiinhalt kel dieses Rohren EN SA
zwei Gefäße mit Leitungs-
wasser, in das die beiden Kohlenplatten versenkt wurden. Der mittlere
Teil des U-Rohres trug eine bulbusförmige Erweiterung, in welche
die Eier gelegt wurden, und war von außen durch einen Tubus leicht
zu erreichen. Diesem Abschnitt konnte durch besondere Zuführungs-
röhren Wasser zugeführt werden, so daß auch in diesem Falle die
Eier ständig gespült wurden. Die beschriebenen Wirkungen sind somit
eine spezifische Wirkung des elektrischen Stromes.
Es ist den vorliegenden Versuchen eine spezifische Wirkung des
— Poles konstatiert worden. Diese spezifische Wirkung gestattet uns
aber in den Mechanismus dieses Vorganges einen Einblick zu tun. Aus
den Untersuchungen von Gray?) wissen wir, daß im lebenden Ei das Glo-
bulin durch Neutralsalze in Lösung gehalten wird. Entzug des Kations
durch Säurezusatz bewirkt sofort Koagulation. Das gleiche kann
durch Zugabe eines + geladenen Kolloides erreicht werden. Entziehen
wir also dem Globulin sein Kation — und das macht ja der elektrische
Ström, indem er es an den — Pol hinführt — so wird eine Fällung
eintreten müssen. Daß diese Fällung gerade am + Pol beginnt, wird
nach dem Gesagten ohne weiteres verständlich sein.
während ihrer Entwicklung dem elektrischen Strom gegenüber. 163
Von großem Interesse ist nun die Tatsache, daß das Globulin zu
verschiedenen Zeiten der Entwicklung verschieden leicht fällbar ist,
bzw. daß es in späteren Stadien schwerer fällbar wird. Aus den Ver-
suchen der verschiedensten Autoren wissen wir, daß mit dem Salz-
gehalt die Empfindlichkeit des Globulins gegen fällende Agentien eine
Änderung erfährt. Für den Alkohol ist dies von Schorr5) gezeigt worden,
für eine Reihe von Kolloiden von Friedemann®), sowie von Pauli und
Flecker'), für die Wärme duch die Arbeiten von Handowsky und
Pauli?). Die Ursache liegt nach Pauli?) darin, daß das Eiweiß in
‘ Salzgegenwart stärker jonisiert und deshalb auch stärker hydratisiert
und lösungsstabiler ist. In einem Gemenge von Serum und einem
salzfreies Eiweiß fällenden Stoff muß Salzentzug fällend, Salzzufuhr
hingegen lösend wirken. Durch Verändern des Salzgehaltes kann man
die Empfindlichkeit des Globulins für fällende Agentien verändern.
Aus diesen Gründen würde es daher sehr nahe liegen, die veränderte
Empfindlichkeit des sich entwickelnden Eies auf einen verschiedenen
Salzgehalt desselben zurückzuführen. Indessen haben die eingangs
zitierten Versuche von Runnstroem!) gezeigt, daß der Gehalt an Salzen,
der ja den osmotischen Druck und die Gefrierpunktserniedrigung
bedingt, während der Entwicklung annähernd konstant bleibt bzw.
etwas absinkt (um 6%, nach der Eiablage, um 2%, bei dem aus-
geschlüpften Tier). Eine geänderte Salzkonzentration kann somit
nicht die Ursache der beschriebenen Erscheinung sein.
Eine andere Tatsache, welche jüngst von Jarisch!%) beschrieben
wurde, kann aber vielleicht herangezogen werden. Jarisch hat gezeigt,
daß in salzarmen Serum eine Globulinfällung durch Lipoide erzielt
werden kann. Der elektrische Strom wirkt an der dem + Polzugekehrten
Seite alkaliverarmend, und es könnte daher an dieser Stelle bei Gegen-
wart von Lipoiden eine Fällung auftreten. Daß Lipoide im Eidotter
in reichlicher Menge vorhanden sind, ist eine wohl bekannte Tatsache.
Wenn nun bei gleichbleibendem Salzgehalt eine Verminderung der
Lipoide erfolgen würde, so müßte daher die Globulinfällung schwerer
eintreten. Wenn diese Annahme zutrifft, so müßte man schließen,
daß vom 27. Tage nach der Befruchtung im Dottersack eine Ver-
armung an Lipoiden eintritt, welche von diesem Zeitpunkt an in größeren
Mengen in den embryonalen Körper übergehen. Ob diese Annahme
zutrifft, werden erst chemische Untersuchungen zeigen können, welche
im hiesigen Institut im Gange sind.
Zusammenfassung.
l. Werden Eier von Salmo lacustris dem elektrischen Gleichstrom
ausgesetzt, so werden sie bei gewissen Stromstärken durch Globulinaus-
fall getrüht.
IS bs
164 F. Scheminzkv: Empfindlichkeit d. Forelleneier während ihrer Entwickl. usw.
2. Zur Trübung ist eine gewisse Strommenge nölig. welche durch
einen starken, kurze Zeit fließenden, oder durch einen schwachen. lang-
dauernden. Strom geliefert werden kann.
3. Das Globulin der späteren Stadien ist schwerer fällbar. als das
der frischen Eier; die nötige Stromstärke am Ende der Entwicklung beträgt
ungefähr das Zehnjache des Anfangswertes.
4. Die Trübung beginnt an jener Seite des Eies, welche dem + Pol
zugekehrt ist.
5. Die Embryonen der elektrisch behandelten Eier gehen lange vor
Eintreten der Trübung zugrunde. |
6. Es ist wahrscheinlich. daß die verschiedene Fällbarkeit auf einen
veränderten Gehalt des Dotters an Lipoiden zurückgeführt werden kann.
Literatur.
1) Runnstroem, J., Acta zoologica 16. 1920. — ?) Gray. Journ. of Physiol.
53/5, 308/319. 1920. — ?) Gray, Journ. of Physiol. 54/1/2, 68/78. 1920. —
t) Hain. Allgem. Fischereizeitung 16. 19.7; 18/19. 1907; 23. 1911. — °) Schorr.
Biochem. Zeitschr. 37, 424. 1911. — 31 Friedemann, Arch. f. Hygiene 35, 561.
1906. — 21 Pauli und Flecker, Biochem. Zeitschr. XX, 41, 461. 1912. —
8) Handowski und Pauli, Zur chem. Physiol. u. Patholog. IH, 415. 1908. --
®) Pauli, W., Kolloidehemie der Eiweißkörper 1921. — Jarisch. Archiv für die
gesamte Physiologie 194, 4. 1922.
Weitere Untersuchungen über Milchsäurezerstörung
durch Hefe.
Von
Otto Fürth und Fritz Lieben.
(Aus der Chemischen Abteilung des Wiener Physiologischen Universitätsinstitutes.)
(Eingegangen am 21. Mai 1922.)
Wir haben vor einigen Monaten in dieser Zeitschrift!) über Versuche
berichtet, welche die Zerstörung von Milchsäure durch lebende Hefe-
zellen zum Gegenstande hatten. Als günstigste Versuchsanordnung
hatte sich uns die Anwendung eines Schüttelkolbens ergeben, in dem
die Hefesuspension unter Sauerstoffdurchleitung in schwingender Be-
wegung erhalten worden war. Das Verschwinden der Milchsäure ging
mit der Entwicklung namhafter Mengen von Kohlensäure einher,
welche nur zum geringeren Teile aus der alkoholischen Gärung gleich-
zeitig verschwindenden Zuckers erklärt werden konnten. Keinesfalls
war der größere Anteil der verschwundenen Milchsäure total verbrannt
oder aber zu leicht hydrolysierbarem Kohlenhydrat rückverwandelt worden.
Auch hatte sich kein Anhaltspunkt für die Anhäufung größerer Mengen
von flüchtigen Säuren, von Alkohol, Acetaldehyd, Aceton, Acetessig-
säure, Brenztraubensäure oder Methylglyoxal in den Reaktionsgemischen
ergeben.
Wir sind nunmehr daran gegangen, uns durch systematische Frak-
ttonterungs- und Bilanzversuche Klarheit über das Schicksal der ver-
schwundenen Milchsäure zu verschaffen und möge es uns gestattet
sein, da diese Experimente zu einem vorläufigen Abschlusse gelangt
sind, über die Ergebnisse zu berichten.
1. Versuch.
pB-Oxybuttersäure. Unser erster Versuch hat der Beantwortung der
Frage gegolten, ob nicht vielleicht die verschwindende Milchsäure
sich zum Teil in 9-Oxybuttersäure umwandelt. Man konnte immerhin
daran denken, daß die Milchsäure etwa auf dem Umwege Milchsäure --»
Acetaldehyd — Aldol sich in 3-Oxybuttersäure umwandle.
1) Diese Zeitschr. 128, 144.
166 O. Fürth und F. Lieben:
50 g Hefe wurden mit 4 cem durch spontane Wasseranziehung verflüssigten
milchsauren Natrons (enthaltend 3,07 g Milchsäure) und 500 cem Leitungswassers
7 Stunden lang unter O,-Durchleitung im Schüttelkolben geschüttelt. Die mit
Hilfe von diekwandigen Se "hläuchen in 2 Vorlagen mit je 1/, Liter R/,-Barytwasser
aufgefangene CO, wurde mit 1.30 g ermittelt. Das Mittel aus 2 Milchsäure-
bestimmungen ergab das Verschwinden von 2, e Milchsäure sowie von 0.55 g
leicht (d. i. durch mehrstündiges Kochen mit HCI 2,2%) hydrolysierbaren Kohlen:
hydrates. Die Vergärung dieser Kohlenhydratmenge müßte 0,27 g CO, liefern
Die totale Verbrennung von 2,42 g Milchsäure zu CO, und H,O jedoch 3.55 g CO,.
Da es sich ja aber nicht um Verbrennung freier Milchsäure handelt, vielmehr um
milchsaures Natron, konnte 1/, dieser CO,-Menge, also 1,18 g in Form von Na HCO,
zurückgehalten werden. Keinesfalls Die konnte mehr als 1,30 — 1,18 = 2,48 £
CO, zum Vorschein gekommen sein, in welcher Summe jedoch auch die große CO,-
Menge enthalten ist, welehe die Hefe bei ihrer Atmung unabhängig von der Milch-
säure produziert hat.
Die Orybuttersäurebestimmung |in einem aliquoten Teile nach dem Vorgange
von Sassa!) ausgeführt) ergab, umgerechnet auf die Gesamtmenge, nur 0,05 g
Oxybuttersäure (die Umwandlung der verschwundenen Milchsäuremenge in
P-Oxybuttersäure hätte 1,4 g erfordert).
Der Gedanke an eine Oxybuttersäurebildung auf Kosten der ver-
schwundenen Milchsäure mußte also fallengelassen werden.
2. Versuch.
Ätherlösliche Säuren. Wir sind nun daran gegangen, festzustellen.
ob beim Verschwinden der Milchsäure etwa erhebliche Mengen anderer
ätherlöslicher Säuren auftreten.
Zu diesem Zwecke bedienten wir uns eines von Bellet?) für die
Milchsäure angegebenen Extraktionsverfahrens. Dasselbe beruht dar-
auf, daß die organischen Säuren durch einen Überschuß von Schwefel-
säure in Freiheit gesetzt werden, worauf das (vorher zu Sirupdicke
eingeengte) Gemenge durch Eintrocknen mit wasserfreiem Natrium-
sulfat und Quarzsand in feste Form überführt und sodann im Soxhlet-
apparate mit Äther extrahiert wird.
Zu diesem Zwecke wurden 50 x Hefe unter Zusatz von 4 cem milchsauren
Natrons (== 3,07 g Milchsäure) mit Wasser auf 500 cem aufgefüllt und 7 Stunden
lang unter O,-Durchleitung geschüttelt. Die CO, wurde in 3 Vorlagen, welche
500, 200 und 100 cem R/,-Ba(OH), enthielten. aufgefangen: Nach 7 Stunden war
1,78g CO, entwichen.
In 2 Portionen des Hefengemisches zu je 100 cem wurde sodann die Milchsäure
bestimmt (bezüglich des Berechnungsverfahrens vergleiche unsere vorausgegangene
Publikation!). Auf die Gesamtmenge umgerechnet fand sich 0411045 x Milch-
S 16,3 Sr sg . f
SÄUTC, WAS 15 der ursprünglich vorhandenen Menge entspricht.
s 13.4 .o è E:
I) R. Sassa, diese Zeitschr. 59, 362. 1914.
23) A. Bellet, Bull. de la soc. chim. de France (4) 13, 565 und Journ. de Pharm.
et de Chim. (7) 8 21; Ch. C. 1913, IIH, 457.
Milchsäurezerstörunge durch Hefe. 167
Die Bestimmung nach Belle!) wurde nun in der Weise ausgeführt, daß je
100 ccm der Hefenmischung eingedampft und sodann unter Zusatz von 2 ccm
H,SO, 50 proz., wasserfreiem Na,SO, und Quarzsand am Wasserbade zur Trockne
gebracht wurde. Sodann wurde in eine Extraktionshülse übertragen und 8 Stunden
lang mit entwässertem Äther im Soxhlet extrahiert. Nach Verdampfung des
ätherischen Extraktes blieben ölige Tropfen eines sauer riechenden Rückstandes
zurück. Dieselben wurden in Wasser aufgenommen. Die (schwefelsäurefreie)
Lösung wurde mit "/,„. NaOH und Phenolphthalein als Indicator titriert. Für
je 100 cem der Hefenmischung ergaben sich a | ccm NaOH, was auf die Gesamt-
menge der Flüssigkeit umgerechnet, im Mittel 108ccm Die NaOH ergibt. Dies
entspricht (da 1 ccm ?/,„-Milchsäure = 0,009 g) 0,97 g Milchsäure. In dieser Menge
ist aber auch der noch vorhandene Milchsäurerest (0,45 g) enthalten. Es verbleibt
also für ätherlösliche Säuren unbekannter Art, wenn man dieselben als Milchsäure
in Rechnung setzt, ein Rest von 0,97 — 0,45 = 0,52 g.
Der Versuch hat sonach ergeben, daf immerhin etwa !', der ver-
schwundenen Milchsäure eine Umwandlung in ätherlösliche Säure
unbekannter Art erfahren haben könnte.
3. Versuch.
Kohlenstoffbilanz unter Berücksichtigung der retinierten Kohlensäure
und der ätherlöslichen Säuren.
40 g Hefe wurden in !/, Liter Wasser suspendiert und zunächst ohne Milch-
säurezusatz 8 Stunden lang unter O,-Durchleitung geschüttelt. Bereits nach
5 Stunden war die anfänglich lebhafte CO,-Entwicklung sehr träge geworden. Im
ganzen waren 0,40 g CO, ausgetrieben worden.
Nachdem die Hefensuspension im Schüttelkolben über Nacht in der Kälte
aufbewahrt worden war, wurden 4 cem milchsauren Natrons (durch Wasseranzie-
hung zerflossen = 2,78 g Milchsäure = 1,12 g C) zugesetzt. Bei der nunmehr
folgenden 8stündigen O,-Schüttelung kamen wiederum 1,00 g CO, (= 0,27 g C)
zum Vorschein.
Eine in 100 eem der Hefesuspension ausgeführte Milchsäurebestimmung
ergab, auf die Gesamtmenge umgerechnet, 0,93 g Milchsäure (= 0,37 g C = 33°,
der ursprünglich vorhandenen Menge?). Es sind sonach 1,12 — 0,37 = 0,75g C
als Milchsäure verschwunden. Bestenfalls !/,; dieser Menge könnte in Form von
Xa HCO, zurückgehalten worden sein (= 0,25 g C).
1) 2 Kontrollanalysen wurden in der Weise ausgeführt, daß 50 g Hefe mit
4ccm milchsauren Na (= 3,07 g Milchsäure) auf 500 cem aufgefüllt wurden.
2 Portionen à 200 ccm wurden wie oben analysiert. Die gefundenen Milchsäurt-
werte entsprachen 94 bzw. 88%, der geforderten Menge.
2) Das Ausmaß der Milchsäurezerstörung scheint einerseits von der Aktivität
der Hefe, andererseits aber von der Versuchstemyeratur abzuhängen. Eine Zimmer-
temperatur unter 10° erscheint ungünstig. Jedoch auch unter ungünstigen Ver-
suchsbedingungen kann schließlich durch andauerndes Schütteln mit neuen Hefe-
portionen vollständige Zerstörung erzielt werden, z. B. 50 g Hefe + 500 cem Wasser
-+ 4,82 g Milchsäure als Natronsalz. Kieselgurfiltrat nach 7stündiger Schüttelung
mit einer neuen Hefeportion angesetzt usw.
Von der Milchsäure waren noch übrig: Nach der 1. Schüttelung 34°,
Ei > DE 8.520
ST 5 EIN
168 O. Fürth und F. Lieben:
Das Mittel aus 2 Bellet- Bestimmungen!) ergab, nach Abzug der noch vor-
handenen Milchsäure, 0,40 g ätherlösliche Säuren (als Milchsäure berechnet
= 0,16 g C).
Die Kohlenstoffbilanz stellt sich also folgendermaßen :
2,78 g Milchsäure zugesetzt ... 1, Ge C
1,00 g CO, entwickelt . . . . d. es ee MIETE
Noch ae Milchsäureriat IWER ENEE pa (Uä/p C
Atherlösliche Substanz (exkl. Milchwure) als Milde Brrechrtet
(0,40 Co SEENEN Se Re er een. MIET
Maximale CO,-Retention als NaHCO,, berechnet ee DEER
Manko `. 2.22.22 e. 00er en. 007 C
1,12g C
Es ergibt sich sonach als Resultat dieses Bilanzversuches, daß die
Hauptmenge der verschwundenen Milchsäure immerhin zu CO, und
H,O verbrannt sein könnte, ohne daß ein großes C-Manko die An-
nahme anderer Umformungen in großem Umfange als unerläßlich
erscheinen ließe. Allerdings ist die CO,-Retention als NaHCO% (0.25)
ein lediglich berechneter Maximalwert.
d. Versuch.
Bestimmung von CO,, ätherlöslichen Säuren, Aldehyd, Trockensub-
stanz — Kohlenstoffbilanz — Kontrollversuch mit Hefe ohne Zusatz.
Da nunmehr die CO, in den Vordergrund unserer Betrachtungen
verückt erschien, ergab sich die Notwendigkeit, mit größerer Präzision.
als dies bisher geschehen war, festzustellen, ein wie großer Anteil der
entwickelten CO, auf die Atmung der Hefe als solche und ein wie großer
Anteil auf die Verbrennung der Milchsäure zu beziehen sei. Zu diesem
Zwecke wurden (bei diesem Versuche ebenso wie bei den meisten fol-
senden Experimenten) Parallelbestimmungen in zwei Schüttelkolben
mit und ohne Milchsäurezusatz ausgeführt:
a) 50 g Hefe + 500 ccm Wasser.
b) 50 g Hefe + 500 cem Wasser + 6 cem milchsaures Na (= 5,16 g
milchsaures Na = 4,20 g Milchsäure = 1,68 g C).
Beide Kolben wurden 7 Stunden lang unter O,-Durchleitung ge-
schüttelt. Sodann wurden beide Hefesuspensionen durch große trockene
Faltenfilter, in deren Spitze man etwas Kieselgur eingebracht hatte,
filtriert und beide Filtrate (a und b) in aliquote Teile geteilt, weiter
untersucht.
a) CO,-Entwicklung: In A 0,97 g CO,, in B 1,20 g CO,, auf Rechnung der
Milchsäure entfallen sonach in diesem Falle nur 1,20 — 0,97 = 0,23 g CO,.
b) Milchsäure in 50cem von B: Für die Gesamtmenge Abnahme von 4,20
auf 2,42 0, i. e. auf 57°9,.
c) Aldehyd: Direkte Bestimmung nach Ripper mit dem Destillate von 100 ccm
von A und B war negativ.
a) Der Ü bergang kleiner Mengen HNO, in den Äther machte eine Bestimmung
dieser letzteren und die Anbringung einer Korrektur nötig.
Milchsäurezerstörune durch Hete. 169
d) Atherlösliche Säuren nach Bellet, in 100 ccm von B bestimmt: Nach Abzug
der auf die unzerstörte Milchsäure entfallenden Azidität verbleibt kein Rest für
ätherlösliche Säuren unbekannter Art. !
e) Trockensubstanz (in 300 ccm von A und 160 cem von B ermittelt):
Für die Gesamtmenge ergibt sich in B . . . . 22 2 2 22. 5,72 g
re ee nat ee OB
Auf Rechnung des Zusatzen `, 5,41 g
Davon entfallen auf den Milchsäurt rest 2,42 g, als milchsaures Natron
gerechnet . 2. 2 2 22 2 4 2 2 wma ENEE 3,01 g
Verbleiben. 3... 4 u.a 8 EN E Beate ee E A a 2,40 g
Von diesem Reste kann neeh, den versehwundenen 1,78 g Milchsäure
entsprechend, 1,66 g auf NaHCO, gerechnet werden, unter der
Annahme, daß bei der Verbrennung von milchsaurem Na eine
aliquote Menge Na HCO, aufgetreten ist `... ©... 166g
Unbekannter Rest . 2.2... 2... ma a ehg a een ar geg GT
f) Zucker: In den Filtraten A und B. . . 2. 2 2 2 2 2 2 2. Ss
g) Kohlenstoffbilanz:
Zugesetzte Milchsäure 4,208... Lou, Së
Effektive CO,-Entwicklung auf Rechnung der Milelishure: 0,23 g CO, 0,06 g
Milchsäurerest UI EE EE EE 0,97 g
Na HCO,, aus verbrannter Milchsäure entstanden, maximal berechnet
ENKE Aa a, m Some ne m Be 0,24 g
1,27 g
Unaufgeklärter Rest . . . .. . 0,4l g
1,68 g
Dieser Versuch hat uns also gelehrt, daß hier, der verschwundenen
Milchsäure entsprechend, keine greifbaren Mengen von Aldehyd, Zucker,
ätherlöslichen Säuren aufgetreten sind und daß die Trockensubstanz
sowohl als die C- Bilanz hier immerhin Raum für Umwandlungsprodukte
unbekannter Art übrig lassen.
3. Versuch.
Sauerstoffschüttelung — erst nachträglich Milchsäurezusatz-Bestimmung
von CO,, Trockensubstanz und Alkoholextrakt — C'-Bilanz- Kontrollversuch
mit Hefe ohne Zusatz. Zwei Kolben mit je 50 g Hefe und 500 ccm
Wasser, 7 Stunden lang geschüttelt unter O,-Durchleitung, dann über
Nacht in der Kälte, sodann weitere 2 Stunden geschüttelt. Nunmehr
wurde der Kolben A mit 5,16 g milchsauren Natrons (= 4,20 g Milch-
säure) versetzt; B blieb ohne Zusatz. Jetzt wurde wieder 7 Stunden
lang unter O,-Durchleitung geschüttelt. Schließlich wurden beide
Hefesuspensionen A und B durch trockene Faltenfilter über Kiesel-
gur filtriert und die Filtrate, in aliquote Portionen EES weiter analy-
siert.
a) CO,-Entwicklung.
Vor A und B je 3 Vorlagen mit 500, 200 und 100 ccm R/,-Ba(OH), geschaltet.
Vorperiode (A und B ohne Milchsäurezusatz 7 Stunden A B
mit O, geschüttelt). . . . 2. 2: 2 2 2 2 2 nn. 0,69 g CO, 0,67 g CO,
Hauptperiode (A mit, B ohne Zusatz von Milchsäure) 1,27 g CO, 0,17 g CO,
170 O. Fürth und F. Lieben:
Auf Rechnung der Milchsäure entfallen sonach 1,27 — 0,17 = 110g CO,.
b) Milchsäure:
Es fand sich noch, auf die Gesamtmenge umgerechnet, nn 1,21 g Milchsäure
D 0; $
statt 4,20 g Milchsäure, d. i. 3l Gë
207,
c) Alkoholextraktion:
2 aliquote Teile des Filtrates A wurden mit Kieselgur eingedampft, sodann im
Soxhlet mit Alkohol extrahiert. Es ergaben sich so, auf die Gesamtmenge um-
gerechnet, sn 2,58 g alkohollöslicher Substanz. Davon erscheinen 1,51 g durch
den Rest von milchsaurem Natron (entsprechend 1,21g Milchsäure — vide b) gedeckt.
d) Trockensubstanz in aliquoten Teilen der Filtrate A und B bestimmt und
auf die Gesamtmenge umgerechnet:
A 414g
B 0,39 g (der Hefe entstammend)
3,75 (dem Zusatze entstammend);
davon erscheint jedenfalls ein großer Teil (1,51 g) durch den unzersetzt gebliebenen
Rest von milchsaurem Na gedeckt. Hätte, was ja allerdings in keiner Weise be-
wiesen erscheint, tatsächlich die ganze verschwundene Milchsäuremenge (4,20
— 1,21 = 2,99 g) durch Verbrennung die theoretisch mögliche NaHCO,-Menge
geliefert (je 1 Molekül milchsaures Na je Mol NaHCO,), so hätte 2,73 g Na HCO,
entstehen müssen und die Summe 2,73g NaHCO,
1,5l g milchsaures Na
4,24 würde die Menge gefundener Trocken-
substanz nicht nur decken, sondern sogar übertreffen.
e) Die Kohlenstoffbilanz stellt sich in diesem Falle folgendermaßen:
Zugesetzt 5,16 g milchsaures Na mit . .. . 166g C
Davon als Milchsäure wiedergefunden: 1.21g Milchsäure. . . . .. 048g C
CO,-Entwicklung auf Rechnung der Milchsäure 1,108 CO, . ... 030g C
Maximale mögliche CO,-Retention als NaHCO,;: Verschwundener
Milchsäure-C: 1,66 -- 0,48 = 1,18 g C, davon !/, als NaHCO,. . . _0,39g C
1,17g C
Mankos 4.5 wa ag von Ba SA
1,66 g C
Also auch hier, ähnlich wie im Versuch 4, ein Manko von etwa
li, g C, auch wenn wir die CO,-Retention als NaHCO, voll in Rechnung
setzen (falls diese Retention nicht als NaHCO,, sondern ganz oder
teilweise als Na,CO, erfolgt, müßte dieses Manko sich natürlich noch
wesentlich vergrößern).
6. Versuch.
C- Bilanz mit Hilfe der Elementaranalyse. Den Kohlenstoffbilanzen vor-
stehende Versuche haftet ein sehr schwer wiegendes Moment der Unsicher-
heit an, insofern jene CO,-Menge, welche im Reaktionsgemische als Carbo-
nat zurückgehalten worden war, nicht tatsächlich ausgewertet, sondern
nur in bezug auf das mögliche Maximum in Rechnung gesetzt worden war.
Um nun exakter vorzugehen, haben wir in weiteren Versuchen
den gesamten Kohlenstoffgehalt der Hefefiltrate auf dem Wege ele-
mentaranalytischer Verbrennung direkt genau ermittelt.
Milchsäurezerstörung durch Hete. 171
2 Hefeportionen zu je 50 g wurden mit je 500 cem Wasser unter O,-Durch-
leitung einen Tag lang geschüttelt, dann über Nacht in der a belassen und am
nächsten Tage noch 2 Stunden geschüttelt. Dabei wurden CH g CO, entwickelt.
Sodann wurde A. mit 4,81 g Milchsäure (= 1,93 g C) in Form von milchsaurem
Natron versetzt — B. blieb ohne Zusatz — und die O,-Schüttelung noch weitere
7 Stunden fortgesetzt. Dabei wurde in A 1,26g CO,
in B 0,41 g CO, entwickelt,
sonach auf Kosten der Milchsäure . . . 0,85g CO, (= 0,23 g C).
Die ee E (auf die Gesamtmenge umgerechnet) ergab
; KH 41,2
ei g Milchsäure = = 499 (= 0,80 g C).
Die Elementaranalyse der Hefefiltrate wurde in der Weise ausgeführt, daß
aliquote Teile (je 50 ccm) eingetrocknet und in einem geräumigen Kupferschiffeben.
mit einen Gemenge von 10 Teilen Bleichromat und einem Teile Kaliumbichromat
gemischt, verbrannt wurden. Dieser Zusatz wurde gewählt, um die CO, aus dem
bei Verbrennung des milchsauren Natrons gebildeten Natriumbicarhonat bzw.
Carbonat mit Sicherheit auszutreiben.
Auf die Gesamtmenge umgerechnet fand sich
in A. 4,20 g CO, (= 1,14g C)
in B. 0,37 g CO, (= 0,10 g C)
Sonach auf den Milchsäurezusatz bzw. seine Umwandlungsprodukte
entlallend A A = z.=.0 © 2 Ad au a & as ern LEE
davon Milchsäure-C . . ae E oe ae an BO
Umwandlungsprodukte dèi Milchsiire a re Ber er
1,04 g C
Die Kohlenstoffbilanz stellt sich also folgendermaßen:
Als Milchsäure wiedergefunden . . . . 2» 2 2 222 222.0... 0808 C
Kohlensäure wiedergefunden . .. 0,23 g C
. andere Umwandlungsprodukte der Milchsäure im He enfiltrate
(BElementaranalyse). `, e, tgl
. 1,27 g C
. milchsaures Na zugesetzt . a aaa aaa a 1,93 C
C-Manko ..... nn. 066g C
Also auch hier tritt ein er. er e EEN etwa Il, des Milch-
säurekohlenstoffes entsprechend. in Erscheinung.
7. Versuch.
Doppelversuch mit Austreibung retinierter CO, durch Phosphorsäure —
C- Bilanz durch Elementaranalyse. Die früheren Versuche hatten uns
darüber belehrt, daß nur ein Teil jener CO,, welche der Zersetzung
des milchsauren Natrons entstammt, frei entweicht. während ein sehr
erheblicher Teil der CO, als Carbonat oder Bicarbonat im Reaktions-
gemenge festgehalten wird. Um uns nun über die Größe dieses Anteils
genauer zu orientieren und derart einen genaueren Einblick in den
Mechanismus der Milchsäurezerstörung zu gewinnen, gingen wir folgen-
dermaßen vor: Wir ließen die spontane CO,-Entwicklung ablaufen.
dann wechselten wir die (zum Abfangen der CO, bestimmten) Baryt-
vorlagen, ließen einen Überschuß von Phosphorsäure zu den Hefe-
172 O. Fürth und F. Lieben:
gemischen hinzutreten und trieben nunmehr die aus den Carbonaten
in Freiheit gesetzte CO, durch einen O,-Strom aus:
2 Schüttelkolben mit je 50 g Hefe in 500 cem Wasser.
A. mit Zusatz von 4,815 g Milchsäure (als Na-Salz) (= 1.93 x C).
B. ohne Zusatz.
10 Stunden Schüttelung unter O,-Durchleitung.
a) Freie Kohlensäure: A. B.
I. Vorlage 500 cem ":,-Ba(OH),. . 1,608 CO, 0,968 CO,
II. a 200 „ ep . . 0,49g CO, 012g CO,
HE ` ` 100 — e . . 0,21 g CO, —
2,30 g CO, 1,08g CO,
Auf Rechnung der Milchsäure entfällt 2,30 g CO,
1,08 g CO
b) Gebundene Kohlensäure: 1,22 g CO, (= 0,33 g ©
Nunmehr wurden beide Hefesuspensionen mit je 40 ccm 10proz. HPO,
versetzt und die O,-Schüttelung weitere 3!/, Stunden fortgesetzt:
A
5 B.
I. Vorlage 500 cem "/,-Ba(OH),. . 1,84g CO, 0,228 CO,
Il: g 200 „ = . . 0,61 g CO, 0,058 CO,
HE ; 100 , Se , . 0,l4g CO —
2,598 CO, 0,278 CO,
Auf Rechnung der Milchsäure entfällt 2,59—0,27 = 2,32 g CO,
a: a gebunden. . . 2 22222202... 232g CO, (= 0,64 gC)
EA DE. UN frei KEE 1,22 g CO, (= 0,33 g C)
ch Milchsäure: 3,54 g CO, (= 0,97 g C)
Die Zersetzung der Milchsäure war bei diesem Versuche eine sehr vollständige.
Denn von den ursprünglich vorhandenen 4,815 g Milchsäure fanden sich (auf die
0,188 , Milchsänme o le. gC
0.162 0,17 x Milchsäure = a An? >) (= 0,078 C)
‚=.0
nach Beendigung des Versuches.
d) Elementaranalyse: -
Aliquote Teile der Hefefiltrate wie beim vorigen Versuche der Elementar-
analyse unterzogen. Auf die Gesamtmenge umgerechnet:
A. B.
0,61 a CN , 7
0.63 0,62 g CO, 0,28 g CO,
Demnach auf Rechnung der Milchsäure und ihrer Umwandlungsprodukte:
0,62 g CO,
0,28 g CO,
0,34 g CO, (= 0,09 g C)
davon (vgl. Versuch el restierende Milehsäure . .. .. 007gC
Gesamtmenge umgerechnet) nur
vg
Unbekannter Ü. 2. 2. 2 2 2 22 2 nn nn nn... 002g C
e) Kohlensoffbrlans:
Als übriggebliebene Milchsäure . . . 2 2.2.2.2.2.2..2.09078C
Kohlensäure frei entwichen . . . ne ee 033g C
ge durch HPO, ausgetrie ber No... (DARC
Unbekannter C im Filtrate der Hefensuspension (Elemen-
taranalyse). -. -. 2 2 2 2 2 2 2 2 0 2 0 nn nr 0028 C
1,06 g C
Kohlenstoff-Manko . . 2. 2 2 2 2 20. e, Rip C
Als milchsaures Na zugesetzt 2 22020... ne... 193g C
Milchsäurezerstörung durch Hefe. 173
Dieser Versuch lehrt uns folgendes: Die Zersetzung der Milchsäure
hat hier mit so großer Intensität stattgefunden, daß fast 6g milchsaures
Natron innerhalb eines Tages bis auf wenige Prozente zerstört worden
sind. Dabei ist etwa die Hälfte des gesamten in der Milchsäure ent-
haltenen Kohlenstoffes in Form von CO, zum Vorschein gekommen,
davon jedoch nur der kleinere Anteil direkt, der größere erst nach
Austreibung durch H,PO,. Die Elementaranalyse hat in dem Hefe-
filtrate kaum Spuren von Umwandlungsprodukten der Milchsäure
ergeben. Es ergibt sich ein großes C-Defizit, etwa der Hälfte des Milch-
säure-C entsprechend, und es bleibt nur die Alternative anzunehmen,
daß dieses C-Manko entweder in Form gasförmiger Produkte entwichen
set, oder aber gar nicht im Hefefiltrate, vielmehr in dem Zellsubstrate
der Hefezellen selbst zu suchen ist.
S. Versuch.
Kohlenstoffbilanz analog Versuch 7 — Prüfung auf entweichenden
Aldehyd. Die Erwägung der Möglichkeit, daß große Mengen eines
kohlenstoffhaltigen Produktes uns doch vielleicht in Gasform ent-
gangen sein könnten, hat uns veranlaßt, wiederum an den Acetaldehyd
zu denken. Es könnte ja schließlich doch geschehen, daß ebensogut
wie Permanganat in saurer Lösung Milchsäure quantitativ in Acetal-
dehyd umwandelt, vielleicht die lebende Hefezelle bei Gegenwart von
Sauerstoff ähnliches leistet. Wir hatten zwar sowohl unsere Reak-
tionsgemenge, als die Barytvorlagen wiederholt vergebens auf
Acetaldehyd geprüft. Der sehr niedere Siedepunkt (21°) des Acet-
aldehyds ließ es aber doch nicht ganz unmöglich erscheinen, daß vor-
handener Aldehyd von dem lebhaften O,-Strome vielleicht durchgespült
worden sei. |
Wir haben, um auch dieser Möglichkeit Rechnung zu tragen, bei
einem weiteren Versuche hinter die Barytvorlagen erst eine Vorlage
mit Fehlingscher Lösung eingeschaltet, welche durch ein elektrisches
Sandbad heiß gehalten wurde, sodann aber eine Vorlage mit dem so
empfindlichen Aldehydreagens nach Tollens (ammoniakalische Silber-
lösung mit einem Zusatze von NaOH), ohne daß im Laufe mehrerer
Stunden sich eine Reduktion bemerkbar gemacht hätte, wofern eine
solche im O,-Strome überhaupt stattfinden konnte.
Im übrigen wurde der Versuch ganz analog wie 7 ausgeführt:
2 Kolben mit 50 g Hefe auf 500 cem Wasser.
A. mit Zusatz von milchsaurem Natron = 4,815 x Milchsäure (= 1.93 g C).
B. ohne Zusatz.
9stündige O,-Schüttelung.
a) Freie Kohlensäure:
174 O. Fürth und F. Lieben:
A. B.
l. Vorlage 500 cem 2’,-Ba(OH),. . 1,35% CO, 0,788 CO,
> 5 200. Er ..0,57g CO, 0,19g CO,
HIL. `. 100 — Se . „0,148 CO, 0,048 CO,
2,06 g CO, 1,018 CO,
Auf Konto der Milehsäure . 2... a a 206g CO,
— 1,01 g CO,
1,05 g CO, (0.29g C)
b) Gehundene. Kohlensäure durch HPO, ausgetrieben:
A. B.
T. Vorlage 500 com n7,-Ba(OH),. . 0,708 CO, 023g CO,
I. 200 Se . . 0,40g CO, 0,07g CO,
HI ` lem. e . „0,09 CO, 0,018 CO,
1,198 CO, 0,318 CO,
Auf Rechnung der Milehsäure entfällt . .. . . 119g CO,
- 0,31 g CO,
0,88 g CO, (0,24 C)
| frei. . . 1,05 g CO,
| gebunden 0,88 g CO,
1,938 CO, (= 0,53 g 0)
Also in Summa auf Konto der Milehsäure
c) Milchsäure:
Im Gegensatze zum vorigen Versuche war etwa (ix der vorhandenen Milch-
saure der Zersetzung entgangen:
Auf die Gesamtmenge umgerechnet
SH 1,45 g Milchsäure, d. i. Sc an. 1 E Er
d) Elementarunalyse:
Aliquote Teile des Hefefiltrates nach Neutralisation mit NaOH ceingetrocknet
und mit Bleichromat und K,Cr,O, verbrannt:
2,65
Auf die Gesamtmenge umgerechnet SH 2,70 g CO,
Ss
Davon à conto der Hefe . . 2... . 033g CO,
2,37 g CO, (0,65 g C)
Davon ab à conto des Milchsäurerestes . . . . . . (0,588 C)
Unbekannter C im Hefenfiltrate . . ....... 007g
e) Kohlenstojfbilanz:
Als übriggebliebene Milchsäure . . 2 2 2 2 2 2 222.2. 058g C
CO, frei entwichen . . . ee ee IE
CO, dureh HPO, ausgetrie Ten. CHE rr, 024g C
Unbekannter C im Hefenfiltrate (Eleme atana sc). . . 0,07g C
1,18 g C
Kohlenstoff-Manko . . 2 2 2 2 2 2 2 2 2 nn nn... 075g C
Als milchsaures Na zugesetzt 20.20... 1,93 g C
Also wieder ein C- Manko von der Gs Sëtz Größe ordnung. wie im
vorigen Versuche: der ganze Unterschied ist der, daß hier mehr Milch-
saure übriggeblieben und dementsprechend weniger CO, entstanden ist.
H Versuch.
Parallelversuch zu A. — Totale Zerstörung der Milehsäure. — Prüfung
anf entiweichenden Aldehyd.
Milchsäurezerstörung durch Hefe. 175
In diesem Falle wurde, um etwa entweichenden Aldehyd abzufangen, hinter
die Barytwasservorlagen noch eine nıit Schnee gekühlte Vorlage geschaltet, die
100 cem konzentrierten Ammoniaks enthielt. Nach Beendigung des Versuches
wurde der Inhalt der Ammoniakvorlage in den Destillationskolben des Milchsäure-
bestimmungsapparates übergespült, mit H,SO, 50 pro, angesäuert und nach
Ripper destilliert. Die Bestimmung ergab nur 0,02 g Aldehyd.
Der Inhalt der Barytvorlagen vereinigt, durch Filtration vom abgeschiedenen
BaCO, befreit und mit HSC, angesäuert, erwies sich bei der Destillation nach
Ripper als aldehydfrei.
Die Milchsäure war in diesem Falle nach 9stündiger O,-Schüttelung voll-
kommen verschwunden.
Die Kohlenstoffbilanz stellte sich in diesem Falle folgender:
Als übriggebliebene Milchsäure `, . . . 2. 2 222.2... —
CO, frei entwichen . . ....... E S
CO, durch HPO, ausgetrieben . . 2. 222220... 0,54 g C
Unbekannter C im Hefenfiltrate ( Elementaranalyse) . . 0,04g C
0,98 g C
Kohlenstoff-Manko `, 0,95 g C
Als milchsaures Na zugesetzt 4,815g Milchsäure . . . . 1,93g C
Also auch hier wiederum ein Kohlenstoffdefizit, das etwa der Hälfte
des zugesetzten Milchsäure-C entspricht.
10. Versuch.
Parallelversuch zu 8 und 9.
Kohlenstoffbilanz:
Als übriggebliebene Milchsäure 0,21 g = 4,40%, . . . . . 0,08 g C
CO, frei entwichen `. 0,49 g C
CO, durch HPO, ausgetrieben. . . . . 222220. 0,538 C
Unbekannter C im Hefenfiltrate (Elementaranalyse) . . —
1,10g C
Kohlenstoff-Manko . . ». . 2. 2 2 2 2 2 2 2 2 nn. 0,83 g C
Als milchsaures Na zugesetzt 4,815 g Milchsäure. . . . 1,93g C
Stellen wir nunmehr die Kohlenstoffbilanzen der Versuche 7—10
nebeneinander, so ergibt sich folgendes Bild: Versuch
7 8 9 10
gC gC gC gC
Übriggebliebene Milchsäure . . . 2. 2222220... 0,07 0,58 — 0,08
CO, frei entwichen. `... 0,33 0,29 0,40 0,49
CO, durch H,PO, ausgetrieben . . ....... 0,64 0,24 0,54 0,53
Unbekannter C der Hefefiltrate (Eleme ntaranalyse) s 0,022 0,07 0,04 —
Kohlenstoff-Manko . . . 2: 2 or u nr rn 0,87 0,75 0,95 0,83
1,93 1,93 1,93 1,93
Zerstörte Milchsäure . . 2 2 a m nn nn 1,56 1,35 1,93 1,85
Summe der CO... 0,97 0,53 0,94 1,02
Wir ersehen aus dieser Zusammenstellung, daß etwa die Hälfte
des in der verschwundenen Milchsäure enthaltenen Kohlenstoffes als
Kohlensäure zum Vorschein kommt. In den Filtraten der Hefesus-
pensionen finden sich, wie die Elementaranalyse lehrt, höchstens mini-
male Mengen C-haltiger Umwandlungsprodukte unbekannter Art.
176 O. Fürth und F. Lieben:
Stets und in allen diesen Fällen fand sich ein gewaltiges Kohlenstoff-
manko, etwa der Hälfte des in der verschwundenen Milchsäure enthaltenen
C entsprechend.
Der nächste Versuch galt nunmehr der Feststellung, ob etwa be-
achtenswerte Kohlenstoffmengen in anderer Form, denn als Kohlen-
säure in Gasform entweichen.
11. Versuch.
Gasanalyse (Dr. Paul Liebesny). Paul Liebesny, Assistent am
Institute, hatte die Liebenswürdigkeit, für die wir ihm an dieser Stelle
herzlich danken, seine Erfahrungen auf dem Gebiete der Gasanalyse
unseren Zwecken zur Verfügung zu stellen und mit Hilfe der Barcrojt-
Haldane-Kroghschen Apparatur die Analyse jenes Gasgemenges vor-
zunehmen, welches beim ÖO,-Schüttelungsversuche die Barytvorlagen
passiert hatte und darin von CO, befreit worden war.
2 Kolben mit je 50 g Hefe in 500 ccm Wasser; der eine Kolben A. wurde mit
milchsaurem Natron (entsprechend 4,50 g Milchsäure = 1,80 g C) beschickt und
nach Anschaltung der Vorlagen zunächst ohne Schüttelung ein lebhafter O,-Strom
passieren gelassen, um die Luft aus dem ganzen System vollständig zu vertreiben.
Dann wurde mit der Schüttelung begonnen und das die Vorlagen von A. passierende
Lan menge etwa 2 Stunden lang in einem Gasometer über Wasser aufgefangen.
Die Schüttelung wurde noch weitere 6 Stunden fortgesetzt.
Im ganzen wurde auf Rechnung der Milchsäurezersetzung
freie CO, entwickelt . . . . . 1,99 — 1,20 = 0,79 g CO,
CO, durch HPO, ausgetrieben 3,04 — 0,44 = 2,60 g CO,
3,39 g CO, (= 0,92 g C)
Die Milchsäure war bis auf Si f \ Milchsäure (= 0,04 g C) zerstört worden.
Also hatten 1,76g Milchsäure-Koblenstoff, die bei dem Schüttelungsversuche
verschwunden waren, 0,92 g CO,-Kohlenstoff geliefert; also wiederum, wie bei
den früheren Analysen, annähernd die Hälfte des Kohlenstoffes.
Aus dem Gasgemenge im Gasometer wurden 2 mit Hilfe von Gaspipetten
entnommene Proben von Dr. Liebesny der Analyse unterzogen.
Aus technischen Gründen wurden den Gasproben abgemessene Stickstoff-
mengen beigemengt. I. Analyse II. Analyse
Abgemessene N-Menge . . . 11,88 ccm 8,64 com
N + Gan 2.2. 2. 208 04 16,15 cem 17,32 ccm
Gas allein. . 2 2 2 2 20... 4,27 ccm 8,68 ccm
Analyse ergab CO,. ©... 095 0%
Sauerstoff `, . 87,12% 86,70%
Restgas . . . 12,88%, 13,30°,
100,00°, 100,00° ,
Die Analyse des Sauerstoffbombengases ergab eine Beimengung von 8,09%,
eines fremden, im wesentlichen aus Stickstoff bestehenden Gases.
Aus diesem Versuche ergibt, sich, daß unser großes Kohlenstoffmanko
sicherlich nicht auf C zu beziehen ist, der etwa in Gasform entwichen ist.
Nchmen wir z. B. an, die 5%, Restgas in unserem Gasgemenge würden
Milchsäurezerstörung durch Hefe. 177
aus Methan bestehen, so würden 2} im Laufe mehrerer Stunden im
Gasometer aufgesammelten Gases etwa 100 ccm Methan bedeuten.
Da nun 11 Methan unter normalen Bedingungen 0,72 g wiegt, würde
dies 0,07 g CH, oder 0,05 g C bedeuten, unser Kohlenstoffmanko beträgt
aber 0,75—0,95 g C.
Des Rätsels Lösung mußte also anderswo gesucht werden. Nachdem
alle anderen Möglichkeiten geprüft und abgelehnt worden waren,
blieb uns eigentlich nur mehr eine Annahme übrig: Wir mußten ver-
muten, daß der fehlende Kohlenstoff im Verlaufe des Versuches organi-
siert und zum Aufbaue neuer Hefezellen verarbeitet worden war.
War diese Annahme richtig, so mußte es gelingen, eine entsprechende
Neubildung von Hefentrockensubstanz auf dem Wege der Wägung
festzustellen. |
12. Versuch.
Zunahme der Hefetrockensubstanz. In zwei Schüttelkolben wurde ein
Quantum von je 50 g Hefe auf Zentigramme genau eingewogen, dazu
je 1/,1 Wasser; in A überdies milchsaures Natron (= 4,50 g Milchsäure
= 1,30 g C), in B kein Zusatz. Nunmehr 7 Stunden O,-Schüttelung.
Sodann wurden beide Hefesuspensionen durch geräumige glatte
Filter filtriert, in deren Spitze je 3,0 g (genau eingewogen!) Kieselgur
eingebracht worden war. Die Hefemasse auf den beiden Filtern wurde
nunmehr so lange mit heißem Wasser gewaschen, bis im Waschwasser
keine Spur von Chloriden und nunmehr Spuren von Carbonaten nach-
weisbar waren.
Nunmehr wurden die Filter auf Glasplatten ausgebreitet und die
Hefenmassen mit Hilfe eines Spatels vorsichtig und so vollständig
als möglich in gewogene Glasschalen übertragen, wo sie 1!/, Tage lang
bei 100— 120° getrocknet wurden.
A. WOR e 11,012 g
B. wog...... 10,111 g
Differenz . . . . 0,901 g zugunsten der mit Milchsäure versetzten Probe.
Versuchen wir nunmehr eine annähernde Kohlenstoffbilanz aufzu-
stellen:
Unzerstörter Milchsäurerest: 2,20 g (= 48,8%)... ... - 0,888 C
Milchsäure verschwunden g(=0,2EC)...... —
Auf Grund der früheren Versuche konnte die CO,-Produktion
etwa mit en = 0,46 g C bewertet werden . . .... 0,46 g C
i Zunahme der Hefentrockensubstanz (0,90 g) als Cellulose
CeHioOs (mit 44,49, C) berechnet e, 0,40 g C
1,74g C
Milchsaures Natron zugesetzt (4,50 g Milchsäure) . . . . 1,80g C
Manko e % ée ele Sen u Re Bass 0,06 g C
Das Kohlenstoffmanko erscheint also hier im wesentlichen gedeckt.
Biochemische Zeitschrift Band 182. 12
178 O. Fürth und F. Lieben:
13. Versuch.
Zunahme der Hefentrockensubstanz.
Ansatz des Doppelversuches wie in Versuch 12, die CO, jedoch in Vorlagen
aufgefangen. 2tägige Sauerstoffschüttelung, CO,-Entwicklung auf Konto der
Milchsäure 0,74g CO,. Nunmehr Vorlagen gewechselt und jeder Kolben mit
40 ccm HPO, 10 proz. versetzt und weitere 4 Stunden geschüttelt.
CO,-Entwicklung auf Konto der Milchsäure 0,78g CO,
0,74 g CO,
in Summa 1,52 g CO, {0,42 g C).
Nunmehr wurde der Inhalt jedes der beiden Kolben soweit mit NaOH ver-
setzt, daß die Reaktion alkalisch gegen Lackmus, jedoch sauer gegen Phenol-
phthalein war und zur Trockne gedampft. Die trockenen Rückstände wurden auf
gehärtete Filter ohne Verlust übertragen und mit heißem Wasser frei von Phos-
phaten, Chloriden und Carbonaten gewaschen (Milchsäurebestimmung ergab im
Filtrate Sal 2,38g Milchsäure). Sodann wurde der Filterinhalt quantitativ
in gewogene Schalen gespült und erst am Wasserbade, dann bei 110° zur Gewichts-
konstanz getrocknet.
A. Das Gewicht der mit Milchsäure versetzten Fraktion . . 7,57g
B. Das Gewicht der Kontrollfraktion . . . 2.2.2 222.0. 6,71g
Differenz zugunsten der mit Milchsäure versetzten Fraktion 0,86 g
Um festzustellen, ob etwa eine Neubildung von Fett stattgefunden habe,
wurde die gewogene Hefentrockensubstanz 2 Tage lang im Soxhlet mit Äther
extrahiert, dann fein gepulvert und noch einen Tag mit Äther ausgezogen; der
Äther sodann abgedampft und der Rückstand bei 100° getrocknet. Derselbe betrug
für A. 0,0933 g, für B. 0,0991 g. Es hatte also keine Neubildung von Fett statt-
gefunden.
Die Kohlenstoffbilanz stellte sich nunmehr folgendermaßen:
Zugesetzt 4,50 g Milchsäure als milchsaures Na (= 1,80 g C).
Wiedergefunden wurden:
Milchsäurerest Sr ) DISE: ah ee a a 0,95g C
COLO g EECH 0,42 g C
Zunahme der Hefentrockensubstanz, gerechnet als Cellulose
(44,4% C) 0,86 g (durch Hydrolyse nicht nachweisbares
Kohlenhydrat) . e a 0,38 g C
EE 0,058 C
Also auch hier erscheint das Kohlenstoffdefizit gedeckt.
Des Rätsels Lösung, was aus der beim Sauerstoffschüttelungs-
versuche verschwundenen Milchsäure geworden ist, ist also eine ebenso
einfache wie unerwartete: Die Milchsäure hat zum Aufbau von Hefe-
substanz gedient, insoweit sie nicht zu Kohlensäure verbrannt worden ist.
Das Resultat ist darum ein unerwartetes, weil ja keine stickstoffhaltige
Substanz der Hefesuspension zugefügt worden war, die selbstverständ-
liche Voraussetzung für eine Neubildung von Eiweiß also nicht ge-
Milchsäurezerstörung durch Hefe. 179
geben erscheint. Es bleibt wohl nur die Erklärung übrig, daß entweder
im wesentlichen stickstofffreie Substanz neu entstanden ist (und da es
sich offenbar nicht um eine fett- oder Glykogenneubildung handelt,
hatten wir doch niemals früher eine Zunahme hydrolysierbaren Kohlen-
hydrates nachzuweisen vermocht, mußte wohl zunächst an eine Neu-
bildung von Zellulose gedacht werden), oder aber ist doch Eiweiß neu
aufgebaut worden, und zwar auf Kosten des ja ziemlich reichlich vor-
handenen Nichtproteinstickstoffes (etwa auf Kosten von Asparagin u.dgl.)
der hier die Rolle einer Stickstoffreserve übernommen haben könnte.
Aus einer noch nicht abgeschlossenen Versuchsreihe, die Harry
Lundin aus Stockholm zur Zeit in diesem Laboratorium mit Zucker-
arten und anderen N-freien Substanzen ausführt, geht hervor, daß
Dextrose und Lävulose sich beim Sauerstoffschüttelungsversuche ganz
analog wie Milchsäure verhält, und daß einem in diesem Falle sehr
erheblichen Kohlenstoffmanko, das weder durch Kohlensäure, noch
durch Alkohol, noch durch eine andere greifbare Substanz gedeckt ist,
eine ausgiebige Neubildung von Hefetrockensubstanz entspricht. Eine
vollständige analytische Durcharbeitung dieses Problems dürfte auch
über die Frage, in welcher Weise die verschwindende Milchsäure beim
Hefeaufbau verwertet wird, Aufschluß gewähren.
Zusammenfassung.
Bei Schüttelung einer Hefensuspension unter Sauerstoffdurchleitung
gelingt es leicht, im Laufe weniger Stunden eine ausgiebige Zerstörung
zugeseizten milchsauren Nairons zu erzielen. Es handelt sich dabei
weder um eine totale Verbrennung, noch um eine Rückbildung zu leicht-
hydrolysierbarem Kohlenhydrat, noch um das Auftreten von flüchtigen
Säuren, Alkohol, Acetaldyhyd, Aceton, Acetessigsäure, ß-Oxybutter-
säure, Brenztraubensäure oder Methylglyoxal. Etwa die Hälfte des
Kohlenstoffes der verschwundenen Milchsäure findet sich in der Regel
als Kohlensäure, die nur zum Teile frei entweicht, zum Teile jedoch
als Alkalicarbonat im Reaktionsgemenge zurückgehalten wird. Das
Kohlenstoffmanko findet sich weder (wie elementaranalytisch fest-
gestellt wurde) im Hefenfiltrate in löslicher Form, noch entweicht
dasselbe in Gasform. Dasselbe erklärt sich vielmehr im wesentlichen
aus einem Neuaufbau organisierter Hefenleibessubstanz, die sich hier
ohne Vorhandensein einer Stickstoffquelle und ohne Vermehrung des
Gesamtstickstoffes vollzieht. Um eine Fett- oder Glykogenneubildung
handelt es sich nicht, vielmehr anscheinend, sei es um einen Neuaufbau
schwer hydrolysierbaren Kohlenhydrates (Zellelulose ?), sei es um einen
Neuaufbau von Eiweiß mit Hilfe einer in der Hefe vorhandenen Reserve
von Nichtproteinstickstoff.
12®
Über das Verhalten von einigen Aminosäuren gegenüber
sauerstoffgelüfteter Hefe.
Von
Fritz Lieben.
(Aus der Chemischen Abteilung des Wiener Physiologischen Universitätsinstitutes.)
(Eingegangen am 21. Mai 1922.)
In der vorangehenden Arbeit haben Fürth und ich über die Zer-
störung von Milchsäure durch Hefezellen bei Durchleiten von Sauer-
stoff durch die geschüttelte Suspension berichtet und gezeigt, daß
von dem Kohlenstoff der Milchsäure etwa die Hälfte in Gestalt von
CO, auftritt, während der Rest von der Hefe zum Aufbau ihrer Zellen
konsumiert wird, wobei die Frage nach der chemischen Beschaffenheit
dieses Ansatzes noch nicht sicher beantwortet werden konnte.
Es war natürlich von Interesse, das Verhalten anderer physiologisch
wichtiger Stoffe an Stelle der Milchsäure unter den gleichen Versuchs-
bedingungen zu untersuchen und unter diesen boten sich wohl zunächst
die Aminosäuren dar. .
Die Versuche lieferten in der Hauptsache folgendes Resultat: Bei
der in der vorangehenden Arbeit geschilderten Versuchsanordnung —
zwei Schüttelkolben mit der gleichen Menge in Wasser suspendierter
Hefe, Zusatz der Aminosäure in den einen Kolben, Sauerstoffschütte-
lung durch 8—10 Stunden — ergab sich zwischen den aus beiden
Kolben entwichenen CO,-Mengen keine die Versuchsfehler wesentlich
überschreitende Differenz. In den Hefenfiltraten zeigte sich allerdings
stets eine mehr oder minder große Abnahme der betreffenden Amino-
säure und die Versuche zeigen auch an, daß sich diese im Filtrate ver-
schwundene Menge im Hefeniederschlag befindet, resp. von der Hefe
zum Aufbau ihrer Zellen verwendet wird.
Methodik und Versuche.
Zur Messung der Aminosäurenmenge bediente ich mich der be-
kannten Methode von Sörensen!), und zwar mit einer kleinen Modi-
fikation. Die Ausführung der Methode, wie sie z. B. in Neubergs Hand-
buch ‚Der Harn“ beschrieben wird?). bietet ohne geeignete kolori-
1) Vgl. diese Zeitschr. 7, 45.
-2) Bd. I, S. 574ff. (Andersen), dort auch Literatur.
F. Lieben: Verhalten von einigen Aminosäuren usw. 181
metrische Vorrichtung Schwierigkeiten, die hauptsächlich in der sub-
jektiv beeinflußbaren Einstellung auf die rote Kontrollösung bestehen;
es ist zweifellos leichter und genauer auf Farbenumschlag in der Lösung
selbst einzustellen. Dies läßt sich nun mit einer für den vorliegenden
Zweck und sicher in vielen anderen Fällen ausreichenden Genauigkeit
dadurch erzielen, daß man zu der Flüssigkeit, bevor man mit der Säure
zurückzutitrieren beginnt, ein gewisses Quantum Alkohol!) (von 96%) hin-
zufügt. Danach erfolgt die Bestimmung in der Art des folgenden Beispieles
I. Einwage: 1,9931 g getrocknetes Alanin wurden in 100 ccm H,O gelöst,
hiervon 5ccm (= 0,0996 g) mit 5ccm (mit Phenolphthalein neutralisierten)
Handelsformel versetzt, dann aus der Bürette 8,3 ccm "/,-Ba(OH), (F = 1,07)
bis zur deutlichen Rotfärbung (mit Phenolphthalein) zugesetzt; nunmehr erfolgte
weiterer Zusatz von 20 ccm Alkohol, schließlich wurde mit 3,6 ccm Die HOT zum
scharfen Farbenumschlag (der sonst bekanntlich nicht zu erzielen ist) zurücktitriert.
(Selbstverständlich muß man sich auch von der genauen Neutralität des Alkohols
gegen Phenolphthalein überzeugen.)
L Es ergibt sich: 8,3 ccm gibt korr. 8,9 cem, 8,9 — 3,6 = 5,3 ccm
] cem R/,-Alaninlösung enthält 0,0178 g
5,3 ccm ge » 0,0943 g, i. e. 94,1%
(statt 0,0996)
2. Wiederholung von 1.
10,8 ccm 2/,-Ba(OH), korr.: 11,6; 6,2 cem ?/,.-HCI
Differenz 5,4 cem - 0,0178 = 0,0961 g, i. e. 96,9%,
3. Ebenso, nur mit 10 ccm neutral. HCOH.
8,7 ccm %/,-Ba(OH), korr. 9,3; 4,0 cem 2/,-HCl
Differenz 5,3 ccm - 0,0178 = 0,0943 g, i. e. 94,7%
Eine Vermehrung des HCOH-Zusatzes ist also ohne Wirkung auf
die Bestimmung.
4. 10 cem obiger Alaninlösung + 10 ccm HCOH neutral. usw.
14,0 ccm 2/,-Ba(OH), korr. 15,0; 4,8 ccm pi HO
Differenz 10,2 cem - 0,0178 = 0,1815 g, i. e. 91,3%
(statt 0,1993 g)
5. Wie 4.
14,9 ccm »/,-Ba(OH), korr. 15,9; 6,6 ccm pl: HO
Differenz 9,3 ccm - 0,0178 = 0,1655 g, i. e. 88,1%
Man sieht, daß die Menge verwendeter Aminosäure gegenüber
den Mengen HCOH und Alkohol ein bestimmtes Verhältnis nicht über-
steigen darf; bei obigen Beispielen ist 0,1 g Alanin die Grenze, deren
Überschreitung die Genauigkeit der Bestimmung herabsetzt.
II. Einwage: 1,1540 g Asparaginsäure in 200 cem NaCl hält H,O gelöst (nach
Erwärmen am Wasserbad).
6. 10 eem der Lösung (0,0577 g) + 5cem HCOH (neutral.) + 20 cem Alkohol
(vor Säurezusatz).
korr. 4,7 ccm ®/,-Ba(OH), 0,4 ccm 2/,-HCl
Differenz 4,3 - 0,0133 g (Gehalt von I ccm %/,-Asparaginsäurt lösung)
= 0,0572 g, i. e. 99,1%
2) Val. R. Willstätter und E. Waldschmidt- Leitz, Bd. 54. S. 2988.
182 F. Lieben:
7. 20 ccm der Lösung (0,1154 g)
korr. 8,7 ccm 2/,-Ba(OH),, 0,6 ccm Bis HO
Differenz 8,1 0,0133 g = 0,1077 g, i e. 93,3%
IL Einwage: 2,0390 g Glykokoll in 200 ccm H,O gelöst.
8. 10 ccm der Lösung (0,1019 g) +- 5 cem HCOH neutral. + 20 cem Alkohol
(vor Säurezusatz).
korr. 7,3 cem ®B/,-Ba(OH),, 0,8 ccm pl HO
Differenz 6,5 - 0,015 g (Gehalt Leem a/,-Glykokoll) = 0,0975 g, i. e. 95,6°5
H korr. 7,1l ccm 2/,-Ba(OH), 0,7 ccm 2/,-HCl
Differenz 6,4 - 0,015 = 0,0960 g, i e. 94,005
Nachdem ich mich überzeugt hatte, daß beim bloßen Stehen mit
einer Hefensuspension eine zugesetzte Aminosäure keine Abnahme
erfährt, wurden die Schüttelversuche mit der in der vorigen Arbeit
geschilderten Versuchsanordnung ausgeführt. Doch wurde vor die
Barytwasservorlagen je eine Waschflasche mit n/5 HCl eingeschaltet,
um etwas ausgetriebenes NH, zurückzuhalten.
Ein Orientierungsversuch, bei dem durch 10 proz. (NH,),CO,-Lösung 21/, Stun-
den Luft durchgeleitet worden war, lehrte, daß beide Gase ausgetrieben werden,
CO, allerdings im Überschuß (es wurden 5ccm vorgelegt«s "»/,-Ba(OH), und
6 cem Blo Hä, verbraucht).
Die Bestimmung des durch den O,-Strom nicht ausgetriebenen
NH,, die eine Ergänzung der Bestimmung nach Sörensen bildet, erfolgte
nach dem bekannten Verfahren von Folin!).
I. Alanin.
l. 2 Kolben mit je 50 g Preßhefe wurden auf 500 ccm Leitungswasser auf-
gefüllt, zu Kolben A werden 1,4914 g Alanin zugesetzt, hinter jeden Kolben 1 Vor-
lage mit 100 ccm Die HO und 3 Vorlagen mit 500, 200 und 100 ccm "/,-Ba(OH),
geschaltet; es wurde dann 8 Stunden durch die geschüttelten Kolben O, durch-
geleitet, über Nacht stehengelassen und dann noch 2 Stunden geschüttelt.
CO,-Entwicklung NH,-Entwicklung
aus A aus B aus A aus B
I. Vorlage 0,47 0,52 0,04 g —
I. ,„ 0,09 0,07
UL ,, 0,01 0,01
, 0,57 g 0,60g
also weder CO,- noch wesentliche NH,-Entwicklung auf Kosten des Alanins.
Nun wurden die Heferückstände über Kieselgur filtriert und die Bestimmungen
nach Sörensen und Folin mit aliquoten Teilen des Filtrates ausgeführt.
Sörensen- Bestimmung
in A in B
20 cem Filtrat + Beem HCOH mit 20 cem, wie A behandelt
+ 20 ccm Alkohol (vor Säure-
zusatz): 0,0623 g Alanin 0,0089 g Aminosäure
als Alanin ber.
für 500 cem: 1,5575 g Alanin für 500 ccm: 0,2225 g Aminosäure
o als Alanin ber.
1) Siehe z. B. Fränkel, Praktischer Leitfaden der Harnanalyse, 1919, S. 97.
Verhalten von einigen Aminosäuren gegenüber sauerstoffgelüfteter Hefe. 183
Folin-Bestimmung ,
in A in B
Auf 500 ccm umgerechnet: 0,008 g Folin in B: —
NH, resp,
0,042 g Alanin zersetzt
Differenz aus den Sörensen-Bestimmungen in A und B:
1,5570 — 0,2225 = 1,3350 g
Hiervon nach Folin zersetztes Alanin. . . . 2. 22 a. 0,042
1,293 g Alanin,
i. e. 84,1%
2. 2 Kolben mit je 50 g Hefe auf 500 ccm Wasser aufgefüllt, Zusatz zu A:
1,5732 g Alanin, Versuch im wesentlichen wie 1.
CO,-Entwicklung
aus A aus B NH,-Entwicklung auf Konto des Alanins
in Sa.: 0,81 g 0,84 g 0,005 g
Um die Möglichkeit einer CO,-Retention (etwa durch die Hefe, da NH, nach
den Folin-Bestimmungen nur in sehr kleiner Menge auftritt) auszuschließen,
wurde in beide Kolben je 15ccm HCl (10 proz.) zugesetzt und nach Wechseln
der Barytvorlagen noch 4 Stunden O, durchgeleitet.
CO,-Entwicklung
aus A aus B
0,32 0,27
Folin-Bestimmung war negativ. 2 e
Sörensen-Bestimmung nach Neutralisation!) gegen Lackmus mit NaOH
für Gesamtmenge in A. . . . 1,39g Alanin
Ge P a B... . 018g als Alanin ber.
noch unverändert im Filtrat . 1,21 g Alanin, i e. ca. 17%
Der Versuch zeigt, daß keine CO,- und NH,-Entwicklung auf Kosten
des Alanins erfolgt, auch keine CO,-Retention.
Ein weiterer Versuch behandelte die Frage nach dem Schicksal des
verschwundenen Alanins (in 1: 15,9%, in 2: 23%, des Zusatzes); nach
den Erfahrungen bei der Milchsäure war es im Hefeniederschlag zu
suchen. Die Filtration solch bedeutender Hefemengen erfordert jedoch
so viel Zeit, daß die Hefe dabei leicht in Fäulnis übergeht; deswegen
wurden in diesem und den folgenden Versuchen die anorganischen
Salze durch Dialyse entfernt.
3. 2 Kolben mit je 43g Hefe, Volumen von A, und B. je 510 ccm, Zusatz
zu A. 1,5963 g Alanin, sonst wie 1.
CO,-Entwicklung |
aus A aus B NH;3-Entwicklung auf Konto von A:
in Sa. . . . 0,98g 1,04 g 0,0017 g
Folin: Negativ.
Sörensen: Im Mittel für Gesamtmenge aus A: 1,318g Alanin
D nn H P » B: 0,181g als Alanin ber.
noch unverändert im Filtrat . . . 1,137 g Alanin, i. e. 71,2%.
Nunmehr wurde der Inhalt der beiden Kolben in je einen Dialysierschlauch
gebracht, der Filtrierrückstand zugesetzt und Ap Stunden in fließendem Wasser
dialysiert; um im Niederschlag etwa zurückgehaltenes unverändertes Alanin zu
1) Der Versuch ist nicht quantitativ, da ein verläßliches Lackmuspapier zur
Neutralisierung der Lösung mit NaOH nicht zur Verfügung stand.
184 i F. Lieben:
entfernen, wurde der Schlauchinhalt schwach alkalisch gemacht. Nach der Dialyse
wurde der Inhalt der Schläuche in Schalen eingeengt, schließlich in gewogene
Schälchen gespült und zur Gewichtskonstanz getrocknet.
Der Heferückstand in A wog 10,432 g, in B 10,008 g, auf Konto des Alanins
entfiel also ein Plus von 0,424 g.
Nun konnte eine C-Bilanz aufgestellt werden, wobei das Plus im
Heferückstand als Eiweiß mit 52°, C in Rechnung gestellt wurde
(die minimalen Mengen NH, auf Konto des Alanins, die durch den
O,-Strom ausgetrieben worden waren, deuten auf eine nur sehr gering-
fügige Desaminierung hin).
1,5963 g Alanin enthalten ..... . . 0,65g C
1,137 g Alanin im Filtrat enthalten . . . 0,45g
CO, entwickelt... . 2222 2200. —
0,424 g als Eiweiß ber... ....... _0,22g
0,67 g C
Diese gute Übereinstimmung konnte jedoch bei anderen Versuchen
nicht erzielt werden.
IL Asparaginsäure.
4. 2 Kolben mit je 45 g Hefe auf 500 ccm Wasser aufgefüllt. Zusatz zu A.
1,7290 g Asparaginsäure, Vorlagen wie in 1., 9 Stunden geschüttelt.
CO,-Entwicklung
aus A aus B
0,91 g 0,93g, auch keine NH,-Entwicklung zugunsten
| von A.
Prüfung auf retinierte CO, (wie bei 2.): Negativ; wegen Unmöglichkeit mit
Lackmus genau zu neutralisieren (s. Fußnote bei 2.), werden keine weiteren Daten
angegeben.
5. 2 Kolben mit je 49 g Hefe, Volumen von A: 610 eem, von B: 510 ccm;
Zusatz zu A: 1,9937 g Asparapinsäure.
CO,-Entwicklung
aus A aus B
1,25 g 1,01 g, auf Konto der Asparaginsäure entfallen also
0,24 g CO,, ferner 0,01 g NH3.
Folin: Negativ.
Sörensen: Im Mittel für Gesamtmenge von A: 1,319 g Asparaginsäure
ge j e e » B: 0,102 als Asparagins. ber.
Noch unverändert im Filtrat . . . 1,217 g Asparaginsäure
i. e. 61%.
6. 2 Kolben mit je 45g Hefe, Volumen von A: 680 cem, von B: 530 cem;
Zusatz zu A: 1.9568 g Asparaginsäure.
CO,-Entwicklung
aus A aus B
0,90g 0,59 g, auf Konto der Asparaginsäure entfallen
0,31 g CO,, kein NH;.
Folin-Bestimmung wurde bei diesem Versuche nicht ausgeführt.
Sörensen- Bestimmung:
Im Mittel für Gesamtmenge von A: 1,4926 g Asparaginsäure
> de e e » B: 0,2293 g als Asparaginsäure ber.
Noch unverändert im Filtrat . . . 1,2633 g Asparaginsäure, i e. 64,5%.
Verhalten von einigen Aminosäuren gegenüber sauerstoffgelüfteter Hefe. 185
Eintägige Dialyse und weitere Behandlung wie bei 3. liefert als Plus zugunsten
von A den viel zu großen Wert von 1,285 g, wie die folgende Bilanz zeigt:
1,9568 g Asparaginsäure . . . .. so.. 0,70 g C
1,2633 g Asparaginsäure im Filtrat . . . . 0,45g
CO, auf Konto der Asparaginsäure (0,31 g) _0,08g
0,53 g
Defizit 0,17 g C, demgegenüber das viel
zu große Plus von 1,285 g Hefentrockensubstanz.
7. 2 Kolben mit je 45 g Hefe, Volumen von A: 630 cem, von B: 500 ccm;
Zusatz zu A: 1,7952 g Asparaginsäure.
CO,-Entwicklung
aus A aus B
0,95 g 0,91 g, auch kein NH3.
Folin- Bestimmung für A: 6,3 cem 2/0 NH}, i. e. 0,042 g Asparaginsäure.
Sörensen- Bestimmung:
Im Mittel für Gesamtmenge von A: 1,4049 g Asparaginsäure
e Ge e ge a B: 0, 1325 g als Asparaginsäure ber.
1,2724 g
Hiervon nach Folin zersetzt . . 0,042g
1,230 g Asparaginsäure, i. e. 68,5%.
Ein 2tägiger Dialysierversuch zeigte ein Plus von ca. 0,2 g in B.
Die Asparaginsäure zeigt (außer in Versuch 7) eine schwache Zer-
störung durch Hefezellen. Die Abnahme im Filtrat ist stärker als
beim Alanin, doch konnte aus den Dialysierversuchen nur geschlossen
werden, daß die verschwundene Menge wahrscheinlich von der Hefe
konsumiert wird.
II. Glykokoll.
8. 2 Kolben à 50 g Hefe, Volumen von A und B je 530 ccm; Zusatz zu A:
1,7200 g Glykokoll, 18 Stunden (über Nacht) geschüttelt.
CO,-Entwicklung
aus A aus B
0,85 8 1,04g, auch kein NH3.
Folin-Bestimmung: Negativ.
Sörensen-Bestimmung:
Im Mittel für Gesamtmenge von A: 1,83 g Glykokoll
= 5 „ B: 0,40 g als Glykokoll ber.
Noch unverändert im Filtrat . . 1,43 g Glykokoll, i. e. $399.
IV. Tyrosin.
Da Sörensens Methode nach seiner Angabe!) bei Tyrosin Schwierig-
keiten bietet, wurde die Bromtitrationsmethode verwendet, die Fürth
und Fleischmann?) kürzlich ausgearbeitet haben. Nachdem ich mich
von der Anwendbarkeit dieses Verfahrens bei Hefesuspensionen (nach
der Filtration über Kieselgur) überzeugt hatte, wurde folgender Versuch
angestellt:
1) ]. c. S. 59.
23) Diese Zeitschr. 127, 137.
?9
(Ma F. Lieber:
9 2 Kolen à W2 Hefe, Volamen von A und Bkäioccm: zu A wurden
22V Z eg OLTEAN Trrsisprajarates zumsetzt. das nacn der Bromtitration=
menie 85”, Tyren. enthalt, erzo 1.7618 g reines Tyrin; dass: Je wurde durch
1l4.5 cm B w Sail iher. Menge auf dem Wasertad in Laurg gebracht. —
G,>chuttelurg durch 16 Stunden. Vorlazen wie sonst.
CO,-Entwicklurz
aus A aus B
1,29 z Le, kein NH3-
Fine gewisse Menge Tırosin-Na war während des Schüttelns wieder aus-
fallen. Nach Überfuli-n der He fesuspension in die Dralvsierschläuche wurde
deser Pest in 1Oproz NaOH gelöst, anhaftendes Eiweiß durch PWS. (10 proz)
ausze fallt und dann die Menge durch Bromtitration zu 0,1947 g Tyrosin bestimmt.
Ein Teil des Tyrosins befand sich allerdings in der Hefrsuspension und mußte
durch die folzende Dialyse verloren gehen.
Folin- B stimmung: Negativ.
Fürth-Fleischmann-Brstimmung mit aliquoten Teilen des Hefefiltrats (im
Hef: filtrat war eine weitere Fällung a PWS. nicht nötiz!:
Für die Gesamtmenge von A: 0,5522 g Tyrosin, Le 31,3°,
o » „ » B: —.
Nach 40stündizer Dialyse der schwach alkalisch gemachten Suspensionen
ergibt sich für A: 12,63 g Heıferückstand Differenz: 0,59 g.
„ B: 12,04 g =
Die angeführten Daten liefern die folgende C-Bilanz:
1,7618 g Tyrosin enthalten. . . . ..2......105g8g GC
0,27 g CO, et e née a e OR
0,1947 g Tyrosin wieder ausge Hallen . Ede AE 0,12 g
0,5522 g D im Hefcfiltrat . . . . .. 0,3 g
0,59 g Pius an Hefentrockensubstanz als Ewe iB ber. 0,31 g
0,83 g C
Defizit 0,22 g C
Der Verlust entstand hier wohl, wie oben erwähnt, bei der Dialyse;
die Schwierigkeit wird beim Tyrosin durch die geringe Löslichkeit
(auch des Na-Salzes) erhöht, während eine stärkere Alkalescenz
oder Acidität (die Lösung bewirken würde) die Hefe schädigen müßte.
V. Acetamid. R
Ein Versuch, statt Aminosäuren ein Säureamid zu verwenden,
lieferte folgendes Resultat:
10. 2 Kolben & 47 g Hefe: Volumen von A und B je 500 ccm; zu A: 2,0757 g
krystall. Acetamid (Kjeldahl ergibt: 0,4679 g N, i. e. 1,9719 g CH,CONH,).
CO,-Entwicklung
aus A aus B
in Sa... . 095g 0,80g, kein NH}.
Folin- Bestimmung für Gesamtmenge von A: 0,0116g N
Kjeldahlbestimmung mit aliquoten Teilen
für Gesamtmenge von A: 0,2531g N
2 m vw B: 0,0157 g N
verbleibt 0,2374 g N, entsprechend 0,997 g CH,CONH,,
i. e 50,5%.
Verhalten von einigen Aminosäuren gegenüber sauerstoffgelüfteter Hefe. 187
N-Bilanz C-Bilanz
zuges. als CH,CONH,. . ._0,47g N zuges. als CH,CONH,. . . _0,80g C
nach Folin nachweisbar . . 0,01g CO, HERE, 5-2 20,0 8% 0,04 g
» Kjeldahl im Filtrat. ._0,24g Asparaginsäure im Filtrat . 0,41 g
0,258 N 0,45g C
Manko 0,22g N Manko 0,35g C
(46,8%) (43,7%)
2tägige Dialyse ergibt für A: 11,671 g Heferückstand
a B: 11,441 g E
0,230 g auf Konto des Acetamids reichen
nicht aus, um das Manko zu decken.
Überblicken wir die mitgeteilten Versuche, so ergibt sich bei den
Sauerstoffschüttelungsversuchen eine immerhin außerhalb der Fehler-
breite der Methode (5—10%,) wa zweifellose Abnahme der Amino-
säuren, nämlich:
Es fanden sich in Versuch 1: Alanin . . . .. 22 2 220. 84%,
’ DI OI an „ 2: TTT NEE ENEE ENEE o o o o 17 an
ce vu a E ab 3 Se ee Ae ae ee ee rA Tl,
za e u 2 Ss 5: Asparaginsäure. ee a. "D
en „ ge" as ep 6: be hear d Egger Kar i 64 ,,
5 ze > eg 5 7: e en e De. m... 68,
e „ e 5 8: Glykokoll . . ... 22220. 83,
Ge e EN ge 9: Tyrosin ca. . . 2... 2 220% 45 „
ep G së vw 10: Acetamid . . . 2.2. 2 2 220. 50 „
Die quantitative EE des Phänomens an der Hand der C Bilanz
gibt aber recht unbefriedigende Resultate. Die Ausschläge sind im
Verhältnis zu der Hefemenge sehr gering und um dieselben und da-
mit die Genauigkeit der Versuche zu steigern, wäre es notwendig,
bedeutend größere Mengen von Aminosäuren zu den einzelnen Ver-
suchen zu verwenden, wie sie unter den hiesigen Arbeitsbedingungen
schwer beschafft werden können.
Zusammenfassung.
1. Bei der Sauerstofflüftung im Schüttelkolben in Gegenwart von
Hefezellen werden, wie die CO,-Entwicklung lehrt, die untersuchten
Aminosäuren sowie das Acetamid nicht ähnlich der Milchsäure schnell
zerstört, sondern bleiben in einer Menge von 60—80% unverändert
im Hefefiltrat; nur bei der Asparaginsäure ist eine stärkere Zerstörung
angedeutet. Acetamid ist zu 50%, aus dem Filtrate verschwunden,
Tyrosin krystallisierte als Na-Salz zum Teil wieder aus. `
2. Die NH,-Mengen, die beim O,-Durchleiten übergetrieben werden,
resp. nach Folin im Filtrat bestimmt werden können, sind minimal.
3. Die verschwindenden Aminosäuren werden wahrscheinlich für
den Aufban von Hefesubstanz verwendet, doch könnten erst ge-
nauere Versuche mit größeren Mengen diese Annahme quantitativ
bestätigen.
Über die Carbaminoreaktion der Bluteiweißkörper und ihre
angebliche Bedeutung für den Kohlensäuretransport im Blute.
Von
Camillo Ausenda (Mailand).
(Aus der Chemischen Abteilung des Wiener Physiologischen Universitätsinstitutes.)
(Eingegangen am 21. Mai 1922.)
1. Fragestellung.
Bekanntlich bietet die Frage der Kohlensäurebindung im Blute
so komplizierte Verhältnisse dar, daß die sich fast auf ein Jahrhundert
erstreckenden Bemühungen zahlreicher ausgezeichneter Physiologen
nicht ausgereicht haben, um dieselbe völlig zu klären!). Ein Teil der
Kohlensäure findet sich im Blute als Alkalicarbonat und unterliegt als
solches der hydrolytischen Dissoziation nach dem Massenwirkungs-
gesetze: NaCO; + HCO, 2 2NaHCO,. Weiter aber tritt die Kohlen-
säure zum Hämoglobin und zu den Plasmaproteinen in Beziehung. Man
muß sich die Sache etwa so vorstellen, daß die Kohlensäure mit den
Eiweißkörpern von saurem Charakter, sowie mit im Blute zirkulierenden
Säuren (z. B. der Milchsäure) um den Besitz des Blutalkalis konkurriert,
welches nach dem Massenwirkungsgesetze aufgeteilt wird?). Die Sach-
lage erfährt aber eine weitere Komplikation durch den Umstand, daß
die Proteine einen Doppelcharakter von Säuren und Basen tragen
und nicht nur vermöge ihrer Carboxyle Alkalien, sondern auch ter-
möge ihrer Ammoniakreste Säuren, also auch Kohlensäure zu binden ver-
mögen.
Nun schien die Carbaminoreaktion Siegfrieds geeignet, über diesen
Gegenstand Aufschluß zu geben. “Iminosäuren sind befähigt, Kohlen-
säure locker zu binden und Siegfried war, gestützt auf Beobachtungen
an Polvpeptiden und am Blutserum, tatsächlich der Meinung, daß
1) Literatur über die Kohlensäurebindung im Blute: Ch. Bohr, Nagels Handb.
d. Physiol. Bd. I, S. 68—69, 103—117. 1905. — A. Löwy, Handb. d. Biochem.
Bd. 4 (I), S. 55—64. 1908.
2) Vgl. diesbezüglich die neuesten Untersuchungen von Mellanby und Thomas,
Il. of Phys. 54, 32. 1920 und von A. V. Hill, Biochem. Journ. 15, 577. 1921.
C. Ausenda: Carbaninoreaktion der Bluteiweißkörper usw. 189
überall, wo im Organismus Eiweiß mit Kohlensäure zusammentrifft,
eine Bindung der letzteren nach dem Carbaminoschema erfolge’).
Die Carbaminoreaktion Siegfrieds beruht bekanntlich darauf, daß Aminosäuren
bei Gegenwart von Kalk- oder Barythydrat CO, unter der Bildung von Salzen
aufnehmen:
| Se Ja + Con = | NCOOCa + 210.
COOH COOCa
Diese Salze sind nur bei niederer Temperatur in wässeriger Lösung beständig
und werden beim Erwärmen ihrer Lösungen zersetzt:
R_.n/H R—NH,
( " DC00Ca + N,0 = I + CaCO4.
COOCa OOH
Bei dieser Zersetzung wird also die der aufgenommenen Menge CO, äquivalente
Menge CaCO, gebildet. Bei der Ausführung der Methode wird unter wiederholtem
Zusatze von Kalkmilch und unter Kühlung CO, in die wässerige Lösung der Sub-
stanz eingeleitet, abgesaugt und unter Ausschluß atmosphärischer CO, aufgekocht.
Das gebildete CaCO, wird auf einem Goochtiegel gewogen, im Filtrate der N be-
stimmt. Indem man aus den gefundenen Werten für CaCO, und N die molekularen
Mengen und aus diesen den Quotienten EE bildet, erhält man ein Verhältnis,
das anzeigt, auf wieviel N-Gruppen 1 Mol CO, aufgenommen worden ist.
So gut fundiert nun die Beobachtungen Siegfrieds und seiner Mit-
arbeiter in bezug auf freie Aminosäuren und allenfalls auch in bezug
auf Pepton sein mögen, so überaus dürftig erscheint das in bezug auf
native Eiweißkörper diesbezüglich vorliegende Material?):
200 ccm 0,45 proz. dialysierter Serumalbuminlösung wurden unter Kühlung
mit CO, gesättigt. Dann wurde Kalkmilch zugegeben, wieder CO, eingeleitet,
zuletzt mit Kalkmilch und kryst. CaCO, geschüttelt und zentrifugiert. Mittels
Weinsäure konnte aus der Flüssigkeit 0,185 g CO, ausgetrieben werden. Dieses
Ergebnis, meinte Siegfried, spricht deutlich für die Fähigkeit des Scrumalbumins
CO, in Gegenwart von Kalkhydrat zu binden. Allerdings könne der Einwand
nicht ganz zurückgewiesen werden, daß hier Calciumcarbonat kolloid in Lösung
gehalten. wird. Siegfried hält sich aber dennoch für berechtigt, seine Beobach-
tungen an Aminosäuren durch Analogieschluß auch auf die Bluteiweißkörper zu
übertragen. Einige weitere Beobachtungen ganz analoger Art werden in bezug
auf Pferdeserum mitgeteilt: Auch hier wurde das mit CO, und Kalkhydrat behan-
delte, mit Kalkmilch und kryst. CaCO, geschüttelte Serum zentrifugiert und filtriert.
Auch hier konnten stets reichliche Mengen von CO, nach Erwärmen mit Weinsäure
ausgetrieben werden.
Auch die wichtige Frage, ob denn Eiweißkörper auch ohne Gegen-
wart von Alkalien oder Erdalkalien mit CO, C’arbaminosäüren liefern.
1) M. Siegfried gemeinsam mit C. Neumann, H. Liebermann, W. Sulze, Zeitschr.
f. physiol. Chem. 44, 85. 1905; 46, 406. 1905; 5%, 506. 1907; 54, 423. 1908;
58, 84. 1908; 39, 376. 1909. — Berl. Ber. 39, 397. 1907. — Pflügers Arch. f. d.
ges. Physiol. 136, 712. 1909. — Vgl. auch „Über partielle Eiweißhydrolyse“,
Biochemie in Einzeldarst. III, Berlin, Bornträger 1916, S. 20—-23.
3) M. Siegfried, Zeitschr. f. physiol. Chem. 44, 92. 1905.
190 C. Ausenda: Über die Carbaminoreaktion der Bluteiweißkörper
glaubte Siegfried per analogiam lediglich auf Grund von Leitfähigkeits-
bestimmungen an Glykokoll und Alanin bejahen zu dürfen.
Wie berechtigt Zweifel an der Sieg/riedschen Auffassung sind, geht aus den
umfassenden neuesten Untersuchungen englischer Autoren!) hervor: Bucmaster?)
(ebenso wie früher Bohr) ist allerdings der Meinung, daß das Hämoglobin imstande
ist, sich mit CO, direkt zu verbinden und daß der Transport der CO, im Organismus
mittels einer solchen Verbindung erfolgt. Dagegen ist Bayliss®) zur Erkenntnis
gelangt, daß die Proteine bei Reaktionen in der Nähe des Neutralpunktes überhaupt
keine Salze mit Säuren und Basen bilden, weil eine ziemlich hohe Konzentration
von Säure oder Alkali notwendig sei, um die Ringstruktur des in neutraler Lösung
vorhandenen internen Salzes des Proteins zu sprengen. Davis, Haldane und
Kennaway') wiederum halten an der Auffassung fest, daß das Hämoglobin als
polybasischer und polyacider Ampholyt reagiere.
So vermissen wir denn tatsächlich auch heute noch in der physio-
logisch so bedeutsamen Frage der Kohlensäurebindung im Blute den
festen Boden unter unseren Füßen.
Ich bin daher gerne der Aufforderung Otto Fürths nachgekommen,
die Frage experimentell zu prüfen, ob denn die nativen Bluteiweißkörper
tatsächlich imstande sind, Kohlensäure im Sinne der Carbaminoreaktion
Siegfrieds in physiologisch bedeutsamen Mengen zu binden.
Diese Frage erscheint um so aktueller, als Beobachtungen von
Fletcher und Brown?) an Froschmuskeln über die beim Erwärmen
zwischen 40—100° entwickelte Kohlensäure immerhin den Gedanken
nahelegen, daß auch die G@ewebsproteine vielleicht CO, in carbamino-
artiger Bindung festzuhalten vermögen.
2. Versuchsanordnung.
Als Versuchsmaterial diente uns einerseits aus dem Schlachthause
frisch bezogenes Blut und Blutserum, in manchen Fällen auch mensch-
liches Blutserum (aus Aderlaßblut), pleuritisches Exsudat und Ascites-
flüssigkeit, welches letztere Material wir der besonderen Liebenswürdig-
keit Starlingers (Medizinische Klinik Ortner) verdanken.
Abgemessene Mengen (50—200 ccm) wurden nun zunächst nach dem
Vorgange Siegfrieds durch Zusatz von Kalkmilch (oder aber von
Natriumcarbonat oder verdünnter Natronlauge) alkalisch gemacht,
wobei etwas in Pulverform (nicht in alkoholischer Lösung) zugesetztes
Phenolphthalein als Indicator diente. Sodann wurde ein Strom von
CO, bis zum Verschwinden der Rotfärbung eingeleitet, neuerlich Kalk-
1) Vgl. die Literatur bei T. W. Parsons und W. Parsons (Cambridge), Kritische
Studien über den Zustand des Kohlendioxyds im Blute. Diese Zeitschr. 126, 109.
1921.
2) Bucmaster, Journ. of physiol. 51, 105, 164. 1917.
3) Bayliss, Ibid. 53, 162. 1919. i
4) Davis, Haldane und Kennaway, Ibid. 54, 32. 1920.
5) Fletcher und Brown, Ibid. 48, 177. 1914.
und ihre angebliche Bedeutung für den Kohlensäuretransport im Blute. 191
milch zugesetzt und der Vorgang im ganzen 3mal wiederholt. Nun-
mehr wurde durch ein trockenes Faltenfilter filtriert. Die so gewonnene
Flüssigkeit bzw. ein aliquoter Teil derselben wurde auf ihren Gehalt an
freier bzw. gebundener Kohlensäure untersucht. Zu diesem Zwecke
wurde sie in einen mit einem Thermometer versehenen ‚Bestimmungs-
kolben‘ übertragen, durch den mit Hilfe einer Wasserstrahlluftpumpe
ein Strom von (von CO, befreiter) Luft geleitet wurde. Die den Be-
stimmungskolben verlassende Luft wurde durch mehrere Vorlagen
mit abgemessenen Mengen "/,-Barytlösung geleitet, wobei sich die
CO,-Entwicklung durch Abscheidung eines BaCO,-Niederschlages kennt-
lich machte. Nach Abschluß des Versuches konnte durch Titration
nach Cl. Winkler mit Phenolphthalein als Indicator!) die entwickelte
CO, mit für unsere Zwecke ausreichender Genauigkeit ermittelt werden.
Die Versuche wurden in der Regel in zwei Phasen durchgeführt: zu-
erst wurde die Flüssigkeit ca. 1 Stunde auf 70—80° gehalten; sodann
wurde eine 10 proz. Phosphorsäurelösung durch Aspiration in den Be-
stimmungskolben eingebracht und die nunmehr aus gebundener Form
entwickelte CO, bestimmt.
Als sehr wichtige Fehlerquelle bei Versuchen dieser Art, auf welche bereits
Stintzing in Pflügers Laboratorium seinerzeit nachdrücklich hingewiesen hat?),
ist die Anwendung von Gummischläuchen zur Verbindung der Apparatur. Die beim
Durchstreichen heißer Wasserdämpfe aus dem Kautschuk entwickelten CO,-Mengen
sind so beträchtlich, daß die Resultate durch dieselben weitgehend gefälscht und
die Versuche vollkommen unbrauchbar werden. So sahen wir beispielsweise
beim Blindversuche aus dem mit Wasser gefüllten auf 75° 1 Stunde lang erhitzten
Bestimmungskolben sich scheinbar 0,044 g CO, entwickeln, nach einer weiteren
halben Stunde bei 100° aber noch 0,169 g CO,. Wir haben daraus die Konsequenz
gezogen, jeden Kontakt der heißen Dämpfe mit Kautschukschläuchen zu ver-
meiden und nur Glasverbindungen zu verwenden, indem wir die durch kurze dick-
wandige Schläuche zusammengehaltenen Röhren Glas an Glas zusammenfügten.
Zur bequemeren Beurteilung der weiter unten angeführten Versuchs-
resultate führe ich einige Standardzahlen über die Verteilung der CO, im
normalen Säugetierblute aus A. Löwys vortrefflicher Monographie?) an:
Arterielles Blut (mit 30 mm CO,-Spannung) bindet ca. 40 Vol.-% CO, (also
in 100 ccm 40 ccm CO, oder, da Leem CO, bis 0° und 760 mm annähernd 0,002 g
wiegt, 0,080 g CO,). Von diesen 40 Vol.-% sind nur 1,9 Vol.-% physikalisch ab-
sorbiert, 38,1 Vol.-% aber chemisch gebunden. Von diesen 38,1 Vol.-% wiederum
entfallen 18,8 Vol.-% auf Bicarbonat, der Rest, 19,3 Vol.-% auf kolloidale Bindung.
Nach Versuchen von Bohr‘), in denen Blut mit atmosphärischer Luft bei
Zimmertemperatur geschüttelt wurde, sollen ca. 20 Vol.-%, CO, als Bicarbonat
vorhanden sein.
1) Vgl. Treadwell, Lehrb. d. analyt. Chemie, 4. Aufl., Bd. 2, S. 438.
2) R. Stintzing, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 20, 189. 1879 und 23, 151.
1880.
3) A. Loewy, Die Gase des Körpers. Oppenheimers Handb. d. Biochem.
Bd. 4 (I), S. 65. 1911.
4) Vgl. A. Löwy, l. c. S. 59—60.
192 C. Ausenda: Über die Carbaminoreaktion der Bluteiweißkörper
Als ungefähren Durchschnittswert für arterielles Blut gibt Ch. Bohr!) 43,6
Vol Dia, für venöses Blut 50,0 Vol.-°, CO, an.
Bei Beurteilung derartiger Versuche hat man sich ferner vor Augen zu halten,
daß die im Blute als Alkali-Eiweißverbindungen vorhandenen Proteine so schwache
Säuren sind, daß sie bei niederer CO,-Spannung diese aus ihrer Verbindung mit
dem Alkali freimachen. Dagegen ist CO, bei hoher Spannung befähigt, sowohl
die Alkali-Eiweißverbindungen zu spalten, wie auch sich direkt mit Eiweiß zu
verbinden. Das gilt sowohl für die CO,-Bindung im Plasma als in den Blutzellen.
„Das Hämoglobin,“ sagt A. Löwy?), „bindet einerseits als solches CO,, anderer-
seits vermag die CO, das Alkali, mit dem das Hämoglobin des Blutes verbunden
ist, abzuspalten und sich an dieses anzulagern.‘
3. Versuche.
I. Defibriniertes Rinderblut, nativ, 100 cem.
Austreibung des CO, durch 1stündiges Erwärmen auf 70— 80°,
sodann Zusatz von verdünnter H,PO,.
Vergleich der aus dem nativen Blute entwickelten CO,-Menge mit
jener CO,-Menge, welche erhalten wird, wenn man die Gesamtheit
der Blutproteine durch Sättigung mit Ammonsulfat fällt, den Nieder-
schlag durch ein trockenes Faltenfilter abtrennt, sodann mit H,O in
Lösung bringt, diese 8 Tage lang salzfrei dialysiert und schließlich
die Lösung in den Bestimmungskolben bringt.
ir Ct le Vol 21
Natives Blut e, , LIP | 43
i e d Gergen a 0,1167 Mittel 0.093 58 Mittel 46.5
WI WI Sé e e. , 0.079 39.5 |
Ammonsulfatfälune ee, EE 11 |
= 2 222.....0.026 % Mittel 0.028 13 Mittel 14
o III 0087 18.5 |
II. Blutserum, Pleuraexsudat, Ascitesflüssigkeit.
Analog wie I., je 100 cem.
g CO, Vol 2,
Pferdeblutserum, nativ, frisch . . `. 0,030 15
Rinderblutserum, Ammonsulfatfällung . . 0,017 8,5
Ascitesflüssirkeit (mit Chloroformzusatz
konserviert) . . 2... ee (SES, 36
Menschl. Pleuraexsudat, frisch . . . . . 0,108 54
ve e » 2.2.2 , 0,032 e 0,066 16 | a5
s 3 a, .0,059 28.5
Menschl. Pleuraexsudat, Ammonsulfat-
lung... Ka e e ée dee Ol 15.5
Obige für natives Blut gefundene Mittelzahl (46,5 Vol.-%,) stimmt
gut mit dem Bohrschen Mittelwerte (arterielles Blut 43,6, venöses
1) Ch. Bohr, Blutgase und respiratorischer Gaswechsel. In Nagels Handb.
d. Physiol. Bd. 1 (I), 8. 83. 1905.
"1 4. Lowy. l. e. 8.61.
und ihre angebliche Bedeutung für den Kohlensäuretransport im Blute. 193
Blut 50,0) 46,8 Vol.-%, überein. Auch der Mittelwert für die Ammon-
sulfatfällung aus Blut (14 Vol.-%) steht dem Löwyschen Standard-
werte nahe (19,3 Vol.-%, für CO, in kolloidaler Bindung). Wir durften
unseren Vorgang also immerhin für geeignet halten, um uns über die
Art der CO,-Bindung bei unseren weiteren Versuchen ausreichend zu
orientieren.
IH. Versuche mit Aussalzung und Dialyse.
Wir gingen nun weiter zum Zwecke der Prüfung der Siegfriedschen Hypothese
zunächst derart vor, daß wir 100 ccm frisches menschliches Blutserum mit Kalk-
milch versetzten und etwas Phenolphthalein in Substanz hinzufügten. (Der
Zusatz einer alkoholischen Phenolphthaleinlösung muß vermieden werden, da,
Siegfrieds Erfahrungen entsprechend, der Alkohol selbst befähigt ist, CO, in lookerer
Bindung festzuhalten.) Sodann wurde ein Strom von CO, durchgeleitet, bis das
Verschwinden der Rotfärbung den Eintritt saurer Reaktion anzeigte. Dann wurde
wiederum durch Zusatz von Kalkmilch stark alkalisch gemacht, wieder CO, ein-
geleitet und der Vorgang noch ein drittes Mal wiederholt, schließlich durch ein
trockenes Filter über Kieselgur filtriert. Das so erhaltene opalescente Filtrat
wurde in den Bestimmungskolben gebracht unter Durchleitung eines CO,-freien
Luftstromes 1 Stunde lang auf 80° erhitzt. Während des Erhitzens bildete sich
ein Häutchen auf der Oberfläche der Flüssigkeit, während diese eine rote Färbung
annahm. Die CO,-Entwicklung, auf 100 ccm Serum umgerechnet, betrug 0,104 g
CO, = 52 Vol.-%. Die nächstliegende Erklärung dieses Verhaltens ist nun aber
sicherlich nicht die, daß sich CO, in carbaminoartiger Bindung den Eiweißmolekülen
eingefügt habe. Es liegt doch sicherlich viel näher, anzunehmen, daß Ca(OH),
beim Einleiten von CO, als saures Carbonat in Lösung gegangen und daß dieses
sich beim Erhitzen unter Entweichen von CO, und Abscheidung von CaCO,
' Ca(OH 2 H,CO, = Ca H 2 H,O
EES oo = CaCO, on en
Wir konnten über diese Schwierigkeit hinweggelangen und kamen
sicherlich den uns interessierenden physiologischen Verhältnissen
näher, wenn wir zur Herstellung der alkalischen Reaktion, die im
Sinne Siegfrieds die Voraussetzung für die carbaminoartige Bindung
der CO, durch die Eiweißkörper bildet, uns an Stelle der Kalkmilch
einer verdünnten Natriumcarbonatlösung oder einer verdünnten Natron-
lauge bedienten, im übrigen aber wie oben vorgingen. Sodann mußte
aber eine scharfe Sonderung der als Alkalicarbonat vorhandenen und
physikalisch gelösten CO, einerseits, von der an Eiweiß gebundenen CO,
erzielt werden. Wir haben dies durch Ammonsulfatfällung einerseits,
durch Dialyse andererseits bewerkstelligt. In ersterem Falle wurde,
nachdem die rote Phenolphthaleinfärbung 2 mal durch CO, beseitigt
und 2 mal durch Alkalizusatz wieder hervorgerufen worden war, neuer-
lich mit CO, entfärbt und nunmehr mit Ammonsulfat in Substanz
gesättigt. Der Niederschlag wurde auf einem trockenen Faltenfilter
abgetrennt, mit gesättigter Ammonsulfatlösung gewaschen, in aus-
gekochtem H,O gelöst und die Lösung in den Bestimmungskolben
übertragen.
Biochemische Zeitschrift Band 132. 13
194 C. Ausenda: Über die Carbaminvreaktion der Bluteiweißkörper
Oder aber wir haben die mit CO, entfärbte Flüssigkeit ın einem
Pergamentschlauche einer mehrtägigen Dialyse unterworfen, um di
dialysablen Carbonate vollständig zu entfernen.
Wir lassen nunmehr unsere einschlägigen Versuche folgen. Die
Zahlen beziehen sich auf die aus je 100 cem der Flüssigkeit nach
lstündigem Erwärmen auf 70—80° und nach weiterem Zusatze ver-
dünnter Phosphorsäure entwickelte CO,-Menge:
Art des Ent wickelte
angewandten Versuchsmodus CO,
Alkalis eg Vol”,
Ascitesflüssigrkeit vom Menschen NaCO, Ammonsulfatfallung 0,030 15
vn Ee e NaOH H 0,026 13
vu vn ne e Dialyse 0,013 6.5
Pleuraexsudat D D e Ammonsulfatfällung 0,0385 19
nu „ vu NaCO; Dialyse 0.025 12.5
Blutserum 7 e NaOH Ammonsulfatfällung 0,0385 19
Gesamtblut „» Rinde Na,0, u 0.013 6.5
op » Pferde NaOH Kombin. Salzfällung 0.008 4
und Dialyse
D si rinde RS Dialyse 0,017 RA
d vn ve PR Ammonsulfaifallung 0,033 16.5
nu vn op NXa,CO, Dialyse 0033 15
Ein Blick auf obige Resultate belehrt uns darüber. daß selbst die
höchsten der gefundenen CO,-Werte eben an die von A. Löwy (siehe
oben) für die in kolloidaler Bindung befindliche Blut CO, gegebene
Standardzahl (19,3 Vol.-°,,) heranreichen, dieselbe aber niemals über-
schreiten, vielmehr mehrfach weit unter derselben bleiben.
Wir gelangen sonach zu dem Ergebnisse, daß es uns nicht gelungen
ist, durch die abwechselnde CO,- und Alkalibehandlung eine Anreicherung
an kolloidal gebundene CO, zu erzielen. die im Sinne der Stiegfriedsche n
Hypothese als carbaminoartige Bindung der Kohlensäure an Blutproteine
gedeutet werden könnte.
Man könnte uns vielleicht den Einwand machen, die CO, könnte sich immerhin
in carbaminoartizer Bindung den Blutproteinen eingefügt haben, die Bindung
sei aber eine so lockere, daß sie bereits bei Aussalzung oder bei Dialyse aufgehoben
werde. Dem möchte ich entgegenhalten, daß mit einer so lockeren Bindung von dem
uns hier interessierenden physiologischen Standpunkt aus wohl wenig anzufangen
wäre. Gerade bei einem so verwickelten Probleme, wie es die Frage der CO,- Bindung
im Blute und den Geweben ohnehin ist, wird man sicherlich gut tun, sich zunächst
an die greifbaren Beobachtungen zu halten und die Frage nicht durch unkontrollier-
bare Hypothesen noch unnötig weiter zu komplizieren.
IV. Maximales CO,-Aufnahmevermögen des nativen Blutes und Serums.
Wir haben uns schließlich die Frage vorgelegt, ob nicht vielleicht
die native Alkalescenz des Blutes für eine etwaige carbaminoartige
Bindung des CO, günstigere Verhältnisse darbietet, als das durch
und ihre angebliche Bedeutung für den Kohlensäuretransport im Blute. 195
Zusatz von Na,CO, oder NaOH erzeugte stark alkalische Milieu. Wir
haben daher noch folgende Versuche ausgeführt:
Frisches, geschlagenes Rinderblut bez. das zugehörige Serum wurden durch
Einleitung eines CO,-Stromes mit diesem Gase gesättigt und dann 24 Stunden bei
Zimmertemperatur sich selbst überlassen!). Die CO,-Bestimmung ergab sodann
0,248 g CO}, i e. 124 Vol.-%
für 100 cem Rinderblut die Entwicklung von. .{ 0,223 g CO,, i e. 111 ,
0,165 g CO,, i. e. 82,5 „
sn 100 ,„ Rinderblutserum = » + + 0,1368 CO, Le 68 „
Andere Proben wurden ebenso behandelt; wir ließen jedoch vor der Bestim-
mung 2—3 Stunden einen lebhaften Luftstrom durchstreichen. Nunmehr ergab
die Bestimmung nur mehr
für 100 ccm Rinderblut die Entwicklung von. . 0,085g CO,, i. e. 42,5 Vol.-°,
„ 100 ,„ Pferdeblutserum = » - + 0,033g CO,, Le 16,5 ,
Jedoch auch diese viel kleineren Werte erfuhren eine weitere Reduktion,
wenn man das mit CO, gesättigte Blut zunächst einer 1—2 tägigen Dialyse unter-
warf. Nachher ergab die Bestimmung nunmehr die kleinen Werte, wie wir sie stets
zu finden gewohnt waren, sobald wir alle Alkalicarbonate, sei es durch Dialyse,
sei es durch Aussalzung, beseitigt hatten.
Für 100 ccm Rinderblut die Entwicklung von. . 0,037 g CO,, i. e. 18,5 Vol.-%,
„ 100 ,„ zugehöriges Serum ` » . . 0,0228 CO,, Le 11 hy
Wurde die CO, aus dem Blute erst durch einen Luftstrom ausgetrieben und
sodann erst dialysiert, so fand sich nur 0,022 g CO,, i. e. 11 Vol.-%,.
Also nirgends der mindeste Anhaltspunkt dafür, daß die zugeführte
CO, imstande gewesen wäre, sich in dem kolloidalen Gefüge der Serum-
proteine in carbaminartiger Bindung zu verankern.
Wir gelangen daher zu dem Schlußergebnisse, daß die geringen in
kolloidaler Eiweißbindung im Blute nachweisbaren CO,-Mengen, die
sich auch durch Massenwirkung der CO, unter den von Siegfried an-
gegebenen Versuchsbedingungen nicht vergrößern lassen, die Annahme
einer carbaminoartigen Bindung weder erfordern noch rechtfertigen.
Dieselben finden vielmehr in der allgemeinen Vorstellung eine aus-
reichende Erklärung, daß die Eiweißkörper den Doppelcharakter von
Säuren und Basen tragen und nicht nur vermöge ihrer Carboxyle
Alkali, sondern auch vermöge ihrer Ammoniakreste Säuren, also auch
Kohlensäure zu binden vermögen. Inwieweit dabei die in den Eiweiß-
körpern nachweisbaren freien Aminogruppen, inwieweit auch die die
1) P. Bert (vgl. Jahresber. f. Tierchenı. 8, 130. 1878) vermochte durch Schütteln
von Blut, welches 45 Vol.-% CO, enthielt, mit CO, den CO,-Gehalt auf 160 Vol.-°%%
zu steigern. Dabei berechnete er die Menge einfach absorbierter CO, für die be-
treffende Versuchstemperatur zu 90%, (den Absorptionskoeffizienten des Blutes
gleich dem des Wassers gesetzt), derart, daß also 70 Vol.-°., für chemische Bindung
verblieben. Zuntz sah bei einer CO,-Spannung von 372 mm Hg und 0° 100 cem
Blut 122ccm CO, binden, Setschenow bei 15° und 361 mm Hg CO,-Spannung
95 ccm CO, (vgl. A. Löwy, l. c. S. 56).
13*
196 C. Ausenda: Über die Carbaminoreaktion der Bluteiweißkörper usw.
polypeptidartige Bindung der Aminosäuren innerhalb der Eiweiß-
moleküle vermittelnden Iminogruppen beteiligt sind, entzieht sich
einstweilen unserer Beurteilung.
Zusammenfassung.
Siegfried hat seinerzeit, gestützt auf Beobachtungen an Amino-
säuren und Polypeptiden, die Meinung vertreten, daß überall dort,
wo im Organismus Eiweiß mit Kohlensäure zusammentrifft, eine lockere
Bindung des letzteren nach dem Schema der Carbaminoreaktion
erfolgt.
NZ ` wc
I NH+C0,= | NCOOH.
COOH COOH
Eine Reihe von Versuchen an Blut, Blutserum, Pleura- und
Ascitesflüssigkeit, wobei analog wie bei den Versuchen Siegfrieds
eine Massenwirkung der Kohlensäure in einem durch Anwesenheit
von Kalkmilch, Natriumcarbonat oder Natriumhydroxyd alkalisierten
Medium zur Geltung kam, haben für die physiologische Berechtigung
der Siegfriedschen Hypothese keinerlei Anhaltspunkte erbracht. Denn
sobald die Blut- oder Serumkolloide durch Neutralsalzfällung oder durch
Dialyse von dem Medium der anorganischen Blutbestandteile in mög-
lichst schonender Weise abgetrennt worden waren, erwies sich die
an dieselben verankerte (durch Wärmekoagulation oder durch Mineral-
säure austreibbare) Kohlensäuremenge niemals größer als dem nor-
malen physiologischen Gehalte des Blutes an kolloid gebundener
Kohlensäure entspricht.
Hippursäure und Harnstoff als Nährsubstanzen für Pflanzen.
Von
Th. Bokorny.
(Eingegangen am 21. Mai 1922.)
Da diese beiden Stickstoffsubstanzen so häufig zur Stickstoff-
ernährung der grünen Pflanzen, letzterer auch von Pilzen, wie Hefe,
angewendet werden, dürften einige Versuche über das ernährungs-
physiologische Verhalten dieser beiden Stoffe von Interesse sein.
' Frühere experimentelle Ergebnisse und theoretische Betrach-
tungen ließen mir die Hippursäure gegenüber dem Harnstoff als Pflanzen-
nahrung zweiten Ranges erscheinen, bei deren Gebrauch durch die
Pflanzen ein schädliches oder unnützes Nebenprodukt (Spaltungs-
produkt) auftritt. Denn die Verwendung der Hippursäure in der
Pflanze kann nicht anders geschehen als unter Abspaltung von Benzoe-
säure, welche schädlich wirken kann oder doch unnütz ist, da sie von
der Pflanze nicht assimiliert wird. Bei der Verwendung der Hippur-
säure in der Pflanzenzelle ist eine Spaltung folgender Art anzunehmen
(ähnlich wie durch Fermente): 1 Mol. Hippursäure = 1 Mol. Benzoe-
säure + 1 Mol. Glykokoll. Das Glykokoll wird als Stickstoff- und
Kohlenstoffquelle weiter verwendet, während die Benzoesäure wohl
unbenutzt liegen bleibt. Nach den bisherigen Feststellungen können
nur einige Bakterien und Schimmelpilze die Benzoesäure als C-Quelle
verwenden. Angehäuft wirkt sie schädlich ein. Das Glykokoll ist
nachweislich für grüne Pflanzen ebenso wie für Pilze auch eine Kohlen
stoffquelle, nicht nur Stickstoffnahrung.
Um die Minderwertigkeit bzw. Schädlichkeit der Hippursäurc
nachzuweisen, wurden vom Verfasser Versuche an Topfpflanzen wie
auch an Keimpflanzen, letztere in der Keimschale, bei Ausschluß von
Erde, angestellt, immer wurden daneben Versuche mit Harnstoff
unter ganz gleichen Bedingungen gemacht. Einige Versuche wurden
auch mit Benzoesäure, dem einen Spaltungsprodukt der Hippursäure,
vorgenommen. Die Versuche in der Keimschale ohne Erde ergaben
den erwarteten Unterschied zwischen Hippursäure und Benzoesäure
sehr deutlich, die Topfversuche weniger deutlich, was wohl so zu er-
klären ist, daß durch die Bodenmikroorganismen eine Spaltung der
198 Th. Bokorny::
Hippursäure und Assimilation der Benzoesäure herbeigeführt wird;
denn im Boden sind Schimmelpilze und Bakterien vorhanden, von
denen wohl die eine oder andere Art zur Assimilation von Benzoesäure
befähigt ist. Würde die Hippursäure unverändert in den Organismus
der angebauten grünen Pflanze gelangen, so würde sie dort — wie
aus den später angeführten Versuchen in der Keimschale mit verschie-
denen Keimlingen hervorgeht — leicht Schaden anrichten.
Mißlich war bei den Hippursäureversuchen, daß diese Stickstoff-
substanz nur in relativ geringem Grade in Wasser löslich ist (ca. 0,17%).
Ich versuchte die Löslichkeit durch Zusatz von etwas Dinatrium-
phosphat zu erhöhen, was auch bis zu einem gewissen Grade gelang.
Der Einfluß des Dinatriumphosphates (0,1%) auf die Pflanzen mußte
durch Parallelversuche ermittelt werden. Es gelang mit Hilfe von
Dinatriumphosphat Hippursäurelösungen von 0,358% herzustellen,
das ist mehr als genügend, um eine schädliche Wirkung der Hippur-
säure darzutun.
Harnstofflösungen können wohl auch schädlich auf Keimlinge ein-
wirken, aber nicht direkt (außer in sehr hoher Konzentration), sondern
durch Ammoniakgärung; das Ammoniak ist, wie Verfasser schon früher
gezeigt hat, sehr schädlich für alle Pflanzenzellen (Einwirkung basischer
Stoffe auf Keimpflanzen, Zentralbl. f. Bakteriol., Parasitenk. u. Infek-
tionskrankh., Abt. I Orig., 32. 1912). Es wurden damals Keimversuche
mit verschiedenen Samen (Gerste, Weizen usw.) in 0,02, 0,05, 0,1 und
0,2 proz. Lösungen von Ammoniumhydroxyd angestellt. Nur in 0,02 proz.
Lösung des Ammoniumhydroxydes ging die Keimung noch etwas vor
sich bei den sämtlichen angewendeten Samen, sie blieb aber weit hinter
der des gleichzeitig aufgestellten Kontrollversuches zurück. Bei allen
anderen Versuchen war von einer Keimung überhaupt nichts zu be-
merken. Die Gerste wollte sogar bei 0,02%, NH, OH nicht mehr recht
keimen (binnen 3 Tagen), während die Weizenkörner etwas besser
auskeimten, aber doch hinter dem Kontrollversuche auch weit zurück-
blieben.
Bei allen derartigen Versuchen ist methodisch noch folgendes zu
bemerken:
Das von dem Fließpapier in der Keimschale aufgesaugte Wasser
(die Lösung) ist bei Anwendung recht ’verdünnter Lösungen wie 0,1°%
oder weniger leicht unzureichend, um den Keimlingen ausreichende
Quantitäten des auf seine Giftwirkung zu prüfenden Stoffes zuzu-
führen. Man erhält dann keine zutreffende Antwort auf die durch
den Versuch gestellte Frage, da die Giftquantität nicht ausreicht, um
sämtliche Keimlinge abzutöten.
Angenommen, es soll festgestellt werden, ob 0,05 proz. Natron-
wasser (NaOH) noch schädlich auf Weizenkeimlinge einwirkt, die
Hippursäure und Harnstoff als Nährsubstanzen für Pflanzen. 199
Keimung verhindert oder hemmt. Zur völligen Durchtränkung des
in die Keimschale eingelegten Fließpapiers würden 25 ccm der Lösung
ausreichen. Wendet man nur diese Menge Lösung und sät 30 Weizen-
körner in die Schale, so treffen auf ca. 1,5 g lebende Pflanzensubstanz
0,0125 g NaOH. Das ist, da 10 g lebende Hefe erst durch Anwen-
dung von 0,l g NaOH (in 0,i proz. Lösung) völlig abgetötet werden
können (Verfasser in ‚„Quantitätswirkung der Gifte“, Pflügers Arch.
f. d. ges. Physiol. 111. 1908), höchstens noch eben ausreichend, aber
wahrscheinlich schon etwas zu wenig, um auf alle Keimlinge einzu-
wirken. Man wird also besser die Kubikzentimeterzahl verdoppeln;
dies würde kaum mehr ausreichen, wenn man 0,025 proz. Natronwasser
prüfen wollte usw. Bei sehr hoch verdünnten Lösungen wird man
also bis 100 ccm Lösung und mehr zum Befeuchten des Fließpapiers
in der Keimschale anwenden müssen, was natürlich (bei nicht sehr
großen Keimschalen) eine Überschwemmung der Samen zur Folge hat.
Das hat übrigens meistens nichts auf sich, da die Samen — wenigstens
in den ersten 14 Tagen der Keimung — einen Überfluß an Wasser
leicht ertragen. |
Wie sehr man getäuscht werden kann, wenn man auf den Punkt
„quantitative Wirkung der Gifte“ nicht Rücksicht nimmt, davon
kann sich jedermann leicht überzeugen. Man mache z. B. folgenden
einfachen Versuch:
a) 10g frische Preßhefe werden mit 50 ccm einer 0,05 proz. Sublimatlösung
übergossen. Nach 24 Stunden ist die Vermehrungsfähigkeit der Hefe verschwunden.
b) 10g frische Preßhefe werden mit 20 ccm einer 0,05 proz. Sublimatlösung
gemischt. Nach 24 Stunden ist auch hier die Vermehrungsfäbigkeit der Hefe
verschwunden.
c) 10 g frische Preßhefe werden mit 10 ccm einer 0,05 proz. Sublimatlösung
gemischt. Nach 24 Stunden ist hier die Vermehrungsfähigkeit der Hefe zum Teil
noch vorhanden.
Also kommt es auf die Quantität des Giftes an. An eine Vermin-
derung oder Aufhebung der Giftwirkung durch Verdünnung mit dem
Wasser der 'Preßhefe ist nicht zu denken, da das Sublimat noch bei
viel größeren Verdünnungen als 0,05%, tödliche Wirkung auf lebende
Zellen ausübt.
Im allgemeinen darf man bei Keimversuchen rechnen, daß 1g
Gift pro 100 g Samen, oder 0,01 g pro l g Samen ausreicht, um die
gesamte Keimung zu hindern.
Nach diesen einleitenden Bemerkungen sollen nun die einzelnen
Versuche über Hippursäure und Harnstoff angeführt werden. Die-
selben wurden unter finanzieller Beihilfe der /agor-Stiftung, Berlin,
ausgeführt, deren Kuratorium hiermit ergebenster Dank für die wohl-
geneigte Förderung meiner Arbeiten ausgesprochen sci.
200 Th. Bokorny:
Versuche in Töpfen mit grünen Kulturpflanzen.
Versuch 1: Harnstoff als N-Quelle. 15 Töpfe mit je 1 kg Topferde und je
7 Pflanzen (Inkarnatklee).
Topferde mit
Monokaliphosphat . . . . 0,0125°,
Magnesiumsulfat . . . . . 0,025 9%,
Harnstoff -. . . . 2... 0,0375 ,„, (0,0175 Stickstoff)
Kaliumsulfat . . .... 0,025 „
Gips . 2 2.2.20. °..0025 „
Nach 3 Monaten (20. VII. bis 20. X.) wurden die Pflanzen herausgenommen,
die Wurzeln von Erde befreit und frisch gewogen, dann getrocknet.
Die Frischgewichte ergaben zusammen (von 15:7 Pflanzen). 872,4 g
Die Trockengewichte ergaben zusammen (von 15-7 Pflanzen) 171,3 „
Durchschnittsgewich# von 1 Pflanze frisch) . . . 2.2... 831g
Durchschniütsgewicht von 1 Pflanze trocken) . .. " ’ 2... 1,63 „
Versuch 2: Hippursäure als N-Quelle. 15 Töpfe mit je 7 kg Topferde und je
7 Pflanzen (Inkarnatklee).
Topferde mit
Monokaliphosphat . . . . 0,0125%
Magnesiumsulfat `, . . . . 0,025 „
Hippursäure. . . .... 0,225 ,„ (== 0,0175 Stickstoff)
Kaliumsulfat . . .... 0,025 ,„
GIP g A i ae ee 0,025 „
Nach 3monatlichem Wachstum wurde die Ernte gewogen.
Die Frischgewichte ergaben zusammen. . . 2 2 2 22220. 831.9
Die Trockengewichte ergaben zusammen ...... 0.0... 150,6
Die Ernte war also hier etwas geringer als in der Harnstoffversuchsreihe.
Durchschnittsgewicht von 1 Pflanze (frisch) ... . 2.2... 7,72 g
Durchschnittsgewicht von 1 Pflanze (trocken) - » » .: 2... 1,43 .„,
Versuch 3: Harnsäure als N-Quelle. 15 Töpfe mit je 1 kg Topferde und je
7 Pflanzen,
Topferde mit
Monokaliphosphat . . . . 0,0125%,
Magnesiumsulfat . . . . . 0,025 ,„
Harnsäure . .... . . 0,055 „ (= 0,01835 Stickstoff)
Kaliumsulfat . . .... 0,025 „
Giph ne een ..0,025 „
Nach 3 Monaten:
Durchschnittsgewicht von 1 Pflanze frisch) `, 7.93 g
Durchschnittsgewicht von 1 Pflanze (trocken) .. 2: 2.2.2... 1,46 „
Versuch 4: Kontrollversuch ohne Stickstoffzusatz. 15 Töpfe mit je 1 kg Topf-
erde und je 7 Pflanzen.
Topferde mit
Monokaliphosphat . . 2.2. 2 2 2 2 nn. 0,0125°,
Magmesiumsulfat . . 2 2 2 2 2 2 2 nen 0,025 „
Kaliumsulfat 2 2 2 2 oo ne. 0,025 „
SHEET a E er e 0,025 „
Nach 3 Monaten;
Durchschnittsgewicht von 1 Pflanze (frisch) . . . » 2.2... Gig
Durchschnitsgewicht von 1 Pflanze (trocken) `, 1.40 ,
Hippursäure und Harnstoff als Nährsubstanzen für Pflanzen. 201
Der Ausschlag dieser Versuche ist zwar zugunsten des Harnstoffes
eingetreten, aber doch nur in so geringem Grade, daß man kaum ein
größeres Gewicht darauf legen kann.
Versuche mit Keimpflanzen ın der Keimschale ohne Erde (Rotkohl, Lein,
Inkarnatklee, zum Teil Weizen).
Die Menge der Lösung wurde immer so gewählt, daß sie zur völligen
Abtötung der Samen bzw. Keimlinge ausreichen mußte, wenn sie über-
haupt giftig wirkte.
A. Das Filtrierpapier in der Keimschale mit 1 proz. Harnstofflösung getränkt.
5 Schalen.
Die Keimung trat ein, kam aber nach einigen Tagen zum Stillstand, vermut-
lich weil inzwischen die Ammoniakgärung des Harnstoffes eingetreten war, wie
aus dem ammoniakalischen Geruch und der alkalischen Reaktion der Flüssigkeit
hervorging.
Da eine direkt schädliche Wirkung des Harnstoffes in 1 proz. Konzentration
wohl kaum denkbar ist, so muß — in Anbetracht des ammoniakalischen Geruches
der Reaktion der Flüssigkeit — an eine schädliche Wirkung des Ammoniaks
gedacht werden, welches in der Keimschale durch ammoniakalische Harnstoff-
gärung entstanden war. `
B. Das Filtrierpapier in der Keimschale mit 0,5 proz. Harnstofflösung getränkt.
5 Schalen.
Hier verhielt sich es ähnlich wie bei Versuch A.
C. Das Filtrierpapier in der Keimschale mit 0,25 proz. Harnstofflösung getränkt.
5 Schalen.
Auch hier waren die Erscheinungen ähnlich wie bei Versuch A, wenn auch
die Keimung teilweise weiter fortschritt.
Daß auch bei dieser Verdünnung noch schädliche Einwirkung stattfindet,
hatte ich nicht erwartet. Freilich zu verstehen ist dieselbe schon, wenn freies
Ammoniak oder kohlensaures Ammoniak gebildet wurde, jedenfalls schon außer-
halb der Wurzeln (durch den Erreger der Harnstoffgärung). Kleine Quantitäten
Ammoniak genügen ja schon, um die schädliche Wirkung hervorzurufen.
. D. 0,05% Harnstoff. 5 Schalen.
Die Keimung trat beim Weizen normal ein. Rotkohl keimte lang-
sam aus, blieb aber dann in der Entwicklung zurück. Der Rotkohl
scheint also noch empfindlicher gegen Ammoniak zu sein als Weizen.
Bei der Spaltung des Harnstoffes in Ammoniak und Kohlensäure:
CO(NH,), + H,O = CO, + 2NH,, entstehen aus 60 Gewichtsteilen
Harnstoff 34 Gewichtsteile Ammoniak, also 56,6%. Eine 0,05 proz.
Harnstofflösung würde bei vollständiger Spaltung eine 0,028 proz. Am-
moniaklösung liefern; das würde zur schädlichen Wirkung hinreichen.
Denn nach meinen früheren Versuchen (B. Einwirkung einiger basischer
Stoffe auf Keimpflanzen, Zentralbl. f. Bakteriol., Parasitenk. u. Infek-
tionskrankh., Abt. I Orig. 1912) wird durch 0,05proz. Ammoniak die
Keimung von Kressensamen unterdrückt, durch 0,01 proz. merklich
verlangsamt.
202 Th. Bokorny:
Die beiden folgenden Versuche sind mit antiseptischen Kautelen
angestellt worden, um die Harnstoffgärung zu verhindern, durch
welche Ammoniakvergiftung eintreten konnte. |
E. Keimschale und Deckel sowie Filtrierpapier wurden mit kochend heißem
Wasser sterilisiert. Die 20 Gerstensamen wurden mit warmem Alkohol (95 proz.)
l Minute lang geschüttelt (siche auch Bokorny, Einige orientierende Versuche
über die Behandlung der Samen mit Giften zum Zwecke der Desinfektion. Diese
Zeitschr. 62, H. 1 u. 2. 1914), dann mit heißem, sterilem Wasser rasch gewaschen
und in die Keimschale gebracht, endlich mit durch Hitze sterilisierter 7 proz.
Harnstofflösung übergoss>n (80 ccm auf 20 Samen).
Nach 2 Tagen wurden die Wurzelspitzen sichtbar, nach 3 Tagen waren die
Wurzeln bis zu l cem lang. Nach 5 Tagen waren die Wurzeln bis 2!/,cm, die
oberirdischen Teile bis Lem lang, durchaus normal; nirgends war Bakterien- oder
Schimmelentwicklung zu bemerken; nach 6 Tagen erreichten die oberirdischen
Triebe eine Länge von 2cm, die Wurzeln eine solche von 3!/ cm usw. Die Ent-
wicklung nahm einen durchaus normalen Verlauf; nirgends stellten sich Erkrarn-
kungszeichen ein. Nach 7 Tagen Pflanzen bereits 6cm hoch, aber doch etwas
gegen F. zurück. Ä
F. Ebenso wie E., nur 0,5 proz. Hurnstofflösung (statt 1 proz.).
Auch hier wurden nach 48 Stunden die ersten Wurzeln sichtbar,
nach 72 Stunden erreichten sie bereits eine Länge von l em. Auch
die weitere durchaus günstige Entwicklung stimmte mit der von Ver-
such E überein. Nach 7 Tagen Pflanzen bereits 8cm hoch, etwas
gegen E voran.
Durch Ausschluß von harnstoffzersetzenden Pilzen, speziell von
Bakterien der ammoniakalischen Harnstoffgährung, kann man also
aufs klarste zeigen, daß der Harnstoff selbst in der Konzentration 1°,
für Keimlinge vollständig unschädlich ist. Selbstverständlich tritt dabei
eine ernährende Wirkung ein, in dem der eingedrungene Harnstoff
mit den im Keimling anwesenden Kohlenhydraten zusammen Eiweiß
gibt. Wenn also bei Harnstoffernährungsversuchen jemals ein Absterben
oder eine Erkrankung eintritt, so ist das auf die so leicht erfolgende
Ammoniakgärung des Harnstoffes zurückzuführen.
G. Das Filtrierpapier in der Keimschale wurde mit 1 proz.!) Hippur-
säurelösung getränkt. Fünf Schalen.
Nach 8 Tagen war noch nirgends Keimung zu bemerken. Auch nach 14 Tagen
nicht. Nach 20 Tagen ebenfalls nicht.
Dagegen machten sich allmählich Schimmelräschen bemerkbar, die
nach 20 Tagen in großer Menge vorhanden waren und einen Durch-
messer bis zu !/, cm aufwiesen. Dieselben waren nicht bloß in nächster
1) Die l proz. Hippursäurelösung wurde mit heißem Wasser hergestellt und
dann 30° warm in die Schale gebracht. Natürlich schied sich, da die Hippursäure
in kaltem Wasser nicht so stark löslich ist, ein Teil als Krystalle ab, so daß die
Lösung in Wirklichkeit schwächer zur Einwirkung gelangte. Dasselbe gilt auch
bis zu einem gewissen Grade noch von den Hippursäurclösungen 0,5 und 0,25 proz.
Versuch H u. Du
Hippursäure und Harnstoff als Nährsubstanzen für Pflanzen. 203
Nähe der Samen, sondern in gleicher Größe und Häufigkeit auch ent-
fernt davon wahrzunehmen. Es machte fast den Eindruck, als ob die
Hippursäure selbst den Schimmelpilzen zur Nahrung gedient hätte,
nicht bloß die aus den Samen ausgeschwitzten Stoffe.
H. Das Filtrierpapier in der Keimschale wurde mit 0,5 proz. Hippur-
säurelösung getränkt. Fünf Schalen.
Einige Samen keimten aus, hörten aber dann bald auf zu wachsen. 3 Kohl-
pflänzchen erreichten eine Höhe von 1—1!/,cm (im aufrechten Stengel). Bald
wucherte eine Schimmelvegetation in der Lösung empor, während die Keimlinge
eingingen. Die schädliche Wirkung der Hippursäure war offenbar.
Besonders rasch hörten die Wurzeln zu wachsen auf. Sie sind es
ja auch, welche zuerst den Angriff der Hippursäure zu bestehen haben,
da sie die Lösung zuerst aufsaugen. Von da gelangt die Lösung erst
in die Stengel- und Blatteile, natürlich schon etwas verdünnter, da die
Wurzeln etwas von der Hippursäure festhalten.
I. Das Filtrierpapier in der Keimschale wurde diesmal mit 0,25 proz.
Hippursäurelösung getränkt. Fünf Schalen.
Keimung trat ein, kam aber nach einiger Zeit zum Stillstand. Also wiederum
schädliche Wirkung der Hippursäure.
K. 0,05 proz. Hippursäurelösung. Fünf Schalen.
Die Keimung trat normal ein. Nach 6 Tagen waren die Wurzeln
der Getreidesamen schon bis 211. cm lang geworden, die Keime bis
2!’, cm hoch. Auch Rotkohl war gut ausgekeimt.
Allem Anschein nach ist diese Verdünnung nicht mehr schädlich,
was sicher mit der großen Verdünnung der bei der Hippursäurespaltung
entstehenden Benzoesäurelösung zusammenhängt. Die Benzoesäure
wirkt schon bei einer Verdünnung von 0,05%% nur mehr schwach schäd-
lich (siehe Versuch N dieser Versuchsreihe). Insbesondere das dauernd
vortreffliche Wachstum der Wurzeln, die doch die Hippursäurelösung
zuerst aufsaugten, ließ die Unschädlichkeit erkennen.
Um die Wirkung des einen Spaltungsproduktes der Hippursäure,
der Benzoesäure, zu ersehen, wurden noch folgende Versuche in der
gleichen Weise wie bisher gemacht.
L. Das Filtrierpapier in der Keimschale wurde mit 0,2 proz. Benzoe-
sdurelösung getränkt. Fünf Schalen.
Nach 18 Tagen war noch keinerlei Keimung eingetreten. Kohl wie Klee und
Lein waren alle ungekeimt. Nirgends waren auch nur die ersten Spuren einer
Auskeimung zu erkennen.
Kein Schimmel, keine Bakterien in der Keimschale. Auch nach 4 Wochen
keinerlei Wachstum.
0,2 proz. Benzoesäure scheint also kräftig antiseptisch zu wirken.
Sonst würden, wenn auch die Benzoesäure selbst nicht als Kohlen-
stoffquelle (bei dieser Konzentration) dienen konnte, doch wenigstens
auf Kosten der Nährstoffe aus den Samen, die durch das Absterben
204 Th. Bokorny:
derselben zum Austritt gelangten, Pilze irgendwelcher Art, am ehesten
wohl Schimmelpilze, gewachsen sein.
M. Das Filtrierpapier in der Keimschale wurde diesmal mit 0,08 proz.
Benzoesäure!) getränkt. Fünf Schalen.
Nach 18 Tagen keine Spur einer Keimung, weder am Klee noch am Rotkohl
noch am Lein zu erkennen. Auch nach 4 Wochen keine Keimung.
An 2 Stellen des Filtrierpapiers waren grüne Schimmelrasen gewachsen.
Somit wirkt schon 0,08 proz. Benzoesäurelösung nicht mehr absolut
pilztötend. Schimmelpilze kommen trotz ihrer Anwesenheit auf, wenn
auch nicht sogleich, sondern nur sehr langsam. Die Nährstoffe für das
Wachstum der Schimmelrasen waren jedenfalls von den absterbenden
Samen geliefert worden.
N. Das Filtrierpapier in der Keimschale wurde mit 0,05 proz. Benzoe-
säure getränkt. Fünf Schalen.
Nach 18 Tagen waren die meisten Samen ausgekeimt; Keimstengellänge bis
6cm. Immerhin aber war eine Verzögerung gegenüber dem Kontrollversuch zu
bemerken.
Damit ist die Grenze erreicht, bei welcher die freie Benzoesäure
noch schädliche Wirkung äußert; eben ist noch eine Verzögerung
des Wachstums zu bemerken. Es steht diese Beobachtung im Ein-
klang mit der Feststellung von R. Koch, wonach 1 : 2867 die Ent-
wicklung von Milzbrandbazillen in frisch infiziertem Fleischwasser
behindert, 1 : 4020 aber nicht mehr.
O. Das Filtrierpapier in der Keimschale wurde mit Brunnenwasser
getränkt. Fünf Schalen.
Schon binnen 3 Tagen war Keimung zu bemerken. Nach 18 Tagen Keim-
stengel bis 10 cm lang.
Im Vergleich mit Versuch N (0,05proz. Benzoesäure) ist hier ein
etwas stärkeres Wachstum zu bemerken gewesen.
Folgende Keimversuche wurden mit Lösungen der Hippursäure und
des Harnstoffes von gleichem Stickstoffgehalt angestellt.
GH, - CO - NHCH, - CO,H CO(NH,),
179 = Molekulargewicht der Hippursäure, 179 Gewichtsteile der Hippursäure
enthalten 14 Gewichtsteile N. 60 = Molekulargewicht des Harnstoffs, 30 Gewichts-
teile Harnstoff enthalten 14 Gewichtsteile N.
Eine 0,179 proz. Lösung von Hippursäure enthält also ebensoviel Stickstoff
wie eine 0,03 proz. Lösung von Harnstoff, nämlich 0,0149% Stickstoff.
Da die Hippursäure in kaltem Wasser schwer löslich ist (1 : 600, d. i. 0,166°,, 2).
so setzte ich dem Wasser etwas Dinatriumphosphat zu, um die Löslichkeit zu
1) Nach meiner frühtren Arbeit „Pilzfeindliche Wirkung chemischer Stoffe‘*
im Zentralbl. f. Bakteriol. usw. 37. 1913 jst schon 0,1% freie Benzoesäure aus-
reichend, um die Gärung der Bierhefe cine Woche lang (länger wurde nicht be-
obachtet) vollkommen hintanzuhalten.
2) Nach Angaben in der chemischen Literatur. In Wirklichkeit ist sie etwas
stärker löslich.
Hippursäure und Ilarnstoff als Nährsubstanzen für Pflanzen. 205
erhöhen. Alle Lösungen wurden mit Brunnenwasser (in Ermangelung von Aq.
dest.) gemacht.
Die zuerst hergestellte 0,179 proz. Hippursäurelösung (ohne PO,Na,H) schied
beim Erkalten keine Krystalle aus. Sie bedurfte also keines Zusatzes.
Hingegen setzte 0,358proz. Hippursäurelösung beim Erkalten
Krystalle ab. Ein Zusatz von 0,1%, PO,Na,H verhinderte diese Aus-
scheidung. Hingegen stellte sich bei 6 Wochen langem Stehen der
phosphathaltigen Lösung ein anderer Mißstand ein. An der Oberfläche
der Lösung hatte sich ein Schimmelrasen (Penicillium) gebildet, ein
Zeichen, daß der Schimmelpilz die Hippursäure nicht bloß als N-,
sondern auch als C-Nahrung verwenden kann. Letzteres, die Verwen-
dung als C-Nahrung ist bei Hefe z. B. nicht möglich, wie auch bei
den meisten übrigen Pflanzenorganismen nicht.
0,719proz. warm hergestellte Hippursäure schied beim Erkalten
EEN großen Teil ihrer Hippursäure in Krystallen aus. Ein Zusatz von
OI, PO,Na,H bewirkte nur eine Verminderung der Ausscheidung.
Starke Schimmelrasen traten auch hier in der phosphathaltigen Lösung
auf. Zum längeren Aufbewahren eignet sich also diese wie auch die
0,358 proz. Hippursäurelösung mit Phosphatgehalt nicht; die phos-
phatfreien Lösungen zeigen nur geringen Schimmelansatz.
Da die Pilze zum Wachstum auch K-, Ca-, Mg-, S-Verbindungen
nötig haben, müssen diese Stoffe als Verunreinigung vorhanden ge-
wesen sein (Ca und Mg hinreichend im Wasser).
Versuch 1 (mit Weizen und Hafer):
Hippursäurelösung!) 0,179 proz. (mit 0,014°,, Stickstoff).
Nach 4 Wochen waren die Weizen- und Haferkörner meist verschimmelt.
Die Keimung war meist in den ersten Anfängen stehengeblieben, nirgends waren
die Wurzeln über !/,—1 cm hinausgewachsen; die oberirdischen Teile waren nur
in 3 Fällen 5cm lang geworden, sonst nur wenige Millimeter, wenn überhaupt
gewachsen.
ereuch 2 (mit Weizen und Hafer):
Harnstoff!)lösung 0,03 proz. (mit 0,01495 Stickstoff).
Nach 4 Wochen waren bei Weizen 100% der Körner, bei Hafer (ältere Ware)
60°% ausgekeimt; die oberird'schen Teile hatten eine Höhe von 5—10 cm erreicht.
Keine Pilze, alle Keimlinge gesund mit langen Wurzeln (bis 10cm und mehr).
Der erwartete Unterschied ist deutlich hervorgetreten. Hippursäure von
0.17929% wirkt schädlich, Harnstoff von 0,03% nicht.
Versuch 3 (mit Weizen, Gerste, Rotkohl, Hirse):
Hippursäure!)lösung 0,0895 proz. (mit 0,0079, Stickstoff).
Nach 8 Tagen Keimung normal, wie beim Kontrollversuch. Nach weiteren
3 Tagen ebenso, Weizen bis 16cm hoch.
1) Die Gesamtmenge der Lösung wurde immer so gewählt, daß sämtliche
Samen in allen ihren Geweben von einer zu eventueller Schädigung genügenden
Menge des Harnstoffs und der Hippursäure umgeben waren; also mindestens
50 ccm Lösung (0,0895 g Hippursäure oder 0,015 g Harnstoff) pro 30 Samen
(15 Weizen- und 15 Haferkörner, zusammen 1,3 g). Sonst konnten Irrtümer unter-
laufen,
206 Th. Bokorny:
Hippursäurelösung von 0,007%%, Stickstoffgehalt wirkt also nicht mehr schäd-
lich, während die mit 0,014°, Stickstoff noch entschieden schädlich auf die ge-
nannten Säuren cinwirkt.
Versuch 4 (mit Weizen, Gerste, Rotkohl, Hirse):
Harnstofflösung 0,015 proz. (mit 0,007°, Stickstoff).
Nach 8 Tagen Keimung normal wie beim Kontrollversuch (8). Nach weiteren
8 Tagen ebenso, Weizen bis 18 cm hoch. Keine Pilze Keine alkalische Reaktion,
Flüssigkeit neutral.
Die Harnstofflösung mit 0,015% Stickstoffgehalt hatte also, wie nach dem
Ausfall des Versuches 2 zu erwarten war, keine nachteilige Einwirkung auf die
Keimung der Samen geäußert.
Versuch 5 (mit Weizen, Gerste, Rotkohl, Hirse):
Hippursäure')lösung 0,358 proz. (mit 0,028° Stickstoff).
Nach 8 Tagen war dir ganze Lösung mit Schimmelräschen durchsetzt. Nur
l Weizenkorn hatte einen oberirdischen Trieb hervorgebracht, die Wurzeln dieses
Keimlings waren verkümmert. Die übrigen Samen hatten nicht gekeimt. Nach
weiteren 8 Tagen Verpilzung noch weiter vorgeschritten; der lebend gebliebene
Weizenkeimling war 10 cm hoch geworden, die Wurzeln desselben waren bis 5 cm
lang geworden. Reaktion der Flüssigkeit schwach alkalisch.
0,358 proz. Hippursäurelösung mit 0,028°, Stickstoff wirkt also sehr schädlich
auf die Keimung der Samen ein.
Versuch 6 (mit Weizen, Gerste, Rotkohl, Hirse):
Harnstofflösung 0,06 proz. (mit 0,028%, Stickstoff).
Nach 8 Tagen Keimung normal wie beim Kontrollversuch. Nach weiteren
8 Tagen ebenso, Weizen bis zu 18 cm hoch, keine Pilze. Flüssigkeit reagierte mit
empfindlichen Lackmuspapier schwach alkalisch.
Welcher Unterschied gegen die Hippursäurelösung mit gleichem N-Gehalt
Versuch 7 (mit Weizen, Gerste, Rotkohl, Hirse):
Dinatriumphosphatlösung 0,1 proz.
Nach 8 Tagen war die Keimung des Weizens noch weiter vorgeschritten als
beim Kontrollversuch (oberirdische Teile bis 8 cm hoch, sehr kräftig). Nach weiteren
8 Tagen Weizen bis zu 30 em hoch; keine Pilze. Ein Vorsprung vor dem Kontroll-
versuch deutlich vorhanden. Dinatriumphosphat von 0,1°, wirkt also nicht
schädlich, sondern förderlich.
Versuch 8 (mit Weizen, Gerste, Rotkohl, Hirsch:
Kontrollversuch mit Brunnenwasser.
Nach 8 Tagen hatten die Samen größtenteils ausgekeimt, nur Rotkohl war
noch etwas zurück. Die oberirdischen Teile des Weizens hatten bis zu6cm Höhe
erreicht. Nach weiteren 8 Tagen Keimung überall fortgeschritten; Weizen bis
18cm hoch; keine Pilz».
Aus den Versuchen 1—8 geht hervor, daß tatsächlich zwischen Hip-
pursäure und Harnstoff in physiologischer Beziehung ein großer Unter-
schied besteht. Bei gleichem Stickstoffgehalt wirkt die Hippursäure
schädlich, ja keimungsverhindernd, der Harnstoff nicht. Erst von einer
gewissen hohen Verdünnung an ist auch die Hippursäure unschädlich.
Daß die Abspaltung von Benzoesäure an der Giftigkeit der Hippur-
säure Schuld ist, geht nicht nur aus rein theoretischen Betrachtungen,
sondern auch aus der Tatsache hervor, daß die Giftigkeit der Hippur-
säure aufhört, sobald infolge großer Verdünnung der Hippursäure
die abgespaltene Benzocsäure nieht mehr den Konzentrationsgrad
Hippursäure und Harnstoff als Nährsubstanzen für Pflanzen. 207
0,05% erreichen kann. Bei letzterer Verdünnung ist die Benzoesäure
nahezu aber noch nicht ganz unwirksam gegen Keimlinge meng (Ver-
such N).
Hippursäure Benzoesäure
179 Gewichtsteile geben bei vollständiger Spaltung 122 Gewichtsteile
0,358 „ e, = gi 0,244 „,
0,179 „ Fe? = = 0,122 „,
0,0895 „ et S H 0,061 „
Demgemäß ist 0,0895proz. Hippursäure nicht mehr schädlich,
weil sie bei vollständiger Spaltung nur 0,061 proz. Benzoesäure ergibt,
die kaum mehr schädliche Wirkung ausübt. Eine völlige restlose
Spaltung wird in der Pflanzenzelle auch kaum eintreten; ferner ist zu
beachten, daß sich die Hippursäurelösung beim Eintritt in die Zell-
säfte verdünnt.
0,179 proz. Hippursäure wirkt schädlich; sie liefert bei der restlosen
Spaltung 0,122 proz. Benzoesäure, welche tödlich wirkt (schon 0,08 proz.
Benzoesäure verhindert die Keimung).
0,358 proz. Hippursäurelösung mußte aus ähnlichen Gründen die
Keimung erst recht unmöglich machen.
Einige Versuche mit niederen Organismen und Benzoesäure.
Es interessierte mich, zu erfahren, ob Benzoesäure auch für Hefe so schädlich
ist wie für höhere Pflanzen und ob sie vielleicht eine Kohlenstoffnahrung sei.
Versuch a) mit Apfelmosthefe. 15 Reagensglasproben. Benzoesäure als einzige
C-Quelle.
WARSER ES. Be re ee E T G a 100 g
Benzoesäure (mit NaOH neutralisiert). . . . . 0,12%
Monokaliphosphat . . .. 2 22 22020. 0,1%
Magnesiumsulfat . . . 2 2: 2 2 220. 0,04%
Harnstoff -s ege ER ee ae 0,1%
Hefe: 22 5. 0 0 u. 9 we Wera d een Spur.
Da der Kohlenstoff des Harnstoffes nicht als Nahrung für die Hefe verwendbar
ist (er tritt als Kohlensäure auf), mußte der Versuch erweisen, ob 0,1 proz. Benzoe-
säure eine C-Nahrung für Hefe sei.
Kein Hefenwachstum.
Also kann 0,l proz. Benzoesäure die Hefe nicht mit Kohlenstoff ernähren.
Versuch b) mit Apfelmosthefe. 15 Reagensglasproben. Benzoesäure als einzige
C-Quelle.
NNN, wë A A E, er ei Ar ah 100 g
Benzoesäure (mit NaOH neutralisiert). . . . . 0,2%,
Monokaliphosphat . .. 2.2.22 22000. 0,1%
Magnesiumsulfat . . . 2 2 2 2 02. 0,04%
Harnstoff x, 5 I: see So de ne de io 0,1%
Hole en a er a ee Spur
Kein Hefenwachstum.
Hingegen stellte sich nach einiger Zeit E und dann Schimmel-
wachstum ein. Für Bakterien und Schimmel ist also 0,2 proz. Benzoesäure eine
208 Th. Bokorny:
C.Nahrung. Die längere Dauer bis zum Pilzwachstum weist freilich daraufhin,
daß Benzoesäure nur schwer assimiliert wurde,
Versuch c) mit Apfelmosthefe.. 10 Reagensglasproben. Mit Zucker unter
Benzoesäurezusatz. i
RE, os Aë ea a ee A 100 g
Benzoesäure (nicht neutralisiert) . . . .... 0,2%
Monokaliphosphat . . ... 2.222200. 0,1%
Magnesiumsulfat . -. . 2.2.22 2220. 0,04%
Harnstoff ... =... 2.8 2 usa 0,1%
Zucker e en ei er 2,0%,
Hefe: 4 ur. 2 52 5 2.8 8 EWR ei as Spur
Binnen 8 Tagen bei 20° kein Hefewachstum.
Nach einiger Zeit aber stellte sich Bakterientrübung (grünlich fluorescierend)
und dann Schimmelwachstum ein.
Durch 0,2 proz. Benzoesäure wird also das Hefewachstum in guter Gär- und
Nährlösung unterdrückt. Hingegen wird das Wachstum von Bakterien und Schim-
me] nur etwas verzögert.
Die Hefe ist ja, wie mir schon frühere Versuche zeigten, gegen organische und
andere Gifte meist etwas empfindlicher als Bakterien und insbesondere Schimmel.
Versuch d) mit Apfelmosthefe. 10 Reagensglasproben. Mü Zucker unter
Benzoesäurezusatz.
MER, ae, re re ee ee e 100 g
Benzoesäure (nicht neutralisiert) . . . ... . 0,125
Monokaliphosphat . . ...... Sn ea 0195
Magnesiumsulfat . . . . 2... RE Rn: 0,0429
Harnstoff e, 0,1%
ZUCKER ao, ee ae ee E E 2,0%
Hole gae 35 aan dE A ee ee E a Spur
Nach 8 Tagen (bei 20°) kein Hefewachstum. Selbst 0,1l proz. Benzoesäure
verhindert also das Wachstum der Hefe. Wie ich früher gefunden habe (Zentralbl.
f. Bakteriol. usw. 37, 182. 1913, Pilzfeindliche Wirkung chemischer Stoffe) ist
freie Benzoesäure schon bei 0,1%, ausreichend, um die Gärung der Bierhefe cine
Woche lang vollkommen hintanzuhalten (länger wurde nicht beobachtet). Salicyl-
säure von 0,126 läßt schon am 5. Tage volle Kohlensäureentwicklung eintreten.
Versuch e) mit Apfelmosthefe. 10 Reagensglasproben. Mit Zucker unter
Benzoesäurezusatz.
Wasser; A a. ée e Dé EE e A 100 g
Benzoesäure (nicht neutralisiert) . . . 2.2... 0,05%
Monokaliphosphat . . 2.2... 2 2 202. 0,1%
Magnesiumsulfat . . . . 2 2 or ne. 0,04%
Hammstoöft. 47. %: AA Ae SH ww ai Dre 0,1%
Zucker. 2202 a0. 0. ee e A 2,0%
Hels Age N en er % Spur
Nach 8 Tagen war Hefrtrübung aufgetreten. Mit 0,05%% ist also die Verdünnung
erreicht, bei welcher die Benzoesäure das Wachstum der Hefe nicht mehr ver-
hindert. Die Hefezellen konnten bei dieser Verdünnung wachsen und sprossen.
Wir sehen hier Übereinstimmung mit den Versuchen an Keimlingen (Versuch N),
wo 0,05 proz. Benzoesäure die Keimung nicht mehr hinderte, sondern nur etwas ver-
zögerte, während 0,08 proz. Benzoesäure die Keimung noch verhinderte (Versuch M).
Die Versuche a mit e zeigen uns, daß sich niedere Pilze, wie Hefe,
ähnlich gegen Benzoesäure verhalten wie Keimlinge höherer Pflanzen
Hippursäure und Harnstoff als Nährsubstanzen für Pflanzen. 209
(Rotkohl, Klee, Weizen usw.); sie wachsen erst, wenn die Benzoesäure
in der Lösung nicht mehr als 0,05% beträgt.
Aus Versuch b geht hervor, daß die Benzoesäure (0,2%) von manchen
Bakterien und Schimmelpilzen als C-Nahrung gebraucht werden kann,
während die meisten aromatischen Verbindungen keine Kohlenstoff-
nahrung sind. Nur von wenigen Benzolderivaten, wie Phenol, Hydro-
chinon, Gallussäure und nun Benzoesäure, ist bis jetzt nachgewiesen,
daß sie gewissen Pilzen zur Kohlenstoffernährung dienen können.
Das ist nicht anders denkbar als so, daß der Benzolkern, der sonst so
schwer angreifbar ist, zertrümmert wird. Man sieht hieraus, mit welch
starken chemischen Kräften lebendes Pilzprotoplasma ausgerüstet ist.
Schlußbemerkungen.
Nach den geschilderten Versuchen kann es nicht mehr zweifelhaft
erscheinen, daß die Hippursäure (infolge von Benzoesäureabspaltung)
giftig auf Pflanzenzellen wirkt, sobald sie in deren Inneres gelangt.
Erst bei einer Verdünnung von 0,09%, hört diese schädliche Wirkung
auf. Die Benzoesäure selbst ist erst bei 0,05%, nicht mehr oder kaum
mehr schädlich für Keimlinge. Das stimmt ziemlich gut überein; die
Hippursäurelösung von 0,09% wird bei der Spaltung zu Benzoesäure-
lösung von 0,06%. Harnstoff ist selbst in der Konzentration von 1%
noch völlig unschädlich und wirkt jedenfalls ernährend, wenn nicht
durch Ammoniakgärung des Harnstoffes das so schädliche Ammoniak
gebildet wird. In der Keimschale läßt sich durch antiseptische Mittel
jene Ammoniakgärung verhindern. Harnstoff an sich ist eine unschäd-
liche Stickstoffquelle, Hippursäure eine schädliche, wenn nicht hohe
Verdünnungen eingehalten werden.
Aus letzterem, der Unschädlichkeit bei hoher Verdünnung, erklärt
sich nun auch die praktisch bei der Düngung mit hippursäurehaltigem
Harn von Pflanzenfressern beobachtete ernährende Wirkung. Der
Boden verdünnt die Düngungsmittel, und zwar meist in dem Grade,
daß eine Konzentration von 0,01%, wohl kaum überschritten, ja gewöhn-
lich nicht erreicht wird. Außerdem ist zu beachten, daß die Hippur-
säure (wie auch der Harnstoff) sehr rasch von den Bodenpilzen erfaßt
und durch diese unschädlich gemacht werden; die Benzoesäure wird
dabei oxydiert und in Kohlensäure verwandelt, welche wiederum den
grünen angebauten Pflanzen zugute kommt. Daß bei zu starker Dün-
gung schädliche Wirkungen auftreten, ist bekannt.
Mit den vorstehenden Versuchen sollte gezeigt werden, wie die Hippur-
säure und der Harnstoff an sich, ohne irgendeine vorhergehende Zer-
setzung, nach der Aufsaugung durch Wurzeln oder bei an
durch die ganze Pflanzenoberfläche wirken.
Biochemische Zeitschrift Band 132. 14
Der Abbau von Citronensäure der Kuhmilch durch einige
Bakterien.
Von
Heinrich Kickinger.
(Aus dem Laboratorium für Milchhygiene und Lebensmittelkunde der Tierärzt-
lichen Hochschule in Wien.)
(Eingegangen am 23. Mai 1922.)
In der Kuhmilch als Nährboden sind es verschiedene Bestandteile,
welche durch Mikroben zur Veränderung gebracht werden. So sind es
der Milchzucker, von den Eiweißkörpern vorwiegend das Casein, welche
durch die Mikroben am meisten Umsetzungen und Abbau erleiden.
Die anderen Bestandteile scheinen einem Abbau weniger zu unter-
liegen bzw. es sind etwaige Veränderungen der Erforschung nicht so
leicht zugänglich wie die genannten, daher auch Angaben hierüber
nur spärlich vorhanden.
Unter den organischen Bestandteilen ist die Citronensäure bis
jetzt nur in der Milch und sonst in keinen anderen Sekreten des tierischen
Körpers nachgewiesen worden. Über ihren Abbau durch Mikroorganis-
men ist bisher nur wenig bekannt.
Wenn auch von Maasten!) in seiner Arbeit: ‚Die organischen Säuren
als Nährstoffe und ihre Zersetzbarkeit durch Bakterien‘ ein Abbau
bzw. eine „Veratmung‘“ der Citronensäure an einer Reihe von Mikro-
organismen festgestellt wurde, so scheinen diese Beobachtungen, de an
künstlichen Nährmedien gemacht wur en, nicht ohne weiteres auf die
Milch übertragbar, da in dieser schon wegen der verschiedenen Art von
Bestandteilen und der Form, in welcher sie vorhanden sind, sowie mit
wesentlich anderer Methodik andere Lebensbedingungen für die Mikro-
organismen vorliegen. Zur Feststellung des Abbauces der Citronen-
säure in der Kuhmilch habe ich die Methode der quantitativen Be-
stimmung derselben durch Überführen in Pentabromaceton nach
R. Kunz?) angewendet.
In der Arbeit von R. Kunz): „Über das Vorkommen und die Bestimmung
von Citronensäure im Weine und den Nachweis der Citronensäure in Milch, Marme-
1) Arbeiten aus dem kaiserlichen Gesundheitsamte 1%, 340. 1896.
2) Arch. f. Chem. u. Mikroskopie VIII. Jahre., Heft 4, S. 129—133.
3) Arch. f. Chem. u. Mikroskopie, VII. Jahrg., Heft 6, S. 297, 298.
H. Kickinger: Abbau von Citronensäure d. Kuhmilch durch einige Bakterien. 211
laden und Fruchtsirupen‘“ in welcher der Verfasser die Stahresche Reaktion!) auf
Citronensäure zum Nachweis der Citronensäure in der Milch zuerst qualitativ
zur Anwendung brachte, spricht dieser bereits die Vermutung aus, daß frische
Milch mehr Citronensäure zu enthalten scheine als ältere und führt dies auf die
Einwirkung von Bakterien zurück. In einer weiteren Arbeit: „Über die Bestim-
der Citronensäure in Milch“ gestaltete R. Kunz l. c. obgenannte Reaktion quan-
titativ und konnte dadurch nachweisen, daß tatsächlich bei längerem Stehen der
Milch ein merklicher Rückgang der Zitronensäure eintrat, in vollständig
geronnener Milch diese sogar ganz verschwandt. Als Beweis, dass dicser
Rückgang bzw. das restlose Verschwinden der Citronensäure nicht von in der
Milch enthaltenen Fermenten, sondern von Mikroorganismen herbeigeführt
wird, versetzte er die gleichen Milchproben mit je 1 ccm Toluol und fand selbst
nach einem 48stündigem Stehen bei Zimmertemperatur nur einen sehr geringen
Rückgang der Citronensäure. Auch daß es auf die Art der sich in der Milch
entwickelnden Bakterien ankommt, welche die Säuerung und Gerinnung derselben
hervorrufen, zeigte er, da er in bulgarischer Sauermilch (Yoghurt) keinen
Rückgang der Citronensäure feststellen konnte.
Ich unternahm es, einige in der Milch sich hauptsächlich entwickelnde
Mikroorganismen auf ihr Verhalten gegen die Citronensäure der Kuh-
milch zu prüfen, und stellte zunächst darüber Vorversuche an, ob durch
die üblichen Verfahren des Milchentkeimens durch Erhitzen die Citronen-
säure an Menge abnimmt. Als weitere Fragen ergaben sich, die Art
der Mikroorganismen, welche die Citronensäure abbauen, festzustellen,
und ob es möglich sei, aus der Verminderung der Citronensäure einen
Schluß auf die Art der Mikroorganismen selbst zu ziehen.
Die quantitative Bestimmung der Citronensäure in Milch wurde
genau nach den Angaben von R. Kunz (l. c.) vorgenommen und seien
diese hier kurz wiederholt.
50 cem Milch werden in einem 200 cem fassenden Meßkolben unter
lebhaften Umschwenken mit 10 ccm einer mit dem gleichen Raum-
teile Wasser verdünnten Schwefelsäure versetzt. Darauf fügt man
2 ccm einer 40 proz. Bromkaliumlösung und 20 ccm Phosphor-Wolfram-
säurelösung?) hinzu und füllt den Kolbeninhalt mit destilliertem Wasser
auf 200 ccm an. Nach tüchtigem Umschwenken wird die Flüssigkeit
von dem sich leicht und rasch abscheidenden Niederschlage abfiltriert.
Man erhält hierbei ein spiegelklares Filtrat, von dem 150 ccm in einem
Erlenmeyerschen Kolben gebracht werden. Nach Zusatz von etwa
25 ccm frischen gesättigten Bromwassers setzt man den Kolben in
ein auf 48—50° angeheiztes Wasserbad und läßt ihn darin ungefähr
5 Minuten stehen. Nach dieser Zeit nimmt man den Kolben aus dem
Wasserbad heraus und läßt in die Flüssigkeit unter stetem, lebhaften
Umschwenken aus einer Pipette langsam 10 cem einer 5proz. Per-
1) Zeitschr. f. analyt. Chemie 36, 195. 1897. .
2) 120 g phcesphorsaures Natrium und 200 g wolframsaures Natrium in I |
destilliertem Wasser gelöst und zu dieser Lösung 100 cem verdünnter (1:3)
Schwefelsäure hinzugefügt.
14*
212 H. Kickineer:
manganatlösung in der Weise zufließen, daß die entstehende Rot-
färbung der Flüssigkeit immer wieder verschwindet, bevor ein neuer
Zufluß von Permanganatlösung erfolgt.
Darauf wird der Kolbeninhalt tüchtig umgeschwenkt und für
kurze Zeit beiseite gestellt, bis sich das ausgeschiedene Mangansuper-
oxydhydrat auf dem Boden abzusetzen beginnt. Dann wird wieder
umgeschüttelt und das Umschwenken wird, sobald das Mangan zu
Boden gefallen ist und die Flüssigkeit sich klärt, solange wiederholt,
bis der Niederschlag eine helle Farbe angenommen und sich größten-
teils gelöst hat. Bei dieser Behandlung wird das anfangs in äußerst
feiner und daher unfiltrierbarer Verteilung entstandene Pentabrom-
aceton von dem ausgeschiedenen Mangansuperoxydhydrat mitgerissen
und zu einer derberen dichten Masse vereinigt.
Das Mangansuperoxydhydrat spielt bei dem wiederholten Um-
schütteln und Absetzenlassen die Rolle eines Klärpulvers. Schließ-
lich beseitigt man, solange die Flüssigkeit noch warm ist, die letzten
ungelöst gebliebenen Anteile des Mangansuperoxydhydrates, sowie das
überschüssige Brom durch tropfenweisen Zusatz einer konzentrierten
klaren, mit etwas verdünnter Schwefelsäure angesäuerten Lösung von
Ferrosulfat und läßt die Flüssigkeit unter zeitweiligem Umschütteln
des darin befindlichen Niederschlages von Pentabromaceton erkalten.
Hat man richtig gearbeitet, so erhält man das Pentabromaceton
als einen weißen dichten Niederschlag, der sich leicht absetzt und bei
zeitweiligem. Umschwenken nach und nach krystallinisch wird und
in diesem Zustande in Wasser völlig unlöslich ist. Es empfiehlt sich
daher den Niederschlag von Pentabromaceton über Nacht stehenzu-
lassen.
Als bequemste Art den Niederschlag von Pentabromaceton zur
Wägung zu bringen, haben sich die Halogenfilterröhrchen nach Pregl!)
erwiesen. Letztere werden vorher immer mit Äthylalkohol gewaschen,
20 Minuten bei 103° im Trockenschrank erhitzt, im Vakuumexiccator
über Schwefelsäure bis zur Gewichtsbeständigkeit erkalten gelassen
und sodann gewogen. Damit der Pentabromacetonniederschlag nicht
durch allfällige Ammoniakdämpfe angegriffen werden kann, wird er
mit durch einige Tropfen verdünnter Schwefelsäure angesäuertem
destillierten Wasser nachgewaschen. Hierauf wird das Halogenfilter-
röhrchen wieder in den Vakuumexsiccator gebracht, bis zur Gewichts-
beständigkeit getrocknet und abgewogen.
Das erhaltene Gewicht des Pentabromacetons mit dem von R. Kunz
(l. c.) angegebenen errechneten Faktor von 1,215 multipliziert, ergibt
den Gehalt an Citronensäure + 1 Molekül Krystallwasser in 100 ccm
Milch. |
1) Pregl, Die quantitative Mikroanalyse, Julius Springer, Berlin 1917, S. 109.
Abbau von Citronensäure der Kuhmilch durch einige Bakterien. 213
Die beschriebene Methode gründet sich darauf, daß die Citronen-
säure, wie A. Wöhlk!) in seiner Arbeit: „Über die Einwirkung von
Brom und Kaliumpermanganat auf Citronensäure‘‘ nachgewiesen hat,
bei der Ausführung der Stahreschen Reaktion (l. c.) durch die Ein-
wirkung von Permanganat zuerst in Acetondicarbonsäure oxydiert
wird, welche mit dem Bromwasser unter Abspaltung von Kohlensäure
einen Niederschlag von Pentabromaceton bildet.
Wie bereits eingangs erwähnt, konstatiertte R. Kunz (l.c.) in
48 Stunden bei Zimmertemperatur gestandener, vollständig geron-
nener Kuhmilch einen gänzlichen Rückgang der Citronensäure. Es
lag nun der Gedanke nahe, daß an diesem Verschwinden der Citronen-
säure den größten Anteil die Erreger der Milchsäuregärung haben dürften,
welche die eigentlichen Urheber der Milchsäuerung und Milchgerinnung
sind. Um nun deren Verhalten auf die Citronensäure der Kuhmilch
einwandfrei festzustellen, mußte getrachtet werden, die anderen natür-
lich in der Milch vorkommenden Mikroorganismen auszuschließen,
was dadurch erreicht wurde, daß zu diesen Versuchen sterile Milch zur
Verwendung kam, die mit verschiedenen Stämmen von Milchsäure-
erregern beimpft wurde. Die Versuchsanordnung soll später ausführ-
licher geschildert werden.
Nach Beherrschen der Methodik versuchte ich zuerst, ob auch
in der zur Verfügung stehenden Milch nach 48stündigem Stehen bei
Zimmertemperatur ein vollständiger Rückgang der Citronensäure zu
verzeichnen sei. Die in meinen sämtlichen Versuchen zur Anwendung
gelangte Milch wurde von der Lehrkanzel für Buiatrik an der Tier-
ärztlichen Hochschule in Wien aus deren eigenen Rinderbestand zur
Verfügung gestellt und kann daher als ziemlich einheitlich angesehen
werden. Ein Beweis hierfür scheint dadurch gegeben, daß der Citronen-
säuregehalt dieser Milch, wie aus den nachfolgenden Tabellen hervor-
geht, keinen großen Schwankungen unterworfen war, sondern sich in
ziemlich engen Grenzen bewegte.
Zunächst wurden je 50 ccm gut durchgeschüttelter Milch in sechs
Me Dkolben gebracht, die Bestimmung der Citronensäure in zwei Proben
sofort vorgenommen, während die anderen vier Proben mit einem
Weattepfropfen verschlossen, 24 bzw. 48 Stunden bei Zimmertemperatur
stehen blieben. 100 ccm Milch ergaben an Citronensäure:
Citronensäure + 1 mol. Wasser in 100 ccm Milch.
Proben I (frische Milch). . . . 120,7 mg und 119,0 mg
Proben II (teilweise geronnen). . 100,6 mg und 101,0 mg
Proben III (vollständig geronnen) 97,5 mg und 94,6 mg
Da nun dieses Versuchsergebnis in Widerspruch zu den Angaben von R. Kunz
L c. stand, wurde eine weitere Versuchsreihe mit folgendem Ergebnis wiederholt.
1) Zeitschr. f. analyt. Chemie 41, 77. 1902.
214 H. Kickinrer:
Citronensäure + 1 mol. Wasser in 100 ccm Milch.
Proben I (frische Milch) . . . . 128,0 mg und 128,7 mg
Proben II (teilweise geronnen) . 124,7 mg und 124,0 mg
Proben III (vollständig geronnen 116,7 mg und 118,5 mg
Nach diesen Resultaten schien es zweifelhaft in den Milchsäure-
erregern die Ursache des Rückganges der Citronensäure zu sehen, wie
ursprünglich angenommen wurde, dazu war der konstatierte Rück-
gang zu gering, die in der Milch enthaltenen Fermente als Ursache
des Rückganges an Citronensäure anzusehen, war trotz den Angaben
von R. Kunz (l. c.) nicht auszuschließen, weshalb sofort diese Möglich-
keit überprüft wurde. Gleichzeitig sollte auch der Einfluß höherer
Temperaturen auf den Gehalt an Citronensäure ermittelt werden. Zu
diesem Zwecke wurde die von H. Weigmann!) als Hochpasteurisierung
bezeichnete Erhitzung der Milch auf 85° auf kurze Zeit vorgenommen,
bei welcher sowohl Fermente, wie auch Bakterien mit Ausnahme der
Sporen vernichtet werden.
In sechs verschiedene Meßkolben wurde je 50 ccm Milch gebracht,
zur Kontrolle in zwei Kolben die Citronensäure sofort bestimmt, während
die vier anderen mit Wattepfropfen verschlossenen Meßkolben 1 Stunde
lang im Wasserbade von 85° erhitzt und dann bis Zimmertemperatur
abgekühlt wurden. In zwei Kolben wurde nach dem Abkühlen neuer-
dings die Citronensäure bestimmt, die zwei restlichen Kolben wurden
24 Stunden später verarbeitet. Gefunden wurden:
Citronensäure + 1 mol. Wasser in 100 ccm Milch.
Proben I (frische Milch) `, . . .... 130,0 mg und 130,6 mg
Proben II (pasteurisierte Milch) . . . . 128,0 mg und 126,7 mg
Proben III (pasteur. Milch nach 24 St.). 97,4 mg und 99,5 mg
Eine Wiederholung dieses Versuches ergab:
Citronensäure + 1 mol. Wasser in 100 ccm Milch.
Proben I (frische Milch) ....... 132,1 mg und 130,7 mg
Proben II (pasteurisierte Milch) . . . . 126,8 mg und 127,6 mg
Proben III (past. Milch nach 24 St.). . 98,6 mg und 100,3 mg
Diese Versuchsergebnisse, angestellt unter Ausschluß von Ferment-
wirkung und der vegetativen Formen der Mikroorganismen, lenkten
die Aufmerksamkeit auf die sporentragenden Arten, deren Sporen
durch das 1stündige Erhitzen auf 85° nach Weigmann (l. c.) und an-
deren Forschern nicht abgetötet werden, in 24 Stunden also auskeimen
und ihre Wirkung äußern können. Es fragte sich nun, welche natür-
lich in der Milch vorkommende sporenbildende Mikroorganismen in
Betracht zu ziehen wären, und mußten die vorstehenden Resultate,
da es sich, wie schon erwähnt, um eine ziemlich einheitliche Milch
handelte, die höchstens 2—3 Stunden nach dem Melken zur Unter-
1) H. Weigmann, Mykologie der Milch. M. Heinsius Nachfolger, Leipzig 1911,
S. 151.
Abbau von Citronensäure der Kuhmilch durch einige Bakterien. 215
suchung gelangte, und da außerdem immer mit gut gereinigten Gefäßen
gearbeitet wurde, besonders auf eine bestimmte Gruppe von Mikro-
organismen hinweisen, die häufig in Milch vorkommen und sehr resi-
stente Sporen bilden. In Betracht kamen die Heu- und Kartoffel-
bacillen, bei denen diese Voraussetzungen zutreffen.
Aus den bereits angeführten Versuchen ergibt sich weiter, daß durch
lstündiges Erhitzen auf 85° die Menge der vorhandenen Citronen-
säure nicht verringert wird.
Nach meinen Versuchsergebnissen, sowie denen von R. Kunz
(l.c.) kamen als Ursache des Rückganges der Citronensäure Milch-
säurebakterien und peptonisierende Bakterien in erster Linie in Be-
tracht. Deshalb wurde für die folgenden Versuche sterile Milch ver-
wendet, welche mit verschiedenen Bakterienarten beimpft war. Nach
verschieden langem Verweilen der beimpften Proben bei Bruttempe-
ratur wurde die Citronensäure bestimmt. Die genaueren Versuchs-
bedingungen waren:
Die Milch wurde an drei aufeinanderfolgenden Tagen je 1 Stunde
auf 100° in strömenden Dampf erhitzt und in der Zwischenzeit bei
Bruttemperatur belassen, um Sporen zur Auskeimung zu bringen.
Nach der dritten Sterilisation verblieb diese Milch zur Prüfung auf
ihre Keimfreiheit noch 3 Tage bei Bruttemperatur. Sichtbare Ver-
änderungen wurden nicht wahrgenommen, ebenso blieben Platten von
Milchzuckeragar steril, als Beweis der sicheren Keimfreiheit.
Von der Lehrkanzel für bakteriologische Hygiene an der Tier-
ärztlichen Hochschule in Wien wurde mir je ein Stamm von Bac.
subtilis, Bac. mesentericus vulgatus und außerdem ein Stamm von
Proteus vulgaris zur Verfügung gestellt, von welchen drei Stämmen
je eine 48stündigen Agarkultur zur Untersuchung herangezogen wurde.
In einem Vorversuch, angestellt mit Bac. mesentericus vulgatus ergab
sich, daß in diesem Falle die Menge von 20 ccm Phosphor-Wolfram-
säurelösung, wie sie R. Kunz (l. c.) bei seiner quantitativen Methode
anwendete, nicht ausreichte, um alle Eiweißkörper zu fällen und ein
klares Filtrat zu erhalten. Das erhaltene Filtrat war leicht getrübt,
die angestellte Biuretprobe positiv. Daher kamen zu allen nun mit
obigen Mikroorganismen angestellten Versuchen, ferner bei den Kon-
trollproben, die doppelte Menge von 40 ccm Phosphor-Wolframsäure-
lösung zur Anwendung, mit welcher Menge ein restlos eiweißfreies,
spiegelklares Filtrat erhalten wurde.
Bei sämtlichen Versuchen wurden je 50 ccm geprüfte sterile Milch
unter aseptischen Bedingungen in sterile Meßkolben von 200 ccm
gebracht, mit je einer Öse oben angeführter Mikroorganismen beimpft,
während eine Probe zur Kontrolle unbeimpft blieb. Sämtliche Proben
blieben nun 24—72 Stunden bei Bruttemperatur stehen.
216 H. Kickinger:
Tabelle I.
— — — —
Citronensäure + 1 Mol.
Bestimmung in: Wasser in 100 ccm Milch Bemerkungen
mg
frischer Milch . ea | 123.0 | ER
nach der 1. Sterilisation . . | 121.9 —
j
nach der 2. Sterilisation . .„ . 120.0
nach der 3. Sterilisation . . . 115,9 —
nach 3tätirem Verweilen bei | |
Bruttemperatur u 117,0 Mich unverändert
mit Bac. mesentericus vulgatus Milch eigentümlich
beimpfte Proben nach 24 Std. 62,4 und 52,6 ‚schlickerig geronnen
mit Bac. mesentericus vulgatus |
beimpfte Proben nach 48 Std. 8 und O Milchgerinnsel ver-
schwunden; Milch
; bräunlich wässerig
den Kontrollproben (unbeimpft) 115,3 und 114,9 | Milch unverändert.
frischer Milch 127.9 | —
steriler Milch SEENEN 117,7 | Milch unverändert
mit Bac. subtilis beimpfter Milch wässerir, von
Probe nach 24 Stunden . 67,0 bräunlicher Farbe
mit Proteus vulgaris beimpfter
Probe nach 24 Stunden . 91,7 | dgl.
mit Bac. subtilis beimpfter Milch anscheinend
Probe nach 48 Stunden . .| 24,7 noch wässeriger
init Proteus vulgaris beimpfter Milch wie die 24-
Probe nach 48 Stunden „ .! 38,8 stündire Probe
mit Bac. subtilis und Proteus
vulgaris beimpften Proben | Milch wässerige,
nach 72 Stunden . . .. . O und 0 bräunl. Flüssigkeit
der Kontrollprobe (unbeimpft) | 116,4 Milch unverändert.
Diese Tabelle zeigt den Rückgang der Citronensäure in Milch,
beimpft mit Bac. mesentericus vulgatus, nach 48 Stunden, mit Bac.
subtilis und Proteus vulgaris nach 72 Stunden. Diese Versuche be-
rechtigen zu dem Schlusse, daß Spaltpilze bestimmter Gruppen, und
zwar die peptonisierenden oder Caseasebakterien die Fähigkeit des
Abbaues der Citronensäure in Kuhmilch besitzen.
Von den Milchsäureerregern, welche ebenfalls bezüglich des Ab-
baues der Citronensäure Beachtung verdienen, wurden geprüft: ein
Stamm von Strept. Güntheri aus Krals Bakteriologischen Museum in
Wien und zwei Stämme von Strept. lactis (ein Stamm hiervon aus
Kondensmilch gezüchtet) von der Lehrkanzel für Molkereiwesen und
landwirtschaftliche Bakteriologie an der Hochschule für Bodenkultur
in Wien. Zwei andere Stämme von Milchsäurebakterien konnte ich
zu meinen Versuchen nicht heranzichen, da dieselben, wie Vorversuche
ergaben, wahrscheinlich infolge zu langer Züchtung auf künstlichen
Nährböden, nicht mehr imstande waren, selbst nach tagelangem Stehen
bei Bruttemperatur eine Veränderung der Milch hervorzurufen.
Abbau von Citronensäure der Kuhmilch durch einige Bakterien. 217
Obwohl, wie aus Tabelle II ersichtlich, auch der Strept. lact. aus
Kondensmilch die untersuchten Proben nicht säuerte bzw. nach
48 Stunden keine Veränderung hervorbrachte, kann das Resultat als
verwertbar angesehen werden, da derselbe imstande war, wie ich mich
durch Beimpfung einer sterilen Milchprobe überzeugt hatte, nach
4tägigem Verweilen bei Bruttemperatur Gerinnung hervorzurufen.
Tabelle II.
| Citronensäure + 1 Mol. en
Bestimmung in: | Wasser in 100 ccm Milch schied Bemerkungen
i! mg mg
i
steriler Milch ....... ) 118,4 = e
mit Strept. lact. beimpfter | |
Probe nach 24 Stunden . . | 119,1 0,7 | Milch unverändert
mit Strept. lact. aus Kondens- | |
milch beimpfter Probe nach ||
24 Stunden ....... i 117,3 | 1,1 | Milch unverändert
mit Strept. lact. beimpfter ' Milch `
Probe nach 48 Stunden . . 117,8 | 0,6 leicht geronnen
mit Strept. lact. aus Kondens- '
milch beimpfter Probe nach | |
48 Stunden . .... | 117,4 1,0 | Milch unverändert
mit Strept. lact. beimpfter | | Milch
Probe nach 72 Stunden . .| 118,7 0,3 |vollständig geronnen
der Kontrollprobe (unbeimpft) | 117,4 10 | Milch unverändert
steriler Milch . ...... | 82,6 — —
mit Strept. Güntheri beimpfter | Milch
Probe nach 24 Stunden . . |l 84,9 2,3 | vollständig geronnen
mit Strept. Güntheri beimpfter | | |
Probe nach 48 Stunden . . | 81,1 | 1:9: A del.
mit Strept. Güntheri beimpfter l |
Probe nach 72 Stunden `, . l 81,4 1,2 del.
der Kontrollprobe (unbeimpft) | . 83,5 ' 0,9 | Milch unverändert
Wie nun aus den Ergebnissen, welche in der Tabelle III angeführt
sind, hervorgeht, konnte selbst nach 72stündigem Verweilen bei Brut-
temperatur kein Rückgang der Citronensäure festgestellt werden. Der
Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, daß eine in mit Strept. Güntheri
beimpfter 72 Stunden alter Milch a Säurebestimmung
23 Soxhlet-Henkel-Grade ergab.
Daß es in Mischkulturen von peptonisierenden Bakterien und
Milchsäureerregern in Milch auf die Menge der Mikroorganismen und
auf ihre Virulenz ankommt, glaube ich aus folgendem Versuch ent-
nehmen zu können. Es wurden sechs Milchproben in sterilen Meß-
kolben 1 Stunde auf 85° im Wasserbade erhitzt, in zweien die Be-
stimmung der Citronensäure sofort vorgenommen, während zwei
Proben mit je einer Öse Strept. lact. beimpft wurden. Die restlichen
218 H. Kickinger:
zwei blieben unbeimpft. Die vier Proben verblieben nun 24 bzw.
48 Stunden bei Bruttemperatur und ergaben das in der Tabelle III
angeführte Resultat.
Tabelle III.
i Mengen-
| Citronensäure + 1 Mol. re
e e SES Ge 3 nter-
Bestimmung in: : Wasser in 100 cem Milch Bemerkungen
i ı schied
l mg mg
2 Fa = 2 nn Er a i S l are 5 2.
der pasteurisierten Milch . . 162,0 und 158,9 | ATI: =x
der unbeimpften Probe nach | Milch labartig
24 Stunden NE 86.6 T54 | geronnen
der beimpften Probe nach 24
Stunden . . 160,1 1,9 | Milch unverändert
der unbeimpften Probe nach |
48 Stunden . BER,
der beimpften Probe nach 48 `
Stunden . |
| Milch labartıg
65,9 . 1 ; reronnen
| Milch teilweise,
labartir geronnen
97,9 64,1
Bei den unbeimpften Proben, die also keine Milchsäureerreger
enthielten, zeigte sich ein starker Rückgang der Citronensäure, während
bei den beimpften Proben erst nach 48 Stunden ein Rückgang zu ver-
zeichnen war. Ich erkläre mir diese Erscheinung dadurch, daß sich
in der 24 Stunden alten, mit Strept. lact. beimpften Probe, die sich
entwickelnden Streptokokken und peptonisierenden Bakterien gegen-
seitig in ihrer Wirkung hemmten und erst später die letzteren die
Oberhand erhielten und dadurch eine Verminderung des Citronen-
säuregehaltes hervorriefen.
Diese Annahme fand ich bestätigt, als Yoghurtmilch zur Unter-
suchung herangezogen wurde. Diese wurde aus abgekochter Milch
hergestellt, welche mit Joghurtbacillen, die mir ebenfalls von der
Lehrkanzel für Molkereiwesen und landwirtschaftlichen Bakteriologie
an der Hochschule für Bodenkultur in Wien zur Verfügung gestellt
wurden, versetzt, 24 Stunden bei 40° gehalten und hierauf untersucht
wurde.
Tabelle IV.
ji
| Citronensäure + 1 Mol. Mengen-
Bestimmung in: - Wasser in 100 cem Milch a | Bemerkungen
mg | me
frischer Milch . 2.2.2.2... 130,7 Es =
abgekochter Mich..." 132,9 2.2 u
in 24 Stunden alter Yoghurt- '
milch sa, 110,0 22, —
in 48 Stunden alter Yoghurt- `,
mileh ; R 108,5 15 "` --
in 72 Stunden alter Yoghurt- S
LEN, <a wie ee re al 109,4 0,6 | =
Abbau von Citronensäure der Kuhmilch durch einige Bakterien. 219
Die Tabelle IV zeigt nun, daß der Citronensäuregehalt der frischen
und abgekochten Milch gleich ist, nach 24 Stunden sich verringert,
um dann vollständig gleich zu bleiben. Augenscheinlich konnten die
aus den Sporen auskeimenden peptonisierenden Bakterien früher ihre
Wirkung äußern als die zugesetzten Joghurtbacillen, weshalb. anfäng-
lich ein Rückgang der Citronensäure zu verzeichnen ist. Nachher
werden diese jedoch anscheinend durch die Joghurtbacillen in ihrer
Wirkung beeinträchtigt, sozusagen niedergehalten, weshalb kein weiterer
Rückgang der Citronensäure erfolgt.
Joghurt, aus steriler Milch hergestellt, zeigte, wie aus Tabelle V
hervorgeht, keinen Rückgang der Citronensäure.
Tabelle V.
| See |
. Citronensäure + 1 Mol. se
Bestimmung in: | Wasser in 100 cem Milch ere | Bemerkungen
| mg | mg |
ee E een Diem eii Ben GE ee wë SEET KE
sterler Milch `, 81,6 — =
in 24 Stunden alter Yoghurt- '
mileh .. 3.2.38 8.402 8% | 79,8 1,8 |
in 48 Stunden alter Yoghurt- | | |
mileh La e we IR 80,3 ı 0,5 —
d. Kontrollprobe (sterile Milch) |, 79,5 | 08 | -
Schlußfolgerungen.
Vergleicht man nun die Untersuchungsergebnisse, so erscheinen nach-
stehende Schlußsätze berechtigt:
1. Der Citronensäuregehalt in pasteurisierter und abgekochter Kuh-
milch ist, wenn er gleich nach dem Erhitzen der Milch bestimmt wird,
der gleiche gegenüber der frischen; nimmt jedoch bei längerem Stehen
mehr oder weniger ab. In fraktioniert sterilisiertter Kuhmilch zeigt
die Citronensäure im Vergleiche zur frischen Milch während der ersten
Tage einen ziemlich bedeutenden Rückgang. Nach der dritten Sterili-
sation jedoch bleibt ihr Citronensäuregehalt konstant.
2. Als Ursache des Rückganges der Citronensäure sind zweifellos
Bakterien anzusehen, und zwar waren es in vorliegenden Untersuchungen
Vertreter aus der Gruppe der peptonisierenden Bakterien (Bac. subtilis,
Bac. mesentericus vulgatus und Proteus vulgaris), während Milch-
säureerteger (drei verschiedene Stämme, sowie ein Stamm Joghurt-
bacillen) keinen Einfluß auf die Citronensäure der Kuhmilch ausübten.
3. Die enantibiotische Wirkung einiger Milchsäureerreger den
peptonisierenden Bakterien gegenüber, gestattet nur mit ziemlicher
Wahrscheinlichkeit einen Schluß von der Menge der vorhandenen
Citronensäure auf die Art der Bakterien zu ziehen.
Über Gesetzmäßigkeiten in der Beziehung zwischen der
wahren Harnreaktion und der alveolaren CO,-Spannung.
Von
Gustav Endres.
(Aus der I. Med. Klinik München.)
(Eingegangen am 24. Mai 1922.)
Mit 11 Abbildungen im Text.
Der Gedanke, aus der Beschaffenheit des Harns Schlüsse zu ziehen
auf stoffliche Umsetzungen innerhalb des Organismus, ist naheliegend
und sehr alt. Gegenüber der Wichtigkeit der verschiedenen chemischen
Harnanalysen für die Physiologie und für die Diagnostik bestimmter
Krankheiten tritt die Bedeutung der Reaktionsgröße des Harns für
physiologische und pathologische Veränderungen im Körper weit
zurück. Hertn Prof. W. H. Veil, Oberarzt der I. Medizinischen Klinik,
verdanke ich die Aufgabe der Erforschung der Gesetzmäßigkeit der
Ionenacidität des Harns. Dafür, wie für die fortdauernde Beratung
bei den Versuchen und bei der Abfassung der Arbeit, sei ihm auch an
dieser Stelle aufrichtig gedankt.
Früher bestimmte man die Reaktion des Harns ausschließlich durch Titration.
Schon bei diesen Anräherungsversuchen fand man, daß konzentrierter Harn im
allgemeinen stärker sauer ist. (Fieberharn, Harn nach starkem Schwitzen, reich-
lichem Fleischgenuß, körperlicher Tätigkeit usw.) Dagegen weniger stark sauer,
neutral, vielleicht alkalisch zeigte sich der Harn bei vorwiegender Pflanzenkost,
nach reichlichem Essen, nach Erbrechen usw.
Die Frage nach der Reaktion des Harns wurde wieder aktuell, als man, von
neuen biochemischen Vorstellungen über das Wesen von Säuren ausgehend, die
verschiedenen Körpersäfte auf ihre wahre Reaktion untersuchte. Durch Einführung
des Begriffes der Wasserstoffionenkonzentration ist man imstande, den Säuregrad
einer Lösung exakt in Zahlen anzugeben. v. Rohrer!) hatte die auf den Nernst-
schen Konzentrationsketten beruhende elektrometrische Bestimmung der Wasser-
stoffionenkonzentration einer Lösung zuerst beim Harn ausgeführt. Er, Höber!?)
und Henderson 18. 15) hatten die Grenzen angegeben, innerhalb derer die wahre
Harnacidität schwankt. Höber und Jankowsky!®) zeigten dann, daß zwischen der
Titrationsacidität und der wahren Acidität keine direkte Beziehung besteht. Durch
entsprechende Diätveränderung hat v. Skramlik‘!) nachweisen können, daß bei
anhaltender Fleischkost die aktuelle Reaktion des Harns stets saurer ist als bei
gemischter und vegetabiler Kost. Allein bei fast allen Untersuchungen hat sich
G. Endres: Gesetzmäßick. in d. Bez. zwischen d. wahren Harnreaktion usw. 221
ergeben, daß die Schwankungen der Acidität im normalen Harn sehr groß, die
Abweichungen vom normalen Durchschnittswert bei pathologischen Fällen äußerst
gering sind, 15), so daß von einer ausgesprochenen Charakteristik der Harn-
acıdität bei bestimmten Krankheiten nicht gesprochen werden kann. Die ver-
schiedenen Ergebnisse der Forschung fanden ihre Bestätigung und Ergänzung in
den theoretischen Studien von L. J. Henderson und K. Spiro übcr das Ionen-
gleichgewicht im Organismus?! 12. 14. 13),
Mit dieser Reihe von Arbeiten schien die physikochemische Ausbeute der
Harnreaktion ein vorläufiges Ende gefunden zu haben, als K. A. Hasselbalch bei
der experimentellen Überprüfung der endgültig von Winterstein formulierten sog.
Neutralitätstheorie eine weitere Bedeutung des Wechsels der Harnacidität auf-
deckte! 8),
Die Konstanthaltung der Wasserstoffionenkonzentration des Blutes ist be-
kanntlich eine vitale Forderung des Organismus. Eine geringe, kaum nachweisbare
Verschiebung der optimalen Wasserstoffionenkonzentration des Blutes ruft sofort
den Mechanismus der Reaktionsregulation in Tätigkeit: neben dem abgeänderten
Verlauf des intermediären N-Stoffwechsels (vermehrte NHy-Bildung) ist es vor
allem die Tätigkeit der Lungen und der Nieren, die den „Wasserstoffspiegel‘“ des
Blutes konstant zu halten sucht. Hasselbalch ist es gelungen, an Versuchspersonen,
die mit verschiedener Kost ernährt wurden, einen Zusammenhang zwischen der
Größe des Py des Harns einerseits und der alv. CO,-Spannung andererseits nach-
zuweisen. „Diät, die einen sauren Harn verursacht, bewirkt niedrige CO,-Span-
nung des Blutes, Diät, die einen wenig sauren oder alkalischen Harn verursacht,
bewirkt gleichzeitig hohe CO,-Spannung.“ In Ergänzung hierzu zeigte Hassel-
balch im Tierversuch, daß das Blut bei Fleischdiät für konstanten (= 40 mm)
Wert der Blutkohlensäure saurer als bei vegetarischer Diät (pu = 7,33 gegen
7,42) ist; durch die niedere Spannung der Blutkohlensäure (38,9 gegen 43,3 mm)
wird dies aber so weit kompensiert, daß faktisch der pa des Blutes unverändert
bleibt (Pu = 7,34 gegen 7,36).
Neben der Diät selbst sind verschiedene andere Beeinflussungen
des menschlichen Organismus angetan, den py des Blutes nach irgend-
einer Richtung hin zu verschieben. Es ist also der Versuch berechtigt,
nachzuprüfen, ob in der Wirkungsgröße beider Schutzvorrichtungen
(Acid- bzw. Alkaliurie und CO,-Ausscheidung) des Körpers gegen Ein-
griffe in die Blutalkalescenz eine gewisse Gesetzmäßigkeit vorhanden ist.
Methodik.
Der po des Harns wurde mit der Michaelisschen „Indikatorenmethode ohne
Puffer“ bestimmt. Das Prinzip dieser Methode, das bereits den Arbeiten von
Hildebrand!) und Wegscheider‘?) zugrunde lag, beruht darauf, daß ein einfarbiger
Indicator in Lösungen von steigendem py eine stetige Veränderung seiner Farben-
intensität erfährt. Durch das Verhältnis der Farbentiefe der zu untersuchenden
Flüssigkeit, der man eine bestimmte Menge Indicator zusetzt, zu der maximal
durch Alkalizugabe erreichbaren Farbenintensitätsveränderung des Indicators ist
der Py der fraglichen Flüssigkeit beatimm 291. Michaelis hat die Methode wesent-
lich vereinfacht, so daB ihre Handhabung eine äußerst bequeme ist?” 23 29),
Ihre Vorzüge sieht Michaelis in ihrer großen Einfachheit und ihrer Anwendbarkeit
für beliebige Temperaturen. Er hat diese Indicatoren elektrometrisch überprüft
und gefunden, daß diese Indicatorenmethode bei farblosen und klaren Flüssig-
keiten der Gaskettenmessung nicht viel nachsteht. Parallelbestimmungen ergaben
2922 G. Endres: Über Gesetzmäßigkeiten in der Beziehung zwischen
Unterschiede im py von 0,05. Bei gefärbten Flüssigkeiten (also beim Harn) geht
der Fehler bis 0,1. Der Unterschied im py zweier folgender Standardröhrchen der
Michaelisschen Indikatorenreihe ist 0,2. Die Zwischenwerte zweier Indicatorer-
röhrchen sind zu interpolieren. Die Angabe also, daB dieser oder jener Harn in
seinem Py ein Standardröhrchen um 0,1 oder 0,05 überschreitet, ist sehr sub-
jektiv und kann selbstverständlich keinen Anspruch auf Exaktheit erheben. Allein
bei den relativ großen Schwankungen der Harnacidität spielen diese kleinen
Fehler in der Bestimmurig keine irgendwie bedeutsame Rolle. Große Schwierig-
keiten bei den kolorischen Bestimmungen bereitet der Harn durch seine Eigen-
farbe und Trübung®?). Bis zu einem gewissen Grad werden diese störenden Ein-
flüsse behoben durch den auf dem Walpoleschen Prinzip beruhenden Kom-
parator'”). Der Komparator ist von E Schlagintweit nach optischen Gesichts-
punkten verbessert°?).
Der Harn zu den einzelnen Versuchen stammt von Versuchspersonen mit
gesundem Urogenitalsystem. Er wurde nach Möglichkeit sofort nach der Miktion
untersucht. War die py-Bestimmung nicht sofort möglich, so wurde er steril
im Eisschrank aufbewahrt und dann immer mindestens 10 Stunden nachher bei
Zimmertemperatur gemessen. Der py hängt zwar allgemein gesprochen von der
Temperatur ab, indessen ändern sich die Dissoziationskonstanten der meisten
Säuren mit den Temperaturen eines Laboratoriums nur sehr unbedeutend, so daß
bei der Temperaturbreite von 18—40° der pa-Wert annähernd der gleiche bleibt.
(25, S. 23, 10, S. 23). Auch durch längeres Stehen ändert der sterile Harn seine
Acidität nur sehr wenig.
Nach Michaelis) hat Wasser bei 18° ein Dn = 0,85 - 1077. Steht dieses
Wasser an der Luft, so nimmt es sofort CO, auf (maximal 0,05%) und die pe kann
auf annähernd 107° steigen, ist also 10 mal so groß als vorher. Allein beim Harn
haben wir es vorzugsweise mit einem Phosphatgemisch zu tun. Nach Michaelis
hat ein Gemisch von Sie prim. Na-phos. + 2/,, sec. Na-phosphat die Cy = 2-1077.
Fügt man der Lösung Di, ae, hinzu, so würde eine Umsetzung eintreten derart,
daß von den 0,1 Molen sec. Phosphats höchstens 0,01 in prim. verwandelt werden
unter gleichzeitiger Bildung von höchstens 0,01 Mol NaHCO,. Das Verhältnis der
0-11... ; EUER
or sondern o oër Für den Wert der ursprünglichen
Uu = 2.1077 = 7,3 pu bekommt man Ca = Bé: 10°" = 7,38 pa. Die
Kohlensäure der Atmosphäre ist also von verschwindend geringem Einfluß auf ein
Phosphatgemisch (Harn).
Die alv. CO,-Spannung wurde nach der Methode bestimmt, wie sie Haldane
und Priestley beschrieben haben?). Bei jeder Gasanalyse wurden immer zwei Be-
stimmungen gemacht. Stimmten beide Werte der alv. CO,-Spannung nicht gut
überein, so wurden weitere Kontrollbestimmungen vorgenommen. Bei den Unter-
suchungen in der Nacht stand der Apparat in nächster Nähe des Schlafenden, so
daß beim plötzlichen Erwachen sofort in den Apparat auszeatmet werden konnte
(43, 8. 410). Nachts konnten Kontrollbestimmungen nicht gemacht werden. Die
Technik dieser Untersuchung setzt eine gewisse Übung voraus. Im folgenden
werden die Schwankungen der Werte des pyu des Harns und der alv. CO,-Spannung
nach verschiedenen Einwirkungen auf den menschlichen Körper graphisch über-
einanderveschrieben.
Phosphate ist nicht mehr
Eigene Versuche.
I. Nahrungszufuhr.
Der Harn. Nach der Einnahme einer Mahlzeit (Abb. 1) steigt die
Pë : Soia ; ; °. e
Uu-hutve, erreicht nach 2—3 Stunden ihr Maximum. Bei geringer
—— —,— ee ren ie EEE G a GEHEN vg, su „zn GE
in. (sun. Em (ie o
mr gen, geg gf. mr
der wahren Harnreaktion und der alveolaren CO,-Spannung. 223
Nahrungszufuhr wird das Maximum früher erreicht und ist weniger
hoch gelegen als bei reichlicher Mahlzeit. Dann fällt die Kurve wieder
während der nächsten 2—3 Stunden. Die Höhe der nach dem Essen
in der Harnkurve auftretenden Zacke kann bis zu einer De Breite
von 2 und darüber betragen; sie hängt neben anderem auch von der
Höhenlage ab, auf der die Kurve verläuft. Manchmal wird unmittel-
bar nach der Einnahme des Essens vor dem Eintreten der post.
digestiven Zacke“ in der Harnkurve ein geringer Abfall beobachtet;
doch ist derselbe nicht konstant (Abb. 1, Abendessen).
Die alveolare CO,-Spannung: Die Angaben von Porges, H. Straub
und seinen Mitarbeitern?! #) und H. J. Higgens!?) sind zu bestätigen;
nach 2—3 Stunden erreicht die nach der Nahrungseinnahme steigende
alveolare CO,-Spannung ihren Höchstwert. Die Erhöhung beträgt
2—5 mm (selten mehr). Die
Größe der Mahlzeit hat auf
die CO,-Spannungskurve den
gleichen Einfluß wie auf die
Py-Kurve des Harns. Ein klei-
ner Abfall unmittelbar nach
dem Essen wurde nicht beob-
achtet.
Abb. 1 zeigt, daß die Py-
Kurve und die CO,-Kurve l l
Abb. 1*). Abszisse: Zeit, Ordinate: op bzw. CO, mm.
nach Nahrungsaufnahme sich Tageskurve der alv. CO,-Spannung und des pg des
im gleichen Sinn verändern. Harns. p;ı-Kurve ausgezogen ; CO,-Kurve punktiert;
Pfeile geben die eingenommenen Mahlzeiten an.
Beide Kurven laufen im
großen und ganzen parallel. Die Alkalescenz des Harns erreicht
ihr Maximum gleichzeitig mit der alveolaren CO,-Spannung. Beide
Zacken sind aufzufassen als Ausdruck einer veränderten Alkalescenz
des Blutes nach Nahrungseinnahme. Es liegt nahe, anzunehmen, daß
die synchronen Schwankungen beider Kurven eine gemeinsame Ursache
haben. Vom Harn ist schon seit Bence-Jones?) bekannt, daß einige
Stunden nach der Mahlzeit die Harnacidität in ihrem Wert fällt, zu-
weilen in Alkalescenz umschlägt ** 6). Schon Ringstedt?”) fand bei
vergleichender Kontrolle von Magensaft und Harn, daß der Säure-
grad des Harns nach der Mahlzeit um so mehr abnimmt, je mehr Salz-
säure der Magensaft enthält, ferner, daß keine Herabsetzung des Säure-
grades des Harns stattfindet, wenn der Magensaft keine Salzsäure
enthält. Es war klar, daß die Salzsäureabscheidung im Magen eine
Rolle spielt bei der nach Mahlzeiten auftretenden Aciditätsänderung
des Harns. Weitere Bestätigungen dieser Annahme erbrachten die
*) Abb. ] ist eine typische Kurve aus der Schar von über 50, an 8 ver-
schirdenen Personen beobachteten Tagesschwankungen.
224 G. Endres: Über Gesetzmäßigkoiten in der Beziehung zwischen
Versuche von Pawlow und Babkin 1). Die nach Nahrungszufuhr
einsetzende Säureverminderung des Harns wird geradezu als Dia-
gnostikum für normale Magensekretion angesehen®). Nur Hasselbalch
sicht auf Grund der Ergebnisse seiner Diätversuche die Ursache des
Wechsels der Harnreaktion nach Mahlzeiten in der verstärkten Kohlen-
hydratverbrennung!®). Porges hat zuerst eine erhöhte alveolare CO,-
Spannung des venösen Blutes nach der Mahlzeit beobachtet?!). Hig-
gens!?) und Straub®) mit seinen Mitarbeitern fanden eine solche im
arteriellen Blut. Porges stellte es als wahrscheinlich hin, daß die Magen-
sekretion von Einfluß ist auf die CO,-Spannung des Blutes; die Ab-
scheidung der Salzsäure führt zu einer Verschiebung saurer Valenzen
aus dem Blute in den Magen; daher Erhöhung der CO,-Spannung
des Blutes. Higgens Versuch der Erklärung des Anstieges der alveolaren
CO,-Spannung nach dem Essen (Herabsetzung der Erregbarkeit des
Atemzentrums) und sein Einwand (alkalische Pankreassekretion) gegen
die HCI-Sekretion des Magens als Ursache der erhöhten CO,-Spannung
sind abzulehnen. In neueren
Untersuchungen*) mit Kauders
konnte Porges zeigen, daß bei
Anaciden nach Nahrungsauf-
nahme das Ansteigen der CO,-
Spannung im venösen Blut
ausbleibt.
Von den _ gleichzeitigen
Schwankungen der py- und CO,-Kurve nach Mahlzeiten ausgehend,
haben wir, unabhängig von Porges Untersuchungen der CO,-Spannung
des arteriellen Blutes und gleichzeitig der wahren Harnacidität bei
gestörter und fehlender HCi-Sekretion des Magens gemacht.
Abb. 2 zeigt eine von sechs beobachteten Tageskurven bei An-
acidität. Die Harnkurve ist auf einer relativ niederen Höhenlage
fixiert; die in Abb. 1 zu sehenden ‚‚postdigestiven Zocken" sind hier
nicht vorhanden. Die Mahlzeiten sind also völlig ohne Einfluß auf die
alveolare CO,-Spannung und auf die Harnacidität.
Auffallend ist, daß in keinem Fall nach der Mahlzeit eine merkliche Senkung
der pyu bezw. CO,-Kurve eingetreten ist. Es ist wohl naheliegend, anzunehmen,
daß bei Ausfall der HCl-Magensekretion durch die nach Nahrungsaufnahme ein-
tretende Tätigkeit der Verdauungsdrüsen (Pankreas usw.) eine vorübergehende
Alkaliverminderung des Blutes mit ihren Folgen für Harnacidität und alv. CO,-
Spannung eintreten wird. Allein wenn man sich vorstellt, daß einerseits die Wasser-
stoffionenkonzentration des Pankreassaftces®) nicht allzusehr von jener des Blutes**)
Abb.2. Nahrungsaufnahme bei Anaciden.
*) Sie sind während der Niederschrift dieser Arbeit veröffentlicht worden.
**) Das strömende Blut (38°) hat ein pu = 7,35 — 7,4 ( Hasselbalch u. Michaelis),
der Darmsaft hat rund py = 7,7 (Auerbach, Pick); Wirkungsoptimum für Tryp-
sin Du = 7,7; Wirkungsoptimum für Pankreaslipase pa = 7,7—8; der Magensaft
nach Probefrühstück hat ein py = 1,77! (Fränkel, Michaelis) nach Michaelis *).
der wahren Harnreaktion und der alveolaren CO,-Spannung. 225
verschieden ist, andererseits die Menge des Pankreassekrets nach einer Mahlzeit nur
auf 30—50 ccm/Stunde geschätzt wird®), so ist es verständlich, daß die Pankreas-
sekretion die aktuelle Reaktion des Blutes kaum merklich verändert, sehr im
Gegensatz zur HCl-Sekretion des Magens, bei welcher große Mengen einer vom
Blut in ihrer Acidität stark verschiedenen Flüssigkeit abgeschieden wird. So hat
Rosemann?°®) bei Scheinfütterung eines 24 Kilo-Hundes in 31/, Stunden 917 ccm
Magensaft gewonnen, eine Menge, die ungefähr der Hälfte des Gesamtvolumens
des Tieres entspricht.
II. Kostlorm. ` `
Vorbemerkung: Hasselbalch hat bereits eine Gesetzmäßigkeit in der Einwirkung
der einzelnen Diätformen auf py und die alv. CO,-Spannung nachgewiesen (siehe
Einleitung). Zugleich fand er (10, S. 24): „3—4 Stunden nach einer Mahlzeit, d. h.
zur Zeit der Kohlenhydratverbrennung, steigt der pe des Harns fast ausnahmslos
an.‘‘ Hasselbalch schließt also: „Die Tagesschwankungen der Harnreaktion be-
ziehen sich demnach in irgendeiner Weise auf den normalen Verlauf des Kohlen-
hydratstoffwechsels“‘ und glaubt weiter, daB die Salzsäuresekretion des Ven-
trikels nicht verantwortlich zu machen sei für den Wechsel der Harnreaktion im
Laufe des Tages. Als Beweis werden angeführt:
1. Nur eine Kost, die Kohlenhydrate enthält, veranlaßt die betreffenden Re-
aktionsänderungen, und zwar um so stärker, je kohlenhydratreicher die Kost ist.
Fleischdiät (die doch wohl noch mehr als die vegetarische die Salzsäuresekretion
des Ventrikels befördert), gibt einen sehr sauren Harn fast ohne Tagesschwankungen
der Reaktion. 2. Nicht die mit der kohlenhydratreichen Mahlzeit eingeführten
Elektrolyte bewirken die Säureerniedrigung des Harns; denn am 1. Inanitionstag,
sogar bis 24 Stunden nach der letzten Mahlzeit, hat der Harn einen auffallend
hohes pa. Erst am 2. Inanitionstag, nachdem der Glykogenvorrat verbraucht ist,
fängt der Harn an, die niedrigeren p4-Werte der Fleischfettverbrennung an-
zunehmen?*).
Mit Rücksicht auf die Resultate Hasselbalchs und unsere Ergeb-
nisse unter I haben auch wir Untersuchungen bei verschiedener Kost- .
form angestellt.
Fleischkost. Mit G. E. wurden zwei Versuche mit je 6 Tagen Fleisch-
diät vorgenommen. Die Diät wurde streng gehalten. Ferner wurde
darauf gesehen, daß die täglich zugeführte Fleischmenge dem täglichen
Calorienbedarf von G. E. gerecht wurde.
Als Fleisch wurde im 1. Versuch Büchsenfleisch (Corned Beef), im zweiten
Versuch abwechselnd Rind- und Kalbfleisch genossen. Da in Versuch I bei den
meisten Mahlzeiten Tee getrunken wurde, waren die einzelnen Schwankungen in
den beiden Kurven nicht immer eindeutig (siehe unter IV). Allein im großen und
ganzen stimmt das Resultat vom Versuch I gut mit jenem vom Versuch Il (Abb. III)
überein, bei welchem die dem Körper zugeführte Flüssigkeit aus Leitungswasser
bestand. | nn
Die Harnkurve. 1. Wie Abb. 3 zeigt, ist der erste Tag ohne Be-
sonderheit. Am zweiten Tag (bei Versuch 1 am dritten Tag) ist das
Kurvenniveau stark erniedrigt; am dritten und vierten Tag ist bereits
ein geringes Ansteigen der Tageskurve zu verzeichnen, das am fünften
Tag noch ausgeprägter ist. Doch werden die Ausgangswerte nicht
*) Mit unwesentlichen Kürzungen nach K. A. Hasselbalch zitiert (10, S. 25).
Biochemische Zeitschrift Band 132. 15
226 G. Endres: Über Gesetzmäßigkeiten in der Beziehung zwischen
erreicht. 2. Die Tagescharakteristik der ?4-Kurve (postdigestive Zacken)
ist vorhanden. 3. In der Nacht des zweiten und in den folgenden Tagen
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tritt im Harn Aceton, am dritten und fünften Tag vereinzelt Acet-
essigsäure auf. In der Nacht ist die Acetonurie immer vorhanden und
verstärkt, nach dem Essen verschwindet sie meistens.
der wahren Harnreaktion und der alveolaren CO,-Spannung. 227
Der 6. Tag ist für die Erörterungen nicht zu gebrauchen; G. E. blieb an diesem
Tage bis 11 Uhr 30 nüchtern, es wurde der Versuch gemacht, inwieweit sensorielle
Reize Einfluß haben auf Harnacidität und alv. CO,-Spannung (Magensekretion);
durch Anblick und Geruch eines äußerst schmackhaft zubereiteten Fleisches,
durch sein !/,stündiges Kauen — das Fleisch wurde jedoch nicht genossen, —
wurden starke Appetit- und Hungergefühle wachgerufen. Die CO,-Srannung und
der py blieben unverändert!
Die CO,-Spannungskurve. 1. H. Straubs Beobachtung ist zu be-
stätigen. Am ersten Tag sinkt die Tageskurve zunächst noch .nicht,
wohl aber am zweiten bzw. dritten Tag (ebenso bei Versuch 1). Nach-
dem die Tageskurve am folgenden Tag ihren Tiefstand erreicht hat,
erfolgt am vierten und fünften Tag wieder Ansteigen des Tagesdurch-
schnittes. 2. Nach dem Essen ist regelmäßig ein Anstieg vorhanden.
3. Von Interesse ist auch die Tatsache, daß die Nachtwerte (siehe
unter 3) am dritten und vierten
Tag stark erniedrigt sind, im
Vergleich zu den vorhergehen-
den und folgenden Tagen.
Es liegt kein Grund vor anzu-
nehmen, daß das Atemzentrum in
seiner Erregbarkeit verändert wor-
den ist. Die stark erniedrigte alv.
CO,-Spannung ist wohl viel mehr
anzusehen als Teilerscheinung der
erniedrigten alv. CO,Spannung des
Tages. Die leichte Acetonurie kann
sicherlich die erniedrigten Nacht- Abb. 4. 6. Kohlenhydrattag.
werte nicht herbeigeführt haben,
denn am 5. Tag war trotz verstärkten Ketonurie die alv. CO,-Spannung der
Nacht wieder auf annähernd normale Werte emporgestiegen.
Kohlenhydratkost. Von Mischkost ausgehend, wurden von Gastrc-
enterostomie 6 Tage strenge Kohlenhydratdiät gehalten. Die py- und
die CO,-Kurven stiegen im Laufe der Tage allmählich an, so daß sich
in den letzten Tagen Verhältnisse herstellten, wie sie Abb. 4 zeigt.
Die Kurven der anderen Tage bieten nichts Nennenswertes.
Harn- und CO,-Spannungskurve. 1. Der Tagesdurchschnitt beider
Kurven ist stark erhöht*). 2. Die nach dem Essen auftretenden
Schwankungen beider Kurven unterscheiden sich in ihrer Charakte-
ristik von jener der Fleischdiät: das postdigestive Ansteigen der
Kurven erscheint weniger als eine ausgesprochene Zacke. Der Kul-
minationspunkt der Erhebung tritt durchschnittlich nach 3—4 Stunden
(bei Fleischdiät meist schon nach 2 Stunden) auf. Der Abfall ist
ebenfalls verzögert.
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*) Für G. E. ist der Durchschnittswert der alv. CO,-Spannung (morgens
nuchtern gemessen) bei Gemischtkost annähernd 44 mm, also an der oberen Grenze
der Norm gelegen.
15*
228 G. Endres: Über Gesetzmäßigkeiten in der Beziehung zwischen
Inanitionsversuch. Abb. 5 bringt im wesentlichen nichts Neues.
G. E. blieb während zweier Tage nüchtern. Wasser wurde nach
Bedürfnis in unbekannter Menge aufgenommen. Am Ende des ersten
Tages geringe Ermiedrigung der py- und CO,-Kurve Auf die am
Morgen des ersten Tages auftretende alkalische Zacke wird noch spä-
ter zurückzukommen sein. Am zweiten Tag ist der Harn konstant
sauer, die CO,-Spannung stark erniedrigt; im Nacht- und Tagharn
läßt sich Aceton und Acetessigsäure nachweisen.
Besprechung der Ergebnisse. Im Gegensatz zu Hasselbalch haben wir
also regelmäßig eine Aciditätsverminderung des Harns nach dem
Essen auch bei reiner Fleischdiät zu beobachten. Wohl erfolgt dieser
Säureabfall rascher als bei gemischter oder vollends gar bei Kohlen-
hydratkost, ist aber immer vorhanden; infolgedessen besteht der
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Abb. 5. Inanitionsversuch.
eine Einwand Hasselbalchs gegen den Zusammenhang von postdige-
stiver Alkaliuvrie und Salzsäuresekretion des Magens nicht zu
Recht. Das rasche Ansteigen und Abfallen der py-Kurve bei Fleisch-
diät, im Gegensatz zur Kohlenhydratdiät, stimmen gut überein mit
den Ergebnissen der Versuche von R. v. Jaksch?°), der fand, daß am
raschesten die HCI-Sekretion des Magens bei Fleischdiät, am träg-
sten bei Kohlenhydraternährung ansteigt.
Daß Hasselbalch bei Fleischdiät keine oder nur geringe Aciditäts-
schwankung im Harn beobachtet hat, mag seinen Grund in seiner
Versuchsanordnung haben, bei welcher ein rascher Anstieg der ?4-Kurve
gegebenenfalls nicht genügend kontrolliert werden kann.
Allein durch die Tätigkeit des Magens lassen sich sicherlich nicht
alle Verschiedenheiten der Verhältnisse bei Fleisch- und Kohlenhydrat-
kost vollständig erklären. Da die Kohlenhydrate, sehr im Gegensatz
zu den Eiweißstoffen, vom Organismus vollkommen zu CO, und H,O
abgebaut werden, kann man wohl mit Hasselbalch annehmen, daß
ut EE Ee e
der wahren Harnreaktion und der alveolaren CO,-Spannung. 229
es bei reiner Kohlenhydraternährung zu vermehrter Kohlensäure-
bildung kommt. Wie weit indessen die Wirkung dieses Vorganges auf
die Harnacidität sich summiert zu jener der HCI-Sekretion des Magens,
läßt sich ohne weiteres nicht sagen. Versuche bei Anaciden wurden
in dieser Hinsicht nicht vorgenommen. Es ist ferner gut denkbar, daß
die vermehrte CO,-Bildung mit eine Rolle spielt bei der Erhöhung
des Tagesdurchschnittes der CO,-Spannungskurve.
Die Kohlenhydrate mit ihren alkalischen Salzen bringen dem Körper
reichlich alkalische Valenzen zu. Daß diese Alkaliinvasion nicht ohne
Bedeutung ist für die Niveauerhöhung der pg- und CO,-Kurve, zeigt
folgende Betrachtung. In einer Mahlzeit, bestehend aus gemischter
Kost, wurden 5 g NaHCO, genommen (Abb. 6). Es trat starke Alkales-
cenz des Urins auf, die nach 2!/, Stunden ihren maximalen Wert er-
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Abb.6. Alkalische Mahlzeit. Abb.7. Nüchtern nach 6 Kohlenhydrattagen.
ıeichte. Die alveolare CO,-Spannung war ebenfalls entsprechend erhöht.
Allein beide Kurven fallen nicht typisch nach 2—3 Stunden ab, sondern
sind selbst nach 4!/, Stunden nach ihrem Maximalpunkt noch deutlich
erhöht. Die Wirkung des basischen Salzes macht sich also noch lange
in der Acidität des Harns und in der CO,-Spannung des arteriellen
Blutes bemerkbar. Wird nun, bevor diese Wirkung abgeklungen ist,
jedesmal erneut alkalische Nahrung zugeführt, so bleibt die Tages-
kurve über die Norm erhöht. Für die Richtigkeit dieser Annahme
spricht folgende Beobachtung (Abb. 7): Im Anschluß an die 6tägige
Kohlenhydratdiät wurden bei G. E. am siebenten Tag, von mor-
gens nüchtern anfangend, die CO,-Werte bestimmt. Sie waren
im Vergleich zu den vorhergehenden Tagen merklich erhöht. Die
Harnkurve war nach Wegfall der Einwirkung des Schlafes (siehe
unter 2) emporgeschnellt. Die Versuchsperson blieb im weiteren Ver-
lauf des Tages nüchtern. Nach 11 Stunden fiel die Harnkurve steil,
die CO,-Kurve schon im Laufe des Tages zunächst allmählich, dann
gleichzeitig mit der Harnkurve herab bis auf normale Werte.
230 G. Endres: Über Gesetzmäßigkeiten in der Beziehung zwischen
Es ist wohl nicht ohne weiteres angängig, den Absturz der Kurve
ausschließlich auf einen erfolgten Verbrauch des Glykogenvorrates
zurückzuführen. So treten z. B. in Abb. 3 noch Reaktionsschwan-
kungen des Harns auf, selbst dann noch, wenn eine Glykogenmosbili-
sation nicht mehr in Frage kommen kann (Acetonurie!). Man darf
also vielmehr annehmen, daß durch die 6tägige Kohlenhydratdiät
dem Körper abnorm viele alkalische Stoffe zugeführt worden sind.
Bei diesem überreichen Alkaliangebot ist es wohl — wenn auch nur
sehr gering — zu vermehrter Alkalianhäufung im Gewebe gekommen.
Erst nach 11 Stunden (nach dem Aufstehen) hat der Körper, nach-
dem die gewohnte Alkalizufuhr unterblieben ist, den Überschuß an
basischen Stoffen abgegeben.
UL Der Schlaf.
Abb. 1, 3 und 5 zeigen das Verhalten der py- und der alveolaren
CO,-Spannungskurve im Schlaf. Das am meisten ins Auge Springende
beim nächtlichen Ablauf beider Kurven ist ihre Divergenz: bei allen
bisherigen Beobachtungen ist ein mehr oder minder ausgesprochenes
Parallelgehen der Kurven zu bemerken. Der Schlaf aber löst die Ten-
denz in beiden Kurven aus, sich einander zu entfernen. Mit Beendi-
gung des Schlafes nähern sich beide Kurven wieder. Unter Berück-
sichtigung der unter 1 und 2 gewonnenen Ergebnisse erscheint das Ver-
halten der Harn- und CO,-Kurve im Schlaf ohne weiteres nicht ver-
ständlich: die Harnacidität erfährt durch den Schlaf eine Veränderung,
wie sie bei der Alkalescenzerniedrigung des Blutes auftritt*). Die
CO,-Kurve dagegen steigt stark an bei Eintritt des Schlafes und ist
auch während dessen Verlauf konstant hoch geblieben. Mit anderen
Worten: nach dem Verlauf der CO,-Kurve zu schließen, ist wohl die
Blutalkalescenz erhöht. Wie löst sich nun dieser Widerspruch in der
Deutung des Verlaufes beider Kurven im Schlaf?
Fast alle Alkalisalze der Säuren (selbst der schwächsten) zeigen in ihrem
celektrolytischen Dissoziationsvermögen größte Ähnlichkeit mit den starken Säuren:
sie folgen nicht dem Massenwirkungsgesetz und sind fast völlig diesozüert. Mischt
man eine schwache Säure mit ihrem entsprechenden Alkalisalz, so wird die Disso-
ziation dieser Säure immer mehr herabgedrückt, je mehr man von dem Alkalisalze
zugibt. Hat man z.B. ein CO,-NaHCO,-Gemisch, so läßt sich, von dieser Tatsache
ausgehend, die Cy dieser Lösung berechnen (25, S. 7); sie ist annähernd
ek. Dik
m NaHCO; `
Im Blut sind ähnliche Verhältnisse vorhanden. Seine Ca wird bedingt vor
allem durch das Gemisch der Cırbonate, der Phosphate und ferner der dissoziierten
*) Der Grad der Aciditätserhöhung des Harns und der Steigerung der alv.
CO,-Spannung in der Nacht hängt u. a. auch von der Kostform ab. — Bei G. E.
wurden bei Kohlenhydratdiät Nachtwerte der alv. CO,-Spannung von 56 mm und
darüber wiederholt beobachtet.
der wahren Harnreaktion und der alveolaren CO,-Spannung. 231
Eiweißkörper; letztere spielen, wie Henderson gezeigt hat, eine nur untergeordnete
Rolle. Auch die Bedeutung der Phosphate tritt gegenüber jener der Carbonate
zurück, so daß in einem bestimmten CO,-NaHCO,-Gemisch „ein vereinfachtes
Modell der Blutflüssigkeit‘‘ gegeben ist. In Wirklichkeit sind natürlich die Ver-
hältnisse bedeutend komplizierter. Das Blut ist kein starres System von Salz-
gemischen: durch stoffliche Umsetzungen im Gewebe, durch die Atmung usw.
finden — auch beim ruhenden Menschen — Verschiebungen in den Gleichgewichts-
zuständen der Salzgemische statt, die Anionen stehen im dauernden, wechsel-
seitigen Konkurrenzkampf um die Alkali, in der Verteilung der CO, im Plasma
und in den Körperchen besteht ein labiles Gleichgewicht usw. Für unsere mehr
oder minder schematische Betrachtungsweise mögen indessen für die Konstant-
haltung der Ca des Blutes die Beziehung Ce =K- ween (I) und die analoge
NaH,PO,
Na,HPO,
Unter 1 haben wir gesehen, daß bei der Tätigkeit des Magens
eine Erhöhung der alveolaren C'O,-Spannung und eine Abnahme der
wahren Acidität des Harns einsetzen. Durch die rasch eintretende
Cl-Konvektion aus dem Blute tritt eine plötzliche Vermehrung des
NaHCO, und des Na,HPO, ein, denn das Na tritt mit Abspaltung
des Cl in Bindung mit der freien CO, bzw. mit dem NaH,PO,. In der
Carbonat- und Phosphatgleichung wird der Nenner größer. Zur
Konstanthaltung der Cy wird einerseits freie CO, vom Körper zurück-
gehalten, der Zähler des Bruchs in der Gleichung I wird größer, die
CO,-Spannung des Blutes steigt, andererseits bewahrt die Niere die
Zähler-Nenner-Relation in der Gleichung durch vermehrte Ausscheidung
von Na,HPO,, der Harn wird stärker alkalisch. Nebenbei finden
gegenseitige Beeinflussungen in den Gleichgewichtszuständen der
Carbonat- und Phosphatgemische statt, entsprechend folgender chemi-
scher Gleichung: Ä
NaHCO, + NaH,PO, > H,CO, + Na,HPO,
Wie liegen nun die Verhältnisse beim Schlaf? Bei der Beurteilung
der postdigestiven Veränderungen in der alveolaren CO,-Spannung
und in der wahren Harnacidität sind wir immer von dem Vorbehalt
ausgegangen, daß die Co des Blutes konstant ist.
Wenn wir mit Winterstein annehmen, daß die Ge des Blutes der
Reiz für das Atemzentrum ist, so muß im Schlaf, in welchem bekannt.
lich die Erregbarkeit des Atemzentrums herabgesetzt ist, eine wenn
auch nur ganz geringe Erhöhung der Cy des Blutes vorhanden sein.
In der Gleichung (I) wird also der Bruch größer. Da die Alkalireserven
(NaHCO,) des Blutes im Schlaf sich kaum wesentlich verändern, so
ist die C„-Erhöhung im Schlaf fast ausschließlich auf die Rechnung
der erhöhten Blutkohlensäure zu setzen. Im gleichen Maße erfährt
auch der Phosphatbruch (II) eine Vergrößerung. Im Gleichgewicht
der Phosphate tritt eine Verschiebung ein zugunsten der sauren Phos-
Gleichung für die Blutphosphate Cya SK (II) bestimmend sein.
>-
232 G. Endres: Über Gesetzmäßirkeiten in der Beziehung zwischen
phate; zugleich macht sich auch hier die Wechselwirkung zwischen
dem Phosphat- und Carbonatgemisch bemerkbar, indem die CO, bei
einer bestimmten Konzentration von Einfluß ist auf da Dinatrium-
phosphat:
Na HPO, + H,CO, > NaHCO, + NaH,PO,.
Die Wirkung dieser Veränderungen im Phosphatgemisch zeigt sich
in einer Zunahme der Harnacidität.
Es ist also kein Zufall, daß der py des Harns gerade immer dann
abnimmt, wenn die alveolare CO,-Spannung infolge Veränderung der
Erregbarkeit des Atemzentrums ansteigt. Fällt die alveolare CO,-
Spannung nach dem Schlaf auf ihren Tageswert herab, so tritt fast
gleichzeitig eine Aciditätsverminderung des Harns ein. In den meisten
Fällen erreicht die Harnacidität ihren höchsten Wert, wenn die CO,-
Kurve ihr Maximum durchläuft.
Diese Beobachtung ist nicht immer konstant, vor allem wohl des-
halb, weil die Bestimmung der alveolaren CO,-Spannung nach plötz
lichem Erwachen aus dem Schlaf manchmal aus irgendeinem tech-
nischen Grund nicht vollkommen einwandfrei gelingt. — Wenn der
Harn schon vor dem Schlaf auf einen niederen pg-Wert eingestellt
ist, kommt der nächtliche Abfall in der Kurve weniger deutlich zum
Ausdruck, ist aber immer, wenn auch nur andeutungsweise, vorhanden.
Neben der Erhöhung der Cy ist regelmäßig im Schlaf auch eine
Verminderung des Stundenvolumens und eine Hochstellung des spezi-
fischen Gewichtes des Harns zu beobachten (34). Ob indessen die ver-
minderte Harnsckretion im Schlaf in die Reihe jener Begleitsymptome
des Schlafes einzureihen ist, die ihren Grund in der veränderten Er-
regbarkeit des Centialnervensystems haben (Erregbarkeitsherabsetzung
des Atemzentrums, Umstellung des nervösen Apparates für Herz,
Gefäße, Intestinaltraktus, parenchymatöse Organe usw.), oder ob
die veränderte Cy des Blutes — welche bekanntlich für die Tätigkeit
der Drüsen und aller übrigen kolloidehemischen und fermentativen
Prozesse eine grosse Bedeutung hat — als solche es ist, die direkt
sekretionshemmend auf die Niere wirkt, kann mit vorliegenden Ver-
suchen nicht entschieden werden.
IV. Pharmaca, die das Atemzentrum in seiner Erregbarkeit verändern.
Unter III wurde die mit durch Schlafeintritt einsetzende Aciditäts-
erhöhung des Harns in Zusammenhang gebracht mit der herabgesetzten
Reizbarkeit des Atemzentrums. Ist diese Deutung des nächtlichen
Anstieges der Harnacidität zutreffend, so muß die Harnacidität sich
im gleichen bzw. umgekehrten Sinn verändern, je nachdem man die
Reizbarkeit des Atemzentrums durch Pharmaca herabsetzt bzw.
erhöht.
der wahren Harnreaktion und der alveolaren CO,-Spannung. 233
Zu diesem Zweck wurden mit G. E. zwei Versuche vorgenommen. Im Versuch
1 wurden G. E. 0,01 Morphium subecut. injiziert, im zweiten Versuch 2 x 0,2 Coffeinum
natriobenzoicum per os zugeführt. Um andere Einwirkungen auszuschalten, wurden
die Versuche bei nüchternem Körper ausgeführt. Auch im weiteren Verlauf der
Versuchstage blieb die Versuchsperson nüchtern, wenigstens so lange, bis die
Wirkung der Pharmaca annähernd abgeklungen war. Der Coffeinversuch wurde
ein zweites Mal mit gleichem Ergebnis wiederholt.
Morphium (Abb. 8). Sofort nach der Injektion nimmt die Acidität
des Harns zu, erreicht nach 2 Stunden ihr Maximum mit pe = 4,9
(der niederste bei G. E. beobachtete P-Wert!), alsdann allmäh-
liches Abnehmen der Acidität. Die alveolare CO,-Spannungskurve
nimmt den bereits von K. Beckmann**) geschilderten typischen Ver-
lauf: zunächst Ansteigen der Kurve, dann Auftreten einer Senkung,
die bei G.E., der an Morphium nicht SESCH ist, mit Erbrechen, star-
kem Unwohlsein und Er-
müdungsgefühl begleitet Uer
war. Ihren Maximalpunkt LT
durchläuft die Kurve, x“
wenn der Harn am stärk-
sten sauer ist, 2 Stunden %#
nach der Injektion*). In ý
dem gleichen Maße wie
die ?g-Kurve wieder an-
steigt, fällt die alveolare
CO,-Spannungskurve.
Nach 9—10 Stunden hat ,
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die CO,-Kurve ihre An- - MEN EIER ET L
fangswerte wieder er- Abb. 8. Morphium und Coffeinversuch.
reicht.
Ergebnis: Die auf Morphiumgabe erzielte Veränderung im Verlauf
beider Kurven gleicht also völlig jener, die der Schlaf herbeiführt.
Auch Morphium verursacht ein Divergieren der py- und CO,-Kurve.
Coffein (Abb. 8). Unmittelbar nach der Coffeineinnahme schießt
die ?y-Kurve steil- empor und bleibt während 12 Stunden dauernd
hoch fixiert. Erst in der 13. Stunde tritt der Abfall ein. Die CO,-
Spannungskurve fällt gleichzeitig mit dem Anstieg der Harnkurve.
Der niederste Punkt, 1 Stunde nach der Coffeineinnahme, liegt 5 mm
unter dem Ausgangswert. Nach 5 Stunden ist die Kurve wieder an-
nähernd zum Ausgangswert emporgestiegen.
Als erster hat Higgens!?) bei Kaffeegenuß eine Erniedrigung der CO,-Spannung
gefunden. K. Beckmann!!) hat diese Beobachtung bestätigt und weiterhin nach
*) Bei K. Beckmann 4 Stunden nach der Injektion. Die Differenz der Be-
obachtung mag wohl ihren Grund größtenteils in der stärkeren Dosis (0,02) Beck-
manns haben.
234 G. Endres: Über Gesetzmäßirkeiten in der Beziehung zwischen
Einnahme von Colapastillen eine alv. CO„Spannungskurve erhalten, die mit
unserer Coffeinkurve völlig übereinstimmt.
Ergebnis: Bewirkt Morphium, das die Erregbarkeit des Atem-
zentrums herabsetzende Mittel, ein Divergieren, so führt Coffein, das
das Atemzentrum in seiner Erregbarkeit erhöht, zu einem Konvergieren
der Kurven.
Von einem Konvergieren und Divergieren der beiden Kurven zu sprechen
hat natürlich nur dann einen Sinn, wenn das Koordinatensystem für die Kurven
beider Versuche das gleiche ist. Bei unserer graphischen Darstellung ist die Harn-
kurve unter der CO,-Kurve geschrieben.
Die pg-Kurve im Coffeinversuch überrascht zunächst in ihrer
Gegensätzlichkeit zur Morphiumwirkung. Die Annahme einer Er-
höhung der Erregbarkeit des Atemzentrums erklärt sich durch die
ersten Stunden des Versuchs. Wie wir später bei den scheinbaren
spontanen Alkaliurien sehen werden, bedingt Erhöhung der Erreg-
barkeit des Atemzentrums ein Freiwerden alkalischer Valenzen, die im
Urin ausgeschieden werden. Hier aber pfropft sich auf diese eine
Wirkung eine zweite auf. Denn während nach der CO,-Spannungs-
kurve die Coffeinwirkung bereits nach 5 Stunden annähernd abgeklungen
ist, bleibt der Urin auch noch für weitere 7 Stunden stark alkalisch.
Durch die Versuche Ellingers *) ist es neuerdings wahrscheinlich gemacht
worden, daß die Wirkungsweise des Coffeins als Diuretikum in der
Verminderung des Quellungsdruckes der Eiweißsole im Blut zu suchen
ist. Der Entquellung der Blutkolloide läuft also eine Alkaliurie parallel,
die länger andauert, als die Wirkung des Coffeins auf das Atemzentrum.
V. Spontane Alkaliurie.
Das Parallelgehen der Harn- und alveolaren CO,-Spannungskurve
bei alimentärer Beeinflussung der Blutalkalescenz ist anzusehen als
Ausdruck einer gleichsinnigen Regulationstätigkeit der Niere und der
Lungen. Auch das Auseinanderfallen der parallellaufenden Kurven
durch die Wirkung des Schlafes und bestimmter Pharmaca hat seinen
Grond in der Tätigkeit des Regulationsmechanismus. Die veränderte
Erregbarkeit des Atemzentrums ist hier von ausschlaggebender Be-
deutung. Die Tagesschwankungen in der Aciditätskurve finden in
diesem Zusammenhang eine zwanglose Erklärung.
Allein bei den zahlreichen beobachteten Tageskurven der Harn-
acidität hat sich ergeben, daß bei normalen Individuen, häufig schein-
bar ohne ersichtlichen Grund, spontan in der ?g-Kurve eine alkalische
Zacke auftritt. Goerges fand bereits an 3 Tagen in den Vormittags-
stunden bei nüchternen Versuchspersonen eine Säureabnahme (Titra-
tionsacidität!). Quincke?) konnte diese Beobachtung bestätigen. In
neuester Zeit haben auch K. A. Hasselbalch und Gammeltoft!) auf
der wahren Harnreaktion und der alveolaren CO,-Spannung. 235
diese spontane Alkaliurie (wahre Acidität!) hingewiesen. An Hand
von über 15 von uns beobachteten Fällen spontaner Alkaliurie bei
gesunden Versuchspersonen ergab sich (Abb. 9): 1. Die alkalische
Spontanzacke in der Harnkurve tritt auf, so gut wie immer, nach dem
Schlaf, also vorzugsweise in den Vormittagsstunden, selten unmittel-
bar nach dem Erwachen, meist 2—3 Stunden nachher; 2. die Diät-
form scheint von Einfluß auf die Alkaliurie zu sein, insofern, als bei
Kohlenhydraternährung nach dem Schlaf in der Harnkurve ein aus-
gesprochenes alkalisches Plateau, bei Gemischtkost eine alkalische
Zacke, bei Fleischdiät aber keine, wenigstens keine auffallende Aciditäts-
schwankung des Harns zu beobachten ist; 3. die alveolare CO,-Span-
nung, die bei Kohlenhydratkost erhöht
ist, macht in den meisten Fällen den 2 E
Abfall des alkalischen Plateaus mit. Bei “| SE
einer alkalischen Zacke m der po Kurse | = 3
ist durchweg eine entsprechende Be- e S
wegung in der CO,-Kurve nicht deutlich `. Z 3
nachzuweisen.
Es geht nicht an, die spontane Al-
kaliurie zu erklären durch das angeb- >
liche Wiedereinsetzen der durch Schlaf-
eintritt sistierenden Verdauungsprozesse. 6
Denn — von anderen Gegengründen ganz
abgesehen — tritt sie unter Umständen
auch auf, wenn die letzte Mahlzeit schon
3—4 Stunden vor Beginn des Schlafes ` €
eingenommen worden ist. Auch die Deu-
tung des Versuches (Abb. 7) reicht sicher- 5
lich nicht aus zur Erklärung aller sog. a EE =
spontanen Alkaliurien, wenngleich die
Kostform zweifelsohne eine bestimmte Bedeutung für das Zustande-
kommen der spontanen Alkalescenz des Harns hat.
Auffallend ist die Tatsache, daß bei allen von uns beobachteten
Fällen das Auftreten eines spontanen alkalischen Harns an die Be-
endigung eines länger dauernden Schlafes gebunden ist. Nach dem
Schlaf erhält das Atemzentrum mehr oder weniger schnell seine normale
Erregbarkeit wieder; die Spannung der CO, im Blute nimmt ab. Bei
einer bestimmten Erniedrigung der Blutkohlensäurespannung wird im
NaHCO, - NaH,PO, = Gleichgewicht das Bicarbonat durch das Mono-
natriumphosphat überwogen, es kommt zur Bildung des basischen
Dinatriumphosphats:
NaHCO, + NaH,PO, > Na,HPO, + H,CO,
Nach
Gemischtkost.
Nach 5ttägiger
Fleischkost
236 G. Endres: Über Gesetzinäßirkeiten in der Beziehung zwischen
Gleichzeitig erfährt das Gleichgewicht der Blutphosphate eine Ver-
änderung, die sich in der Phosphatgleichung
NaH,PO,
Na,HPO,
in einem Kleinerwerden des Bruches zeigt. Als Folge dieser Ver-
schiebungen im Phosphatgleichgewicht ist die Zunahme der Harn-
alkalescenz anzusehen.
Durch diese Deutung der sog. spontanen Alkaliurie findet die be-
kannte Tatsache, daß bei leicht reizbaren, psycholabilen Personen
bei Erregung häufig Alkaliurie eintritt, auch eine Auslegung: K. Beck-
mann!) hat nämlich nachgewiesen, daß bei psychisch differenten
Personen eine seelische Aufregung stets mit einer beträchtlichen Er-
niedrigung der alveolaren CO,-Spannung einhergeht (im Mittel rund
3 mm, bei einem psycholabilen jungen Menschen sogar 8 mm!). Dieser
plötzliche Abfall der alveolaren CO,-Spannung hat seine Ursache in
der Erhöhung der Erregbarkeit des Atemzentrums. Es sind also hier
ähnliche Verhältnisse gegeben, wie beim Abfall der CO,-Spannung
beim Erwachen aus dem Schlaf, oder bei Gaben von das Atemzentrum
in seiner Erregbarkeit steigenden Stoffen.
Zum Nachweis einer gleichsinnigen Beeinflussung der py-Kurve
und der alveolaren CO,-Spannungskurve durch
Cr= K.
VI. Muskeltätigkeit
sind nur kurz dauernde Arbeitsleistungen vorgenommen worden.
Die Versuchsanordnung ist eine ähnliche, wie sie Haldane und Douglas?)
bei ihren Untersuchungen der CO,-Spannung des arteriellen Blutes
nach kurz dauernder starker Muskelanstrengung gebrauchten.
Bei vier Personen wurden zwei Versuche ausgeführt. Versuch 1:
45 Kniebeugen in 75 Sekunden; Versuch 2: 15 Minuten lange maximale
Arbeit am Ergometer. Neben einzelnen individuellen Abweichungen
zeigen alle entsprechenden Kurven der vier Personen eine gemeinsame
Charakteristik. Von den Einwänden Kroghs und ZLinhards®) gegen
die Bestimmungen der alveolaren CO,-Spannung bei Muskelarbeit
nach der Methode von Haldane abgesehen, muß ohne weiteres zu-
gegeben werden, daß die bei körperlicher Arbeit verstärkt einsetzende
physikalische Atmungsregulation (Veränderung des Minutenvolumens,
der Exspirationsluft, der Zirkulationsgeschwindigkeit des Blutes usw.)
erschwerend auf die eindeutige Erklärung der Veränderung der CO,-
Spannung des arteriellen Blutes wirkt. Allein im großen und ganzen
gibt die Haldanesche Methode auch bei der Muskelarbeit ein typisches
Bild der Schwankungen der CO,-Spannung im arteriellen Blut. Sie
darf für unsere Zwecke als völlig ausreichend bezeichnet werden, denn
der wahren Harnreaktion und der alveolaren CO,-Spannung. 237
eng
die charakteristischen Bewegungen in der CO,-Kurve sind auch in der
Py-Kurve des Harns wieder zu finden.
l. Die Harnacidität erhöht sich sofort mit Beginn der Arbeits-
leistung (Abb. 10). Der py hat seinen kleinsten Wert ungefähr dann,
wenn die alveolare CO,-Spannungskurve ihr Minimum durchläuft;
hierauf nimmt er langsam wieder zu. Bei länger währender, anstrengen-
der Arbeit (Versuch 2) tritt das Maximum der
Harnacidität später ein als bei kurzer Arbeits-
leistung (Versuch 1). Auffallend ist, daß bei
Versuch 2 stets, bei Versuch 1 bei zwei Ver-
suchspersonen beide Kurven ihr Ausgangs-
niveau überschießen, bevor sie sich wieder auf
konstanten Wert einstellen.
2. Die CO,-Spannungskurve nimmt ihren
bereits schon von Haldane, Douglas und Metten-
leiter) beschriebenen klassischen Verlauf;
steiler Anstieg in der Arbeit, dann Abfallen der
Kurve unter die Norm nach Beendigung der
Muskeltätigkeit (bei Versuch 2 schon während
derselben); hierauf langsames Ansteigen auf
die Ausgangswerte.
O. Porges und seine Mitarbeiter?!) fanden
die CO,-Spannung des venösen Blutes nach
übermäßiger Muskelarbeit erniedrigt. Ihre
Beobachtungen decken sich mit den Versuchs-
ergebnissen von Haldane und Douglas?) und
ettenleiter*), die ihre Untersuchungen auch
am arteriellen Blut anstellten: Durch kurz
dauernde intensive Muskelarbeit tritt infolge
vermehrter stofflicher Umsetzung im Muskel-
gewebe eine akute Anhäufung der Kohlensäure
ein, daher der steile Anstieg der Kurve un-
mittelbar nach der Arbeitsleistung *). Nach
CIS
/ 1 Versuch E
Abb. 10. Muskeltätigkeit.
einer gewissen Zeit hat die CO,-Anhäufung im Blut bedeutend ab-
genommen, die alveolare CO,-Spannungskurve ist also steil herab-
gefallen. Alsdann macht sich die Wirkung der bei starker Muskel-
tätigkeit auftretenden sauren Körper des intermediären Muskelstoff-
wechsels, vor allem der d-Milchsäure bemerkbar: Die alveolare CO,-
Spannungskurve fällt und bleibt so lange erniedrigt, als die sauren
Körper noch nicht völlig aus dem Organismus entfernt sind.
*) Gleichzeitig mit dem Ansteigen der CO,-Spannung setzt auch vermehrte
und vergrößerte Atmung ein.
240 G. Endres: Über Gesetzmäßirkeiten in der Beziehung zwischen
4. Es wird wahrscheinlich gemacht, daß die HCl-Sekretion des
Magens von ausschlaggebender Bedeutung für diese Kurvenschwan-
kungen ist; bei Anaciden fallen die postdigestiven Bewegungen in
beiden Kurven weg.
5. Das Tagesniveau beider Kurven hängt von der Kostform ab.
Es werden zur Deutung einige Erklärungsversuche angeführt.
6. Die Wirkung des Schlafes auf die 9,-Kurve des Harns und die
alveolare CO,-Spannungskurve zeigt sich in einem Auseinanderfallen
der sonst annähernd parallel laufenden Kurven. Die während des
Schlafes vorhandene Aciditätserhöhung des Harns wird in einen Zu-
sammenhang mit der herabgesetzten Reizbarkeit des Atemzentrums
gebracht.
7. Bewirkt Morphium, das die Erregbarkeit des Atemzentrums
herabsetzende Mittel, ein Divergieren (ähnlich wie der Schlaf), so führt
Coffein, das das Atemzentrum in seiner Erregbarkeit erhöht, zu einem
Konvergieren der beiden Kurven.
8. Die bei normalen Individuen bisweilen ohne ersichtlichen Grund
auftretende ‚spontane Alkaliurie‘‘ steht in gewisser Beziehung zur
Kostforn. Es wird ferner wahrscheinlich gemacht, daß für die Er-
klärung mancher ‚spontaner Alkaliurie‘‘ eine veränderte Erregbarkeit
des Atemzentrums verantwortlich zu machen ist.
9. Durch Muskelarbeit werden die wahre Harnacidität und die
alveolare CO,-Spannung in gleichem Sinn verändert. Schon die geringe
Arbeitsleistung von 45 Kniebeugen in 75 Sekunden bewirkt in beiden
Kurven eine sichtbare Veränderung.
10. Im Anschluß an einen Aderlaß steigt die alveolare CO,-Spannung,
die wahre Harnacidität nimmt ab. Es wird dargetan, daß mit großer
Wahrscheinlichkeit eine Venenpunktion durch die durch sie bedingte
Verminderung der Konzentration der Blutkörperchen eine Änderung
in der Blutreaktion herbeiführt.
Hasselbalchs Behauptung: o. Skramliks und meine Messungen
zeigen, daß es ohne Rücksichtnahme auf die Diät und den Ernährungs-
zustand des Patienten unmöglich ist, aus der Cy des Harns irgend welche
diagnostische Schlüsse zu ziehen®)“ ist ohne Zweifel richtig. Allein
neben diätetischen Eingriffen sind vor allem auch die Tätigkeit der
Muskulatur, der Schlaf und andere Änderungen der Erregbarkeit des
Atemzentrums von Bedeutung für die Wasserstoffionenkonzentration
des Harns. Allen diesen mannigfaltigen Schwankungen der Harnacidität
im Laufe des Tages liegt eine relative Gesetzmäßigkeit zugrunde. Sie
sind aufzufassen und zu verstehen als Ausdruck der reaktionsregu-
lierenden Tätigkeit der Niere im Organismus und stehen daher in ge-
wissen gesetzmäßigen Beziehungen zu den Schwankungen der alveo-
laren CO,-Spannung.
der wahren Harnreaktion und der alveolaren CO,-Spannunrr. 241
Literatur.
1) Babkin, Äußere Sekretion der Verdauungsdrüsen, Berlin 1914, S. 90. —
2) Bence Jones, On animal chemistry in its application to stomach and renal diseases,
London 1850, P. 41 (zit. nach Görges, S. 156). — 3) Douglas, C. G., Die Regulat.
der Atmung beim Menschen. Ergeb. d. Physiol. 14, 338. 1914. — $) Ellinger, A.,
Münch. med. Wochenschr. Nr. 49, S. 1399. — °) Gloesener, K., Zeitschr. f. physikal.
Chem. 40, 465. 1904. — °) Görges, Th., Arch. f. exp. Pathol. 11, 156. 1879. —
7) Haldane, J. S. und J. G. Briestley, Jeurn. of physiol. 3%, 225. 1905. — 8) Hassel-
balch, K. A. und Chr. Lundsgaard, diese Zeitschr. 38, 77. 1912. — °) Hasselbalch,
K. A., diese Zeitschr. 46, 403. 1912. — 10) Derselbe, diese Zeitschr. 74, 18. 1916. —
11) Xenderson, L. J. und K. Spiro, diese Zeitschr. 15, 105, 114. 1908. — 12) Hender-
son, L. J., diese Zeitschr. 24, 40. 1910. — !?) Derselbe, Ergebn. d. Physiol. 8, 254.
1909. — 1$) Derselbe, Journ. of biol chem. 9, 403. 1911. — 15) Derselbe und W.
Palmer, Journ. of biol. chem. 13, 393. 1913. — 101 Hildebrand, J., Zeitschr. CL
Elektrochem. 14, 349. 1908. — 17) Higgens, H. J., Journ. of Physiol. 34, 114. 1914.
— 18) Höber, Physik. Chem. d. Zelle u. d. Gewebe, S. 191. — 19) Derselbe und
Jankowsky, Beitr. zur chem. Physiol. u. Pthaolog. 3, 525. 1903. — "91 v. Jaksch.
R., Zeitschr. f. klin. Med. 17, 383. 1890. — ?!) Kauders, F. und O. Porges, Dtsch.
med. Wochenschr. 1921, S. 1415. — 2?) Krogh, A. und J. Lindhard, Skand. Arch.
f. Physiol. 27, 100. 1912. — 2) Dieselben, Journ. of Physiol. 47, 431. 1914. —
A) Maly, R., Liebigs Ann. 173, 227. 1874. — 2°) Michaelis, L., Die Wasserstoffionen-
konzentration, Berlin 1914. — 2°) Derselbe und A. Gyemant, diese Zeitschr. 109,
165. 1920. — 27) Derselbe, Dtsch. med. Wochenschr. 1920, S. 1238. — 28) Derselbe,
Dtsch. med. Wochenschr. 1921, S. 465. — 2°) Derselbe, Dtsch. med. Wochenschr.
1921, S. 673. — 2%) Pawlow, Arbeit der Verdauungsdrüsen. Wiesbaden 1898,
S. 16. — ?1) Porges, O., A. Leimdörfer und E. Marcovici, Zeitschr. f. klin. Med. 73,
389. 1911. — 32) Derselbe, Zeitschr. f. klin. Med. 77, 446. 1913. — ??) Quagliariello,
G. und F. Medina, Dtsch. med. Wochenschr. 1912, S. 2215. — 341) Quincke, H.,
Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. 8, 115. 1872. — 35) Derselbe, Zeitschr. f.
klin. Med. 7, 1884, Suppl. 22. — 38) v. Rohrer, L., Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol.
86, 586. 1901. — °”) Ringstedt, O. T., Maly, 20, 196. 1890. — 38) Rosemann,
Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 118, 467. 1907. — 2901 Schlagintweit, E., Dtsch.
med. Wochenschr. 1922, S. 251. — 4%) Schuta Nagai, Inaug.-Diss. Göttingen 1914.
— 41) v. Skramlik, Zeitschr. f. physiol. Chem. 71, 290. 1911. — 42) Sörensen, diese
Zeitschr. 24, 131. 1909. — %) Straub, H., K. Beckmann, H. Erdt, M. Mettenleiter,
I. Dtsch. Arch. f. klin. Med. 117, 397. 1915. — **) Dieselben, II. Dtsch. Arch. f.
klin. Med. 117, 419. 1915. — *°) Dieselben, III. Dtsch. Arch. f. klin. Med. 117,
497. 1915. — %) Dieselben, IV. Dtsch. Arch. f. klin. Med. 117, 517. 1915. —
4) Walpole, G. S., Biochem. Journ. 5, 207. 1910. — 281 Wegscheider, R., Zeitschr.
f. Elektrochem. 14, 510. 1908.
Biochemische Zeitschrift Band 132. 16
Analytische Mitteilungen. II.
Von
Ludwig Pincussen.
(Aus der Biochemischen Abteilung des Städtischen Krankenhauses am Urban,
Berlin.)
(Eingegangen am 28. Mai 1922.)
I. Über den Nachweis von Harnstoff.
Der Nachweis von Harnstoff besitzt diagnostische Wichtigkeit,
um z. B. die Herkunft eines Cysteninhaltes od. dgl. zu beurteilen.
Ein Verfahren, mit dessen Hilfe diese Aufgabe leicht und schnell zu
lösen ist, besteht meines Wissens bisher nicht. Allgemein angegeben
findet man, daß man durch Zugabe von etwas Salpetersäure zu einer
Harnstoff enthaltenden Flüssigkeit die charakteristischen Krystalle des
salpetersauren Harnstoffs erhält. Diese Probe ist in der Praxis ziem-
lich schwierig; nur in Ausnahmefällen können die Krystalle in der
charakteristischen Form erhalten und identifiziert werden; in den
meisten Fällen sind sie, besonders bei stärkeren Konzentrationen,
ganz uncharakteristisch; in geringen Mengen sind sie häufig durch
andere Krystalle verdeckt.
Es lag nahe, die streng spezifische Ureasereaktion zum qualitativen
Nachweis des Harnstoffs anzuwenden, nachdem sie bereits zur quanti-
tativen Bestimmung allgemein eingeführt ist. Man benutzt ein be-
liebiges Ureasepräparat, z. B. das nach der Methode von Jacoby dar-
gestellte. Zur Anstellung der Probe verfährt man folgendermaßen:
In ein kleines Wägegläschen mit Deckel gibt man die auf Harnstoff
zu prüfende, ammoniakfreie Lösung, im allgemeinen 1 ccm, die, wenn
sie schr sauer ist, zunächst ungefähr neutralisiert wurde. Man gibt
dazu l ccm einer Phosphatmischung von der Acidität pe 7,0—7,2
(hergestellt aus 11,1g Na HPO, und 8,5g KH,PO, in 500ccm Wasser),
ferner eine Messerspitze Urease und setzt das Gläschen 15 Minuten
mit lose aufgesetztem Deckel einer Temperatur von 55° aus. Nach
dieser Zeit läßt man abkühlen, nimmt den Deckel ab und gibt zur
Lösung 1—2 Tropfen gesättigte Natriumearbonatlösung. Einen schmalen
Streifen rotes Lackmuspapier befeuchtet man und klemmt ihn unter
ur er rk =- mi And P? è ~
L. Pincussen: Analytische Mitteilungen. II. 243
den Deckel des Wägegläschens (am besten quer), so daß er die Flüssig-
keit im Glase nicht berührt. Man bringt nunmehr das Gläschen auf ein
siedendes Wasserbad oder dgl.: bei Gegenwart von Harnstoff färbt
der entweichende Ammoniak das Reagenspapier in kurzer Zeit intensiv
blau. Zur Vermeidung von Irrtümern wird eine Parallelprobe ohne
UTrease angestellt, ferner eine Probe mit Phosphatmischung und Urease
ohne Zusatz der zu prüfenden Substanz.
Enthält die Flüssigkeit Ammoniak, so muß eine Vorbehandlung
mit Permutit erfolgen. Man gibt auf Leem 0,2g feingepulverten
Permutit, schüttelt energisch einige Minuten durch und filtriert ab.
Die so erhaltene Flüssigkeit wird, wie oben beschrieben, verarbeitet.
Das Verfahren zeigt ohne Schwierigkeit 0,1 mg Harnstoff in 1 ccm
an, dürfte also für alle Fälle genügen. Es eignet sich naturgemäß auch
zum qualitativen Nachweis von Urease.
Beleganalysen.
l ccm 0,05proz. Harnstofflösung ohne Urease . . . keine Reaktion
l „ 0,0l proz. Harnstofflösung + Urease . . . . . starke ` ,„
l „» Phosphatmischung + Trease . . 2 ..... keine 5
1 ,„ Harn, 10fach verdünnt ohne Utreas: ..... starke Ke
dsgl., mit Permutit vorbehandelt . . . 2 2 .22.. keine
dagl., vorbehandelter Harn + Ureas . ...... starke $
II. Zur Bestimmung eiweißspaltender Fermente.
Die quantitative Bestimmung eiweißspaltender Fermente, soweit es
sich um den Abbau von genuinem Eiweiß zu Peptonen bzw. Amino-
säuren handelt, hat für manche Fragestellung, insbesondere auch für
den Nachweis von Blutfermenten — Abwehrfermente Abderhaldens —
erhebliche Bedeutung. Nachfolgend ein einfaches quantitatives Ver-
fahren, bei dem die Fehlerquellen auf das geringste Maß beschränkt
sind, und das andererseits weder an Apparatur, noch an die Geschick-
lichkeit des Arbeiters große Ansprüche stellt. Es besteht darin, daß
die Fermentverdauung in üblicher Weise vorgenommen wird, nach
Beendigung dieser die Gesamtlösung nach Verdünnung enteiweißt und
in einem aliquoten Teil des Filtrates eine Mikrostickstoffbestimmung
vorgenommen wird. |
Für den Nachweis der Abwehrfermente gestaltet sich das Ver-
fahren beispielsweise folgendermaßen: Ein Reagensglas oder kleines
Kölbchen wird mit einer genau abgewogenen Menge des möglichst gut
zerteilten Substrates beschickt; in welcher Form das Substrat an-
gewendet wird, ist prinzipiell gleichgültig; es können nach Abderhalden
dargestellte Stückchen des zu prüfenden Organes sein. es kann auch
getrocknetes und gepulvertes Eiweiß angewendet werden, nur ist in
jedem Falle erwünscht, daß der Gehalt an nichtkoagulablen Eiweiß-
Ir?
238 G. Endres: Über Gesetzmäßigkeiten in der Beziehung zwischen
Die pg-Kurve ist weniger vielgestaltig. Während der Arbeit und
unmittelbar nach ihr (Abb. 10) ist eine Inkongruenz der alveolaren
CO,-Spannungskurve und der ?„-Kurve vorhanden: Die Harnkurve
macht den steilen Anstieg der CO,-Kurve nicht mit, sondern fällt
mit Arbeitsbeginn sofort ab. Dieses eigentümliche Verhalten der Harn-
acidität ist ohne weiteres verständlich, wenn man berücksichtigt, daß
das Ansteigen der alveolaren CO,-Spannungskurve — im Gegensatz
zu dem postdigestiven Anstieg der alveolaren CO,-Spannungskurve —
nicht der Ausdruck einer vorübergehenden Alkalescenzerhöhung des
Blutes ist. Die Bestimmung der Milchsäure im Harn wurde nicht vor-
genommen; allein es ist bekannt, daß der saure ‚„Arbeitsharn‘“ ver-
mehrt Milchsäure enthält.
VII. Der Aderlaß.
Bei Sch.*) (arteriolosklerotische Schrumpfniere, Blutdruck 250 mm)
wurde die Wirkung eines Aderlasses (500 ccm) auf Harnacidität und
alveolare CO,-Spannung kontrolliert. Anschließend an die Venen-
punktion stieg die alveolare CO,-Spannung maximal nach 2 Stunden.
Die Amplitude des Anstieges der CO,-Kurve hat mit ungefähr 5 mm
eine beträchtliche Größe erreicht. Rund 4 Stunden nach dem Aderlaß
ist die CO,-Spannung wieder auf ihren
Ausgangswert zurückgegangen. Eine
ähnliche Zacke wie die CO,-Kurve
macht die ?y-Kurve des Harns mit
(Abb. 11). Die gleichsinnige Verände-
rung der Harnacidität und der alveo-
laren CO,-Spannung nach einem Ader-
laß ergab sich auch im Versuch am
gesunden Menschen. Doch waren die
Ausschläge hier bei beiden Kurven
weniger stark, wohl deshalb, weil die
abgenommene Blutmenge geringer
(nur 100 ccm) als bei Sch. war.
Die Schwankungen in beiden Kurven gleichen voll und ganz dem
Bild von postdigestiven Zacken in der Harn- und CO,-Kurve. Die
Veränderungen in beiden Kurven nach dem Aderlaß sind also die
gleichen, wie sie bei vorübergehender Alkalescenzerhöhung des Blutes
auftreten.
9 o 7 12 7 2”
Abb. Il. Aderlaß (nüchtern.
Hasselbaleh und Lundsgaard’) haben nachgewiesen, daß das Blut bei gegebener
CO,-Spannung umso saurer reagiert, je mehr Blutkörperchen es enthält. Nimmt
*\ Sch., bei dem wiederholt im Laufe eines Vierteljahres Bestimmungen der
alv. CO,-Spannung vorgenommen waren. erwies sich stets als eine zuverlässige
Untersuchungsperson für die Ausführung von Gasanalysen. Seine alv. CO,-Span-
nung zeirte immer sehr konstante, leicht erniedrigte Werte.
der wahren Harnreaktion und der alveolaren CO,-Spannung. 239
man an, daß die Blutmenge im Organismus beiläufig "ie des Körpergewichts
beträgt, so hat Sch., bei seinen 66,5 kg annähernd 51 Blut. Ein Aderlaß von 500 ccm
entzieht also dem Körper !/,, seiner Gesamtblutmenge. Da der Organismus ein
bestimmtes Volumen Zirkulationsflüssigkeit braucht, ist wohl mit Wahrscheinlich-
keit anzunehmen, daß der Blutverlust von 500 ccm durch das Eindringen eines
entsprechenden Volumens Lymphe und Gewebsflüssigkeit in das Gefäßsystem
kompensiert wird. Das Blut setzt sich also nach der Venenpunktion zusammen
aus einem Gemisch von 4,5 l des ursprünglichen Blutes und 0,5 1 Lymphe und
Gewebsflüssigkeit.
Hasselbalchs Untersuchungen?) machen es begreiflich, daß die durch
die Venenpunktion herbeigeführte Verdünnung der Blutkörperchen
im Blut also für sich schon eine Erhöhung der Alkalescenz bewirkt.
Hierzu ändert sich die bereits im Coffeinversuch berührte Wirkung
der ins Blut einströmenden Entquellungsflüssigkeit.
Von anderen Erwägungen ausgehend hat Hasselbalch defibriniertes Ochsenblut
mit Ochsenserum versetzt und die Wirkung: dicser Verdünnung der Blutkörperchen
auf den pg des Blutes verfolgt. Er fand bei einem Blut bei 42,0 mm CO,-Druck
einen Py = 7,34, bei 25 Blut und 5 Serum 41,7 mm CO, Druck einen pa = 7,37;
bei anderen Verdünnungsversuchen hat er noch eine größere Differenz der beiden
Pa gefunden. Das Blut ist also bei der Verdünnung bei annähernd gleichbleiben-
der CO,-Spannung meßbar alkalischer geworden.
Ohne weiteres sind natürlich die Verhältnisse im lebenden Organismus nicht
zu vergleichen mit den Reagerszlasversuchen Hasselbalchs. Während Hasselbalch
das Blutkörperchenblut verdünnt mit Blutserum, ist die Verdünnungsflüssigkeit
im lebenden Körper Lymphe und Gewebsflüssigkeit.
Zusammenfassung.
Die Schwankungen der Wasserstoffionenkonzentration des Harns
im Laufe eines Tages werden verfolgt und in Vergleich gesetzt zu der
zeitlich den einzelnen Harnportionen entsprechenden CO,-Spannungen
dea arteriellen Blutes.
l. Nach einer Mahlzeit verändern sich die wahre Reaktion des
Harns und die alveolare CO,-Spannung. Vom Standpunkt der Reak-
tionsregulation des Blutes ist die Veränderung beider Kurven als
gleichsinnig zu bezeichnen. Im graphischen Bild macht sich diese
Einwirkung der Nahrungszufuhr in einer synchronen Zacke in der
Py- und der alveolaren CO,-Spannungskurve bemerkbar. Die Größe
dieser Zacke, ihr zeitliches Auftreten wird beeinflußt durch die Größe
der Mahlzeit.
2. Die Charakteristik der postdigestiven Erhebung in beiden Kurven
hängt unter anderem ab von der Kostform. Bei Fleischdiät erfolgt
das Ansteigen und Abfallen der Kurve steiler und rascher als bei Kohlen-
hydratdiät.
3. K. A. Hasselbalchs Erklärungsversuch der postdigestiven Aci-
ditätsschwankungen des Harns wird widerlegt.
240 G. Endres: Über Gesetzmäßigkeiten in der Beziehung zwischen
4. Es wird wahrscheinlich gemacht, daß die HCl-Sekretion des
Magens von ausschlaggebender Bedeutung für diese Kurvenschwan-
kungen ist; bei Anaciden fallen die postdigestiven Bewegungen in
beiden Kurven weg.
5. Das Tagesniveau beider Kurven hängt von der Kostform ab.
Es werden zur Deutung einige Erklärungsversuche angeführt.
6. Die Wirkung des Schlafes auf die p,-Kurve des Harns und die
alveolare CO,-Spannungskurve zeigt sich in einem Auseinanderfallen
der sonst annähernd parallel laufenden Kurven. Die während des
Schlafes vorhandene Aciditätserhöhung des Harns wird in einen Zu-
sammenhang mit der herabgesetzten Reizbarkeit des Atemzentrums
gebracht.
7. Bewirkt Morphium, das die Erregbarkeit des Atemzentrums
herabsetzende Mittel, ein Divergieren (ähnlich wie der Schlaf), so führt
Coffein, das das Atemzentrum in seiner Erregbarkeit erhöht, zu einem
Konvergieren der beiden Kurven. |
8. Die bei normalen Individuen bisweilen ohne ersichtlichen Grund
auftretende ‚spontane Alkaliurie‘‘ steht in gewisser Beziehung zur
Kostform, Es wird ferner wahrscheinlich gemacht, daß für die Er-
klärung mancher ‚‚spontaner Alkaliurie‘‘ eine veränderte Erregbarkeit
des Atemzentrums verantwortlich zu machen ist.
9. Durch Muskelarbeit werden die wahre Harnacidität und die
alveolare CO,-Spannung in gleichem Sinn verändert. Schon die geringe
Arbeitsleistung von 45 Kniebeugen in 75 Sekunden bewirkt in beiden
Kurven eine sichtbare Veränderung.
10. Im Anschluß an einen Aderlaß steigt die alveolare CO,-Spannung,
die wahre Harnacidität nimmt ab. Es wird dargetan, daß mit großer
Wahrscheinlichkeit eine Venenpunktion durch die durch sie bedingte
Verminderung der Konzentration der Blutkörperchen eine Änderung
in der Blutreaktion herbeiführt.
Hasselbalchs Behauptung: o Skramliks und meine Messungen
zeigen, daß es ohne Rücksichtnahme auf die Diät und den Ernährungs-
zustand des Patienten unmöglich ist, aus der Co des Harns irgendwelche
diagnostische Schlüsse zu ziehen)“ ist ohne Zweifel richtig. Allein
neben diätetischen Eingriffen sind vor allem auch die Tätigkeit der
Muskulatur, der Schlaf und andere Änderungen der Erregbarkeit des
Atemzentrums von Bedeutung für die Wasserstoffionenkonzentration
des Harns. Allen diesen mannigfaltigen Schwankungen der Harnacidität
im Laut: des Tages liegt eine relative Gesetzmäßigkeit zugrunde. Sie
sind aufzufassen und zu verstehen als Ausdruck der reaktionsregu-
lierenden Tätigkeit der Niere im Organismus und stehen daher in ge-
wissen gesetzmäßigen Beziehungen zu den Schwankungen der alveo-
laren CO,-Spannung.
der wahren Harnreaktion und der alveolaren CO¿-Spannung. 241
Literatur.
1) Babkin, Äußere Sekretion der Verdauungsdrüsen, Berlin 1914, S. 90. —
2) Bence Jones, On animal chemistry in its application to stomach and renal diseases,
London 1850, P. 41 (zit. nach Görges, S. 156). — 21 Douglas, C. G., Die Regulat.
der Atmung beim Menschen. Ergeb. d. Physiol. 14, 338. 1914. — *) Ellinger, A.,
Münch. med. Wochenschr. Nr. 49, S. 1399. — 5) Gloesener, K., Zeitschr. f. physikal.
Chem. 40, 465. 1904. — ê) Görges, Th., Arch. f. exp. Pathol. 11, 156. 1879. —
?) Haldane, J. S. und J. G. Briestley, Jeurn. of physiol. 3%, 225. 1905. — 8) Hassel-
balch, K. A. und Chr. Lundsgaard, diese Zeitschr. 38, 77. 1912. — 21 Hasselbalch,
K. A., diese Zeitschr. 46, 403. 1912. — 1°) Derselbe, diese Zeitschr. 74, 18. 1916. —
11) Xenderson, L. J. und K. Spiro, diese Zeitschr. 15, 105, 114. 1908. — 12) Hender-
son, L. J., diese Zeitschr. 24, 40. 1910. — !?) Derselbe, Ergebn. d. Physiol. 8, 254.
1909. — 11) Derselbe, Journ. of biol chem. 9, 403. 1911. — 15) Derselbe und W.
Palmer, Journ. of biol. chem. 13, 393. 1913. — !*) Hildebrand, J., Zeitschr. £
Elektrochem. 14, 349. 1908. — 17) Higgens, H. J., Journ. of Physiol. 34, 114. 1914.
— 18) Höber, Physik. Chem. d. Zelle u. d. Gewebe, S. 191. — 1°) Derselbe und
Jankowsky, Beitr. zur chem. Physiol. u. Pthaolog. 3, 525. 1903. — 201 v. Jaksch.
R., Zeitschr. f. klin. Med. 17, 383. 1890. — 2!) Kauders, F. und O. Porges, Dtsch.
med. Wochenschr. 1921, S. 1415. — ??) Krogh, A. und J. Lindhard, Skand. Arch.
f. Physiol. 27, 100. 1912. — 3) Dieselben, Journ. of Physiol. 47, 431. 1914. —
24) Maly, R., Liebigs Ann. 173, 227. 1874. — 25) Michaelis, L., Die Wasserstoffionen-
konzentration, Berlin 1914. — 291 Derselbe und A. Gyemant, diese Zeitschr. 109,
165. 1920. — 27) Derselbe, Dtsch. med. Wochenschr. 1920, S. 1238. — 28) Derselbe,
Dtsch. med. Wochenschr. 1921, S. 465. — 2°) Derselbe, Dtsch. med. Wochenschr.
1921, S. 673. — %) Pawlow, Arbeit der Verdauungsdrüsen. Wiesbaden 1898,
S. 16. — ?!) Porges, O., A. Leimdörfer und E. Marcovici, Zeitschr. f. klin. Med. 73,
389. 1911. — 32) Derselbe, Zeitschr. f. klin. Med. 77, 446. 1913. — 33) Quagliariello,
G. und F. Medina, Dtsch. med. Wochenschr. 1912, S. 2215. — 34) Quincke, H.,
Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. 8, 115. 1872. — 35) Derselbe, Zeitschr. f.
klin. Med. 7, 1884, Suppl. 22. — 38) v. Rohrer, L., Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol.
86, 586. 1901. — 271 Ringstedt, O. T., Maly, 20, 196. 1890. — "81 Rosemann,
Pflügers Arch. f. d ges. Physiol. 118, 467. 1907. — 291 Schlagintweit, E., Dtsch.
med. Wochenschr. 1922, S. 251. — *°) Schuta Nagai, Inaug.-Diss. Göttingen 1914.
11) v Skramlik, Zeitschr. f. physiol. Chem. 71, 290. 1911. — 42) Sörensen, diese
Zeitschr. 21, 131. 1909. — #) Straub, H., K. Beckmann, H Erdt, M. Mettenleiter,
I. Dtsch. Arch. f. klin. Med. 117, 397. 1915. — *) Dieselben, II. Dtsch. Arch. f.
klin. Med. 117, 419. 1915. — *°) Dieselben, III. Dtsch. Arch. f. klin. Med. 117,
497. 1915. — *) Dieselben, IV. Dtsch. Arch. f. klin. Med. 117, 517. 1915. —
#7) Walpole, G. S., Biochem. Journ. 5, 207. 1910. — *) Wegscheider, R., Zeitschr.
f. Elektrochem. 14, 510. 1908.
Biochemische Zeitschrift Band 132. 16
Analytische Mitteilungen. III.
Von
Ludwig Pincussen.
(Aus der Biochemischen Abteilung des Städtischen Krankenhauses am Urban,
Berlin.)
(Eingegangen am 28. Mai 1922.)
I. Über den Nachweis von Harnstoff.
Der Nachweis von Harnstoff besitzt diagnostische Wichtigkeit,
um z.B. die Herkunft eines Cysteninhaltes od. dgl. zu beurteilen.
Ein Verfahren, mit dessen Hilfe diese Aufgabe leicht und schnell zu
lösen ist, besteht meines Wissens bisher nicht. Allgemein angegeben
findet man, daß man durch Zugabe von etwas Salpetersäure zu einer
Harnstoff enthaltenden Flüssigkeit die charakteristischen Krystalle des
salpetersauren Harnstofis erhält. Diese Probe ist in der Praxis ziem-
lich schwierig; nur in Ausnahmefällen können die Krystalle in der
charakteristischen Form erhalten und identifiziert werden; in den
meisten Fällen sind sie, besonders bei stärkeren Konzentrationen,
ganz uncharakteristisch; in geringen Mengen sind sie häufig durch
andere Krystalle verdeckt.
Es lag nahe, die streng spezifische Ureasereaktion zum qualitativen
Nachweis des Harnstoffs anzuwenden, nachdem sie bereits zur quanti-
tativen Bestimmung allgemein eingeführt ist. Man benutzt ein be-
liebiges Ureasepräparat, z. B. das nach der Methode von Jacoby dar-
gestellte. Zur Anstellung der Probe verfährt man folgendermaßen:
In ein kleines Wägegläschen mit Deckel gibt man die auf Harnstoff
zu prüfende, ammoniakfreie Lösung, im allgemeinen 1 cem, die, wenn
sie sehr sauer ist, zunächst ungefähr neutralisiert wurde. Man gibt
dazu l ccm einer Phosphatmischung von der Acidität pg 7,0—7,2
(hergestellt aus 11,1 g Na,HPO, und 8,5g KH,PO, in 500ccm Wasser),
ferner eine Messerspitze Urease und setzt das Gläschen 15 Minuten
mit lose aufgesetztem Deckel einer Temperatur von 55° aus Nach
dieser Zeit läßt man abkühlen, nimmt den Deckel ab und gibt zur
Lösung 1 —2 Tropfen gesättigte Natriumcarbonatlösung. Einen schmalen
Streifen rotes Lackmuspapier befeuchtet man und klemmt ihn unter
— mmm zu
L. Pincussen: Analytische Mitteilungen. II. 243
den Deckel des Wägegläschens (am besten quer), so daß er die Flüssig-
keit im Glase nicht berührt. Man bringt nunmehr das Gläschen auf ein
siedendes Wasserbad oder dgl.: bei Gegenwart von Harnstoff färbt
der entweichende Ammoniak das Reagenspapier in kurzer Zeit intensiv
blau. Zur Vermeidung von Irrtümern wird eine Parallelprobe ohne
Urease angestellt, ferner eine Probe mit Phosphatmischung und Urease
ohne Zusatz der zu prüfenden Substanz.
Enthält die Flüssigkeit Ammoniak, so muß eine Vorbehandlung
mit Permutit erfolgen. Man gibt auf l cem 0,2 g feingepulverten
Permutit, schüttelt energisch einige Minuten durch und filtriert ab.
Die so erhaltene Flüssigkeit wird, wie oben beschrieben, verarbeitet.
Das Verfahren zeigt ohne Schwierigkeit 0,1 mg Harnstoff in 1 ccm
an, dürfte also für alle Fälle genügen. Es eignet sich naturgemäß auch
zum qualitativen Nachweis von Urease.
Beleganalysen.
l ccm 0,05proz. Harnstofflösung ohne Urease „ . . keine Reaktion
l „ 0,0l proz. Harnstofflösung + Urease . . . . . starke e
l „ Phosphatmischung + Unagr . 2. 2.2.2.2... keine S
1 ,„ Harn, 10fach verdünnt ohne Utrveas: . .... starke D
dsgl., mit Permutit vorbehandelt . . . 2.2.2.2... keine =
dagl., vorbehandelter Harn + Urease . ...... starke
II. Zur Bestimmung eiweißspaltender Fermente.
Die quantitative Bestimmung eiweißspaltender Fermente, soweit es
sich um den Abbau von genuinem Eiweiß zu Peptonen bzw. Amino-
säuren handelt, hat für manche Fragestellung, insbesondere auch für
den Nachweis von Blutfermenten — Abwehrfermente Abderhaldens —
erhebliche Bedeutung. Nachfolgend ein einfaches quantitatives Ver-
fahren, bei dem die Fehlerquellen auf das geringste Maß beschränkt
sind, und das andererseits weder an Apparatur, noch an die Geschick-
lichkeit des Arbeiters große Ansprüche stellt. Es besteht darin, daß
die Fermentverdauung in üblicher Weise vorgenommen wird, nach
Beendigung dieser die Gesamtlösung nach Verdünnung enteiweißt und
in einem aliquoten Teil des Filtrates eine Mikrostickstoffbestimmung
vorgenommen wird. |
Für den Nachweis der Abwehrfermente gestaltet sich das Ver-
fahren beispielsweise folgendermaßen: Ein Reagensglas oder kleines
Kölbchen wird mit einer genau abgewogenen Menge des möglichst gut
zerteilten Substrates beschickt; in welcher Form das Substrat an-
gewendet wird, ist prinzipiell gleichgültig; es können nach Abderhalden
dargestellte Stückchen des zu prüfenden Organes sein, es kann auch
getrocknetes und gepulvertes Eiweiß angewendet werden, nur ist in
jedem Falle erwünscht, daß der Gehalt an nichtkoagulablen Eiweiß-
16 *
244 L. Pineussen: Analytische Mitteilungen. III.
derivaten möglichst gering ist. Dazu kommt die erforderliche Menge
Serum, endlich ein Desinfiziens, am besten Toluol. Zur Kontrolle
wird entweder eine Probe mit der gleichen Menge Substrat allein und
der Serummenge entsprechenden Kochsalzlösung und eine zweite mit
Serun allein angesetzt, oder man macht nur eine Kontrolle, wenn es
möglich ist durch Erhitzen oder dgl. das Ferment abzutöten; diese wird
dann genau ebenso wie die Hauptprobe angestellt. Die Kontrollen
werden ebenfalls mit Toluol versetzt und Hauptröhrchen und Kon-
trollen die gewünschte Zeit lang verdaut. Wenn erwünscht, können
zu Versuchsproben sowie zu den Kontrollen je Leem Phosphatgemisch
passender Du zugegeben werden.
Nach Beendigung der Verdauung werden die Röhrchen mit Wasser
auf ca. 10 ccm verdünnt und der Inhalt durch ein angefeuchtetes
Filter in je ein 50 ccm Meßkölbchen filtriert. Man wäscht wiederholt
mit Wasser aus und bringt, indem man stets filtriert, das Volumen
auf diese Weise auf ungefähr je 35 ccm. Hierauf gibt man in jedes
Kölbchen 5 cem kolloidale Eisenlösung, mischt leicht, darauf l ccm
20 proz. Magnesiumsulfatlösung !), füllt zur Marke auf, mischt durch
und läßt etwas absitzen. Darauf filtriert man durch ein trockenes
Filter in ein trockenes Gefäß und benutzt einen aliquoten Teil, z. B.
30 oder 40 cem zur Mikrokjeldahlbestimmung, die man in der von
mir früher angegebenen Weise durchführt. Gleichgültig ist es natür-
lich, ob man die Destillation unter Luftdurchsaugung oder mit Hilfe
von Wasserdampf im Bangschen Apparat vornimmt.
Die Größe der fermentativen Spaltung ergibt sich einfach aus dem
„Beststickstoff‘‘ der Versuchsprobe, vermindert um die bei der bzw.
den Kontrollen erhaltenen Werte.
Es ist klar, daß man so die Wirkung der gesamten bei der betref-
fenden Ge wirksamen Fermente erhält, soweit sie Eiweiß zu solchen
niederen Stufen abzubauen vermögen, die bei der Enteiweißung nicht
ausgefällt werden. Durch Anwendung eines Puffergemisches bekannter
Py gelingt es überdies, z. B. peptische und tryptische Fermente zu
trennen, so daß der Anwendungsbereich dieser einfachen Methodik
ein ziemlich ausgedehnter ist.
1) Magnesiumsulfat des Handels enthält z. T. erhebliche Mengen von
Ammoniumsalz: es ist daher nur ein ganz reines Präparat zu verwenden, das
nochmals auf NH,-Freiheit zu prüfen ist.
Über die biologische Wirkung von Lymphdrüsenextrakt auf
Organe glatter Muskulatur, auf das Herz und den Blutdruck.
Von
0. Wirth.
(Aus dem Physiologischen Institut der Universität Zürich.)
(Eingegangen am 1. Juni 1922.)
Mit 23 Abbildungen im Text.
Seit Brown-Séquard?!) die tonisierende Wirkung des ‚Liquide testi-
culaire‘ in eklatanter Weise nachgewiesen hat, haben sich eine große
Zahl von Forschern, angespornt durch die bedeutungsvolle Arbeit
von Oliver und Schäfer?) über die Nebennierenextraktwirkung, daran
gemacht, die biologische Wirkung aller möglichen Organauszüge zu
untersuchen. Mit dieser an sich einfachen, heute aber durch die, vor
unberechtigten Schlüssen warnenden Stimmen von Gley?), Swale Vin-
cent*), Biedl5) und anderen an Bedeutung etwas eingebüßten Methode,
hofften sie die spezifischen Wirkungen der inneren Sekrete, die sie
in dem betreffenden Organe vermuteten, aufzudecken.
Wenn für die vorliegenden Untersuchungen die ÖOrganextrakt-
Methode, welche allein kaum bindende Schlüsse zuläßt, doch An-
wendung findet, so geschieht dies mit der vollen Berücksichtigung
der ihr zukommenden Leistungsfähigkeit.
Die Wirkung der Lymphdrüsenextrakte ist im Gegensatz zu anderen
Organen noch von sehr wenigen Forschern untersucht worden, obschon
auch den Lymphdrüsen neben der filtrierenden®), phagocytären, bac-
tericiden, antitoxischen?) und fermenterzeugenden®) Funktion, auch
eine innersekretorische Bedeutung von verschiedenen Autoren zu-
1) Brown-Séquard, Cpt. rend. des seancts de la soc. de biol. 41, 415—419. 1889.
2) Oliver and Schäfer, Journ. of physiol. 18, 230. 1895.
3) Gley, Trait& de path. gener. v. Bouchard 3, 169. 1899; Die Lehre von der
inneren Sekretion. Verlag Bircher, S. 33—42. 1920; Quatre leçons sur les sécrétions
internes. Paris 1921.
*) Swale Vincent, Ergebn. d. Physiol. 9, 487 u. 484. 1910.
5) Biedl, Innere Sekrteion. 3. Aufl., I. Teil, S. 39 u. 49. 1916.
€) Ribbert, Dtsch. med. Wochenschr. Jahrg. 33, 2164. 1907.
7) Asher und Barbera, Zeitschr. f. Biol. 36, 154. 1898.
8) Poulain, Cpt. rend. des séances de la soc. de hiol. 53, 642. 1901.
246 O. Wirth: Über die biolorische Wirkung von IL,ymphdrüsenextrakt
gesprochen wurde [Claude Bernard!), Neusser?), Marfori 2). C'histon!‘),
Castellino und Pende®)].
Die vorliegende Arbeit wurde unternommen, nicht nur um de
Versuchsresultate einzelner Forscher, die speziell in der Wirkung:
weise von Lymphdrüsenextrakten auf überlebende Organe differieren,
einer nochmaligen Prüfung zu unterwerfen, sondern um das aktive
Prinzip der Lymphdrüsen physiologisch zu charakterisieren und vor
allem mit der Wirkungsweise eines chemisch bekannten, biologischen
Stoffes zu vergleichen.
Die Wirkung der verschiedenen Lymphdrüsenextrakte wurde unter-
sucht:
‚a) An überlebenden isolierten Gefäßstreifen,
b) am künstlich durchströmten Gefäßgebiet des Frosches,
c) am Ratten- und Meerschweinchendünndarm,
d) am viriginellen und graviden Ratten- und Meersch weinchen-
uterus,
e) am Froschherz,
f) am Blutdruckversuch beim Kaninchen.
I. Methodik. |
a) Als Testobjekte für die Untersuchung der Extrakte an überlebenden Geff. |
streifen®) dienten die Arteria mesenterialis, lienalis, renalis, carotis und pulmonalis | |
von Rind, Kuh, Ochsen, Schwein und Pferd, von denen die erstere sich nach den SÉ
Angaben von Stern und Rothlin’) besonders gut dafür eignet; sowie auch die Arteria
coronaria vom Typus bovinus et equinus. Angewandt wurde auch hier im Prinzip
die bekannte Methode von Mac William®) und O. B. Meyer?).
Nachdem die zu untersuchenden Gefäße in einer mit Ringerlösung versehenen
Flasche im Schlachthofe abgeholt worden waren, wurden sie sofort von adhäric-
rendem Gewebe gereinigt. Ein Arterienring von ca. l cm wird dann quer durch-
schnitten, an einem Ende durch ein Gewicht beschwert und in ein 50 ccm Ringer-
lösung fassendes Versuchsgefäß versenkt, während das obere Ende mit einem
Schreibhebel in Verbindung steht, der die Längsveränderungen des Gefäßstreifens
registriert. Mittelst eines Ausflusses unten am Versuchsgefäß, das sich seinerseits
in einem Thermostaten von 38° befindet, kann die Versuchsflüssigkeit ohne Störung
des Gefäßstreifens ausgehebert werden.
1) Claude Bernard, Leçons sur les propriétés physiologiques et les altérations
pathologiques des différents liquides de l’organisme Bd. 2, S. 411—12. Paris 1859.
2) Neusser, zit. von Marfori.
3) Marfori, Arch. di fisiol. 14, 285—306. 1916.
4) Chistone, Arch. di fisiol. 14, 307—316. 1916.
5) Castellino e Pende, Patologia del simpathico. Casa ed. Dr. Fr. Vallardi, 1915.
6) Herrn Dr. Schellenberg, Direktor des Schlachthofes in Zürich, dem ich das
Versuchsmaterial verdanke, sei für seine stete Dienstfertigkeit besonders gedankt.
7) Stern et Rothlin, Journ. de physiol. et de pathol. gen. 18, Nr. 3, S. 450.
1919.
8) Mac William, Proc. of the roy. soc. of London 69, 190—193. 1901.
?) O. B. Meyer, Zeitschr. f. Biol. 48, 352—397. 1906.
auf Organe glatter Muskulatur, auf das Herz und den Blutdruck. 247
Zur Lösung des postmortalen Hypertonus der Gefäße und zur Einstellung
derselben in einen mittleren selbständigen Gefäßtonus wurden genau die von
Rothlin!) näher analysierten Versuchsbedingungen innegehalten:
1. Geeignete Belastung der Gefäße, je nach ihrer Dicke und Länge;
2. Körpertemperatur;
3. kontinuierliche O,-Versorgung.
Letzterer Autor betrachtet den O, als tonisierendes Agens für isolierte Gefäß-
streifen und beweist, daß der Tonus eines überlebenden Gefäßstreifens unter diesen
Versuchsbedingungen ein labiles Gleichgewicht darstellt, welches durch ein Plus
oder Minus von O, gestört wird im Sinne einer Zu- bzw. Abnahme des betreffenden
Tonus.
Die Lymphdrüsenextrakte wurden auf ihre Gefäßwirkung hin erst untersucht,
nachdem die Gefäße unter den angegebenen Versuchsbedingungen die von Rothlin?)
zuerst erkannten 3 typischen Phasen aufgewiesen hatten, d. h. über die Phase
der eigentlichen Dehnung des Gefäßes und über die Phase der sekundären Retrak-
tion sich nach ca. 1 Stunde in die definitive Phase des mittleren Tonus eingestellt
hatten.
Zur Prüfung der Erregbarkeit und Brauchbarkeit der verschiedenen Arterien-
streifen als Testobjekte unserer Extraktwirkungen diente uns jeweils vor oder nach
dem Versuch Adrenalin 1 : 1 000 000, „‚welch’ letztere Konzentration zum mindesten
für die Brauchbarkeit eines jeden Gefäßstreifens gefordert werden muß‘).
b) Als Versuchsanordnung für die Experimente mis künstlicher Durchströmung
des Frosches diente uns die Überlaufmethode von Fleisch’).
Ein Reservoir mit O, gesättigter Ringerlösung als Durchströmungsflüssigkeit
gefüllt, befindet sich in erhöhter Lage an einem leicht verstellbaren Stativ. Der
Ausfluß der Flasche führt zu einem T-Rohr, dessen einer Schenkel zur Einfluß-
kantile des Gefäßpräparates führt, während der andere den Überlauf darstellt.
Ein Teil der Gesamtdurchflußmenge fließt dann von dem einen Schenkel bei
konstantem Druck durch das Versuchspräparat, der andere durch den Überlauf.
Registriert wird nur die Überlaufmenge, wobei jeder Tropfen mittelst eines mit
Deckglas versehenen Glasfadens auf dem Kymographion aufgezeichnet wird;
mit dem Jaquesschen Chronographen werden die Sekunden markiert. Eine Gefäß-
kontraktion führt zu einer Vermehrung, eine Gefäßdilatation zu einer Vermin-
derung der Tropfenzahl am Überlauf in derselben Zeit.
Die im Experiment erhaltenen Kurven geben somit die Durchflußmenge
des Überlaufens wieder. Zur Entwicklung der Durchflußmenge durch das Frosch-
präperat haben wir die Differenz zwischen der Gesamtzuflußmenge und der Über-
laufmenge zu berechnen (siehe Originalarbeit von Fleisch).
c) und d) Das Verfahren, um die Tonusveränderungen von Darm und Uterus
zu registrieren, ist prinzipiell das gleiche, wie für die isolierten Gefäße und ent-
spricht der Methode, die Magnus’) für den Darm, Kehrer‘) für den isolierten
Uterus angegeben haben.
e) Am Froschherzen erfolgte die Prüfung der verschiedenen Extrakte nach der
Engelmannschen Herzsuspensionsmethode. Die Lymphdrüsenextrakte wurden
dann mit einem Tropfenzähler auf das Herz geträufelt, das nach abgelaufener
Wirkung mit Froschringer ausgewaschen wurde.
1) E Rothlin, diese Zeitschr. 111, 228. 1920.
2) E. Rothlin, diese Zeitschr. 111, 227. 1920.
3) E. Rothlin, diese Zeitschr. 111, 255.
t) A. Fleisch, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 171, 86. 1918.
5) Magnus, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 10%, 123. 1914.
D Kehrer, Arch. f. Gynäkol. 81, Nr. 1.
248 O. Wirth: Über die biologische Wirkung von Lymphdrüsenextrakt
f) Der Blutdruck beim Kaninchen wurde in der üblichen Weise mit dem
Hg-Manometer in Urethannarkose durchgeführt.
II. Darstellung der Lymphdrüsenextrakte.
Mesenteriallymphdrüsen vom Ochsen, Rind, Kuh, Stier und manch-
mal auch Drüsen aus anderen Körperregionen (bronchial, cervical,
inguinal) wurden spätestens 1 Stunde nach dem Tode des Tieres sorg-
fältig von Fett und umhüllenden Bindegewebe befreit und mittels
einer Hackmaschine fein zerhackt.
Ein Teil der Lymphdrüsen wurde dann genau nach den Angaben
Marforis weiter verarbeitet, d. h. es wurde der Brei mit dem gleichen
Gewicht physiologischer Kochsalzlösung gut vermischt, für ca. 1 Stunde
auf das Wasserbad gebracht. Nach dem Erkalten wurde das Gemisch
filtriert. Die eine Hälfte wurde sofort frisch untersucht, die andere
zur Trockene auf dem Wasserbade eingeengt und als braunes hygre-
skopisches Pulver weiterhin im Exsiccator aufbewahrt.
Ein anderer Teil der Lymphdrüsen wurde genau nach der Methode,
die Stern und Rothlin zur Verarbeitung ihrer Extrakte benutzen, fein
zerhackt und mit 4—5 Volumen Wasser versetzt.
Nach einem Kontakte von einer !/, Stunde wurde ein kleiner Teil
als frischer kalter Extrakt dekantiert und filtriert.
Der Hauptteil des wässerigen Lymphdrüsenextraktes wurde mit
Essigsäure angesäuert, ca. !/, Stunde gekocht und filtriert. Das Filtrat
mußte in der Regel noch gründlicher enteiweißt werden, was durch
NaCl, Essigsäure und Erwärmen gelang. Das ist der gekochte wässerige
Extrakt.
Nach dem Filtrieren wird die helle klare Flüssigkeit auf dem Wasser-
bade zur Trockene eingedampft und der Rückstand als feines braunes
Pulver wegen seiner Hygroskopizität in einem Exsiccator aufbewahrt.
Unter diesen Bedingungen blieb die Aktivität von Lymphdrüsen-
präparaten, die über 3 Monate aufbewahrt worden waren, vollständig
erhalten.
Dieses Pulver wurde dann während 1—2 Tage einer längern Extrak-
tion mit Äther im Sorxlethschen Apparat unterworfen. Vom ätherischen
Extrakt wurde der Äther abdestilliert und der Extrakt bis zur Trockene
eingeengt. Das ist der ätherische Extrakt.
Nach dieser Ätherextraktion, durch die das Pulver trockener und
weniger hygroskopisch wird, erfolgt eine Extraktion desselben mit
Alkohol.
Auch hier wird vom alkoholischen Auszug der Alkohol abdestil-
Iert und der Rückstand auf dem Wasserbade eingedampft: alkoho-
lischer Extrakt.
auf Organe glatter Muskulatur, auf das Herz und den Blutdruck. 249
Unmittelbar vor dem Versuche wurden die im Exsiccator auf-
bewahrten verschiedenen Extrakte in physiologischer Kochsalzlösung
gelöst und erst nach erfolgter Neutralisation auf ihre biologische Wirkung
hin geprüft.
II. Experimentelle Untersuchungen.
a) An überlebenden isolierten Gefäßstreifen.
Marfori!) untersuchte die Wirkung der Lymphdrüsenextrakte verschiedener
Tiere und von verschiedenen Körperregionen auf das Herzgefäßsystem von Frö-
schen, Hunden und Kaninchen und auf überlebende Organe (Coronaris, Pupille).
Isolierte Ringe von Coronaria sinistra vom Ochsen erleiden durch Einwirkung
des Lymiphdrüsenextraktes eine merkliche, ziemlich lang andauernde Kontraktion,
die durch Adrenalin verhindert werden kann. Desgleichen beobachtet er in Ver-
suchen am isolierten Kaninchenherz nach der Methode von Langendorff eine vorüber-
gehende Kontraktion der Coronararterien. Als Ursache derselben nimmt der
Autor eine Tonushemmung des Sympathikus an, so daß dann indirekt der vaso-
constrictorische Fasern führende Vagus in seiner Wirkung überwiegt. Ein Beweis
hierfür glaubt er auch darin zu finden, daß die Vasoconstriction der Coronar-
arterien fehlt, wenn das isolierte Herz vorher atropinisiert wurde. Die gleichen
Wirkungen wie durch Lymphdrüsenextiakt werden auch ausgeübt von der Lymphe
des Ausführungsganges des Pankreas Aselli und von der Lymphe des Ductus
thoracicus.
In Anlehnung an die Hypothese der innersekretorischen Funktion der Lymph-
drüsen und auf Grund seiner Versuche glaubt der Autor in dem Lymphdrüsen-
extrakt ein dem Adrenalin antagonistisch wirkendes Prinzip nachgewiesen; zu
haben. Die „linfoganglina‘“ ist nach Marfori das erste Produkt, das sich dem
Adrenalin gegenüber gänzlich antagonistisch verhält, sowohl „per sede e per
natura di azione“. Dieses „bilateral antagonistische‘‘ inhibitorische Hormon
soll aus einer oder mehreren Substanzen bestehen, die in 9 promill. Kochsalzlösung
kalt und warm löslich und bis zu 110° thermostabil sind. Die Wirkung der ‚„linfo-
ganglina“ kann durch Adrenalin neutralisiert werden. Die Untersuchungen von
Marfori wurden von Chistoni?) erweitert, der die experimentellen Resultate des
ersteren bestätigte und übereinstimmend mit Marfori die Drüsenextrakte von
jungen Tieren aktiver als diejenigen älterer Tiere findet. Überlebende Gefäß-
streifen der Aorta und Carotis vom Rind werden nach ihm von der ‚linfoganglina‘“
dilatiert, während diese die Coronaris kontrahiert. Diese von den Lymphdrüsen
sezernierte, dem Adrenalin antagonistisch wirkende Substanz soll auf die nervösen
Elemente und nicht auf die glatte Muskulatur einwirken.
Stern und Rothlin?), welche die Extrakte der verschiedenen Organe auf ihre
Wirksamkeit gegenüber Organen glatter Muskulatur hin untersuchten, konnten
die Annahme eines vollkommenen Antagonismus zwischen Adrenalin und dem
aktiven Prinzip der Lymphdrüsen, so wie ihn Marfori und Chistoni postulieren,
nicht teilen. Auf Grund von zahlreichen Experimenten, die diese beiden Forscher
mit frischem, wässerigem und gekochtem sowie mit alkoholischem Extrakt aus
Lymphdrüsen herstellten, vermuten sie in denselben die Gegenwart von einer
1) Marfori, Arch. di fisiol. 14, 285—306. 1916; Idem, Arch. ital. de biol. 68,
113—128. 1918; Idem, Atti della R. Accad. Medico-chirurgiea di Napoli 70, 1916.
2) Chistoni, Arch. di fisiol. 14, 307—316. 1916; Idem, Arch. ital. de biol.
68, 128—130. 1918.
3) Stern et Rothlin, Journ. de physiol. et de pathol. gen. 18, Nr. 3, S. 441—485.
1919.
250 O. Wirth: Über die biologische Wirkung von Lymphdrüsenextrakt
oder mehreren Substanzen, die eine constrictorische Wirkung auf die Blutgefäße
(mit Ausnahme der Coronaris) und auf den Meerschweinchenuterus ausüben.
Im Gegensatz zu Marfori glauben sie, daß das in Wasser und in Alkohol lösliche,
thermostabile und dialysierbare aktive Prinzip auf die glatte Muskulatur einwirkt,
da ja sowohl sympathisch wie parasympathisch innervierte Gewebe (außer der
Coronaris) durch genannte Extrakte dieselbe Wirkung, eine Tonuserhöhung,
A
Abb. 1. A und B Arteriae coronares vom Rind. Belastung je 15g. Zeitmarkierung alle 6 Sekunden.
Bei der Marke 5 wird zu beiden Gefäßen Marforiextrakt 1 : 500 zugesetzt. Beide Gefäße werden
kräftig dilatiert. Der Pfeil bedeutet Auswaschen der Gefäße mit Ringer.
zeigen. Die dilatatorische Wirkung der Extrakte auf die Coronaris führen sie auf
die Gegenwart einer spezifischen neben der anderen hypertonisierenden Substanz
gemeinsam in den Lymphdrüsen vorkommenden Substanz zurück, die elektiv
auf die Coronaris wirkt und den anderen hypertonisierenden Stoff zu maskieren
bzw. zu neutralisieren vermag.
Nach ihnen ist also der Lymphdrüsenextrakt, da Antagonist des Adrenalins,
wo das letztere, wie z. B. beim Meerschweinuterus den Tonus herabsetzt, während
der Lymphdrüsenextrakt denselben erhöht. Hingegen
da, wo das Adrenalin einen hypertonisierenden Effekt
auf die Organe, wie z. B. auf verschiedene Arterien, aus-
übt, wirkt der Lymphdrüsenextrakt gleichsinnig.
Die Versuche, die zur Klärung dieser beiden
verschiedenen Ansichten von Marfori und
Abb. 2. Art. mesenterica von Chistoni einerseits, Stern und Rothlin anderer-
Kuh. Belastung 15g. Zeitmar- À ; š
kierung alle 6 Sekunden. Bei Seits mit genau nach den Angaben Marforis
oe ie ve hergestellten, oben beschriebenen Extrakten
eine starke Kontraktion des unternommen wurden, ergaben, daß Marforis
TESS Res „Linfoganglina‘“‘ stets constrietorisch auf die
isolierten Arterienstreifen (Mesenterialis, Lienalis, Renalis Carotis) wirkte,
mit Ausnahme der Herzkranzarterie vom Rind, die deutlich dilatiert
wurde. Der von Marfori und Chistoni postulierte Antagonismus zwischen
Adrenalin und ihrer ,Linfoganglina“ bei überlebenden Arterienstreifen
konnte also unter Benutzung der nach ihnen selbst zubereiteten Ex-
trakten niemals experimentell nachgewiesen werden. Ganz im Gegenteil
konnte in den zahlreichen Versuchen, die mit nach Marfori hergestellten
Extrakten unternommen wurden, gleichsinnig mit der Adrenalin-
wirkung Dilatation der Arteria coronaris (Abb. 1) und Constriction
der Arteria mesenterialis registriert werden (Abb. 2).
auf Organe glatter Muskulatur, auf das Herz und den Blutdruck. 251
Marforıs Extrakte wurden aber auch einer Prüfung ihrer Wirkung
auf die Arteria coronaria vom Pferd unterzogen. Von Rothlin!) ist
nämlich die interessante Tatsache zuerst nachgewiesen worden, daß
die Herzkranzgefäße des Typus equinus von Adrenalin in allen wirk-
samen Dosen ausschließlich vasoconstrictorisch beeinflußt werden,
während stärkere Adrenalindosen beim Typus bovinus regelmäßig
zur Erschlaffung der Coronaris führen. Bestünde also ein vollkom-
Abb. 3. Art. coronaris cordis von Pferd. Belastung des Gefäßes 20 g. Zeitmarkierung alle 6 Sek.
Bei der Marke 1 wird Marforiextrakt 1 : 250 zugesetzt, worauf eine schwache Verkürzung des Gefäß-
streifens eintritt. Beim Pfeile wird das Gefäß mit Ringer ausgewaschen.
mener Antagonismus zwischen Adrenalin und der ‚„Linfoganglina‘‘ zu
Recht, so müßte der Extrakt nach Marfori die Herzkranzgefäße des
Pferdes dilatieren, da ja Adrenalin sie kontrahiert. Aber auch hier
erhielt man mit Marforis Extrakten die gleiche Wirkung, wie mit
Adrenalin, d.h. eine geringe Contraktion der Pferdecoronaris, und
zwar eine quantitativ schwächere, als bei Coronaris vom Rind, wie
dies nach Rothlin auch für Adrenalin typisch ist (Abb. 3).
Abb. 4a. Abb. 4b.
Abb. 4a u. b. A Art. coronaris cordis von Kuh. B Art. mesenterica von Kuh. Belastung der Gefäße
je 20g. Bei 1 wird Adrenalin 1 : 1000 000, bei 2 5 ccm frischer kalt extrahierter Lymphdrüsen-
extrakt 1 : 60 zugesetzt. Genau im Sinne der Adrenalinwirkung (Abb. 4a) wird durch den Extrakt
in Abb. 4b die Coronaris dilatiert, während die Mesenterialis sich kontrahiert. Beim Pfeile wird
jeweils mit Ringer ausgewaschen.
Die Versuche, die mit den wässerigen Extrakten, zubereitet nach
den Angaben von Stern und Rothlin, ausgeführt wurden, ergaben
genau die gleichen Resultate wie die Marforie-Extrakte. Sowohl der
frische kalte (Abb. 4b und 5), als der gekochte wässerige (Abb. 6),
wie der enteiweißte wässerige Extrakt (Abb. 7) kontrahierten die
Arterien außer der Coronaris vom Typus bovinus. Die Coronaris vom
Typus equinus wurde auch hier wie durch Adrenalin durch jeden über-
schwelligen Reiz verkürzt.
1) E Rothlin Wiener tierärztliche Monatsschr. 8, H. 1. 1921.
252 ©. Wirth: Über die biologische Wirkung von Lyınphdrüsenextrakt
In zwei Fällen wurde vor der typischen Dilatation der Rinder-
corona!is durch wässerigen enteiweißten Extrakt eine primäre Con-
traktion derselben registrieıt, eine wichtige Beobachtung, die ich
später diskutieren werden (Abb. 8).
Abb. 5. Art. mesenterica von Stier. Belastung 20 g. Abb. 6. A Arteria coronaria cordis.
Zeitmarkierung alle 6 Sekunden. Bei der Marke 3 wird B Art. mesenterica von Rind. Be-
5cem Lymphdrüsenextrakt, frisch und kalt extrahiert lastung 20 g. Zeitinarkierung alle
1:60 zugesetzt. Der tonuserhöhende Reiz löst eine 6 Sekunden. Bei der Marke 7 wird
leichte Rhythmik aus, die naclı dem Auswaschen gekochter wässerig. Extrakt1:1000
wieder verschwindet. zugesetzt. Die Coronaris wird deut-
lich dilatiert, die Mesenterialis
kontrahiert.
A Í ra v |
NT nn pe FAT
Abb.7. A Art. coronaria cordis. B Art. mesenterica von Rind. Belastuug der Gefäße 15g. Zeit-
markierung alle 6 Sekunden. Bei 1 wird wässeriger, enteiweißter Lymphdrüsenextrakt 1 : 60 zu-
gesetzt. Die durch ihn ausgelöste Dilatation der Coronaris und Constriction der Mesenterialis sind
qualitativ und auch quantitativ gleich wie die Wirkung von Adrenalin 1 :1 000 000 am selben
Tıstobjekt.
5
Abb. 8. A Art. coronaris. B Art. renalis von Rind. Belastung der Gefäße je 20 g. Zeitmarkierung
alle 6 Sekunden. Bei der Marke 5 wird zur Coronaris wässeriger Lymphdrüsenextrakt 1 : 250 zu-
gegeben, zur Renalis wässeriger Lymphdrüsenextrakt 1 : 1250. Die Coronaris kontrahiert sich
anfänglich, um sich dann sekundär zu dilatieren.
Qualitativ anders als die wässerigen Extrakte und untereinander
verschieden verhielten sich in ihrer Wirkung auf die überlebenden Ge-
fäßte der ätherische und der alkoholische Extrakt. Bestand der Zweck
der oben beschriebenen Ather- und Alkoholextraktion darin, wenn
möglich, aus cinem Gemisch von chemisch verschiedenen Substanzen,
wie der wässerige Lymphdrüsenextrakt es ist, einzelne Stoffe bzw.
auf Organe glatter Muskulatur, auf das Herz und den Blutdruck. 253
Stoffgruppen in konzentrierterer Form zu isolieren, so war auch eine
qualitativ verschiedene Beeinflussung der Gefäße durch diese Extrakte
nicht ausgeschlossen. Daß dies bei unseren ätherischen und alko-
holischen Lymphdrüsenextrakten zutraf, demonstrieren deutlich Abb. 9
Abb oa A u. B. Arteriae coronares von Rind. Belastung 20g. Zeitmarkierung alle Sekunden.
Bei Marke 6 wird je 5 ccm ätherischer Extrakt zugegeben, wobei beide Coronares sich stark dila-
tieren. Der alkohlische Extrakt bewirkte dagegen eine bedeutende Kontraktion der Rindercoronaris
und der übrigen Arterien (Abb. 10a u. b).
Abb. 10 b.
Abb. 10a u. b. A Art. coronaris cordis von Kuh. B Art. mesenterica von Kuh. Belastung je 20 g.
Bei der Marke 1 wird zu beiden Gefäßen wässeriger Lymphdrüsenextrakt 1 : 250 zugesetzt; bei der
Marke 2 alkoholischer Lymphdrüsenextrakt 1 : 250. Im Gegensatz zum wässerigen Lymphdrüsen-
extrakt kontrahiert der alkoholische Extrakt auch die Coronaris (Abb. 10b). Beim Pfeil wird aus-
gewaschen.
und 10, denn der ätherische Extrakt dilatierte die Coronaris deutlich,
seine Wirkung auf die Mesenterialis war entweder null oder hypo-
tonisierend.
Sehr bemerkenswert ist, daß der alkoholische Extrakt längeres
Kochen, selbst mit HCl a 1% ohne irgendwelche Abschwächung seiner
hypertonisierenden Wirkung vertrug. Einen deutlichen Unterschied
254 O. Wirth: Über die biologische Wirkung von Lymphdrüsenextrakt
in der Intensität zwischen den Extrakten von jungen und denjenigen
älterer Tiere, wie dies Marfori und Chistoni beobachteten, konnten
wir nicht feststellen.
Durch feine Abstufung der Dosen des alkoholischen Extraktes
eine primäre Erschlaffung des Gefäßstreifens, wie dies Siccardi und
Loredan!) mit Thymusextrakten, Berti?), Roccavilla®), Stern und Roth-
lin‘) für Gallenextrakte und Rothlin5) für Adrenalin, Hypophysin,
Histamin erhielten, zu erreichen, gelang uns nie. Häufig konnte hingegen
durch die Einwirkung von tonuserhöhenden Lymphdrüsenextrakten
eine rhythmische Tätigkeit des Arterienstreifens ausgelöst werden, und
zwar auch dann, wenn eine solche vorher in Ringerlösung fehlte. Diese
in Form, Frequenz und Amplitude sehr variablen rhythmischen Con-
traktionen können nicht als spezifische Wirkung des aktiven Prinzips
der Lymphdrüsen gelten, da Rothlin’) bei tonuserregenden Substanzen
anorganischer und organischer
Natur, KOL BaCl,, deformier-
tes Blut, Blutserum, Adrena-
lin, Hypophysin, Lienin, £-
Imidazolylaethylamin eine
häufig Rhythmus auslösende
Wirkung festgestellt hat.
Wenn, wie ich mit den Lymph-
Abb. 11. Art. renalis von Rind. Belastung 20g. Zeit- drüsenextrakten (Abb. DA
markierung alle 6 Sekunden. Bei Marke 2 wird alko- x i h
holischer Extrakt 1 : 1250 zugesetzt, wobei durch den auch Siccardi und Loredan mit
E EE solchen aus verschiedenen Or-
ganen (Hypophyse, Thymus,
Niere, Ovarium, 'TThyreoidea und Uterus mucosa) an Gefäßen rhyth-
mische Tonusschwankungen auszulösen vermochten, so verweise ich
den Leser auf die grundlegenden Arbeiten Rothlins, der sich darüber
folgendermaßen äußert: „Rhythmus kann an isolierten Gefäßstr.ifen
sehr häufig durch tonuserhöhende chemische Reize ausgelöst werden,
wenn ein solcher in mit O,-gesättigtem Ringer nicht besteht. Tonus-
herabsetzende chemische Reize verursachen dagegen nie Rhythmus
und eine vorher bestehende rhythmische Tätigkeit wird durch diese
Reizung gehemmt.“ Auch bei den Lymphdrüsenextrakten konnte
in keinem Falle von den ungefähr 50 untersuchten verschiedenen
Coronares des Typus bovinus durch den dilatatorisch wirkenden Reiz
des wässerigen und ätherischen Extraktes rhythmische Tätigkeit aus-
1) Siccardi e Loredan, Zeitschr. f. allg. Physiol. 15, 84—112. 1913.
2) Berti, Gazetta degli ospedali e delle cliniche 37, 1281. 1916.
3) Roccavilla, Arch. f. exp. Med. 25, 552—580. 1913.
4) Stern ct Rothlin, l. c.
5) Rothlin, diese Zeitschr. 111, 242. 1920.
auf Orrane glatter Muskulatur, auf das Herz und den Blutdruck. 255
gelöst werden. Hingegen ist zu bemerken, daß auch der alkoholische
Extrakt an der Rindercoronaris, sowie die wässerigen Extrakte an der
Pferdecoronaris, trotz ihrer tonuserhöhenden Beeinflussung des be-
treffenden Gefäßstreifens, eine solche #
Rhythmik nie auslösten. $
$
b) Versuche am künstlich durchströmten Sa!
Gefäßgebiet des Frosches. H
Stern und Rothlin erhielten bei $ |
Totaldurchströmung des Frosches vom “ Be |
O 75
; nn C
Bulbus aorticus aus durch 1 ccm alko- Ze in Minuten
holischen Lymphdrüsenextrakt 1:100 Abb. 12. Isolierte Durchströmung der
` o Hinterextremität von Rana esculenta ©
eme schwache und vorübergehende Kon- mit zerstörtem Gehirn und Rückenmärk.
traktion, gefolgt von eine” schwachen Registrierung der Durchflußmenge mit
. . y . der Überlaufmethode nach Fleisch. Beim
Dilatation der Gefäße. Nach Marfori peeite 4 Injektion von */, cem alkoholischen
erleiden die in situ belassenen Ge- Extrakt 1 : 50. Es erfolgt eine deutliche
fäße der hinteren Extremität eines ZE, ZA
Hundes, dessen Medulla spinalis zur “nd die narh 6°/⁄, Minuten wieder zur Norm
Elimination der bulbären und cervico- EES
spinalen Zentren durchschnitten wurde, beim Durchströmungsversuch
mit Lymphdrüsenextrakt eine Dilatation. Dieselbe erklärt er als
Ursache einer direkten Einwirkung des Extraktes auf die Blut-
60
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7, t pro
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303 5 70 20
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zeit m Minnen
Abb. 13. Isolierte Durchströmung der Hinterextrevon miät t Rana esculenta © mit zerstörtem Gehirn
und Rückenmark. Registrierung der Durchflußmenge mit der Überlaufmetliode nach Fleisch. Beim
Pfeile 1 Injektion von If ccm wässerigen Lymphdrüsenextrakt 1:50. Es erfolgt eine Dilatation.
Beim Pfeile ? Injektion von ?/ cem alkoholischen Lymphdrüsenextrakt 1:50. Aut eine Geläß-
erweiterung erfolgt sekundär eine Gefäßverengerung. Beim Pfeile 3 Injektion von Is cem Martori-
extrakt 1:50. Es erfolgt eine Dilatation.
gefäßwandungen im Sinne einer Tonusherabsetzung des Gefäßsym-
pathicus. Unsere künstlichen Durchströmungsversuche an der Hinter-
extremität des Frosches nach der Überlaufmethode von Fleisch ergaben
nun, daß Marforis Extrakte und die wässerigen enteiweißten Extrakte
nach Injektion von 1/a—l eem in einer 2proz. Konzentration eine
258 O. Wirth: Über die biologische Wirkung von Lymphdrüsenextrakt
geringen Konzentration einen vollständigen Stillstand der Pendel-
bewegungen und bei größerer Dosis maximale Erschlaffung bewirkt.
Die Resultate am isolierten Meerschweinchenuterus stimmen mit den-
jenigen von Chistoni, Stern und Rothlin insofern überein, als beide
Forscher Erhöhung des Tones an diesem Testobjekte konstatieren.
e) Wirkung des Lymphdrüsenextraktes auf das Froschherz.
Marfori erhielt durch intraperitoneale Injektion von !/,—!/, ccm
Lymphdrüsenextrakt an Fröschen, die nach Engelmann untersucht
wurden, nach einigen Minuten stets eine Verlangsamung und Ver-
stärkung der Herzschläge. Diese veränderte Herztätigkeit, die ca.
2 Stunden andauern konnte, wurde durch Aufträufeln von einigen
Tropfen Adrenalin 1 : 5000 schnell verwischt. Da atropinisierte Frösche
dieselbe Erscheinung zeigten, schloß er daraus, daß es sich nicht um
eine vagotonische Wirkung handeln kann, sonde:in daß die ‚„Linfo-
ganglina“ durch Hemmung des Tonus des sympathischen Apparates
Verlangsamung der Herzpulsationen bewirkt. Die Einwirkung unseres
A PETITI atii L UU IHTHOTUTUTHTTTTTETTUDETTET
ENTENTE
i KA (UN GN N Bil a V RLR A
PETETA AERAN ET ERATI TIE,
H f
Abb. 18. Frosch curarisiert. Registrierung der Herztätigkeit nach Engelmann. Zeitmarkierung alle
Sekunden. Bei der Marke 4 werden 12 Tropfen alkoholischen Lymphdrüsenextrakts auf das Herz
geträufelt.
wässerigen und alkoholischen Lymphdrüsenextraktes in einer 2 proz.
Konzentration äußert sich in einem ziemlich regelmäßig wiederkehren-
den Effekt, der an demselben Testobjekt mehrmals mit demselben
Erfolg wiederholt werden kann. Sehr interessant ist, daß der Ver-
lauf der Lymphdrüsenwirkung sich in zwei Phasen vollzieht. Unmittel-
bar nach dem Aufträufeln der verwendeten Extraktlösung sehen wir
als Charakteristicum der ersten Phase der Wirkung eine Abnahme
der Hubhöhe der Herzkontraktionen und manchmal damit verbun-
den eine schwache Verminderung des Herzmuskeltonus. Nach
Ablauf dieser ersten Phase, die im Maximum 10—15 Sekunden
andauert, erfolgt in der soeben beginnenden zweiten Phase die eigent-
liche charakteristische Erscheinung des Lymphdrüseneffektes, näm-
lich Verstärkung der Herzkontraktionen, begleitet von einer Ver-
langsamung der Schlagfrequenz.
EH ~
en
un
auf Organe glatter Muskulatur, auf das Herz und den Blutdruck. 259
Diese positiv inotrope und negativ chronotrope Einwirkung des
wässerigen und alkoholischen Lymphdrüsenextraktes, wie wir sie in
der zweiten Phase erkennen, ist meist länger andauernd, je nach der
Dosierung, und ist bei schlecht schlagenden Froschherzen eine be-
sonders gut ausgeprägte Erscheinung. So gelang es z. B. an einem
\ /
—
EPOSA TEANS NEE ET eg E T E e ET TE e EE ET E S d E Wed ST LN Tee S
Abb. 19. Rana temporaria, curarisiert. Registrierung der Herztätigkeit nach Engelmann. Zeit-
markierung alle Sekunden. Bei der Marke 1 werden 10 Tropfen eines konzentrierten wässerigen
Lymphdrüsenextraktes auf das Herz geträufelt, wodurch die Schlagfrequenz nach ca. 3 Minuten
3,1 mal vermindert wird bei einer Zunahme der Hubhöhe der Herzkontraktionen um 5.5%.
schlecht schlagenden Froschherz, durch die Wirkung von 4 Tropfen
wässerigen Lymphdrüsenextraktes bei einer Frequenzverlangsamung
von 8,9% eine Erhöhung der Hubhöhe um 40,7% der ursprünglichen
Herzkontraktionen zu erzielen. Ein Unterschied in der Wirkung des
wässerigen und alkoholischen Extraktes besteht nur in quantitativem
Sinne, qualitativ wirken sie gleich.
In beiden Fällen erkennen wir zu-
erst eine Abnahme der Hubhöhe der
Herzkontraktionen. Dann setzt die
Verstärkung der Herzkontraktionen
mit gleichzeitiger geringer Verlang-
samung des Herzrhythmus ein.
f) Wirkung des Lymphdrüsenextraktes
auf den Blutdruck.
Den Einfluß des Lymphdrüsen-
extraktes auf den Blutdruck haben
zuerst Schwarz und Lederer!) unter-
sucht.
Aus den Mesenteriallymphdrüsen des Abb. 19 (Fortsetzung).
Rindes stellten sie Kaltextrakte, gewöhn-
liche und auch bei schwach essigsaurer Reaktion auskoagulierte Kochextrakte
und Alkoholextrakte her und bemerkten nach intravenöser Injektion von 2—5 cem
der oben angeführten Extrakte eine 1—2 Minuten andauernde mehr oder weniger
erhebliche Blutdrucksenkung, die oft im absteigenden Teil der Kurve eine Verlang-
samung und Vergrößerung der einzelnen Herzschläge zeigte und auch nach beider-
seitiger Vagusdurchschneidung eintrat. Nach Atropinisierung des Versuchstieres
blieb sie vollständig oder fast vollständig aus und machte sogar in einz<Inen Fällen
einer ganz erheblichen Blutdrucksteigerung Platz. In all den untersuchten Ex-
trakten haben wir es nach den Autoren mit wenigstens zwei den Blutdruck herab-
1) Schwarz und Lederer Pflügers, Arch. f. d. ges. Physiol. 124, 353. 1908.
kA
260 ©. Wirth: Über die biologisch" Wirkung von Lymphdrüsenextrakt
setzenden Substanzen zu tun, von denen eine jedoch durch Atropinisierung des
Versuchstieres ihrer physiologischen Wirksamkeit beraubt wird. Parisot!), der
ebenfalls die Einwirkung von frischem Lymphdrüsenextrakt (Schwein, Schaf)
auf den Blutdruck studierte, erhielt bei intravenöser Injektion von schwacher
Dosis einen vorübergehenden Fall, bei stärkerer Dosis eine deutliche Senkung
und zur gleichen Zeit nahmen Herz und Atmung an Frequenz zu. Japelli®) fand,
daß intravenöse Injektion von Extrakten aus mesenterialen Lymphdrüsen beim
Hund keinen merklichen Einfluß auf den arteriellen Druck ausübt. Nach Marfori?)
besteht die Wirkung des Lymphdrüsenextraktes auf den Blutdruck in einer Er-
Tu eppes TT" `
D Br
Due nut ww -. a
Abb. 20. Arterieller Blutdruck beim Kaninchen in Urethannarkose. Bei der Marke
werden lccm einer 1 proz. lösung der reinen Extrakte intravenös injiziert.
niedrigung desselben mit gleichzeitiger Vermehrung der Herzpulsationen. Diese
von den Vagi und Depressores unabhängige blutdrucksenkende Wirkung ist nach
ihm durch die periphere dilatierende Gefäßbeeinflussung des Lymphdrüsenextraktes
bedingt.
Unsere Versuche über die Wirkungsweise des Lymphdrüsenextraktes
sind beim Kaninchen in der üblichen Weise mit dem Hg-Manometer
durchgeführt. Das Resultat besteht eindeutig in einer Blutdruck-
senkung (Abb. 20). Bei diesen Versuchen wurde ein für die weitere
Analyse mit Äther, Alkohol, Aceton und Methylalkohol gereinigter
Lymphdrüsenextrakt verwendet.
IV. Diskussion.
Auf Grund unserer experimentellen Untersuchungen an überleben-
den Organen kann als bewiesen gelten, daß die Wirkung des wässerigen
und alkoholischen Lymphdrüsenextraktes nicht einfach als anta-
gonistisch derjenigen des Adrenalines bezeichnet werden kann. Der
von Marfori postulierte und von C'histoni unterstützte absolute Antagonismus
zwischen diesen beiden aktiven Prinzipien existiert in einer so allgemeinen
Fassung nicht. Es ist dies eine volle Bestätigung der von Rothlin und Stern
zuerst geäußerten Ansicht. Als eindeutige Beweise gelten die Versuche
ausgeführt mit Extrakten, die genau nach den Angaben von Marfort
hergestellt wurden. Diese ergaben, daß Marforis eigene Extrakte
sogar eine adrenalinähnliche Wirkung auf die Gefäße ausübten, d. h.
eine Dilatation der Coronaris vom Typus bovinus und eine Kontrak-
tion der Mesenterialis hervorriefen. Wie durch Adrenalin, so wurde
1) Parisot, Cpt. rend. des séances de la soc. de biol. 67, 379—381. 1909,
2) Japelli, Zeitschr. f. Biol. 53, 319. 1909.
3) Marfori. l. zit.
261
auf Organe glatter Muskulatur, auf das Herz und den Blutdruck.
Tabelle I.
Tabellarische Übersicht über die Wirkungsweise der verschiedenen
Lymphdrüsenextrakte auf überlebende Organe glatter Muskulatur, mit
teilweiser Berücksichtigung der Resultate anderer Autoren.
Extrakte
Art des Organes u 7 Autoren
| wässerig. alkoħol. | aether.
|
, | | | Marfori
Arter. coronariades , —- | — Chistoni
typus bovinus — > D D. | — Stern & Rothlin
ag TD D. | D. K. D Wirth
Art. coronar. typus equinus K. | K. K. Co vi
Art. aorta D, e | e Chistoni
Art. carotis K. K. K. — Wirth
Art. mesenterica — K. K. | — Stern & Rothlin
Art. renalis K. K. K. |0 oder (D) Wirth
Art: lienalis K. K. K. | — ie
Art. pulmonalis K.: K. K. oOo e
H. Extremität vom Hund PS = — = Marfori
Gesamtgefäßgebiet des Frosches | — — m. K. und CH — Stern & Rothlin
Hinterextremität des Frosches Ischw. D.!schw. D. nn K. i — Wirth
oder K. und D.
IT an aa st. D. st. D. st. K. und D. If == If
Darm v. Hund, Kaninchen, Katze] K. ;, — — | Chistoni
Darm v. Meerschwein und Ratte K. | K. K — Wirth
Uterus v. virginell. Meerschwein | K. | — — |o — Chistoni
29 9 99 — | K. K. | = Stern & Rothlin
a Ge dë K. | K. K. — Wirth
Uterus von Ratte (gravid) K. | K. ! K | — e
K. = Kontraktion oder Tonuserhöhuug, D. = Dilation oder Tonuserniedrigung,
schw. = schwache Dosis, m. = mittlere Dosis, st. = starke Dosis.
auch durch Marforis Extrakte die Coronaris vom Typus equinus kon-
trahiert. Dieser Synergismus konnte auch dadurch bewiesen werden,
daB es gelang, durch eine gleichzeitige Applikation von Adrenalin und
wässerigem Lymphdrüsenextrakt, beide in unterschwelligen Dosen,
eine deutliche Wirkung am Testobjekte hervorzurufen.
Der Grund der verschiedenen experimentellen Daten von Marfori
und Chistoni einerseits, Stern und Rothlin andererseits, kann nicht in
der verschiedenen Wirkungsweise der benutzten Extrakte gefunden
werden, da die frischen und enteiweißten wässerigen Extrakte nach
Stern und Rothlin zubereitet, genau so reagierten wie diejenigen, her-,
gestellt nach Marfori. Hingegen besteht die Möglichkeit, daß in der
verschiedenen experimentellen Behandlung der Gefäße die Ursache
dieser Divergenzen zu suchen ist, da unsere Testobjekte nicht wie
Meyer und William es empfehlen, sondern nach Siccardi und Loredan,
und vor allem nach Rothlin behandelt wurden. Denn wie wichtig
das Vorhandensein eines mittleren Tonus am isolierten Gefäß ist, geht
262 0O. Wirth: Über die biologische Wirkung von Lymphdrüsenextrakt
mit aller Deutlichkeit aus der diesbezüglichen Studie des letzteren
Forschers!) hervor.
Die an der Rindercoronaris beobachtete Tatsache, daß mehrmals
vor der typischen, charakteristischen Dilatation eine kleine Kontraktion
derselben ausgelöst wurde, konnte damals schon zur Vermutung führen.
daß vielleicht zwei Stoffe bzw. Stoffgruppen in den Lymphdrüsen vor-
handen wären, von denen der eine speziell den vasoconstrictorischen,
der andere den vasodilatatorischen Gefäßmechanismus in Erregung
versetzt. Die dilatatorische würde dann durch Überwiegen über die
constrietorisch wirkende Substanz die anfänglich registrierte kleine
Erhebung dieser letzteren zum Verschwinden bringen und eine sekun-
däre Dilatation bewirken.
Diese Vermutung wird aber noch gestützt durch folgende Beob-
achtungen:
Unterwerfen wir nämlich die Kurven der Coronaris nach Einwirkung
von wässerigem Lymphdrüsenextrakt einer genaueren Analyse, so
stellen wir, wie bei der Adrenalinkurve, eine ziemlich lange Latenz-.
zeit fest, die sich durch die Konkurrenz dieser beiden in dieser Hinsicht
antagonistischen Substanzen erklären läßt. Bei der Adrenalinkurve
hat sie Rothlin?) als Ursache der bivalenten Wirkungsweise des Adre-
nalins erklärt. Die Latenzzeit bei Reizung der Mesenterialis, Lienali«
und Renalis ist bedeutend geringer, und immer tritt der Tonusanstieg
relativ rasch ein, um dann nach erreichttem Maximum allmählich
wieder zur Norm zurückzukehren.
Bewiesen wurde die Exsistenz dieser beiden, die Coronaris anta-
gonistisch beeinflussenden Stoffgruppen durch ihre Isolierung mit
Äther- und Alkoholextraktion. Der ätherische Extrakt dilatierte die
Coronaris stark, während der alkoholische Extrakt dieselbe kontra-
hierte. |
Das aktive Prinzip des alkoholischen Extraktes ist, wie aus unseren
Versuchen an überlebenden Organen hervorgeht, weder als analog, noch
als antagonistisch gegenüber Adrenalin zu bezeichnen. Auf alle Organe
glatter Muskulatur wirkt es tonuserhöhend und ist nur da Antagonist
des Adrenalins, wo dasselbe eine erschlaffende Wirkung erzielt, wie z. B.
am Dünndarm. an der Coronaris, graviden Uterus der Ratte und Meer-
schweinchen.
Unser Ziel war nicht nur die bloße Feststellung der genannten
verschiedenen Stoffgruppen im Lymphdrüsenextrakt, sondern es
sollten aus der Reaktionsweise der verschiedenen untersuchten Test-
objekte Rückschlüsse eventuell auf die chemische Natur der wirksamen
Prinzipien gemacht werden.
1) Rothlin, diese Zeitschr. 111, 225ff. 1920.
2) Rothlin, diese Zeitschr. 111, 284. 1920.
auf Organe glatter Muskulatur, auf das Herz und den Blutdruck. 263
Die weniger wirksame und wahrscheinlich nicht spezifische äther-
1ösliche Stoffgruppe können wir der Gruppe der Lipoide bzw. Fett-
säuren einreihen, deren hypotensive Wirkung in verschiedenen Organ-
extrakten von Stern und Rothlin!) konstatiert wurde. Auch Isco-
vesco?) berichtet über Lipoide von spezifisch-physiologischer Wirkung
aus den verschiedenen innersekretorischen Organen (Schilddrüse,
Nebenniere, Hoden, Ovar, Hypophyse). Desgleichen führen Haffner
und Vagamachi?) die keineswegs spezifische biologische Wirkung der
Ätherextrakte der Organe (Schilddrüse, Ovarien) auf ihren Gehalt
an Fettsäuren zurück.
Vielleicht gelingt es uns aber durch Vergleich der Wirkung der
alkohollöslichen, sehr wirksamen, aktiven Substanz auf die verschie-
denen Testobjekte mit derjenigen anderer wirksamen innersekretori-
schen Produkte indirekt durch Analogieschlüsse über die Natur und
chemische Konstitution derselben Näheres aussagen zu können. Die
Vermutung, es könne sich vielleicht um die vasoconstrictorische Sub-
stanz handeln, die durch den Gerinnungsprozeß von Blutresten des
Lymphdrüsenauszuges entstehen könnte, wäre um so mehr berechtigt,
als dieses ebenfalls alkohollösliche Prinzip mit der Wirkung des alko-
holischen Lymphdrüsenextraktes biologisch weitgehend übereinstimmt‘).
Dagegen ist aber einzuwenden, daß bei der geringen Menge des zurück-
gebliebenen Blutes im Organauszug die Wirkung allein nicht auf diese
Gerinnungssubstanz zurückgeführt werden kann.
Durch einen Vergleich des alkoholischen Lymphdrüsenextraktes
mit ß-Imidazolylaethylamin, dem Histamin, erkennen wir ebenfalls
eine weitgehende Ähnlichkeit in der Wirkung dieser letzteren Sub-
stanz mit dem aktiven Lymphdrüsenprinzip. Dieses Histidinderivat
wurde zuerst von Dale und LaidlawS) einer eingehenden physiologischen
Analyse unterworfen. Ihr Grundzug der Wirkungsweise auf überlebende
Organe ist nach den verschiedenen Autoren [Barger und Dale®), Vanys-
sek”), Guggenheim und Löffler®)] eine direkte Reizung der glatten Mus-
keln, an denen sie einen zunehmenden Tonus hervorruft. Aber während
nach Guggenheim?) der Meerschweinchen-, Kaninchen- und menschliche
1) Stern und Rothlin, l. c.
2) Iscovesco, Cpt. rend. des séances de la soc. de biol. 75, 450, 361, 455, 393,
510, 548, 1913.
3) Haffner und Vagamachi, diese Zeitschr. 62, 49. 1914.
4) Rothlin, diese Zeitschr. ALI, 267. 1920.
5) Dale und Laidlaw, Journ: of physiol. 41, 318. 1910.
D Barger and Dale, Proc. of Chem. Soc. 26, 128. 1910.
7) Vanyssek, diese Zeitschr. 67, 221—231. 1918.
8) Guggenheim und Löffler, diese Zeitschr. 72, 303. 1916.
?) Guggenheim, Biogene Amine. Verlag Springer, S. 195. 1920 und Therap.
Monatsh. 3, 174. 1914.
264 O. Wirth: Über die biologische Wirkung von Lymphdrüsenextrakt
Uterus und Dünndarm von Histamin kontrahiert werden, zeigt der
Rattenuterus unter Einwirkung von Histamin eine Dilatation. Der
alkoholische Lymphdrüsenextrakt bewirkt aber eine deutliche Kon-
traktion des Rattenuterus. Rothlin!) zeigte, daß isolierte Gefäßstreifen
das Kaninchenohr und die hintere Extremität des Frosches von Histamin
ausschließlich vasoconstrictorisch beeinflußt werden. In der Tat-
sache aber, daß durch alkoholischen Lymphdrüsenextrakt an der
Froschhinterextremität in geringen Dosen eine Kontraktion mit nach-
folgender Dilatation, also eine bivalente Reaktionsweise experimentell
nachgewiesen werden konnte, ist ein weiterer Unterschied in der Reak-
tionsweise dieser beiden Substanzen gegeben.
Als Wirkung von ß-Imidazolylaethylamin auf das isolierte Frosch-
herz hat Rothlin?) zwei Phasen beschrieben: 1. Eine Herabsetzung des
Herzmuskeltonus und gleichzeitige geringe Abnahme der Hubhöhe
der Herzkontraktionen; 2. Abnahme der Schlagfrequenz mit gleich-
zeitiger Verstärkung der Hubhöhe der Herzkontraktionen. Wenn das
Lymphdrüsenkardiogramm des Frosches im ganzen identisch mit dem-
jenigen von ß-Imidazolylaethylamin sich erweist, ist eine Herabsetzung
des Herzmuskeltonus nicht immer, und wenn vorhanden, nur sehr
schwach. Schließlich wissen wir, daß ß-Imidazolylaethylamin den
Blutdruck beim intensiv narkotisierten Kaninchen nach Dale und
Laidlaw erhöht, das wirksame alkohollösliche Prinzip des Lymph-
drüsenextraktes denselben erniedrigt. |
Nichts lag nun näher als die Wirkung des aktiven alkohollöslichen
Lymphdrüsenprinzips einer vergleichenden Analyse mit derjenigen von
Cholin zu unterwerfen. Denn seit Lohmann?) die von Sirecker*) zuerst
in der Galle entdeckte quaternäre Ammoniumbase aus der Neben-
nierenrinde dargestellt und durch Analyse als solche erkannt hatte,
wurde ihr ubiquitäres Vorkommen in fast sämtlichen Organen und
Extrakten ermittelt.
Eigene Versuche an isolierten Gefäßstreifen ergaben nun ausnahms-
los eine Verkürzung der Mesenterialis und der Coronaris (Abb. 21 u. 22).
Cholinchlorhydrat hat also dieselbe Wirkung auf die isolierten
Gefäßstreifen, wie der alkoholische Lymphdrüsenextrakt. Dieses
Resultat widerlegt die Angaben von Lohmann’), wonach Cholin an der
isolierten Gefäßmuskulatur nicht wirkt. Desgleichen konnte die An-
sicht von Eppinger und Hess), daß die Coronaris kontrahiert, die
1) Rothlin, diese Zeitschr. 111, 299—310. "1020.
®) Rothlin, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 185, 111—121. 1920.
”) Lohmann, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 118, 215. 1907.
4) Strecker, Liebigs Ann. d. Chem. 70, 149—197. 1849 und 123, 353—360. 1862. `
°) Lohmann, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 118, 215. 1907.
"Jl Eppinger und Hess, Zitschr. f. exp. Pathol. u. Therap. 5, 622—625. 1909.
auf Organe glatter Muskulatur, auf das Herz und den Blutdruck. 265
Mesenterialis dagegen dilatiert werde, nicht bestätigt werden, da auch
geringe Dosen immer eine Kontraktion des letzteren Gefäßstreifens
auslösten. Interessant ist, daß der von Lohmann!) zuerst entdeckte
und von Adderhalden und Müller?), Teissier und T'hevenot?), Gautrelet#),
Desgrez und Chevalier5) angenommene Antagonismus zwischen Adre-
nalin und Cholin in bezug auf den Blutdruck, Darm, Drüsen und
Pupillenwirkung an den
isolierten Gefäßstreifen
(Mesenterialis), außer der
Coronaris sich nicht nach-
weisen läßt. Ebenso ge-
langte Samelson®) auf
Grund seiner Unter-
suchungen an überleben- ‚pp. 21. Art. coronaris von Rind. Belastung 15 g. Zeitmar-
den Froschgefäßen zur kierung alle 6 Sekunden. Bei der Marke 1 wird Cholinhydro-
e ’ chlorid 1: 10 000 zugesetzt, worauf die Coronaris sich deutlich
Ansicht, daß von einem kontrahiert. Beim Pfeile wird ausgewaschen.
Antagonismus zwischen
Adrenalin und Cholin die Gefäßwirkung betreffend nicht die Rede sein
kann. Er führt aber die vasoconstrictorische Wirkung von den be-
nutzten Cholinpräparaten auf ein Zersetzungsprodukt derselben, das
Neurin, zurück, und spricht dem wiederholt gereinigten Cholinchlorid-
präparat selbst bei hoher Konzentration jegliche Einwirkung auf die
Froschgefäße ab. Busquet und Pachon?) nehmen eine vasoconstrictorische
Eigenschaft des Cholins auch
in vivo an, die aber, je nach
der Dosis, durch die von
Cholin verlangsamte Tätig-
keit des Herzens masquiert
werde oder zum Vorschein
k Abb. 22. Art. mesenterialis von Rind. Belastung 15 g.
omme. Bei der Marke 3 wird Cholinhydroehlorid 1 : 20 000 zu-
Im Gegensatz zu Han- gesetzt, worauf sich das Gefäß ebenfalls kontrahiert.
Beim Pfeile wird ausgewaschen,
dowski und Pick®), die nur
eine Vasodilatation durch Cholin am überlebenden ZLäwen-Trendelen-
burgschen Gefäßpräparat beobachteten, nachdem die Froschgefäße mit
1) Lohmann, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 122, 203—209. 1908.
2) Abderhalden und Müller, Zeitschr. f. physiol. Chem. 65, 420—430. 1910.
3) Teissier et T’hevenot, Cpt. rend. des séances de la soc. de biol. 64. 1908.
4) Gautrelet, Cpt. rend. des séances de la soc. de biol. 65, 448. 1908.
5) Desgrez et Chevalier, Cpt. rend. hebdom. des séances de l’acad. des scier.c<s
146, 89. 1908.
6) Samelson, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 66, 34. 1911.
7) Busquet et Pachon, Cpt. rend. des séances de la soc. de biol. 67, 218. 1909;
68, 156. 1910.
8) Handowski und Pick, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 71, 100. 1913.
266 O. Wirth: Über die biologische Wirkung von Lyınphdrüsenextrakt
Serum oder Oxalatblut kontrahiert worden waren, nehmen Müller!)
und Ozaki?) am überlebenden Gefäßsystem des Warm- und Kaltblütlers
an, daß Cholin sowohl den erweiternden, als auch den verengernden
Gefäßmechanismus erregt. Auch dieses stimmt mit der Wirkung von
Lymphdrüsenextrakten am überlebenden Gefäßgebiet des Frosches
überein.
Auf den isolierten Darm, Uterus und Irismuskel wirkt Cholin nach Müller!
physostigminartig. Wie durch Cholin nach Guggenheim und Löffler”) und eigenen
Versuchen so wird der Meerschweinchendünndarm auch durch Lymphdrüsen-
extrakt erregt.
Vergleichen wir nun die Wirkung des Cholins auf das isolierte
Froschherz mit derjenigen des Lymphdrüsenextraktes. Nach E. Bürgi
und Traczewskit) beruht die Cholinwirkung in einer Vermehrung der
Amplitude, mit Senkung des Fußpunktes unter das ursprüngliche
Niveau. Während die Amplitudenvermehrung bei Gebrauch ganz
reiner Cholinlösungen immer vorhanden war, fehlte aber häufig die
"2 D Wi IN
Abb.28. Frosch, curarisiert. Registrierung der Herztätigkeit nach Engelmann. Zeitmarkierung in
Sekunden. Bei der Marke 4 werden Lu Tropfen einer frischen 5 proz. Cholinhydrochloridlösung
(Kahlbaum) zugesetzt. Nach der Abnahme der Hubhöhe der Herzkontraktionen in der 1. Phase
nehmen diese in der 2. Phase an Stärke zu bei gleichzeitiger starker Verlangsamung des Herzrythmus.
Senkung des Fußpunktes. Die angegebene Senkung erfolgt nach ihnen
nur, wenn es in Kombination mit anderen Organextrakten verwendet
wird. Golowinski?’) fand, daß Cholin eine verlangsamende Wirkung
bei gleichzeitiger Steigerung jeder Systole des Herzens ausübt. Es
steigert nach ihm die Arbeitsfähigkeit des Froschherzens, indem das
Pulsvolumen bei gleichzeitiger Verlangsamung vergrößert ist. Aus
der Abb. 23 erkennen wir, daß sich die Wirkungsweise von Cholin
auf das leicht curarisierte Froschherz in zwei Phasen abspielt. In
der ersten 10—15 Sekunden dauernden Phase nehmen die Herz-
kontraktionen deutlich an Hubhöhe ab, wobei die Schlagfrequenz
gleich bleibt; in der zweiten Phase erfolgt eine Zunahme der Hubhöhe
der Herzkontraktionen bis zu einem Maximum, mit gleichzeitiger
starker Herabsetzung der Schlagfrequenz. Von einer Herabsetzung
1) Müller, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 134, 289—310. 1910.
2?) Ozaki, Acta Schol. Mcd., Kyoto 2, 143—206. 1918.
3) Guggenheim und Löffler, dicse Zeitschr. 74, 209. 1916.
?) E. Bürgi und Traczewski, diese Zeitschr. 66, 426. 1914.
5) Baki Golowinski. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 15%, 136—146. 1914.
auf Organe glatter Muskulatur, auf das Herz und den Blutdruck. 267
der Intensität des Herzschlages, wie dies Lusannal) beobachtete, war
abgesehen von der vorübergehenden Verminderung der Hubhöhe, in
der ersten Phase nie etwas zu sehen. Wir können also die Wirkung
des Lymphdrüsenextraktes auf das isolierte Froschherz als identisch
mit derjenigen von Cholin bezeichnen.
Die depressorische Wirkung, die wir durch den gereinigten alko-
holischen Lymphdrüsenextrakt auslösen konnten, ist weiterhin auch
für Cholin charakteristisch, das nach Untersuchungen von Lohmann?),
Pal?), Gautrelet*), Desgrez und C'hevallier®), Lafayette Mendel und Franz
Underhill’) nach subcutaner oder intravenöser Injektion von 1—3 mg
pro Kilogramm Versuchstier eine vorübergehende Drucksenkung
hervorbringt, die bisweilen von einer schwachen Blutdruckerhöhung
gefolgt wird. Diese Blutdruckwirkung des Cholins ist aber stark von
der Größe der Dosis, der Art der Narkose und von sonstigen Neben-
umständen abhängig und bedingte deshalb lange Zeit differente An-
schauungen unter den Autoren.
Der aus unseren Resultaten über die Wirkungsweise von Cholin
auf überlebende Organe glatter Muskulatur und auf den Blutdruck
gezogene wahrscheinliche Schluß, daß es sich beim wirksamen Prinzip
des alkoholischen Lymphdrüsenextraktes um Cholin handelt, wird
weiterhin gestützt durch folgende physiologische Erscheinungen, welche
beiden Stoffen eigen sind. So z. B. der von Schwarz und Lederer?) bei
intravenöser Injektion von Lymphdrüsenextrakt beobachtete Speichel-
fluß, eine Eigenschaft, die auch nach Lohmann, Desgrez®) und Pal?)
dem Cholin zukommt. Ferner die Hemmung der Adrenalinglykosurie
durch Lymphdrüsenextrakt nach Marfori, welch antiglykosurische
Wirkung nach Biedl!°) und Offer übrigens auch der Lymphe eigen ist und
nach Gauftrelet!!) ebenfalls cine Eigenschaft von Cholin sein soll, aller-
dings entgegen der Auffassung von Lohmann!?) und Franc und Isaac).
1) Lusanna, Arch. di fisiol. 10, 373. 1912; zit. von Biedl, Innere Sekretion
S. 586, I. Teil, 3. Aufl.
2) Lohmann, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 118, 215. 1907.
3) Pal, Z:itschr. f. exp. Pathol. u. Therap. 9, 191. 1911.
t) Gautrelet, Cpt. rend. hebdom. des séances de l’acad. des sci:ncts 148, 995. 1909.
5) Desgrez et C'hevalier, Cpt. rend. hebdom. des séances de l’acad. des sciences
146, 89. 1908.
D) Lafayette, Mendel u. Franz Underhill, Zentralbl. f. Physiol. 24, 251—253. 1910.
?) Schwarz und Lederer, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 124, 353. 1908.
8) Desgrez, Cpt. rend. hebdom. des séances de l’acad. des scienc:s 135, 52—54.
1902. .
?) Pal, Zeitschr. f. exp. Pathol. u. Therap. 9, 199. 1911.
10) Biedl und Offer, Wien. klin. Wochenschr. 1907.
11) Gautrelet, Cpt. rend. des séances de la soc. de biol. 64, 174. 1908.
12) Lohmann, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 122, 203. 1908.
13) Franc und Isaac, Zeitschr. f. exp. Pathol. u. Therap. 7, 326. 1909.
268 O. Wirth: Über die biologische Wirkung von Lymphdrüsenextrakt
Es daıf aber nicht vergessen werden, daß allein aus der biologischen
Übereinstimmung dieser beiden Substanzen noch nicht auf ihre chemi-
sche Identität geschlossen werden darf. Darüber kann allein die chemi-
sche Analyse entscheiden, die nun von Rothlin ausgeführt, tatsächlich
die Übereinstimmung der aktiven Substanz im alkoholischen Extrakt
mit Cholin ergab.
Wenn auch Popielski!) der Ansicht ist, „daß Cholin nicht ein nor-
maler Bestandteil der Organe ist, sondern erst bei der chemischen
Behandlung derselben entsteht‘, und nach Biedl?) der Nachweis von
Cholin für die Präexistenz unter physiologischen Bedingungen nicht
beweisend ist, so ist die mögliche freie Anwesenheit von Cholin in den
Lymphdrüsen von vornherein nicht ganz auszuschließen. Denn auch
die sofort untersuchten Extrakte aus ganz frischen Lymphdrüsen
wirkten identisch wie wässerige weiterbehandelte und ältere Extrakte.
Daß das Cholin nicht nur als schädliches Produkt des Zellmetabolis-
mus anzusehen ist, sondern ihm auch die Bedeutung eines physiologisch
wirksamen Stoffes zukommt, wie dies Gaufrelet?) und Benelli) an-
nahmen, wird gestützt durch die Arbeiten von Magnus und Le Heuz°),
die dasselbe als Hormon der Darmbewegung ansprechen. Desgleichen
reiht auch Asher®) Cholin in die Gruppe der individuell wirkenden
Hormone.
V. Zusammenfassung.
l. Wässerige und alkoholische Lymphdrüsenextrakte von ver-
schiedenen Tieren und verschiedenen Körperregionen stammend, zu-
bereitet nach der Methodik von Stern und Rothlin einerseits und
Marfori andererseits, wurden an verschiedenen biologischen Testob-
jekten in vitro und in vivo untersucht.
2. Alle wässerigen Extrakte, der frisch und kalt extrahierte, der
gekochte und enteiweißte, sowie Marforis ‚„Linfoganglina‘‘ haben
qualitativ dieselbe Wirkung auf überlebende Organe glatter Muskulatur.
a) Alle untersuchten isolierten Gefäßstreifen werden im gleichen
Sinne wie durch Adrenalin beeinflußt, d. h. die Art. renalis, lienalis,
mescenterialis, carotis, sowie die Art. coronaria des Typus equinus
werden kontrahiert, die Art. coronaria des Typus bovinus aber dilatiert:
b) die überlebenden Gefäße der durchströmten Froschhinterextremi-
tät werden sowohl durch schwache, wie durch starke Dosen vaso-
dilatatorisch beeinflußt:
1) Popielski, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol.- 67, 408.
) Biedl, Innere Sekretion, I. Teil, S. 46, 3. Aufl.
3) Gautrelet, Cpt. rend. des séances de la soc. de biol. 63, 448. 1908.
4) Benelli, Arch. d. Farm. 17, 193—215.
5) Le Heux, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 193, 8—27. 1918.
6) Asher, Klin. Wochenschr. 4, Nr. 3, S. 105—108. 1922.
2
auf Organe glatter Muskulatur, auf das Herz und den Blutdruck. 269
c) die übrigen Organe glatter Muskulatur (Darm, virgineller und
gravider Uterus) erfahren eine Tonuserhöhung.
3. Der alkoholische Extrakt, der quantitativ den wässerigen an
Wirksamkeit übertrifft, unterscheidet sich teilweise auch qualitativ
von dem letzteren: |
a) Die isolierten Gefäßstreifen werden alle ausnahmslos kontrahiert;
b) an der Froschhinterextremität lösen schwache Dosen eine Dila-
tation, mittlere Dosen eine Dilatation mit folgender Kontraktion, oder
eine Kontraktion mit folgender Dilatation und starke Dosen eine
Kontraktion mit folgender Dilatation aus;
c) der Tonus von Darm und Uterus wird erhöht.
4. Die qualitativ verschiedene Wirkung von wässerigen und alko-
holischen Lymphdrüsenextrakten auf die Coronaris und die spezielle
Analyse der Coronariskurve nach Einwirkung von wässerigen Extrakten,
läßt in diesen zwei antagonistisch wirkende Stoffe bzw. Stoffgruppen
vermuten, die in ihrer Wirkung auf dieses Testobjekt konkurrieren.
5. Durch Extraktion des wässerigen Extraktes mit Äther kann die
auf die Coronaris dilatatorisch einwirkende Stoffgruppe von dem
anderen hypertonisierenden, alkohollöslichen Prinzip getrennt werden.
6. Die wässerigen und alkoholischen Extrakte üben auf das curari-
sierte Froschherz in situ eine in zwei Phasen verlaufende Wirkung aus,
die mehrmals hintereinander mit demselben Erfolg wiederholt werden
kann. In der ersten Phase erfolgt eine Abnahme der Hubhöhe der
Herzkontraktionen und manchmal damit verbunden eine leichte, äußerst
schwache Verminderung des Herzmuskeltonus. Für die zweite Phase
ist charakteristisch eine Abnahme der Schlagfrequenz und gleich-
zeitige Verstärkung der Hubhöhe der Herzkontraktion. Schlecht-
schlagende Froschherzen können durch Lymphdrüsenextrakt wieder
zu kräftiger Tätigkeit angeregt werden.
7. Durch den gereinigten alkoholischen Lymphdrüsenextrakt wird
der Blutdruck des narkotisierten Kaninchens erniedrigt.
8. Der von Marfori postulierte und von Chistoni unterstützte abso-
lute Antagonismus zwischen Adrenalin und den Lymphdrüsenextrakten
existiert in einer so allgemeinen Fassung nicht, was zuerst Stern und
Rothlin betont haben und jetzt auch mit Marforis „Linfoganglina“
selbst bewiesen werden konnte. |
9. Die biologische Wirkungsweise des alkohollöslichen aktiven Prin-
zips der Lymphdrüsenextrakte auf die überlebenden Organe glatter
Muskulatur, sowie auf das Herz und den Blutdruck, stimmt mit jener
des Cholins überein. |
Herrn P. D. Dr. Rothlin, auf dessen Anregung und Leitung die
Arbeit ausgeführt wurde, spreche ich für seine tatkräftige Unterstützung
meinen wärmsten Dank aus.
Studien über Oxydationskatalysen.
III. Mitteilung.
Von
L. Karczag.
(Aus der III. Med. Klinik der Universität in Budapest.)
(Eingegangen am 1. Juni 1922.)
In meiner ersten Mitteilung habe ich über Versuche berichtet, in
denen ich eine Anzahl von Farbstoffen durch Wasserstoffsuperoxyd
unter vollständiger Entfärbung katalytisch zerstören, bzw. oxydieren
konnte!). Die Farbstoffe dienten als Indikatoren der ablaufenden
Oxydationsprozesse und, indem sie je nach der Natur des zugesetzten
Katalysators sowohl qualitativ, wie zeitlich differente Veränderungen
erlitten, konnten sie zur Charakterisierung der Oxydatoren benutzt
werden.
Die Farbstoffe erwiesen sich im allgemeinen resistent gegen Wasser-
stoffsuperoxyd, nur in Gegenwart von Katalysatoren, bzw. Oxydatoren
erfolgte ihre oxydative Zerlegung unter Entfärbung. Der chemische
Grundprozeß ist die unregenerierbare Zerstörung des Farbstoffmoleküls
infolge Überoxydation mit aktivem Sauerstoff.
Bei einer bestimmten Gruppe von Farbstoffen, unter dem Einfluß
des Wasserstoffsuperoxyds, spielt sich jedoch ein Entfärbungsprozeß
ab, dessen chemischer Ablauf cine wesentlich andere ist, wie diejenige
welche durch nascierenden Sauerstoff bewirkt wird.
Um das Wesen dieser chemischen Reaktion und ihre Abhängig-
keit von der chemischen Konstitution und Eigenschaft der Farbstoffe
kennenzulernen, habe ich das Verhalten von etwa 100 Farbstoffen
gegen gewöhnliches saueres Wasserstoffsuperoxyd untersucht.
Die Liste der untersuchten Farbstoffe ist nebenstehend zusammen-
gestellt. l
Die Farbstofflösungen kamen in 0,1l prom. Lösung zur Verwendung.
einige leicht nuancierte in 0,2—0,3 prom. Lösung. Zu 2 cem der Farb-
stofflösungen wurden 2 Tropfen 20 proz. H,O, (Richter) zugegeben.
1) L. Karczag diese Zeitschr. 147, 69. 1921; 119, 16. 1921.
Triphanyl-
methan-
farbstoffe
Pyronine
‚Alszarinfarben
Chinolin- und
Acridinfarben
Chinonimid-
körper
Azojarbstofje
Diazokörper \
des Benzidins f
Nirofarbstoffe l
Natürliche \
Farbstoffe f
e L. Karczag:
Tabelle I.
1. Rosanilin
2. Fuchsin
8. Diamantfuchsin
Rosaniline 4. Rubin
5. Magentarot
6. Fuchsin S.
7. Methylviolett
Malachitgrün- f 22. Malachitgrün
farben 23. Victoriagrün
Rosolsäure-
farben | 27. Corallin
, f 28. Fluorescein
Phtaleine \ 29. Uranin
— 84. Pyronin
BR 36. Purpurin
37. Alizarinsulfore
Chinolinfarben f 39. Cyanin
Acridiufarben \ 40. Trypaflavin
Oxazine 41. Naphtolblau
ES f 43. Thionin
Anz \ 44. Methylenblau
| 47. Neutralrot
Azine 48. Safranin
\ 49 49. Nigrosin
, 55. Anilinvelb
nn | 56. Säuregelb
zokörper | 57. Methylorange
Anilinazo- f H en 000
naphtole \ 65. Crocein
Naphtylamin- hi 69. Chromotrop
azonaphtole
Diazotierte 70. Biebricher
Farbstoffe Scharlach
Pyrazolon- o
Farbstoffe f 75. Tartrazin
76. Chyrsamın
_ | 77. Brillantdiamin-
| blau
78. Congorot
J 85. Pikrinsäure
\ 86. Martinsgelb
J 90. Indigocarımin
t 91. Lacmus
Oxydationskatalysen. III.
8. Krystallviolett
9. Rotviolett
10. Gentianviolett
11. Hoffmann viol.
12. Dahlia
18. Jodgrün
14. Methylgrün
24. Brillantgrün
25. Lichtgrün
30. Eosin
31. Erythrosin
35. Acridinrot
38. Anthrazenblau
38 a. Alizarinblau
42. Nilblau
45. Toluidinblau
46. Azur 11.
50. Indulin
51. Acetinblau
52. Chlorhydrinblau
58. Tropaeolin 00
59. Vietoriagrelb
60. Echtrot
66. Ponceau
67. Coccinnin
. Bordeaux
2, Säurebraun .
~] e)
N Fei
19. Benzopurpurin
80. Azoblau
HI Benzoazurin
87. Aurantia
88. Naphtorelh
92. Azolithmin
93. Carmin
211
15. Anilinblau
16. Nachtblau
17. Kresylviolett
18. Alkaliblau
19. Wasserblau
20. Pyrrholblau
21. Isaminblau
26. Cyanolblau
32. Rhodamin B
33. Gallein
53.
54.
Azocarmin
Magdalarot
61. Goldorange
62. Chrysoidin
63. Vesuvin
68. Wollschwarz
73.
T4.
Janusgritn
Bismarkbraun
82;
83.
84.
Congocorinth
Trypanrot
Trypanblau
89. p. Nitrophenol
94. Cochenille
Die Farbstoffe konnten zunächst bezüglich ihrer Beständigkeit
gegen H,O, in zwei großen Gruppen geteilt werden und zwar:
l. in die H,O,-empfindliche, welche sich unter H,O,-Wirkung ent-
färben;
2. in die H,O,-resistente Gruppe, welche sich unter H,O,-Wirkung
nicht entfärben.
272 L. Karczag : ai
Um Raum zu sparen, haben wir die wasserstoffsuperoxydempfind-
lichen Farbstoffe in unserer Zusammenstellung I. mit fettgedruckten
Nummern verschen.
Betrachtet man die Farbstoffe in dieser Zusammenstellung bezüg-
lich ihrer chemischen Konstitution, so ist ohne weiteres ersichtlich,
daß die wasserstoffsuperoxydempfindliche Gruppe fast ausschließlich aus
Triphenylmethanfarbstoffen besteht. Die resistente Gruppe enthält eine
bestimmte Gruppe der Triphenylmethanfarbstoffen, die Fluoresceinen
und Eosine und fast sämtliche andere Körper der verschiedensten
Farbstoffklassen.
Die klassischen Untersuchungen von Hantsch und seinen Schülern haben
uns dargetan, daß die Farbstoffe zunächst in 2 große Klassen geteilt werden können.
l. Umlagerungsfähige Farbstoffbasen welche mehr oder minder rasch aus
dem Zustande des Ammoniumhydrates in den Carbinol der Pseudoammoniumbase
übergehen. Hierher gehören in erster Linie die Basen der Triphenylmethan-
farbstoffe, ferner gewisse Azoniumfarbstoffe, die Rosindone, Rosinduline und
endlich die Flavinduline.
2. Nichtumlagerungsfähige Farbstoffbasen welche dem Wanderungsb>streben
des Hydroxyls deshalb nicht genügen, weil sie in keine isomere Form (mit einer
anderen Stellung des Hydroxyls) umstellbar sind. Hierher gehören die Basen
der Safranine und Thiazine.
Hantsch versteht unter einer Pseudobase nicht eine Base vom Typus des
Ammoniaks oder Amine sondern Ammoniumhydrate. Sie besitzen daher nicht
ein ionisierbares Ammoniumhydroxyd sondern ein nichtionisierbares methyl-
alkoholisches Hydroxyl. Die Pseudoammoniumbasen sind also (meistens) Carbinole.
Wird z. B. ein Mol Krystallviol :tt
—N(CH;5)
rg
mit einer äquivalenten Menge von KOH versetzt so tritt zuerst die OH Gruppe
an Stelle des Cl-Atoms und man erhält die echte lösliche Base welche ebenfalls
gefärbt ist
(CH) N—C
AC "SCH
VIe "D éch
—/ ` "Op
alkalisch reagiert und in wässeriger Lösung dissoziiert ist. Allmählich entfärbt
sich die Lösung und man erhält die gewöhnliche Farbbase (Pseudobase) oder das
Carbinol
X D-N(CH;)
NIX a
—N(CH
dm GE e
Die Pseudobase enthält also die chinoide Gruppe =(_Y=Nf (CHa)a nicht,
sie ist nur bei den echten Farbstoffen und bei der echten Farbbase zugegen. Nietzky
hatte das Auftreten von Farbe mit dcr Bildung chinoider Formen in Beziehung
gebracht nachdem dies bereits von Æ. und O. Fischer vorgeschlagen worden.
Die Bildung dis Farbsalzes erfolgt aus dem farblosen Carbinol unter Abspaltung
Oxydationskatalysen. III. 273
von 1 Mol H,O und gleichzeitiger Umlagerung: wobei ein Benzolkern Chinoid
wird. So bildet sich das Fuchsin nach Nietzky aus dem farblosen Carbinol durch
Salzsäure nach folgender Formel:
ab H,NH, BIER HHCI
On GL, + HCI = HO + ec HAN,
GIANT, CH NH,
Carbiool, farblos. Fuchsin, gefărbt.
Wir denken uns also nach obigen Ausführungen analoge Umlage-
rungen unter Einwirkung von HA. Es dürften somit aus den echten
Farbstoffen unter Einwirkung von H,O, die farblosen gewöhnlichen
Farbbasen, die Pseudobasen entstehen, welche bevor, sie noch tief-
ergreifende Umsetzungen erleiden, durch Säuren wieder in die gefärbten
Verbindungen übergeführt werden.
Wir haben aber aus unseren Untersuchungen die Überzeugung
gewonnen, daß bei der H,O, -Wirkung noch weitere tiefergreifende
Umwandlungen der imgelagerten Körper stattfinden. Die Chemie
dieser Umwandlungsprozesse ist uns unbekannt, vielleicht dürften
hierbei andere sekundäre Wirkungen des Wasserstoffsuperoxyds, wie
Oxydation, Kondensation usw. eine Rolle spielen.
Unsere Annahme, daß sich bei der H,O,-Wirkung um eine Über-
führung der Farbstoffe in die farblose Carbinolbase handelt, fand eine
große Stütze in den Regenerationsversuchen, welche sowohl durch Salz-
säure in vitro, als auch durch Wolle, Baumwolle, Seide, an den ent-
färbten Farbstofflösungen bewirkt wurden.
Bevor wir jedoch die Regenerationsversuche mitteilen, möchten
wir im Nachstehenden erwähnen, daß die Umlagerungswirkung des
gewöhnlichen Wasserstoffsuperoxyds durch Zusatz von Natronlauge
erheblich befördert wird.
So erfolgt die Entfärbung der umlagerungsfähigen Farbstoffe in
einigen Sekunden oder Minuten, falls zur Farbstoff-Wasserstoffsuper-
oxydmischung schnell noch 1 Tropfen !/,, n-Natronlauge zugetropft
wird. Das Wasserstoffsuperoxyd allein bewirkt die Entfärbung nur
in mehreren Minuten oder Stunden. Die Entfärbungswirkung von
reiner Natronlauge nimmt 1—24 Stunden in Anspruch.
Es lag der Gedanke nahe, diese stark beschleunigende Wirkung der
Natronlauge auf die Abstumpfung der saueren Reaktion des Wasser-
stoffsuperoxyds in Zusammenhang zu bringen. Demnach sollten
Säuren die Umlagerungsreaktion stark hemmen, was sich in unseren
Versuchen, welche mit 2 cem Farbstofflösung und 2 Tropfen 20 proz.
H,O, und 2 Tropfen Ta n-Salzsäure vorgenommen wurden, tatsächlich
bestätigte. Auch zeigten Versuche mit neutralem reinen H,O,, welche
uns von der Firma Richter gütigst zur Verfügung gestellt wurde, daß
die neutrale H,O, eine schnellere Entfärbung der Farbstoffe, als die
gewöhnliche sauer reagierende bewirkt.
Biochemische Zeitschrift Band 182. 18
274 L. Karczag:
Wir übergehen nun zur Besprechung unserer Regenerationsversuche.
Die Regenerationsversuche ergaben nach 24 Stunden der durch
NaOH veränderten Proben mit 3 Tropfen !/,, n-HCl, daß die Original-
farben ausnahmslos schon in der Kälte fast vollständig regeneriert
werden konnten. Die Regenerationsfarbe ist sogar tiefer, wie die
Originalfarbe. Erhitzen begünstigt die Regeneration, und fast alle
Farben erfahren dadurch Vertiefungen. Die Regenerationsversuche
der mit reiner Natronlauge behandelten Proben, ergaben den all-
gemeinen Schluß, daß durch Salzsäure alle Farben ausnahmslos regene-
riert werden können.
Im folgenden möchten wir die Regenerationsergebnisse der durch H,O, ent-
fürbten Verbindungen mitteilen.
Die Entfärbungszeit der durch H,O, entfärbten Proben betrug z. B. in
einer Versuchsreihe bei
Fuchsin S. . . . 20 Minuten Acridinrot. . . . 75 Minuten
Malachitgrün . . 3 Stunden Pyronin. .... 1!/, Stunde
Fuchsin. . - 3/, Stunden Rosanilin.. . . . 25 Minuten
Methylviolett . . 3% e Krystallviolett . 1?/, Stunden
Lichtgrün . . . . 31 ee Dahlia ..... 20 Minuten
Gentianaviolett . Ui e Jodgrün ... . 10 ge
Wasserblau `... 31, e . Kresylviolett . . 35 Sekunden
Kresofuchsin. . . 10 Minuten Indigo . .... 3 Stunden
Magentarot . . . 20 Ge Methylgrün . . . 10 Minuten
Rubinrot . . . . 30 e Anilinblau . . . 4 Stunden
Die Regeneration der Farbstoffe erfolgte einerseits sofort nach der Entfärbung,
anderers:its erst nach 24 Stunden durch 3 Tropfen !/iọ- HCI.
Regeneration sofort nach der Entfärbung:
+++ Fuchsin, Fuchsin S, Kresofuchsin, Rubin, Magetarot, Methylgrün, Jod-
grün, Anilinblau.
++ Rosanilin (in der Wärme), Wasserblau, Dahlia (in der Wärme).
+ Methylviolett, Krystallviolett, Kresylviolett.
(+) Malachitgrün, Gentianviolett, Lichtgrün, Pyronin, Acridinrot.
Regeneration nach 24 Stunden ergab folgendes:
+++ keine der Farbstoffe.
++ Fuchsin, Fuchsin S Rubin, Magentarot, Rosanin, Methylgrün, Jodgrün.
Anilinblau.
+ Lichtgrün.
(+) Methylviolett, Wasserblau, Kresofuchsin, Dablia, Kresylviolett.
— Malachitgrün, Gentianviolett, Pyronin, Acridinrot, Krystallviolett, Indigo-
carmin.
Wir können vor allem aus diesen Versuchen ersehen, daß bei der
Anwendung von H,O, analoge, aber nicht identische Prozesse statt-
finden, wie bei der Anwendung von Natronlauge. Bei der Einwirkung
von Natronlauge spielen sich demnach weniger tiefergreifende Pro-
zesse ab, wie bei Anwendung von HO. Wenn also die Farbstoffe
unter dem Stehenlassen mit H,O, durch 24 Stunden stärker angegriffen
Oxydationskatalysen. III. 215
werden, so ist die Regenerationstendenz im allgemeinen dieselbe, wie
diejeniger Proben, welche sofort nach ihrer Entfärbung regeneriert
werden.
Wir haben beobachtet, daß im allgemeinen diese Farbstoffe am
vollständigsten regeneriert werden konnten, welche sich am schnellsten
entfärbten. Die Farbstoffe können daher nach ihrem Verhalten gegen
H,O, bzw. ihrer Säureregeneration in folgende Gruppen geteilt werden:
I. Gruppe II. Gruppe
schnell entfärbt langsamer entfärbt schwer
vollständig regenerierbar bzw. unvollständig regenerierbar
Fuchsin Krystallviolett
Fuchsin S Gentianaviolett
Kresofuchsin Dahlia
Magentarot Kresylviolett
Rubinrot Malachitgrün
Methylgrün Lichtgrün
Jodgrün Pyronin
Anilinblau m Acridinrot
Rosanilin
Wasserblau
Nun folgen KRegenerationsversuche der durch NaOH + H,O, ent-
färbten Proben.
Die Regeneration der Farbstoffe wurde sofort nach der stattgefundenen Ent-
färbung vorgenommen.
Die Entfärbungszeit der Farbstoffe durch NaOH + H,O, betrug bei
Rosanilin .. . . . 20 Sekunden Methylgrün . . . . 45 Sekunden
Fuchsin. ..... 10 SS Joderün . .... 10 Ge
Rubin ...... 25 Sé Anilinblau . . . 3 Minuten
Magentarot .. . . 10 = Kresylviolett .. 1 dë
Kresofuchsin. . . . 10 = Wasserblau . . . . 1 PR
Fuchsin S. .... sofort Malachitgrün . . . 5Sekunden
Methylviolett . . . 1 Minuten Lichtgrün. . .. . 5 a
Krystallviolett. .. 3 E Pyronin. ..... 2 Minuten
. (opalesc.) Acridinrot. . . . . 2 Rn
Gentianaviolett . . 25Sekunden Indigocarmin . . . 3 D
Die Regenerationsversuche ergaben, daß fast alle Farbstoffe meistens
mit der alten Farbstärke regeneriert werden konnten, so daß wir daraus
folgern können, daß die Anwesenheit von Natronlauge den Farbstoffen
einen gewissen Schutz verleiht, da so die Regeneration mit einer größeren
Intensität und an einer größeren Zahl der Farbstoffe erfolgte, wie
bei denjenigen Proben, welche nur mit Wasserstoffsuperoxyd behandelt
wurden. l
Die Regeneration geht bei Malachitgrün, Jodgrün, Methylgrün,
Anilinblau, Wasserblau, Fuchsin S, Kresofuchsin schon in der Kälte
in ca. 2—5 Minuten mit der Stärke der alten Originalfarbe vor sich.
Die anderen Farben regenerieren allmählich, aber langsamer. Die
18*
276 L. Karczag:
Regenerationsfarben erfahren eine Vertiefung des Originals beim
Erhitzen.
Auch hierbei konnte beobachtet werden, wie bei den durch H,O,
entfärbten Proben, daß im allgemeinen diejenigen Farbstoffe am voll-
ständigsten regenerieren, welche sich am schnellsten entfärben.
Die Regenerationsversuche nach 24 Stunden, welche unter Erwärmung
vorgenommen wurden, ergaben, daß das Stehenlassen der Proben zu
einer tiefergehenden Veränderung der Farbstoffe führte. Es ließen
sich regenerieren:
mit +++ Fuchsin S, Wasserblau, Methvlgrün.
++ Malachitgrün, Rosanilin, Krystallviolett (blau).
+ Fuchsin (tiefer), Jodgrün.
(+) Dablia, Kresylviolett.
0 Methylviolett, Gentianaviolett, Lichtgrün, Acridinrot. Pyronin.
Dieser Veısuch zeigt also, daß die Veränderungen der Proben durch
NaOH + H,O, denjenigen der durch H,O, bewirkten Typus und nicht
denjenigen der durch NaOH bewirkten Typus entsprechen.
Wir gehen nun zur Besprechung unserer Regeneralionsversuche mil
Wolle, Baumwolle und Seide über. Taucht man Wollfaser in das farblose
Carbinol des Fuchsins, so färben sich die Faser rot, als ein Zeichen da-
für, daß das Carbinol mit den Fasern in eine gefärbte chemische Ver-
bindung eingeht. |
Ist unsere Annahme ıichtig, daß bei der Einwirkung von H,O,
auf die Tryphenylmethan und anderer Farbstoffe eine Überführung
derselben in Carbinolbasen bewirkt, so mußte erwartet werden, daß
Wolle, Baumwolle, Seidenfaser imstande sind, den durch H,O, ent-
färbten Farbstoff mit der Originalfarbe zu regenerieren.
Wir haben daher an dem H,O, empfindlichen Triphenylmethan-
farben, die durch Säure regenerierbare Glieder Fuchsin, Kresofuchsin.
Magentarot, Rubin, Dahlia, Krystallviolett, Brillantgrün in verdünnten
Lösungen (0,05—0,1 prom.) mit 2 Tropfen 20 proz. H,O, in der Wärme
entfärbt und dann in den Reagensgläsern befindlichen Lösungen die
Fasern direkt eingetaucht.
Es zeigte sich, daß Fuchsin., Rubin, Magentarot, Kresofuchsin.
Kıystallviolett von Seide, Wolle, Baumwolle schön regeneriert werden
können, ebenso verhält sich Dahlia gegen Seide und Brillantgrün
gegen Wolle. Die Anwesenheit von H,O, hatte die Regeneration nicht
gestört und auch eine Bleichwirkung war nicht zu beobachten. diese
scheint daher gewisse Bedingungen zu haben. Die H,O, wird durch
die Faser zersetzt und Sauerstoffblasen steigen in der Flüssigkeit auf.
Nur nach vielen Stunden beginnt die Regenerationsfarbe stark ab-
zubleichen. Wir haben Regenerationsversuche der mit NaOH und
H,O, entfärbten Farbstoffe angestellt. Trotz Anwesenheit dieser Sub-
stanzen konnte die Regeneration der Farbstoffe beobachtet werden.
Oxydationskatalysen. III. 277
Zusammenfassung.
Das Wasserstoffsuperoxyd führt bei Anwesenheit von Metall-
-> katalysatoren zu einer vollständigen, unregenerierbaren, oxydativen
“~ Zerstörung der Farbstoffe der verschiedensten Farbstoffklassen, wo-
“gegen das H,O, ohne Anwesenheit von Metallkatalysatoren nur Ent-
Wa färbungen gewisser Farbstoffe, bzw. Farbstoffklassen bewirkt, deren
=- Grundprozeß auf einer intramolekularen Umsetzung der betreffenden
'" Farbstoffmoleküle beruht. Die wasserstoffsuperoxydempfindliche Farb-
stoffgruppe besteht fast ausschließlich aus Farbkörper der Triphenyl-
methanreihe. Es werden aber nur diejenigen Farbstoffe dieser Reihe
durch H,O, angegriffen, deren Benzolkeime frei stehen und miteinander
durch einen Kohlenstoffatom verkettet sind. Ringsschluß zwischen
zwei Benzolringen der Triphenylmethankörper führt zu einer Resistenz
des Farbstoffes. Dementsprechend sind Abkömlinge der Fluoresceine
und Eosine resistent gegen H,O,.
Resistent sind gegen H,O, die Azofarbstoffe, Pyrazolonfarbstoffe,
Benzidinfarbstoffe, Nitrofarbstoffe.
Die Kondensation der Benzolringe trägt zur Resistenz des Farb-
stoffmoleküls bei, wie dies aus der relativ höheren Resistenz der Anthra-
zenfarbstoffe hervorzugehen scheint. Unter den heterocyclischen (tricy-
clischen) Körpern wurden durch H,O, diejenigen Farbstoffe angegriffen,
welche als Ringglied einen O-, oder einen O- und N-Atom im Mittelring
enthalten: ro Farbstoffabkömmlinge der Pyronim und Oxazine.
Resistent sind dagegen diejenigen Farbstoffe, welche im Mittel-
ringe einen N-, zwei N- oder einen S- und N-Atom enthalten, so die
Abkömmlinge des Chinolins und Akridins, fernerhin die Phenazine
oder Phentiazine.
Die Entfärbung der Triphenylmethanfarbstoffe durch H,O, führt
zu tiefergreifenden Umwandlungen der Farbkörper, als diejenige durch
NaOH. Die Geschwindigkeit des Entfärbungsvorganges durch H,O,
wird durch Anwesenheit von Laugen erheblich katalysiert, durch
Säure dagegen stark gehemmt. Die katalysierende Wirkung der Lauge
beruht also auf der Abstumpfung der hemmenden sauren Reaktion des
gewöhnlichen H,O,, wie dies die Versuche mit neutralem H,O, be-
wiesen. Die Umwandlungen in Anwesenheit von Natronlauge und
Wasserstoffsuperoxyd sind allgemeinerer Natur, wie bei der alleinigen
Anwendung von DO. Es werden durch die katalysierte Reaktion
auch Farbstoffe angegriffen, welche sonst gegen Wasserstoffsuperoxyd-
wirkung resistent sind.
Die durch NaOH veränderten Farbstoffe sind nach 24 Stunden
vollständig zu regenerieren. Die durch H,O, veränderten Farbstoffe
sind sofort nach der Entfärbungszeit vollständig, nach 24 Stunden
jedoch unvollständig mit verschiedener Intensität zu regenerieren.
278 L. Karczag: Oxydationskatalysen. III.
Die durch NaOH + H,O, bewirkten Entfärbungen entsprechen den-
jenigen der H,O,-Typus und nicht dem NaOH-Typus.
Die Anwesenheit von Natronlauge verleiht gewissen Farbstoffen
einen Schutz gegen sekundäre Einflüsse des Wasserstoffsuperoxyds.
Sowohl die Regenerationsversuche mit Säuren, wie mit Wolle,
Baumwolle, Seide sprechen dafür, daß die Wirkung des H,O, auf die
Tryphenylmethanfarbstoffe auf einer Umlagerungsreaktion beruht.
Neben diesen spielen sich noch sekundäre Prozesse ab, welche zu tief-
ergehenden Umwandlungen der Farbstoffe, wie die analog ablaufende
Umlagerungsreaktion unter dem Einfluß von Laugen, führen.
Studien an Blutzellen.
I. Mitteilung.
Über die Säurebehandlung der Blutzellen.
Von
L. Karezag und F. Sternberg.
(Aus der III. Med. Klinik der Universität in Budapest.)
(Eingegangen am 1. Juni 1922.)
In vorliegender Untersuchung haben wir das Verhalten der Blut-
zellen, bzw. ihrer Färbbarkeit gegen die Einwirkung von Säuren
studiert. In der Bakteriologie sind Säuredifferenzierungen, denen die
verschiedene Säureresistenz der Bakterienleiber zugrunde liegt (z. B.
die Ziehl-Nielsensche Differenzierung der Tuberkulose und anderer
säurefester Bacillen) bereits bekannt. Die bei der Differenzierung ab-
laufenden histochemischen Prozesse sind bei diesen monochromatisch
gefärbten Präparaten als einfach zu bezeichnen. Desto schwieriger
gestalten sich jedoch die Verhältnisse und komplizierter die sich ab-
spielenden Prozesse bei der Säuredifferenzierung der Blutzellen, welche
mit ihrer verschiedenen Neutrobasoacidophilität der Kern- und Proto-
plasmabestandteile und ihrer Abhängigkeit vom Alter bzw. anderen
biologischen und pathologischen Faktoren ein schwieriges Versuchs-
objekt darstellen, um so mehr, da die Grundversuche mit polychroma-
tisch (panoptisch) gefärbten Präparaten ausgeführt werden müssen.
Es gesellen sich noch dazu technische Schwierigkeiten, welche in dem
wechselnden Verhalten der Farbstoffkompositionen bzw. ihrer Labili-
tät, Färbekraft usw. gegeben sind.
Es bedurfte mehrerer Hunderte von Versuchen, bis wir zu einer technischen
Sicherheit gelangten, auf deren Basis wir die Versuche methodisch auszubauen
imstande waren. Wir müssen ausdrücklich hervorheben, daß es ein unbedingtes
Erfordernis ist, stets mit frischen Farbstofflösungen zu arbeiten und sich zuerst
an einigen Probepräparaten über die Güte und über die optimale Färbedauer des
Farbstoffes zu überzeugen.
Auch muß darauf geachtet werden, daß die Blutausstriche gleichmäßig aus-
fallen, denn sie beeinflussen den Entfärbungsvorgang erheblich. Dünne gleich-
mäßige Ausstriche sind daher ein unbedingtes Erfordernis für das Gelingen der
Versuche. Schließlich muß mit großer Sorgfalt darauf geachtet werden, daß die
280 L. Karezag und F. Sternberg:
Blutpräparate nach erfolgter Säureeinwirkung mit dest. Wasser gut ausgewaschen
werden.
Die Grundversuche wurden an polychromatisch (panoptisch) mit Jenner-
Giemsa gefärbten Blutpräparaten ausgeführt ; außerdem haben wir noch zu unseren
Studien monochromatisch (Fuchsin S, Brillantgrün, Krystallviolett) gefärbte
Präparate verwendet.
Als Versuchsobjekt diente uns hauptsächlich das myeloisch-leukämische und
Iyınphoid-leukämische Blut, an dem wir das Verhalten folgender Zellen studierten:
Erythrocyten Polinucleäre Leukocyten
Normoblasten eosinophile
Myeloblasten basophile
Myelocyten neutrophile
eosinophile Lymphocyten.
basophile
neutrophile
Fixieren der Präparate mit wasserfreiem Methylalkohol 1—2 Minuten.
Als Entfärbungsmittel diente 2/,,„-Salzsäure, welche mit verschiedenen Mengen
destillierten Wassers verdünnt und verwendet wurde.
Die Expositionsdauer betrug 5 Minuten.
Die Präparate kamen lufttrocken unter dem Mikroskop zur Beobachtung.
Um die verschiedenen Stadien der Differenzierung bzw. die Übergänge zu er-
kennen und somit möglichst genaue Resultate zu erzielen, haben wir stets Serien-
untersuchungen vorgenommen, indem eine Anzahl von Strichen, gleichzeitig ge-
färbt und mit steigenden Säureverdünnungen von 1 Tropfen HCl auf 20 cem
H,O bis 30—50 Tropfen auf cem H,O differenziert wurden.
Auch die Vorbehandlung mit Säuren wurde an gleichzeitig angestellten Serien-
untersuchungen vorgenommen. Diese Arbeitsweise ist um so mehr von Wichtig-
keit, da einerseits die Differenzierungen zwischen Wirkung von verdünnten und
konzentrierten Säurelösungen leichter zu erkennen sind, und andererseits, weil
in jeder Serie die Säureempfindlichkeit der Präparate eine verschiedene ist, weshalb
sich die Abhängigkeit der Differenzierung von einer genau bestimmten Säure
konzentration nicht bestimmen läßt.
I. Einfluß großer Säureverdünnung.
Die Versuche wurden mit folgenden Säureverdünnungen vor-
genommen:
1 Tropfen "/,„-Salzsäure zu 20 ccm dest. H,O
l 2 3 >10 Lë e
l 2 39 „ 5 LA 99 H
5 WM WM +9 5 LA DÄ 39
0 y o KEE Š
Zuerst haben wir die Vorbehandlung der ungefärbten nativen Prä-
parate mit verdünnter Säure vorgenommen und nach gründlichem
Auswaschen die Färbung der Präparate ausgeführt.
Es ergab sich aus den mit Jenner-Giemsa nachträglich gefärbten
Präparaten, daß die roten Blutkörperchen und eosinophilen Granu-
lationen ihre Färbbarkeit mit steigender Säurekonzentration ein-
büßten, wogegen die Kerne und das Protoplasma der weißen Elemente
ihre Färbbarkeit behielten. Der angenommene Farbenton war hier-
Blutzellen. I. 281
bei einer viel intensiver, als bei den unvorbehandelten Kontroll-
präparaten.
Das Verhalten der roten Blutkörperchen war das nämliche bei
Anwendung von Fuchsin S und Krystallviolett. Die Kerne und das Proto-
plasma der weißen Blutzellen behielten ihre Färbbarkeit mit Krystall-
violett (mit Fuchsin färbte sich nur das Plasma), jedoch war in den
mit Fuchsin S gefärbten Präparaten die Intensität der Färbung nicht
so tief wie bei der panoptischen und Krystallviolettfärbung. Brillant-
grün verhielt sich insofern abweichend, als nicht nur die roten, sondern
auch die weißen Blutzellen ihre Färbbarkeit. verloren.
Die Säurebehandlung der bereits mit Jenner-Giemsa gefärbten
Präparate ergab folgendes.
Bezüglich der weißen Blutzellen konnte festgestellt werden, daß
die einzelnen Zellformen eine verschiedene Säureresistenz besitzen,
und daß, je jünger histogenetisch die Zelle, desto größer die Säure-
empfindlichkeit. Schon auf geringe Säurekonzentrationen verschwinden
die Myeloblasten-, sodann die Myelocyten-, resistenter erweisen sich
die polynucleären Leukocytenkerne, und am stärksten widerstehen
der Säurewirkung bei steigender Konzentration die Kerne der jugend-
lichen roten Blutkörperchen der Normoblasten.
Die Säurenachbehandlung der monochromatisch gefärbten Striche
ergab, daß die Differenzierung der weißen Blutzellen des myeloischen
und Iymphoid-leukämischen Blutes bei Anwendung von Krystall-
violett ebenfalls zustande kommt, wenn auch nicht so prägnant, wie
bei der panoptischen Färbung. — Fuchsin S, Brillantgrün zeigten
bezüglich der Säuredifferenzierung der weißen Blutzellen kein gleich-
mäßiges Verhalten.
II. Einfluß höherer Säurekonzentrationen.
Diese Versuche beziehen sich auf Säureverdünnungen, welche
15 Tropfen ?/ „HCl auf 5ccm H,O
20
KE) 29 38 5 39 A)
` 30 H 39 d 5 9 d
enthielten.
Die Präparate, welche mit Jenner-Giemsa gefärbt wurden, ließen
bei den mit Säure vorbehandelten Proben das gleiche erkennen wie
bei der Vorbehandlung mit geringen Säurekonzentrationen: Verlust
der Färbungsvermögen der roten Blutkörperchen und steigender Färb-
barkeit der Kerne und des Protoplasmas aller weißen Blutzellen. — Fuch-
sin S und Brillantgrün zeigten im großen und ganzen ein analoges Ver-
halten, obwohl sich letzteres bei Anwendung von geringen Konzen-
trationen abweichend verhielt.
Die Säurebehandlung der polychromatisch gefärbten Striche ließ
erkennen, daß bei fortschreitender Erhöhung der Säurekonzentration
282 L. Karczag und F. Sternberg:
das Protoplasma (auch das basophile Lymphocytenplasma) eine gleich-
mäßig rötliche (Eosin-) Färbung annimmt. Die acidophile Färbung
des Lymphocyten- und Leukocytenplasmas blieb nach Steigerung der
Säurekonzentration weiter bestehen, wogegen sich die Kerne nicht
mehr vollständig dekolorieren ließen und sogar im Gegenteil ihre Blau-
färbung behielten. Am resistenten erwiesen sich gegen den Einfluß
der hohen Säurekonzentrationen die kernhaltigen roten Blutzellen.
sodann die Lymphocyten und schließlich der Reihe nach die Poly-
nucleären, die Myelocyten, Myeloblasten.
Dies auffallende Ergebnis, daß bei Erhöhung der Säurekonzentration
die Entfärbung der weißen Blutzellen ein entgegengeselztes Verhalten
zeigt wie bei den geringen Säurekonzentrationen, ließ sich insbesonders
an Serienuntersuchungen schön studieren. Dieselbe Tendenz konnte,
wenn auch nicht so auffallend, bei Anwendung von Krystallviolett
und Fuchsin S erkannt werden. Wir erinnern an dieser Stelle, daß
die Säurevorbehandlung mit großen Konzentrationen zu einer inten-
siveren Färbung der Kerne und des Protoplasmas führte und diese
bei der monochromatischen Färbung ebenfalls ein entgegengesetztes
Verhalten zeigten wie bei geringen Konzentrationen.
Es war in unseren Präparaten zu beobachten, daß die Färbung
der weißen Blutzellen bei höheren Säurekonzentrationen sowohl bei
den panoptischen wie bei den monochromatischen Färbungen eine
von dem Originalton abweichende war. Es ergab sich bei Ausführung
von Reagensglasversuchen mit sehr verdünnten Farbstofflösungen
(1 Tropfen Farbstofflösung auf 50 cem Wasser), daß die steigende
Säurekonzentration entweder eine Farbenänderung oder eine Farben-
vertiefung hervorruft, und daß wir somit nicht nur an Veränderungen
der Eiweißsubstanzen der Blutzellen durch die Säurewirkung, sondern
auch an solchen der Farbstofflösungen denken müssen.
Zum Schlusse möchten wir noch über das Verhalten der roten Blut-
körperchen folgendes bemerken: Wie bereits erwähnt, besitzen die mit
Eosin gefärbten Erythrocyten, entgegen den ungefärbten und mit
Säuren vorbehandelten, eine große Resistenz gegen Säuren. Das Eosin
schützt also das Erythrocytengerüst. Wir haben nun Färbungen mit
anderen Farbstoffen, so mit Fuchsin S und Wasserblau, vorgenommen,
und auch hierbei eine Resistenz der roten Blutkörperchen gegen Säuren
beobachten können, als ein Zeichen dafür, daß die Resistenz nicht
durch die spezielle Konstitution des Eosins, sondern vielmehr von
der Verbindung zwischen Farbstoff und Hämoglobin bzw. intaktem
Erythrocytenleib bedingt ist.
Nach Steigerung der Säurekonzentration gelangt man schließlich
zu einem Punkt, wo die Erythrocyten fast mit einem Schlage ihre
Färbbarkeit verlieren, und man beobachtet gleichzeitig Deformationen,
Blutzellen. I. 283
Risse an den roten Blutzellen, welche oft wesentlich vergrößert und
wie gequollen aussehen als ein Zeichen dafür, daß sich unter der Säure-
wirküng kolloid-chemische Quellungsvorgänge abspielen, welche zur
Läsion der Zelle und sodann zur Abgabe des Farbkörpers führen.
Zusammenfassend möchten wir aus vorliegender Untersuchung
folgendes hervorheben:
Die Kerne der weißen Blutzellen besitzen nach erfolgter Färbung
gegen die Säureeinwirkung eine verschiedene Resistenz. Im allgemeinen,
je jünger histogenetisch die Zelle, desto geringer der Widerstand
gegen die Entfärbung durch Säuren. Am leichtesten lassen sich die
Myeloblasten, Myelocyten, schwieriger die Leukocyten, Lymphocyten
und schließlich die Normalblastenkerne entfärben.
Die Säureempfindlichkeit steht mit der Säurekonzentration in um-
gekehrtem Verhältnis.
Die Säurevorbehandlungen führten zu einer intensiveren Färbung
der weißen Blutzellen. °
Die Resistenz der roten Blutkörperchen gegen die Säureeinwirkung
ist in gefärbtem Zustande eine höhere wie im nativen ungefärbten
Präparate.
Studien an Blutzellen.
II. Mitteilung.
Über das Verhalten der Blutzellen gegen Wasserstoffsuperoxyd.
Von
L. Karezag und F. Sternberg.
(Aus der III. Med. Klinik der Universität in Budapest.)
(Eingegangen ùm 1. Juni 1922.)
Die große Rolle, welche das Weasserstoffsuperoxyd in den zell-
biologischen Fragestellungen einnimmt, sowie seine verbreitete tech-
nische Verwendung als Oxydierungs- und Differenzierungsmittel, ins-
besondere im Zusammenhang mit dem Nachweis der Zelloxydasen,
veranlaßte uns, das Verhalten der Blutzellen gegen dieses Mittel im
mikroskopischen Präparat einer eingehenden Untersuchung zu unter-
ziehen. Dieses Studium schien für uns um so mehr von Wichtigkeit,
da uns bereits durch Vorversuche die Aussicht geboten war, die kata-
lytische Oxydationsmethode!) auch zur Differenzierung der Blut-
zellen anzuwenden.
Wir möchten über unsere Resultate in zwei Gruppen berichten.
In der ersten Gruppe möchten wir diejenigen Versuche bekanntgeben,
in denen wir ungefärbte Blutausstriche mit Wasserstoffsuperoxyd vor-
behandelt und nachher mit Jenner-Giemsa-Lösung gefärbt haben. In
der zweiten Gruppe teilen wir diejenigen Versuche mit, in denen wir
die Blutausstriche zuerst mit Jenner-Giemsa-Lösung gefärbt und nach-
her mit Wasserstoffsuperoxyd behandelt haben.
Als das lehrıieichste und wichtigste Versuchsobjekt diente uns —
wie wir dies bereits 'n unserer vorstehenden Mitteilung hervorgehoben
haben — das myeloisch-leukämische und lymphoid-leukämische But
Versuchsgruppe I. Vorbehandlung mit neutralem HO.
Die Ausstriche wurden nach Methylalkoholfixation zunächst mit
reine‘ käuflicher H,O,-Lösung 30 p:oz. Hyperol Richter und Perhydrol
1) 8. L. Karczag, diese Zeitschr. 11%, 69; 119, 16; Wien. klin. Wochenschr.
1921, Nr. 36.
L. Karczag und F. Sternberg: Blutzellen. II. 285
Merck vor- bzw. nachbehandelt. Wir erhielten dabei dieselben mikro-
skopischen Bilder, welche unter Säurewirkung entstehen, und welche
wir in vorstehender Mitteilung beschrieben haben. Die sauere Reaktion
des gewöhnlichen Wasserstoffsuperoxyds macht sich selbst in großen
Verdünnungen in störender Weise geltend, weshalb diese Versuche
unterbrochen werden müßten. Durch das gütige Entgegenkommen
der pharmazeutischen Fabrik Richter waren wir jedoch in der Lage,
die Versuche mit reinstem neutralen Wasserstoffsuperoxyd, welches
uns stets in frischer 30 proz. Lösung zur Verfügung gestellt wurde, fort-
zusetzen.
Die Ausstriche wurden mit l proz. neutralem Wasserstoffsuperoxyd
vorbehandelt und in Intervallen von 2 Minuten mit Jenner-Giemsa gefärbt
und sodann mikroskopisch untersucht. Es ließ sich feststellen, daß die
kurz dauernde Einwirkung des H,O, (Dauer 2—4 Minuten) fast keine
Veränderung in der Färbbarkeit und im morphologischem Bilde der
Lymphocyten bewirkte; auch eine längere Einwirkungsdauer (über
4 Minuten) änderte nicht grob Auffallendes an Färbbarkeit und Form
derselben, obzwar am Protoplasmasaum dieser Zellen kleine spitzen-
förmige Ausläufer zu beobachten waren. Demgegenüber zeigten die
Myeloblasten und Myelocyten und auch die G@umprechtschen Kern-
schatten schon nach 2—4 Minuten eine auffallende Formveränderung,
welche bei längerer Expositionsdauer noch ausgesprochener wurde.
Diese Formveränderung bestand darin, daß sich die Protoplasma
dieser Zellen in formlose Gebilde mit langgezogenen spitzenförmigen
Ausläufen und Fäden verwandelten, so daß ihre ursprüngliche Form
nicht mehr zu erkennen war. Die Färbbarkeit dieser Zellen litt da-
gegen unter Vorbehandlung mit H,O, fast gar nicht. Schon in diesen
Versuchen zeigten die Lymphocyten, im Gegensatz zu den Myelo-
blasten, Myelocyten, Kernschatten und Leukocyten, eine merkliche
Resistenz gegen Wasserstoffsuperoxyd. Zweifelsohne stehen die Form-
veränderungen letzterer Zellen mit ihrem großen Protoplasmareichtum,
die Resistenz der Lymphocyten dagegen mit der Protoplasmaarmut
und Reichtum an Chromatinsubstanz im Zusammenhang.
Die Leukocyten zeigten in diesen Versuchen eine Resistenz gegen
HO. verhielten sich also ähnlich wie die Lymphocyten. Zufolge dieser
Tatsache glauben wir, die Wasserstoffsuperoxydresistenz der weißen
Blutzellen — ungeachtet des myeloiden, bzw. Iymphoiden Ursprunges —
im allgemeinen mit ihrem Alter, bzw. Reife in Zusammenhang zu
bringen, welche auch die chemische Verschiedenheit dieser Zellen
bedingt. Schließlich wäre auch der O.cydasegehalt dieser Zellen in Er-
wägung zu ziehen, da die leicht zersetzlichen Blutzellen — Myelo-
blasten, Myelocyten — reichlich Oxydase enthalten, welche somit
gegen den Einfluß von aktivem Sauerstoff empfindlicher sind als die
286 L. Karezag und F. Sternberg:
oxydasearmen Lymphocyten und Polynucleären. Dafür, daß das
Oxydasegehalt ebenfalls eine Rolle spielt, dürfte das Verhalten der
oxydasefreien Blutkörperchen ins Feld geführt werden. Die Erythro-
cyten erwiesen sich gegen Wasserstoffsuperoxyd äußerst resistent.
Dieselben bleiben vollständig intakt, das Hämoglobin bleibt unan-
gegriffen. Die Färbung der Zellen ist eine fast vollkommene. Der
hohe Katalasegehalt der roten Blutkörperchen schützt sie gegen den
schädigenden Einfluß von H,O,, indem sie das Sauerstoffgas in inerter
Form zersetzt und dadurch Zellform und Hämoglobin schützt, welch
letzteres außerhalb der Zelle durch H,O, unter Entfärbung zerstört
wird. Zum Schluß möchten wir erwähnen, daß die kernhaltigen roten
Blutkörperchen, die sog. Normoblasten, ebenfalls bedeutende Resistenz
gegen H,O, besitzen. Schließlich dürften für eine Beteiligung der Oxy-
dasen an den Zerstörungsprozessen noch diejenigen Versuche angeführt
werden, in denen wir die Präparate einer höheren H,O,-Konzentration
(3—5%) durch längere Zeit (über 10 Minuten bis 1 Stunde) ausgesetzt
haben. In diesen Versuchen gingen sämtliche weißen Blutzellen, ent-
gegen den oxydasefreien Erythrocyten, einerlei, ob myeloiden oder
lymphoiden Ursprungs, zugrunde, bzw. sie erlitten einen vollständigen
Formverlust.
Versuchsgruppe I. Nachbehandlung mit Wasserstoffsuperoxyd.
Die panoptisch gefärbten Präparate wurden mit reinster neutraler
3proz. H,O, 5 Minuten lang nachbehandelt. Die Prüfung der mikro-
skopischen Präparate nach Ablauf der vorgesetzten Frist ergab, daß
die Färbung der einzelnen Zellen, bzw. Zellelemente durch Wasser-
stoffsuperoxyd nur unwesentlich gelitten hat. Durch die Zelloxydasen
wurden somit die Farbstoffe katalytisch nicht oxydiert, und ebenso
erwiesen sich die Eiweißsubstanzen der Zellen im gefärbten Zustande
resistent gegen Wasserstoffsuperoxyd. Wir glauben aus diesen nega-
tiven Befunden folgern zu dürfen, daß die Oxydasewirkung durch den
Färbeprozeß aufgehoben wurde, und daß somit eine solche nur im un-
gefärbten Zustande zur Wirkung kommt, wie dies aus den Vorbehand-
lungsversuchen hervorgeht.
Bevor wir die Ergebnisse unserer Versuche zusammenfassen, möchten
wir noch auf Beziehungen zwischen Säurevulnerabilität und Sauer-
stoffempfindlichkeit der Blutzellen, welche aus den Versuchen dieser
und vorstehender Mitteilung hervorgehen, kurz hinweisen.
Die Empfindlichkeitsreihe der weißen Blutkörperchen gegen Säure-
wirkung (Vorbehandlung) vom empfindlichsten zum resistentesten
lautet: Myeloblasten, Myelocyten, Gumprecht-Kernschatten, poly-
nucleäre Lymphocyten. Stark säureresistent sind ferner die Normo-
blastenkerne. Die Empfindlichkeitsreihe gegen aktiven Sauerstoff ist
Blutzellen. II. 287
die folgende: Myeloblasten, Myelocyten, Gumprechtsche Kernschatten,
Polynucleären, Lymphocyten und die Normoblastenkerne. Säure-
vulnerabilität und Sauerstoffempfindlichkeit sind somit nicht nur bei
den histogenetisch gleichen Zellen zu beobachten, sondern in auf-
fallender Weise bei denjenigen, welche in ihren Kernen Oxydase ent-
halten. Die Säure- und Sauerstoffresistenten sind dagegen diejenigen
Zellen, welche nur wenig, bzw. keine Oxydasen in ihrem Leibe enthalten.
Oxydasegehalt, Sauerstoffempfindlichkeit und Säurevulnerabilität der
Blutzellen scheinen daher in gewissen Beziehungen miteinander zu-
sammenhängende Eigenschaften der Blutzellen zu sein.
Zusammenfassung.
Reines, neutrales, verdünntes Wasserstoffsuperoxyd bewirkt nach
längerer Einwirkungsdauer auf das fixierte aber ungefärbte Präparat
ein Zerfallen der Myeloblasten, Myelocyten und polynucleären Zellen
sowie der Lymphocyten, wogegen Normoblastenkerne und Erythro-
cyten eine große Resistenz gegen dieses Agens aufweisen. Die Färb-
barkeit bleibt trotz des Formverlustes weiterhin erhalten. Die schäd-
liche Wirkung des Wasserstoffsuperoxyds, welche die Destruktion
der Zellform verursacht, beruht nach aller Wahrscheinlichkeit auf
einer tiefergreifenden chemischen Veränderung des Protoplasma und
Kerneiweißes durch atomistischen Sauerstoff, welcher durch die Per-
oxydasen, bzw. Oxydasen der genannten Zellen aktiviert bzw. über-
tragen wird.
Alter und Reife der Zellen spielen dabei eine entscheidende Rolle,
denn die kurzdauernde Behandlung mit verdünntem neutralen H,O,
zerstört die weißen Blutzellen vom empfindlichen zum resistenten in
folgender Reihe: Myelocyt, Myeloblast, Gumprechtsche Kernschatten,
Polynucleären, Lymphocyten.
Das Hämoglobin der roten Blutkörperchen bleibt bei der Vor-
behandlung mit H,O, innerhalb der Zellen unangegriffen, wogegen
dieses nach erfolgter Hämolyse mit Leichtigkeit unter Entfärbung
zerstört wird. Die Nachbehandlung der panoptisch gefärbten Blut-
präparate mit H,O, führt nur nach einer längeren Einwirkungsdauer
zu einer nennenswerten Veränderung der Farbnuancen und der Zell-
formen, als ein Zeichen dafür, daß die Oxydasen durch den Färbungs-
akt schwer gelitten haben dürften.
Oxydasegehalt, Sauerstoffempfindlichkeit und Säurevulnerabilität
der Blutzellen scheinen miteinander zusammenhängende Eigenschaften
zu sein.
Studien an Blutzellen.
III. Mitteilung.
Über die Anwendung der Katalytischen Oxydationsmethode auf
mikroskopischem Gebiete.
Von
L. Karczag, F. Sternberg und J. Halmi.
(Aus der III. Med. Klinik der Universität in Budapest.)
(Eingegangen am 1. Juni 1922.)
Der eine von uns!) hatte bereits die Differenzierung der Tuberkulose-
bacillen im gefärbten mikroskopischen Präparate (im Sputum) mittels
der katalytischen Oxydationsmethode vorgenommen und finden
können, daß die mit Carbolfuchsin gefärbten Tuberkelbacillen gegen
aktiven Sauerstoff beständig sind, wogegen andere nicht säurefeste
Bakterien und Sputumbestandteile ihre Färbung mit Leichtigkeit
verlieren. Diese Sauerstoffestigkeit der Tuberkulosebacillen ermög-
lichte somit die Anwendung der katalytischen Entfärbung der Farb-
stoffe durch aktiven Sauerstoff als Differenzierungsmittel.
Die Ausführung der Methode geschieht wie folgt: Man bereitet sich Lösungen
von 20 proz. Eisenchlorid und 5proz. reinem Wasserstoffsuperoxyd und bewahrt
sie in Tropfflaschen auf. Man verfertigt die Striche und färbt mit Carbolfuchsin in
üblicher Weise. Nach dem Abspülen des Carbolfuchsins mit Wasser tropft man
auf das mit Wasser bedeckte Präparat 2—3 Tropfen der verdünnten Wasserstoff-
superoxydlösung und einen Tropfen Eisenchloridlösung. Durch 2—3 maliges
Hin- und Herneigen bewirkt man die Mischung der zugesetzten Substanzen, und
zieht nun dasselbe ein paarmal durch die Flamme. Unter heftiger Sauerstoff-
entwicklung erfolgt nun die Entfärbung bzw. Differenzierung des Präparat: s.
Die feuerrote Farbe der Tuberkelbacillen kommt durch die Kontrastfärbung mit
Methylenblau noch schöner zum Vorschein.
Eine zu stürmische, explosionsmäßige Entwicklung von Sauerstoff, sei cs
durch Anwendung konzentrierter Lösungen von Wasserstoffsuperoxvd oder
Kupfersalzen als Katalvsatoren usw. ist zu vermeiden, da sonst die Striche von
ihrer Unterlage wie cin Pflaster vom Fußboden explosionsartig aufgerissen und
zerstört werden.
Die bei der Differenzierung abspielenden chemischen Vorgänge
bedurften in verschiedener Hinsicht ein eingehendes Studium, welches
DL Karezag. Wien. klin. Wochenschr. 1921, Nr. 36.
L. Karczag, F. Sternberg und J. Halmi: Blutzellen. III. 289
von uns (Karczag und Sternberg) bereits an mikroskopischen Blut-
präparaten ausgeführt worden sind.
Einen Teil des Entfärbungsvorganges möchten wir, auf Grund
unserer Untersuchungen auf die saure Reaktion der benutzten Rea-
genzien trotzdem sie nur in verdünnten Lösungen verwendet wurden,
zurückführen. Die saure Reaktion des Wasserstoffsuperoxyds und
diejenige des Eisenchlorids, welche durch hydrolytische Spaltung
stets freie Salzsäure enthält, bewirken nämlich ebenfalls Entfärbungs-
prozesse, welche jedoch prinzipiell von denjenigen, welche unter dem
Einfluß von Oxydatoren durch aktiven Sauerstoff bewirkt werden,
unterschieden werden müssen. Der chemische Grundprozeß dieses
Entfärbungsvorganges beruht auf einer unregenerierbaren Zerstörung
der Farbstoffmoleküle, infolge Überoxydation mit atomistischem Sauer-
stoff, wogegen beim ersteren sich es um einen Extraktionsprozeß handelt.
Wir haben nun in weiteren Versuchen unter Ausschaltung der saueren,
Reaktion der zur katalytischen Oxydation verwendeten Reagenzien
an dem empfindlichsten mikroskopischen Objekte, dem Blutpräparate,
die prinzipielle Fragestellung einer Untersuchung unterworfen, ob sich
die katalytische Oxydation auch am gefärbten Blutpräparate ver-
wirklichen läßt.
Wir haben also zunächst myelotisch-leukämische und lymphoid-
leukämische Blutanstriche mit Mangansulfat als Katalysator vorbehan-
delt und nachbehandelt und dann in einer anderen Serie eine Mischung
von Mangansulfat und Wasserstoffsuperoxyd mit unseren Blutaus-
'strichen in Berührung gebracht. Eisenchloridlösung konnte wegen
ihrer stark sauren Reaktion nicht als Katalysator verwendet werden.
Ferrosalze gaben mit H,O, Niederschläge und verderbten dadurch die
mikroskopischen Bilder. Kupfer als Wärmekatalysator erwies sich
zu diesen Versuchen ebenfalls ungeeignet.
Die Mangansulfatbehandlung der Blutanstriche ergab kurz folgende
Resultate.
Vorbehandlung: Weder die roten, noch die weißen Blutzellen erlitten
durch 5proz. ehemisch reinste Mangansulfatlösung (Expositionsdauer
5 Minuten) eine nennenswerte Veränderung, sowohl bezüglich der Form,
wie der Färbbarkeit. Wie beobachteten öfters, daß sich die roten
Blutkörperchen minimal dekolorierten und daß die Kerne der weißen
mit einem Ton ins dunkelschwarze unter dem Mikroskop erschienen.
Es handelt sich dabei offenbar um eine Ausscheidung bzw. Ablagerung
von Manganhydroxyd in feinst verteilter Form, oder um eine Farb-
stoffmanganverbindung. Ein gleiches Verhalten, wie die Kerne der
weißen Blutzellen, zeigten noch die Normoblastenkerne.
Nachbehandlung der Blutausstriche mit 5proz. Mangansulfat (Ex-
positionsdauer 5 Minuten) führte ebenso, wie die Vorbehandlung, zu
Biochemische Zeitschrift Band 132. 19
29) L. Karezag, F. Sternberg und J. Halmi:
keiner erwähnenswerten Form und Farbenveränderung. Es soll noch
kurz erwähnt werden, daß nur chemisch reinste Mangansalze in der
vorgeschriebenen Konzentration verwendet werden können, da sonst
auf Säurewirkung erinnernde mikroskopische Bilder entstehen.
Wir gingen nun auf die Behandlung der Blutpräparate mit Wasser-
stoffsuperoxyd und Mangansulfat über, um die vorgelegte Fragestel-
lung zu prüfen, ob sich die katalytische Oxydation der Farbstoffe —
ähnlich wie in vitro — auf mikroskopischem gefärbten Blutpräparate
nachweisen läßt. Chemisch reines neutrales Wasserstoffsuperoxyd und
Mangansulfat allein bewirkten — wie oben beschrieben — keine Ver-
änderungen des Färbungsvermögens, es mußte daher atomisticher
Sauerstoff auf gefärbten Blutausstrichen durch Mangansulfat als Kata-
lysator aktiviert werden. Es zeigte sich, daß eine katalytische Oxydation
der Farbstoffe auf den Objektträger ebenso wie in vitro stattfindet, daß
aber zur Erzielung dieses Effektes eine bestimmte Reihenfolge in der
Anwendung der benutzten Reagenzien einzuhalten ist.
Wir haben über Reihenfolgephänomene an anderer Stelle berichtet.!)
Wir möchten dabei die von uns unter dem Mikroskop beobachteten
Reihenfolgen im folgenden mitteilen.
Behandeln wir gefärbte Blutausstriche zuerst mit Mangansulfat
und nachher mit Wasserstoffsuperoxyd, so werden die Farbstoffe durch
aktiven Sauerstoff katalytisch zerstört bzw. entfärbt. Behandeln wir
aber die Präparate vorher mit Wasserstoffsuperoxyd und fügen nach-
her Mangansulfatlösung als Oxydator hinzu, so bleiben die Farbstoffe
auf dem Öbjektträger unangegriffen. Eine Mischung von H,O, und
MnSO, in vitro und die Behandlung des Ausstriches mit obigem Ge-
mische führt ebenfalls zu keiner Entfärbung. Es scheint daher —
wie dies die Versuche mit reiner Mangansulfatlösung ergaben —, daß
die vorherige Bindung des Mangans durch die Zelle eine conditio sine
qua non darstellt.
Über die Einzelheiten der katalytischen Behandlung der Blut-
präparate möchten wir noch kurz folgendes erwähnen.
Vorbehandlung. Wurde nun das Präparat mit einer Mischung
von Wasserstoffsuperoxyd und Mangansulfat 5 Minuten lang vor-
behandelt, so haben nicht nur die weißen Blutzellen, sondern selbst die
roten Blutkörperchen ihre Färbbarkeit und Form behalten, als ein
Zeichen dafür, daß der Angriff der Protoplasma und Zelleiweißes
durch die katalytische Oxydation nicht bewirkt wurde und daß das
Wasserstoffsuperoxyd die leichte Säurewirkung der Mangansulfat-
lösung aufgehoben hatte.
1) L. Karczag, diese Zeitschr. 122, 43. — L. Karczag und K. Hajos, diese Zeit-
schr. 122, 52.
Blutzellen. III. 291
Die Nachbehandlung der gefärbten Blutpräparate mit Wasserstoff-
superoxyd und Mangansulfatmischung ergab eine vollständige De-
koloration sämtlicher weißen Elemente, nur die roten Blutkörperchen
und eosinophilen Granulationen behielten ihre Färbung.
Aus diesem Befunde geht daher eindeutig hervor, daß der aktive
Sauerstoff auch bei der Nachbehandlung nicht die Eiweißsubstanz,
sondern den Farbstoff angreift, und daß sich somit die katalytische Oxy-
dation der Farbstoffe nicht nur in vitro, sondern auch am gefärbten mikro-
skopischen Präparate (Tuberkelbacillen, Blut) verwirklichen läßt.
Es sei noch kurz auf die Wirkung des Wasserstoffsuperoxyds der
vor- und nachbehandelten Präparate hingewiesen. Am vorbehandelten
gingen die myeloischen Elemente zugrunde, die Lymphocyten, poly-
nuclearen Leukocyten und Erythrocyten blieben widerstandsfähig.
Am nachbehandelten Präparate war eine Dekoloration der Zellkerne
zu beobachten, wogegen das Protoplasma sämtlicher blaugefärbten
Elemente auch weiterhin ihren Farbenton behielt.
Das auffallendste Ergebnis ist die Sauerstoffresistenz der acido-
philen Elemente. Da auf Grund unserer Reagensglasversuche das
Eosin einen sauerstoffresistenteren Farbkörper repräsentiert, war nahe-
liegend daran zu denken, daß die Sauerstoffresistenz der acidophilen
Elemente durch die spezielle chemische Resistenz des Eosins bedingt
ist. Wir haben daher unsere Versuche auf monochromatisch gefärbten
Zellen ausgedehnt und die Präparate mit Fuchsin gefärbt und nach-
her katalytische oxydiert. Dieser Farbstoff ist in vitro durch aktiven
Sauerstoff viel leichter zerstörbar, wie das Eosin. Auch bei dieser Be-
handlungsweise zeigten die oxyphilen Elemente ihre Resistenz gegen
aktiven Sauerstoff, was darauf hinweisen würde, daß diese Resistenz
nicht durch die Farbstoffe selbst, sondern vielmehr durch die chemische
Verbindung zwischen Farbstoff und der Grundsubstanzen der acidophilen
Elemente (Lipoide, Hämoglobin) bedingt sein dürfte.
Somit spielt bei der Differenzierung des mikroskopischen Blut-
präparates durch katalytische Oxydatoren nicht nur — wie in vitro —
die chemische Konstitution des Farbstoffes eine Rolle, sondern die
physikalischen und chemischen Vorgänge des Färbungsprozesses,
welches die Art und Weise seiner Bindung bestimmen. Vieles scheint
dafür zu sprechen, daß die Verbindung zwischen acidophilen Sub-
stanzen und Farbkörper eine sehr feste (chemische) ist. Diejenigen
Zellen und Zellsubstanzen, welche durch ihren starken Lipoidgehalt
ausgezeichnet sind: Tuberkelbacillen, Erythrocyten, Granulationen der
weißen Blutzellen, sind acidophil und zugleich resistent gegen aktiven
Sauerstoff. Die großporigen, weitmaschigen Kerngerüste der weißen
Blutzellen durften dagegen die Farbstoffe in einer lockeren Form
gebunden halten und geben daher ihre Farbstoffe mit Leichtigkeit ab.
19%
292 L. Karezag, F. Sternberg und J. Halmi: Blutzellen. III.
Zusammenfassung.
Die katalytische Oxydation der fixierten, ungefärbten Blutpräparate
mit Wasserstoffsuperoxyd und Manganoxydator ergab, daß das Proto-
plasma und Kerneiweiß durch diese Behandlung unbeeinflußt blieb.
Die katalytische Oxydation der gefärbten Farbstoffe zeigte ebenfalls
an, daß der aktive Sauerstoff nicht die Eiweißsubstanz, sondern den
Farbstoff angreift. Die acidophilen Elemente sind äußerst resistent
gegen aktiven Sauerstoff, die basophilen dagegen sauerstoffempfindlich.
Dieses Verhalten der Blutzellen, bzw. Zellbestandteile scheint durch
die Art und Weise der Bindung, zwischen Zellkörper und Farbstoff
bedingt zu sein. Die Bindung zwischen Farbstoff und acidophiler
Grundsubstanz ist äußerst fest und dementsprechend sind diese Elemente
auch sehr resistent gegen aktiven Sauerstoff. Die katalytische Oxy-
dation der Farbstoffe ist somit nicht nur in vitro, sondern auch am
gefärbten mikroskopischen Präparat (Tuberkelbacillen, acidophile
Elemente) ausführbar und dieser Umstand ermöglicht sie als eine
prinzipiell neue Differenzierungsmethode zu gebrauchen.
Über einen neuen Extraktivstoff aus der Thyreoidea.
Von
Ubaldo Sammartino (Rom).
(Aus dem Laboratorium der Ludwig Spiegler-Stiftung in Wien.)
(Eingegangen am 1. Juni 1922.)
Bei unseren zahlreichen Versuchen, die Extraktivstoffe der Thyreo-
idea besser kennenzulernen, haben wir eine neue Substanz gefunden,
welche wir leider nicht in allen ihren Eigenschaften bestimmen konnten,
da die bis jetzt gewonnene Menge nur für die weiter unten angeführte
Analyse ausreichte. Wir werden uns bemühen, aus einem größeren
Quantum frischer Schilddrüse diese Substanz in größeren Mengen zu
gewinnen, um ihre Eigenschaften genau feststellen zu können.
Wir kochten 400 g frische, in der Fleischmaschine zerkleinerte
und vorher mechanisch vom Fett befreite Schilddrüse vom Pferde
zweimal mit Wasser aus, das mit verdünnter Essigsäure angesäuert
war. Nach jedem Auskochen wurde das Schilddrüsengewebe stark
ausgepreßt. Diese Flüssigkeit gibt weder mit essigsaurem, noch mit
basisch essigsaurem Blei eine Fällung. Man konzentriert die Flüssigkeit
im Vakuum und das Konzentrat gibt dann Fällung mit beiden Blei-
salzen. Man filtriert von der Bleifällung, verdünnt das Filtrat, damit
die Schwefelbleifällung nicht kolloidal ausfällt, entfernt den Bleiüber-
schuß mit Schwefelwasserstoff, filtriert vom Schwefelblei, verjagt aus
dem Filtrat den überschüssigen Schwefelwasserstoff mit Kohlensäure
und konzentriert das Filtrat im Vakuum auf 20 ccm.
Im Kolben verbleibt eine gelatinierende Substanz. Eine Probe
dieser Substanz gibt keine Tryptophanreaktion mehr.
Da es sich um Leimsubstanz handelt, die keine anderen Eiweiß-
körper enthält, so versagt die Tryptophanreaktion. Man löst die gela-
tinierende Masse mit wenig siedendem Wasser auf, filtriert und setzt
solange Alkohol zu der wässerigen Lösung, bis kein Niederschlag mehr
entsteht.
Die alkoholische Lösung wird abfiltriert und das alkoholische
Filtrat mit alkoholischer Pikrinsäure gefällt.
Die Krystalle werden aus siedendem Wasser umkrystallisiert. Die
Substanz zeigte keinen Schmelzpunkt; mit Schwefelsäure in Platin-
tiegel abgeraucht:
294 U. Sammartino: Neuer Extraktivstoff aus der 'Thyreoidea.
0,1460 g geben 0,0476 g Asche (Kaliunsulfat), d. i. 32,6095.
Berechnet für Kaliumpikrat e d HU,
Damit ist erwiesen, daß es sich um Kaliumpikrat handelt. Kon-
zentriert man die Mutterlauge, so erhält man eine sehr kleine Menge
von roten Krystallen; auch diese geben keinen Schmelzpunkt beim
Erhitzen bis 300°.
Bei weiterer Konzentration erhält man wieder Pikratkrystalle in
sehr kleiner Menge, welche aus wenig siedendem Wasser umkrystalli-
siert, auf den Block Maquenne den Schmelzpunkt 255—295° gibt,
ein Schmelzpunkt, welcher keinem der Pikrate der vier Basen: Phenyl-
äthylamin, Tyramin, Histamin, Indolyläthylamin entspricht.
Wir haben die Mutterlauge mehrfach mit Äther durchgeschüttelt,
um die Pikrinsäure zu entfernen. Die geringe Menge Mutterlauge wurde
nun mit absolutem Alkohol versetzt, wobei sich eine krystallisierte
Substanz abscheidet. Diese krystallisierte Substanz wurde mit sehr
wenig siedendem Wasser gelöst. mit absolutem Alkohol neuerlich ab-
geschieden und im Vakuum getrocknet.
Die Analysen der vakuumtrockenen Substanz gaben folgende Werte:
2,460 mg gaben V 0,10 cem bei 23° Temp. B 746mm Hg 4,69%, N
6,690 mu 3.145 mg H,O und 6,993 mg CO,
das ist 5.260, H 5 28,520, C.
Aschebestimmung: 15.38 mg gaben im Platinschiffchen bei starken Glühen
3,355 mg Asche, das ist 21,8199.
Die Asche wird qualitativ untersucht und besteht aus Calcium,
welche mit minimalen Spuren von Eisen verunreinigt war. Der Schmelz-
punkt dieser Substanz ist 225—228°. Die Substanz enthält keinerlei
Halogen. "auch nicht Jod; sie enthält weder Schwefel noch Phosphor.
Gefunden Berechnet für Ca H aah at 3sths
KE. gg ee DR, E men 28,009,
HH 2:0. 0 8,205, H 222.5 an, 819,
N ën éi hr we ON N ee ET
Ca. e web BES; Ca... . . 20,50,
Die Verbindung ist also das Calciumsalz einer stickstoffhaltigen
sehr sauerstoffreichen Verbindung. welche der Bruttoformel also
A AT (` ; š en
(al NN Ad entspricht.
Schilddrüse und Flüssigkeitsaustausch.
Beobachtungen hierzu bei intravenösen Kochsalzfusionen und Wasser-
gaben per os bei Kaninchen vor und nach Entfernung der Schilddrüse.
Von
Hans Schaal.
(Aus dem Laboratorium der medizinischen Universitätsklinik Freiburg i. B.)
(Eingegangen am 2. Juni 1922.)
Mit 12 Abbildungen im Text.
Durch die Versuche H. Eppingers?), der an Hunden nach Schilddrüsenentfer-
nung Veränderungen im Ablauf der Diurese nach Wassergaben per os bzw. Koch-
salzgaben subcutan gefunden hatte, wurde bekannt, daß enge Beziehungen zwischen
der Schilddrüsentätigkeit und dem Flüssigkeitsaustausch im gesamten Organismus
bestehen. Diese Tatsache schien im Sinne der Asherschen?) Vorstellungen weit-
gehend erklärbar zu sein, derzufolge der verminderte Stoffwechsel nach Ausfall
der Schilddrüsentätigkeit die Bedingungen zur Trägheit des Flüssigkeitsaustausches
schuf. Aber darüber hinausgehend hebt Eppinger einen weiteren, früher nur von
wenigen Autoren [Cohnstein, Roth®)] als erheblich in Rechnung gestellten Faktor
hervor, nämlich den Eiweißgehalt der intercellulären Gewebsflüssigkeit bzw. des
Blutes. Während Eppinger jenen normalerweise als sehr gering angenommen
wissen will, spricht er davon, daß pathologischerweise durch eine „Albuminurie
ins Gewebe“ der Eiweißgehalt der Gewebsflüssigkeit hoch und durch die Fähigkeit
zu quellen und so Wasser zu binden, mit verantwortlich wird für die Ausbildung
cincs Ödems. Die Bedeutung des Eiweißgehaltes für den Flüssigkeitsaustausch
zwischen Blut und Gewebe und für die Harnabsonderung wird nun neuerdings
durch die Arbeiten A. Ellingers’) und seiner Mitarbeiter’) noch besonders unter-
strichen. |
Jetzige Fragestellung.
Nachdem nämlich Zllinger dartun konnte, daß alle von ihm untersuchten
Diuretica, einschließlich der diuretisch wirkenden Extrakte von innersekretorischen
Drüsen, besonders der Schilddrüse, in gleichem Sinne den Quellungsdruck der
Eiweißsole beeinflussen, nämlich herabsetzen, eröffnet sich die Frage, wieweit
die von H. Eppinger?) beobachtete Wirkung der Schilddrüse auf die Diurese durch
vermehrten Gewebsstoffwechsel zu erklären ist und wieweit die eiweißentquellende
Wirkung der Schilddrüsensubstanz dafür verantwortlich zu machen ist.
Bei diesem Stand unserer Vorstellungen erschien es nun von Inter-
esse, ob die von Ellinger?) am biologischen Modell gefundene entquel-
lende Wirkung von Schilddrüsenpräparaten auf Eiweißsole so stark
296 H. Schaal:
ist, daß sie auch am lebenden Tier beim intravenösen Infusionsversuch
in Erscheinung tritt, oder ob unter physiologischen Bedingungen
andere Faktoren überwiegen. Zu Klärung dieser Frage war auch fest-
zustellen, ob und in welcher Weise der Ablauf von kleinen intravenösen
Kochsalzinfusionen durch Schilddrüsenexstirpation verändert wird,
nachdem wir seit Eppinger?) wissen, welchen Einfluß die Schilddrüse
bei Wasserzufuhr per os ausübt; denn bei einem Überwiegen des Ein-
flusses auf den Quellungsdruck der Eiweißsole des Blutes mußten
intravenöse Infusionen dieselbe Tendenz erkennen lassen, wie sie bei
subcutaner oder Zuführung per os beobachtet worden war. Daß diese
Versuche erlauben würden, aus ihrem Ausfall bindende Schlüsse be-
treffend der oben aufgeworfenen Fragen zu ziehen, war zwar nicht
zu erwarten, sie konnten dagegen ausschnittsweise Klärung bringen.
Genauer umgrenzt lag also die Aufgabe vor festzustellen:
1. Welche Schwankungen der Wasser- und Kochsalzgehalt im Blute
erleidet bei Infusion von verschieden starken Kochsalzlösungen, und
wie dabei die Diurese verläuft.
2. Nach Exstirpation der Thyreoidea dieselben Versuche zu wieder-
holen, um zu sehen, ob eine Änderung im Ablauf der hervorgerufenen
Reaktionen sich feststellen läßt und
3. dieselben Versuche anzustellen, jedoch bei Wassergabe per os
an Stelle der Kochsalzinfusionen. Über derartige Versuche, die ich
auf Anregung von Stuber ausgeführt habe, kann ich nunmehr berichten.
Wahl und Begründung der Versuchsanordnung.
Da es bei diesen Versuchen darauf ankam, gegeneinander vergleich-
bare Werte zu bekommen, so mußte eine Versuchsanordnung gewählt
werden, die
l. die konstitutionell-individuelle Eigenart der Versuchstiere mög-
lichst ausschaltet,
2. durch die Art der Infusion und Blut- und Harnentnahme Reize
vermcidet, welche die physiologische Reaktion ablenken und unserer
Kontrolle entziehen können, und
3. durch geeignete Ernährung die Tiere möglichst vor veränderten
Bedingungen bewahrt.
Die erste Forderung konnte erfüllt werden durch Verwendung
desselben Versuchstieres zu den verschiedenen Infusionen einer Reihe,
jeweils vor und nach der Schilddrüsenentfernung.
Was die zweite Forderung betrifft, so hatten seit Dastre und Loye!)
zahlreiche Beobachter z. B. Frey?) und Ginsberg!®) festgestellt, daß
durch Narkose irgendwelcher Art die Diurese beeinflußt werden kann;
es mußte daher eine Versuchsanordnung gewählt werden, die ohne
Narkose verwendbar war, von operativen Eingriffen also möglichst.
Schilddrüse und Flüssigkeitsaustausch. 297
absah. Es wurden daher Kaninchen als Versuchstiere gewählt mit
gut ausgebildeten Ohrvenen, welche die wiederholte Einführung der
Infusionskanüle unmittelbar durch Einstechen bei schonender und
sachgemäßer Ausführung der Infusionen gestatteten.
Infudiert wurden hyp-iso- und hypertonische Kochsalzlösungen von
etwa 0,5, 0,9 und At, deren genaue Stärke jeweils nach der Bang-
schen Mikromethode!!) bestimmt wurde. Diese Bestimmungsmethode
wurde gewählt, um einwandfreie Vergleichswerte zu den nach der-
selben Methode ermittelten Kochsalzweıten im Blute zu erhalten. Bei
Verwendung der ‚„physiologischen‘‘ Kochsalzlösung war ich mir der
„pathogenen‘‘ Eigenschaften dieser Lösung wohl bewußt, doch ver-
zichtete ich zunächst im Interesse der Einfachheit auf die Verwendung
von geeigneteren Lösungen wie z. B. Normosal, die je nach Ausfall
der Versuche nachgeschickt werden sollte.
Die Infusionslösung floß aus einer graduierten Bürette, welche die
genaue Regulierung der Ausflußgeschwindigkeit gestattete in Spiralen
durch einen geeigneten elektrischen Heizkasten, dessen Temperatur
so eingestellt war, daß ein unmittelbar vor der Infusionskanüle ein-
geschaltetes und von der Infusionsflüssigkeit umspültes Thermometer-
chen Körpertemperatur anzeigte.
Zur Wahl der verwendeten Flüssigkeitsmenge und Einflußgeschwin-
digkeit führte folgende Überlegung: Bei anderen Infusionsversuchen,
z. B. den von Magnus!?) zu anderen Zwecken ausgeführten, hatte
sich gezeigt, daß große Infusionsmengen und rasche Einlaufsgesch windig-
keiten mit großer Diurese beantwortet werden; so folgte z. B. bei
einem der Magnusschen Infusionsversuche mit physiologischer Koch-
salzlösung einer Infusion von 8,5 ccm pro Minute und Kilo Körper-
gewicht, die 60 Minuten lang fortgesetzt wurde, beim Kaninchen eine
Diurese von 725 ccm in einer Stunde, d. h. die Diurese betrug etwa
die Hälfte des Körpergewichts! Andere Beobachter [Frey®) und
Hashimoto!2)] erhielten bei zu starker Wasserzufuhr Stillstand der
Diurese. Es scheint demnach, als ob bei einer Überschwemmung der
Organismus sich einerseits gewissermaßen durch Ziehen seiner Not-
schleusen in den Nieren der drohenden Gefahr entziehen könne, oder
ande:erseits so schwere Störungen gesetzt werden können, daß gleich-
sam alle Pumpen versagen; jedenfalls ist in diesen Fällen nicht mehr
zu übersehen, wie sehr das uns in erster Linie interessierende physio-
logische Spiel der Flüssigkeitsregulierung verschoben wird. Dieser
Zustand mußte also vermieden und die Infusionsmenge und Gesch windig-
keit so klein gewählt werden, daß die gesetzten Reize innerhalb physio-
logischer Grenzen blieben. Es stellten sich hier Gesamtmengen von
12—15 ccm pro Kilo Körpergewicht und Einlaufsgeschwindigkeiten
von 0,3—0,5 ccm pro Minute und Kilo Gewicht als zweckmäßig heraus;
298 H. Schaal:
sie wurden bei sämtlichen Versuchen an „feucht“ ernährten Tieren
eingehalten.
Zur Beobachtung der Veränderungen in der Zusammensetzung des
Blutes mußten in möglichst kurzen Abständen Blutproben entnommen
werden. Da aber bekannt ist, daß schon relativ kleine Blutentziehungen
zu Veränderungen in der Blutzusammensetzung führen, so mußte die
Anzahl der Blutentnahmen auf das Notwendigste beschränkt werden
und durfte die Menge des entnommenen Blutes jeweils nur wenige
Tropfen betragen. Aus diesem Grunde wurde auf refraktometrische
Bestimmung des Eiweißgehaltes sowie auf Kochsalzbestimmungen im
Serum von vornherein verzichtet. Gemessen wurde der Kochsalzgehalt
im Gesamtblut nach der Mikromethode nach Ivar Bang!!), sowie der
Trockengehalt des Blutes.
Nachdem schon Magnus!?) gezeigt hatte und die Tatsache bis in
neueste Zeit bestätigt wurde [Samson!!), Nonnenbruch!5) I, Baur und
‚Aschner??)], daß der Eiweißgehalt des Blutes bei bestimmten Eingriffen
wie Aderlässen und Infusionen dem Wassergehalt nicht parallel geht
und daher als Maßstab hierfür abgelehnt werden muß, schienen nur
noch zwei Methoden für die Wassergehaltsbestimmungen in Frage zu
kommen, erstens die Ermittlung des Hämoglobingehaltes, der bisher
allgemein als Vergleichswert für den Wassergehalt anerkannt ist
IP M. Mattill, K. Mayer und L. W. Sauer!‘)], und zweitens die
Trockengehaltsbestimmung nach var Bang). Die letzte Methode
schien als direkte Bestimmung die einwandfreiere zu sein und wurde
daher für die Versuche in erster Linie gewählt. Es wurden aber gleich-
zeitig vergleichende Hämoglobinbestimmungen nach Auftenrieth- Königs-
berger ausgeführt, um die Beziehungen zwischen Hämoglobin- und
Wassergehalt zu kontrollieren. Es sei schon hier erwähnt, daß die
Verwertung des Hämoglobingehaltes einerseits und des Trockengehaltes
andererseits für die Wassergehaltskurve so auffallende Widersprüche
ergab, daß die Beziehungen zwischen Hämoglobin- und Trockengehalt.
zum Gegenstand einer weiteren, noch nicht abgeschlossenen Arbeit
gemacht wurden, über die ich später berichten werde. Vorausgeschickt
sei nur, daß auch das Hämoglobin, ähnlich wie der Eiweißgehalt, nur
unter gewissen Bedingungen, d. h. wenn kein schwerer Eingriff vor-
genommen wird, ein Gradmesser des Blutwassergehaltes zu sein scheint.
In der vorliegenden Arbeit wurden nur die Trockengehaltswerte wieder-
gegeben.
Die Blutentnahme erfolgte aus den kleinen Venen des zur Infusion
nicht benutzten Ohres nach gründlicher Reinigung (Rasieren, Waschen
mit Alkohol und Äther) der Umgebung durch kleinen Einschnitt. Nur
spontan ausfließendes Blut wurde verwendet. Für Kochsalz- und
Trockengehalt wurden bei jeder Entnahme je drei Papierblättchen
Schilddrüse und Flüssirkeitsaustausch. 299
mit Blut getränkt, so daß das Ergebnis das Mittel aus drei Einzel-
bestimmungen darstellt. Im allgemeinen wurde mit der Methode gute
Übereinstimmung erzielt. Ausnahmsweise herausfallende Werte blieben
unberücksichtigt.
Schwierig gestaltete sich die Kontrolle der Diurese, da bei den
hier zu Verwendung kommenden Kaninchen dem Anlegen einer Blasen-
fistel nach Wiechowski-Schwarz!8) unüberwindbare Schwierigkeiten ent-
gegenzustehen schienen. Es wurde daher zur Dauerkatheterisierung
gegriffen, die auch nach einiger Erfahrung so einwandfrei gelang, daß
weder die Tücke des Versuchstieres, noch der durch den Eingriff gesetzte
Reiz das Bild des Ablaufs der Diurese wesentlich beeinflussen konnte.
Wenn bei einem Versuch einmal die Methode nicht einwandfrei arbeitete,
so blieb der ganze Versuch unberücksichtigt.
Was die dritte Forderung bei der Wahl der Versuchsanordnung
betrifft; daß durch geeignete Ernährung die Tiere möglichst vor ver-
änderten Bedingungen bewahrt werden sollten, so wäre eine Trocken-
fütterung der Tiere während einiger Tage vor dem Versuch ohne Zweifel
am geeignetsten gewesen, um konstante Verhältnisse zu schaffen,
und unter diesen Bedingungen sind auch fast alle früher gemachten
ähnlichen Versuche durchgeführt worden, so z. B. vor über 20 Jahren
die von Magnus!2) und in neuester Zeit noch die von Nonnenbruch!>).
Es war nun von vornherein anzunehmen, daß durch die einseitige
Trockenfütterung eine relative Wasserverarmung des Organismus
erzeugt wird, die vielleicht den Reaktionsablauf von Infusionen anders
erfolgen läßt, als er in einem ausreichend mit Wasser versorgten Organis-
mus sich zeigt [Cow!?)]. Zur Klärung der Sachlage wurden Vorversuche
angestellt, welche diese Vermutung nicht nur bestätigten, sondern
zeigten, daß sogar in sehr hohem Grade der Regulationsmechanismus
von dem Wassergehalt abhängt (s. Abb. 1 u. 2). Infolgedessen mußte
von einer vorbereitenden Trockenfütterung abgesehen und den Tieren
die optimale Wassermenge zur Verfügung gestellt werden, bei sonst
möglichst indifferenter Kost, d. h. die Tiere bekamen Heu und Brot
in bestimmter Menge, sowie Wasser, soviel sie zu sich nahmen. Während
der versuchsfreien Zeit wurden die Harnmengen im Stoffwechselkäfig
aufgefangen und während langer Zeit verfolgt.
Die Versuche wurden jeweils morgens begonnen, ohne daß die
Tiere vorher Futter und Wasser gereicht bekommen hatten.
Einfacher gestalteten sich die Versuche mit Wassergaben per os
gegenüber den Infusionsversuchen. Hier wurden mit der Schlund-
sonde jeweils 100 cem Leitungswasser von geeigneter Temperatur
gegeben. Die Blutentnahmen und die Beobachtungen der Diurese
blieben dieselben wie bei den Infusionsversuchen.
300 H. Schaal:
Zusammenfassung der Methodik.
Einem Kaninchen, dem die optimale Wassermenge zur Verfügung
gestellt worden war, werden in nüchternem Zustand in die Ohrvenen
körperwarme Kochsalzlösungen von bestimmter Konzentration lang-
sam infundiert, bzw. es wird ihm Brunnenwasser per os zugeführt
und in kurzen Zeitabständen werden sehr kleine Blutmengen ent-
nommen zur Untersuchung auf Kochsalz- und Trockengehalt nach
der Bangschen Methode und auf Hämoglobingehalt nach Autenrieth.
Die Diurese wird durch Dauerkatheterisierung genau verfolgt, und die
jeweils in 10 Minuten geförderte Harnmenge aufgefangen.
Versuchsberichte.
Die Versuche wurden an 8 Tieren ausgeführt, von denen jedoch einige wegen
ungeeigneter Ohrvenen oder anderer Gründe vor voller Durchführung der Versuche
wieder ausschieden. Wenn eine einfache Aufzählung der Protokolle unterbleiben
und über die Versuche sofort nach vergleichenden Gesichtspunkten berichtet
werden darf, so ergibt sich folgende Zusammenstellung:
I. Versuche mit intravenösen Infusionen.
A. Versuche mit physlologischer Kochsalzlösung. Versuche zur Bestimmung
des Einflusses der Ernährung.
a) „Trocken‘‘ernährte Tiere.
Die Versuchstiere waren 4 Tage lang bei reinem Trockenfutter, Heu und Brot,
gehalten worden. Flüssigkeit wurde nicht gereicht. Die Witterung war während
der betreffenden Tage (Juni 1921) gleichmäßig trocken und heiß. Der Verlauf eines
solchen Versuches ist in Abb. 1 graphisch wiedergegeben; er verlief wie folgt:
Nachdem 50 Minuten nach eingeleiteter Katheterisierung die Harnabsonderung
sich auf einen konstanten Wert cingestellt hatte, wurde mit der Infusion von
0,9 proz. Kochsalzlösung begonnen und diese 92 Minuten lang durchgeführt;
es kamen im ganzen 62,5 ccm zur Infusion. Der Trockengehalt des Blutes fiel
dadurch von 20,8 auf 18,9%,, während der Kochsalzgehalt von 0,544 auf 0.7695
stieg. Eine Stunde nach beendeter Infusion war der Trockengehalt des Blutes
wieder auf 21,3%, gestiegen, aber auch der Kochsalzgehalt war weiter gestiegen
bis auf 0,87%, d. hb. das Gewebe hatte begierig Flüssigkeit und zwar von geringerem
Kochsalzgehalt als das Blut ihn zeigte, aus diesem aufgenommen und den Koch-
salzgehalt dadurch — oder was unwahrscheinlicher ist — durch Abgabe von Koch-
salz an das Blut noch stärker angereichert, ein Vorgang, den ich bei Tieren, denen
genügend Flüssigkeitsmengen zur Verfügung gestellt worden waren, nie habe
beobachten können. Eine Diurese in den Stunden nach der Infusion kam überhaupt.
nicht in Gang und auch am folgenden Tag zeigte die Harnmenge keine Vermehrung.
Bei weiter durchgeführter Trockenfütterung dauerte es volle 3 Tage, bis der Koch-
salzgehalt des Blutes auf den Ausgangswert wieder herabgegangen war, dagegen
stdlte sich der frühere Trockengehalt schon nach 24 Stunden wieder her und sank
noch unter den Ausgangswert.
b) „Feucht 'ernährte Tiere.
Die Bedeutung des geschilderten Versuches ergibt sich bei Vergleich mit
Parallelversuchen an Tieren nach optimaler Wasserzufuhr; zur Ausschaltung
individueller Faktoren wurden dieselben Tiere benutzt. Abb. 2 stellt einen solchen
Schilddrüse und Flüssigkeitsaustausch. 301
Versuch dar. Hier äußert sich die Fesselung und Katheterisierung zunächst in
einem Anstieg des Bluttrockengehaltes, wie er fast durchweg später beobachtet
werden konnte. Dann sinkt infolge der Infusion sein Wert von 18,2 auf 16,5%,
während der Kochsalzgehalt sich von 0,50 auf 0,54% zu erheben vermag, um als-
bald nach beendigter Infusion wieder zu sinken und schon nach 2—3 Stunden
den Ausgangswert wieder zu erreichen. Der Trockengehalt im Blut fährt hier
nach beendigter Infusion fort zu fallen, d. h. es bestehen Verhältnisse, die ein Ab-
strömen von Flüssigkeit aus dem Gewebe in das Blut zur Folge haben, die Gewebe
entwässern sich, oder das etwas salzreichere Blut wird auf seinen Normalgehalt
einreguliert. Der Vorgang des unmittelbaren weiteren Absinkens des Bluttrocken-
gehaltes nach beendigter Infusion tritt meist nicht so klar hervor wie bei dem
vorliegenden Versuch der Abb. 2; es tritt vielmehr dieses Sinken meist erst nach
einem geringen Ansteigen ein, das seinen Grund vielleicht in einer Blutdrucksteige-
rung durch die Flüssigkeitszufuhr ins Gefäßsystem hat, die der Organismus zuerst
% A
mg | |
a | |
17 | !
nach nach 16 |
A | |
\ unden ` e | |
E S
DE age
|
I |
0O H 2, 3 öfter oO 1 4 SR:
Kaninchen, männlich, um 2500 g schwer. Infusion physiologischer Kochsalziösung.
y = Beginn A ~- Ende der Infusion.
Abb. 1. ‚Trocken‘ ernährtes Tier. Abb. 2. „Feucht“ ernährtes Tier.
Infundiert 62,6 ccm in 92 Minuten Infundiert 38,0 ccm in 47 Minuten
= 0,26 ccm pro kg und Min. =. 0,30 ccm pro kg und Min.
Keine Diurese. Diurese 19,5 ccm.
auszugleichen sucht durch Aufnahme von Flüssigkeit ins Gewebe [ Zimbeck#°) und
Eppinger:‘). Die Diurese setzt beim vorliegenden Versuch schon 10 Minuten
nach Infusionsbeginn ein und klingt nach seiner Beendigung allmählich wieder
ab. Die zur Ausscheidung kommende Harnmenge ist hier etwa h mal so groß
wie die infudierte Flüssigkeitsmenge.
Das Ergebnis der Vorversuche (Abb. I und 2)
ist demnach: Je nach dem Flüssigkeitsgehalt der Körpergewebe verläuft die
Reaktion auf eine gleichartige Infusion von physiologischer Kochsalzlösung hin
wesentlich verschieden.
Während das Tier, dem optimal Wasser gereicht worden war, kurz das, ‚feuchte‘
Tier, durch die Infusion einen Anstieg des Kochsalzgehaltes im Blute von 0,50
auf etwa 0,55% zeigt, der nach Beendigung der Infusion sofort wieder abklingt
und spätestens nach 24 Stunden wieder auf den Anfangswert gesunken ist, zeigt
das „trockene“ Tier einen im Verhältnis dazu geradezu unphysiologischen Anstieg
von 0,54 auf 0,76%, bei Beendigung der Infusion, der im Verlauf der folgenden
Stunde sogar noch auf 0,87 weiterschreitet infolge der Flüssigkeitsgier der Gewebe
302 . H. Schaal:
und volle 3 Tage braucht, bis er auf den Ausgangswert herabgesunken ist. Dieses
Verhalten steht in scharfem Gegensatz zu dem Gesetz der Erhaltung der Isotonie
des Blutes und deutet auf eine schwere Schädigung des normalen Spiels der regu-
lierenden Kräfte. Tatsächlich ist auch eines der Kontrolltiere bei einem ähnlichen
Versuch unter Krämpfen eingegangen.
Auf Grund dieser Vorversuche wurden bei den Hauptversuchen nur noch
„feuchte“ Tiere verwendet.
Hauptversuch mit physrologischer Kochsalzlösung.
a) Vor Exstirpation der Thyreoidea.
b) Vor Exstirpation der Thyreoidea, aber nach Hinzufütterung von Thyreoidin-
Merck.
oi Nach Exstirpation der Thyreoidea.
a) Die Versuche am normalen Tiere, d. h. vor Entfernung der Schilddrüse
ergaben dasselbe Bild, wie es in dem Versuch Abb. 2 beschrieben ist. Die wieder-
Kaninchen, männlich. ‚‚Feucht‘' ernährt, um 3000 g. Infus. physiol. Kochsalzlösung.
Abb. 3. Normales Tier. Abb. 4. Nach Verfütte- Abb. 5. 3 Tage nach Ent-
Infundiert 41,1ccm in rung von 2, 1g Thyreoldin- fernung der Schilddrüse.
38 Minuten. Diurese Merck. Infund. 47,0 ccm Infundiert 41,0 cem in
20,5 ccm. in 35 Minuten. Diurese 35 Minuten. Diurese
24 ccm. 34 ccm.
gegebene Abb. 3 stellt den dort schon erwähnten Typ vor, bei dem der Trocken-
gehalt nach beendigter Infusion zunächst etwas ansteigt, um dann erst zu sinken.
Dieses Verhalten ist das häufigere.
b) Bevor zur Entfernung der Schilddrüse geschritten wurde, erhielt ein Teil
der Tiere über 8 Tage verteilt Thyreoidin- Merck in steigender Menge mit der Sonde
zugeführt, von 0,1—0,3 g täglich, im ganzen 2,1 g und am 9. Tag folgte der Ver-
such (s. Abb. 4). Sein Verlauf bietet keine auffallende Abweichung von dem
Normaltyp, d. h. die Regulierung erfolgte nicht rascher, sondern ebenso rasch,
sowohl was den Trocken- und Kochsalzgehalt des Blutes als auch die Diurese
anbelangt. Letztere setzte nicht früher ein und förderte ebenfalls nur !/, mal soviel
wie die unfundierte Menge betrug.
c) Sobald die Einwirkung des operativen Eingriffes der Schilddrüsenentfernung
soweit abgeklungen war, daß die Tiere wieder hinreichend soffen, was nach 3 Tagen
meist der Fall war, wurden die weiteren Versuche angeschlossen. Sie ergaben
wie z. B. Abb. 5 zeigt, ebenfalls keine wesentlich verschiedene Regulierung nach
der Infusion, im Gegenteil, Beginn und Ablauf der Veränderungen im Blute und
in der Diurese gleichen durchaus denen bei normalen und sogar mit Schilddrüsen-
substanz gefütterten Tieren. Jedenfalls tritt keine Verzögerung und Verminderung
Schilddrüse und Flüssigkeitsaustausch. 303
in der Diurese ein, wie H. Eppinger sie bei subcutaner Gabe oder bei Zufuhr per o9
gefunden hatte; eher förderte hier die Diurese vereinzelt mehr wie die Hälfte,
etwa 2/, der infundierten Menge.
B. Versuche mit hypertonischer Kochsalzlösung (5°/,).
Die Infusion einer 5 proz. Kochsalzlösung bedeutet eine wesentlich stärkere
Anforderung an die Regulationsmechanismen als die einer physiologischen Koch-
salzlösung. Es zeigt sich, daß auch dieser höheren Belastung der Organismus
erstaunlich gut gewachsen ist und zwar einerlei, ob das Spiel der Schilddrüsen
regelrecht oder gestört ist. Abb. 6 zeigt den Verlauf eines Versuches vor Ent-
fernung der Thyreoidea. Der Anstieg des Kochsalzgehaltes ist hier natürlich
beträchtlich stärker als bei den Versuchen mit physiologischer Kochsalzlösung
und geht von 0,53 auf 0,68%, hinauf bei Infusion von 42,7 ccm einer 5,1 proz.
Kochsalzlösung in 30 Minuten, also von über 2g Kochsalz in einer Flüssigkeits-
menge, die mindestens 1/ der Blutmenge beträgt. Würde keinerlei Austausch
zwischen Blut und Gewebe erfolgen, so müßten die vorher 0,5% Kochsalz ent-
haltenden etwa 120 ccm
Blutflüssigkeit des Kanin- 2, |! |
chens durch die Infusion P |
von 40ccm einer 5 proz. NON |
Kochsalzlösung auf einen | | Trocken-
\ ‚gehalt
Kochsalzgehalt von 1,6%
gebracht werden. Der Aus-
tausch mit dem Gewebe ist
aber so groß, daß der An-
stieg bei 0,68%, schon halt
macht. Es erfolgt fast nur
ein Austausch zwischen Blut
und Gewebe, denn bei Be- | u
endigung der Infusion hat ee el De
die Harnausfuhr erst eigent- Kaninchen, männlich. ‚Feucht‘ ernährt, um 3000 g schwer,
Ae
lich begonnen. Der Koch- Infusion 5proz. Kochsalzlösung.
salzgehalt im Harn ist zwar Abb. 6. Normales Tier. Abb. 7. 2 Wochen nach
von vorher 0,20% schon auf Infundiert 42,7 ccm in Entfernung der Schild-
o 30 Minuten. Diurese drüse. Infund. 44,5 ccm
1,17 % emporgeschnellt, es 93 ccm. in 30 Minuten. Diurese
sind aber doch erst 13 ccm 85 ccm.
Harn gefördert, die also
nur 0,15 g Kochsalz enthalten, also noch nicht den 20. Teil der zugeführten Menge.
Nach Beendigung der Infusion fällt der Kochsalzgehalt auch bei diesen Versuchen
sofort ab, erreicht nach 6 Stunden 0,58%, und ist am anderen Tag mit 0,51%, unter
den Ausgangswert gefallen. Dieses Verhalten unterscheidet sich also prinzipcll
von dem so ähnlichen Verlauf der Infusion der physiologischen Kochsalzlösung
beim „trockenen“ Tier (Abb. 1). Der Verlauf der Trockengehaltskurve ist zwar
steiler als bei den Infusionen mit physiologischer Kochsalzlösung und zeigt an,
daß das Geschehen intensiver ist, aber im Prinzip ist er genau wie dort: Erst An-
stieg infolge der Fesselung und Katheterisierung, dann Verdünnung des Blutes
während der Infusion, danach Anstieg des Trockengehaltes, vermutlich als Aus-
druck des Druckausgleiches und dann die Verdünnung des Blutes zur Wieder-
herstellung der Isotonie. Diese Verdünnung dauert wesentlich über die in der
Kurve dargestellte Zeit hinaus an und zeigt 7 Stunden nach Beendigung der Infusion
einen Trockengehalt von 14,5%, , während dieser 17,8% 2 Stunden nach der Infusion
betragen hatte. Die Diurese fördert hier fast 200% der infundierten Menge, sie
304 H. Schaal:
war bei Beendigung des Versuches nach 2 Stunden noch nicht abgeklungen. Ein
ganz ähnliches Bild bietet die Wiederholung der Infusion nach Schilddrüsen-
entfernung (Abb. 7). Es ist in allen Teilen dem eben beschriebenen Verlauf so
ähnlich, daß es sich erübrigt, weiteres darüber zu sagen. Es sei nur noch darauf
hingewiesen, daß auch Beginn und Umfang der Diurese keinerlei wesentliche
Verschiedenheiten zeigte.
C. Versuche mit hypotonischer Kochsalzlösung (0,5°;,).
Auch diese Infusionen stellen höhere Anforderungen an die Regulierungs-
vorgänge als diejenigen mit physiologischer Kochsalzlösung, wenn sie auch sicher
keine so starke isotonische Gleichgewichtsstörung darstellen wie die Infusionen
der 5proz. Kochsalzlösungen. Ihr Verlauf bietet demnach auch nichts Abweichen-
des von dem bisher Gesehenen. Da die Infusionslösungen nahezu denselben Koch-
salzgehalt hatten wie das Blut, so
war für die betreffende Aufzeich-
nung eine nahezu gerade Linie zu
moen- erwarten. Der Kochsalzgehalt im
Blut veränderte sich tatsächlich
auch wenig, aber es ergab sich
doch regelmäßig ein Ausschlag,
der jeweils eine vorübergehende
Erhöhung zeigte, wo eher eine
Verminderung zu erwarten ge-
wesen wäre. So stieg bei dem
Kaninchen, männlich. ‚Feucht‘ ernährt, um 3000 g Versuch der Abb. 8 der Koch-
schwer. Infusion 0,5 proz. Kochsalzlösung. salzgehalt von 0,53 auf 0,54°,
Abb. 8. Normales Tier. Abb. 9. 21 Wochennach und in einem anderen, graphisch
Infundiert 44,8ccm in Entfernung der Schild- nicht wiedergegebenen Versuch,
28 Minuten. Diurese drüse. Infund. 46,4 ccm sogar von 0,51 auf 0,55%,. Ob
28 ccm. in 40 Minuten. Diurese i g $
Slcem. darin ein Regulationsvorgang ge-
sehen werden darf im Sinne einer
überschießenden Abgabe von Kochsalz aus dem Gewebe ans Blut bei der Gefahr
einer Hypotonie — der Ausgleich würde auffallend rasch einsetzen und sich be-
merkbar machen — oder ob es sich um einen bei jeder Infusion eintretenden
Vorgang handelt, der bei den Versuchen mit Iso- und hypotonischen Kochsalz-
lösungen durch den höheren Kochsalzgehalt nur verdeckt wurde, muB vorerst
unentschieden bleiben. Die Bewegung der Trockengehaltskurve bietet dasselbe
Bild wie bei den vorher beschriebenen Versuchen. Die Diurese setzt frühzeitig
ein und beträgt etwa 70% der infundierten Menge. Auch hier blieb ein bemerk-
barer Einfluß der Schilddrüsenentfernung aus; Trocken- und Kochsalzgehalt
sowie Diurese entsprechen völlig dem Befund beim Versuch am normalen Tier.
II. Versuche mit Wasserzufuhr per os.
Sie stellen gewissermaßen eine Wiederholung der Eppingerschen!) Versuche
dar, die er aber an Hunden ausgeführt hatte. Die Vorbereitung der Tiere zu diesen
Versuchen war, wie früher geschildert, dieselbe wie für die Infusionsversuche,
nämlich optimale Flüssigkeitszufuhr in den Tagen vorher und Ausführungen des
Versuches am nüchternen Tier. Nachdem die Diurese nach Einleitung der Kathe-
terisierung konstant geworden war, wurden 100 ccm temperiertes Leitungswasser
mit der Schlundsonde zugeführt. Wenn auch Hashtmoto!?) gefunden hatte, daß
die Temperatur der gegebenen Flüssigkeit ohne Einfluß auf die Diurese ist, so
- s
Schilddrüse und Flüssigkeitsaustausch. 305
wurde doch im Interesse der Gleichmäßigkeit jeweils Wasser von 18° C verwendet.
Abb. 10 zeigt den Verlauf eines Versuches am normalen Tier. Der Kochsalzgehalt
im Blut verändert sich nicht erkennbar, was auch nicht zu erwarten war, dagegen
tritt eine deutliche Abnahme des Trockengehaltes ein, oder von der anderen Seite
betrachtet, eine Blutverdünnung, die nach 31/, Stunden wieder ausgeglichen ist.
Die Diurese kommt nach % Minuten in Gang und hält 2 Stunden an. Wenn man
wie Eppinger die Ausscheidung des Harns innerhalb der ersten 3 Stunden mißt,
so findet man hier, daß bis dahin 68 ccm gefördert sind.
Bei der Wiederholung des Versuches (Abb. 11) nach 8tägiger Thyreoidin-
fütterung, wie sie schon oben beschrieben wurde, setzt die Diurese bei sonst gleich-
artigem Verlauf des Versuches unverkennbar früher, nämlich schon nach 40 Minuten
ein und fördert in den ersten 3 Stunden nach der Wassergabe 65 cem.
|
1 2 4 5
Kaninchen. männlich. „Feucht“ ernährt, um 2800 g. Verabreichung von 100 cem Leitungswasser
per os. i
Abb. 10. Normales Tier. Abb. 11. Nach Verfütterung Abb. 12. 3 Wochen nach
Beginn der Diurese nach von 2.1g Thyreoidin-Merck Exstirpation der Thyreoi-
90 Minuten. Diurese 68 ccm in 8 Tagen. Beginn der Diu- dea. Beginn der Diurese
in 3 Stunden. rese nach 40 Minuten. Diu- nach 110 Minuten. Diurese
rese 45 ccm in 3 Stunden. 73 ccm in 3 Stunden.
Nach Exstirpation der Thyreoidea endlich ergibt sich das in Abb. 12 wieder-
gegebene Bild: Einsetzen der Diurese erst nach 110 Minuten, dann aber allerdings
mit relativen hohen Werten, so daß in den ersten 5 Stunden sogar noch etwas
mehr (73 ccm) Harn gefördert wird als bei den vorhergehenden Versuchen.
Es ist zuzugeben, daß der Verlauf dieser Versuche kein so in die Augen sprin-
gendes Bild ergab, wie die Zppingerschen Versuche mit Hunden; das war beim
Kaninchen auch nicht zu erwarten; aber ich glaube doch, daß sie die dort auf-
getretene Tendenz erkennen lassen, nämlich beschleunigten Flüssigkeitsumsatz
bei Hinzufütterung, langsameren bei Wegnahme von wirksamer Schilddrüsen-
substanz. Die Formel des diuretischen Effekts zeigt dieses Ergebnis zwar nicht,
aber der Zeitpunkt des Beginns der Diurese läßt es erkennen. Ob dieses Ergebnis
vielleicht durch Schilddrüsenwirkung auf die mechanischen Vorgänge des Magen-
darmkanals verursacht wird, von denen wieder die Resorptionsbedingungen
abhängig sind, mag zur Klärung weiteren Versuchen überlassen bleiben.
Kritik der Versuchsergebnisse.
Auf die gestellte Hauptfrage, ob der Ausfall des Schilddrüsen-
hormons unter physiologischen Verhältnissen mit der benutzten Methode
am lebenden Tier feststellbare Änderungen macht, wie sie Ellinger
Biochemische Zeitschrift Band 182. 20
306 H. Schaal:
mit anderen Methoden am biologischen Modell fand, antworten die
Versuche mit intravenöser Infusion eindeutig: nein, der Regulations-
mechanismus bleibt in der Art und im Ausmaß derselbe, einerlei, ob
das Tier einem Mehr oder einem Weniger, oder dem normalen Grad
von Schilddrüseneinwirkung ausgesetzt war; der Trockengehalt, der
Salzspiegel und die Diurese bieten durchweg dasselbe Bild und auch
Hypo- und Hypertonie der Infusionslösungen ändert daran nichts.
Dagegen ergeben die Versuche mit Wassergaben per os einen deut-
lich erkennbaren, wenn auch geringen Unterschied der Diuresen im
Sinne der Eppingerschen Versuche. Es ergibt sich also: Bei Wasser-
gabe per os macht sich die Schilddrüse in dem Regulationsvorgang bemerk-
bar, bei intravenöser Infusion vermag sie es nicht.
Diese Beobachtung erscheint bemerkenswert; sie liegt in derselben
Richtung, wie frühere Beobachtungen über das Zustandekommen der
Wasserdiurese an normalen Tieren überhaupt, ohne Berücksichtigung
der Schilddrüsenwirkung. Diese Beobachtungen sind von Hashimoto!)
mit folgenden Worten präzisiert worden: „Für den Eintritt der Diurese
nach Wassereinfuhr per os scheint die Mitbeteiligung des Verdauungs-
traktes und der Leber von Vorteil zu sein, einerseits durch die Ver-
langsamung der Hydrämie, andererseits durch die mögliche Abgabe von
Kochsalz und anderen harnfähigen Salzen an das resorbierte Wasser‘“‘.
Wesentlich für das Zustandekommen einer Diurese nach Wasser-
gaben per os sind also der Verdauungstrakt und die Leber; sie scheinen
nach dem Ergebnis der vorliegenden Versuche auch die Wirkungs-
äußerung der Schilddrüse auf den Wasserstoffwechsel erst zu ermöglichen.
Die Verhältnisse bei subeutaner Gabe von Kochsalzlösungen habe
ich nicht geprüft, doch zweifle ich nicht, daß sie sich so verhalten.
wie Eppinger am Hunde fand, nämlich daß sie analog den Gaben per
os verlaufen. Verdauungstrakt und Leber werden dabei höchstens
indirekt berührt, sie können hier also nicht verantwortlich sein für das
Zustandekommen der Schilddrüsenwirkung; dagegen ist bei den Ver-
suchen mit subcutaner Zuführung der Durchschnitt durch Körper-
gewebe erforderlich und scheint, dem Endeffekt nach zu schließen,
in derselben Weise zu wirken, ‚durch die Verlangsamung der Hydr-
ämie einerseits, durch die mögliche Abgabe von Kochsalz und anderen
harnfähigen Salzen an das resorbierte Wasser andererseits“, wie Hashi-
moto!2) für den Verdauungstrakt und die Leber feststellte.
Wenn diese Versuchsergebnisse bei der Art und der Anordnung
und der relativ geringen Zahl der Versuche, wie sie aus äußeren Gründen,
besonders der Sparsamkeit mit dem Material, sich ergab, zu Schlüssen
berechtigen, so müssen diese besagen, daß der Einfluß der Schilddrüse
auf den Wasserstoffwechsel nur wirksam wird, wenn die aufgenommene
Flüssigkeit durch Gewebe — sei es Unterhautzellgewebe oder Darm-
Schilddrüse und Flüssigkeitsaustausch. 307
epithelien oder Leber oder wohl überhaupt irgendwelches zellreiches
Gewebe — hindurchpassieren muß, nicht aber bei unmittelbarer Ein-
bringung in die Blutbahn, obwohl dabei z. B. viel größere osmotische
Druckdifferenzen geschaffen werden, als bei der Gabe per os, wo Blut-
trockengehalt und Kochsalzgehalt sich kaum verändern.
Das wesentliche wäre demnach der Durchtritt der zugeführten
Flüssigkeit durch das Gewebe, die Berührung mit einer möglichst
großen Anzahl von Zellen und Zellzwischenräumen, nicht aber die
Einbringung ins Blut und die Vermischung mit seinen Bestandteilen,
also auch den mehr oder minder quellbaren Eiweißsolen. Wohl vermag
die unmittelbare Infusion ins Blut, besonders in extremer Weise durch-
geführt, wie das Leben sie nie bringt, auf die Diurese zu wirken, wie
z. B. die Versuche von Magnus und Frey zeigen, aber bei dem feinen
Spiel der physiologischen Vorgänge hat das Gewebe, die Zelle mit ihren
Lebensvorgängen das Wort und in ihrem Wirkungskreis spielt auch der
wesentliche Einfluß der Schilddrüse. Wenn diese im Leben wie im
Modell durch Eiweißentquellung wirkt, und wenn diese Wirkung die
maßgebende ist, so hat sie also überwiegend im Gewebe statt, nicht
aber im strömenden Blut.
Der Einfluß der Schilddrüse auf den Stoffwechsel, die Beschleunigung
des gesamten Metabolismus der Zellen, ist aber unbestritten und kommt
gerade im Gewebe zum Ausdruck. Seine Äußerungen sind äußerlich
umfassender und auffallender, als der Einfluß auf den Quellungsdruck.
der Eiweißsole, und die Tatsache, daß die vorliegenden Versuche gar
keine Beeinflussung im Ablauf der intravenösen Infusionen ergaben,
kann darauf hindeuten, daß die Beeinflussung des Stoffwechsels im
Leben überwiegend einflußreicher ist, als die des Quellungsdruckes
durch die Schilddrüse.
Zusammenfassung.
Tatsächliche Feststellungen durch die Versuche.
l. Beim Kaninchen wird der Ablauf der Veränderungen im Koch-
salz und im Trockengehalt des Blutes und in der Diurese bei intra-
venösen Kochsalzinfusionen durch Hinzufütterung von Schilddrüsen-
substanz oder durch Exstirpation der Thyreoidea nicht verändert.
2. Beim Kaninchen wird die Diurese nach Wassergaben per os
durch die Schilddrüsenentfernung oder Hinzufütterung von Schild-
drüsensubstanz mit derselben Tendenz geändert, wie sie K. Eppinger
an Hunden bei Wassergaben per os und subcutan feststellte.
3. Der Einfluß der Ernährung, besonders der Tränkung, ist so
stärk, daß ‚trocken‘ vorbehandelte Tiere einen vom normalen prinzipiell
verschiedenen Ablauf des Flüssigkeitsaustausches zeigen.
20*
308 H. Schaal: Schilddrüse und Flüssigkeitsaustausch.
4. Das Hämoglobin scheint nur dann ein Gradmesser für den Wasser-
gehalt des Blutes zu sein, wenn keine schweren Eingriffe, wie Ader-
lässe und Infusionen vorgenommen werden, jedoch bleibt diese Frage
einer weiteren Arbeit vorbehalten.
Schlußfolgerungen aus den Versuchsjeststellungen.
l. Die Wirkung der Schilddrüse auf den Flüssigkeitswechsel und auf
die Diurese scheint nur zum Ausdruck zu kommen, wenn ihre Gewebs-
wirkung zur Geltung kommt.
2. Wenn die Veränderung des Quellungsdruckes der Eiweißsole
durch die Schilddrüse den Flüssigkeitsaustausch im Leben beherrscht,
so tut sie es durch Einwirkung innerhalb der Gewebe.
3. Die Einwirkung der Schilddrüse auf die Eiweißsole des Blutes
scheint nicht zu genügen, um dadurch den Flüssigkeitswechsel im
lebenden Tier wesentlich zu beeinflussen.
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19) Duglas, Cow, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 69, 391. 1912. — 2%) Limbeck,
Klin. Pathol. des Blutes. Jena 1892, S. 47. — 2?!) Eppinger,'H., wie unteı,2), S. 122.
—,2) Baur, I., und B. Aschner, Dtsch. Arch. f. klin. Med. 138. 1922 und Zeitschr.
f. d. ges. exp. Med. 27. 1922.
Nachtrag zu der Arbeit: Die Entstehung elektrischer Ströme
in lebenden Geweben.
Diese Zeitschr. 130, 68.
Von
H. Rohonyi (Budapest).
(Eingegangen am 2. Juni 1922.)
Die am 20. I. 1922 erschienene Nummer des Journ. of gen. physiol. bringt
cine sehr interessante Abhandlung von Jaques Loeb unter dem Titel „The origin
of the electrical charges of colloidal particles and of living tissues“, worin der
Autor die Beutnersche Lipoidtbeorie der bioelektrischen P.D. als Resultat irrtüm-
licher Konklusionen bezeichnet. Dies ist um so mehr zu beachten, da, wie bekannt,
J. Loeb es war, welcher mit R. Beutner im Jahre 1914 diese Theorie EES bat
(diese Zeitschr. 41. 1914).
Die soeben erschienene Abhandlung J. Loebs enthält Untersuchungen über
das Verhalten von Systemen, bestehend aus Proteinsalzlösungen, eingeschlossen
in Kollodiumsäckchen, umgeben mit (proteinfreien) wässerigen Lösungen; oder
aus Gelatine-Salzpulver suspendiert in wässerigen Lösungen. Auf Grund von
Daten der an beiden Seiten gemessenen H*-Konzentrationen und der Richtung
und Größe der beobachteten Potentialdifferenz des Systems, wird auf Bestehen
eines sog. Donnanschen Gleichgewichtes in diesen Systemen gefolgert. Dieses
Resultat führt dann J. Loeb zur Aufstellung folgenden Satzes: „any ion in a cell
or on its surface which cannot diffuse into the surrounding watery solution (no
matter whether the ion is a protein or a fatty acid or some complicated lipoid
or a complicated carbohydrate or even a crystalloid) can or must give rise to a
P.D. which is depressed when a diffusible salt is added to the surrounding watery
solution.‘ (Alle Ionen in der Zelle oder an der Oberfläche der Zelle, welche in die
umgebende wässerige Lösung nicht hineindiffundieren können — sei das Ion ein
Proteinion oder eine Fettsäure oder irgendein kompliziertes Lipoid oder Kohlen-
hydrat oder sogar ein Krystalloid —, kann oder muß zur Entstehung einer P.D.
Anlaß geben, die vermindert wird, wenn zur umgebenden wässerigen Lösung
ein diffusibles Salz hinzugegeben wird.)
Es ist evident, daß dieser Satz im Prinzip vollständig meinen vor 8 Jahren
‚mitgeteilten Ausführungen entspricht. Es ist ferner leicht einzusehen, daß die
Donnanschen Gleichgewichte nur Grenzfälle darstellen und können sich nur auf
Systeme beziehen, welche für die betreffende Oberfläche absolut impermeable
Ionen enthalten. Die richtige, weil allgemeine Verfassung bleibt daher diejenige,
nach welcher die bioelektrischen P.D. durch diffusions-elektromotorische Kräfte
verursacht werden, als Folge sehr unterschiedlicher Wanderungsgeschwindigkeiten
von Ionen irgendeines Elektrolyts an der Oberfläche der Zellen und müssen
310 H. Rohonyi: Die Entstehung elektrischer Ströme in lebenden Geweben.
demnach auf Grund der Planckschen Formel berechnet werden. Der Grenzfall
„Donnansches Gleichgewicht‘ ist in dieser Fassung mit enthalten.
Ob es richtig ist, noch weiter zu gehen und die Natur der schwerbeweglich:n
Ionen schon jetzt näher bezeichnen zu wagen (Proteinionen, J. Loeb), wird erst
die Zukunft entscheiden. Mir scheint diese Annahme ungenügend begründet
zu sein. Es können ebensogut auch andere oder nur andere Ionen im Spiele sein,
wie das ja J. Loeb selbst zugibt. Wir sahen doch, daß gewöhnliche Krystalloide
an beiden Seiten semipermeabler Membrane angebracht, erhebliche P.D. zu ver-
ursachen vermögen. Die fraglichen Ionen müssen eben „an sich‘ nicht schwer-
beweglich sein, sondern könnten wohl erst durch die semipermeable Oberflächen-
haut schwerbeweglich gemacht werden.
Biochemische Zeitschrift. Bd. 182, Heft 4/6.
De Biochemische Zeitschrift
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i Seite
Maie, Shin. Die enterale Zufuhr von Antigenen in ihren Beziehungen
zur Anaphylaxie. Versuche an Meerschweinchen mit Hühner-
eiweiß und Pferdeserum . ... 2. 22222 oe... .. 3l
Fürth, Otto und Fritz Lieben. Colorimetrische Untersuchungen
über das Tryptophan. VII. Mitteilung. Über den Tryptophan-
bedarf wachsender Ratten (zugleich ein Beitrag zur EE der
Oyclopoieee) 2: 2 nun EIN NNN ae ee e EE
Sammartino, Ubaldo. Beitrag zur Chemie der Leber .... . . 343
Orient, Julius. Die Wirkung der Amine auf die Gärung . 352
Zondek, S. G. Über das Wesen der Vagus- und Sympathieusfunktion.
Die Identität von Nerv- und Ionenwirkung . ... .
Dernby, K. G. und Carl Näslund. Biochemische Studien “aber
Tuberkelbacillen . . . 2200 2 22 ee een ne 893
Dernby, K. G. und S. Siwe. Die Anpassung der Diphtheriebacillen
an H- und OH-Ionen ... 2.2. 2.222222. 412
Fortsetzung des Inkslisverseichnisses siche 111. Umschlagseile!
7 Lem
Die enterale Zufuhr von Antigenen in ihren Beziehungen zur
Anaphylaxie.
Versuche an Meerschweinchen mit Hühnereiweiß und Pferdeserum.
Von |
Shin Maie (Tokio).
(Aus dem Hygienischen Institut der Universität Freiburg i. Br.)
(Eingegangen am 7. Juni 1922.)
Die Frage, ob es möglich ist, auf enteralem Wege durch Verfütte-
rung von spezifischem Eiweiß Tiere anaphylaktisch zu machen, ist
aus verschiedensten Gründen von Interesse. Nach allem, was wir
über die Funktion des anaphylaktischen Antigens bisher wissen, können
wir das Zustandekommen einer spezifischen Überempfindlichkeit, einer
aktiven Anaphylaxie nur mit dem Übertritt des spezifischen Antigens
ins Blut erklären.
Mit unseren Vorstellungen über die fermentative und filtrative
Wirkung der Darmsäfte, der Darmwand und der Leber ist aber die
Annahme nicht ohne weiteres vereinbar, daß bei enteraler Zufuhr
ein solcher Übertritt ins Blut, beispielsweise von Eiweißkörpern, in
unverändertem Zustande ganz allgemein stattfinden könne. Zwar sind
bisher seit den Untersuchungen Ehrlichs über orale Riecinimmunisierung
experimentelle Beweise über die Durchlässigkeit der Magen-Darmwand
vielfach versucht worden. Die positiven Befunde, die nach dieser
Richtung erzielt wurden [Rosenau und Anderson!), Richet?), Nobe-
couri?) u. a.], können aber nicht als völlig eindeutig angesehen werden
und sind, wie auch Doerr*) betont, stets als Ausnahmen zu betrachten.
Es erschien daher angebracht, eine endgültige Klärung dieser Frage
zu versuchen, die für zahlreiche Gebiete der menschlichen Pathologie,
welche in Beziehung zur Araphylaxie gebracht werden, von Bedeu-
tung ist.
Versuche:
I. Stomachale Vorbehandlung und intravenöse Nachbehandlung mit
Hühnereiweiß und Pferdeserum.
Es wurde zunächst versucht, Meerschweinchen durch stomachale
Zufuhr des Antigens zu sensibilisieren und den Eintritt einer Über-
Biochemische Zeitschrift Band 182. 21
312 S. Maie:
empfindlichkeit durch intravenöse Reinjektion des betreffenden Antigens
nachzuweisen. l
Die Zufuhr der verwendeten Eiweißart per os geschah nacb eintägigem Hungern
der Tiere mittels eines weichen Gummikatheters (Nr. 11), der vor der Einführung
in die Speiseröhre und den Magen sorgfältig mit flüssigem Paraffin eingeölt wurde.
Nach vollständiger Einführung in den Magen, die bei extremer Streckung des
Kopfes und Offenhaltung des Maules zwischen den Schenkeln einer Pinzette stets
ohne Schwierigkeiten vollzogen werden konnte, wurde mit der Rekordspritze
die jeweilige Flüssigkeitsmenge injiziert und alsdann der Katheter rasch heraus-
gezogen.
In zwei Versuchsreihen wurden verschieden schwere, sowohl jüngere
als auch ältere Tiere (160—420 g) mit großen Mengen Hühnereiwe:ß
(4 ccm) stomachal vorbehandelt und nach 11 Tagen die intravenöse
Reinjektion von Hühnereiweiß vorgenommen. Als Kontrollen dienten
subcutan vorbehandelte und unvorbehandelte Tiere.
Der Kürze halber werden aus den Versuchsprotokollen nur die
wichtigsten Daten wiedergegeben.
Tabelle I.
Meer- | Intravenöse
Vorbehandlung
j Gewicht Hühnereiweiß ee Erscheinungen
Nr. | g ccm ccm Ä
1 È 250 stom. 4 1 Leichte Krämpfe und Unruhe.
i! | Erholung. Temperatur unter
| 35°. Leukocyten vorher12600,
| nachher 5000.
2 ! 19 o j Akuter Schock nach 4 Min.
d Sektion typisch.
3 | 280 SN 1 t sofort nach der Injektion.
| Hochgradige Lungenblähung.
13 | 370 em 1 Akuter Schock. 7 nach A Min.
| Lungenblähung.
14 | 420 e 1 Akuter Schock. + nach 4 Min.
| Sektion typisch.
15 i 190 7 1 Akuter Schock. + nach A Min.
| Schock typisch.
4 | 225 sube. 1 0,8 typisch
5 160 » l an t
17 140 Ge 1 ée, "20
18 220 m 1 o F
11 220 keine 1 keine
12 230 e 1 P
28 295 = 1 Ss
29 | 150 j 1 S
Von den fünf stomachal vorbehandelten Tieren treten bei vieren
nach intravenöser Reinjektion von Hühnereiweiß einwandfrei typische
anaphylaktische Erscheinungen auf, die zum Tode führen. Nur ein
Tier zeigt leichte Krämpfe, Temperatursturz und Leukopenie und
erholt sich. Da es sich in diesen Versuchen um die Einverleibung
= ege (iii C Ce
Enterale Zufuhr von Antigenen in ihren Beziehungen zur Anaphylaxie. 313
verhältnismäßig großer Dosen handelte, die immerhin eine gewaltsame
Überlastung des Magen-Darmkanals bewirken konnten, so wurden weitere
Versuche mit fallenden Mengen von Hühnereiweiß bei der stomachalen
Vorbehandlung und gleichen Mengen bei der intravenösen Nachbehand-
lung vorgenommen.
Tabelle TI.
l
Meer- | Nachbehandlung
R , Vorbehandlung S
Bees gewicht Hühnereiweiß a oe Erscheinungen u. Sektionsbefund
Nr. | g ccm ccm |
44 | 260 | stom. 4,0 1,0 Akuter Schock. Tod me
| wenigen Minuten. Lun-
| | | genblähung.
45 | 270 „a 20. | 1,0 | del.
46 | 190 e: 10 1,0 | ji
47 | 220 ” 05 1.0 | S
7 | 180 „ 0,05 1,0
WW
Noch bei Vorbehandlung mit 0,05 ccm Hühnereiweiß per os läßt
sich also bei intravenöser Nachbehandlung ein akuter Schock aus-
lösen. Auf genauere quantitative Auswertungsversuche, die größeres
Tiermaterial erfordert hätten, wurde verzichtet, weil es zunächst nur
auf die bloße Feststellung des Eintritts der Anaphylaxie nach sto-
inachaler Vorbehandlung ankam.
In analoger Weise, wie die oben geschilderten Versuche mit Hühner-
eiweiß, wurden Versuche mit Pferdeserum angestellt.
Während in einer Versuchsreihe bei drei stomachal vorbehandelten
Meerschweinchen nach intravenöser Reinjektion nur leichte anaphylak-
tische Erscheinungen beobachtet wurden, hatten weitere Versuche
folgendes Ergebnis:
Tabelle III.
Nachbehandlun
nt Pferdeserum Dë
erdeserum venösnach 12 Tagen Erscheinungen
ccm
stom. 4,0 1,0 | Akter Schock +
„40 1,0 | Schock, erholt sich
» 40 1,0 akuter Schock tł
vw 40 1,0 | leichte Erscheinungen
n 40 1,0 akuter Schock t
subc. 1,0 1,0 dgl.
mn 1,0 1,0 nm
keine 1,0 keine Erscheinung
„ 1,0 gl.
stom. 4,0 1,0 akuter Schock t
„40 1,0 dgl.
n 4,0 1,0 | A
19 0,5 1,0 W
n 0,25 1,0 | W
„ 0,05 1,0 | Schock, erholt sich
Oh
314 S. Maie:
Auch mit Pferdeserum gelingt also die stomachale Sensibilisierung
des Meerschweinchens, so daß in der Mehrzahl der Fälle bei intravenöser
Nachbehandlung der Tod im anaphylaktischen Schock eintritt. Dabei
ergeben sich hier ebensowenig wie bei der Einverleibung von Hühner-
eiweiß Unterschiede im Verhalten verschieden schwerer Tiere. Junge
Tiere unterliegen in beiden Fällen genau den gleichen Bedingungen
wie alte. Eine besondere Durchlässigkeit der Darmwand junger Indi-
viduen für Hühner- bzw. Pferdeeiweiß, deren Nachweis für die mensch-
liche Patho!ogie von Interesse wäre, kann demnach aus diesen Ver-
suchen jedenfalls beim Meerschweinchen nicht angenommen werden.
Überhaupt ist es natürlich nicht ohne weiteres angängig, die so
erhobenen Befunde auf die Verhältnisse beim Menschen zu übertragen.
Die fermentative Tätigkeit des Meerschweinchendarmes ist unter
normalen Bedingungen ausschließlich auf die Bewältigung pflanzlicher
Eiweißarten eingestellt. Nach unseren Kenntnissen über die Bildung
von Fermenten ist es nicht ausgeschlossen, daß der normale Meer-
schweinchendarm einen Mangel an solchen Fermenten aufweist, die
tierisches Eiweiß abbauen. Bei mangelhaftem Abbau der in den Darm
gelangten Eiweißkörper ist deren Übertritt ins Blut in unverändertem
Zustande aber um so eher möglich und namentlich auch dann erklärlich,
wenn man annimmt, daß ein solcher Mangel fermentativer Kräfte im,
Darmsaft mit einer ungenügenden Abwehrtätigkeit der Darmwandzellen
parallel geht, als dessen Folge der Fermentmangel eigentlich anzusehen
wäre. Versuche, die eine solche Auffassung stützen könnten, sind auch
bereits von Rosenau und Anderson, Wells und Osborne) angestellt worden.
Gewisse Analogien unserer Versuchsbedingüngen mit den Verhalt.
nissen beim Menschen sind trotzdem wohl vorhanden. Einmal wird
in solchen Fällen der menschliche Darm ähnlichen Aufgaben wie in
unseren Versuchen der Meerschweinchendarm unterworfen sein, wo
er bisher darmfremde Eiweißstoffe zu bearbeiten genötigt ist, deren
Übertritt ins Blut alsdann nicht unmöglich erscheint. Dazu werden
auch solche Eiweißstoffe gehören, die normalerweise in der Nahrung
enthalten, aber durch bakterielle oder andere Einwirkungen vielleicht
im Verlauf eines gestörten Stoffwechsels in eingreifender Weise Ver-
änderungen ihrer Struktur erlitten haben. Vor allem aber werden
vermutlich ähnliche Bedingungen im Darm des Neugeborenen anzu-
treffen sein, dem zum erstenmal artfremdes oder bisher darmfremdes
Eiweiß übergeben wird, der also beispielsweise zum erstenmal mit
Kuhmilch ernährt wird. Der Eintritt krankhafter Störungen, unter
anderem also der sogenannten alimentären Intoxikation, die bei einer
Passage der Darmwand zu erwarten ist, wird dabei in erster Linie von
der Natur der einwirkenden Agentien abhängen, sei es, daB diese eine
primäre, sei es vielleicht im Verlauf der Verdauungsvorgänge erst
Enterale Zufuhr von Antigenen in ihren Beziehungen zur Anaphylaxie. 315
erworbene Toxizität besitzen. Es wird von der Fähigkeit des Darms
abhängen, gegen die auf ihn einwirkenden Agentien gewissermaßen
einen Immunitätszustand zu erwerben, ob bei später Einwirkung der-
selben Stoffe Schädigungen auftreten, die man alsdann als anaphylak-
tisch zu deuten hätte. Man darf vermuten, daß im allgemeinen ein
derartiger Schutzzustand gegenüber der Mehrzahl der in Betracht
kommenden Eiweißkörper der Nahrung eintritt, während bei einzelnen
Individuen vielleicht gerade infolge mangelhafter Umstimmung der
fermentativen Kräfte eine Durchlässigkeit der Darmwand erhalten
bleibt, deren Ursachen schon deshalb keine rein mechanischen sein
‚können, weil sie sich bei dem einzelnen Individuum zumeist nur auf
einen einzelnen Eiweißkörper erstreckt. In diese Kategorie wären die
Idiosynkrasien zu rechnen, die gewisse Analogien mit unseren Ver-
suchen also ebenfalls aufweisen. In deutlicher Übereinstimmung mit
unseren Versuchen stehen endlich die schon früher gemachten Beob-
achtungen über primäre Pferdeserumüberempfindlichkeit bei erstmaliger
Injektion von Pferdeserum, die auch neuerdings wieder von Kopa-
czewski®) beschrieben und auf fast ausschließliche Ernährung der be-
treffenden Kinder mit Pferdefleisch zurückgeführt werden.
Wegen dieser vielfachen Beziehungen zur menschlichen Pathologie
erschien ein weiterer Ausbau unserer Versuche in der Richtung der
eben kurz angedeuteten Vorstellungen aussichtsreich.
Den Einwand, daß bei der in unseren Versuchen angewendeten Sonden-
fütterung Spuren der Injektionsflüssigkeit in die Lungen gelangen, hier
resorbiert werden und so den Zustand der Überempfindlichkeit herbei-
führen könnten, halten wir nach unseren Beobachtungen nicht für be-
rechtigt, ganz unwahrscheinlich ist es auch, daß etwa durch mit dem
Katheter gesetzte Verletzungen der Schleimhaut geringe Mengen der
Antigene ins Blut übertreten könnten. Es kann fast mit Sicherheit
ausgeschlossen werden, daß mit einem sehr weichen Gummiketheter
und vorsichtigster Handhabung, wie sie in unseren Versuchen beob-
achtet wurde, Schleimhautläsionen auftreten. Es ist außerdem kaum
anzunehmen, daß derartige Zufälle regelmäßig auftreten und daß dann
größere Mengen ins Blut gelangen, deren Nachweis durch die üblichen
Methoden möglich wäre. Wir können derartigen Bedenken also vor
allem auch den regelmäßigen Ausfall unserer Versuche entgegenhalten,
und namentlich auch den Ausfall des gleich zu erwähnenden, ebenfalls
regelmäßigen und deutlichen Nachweis des Übertritts des GES im
Blut als Gegenbeweis anführen.
DaB auch ohne die Möglichkeit einer Resorption von Spuren des
Antigens durch die Lunge nach enteraler Zufuhr aktive Anaphylarie
auftritt, beweisen überdies Versuche, in denen Eiweiß rectal mittels
Gummikatheters zugeführt wurde.
316 S. Maie:
Eine Versuchsserie von 7 Meerschweinchen, die rectal Hühner-
eiweiß in Mengen von 4,0—0,05 ccm erhielten, starben sämt-
lich im Verlauf von 1—10 Tagen. Wie diese primäre Giftigkeit des
Hühnereiweißes zu erklären ist, die immerhin bemerkenswert erscheint,
vermögen wir nicht zu entscheiden, da wir ähnliche Beobachtungen
nicht wieder machten. Zu gleicher Zeit im Verlauf von Durchströmungs-
versuchen mit Hühnereiweiß an der Meerschweinchenleber erhobene
Befunde ergaben ebenfalls gewisse Anhaltspunkte dafür, daß Hühner-
eiweiß gelegentlich als Zellgift wirken kann. Keinesfalls aber bilden
derartige Befunde die Regel, und es muß dahingestellt bleiben, welches
die Bedingungen ihres Auftretens sind.
In einem weiteren kleineren Versuch erhielten zwei Meerschweinchen
rectal 4,0 ccm Hühnereiweiß. Bei beiden Tieren trat bei der Reinjektion.
die nach 12 Tagen vorgenommen wurde, typischer anaphylaktischer
Schock auf, der zum Tode führte.
Tabelle IV.
Meet, Tee, | Vorbehandlung | Nachbehandlung |
schweinchen! Hühnereiweiß intravenös ı Symptome
Nr. | g ccm ccm |
Se ir > Ba a Zn IT Te: =. ur STIL III
76 8320 | rectal 4,0 1,0 typ. Schock zx
77 | 430 e i l 1,0 | dgl.
ita | 300 40 | 1,0 |
11
Im Gegensatz zum Ausfall dieses Versuchs mit Hühnereiweiß traten
in einer Versuchsreihe bei rectaler Zufuhr von Pferdeserum in Dosen
von 4,0—0,5 ccm bei sämtlichen fünf Tieren keine mit Sicherheit als
anaphylaktisch zu bezeichnende Erscheinungen auf. Auch die Körper-
temperatur sank nach der Reinjektion in keinem Fall unter 36,5°.
II. Der Übertritt von Hühnereiweiß und Pferdeserum ins Blut nach
enteraler Zufuhr.
Zur Bestätigung der Vermutung, daß der Eintritt der Überempfind-
lichkeit nach enteraler Zufuhr von Hühnereiweiß und Pferdeserum
beim Meerschweinchen auf dem Übertritt des Antigens ins Blut beruhe,
wurde versucht, durch Komplementbindung und Präcipitationsversuch
die Anwesenheit des spezifischen Antigens im Blut gewisse Zeit nach
cler Zufuhr nachzuweisen.
Komplementbindungs- und Präcipitationsversuche.
Die Komplementbindungsversuche auf Hühnereiweiß wurden mit
einem hochwertigen Antiserum (Titer 1 : 100 000) vorgenommen, das
durch dreimalige wöchentliche Vorbehandlung eines Kaninchens mit
Hühnereiweiß gewonnen war. In den Versuchsreihen wurde Meer-
Enterale Zufuhr von Antigenen in ihren Beziehungen zur Anaphylaxie.
317
schweinchenserum vor und nach der Behandlung mit dem Eiweiß,
im zweiten Falle aktiv oder inaktiv, ohne oder mit Zusatz von Normal-
komplement mit 0,1 ccm des Antiserums versetzt, die Gemische 1 Stunde
bei 37° digeriert und alsdann nach Zusatz von 3fach sensibilisierten
Hammelblutkörperchen 1,0 ccm auf Komplementbindung untersucht.
Gesamtvolumen 2,5 ccm. Zeitliche Ablesung.
Als Beispiel für einen quantitativen Komplementbindungsversuch
mit dem inaktiven Serum eines Meerschweinchens 5 Stunden nach
stomachaler Behandlung mit Hühnereiweiß geben wir folgenden Ver-
such wieder (Prot.-Nr. 71).
Tabelle V.
d Serum 5Stunden | Anti-Hühner- BE Komplement Sensible
Röhr- nach Behandlg. eiweißserum (Serum vor der | Hammelblut-
chen , " "e Stunde 58° Titer 1: 100000 Behandlung) körperchen
Nr. E _ 1 8tunde 87° o |© Ç œm
1 0,1 o | om ` 10
2 0,05 | 0,1 0,05 1,0
3° 0,025 0,1 | 0,05 1,0
4 ` 0,01 0,1 0,05 1,0
5 « 0,005 0,1 | 0,05 1,0
6 0,0025 0,1 0,05 1,0
7 0,001 | 0,1 0,05 1,0
& 01 0,1 | 0,05 1,0
9+ 0 0,1 I 0,05 1,0
10- Ol 0,1 0 | 1,0
11 aktiv 0.1 0,1 0 | 1,0
BE
E?
Hämo- | Nach
lyse Minuten
ES SNN
o" om
OU | 60
0 | 60
l 0 60
ı K 5
L K 5
© K 5
© K 5
' K 5
O .: 60
K ; 5
Im übrigen geben wir die Ergebnisse dieser Versuche in folgender
Tabelle gekürzt wieder.
Tabelle VI.
— eg — —
Meer- Hämolyse Hämolyse |
8 | Ge- | Behandlung nung 1 A WR
hwein- bei Zusatz ' Nach hne Nach
Zen 2 CS | Hühnereiweis | Serum 0,05 von Anti- Minuten Zusatz von er
Nr. ing | = ccm serum 0,1 Ol Antiserum |
| vorher EN K 15 K 15
Al ` app Ä stom. 4 1 J Sg GE | Se 2 X +
| | i, au au | O . 60 K | 15
| | vorher K 10 K 10
42 50, m 6 d ı ai nachher 0 60 K 10
| vorher K 10 K 10
13120 dë ! f 1 Std. nachher | O 60 K 10
; | | vorher | K 15 K 15
61 i250: „ 4 i 1 Std. nachher | O 60 K 15
| vorher | K 10 ` K 10
64 480 „4 1 Std. nachher ! K 10 K 10
| 4 n K 10 K 10
l vorher ` K 10 K 10
p9: EEN „4 d 2 Std. nachher ` O 60 K 10
318 S. Maie:
Tabelle VI (Fortsetzung).
Meer. Hämolyse Hämolyse .
schwein- BR | Eee Sein. bei Zusatz Nach ohne Nach
chen ` 8 von Anti- Minuten| Zusatz von ‚Minuten
Nr. ing ccm ; serum OI Antiserum
| vorher K 1 K 15
| l Std. nachher 0 60 K 15
68 18360 stom.4?. 5 „ i | Q 60 K 15
| 24 . a 0 60 K 15
AR x K 60 K 15
| vorher K 5 K A
TO 530 „n d 2 Std. nachher K 5 K 3
| Ba" A "ER 5 K $
vorher K 5 K 5
ql 300 „4 | ‚ 1 Std. nachher 19) 60 K 5
L S n TU Zu 5
2 g Ä vorher C 5 K 3
i8 250 nt LU 5 Std. nachher O 60 K >
4 | vorher K 5 K 3
79 260 n 5 Std. nachher O 60 K >
72,500 rectald | ZK X È x S
73 1170 ZE Dee $ K K =
74 IA La K z Ko =
75 170 „4 KE D K - K | -=
TT 430 „4 Di o a K -— K | -—
Die bei jedem einzelnen Versuche angestellten üblichen Kontroll-
versuche, namentlich auch auf den Komplementgehalt der nach der Be-
handlung gewonnenen Sera, hatten stets vollkommen eindeutiges Ergeb-
nis, so daß wir auf ihre Wiedergabe in Einzelheiten verzichten können.
Dasselbe gilt für in gleicher Weise mit hochwertigem, komplement-
bindendem Antipferdeserum angestellte Komplementbindungsversuche
(Titer 1 : 50 000 und 1 : 20 000), in denen der Übertritt des Pferde-
serums ins Serum nach enteraler Vorbehandlung von Meerschweinchen
nachgewiesen wurde.
Tabelle VII.
|
Meer- | ’ Behandlun e
schwein | GEwIehN Plerdösenumn ' Serum entnommen | Hamo:
Nr. | g | ccm | Kä
u JI ` Vorher I K
96 =: I90 stomachal 4,0 / 1 Stunde nachher | O
1 5 Stunden $„, OÖ
| Í vorher K
97 | 150 „n 40 l; '/z Stunde nachher | O
í | | 5 Stunden e y H
| í _ vorher K
62 DO z 4,0 2 Stunden nachher, K
| la,» (KK
l f vorher K
63 600 | A 4,0 | 2 Stunden nachher |! K
| {5 © K
WW 11
Enterale Zufuhr von Antigenen in ihren Beziehungen zur Anaphylaxie. 319
Das Ergebnis aller dieser Versuche läßt sich mit anderen Worten
folgendermaßen zusammenfassen: Bei 9 von 11 mit je 4,0 ccm Hühner-
eiweiß stomachal vorbehandelten Meerschweinchen fällt der Komple-
mentbindungsversuch auf Hühnereiweiß im Serum positiv aus, in zwei
Fällen set er negativ. Bei 4 mit Pferdeserum in gleicher Weise stomachal
vorbehandelten Tieren haben wir zwei positive und zwei negative Er-
gebnisse. Nach rectaler Zufuhr des Antigens gelingt der Nachweis
des komplementbindenden Antigens im Serum in keinem der fünf
Versuche.
Negativer Ausfall der Reaktion bei stomachaler Zufuhr findet sich
in den Versuchen sowohl mit Hühnereiweiß als auch mit Pferdeserum
nur bei solchen Tieren, die sich durch ein größeres Gewicht auszeichnen.
Es handelt sich um insgesamt 4 Tiere mit Körpergewichten von 480,
530, 500 und 600 g. Obwohl eine Überempfindlichkeit durch enterale
Zufuhr der verwendeten Antigene in der Regel auch bei älteren Tieren
eintritt, wie unsere Versuche zeigten, so ist doch in der Regel im peri-
pheren Blut kein Antigen nachweisbar, eine Tatsache, auf die wir
später noch zurückkommen. Bei Tieren mit niedrigerem Körpergewicht,
zwischen 140 und 360 g, ist das Ergebnis stets positiv, bei einem weiteren
größeren Tier von 510 g und einer größeren Zufuhr von 6 cem ist eben-
falls positiver Ausschlag vorhanden. Möglicherweise kommt nach diesem
Resultat auch das größere Volumen der Tiere und die entsprechend
stärkere Verteilung der ins Blut übergetretenen Antigene als Ursache
für den negativen Ausfall der Komplementbindungsversuche in Betracht.
Bereits !/, Stunde nach der Aufnahme in den Magen ist das komplement-
bindende Antigen im Serum nachweisbar und verbleibt dort bis 24 Stun-
den nach der Behandlung. Bei Meerschweinchen Nr. 68 beobachten
wir sogar noch nach 48 Stunden eine deutliche zeitliche Hemmung der
Hämolyse. Über die absoluten Mengen ein Bild zu gewinnen, die ins
Blut übertreten, ist ohne weiteres aus diesen Versuchen nicht mög-
lich, solange wir über die Dauer des Verweilens der einverleibten Flüs-
sigkeit im Darmkanal und namentlich über die Ausscheidungsverhält-
nisse von Äntigenen aus dem Serum kein klares Bild gewonnen haben.
In dem angeführten quantitativen Versuch ergibt noch 0,01 des Serums
deutliche Komplementbindung bei einem Titer des Antiserums von
1 : 100 000. Das würde etwa einer Konzentration des Antigens von
0,001 im Kubikzentimeter Serum entsprechen. Es handelt sich mit
anderen Worten um eine Verdünnung, wie wir sie gleich nach der
intravenösen Injektion von 0,02 ccm im Serum zu erwarten hätten,
wenn wir bei einem Körpergewicht des betreffenden Tieres von 300 g
dessen Serummenge auf !/,, des Körpergewichts = 20 cem schätzen.
Ähnliche Verhältnisse fanden sich auch in Präcipitationsversuchen
wieder, von denen wir einen mit hochwertigem präcipitierenden Anti-
320 S. Maie:
pferdeserum (Titer 1 : 20 000 nach 10 Minuten) angestellten quanti-
tativen Versuch wiedergeben, der 6 Stunden nach stomachaler Be-
handlung mit 4,0 ccm Pferdeserum mit dem Serum des betreffenden
Tieres vorgenommen wurde. Bei einem Titer von 1 : 20000 des be-
treffenden Antiserums und einem positiven Ausfall der Reaktion bis
0,0125 würde es sich hier also um eine Konzentration des Präcipitinogens
von ca..0,004 im Kubikzentimeter Serum handeln.
Tabelle VIII.
Meerschweln Br GH Antipferdeserum | Serum vord., Serum nach Ah
Röhrchen je Titer 1: 20000 a: Behandig. 10 Minuten
a ERR 0,1 SS 2 =
2 | 02 Es 08 Io
3 0,2 — D XX
4 0,2 — 0.05 RER
` i 0.2 0,025 NN
6 | 0,2 - 0,0125
7 Ä 0,2 — 0,005 -
8 0.2 — 0 —
Wenn auch nach den in der Literatur vorliegenden Untersuchungen
Beweise für eine Identität des anaphylaktischen Antigens mit dem
komplementbindenden Antigen oder dem Präcipitinogen nicht mit
Sicherheit erbracht worden sind, so kann man doch mit einiger Wahr-
scheinlichkeit auf eine solche schließen. Berücksichtigen wir, daß
nach Versuchen von Rosenau und Anderson bei subcutaner Injektion
0,000 001 ccm des Antigens genügen, um deutliche Überempfindlich-
keit hervorzurufen, und nach Doerr und Russ 0,001 ccm Pferdeserum
bei subcutaner Verabreichung hinreichen, um maximale ausgeprägte
Anaphylaxie zu erzielen, so ist damit die Annahme durchaus begründet,
daß zum mindesten gleichzeitig mit den in unseren Versuchen nach-
gewiesenen Konzentrationen von komplementbindendem Antigen und
Präcipitinogen zur Erzeugung einer Anaphylarıe ausreichende Mengen
des anaphylaktischen Antigens ins Blut übertreten.
Ill. Subeutane und stomachale Vorbehandlung und enterale Nachbe-
handlung mit Hühnereiweiß und Pferdeserum.
In den geschilderten Versuchen war der Nachweis erbracht worden,
daß bei enteraler Behandlung mit Hühnereiweiß und Pferdeserun
beim Meerschweinchen ein Übertritt dieser Antigene ins Blut erfolgt.
Mit enteraler Vorbehandlung konnte Überempfindlichkeit erzeugt
werden, so daß bei intravenöser Nachbehandlung anaphylaktischer
Schock eintrat. Es fragte sich nun, ob nach subcutaner oder auch
stomachaler Vorbehandlung, die wir bei unserer Versuchsanordnung
Enterale Zufuhr von Antigenen in ihren Beziehungen zur Anaphylaxie. 321
in ihren Beziehungen zur Sensibilisierung jedenfalls qualitativ als
gleichwertig ansehen können, auch bei enteraler Nachbehandlung mit
der gleichen Methode anaphylaktische Erscheinungen ausgelöst werden
konnten.
Tabelle IX.
Meer- j
shweinchen | Gewicht Vorbehandlung Nachbehandlung Symptome
Nr. | g ccm ccm l
58 | 370 | Pferdeserum Pferdeserum keine
| sube. 1,0 stomach. 4,0
59 i 350 Pferdeserum Pferdeserum e
| subc. 1,0 stomach. 40 |
60 | 350 Pferdeserum Pferdeserum | vw
l subc. 1,0 rectal 4,0 |
16 | 140 Hühnereiweiß | Hühnereiweiß | 4
| stomach. 4,0 stomach. 4,0 |
49 330 Hühnereiweiß | Hühnereiweiß : z
sube. 1,0 stomach. 4,0 |
50 300 Hühnereiweiß | Hühnereiweiß ` m
sube. 1,0 stomach. 4,0 ;
51 | 380 Hühnereiweiß Hühnereiweiß | e
| sube. 1,0 rectal 40 |
In keinem der 7 Fälle zeigten sich Erscheinungen, namentlich auch
von seiten der Temperatur und des Blutbildes, die als akut anaphylak-
tische zu deuten wären. Es ist auch fraglich, ob wir nach unseren Vor-
stellungen den Eintritt akuter Erscheinungen anaphylaktischer Art
überhaupt erwarten dürfen. Möglicherweise erfolgt der Übertritt des
Antigens durch die Darmwand so langsam, daß die geringen Spuren,
die in der Zeiteinheit passieren, nicht zur Auslösung schwerer Er-
scheinungen ausreichen. Bekanntlich ist ja auch bei intravenöser Re-
injektion das Eintreten akuter Symptome von der Injektionsgeschwindig-
keit abhängig. Ob außerdem nach erstmaliger Behandlung mit den
beiden verwendeten Eiweißarten — sei es bei subcutaner, sei es bei
stomachaler Vorbehandlung — eine Umstimmung der Fermente des
Darmes und der Darmwand einsetzt, die entweder wegen stärkerer
Abbautätigkeit der Darmsäfte oder vermehrter Abwehr der Darm-
wand den Durchtritt vermindert oder ganz verhindert, müssen wir
dahingestellt lassen. Über diese letztere Frage, über eine Umstimmung
des Darmes nach wiederholter Zufuhr des gleichen Antigens, deren
Klärung für manche Erscheinungen der menschlichen Pathologie,
namentlich der Idiosynkrasien nach der oben angedeuteten Richtung
von Bedeutung wäre, müssen weitere Untersuchungen entscheiden.
Gegen die Annahme, daß die beim Menschen auftretenden Idio-
synkrasien durch den Übertritt enteral eingeführten Eiweiß ins Blut
veranlaßt seien, sprechen wie besonders betont sei, diese negativen
322 S. Maie:
Versuchsresultate am Meerschweinchen durchaus nicht. Man muß
immer bedenken, daß wir beim Menschen in solchen Fällen nur ver-
hältnismäßig geringfügige Symptome, wie Übelkeiten, Darmstörungen.,
Hautausschläge beobachten, die selbst, wenn sie beim Meerschweinchen
auftreten sollten, wir wahrscheinlich nicht festzustellen in der Lage
sind. Der Prüfstein beim Meerschweinchen, der anaphylaktische
Schock, stellt eben nur den Höhepunkt einer Erscheinungsreihe dar
und ist deshalb für die Klärung der geringfügigen Erscheinungen beim
Menschen wenig geeignet. Durch den Tierversuch können wir so nur
für die Spezies ganz allgemein gültige Gesetze aufstellen, aber nicht
erwarten, daB wir dadurch volle Aufklärung für die Ausnahmefälle
erhalten, als welche die Idiosynkrasien beim Menschen aufzufassen sind.
IV. Das Verhalten der Leber.
Den Eiweißkörpern, welche die Darmwand passiert haben, stehen
nach ihrer Aufnahme durch die Pfortaderwurzeln und vor ihrem
Übertritt ins periphere Blut noch die filtrativen Eigenschaften der
Leber hindernd im Wege. Wir haben daher auch versucht, das Ver-
halten der Meerschweinchenleber gegenüber Hühnereiweiß und Pferde-
serum aufzuklären.
Im allgemeinen wird bekanntlich der Leber eine stark adsorptive
Wirkung gegenüber den Eiweißkörpern zugeschrieben, und wir haben
uns daher auch bemüht, eine Speicherung von Pferdeserum oder Hühner-
eiweiß nach stomachaler Zufuhr in der Meerschweinchenleber nach-
zuweisen. Die Meerschweinchen wurden mit 4,0 ccm Hühnereiweiß
oder Pferdeserum vorbehandelt und bestimmte Zeit nach der Behand-
lung aus der Carotis entblutet. Dann wurde mittels Bauchschnittes
die Leber freigelegt und nach Unterbindung des Ductus choledochus
und Herauspräparieren von Darm und Magen eine Kanüle in die Vena
portae eingeführt, nach Eröffnung der Vena cava rasch, stets vor dem
Eintritt der Blutgerinnung mit Ringerlösung, zunächst in situ, und
dann nach der Herausnahme aus der Bauchhöhle durchspült. Wir
erhielten mit dieser Methode schon nach Anwendung von 1000 ccm
Ringerlösung eine klare, völlig blutfreie Spülflüssigkeit. Nach gründ-
licher Durchspülung wurde die Leber mit Kieselgur und Sand verrieben
und der Preßsaft mittels der Presse gewonnen.
Tabelle X.
Versuch 1: Meerschw. Nr. 2. Gewicht 570 g, 4,0 ccm Hühnereiweiß stomachal,
nach 2 Stunden entblutet. Untersuchung des Leberpreßsaftes und Serums mittels
Komplementbindung.
Versuch 2: Meerschw. Nr. 3. Gewicht 270 g, 4,0 com Hühnereiweiß stomachal.
Nach 1!/, Stunden entblutet. Komplementbindung mit Serum und Leber-
preßsaft.
Enterale Zufuhr von Antigenen in ihren Beziehungen zur Anaphylaxie. 323
Versuch 3: Meerschw. Nr. 11. Gewicht 650 g, 4,0 ccm Pferdeserum stomachal.
Nach 1 Stunde entblutet. Komplementbindung mit Serum und Leberpreßsaft.
Versuch 4: Meerschw. Nr. 19. Gewicht 490 g, unbehandelt. Komplement-
bindung mit Leberpreßsaft mit Anti-Hühnereiweiß und Anti-Pferdeserum.
| Versuch 1 Versuch 2 Versuch 8 Versuch 4
Nr. . PreBsaft mit | obne mit , ohne mit ! ohne mit | ohne
| ccm Antiserum Antiserum Antiserum Antiserum
|
HD
ZOE
al Ip
zl 1 bRsbbc
IRRE
NANMNMMAP
(IIe
NOTTE
Komplement-
bindung mit Ser.
Während wir von beiden mit Hühnereiweiß vorbehandelten Tieren
nur bei einem Tier geringe Mengen komplementbindenden Antigens
im Leberpreßsaft nachweisen konnten, waren bei dem mit Pferde-
serum per os behandelten Tier noch mit 0,001 Preßsaft die Komplement-
bindung positiv. Es handelt sich um ein besonders großes Tier von
650 g, bei dem der Komplementbindungsversuch im Serum vollständig
negativ ausgefallen war, möglicherweise konnte also in einer stärker
adsorptliven Fähigkeit der Leber bei älteren Tieren die oben beschriebene
Tatsache ihre Klärung finden, daß bei intravenöser Reinjektion ein
anaphylaktischer Schock erzeugt werden konnte, obwohl sich ein
Übertritt von Antigen ins periphere Blut nicht nachweisen ließ. Es
wurden daher zur ferneren Prüfung des Verhaltens der Leber, das
nach diesen Versuchen zweifellos der Berücksichtigung bedarf, Durch-
strömungsversuche an der überlebenden Meerschweinchenleber an-
gestellt, die aber keine Anhaltspunkte für eine derartige Vermutung
ergaben. l
Zusammenfassung.
Nach stomachaler Zufuhr von Hühnereiweiß und Pferdeserum beim
Meerschweinchen erfolgt in der Regel eine Sensibilisierung so, daß nach
intravenöser Reinjektion der betreffenden Antigene der Tod im anaphy-
laktischen Schock eintrat. Das ist der Fall bei jungen sowie bei älteren
Tieren, bei denen eine gleiche Durchlässigkeit der Darmwand für die
verwendeten Eiweißkörper vermutet werden kann.
Der Übertritt der Antigene ins periphere Blut nach ihrer stomachalen
Zufuhr läßt sich durch Komplementbindung und Präcipitationsversuch
bei jungen Tieren in der Regel nachweisen. Ein negatives Ergebnis
324 S. Maie: Enterale Zufuhr von Antigenen in ihren Beziehungen usw.
dieser Reaktionen fand sich nur bei alten Tieren. Möglicherweise be-
wirkt die größere Oberfläche der schweren Tiere eine stärkere Ver-
teilung des Antigens, das sich so dem Nachweis entzieht.
Nach rectaler Zufuhr ließ sich der Eintritt einer Überempfindlichk: it
für Hühnereiweiß mit Sicherheit nachweisen, mit Pferdeserum gelang
dagegen auf diesem Wege eine Sensibilisierung nicht.
Ebensowenig läßt sich der Nachweis des Übertritts beider Antigene
ins Blut nach rectaler Zufuhr mittels Untersuchung auf Präci pitation
und Komplementbindung führen. Möglicherweise handelt es sich dabei
um eine geringere Durchlässigkeit der unteren Darmabschnitte für beide
Eiweißarten.
Nach stomachaler sowie subcutaner Vorbehandlung und enteraler
Nachbehandlung mit Hühnereiweiß und Pferdeserum ließ sich der Nach-
weiß anaphylaktischer Symptome in keinem Fall führen.
Literatur.
1) Rosenau und Anderson, Hyg. Labor. Washington Bull. 1906, Nr. 29; 1907,
Nr. 36. — ?) Richet, Cpt. rend. des séances de la soc. de biol. 70, Nr. 2. 1911;
70, Nr. 8. 1911; Ann. de l’inst. Pasteur 85, Nr. 8. 1911. — ?) Nobecourt, Cpt. rend.
des séances de la soc. de biol. 66, Nr. 18. 1901. — AN Doerr, nach dem Referat über
Allergie und Anaphylaxie. Kolle-Wassermann Bd. II, S. 2. — 5) Wells und Osborne,
Journ. of infect. dis. 8, Nr. 1. 1911. — PI Kopaczewski, Academie des Sciences
6. II. 1921; ref. Dtsch. med. Wochenschr. 1921, Nr. 44, S. 1343.
Colorimetrische Untersuchungen über das Tryptophan.
VII. Mitteilung.
Über den Tryptophanbedarf wachsender Ratten (zugleich ein Beitrag
zur Frage der Cyclopoiese).
Von
Otto Fürth und Fritz Lieben.
(Aus der Chemischen Abteilung des Wiener Physiologischen Universitätsinstitutes.)
(Eingegangen am 7. Juni 1922.) |
Mit 2 Abbildungen im Text.
1. Fragestellung.
Bereits im Jahre 1907 waren Wilcock und Hopkins!) zur Erkenntnis
gelangt, daß Mäuse bei Ernährung mit Zein, dem tryptophanfreien
Eiweiß der Maiskörner, als einziger N-Quelle, schnell zugrunde gehen
und daß ihre Lebensdauer durch Tryptophandarreichung verdoppelt
wird. Zahlreiche (sich über ein Dezenium erstreckende) Serien von
Rattenversuchen von Th. B. Osborne und L. B. Mendel haben immer
wieder gezeigt, daß Eiweißkörper, denen die cyclischen Komplexe
des Tyrosins und Tryptophans fehlen, den Anforderungen des wachsen-
den Organismus nur unvollkommen genügen. So sind sie zu der Hypo-
these gelangt, die ‚Cyclopoiese‘‘, d.h. das Vermögen des Aufbaues
gewisser cyclischer Komplexe, sei ein Vorrecht der pflanzlichen Zellen,
im Gegensatz zu den tierischen. Der tierische Organismus wäre also
in dieser Hinsicht vom Pflanzenleben abhängig. — Zu ähnlichen Vor-
stellungen ist auch Adderhalden auf Grund seiner Versuche an Hunden
gelangt?): ‚Als eine unentbehrliche Aminosäure erwies sich das Trypto-
phan. Ernährt man z. B. Hunde mit vollständig abgebautem Casein,
dann läßt sich mit einer bestimmten Menge Stickstoff N-Gleichgewicht
herstellen. Gibt man alle Aminosäuren des Caseins im gleichen Mengen-
verhältnisse ohne Tryptophan, dann genügt das Aminosäuregemisch
nicht mehr ... Der tierische Organismus, wenigstens gilt dies für `
1) E. G. Wilcock und F. G. Hopkins, Journ. of physiol. 35, 82. 1907.
2) Vgl. E Abderhalden, Lehrb. d. physiol. Chemie, 3. Aufl., I. Teil, S. 503. 1914.
BEE
3.2, O. Fürth und Fr. Lieben:
den Hund. vermag Tryptophan nicht synthetisch zu bilden. Fehit
nun diese Aminosäure in der Nahrung. so vermag er aus den übrigen
Bausteinen kein Zelleiweiß zu bereiten. weil zum Aufbau der G:webs»-
proteine Tryptophan notwendig ist. Es sind dann in gewissem Sinne
alle zugeführten Bausteine wertlos."
Nachdem nun frühere Untersuchungen uns über den Tryptophan-
bedarf des erwachsenen Menschen!) sowie die (unter der Leitung E. Nobels
an der Wiener Kinderklinik ausgeführten) Untersuchungen Toshio Jdesi
über den Tryptophanbedarf des Kindes orientiert hatten. und da un:
überdies die Erfahrungen von Osborne und Mendel über die Ernährung
von Ratten mit künstlichen Nahrungsgemischen zur Verfügung standen.
chien es uns verlockend. bei Ratten einen vollständigen Tryptophan-
Bilanzversuch durchzuführen.
Wir haben also versucht, die Tryptophanaufnahme bei Ratten
während eines längeren Zeitraumes (22—25 Wochen) durch Zufuhr
genau bekannter Nahrungsmengen von bekanntem Tryptophangehalte
zu kontrollieren und schließlich durch Tryptophanbestimmung in den
herangewachsenen Tieren festzustellen, ein wie großer Bruchteil des
Nahrungstryptophans sich in der Körpersubstanz der herangewach-
senen Tiere wiederfindet, ein wie großer Bruchteil dagegen zerstört
oder ausgeschieden worden ist.
Wir glauben so gewissermaßen ein schematisches Beispiel für einen
Typus von Bilanzversuchen durchgeführt zu haben, die, wenn sie sich
etwa (mit der Zeit und nach Maßgabe der verbesserten analytischen
Möglichkeiten) in analoger Weise auf andere wichtige Bestandteile
des Eiweißmoleküls erstrecken würden, immerhin geeignet sein dürften.
unseren Einblick in den Mechanismus des intermediären Eiweißstoff-
wechsels zu vertiefen.
2. Versuchsanordnung.
Unsere Versuche sind an 8 Albinoratten ausgeführt worden, von
denen je 4 (A—D und E—H) dem gleichen Wurfe angehörten und die
im Alter von 6 bzw. 9 Wochen in den Versuch genommen wurden
(Anfangsgewicht bei der einen Serie 46—57 g, bei der anderen Serie
77—106 g). |
Jedes der Tiere wurde für sich in einem Glaskäfige gehalten, der aus der oberen
abgesprengten Hälfte einer 10-Liter-Flasche angefertigt und in einem passenden
Holzgestelle aufgestellt war. Die nach unten gekehrte Flaschenmündung ermög-
lichte den freien Abfluß des spärlichen Harnes. Das Tier befand sich auf einem
den Grund des Käfigs einnchmenden grobmaschigen Drahtnetze, das allwöchent-
lich nicht nur gewaschen, sondern auch sorgfältig ausgeglüht wurde. Den Deckel
1) O. Fürth und F. Lieben, diese Zeitschr. 122, 58. 1921.
2) Toshio Ide, Zeitschr. f. Kinderheilk. 31, 257. 1922; Zeitschr. f. d. ges. exp.
Med. 24. 166. 1921; Wien. med. Wochenschr. 1921, Nr. 31.
Tryptophan. VII 327
des Käfigs bildete gleichfalls ein passend geschnittenes Drahtnetz, das, um ein
Entweichen der Tiere zu verhüten, mit Gewichten belastet war. Da die Erfahrung
uns darüber belehrt hatte, daß die Ratten, wenn man sie einfach auf dem nackten
Drahtnetze hielt, schlecht gediehen, die Einbringung von Stroh o. dgl. aber jeden
quantitativen Versuch vereitelt hätte, wählten wir den Ausweg, die Käfige mit
langen zusammengeknüllten Cellulosestreifen auszulegen und so den Ratten einen
willkommenen und für ihr Gedeihen tatsächlich unentbehrlichen Unterschlupf
zu gewähren. Die mechanische Sonderung dieser Cellulosestreifen, die allwöchent-
lich erneuert wurden, von dazwischen verstreuten Nahrungsresten bereitete prak-
tisch keine Schwierigkeiten.
Besondere Aufmerksamkeit erforderte die Versorgung unserer Ratten mil
Wasser. Wie bekannt pflegen Ratten Wassertröge, die in ihre Käfige gestellt
werden, alsbald mit Vorliebe mit ihren Exkrenenten zu verunreinigen und lehrt
die Erfahrung, daß der dauernde Genuß derart verunreinigten Wassers den Tieren
nichts weniger als zuträglich ist. Um diese Schwierigkeit zu umgehen, wählten
wir einen von einem französischen Autor!) empfohlenen ebenso einfachen wie
praktischen Kunstgriff, der die Verabfolgung von Wasser ohne Verluste oder
Verunreinigungen in kontrollierbaren Mengen gestattet. Die Vorrichtung besteht
aus einem (in eine Öffnung des Deckelnetzes befestigten) mit Wasser gefüllten
Reagensglase, das nach oben durch einen Stopfen geschlossen ist und an der Kuppe
des Glases eine Öffnung von ca. 2—4 mm Durchmesser besitzt. Der aus dieser
Öffnung austretende Wassertropfen wird von der Ratte abgeleckt, worauf sich
alsbald ein neuer Wassertropfen aus der Kuppenöffnung drängt.
In bezug auf die Ernährung unserer Ratten haben wir uns die reichen
Erfahrungen von Osborne und Mendel zunutze gemacht und zunächst
getrocknete Hefe als Eiweißmaterial verwendet.
Es ist diesen um die Ernährungsphysiologie hochverdienten For-
schern?) gelungen, Ratten während der Wachstumsperiode mehr als
l Jahr lang bei einer Nahrung zu erhalten, in der Hefe die einzige
Quelle von Stickstoff und von wasserlöslichem Vitamin bildete.
Die Futtermischung bestand aus
Getrockneter Hefe. . . . . 309,
Salzmischung (s. u.) 4%,
Stärke: 2.2 & 2 Sa e 43%,
Butter ... & 5.2. &%# 9%
Speck u... 20. E 14%,
100%,
Die Salzmischung nach Osborne und Mendel?) bestand aus
CaCO 3 wm er A 134,8 g
MgCO -cossos 24,2 g
N3.00;.:- eg 2.0 a 34,2 g
Ee, 4:55 3 Ae er 4 141,3 g
H;PO, 2-2 2.2 ea i 103,2 g (= 607 eem Acid. phosphoric. Pharm. Germ.
VIII, spez. Gew. 1,10 = 17%)
HEIL... = 22 u: & 8 53,48 (= 133ccm konz. HO 40%
HSO 2% aaa 88 9,2g
1) A. Ponselle, Ann. de !’Inst. Pasteur 34, 55. 1920.
2) Th. B. Osborne und I. B. Mendel, Journ. of biol. chem. 38, 223. 1919.
Biochemische Zeitschrift Band 182. 22
328 O. Fürth und Fr. Lieben:
Citronensäure + Aqua . . 111,1g
Citronensaurers Fe . . . . 6,34g (von uns durch weinsaures Fe ersetzt:
Rs au m et e A 0,020 g
Eu, u: v2. Se Bar 0,079 g
E en Ae e A a a 0,248 g
KA (S0, ,,, . 0,025 g
Wir haben nun unser Rattenfutter genau nach diesen Vorschriften
zubereitet und dasselbe, um die Nahrungsaufnahme der Ratten ganz
genau kontrollieren zu können, zu Kuchen von ziemlich fester Konsistenz
verbacken. Stücke derselben wurden genau abgewogen und in solcher
Menge, daß die Ratten ihr Nahrungsbedürfnis voll befriedigen konnten,
durch Drahthaken an dem Deckel der Käfige aufgehängt, oder auch
einfach in die Käfige gelegt. Am Ende jeder Woche wurden die einzelnen
Ratten gewogen; die Nahrungsreste auf das Sorgfältigste gesammelt,
von den Cellulosestreifen und (mit Hilfe einer Pinzette) von den in den
Käfigen verstreuten Exkrementen gesondert und gleichfalls gewogen.
Sodann wurde jeder Käfig sorgfältig gereinigt, das Bodennetz aus-
geglüht, mit neuen zusammengeknüllten Cellulosestreifen ausgelegt,
eine neue gewogene Nahrungsportion eingebracht und der Versuch
fortgesetzt.
Bei Auswertung des Gewichtes der im Laufe einer Woche aufgenommenen
trockenen Hefe mußte der „Austrocknungsgrad‘‘ der Nahrung bei jeder einzelnen
Neubereitung des Futters berücksichtigt werden. Ein Beispiel wird den praktischen
Vorgang am besten illustrieren: Zum Beispiel wir bereiteten uns 200 g obiger
trockener Futtermischung (bestehend aus 60 g trockener Hefe, 8g Salzmischung,
86 g Reisstärke, 18 g Butter und 28 g Speck). Das Gemenge unter Zusatz von
Wasser in einer Pfanne ausgebacken, lieferte einen Kuchen von 245g Gewicht.
Von diesem Kuchen hat Ratte A in der 1. Woche 34,9 g gefressen. Es entspricht
dies in Kolonne 7 (Gewicht der im Laufe einer Woche aufgenommenen trockenen
Hefe) der Tabelle (x : 34,9 = 60 : 245) 8,7 g Hefe. Zur Berechnung der Kolonne 8
(Gewicht des im Laufe einer Woche mit der Nahrung aufgenommenen Tryptophans)
wurde der Tryptophangehalt der trockenen Hefe mit 1,2%, veranschlagt, also mit
0,012 g Tryptophan für 1 g trockener Hefe!), der Tryptophangebalt der verfütterten
Kartoffeln mit 0,05%, also rund 0,01 g pro je 20 g Kartoffeln ®).
Um den Tryptophangehalt der Nahrung ohne Herabminderung
ihres Eiwißgehaltes herunterzusetzen, haben wir im weiteren Verlaufe
der Versuche einen Teil der Hefe durch Leim ersetzt. Dabei wurde
jedoch, um den Ausfall an Tyrosin und C'ystin zu kompensieren, den
Futtergemischen ein wenig von diesen Aminosäuren zugesetzt:
1) 3 Bestimmungen in verschiedenen Proben von Trockenhefe ergaben 1,20,
1,10, 1,36 g Tryptophan mit 43,449,3 Stickstoffsubstanz. Nach König (Chemie
der Nahrungsmittel, 5. Aufl., Il, S. 307, 588, 828) enthält Hefe im Mittel 45°,
N-Substanz (mit etwa 88%, Rohprotein). — Wir fanden bei mehreren Proben für
das Rohprotein der Hefe einen Tryptophangehalt von 1,9—2,7%..
2) Vgl. O. Fürth und F. Lieben, diese Zeitschr. 122, 65. 1921.
Tryptophan. VII. 329
Hefeleimfutter Hefeleimfutter Hefeleimfuster
1 1:2 1:5
l: :
Getrocknete Preßhefe ..... 15% 10% 5%
Getrooknete Gelatine. . . ... 15% 20% 25%
Reisstärke . . 2. ....2.2.. 43% 43% 439%,
Butter, 4.2. ër E er 9% 9% 9%
Spek u, Eer 14% 14% 14%
Salzmischung . . . ..2..... 3,55% 3,55% 3,30%
Tyrosin... ee a e ie 0,35% 0,35% 0,50%
Cystin .. Se A we 0,10% 0,10% 0.20%
100,00% 100,00% 100,009,
Bei den Versuchen mit Fleisch- bzw. Milchfutter wurde die Nahrungs-
zusammensetzung des normalen Hefefutters im ganzen beibehalten
und nur die getrocknete Hefe durch Trockenmilch bzw. durch Pferde-
fleisch ersetzt.
Für die Trockenmilch hat T. Ide!) gefunden: Rohprotein 23,0%,
Tryptophangehalt der N-Substanz 2,71%, der gesamten Trockenmilch
0,63%. Wir haben in dem von uns verwendeten Präparate 21,6%,
Rohprotein gefunden (s. Tabelle).
Beim Fleischfuiter haben wir je 30 g trockener Hefe durch je 125 g
frischen Pferdefleisches ersetzt.
Nach Abschluß der Versuche wurde die Ratten durch Chloro-
form getötet und in bezug auf ihren Tryptophangehalt analysiert, wobei
wir das bei früherer Gelegenheit?) beschriebene Verfahren einhielten.
Dabei erwies es sich als zweckmäßig, die abgezogene Haut samt Schädel
und Pfoten einerseits, den ganzen übrigen Körper andererseits in toto zu
verarbeiten. Die Lösung aller Weichteile erfolgte in der heißen 30 proz.
Lauge ohne Schwierigkeiten etwa innerhalb 2 Stunden und konnten die
Knochen dann unschwer durch Filtration durch Glaswolle abgetrennt
werden. 3. Versuche.
Unsere Versuche umfassen zwei Serien zu je 4 jungen Ratten vom
gleichen Wurfe A—D einerseits, E—H andererseits. Bei den Ratten
A, B, E und F versuchten wir den Tryptophangehalt der Nahrung ohne
Änderung des Gesamteiweißgehaltes der Nahrung tunlichst herabzudrücken,
während die Tiere C, D, G, H als Kontrolltiere dienten und eine trypto- `
phanreiche Nahrung von annähernd demselben Eiweißgehalte erhielten.
a) Tempo des Wachstums:
Beobachtungs- End- Anfangs- Gewichtszunahme
Ratte dauer gewicht gewicht im ganzen pro Woche
g H g g
BW A 22 Wochen 156,0 53,6 102,4 4,66 492
el B 22 e 170,8 56,8 114,0 518| “7
EI C*) Sg 166,7 46,1 120,6 5,49 S
Clin 2 „ 148,8 47,1 10,7 48 SE
1) T. Ide, Zeitschr. f. Kinderheilk. 31, 262. 1922.
2) O. Fürth u. F. Lieben, diese Zeitschr. 109, 147. 1920.
330 O. Fürth und Fr. Lieben:
Beobachtungs- ` End. Anfangs- Gewichtszunahme
Ratte dauer gewicht gewicht im ganzen pro Woche
g B g H
[E 25 Wochen 185,0 105,7 79,3 3,17 \ 2.93
= F 25 x 157,0 89,5 67,5 2.70 j
GRO? SS 137,0 86,0 51,0 2,40 :
K S ER Be RS Es
7. H*) 35 op 176,0 11,3 99.2 3.96
Das Wachstumstempo unserer Ratten der Serie 1 war ein wesent-
lich flotteres als bei der Serie 2, deren Wachstum als ein recht träges
bezeichnet werden muß. Keinesfalls aber sind die tryptophanreich ge-
fütterten Tiere C, D, G, H wesentlich schneller gewachsen als die in bezug
auf Tryptophan viel knapper gehaltenen Tiere A, B, E, F.
Jedoch auch die Serie 1 ist lange nicht so schnell gewachsen wie die Serie der
mit Hefe als einziger N-Quelle gefütterten Ratten von Osborne und Mendel (l. ei
bei denen, wie aus dem der Arbeit beigegebenen Diagramme (Journ. of biol. chen.
38, 225. 1919) hervorgeht, in den ersten 22—25 Wochen eine mittlere Gewichts-
zunahme von ca. 6'/,g pro Woche zu verz:ichnen war.
b) Tryptophangrhalt des Ratlenkör pers:
Wir führen die Analysen unserer Versuchstiere sowie diejenigen
zweier vor Beginn des Versuches analysierter Kontrolltiere des
Wurfes I an:
Virsndkatier Gewicht des Tryptophangehalt Tryptophangehalt
Tieres absolut in Prozenten des
g g Körpergewichtes
52 0,11 0,22
44 0,11 0,25
= A 156 0,36 0,23
Wurf I. \ g 17] 0,33 0,19
C*) 161 0,36 0,22 1. pa
D*) 149 0,43 0,29 ( Mittel 0,23%,
E 185 0,45 0,24
F 157 0,38 0,24
Wurf Uu 187 0,35 0,19
Hai 176 0,43 0,24
Des Vergleiches wegen führen wir an, daß wir bei früherer Gelegen-
heit!) für ein menschliches Individuum von 58!/, kg Körpergewicht
einen Gesamttryptophangehalt von etwa 115g, das ist etwa 0,2°%.
berechnet haben. Der mittlere Tryptophangehalt des Raltenkör pers
(0,23%) ist sonach von demjenigen des menschlichen Körpers nicht
sehr verschieden.
Die Ernährung der Tiere C, D, G, H mit tryptophanreicherem Futter
hat auf den prozentischen Tryptophangehalt ihrer Leibessubstanz
keinen merklichen Einfluß ausgeübt.
m Fr EE E a
1) O. Fürth und F. Lieben, diese Zeitschr. 109, 150. 1920.
Tryptophan. VI. SEU
c) Tryptophanbilanz:
i i stryptophan
An- End- In der Gleichzeitig Vom Nahrungstryptop
ton . ; wurden
Ei es j: Sech e E d EE Geer zum Aufbau von zerstört
tier Trypto- Trypto- speichertes zugeführtes Körpersubstanz Oder Aunge:
phan phan Tryptophan Tryptophan ner a
A 0,11 0,36 0,25 3,00 8,3 91,7
B 0,11 0,33 0,22 3,11 7,7 92,3
C 0,11 0,36 0,25 4,82 5,2 94,8
D 0,11 0,43 0,32 4,74 6,7 93,3
E 0,23 0,45 0,22 3,98 5,5 94,5
F 0,23 0,38 0,15 3,82 3,9 96,1
G 0,22 0,35 0,13 5,13 2,5 97,5
H 0,21 0,43 0,22 6,03 3,6 96,3
Ein Blick auf die Tabelle belehrt uns darüber, daß von dem mit der
Nahrung zugeführten Tryptophan nur ein sehr geringer Bruchteil (3—8%)
der Leibessubstanz einverleibt wurde, weitaus die Hauptmenge jedoch
(92—97%) der Zerstörung anheimgefallen ist. Unsere Versuche stehen
also mit der Vorstellung, daß der tierische Organismus seinen Bedarf
an gewissen cyclischen Komplexen, die in letzter Linie dem Pflanzen-
reiche entstammen, vollauf aus der Nahrung zu decken vermag, und nicht
darauf angewiesen ist, derartige cyclische Komplexe selbst aufzubauen,
vollkommen im Einklange.
d) Tryptophanbedarf der Ratten:
Bei Durchsicht der Kolonnen 10 unserer Tabellen ergibt sich aus
jenen Versuchen, wo der Tryptophangehalt der Nahrung systematisch
durch Leimzugabe zur Nahrung heruntergedrückt worden war, als
untere Grenze des effektiven Tryptophanbedarfes pro 100 g Körpergewicht
und Woche:
2 Tryptophanhaltige Minimaler tophanbedarf
EES Nahrung i pro 100g en und Woche
A Hefe 0,05—0,07
B ep 0,05—0,06
E hi 0,07
e Milch 0,09
Fleisch 0,09
F Hefe 0,06—0,08
2 Milch 0,09
= Fleisch 0,08
Der minimale Tryptophanbedarf einer wachsenden Ratte kann somit,
gleichviel ob der Eiweißbedarf durch Hefe, Trockenmilch oder Fleisch
gedeckt wird, mit 0,05—0,09 g pro Woche und 100 g Körpergewicht be-
wertet werden, d. i. 0,007”—0,013 g pro Tag und 100 g oder 0,07—0,13 g
pro Tag und Kilo Körpergewicht.
Zum Vergleiche sei angeführt, daß für den Menschen sich der Tryptophanbedarf
pro Tag und kg nach den bisher vorliegenden Beobachtungen folgendermaßen stellt:
332
O. Fürth und Fr. Lieben:
Nach Toshio Ide (l. c.) Neugeborene bei ausreichender Ernährung 0,04 —0,05 g
„ optimaler
e 0,07 —0,08 g
Säuglinge „ ausreichender = 0,04 —0,06 g
ge „ optimaler e 0,05 —Q,07 g
1—2j. Kind. , ausreichender E 0,04 —0,05 g
„ normaler S 0,05 —0,10 g
Kind. üb, 2J. „ normaler
Firwachsene (japanische Normalnahrung
bei freigewählter ausgiebiger
n. Fürth u. Lieben!
TU 0,04 —9,065 E
Ernährung. -. . ...... 0,036—0,046 £
bei eingeschränkter, jedoch
eben ausreichender Ernährung 0,017—0,020 e
ER Sonach übertrifft also
160 }- Ratte 2 der minimale Tryptophan-
150 bedarf pro Tag und kg einer
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ihr Wachstum nicht zum
Stillstande gelangen soll.
Es erscheint in bezug
auf diese Feststellung
recht interessant, die In-
tensität des Gaswechsels von
Mensch und Ratte mit-
einander zu vergleichen.
A. Löwy?) bewertet
den 0,-Verbrauch des
Menschen pro Körperkilo
und Stunde mit 0,42 g.
Von Abelin?) im Asher-
schen Institute wurde der
1) O. Fürth und F. Lieben.
diese Zeitschr. 122, 85. 1921.
2) A. Löwy in Oppenheimers Handb. d. Biochem. IV, 1, S. 184. 1911.
3) J. Abelin, diese Zeitschr. 101, 205.
Fortsetzung auf $. Si.
333
Tryptophan. VII.
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Tryptophan. VII. 341
Gaswechsel junger Ratten studiert und für Individuen von 70—210 g
Körpergewicht mit 2,02—3,44 g O,-Verbrauch pro Körperkilo und
Stunde bewertet, das ist das 5—8fache des für den Menschen ermittelten
Wertes.
Vergleichen wir nunmehr auch noch die Oberflächenentwicklung des
Ratten- und des Menschenkörpers.
Ein Mensch von 60 kg Körpergewicht verfügt nach Meh!) pro kg
Körpergewicht über 314 qem Oberfläche.
Für eine Ratte von 160 g Gewicht berechnet sich nach der Formel
von Meh?) O = K Vg? (wo O die Oberfläche in Quadratzentimeter,
G das Gewicht in Gramm, K eine von Rubner für Ratten mit 9- 13
ermittelte Konstante bedeutet) die Oberfläche auf 269 qcm, oder auf
l kg.Körpergewicht umgerechnet auf 1681 qem. Demnach wäre die
Oberfläche dieser Ratte, auf die Einheit des Körpergewichtes bezogen,
mehr als ömal größer als die des Menschen.
Der relative Tryptophan-Mehrbedarf der Ratte, im Vergleiche
zum Menschen, erscheint also in bezug auf seine Größenordnung ihrem
relativ lebhafteren Gaswechsel und ihrer relativ größeren Oberflächen-
entwicklung angemessen.
Zusammenfassung.
1. Mit jungen wachsenden Albinoratten wurden Tryptophanbila:z
versuche in der Weise ausgeführt, daß ihnen genau bekannte Mengen
eines aus Hefe (bzw. Fleisch oder Trockenmilch), Stärke, Butter, Speck
und anorganischen Salzen bereiteten Nahrungsgemisches (analog dem
Vorgange von Th. B. Osborne und L. B. Mendel) zugeführt wurden.
Die so im Laufe von 22 bzw. 25 Wochen zugeführte Tryptophanmenge
wurde am Schlusse der Ver:uche mit dem Tryptophanansatze im
Körper der Ratten verglichen. Indem das tryptophanhaltige Eiweiß
schrittweise durch gleiche Mengen von tryptophanfreiem Eiweiß
(Leim) unter Zugabe von etwas Tyrosin und Cystin ersetzt worden war,
konnte festgestellt werden, wie weit die Tryptophanzufuhr eingeschränkt
werden kann, ohne daß das Wachstum der Tiere zum Stillstande gelangt.
2. Es hat sich herausgestellt, daß von dem mit der Nahrung zu-
geführten Tryptophan nur ein sehr geringer Bruchteil (3—8%) der
Leibessubstanz der Ratten einverleibt worden war, weitaus die Haupt-
menge (92—97%,) jedoch der Zerstörung anheimgefallen ist. Die Ver-
suche stehen sonach mit der Auffassung der genannten amerikanischen
Forscher über das Problem der ‚Cyclopoiese‘‘ im Einklange, derzufolge
der tierische Organismus seinen Bedarf an gewissen, in letzter Linie
dem Pflanzenreiche entstammenden cyclischen Komplexen vollauf aus
1) K. Meh, (Physiol. Inst. Tübingen), Zeitschr. f. Biol. 15, 440. 1879.
2) Vgl. A. Löwy, l. c.
342 O. Fürth und Fr. Lieben: Tryptophan. VII.
der Nahrung zu decken vermöge, und nicht darauf angewiesen sei, solche
selbst aufzubauen.
3. Der minimale Tryptophantedarf einer wachsenden Ratte kann,
gleichviel ob der Eiweißbedarf durch Hefe, Trockenmilch oder Fleisch
gedeckt wird, mit 0,07—0,13 g pro Tag und kg Körpergewicht bewertet
werden. Derselbe übertrifft den minimalen Tryptophanbedarf (pro Tag
und kg) eines menschlichen Säuglings etwa um das Doppelte, den-
jenigen eines erwachsenen Menschen um das 3—6fache. Auch bei
reichlicher Ernährung entspricht die Tryptophanaufnahme eines er-
wachsenen Menschen (pro Tag und kg) nur der Hälfte oder einem
Drittel jener Menge, welche junge Ratten nicht entbehren können.
wenn ihr Wachstum nicht zum Stillstande gelangen soll. Dieser höhere
Tryptophanbedarf der Ratten steht in bezug auf seine Größenordnung
mit dem (auf die Gewichtseinheit bezogenen) relativ lebhafteren Gas-
wechsel und der relativ größeren Körperoberfläche der Ratten im
Einklange.
4. Ein Zuxruskonsum von Tryptophan scheint an sich das Wachs-
tum der Ratten nicht zu beschleunigen und keine Anreicherung der
Leibessubstanz an Tryptophan herbeizuführen. Im Rattenkörper
wurde im Mittel 0,23%, Tryptophan gefunden, was dem mittleren
Tryptophangehalte des menschlichen Körpers annähernd gleichkommt.
Beitrag zur Chemie der Leber.
Von
Ubaldo Sammartino (Rom).
(Aus dem Laboratorium der Ludwig Spiegler-Stiftung in Wien.)
(Eingegangen am 7. Juni 1922.)
Während die Fette anderer Gewebe zu 90—94% aus Fettsäuren
bestehen, wobei nur der Ätherextrakt berücksichtigt ist, ist nach den
Untersuchungen von Noel Paton!) im Ätherextrakt der Leber nach
der Verseifung 40— 90° Fettsäure enthalten.
Vom Lebergewicht selbst bilden die Fettsäuren 3%. Der Lecithingehalt
der Leber beträgt aber nach den Untersuchungen von Lebedeff, Stolnikow*) und
Hejfter 3) 1,42—3,04% des Lebergewichtes und der Ätherextrakt besteht ungefähr
zur Hälfte aus Lecithin, wobei unter Lecithin die Phosphatide überhaupt verstan-
den werden, da die Lecithinbestimmung in diesen Experimenten in der Weise
geschah, daß man aus dem Phosphorgehalte nach der Veraschung mit Kali und
Salpeter die Lecithinmenge errechnete.
Im Hungerzustande bildet das Lecithin den größten Teil des Ätherextraktes,
wenn man aber mit Fetten reichlich ernährt, den kleinsten Teil. Gewöhnlich ist
im Lecithin die Hälfte der Fettsäuren enthalten und bei fettreicher Nahrung sinkt
verhältnismäßig der Fettgehalt. Im Ätherextrakt hat Heffter keinen Schwefel
vorgefunden. Wir können diese Resultate bestätigen und erweitern, wir fanden in
keinem der ätherlöslichen Fraktionen Sulfatide. Paton hat zwar einmal im Äther-
extrakt einer Kaninchenleber 0,14%, Schwefel gefunden, von dem man annimmt,
daß er dem Jekorin angehört. Da nun inzwischen erwiesen wurde, daß das Jekorin
keine einheitliche Substanz ist, so ist anzunehmen, daß in diesem Ätherextrakt,
wie es ja häufig zu beobachten ist, vorerst etwas weiße Materie hineingeht; auf
diese Beimengung ist nach den Untersuchungen dieses Laboratoriums?) jener
Schwefelgehalt zurückzuführen. Cholesterin wurde von Noel Paton nur in kleinen
Quanten gefunden, auch wir haben freies Cholesterin in der Pferdeleber nur in
kleinen Mengen, und zwar nur 2g in 8 kg Pferdeleber gefunden. Die von Drechsel
Jekorin benannte Substanz), welche er mit kaltem, absolutem Alkohol aus der
Leber extrahierte und welche Kohlenhydrate enthielt und nach seinen Angaben
!) Journ. of physiol. 19, 167. 1895/96.
2) Du Boy-Reymonds Arch., physiol. Abt.. 1887.
3) Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. %8, 97—112.
*) Siehe Abderhaldens Handbuch der biochemischen Arbeitsmethode II. Aufl.
Abt. I, Teil 6, Fränkel, Lipoide; Fränkel und Gilbert, diese Zeitschr. 124. 1921.
5) Ber. d. sächs. Ges. d. Wis. 1886. S. 144 und ‚Journ. f. prakt. Chem. 33,
425—432.
Biochemische Zeitschrift Rand 1:2. 23
344 U. Sammartino:
auf 5 Atome Stickstoff, 1 Atom Schwefel und 3 Atome Phosphor ergab, hat a:
inzwischen als ein Gemenge erwiesen, das sicherlich aus einem Lecithinantei.
und einem Kephalinanteil besteht sowie aus einem Phosphorsulfatid.
Wir konnten ebenso wie andere Autoren, die von Drechsel beschriebene angeb-
liche Verbindung nicht darstellen, fanden aber die inzwischen wohl studierten, 1
anderen Lipoidgemengen vorkommenden Verbindungen.
Die Lecithinmenge in der normalen Leber fand z. B. Balthazard *) ungefähr
1,30%. Entgegen der Meinung vieler Autoren, welche Drechsels Jekorin, wie er
es beschrieben hat, nicht wiederfinden konnten, hat Baskoff?) angenommen, da)
das Jekorin wohl nicht ein einheitlicher Körper ist, es aber einen Komplex dar-
stellt, der aus Leeithinspuren, einer schwefelhaltigen Verbindung und anorganischen
Substanzen besteht. Wenn man nun Jekorin nach der Drechselschen Method:
darstellt und dieses reinigt, erhält man schließlich aus der Leber eine Substanz.
welche glatt in Äther löslich und durch Alkohol aus der Leber fällbar ist. Dix
Verbindung hat eine konstante Zusammensetzung in bezug auf Stickstoff und
Phosphor, und zwar kommt fast genau auf 2 Atome Stickstoff 1 Atom Phosphi
und der Gehalt an Glykose ist genau 142%.
Man sieht aus diesen Untersuchungen von Baskoff, daß sein Jekorin in seiner.
physikalischen Eigenschaften wenigstens genau mit dem Kephalin übereinstimnit.
und es ist eine nach unseren Erfahrungen für das Kephalin sehr charakteristischt
Eigenschaft, daß es ungemein stark lösende Eigenschaften für andere Substanzen,
auch für anorganische hat. So konnte ja S. Fränkel und Neubauer schon vor lanser
Zeit zeigen, daß Kephalin selbst in Petroläther große Mengen anorganischer Sub,
stanzen hineinlösen kann und erst über Wasser gereinigt werden muß, wie zuerst
Thudichum und später in viel einfacherer Weise S. Fränkel und Neubauer vor-
geschlagen haben.
Die von Baskoff gefundene Substanz, welche 2 Stickstoffe und 1 Phosphor
gibt, haben wir im Gange der Untersuchungen dort gefunden, wo man Kephalin
findet, während man ja sonst im Gebirne Kephalin findet, welches nach ge-
nügender Reinigung die richtige Proportion 1 Stickstoff zu 1 Phosphor zeigt. Es
ist daher die Möglichkeit gegeben, daß das basische Kephalin mit einem sauren.
stickstoffhahigen Spaltling, etwa des Leecithins oder des Kephalins selbst, eine
salzartige Verbindung in äquivalenter Menge gibt, oder aber daß die letzte saure
Gruppe der Phosphorsäure des Kephalins mit einer hydroxylhaltigen Base, sei es
der Aminoäthylalkohol, sei es, was viel wahrscheinlicher ist, das Cholin, esterartig
verbunden ist.
Es ist auffällig, daß sehr verschiedene Forscher mit einer ungleichen Technik
an Stelle des Kephalins in einzelnen Organen solche 2 Atome Stickstoff und 1 Atom
Phosphor enthaltende Substanzen an Stelle des Kephalins, welches ein Mono-
aminophosphatid ist, finden. Bernatzky hat eine dem Jekorin ähnlich zusammen-
gesetzte Substanz aus dem Knochenmarke des Pferdes darstellen können.
Armando Frank?) hat aus der Leber ein Kephalin isoliert, welches die Rela-
tion Stickstoff zu Phosphor wie 1: 1,03 hatte, ebenso hat Levene ein Kephalin
mit dêr richtigen Relation aus der Leber erhalten; in einem Falle aber erhielt er
Kephalin, welches 2 Atome Stickstoff und 1 Atom Phosphor enthielt.
Wir haben nach folgender Methode gearbeitet:
9 kg ganz frischer Pferdeleber wurden mit der Schere von den
großen Gefäßen befreit, durch die Fleischmaschine getrieben und in
1) Cpt. rend. des seances de la soc. de biol. 53, 922. 1894.
2) Zeitschr. f. physiol. Chem. 57 (B), 395—460.
3) Diese Zeitschr. 50, 273—282.
Zur Chemie der Leber. 345
unserem großen Vakuumtrockenschrank bei sehr niedriger Temperatur
von der Hauptmasse des Wassers befreit. Wir erhielten 2,04 kg Trocken-
substanz, die man auf einer Seck-Mühle auf das feinste pulverisierte,
im großen Metallsoxhlet mit leicht siedendem Petroläther extrahierte.
Das mit Petroläther erschöpfte Pulver wurde mit Alkohol erschöpfend
ausgekocht. Der Petroläther wurde im Vakuum abdestilliert und die
konzentrierte Lösung mit der etwa 4—öfachen Menge Aceton gefällt.
Die durch Aceton erzeugte Fällung wurde wieder mit möglichst wenig
Petroläther gelöst.
Diese petrolätherische Lösung läßt man 24 Stunden stehen, um
eventuell weiße Substanz abzuscheiden. Es haben sich aber nur
Spuren einer solchen abgeschieden, von der man die petrolätherische
Lösung abfiltrierte, und nun wurde die Kephalinfraktion in bekannter
Weise mit absolutem Alkohol gefällt. Das petrolätherisch-alkoholische
Filtrat wurde hierauf im Vakuum stark konzentriert, und es scheiden
sich hierbei drei Fraktionen von Krystallen ab, welche weder Stickstoff
noch Phosphor enthalten und über deren Identifikation wir später
sprechen werden.
Die von den krystallinischen Substanzen nun abgetrennte Mutter-
lauge wurde mit einer schwach ammoniakalischen, alkoholischen Blei-
zuckerlösung gefällt. Nach Abfiltrieren des Bleiniederschlages wurde
eine alkoholische Schwefelsäurelösung zugesetzt, um sowohl den Blei-
überschuß, als auch den Ammoniaküberschuß in Form von Sulfaten zu
entfernen. Das Fällen mit ammoniakalischem Blei wurde fraktioniert
durchgeführt. Nach Entfernung des Blei- und Ammoniaküberschusses
mit Schwefelsäure wurde das Filtrat mit Aceton gefällt und gut durch-
gewaschen, hierauf die Fällung (Lecithinfraktion) in alkoholischer
Lösung mit alkoholischer Chlorcadmiumlösung gefällt, welche aber nur
eine kleine Menge Lecithin fällte. Wir werden später sehen, daß die
Hauptmasse des Lecithins aus der Leber nicht in die petrolätherische,
sondern in die alkoholische Fraktion übergegangen ist.
Nach der Fällung mit Chlorcadmium wurde aus den Mutterlaugen
noch Cholesterin gewonnen, die Mutterlauge selbst nach der Entfernung
des Cadmiumchlorids hatte eine ölige Konsistenz, gab weder mit Pikrin-
säure, noch mit Sublimat eine Fällung und enthielt weder Stickstoff
noch Phosphor.
Das Acetonfiltrat wurde im Vakuum etwa auf 40 cem konzentriert.
Es krystallisierten einige Fraktionen von Cholesterinestern, die später
beschrieben werden sollen. Nach Abscheidung der Cholesterinester
wurde der Rückstand mit Alkohol gelöst und mit ammoniakalischer,
alkoholischer Bleiacetatlösung gefällt. Die Bleifällung enthielt weder
Stickstoff noch Phosphor. Sie wurde mit verdünnter Schwefelsäure
und Äther zerlegt und. die freien Fettsäuren gingen in den Äther über.
23*
346 U. Sammartino:
Man erhielt eine Mischung von Fettsäuren, die den Schmelzpunkt 54
zeigten und ein Gemenge von Ölsäure, Palmitinsäure und Stearinsäure
darstellten. Wegen des geringen Interesses wurde nur die Gegenwart
von freien Fettsäuren in größeren Mengen in der Leber konstatiert,
ohne auf die Scheidung der einzelnen weiteren Wert zu legen.
Der Versuch beweist das Vorkommen von vielen freien Fettsäuren
in der Leber neben den Neutralfetten.
Man entfernte hierauf den Überschuß des Bleies und des Ammo-
niaks durch Zusatz von Schwefelsäure und engte wieder ein. und bekam
eine Krystallisation von reinem Cholesterin.
Nach der Abscheidung des Cholesterins gibt das Filtrat noch immer
die Farbenreaktion des Cholesterins, ebenso aber auch die Reaktion
von Stickstoff und Phosphor. Das Öl wurde nun, um über die Natur
der Cholesterinverbindungen und Fette orientiert zu werden, mit
Natriumäthylat verseift.
Diese Seifenlösung wurde in Wasser gelöst, mit Salzsäure neutrali-
siert und mit Chlorcaleiumlösung gefällt, die Kalkseifenfällung bis zum
Verschwinden der Chlorreaktion gewaschen und im Soxhlet mit Äther
extrahiert. Der in Äther unlösliche Anteil wurde in einer Reibschale
mit verdünnter Salzsäure verrieben und dann mit Wasser ausgewaschen
und die Fettsäuren aus Aceton unkrystallisiert. Man erhielt eine Fett-
säure, welche den Schmelzpunkt 62° hatte und der mit dem der Pal-
mitinsäure übereinstimmt.
Der in Äther lösliche Anteil wurde mit Alkohol ausgekocht, wobei
reines Cholesterin in Lösung ging. welches nach einmaligem Um-
krystallisieren aus Alkohol den richtigen Schmelzpunkt gab. In der
ätherlöslichen Kalkseife wurde die Jodzahl bestimmt.
Da die Kalkseifen nach diesem Vorgang nur die ungesättigten
Fettsäuren enthielten, wurde die Jodzahl nach Hübel bestimmt,
0,8347 g Substanz verbrauchten 54,2 "/ ,Jodlösung, das ist ent-
sprechend einer Jodzahl von 77,08. Die Jodzahl der freien Fettsäuren
berechnet sich daher auf 82.25°,. während reine Ölsäure die ‚Jodzahl
%.07 hat.
In der ätherlöslichen Kalkseife machten wir nun eine Bestimmung
des Calciums. 0.2039 g gaben 0,0444 g Calciumsulfat. Das entspricht
6.41% Calcium. Die Theorie für ölsaures Calcium verlangt Gol,
Calcium. Wir haben also hier bei der Verseifung Fette gefunden, die
aus Palmitinsäure und Ölsäure bestehen und wohl mit Glycerin und
Cholesterin verestert sind.
Die Gegenwart reiner Ölsäure in diesen Fetten ist dadurch sicher.
gestellt und die Gegenwart stärker ungesättigter Fettsäuren aus-
geschlossen. |
Zur Chemie der Leber. 347
Alkoholische Fraktion.
Die mit Petroläther erschöpfte Masse wurde nun vom Petroläther
im Vakuum befreit und mehrere Male mit Alkohol unter Rückfluß-
kühlung ausgekocht und das alkoholische Extrakt siedend heiß filtriert.
Aus diesem alkoholischen, heißen Extrakt schied sich beim Ab-
kühlen ‚weiße Substanz‘ ab, welche, aus siedendem Alkohol umkrystalli-
siert, sich als schwefelhaltig und phosphorhaltig erwies, und in ihrem
ganzen Wesen an die weiße Materie aus dem Gehirne erinnert, um so
mehr, als sie die Reaktion mit Orcin, Salzsäure, Eisenchlorid und
Amylalkohol gab, aber zum Unterschiede vom Gehirn und auch von
der Lunge, welches Gewebe sehr viel von dieser weißen Materie ent-
hält, zeigte die Leber, trotzdem wir sehr viel Gewebe zu diesem Ver-
such benutzten, nur sehr geringe Mengen dieser Mischung von Sphingo-
galactosiden und Phosphorsulfatiden.
Die alkoholische Lösung wurde nun nach Abscheidung der weißen
Materie spektralanalytisch untersucht. Wir haben eine Lichtaus-
löschung von orange bis violett beobachtet. Diese Auslöschung ent-
spricht ungefähr noch den Vierordtschen Beobachtungen!), dem spek-
troskopischen Verhalten des Biliverdins und vielleicht Bilifuseins, welche
ein solches Verhalten zeigten, während wir Urobilin nicht finden konnten.
Aus den konzentrierten alkoholischen Lösungen schieden sich wieder
Substanzen ab, welche sich als eine Mischung von weißer Materie und
Fett herausstellten und mittels Äther getrennt werden konnten.
Hierauf wurde die alkoholische konzentrierte Lösung mit Aceton
gefällt. wobei ein großes Quantum phosphorhaltiger Substanzen heraus-
fiel, die besonders untersucht wurden. Aus der acetonigen Lösung
schieden sich mehrfache Glyceride von Fettsäuren ab, welche nach
dem Umkrystallisieren Schmelzpunkte von 59—60° zeigten.
Mit alkoholischem Blei fiel aus der acetonigen Lösung nichts, mit
Cadmiumchloridlösung fiel aber ein Niederschlag aus.
Wir sehen also, daß aus der Leber Petroläther nur wenig Lecithin
entfernt, daß die Hauptmasse erst durch Alkohol extrahiert wird und
daß ein Teil dieser Phosphatide in Aceton übergeht, wahrscheinlich
in Gegenwart der Fette.
In der Mutterlauge der Fällung des Lecithins mit Chlorcadmium
fanden wir, nachdem wir das Cadmium und die Salzsäure entfernt
hatten, etwas Neutralfette.e. Nach der Reinigung mit etwas Fuller-
erde und Tierkohle bekamen wir aus diesem stickstoff- und phosphor-
freiem Gemenge Glycerinfette, welche keine Spur einer Cholesterin-
reaktion zeigten und in verschiedenen Fraktionen krystallisierten, deren
1) Zeitschr. f. Biol. 10, 45, 1874: Krüss. Colorimeter 220. 1891: Zumbusch,
Zeitschr. f. physiol. Chem. 31, 446. 1901.
348 U. Sammartino:
Schmelzpunkte 56, 57, 60, 61° betrugen. Mit Piperidin, Borsaur«
anhydıid und Nitroprussidnatiium fanden wir die Reaktion des Glycerin
Wir fanden neben diesen Substanzen Verbindungen, die in Ather
sehr schwer löslich waren, die wir aus siedendem Alkohol umkrystaili-
sierten, welche weder Stickstoff, noch Schwefel, noch Phosphor ent-
hielten, die die bekannte Glycerinreaktion sehr deutlich gaben und deren
Schmelzpunkt 76° war. Die Substanz war löslich in Benzol und liet
sich aus diesem durch Alkohol wieder fällen. Aller Wahrscheinlichkeit
handelt es sich um Mono- oder Diglyceride, welche in Äther schwer
löslich sind.
Das nichtkrystallisierende Öl, welches hinterblieb. enthielt wedo
Stickstoff noch Phosphor, sondern bestand aus den flüssigen Leber
fetten, welche sowohl die Glycerinreaktion, als auch die Cholesterin-
reaktion gaben.
Kephalinfraktion: Kephalin. Die mit Alkohol gefällte Substanz
wurde mehrfach mit Aceton ausgewaschen, bis die Cholesterinreaktio:
verschwunden war, hierauf wieder in Äther gelöst und mit Alkoh«
gefällt, und zwar 3 mal, und die letzte zentrifugierte Fällung wurde mit
Wasser angerieben, zentrifugiert und die kolloidale Lösung mit Sak-
säure gefällt, die Fällung zentrifugiert und mit schwach saurem Wasser
auf der Zentrifuge gewaschen.
Über das Kephalin der Leber sind bereits zahlreiche Arbeiten erschienen.
ohne daß diese Substanz völlig aufgeklärt wäre. Jedenfalls ist die Wahrschein-
lichkeit sehr groß, daß trotz "der etwas differierenden Analysenzahlen, welch:
Armando Frank!) und ebenso P. A. Lerene und C. J. West?) erhalten hat. das
Leberkephalin mit dem Gehirnkephalin übereinstimmt. Merkwürdigerweise fanden
auch Levene und West die Relation zwischen Stickstoff und Phosphor 1 : 1 abe:
auch wir haben es öfters gesehen, daß 2 Stickstoffe auf 1 Phosphor kommen. Wir
haben uns in der Arbeit über das Kephalin der Lunge über diese Differenz se-
äußert. Bei der Reinigung beider Präparate, auf dem schon öfters beschriebenen
Wege, konnten wir die Relation von 1 Stickstoff und 1 Phosphor mit einer kleinen
Differenz beobachten. 3,94 mg getrocknete Substanz gaben an 20° Temp.
1,52 B., Vol. 0,068 cem N, d. i. 1,99%; 4,84 mg Substanz gaben 0,1368 me
Ammoniumphosphormolybdat, entsprechend 4,10% P.
Lecithin: Die Lzeithinchlorcadmiumfällung wurde aus 96 proz. Alkohol
umkrystallisiert.
Stickstoffbestimmung nach Dumas: 4,058 mg gaben Stickstoff Vol. 0.079 cem.
B. 740, Temp. 20°, d. i. 1,919, Stickstoff.
7,910 mg gaben an B. 756, Temp. 18° gaben Vol. 0,132 cem N, d.
N. Lëtze,
Phosphor nach Hans Lieb: 5,60 mg gaben Ammoniumphosphormolyrbdat
0,1563 ccm, d. i 4,05, Phosphor.
Cadmiumbestimmung: 0,0321 g Substanz gaben 0,0082 eem CdSO,. d. i
13,779, Cd; die Verhältniszahlen des Cadmium., Stickstoff und Phosphor sind fast
genau 1L:1:l.
1) Diese Zeitschr. 50, 273. 1913.
2) Journ. of biol. chim. 24. 11. 1916.
Zur Chemie der Leber. ' 349
M yristinsäure. Unter den Fettsäuren, die wir isoliert haben,
erfordert eine größere Aufmerksamkeit, das ist der Befund von freier
Myristinsäure in der Leber. Armando Frank hat aus dem Aceton-
extrakt der Leber eine Substanz isoliert, welche nach mehrfachem
Umkrystallisieren sich als Trimyristin erwies, wie man es häufig in
Pflanzenfetten, besonders in der Muskatbutter und auch im Lebertran
nachweisen kann.
Wir konnten in der Bleifällung und im Petrolätherextrakt auf
folgende Weise das Bleisalz der freien Myristinsäure isolieren: Die
Petroläther-Substanz wurde nach Abscheidung des Kephalins mit ammo-
niakalischem, essigsaurem Blei in alkoholischer Lösung gefällt und die
Bleifällung aus siedendem Alkohol umkrystallisiert. Wir erhielten ein
Bleisalz, welches nach mehrfachen Umkrystallisieren folgenden Blei-
gehalt aufwies: 0,2092 g im Vakuum getrocknete Substanz gab 0,0950 g
Bleisulfat, das ist 31,03% Blei. Blei berechnet für myristinsaures Blei
31,3%-
Diese freie Myristinsäure dürfte mit der Myristinsäure korrespon-
dieren, welche man in der Galle bereits nachweisen konnte.
Buttersäure. In der Galaktosidfraktion konnten wir beim Um-
krystallisieren einen in Alkohol sehr schwer löslichen Körper isolieren,
welcher sich bei näherer Untersuchung als das Bariumsalz der Butter-
säure erwies, so daß auch diese Säure in freiem Zustand in der Leber
vorhanden ist. 0,2009 g im Trockenschranke bei 100° getrocknete
Substanz gab 0,0150 g Bariumsulfat, das ist 43,94%, Ba, berechnet für
huttersaures Barium 44,10%, Ba. Der Schmelzpunkt unseres Barium-
butyrats betrug 211°. |
Die Buttersäure wurde nachgewiesen durch die Analyse des Barium-
salzes. sowie durch die Veresterung der Buttersäure durch Zusatz von
absolutem Alkohol und konzentrierter Schwefelsäure nach Castellana,
wobei sich der buttersaure Äthvlester durch seinen charakteristischen
Gebrauch verrät.
Fettsäuren. Wir fanden neben dem myristinsauren Blei noch
andere freie gesättigte und ungesättigte Fettsäuren. wie Palmitin-
säure, Stearin- und Ölsäure.
0,1304 g im Vakuum getrocknete Substanz von dem Schmelzpunkt
115° gaben 0,0758g Bleisulfat, das ist Pb 25,11%. Berechnet für
stearinsaures Blei 26,76°, Blei. Das Bleisalz der Stearinsäure schmilzt
von 115— 116° (Lewkowitsch).
0,2080 im Vakuum getrocknete Substanz (palmitinsaures Blei) gaben
0,0867 g Bleisulfat, da; ist 28,48%, Blei. Durch wiederholte fraktio-
nierte Krystallisation und Fällung der Salze wurden hier Palmitin-
säure und Stearinsäure getrennt.
Neutralfette. Wir fanden außer den schon beschriebenen Fetten
350 U. Sammartino:
noch Glycerinfette mit dem Schmelzpunkt 72,5°. Dieser Schmelz-
punkt stimmt mit dem in der Literatur vorgefundenen nur für das
x-Di-Stearin überein.
Wir fanden dann eine weitere Substanz mit dem Schmelzpunkt 7 .
Einen ähnlichen Schmelzpunkt finden wir nur in einer Angabe von
Kraft, für das Glycerinmonostearat.
C'holesterinester. Wir haben in der Leber eine sehr große Menge
von Cholesterinestern gefunden, und zwar 12,40 g konnten wir aus
9 kg feuchter Leber krystallisiert gewinnen, wobei der große Ver-
lust bei der Krystallisation und bei der Gewinnung natürlich sehr
in die Wagschale fällt. Wir erhielten eine Reihe Fraktionen, unter
anderen eine Fraktion mit dem Schmelzpunkt 77°, welcher genau mit
dem Schmelzpunkt des Cholesterinpalmitat übereinstimmt.
Die Hauptmasse der Ester verseiften wir mit Natriumäthylat und
konnten aus dem Verseifungsprodukt nach dem bekannten Verfahren
reines Cholesterin mit dem richtigen Schmelzpunkt gewinnen. Die
Fettsäuren erwiesen sich der Hauptsache nach aus Palmitinsäure
bestehend, und in kleinsten Mengen erhielten wir eine Fraktion, welche
den Schmelzpunkt der Stearinsäure hatte.
Sphingogalaktoside. Alle Fraktionen der weißen Materie, die sich
sowohl aus der Benzinfraktion, als auch aus der Alkoholfraktion ab-
geschieden hatten, wurden mit Äther extrahiert und mit Äthylalkohol
gelöst und nach dem von uns beschriebenen Verfahren mit methyl-
alkoholischem Baryt gefällt. Die Fällung wurde nach dem Auskühlen
abgesaugt, mit Wasser gewaschen, hierauf mit Wasser bedeckt und
mit Kohlensäure zerlegt. Die Verbindung wurde nun abgesaugt und
ausgewaschen, mit kaltem Alkohol vom Wasser befreit und mit sieden-
dem Alkohol die Fraktion der Sphingogalaktoside von den Barium-
salzen getrennt. Es wurde solange mit siedendem Alkohol ausgekocht,
bis der Rückstand die Orein-Salzsäure-Eisenchlorid-Amylalkoholreak-
tion nicht mehr gab. Die Galaktosidfraktion gab den Schmelzpunkt
190° und erwies sich frei von Schwefel und Phosphor. Eine weitere
Trennung der Sphingogalaktoside wurde nicht mehr vorgenommen.
Die Menge der getrockneten Sphingogalaktoside war sehr gering, ebenso
war die Menge der weißen Materie sehr gering. Den schwefel- und
phosphorhaltigen Rückstand der Bariumsalze haben wir mit siedendem
Benzol aufgenommen, analog dem Verfahren von S. Fränkel und
O. Gilbert?) Die benzolische Lösung gab mit Alkohol gefällt nur einen
sehr geringen Niederschlag der Verbindung, welche mit der von
Fränkel und Gilbert beschriebenen Hirnsäure korrespondieren müßte.
Von den Phosphorsulfatiden sind nach unseren Untersuchungen nur
sehr wenig in der Leber enthalten.
1) Diese Zeitschr. 124, 206. 1921.
Zur Chemie der Leber. 351
Das Auffällige bei unseren Befunden ist, daß wir neben den Gly-
cerin- und den Cholesterinfetten, ohne irgendeine Verseifung vorzu-
nehmen, in dem mit Lösungsmitteln erhaltenen Extrakt freie Fett-
säuren fanden, und zwar in recht beträchtlichen Mengen. Gegen-
wärtig herrscht die Annahme, daß die Glycerinfette im Darm ge-
spalten werden. Ihr gegenüber steht die andere Annahme, daß ein
relativ kleiner Teil des Fettes gespalten wird, die Hauptmenge aber
in Form feinster Tröpfchen direkt zur Resorption gelangt. Die
erstere Annahme hat den viel höheren Grad der Wahrscheinlich-
keit für sich und im Anschluß an diese Annahme muß, da ja in der
Lymphe Neutralfette gefunden werden, eine Rücksynthese der Fette
in der Darmwand stattfinden. Aber nicht nur bei der Verfütterung
von Neutralfetten, sondern auch von Fettsäuren oder Seifen, ebenso
bei der Verfütterung von Monoglyceriden erhält man im Chylus Tri-
glyceride. Nicht untersucht ist, was mit dem Fettsäureäthylester
und dem Fettsäureglykolester, welche im Darnkanal ausgenutzt
werden, geschieht, ob auch aus diesen Triglyceride entstehen. Die
Fette nehmen nun ihren Weg der Hauptsache nach in den Lymph-
strom und gehen durch den Ductus Iymphaticus in die Vena cava.
Ein anderer Teil geht aber, wie der Zucker, durch den Pfortaderkreis-
lauf in die Leber.
Es wurden auch schon in früherer Zeit freie Fettsäuren in der Leber
von Noel Paton beobachtet, ohne daß diesem Umstande irgendeine
besondere Beachtung geschenkt wurde. Bei der Autolyse der Leber
wurde wohl eine starke Säuerung mehrfach beobachtet. Die Säuerung
bei der Autolyse stammt aber hauptsächlich von der Milchsäure her,
zum Teil aber auch von der Buttersäure. Die Milchsäure stammt ent-
weder von Eiweißkörpern oder Kohlenhydraten ab.
Es ist nun von großem Interesse hier zu sehen, daß man gerade
in der Leber sehr viele und verschiedenartige freie Fettsäuren findet,
die entweder dafür sprechen, daß die Leber zugeführte Neutralfette
spaltet und sie dort zum Abbau bringt, wofür vielleicht die Gegenwart
der Buttersäure sprechen würde, oder daß Fettsäuren, die der Synthese
in der Darmwand entgangen sind, nicht den Weg des Lymphstromes
laufen, sondern wie der Zucker, durch die Pfortader der Leber zu-
geführt werden und dort zur weiteren Umsetzung gelangen, sei es durch
Oxydation, sei es durch Synthese, wobei die erstere Annahme die wahr-
scheinlichere ist.
Die Wirkung der Amine auf die Gärung.
Von
Julius Orient.
(Aus dem Toxikologischen Institut der Universität Cluj [Klausenburge]. Ruman»:
(Eingegangen am 7. Juni 1922.)
Es ist experimentell festgestellt, daß die Wirkung eines Fermente
durch physikalische und chemische Einflüsse bis zu gewissem Gruf
Veränderungen erleidet. daß durch sie die Fermentwirkung vergröber
verkleinert oder auch vernichtet werden kann. Die Untersuchungze:.
über die Natur der Fermente führten in den letzten Jahren zur Kennt
nis solcher Stoffe, die eine spezifische Wirkung zeigen und deren chem!
sche Konstitution zur Zeit noch unbekannt ist.
Die Wirkung der Enzyme kann durch gewisse chemische Verbindungen stark
beeinflußt und in Gegenwart von großen Mengen dieser Verbindungen kann zy
auch vernichtet werden. Es wurde festgestellt, daß der Wirkungsgrad di»
Verbindungen auf die Enzyme von der Struktur der Moleküle abhängt, d. h. von
der Stellung der Atomgruppen im Molekül und auch von Unterschieden in dies?
Gruppen. So z. B. unterscheidet sich das Chinin vom Cinchonin dadurch, dab
ersteres ein Methoxylradikal enthält, das letzterem fehlt. Diese Methoxvlerupp
sibt dem Chinin eine gärungshemmende Wirkung, während Cinchonin wirkung-
los ist!).
CH. CH- CH- CH = CH;
CH,
CH,
CH N CH,
CH- ON
CHOS /
e ` Chinin.
Es gibt auch chemische Verbindungen, die eine vorteilhafte Wirkung auf En-
zyme ausüben. Die eine Gruppe der auf das Enzym wirkenden Stoffe lähmt das
Enzym selbst; diese sind katalysehemmende Verbindungen (Paralysatoren) oder
aber — und das ist eine zweite Gruppe — sie steigern die Gärung (Aktivatoren).
1) Fühner, Nachweis und Bestimmung von Giften auf biologischem Wege,
1911, S. 18.
Jul. Orient: Wirkung der Amine auf die Gärung. 353
Es gibt auch Stoffe, welche die Wirkung der Reaktion der Enzyme beeinflussen,
je nachdem ihre eigene Wirkung in die gleiche Richtung fällt mit jener des Enzyms
oder in die entgegengesetzte. Der Mechanismus derartiger Substanzen ist in einer
chemischen Reaktion zwischen diesem beeinflussenden Stoffe und dem Enzym zu
suchen. Endlich ist es auch möglich, daß die wirkende Verbindung den Einfluß
eines dem Enzym entgegengesetzten schädlichen Stoffes lähmt, wie z. B. im Falle
der Einwirkung von Chinin auf Zymase, wo das Chinin die Wirkung der Zymase
nicht direkt erhöht, sondern die neben der Zymase vorkommende Endotryptase
lähmt, und dadurch eine energischere Wirkung der Zymase erreicht.
Eine ähnliche Erscheinung finden wir auch bei der Isobuttersäure. In einer
0,01—0,05 proz. Isobuttersäurelösung wird die Gärung gesteigert, eine 0,1 proz.
Lösung verkleinert sie aber schon beträchtlich. Nach Justin ist sie bis zu einer
Konzentration von 1°, ein Aktivator, aber in einer von 2°,, schon Paralysator!).
Die zugefügten Substanzen können nicht nur auf das Enzym,
sondern auch auf die durch die Enzymwirkung sich verändernden
Ausgangsstoffe wirken, und zwar am häufigsten dadurch, daß zwischen
diesen zwei Substanzen eine chemische Wechselwirkung erfolgt, z. B.
eine Salzbildung, durch die der Ausgangsstoff zur Aufnahme des Enzyms
mehr oder minder geeignet wird®?). Die Zusätze können auch für die
Enzyme schädlich, also Gifte sein.
Solche sind die Säuren, Basen und in gewisser größeren Konzen-
tration die Fluoride, die Quecksilbersalze, Arsensulfid, HCN, Phenol,
Hydroxylamin?), Formaldehyd oder auch Tannin, durch welches das
Enzym gefällt oder absorbiert wird. Nicotin hemmt die Wirkungen
von Emulsin und Invertin®), einige Alkaloide haben z. B. auf die
Gärung einen sehr geringen Einfluß).
Umfangreiche Versuche über Stimulatoren der Gärung haben in den
letzten Jahren C. Neuberg und seine Mitarbeiter M. Ehrlich, M. Sand-
berg, sowie E. Reinfurth mit Erfolg ausgeführt. Sie haben auch Alde-
hyde. Aldehvd-ammoniake, Alkaloide usw. benutzt®).
Außer der die alkoholische Gärung hervorrufenden Zymase gibt
es auch einen anderen Stoff, das sogenannte Koenzym, welches die an
sich wirkungslose Zymase in lebhafte Wirkung versetzt.
Ich untersuchte einige Amine. Sie gehören zu den typischen Fäulnis-
basen. Basische Stoffe sind in ihrem Einfluß auf den Gärverlauf früher
bereits von Neuberg und Sandberg’) geprüft worden.
1) Hayduk und Justin Delbrück, Spiritusfabrikation.
3) Aso, K. Bull. des College of Agriculture Tokyo 6, 757—775.
3) Harden und Young, Proc. of the roy. soc. of London 80, 299. 1908.
1) Morat, Cpt. rend. des séances de la soc. de biol. 1893, S. 116.
5) Oppenheimer, Fermente Bd. I. 1913.
8) Neuberg, Sitzungsber. d. preuß. Akad. d. Wiss. 1917; Neuberg u. Mit-
arbeiter, diese Zeitschr. 1918—1922.
?) Neuberg und Sandberg, diese Zeitschr. 109, 222. 1920; 125, 203. 1922; vgl.
auch Neuberg und Ursum, diese Zeitschr. 110, 193. 1920.
354 Jul. Orient:
‚Monoumın.
1. Methylamin-chlorhydrat (CH,- NH,- HCl). CH,- NH3. HC; H. Dr
methylamin-chlorhydrat (CH,),- NH - HCl; III. Trimethylamin-chlor-
hydrat(CH,),N - HOI: IV.Cholin (Trimethyl-oxyäthyl-ammoniumhydroxyd)
(CH,)„N(OH) - CH, - CH,OH;; V. Muscarin-nitrat: VI. Betain-chlorh ydrat
OHN(CH,), - CH, - COOH.
Diamine.
VII. Pentamethylen - diamin - chlorhydrat (NH,(CH,),NH,- HCI):
VIII. Delfinin (C.H,,NO,); IX. Curare. Unter Curare ist das käufliche
Curare zu verstehen.
Stickstoffhaltige Kohlensäurederivate.
X. Guanidin-chlorhydrat (NH, - C(NH) - NH, - HCl); XI. Kreatin
(NH: C(NH) - N(CH,) - CH, - CO,H); XII. Aldehyd-ammoniak!) CH,
- CH(OH)(NH,); XIII. Resorcin.
Dipl-.Ing. Wachtl und Pharm.-Mag. A. Wagner, die in meinen Laboratorium
ihre Doktorarbeit machten, untersuchten unter denselben Bedingungen und mit
der gleichen experimentellen Einrichtung die Wirkung von stereosiomeren Ver-
bindungen auf die alkoholische _Gärung, wie das schon von Neuberg und Ehrlich?)
geschehen ist.
Experimenteller Teil.
Zu meinen Versuchen benutzte ich eine 1 pros ` Lösung der Amin-
verbindungen. Deren setzte ich 1, 2, 3 bzw. 4ccm zu dem Gemisch
von 2ccm Traubenzuckerlösung und 3 ccm Hefesuspension, letztere
war 2Oproz. und aus frisch gepreßter Hefe durch Vermischen mit
einer Nährsalzlösung hergestellt. Die so erhaltenen Flüssigkeiten
wurden mittels Nährsalzlösung in jedem Falle auf das gleiche Volumen
gebracht. Die Nährsalzlösung wurde durch Lösen von 2 g Magnesium-
sulfat und 3g Kaliumphosphat (zu Enzymstudien nach Soerensen?) in
1000 cem Wasser hergestellt. |
Benutzt wurde folgende Einrichtung. Die Öffnung einer Eprou-
vette verschloß ich mit einem einmal durchbohrten Kautschuk-
propfen, durch den ein zweimal gebogenes Gasableitungsrohr führte.
Das kürzere offene Ende des Rohres brachte ich unter ein Eudiometer,
das eine gesättigte Kochsalzlösung enthielt. Die Eprouvetten stellte
ich samt Inhalt in einen Ostwaldschen Thermostaten, wo sie 24 Stun-
den lang auf 30° gehalten wurden. Die entstandene Menge CO, wurde
nach 2, 4 und 24 Stunden abgelesen.
1) Neuberg hat (diese Zeitschr. 88, 155. 1918) eine starke Stimulationskraft
schon seinerzeit für diesen Stoff festgestellt.
2) Neuberg C. und M. Ehrlich, diese Zeitschr. 101, 242, 260, 292, 293. 192%.
3) Soerensen, S. P. L. diese Zeitschr. 21, 231. 1909. l
Wirkung der Amine auf die Gärung. 355
Tabelle I. 1% Methylamin-chlorhydrat.
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Tabelle II. 1% Dimethylamin- chlorhydrat.
20% | 1% Di- | Dimethyl-
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der auf- /Zucker salz amin- |chlorhydr. i der
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_Tabelle III. 1% Trimethylamin- chlorhydrat.
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356 Jul. Orient:
Tabelle IV. 1% Cholin-chlorhydrat.
217. 1% Cholin-
Nr. ı Hefe- 4°: Nähr- Cholin-| chlor- CO, in cem nach Grad
der auf- Zucker salz chlor- hydrat en der
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Tabelle V. 1%, Muscarin-nitrat.
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Tabelle VI. 1% Betain- chlorhydrat.
2097, i 1%, Betai
Nr. Í Hefe- An, Nähr- . Betain- ie CO, in ccm nach Grad
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Wirkung der Amine auf die Gärung. 357
Tabelle VII. 1%, Pentamethylendiamin-chlorhydrat.
20% |
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Nr. Hefe- 4% Nähr- tameth.-meth.-dia- CO, in cem nach Grad
der auf- ‚Zucker, salz jdiamin- [min-chlor-| č S der
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Tabelle VIII. 1%, Guanidin-chlorhydrat.
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Nr. | Hefe- | 4% Nähr- | Guani-| chlor- CO, in cem nach Grad
der | auf- Zucker | salz din- hydrat e E ar IE A der
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Tabelle IX. 1% Kreatin.
20% |
Nr. Hefe- | 4% Nähr- 1% Kreatin CO, in ccm nach Grad
der auf- | Zucker salz Kreatin bezogen der
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358 Jul. Orient:
Tabelle X. 1% Delphinin.
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Tabelle XI. 1%, Curare.
2% | 2
Nr. Hefe- 4% Nähr- 1% Curare CO, in cem nach Grad
der auf- ; Zucker salz | Curare | bezogen der
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Lösung in cem Stunden wert
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Tabelle XII. Aldehyd-A mmonia
20% WR
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Wirkung der Amine auf die Gärung. 359
Tabelle XIII.
1% Resorein.
| Nähr- Resorein CO, in ccm nach
er Zucker salz - bezogen
Ver- auf Hefe
suche in %
| Lösnng in ccm
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Tabelle XIV.
Hauptkontrolle.
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Nr. | Hefe- | 4% Nähr-
der | auf- en salz Wasser
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Zusammenfassung.
Von den Methylderivaten der Monoamine wirkte das Methylamin in
verdünnter Lösung auf die Gärung hemmend, in konzentrierter Lösung
dagegen aktivierend. In verdünnter Lösung ist die Hemmung größer
als die der übrigen methylierten Amine.
Das Dimethyl- und Trimeihylamin verhalten sich gleich, indem
beide sowohl in verdünnter, als auch in konzentrierter Lösung akti-
vierend auf die Gärung wirkten.
Alle drei Amine wirkten aber im Verhältnis von 4,8%, bezogen auf
Trockensubstanz der Hefe, gegenüber der alkoholischen Gärung hemmend,
und zwar um so mehr, je mehr Methylgruppen sie enthielten.
Das Cholin und seine Derivate Muscarin und Betain verhielten sich
wie methylierte Monamine, da sie anfangs das Enzym aktivierten,
dann heimmten, in 8proz. Lösung aber wieder aktivierten. Unter diesen
Biochemische Zeitschrift Band 182. 24
360 Jul. Orient:
Monaminen verhielt sich das Betain insofern verschieden. als es voru
Anfang an, also auch in ganz verdünnten Lösungen. auf das Enzym:
schädigend wirkte; wahrscheinlich handelt es sich um einen Einflub
des Carboxylradikals, der auch bei Salievlsäure hervortritt.
Alle drei Amine wirkten aber im Verhältnis von 4.899. bezogen auf
die Trockensubstanz der Hefe, hemmend auf die Gärung. und zwar
um so stärker, je mehr sie durch Oxydation vom Cholin entfernt sind.
Das zu den Diaminverbindungen gehörende Pentamethylendrar ir
zeigte ein ähnliches Verhalten wie die methylierten Monamine. In ver-
dlünnterer 1,6proz. und in konzentrierterer 8proz. Lösung aktivierte
es auffallend, in 3,2proz. Lösung dagegen hemmte es vollständir.
Es behielt seine paralysierenıle Wirkung auch in einer 4,8 proz. Lösung bei.
Von den stickstoffhaltigen Kohlensäurederivaten zeigten Guaridin
und Kreatin einen auffallenden Unterschied auf die Gärung. Während
das Guanidin in seiner Wirkung auf die Gärung sich annähernd so
verhielt, wie das Cholin, wirkte das Kreatin schon in einer kleineren
Konzentration als das Methylamin stark hemmend, bei GA". aber
wirkt es mit raschem Anstieg fördernd. Bei 4,8%, waren beide Körper
paralysierend.
Das Delfinin, dessen Struktur noch nicht genau bekannt ist, übte
auf die Gärung eine curareähnliche, aber etwas schwächere Wirkung
aus. Im übrigen aktivierte es gleich den übrigen Aminen. In 4.8 proz.
Lösung war auch das Delfinin paralysierend.
Curare ist eine nicht homogene Substanz. Man nimmt an. daß ihr
Hauptbestandteil eine quaternäre Ammoniumbase ist und eine Metho-
xylgruppe enthält; bei 3,2%, sinkt der Effekt schon wieder. Eine
4,8 proz. Lösung verursachte eine beträchtliche hemmende Wirkung. die
aber mit Konzentrationsvergrößerung abnahm und bei 69, wieder stark
anstieg.
Den Einfluß des Curare auf die Enzyme hat L. Popoff!) untersucht und hat
gefunden, daß eine 0,5 proz. Lösung die Sumpfgaseärung nicht beeinflußt; dagegen
zeigte Nasse?), daß eine 0,1l proz. Lösung die Sumpfyasgärung beschleunigt. Auch
für die Wirkung von Emulsin wurde cin stark paralysierender Einfluß des Curare
beobachtet, der aber nicht gleichmäßig war?).
Allehyd- Ammoniak aktivierte in verdünnterer 1,6proz. Lösung die
Gärung sehr stark (Neuberg), von 3,2%, an nahm die paralysierende
Wirkung stark zu bis zum gänzlichen Stillstand der Gärung.
Resorcin. Die antiseptische Wirkung des Resorein ist bekannt.
Kein Versuch zeigte ein regelmäßiges Ansteigen der paralysierenden
Wirkung, aber bei 4,8%, verhinderte es die Gärung gänzlich.
1) Popoff, L. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 10, 131.
2) Nasse, O. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 11, 138. 1879.
3) Vamossy Z. und A. Lengyel, Magyar. orvosi Archiv 16, 175.
Wirkung der Amine auf die Gäruner. 361
Aus diesen wenigen Vorversuchen sind folgende vorläufige Schlüsse
zu ziehen:
1. Sämtliche in den Versuchen angewandte Amine verhindern in
einer auf die trockene Hefe bezogene Konzentration von 4,8%, die
Gärung.
2. Die Intensität der Gärung sinkt mit abnehmender Zahl der
Methylgruppen.
3. Die gärungshemmende Wirkung wächst mit der Zahl der oxy-
dierten Radikale.
4. Aldehyd-Ammoniake fand ich in Übereinstimmung mit C. Neu-
berg gärfördernd, in starker Konzentration hemmend.
Weitere Schlüsse beanspruchen noch neue Versuche.
Y4%
Über das Wesen der Vagus- und Sympathicusfunktion.
Die Identität von Nerv- und Ionenwirkung!).
Von
S. G. Zondek.
(Aus dem Pharmakologischen Institut der Universität Berlin.)
(Eingegangen am 8. Juni 1922.
Mit 19 Abbildungen im Text.
Jeder Nerv leitet die auf irgendeine Art entstandenen Impulse
zu seinem Erfolgsorgan, das mit einer bestimmten Reaktion antwortet.
Die Drüse beginnt zu sezernieren, bzw. ändert ihre bisherige Tätigkeit,
der Muskel kontrahiert sich, kurz jede Zelle, die unter dem Einfluß
eines Nerven steht, beantwortet die Erregung des Nerven mit irgend-
einer Änderung der Funktion. Welcher Art die durch den Nerv hervor-
gerufene Funktionsänderung ist, dürfen wir heute im allgemeinen als
bekannt anschen. Die Klärung dieser Fragen gehörte zu den wich-
tigsten und erfolgreichsten Arbeiten der anatomischen und physio-
logischen Forschung überhaupt. Wenn wir die Funktion eines Nerven
kennen, wenn wir z. B. wissen, daB der Vagus die Herztätigkeit hemmt,
so bleibt uns aber noch vollkommen unbekannt, wie und auf welche
Weise der Nerv dies vollbiingt. Auch können wir uns nicht erklären,
wie es möglich ist, daß ein und derselbe Nerv, wie z. B. der Vagus,
scheinbar so ganz verschiedenartige Funktionen ausübt; denn einmal
wirkt er erregend (Darm), das andere Mal wieder hemmend (Herz).
Ebenso verhält sich der Sympathicus. Und was für diese beiden Re-
präsentanten des vegetativen Nervensystems gilt, trifft auch für alle
anderen Nerven zu. Wir kennen den Erfolg der Nervenwirkung, wissen
aber nicht, was der Nerv dabei tut, d. h. welcher Mittel er sich bedient,
um sein Ziel zu erreichen. Wohl haben sich einzelne Forscher darüber
Gedanken gemacht und auch Vermutungen ausgesprochen. Über
dieses Stadium hinaus ist die Frage aber nicht gediehen, und zwar des-
halb, weil es an irgendeiner greifbaren positiven Unterlage fehlte. Von
meinen Untersuchungen, über die jetzt berichtet werden soll, hoffe ich,
daß sie hier einige Aufschlüsse werden erteilen können.
1) 1. kurze Mitteilung siehe Dtsch. med. Wochenschr. 1921, Nr. 50.
S. G. Zondek: Identität von Nerv- und Ionenwirkung. 363
Der Grundgedanke, von dem ich ausging, führte mich dazu, ledig-
lich die beiden vegetativen Nerven, den Vagus und Sympathicus,
in den Kreis meiner Untersuchungen zu ziehen. Meine Überlegung
war nämlich folgende: Die normale Funktion eines Organs hängt von
dem Gleichgewicht bzw. der bestimmten Relation von Vagus- und
Sympathicusimpulsen ab. In gleicher Weise hängt die Funktion aber
auch von dem Gleichgewicht bestimmter anorganischer Kationen, und
zwar des Natriums, Kaliums und Calciums ab. Besteht dieses Nerven-
und lIonengleichgewicht nun zufällig nebeneinander? Oder sollten
zwischen ihnen nicht irgendwelche Beziehungen bestehen? Um dieser
Frage näherzukommen, prüfte ich zunächst die Ionenwirkung an fast
allen Organen — soweit nicht schon ganz bestimmte Einzelunter-
suchungen anderer Autoren vorlagen — und verglich sie mit der Wir-
kung des Vagus und Sympathicus. Die Wirkung des Natriums und
Kaliums ist — worauf ich schon bei früherer Gelegenheit hingewiesen
habe — ihrer gleichartigen elektrischen Ladung entsprechend, fast
immer gleichen Charakters. Ein Unterschied besteht nur in der In-
tensität. Die Natriumwirkung ist wesentlich schwächer als die
Kaliumwirkung [Zondek!1)]. Die Calciumwirkung verhält sich zu
der Natrium- und Kaliumwirkung fast immer antagonistisch. Als
die Ionenwirkung mit der Nervenwirkung verglichen wurde, zeigte
sich etwas Auffallendes. Die Natrium- und Kaliumwirkung glich immer
der Vaguswirkung, während die Calciumwirkung im Prinzip stets der
Sympathicuswirkung entsprach. Dies soll vor der eigentlichen Wieder-
gabe der einzelnen Versuche zunächst an einigen markanten Beispielen
etwas näher erläutert werden. Am Herzen wirkt der Vagus hemmend
und der Sympathicus fördernd. Hier wirkt nun auch das Kalium
hemmend und das Calcium fördernd. Da das Natrium im Prinzip immer
wie das Kalium wirkt, sehe ich davon ab, dies in jedem Fall immer
noch besonders hervorzuheben. Am Darm wirkt bekanntlich der
Vagus und Sympathicus in entgegengesetzter Weise als beim Herzen;
hier ist der Vagus der erregende und der Sympathicus der hemmende
Nerv. Am Darm wirkt aber — wie sich aus meinen Versuchen ergeben
hat — auch das Kalium und Calcium in entgegengesetzter Weise als
beim Herzen. Das Kalium erregt und das Calcium lähmt. Wie der
Darm verhält sich auch Speiseröhre, Magen und Blase. Die Über-
einstimmung findet sich überall dort, wo sowohl Nerv- wie Ionenwirkung
beobachtet werden kann. Die Einzelheiten sollen bei der Beschreibung
der Versuche wiedergegeben werden. Daß die Übereinstimmung keine
Zufallserscheinung ist, ließ sich sehr gut durch Versuche am Uterus
nachweisen. Eine Vagusreizung führt ständig zu einer Uteruskontrak-
tion, aber nicht immer führt eine Sympathicusreizung zu einer Er-
schlaffung.
364 S. G. Zondek:
Der Sympathicus wirkt einmal erschlaffend, das andere Mal wieder
kontrahierend auf den Uterus. Das hängt von der Tiergattung und
bei einem Tier derselben Gattung auch davon ab, ob es sich um einen
schwangeren oder nicht schwangeren Uterus handelt. Der verschieden-
artigen Wirkung des Sympathicus entspricht nun am Uterus auch
eine von den gleichen Faktoren abhängige Verschiedenheit der Calcium-
wirkung. Versuche am Froschmagen und Gefäßstreifen haben in ähn-
licher Weise gezeigt, daß die Wirkung der genannten Kationen die
Schwankungen der Vagus- und Sympathicuswirkung in entsprechen-
der Weise mitmacht. Andere Versuche wiederum haben ergeben, daß
die Nerven- und Ionenwirkung nicht nur parallel verlaufen, sondern
auch wirklich gleicher Art sind. Bevor aber auf die weiteren Ergeb-
nisse und etwaige Schlußfolgerungen eingegangen werden soll, mögen
erst die Versuche mitgeteilt werden, auf welche sich meine bisherigen
Behauptungen stützen.
Herz.
Die Übereinstimmung zwischen Vagus- und Kaliumwirkung einerseits,
zwischen Sympathicus- und Caleciumwirkung andererseits läßt sich sowohl am Kalt-
wie Warmblüterherz verfolgen. Am isolierten Herzen führt eine Vagusreizung
zur Abnahme der Frequenz und Kontraktionsstärke des Herzmuskels, schließlich
auch zu Stillstand in Diastole. Das gleiche gilt — und das ist ebenfalls bekannt —
für das Kalium. Für beide ist der diastolische Herzstillstand charakteristisch.
Auch Natrium führt zum diastolischen Stillstand. Reizung der sympathischen
Nervenendigungen durch Adrenalin führt zu Frequenzsteigerung und Zunahme
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3
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Kurve I.
der Kontraktionsstärke, die sich bis zum systolischen Stillstand steigern
kann. Das gleiche gilt im Prinzip auch für das Calcium. Die Zunahme der Kon-
traktionsstärke steht außer Zweifel und ist von allen Autoren in gleicher Weise
beobachtet worden. Sie ist auch bei Kurve I deutlich sichtbar.
Die Frequenzsteigerung nach Caleium wird von einzelnen Autoren bezweifelt.
Das liegt aber sicherlich an der zu starken Dosierung. Wie Sakai!) gezeigt hat,
wird durch Calcium auch die Frequenz des isolierten Ventrikels beschleunigt.
Beim Warmblüterherz liegen die Verhältnisse auch nicht anders; die Vagus-
wirkung ist hier ebenfalls in chronotroper und inotroper Beziehung rein negativ,
die Sympathicuswirkung dagegen positiv. Betrachten wir hier die Kalium- und
Caleciumwirkung, die schon von vielen Forschern studiert worden ist, so ergibt
sich wiederum die gewöhnliche Parallele. So die positiv chronotrope und positiv
Identität von Nerv- und Ionenwirkung. 365
inotrope Wirkung des Calciums, die am isolierten Warmblüterherz zuerst von
Langendorff und Hueck’), ferner von Gross®), und die negative Wirkung des Kaliums,
die zuerst von Hering?) festgestellt wurde. In bathmotroper und dromotroper
Hinsicht ist die Sympathicuswirkung ebenfalls positiv, die Vaguswirkung dagegen
negativ. Hier verhält sich aber ebenfalls Calcium positiv und Kalium negativ.
So hat Lussana!®) an dem durch Stanniusligatur stillgestellten Ventrikel durch
Calcium die Erregbarkeit steigern und durch Kalium herabsetzen können. Ähn-
liches haben auch Gellhorn!!) sowie Rotberger und Winterberg‘?) beobachtet. Der
Sympathicus erregt auch dic tertiären Zentren des Ventrikels ( Rotberger und Winter-
berg), eine Wirkung, die nach Untersuchungen von Kolm und Pick!?) auch dem
Calcium zukommt. Bei Ernährung des Herzens mit calciumfreier, also kalium-
überwiegender Ringerlösung wird das Intervall zwischen Atrien- und Ventrikel-
systole vergrößert. Wie nach Vagusreizung begegnen wir also auch nach Kalium
negativ dromotropen Erscheinungen. Auch beim Elektrokardiogramm läßt sich
die Parallele zwischen Vagus und Kalium einerseits, Sympathicus und Calcium ande-
rerseits ziehen. Nach Vagusreizung werden die einzelnen Zacken, besonders die
I- bzw. R-Zacken kleiner. Das gilt für Kalt- wie Warmblüterherzen. Auch die kli-
nischen Erfahrungen bei Vagotonikern sprechen dafür. Andererseits werden nach
Sympathicusreizung (auch bei Sympathicotonikern) die Zacken gegenüber der Norm
vergrößert. Wie ich aus gemeinsamen Versuchen mit Fr. Kraus?) geschen habe,
gilt das entsprechende auch für das Kalium und Calcium. Nach Kalium werden
die Zacken kleiner, nach Calcium größer. Es muß hervorgehoben werden, daß
hierbei nur die Anfangswirkung des Calciums in Frage kommt. Im Spätstadium
einer starken Calciumwirkung, die zu sekundären Erscheinungen führt, kann sich
natürlich auch ein anderer Einfluß auf die Form des Elektrokardiogramms geltend
machen.
Der Antagonismus, der am Herzen zwischen Sympathicus und Vagus besteht,
gilt auch für Calcium und Kalium. Verstärkte Vagusimpulse können durch ver-
stärkteSympathicusimpulse kompensiert werden. Ebenso kann in gewissen Grenzen
auch ein Überschuß an Kalium durch einen Überschuß an Calcium ausgeglichen
werden. Für die Frage, ob diese Nerven- und Ionenwirkungen nur parallel verlaufen
oder wirklich gleicher Art sind, ist die Feststellung, ob sie sich untereinander auch
austauschen lassen, von großer Bedeutung. Daß dies der Fall ist, läßt sich auch
am isolierten Kalt- und Warmblüterherzen nachweisen. Wie schon erwähnt, läßt
sich innerhalb gewisser Grenzen die Kaliumwirkung durch Calcium aufheben.
Aus Versuchen, über die ich bei früherer Gelegenheit berichtet habe, geht aber
hervor, daß auch die Vagusreizwirkung (Muscarinvergiftung) durch Calcium
günstig beeinflußt bzw. wieder aufgehoben werden kann. Dies ist ein Hinweis auf
die Ähnlichkeit, die zwischen der Vagus- und Kaliumwirkung besteht. Anstatt
durch Calcium läßt sich andererseits die Kaliumwirkung auch durch Sympathicus-
reizung (Adrenalin) günstig beeinflussen, unter Umständen auch ganz aufheben.
Dies habe ich auch bei Versuchen am lebenden Tier geschen. Einer Katze wurde
während eines Blutdruckversuchs 0,05 g KCI intravenös injiziert. Der Blutdruck
sank momentan stark ab (fast auf Null), und das Tier machte einen sterbenden
Eindruck. Durch intravenöse Injektion von 0,5 mg Suprarenin wurde das Tier
gerettet, der Blutdruck stieg bald wieder zur Norman. Natürlich sind solche
eklatanten Erfolge nicht immer zu erzielen.
Blutdruck.
Reizung des Vagusstammes am Halse führt aus bekannten Gründen zu Blut-
drucksenkung und Pulsverlangsamung, Sympathicusreizung dagegen zu Blut-
drucksteigerung und Pulsbeschleunigung. Die Pulsbeschleunigung macht häufig
366 S. G. Zondek:
auch einer Pulsverlangsamung Platz, da starke Blutdrucksteigerung sekundär
auch zur Erregung des Vaguskernes führen kann. Die Blutdrucksenkung und
Pulsverlangsamung nach Vagusreizung ist in der Hauptsache als Herzwirkung
aufzufassen, ebenso auch die Frequenzzunahme nach Sympathicusreizung. Dagegen
ist an der Blutdrucksteigerung durch Sympathicusgifte (Adrenalin) neben der direk-
ten Herzwirkung in starkem Maße auch eine Gefäßwirkung (Gefäßverengerung im
Splanchnicusgebiet) beteiligt. Was gerade letztere angeht, so ist aber noch nicht mit
Sicherheit entschieden, ob sie nur durch Sympathieusreizung bedingt ist oderob nicht
eine direkte Wirkung des Adrenalins auf die Gefäßmuskel noch eine Rolle spielt.
Vergleichen wir mit der uns schon lange bekannten Vagus- und Sympathicus-
wirkung die Wirkung des Kaliums und Calciums auf den Blutdruck, so ergibt
sich wiederum die gewöhnliche Parallele. Einzeluntersuchungen sind hier mehrfach
auch schon von anderen Autoren angestellt worden; ich selbst habe gelegentlich
anderer Versuche an Kaninchen, Katzen und Hunden die Wirkung nochmals
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Kurve Il.
geprüft, um besondere Einzelheiten zu studieren. Die Blutdruckmessung erfolgte
auf blutigem Wege. Eine mit 25proz. MgSO,-Lösung gefüllte Kanüle wurde, in
die Carotis eingeführt und an ein Hg-Manometer angeschlossen, das mit einer
Maryotteschen Kapsel in Verbindung stand. Auch in die Vena jugularis wurde
eine Kanüle eingebunden, von welcher aus die Injektionen vorgenommen wurden.
Außerdem wurde eine Kanüle in die Trachea eingebunden zur Registrierung der
Atmung. Nach intravenöser Injektion von etwa 0,02g KCl bei Kaninchen,
0,03—4 g bei Katzen und Hunden tritt sofort eine starke Blutdrucksenkung
und Pulsverlangsamung auf, die von der bei Vagusreizung beobachteten meist
gar nicht zu unterscheiden sind. Wesentlich ist, daß auch die für die Vaguswirkung
bekannten langsamen aber hohen und steilen Pulse, die sogenannten Vaguspulse,
sich bei der Kaliumwirkung finden. Diese Beobachtung hat auch Ludwig Braun'*)
gemacht, der daran dachte, daß eventuell das Kalium den Vagus reize. Darauf
werde ich später zurückkommen. Ich gebe die von ihm aufgenommene Kurve
wieder, da sie besonders gut die übereinstimmende Wirkung der Vagusreizung
und des Kaliums zu zeigen imstande ist (siehe Kurve II).
Calcium führt nach intravenöser Injektion von etwa 0,1—0,3 g CaCl, — wie
auch Untersuchungen von Fr. Kraus?) sowie Langendorff und Hueck!?) gezeigt
Identität von Nerv- und Ionenwirkung. 367
haben — zu Blutdrucksteigerung. Allerdings nimmt die Blutdrucksteigerung
nach Calcium meist nie solche Grade an wie nach Adrenalin, das liegt aber wohl
daran, daß, wie schon erwähnt, für die Adrenalinwirkung neben der Reizwirkung
A3
la tt,
01
Kurve III.
auf die Sympathicusendigungen wahrscheinlich noch eine selbständige direkte
Gefäßmuskelwirkung in Frage kommt. Auch Steigerung der Pulsfrequenz
ist nach Calciuminjektion häufig zu beobachten; doch ist hier die Dosierung von
großer Bedeutung (siehe Kurve III).
Gefäße.
Um zu sehen, inwieweit auch die Gefäße in ihrer Reaktion der beobachteten
Gesetzmäßigkeit folgen, habe ich auch Versuche am isolierten Gefäßstreifen an-
gestellt. Die Methodik war folgende: In einem nach dem Vorschlage von Joachi-
moglu!®) elektrisch geheizten Wasserbade, welches durch einen Thermoregulator
auf konstanter Temperatur von etwa 38° gehalten wurde, war ein mit T'yrodescher
Nährflüssigkeit gefülltes Gefäß angebracht, durch welches von Zeit zu Zeit etwas
Sauerstoff durchperlte. Innerhalb des Gefäßes wurde ein ringförmiger Streifen
der Aorta eines frisch getöteten Kaninchens an 2 Haken befestigt, von denen der
eine mit einem Hebelarm in Verbindung stand, der die Bewegungen an einer
berußten, rotierenden Trommel registrierte. Nachdem der Gefäßstreifen sich auf
einen bestimmten Tonus eingestellt hatte, wurden der Nährflüssigkeit, die das
Präparat von allen Seiten umgab, die zu untersuchenden Substanzen zugesetzt.
Nach Zusatz von Adrenalin (etwa 0,1 mg auf 50 cem Nährflüssigkeit) kontrahierte
sich die Aorta, was zu erwarten war. Diese Adrenalinwirkung am isolierten Gefäß-
streifen hat in ähnlicher Weise auch schon früher O. B. Meyer") festgestellt.
Auffallend war nun die Wirkung des Muscarins, dessen vagusreizende Eigenschaften
nicht zweifelhaft sind. Es zeigte sich nämlich, daß Muscarin zu einer Gefäß-
kontraktion führt, die nicht wesentlich hinter der des Adrenalins zurückbleibt.
Ob sich die kleineren Gefäße, insbesondere auch die Capillaren ähnlich verhalten,
ist damit nicht entschieden. Darauf soll hier nicht weiter eingegangen werden,
da es für unsere Fragestellung nicht von Belang ist; vielmehr war nur zu prüfen,
ob auch die Kalium- und Calciumwirkung der beim Gefäßstreifen festgestellten
Vagus- und Sympathicuswirkung entsprach. Dies war auch der Fall. Die Aorta
kontrahierte sich nämlich sowohl auf Kalium- wie auf Calciumzusatz. Die Kalium-
wirkung entsprach auch in ihrer Stärke ganz der Vaguswirkung, dagegen schien die
368 S. G. Zondek:
Calciumwirkung schwächer als die Adrenalinwirkung zu sein. Dies stimmt damit
überein, daß, wie schon erwähnt, nach Calcium auch der Blutdruck nicht in dem
Maße steigt, wie nach Adrenalin. Über die Ursache wurde vorhin schon gesprochen.
Das Wesentliche bei den Gefäßuntersuchungen ist, daß hier die Vaguswirkung
nicht der Sympathiecuswirkung entgegengesetzt ist, sondern daß beide im Prinzip
das gleiche bewirken. Dementsprechend ist auch die Kalium- und Calcium wirkung.
Beide wirken sie kontrahierend. Daß Kalium auf die Gefäße kontrahierend wirkt,
hat übrigens vor kurzer Zeit auch Teschendorf!®) am Läwen- Trendelenburgschen
Froschgefäßpräparat festgestellt.
Darm.
Die Darmversuche wurden methodisch in gleicher Weise angestellt wie die am
Gefäßstreifen. Untersucht wurden Dünndarmschlingen frisch getöteter Meer-
A
[W
00 A 3 vw ALAA
Kurve IV.
schweinchen oder Kaninchen. Die Tyrodesche Nährflüssigkeit, in welcher sich
die zu untersuchende Darmschlinge befand, betrug etwa 50cem. Die Darm-
H- R P JL N o
— aum DT
Iyroli S urartun
i i +1000
Kurve V.
schlingen selbst wurden in einer Länge von 2—3 cm herausgeschnitten. In der
von Sauerstoff durchspülten Tyrodeschen Nährflüssigkeit setzen die isolierten
Schlingen ihre peristaltischen Bewegungen fort, die bei Kaninchen wesentlich
ausgiebiger sind als bei Meerschweinchen. Vagusreizung bzw. Zusatz kleinster
Identität von Nerv- und Ionenwirkung. 369
Muscarinmengen verstärkt, wie aus Kurve IV ersichtlich, die Kontraktionen
sehr. Mitunter kontrahiert sich der Darm maximal. Zusatz von Adrenalin (etwa
0,05 mg) läßt den Darm sofort erschlaffen und hebt die normalen peristaltischen
Bewegungen fast ganz auf.
Prüfen wir nun die Wirkung
des Kaliums und Calciums,
so ergibt sich — wie ich fest-
stellen konnte — wiederum die
übliche Parallele. Die Überein-
stimmung ist eine absolute.
Setzt man zu der Nährflüssig-
keit (50 ccm) etwa 0,01—0,02 g
KCl hinzu, so daß der normale
Kaliumgehalt verdoppelt bzw.
verdreifacht ist, so kontrahiert
sich der Darm in genau der
gleichen Weise wie nach Vagus-
reizung (siehe Kurve IV), an-
dererseits erschlafft der Darm Kuna Er
nach Zusatz von Calcium
(0,02 g CaCl,) ebenso wie nach Adrenalin bzw. Suprarenin (siehe Kurve V).
Die Erregung durch Muscarin kann — wie aus Kurve VI ersichtlich —
durch Adrenalin aufgehoben
werden. Das ist ohne weiteres
verständlich; denn ein ver-
stärkter Vagusreiz läßt sich
durch einen verstärkten Sym-
pathicusreiz kompensieren. In
gleicher Weise läßt sich nun
auch — wie Kurve VII zeigt —
die Kaliumwirkung durch Cal-
cium aufheben.
Aber nicht allein die pa-
rallel verlaufende, sondern auch
die wesensgleiche Wirkung des
Vagus und Kaliums einerseits,
des Sympathicus und Calciums
andererseits läßt sich am Darm
gut nachweisen. Denn wie sich Kurve VII.
aus den weiteren Versuchen
ergab, kann die Vagusreizwirkung wie durch Suprarenin so auch durch Calcium
aufgehoben werden (siehe Kurve VIII). Desgleichen die Kaliumwirkung wie
durch Caleium so auch durch Suprarenin (siehe Kurve IX).
Speiseröhre, Magen, Blase.
Wie der Darm verhält sich auch die Speiseröhre, der Magen und die Blase.
Zur Untersuchung wurden hauptsächlich Meerschweinchen und Kaninchen ver-
wandt. Vagusreizung sowie Kaliumzufuhr wirken erregend, Sympathicusreizung
und Calciumzufuhr lähmend. Da die Verhältnisse genau wie beim Darm liegen,
kann auf die Einzelheiten verzichtet werden. Eine besondere Berücksichtigung
verdient jedoch der Froschmagen. Er kontrahiert sich nämlich merkwürdigerweise
— und das ist bekannt — nicht nur auf Vagusreizung, sondern auch auf Sympathicus-
reizung (Suprarenin) (siehe Kurve X).
370
S. G. Zondek:
Hier bot sich wieder Gelegenheit zu prüfen, ob mit der ungewöhnlichen
Sympathicusreizung auch eine entsprechende Calciumwirkung einhergeht. Das
Nm Aiia y
d 0,01 0,01
Äech KCL | Nul Su
Kurve IX.
Kurve A.
Resultat entsprach der Erwar-
tung. Wie aus Kurve XI ersicht-
lich, führt auch das Calcium zur
Kontraktion des Froschmagens,
während es auf den Magen der
Warmblüter erschlaffend wirkt.
Kalium läßt den Magcn entspre-
chend der Vaguswirkung natürlich
auch kontrahieren.
Üterus.
Wie die Froschmagen versuche
bieten auch die Uterusversuche be-
sonderes Interesse; denn die Uteri
der verschiedenen Tiere reagieren
auf Sympathicusreizung — wie
schon durch mehrere Autoren,
Langley und Anderson‘), Dale”),
festgestellt worden ist — in ver-
schiedener Weise. Auch zeichnet
sich der schwangere Uterus von
dem nichtschwangeren Uterus der-
selben Tiergattung durch ver-
schiedenartiges Verhalten gegen-
über demselben Nervenreiz aus.
Nach Vagusreizung bzw. Muscarinvergiftung tritt bei allen Uteri stets eine Uterus-
kontraktion bzw. Verstärkung der Spontanbewegungen auf. Das gleiche gilt —
wie ich aus Versuchen an den isolierten Uteri verschiedener Tiere (Meerschwein-
chen, Kaninchen, Katzen) gesehen habe — auch für das Kalium. Es genügt, zu
Identität von Nerv- und Ionenwirkung. 371
der Nährlösung wie beim Darm 0,01—0,025 KO hinzuzusetzen, den normalen
Kaligehalt der Nährlösung also höchstens zu verdreifachen. Gegenüber der Sym-
—— 7 fg
LGT 9,95 Kalt, 00S Catez
Kurve XI
pathicusreizung verhalten sich die Uteri folgendermaßen:. Der nichtschwangere
Meerschweinchenuterus beantwortet die Sympathicusreizung bzw. den Zusatz von
Suprarenin mit einer Erschlaffung
und Sistierung vorhanden gewese-
ner Spontankontraktionen; beim
schwangeren dagegen führt Supra-
renin meist gerade umgekehrt zur
Kontraktion bzw. zur Verstärkung
der vorhandenen Eigenbewegun-
gen. Hier mußte sich die Überein-
stimmung von Nerv- und Ionen-
wirkung — falls meine Anschauung
zu Recht besteht — am besten zei-
gen lassen. Meine Versuche erga-
ben nun, daß auch das Calcium beim
schwangeren und nichtschwan-
geren Meerschweinchenuterus meist
verschieden wirkt, und zwar wie
Suprarenin bei ersterem kontra-
hierend, bei letzterem dagegen erschlaffend (siehe Kurven XII u. XIII).
Es genügt — wie gewöhnlich — den Kalkgehalt der Nährlösung um unge-
fähr das 3fache zu erhöhen (0,03 g
CaCl, zu 50 ccm Nährlösung).
Beim Katzenuterus führt
Adrenalin auch dann zur Kon-
traktion, wenn es sich um ein
nichtschwangeres Tier handelt.
Meist geht der Kontraktion eine
ganz schnell vorübergehende Er-
schlaffung voraus (siehe Kurve
XIV). In gleicher Weise wie Supra-
renin wirkt nun aber auch — wie Kurve XII.
sich aus meinen Versuchen ergab
— das Calcium (siehe Kurve XV). Die Tatsache, daß die Calciumwirkung
die natürlichen, physiologischen Schwankungen der Sympathicuswirkung immer
in gleicher Weise mitmacht (Froschmagen, Uterus), deutet jedenfalls darauf hin,
daß es sich keineswegs um eine zufällige Übereinstimmung handeln kann, sondern
daß die Parallele zwischen Nerv- und Ionenwirkung durch tieferliegende Zusammen-
hänge begründet sein muß.
Kurve XI.
3712 S. G. Zondek:
Quergestreijter Muskel.
Die bisherigen Untersuchungen betrafen mit Ausnahme des Herzens fast nur
glattmuskelige Organe. Es ist daher interessant zu sehen, ob sich auch beim quer-
gestreiften Skelettmuskel die
gleichen Beziehungen zwischen
Nerv- und Ionenwirkung fest-
stellen lassen. Es ist jetzt
sicher, daß der quergestreifte
Muskel nicht nur von seinem
zentral-motorischen Nerven,
sondern auch von vegetativen
Fasern innerviert wird. Letz-
tere sind morphologisch iden-
tisch mit den feinen, von ganz
schmaler Markscheide umgebe-
nen Fäserchen der sensiblen
Muskelnerven. Über die Be-
deutung der vegetativen Ner-
veninnervation für den quer-
gestreiften Muskel läßt sich
etwas Endgültiges noch nicht
sagen, doch geht die An-
schauung der meisten Autoren dahin, die vegetativen Fasern in Beziehungen
zu dem Muskeltonus zu bringen [E. Frank2!)]. Die experimentellen Untersuchungen
Kurve XIV.
Kurve XV.
mit pharmakologischen Hilfsmitteln sprechen dafür, daß die vegetativen Fasern
sowohl sympathischer wie parasympathischer Natur sind. Nach intramuskulärer
Injektion kleiner Dosen von Physostigmin läßt sich eine Steigerung der mechani-
schen idiomuskulären Erregbarkeit und das Auftreten ganz unregelmäßiger
fibrillärer Zuckungen feststellen. Bei etwas größerer Menge des Alkaloids ergreifen
die Zuckungen den ganzen Körper. Daneben bildet sich auch eine gewisse Muskel-
Identität von Nerv- und Ionenwirkung. 373
steifigkeit aus. Diese Erscheinungen, insbesondere die allgemeine Muskelunruhe
und die Steifigkeit des Ganges werden beim Hunde fast momentan durch Adrenalin
aufgehoben. Schäffer konnte zeigen, daß auch beim Menschen die Physostigmin-
contractur durch Adrenalin wieder beseitigt werden kann. Es spricht also alles
dafür und das hebt auch Frank?!) scharf hervor, daß der Parasympathicus der
Förderer und Verstärkerer des Muskeltonus, der Sympathicus dagegen sein Ant-
agonist ist. Neuerdings haben Riesser und Neuschloss??) auch am isolierten Frosch-
schenkel Versuche mit einem Gift angestellt, das ebenfalls elektiv reizend auf
parasympathische Nervenendigungen wirkt, und zwar mit Acetylcholin. Sie
konnten feststellen, daß nach Zusatz von Acetylcholin zur Ringerlösung
der Muskel sich schnell verkürzt und schließlich auch in Contracturstellung gerät.
Bei gleichzeitiger direkter Reizung des Muskels mit Induktionsströmen wird der
ganze Vorgang noch sehr beschleunigt. Durch Atropin konnten sie die Wirkung
des Acetylcholins verhindern bzw. aufheben. Mit Adrenalin hatten sie in diesem
Falle weniger Erfolg. ‚Jedenfalls wei-
sen auch diese Versuche von Riesser
und Neuschloss??) auf die Wirkung der
vegetativen Nervenfasern, insbeson- IT
dere die der parasympathischen am INN | (lag
Muskel hin. Bei der Beurteilung der (UI | |
Frage nach der Bedeutung der vege- Vë VII,
tativen Nerven für den Muskel müssen
wir uns folgender Tatsache bewußt T d m Bar "A
bleiben. Nie können die vegetativen
Nerven eine Einzelkontraktion des
Muskels hervorrufen; dies bleibt allein
|
die "rasche Zuckung und die teta-
nische Kontraktion hervor. Der ve- Set R+
getative Nerv ist dagegen verant- (KOR Fra A 40000
wortlich für die zweite Grundeigen-
schaft des Skelettmuskels, die to- Kurve XVI.
nische Funktion, die wir mit Grützner
als innere Sperrung oder mit Uexküll als die Funktion des Haltens der Funk-
tion des Hebens oder mit Strümpell als myostatische Innervation der myo-
motorischen gegenüberstellen können. Sekundär hängt auch natürlich die Reiz-
wirkung des motorischen Nerven von dem vegetativen Nerven, d. h. von
dem durch ihn bedingten tonischen Muskelzustand ab und umgekehrt. Dies
ist deutlich zu beobachten, wenn man z. B. den isolierten Froschmuskel in
eine acetylcholinhaltige Ringerlösung legt und den Muskel gleichzeitig direkt
oder indirekt reizt. Die Spannung des Muskels nimmt zu, und jede Einzel-
kontraktion nimmt von dem erhöhten Spannungszustande ihren Ausgangs-
punkt (siehe Kurve XVI). Infolge der Einzelkontraktion wird der tonische
Verkürzungsvorgang noch beschleunigt. An dieser Stelle soll der ganze Fragen-
komplex, der sich mit der Bedeutung des vegetativen Nervensystems für den quer-
gestreiften Muskel befaßt, nicht eingehender behandelt werden; denn für unsere
Fragestellung: „Wie verhält sich die Wirkung der vegetativen Nerven zu der
Wirkung des Natriums, Kaliums und Calciums“ genügt das bisher Gesagte. Die
Beantwortung der Frage läßt sich dahin zusammenfassen, daß auch hier für den
Muskel die Übereinstimmung zwischen Vagus, d. h. parasympathischem Nerv
und Natrium bzw. Kalium einerseits, zwischen sympathischem Nerv und Calcium
andererseits in gleicher Weise gilt wie für die anderen Organe. Betrachten wir
374 S. G. Zundek:
zunächst die Beziehung von parasympathischem Nerv und Natrium bzw.
Kalium.
legt man einen Froschmuskel in eine Ringerlösung, die kein Calcium enthält,
also ein relatives Übergewicht an Natrium und Kalium aufweist, so lassen sich am
Muskel — und das ist schon seit langem bekannt — fibrilläre Zuekungen nachweisen;
der Muskel wird unruhig. Die Erscheinungen lassen sich noch wesentlich ver-
stärken, wenn man — wie ich feststellen konnte nicht allein von einer calcıum-
freien Nährlösung ausgeht, sondern von einer Lösung, deren Gehalt an Natrium
bzw. Kalium noch besonders erhöht ist (etwa 0,9 statt 0,6%, NaCl oder 0,05 statt
0,0125 KCJ). Auch fühlt sich der Muskel dann wesentlich fester und steifer an.
Wie wir sehen, tritt beim Muskel infolge des Natrium- und Kaliumübergewichtes
hier im Prinzip dasselbe auf, was wir beim Hund nach Physostigmin, also nach
Reizung des Parasympathicus beobachten können. Das fibrilläre Zucken des
Muskels beistärkerem Natrium- oder Kalimmübergewicht läßt sich durch gesteigerte
Calciumzufuhr wieder beheben; dasselbe bewirkt, wie sich aus meinen Versuchen
ergeben hat, aber auch Suprarenin. In einer Ringerlösung, deren Kaliumgehalt
sehr stark erhöht ist (von 0,019, auf etwa 0,2-—-0,5°,) tritt dieselbe Contractur
auf wie in einer acetylcholinhaltigen Ringerlösung. Auch in dem Verhalten
gegenüber gleichzeitiger direkter bzw. indirekter Reizung besteht gar kein Unter-
schied (siehe Kurve XVI).
Wie zwischen parasympathischem Nerv und Kalium läßt sich auch zwischen
sympathischem Nerv und Calcium eine gute Übereinstimmung nachweisen. Solange
der parasympathische Nerv sich in normalem Reizzustande befindet, scheint dem
sympathischen keine besondere Bedeutung zuzukommen. Legt man nämlich
einen Muskel in eine suprareninhaltige Ringerlösung, so verändert sich die Erreg-
barkeit nur schr wenig. Ist der Parasympathicus aber erregt, so kann die Reizung
des Sympathicus durch Suprarenin ausgleichend wirken. So z. B. die Suprarenin-
wirkung bei den am Hund durch Phvsostigmin und beim isolierten Froschmuskel
dureh Kalinmübergewicht hervorgerufenen fibrillären Zuckungen. Wie Adrenalin
verhält sich auch Calcium. Wenn man den Caleiumgehalt der Ringerlösung stark
erhöht, von 0,01 auf OI: so ändert sich die Erregbarkeit des Froschmuskels
nicht mehr als wie nach Suprarenin; dagegen vermag Erhöhung des Caleciumgehaltes
das fibrilläre Zucken sofort zu beseitigen. Wie schon erwähnt, tritt bei starker
Erhöhung des Kaliumgehaltes eine Contractur auf. Diese Kaliumwirkung kann
— wie Overton?) gezeigt hat — durch gleichzeitige starke Erhöhung des Calcium-
gehaltes (0,2% ,,) lange Zeit hintangehalten werden. Aus einer Mitteilung von
Hermann Lange??) geht hervor, daß auch Adrenalin den Eintritt der Kaliumwirkung
zeitlich stark hinausschieben kann. Fassen wir die Untersuchungsergebnisse
zusammen, so ergibt sich. daB auch beim quergestreiften Muskel zwischen Nerv
und Ionenwirkung dieselbe Übereinstimmung besteht, wie bei den anderen Organen.
Betrachten wir den Parasympathicus als den Förderer und Verstärker des Muskel-
tonus, so können wir dieselben Eigenschaften auch dem Natrium und Kalıum
zulegen. Andererseits können wir wie den Sympathicus auch das Calcium als den
Antagonisten ansehen. Ebensowenig wie durch Reizung der vegetaliven Fasern
können wir auch durch die Kationen Einzelkontraktionen des Muskels hervorrufen.
Welche Schlußfolgerungen können wir aus den bisher mitgeteilten
Untersuchungen ziehen ?
Auch Howell25) ist es aufgefallen, daß speziell am Herzen die
Vaguswirkung Ähnlichkeit mit der Kaliumwirkung hat. Er stellte die
Theorie auf, daß der Vagus das Kalium, das innerhalb der Herzmus-
kelzelle sehr stark angereichert ist, aus seinen fixen Verbindungen
Identität von Nerv- und Ionenwirkung. _ 375
chemisch freimacht, nach außen abgibt und dadurch seine Wirkung
entfaltet. Er willauch nach Vagusreizung in der Nährlösung des Herzens
mehr Kalium nachgewiesen haben als zuvor. Dies konnte aber von
anderer Seite [Hemmeter:®), O. Loewi??)] nicht bestätigt werden. Auch
verliert diese Anschauung an Wahrscheinlichkeit, wenn wir an die
Übereinstimmung von Sympathicus und Caleium denken: denn inner-
lalb der Zelle ist überhaupt nur sehr wenig Calcium vorhanden, kann
also nicht freigemacht werden, um nach außen abgegeben zu werden.
Immerhin hat auch er schon an Beziehungen zwischen Vagus und Kalium-
wrkung gedacht.
Wenn wir sehen, daß ein Körper so wirkt wie der Vagus, so
denken wir zunächst daran, daß er den Vagus reizt, z. B. das Mus-
carin. Wirkt er wie der Sympathicus, so nehmen wir an, daß er den
Sympathicus reizt, z. B. das Suprarenin. Und daß dies für das Mus-
carin und Adrenalin bzw. Suprarenin im allgemeinen zutrifft, ist nicht
zweifelhaft. Allerdings sei als Angriffspunkt der Gifte nicht der Nerv
selbst bzw. die Nervenendigungen im gewöhnlichen Sinne gedacht;
denn wir wissen, daß die parasympathischen Gifte (Muscarin, Atropin)
wie die sympathischen (Adrenalin\ selbst nach vollkommener Nerven-
degeneration ihre Wirkung noch entfalten können. Der Angriffspunkt
der Gifte muß also schon peripher von der Nervenendigung gelegen
sein. Er ist von Langley bekanntlich als die receptive Substanz und
später von Asher auch als die neuro-muskuläre Zwischensubstanz be-
zeichnet worden. Welchen Zellbestandteil diese Substanz eigentlich
darstellt, ist noch unbekannt. Für unsere Betrachtung ist dies auch
belanglos. Jedenfalls müssen sowohl Nervenreiz wie Nervengift die
betreffende Substanz in gleicher Weise beeinflussen, so daß stets die
gleiche Wirkung resultiert.
Wir begehen daher auch keinen Fehler von praktischer Bedeutung,
wenn wir die Wirkung der betreffenden Gifte nach wie vor als eine
Erregung des betreffenden Nerven ansehen. Diese Definition hat für
praktische Zwecke jedenfalls den Vorzug der größeren Einfachheit. Ich
will mich daher auch bei den folgenden Ausführungen an sie halten,
die theoretische Definition allerdings berücksichtigen, wenn ein sach-
liches Moment es erfordert.
Von der üblichen, vorhin erörterten Vorstellungsweise ausgehend,
haben nun einzelne Autoren, wenn sie gelegentlich anderer Unter-
suchungen zufällig bemerkten, daß sie mit Kalium eine ähnliche Wirkung
wie durch Vagusreizung hervorrufen konnten, die Vermutung aus-
gesprochen, daß das Kalium wahrscheinlich den Vagus reize, etwa
nach Art des Muscarins. So z. B. Traube?®) und Rosenberg??), die die
Pulsverlangsamung nach Kalium auf Vagusreizung zurückführen. Auch
Tetens Hald®°), dem die Ähnlichkeit der Vagus- und Kaliumwirkung
Biochemische Zeitschrift Band 132. 25
376 S. G. Zondek:
auf den Blutdruck auffiel, dachte an ähnliche Beziehungen. Um dies
sicher entscheiden zu können, hat er — was ja sehr nahe liegt — den
Vagus durch Atropin ausgeschaltet und dann die Kaliumwirkung von
neuem geprüft. Er beobachtete aber, daß die Kaliumwirkung trotz-
dem unverändert blieb. Also konnte das Kalium nicht auf dem Um-
wege einer Vagusreizung gewirkt haben. Ähnliche Beobachtungen
machten auch noch andere Autoren. Ihre ursprüngliche Annahme,
daß das Kalium den Vagus reize, wurde durch ihre eigenen Feststel-
lungen wieder hinfällig, und eine Erklärung war unmöglich.
Um der Frage näherzukommen, glaube ich, müssen wir unsere
übliche Denkweise etwas umstellen. Wie schon erwähnt, pflegen wir
von einem Körper, der wie der Vagus wirkt, anzunehmen, er reize den
Vagus. Wir haben aber nicht daran gedacht, daß es auch einmal um-
gekehrt sein kann, und dies gilt meiner Meinung nach für das Natrium,
Kalium und Calcium. Nicht das Kalium reizt den Vagus, sondern um-
gekehrt, der Vagus reizt, d. h. beeinflußt das Kalium. Und nicht das
Calcium reizt den Sympathicus, sondern umgekehrt, der Sympathicus
reizt, d. h. beeinflußt das Calcium. Dies ist folgendermaßen aufzufassen:
Die Vaguswirkung besteht darin, das Natrium und Kalium, das sich
in den Zellen und um die Zellen herum befindet, dorthin zu schaffen,
wo es nötig ist, um physiologische Vorgänge, z. B. die Kontraktion
des Darmes zu ermöglichen. Dort, wo der Sitz der physiologischen
Vorgänge ist, entsteht durch den Vagusreiz eine relative Konzentrations-
steigerung des Natriums und Kaliums. Nach unserer heutigen Auf-
fassung kommt dafür in erster Linie die Grenze zwischen wäßriger
Lösung (I. Phase) und Zellmembran (II. Phase) in Frage. Dasselbe
gilt nun für den Sympathicus und das Calcium. Während der Vagus
vornehmlich das Natrium und Kalium dirigiert, dirigiert der Sympathi-
cus vornehmlich das Calcium. Dies ist zunächst aber nur eine These,
die zu beweisen ist; denn aus den bisher mitgeteilten Versuchen geht ja
nur hervor, daß die Vaguswirkung parallel geht bzw. wesensgleich ist
mit der Natrium- und Kaliumwirkung und die Sympathicuswirkung mit
der Calciumwirkung. Dies ist zwar sehr auffallend, deckt aber noch nicht
die Art der Beziehungen auf, vor allem beweist es noch nicht, daß z. B.
die Vaguswirkung darin besteht, das Kalium in der angegebenen Weise
zu beeinflussen. Daß eine Konzentrierung von Kaliumionen bzw.
eine mit dem Kontraktionsvorgang einhergehende Verteilungsänderung
des vorhandenen Kaliums in der Zelle stattfindet, ist nicht zweifel-
haft. Dies hat Macallum®!) direkt an den Flügelmuskeln von Kot-
fliegen nachgewiesen. Von welcher Bedeutung für die Zelle eine Kon-
zentrierung des Kaliums sein muß, davon können wir uns ein Bild
machen, wenn wir bedenken, daß ein geringer künstlicher Kalium-
überschuß, also eine künstliche Kaliumkonzentrierung genügt, um z. B.
Identität von Nerv- und Ionenwirkung. 377.
beim Darm die lebhaftesten Kontraktionen hervorzurufen, genau wie
eine starke Vagusreizung (s. Kurve IV). Ein idealer Beweis für meine
Auffassung vom Wesen des Vagusreizes wäre dann gegeben, wenn
es möglich wäre, die Beeinflussung des Kaliums durch den Vagus
direkt zu beobachten. Dafür fehlt es aber bislang an der Methodik.
Auch auf chemischem Wege läßt sich dies nicht mit Sicherheit nach-
weisen; denn der Kaliumgehalt als solcher muß sich ja gar nicht wesent-
lich ändern; wahrscheinlich wird nur das zur Verfügung stehende
Kalium durch den Vagusimpuls in zweckmäßiger Weise nach einer
bestimmten Richtung hin dirigiert. Ich glaube nun, durch andere
Versuche einen ausreichenden Beweis bringen zu können. Das Kalium
reizt sicherlich nicht den Vagus; denn sonst müßte nach Ausschaltung
des Vagus, z. B. durch Atropin, die Kaliumwirkung verhindert bzw.
wieder aufgehoben werden können. Daß dies nicht der Fall ist, wurde
vorhin schon hervorgehoben. Wir können dies auch sehr gut am Darm
nachweisen. Setzt man der Nährlösung des überlebenden Darms
Atropin zu, so erschlafft er infolge Vaguslähmung. Zusatz von Mus-
carin, also Vagusreizung, hat in diesem Stadium gar keinen Erfolg.
Dagegen vermag Kalium den Darm sofort wieder zur Kontraktion
zu bringen. Die Kaliumwirkung kommt also trotz Atropin zustande,
die Muscarinwirkung dagegen nicht.
Anders darf es auch nach meiner Theorie nicht sein; denn führen
wir der Zelle Kalium zu, so rufen wir selbst durch unser Experiment
eine Kaliumkonzentrierung an der Zellmembran bzw. eine veränderte
Kaliumverteilung in der Zelle hervor, tun also das, was sonst der Vagus
zu tun hat. Wir vertreten den Vagus und sind daher auf ihn selbst nicht
mehr angewiesen. Was tritt nun ein, wenn das Natrium und Kalium
aus der Zelle nach Möglichkeit entfernt wird? Löst dann eine Vagus-
reizung überhaupt noch eine Wirkung aus? Nach meiner Theorie
darf das nicht der Fall sein. Denn wenn die Vaguswirkung darin be-
stehen soll, das Natrium und Kalium nach einer bestimmten Richtung
zu dirigieren, so muß die Vaguswirkung ausbleiben, wenn dem Vagus
Natrium und Kalium gar nicht zur Verfügung stehen. Diese Ver-
suche stoßen auf praktische Schwierigkeiten, da zwar die Entfernung
des Natriums und Kaliums aus der Nährlösung möglich ist, die Ent--
fernung aus der Zelle selbst, aber, wenn überhaupt, nur teilweise erfolgen
kann. Immerhin haben Versuche, die ich am Darm ausführte, nach
dieser Richtung hin brauchbare Resultate gezeitigt. Wäscht man den
überlebenden Meerschweinchendarm wiederholt mit einer kalium- und
natriumfreien Tyrodelösung, der zwecks Isotonie Zucker zugesetzt
ist, aus, so bleibt der Zusatz von Muscarin fast ohne jeden Erfolg auf
die Darmkontraktion. Erst in dem Moment, wo dem Darm wieder
Natrium oder Kalium zugeführt werden, dem Vagus also erst Material
25*
378 S. G. Zondek:
zur Verarbeitung geliefert wird, tritt der Muscarinerfolg ein; der Darm
kontrahiert sich dann maximal (s. Kurve XVII).
Dasselbe gilt für das Calcium und den Sympathicus. Bei Fehlen
von Calcium bleibt eine Sympathicusreizung erfolglos. Das haben
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Kurve XVII. |
neuerdings am Darm auch Tezner und Turolt3?) und am Herzen Spiro?) |
beobachtet. Gewiß läßt sich auch einwenden, daß das Ausbleiben der |
Nervenwirkung bei Fehlen der betreffenden Kationen darauf beruhe, |
daß der Nerv selbst gegenüber der Reizung unempfindlich wird; denn
Tree owe ba
Kurve XVIIL
die Funktionsfähigkeit des Nervens ist ja sicherlich auch an die Gegen-
wart der Kationen gebunden. Daß aber dem Zustand der Zelle selbst
die wesentlichste Bedeutung zukommt, dürfte aus folgendem Versuch
hervorgehen: Sowohl bei der Blase, wie beim Darm ist eine Vagus-
reizung auch bei Fehlen von Calcium erfolglos, zu mindestens in der
Wirkung stark herabgesetzt (s. Kurve XVIII).
Identität von Nerv- und Ionenwirkung. 379
Ähnliches haben Chiari und Fröhlich®*) nachweisen können. Nach
den Untersuchungen von Busquet und Pachon®), Mines?) u.a. ist
auch beim Herzen Vagusreizung ohne Gegenwart von Calcium erfolg-
los. Dies scheint zunächst meiner Theorie zu widersprechen. Als Ur-
sache für das Ausbleiben der Wirkung nahm man bisher an, daß bei
Abwesenheit von Calcium die Synapse zwischen Nerv und Erfolgs-
organ aufgehoben werde. Das Calcium galt gewissermaßen als Kitt-
substanz zwischen beiden. Weitere Versuche, die ich am Darm an-
stellte — das Herz eignet sich für diese Untersuchungen wegen des
komplizierenden Ineinandergreifens verschiedener Faktoren schlechter
als Darm oder Blase —, ergaben aber eine ganz andere Erklärungs-
möglichkeit. Es zeigte sich nämlich, daß bei Fehlen von Calcium
002 KÉ PK I Ga Ha
Kurve XIX.
der Darm ebenso wie gegenüber Vagusreizung auch fast vollständig
unempfindlich wird gegenüber Natıium und Kalium. Selbst bei starker
Kaliumkonzentrierung konnte nur eine ganz geringe Wirkung erzielt
werden (s. Kurve XIX). Erst nach Zusatz von Calcium traten Vagus-
bzw. Kaliumwirkung wieder auf (s. Kurve XVIII u. XIX). Worauf das
Ausbleiben der Kaliumwirkung zurückzuführen ist, läßt sich nicht ent-
scheiden. Jedenfalls zeigen diese Versuche, daß die Wirkung eines
Körpers, wie z. B. des Kaliums, abhängig ist von einem anderen Bau-
stein derselben Zelle, z. B. von Calcium. Ferner sehen wir, daß auch hier
die Vaguswirkung der Kaliumwirkung parallel geht; und das bedeutet
in diesem Falle, daß dort, wo eine Unempfindlichkeit gegenüber Kalium
besteht, auch eine Unempfindlichkeit gegenüber Vagusreizung auftritt.
Für das Ausbleiben der Vaguswirkung bei Fehlen von Calcium
werden wir daher in guter Übereinstimmung mit meiner Theorie die
Unempfindlichkeit der Zelle gegenüber der Kaliumkonzentıierung ver-
antwortlich machen.
380 S. G. Zondek:
Wie ich schon hervorgehoben habe, ist eine Entfernung der Elektro-
lyte aus der Zelle selbst sicherlich nur in ganz ungenügender Weise
möglich. Es wird daher nicht immer durch Fortlassen der betreffen-
den Elektrolyte aus der Nährlösung auch das Eintreten der Nerven-
wirkung ganz verhindert werden können. Häufig wird durch die von
uns künstlich hervorgerufenen Elektrolytveränderung die Nerven-
wirkung nur eine quantitative oder auch qualitative Änderung erfahren.
Daß letzteres eintreten kann, geht auch aus einer kürzlich erschienenen
Arbeit Turolts??) hervor, die die Umkehr der Adrenalinwirkung auf
den überlebenden Uterus infolge Ionenverschiebung behandelt. Wie
eine Umkehr der Nervenwirkung zustande kommen kann, wird noch
später besprochen werden müssen. Für unsere Beweisführung ist von
allen Einzelbefunden abgesehen, das Wesentliche in folgendem zu
erblicken: Die Zelle bedarf der Nerven nicht, wenn eine bestimmte Ionen-
wirkung eintreten soll; sie bedarf aber der Ionen, wenn eine bestimmte
Nervenwirkung erfolgen soll.
Wenn ich das Wesen der Vaguswirkung als Natrium- und Kalium-
konzentrierung definiere, so folge ich dabei rein praktischen Gründen;
denn damit soll zum Ausdruck gebracht sein, daßeine Vagusreizung zu der
gleichen Wirkung führt, die erzielt wird, wenn durch Kalium- bzw. Na-
triumzufuhr künstlich der normale Kalium- oder Natriumgehalt an der
Zelle erhöht wird. Was eigentlich an der Zelle vor sich geht, wenn
der Kaliumgehalt in der Umspülungsflüssigkeit der Zellen vermehrt
wird, ist ja noch nicht geklärt. Auf jeden Fall ist die Erhöhung des
Kaliumgehaltes in der die Zellen umgebenden Flüssigkeit doch nur
das auslösende Moment. Wenn wir uns vorstellen, daß an der Zelle
ein physiologisches Gleichgewicht der Ionen besteht, d. h. daß letztere in
einem bestimmten Verhältnis zueinander von den Zellbestandteilen in
irgendeiner Form gebunden sind, so z. B. durch Adsorption, so muß
eine Durchbrechung dieses Gleichgewichtes, z. B. durch eine künstliche
Erhöhung des Kaliumgehaltes, zu einer Änderung der normalen Ver-
teilung der Ionen führen. Mit einer Verteilungsänderung der Ionen
ist dann die Änderung der Funktion verbunden. Statt ‚Änderung
der normalen Verteilung“, können wir auch ‚‚relative Konzentrations-
änderung in der Zelle“ sagen, die sich beispielsweise auch an der Grenze
zwischen wäßriger Lösung — als der ersten Phase- und Zellmembran —
als der zweiten Phase — geltend machen kann. Berücksichtigen wir die
wesensgleiche Wirkung von Nerv und Ion und ihr charakteristisches
Abhängigkeitsverhältnis, so müssen wir folgern, daß auch Vagusreizung
im Prinzip zu der gleichen Verteilungs- bzw. Konzentrationsänderung der
Ionen führt, wie sie auch durch künstliche Erhöhung des Gehaltes an Ka-
lium- und Natriumionen herbeigeführt wird. Das gleiche gilt für den Sym-
pathicus und das Caleium. Diese Anschauung vom Wesen der Vagus- und
Identität von Nerv- und Ionenwirkune. 381
Sympathicuswirkung findet eine gute Stütze in den Untersuchungen von
Nernst?) und seiner Theorie über die Erregung des Muskele durch den
elektrischen Strom. Von rein physikalischen bzw. elektrochemischen Ge-
sichtspunkten ausgehend, kam Nernst zu dem Resultat, daß bei Durch-
leitung eines galvanischen Stromes durch lebendes Gewebe an der Grenze
zwischen Zellmembran und wäßriger Lösung notwendigerweise Konzen-
trationsänderungen der natürlichen Elektrolyte eintreten müssen. Und
allein in dieser Konzentrationsänderung der Elektrolyte sieht Nernst die
Ursache für die Erregung durch den elektrischen Strom. Gehen wir
einen Schritt weiter, dann — glaube ich — kommen wir auch auf in-
direktem Wege meiner Anschauung von der Vagus- und Sympathicus-
wirkung näher. Ob ein Organ direkt durch den elektrischen Strom
oder auf irgendeine Weise vom Nerv aus erregt wird, die Wirkung
ist im Prinzip dieselbe. Ist nun die Konzentrationsänderung der Elektro-
lyte die Ursache für die Erregung durch den elektrischen Strom, sollte
sie dann nicht auch als Ursache für die Erregung durch den Nerv an-
gesehen werden? Was für den Nerv ganz allgemein gilt, trifft im
speziellen auch für den Vagus und Sympathicus zu. Nur müssen wir
hier annehmen, daß der Vagus und Sympathicus sich die Aufgabe,
die Konzentrationsänderung der Elektrolyte herbeizuführen, teilen.
Der Vagus ruft die Konzentrationsänderung in dem Sinne hervor, daß
das Natrium und Kalium im Vordergrund der Zellwirkung steht, der
Sympathicus dagegen in dem Sinne, daß das Calcium das Übergewicht
erhält.
Von welch großer Bedeutung diese einzelnen Ionen für die Vor-
gänge an der Zelle sind, braucht im einzelnen nicht erörtert zu werden.
Darüber liegen schon zahlreiche Einzeluntersuchungen vor [s. Höber,
Physikalische Chemie der Zelle und der Gewebe]. Sicher ist, daß
die Elektrolyte in der Lage sind, die Zellfunktion in entscheidender
Weise zu beeinflussen. In dem Vagus und Sympathicus sind nun,
wie ich glaube, die Faktoren zu erblicken, die es erst ermöglichen,
daß die Zellen in einer für die physiologische Zellfunktion zweck-
mäßigen Weise unter den Einfluß der betreffenden Ionen gesetzt werden.
Erst die Verschiebung des Gleichgewichtes ruft dann die Funktions-
änderungen hervor und leitet die Prozesse ein, die wir den vegetativen
Nerven zuzuschreiben gewohnt sind (z. B. Förderung bzw. Hemmung
der peristaltischen Darmbewegung).
Es soll jetzt geprüft werden, ob und inwieweit die hier vertretene
Auffassung vom Wesen der Vagus- und Sympathicuswirkung anwend-
bar ist auf hierher gehörige Untersuchungsergebnisse anderer Autoren.
Wenn beobachtet wurde, daß bei geänderter Elektrolytkombination
die Wirkung der Vagus- und Sympathicusreizung von der Norm abwich,
so führte man dies gewöhnlich darauf zurück, daß der Nerv selbst
382 S. G. Zondek:
ui
durch die Veränderung der Elektrolyte in seiner Reaktionsfähigkeit be-
einflußt wurde. Gewiß hängt auch die Funktionstüchtigkeit des Nerven
in ähnlicher Weise wie die jeder anderen Zelle vom Gleichgewicht der
betreffenden Ionen ab. So wissen wir, daß Kaliumübergewicht zur
Lähmung der motorischen Nervenendigungen führen kann. Anderer-
seits ist aber auch bekannt, daß der Nerv im allgemeinen nur sehr
langsam auf die Veränderung der Elektrolyte reagiert. Die Reaktionen
aber, um die es sich hier handelt, setzen meist sofort mit der Verände-
rung der physiologischen Elektrolytkombination ein. Dies ist auch ein
Grund, weshalb wir eher annehmen sollten, daß die Zelle selbst durch
die Elektrolytverschiebung so verändert wird, daß der normale Nerven-
impuls zu einer von der Norm abweichenden Wirkung führt. Doch be-
steht natürlich auch die Möglichkeit, daß mitunter beide, d. h. sowohl
der Nerv als die Zelle des Erfolgsorgans, beteiligt sein können. Nun
zu den Untersuchungen der einzelnen Autoren. Groß!®) fand beim Warm-
blüter, daß nach intravenöser Injektion von Kaliumsalzen die elek-
trische Erregbarkeit des Vagus gesteigert wurde. Dasselbe wurde bein
Frosch von Durdufi33) festgestellt. Diese Beobachtungen lassen sich
bei Zugrundelegung meiner Auffassung von der Vaguswirkung sehr
gut erklären; denn wenn künstliche Kaliumkonzentiierung und Vagus-
reizung dasselbe bedeuten bzw. dasselbe bewirken, ist es erklärlich,
daß ihre Wirkung sich summiert oder daß — auf den Vagus bezogen —
der Vagus kleinere Reizdosen als sonst benötigt, um eine Wirkung
von bestimmter Intensität hervorzurufen. Das gleiche gilt für die
Empfindlichkeitssteigerung des Sympathicus durch Calcium, die eben-
falls von einigen Autoren festgestellt worden ist, so Howell, Kolm
und Pick?®). Auch für die paradoxe Reaktion der Nerven bzw. die
ihrer Reizgifte (Muscarin, Suprarenin), die, wie schon erwähnt, bei
Störung des normalen Ionengleichgewichtes auftreten kann, ist eine
befriedigende Erklärung möglich. Fr. Kraus) hat gefunden, daß beim
Warmblüter nach Vorbehandlung des Tieres mit Calcium elektrische
Vagusreizung nicht wie sonst zur Hemmung, sondern zur Erregung
des Herzens führt. Diese Umkehrung der Vaguswirkung habe ich*°)
am Froschherzen, statt mit elektrischer Vagusreizung, auch mit Mus-
carin erzielt. Unter denselben Bedingungen hat neuerdings auch
Pıick*!) nach Muscarin statt des diastolischen Stillstandes einen systo-
lischen Stillstand beobachtet. Nach Untersuchungen, die O. Loewt®)
am Frosch angestellt hat, wissen wir aber, daß nach schwacher Calcium-
vorbehandlung auch eine stärkere Kaliumzufuhr eine Reaktion aus-
löst, die der üblichen entgegengesetzt ist. Während Kalium sonst zu
einem diastolischen Herzstillstand bzw. zu einer Abnahme der Kon-
traktionsstärke führt, ist unter den genannten Bedingungen eine ver-
stärkte Kontraktionsfähigkeit des Ventrikels zu beobachten, die sich
Identität von Nerv- und Ionenwirkung. 383
bis zum systolischen Stillstand steigern kann. Sehen wir entsprechend
der von mir hier vertretenen Auffassung Vaguswirkung und künstliche
Kaliumkonzentrierung als identisch an, so ist die Brücke zwischen
den einzelnen Beobachtungen ohne weiteres geschlagen. Die paradoxe
Vaguswirkung ist demnach auf eine nach geeigneter Calciumvorbehand-
lung auftreiende Umkehr der Kaliumwirkung zurückzuführen. Daß die
Wirkung des Kaliums vom Calcium abhängig sein kann, ist schon
bei den Darmuntersuchungen aufgefallen. Es zeigte sich, daß bei
Fehlen von Calcium die Wirkung einer künstlichen Kaliumkonzen-
trierung ganz ausbleibt (s. Kurve XIX). Beim Herzen ist die Wir-
kung der Kaliumkonzentrierung ebenfalls abhängig vom Calcium,
allerdings in einem anderen Sinne als beim Darm. In ähnlicher Weise
dürfte auch die Umkehr der Adrenalinwirkung am Uterus zu erklären
sein, auf die Turoli#) aufmerksam gemacht hat.
Bevor ich auf die praktischen Schlußfolgerungen eingehe, die sich
aus meiner Theorie ergeben, sollen noch einige neue Untersuchungen
O. Loewis??) besprochen werden, die sich auch mit der Frage nach
dem Wesen der Vagus- und Sympathicuswirkung beschäftigen. Loewi
hat am isolierten Froschherzen den Vagus faradisch gereizt und
dabei die bekannte negativ-chronotrope und inotrope Wirkung er-
zielt. Wenn er während der Vagusreizperiode die Nährlösung des
Herzens abpipettierte und sie auf ein anderes Herz übertrug, so
traten auch bei diesem Erscheinungen auf, wie wir sie bei Vagus-
reizung beobachten. In entsprechender Weise verliefen auch Versuche
mit Reizung des Sympathicus. Es werden also sowohl bei Vagus- wie
Sympathicusreizung Stoffe gebildet, die Loewi als Parasympathicus-
bzw. Sympathicusstoffe bezeichnet. Die chemische Natur dieser Stoffe
hat Loewi noch nicht ermitteln können, doch glaubt er beim Vagus
an cholinähnliche Körper. Was die Bedeutung dieser Stoffe anbetrifft,
so liegen nach Loewi zwei Möglichkeiten vor. Die Stoffe könnten Pro-
dukte der durch die Nervenreizung ausgelösten besonderen Art der
Herztätigkeit sein; also gewissermaßen Stoffwechselprodukte, die von
der Herzfunktion abhängig sind und zufällig ebenso wirken wie die
Vagusreizung. Diese Möglichkeit hält Zoewi aber nicht für wahrschein-
lich, und zwar aus folgenden Gründen: Bei einem Herzstillstand nach
Stanniusligatur sind die Parasympathicusstoffe nicht nachweisbar.
Wenn man aber bei dem Herzen, das infolge der Stanniusligatur schon
im Stillstand verharrt, noch den Vagus reizt, so ändert sich zwar an
der Funktion des Herzens nichts mehr, aber die Vagusstoffe treten
trotzdem auf. Die zweite Möglichkeit, die Loewi ins Auge faßt, ist
folgende: ‚Unter dem Einfluß der Nervenreizung bilden sich Stoffe,
die ihrerseits die spezifische Reaktion des Herzens auf den Nerven-
reiz ausüben.‘‘ Demnach ist es die Aufgabe des Nerven, den bestimmten
384 S. G. Zondek:
Stoff zu bilden, und dieser erst ruft am Herzen die betreffende Wir-
kung hervor. Loewi neigt sehr zu dieser Anschauung. Er selbst hat
jedoch gefunden, daß die Wirkung seines Parasympathicusstoffes
durch Atropin verhindert bzw. wieder aufgehoben wird. Dies beweist,
daß die Substanz ihren Angriffspunkt nur an den Nervenendigungen
bzw. der sogenannten receptiven Substanz, über deren Natur wir
allerdings noch ganz im unklaren sind, haben kann. Welche Reaktion
aber die Erregung dieser receptiven Substanz auslöst, darüber sagen
die Loewischen Untersuchungen noch nichts aus. Die Wirkung des
Kaliums und Calciums ist durch Atropin gar nicht beeinflußbar. Diese
Tatsache ist bereits eingehend gewürdigt worden (s. S. 377). Sucht
man die Substanz zu finden, die als Folge des Nervenreizes die End-
reaktion am Erfolgsorgan auslöst, so muß sie die Forderung erfüllen,
daß sie selbst vollkommen unabhängig vom Nerven wirken kann, also
auch durch Atropin nicht beeinflußt wird; denn wenn man die für die
Endreaktion verantwortliche Substanz gewissermaßen schon in Händen
hat und sie auf das Erfolgsorgan wirken läßt, so vertritt man den
Nerv in seiner Funktion und hat ihn also nicht mehr nötig. Dieser Forde-
rung entspricht — wie schon ausgeführt — das Verhalten der Kationen.
Meine Untersuchungen, die ergeben haben, daß der Vagus und Sym-
pathicus die Elektrolyte so verschieben, daß bestimmte Kationen im
Vordergrund der Zellwirkung stehen, bilden indes gar keinen Wider-
spruch zu den Loewischen Befunden. Letztere weisen nämlich —
wie ich glaube — auf einen Vorgang hin, der zwischen dem Nerven-
reiz und der als Endreaktion auftretenden Elektrolytverschiebung
gelegen sein muß. Wenn wir uns auf den Boden meiner Theorie stellen
und annehmen, daß der Nerv eine Verschiebung des Elektrolytgleich-
gewichts hervorruft und dadurch das Erfolgsorgan in charakteristischer
Weise beeinflußt, so erhebt sich von selbst. die neue Frage, wie der
Mechanismus dieser Vorgänge zu erklären ist. Vor allem werden wir
erfahren wollen, wie und auf welche Weise der Nerv die Elektrolyt-
verschiebung herbeiführt. Hierüber läßt sich zur Zeit noch nichts
Bestimmtes aussagen. Wahrscheinlich ist jedoch, daß es hier noch
eine oder mehrere Zwischenreaktionen gibt. Als solcher kann der
von Loewi bei Vagus- und Sympathicusreizung gefundenen Reaktion
eine große Bedeutung zukommen.
Für die Frage nach dem Mechanismus der Vorgänge wird noch
folgende Überlegung notwendig sein. Wenn wir sagen, daß der Nerv
an den Zellmembranen eine Verteilungsänderung der Elektrolyte herbei-
führt, so werden wir uns darüber klar sein müssen daß hierfür zwei
Möglichkeiten gegeben sind. Entweder ruft der Nerv auf eine bisher noch
nicht geklärte Weise primär die Elektrolytverschiebung hervor und drängt
sie den Zellmembranen auf, oder aber er verändert primär durch irgend-
Identität von Nerv- und Ionenwirkung. 385
‚welche Hilfsmittel die Zellmembranen so, daß von ihnen sekundär
die Elektrolytverschiebung erzwungen wird. Welcher von diesen
beiden Anschauungen die größere Wahrscheinlichkeit zukommt, läßt
sich noch nicht entscheiden. Was den Endeffekt der Nervenfunktion be-
trifft, so führen beide jedenfalls zu dem gleichen Resultat: die vegetativen
Nerven schaffen den Membranen die notwendigen Elektrolyte heran;
der Vagus sorgt dafür, daß an den Zellmembranen ein relatives Kalium-
übergewicht eintritt, der Sympathicus sorgt dafür, daß ein Calcium-
übergewicht zustande kommt. Dabei ist es nicht notwendig, und das soll
hier besonders betont werden, daß der Vagus nur Einfluß auf das Kalium,
der Sympathicus nur Einfluß auf das Calcium hat. Es ist z. B. auch denk-
bar, daß sowohl der Vagus wie der Sampathicus das Calcium beeinflussen,
aber in verschiedener Weise; der Sympathicus in dem Sinne, daß das Cal-
cium an die Membranen herangeht, der Vagus dagegen in dem Sinne, daß
das Calcium von den Membranen abgestoßen wird. Auch auf diese Weise
— und das ist das Ausschlaggebende — wird einmal an der Zelle ein
relatives Calciumübergewicht, das andere Mal ein relatives Kaliumüber-
gewicht geschaffen. Das gleiche gilt natürlich auch für die Beziehungen
des Vagus und Sympathicus zum Kalium. Wahrscheinlich ist sogar, daß
sowohl der Vagus wie der Sympathicus beide Elektrolyte (Kalium und
Calcium) beeinflussen. Auch eine andere Möglichkeit sei hier noch er-
wähnt. Am Darm z. B. kann — wie ich festgestellt habe — eine Tonus-
steigerung in ähnlicher Weise wie durch künstliche Kaliumkonzen-
trierung auch durch künstliche Kaliumverminderung erzielt werden.
Ein Zuviel und ein Zuwenig an Kalium haben hier eine ähnliche Wir-
kung. Ebenso verhält es sich auch mit dem Calcium. Dem Nerv stehen
hier also verschiedene Wege offen, um sein Ziel zu erreichen. Sehen
wir von jedem Schematismus ab, der für heuristische Zwecke aller-
dings wertvoll sein kann, dann werden wir das Wesentliche zunächst
darin erblicken müssen, daß unter dem Einfluß der vegetativen Nerven
überhaupt irgendwelche Elektrolytverschiebungen stattfinden. Wichtig
ist jedoch, daß die Verschiebung einmal zugunsten des Calciums, das
andere Mal zugunsten des Kaliums ausfällt. Aus diesen Ausführungen
geht auch hervor, weshalb bei Fehlen eines Elektrolyten die betreffende
Nervenwirkung nicht ganz auszubleiben braucht, sondern nur — wie
es auch häufig der Fall ist — eine veränderte Funktion auftritt.
Wie schon an anderer Stelle hervorgehoben, wird am Herzen durch.
Kalium die Erregbarkeit des Vagus, durch Calcium die des Sympathi-
cus gesteigert. Diese Tatsache ist, wie S. 382 dargelegt, unter Berück-
sichtigung meiner Auffassung vom Wesen der Wirkung der beiden
vegetativen Nerven auch ohne weiteres verständlich. Die Wirkung
ist eben eine summierende. Doch glaube ich nicht, daß dies in allen
Fällen und bei allen Organen unbedingt so sein muß. Meistens wird
386 S. G. Zondek:
es zwar der Fall sein; doch ist es denkbar, daß gelegentlich auch Calcium-
und Sympathicusreizwirkung sich gegenseitig aufheben, und zwar aus
verschiedenen Gründen. Zunächst könnte man sich vorstellen, daß die
infolge der künstlichen Calciumzufuhr und der Sympathicusreizung an
der Zelle auftretende Caleiumkonzentrierung so stark wird, daß es zu
einer Umkehr der üblichen Wirkung kommt. Wichtiger erscheint mir
aber folgende Überlegung. Wenn wir der Zelle Calcium im Überschuß
zuführen, also eine künstliche Caleiumkonzentrierung schaffen, so führen
wir auf jeden Fall eine Membranveränderung an der Zelle herbei. Reizen
wir jetzt den Sympathicus (Adrenalin), so tritt dieser Reiz schon eine
veränderte Membran an, und es ist nicht gesagt, daß er an ihr dieselbe
Wirkung wie sonst entfalten muß. Diese Überlegung hat besonders
dann eine Berechtigung, wenn wir davon ausgehen, daß der Nerv
primär die Membranen beeinflußt und von ihnen erst sekundär die
Elektrolytverschiebung erzwungen wird. Ist die Membran aber schon
primär verändert, so kann die auf den Nervenreiz erfolgende Membran-
beeinflussung dergestalt sein, daß jetzt eine ganz andersartige Elektro-
Ivtverschiebung als sonst herbeigeführt wird. Damit berühren wir
übrigens schon Fragen, die eng mit dem Problem der Konstitution
zusammenhängen. Wenn wir — wie es in der vorliegenden Arbeit
geschehen ist — die Nervenwirkung, und zwar die Vagus- und
Syvmpathicuswirkung definieren, so gilt die Definition nur in bezug
auf ein normales Membran- und ein normales Elektrolytsystenm.
Dies muß scharf betont werden; denn wir wissen ja, daB schon bei
gering verändertem Elektrolytsystem die Elektrolyte selbst eine andere
Wirkung als sonst haben können. Während z. B. das Kalium am normalen
Herzen immer diastolisch wirkt, hat es bei einem Herzen, das mit kleinen
Calciummengen vorbehandelt ist, eine systolische Wirkung TO. Loewi 2211
Bedeutung für Pathologie und Klinik.
Das Ergebnis, der vorliegenden‘ Untersuchungen setzt uns — wie
ich glaube — in die Lage, viele komplizierte Vorgänge an der Zelle, die
man bisher ganz besonders behandelt hat, einheitlich zusammenzu-
fassen. Es hat sich gezeigt, daß die vegetativen Nerven und die an-
organischen Kationen für die Zelle des Erfolgsorgans im Prinzip das-
selbe bedeuten, und daß wir die Wirkung des einen durch die Wirkung
des anderen zum Ausdruck bringen können. Statt Vaguswirkung können
wir auch Kaliumwirkung (oder richtiger: Wirkung eines relativen Ka-
liumübergewichtes), statt Sympathicuswirkung auch Calciumwirkung
sagen und umgekehrt. Hierdurch führen wir bestimmte, auf die Zelle
wirkende Kräfte auf eine einzige Grundformel zurück. Mit dieser Ver-
einheitlichung folgen wir einem Bestreben, das in der Chemie und
Physik schon zu überraschenden Erfolgen geführt hat.
Identität von Nerv- und Ionenwirkung. 387
Die physiologische Forschung der letzten Jahrzehnte hat uns die
Bedeutung der einzelnen Ionen bzw. bestimmter Ionenkombinationen
für das Leben und die Funktion der Zelle erkennen lassen. Wir wis-
sen heute, daß jede Verschiebung in dem Gleichgewichtsverhältnis
der einzelnen Ionen notwendigerweise zu einer Änderung bzw. Stö-
rung der Funktion führen muß. So wird beispielsweise bei einem
Kaliumübergewicht die Herzdiastole größer; die Kontraktionsstärke
des Darmtraktus, der Blase, des Uterus nimmt zu, die Niere wird
für Glucose durchlässiger (Hamburger), kurz jede Zellfunktion im
Organismus wird beeinflußt. So unzweifelhaft diese Tatsache ist,
so ungewiß war aber bisher folgende Frage: Kommen solche Ände-
rungen im Gleichgewicht der Elektrolyte im Organismus überhaupt vor,
kommt ihnen vor allem auch eine pathogenetische Bedeutung zu?
Hierauf geben — wie ich glaube — die vorliegenden Untersuchungen
die Antwort, und zwar in durchaus positivem Sinne: Es sind die vegeta-
tiven Nerven, die diese Änderungen im 'Ionengleichgewicht hervorrufen.
Bei normalem Erregungsablauf im vegetativen Nervensystem, also
unter physiologischen Bedingungen, kommt es natürlich auch zu stän-
dig wechselnden Änderungen in der Verteilung der Elektrolyte. Sie
sind die Folge der normalen Nervenimpulse und sind notwendig, um die
Funktion der Zelle und des Organs zu ermöglichen. Ja, der ständige
Wechsel im Elektrolytsystem (d. h. die ständige Verteilungsänderung der
Elektrolyte) ist die Voraussetzung für die Lebenserscheinungen der
Zelle. Wo aber abnorme Erregungen des vegetativen Nervensystems
bestehen, da müssen aber sicherlich auch abnorme Änderungen im
Elektrolytsysttem bzw. Störungen der normalen lIonenregulierung
eintreten. Wir neigen jetzt dazu, dem vegetativen Nervensystem
für die Pathogenese der verschiedensten Krankheitszustände eine
weit größere Bedeutung als früher zuzumessen. Aus dem Gesag-
ten geht ohne weiteres hervor, daß bei ihnen dann auch entsprechende
Störungen im Elektrolytgleichgewicht vorhanden sein müssen. So dürfte
die reine Vagotonie als ein Krankheitszustand aufzufassen sein, welcher
dadurch charakterisiert ist, daß an den Zellmembranen bestimmter Or-
gane ein dauerndes relatives Kaliumübergewicht besteht, die reine Sym-
pathicotonie als ein Krankheitszustand, bei dem ein dauerndes relatives
Calciumübergewicht vorhanden ist. Was für die reinen Vagotonien und
Sympathicotonien im speziellen gilt, gilt ganz allgemein für alle funktio-
nellen Störungen, da sie wohl immer auf Störungen im vegetativen
Nervensystem, d. h. abnorme Erregbarkeit des Vagus und Sympathicus
zurückzuführen sind. Auch bei ihnen dürften letzten Endes Störungen
im Elektrolytsystem die Ursache für die krankhaften Symptome sein.
Vielleicht gibt uns diese Anschauung die Möglichkeit, etwas Licht
in das Dunkel zu bringen, das noch immer über dem großen und wich-
388 S. G. Zondek:
tigen Gebiete der funktionellen Organstörungen schwebt. Mit der hier
entwickelten Anschauung wäre jedenfalls am leichtesten das Versagen
der bisherigen pathologisch-anatomischen Forschungen auf diesem
Gebiete erklärt.
Was die praktisch-therapeutischen Maßnahmen angeht, für die meine
Auffassung von der Vagus- und Sympathicuswirkung neue Anhalts-
punkte gibt, sei zunächst hervorgehoben, daß bereits auf empirischem
Wege etwas gefunden worden ist, was durch meine Theorie zur For-
derung erhoben wird. Das ist der günstige Erfolg der Kalkbehandlung
bei Vagotonikern. Fassen wir nämlich das Wesen der reinen Vago-
tonie dahin auf, daß an der Zelle die Natrium- und Kaliumwirkung
im Vordergrund steht, so werden wir therapeutisch in folgender Weise
vorgehen können: Entweder führen wir dem Organismus zum Aus-
gleich der übermäßig starken Natrium- und Kaliumwirkung viel von
ihrem Antagonisten, dem Calcium, zu, oder wir schränken die Natrium-
und Kaliumzufuhr ein.
Am zweckmäßigsten dürfte wahrscheinlich die Kombination beider
Wege sein. Daß ein Überschuß an Calcium die gesteigerte Vagusfunk-
tion wieder kompensieren kann, geht übrigens aus mehreren schon er-
wähnten Versuchen hervor; so z. B. die Aufhebung der Muscarinwir-
kung am Herzen und Darm durch Calcium (siehe Kurve VIII). Für
die Behandlung der Sympathicotonien dürfte im Gegensatz zu den
Vagotonien eine erhöhte Kaliumzufuhr und Einschränkung der Calcium-
zufuhr in Frage kommen. Ich glaube, daß nach dieser Richtung dem
bisher in der Therapie noch wenig beachteten Kalium in Zukunft
mehr Aufmerksamkeit wird entgegengebracht werden müssen. Ein
endgültiges Urteil muß jedoch der klinischen Forschung überlassen
werden.
Meine Untersuchungen betrafen ausschließlich den Vagus und
Sympathicus. Sie sind die Vertreter des vegetativen Nervensystems.
Ob sich die Funktion der animalischen Nerven auf ähnliche Grund-
sätze wird zurückführen lassen, wie wir sie für die Funktion der vege-
tativen kennen gelernt haben, läßt sich noch nicht entscheiden. Doch
sollte man eigentlich a priori verwandte Vorgänge annehmen dürfen.
Eine weitere Frage ist, ob die Vagus- und Sympathicusfunktion
nur eine Änderung in der Verteilung der Na-, K- und Ca-Ionen herbei-
führt, oder ob nicht auch die anderen Anionen und Kationen durch
die Nervenfunktion beeinflußt werden. So die SO,, Cl, die Mg, vor
allem aber die H und OH-Ionen. Für die letzteren ist das sicherlich
der Fall; denn es bestehen enge Beziehungen zwischen dem Gleich-
gewicht K und Ca und dem Gleichgewicht H und OH. So haben vor
kurzem F. Kraus und ich“) in gemeinsamen Untersuchungen gefunden,
daß Caleiumübergewicht zu einem vermehrten Auftreten von H-Ionen,
Identität von Nerv- und Ionenwirkung. 389
Kaliumübergewicht dagegen zu einer vermehrten Auftretung von OH-
Ionen führt. Ähnliche klinische Beobachtungen haben Freudenberg und
Gyorgyi®5) gemacht, die auf die acidotische Komponente der Calcium-
behandlung hinweisen. Es ist also unzweifelhaft, daß eine Verteilungs-
änderung der Na-, K- und Ca-Ionen an der Zelle — wie sie durch die
Vagus- und Sympathicuswirkung hervorgerufen wird — an sich schon
zu einer Verschiebung des Gleichgewichtes H-OH führen muß (zu
mindestens an der Zelle se bst). Diese Untersuchungen verdienen noch
insofern besonderes Interesse, als sie auf die Möglichkeit lokaler Ver-
änderungen der H'-Konzentration hinweisen, die an der Zelle des Er-
folgsorgans infolge Verteilungsänderung der Kationen bzw. als Folge
nervöser Einflüsse auftreten kann. Gerade die lokale Veränderung
an der Zelle dürfte für die Physiologie und Pathologie eine größere
Bedeutung haben als die einer allgemeinen Änderung der H'-Konzen-
tration (z. B. im Blut); denn letztere ist identisch mit „Tod“. Was
die anderen Ionen betrifft (Cl, SO, Mg), so ist eine Mitbeteiligung an
der Nervenwirkung noch nicht sichergestellt, aber durchaus möglich.
Die vorliegenden Untersuchungen weisen — wie aus dem bisher
Gesagten ohne weiteres hervorgeht — auf die Notwendigkeit hin,
überall dort, wo wir es mit einem von der Norm abweichenden Er-
regungsablauf im vegetativen Nervensystem zu tun haben, nach Stö-
rungen im Elektrolytgleichgewicht zu fahnden. Daß derartige Unter-
suchungen von Erfolg begleitet sein werden, beweisen die im Anschluß
an meine erste Mitteilung über das Wesen der Vagus- und Sympathicus-
wirkung erschienenen Arbeiten von Billigheimer*®), Gottschalk und
Leicher®). Billigheimer, der in den Ergebnissen seiner Untersuchungen
eine Bestätigung meiner Auffassung erblickt, fand nach Adrenalin
eine Abnahme des Calciumgehaltes im Blute. Das Calcium ist wahr-
scheinlich aus dem Blute in die Gewebe gegangen und hat dort die
Konzentrationssteigerung hervorgerufen. Gottschalk hat nach Adre-
nalin eine Erhöhung der H-Ionenkonzentration im Pfortaderblut fest-
stellen können. Auch dieser Befund ist nach den vorhin erläuterten
Beziehungen zwischen Calciumkonzentrierung und H-Ionenkonzen-
tration verständlich. Leicher konnte bei Basedowkranken ein Sinken
des Calciumspiegels im Blute, bei Myxödemkranken dagegen ein Steigen
der Calciumwerte nachweisen. Da der normale Erregungsablauf des:
vegetativen Nervensystems in weitgehendem Maße von einem normalen
Hormonalsystem abhängt, ist es erklärlich, daß auch Störungen in
diesem System Veränderungen im Elektrolytsystem zur Folge haben,
werden. Die Untersuchung des Blutes allein wird uns aber — wie ich
glaube — nicht immer einen befriedigenden Aufschluß über die vor--
liegenden Veränderungen geben, da die Blutveränderungen wohl meist
nur sekundärer Natur sind und wahrscheinlich auch relativ schnell.
390 S. G. Zondek:
wieder ausgeglichen werden. Aus dem Blute und den Gewebsflüssig-
keiten holen sich die Zellmembranen die notwendigen Elektrolyte,
oder sie schieben die Elektrolyte, die sie nicht haben wollen, ins Blut
ab. Von Bedeutung werden — wie ich glaube — die Untersuchungen
der Organe selbst sein. Sie dürften m. E. viel dazu beitragen, unsere
Kenntnisse vieler Krankheitszustände, vor allem derjenigen, bei denen
das vegetative Nervensystem eine Rolle spielt, zu vertiefen.
Eine große Reihe von Fragen konnte nur andeutungsweise behandelt
werden; andere Fragen vor allem die nach dem Mechanismus der
hier geschilderten Vorgänge, scheinen noch ganz ungeklärt. Soviel ist
aber sicher, das Elektrolytsystem an der Zelle befindet sich in Abhängigkeit
vom vegetativen Nervensystem und all den Faktoren, die das letztere be-
einflussen. Ferner können wir sagen: Nerv und lonenwirkung sind
identisch, d. h. am Erfolgsorgan des Nerven läßt sich die Nervenwirkung
durch die Ionenwirkung zum Ausdruck bringen und umgekehrt.
Zusammenfassung.
Von der Tatsache ausgehend, daß die Funktion der Organe sowohl
von dem Gleichgewicht der vegetativen Nerven (Vagus und Sympathi-
cus), wie dem Gleichgewicht bestimmter anorganischer Kationen (Na,
K, Ca) abhängt, wurde der Frage nachgegangen, ob nicht zwischen
der Nerven- und Kationenwirkung irgendwelche Beziehungen bestehen.
Ihre Wirkung wurde an allen Organen geprüft und miteinander
verglichen.
Es stellte sich heraus, daß die Natrium- und Kaliumwirkung immer
der Vaguswirkung, die Calciumwirkung dagegen im Prinzip immer
der Sympathicuswirkung entspricht.
Wo Vagusreizung erregend wirkt (Darm, Blase usw.), wirkt auch
Natrium- und Kaliumzufuhr (also künstliche Natrium- und Kalium-
.konzentrierung) erregend; wo Vagusreizung hemmend wirkt (Herz).
wirkt auch Kalium und Natrium hemmend. Das gleiche gilt für den
Sympathicus und das Calcium. Natrium, Kalium und Calcium machen
die Schwankungen der Vagus- und Sympathicuswirkung immer in
entsprechender Weise mit.
Nerv- und Ionenwirkung verlaufen nicht nur parallel, sondern sind
auch wesensgleich. Sie lassen sich untereinander austauschen (Ver-
suche an Darm, Herz und Skelettmuskel).
Natrium- und Kaliumwirkung kommt auch nach Ausschaltung des
Vagus (Atropin) zustande; dagegen bleibt gewöhnlich die Wirkung
einer Vagusreizung nach Entfernung des Natriums und Kaliums aus.
Auch Sympathicusreizung bei Fehlen von Calcium ist meist erfolglos.
Kommt eine Nervenwirkung doch zustande, so ist sie meist in ihrer
Art verändert.
Identität von Nerv- und Ionenwirkung. 391
Zwischen Nerv- und Ionenwirkung bestehen zweifellos innere Be-
ziehungen, die folgendermaßen zu deuten sind:
Das vegetative Nervensystem steht über dem Elektrolytsystem
des Erfolgsorgans.
Die vegetativen Nerven rufen letzten Endes eine Verteilungs-
änderung der Ionen an der Zelle hervor, und zwar der Vagus in dem
Sinne, daß das Natrium und Kalium, der Sympathicus in dem Sinne,
daß das Calcium im Vordergrund der Zellwirkung steht.
Erst die Änderung des Kationengleichgewichtes ruft die Funktions-
änderung der Organe hervor und leitet die Prozesse ein, die wir den
vegetativen Nerven zuzuschreiben gewohnt sind.
Besteht das Wesen der Vagus- und Sympathicuswirkung darin,
die Ionenzufuhr zur Zelle zu regulieren, so muß eine gestörte Vagus-
und Sympathicusfunktion zu einer Störung dieser Ionenregulierung
führen.
Bei allen Krankheitszuständen, die auf einen abnormen Erregungs-
ablauf im vegetativen Nervensystem zurückgeführt werden können,
müssen daher Störungen im Elektrolytsystem vorliegen.
Hieraus leiten sich neue Gesichtspunkte sowohl für die Pathologie,
als auch die Therapie insbesondere der sogenannten funktionellen Organ-
störungen ab.
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schr. 1922, Nr. 6. — *7) Gottschalk, Dtsch. Kongreß f. inn. Med., Wiesbaden 1922,
— #) Leicher, Dtsch. Kongreß f. inn. Med., Wiesbaden 1922.
Biochemische Studien über Tuberkelbaeillen.
Von
K. G. Dernby und Carl Näslund.
(Aus dem Bakteriologischen Laboratorium des Schwedischen Staates zu Stockholm.)
(Eingegangen am 7. Juni 1922.)
Mit 5 Abbildungen im Text.
Inhaltsverzeichnis.
I. Versuchsmethodik (S. 393).
II. Beziehung zwischen Wachstum und Wasserstoffionenkonzentration
(S. 396).
III. Veränderungen der Wasserstoffionenkonzentration während des Wachs-
tums (S. 401).
IV. Die proteolytischen Enzyme der Tuberkelbacillen (S. 405).
V. Die Resistenz des Tuberkulins gegen H- und OH-Ionen (S. 408).
VI. Zusammenfassung (S. 410).
I. Versuchsmethodik.
a) Die Tuberkelbacillen.
Die Versuche wurden sowohl mit humanen wie auch bovinen, virulenten
und rasch wachsenden Tuberkelbacillen ausgeführt, welche seit längerer Zeit in
Glycerinbouillon gewachsen waren. In der Mehrzahl der Fälle wurden 2 verschie-
dene Stämme von jedem Bakterientypus untersucht. Das Impfmaterial stellten
in der Regel 10—14 Tage alte Bouillonkulturen dar.
b) Die Nährbouillon.
In allen Fällen (außer bei den Versuchen, wo Traubenzuckerbouillon zur Ver-
wendung kam) haben wir eine glycerinhaltige Kalbsboullion benützt.
Diese Bouillon wurde folgendermaßen hergestellt:
5kg zerkleinertes, feines Kalbfleisch werden mit 10 Liter Wasserleitungs-
wasser infundiert und bei Zimmertemperatur stehen gelassen. Am nächsten Tage
wird die Infusion 2 Stunden lang auf 100° erwärmt und dann filtriert. Zu dem
Filtrate werden pro Liter 15 g Wittepepton, 3 g Kochsalz, 8g Na,HPO, : 12 H,O
und 30 ccm Glycerin zugesetzt. Die Bouillon ist nun durch das Phosphat alkalisch.
Jetzt wird so viel 2/,-Salzsäure hinzugefügt, bis die H-Ionenkonzentration einer
Zahl von py = 6,0 bis pe = 6,5 entspricht.
Nun wird die Bouillon rasch aufgekocht, noch einmal durch Papier filtriert
und in gewöhnliche Tuberkulinkölbchen gefüllt, von denen jedes 200 cem fo Dt.
Sodann werden die Kölbehen im Autoklav 20 Minuten lang bei 110° sterilisiert.
26*
394 K. G. Dernby und C. Näslund:
Die Bouillon, deren Herstellung hier geschildert wurde, stellt unsere Standard.
bouillon mit der optimalen H-Ionenkonzentration für das Wachstum der Tuberkel.
bacillen dar. Bei einigen Versuchen haben wir Bouillonen mit verschiedenen
anderen H-Ionenkonzentrationen hergestellt. Wir gingen dann von derselben
Bouillon aus und konnten durch Zusatz verschiedener Mengen von Säure oder
Alkali beliebige p4-Werte erreichen. Tabelle I gibt die Art des Verfahrens an.
Diese Tabelle kann natürlich nur als ein Beispiel angesehen werden, denn für jedes
neue Verfahren müssen die Mengen von Säure oder Alkali wiederum bestimmt
werden.
Tabelle I.
Zusammensetzung der Standardbouillonmischungen.
Kalbsbouillon + 1,5%, Pepton + 3°/, Glycerin.
30 cem Bouillon, NaOH, HCl oder Wasser = 32 ocm
- ` cem > ccm ccm
Sr HC n-Na0H, H,O PH
1 180.02 | 32
2 1: — : 10 4,0
3 — — 20 : 50
4 — 03] 17 60
5 o — j O6 | 14,67
6: — : 09 1,1 Tl
To = 1,2 0,8 7,4
H — 14 | 06 78
9. — | 18 |02 | 83
-<
kd
<
c) Bestimmung des Wachstums.
Bei einigen Versuchen haben wir die Tuberkelbacillenhäute abfiltriert, getrock-
net und gewogen.
In den meisten Fällen haben wir uns jedoch mit ciner vergleichenden Schätzung
der Größe der Hautbildung begnügt. Statt der gewöhnlichen Bezeichnungen
+, ++ usw. haben wir die Ziffern von 0—6 verwendet, welche verschiedenen
Stadien der Hautbildung entsprechen.
Diese Methode ist allerdings eine subjektive, doch erhält man auf diese Weise
ein unverkennbares Maß sowohl für das Optimum wie für die Grenze des Optimums
des Wachstums.
d) Bestimmung der H-Ionenkonzentration.
Bei Bestimmung der H-Ionenkonzentration haben wir uns hauptsächlich
der colorimetrischen Methode von Sörensen mit den Indikatoren von Clark und
Lubs bedient. Die Standardlösungen wurden nach der elektrometrischen Methode
kontrolliert. Für nähere Einzelheiten verweisen wir auf die Monographien von
Sörensen, von Michaelis und von Clark auch auf einen Aufsatz von Dernby und
Allander in dieser Zeitschrift.
e) Bestimmung der proteolytischen Vorgänge.
Der Totalstickstoff wurde nach Kjeldahl bestimmt.
Der Aminostickstoff wurde nach der Sörensenschen Formolmethode bestimmt.
Zur Bestimmung der proteolytischen Enzyme kamen zwei Methoden zur Anwen-
dung: Einerseits die Verflüssigung von Gelatine und andererseits die Spaltung von
Pepton.
Biochemische Studien über Tuberkelbacillen. 395
Die Fermische Gelatinemethode. Von uns wurde die Modifikation von
Palitzsch und Walbum benützt. In einer Arbeit von Dernby (1917) ist diese
Methode ausführlich beschrieben. In Tabelle II ist die Zusammensetzung der
benützten Gelatinemischungen angegeben.
Tabelle II.
Zusammensetzung der Gelatinemischungen.
Die Gelatinelösungen enthalten pro ccm 7 mg Stickstoff.
0,5°/, Thymol zugesetzt.
10 ccm Gelatine + HCl oder NaOH + Wasser = 12 ccm.
ccm ccm cem
Ba. | n-HCI |n-Na0H' H,O | PH
ıl! 10 | — (10 | 30
2 | 02 — 1,8 4,0
3 | — | — 120 A8
4 | — | o04 |196| 55
5' — | ol |19 |63
6 | — 102 |18 | 70
Ti — 103 1,7 8,3
Mittels dieser Methode kann man die Wirkung von pepsinähnlichen Enzymen
sowie von stark wirkenden Tryptasen bestimmen; dagegen greifen schwache
Tryptasen und Ereptasen die Gelatine nicht an.
Tabelle III.
Zusammensetzung der Peptonmischungen.
10 eem 4°/, Pepton (Witte), NaOH, HCl oder Wasser = 40 ccm
Chloroform und Toluol zugesetzt.
d |
x ccm ccm n-
Nr. || n-HCl NaOH | | Pu
1 02 l — | 39
De ee dE
3, — 1004 | 55
4 — 008 | 62
SA el
6 5 Ke i 0,3 ! TT
T I — 105 ı 85
-2
Tabelle III gibt die Zusammensetzung der Peptonmischungen an. Die zu
untersuchende Substanz wurde zu 10 ccm der Mischung zugesetzt, in den Brut-
schrank gestellt und bei 37° stehen gelassen. Zu gewissen Zeiten wurden dann
die Kolben dem Brutschranke entnommen und der gebildete Aminostickstoff
wurde nach der Formolmethode bestimmt.
Absolute Sterilität kann man bei diesen Versuchen nicht erzielen. Als Schutz-
mittel wurde jedoch in allenFällen eine Mischung von Chloroform, Toluol und Thymol
(ungefähr 0,5%) zugesetzt. Immer wurden für die gleichen Zeiten Kontrollserien
aufgestellt und bei keinem Falle konnten wenigstens während der ersten
24 Stunden fremde Bakterien wahrgenommen werden.
396 K. G. Dernby und C. Näslund:
II. Das Wachstum der Tuberkelbacillen bei verschiedenen Wasser-
stoffionenkonzentrationen.
Ficker scheint einer der ersten zu sein, der darauf aufmerksam gemacht hat,
welche Bedeutung die Reaktion eines Nährsubstrates für das Wachstum der Tuber-
kelbacillen hat. Er hat gefunden, daß die Tuberkelbacillen auf einer Bouillon
besser wachsen, welche nicht durch Zusatz von Base neutralisiert worden ist.
Dorset hat vorgeschlagen, an Stelle von Kochsalz saures Kaliumphosphat zur
Glycerinbouillon zuzusetzen. Auch andere Verfasser schreiben der Reaktion eine
große Bedeutung für die Entwicklung der Tuberkelbacillen zu. So glaubt z. B.
Siebert, daB man ein kräftigeres Wachstum der Bakterien erhält, wenn man wäh-
rend der Züchtung durch Zusatz von Natriumhydrat die durch die Entwicklung
der Tuberkelbacillen in der Bouillon gebildete Säure neutralisiert. Besancon und
Boudin heben hervor, daß eine leicht saure Reaktion für das Wachstum der Tuber-
kelbacillen auf einfachen eiweißfreien Substraten vorteilhaft ist. Kelty gibt an,
daß man bei der Neutralisierung von Eisubstraten für das Wachstum von Tuberkel-
bacillen versuchen soll, eine schwach saure Reaktion zu erhalten. Frouin ist der
Ansicht, daß die während der Züchtung zunehmende Alkalescenz schädlich auf
die Entwicklung der Bakterien einwirke, ganz ohne Rücksicht auf das Substrat,
und Lockemann führt an, daß ein größerer Säuretiter (geprüft bis auf 5,6 nie
für das Wachstum der Tuberkelbacillen günstig sei. Long, der die Wasserstoff-
ionenkonzentration im Substrate bestimmt hat, ist der Ansicht, daß die Tuberkel-
bacillen am besten bei einer py-Konzentration von 6,4—7,8 wachsen.
Wir haben den Zusammenhang zwischen initialer H-Konzentration
der Nährbouillon und dem Wachstum der Tuberkelbacillen sowohl
humaner wie auch boviner Herkunft studiert und die Ergebnisse
unserer Untersuchung sollen im folgenden vorgelegt werden.
Zunächst einige Worte über theoretische und praktische Bedeutung der
„Wachstumskurve‘“ in bezug auf die H-Ionenkonzentration.
Die erste Arbeit, in der der Begriff der H-Ionenkonzentration in die Bakterio-
logie eingeführt wurde, dürfte die Arbeit von Michaelis und Marcora über Coli-
bakterien sein. SS
In der Folgezeit beschäftigte man sich besonders in England und Amerika
mit diesen Fragen (siehe Clarks Monographie).
Bei allen diesen Untersuchungen hat man dem „Endwert der H-Ionenkonzen-
tration“ besondere Beachtung geschenkt. Man war der Ansicht, daß Bakterien,
die während ihres Wachstums das Medium sauer machten, einer bestimmten
H-Ionenkonzentration zustrebten, und daß diese für die betreffenden Bakterien
charakteristisch sei.
Die Auffassung, daß der Endwert von py ein konstanter sein sollte, hat sich
jedoch in der Erfahrung nicht bestätigen können. Der Zweig in der sauren Zone
der Wachstumskurve nähert sich der Abszisse mehr oder weniger asymtotisch
und aus diesem Umstande geht schon rein theoretisch klar hervor, daB die Kurve
keinen konstanten Schnittpunkt mit der Abszissenachse haben kann.
Einige Autoren haben auch schon früher die Konstanz des Endwertes von pg
bestritten, so z. B. der eine von uns (Dernby 1921).
Der finale py-Wert beruht auf folgenden Umständen:
a) Der Menge virulenter Bakterien im Impfmaterial;
b) dem Ae, den das Medium zu Beginn hatte;
Biochemische Studien über Tuberkelbacillen. 397
c) der Zusammensetzung des Mediums, der Anwesenheit von Zucker, von
Salzen, anorganischen Katalysatoren, „Vitaminen“ usw.
und schließlich auf dem vielleicht wichtigsten Faktor,
d) der besonderen Anpassung der Bakterien.
Hinsichtlich der Grenzen der Kurve können wir uns daher mit Bestimmtheit
darüber aussprechen, daß dieselben nicht unbeträchtlich schwanken können.
Von größerer Bedeutung ist das Optimum und dieses hat auch eine konstantere
Lage. Doch kann man auch zeigen, daß Diphtheriebacillen, die während vieler
Generationen immer wieder in saure Bouillon überimpft wurden, ein anderes
Optimum zeigen als solche, die in alkalischer Bouillon kultiviert wurden (Dernby
und Siue 1922).
Es ist demnach möglich, daß weder die Grenzen noch das Optimum der
Kurve konstant sind; ihre allgemeine Form wird jedoch als ein Charakteristicum
für die verschiedenen Mikroorganismen dienen können.
Die erste vollständige Kurve ist wohl die von Dernby und Avery über Pneumo-
kokken, die theoretisch und praktisch am besten durchgearbeitete die von Cohen
und Clark über Bakterien der Coligruppe und die von Walbum über Diphtherie-
bacillen. Cohen und Clark haben die Bakterien genau gezählt und die Anzahl der
Generationen bestimmt, die sich bei verschiedenen H«Ionenkonzentrationen in
der Zeiteinheit entwickelt haben. `
Diese Arbeit zeigt jedoch, daß es nicht unbedingt nötig ist, solche komplizierte
und schwer ausführbare Bakterienzählungen vorzunehmen. Um die Wachstums-
kurve für praktische Zwecke beurteilen zu können, genügen einfachere Methoden,
so z. B. die Schätzung der durch die Bakterien verursachten Trübung.
Nähere Zusammenstellungen über die Wachstumskurven verschiedener
Mikroorganismen finden sich in der Literatur (Clarks Monographie 1920, Dernby
1921, Foster und Randall 1921).
Noch eine Sache muß hier erwähnt werden, nämlich die Genauigkeit der
Pu-Bestimmungen. Besonders wenn es sich wie bei den Tuberkelbacillen um Orga-
nismen handelt, welche in Häuten an der Oberfläche des Nährsubstrates wachsen,
muß man sich fragen, ob die im Substrate bestimmte H-Ionenkonzentration die
gleiche ist wie in den Bakterienzellen und selbst in der Flüssigkeitsschicht in nächster
Nähe der Häute. Über diesen Punkt kann nichts ausgesagt werden, da wir noch
keine Methoden zur Verfügung haben, um die H-Ionenkonzentration in den Zellen
direkt zu bestimmen. Dagegen ist wohl berechtigt, wenigstens annäherungs-
weise anzunehmen, daß die H-Ionenkonzentration der Flüssigkeitsschicht in
unmittelbarer Nähe der Bakterien ungefähr die gleiche ist wie in der übrigen
Flüssigkeit.
Im folgenden sollen die Versuchsprotokolle über den Zusammen-
hang zwischen der initialen H-Ionenkonzentration und dem Wachstum der
Tuberkelbacillen mitgeteilt werden. Sämtliche Proben waren rein;
Proben, bei denen vermutet wurde, daß sie vielleicht Verunreinigungen
enthielten, wurden ausgeschaltet. Es sind die py-Werte sowohl für den
Versuchsbeginn, als auch nach den in Betracht kommenden Inku-
bationszeiten angegeben. Die Fragen über die Aciditäts- und Alkales-
cenzveränderungen sollen jedoch erst im nächsten Abschnitt diskutiert
werden.
Das Impfmaterial stellte bei allen Versuchen 10—14 Tage alte,
kräftig wachsende Bouillonkulturen dar.
398 K. G. Dernby und C. Näslund:
Tabelle IV stellt einen Versuch mit humanen Bacillen dar. Um
möglichst sichere Resultate zu erhalten, haben wir hier stets mit drei-
fachen Proben gearbeitet, die sämtlich identisch waren. Sie wurden
mit A, B und C bezeichnet.
Tabelle IV.
Wachstum humaner Tuberkelbacillen bei verschiedenen py.
Gezüchtet in 40 ccm Bouillon. Temperatur 37°.
Wachstumsgrad
Nr. ` nach 8 Tagen | nach 14 Tagen | nach 40 Taxen
im en 4 Tagen $ | b 7 sin Een e | b d S b K
1 3.2 32 Io 010 olo'olo' o ofo og
2 4.0 4.0 0 O0 ofo oOo O0 ? 010 STE
3 5.0 5,0 osuo EO EER epa 22
4 Gu 7l ı 0olı[2 1:2 RE 373.3
bh: 0067 ven 1.0:17]21!1.2 3 |3 3:15.15 3
Gi" z4 [1'01!0|2]2!2ļ|3'3,:3ļ4:54 3
Si Ta. al 043.012 171731313 E KE
H T9 I TR 0:0jojI 1,0|2 2:1ı|0.2 ı
9 s4+ | sxo 10°0:010:0!010 0!0[0,0 0
Schon nach 4 Tagen findet sich in den Röhrchen, wo pg = 5, 6
und 7 war, eine erkennbare Haut. Nach 8 und 14 Tagen sind beträcht-
liche Membranen gebildet. Nach 40 Tagen gutes Wachstum in den
Proben zwischen 3 und 7, dagegen kein Wachstum in den am stärksten
saueren und am stärksten alkalischen Proben. Die Trippelproben
fielen ziemlich gleichmäßig aus; sie wiesen nur unbedeutende Diffe-
renzen auf.
Tabelle V.
Wachstum boviner Tuberkelbacillen bei verschiedenen De
Gezüchtet in 40 cem Bouillon. Temperatur 37°.
PH Wachstumsgrad
Nr. | Set nach 4 Taxen | nach 7 Tagen | nach 14 Tagen | nach 27 Tagen
im Anfang 27 Tagen iz gt SC LEE ae ,
| ; ajb cja bh a at a ib'e
1! 44 44 [olo ofo o ofoļo ojo oy
dn DA 55 In o ojojo 0[0/0:0Jo o o0
3| 60 | 72 [1 1 1[2, 223:2. 2ļ|4|4 4
4 Gu a3 Jı 1 ,ı[212 2|a:2:3]&2 d -
5 1 1,6 0 0o'o|JıtıjJı]3)]313]413 3
6 T4 Vu 0 o0oJoJı’ofı}ıı] 1:11
T. 79 j 7 |O 0o 0]0!01:010 D Oil 1
ai 8.3 0.0 ofļloiio:ofjolooflo org
Tabelle V zeigt einen ganz ähnlichen Versuch mit Tuberkelbacillen
boviner Herkunft. Das Resultat ist im großen und ganzen dasselbe.
Es sind demnach die Wachstumskurven für die beiden Typen
nahezu identisch.
Biochemische Studien über Tuberkelbacillen. 399
Die Tabellen VI, VII und VIII geben drei andere Versuche mit
humanen Bacillen wieder, bei denen jedoch größere Flüssigkeitsmengen
zur Verwendung kamen. Die Resultate sind ganz ähnliche wie bei
dem in Tabelle IV dargestellten Versuche.
1. 2. 3. 4.
pu = AA Pn = 5,5 PH = 6,0 pu = 6,6
© e
5. S A e
Pn = 7,1 Pu = 7,4 PH = 19 pu = 8,4
Abb. 1. Wachstum humaner Tuberkelbacillen bei 37° nach 27 Tagen. Die pn-Werte sind
Initialwerte.
2
ar
Í K
ol n. M
l.
pu = DÄ PH = SC pu = 6,6
D 6. Ze
Du = 7,1 pu = 14 pu = 79 PH = Sai
Abb. 2. Wachstum boviner Tuberkelbacillen bei 37° nach 27 Tagen. Die pn-Werte sind
Initialwerte.
Um diese Verhältnisse zu veranschaulichen, sollen hier zwei genau
nach der Natur angefertigte Zeichnungen der Membranbildung bei
humanen und bovinen Tuberkelbacillen nach 27tägigem Wachstum
wiedergegeben werden.
400 K. G. Dernby und C. Näslund:
Tabelle VI.
Wachstum humaner Tuberkelbacillen.
Gezüchtet in 200 ccm Bouillon. ` Temperatur 37°.
Wachstumsgrad
Nr. PH m
im Anfang |nach 14 Tagen | nach 40 Tagen
1 | 32 WE 0
2 | 4,0 0 0
3 | 50 0 0
4 6,0 4 d
5 6,7 3 R
6 | dal H 5
7| 7,4 4 4
8 | 1.8 2 3
9 8.3 0? | 0?
Tabelle VII.
Wachstum humaner Tuberkelbacillen.
Gezüchtet in 200 ccm Bouillon. Temperatur 37°,
ge EEE Wachstumsgrad S
Nr. || im Anfang | nach 8 Tagen | nach 27 Tagen | nach 45 Tagen nach 80 Tagen
1 4,4 0 0 | 0 | 0
2 5,5 0 0 0 0
3 6,0 ? 1 2 Totale Hautbildung
4 | 66 e pP JK E dgl.
5 | 7,1 3 5 | 6 | o
6 | 7,4 2 3 3 n
7 | 7.9 1 3 | 3 'Dünne Hautbildung
8 | B4 0 0 | 0 | 0
Tabelle VIII.
Wachstum humaner Tuberkelbacillen.
Gezüchtet in 200 cem Bouillon. Temperatur 37°.
D | pu nach | nach | ` nn eegenen EE bes?
e | im Anhang 5 Tagen | 27 Tagen | nach 5 Tagen | nach 14 Tagen | nach 27 Tagen
1 4,4 AA 4,4 0 0 0
2 5.5 5,5 5,5 0 0 0
d 6,0 6,0 6,0 ? 2 3
4 6,7 1,2 7.8 2 3 4
5 ZA 1.2 7,4 1 2 5
E: 7,4 12 7,6 ? 2 3
T | 7,9 7,9 7,8 0 0 2
8 | 8.3 8.3 8,2 0 0 | 0
er
D?
s
Man kann diese Verhältnisse auch graphisch darstellen, wenn man
in ein Koordinatensystem den Grad des Bakterienwachstums als
Ordinate und e als Abszisse einträgt.
Biochemische Studien über Tuberkelbarillen. 401
Diese Wachstumskurve ist mit jener ziemlich identisch, jedoch
etwas breiter, welche bei bovinen Tuberkelbacillen von Dernby (1921)
festgestellt wurde.
=~ Aus diesen Versuchen geht also
hervor, daß die Tuberkelbacillen von
humanem und bovinem Typus bei einer
initialen H-Ionenkonzentration von ?y
= 4, 5 bis Ge = 7,5 oder etwas mehr am
besten wachsen, und daß das Optimum Abb. 8. Die Wachstumskurve humaner
Tuberkelbacillen.
zwischen De = 6,0 und Py = 6,5 liegt.
Diese Zone ist ziemlich breit, und innerhalb dieser Grenzen liegt wohl
auch meistens die H-Ionenkonzentration der im Laboratorium verwen-
deten Bouillonen.
Jedenfalls muß man bei der Bereitung der Nährböden immer darauf
achten, daß eine richtige H-Ionenkonzentration gewählt wird, und be-
sonders darauf, daß die Alkalescenz anfangs nicht zu hoch ist.
Wachstumsgrad
60 70 Zéi
HI. Veränderungen der Wasserstoffionenkonzentration während des
Wachstums.
a) Historisches.
Im vorigen Abschnitt haben wir gezeigt, wie die Tuberkelbacillen
bei verschiedenen H-Ionenkonzentrationen wachsen. Es wurden dort auch
die De Werte für den Beginn der Versuche, sowie nach bestimmten
Zeiten mitgeteilt. Im allgemeinen können wir konstatieren, daß mit
einer starken Bacillenvermehrung die Acidität, oder besser gesagt, die
H-Ionenkonzentration sinkt, d. h. daß Geo steigt.
In diesem Abschnitt wollen wir nun die Reaktionsänderungen näher
studieren und dieselben über längere Zeitabschnitte verfolgen.
Theobald Smith war der erste, der die Einwirkung verschiedener Tuberkel-
bacillen auf die Reaktion des Substrates während der Züchtung näher studierte.
Er fand dabei, daß der bovine Typus in einer 5proz. Glycerinhouillon Alkali
bildet, so daß die Acidität der Bouillon nach 1—2 Monaten abnimmt und sogar
in eine alkalische Reaktion übergeht. Der humane Typus verringert zu Beginn
die Acidität, aber nach einem Monat nimmt sie wieder zu und überschreitet oft
den Ausgangswert. Smith schreibt dieser Verschiedenheit in der Art, wie die beiden
Typen die Reaktion des Substrates beeinflussen, eine große Bedeutung für die
Unterscheidung verschiedener Bakterientypen zu.
Spätere Untersucher haben indessen verschiedene Resultate erhalten. Einige
von ihnen, wie Bang, Kendall, Day und Walker haben Untersuchungsresultate
dargelegt, welche mit den Ergebnissen von Smith übereinstimmen, sobald die
Bakterien auf gewöhnlicher Glycerinbouillon wachsen, nicht aber bei ihrer Züchtung
auf anderen Substraten, z. B. auf lipoidfreien Substraten (Kendall, Dayund Walker).
Andere Verfasser erhielten dagegen Resultate, welche die Versuche Smiths nicht
bestätigen konnten. Griffith (in der englischen Tuberkulosekommission) fand, daß
er bei Verwendung von alten humanen Kulturen als Impfmaterial die gleichen
Resultate bekam wie Smith; waren aber die Kulturen jung, so erhielt er sowohl
402 K. G. Dernby und C. Näslund:
für bovine wie auch für humane Bakterien eine Verringerung der Acidität. Wankel,
der 45 verschiedene Ntämime untersuchte, fand, daß unter den humanen 11 Stäm-
men eine typische Simithsche Reaktionskurve ergaben, daß aber 6 Stämme keine
Säure bildeten; von den bovinen bildeten nur 4 Stämme Säure, 15 dagegen nicht.
Siebert, der stark alkalische Bouillon verwendete, beobachtete keinen Unter-
schied zwischen dem Typus humanus und dem Typus bovinus; beide steigern die
Acidität der Bouillon. Auch von anderen Verfassern wurden Abweichungen von
den Smithschen Reaktionsveränderungen beobachtet, so von Duval, Park und
Krumwiede. Lockmann hebt hervor, daß die Säuretiterkurve bei einem eiweiß-
freien Substrat zu Beginn desto langsamer fällt, je älter die Stammkultur ist,
um dann wieder zu steigen und einen ähnlichen Verlauf zu nehmen wie die Kultur-
gewichtskurve.
In einer früheren Arbeit hat der eine von uns (Näslund) diese Frage studiert
und dabei die Titration mit Bie- NaOH mit Phenolphthalein als Indicator verwen-
det. Bei dieser Untersuchung wurden Resultate erhalten, welche insgemein mit
den Ergebnissen von Smith übereinstimmten.
b) Titrationsacidität und Weasserstoffionenkonzentration.
Als Maß für die Alkalescenz oder Acidität hat man früher immer
die Titration mit Alkali oder Säuren benutzt, wobei Lackmus oder
Phenolphthalein als Indicator verwendet wurde. Das Resultat wurde
in Kubikzentimetern "/ -NaOH oder pl, HOI angegeben.
Durch die klassischen Untersuchungen von Sörensen und seiner Nachfolger
wurden die Unzulänglichkeiten dieser Methode klargelegt, und nach Sörensen
ging man dazu über, statt der Titrationsacidität die H-Ionenkonzentration zu
messen. In die Bakteriologie ist diese Methode zuerst hauptsächlich von englischen
und amerikanischen Forschern, vor allem von W. M. Clark eingeführt worden.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß es bei bakteriologischen Arbeiten viel
rationeller ist, die H-Ionenkonzentration zu messen. Aber ist deshalb die alte Me-
thode als untauglich zu verwerfen? Nein, die beiden Methoden komplettieren
einander. Die H-lonenkonzentration gibt die wahre Acidität an, die Titration
dagegen gibt Aufklärung über das „Puffer‘“vermögen der Flüssigkeit oder anders
ausgedrückt über ihre Alkalireserven. (Vgl. J. H. Brown. 1921.)
Wie aus den folgenden Tabellen (IX u. X) hervorgeht, haben wır
humane und bovine Kulturen in einem Zeitraume bis zu 160 Tagen
verfolgt. Zu den in der Tabelle angegebenen Zeiten wurden die Kölb-
chen dem Brutschranke entnommen, ihr Inhalt wieder auf 200 ccm
Volumen aufgefüllt, die Tuberkelbacillen dann abfiltriert, getrocknet
und gewogen. Sodann wurde in 20 cem der Flüssigkeit die Titrations-
acidität bis zur deutlichen Rotfärbung mit Phenolphthalein bestimmt.
In einer anderen Probe wurde sodann pe colorimetrisch gemessen
und schließlich in 20 cem der Formolstickstoff bestimmt.
Es muß hier jedoch erwähnt werden, daß bei der Titration mit Phenol-
phthalein die Versuchsfehler sehr groß werden und möglicherweise bis
10°, oder sogar mehr betragen. Es ist nämlich nicht leicht, in allen Fällen
den gieichen Grad der Rotfärbung zu bekommen. Aus diesem Grunde ist
die Titrationsmethode nicht als zuverlässig zu betrachten. Für genaue
Messungen ist die elektrometrische Titrationsmethode zu empfehlen.
Biochemische Studien über Tuberkelbacillen. 403
Tabelle IX. Reaktionsänderungen während des Wachstums humaner
Tuberkelbacillen.
Temperatur 37°.
| | Titrationsacidität-
| ccm pl NaOH Freigemachtes
En Ä Nach ‚GrTuberke'i „u | pro 100 ccm Filtrat] Aminostickstofl-
Zeit | getrocknet | Im Filtrat | (Phenolphtalein- ccm 2/,-NaOH
| | | m pro 100 ccm Filtrat
| Tage | g |
= a in Ren = Sn e e : Kee Im rn nn EE az
ii ol = | 6,6 T an 0
2° 10! 008 | 68 np 0
3 20; 0,76 7T 18.4 | 0
4 A0 — 7,6 19,2 2,0
580 i 1,30 7,3 20.4 i 6,0
6 160 | 5,26 1,5 21,6 i 17,0
Tabelle X. Reaktionsänderungen während des Wachstums boviner
Tuberkelbacillen.
Temperatur 37°.
| Titrationsacidität |
h cem 2/„-Na0OH Freigemachtes
x , Nach ege PH pro 100 ccm Filtrat! Aminostickstoff-
5 i Zeit | Getrocknet iM Filtrat ` (Phenolphtalein- | cem »/,-NaOH
| | umschlag) pro 100 ccm Filtrat
| Gem
Kai së SE Sg Se ee Fer TE ae u
24 | )
24 | 0
17,2 1,0
17,2 | 3,0
17,6 | 13,0
17.6 18.0
20
S Ge mirt der a
S "a l
d |
7,5H
70
65}
24%
N
S22
Sr -
E
) H S
IZ 20 “0 60 80 WO GO WO 780 0 20 A ` 8&0 700
Tage Tage
Abb. 4. Humane Tuberkelbacillen in Bouillon- Abb. DA Bovine Tuberkelbacillen
kultur. in Bouillonkultur.
404 K. G. Deruby und C. Näsiund:
In den Abb. 4 und 5 sind die Resultate dieses Teiles unserer Unter
suchung graphisch wiedergegeben.
Wir haben bei Verwendung von Glvcerinbouillon «die Gilet Ee
Resultate erhalten wie Theobald Smith: Sowohl humane wie bovin-
Bacillen verursachen eine Verminderung der Acidität. Bei den bevires
Bacillen bleibt diese herabgesetzte Acidität konstant. bei den humare?
dagegen tritt nach einer gewissen Zeit ein Umschwung ein. so d
die Reaktion des Mediums wieder stärker sauer wird.
Es ist auffallend, daß sowohl die pg-Kurven als auch die Titration-
kurven miteinander parallel verlaufen.
Ferner haben wir die Zunahme des Aminostickstoffes nach der
Sörensenschen Formolmethode gemessen und die Ergebnisse in die
Tabellen mit aufgenommen. Dabei konnten jedoch keine adäquaten
Resultate erwartet werden: um solche zu erhalten. hätten die beiden
Systeme: Bakterienhaut und Medium parallel untersucht werden
müssen. Auch zwischen Aminostickstoff und Ammoniakstickstoff haben
wir nicht unterschieden. Frühere Autoren und auch wir selbst haben
bei Kontrollversuchen gefunden, daß besonders in älteren Kulturen
beträchtliche Mengen Ammoniak von den Tuberkelbacillen gebildet
werden.
Es wurde vielfach erwogen, was die Ursache dieses verschiedenen
Verhaltens der humanen und der bovinen Tuberkelbacillen sein könnte.
Die Verminderung der H-Konzentration ist wohl sicherlich auf die
Aminosäurebildung zurückzuführen.
Warum aber steigt die H-Konzentration bei den humanen Bakterien
wieder an? Nach Kendall und Mitarbeiter geschieht dies bloß dann.
wenn Glycerin gegenwärtig ist, und Kendall ist der Ansicht, daß die
humanen Tuberkelbacillen aus dem Glycerin Säuren bilden können.
die bovinen dagegen nicht.
Wir haben auch versucht, Tuberkelbacillen in glvcerinfreier Bouillon
zu züchten. Das Wachstum war doch immer sehr spärlich, weshalb
wir keine Schlußfolgerungen daraus ziehen wollen.
c) Reaktionsveränderungen in glykosehaltiger Bouillon.
Es ist bekannt, daß die Tuberkelbacillen Glykose und andere Zucker-
arten kaum angreifen. Bei einigen anderen Mikroorganismen ist jedoch
der Zuckergehalt des Mediums von größter Bedeutung für die Ver-
änderungen der Wasserstoffionen-Konzentration.
Tabelle XI veranschaulicht einen vergleichenden Versuch, bei dem
sowohl glykosehaltige, als auch glykosefreie Bouillon verwendet wurde.
Die Bouillon enthält in beiden Fällen 3%, Glycerin.
Aus dieser Tabelle geht hervor, daß durch den Glykosezusatz die
Pa-Werte deutlich erniedrigt wurden, aber bei weitem nicht so stark,
-
Biochemische Studien über Tuberkelbacillen. 405
Tabelle XI. py-Veränderungen in glykosehaltiger Bouillon.
Wachstum normal. Temperatur 37°.
Versuchszeit
in Tagen
als dies z. B. bei Pneumokokken, Diphtheriebacillen oder Colibacillen
der Fall ist.
Dieser Versuch besagt nichts anderes, als daß man beim Studium
der Reaktionsveränderungen durch Tuberkelbacillen in gewissem Grade
auf den Muskelzucker Rücksicht nehmen muß.
IV. Die proteolytischen Enzyme der Tuberkelbaeillen.
Eine der Ursachen für die Veränderungen der H-Konzentration
könnte man in der proteolytischen Wirksamkeit der Tuberkelbacillen
suchen. Durch die Spaltung von in der Bouillon vorhandenen Eiweiß-
stoffen oder Peptiden zu Aminosäuren können kräftige Verschiebungen
von De entstehen.
In der Literatur liegen über diese Frage nur spärliche oder ver-
einzelte Angaben vor.
| Von Interesse sind diesbezüglich Arbeiten von Duval (1909), Theob.
Smith (1910), Kendall, Day und Walker (1914, 1915) und Long (1919).
In neuester Zeit haben ein paar amerikanische Forscher, Corper
und Sweany, diese Fragen näher studiert. Nach diesen Untersuchern
sollen in den Tuberkelbacillen Enzyme sowohl von Pepsincharakter,
d.h. solche, die in saurer Lösung wirksam sind, als auch von tryp-
tischem Charakter, die bei alkalischer Lösung wirksam sind, vorhanden
sein. Bei näherer Durchsicht einzelner Versuchsprotokolle dieser
Forscher muß man jedoch sagen, daß die beobachteten Reaktionseffekte
sehr gering sind, so gering, daß es manchmal zweifelhaft scheint, ob man
ein sicheres Urteil abgeben kann. Auch fehlen genaue Bestimmungen
der Pp-Werte.
a) Extracelluläre Enzyme.
Um zu untersuchen, ob möglicherweise extracellulär wirksame
proteolytische Enzyme vorhanden seien, haben wir Filtrate von 80 Tage
alten Kulturen sowohl humaner als auch boviner Tuberkelbacillen
untersucht. Als Reagens diente Gelatine und Pepton. Auch bei 48stün-
digem Verweilen im Brutschrank bei 37° konnte keine Wirkung beob-
achtet werden.
406 K. G. Dernby und C. Näslund:
In diesem ihren Verhalten unterscheiden sich die Tuberkelbacili:
demnach von anderen Mikroorganismen, z. B. von B. pvocvanets.
proteus, subtilis, von gewissen Anaerobiern usw. ` bei diesen Bakteriet
enthält das Filtrat stark wirkende Tryptasen.
Auf Grund unserer Versuche halten wir uns demnach für berecht;
zu erklären. daß die Tuberkelbacillen keine extracellulär wirksamer
Enzyme besitzen.
b) Autolytische Enzyme.
Um solche festzustellen, müssen die Mikroorganismen selbst unter-
sucht werden; dies geschah in folgender Weise:
40 Tage alte, absolut reine Kulturen wurden filtriert und an der
Luft getrocknet. Sodann gingen wir in doppelter Weise vor. Entweder
wurden die Bakterien ungefähr 5 Stunden lang in einem Achatmörsr
kräftig zerrieben, so daß eine gleichförmige Suspension entstand; dies
Bakterien nennen wir im folgenden kurz „zerriebene Bakterien“. Oder
die Bakterien wurden mit destilliertem Wasser übergossen und mehrere
(bis zu 28) Tage im Brutschranke stehen gelassen. Dabei fand eine merk-
bare Autolvse statt. Diese Bakterien nennen wir in der Folge „auto
Ivsierte Bakterien”. Von beiden Proben haben wir sodann die Em-
wirkung auf Gelatine und auf Wittepepton untersucht, wobei wir un:
der im Abschnitte „Untersuchungsmethodik‘ angegebenen Methoden
bedienten.
Die Versuche mit .„zerriebenen Bakterien‘ fielen negativ aus
(Tabelle XII). Auch nach 48stündigem Verweilen bei einer Temperatur
von 37° war die Gelatine überall starr; nur in den am meisten sauren
Röhrchen konnte man möglicherweise eine jedenfalls nur sehr geringe
Ivtische Wirkung beobachten.
Tabelle XIII.
Tabelle XII. Humane Tuberkelbacillen auf
Humane Tuberkelbacillen auf Gelatine.
Gelatine. Getrocknet, 3 Tage in Bakterienmühle
6 cem Gelatine + 0.5 cem T.B.C.-Auf. 7errieben; zwei Wochen in Brut-
| schrank mit Chloroform. 1 cem T.B.C-
Aufschlämmung enthält 5,3 mg Ntiek-
stoff. 6 cem Gelatine + 0,5 cem
T.B.C.-Aufschläimmung. Temp. 37`
D DW . E 2, o gem
Vertiüssizung des Gelatines er - Sie
schlämmung. Die Aufschlämmung ent-
hielt pro ecm 3.8 mg Totalstickstofl.
Temp ratur 37°.
Vertlüssirung des Gelatine:
S S S SE |
Sr ER nach 3 Std. nach 24 Std. Nr. PH | nach © Stunden
1 Au 0 | 3 IOo an: 5
240 0 1 2 40, 3
3 4.3 0 0 3 1748 | 2
4 D.D 0 d 4 | 553 3
> 6.3 E 0 5 6.3 | 3
D Cu 0 1 "Al 3
í vk 0 0) 1.83 | 3
Biochemische Studien über Tuberkelbacillen. 407
Bei den „autolysierten Bakterien‘ war diese Wirkung etwas stärker;
das Ergebnis der diesbezüglichen Versuche geht aus der en
Tabelle hervor (Tabelle XIII).
Hier hatten wir jedoch zu jeder Portion Gelatine von 5 ccm eine
relativ große Menge von Bacillenemulsion zugesetzt.
Es ist daher bemerkenswert, daß die proteolytische Wirkung nicht
stärker war. Eine schwache lytische Wirkung war deutlich wahrnehmbar,
besonders wenn man mit den Kontrollröhrchen verglich. Es ging demnach
aus dem Versuche hervor, daß in den Tuberkelbacillen Endoenzyme
vorhanden sind, sowie sie der eine von uns (Derndy 1918) in Hefen-
zellen und in den meisten Zellen des tierischen Organismus nach-
gewiesen hatte.
Im Hinblick auf den Umstand, daß die Effekte so schwach sind,
ist jedoch bei der Beurteilung derselben große Zurückhaltung geboten,
und wir halten es daher für entsprechend, die Versuchsresultate folgen-
dermaßen zu formulieren: Die Tuberkelbacillen vermögen — prak-
tisch genommen — Gelatine nicht zu verflüssigen, auch nicht in zer-
riebenem und autolysiertem Zustande; die Versuche deuten jedoch
möglicherweise das Vorhandensein pepsinähnlicher Enzyme an.
Die Peptonprobe wurde in der Weise ausgeführt, daß zu den im
Abschnitt ‚Methodik‘ genannten Peptonlösungen mit verschiedenem
Py die gleiche Menge von Tuberkelbacillensuspension zugesetzt wurde;
die Mischung wurde dann 20 Stunden lang bei 37° Temperatur im
Tabelle XIV.
Humane Tuberkelbacillen auf
Pepton.
Die Aufschlämmung enthielt 3,8 mg Tabelle XV.
Totalstickstoff pro ccm. 10 ccm 4% Pep- Autolyse humaner Tuberkel-
tone Witte + 0,5 ccm T.B.C. - Auf- bacillen.
hla . Bei 37°.
nn Getrocknet, 3 Tage in Bakterienmühle
| Freigemachter Formolstick- zerrieben. Das Bacillpräparat enthielt
Nr au | RO nach 20 Stunden (aus- pro ccm 5,3 mg Totalstickstoff.
>i "H | gedrückt in eem n/,-NaOH
Ä pro 10,5 ccm un):
TE E E TE
| Freigemachter Stickstoff nach
| 72 Stunden bei 37° (in ccm
1 139 0 Nr PH \n/„NaOH pro 10 eem Bak-
2 147 0 | terienaufschlämmung
3 | 5,5 0,3 Doar Taa EE
A Jä 0,9 35 | 0
5 I 71 0,6 2 | 50 0,8
D VI: 0,3 3 | 6,8 | 0,6
285 | 0,1 4 | 82 0,3
wf
Brutschrank stehen gelassen. Tabelle XIV gibt das Resultat eines
solches Versuches an.
Auch wenn zugegeben werden muß, daß die Sörensensche Formol-
methode nicht streng vorschriftsmäßig ausgeführt wurde, so ist doch
Biochemische Zeitschrift Band 182. 27
408 K. G. Dernby und C. Näslund:
unverkennbar, daß hier eine wirkliche Spaltung stattgefunden hat.
Die Unterschiede in der Menge des Formolstickstoffes in den mit
Tuberkelbacillen beschickten Kölbehen und in den Kontrollkölbchen
sind so groß, daß ein Irrtum ausgeschlossen ist.
Wir können demnach sagen, daß in den Tuberkelbacillen proteo-
lytische Enzyme vorhanden sind, die Peptidverbindungen zu spalten
vermögen. Das Optimum für diese Spaltung liegt zwischen den Weıten
De = ô und De =1.
Hieraus darf man jedoch nicht ohne weiteres schließen, daß wir mit
diesem Optimum Tryptasen gefunden haben. Es ist sehr wohl möglich,
daß der meiste Aminostickstoff nicht von gespaltenem Pepton, sondern
von dem autolytischen Zerfall der Tuberkelbacillen selbst herstammt.
Für die letztere Auffassung spricht der Versuch (Tabelle XV),
bei dem wir die Autolyse von Tuberkelbacillen untersucht haben,
welche nur in Wasser suspendiert worden waren,
V. Die Resistenz des Tuberkulins gegen H- und OH-Ionen.
Einer der Hauptzwecke bei der Züchtung von Tuberkelbacillen ist
die Gewinnung von Tuberkulin. Wir haben daher auch einen Versuch
ausgeführt, um die Beziehung zwischen pg und der Tuberkulinbildung
zu ermitteln.
Die echten Toxine, z. B. Diphtherie- und Tetanustoxin, sind in
hohem Grade von Py abhängig. So wird z. B. das Tetanustoxin durch
eine H-Konzentration von py = 5,5 momentan und irreversibel zer-
stört, ist nur bei Werten zwischen 24 = 6 und De = 7 völlig stabil
und wird in alkalischer Lösung allmählich geschwächt (Dernby und
Allander). Schon Arrhenius hat diesen Umstand in seiner Immuno-
chemie hervorgehoben. Betreffs des Diphtherietoxins ist dasselbe von
Dernby und Davide und von Walbum nachgewiesen.
Die Abhängigkeit des Tuberkulins von py kann nur in der Weise
festgestellt werden, daß man seine Resistenz H- und OH-Ionen gegen-
über bestimmt.
Unsere diesbezüglichen Versuche wurden folgendermaßen ausgeführt:
Als Stammtuberkulin wurde ein schon fertiges, eingedampftes
Tuberkulin verwendet, welches nach der von Koch angegebenen Methode
aus humanen Tuberkelbacillen hergestellt worden war. Dieses Tuberku-
lin wurde zunächst mit dem 1l0fachen Volumen physiologischer Koch-
salzlösung verdünnt. Dann wurde ausprobiert, wieviel Säure oder
Alkali zugesetzt werden mußte, um die gewünschte H-Konzentration
zu erhalten. Sodann wurde in Reagensgläschen zu 0,6 cem unverdünntes
Tuberkulin die erforderliche Menge n-NaOH (resp. n-HCl) zugesetzt
und mit vorher sterilisierter NaCl-Lösung aufgefüllt, bis das ganze
Volumen 1,0 cem betrug.
Biochemische Studien über Tuberkelbacillen. 409
Die Röhrchen wurden mit Baumwollpfropfen versehen und paraffiniert.
Dann wurden sie im Brutschrank 8 Tage lang bei 37° stehen gelassen.
Zuerst wurde der Titer des nicht behandelten Tuberkulins bestimmt.
Nach 8tägigem Verweilen im Brutschranke wurden die Röhrchen
herausgenommen, Die Versuchsanordnung war nun die, daß Meer-
schweinchen, welche 5 Wochen vorher mit Tuberkelbacillen infiziert
worden waren, das Tuberkulin subcutan eingespritzt erhielten in Dosen,
die aus der folgenden Tabelle hervorgehen.
Tabelle XVI.
Versuchsplan.
Probe 1: Wasserstoffionenkonzentration 2,5.
Meerschwein 1 (410 g) 0,04 cem Tuberkulin Tod nach 34 Stunden
Ge 2 (370 ,,) 0,03 . lebt
an 3 (390 ») 0,03 sn „ D
Probe 2: Wasserstoffionenkon.entration 4,2.
Meerschwein 1 (420 g) 0,03ccm Tuberkulin Tod nach 26 Stunden
"m 2 (390 ,„‚) 0,03 ‚, së lebt `
„ 3 (400 ») 0,02 zm „ zm
Probe 3: Wasserstoffionenkonzentration 6,0.
Meerschwein 1 (370 g) 0,03 ccm Tuberkulin Tod nach 20 Stunden
29 2 (390 5) 0,03 np „ sn „ 26 II
vm 3 (390 „) 0,02 „ ,» lebt
Probe 4: Wasserstoffionenkonzentration 7,2. |
Meerschwein 1 (400 g) 0,03 cem Tuberkulin Tod nach 16 Stunden
” 2 (380 DN 0,03 zg D „ (EI 20 „
WEG 3 (400 „) 0,02 „ pn lebt `
Probe 5: Wasserstoffionenkonzentration 8,5.
Meerschwein V (370 g) 0,03 cem Tuberkulin Tod nach 20 Stunden
D 2 (390. ‚) 0,03 „ 23 „ nn 22 ` s3
SS 3 (420 „) 0,03 „ vn lebt
Probe 6: Wasserstoffionenkonzentration ca. 10.
Meerschwein 1 (400 g) 0,04ccm Tuberkulin Tod nach 30 Stunden
P 2 (390 ,„) 0,03 ,, e lebt
„ 3 (400 ») 0,03 nm „ „
Hier soll eine Bemerkung über die Bestimmung der p4-Werte ein-
geschaltet werden. Es ist leicht verständlich, daß diese nicht adäquat
sein können. Durch die Verdünnung auf das 10fache Volumen wird
De etwas, aber relativ unbeträchtlich verändert; in den unverdünnten
Tuberkulinproben sollte nämlich die Reaktion stärker sauer, resp.
stärker alkalisch sein als in den verdünnten. Es muß jedoch noch ein
anderer Umstand in Betracht gezogen werden. In einer konzentrierten
Lösung, die Salze und Glycerin in starker Konzentration enthält, ist
es ganz unmöglich, die aktuelle Acidität oder Alkalescenz zu bestimmen.
So viel kann jedoch gesagt werden, daß die angegebenen p„-Werte
wenigstens annähernd richtig sein dürften (Fehlergrenze 0,5).
27*
410 K. G. Dernby und C. Näslund:
Aus der Tabelle XVI geht deutlich hervor, daB das Tuberkulin
gegen H- und OH-Ionen außerordentlich resistent ist. Möglicherweise
ist an den Endpunkten der Reihe, d. h. für das am meisten saure und
das am meisten alkalische Tuberkulin eine leichte Abschwächung des-
selben bemerkbar, doch ist diese jedenfalls nur unbeträchtlich. Weder
das Diphtherietoxin noch das Tetanustoxin ist bei so extremen Werten
wie Du = 3 oder Dn = 11 noch stabil.
Wenn das Tuberkulin bei 37° so wenig empfindlich ist, so kann
man wohl annehmen, daß es bei Zimmertemperatur oder gar im Eis-
schrank noch resistenter ist. Solche extreme ?g-Werte wie py = 3
und pg = 0 kommen in der Praxis niemals vor, und wir glauben daher.
daB die H-Konzentration bei der Aufbewahrung des Tuberkulins nicht
von allzugroßer Bedeutung ist.
Auch in den Tuberkelbaecillenkulturen kommen solche pyg-Werte
nicht vor. Man braucht daher nicht zu befürchten, daß das von den
Bakterien gebildete Tuberkulin zerstört wird, sowie dies z. B. mit dem
Tetanustoxin geschieht.
Aus diesen Versuchen scheint auch hervorzugehen, daß man bei
der Darstellung von Alttuberkulin auf die H-Konzentration des Sub-
strates keine andere Rücksicht zu nehmen braucht, als daß die H-Kon-
zentration eine solche sei, wie sie zur Erhaltung eines kräftigen Wachs-
tums der Bakterien nötig ist.
Schlußfolgerungen.
l. Die Tuberkelbacillen wachsen in Nährbouillon bei Wasserstoff-
ionenkonzentrationen zwischen pg = 4,5 und pg = 8. Das Optimum
des Wachstums fällt zwischen die Werte Ge = 6 und De = 6.5. Hu-
mane wie bovine Bacillen verhalten sich diesbezüglich in ähnlicher
Weise.
2. Nährböden für Tuberkelbacillen sollten immer in der Weise
hergestellt werden, daß im Anfang eine H-Konzentration von py = 6
bis De = 6.5 herrscht.
3. Während des Wachstums sinkt die Wasserstoffionenkonzentration.
d.h. pe steigt. Die Kurve der Titrationsacidität verläuft mit der
Py Kurve ziemlich parallel. In älteren glycerinhaltigen Kulturen von
humanen Tuberkelbacillen sinken die py-Werte wieder, nicht aber in
solchen von bovinen Bacıllen. Damit wurden also die Angaben von
Theobald Smith bestätigt.
4. Die Tuberkelbacillen besitzen sehr schwache proteolvtische
Fähigkeiten. Nur in alten Kulturen wird eine Vermehrung des Amino-
stickstoffes bemerkbar.
a) Das Filtrat von Tuberkelbacillen-Kulturen ist sowohl auf Gelatine
wie auch auf Pepton völlig negativ.
Biochemische Studien über Tuberkelbacillen. 411
b) Zerriebene und autolysierte Tuberkelbacillen haben, praktisch
‚genommen, nicht die Fähigkeit, Gelatine zu verflüssigen. Auf der
„sauren Seite tritt jedoch eine schwache Verflüssigung ein, die möglicher-
, weise auf das Vorhandensein von pepsinähnlichen Endoenzymen hin-
. deutet.
ei c) Autolysierte Tuberkelbacillen rufen eine unzweideutige, wenn
_ auch schwache Spaltung von Wittepepton hervor. Das Optimum für
. diesen Vorgang scheint etwa am Neutralpunkt zu liegen. Es sind also
. In den Tuberkelbacillen Endotryptasen vorhanden.
5. Die Resistenz des Tuberkulins gegen H- und OH-Ionen wurde
in der Zone zwischen pe = 2,5 und py = 10,5 geprüft. Nach ein-
. wöchentlichen Verweilen im Brutschranke, bei 37°, ist das Tuberkulin
_ unverändert. Eine allerdings nur leichte Abschwächung wurde in den
am meisten alkalischen Proben beobachtet. Das Tuberkulin ist also
sehr resistent und verhält sich diesbezüglich ganz anders als andere
Toxine, wie z. B. das Diphtherie- oder das Tetanustoxin.
Literatur.
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Walbum, L. E., Diss. Kopenhagen 1922 u. diese Zeitschr. 30, 25. 1922.
Die Anpassung der Diphtheriebacillen an H- und OH-Ionen.
Von
K. G. Dernby und S. Siwe.
(Aus dem Bakteriologischen Laboratorium des schwedischen Staates zu Stockholm.)
(Eingegangen am 10. Juni 1922.)
Mit 3 Abbildungen im Text.
Wenn Diphtheriebacillen in im übrigen identischer geeigneter
Bouillon, die jedoch verschiedene Wasserstoffionenkonzentration auf-
weist, bei 37° gezüchtet werden, tritt in der Zone fe = 5,8 bis pg = 8,2
Wachstum ein mit einem Optimum zwischen pg = 7,2 und pg = 7,6, was
aus den Arbeiten von Dernby und Davide (1921) und Davide und Dernby
(1921), von Bunker 1919 und neuerdings von Walbum (1922)*) hervorgeht.
Die Frage ist nun: Sind diese p4-Grenze und Optimum für das
Wachstum der Diphtheriebacillen konstante und charakteristische
Größen, oder können sie variabel sein? Diese sowohl theoretisch als
praktisch wichtige Frage hängt mit der allgemeinen Frage zusammen,
ob erworbene Eigenschaften sich bei Bakterien vererben können. An-
scheinend dürfte die letztere Frage bejaht werden können, und es
gibt in der Literatur eine ziemlich große Anzahl von experimentellen
Bestätigungen hierfür. Wir verweisen auf den Aufsatz ‚Über Mutationen
bei Bakterien und anderen Mikroorganismen“ von Ph. Eisenberg, in
Weichhardts Ergebnisse der Immunitätsforschung usw. (1914).
*) Nach dem Abschluß dieser Arbeit ist die umfangreiche und außerordentlich
wohl ausgeführte Untersuchung über Diphtherietoxin von L. E. Walbum erschienen.
Er hat mit äußerst genauen Methoden die Wachstumskurven für Diphtheriebacillen
bei verschiedenen Temperaturen bestimmt. Bei 38° gibt er als Grenzen py = 5,60
und py = 8,22 und als Optimum den Neutralpunkt an, was in ziemlich guter Über-
einstimmung mit unseren Werten steht. Sehr interessant sind die Verschiebungen
der Grenze mit der Temperatur.
Die Frage über mögliche Anpassung der Bacillen zu verschiedenen chemischen
Faktoren, insbesondere H- und OH-Ionen, die wir in dieser Arbeit diskutieren,
hat Walbum jedoch nicht zur Behandlung aufgenommen. Daß er sich die Sache
überlegt hat, darauf deutet seine Aussage hin, daß die von ihm angegebenen Werte
nur für den von ihm gebrauchten Diphtheriestamm und ebenso für die von ihm ge-
brauchte Bouillon gelten.
K. G. Dernby u. S. Siwe: Anpassung d. Diphtheriebacillen an H- u. OH-Ionen. 413
Der Verfasser äußert da: „Eins geht aus vielen besprochenen Befunden
zweifellos hervor, das ist ‚die Erblichkeit erworbener Eigenschaften‘ bei Bakterien
und anderen Mikroorganismen.“
Viele Forscher haben sich mit der Frage von der Variabilität der Diphtherie-
bacillen beschäftigt (siehe Eisenberg). Von besonderem Interesse sind die Unter-
suchungen von Gcodman (1908), der Diphtheriebacillen nach ihrem Säurebildungs-
vermögen in Glucosebouillon differenzierte. Doch stehen dagegen Angaben von
Berry und Banshaw (1912) und Winslow und Walker (1909).
Andere Verfasser, wie z. B. Bernhardt und Panech und Baerthlein (1913), haben
aus sehr alten Bouillonkulturen verschiedene Varianten isolieren können.
Im folgenden haben wir die Frage von den Anpassungsmöglich-
keiten für H- und OH-Ionen der Diphtheriebacillen geprüft. Die an-
gewendeten Mikroorganismen sind einem im hiesigen Laboratorium
reingezüchteten Diphtheriestamm entnommen, der Kling B. genannt
und ein vorzüglicher Toxinbilder ist.
Die Technik, deren wir uns bedient haben, ist in früheren Arbeiten
(Dernby und Davide 1922 und Dernby und Allander 1921) schon be-
schrieben, weshalb wir hier nicht auf Einzelheiten eingehen.
Die in diesem Laboratorium ausprobierte Versuchsbouillon wurde
in folgender Weise hergestellt:
Zu 5kg zerkleinertem Kalbfleisch wurden 10 1 Wasserleitungswasser zu-
gesetzt und 20g Hefe und 1g Trypsin eingerührt, 16 Stunden auf 30—35°
gehalten. Die Hefe dient dazu den Muskelzucker zu vergären, das Trypsin, eine
Eiweißspaltung hervorzurufen, gleichzeitig die Filtrierbarkeit zu erleichtern.
Am nächsten Tag wird die Mischung 1 Stunde auf 60° erwärmt und durch ein Sieb-
tuch filtriert, dazu 1,5%, Wittepepton, 0,5% NaCl zugesetzt und so viel NaOH,
daB Pyu zwischen 7,2 und 7,4 liegt, dann kurze Zeit auf 90° erwärmt, durch Papier
filtriert, auf Flaschen gefüllt und höchstens 20 Minuten bei 105—107° sterilisiert.
Betreffs Einzelheiten verweisen wir auf unsere zitierten Arbeiten.
Tabelle I gibt die Wachstumskurve des ursprünglichen Stammes
an und Abb. 2 (A,) stellt in graphischer Form die Beziehung zwischen
Wachstum und Ge für Diphtheriebacillen dar.
Tabelle I. Wachstum des Diphtheribacillus Kling B (A,).
Temp. = 37°.
Wachstumsgrad nach
Nr. - — en nn EEN d
Ar Im Anfang | nach 40 Stunden 10 Stunden | 20 Stunden d KM Stunden
1o! 5,3 = 0
2 j 5,8 5,4 0 S d
3: o. 6,2 6,4 0 1 2
4 6,7 7.0 1 3 5
5 ` 7,2 7,5 1 4 5
6 | 1,6 7,9 1 4 5
T; 8.0 | 81 o 3 b
8&8 i 8.3 8.3 0 | 1 2
-+
*) Es muß bemerkt werden, daß in dieser zuckerfreien und trypsinspaltenden
Bouillon Py nicht zuerst sinkt. Walbum gebraucht eine glykosehaltige Bouillon,
und die Py-Veränderungen in seiner Arbeit werden daher andere als hier.
414 K. G. Deruby und N. Siwe:
Wir machten jetzt drei Portionen Nährbouillon, im übrigen iden-
tisch aber durch verschiedenen Zusatz von Na OH mit verschiedener
Wasserstoffionenkonzentration.
A ne ae aa rd
B ©. è è e e e e e e >% Pu = 6,2
C e e e e e è e e e e Pu = 5,8
Dann nahmen wir als Ausgangsmaterial Bacillen, die in A ge-
züchtet waren, und impften in B und C über. In den .C-Röhrchen
gelang es in keinem Falle genügendes Wachstum zu bekommen. Zuerst
gelang es auch nicht, die Bacillen in den B-Röhrchen mehr als in zwei
oder drei Umstechungen zu erhalten. Das Wachstum war immer
spärlich und trat erst nach 48—72 Stunden ein. Doch gelang es schließ-
lich gutes und schnelles
Wachstum in den B-Röhr-
chen zu bekommen.
Demnach hatten wir den
ursprünglichen Stamm in
zwei, A. und B., aufgeteilt.
A wurde in A, A, in A,
usw. umgestochen in der
Regel nach 2 Tagen, wenn
eine deutliche Häutchenbil-
dung eingetreten war. Das-
selbe galt für B, in B, usw.
Wir haben die Um-
stechungen mit so kurzen Zwischenräumen wie 2 Tage gemacht, weil
die Bacillen nach längerer Zeit eine Steigerung des py verursachen,
wie Tabelle II zeigt.
Abb. 1. Versuchsschema.
Tabelle II.
Pu- Veränderungen in Diphtheriebouillon.
Temp. = 37°.
—_— c a TT—ne,e m ————
PH
Stamm °-——
im Anfang . nach 2 Tagen nach 6 Tagen
A 74 T 8,2
C DB l 6,3 i 7.8
Hätten also die Bacillen längere Zeit gestanden, so würden sie,
total gesehen, bei durchschnittlich viel höherem py als dem Anfangs-
werte gezüchtet sein.
Nach der neunten Umstechung haben wir A, und B, auf eine Serie
von Röhrchen mit derselben Bouillon mit verschiedener Wasserstoff-
Anpassung der Diphtheriebacillen an H- und OH-Ionen. 415
ionenkonzentration geprüft. Die Ziffern bedeuten den Wachstums-
grad, anstatt + 1, ++ 2 usw. Tabelle III zeigt die Resultate.
Tabelle III.
Wachstum von A, und B,.
Temp. = 37°.
© | Wachstumsgrad nach
1?
|
DI < IV
.
3
<
— E db a U vn O OO
wf
CD ei CD EH Va, GA KI ke
=
ECO CH el bi 00 w
40 Stunden iden | 40 Stunden | 20 20 Stunden SCH 40 Stunden
Io vA Apoa 1
1 1 3
2 2 | 5
5 3 | 5
5 3 4
5 3 | 4
4 1 2
2 0 | 1
Tabelle IIIA ist nahezu identisch mit Tabelle I, was auch nicht
zu verwundern ist.
Dagegen ist in Tabelle IIIB sowohl das Optimum des Wachstums
wie die Grenzen beträchtlich nach der sauren Seite hin verschoben.
Abb. 2 zeigt dasselbe graphisch.
Also schon nach nur neun Um-
stechungen haben sich die Bacillen
in dieser Hinsicht so verändert, daß
wenn man A, und B, prüfen würde,
ohne ihr Vorgeschichte zu kennen,
man geneigt sein würde zu glauben,
man habe es mit zwei verschiede-
nen Stämmen zu tun.
Die Bacillen B, gelang es uns,
nun in einem noch saureren Medium
zu züchten, wo pg = 5,8 war. Bei
diesem Py wächst der ursprüngliche
A-Stamm nicht, wie aus Tabelle I
ersichtlich ist. Die weitere Züchtung
geht aus der Abb. 1 hervor.
Nach weiteren neun Umstechun-
Wachsturmsgrad
Abb. 2 Wachstumskurven verschiedener vor-
behandelter Diphtheriebacillen.
gen wurden Proben wie zuvor gemacht. Tabelle IV A, B und C nebst
Abb. 3 geben die Resultate wieder.
Die ?4-Kurven für Be und C, sind ungefähr dieselben und identisch
mit derjenigen von B,. A,, ist nahezu den früheren A-Kurven gleich.
Doch ist bei A,» die Wachstumsgeschwindigkeit im sauren Gebiet
etwas größer als für A und A,.
416 K. G. Dernby und S. Siwe:
Tabelle IV.
Wachstum von Aus, Bn, C, und K.
Temp. = 37°.
E WE Wachstumsgrad nach nn
run iesen
Nr | Anfang BE o Bus Ce DEEN
20 Std. 40 Std. | 2 Std. | 20 Std. | 20 Std. | 40 Std. Std. | 40 Std.
EE 0 0 1, 1 1 2 0,0
2 5B 1 1 1 4 2 4 01%
3 | 6&2 | ı 2 2 5 3 5 1, 1°
4 6,7 2 5 3 5 3 5 2 p 8
BR R 3 5 3 5 2 4 35
6 713 15 2 4 2 3 3 5
71.80 3 4 Li 3 1 3 2 5
sl ss [i |3 010 0 0 1 3
Hier haben wir auch einen Vergleich mit unserer gewöhnlich vor-
rätigen Stammkultur von Kling B, die wir K nennen.
Jetzt ist voraus zu bemerken,
daß dieser K-Stamm längere Zeit in
einer Bouillon von etwa De = 7,6
umgestochen war, 2 Tage im Brut-
schrank bei 37° gestanden hatte
und dann etwa 5 Tage bei Zimmer-
temperatur stehengelassen war, be-
vor eine neue Umstechung erfolgte.
Am Ende dieser Periode war py
ungefähr auf 8 gestiegen. Dieser
K-Stamm war also durchschnittlich
in einer viel mehr alkalischen Lösung
als A, B, und C vorbehandelt.
Die für Toxinproduktion be-
stimmte Bouillon hatte eine an-
fängliche Wasserstoffionenkonzen-
tration von De = 7,3.
l Dieselbe Prüfung wurde mit K
By vorgenommen und ist in Tabelle
Abb. 3. Wachstumskurven verschiedener vor- JŲ C und Abb. 4 zu sehen.
bebandelter Diphtheriebacillen. Die K Kurve zeigt noeh größere
Abweichungen von den B- und C-Kurven als die A-Kurve. Dies er-
klärt sich wahrscheinlich aber dadurch, daß die K-Bacillen während des
Wachstums an eine bedeutend höhere Alkalinität gewöhnt worden sind.
Toxinproduktion der A-, B- und C-Stämme.
Es ist eine bekannte Tatsache, daß sowohl Diphtherie- wie Tetanus-
bacillen, die in einer Reihe von Versuchen gutes Toxin geliefert haben,
Wachs tumsgrad
5,0 60 720 60 90
Anpassung der Diphtheriebacillen an H- und OH-Ionen. 417
diese Eigenschaft, trotz im übrigen optimaler Wachstumsbedingungen,
mehr oder weniger plötzlich einbüßen können.
Es liegt nicht fern, die Hypothese aufzustellen, daß dieser Vorgang
in irgendeiner Weise in Beziehung zur Vorgeschichte der Mikroorganis-
men steht. |
So z. B. ist es denkbar, daß Tetanusbacillen, die während der
Ruhezeit manchmal in ziemlich saurer Lösung verbleiben, so sauer,
daß das Toxin dabei zerstört wird, die Fähigkeit, Toxin zu bilden,
verlieren. i
Wir prüften daher unsere A, B,, und Ce auf ihre Toxinbildungs-
fähigkeit, und ebenso auch die für diese Zwecke gewöhnlich gebrauchte
Stammkultur, auch von Kling B, den wir K genannt haben.
Die A-Bacillen wuchsen am schnellsten, dann kamen die B- und C-
und zuletzt die K-Bacillen.
Für jede Pıüfung wurde dieselbe Bouillon benutzt. Von B und C
und K hatten wir Duplikate, von A nur eine. Das Resultat wird in
Tabelle V veranschaulicht.
Tabelle V.
Toxin Stärke des Toxins.
Stamm || gewonnen "1 Min. let. -Dosis für 250 g
nach Tagen Meerschweinchen
A | 10 0,003
B | 10 0,002
C f 10 0,002
K | 11 0,005
Das Resultat ist also, daß sämtliche Stämme Toxin abgegeben
haben, auch die in saurer Lösung vorbehandelten; und zwar scheint
es, als ob die B und C stärkeres Toxin gegeben haben als die anderen.
Nun kann man jedoch aus diesem einzelnen Versuch keine tiefgreifenden
Schlüsse ziehen.
Aber er deutet doch darauf hin, daß ein gewisser Zusammenhang
obwaltet zwischen der Vorgeschichte und der Umstechungstechnik
der verwendeten Diphtheriestämme und der Toxinproduktion derselben
in einer gewissen Bouillon.
Hier haben wir nur den einen Faktor, die Wasserstoffionenkonzen-
tration, im Auge behalten, wahrscheinlich handelt es sich jedoch um
noch andere Faktoren, die auf die Toxinproduktion einwirken.
So viel darf man indessen wohl sagen, daß man immer darauf acht-
geben sollte, daß die Betriebskulturen während der Ruhezeit nicht im Nähr-
substrat verbleiben, dessen Wasserstoffionenkonzentration zu weit entfernt
ist von derjenigen, die in der Betriebsbouillon vorhanden ist.
418 K. G. Deruby und S. Siwe:
Diskussion.
Man kann den Einwand machen, daß wir nicht von Einzellenkulturen
ausgegangen sind. Das Arbeiten mit Einzellenkulturen hat wohl
mehr theoretische als praktische Bedeutung®*).
Es fragt sich, ob unser ursprünglicher A-Stamm homogen war,
also aus gleichen Bacillen zusammengesetzt oder eine Mischung war.
vorwiegend A, aber auch von Bund C. In den saureren Bouillons würden
dann die A zugrunde gegangen sein und die B und C sich haben weiter-
entwickeln können.
In die Tiefe dieser interessanten Probleme können wir doch nicht
eindringen, wir beschränken uns darauf, nur die Tatsachen zu kon-
statieren und die eventuellen praktischen Bedeutungen zu erörtern.
Unser Hauptergebnis ist, daß wir zeigen konnten, daß die pgp- Kurve
der Diphtheriebacillen nur in beschränktem Maße eine charakteristische
und konstante Kigenschaft ist. Durch Vorbehandlung der Mikroorganis-
men in Lösungen von saurer bzw. alkalischer Reaktion können diese
Mikroorganismen sich sehr leicht den veränderten Lebensbedingungen an-
passen.
Es ist wohlbekannt, daß Mikroorganismen, trotz im übrigen günstiger
Bedingungen, plötzlich anfangen, Diskrepanzen in der Toxinproduktion
aufzuweisen. Wir möchten auf die obigen Resultate hinweisen, welche
zeigen, daß die Variation eines Faktors, der Wasserstoffionenkonzen-
tration, derartige Diskrepanzen in Wachstum der Bakterien verur-
sachen kann. Doch meinen wir damit keineswegs, daß dies der einzige
oder auch nur der wichtigste sein sollte.
Es stellen sich eine ganze Reihe von Problemen ein, so z. B. die
Frage nach der Gewöhnung der Mikroorganismen an verschiedene
Gifte, der Anpassung an das Vermögen, fremde Zuckerarten zu spalten,
an die Steigerung oder Abschwächung der eiweißspaltenden Fähig-
keit usw.
Um diese Probleme zu studieren, kann man analoge Wege gehen,
wie wir in dieser Untersuchung eingeschlagen haben.
Schlußfolgerungen.
l. Diphtheriebacillen können sich in einer ?g-Zone von 5,8—8,2
(bei 37°) entwickeln. Das Optimum fällt zwischen py = 7,2—7,6.
2. Diphtheriebacillen können sich sehr leicht einer größeren Wasser-
stoffionenkonzentration anpassen. Hierdurch werden sowohl die pp-
Grenze als auch das Optimum nach der sauren Seite hin verschoben.
Die Konstanz der Wachstumskurve ist daher nur relativ.
*) Ahnliche Versuche mit Staphylokokken sind unter Arbeit, und dabei ist
von einer sicheren Einzellenkultur ausgegangen.
Anpassung der Diphtheriebacillen an H- und OH-Ionen. 419
3. Es ist in der Praxis wichtig, die Betriebskulturen bei einer Reak-
tion zu erhalten, die nicht zu weit von der der Betriebsbouillon ent-
fernt ist.
Literatur.
Baerthlein, K., Zentralbl. f. Bakteriol., Parasitenk. u. Infektionskrankh., Abt. I
Refer. 57, Beih. S. 89. 1913. — Bernhardt und Panech, ibid. — Berry, J.,
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Mikroorganismen. Weichhardts Ergebn. d. Immunforsch. usw. (J. Springer,
Berlin 1914) Bd. I, S. 28. — Goodman, H. M., Journ. of infect. dis. 5, 421. 1908.
— Walbum, C. E., Diss. Kopenhagen 1922 u. diese Zeitschr. 130, 25. 1922. —
Winslow, C. E. und L. T. Walker, Journ. of infect. dis. 6, 90. 1909.
Biologische Studien über die Adsorption aus verschiedenen
Metallsalzlösungen.
Von
Friedrich Pichler und Artur Wöber.
(Aus dem Laboratorium der Bundesanstalt für Pflanzenschutz in Wien.)
(Eingegangen am 14. Juni 1922.)
Mit 14 Abbildungen im Text.
Durch die zahlreichen Arbeiten über oligodynamische Erscheinungen
angeregt, stellten wir diesbezügliche Untersuchungen an, in deren
Verlauf sich interessante biologische Wirkungen verschiedener Metall-
salzlösungen zeigten, deren Ergebnisse wir in vorliegender und späteren
Arbeiten veröffentlichen.
Vorversuche:
Chemisch reines Kupferblech im Flächenausmaß von 9 qcm wurde in 101
destilliertem Wasser, das bei der Überprüfung keine oligodynamische Wirkung
zeigte, 6 Monate hindurch liegengelassen. Nach dieser Zeit zeigte das Wasser die
bekannten oligodynamischen Eigenschaften. Das Kupfer ließ sich in ihm nach
den gebräuchlichen Reaktionen chemisch nicht nachweisen, wohl aber mit der
sehr empfindlichen Kupferreaktion nach Uhlenhuth!).
Es wurden 2 Versuchsreihen (I u. II) mit je 4 Eprouvetten aufgestellt.
Eprouvette Nr. 1: 10 cem oligodynamisches Wasser.
Eprouvette Nr. 2: 10 ccm oligodynamisches Wasser + 1 ccm 1 proz. Salzsäure.
Eprouvette Nr. 3: 10 ccm oligodynamisches Wasser + 1 cem 1 proz. Natron-
lauge.
Eprouvette Nr. 4: 10 ccm kolloidale Kupferlösung (Kupfergehalt ungefähr
gleich dem des oligodynamischen Wassers).
Versuchsreihe I: In jede Eprouvette wurden 0,1 g lebende Maisbrandsporen
(Ustilago Maydis) gegeben, gut durchgeschüttelt und 10 Minuten stehengelassen.
In Eprouvette Nr. 1, 3 und 4 war das Kupfer vollständig adsorbiert, in Eprouvette
Nr. 2 war Kupfer hingegen nur zum geringen Teil entfernt.
Versuchsreihe II: In jede Eprouvette wurden 0,1 g gereinigter, fein pulveri-
sierter Speckstein gegeben, gut durchgeschüttelt und 60 Minuten stehengelassen.
Ergebnis ungefähr wie in Versuchsreihe I, jedoch in Eprouvette Nr. 2 weniger
Kupfer adsorbiert als in Eprouvette Nr. 2 der Versuchsreihe I.
Diese Versuche, die bei öfterem Wiederholen die gleichen Resultate
zeigten, führten uns darauf, die Adsorptionserscheinungen näher zu
studieren.
` 11 Cöthener Chem. Ztg. 34, 887. 1910.
F. Pichler und A. Wöber: Adsorption verschiedener Metallsalzlösungen. 421
Versuche:
Bei der Untersuchung auf Adsorptionsfähigkeit von Metallsalzen durch Sporen
beschränkten wir uns auf die Salze der Schwermetalle und zwar des Kupfers,
Silbers und Quecksilbers; es wurde in der Hauptsache die Adsorption des Kations
aus der Lösung studiert und tunlichst zum Vergleich Salze mit demselben Anion
herangezogen.
Wir waren uns bewußt, daß die Totalwirkung eines Metallsalzes auf EN
durch Sporen durch dieWirkungen der beiden Ionenkomponenten (Kation + Anion)
gegeben ist.
Bei den Schwermetallsalzen, wo die Kationen an Giftwirkung die
Anionen weit übertreffen, kann man wohl die Wirkung der Anionen
mehr oder weniger vernachlässigen?).
Die Salzlösungen wurden im allgemeinen so verdünnt gewählt,
daß eine vollständige oder annähernd vollständige Dissoziation an-
zunehmen war.
Als Versuchsmaterial dienten lebende Maisbrandsporen, da diese
in größerer Menge leicht zu erhalten sind.
I. Quantitativer Adsorptionsversuch.
Im 400 ccm einer 0,1 proz. Kupfersulfatlösung wurden 4g Maisbrandsporen
aufgeschwemmt, von Zeit zu Zeit geschüttelt und nach bestimmten Zeitintervallen
je 20 ccm Lösung entnommen, filtriert und im Filtrat das Kupfer mikro-
chemisch quantitativ nach Methode de Haen-Low (mit gleichbleibenden Jod-
kaliummengen und ?/,.-Natriumthiosulfat) bestimmt. 1l cem P/,00-Na,S,0, ent-
sprach 0,680425 mg Cu.
Versuchstabelle:
Dr en
| Verbrauchte Kupfergehalt !
| Menge der Lösun
Entnommen nach | NES Ô; in edel
d in cem mg
ee L10750 | 2551
1 Minute nach Einwerfen der Sporen 4,70 ' 15,99
5 Minuten ` e e dé 3,70 | 12,59
10 ” ” UI ” ” 3,60 | 12,25
15 Se si n s * 3.20 10,89
nn Am 10.04
30 1 ” n A „ | 2,90 9,87
45 nm nm n 1 1 | 2,90 9,87
60 nu d „ nn 2,40 | 8,16
3 Stunden K a 4 w 2,00 | 6,80
2ł n 1 1 „ 1 1,20 4,08
Das Ergebnis ist in Kurve l graphisch dargestellt. Auf der Ab-
szisse sind die Zeitintervalle in Minuten aufgetragen, auf der Ordinate
das nicht adsorbierte Kupfer in der Lösung in Prozenten (mg).
1) Vgl. Kahlenberg und True, Botan. Gaz. 22, 81. 1896.
422 F. Pichler und A. Wöber:
m % mg
KS RR
GG
Kupfergehalt der L
E Gel
Gi $ P 20 ai 60
dë `
Zei m Minuten
Kurve 1.
II. Adsorptionsversuch.
Diese Versuchsreihe sollte zeigen, ob Kupfer als Ion oder in Verbindung mit
Schwefelsäure als Salz adsorbiert wird. Zu diesem Zwecke wurde die Adsorption
des SO,-Ions quantitativ verfolgt.
In 400 ccm einer 0,1 proz. Kupfersulfatlösung wurden 4g Maisbrandsporen
aufgeschwemmt, nach bestimmten Zeitintervallen je 20 ccm Lösung entnommen,
filtriert und die SO,-Ionen indirekt durch Titration mit ®/,go-Na(OH) ermittelt.
l ccm ®/joe- Na(OH) entsprach 0,4805 mg SO,.
Versuchstabelle:
mag Verbrauchte | so, Gehalt.
Menge der Lösung
Entnommen nach | n-Na(OH) I anne
in cem ž k mg d
Reins KOSUN — 2 e EE A 14,30 34,36
l Minute nach Einwerfen der Sporen | 7,50 17,18
5 Minuten „ 3 e Ge 6,55 15,74
10 Wl 39 19 39 19 5,95 14,29
15 „ 1 1 an d 6,00 14,41
20 39 99 19 39 39 5,80 13,93
30 n v d ` 1 6,00 14,41
45 (A 19 19 „ 39 5,80 13,93
DÉ ` e s se Ww LI "Dei 14,17
24 Stunden ` e o TE 6,00 14,41
Diese Versuchsreihe zeigte, daß sofort nach dem Einbringen der
Sporen in die Kupfersulfatlösung eine gewisse Menge S0,” entfernt
wird, späterhin aber der Gehalt der Lösung an SO,” ziemlich konstant
bleibt, während nach Versuchsreihe I der Gehalt an Cu” stetig abnimmt,
folglich von den Sporen nur Kupferion adsorbiert wird.
100 ccm der Kupfersulfatlösung enthielten ursprünglich 34,36 mg
SO,, nach Abbruch des Versuches nach 24 Stunden 14,44 mg SO,; es
waren somit in den Sporen 19,92 mg SO, vorhanden. Nach Schluß des
Versuches enthielt die Lösung 4,08 mg Cu, welche 6,16 mg SO, zur
Bildung von CuSO, benötigen, daher 8,28 mg freie SO,. Es ist dies
Adsorption verschiedener Metallsalzlösungen. 423
der strikte Beweis, daß mehr Cu-Ionen als SO,-Ionen gebunden werden.
(Erklärung der stark sauren Reaktion der Kupferlösung nach der
Adsorption.)
Man muß jedenfalls bei der Adsorption von Metallsalzen Rücksicht nehmen auf
deren Hydrolysierbarkeit; die hydrolytisch abgespaltenen kolloiden Metallhydro-
xyde werden adsorbiert, die abgespaltene Säure reichert sich in der Flüssigkeit an.
Durch die Wegnahnıe von Cu(OH), wird die Reaktionsgleichung nach links ver-
schoben:
CuSO, + 2H,0 2 Cu(OH), + H,SO,.
Die aus der Lösung entfernte Menge von SO,” erklärt sich aus
folgendem Versuch:
10 ccm Bi HO wurden auf 100 ccm mit Wasser aufgefüllt, 1 g Maisbrand-
sporen hineingeschüttet und nach Filtration mit 2/,„Na(OH) titriert.
Verbrauchte Menge #/,„Na(OH) 6,63 ccm, daher von den Sporen entfernte
Die HC! 3,37 ccm. Nach Adsorptionsversuch II wurden nach 1 Minute aus 100 ccm
Lösung 35,75 ccm 1/16- HS0, entfernt = 3,57 ccm %/,H,SO,. welche Menge dem
vorherigen Versuchsergebnis entspricht und zur Neutralisation der Sporenmasse
notwendig ist.
Folgender Versuch zeigt aber, daß eine gewisse Säuremenge zur
Neutralisation der aus den Sporen auslaugbaren, alkalisch reagierenden
Stoffe benötigt wird.
In 100 ccm Wasser wurden 1g Sporen aufgeschwemmt, nach 24 Stunden
filtriert und das Filtrat titriert. Verbrauchte Menge pl HOI 2,25 ccm. Der
Rest (nämlich 1,12 cem 2/,„HCl) drückt die Alkalität des Protoplasmaeiweißes
der Sporen aus.
Die Sporen besitzen auch die Fähigkeit, Alkali zu binden nach
folgendem Versuch:
LO ccm R/,„Natronlauge wurden auf 100 ccm mit Wasser aufgefüllt, 1g
Maisbrandsporen darin aufgeschwemmt und nach Filtration mit %/,„HC1 titriert.
Verbrauchte Menge Bi HCl 8,52 ccm, daher von den Sporen entfernte 2/10- Na(OH)
3,92 ccm. Diese Zahl bedeutet die Acidität des Protoplasmas.
Die Erklärung, daß sowohl Säuren wie auch Alkalien von Sporen
gebunden werden, erhellt aus dem Aufbau des Eiweiß der Sporen
aus Aminosäuren; es kann ein positives Ion an Stelle des H-Ions in
die COOH-Gruppe eintreten oder eine Säure an die NH,-Gruppe an-
gelagert werden. Das Protoplasma der Maisbrandsporen besitzt nach
diesen obigen Versuchen größere Acıdität als Alkalität.
Bei der Auslaugung der Sporen in reinem Wasser müssen schon
vorhandene basisch reagierende Stoffe (entstanden durch Eiweiß-
spaltung) in Lösung gehen.
IH. Adsorptionsversuch.
In 400 ccm einer 0,1l proz. Kupfersulfatlösung, welcher überdies 0,1% Schwefel-
säure hinzugefügt wurde, waren 4g Maisbrandsporen aufgeschwemmt und nach
gleichem Verfahren wie bei Adsorptionsversuch I das Kupfer quantitativ be-
stimmt.
Biochemische Zeitschrift Band 132. 28
424 F. Pichler und A. Wöüber:
Versuchstabelle:
‚ verbrauchte | Kupfergehalt
z Menge ' der Lösun
Entnommen nach ee l in en
Lösung in ccm |! mg
Reine Lösung "e 1,6 | 25,85
1 Min. nach d. Aufschwermmunge d. Spor. 1,1 | 24,15
Do afe pe P a 6.8 23,13
LU: a. ës, "e < a 6,0 2,41
kr a, u a x CHE? 6.2 | 21,09
Da a S GE 7.2 | 24,49
ME vi vu. Gë e DESEN 15 | 25,51
EU a ai z EO Se 3? 7,5 | 25,51
60 ER We SE 1:9 | 24.83
24 Std. noon a EN 6,1 I 075
Das Ergebnis des Vorversuches (Entfernung des Kupfers aus dem
angesäuerten oligodynamischen Wasser nur zum geringen Teil) wurde
durch letzten Adsorptionsversuch be-
30
stätigt. Der Kupfergehalt nimmt an-
S fänglich (bis zu etwa 10 Minuten) in
20 der Lösung ab, steigert sich aber dann
3 fast bis zur ursprünglichen Kupfer-
konzentration; nur nach längerer Zeit
7 wird Kupfer aus der Lösung wieder
zum sehr geringen Teil entfernt. Das
Schwanken der Kurve deutet auf eine
EN E E ® nur lockere Bindung des Kupfers
hin; zur diesbezüglichen Erklärung
wurden folgende Versuche angestellt.
Sporen des Adsorptionsversuches I wurden nach Abbruch des
Versuches (24 Stunden) zuerst mit destilliertem Wasser gewaschen.
Im Waschwasser war Kupfer mit abnehmender Stärke nach Reaktion
Uhlenhuth nachweisbar. Die Sporen wurden solange mit Wasser aus-
gelaugt, bis sich keine Kupferreaktion zeigte. Nach der Behandlung
dieser Sporen mit l proz. Schwefelsäure war Kupfer im ersten Wasch-
wasser schon mit Ammoniak nachzuweisen. Darauf wurden diese
Sporen mit kalter l proz. Schwefelsäure bis zum Verschwinden der
Uhlenhuth-Kupferreaktion gewaschen. Durch längeres Kochen dieser
Sporen mit 10 proz. Schwefelsäure trat wieder Kupferreaktion ein, die
erst nach öfterem Waschen mit Wasser zum Verschwinden gebracht
werden konnte. Der Rest der behandelten Sporen wurde verascht
und die Asche in etwas Salzsäure gelöst. In der Lösung ließ sich Kupfer
deutlich nachweisen.
Sporen des Adsorptionsversuches III wurden nach Abbruch des
Versuches (24 Stunden) mit destilliertem Wasser gewaschen. Im ersten
5
Kurve 2
Adsorption verschiedener Metallsalzlösungen. 425
Waschwasser war Kupfer nachweisbar, das zweite Waschwasser war
jedoch bereits kupferfrei. Nach dem Auslaugen mit lproz. Schwefel-
säure trat die Kupferreaktion wohl nach Uhlenhuth auf, nicht aber
mit Ammoniak, wie im vorigen Versuch.
Die Sporen wurden mit 1 proz. Schwefelsäure bis zum Verschwinden
der Kupferreaktion gewaschen und weiterhin genau wie im vorher-
gehenden Versuch behandelt; es zeigte sich im weiteren Verlauf das-
selbe Ergebnis (in der Asche war Kupfer ebenfalls nachweisbar).
Bei Sporen als Adsorbens kommen im Laufe der Adsorption folgende
Vorgänge vor: 1. Quellung der Sporen, 2. Adsorption.
Die Quellung der Sporen hängt ab: a} von dem Flüssigkeistmedium ;
b) von der Temperatur; c) von der Konzentration der in der Flüssigkeit
gelösten Stoffe, und zwar der Konzentration verkehrt proportional. Das
Quellungsmaximum ist abhängig von dem Flüssigkeitsmedium und der
Konzentration etwa gelöster Stoffe, unabhängig von der Temperatur,
welche die Erreichung des Maximums durch Steigerung ersterer fördert.
Bei der Adsorption unterscheiden wir:
a) den Adsorptionsgang ;
b) den Adsorptionseffekt.
Unter Adsorptionsgang verstehen wir den Verlauf der Adsorption
vom Beginn bis zum Schluß, d. h. bis zum a a
zustand. Der Adsorptionsgang ist gekennzeichnet:
a) durch die Adsorptionsgeschwindigkeit;
b) durch die zeitweilig adsorbierlen Substanzmengen.
Unter Adsorptionsgeschwindigkeit verstehen wir die Zeit vom Ad-
sorptionsbeginn bis zur Erreichung des Adsorptionsgleichgewichts-
zustandes. Sie ist abhängig:
1. Von der Konzentration;
2. von der Menge Adsorbens;
3. von dem Stadium der Ruhe oder Bewegung in der Lösung.
Aus bewegten Lösungen ist die Adsorptionsgeschwindigkeit wesent-
lich größer als aus ruhigen. In letzteren spielen Diffusionserscheinungen
innerhalb der Lösungen eine große Rolle.
Der Adsorptionseffekt ist gekennzeichnet durch die adsorbierte
Menge auf dem Adsorbens und durch die Adsorptionsgeschwindigkeit.
Bei der Adsorption der Sporen aus Metallsalzlösungen muß man
unterscheiden:
physikalische Adsorption und
chemische Adsorption (Bindung).
Unter physikalischer Adsorption verstehen wir die Ansammlung
eines Stoffes auf der Oberfläche des Adsorbens. Sie ist eine Oberflächen-
spannungserscheinung und abhängig 1. von der Anfangskonzentration,
2. von der Oberflächengröße, und zwar dieser direkt proportional.
28*
426 F. Pichler und A. Wöber:
Die Oberfläche ist infolge der Quellung der Sporen nicht konstant, sondern
nimmt bis zur Erreichung des Quellungsmaximums stetig zu. Dieser Faktor ist
bei der Adsorption zu berücksichtigen.
Was die Konzentration betrifft, so wird aus verdünnten Lösungen
prozentisch mehr adsorbiert als aus konzentrierten.
Die adsorbierten Metallsalze sind durch Wasser und kalte verdünnte
Mineralsäuren wieder auslaugbar (physikalische Adsorption).
Unter chemischer Adsorption verstehen wir hingegen die Bindung
von Metallionen durch das Zellinnere (Protoplasma) und zwar «derart,
daß die gebundenen Metallionen auch durch Kochen mit starken Säuren
nicht gänzlich zu entfernen sind. Sie ist abhängig von der Konzentration
insofern, daß höhere Konzentrationen die chemische Reaktion unter-
stützen.
Der Prozeß. und zwar die Bindung des Ions an das Eiweiß des Proto-
plasmas, ist bei der chemischen Adsorption als nicht reversibel zu be-
trachten.
Der Gesamtadsorptionsgleichgewichtszustand wird erst dann ein-
treten, wenn das Bindungsmaximum erreicht ist.
Im ersten Stadium des Einwerfens der Sporen in die Lösung erfolgt
Quellung und mit ihr verbunden eine stärkere Adsorption; diese erfolgt
ziemlich schnell und zeigt sich in sämtlichen Kurven durch die anfäng-
liche raschere Entnahme des Metallions (ungefähr innerhalb der ersten
10 Minuten). Später verläuft die Adsorption mit allmählich abnehmender
xeschwindigkeit bis zur Erreichung des Gleichgewichtszustandes. Das
Adsorptionsmaximum muß aber keinesfalls mit der Gleichgewichts-
konzentration zusammenfallen.
Zum näheren Verständnis der Adsorptionsvorgänge durch lebende
Sporen müssen wir uns den anatomischen Aufbau einer Spore vor Augen
halten. Wir müssen an derselben 3 Teile unterscheiden:
l. Sporenwand,
2. Protoplasmawand (die äußerste Schicht des Protoplasmas),
3. das Zellinnere (das übrige Protoplasma mit seinen sämtlichen
Einschlüssen).
Adsorbiert wird anfangs nur von der Sporenwand und von der
Protoplasmawand; nach Abtötung letzterer auch durch das Zellinnere
Die chemische Bindungstähigkeit hingegen ist eine Eigenschaft de
Protoplasmas (Protoplasmawand und Zellinneres) und mancher Ein-
schlüsse.
Die lebende Protoplasmawand ist semipermeabel, welche Eigenschaft
sie nach dem Tode verliert. Dieser Faktor muß bei der Adsorption
berücksichtigt werden.
Die vorhergehenden Versuche zeigten, daß die physikalische Ad-
sorption durch lebende Sporen fast gänzlich durch sehr verdünnte
Adsorption verschiedener Metallsalzlösunsen. 427
Mineralsäuren aufgehoben, die chemische Adsorption (Bindung) aber
nicht beeinflußt wird. Ferner ersieht man aus den Versuchen, daß die
physikalische Adsorptionsfähigkeit, falls sie nicht, wie oben erwähnt,
durch Säuren verhindert ist, die chemische Adsorptionsfähigkeit der
lebenden Sporen übertrifft.
IV. Adsorptionsversuch.
Folgender Versuch zeigt, daß die Adsorption durch lebende Sporen keineswegs
der gebräuchlichen Adsorptionsformel!) entspricht: In je 100 ccm Kupfersulfat-
lösungen verschiedener Konzentrationen wurden lg lebende Maisbrandsporen
aufgeschwemmt und nach 24 Stunden der Kupfergehalt der Lösungen jodometrisch
ermittelt. Leem 2/,„-N8,8,0, entsprach 6,703 mg Kupfer.
Versuchstabelle:
Kupfergehalt
der Lösung nach Adsorbiertes
EE E ` ` | Verbraucht. Menge
Konzentration | Kupfergehalt der ERS, für
der Kupfersulfat- ursprünglichen
S g 20 cem Lösung g Kupfer in
16 i Lösu der Adsorption
Prozente Ste naeh EE in Prozenten BESSER k
2,00 0,5134 15,20 | 0,5094 0,0040
1,00 0,2567 7,52 0,2520 0,0047
0,80 0,2054 5,90 0,1980 | 0,0074
0,60 0,1540 4,27 0,1435 ` 0,0105
0,50 0,1283 3,45 0,1156 0,0127
0,40 0,1027 260. , 0,0871 0,0156
0,30 0,0770 1,70 0,0569 0,0201
0,20 0,05 l 3 1,00 0,0335 0,0178
0,10 0,0257 0,35 0,01173 0,0140
0,05 0,0128 0,04 0,00134 0,0115
25
20
15
Lä
A
0 5 WR 0 25 30 35 w 45 50 55
Kurve 8.
Auf der Abszisse wurde die Konzentration des nicht adsorbierten Anteil Kupfers
(in 1/10 g) in der Lösung aufgetragen, auf der Ordinate die Konzentration des adsor-
bierten Kupfers (in mg) auf dem Adsorbens (lebende Spore). Aus der Kurve ist
ersichtlich, daß bis zu einer bestimmten Konzentration (0,395) aus einer schwachen
Lösung verhältnismäßig mehr Kupfer aufgenommen wird als aus einer konzen-
trierteren.
V. Adsorptionsversuch.
Versuchsanstellung wie bei Versuch I, jedoch mit toten Sporen (getötet durch
3stündiges Sterilisieren bei 120°.)
1) Siehe S. G. Hedin, Grundzüge der physikalischen Chemie 1915, S. 75ff.
428 F. Pichler und A. Wöber:
Versuchstabelle:
Verbrauchte Kupfergehalt
Menge der Lö
ne 2/80, | in Prozenten
| in ccm mg
‚Reine Lösung . . meer. 6,70 | 22,79
1 Minut. nach dem Einwerfen der Sporen 1,90 6,46
5 19 AN 39 ON 99 439 1,30 4,42
10 39 99 39 19 11 99 1,30 4,42
15 19 39 39 1 A 19 1,40 4,76
20 19 19 39 KN 19 39 0,60 2,04
nn 050 1,70
45 19 19 39 19 39 39 | 0 70 2,38
60 n „ CK) a A 1 0,60 2,04
25 3 Std. 19 19 n 39 31 | 0,70 2,38
A 0,15 1,02
VL Adsorptionsversuch.
2 8% e #0 Versuchsanstellung wie bei Versuch III,
Lot in Minten jedoch mit toten Sporen.
Versuchstabelle:
Verbrauchte
Menge
See Rëss
in ccm
Kupfergehalt
der Lösung
Entnommen nach in Prozenten
Reine Lösung . . . . 2. 22.2.0. 6,60 | 22,45
1 Minute nach Einwerfen der Sporen 2,65 9,01
5 31 39 21 WA WM n ‚95 13,44
EENEG, 5,95
15 kA] n 39 19 » n t 1,50 5,10
20 A9 3) A 19 39 n 1,60 5,44
30 A1 19 19 19 UM 19 1,10 3,74
45 19 19 WW 19 313 31 2,70 9,19
60 A 19 A n 33 19 2,30 7,82
3 Std. d „ nu 9 1 | 1,05 3,97
25 24 p 1 a “n d nu | 0,90 1,70
20 Aus beiden Adsorptionsversu-
S chen (V und VI) ist der Unterschied
zwischen der Adsorption lebender
1 und toter Sporen zu ersehen. Der
$ Adsorptionseffekt ist bei toten Spo-
ren bedeutend größer als bei leben-
OTI O S a m” © den. Auch in der mit Schwefelsäure
SE versetzten Lösung verhalten sich die
Adsorption verschiedener Metallsalzlösungen. 429
toten Sporen anders; immerhin ist hier der Einfluß der Säure erkenntlich:
1. Kleinerer Adsorptionseffekt, 2. Schwanken der Kurve (vgl. Kurve 3
und 5).
Man muß bei toten Sporen unterscheiden:
l. Sporen, welche durch physikalische Einflüsse (Sterilisation) ge-
tötet und
2. Sporen, welche durch Gifte (Metallsalze) abgetötet wurden.
Erstere erfahren durch die Behandlung tiefgreifende Veränderungen,
welche zu größerer Adsorptionsfähigkeit führen; hingegen tritt bei Ab-
tötung der Sporen durch Metallgifte der Adsorption ein Widerstand ent-
gegen. Diese Erscheinung hängt damit zusammen, daß in der lebenden
Spore die Protoplasmawand als semipermeable Schicht wirkt und daher
dem Eindringen von Metallionen Widerstand entgegensetzt. Bei toten
Sporen verliert die Protoplasmawand diese Eigenschaft.
Bei der Abtötung durch Metallgifte verläuft der Abtötungsprozeß
allmählich und wir unterscheiden folgende Phasen:
l. Angriff des Metallgiftes auf das Protoplasma,
2. Abwehr der lebenden Substanz gegen die Giftwirkung,
3. Abtötung des Protoplasmas.
Ist in der 2. Phase die Angriffswirkung des Giftes zu schwach, so
kommt es zum Sieg der lebenden Substanz; hierbei werden jedenfalls
wichtige Vorgänge im Protoplasma mobil gemacht. Der Überschuß
an Energie nach erfolgter Abwehr des Giftes erscheint als Reizwirkung.
Ein Rückbleibsel dieses Kampfes ist die teilweise erworbene Immunität
gegen dieses Gift.
Die Aufnahme von Elementen findet durch die äußere Schicht,
durch die Protoplasmawand statt. Diese Protoplasmawand fungiert
also gleichsam als Zellmund. Die aufgenommenen Stoffe werden dann
in das Innere der Zelle weitergeleitet, wo sie verändert und weiterhin
wieder abgestoßen werden können. Bei Nicht-Nährelementen muß man
zweierlei Fälle unterscheiden:
1. Solche Elemente, welche nicht zur Ernährung, d. h. nicht zur Er-
haltung und zum Aufbau dienen, welche also vom Protoplasma wohl
aufgenommen und in irgendeiner Form wieder abgegeben werden.
2. Solche Elemente, welche von der Protoplasmawand aufgenommen,
nicht aber von dem anstoßenden Zellinnern übernommen und ver-
arbeitet werden können. Die Protoplasmawand wird schließlich bei
reichlichem Vorhandensein dieser Elemente mit diesen vollgepfropft.
Es ist somit diese Protoplasmawand inaktiviert, daher nicht mehr
befähigt zu assimilieren, der Lebensprozeß ist gestört, der Tod der Zelle
tritt ein: Solche Elemente sind dann Giftstoffe (spezifische Eigenschaft
dieser Elemente).
430 F. Pichler und A. Wöber:
Bei durch Sterilisation abgetöteten Sporen findet eine tiefgreifende
physikalische und chemische Veränderung des Protoplasmas statt
(denaturiertes Eiweiß).
Da bei toten Sporen die Semipermeabilität des Protoplasmas ver-
loren gegangen ist, so kann die Adsorption von Metallionen, da ihnen kein
Widerstand entgegengesetzt wird, viel rascher erfolgen als bei lebenden
Sporen.
Nachdem in den vorherigen Versuchen der Unterschied zwischen
der Adsorption lebender und toter Substanzen deutlich hervorging,
wurde die Adsorption an einfachen toten Substanzen wie Kohle (chemisch
reine Entfärbungskohle) und gereinigtem, feinst pulverisiertem Speck-
stein durchgeführt.
VII. Adsorptionsversuch.
Versuchsanstellung wie bei Adsorptionsversuch I, jedoch mit 4g Kohle.
Versuchstabelle:
| e erbrauchte Kupfergehalt i
M der Lösung
Entnommen nach z et rein
in ccm mg
Reine iere er RE | ‚45 25,34
1 Minut. nach dem Einwerfen der Kohle 7.45 25,34
3 39 39 19 39 39 319 ‚10 17,35
10 39 39 39 319 19 39 | 6,20 21,09
ED. u a S oe "e 6,50 22,11
20 A „ 19 an „ | 6,40 21,77
30 319 19 39 39 99 9 6,25 21,26
45 an an „ D an „ 5,80 19,73 s
60 19 3 39 39 (A) 99 7,20 24,49
90 5 k i 7,05 23.98
3 Std. „ D e e vg A 6,00 20,41
30
25
20
15
10
5
oer 5 m = 20 wi 60
de A d Minuten
Kurve 6.
VIII. Adsorptionsversuch.
Versuchsanstellung wie bei Adsorptionsversuch III, jedoch mit 4g Kohle.
Adsorption verschiedener Metallsalzlösungen. 431
Versuchstabelle:
| Verbrauchte | Kupfergehalt
1 ` Menge der Lösun
Entnommen nach ES We oie e, Lia Er
| in ccm | mg
Reine Lösung . . . 22.2 2.220. j 7,5 | 25,51
l Minut. nach dem Einwerfen der Kohle | 70 23,81
NEE G ao éi a 7,4 25,17
10 39 VI 39 ah) 99 19 | 7,5 25,51
15 1 ` n 1 wu 1 | 1,2 24,49
20 i Se e SE 7,3 24,83
30 WI n 11 1) di n | 1,5 25,01
45 n WW WA n an 19 | 7,5 25,51
60 WI „ d d A 4 7,3 24,83
90 39 39 WW 19 an 6,8 23,13
3 Std. „ ; S e 06 7,0 23,81
-<
Man sieht, daß der Adsorptionseffekt bei toten Sporen bedeutend
größer ist als bei Kohle; Speckstein zeigte ähnliche, jedoch geringere
Adsorptionsfähigkeit als letztere;
Schwefelsäure beeinträchtigt auch
hier den Adsorptionsgang. 23
Der Unterschied zwischen Ad- 20
sorption durch Kohle oder lebende
Sporen tritt auch bei folgendem
Auslaugeversuch zutage: 5g Kohle
wurden in 500 ccm einer 0,l proz. 5
Kupfersulfatlösung aufgeschwemmt.
Nach 24 Stunden wurde die Kohle 27 5 9 5 20, tn H =
gewaschen; in den einzelnen Wasch-
wässern konnte Kupfer nach Uhlen-
huth in abnehmender Stärke nachgewiesen werden. Hierauf wurde die
Kohle mit 0,1l proz. Schwefelsäure ausgelaugt; Kupfer ließ sich anfangs
wohl noch auffinden, nach späterem Waschen mit Wasser verschwand
gänzlich die Reaktion; auch die mit 10 proz. Schwefelsäure gekochte
Kohle als auch die Asche dieser gaben keine Kupferreaktion. Bei Kohle
ist mithin das adsorbierte Kupfer auslaugbar (nur physikalische Ad-
sorption), bei Sporen jedoch gelingt es nicht, das adsorbierte Kupfer
zu entfernen (physikalische + chemische Adsorption).
Von besonderem Interesse war das Studium der Adsorption lebender
Sporen von Kupfer aus dessen Komplexlösungen. Als Beispiele wurden
gewählt:
1. Das komplexe Cupriammoniumsalz [Cu(NH,),]SO, und
2. ein Cupritartratkomplex Na,C,H,0,Cu (Fehlingsche Lösung).
30
15
Li
Kurve 7.
432 F. Pichler und A. Wöber:
IX. Adsorptionsversuch.
In 500 ccm Kupferoxydammoniaklösung wurden 5 g Sporen aufgeschwemmt,
nach bestimmten Zeitintervallen wurden 20 ccm entnommen, durch ein Asbest-
filter filtriert und das Kupfer nach Zerstörung der Komplexbindung quantitativ
ermittelt.
Versuchstabelle:
| Verbrauchte Kupfergehalt
Menge der Lösung
Entnommen nach Dlee-N 8 Bai in Prozenten
Jh incom | mg
Reine Lösung . .. . 2 2 220. | 7,05
Spur (quanti-
1 Minut. nach dem Einwerfen der Sporen | tativ n. mehr
z. bestimmen)
5 n” „ 19 WI „ an i apa Kupfer nur
; nach Uhlen-
10 ” au an y bh au as huth-Reakt.
qualitativ
24 St. 5 y is s nachweisbar
39 ”
X. Adsorptionsversuch.
Versuchsanstellung wie bei Versuch IX, nur statt Kupferoxydammoniak
Fehlingsche Lösung.
Versuchstabelle:
Verbrauchte Kupfergehalt
Menge der Lösu
Entnommen nach ne RO; in Se
in ccm mg
Reine Lösung . . . . 2 2 2 2 2 a. 6,8 23,13
1 Minut. nach dem Einwerfen der Sporen 2,8 9,53
19 99 19 A 19 19 3,0 10,21
10 19 A 19 A 99 29 2,1 7,14
15 39 19 19 39 19 19 2,0 6,80
20 1 W 31 31 1 19 2,0 6,80
30 „ n an an n „ ti 1,8 6,12
45 19 99 19 39 11 11 1,9 6,46
60 19 19 39 39 19 19 2,0 6,80
aen a E 4,08
Diese Versuche zeigen, daf Kup-
ferkomplexionen aus den Lösungen
20 viel rascher und, wie aus Adsorp-
tionsversuch IX ersichtlich, in
größerer Menge von den lebenden
75
g Sporen adsorbiert werden. Durch die
$ Komplexbildung der Ionen wird die
Oberflächenspannung der Lösung ver-
07 5 gg D a, F æ ringert, infolgedessen der Adsorptions-
Kurve 8. effekt erhöht.
Ausorption verschiedener Metallsalzlösungen. 433
Bei der Komplexbildung können 2 Fälle auftreten:
l. Das Kation bleibt bei der Komplexbildung positiv. Ein Beispiel
dafür 'bietet das Cupriammoniaksulfat [Cu - 4 NH,]SO,.
2. Das Kation wird durch die Komplexbildung zum Anion.
Ein Beispiel dafür ist die Feklingsche Lösung (Cupritartratkomplex
Na,C,H,0,Cu).
Im ersteren Falle ist der Adsorptionseffekt größer als aus reiner
Kupfersulfatlösung. Im zweiten Falle wirkt der durch die Komplex-
bildung stärkeren Adsorption das Auftreten des Kupfers als Anion
entgegen. Auf diese Erscheinung der Komplexwirkung werden wir
noch im Verlauf dieser Arbeit zurückkommen.
Von Interesse war auch die Adsorption durch lebende Sporen aus
anderen biologisch wirksamen Metallsalzlösungen wie Silber und Queck-
silber.
XI. Adsorptionsversuch.
Versuchsanstellung wie bei Adsorptionsversuch I, nur an Stelle von Kupfer-
sulfat eine 0,1 proz. Silbersulfatlösung. Das Silber wurde in den Filtraten mikro-
chemisch nach Volhard bestimmt. Leem 2/,o-Rhodanammonlösung entsprach
1,0788 mg Silber.
Versuchstabelle:
Verbrauchte :
Menso | Some
Entnommen nach D/o- Rhodan-
Bee in Prozenten
| in cem mg
Reine Lösung .. . 2... .2.2.0. 11,1 59,87
1 Minute nach Einwerfen der Sporen 42 22,65
5 Minuten „ S Se Al 3,5 18,88
10 e s j $ R 3,0 16,18
15 e 5 5 à e 3,0 16,18
20 ` S x x e 2,7 14,56
30 a 3 S S š 2,3 12,41
45 S x P 4 2 1,8 9,71
60 % S ` s s 1,4 7,55
3 Stunden „, e z S 1,3 7,01
48 n nn di Ai n 1,0 5,39
wf
Der Adsorptionsgang in Silber-
sulfatlösung ist ähnlich dem in Kupfer-
sulfatlösung, der Adsorptionseffekt ”
ist bei Silber wesentlich größer als ,„
bei Kupfer.
01 5 10 15 20 J30 45
Zeit ın Minuten
Kurve 9.
434 F. Pichler und A. Wöber:
XII. Adsorptionsversuch.
Versuchsanstellung wie bei Adsorptionsversuch I, jedoch an Stelle von Kupfer-
sulfatlösung eine 0,1 proz. Quecksilberchloridlösung. Das Quecksilber wurde mikro-
chemisch nach der jodometrischen Methode von Rupp bestimmt. 1 cem R/,g0-J 04-
lösung entsprach 1 mg Quecksilber.
Versuchstabelle:
ne Gg E ` Verbrauchte | Quecksilber-
5 Menge gehalt der Lös.
Entnommen nach n/e-Jodlösung ` in Prozenten
in ccm mg
koine SONDERN; A, e. en en; 13,6 68,0
l Minute nach Einwerfen der Sporen 8,6 43,0
5 Minuten „ " éi H 7,5 37,5
0 a „ o mn 7,1 35,5
15 39 39 39 WI 19 6,9 34,5
20 39 LN 19) 39 A 1,2 36,0
30 39 A 39 WW 39 7,0 35,0
45 39 39 39 39 39 6,7 33,5
60 an nm A 1 an 7,0 35,0
24 Stunden „, FA e = 4,7 23,
50
45
40
J5
30
25
SI d 28 A WM R 60
Zeit in Minuten
Kurve 10.
Der Adsorptionseffekt ist in Quecksilberchloridlösung durch lebende
Sporen kleiner als der in Silbersulfatlösung, größer aber als der in
Kupfersulfatlösung.
Ganz anders verhält sich die Adsorption aus Quecksilberlösung durch
lebende Sporen, wenn der Quecksilberlösung Metallchloride hinzugefügt
werden, wie aus Adsorptionsversuch XIII ersichtlich ist. Der Adsorp-
tionseffekt wird dann bedeutend verringert. Es tritt dabei Komplex-
bildung auf [Na (HgC1,)]. Daß hierbei der Adsorptionseffekt infolge
Komplexbildung nicht erhöht, sondern verringert wird, erklärt sich
daraus, daß das Quecksilber als komplexes Anion auftritt. Ein
weiterer Faktor der geringeren Adsorbierbarkeit des Quecksilbers in
letzterem Falle ist auch dadurch gegeben, daß das negative komplexe
Quecksilberion äußerst wenig in Quecksilberionen dissoziiert ist.
Adsorption verschiedener Metallsalzlösungen. 435
Durch die geringere Adsorbierbarkeit wird der Umstand erklärlich,
daß z. B. Sublimat, mit Natriumchlorid versetzt, geringere Desinfek-
tionskraft besitzt als reine Sublimatlösung.
Auch Dreser!) fand auf einem anderen Weg den Zusammenhang zwischen
Giftwirkung und Ionisation, welcher von Paul und König?) bestätigt wurde.
Ähnlich verhält sich auch z. B. Quecksilbercyanid, wobei Queck-
silber ebenfalls als komplexes Anion auftritt; aus dessen Lösung wird
Quecksilber in kleineren Mengen adsorbiert als aus Quecksilberchlorid-
lösung.
Die Adsorbierbarkeit ist also abhängig:
1. ob freie Ionen oder a des wirksamen Metalles vor-
handen sind, Ä Ä
2. ob das Komplexion des wirksamen Metalles positiv oder negatis ist,
3. von der Größe der Ionisation des Metallsalzes oder des Metoli
komplexes.
Je größer die lJonisation des Metallsalzes oder des positiven
Metallkomplexes, desto größer die Adsorbierbarkeit, desto größer “lie
biologische Wirkung bei ein und demselben Metall.
Dies zeigt sich auch bei den komplexen Kupferverbindungen: s
z. B. ist der positive Kupferammoniakkomplex im Kupferoxydammıır: iak,
stärker ionisiert als der negative Kupfertartratkomplex in der Feh!in.ı-
schen Lösung; daher im ersteren Falle stärkere Adsorption und grünen
biologische Wirkung als im letzteren.
Es erklärt sich daraus die Erscheinung, daß bei Zugabe von Sch 1.1.
säure zur Kupfersulfatlösung der Adsorptionseffekt kleiner ist al: nı
reiner Kupfersulfatlösung; durch den Säurezusatz wird nämlich di
Ionisation herabgedrückt. Eine weitere Erklärung für die ger: vr
Adsorption bei Zugabe von Schwefelsäure zur Kupfersulfatlösung a.
die, daß komplexe Kupferionen, welche in Kupfersulfatlösung vr-
handen sind, durch Schwefelsäure in kleinere Komplexe zerlegt werden,
wodurch die physikalische Adsorption verringert wird. Ferner "1
sich diese Erscheinung auch dadurch erklären, daß im allgem: iie
die Kationenadsorption durch H -Ionen verringert wird.
Nach Adsorptionsversuchen mit .kolloidalen Metallen werden i
sehr rasch und vollständig adsorbiert infolge ihrer großen Oberflä:
entfaltung. Die biologische Wirkung kolloidaler Lösungen wird
uns noch eingehender studiert und wird später darüber berichtet werten
XII. Adsorptionsversuch.
Versuchsanstellung wie bei Adsorptionsversuch XII, jedoch wurde der 0,1 j:.
Sublimatlösung 0,1% Natriumchlorid zugefügt.
1) Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 3%, 456. 1893.
23) Zeitschr, f. physikal. Chem. %1, 414. 1896; Zeitschr. f. Hyg. 25, 1. Ion
436 F. Pichler und A. Wöber:
Versuchstabelle:
Verbrauchte | Quecksilber-
Menge gehalt der
n/‚e-Jodlösung Lösung
i
Entnommen nach
Reine Lösung . . . .. 2 2 2 2... | 12,1 | 60,5
1 Minute nach Einwerfen der Sporen | 9,3 46,5
5 Minuten „, i gr a 8,7 43,5
(ie a 88 | 440
15 am on nu d d | 8,9 | 44,5
20 1 n 1 1 A | 8,6 | 43,0
0%, en TI 9 | 41,0
45 1 n A 1 9 d 8,3 41,5
60 a an n WA r | 8,2 41,0
24 Stunden „, en a. si | 7,1 | 35,5
so
45
Zum Vergleich zu den biologisch
wë sehr wirksamen Metallionen der Kup-
fergruppe wurde ein in der angewen-
35
deten Konzentration biologisch un-
30 wirksames Metallion, nämlich Cer auf
25 die Adsorption durch lebende Sporen
Kb untersucht.
RS 20- 30. 45 60
Zen m Minuten
Kurve 11.
XIV. Adsorptionsversuch.
\ersuchsanstellung wie bei Adsorptionsversuch I, jedoch mit 0,1l proz. Cero-
x .ı\.tlösung. Der Cergehalt wurde jodometrisch bestimmt. 1 cem "/,„-Jodlösung
v.:sprach 1,4021 mg Cer.
Versuchstabelle:
Verbrauchte Cergehalt
Entnommen nach | Menga Ber Lorine
| Djo- Jodlösung | in Prozenten
d in ccm mg
FREU EEN a A de ar Ar ae A 3,4 23,8
} Mumte nach Einwerfen der Sporen | = Zu
Pe Minuta . in x = = ==
10 ` ` | 1,4 | 9,8
lo f 1 1,4 9,8
20 . S 8 BR d 2.2 15,4
al , e dë 0,8 5,6
45 , ef mm "3 1,2 8,4
Bi SG ` | u ss 1,0 7,0
2f Stunden ` 2 m e 1,6 | 11,2
Der Adsorptionseffekt bei Cerosulfatlösung durch lebende Sporen
ist kleiner als bei den Metallsalzlösungen der Kupfergruppe. Neu ist
Hoi diesem Versuch die vorübergehende vollständige Adsorption des
Adsorption verschiedener Metallsalzlösungen. 437
Cers aus der Lösung, eine Erscheinung, die wir noch genauer unter-
suchen wollen.
Nach Adsorptionsversuch IX war die Aufnahme des Kupferions
aus seiner komplexen Kupferammo- rk
niaklösung reichlicher und rascher,
ebenso nach Adsorptionsversuch X
(Fehlingseche Lösung). Es ist nun o
bekannt, daß Kupfer in seinen Lösun- „
gen mit einigen Metallen komplexe
Ionen liefert. Nach unseren oligo-
dynamischen Versuchen zeigte es sich, Pe ar eur ee A H
daß Kupfer in Gegenwart von Zink Zet in Minuten
biologisch bedeutend wirksamer ist Preas
als reines Kupfer. Um die Adsorption dieses Kupfer - Zinkpaares
kennenzulernen, resp. um die stärkere Wirkung zu studieren, wurden
einige diesbezügliche Adsorptionsversuche angestellt.
5
XV. Adsorptionsversuch.
Versuchsanstellung wie bei Adsorptionsversuch I, jedoch wurde der 0,1 proz.
Kupfersuljatlösung 0,043% Zinksulfat beigefügt. Die Wahl dieses Prozentverhält.
nisses zwischen Kupfersulfat und Zinksulfat wird in einer unserer nächsten Arbeiter
dargelegt werden.
ge'egt Versuchstabelle:
DJ EH
Entnommen nach Menge der Lösung
! B/s N8:8:0, | in Prozenten
| in ccm mg
Kain en an nn ae | 70 | 97
1 Minute nach Einwerfen der Sporen | 4,80 16,8
5 Minuten „, EN S e | 2,50 8,5
10 = = ke = He 3,20 10,9
15 19 s3 19 11 I | 1,30 4,4
20 „ ” „ 13 „ | 1,85 6,3
30 39 93 ak 19 19 | 2,40 8,2
45 „ zm 15 1 an 1,60 5,4
60 s: an „ 1 W 1,20 4,1
3 Stunden ,, S | 1,30 | 4,4
A8 y ug 1 ie al 0,60 2,0
25
20
15
10
5
oi 5 O 1 2% vs ei
438 F. Pichler und A. Waler: Adsorption verschiedener Metallsalzlösungen.
XVI. Adsorptionsversuch.
Versuchsanstellung wie bei vorigem Versuch, jedoch wurde der Kupfer-Zink-
sulfatlösung 0,1”, Schwefelsäure zugesetzt.
y TUCE:
Verbrauchte K u pfergehalt
Entnommen nach ` ës ee
in cem mg
Reine Lösung . 2» 2 2 2 2 22 0.0. 7.00 | 23.8
1 Minute nach Einwerfen der Sporen 4,60 15.6
5 Minuten `. e Se We 5.25 | 17.9
10 n e D = o 4.10 13,9
15 e e m v o 5,30 18.0
20 e e ai e e 4,90 16.7
30 © e 5 = a 6.00 20.4
45 e x = ia e 5,60 19,9
60 S S de S S l 5.50 18,7
3 Stunden ` D = e 5.50 | 18.7
48 " SS y3 e de 5.70 | 19.4
Wie schon erwähnt, hängt die Giftigkeit ein und desselben Metalles
von dessen Adsorbierbarkeit ab; daraus erklärt sich auch die stärkere
Wirkung bei Kupferoxydammoniak und der Fehlingschen Lösung.
Auch aus dem Kupfer-Zinkpaar wird Kupfer rascher und in größerer
‘lenge adsorbiert als aus reiner Kupfersulfatlösung, woraus die erhöhte
biologische Wirkung des Kupfer-Zink-
paares im ersteren Falle erklärt ist.
| |
nr Tr Die stärkere Adsorption ist wie
> bei Versuch IX und X auf die kom-
ei plexen Kupfer-Zinkionen zurück-
zuführen. In allen diesen Fällen, wo
i komplexe Kupferionen vorliegen,
En " nimmt die Adsorbierbarkeit mit der
Größe der zu adsorbierenden Kon-
plexe zu. Etwas geringer ist der Ad-
_ionseffekt bei der Fehlingschen Lösung, dadurch erklärlich, daß
„e bedeutend weniger in die komplexen negativen Kupferionen zer-
lallen ist als Kupferoxydammoniak oder Kupfer-Zinkpaar.
Die Adsorbierbarkeit ist daher auch abhängig von der Größe des zu
‚ılsorbierenden Komplexes bei ein und demselben Metall.
Wie bei allen vorigen Beispielen wurde auch hier der Adsorptions-
fekt bei Zusatz von Schwefelsäure verringert, dadurch erklärlich,
daß die Ionisation durch den Zusatz von Säuren zurückgedrängt wird.
Das Schwanken in der Kurve ist auch hier deutlich ersichtlich (unregel-
"mäßiger Adsorptionsgang).
Kurve 14.
Über Melanine, die aus Adrenalin hervorgehen.
Von
Pietro Saccardi.
(Aus dem Laboratorium für allgemeine Chemie der Universität Camerino, Italien.)
(Eingegangen am 19. Juni 1922.)
Anläßlich eines Vergleichs der in vitro aus Adrenalin und Tyrosin
hervorgehenden Melanine mit dem Pyrrolschwarz von Angeli habe ich
schon früher 11 bemerkt, daß die mit Chlorwasser oxydierte offizinelle
Adrenalinchlorhydratlösung eine tiefschwarze Substanz zu bilden ver-
mag, welche vollkommen das Bild eines Melanins darbietet, die ich aber
wegen ihrer verschwindend kleinen Menge nicht zu fassen imstande war.
Es war jedoch verlohnend, auf dieses Thema zurückzukommen
und die Beschaffenheit dieses Adrenalinderivates zu erforschen, da dem
Adrenalin sowohl vom therapeutischen als vom endokrin-physiologischen
und pathologischen Standpuukte aus große Wichtigkeit beigemessen
wird. In bezug hierauf möchte ich daran erinnern, daß nach Neuberg?)
Fermente vorhanden sind, welche Adrenalin schwarz färben und daß,
wie Jäger angibt?), von letzterem die in den Organismen befindlichen,
nicht eisenhaltigen Pigmente herrühren, weshalb nach diesem Autor
auch Melanodermia addisoniana dem Adrenalin oder doch einem
dasselbe erzeugenden Produkt zuzuschreiben wäre, welches sich unter
normalen Umständen in Adrenalin verwandelt, im pathologischen
Zustand jedoch unter Bildung von Melaninen oxydiert würde. — Nach
Meirowski soll überdies Menschen- sowie Kaninchenhaut Adrenalin-
lösungen schwarz färben. Nach Neuberg wirken Extrakte von Melano-
tumoren unter Bildung farbiger Substanzen auf Adrenalin ein. Neuberg
hat übrigens auch dadurch schwarze Substanzen erzielt, daß er ein aus
den Beuteln des offizinellen Tintenfisches isoliertes Ferment mit Adre-
nalin reagieren ließ. Diese das Adrenalin betreffenden biopathologischen
Befunde werden noch gestützt durch die Tatsache, daß phenolische
OH-Gruppen die Oxydation und Zerstörung des ganzen aromatischen
Ringes begünstigen.
Ich kam deshalb auf meine frühere Schlußfolgerung zurück und fand
alsbald bestätigt, daß eine auch nur mit wenigen Tropfen konzentrierter
Chlorwasserlösung behandelte offizinelle Adrenalin-Chlorhydratlösung
Biochemische Zeitschrift Band 132. 29
440 P. Saccardi:
eine rosenrote Färbung annimmt, die sich in Gelb verwandelt, wenn
man einige Stunden nachher noch eine sehr große Quantität Reagens
hinzufügt. Genügt jedoch die Menge Chlorwasser nicht zur vollkomme-
nen Oxydation, so stellt sich die rosenrote Farbe wieder ein. Dehnt
man diese Versuche genügend lange aus, so beobachtet man, daß die
Adrenalinlösung schließlich eine dunkle Färbung angenommen und bei
Verwandlung der offizinellen Lösung eines Präparates der Firma
Parke-Davis & Co. am folgenden Tag ein schwarzes Präcipitat aus-
geschieden hat. Mit der offizinellen Lösung der Firma Givandan,
Laverotte & Co. erzielt man hingegen anstatt des schwarzen Präcipitats
eine kolloidale (gallertartige) braune Lösung, welche beim Einengen
auf dem Wasserbad unter Salzsäureentwicklung schwarze Flocken
ausscheidet.
Auf diese Weise habe ich aus 300 g offizineller Adrenalin-Chlorhydrat-
lösung (Givandan & Laverotte) ca. 0,25 einer amorphen, in Wasser
und in Alkohol löslichen, in wasserfreien Lösungsmitteln dagegen
unlöslichen schwarzen Substanz erzielt, welche in geschlossenem Röhr-
chen isoliert, ohne Flamme verbrennt und eine sehr schwer verbrennbare
Kohle zurückläßt. Augenscheinlich ist diese Substanz ein Melanin,
welches durch seine partielle Löslichkeit an die schon früher isolierten
und untersuchten Chorioide (Gefäßhaut) erinnert.
Außerdem löst 95proz. Alkohol etwa ?/, eines solchen Adrenalin-
schwarzes auf. Der lösliche Teil ist amorph, tiefschwarz; der nicht
lösliche braun; durch Schmelzen mit Soda geben beide Dämpfe ab,
welche ein in Salzsäure getauchtes Tannenholzstäbchen röten, wie die
natürlichen Melanine und das Pyrrolschwarz Angelis. Die erste Fraktion
ist in wasserfreien Lösungsmitteln unlöslich; in Wasser, Alkohol und
Soda dagegen löslich; die andere nur in Soda. Wird der lösliche Teil
allein in einem Röhrchen erwärmt, so erhält man eine deutliche positive
Reaktion des Stäbchens; der unlösliche dagegen gibt eine weniger wahr-
nehmbare Reaktion. Bei der Schmelze mit Soda liefern beide Teile ein
Destillat, welches eine positive Thormählenreaktion und eine (in Rot
übergehende) positive Diazoreaktion gibt, Reaktionen, welche ich
bereits bei Pyrrolabkömmlingen beobachtet und geprüft habe®).
Wir haben es hier also mit Substanzen pyrrolischer Natur zu tun,
deren physikalische und chemische Kennzeichen auf wirkliche Melanine
hinweisen. Die übrigen’schon beim Aufsuchen des im Harn enthaltenen
Melanogens angewendeten Oxydationsmittel ergeben mit Adrenalin-
chlorhydrat kein Schwarz; nur vorsichtig hinzugefügtes Essigsäure-
peroxyd scheint ein braunes Präcipitat zu erzeugen.
Bisher habe ich nur mit 0,30 g Adrenalinchlorhydrat experimentiert
und mir für spätere, ausgedehntere Forschungen vorbehalten mit größe-
ren Mengen derselben Substanz zu arbeiten.
Melanine aus Adrenalin. 441
Bis jetzt ist es mir nur mit Chlorwasser gelungen, eine schwarze
Substanz zu erhalten; es ist jedoch schon bemerkenswert, daß, wenn
dieses so wichtige Hormon passend oxydiert wird (und im physiolo-
gischen sowie im pathologischen Zustand fehlt dem tierischen Organis-
mus gewiß nicht das Mittel hierzu), es als Ausgangsmaterial zur Dar-
stellung von Melaninen und somit von Pyrrolabkömmlingen dienen
kann. Es wird dadurch auch bestätigt, was Angeli bereits im Jahre
1918 vermutet hat; nämlich) die Möglichkeit, aus Adrenalin Pyrrol-
abkömmlinge zu gewinnen, ‚da die phenolischen OH-Gruppen die Zer-
störung des ganzen aromatischen Ringes befördern‘. Durch Oxydation
mit Chlorwasser würde also der dabei entstehende Sauerstoff den
Benzolkern aufsprengen, während die Seitenkette sich schließen würde.
Die bei der Oxydation des Adrenalins entstehenden Produkte,
sowie andere jüngst angestellte Forschungen über die Möglichkeit,
das Auftreten von Melanurie durch verschiedene Pyrrolabkömmlinge
zu bewirken — welche Oxydation um so leichter ist, je einfacher die
Zusammensetzungen der letzteren sind —, liefern neue Beweise für
Angelis Hypothese®), daß ‚auch die Melanine eines jener komplexen
Gebilde darstellen, welche die Natur mit sehr einfachen und oft unter-
einander vollkommen gleichen Mitteln herstellt“.
Jetzt ist es auch erklärlich, daß Adrenalin die fermentative Oxydation
in vitro des Pyrrols zu Pyrrolschwarz beschleunigt?) und ich bin nunmehr
auch imstande zu behaupten, daß es die Lösung der Melanine in ver-
dünnten Alkalien verhindert. Außerdem erzeugt die Oxydation des
Pyrrols mittels Acetpersäure in Gegenwart von Adrenalin ein Schwarz,
dessen spektrophotometrische Kurve”) von der des in Oxydation
befindlichen freien Pyrrols verschieden ist, was auf die Bildung mole-
kularer Komplexe schließen läßt, welche ich eventuell in der Folgezeit
untersuchen werde.
Jedenfalls werden wir durch die Art der durch Oxydation mit Chlor-
wasser aus Adrenalin erhaltenen Produkte sowie durch die voneinander
abweichenden Theorien über dessen Wirkung auf normale oder patho-
logische tierische Pigmente veranlaßt zu glauben, daß die Genesis
der Melanine durchaus nicht ausschließlich vom Adrenalin ausgeht,
wenn dieses auch eine wichtige und noch völlig unbekannte Rolle dabei
spielen mag.
Es kann jedoch nicht meine Aufgabe sein, auf die ebenso verwickelten
als bis jetzt noch unaufgeklärten Fragen über den Chemismus des
Adrenalins in vivo einzugehen, welcher so geheimnisvoll mit der der
übrigen endokrinen Sekrete zusammenhängt, um so mehr als die moder-
nen Hypothesen!) über die Einwirkung dieser Substanz als bildendes,
förderndes oder hinderndes Element des physiologischen und addi-
sonischen Schwarz oft völlig widersprechend sind. — Ich halte es
29*
442 P. Saceardi: Melanine aus Adrenalin.
dagegen nach dem jüngst zutage getretenen Faktum des Adrenalin-
schwarz für zweckmäßig, die Aufmerksamkeit der Leser auf die Rolle
zu lenken, welche dieses Hormon in der Genesis der normalen Melanine
und in der der schwarzen Pigmente zu spielen bestimmt sein Könnte.
welche bei den Funktionsstörungen innerer drüsiger Sekrete zutage
treten.
Literatur.
1) Saccardı, Nota III. Gazzetta Chimica Italiana 52, H.3, S. 11sff. —
2) Neuberg, Sitzungsb r. d. Komitees für Krebsforschung 1906. Diese Zeitschr. 8,
383. 1908; Virchows Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol. 19%, 514. 1907. — 3) Virchows
Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol. 198, 62. 1909. — *) Saccardi, Note 1—V 1I
e riassuntiva VIIL boll. soe. Eustachiana anno XIX, Nr.3, magpio ginuro. —
8) Angeli, A.. Rend. R. Accademia Lincei 23, 5, 1. sem, H. 7, S. 212; Ibid. 23. 5
1. sem, H. 6, N. 5. — $) Angeli, A., e C. Lutri, Ibid. 29, 5, 1. sem., H. 1—2. S. 18.
1920. --7) Gallerani. G., Boll. soc. Eustachiana. Anno XX gennaio-febbraio. —
8) Maloine, A., Nergent (1898—1920, esf. Ed. Paris. — *) Saccardi, Nota II, Gazzetta
Chimica Italiana 51, H. 4.
Melanine aus Pyrrolderivaten.
Von
Pietro Saccardi.
(Aus dem Laboratorium für allgemeine Chemie der Universität Camerino, Italien.)
(Eingegangen am 19. Juni 1921.)
Mit 1 Tafel am Schluß des Heftes.
Erst seit wenigen Jahren haben die Pyrrolderivate in der Biologie
cine große Bedeutung erlangt, und zwar weil man bemerkt hat, daß
einige der zum Leben notwendigsten Substanzen — wie das Hämo-
pyrrol des Hämoglobins, welches an der Luft zu Urobilin oxydiert
[Nencki und Zaleski!)], das Bilirubin, das Urochrom und das Phyllo-
pyrrol, welchem letzteren die Chlorophyllfunktion der Vegetabilien zu-
kommt — ihre Wirkungsweise dem Pyrrolkerne verdanken. Und wenn
man die höchste symbiotische Bedeutung für die Lebewesen, die dem
Chlorophyll und dem Hämoglobin zukommt, bedenkt, wird es klar,
daß das Pyrrol, welches sowohl an der tierischen als an der pflanzlichen
Biochemie einen Anteil hat, eine feste Brücke zwischen der Tier- und
Pflanzenwelt darstellt.
Aber wenn man auch vermutete, daß einige Pigmente, welchen
Funktionen höchster biologischer Bedeutung zukommen, ihre Eigen-
schaften den in ihnen enthaltenen Pyrrolkernen verdanken, blieb doch
bis vor wenigen Jahren die Entstehungsweise der schwarzen Pigmente
oder Melanine, die sowohl physiologisch als auch pathologisch in Tier-
und Pflanzenwelt weit verbreitet sind, ungemein unklar. Als Beispiele
für die Melanine des Pflanzenreiches will ich einige Pilze, z. B. Phallus
und Russula nigra, für die des Tierreiches die Haarschwärze, die Schwärze
der Chorioidea, des Tintenfisches, der Melanome und die Placentar-
pigmente erwähnen.
Seit 50 Jahren haben die Biologen an der bedeutenden Aufgabe
des Ursprunges der Melanine sehr viel gearbeitet, doch waren die Er-
gebnisse stets so wenig befriedigend, daß Samuely?) die Chemie der
Melanine die ‚Chemie der Verzichte‘‘ nannte. Nur einige [Fürth°?),
Meiroussky?), Samuely selbst usw.] konnten ganz unbestimmt andeuten,
daß die Melanine sich von ceyclischen Komplexen, die ihren Ursprung
444 P. Saccardi:
der Zerstörung der Proteine verdanken, ableiten. Später erhielten
Künster (1900) durch Oxydation der Hämatinsäuren und des Hämo-
pyrrols anfangs schwarze Substanzen, welche unbeachtet blieben, neben
Succinimid und Maleinimid, ebenso Plancher und Caltador:?!) (1903)
mittels Oxydation des Pyrrols und der Methylpyrrole mit einer Chrom-
säuremischung, Ciamician und Silber5) (1912) bei der Selbstoxydation
des Pyrrols durch Sonnenstrahlen. Aber erst in den Jahren 1915/16
kam Angeli®) durch Vergleiche der großen chemischen und physikalischen
Analogien zwischen den schwarzen Produkten einerseits, die er durch
vorsichtige Oxydation des Pyrrols und einiger seiner Derivate erhielt,
und den natürlichen Melaninen andererseits, nach Kenntnisnahme
ihrer so nahen atomaren Verhältniszahlen (Pyrrolschwärze 1:5 :5,
natürliche Melanine 1:5:4) und durch den Umstand, daß beide den in
Salzsäure getauchten Tannenzweig röteten, zur Überzeugung, daß die
cyclischen Verbindungen, welche Samuely, Fürth usw. erwähnten,
nichts anderes als Pyrrolabkömmlinge wären. Dafür sprach auch der
Umstand, daß diese Substanzen im Tierorganismus stark verbreitet
sind und in normalen Verhältnissen im Blute kreisen. Unter diesen
Substanzen führe ich das Prolin und die &-Pyrrolidincarbonsäure an,
die E. Fischer unter den Produkten der Hydrolyse der Proteine vorfand.
Aber da andere Hypothesen Tyrosin, Adrenalin, Oxyphenyläthyl-
amin, Dioxyphenyläthylamin usw. als Muttersubstanzen der Melanine
annahmen und da huminartige Substanzen und Melanine, Alkaptonurie
und Melanurie oft verwechselt wurden, war es von höchstem Interesse,
die von Angeli so glänzend eröffnete Bahn weiter zu verfolgen, sowie
das Verhalten der Tiere dem Pyrrol und seinen Derivaten gegenüber
zu studieren und so die großen Analogien, welche zwischen natürlichen
und künstlichen Melaninen bestehen, mittels sicherer Tatsachen zu
stützen. Und dies um so mehr, als unter den Zersetzungsprodukten
der natürlichen Melanine Pyrrol und Bernsteinsäure vorgefunden
worden waren.
Ich will zunächst frühere Resultate kurz wiederholen. Ich bemerkte,
daß das Pyrrol?) den Kaninchen injiziert, sich keineswegs als ein
starkes Gift für diese Tiere, welche nach Günsberg (1890) mit Tetanus-
symptomen und in Paralyse hätten sterben sollen, erweist. Ja, es
wurden sogar viel höhere als die von Pighini®) als Letaldosen fest-
gestellte Mengen ohne irgendwelche allgemeine oder lokale Störung
ganz gut vertragen. Auch der Harn blieb normal, nur schwärzte er
sich an der Luft, zeigte positive Ehrlichsche Diazoreaktion und ergab
mit der Reaktion Thormählens (Lösung von Nitroprussidnatrium und
Natriumhydrat) violette Färbung, die mittels Essigsäure in Blau
umschlug. Dies stimmt genau mit den Reaktionen des Pyrrols überein,
nur mit dem Unterschiede, daß dieses Melanogen des Kaninchen- und
Melanine aus Pyrrolderivaten. 445
Meerschweinchenharnes in Äther nicht löslich ist, während Pyrrol
löslich ist.
Wenn man größere Dosen Pyrrol injiziert, nimmt der Urin einen
markanten grünen Dichroismus an, und wenn er mit Salzsäure und
Eisenchlorid oxydiert wird, scheidet er einen Niederschlag aus, welcher
gereinigt und getrocknet vollkommen dem von Angeli isolierten und
beschriebenen Pyrrolderivat gleicht. Ich erwähne überdies — um die
Ähnlichkeit zwischen den Pyrrolschwärzen und Melaninen und zwischen
der so erhaltenen künstlichen und der natürlichen Melanurie markanter
zu gestalten —, daß die bei der Melanurie der Kaninchen und Meer-
schweinchen von mir erhaltenen positiven Reaktionen völlig mit denen
von Eppinger?) im Harne eines an Melanosarkom Erkrankten vor-
gefundenen übereinstimmten. Nur in ziemlich hohen Dosen bewirkt
Pyrrol Lungenstörungen und bei noch höheren Dosen sterben die
Versuchstiere. Bei der Sektion findet man in keinem Organe, mit
Ausnahme der Lunge, Veränderungen vor. In der Lunge findet man
einige bronchopneumonische Herde, die schon von Pighini!) erwähnt
und von mir bestätigt wurden, vor. Diese Erscheinungen sind sicherlich
der inneren Asphyxie zuzuschreiben, welche durch die leichte Oxyda-
bilität des Pyrrols und durch die unverhältnismäßigen Anstrengungen
des Organismus, dieses durch Oxydation aus dem Blutkreise zu be-
seitigen, bewirkt wird. Außerdem muß ich erwähnen, daß Versuche,
das Pyrrol in der ausgeatmeten Luft der Kaninchen nach kleinen In-
jektionen nachzuweisen, bis jetzt nicht gelungen sind.
Durch die vorerwähnten Versuche hatte ich mich davon überzeugt,
daß das Pyrrol in kleinen Dosen ungefährlich ist, und nahm auch selbst
bis 15 Tropfen in 24 Stunden ein. Nur bei dieser Enddosis fühlte ich
flüchtige Kopfschmerzen und allgemeine Erschlaffung. Außerdem
wurden Injektionen bis zu 40 cg von Erwachsenen sehr gut vertragen,
ohne jemals lokale oder allgemeine Störungen zu ergeben. In beiden
Fällen war der Harn melanotisch und zeigte die obenerwähnten Eigen-
schaften und Reaktionen.
Daraus schloß ich, daß der Tierorganismus sich dem Pyrrol gegen-
über im allgemeinen wie zu einer ihm körpereigenen Substanz verhält.
Ich erweiterte die Versuche, mdem ich sie an Kaninchen verschie-
dener Haarfarbe unternahm, und fand, daß Melanurie — bei gleicher
Dosis pro kg Körpergewicht — leichter bei weißhaarigen als bei grau-
haarigen Kaninchen sich einstellte; daß der Harn des Hundes — eminen-
ter Fleischfresser — auch nach ziemlich starken subeutanen Injektionen
nur schwach melanotisch wurde. Ich mußte mich durch diese Versuche
überzeugen, daß im Hunde (fast ausschließlich ein Fleischfresser)
das Pyrrol die Phase des Melanogens überschreitet und daß dieses Tier
durch seinen speziellen Metabolismus viel leichter und weiter die Zer-
446 P. Saccardi:
setzungsprodukte der Eiweißkörper, welche Pyrrol ergeben, verbrennt,
während diese von den Pflanzenfressern nur bis zum Melanogen oxy-
diert werden.
Tatsächlich ist es mir auch nicht bekannt, daß beim Hunde die
schwarzen oder melanotischen Neoformationen so zahlreich wie beim
Menschen oder bei den Pflanzenfressern sind. Die Fähigkeit, die Pyrrol-
verbindungen zu oxydieren, wäre also größer beim Menschen (Alles-
fresser) als bei den Kaninchen oder Meerschweinenen (Pflanzenfressern)
und geringer als beim Hunde (Fleischfresser).
Da ich später andere Melanine studieren wollte, isolierte ich das Melanin
der schwarzen Haare. Ich befreite es vom Cornein, indem ich letzteres in
warmer Lauge löste, das so erhaltene braune Produkt filtrierte und
reinigrte. Dieses Produkt bestand aus kleinen schwarzen Körnchen, die in
warmen Alkalilösungen wenig löslich waren. Ferner war es weder eisen-
noch chlorhaltig. sublimierte in einem Reagensglase erhitzt teilweise, ergab
auf einer Platinplatte erhitzt Dämpfe, die einen in Salzsäure getauchten
Tannenzweig röteten. und verbrannte schließlich ohne Rückstand.
Auf dieselbe Art isolierte ich das Melanin der Chorioidea: tiefschwarz
und in Laugen ziemlich löslich. Auch dieses zeigte die obigen, für das
Haarmelanin erwähnten analytischen Eigenschaften. Ich machte es
löslich, injizierte es einem Kaninchen und bewirkte dadurch Auftreten
von Melanogen im Harne mit identischen Reaktionen, wie Sie von
Eppinger durch Injektion des Melanins eines Melanosarkoms und wie
sie von mir nach Injektion von Pyrrol und — wie wir weiter schen
werden — mit anderen Pyrrolderivaten erhalten wurden.
Da also der Harn in diesen 3 Fällen Melanogen von völlig gleichen
Reaktionen enthielt, ist es erlaubt anzunehmen, daß die injizierten Sub-
stanzen, welche die Natur zu gleichen oder sehr ähnlichen Produkten
verarbeitet, eine große Verwandtschaft in bezug auf ihr Verhalten im
Organismus besitzen.
Mit der obenerwähnten Methode isolierte ich ferner das Melanin
des Tintenfisches und das eines menschlichen Melanosarkoms und erhielt
schwarze amorphe Stoffe, welche sich wie das früher beschriebene
Haarmelanin verhielten und die gleichen Eigenschaften zeigten.
Alle die obenerwähnten Melanine werden durch H,O, gebleicht
und lösen sich in einer Chromsäuremischung oder mit Permanganat
in alkalischer Lösung auf. Sie oxydieren sich dabei und verwandeln
sich in pechartige gelbe Substanzen, deren Studium ich mir vorbehalte.
Es wäre aber nicht unwahrscheinlich, Derivate der Bernsteinsäure, wie sie
‚Angelinach gleicher Oxydation der Pyrrolschwärze erhielt, zu bekommen.
Außerdem ist es interessant zu erwähnen, daß — wie Pyrrol auch
im Kontakte mit Kartoffeloxydase Pyrrolschwarz ergibt — auch Pyrrol-
lösungen im Ofen bei einer Temperatur von 38° mit sterilen Leber-,
Melanine aus Pyrrolderivaten. 447
Milz-, Pankreas- und Hodensäften stark braun werden und sogar
präcipitieren. Während das Adrenalin allein nicht imstande ist, durch
Drüsenoxydation schwarze Substanzen zu ergeben, erleichtert es mit
Pyrrol vermengt diese Umwandlung. Dieser Umstand ist von Inter-
esse. Es ist nämlich möglich, daß das Adrenalin auch in vivo die Oxy-
dation der im Blut kreisenden Pyrrolprodukte erleichtert, außerdem
ist es auch möglich, daß dieses für die Ökonomie der Tierwelt so be-
deutende endokrine Produkt, ohne welches der Organismus vielleicht
an der gefährlichen Phase des Melanogens und daher.des Melanins
anhalten würde, jene spezifische Oxydation unterstützt. Das Adrenalin
könnte ferner einen großen Anteil an der Entstehung der Melanine haben.
Man erhält nämlich tatsächlich durch dessen Oxydation in vitro schwarze
Substanzen, welche sogar den Tannenzweig röten. Leider haben mir
Laboratoriumsschwierigkeiten bisher nicht erlaubt, mit dieser so kost-
spieligen Substanz Versuche anzustellen.
Einen großen Anteil an der Bildung der Melanine schreibt man
auch dem Tyrosin zu, da es tatsächlich oft in jenen Tier- und Pflanzen-
organen, welche imstande sind, eine schwarze Farbe anzunehmen,
vorgefunden wurde. Ich studierte daher das Tyrosin und bemerkte,
daß diese Substanz mit den Kartoffelenzymen oder den Enzymen der oben-
erwähnten Organe weder Schwärzung zeigt noch als Coadiuvans des Adre-
nalins wirkt. Außerdem erzeugt es, Kaninchen subcutan injiziert, einen
Harn, der sich zwar an der Luft schwärzt, sich jedoch bei der Analyse
als nicht melanotisch erweist. Das stimmt mit den Befunden Baumans
(1891) überein. Dieser fand, daß die Einnahme von Tyrosin von seiten
der Alkaptonuriker eine Steigerung der Homogentisinsäure bewirkt, die
sich — gleichzeitig mit der Uroleucinsäure — im Alkaptonharn vorfindet.
Beim Studium der Wirkungsweise verschiedener Oxydationsmittel
auf Pyrrol fand ich, daß bei Behandlung mit Ozon in Essigsäurelösung
bei einer Temperatur von 60—80° die Lösung eine kirschrote Farbe
annimmt. Das Absorptionsspektrum dieser Lösung zeigt Absorptions-
felder, die — was Lage und Ausdehnung betrifft — mit denen des redu-
zierten Hämoglobins übereinstimmen. Mit’empfindlicheren und ver-
vollkommneten Instrumenten — wie das Spektrophotometer (Galleran:)
— ergeben diese Lösungen eine spektrophotometrische Absorptionskurve
mit einer Andeutung an die 2 Streifen f und y des Oxyhämoglobins und
eine Andeutung an die ö-Formation, welche den Namen Sorets führt.
Mit Gmelins Reagens auf Gallenpigmente behandelt, ergibt die Lösung
an der Trennungsfläche der beiden Flüssigkeiten 2 Ringe von roter
bzw. rotbrauner Farbe, genau als ob sich irgendein Gallenpigment
analog dem Uroscein und Bilipurpurin gebildet hätte.
Durch langandauernde Einwirkung des Lichtes auf Pyrrol-, Adre-
nalin- und Tyrosinlösungen in Quarzgefäßen erhielt ich von der ersten
448 P. Sarvardı:
Pyrrolschwarz, von der zweiten einen roten Niederschlag, den ich wegen
seiner geringen Menge nicht weiter untersuchen konnte, von der dritten
nur eine gelbe Färbung.
Aber ich verfolgte das interessante Studium der Pyrrolmelanine
weiter und fand so, daß die sogenannten Humin- oder melanoiden
Substanzen, die man aus Glukose erhalten kann, mit den wirklichen
Melaninen nichts zu tun haben, weil sie — im Gegensatze zu denen von
Schmiedeberg aus dem Eiweiß erhaltenen — weder deren Charaktere
besitzen noch eine positive Fichtenspanreaktion erzeugen.
Es war außerdem sehr interessant, das Studium auf andere Derivate
des Pyrrols auszudehnen und neue Tatsachen, welche die Entstehung
der Melanine vom Pyrrol begründen sollten, zu suchen. Und dies in
erster Linie, um uns eine klare Ansicht zu verschaffen sowohl über die
Ausgangsprodukte, welche die Eiweißkörper zur Produktion der Mela-
nine verwerten, als auch über die Intermediärsubstanzen (Melanogen),
und außerdem um zu wissen, welche Pyrrolverbindungen in Melanogen
und Melanin verwandelt werden und welche nicht.
Deswegen zog ich das
&-&-Dimethylpyrrol
HC-—CH
| il
Iw C—CH;,
\NH/
in den Kreis meiner Versuche und sah, daß diese Substanz, welche
sich vom Pyrrol durch die 2 Methyle an Stelle des Wasserstoffes in
&-Stellung unterscheidet, Melanurie mit vollständig gleichen Reaktionen
wie Pyrrolinjektionen ergibt. Die Versuchstiere — Kaninchen und
Meerschweinchen —, welchen das &-&-Dimethylpyrrol injiziert wurde.
zeigten ebenfalls keine lokale oder allgemeine Störung. Das a-#-Di-
methylpyrrol schwärzt sich nicht an der Luft, sondern rötet sich der
Luft und dem Lichte ausgesetzt leicht; besitzt einen Geruch, wie man
ihn oft an Hunden, die auf strenge Fleischkost gesetzt sind, spürt:
ergibt mit den Oxydationsmitteln keine schwarzen Produkte; zeigt die
T'hormählensche Reaktion, doch ist diese von der des Harnes nach In-
jektionen von Pyrrol oder von der des Pyrrols selbst etwas verschieden
(Lab-Thormählen).
Nach Einnahme von &-a-Dimethylpyrrol bekam ich Melanurie,
die mit der nach Einnahme gleicher Dosen Pyrrols vollständig über-
einstimmte.
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450 P. Saccardi:
ist ein fester Körper, der in Lösungen mit Oxydationsmitteln keine
Schwärze ergibt, die T'hormählensche Reaktion nicht gibt und, einem
grauhaarigen Kaninchen subcutan injiziert, keine lokale oder allgemeine
Störung verursacht. Die Enzymoxydationsprobe verlief resultatlos.
Die Melanurie erscheint erst nach größeren Dosen als bei den vorerwähn-
ten Präparaten.
Das &- Pyrrolidon 19)
H,C—--CH,
oC do
NNH/
ist ein im Sommer flüssiger, im Winter fester Körper. In vitro und den
Enzymen gegenüber verhielt es sich wie das &-&-Dimethylpyrrol, dem
es auch im Geruche ähnelt. In ansteigenden Dosen von 8—20 cg
dunkelhaarigen Kaninchen injiziert, bewirkte es cutane und lokale
Anästhesie ohne irgendwelche andere lokale oder allgemeine Erschei-
nungen. Der Harn war immer melanotisch, die Thormälen sche Reaktion
negativ oder nur spurenhaft angedeutet.
Es ist außerdem sehr bemerkenswert, daß die Haut brauner Kanin-
chen, die Pyrrol-, &-&-Dimethylpyrrol-, Pyrrolchlorhydrat- und &-Pyr-
rolidon-Injektionen erhalten hatten, einige Tage nach der ersten Injek-
tion eine braune Pigmentierung aufwies. Diese rührte, wie sich bei der
histologischen Analyse herausstellte, von einer außergewöhnlichen
Menge schwarzen Pigments her. Die Haare wachsen in der ersten Zeit
dunkler, aber mit der Ausscheidung der Pyrrolverbindungen durch
den Organismus nähern sie sich der früheren Farbe wieder. Oft pigmen-
tiert sich auch die dem Lichte ausgesetzte Kontrollhaut, aber diese
Färbung ist — wie man aus dem abgebildeten Präparat ersehen kann
— histologisch vollkommen verschieden.
Es scheint also bisher, daß Injektionen von Pyrrolverbindungen
ohne Unterschied Melanogen und Melanin ergeben, aber um so besser,
je einfacher und fester der Pyrrolkern ist, und daß der Organismus
später trachtet, sie in die gewollte Verbindung zu verwandeln.
Es wird außerdem nützlich sein, andere mehr oder weniger kom-
plexe Pyrrolabkömmlinge in Betracht zu ziehen. So wird es uns durch
Vergleiche und Unterscheidungen vielleicht gelingen, eine Ansicht über
die wahrscheinlichste Struktur der physiologischen Pyrrolverbindungen,
die der Tierorganismus zur Bildung der Melanine verwendet, zu ge-
winnen, ein Problem, das schon von Otto v. Fürth im Jahre 191218)
aufgestellt wurde.
Aus der vorstehenden Tabelle ersieht man folgendes:
l. Die Thormählensche Reaktion ist nicht immer für Melanurie und
für alle Pyrrolverbindungen hinreichend sicher.
Melanine aus Pyrrolderivaten. 451
2. Das Harnmelanogen der mit den obengenannten Substanzen
injizierten Kaninchen läßt sich nicht mit Äther ausschütteln und zeigt
die gleichen Reaktionen wie das Melanogen des Harnes eines an Melano-
sarkom Erkrankten. Dieser Umstand läßt uns daran denken, daß der
Organismus die obengenannten Pyrrolverbindungen zu gleichen oder
— was die chemische Zusammensetzung betrifft — sehr ähnlichen
Substanzen oxydiert.
3. Die Verdunkelung der behandelten und dem Lichte ausgesetzten
Körperteile zeigt, daß der Organismus das Melanogen und die Pyrrol-
verbindungen, welche sich in diesen Regionen befinden, nur in den eigens
dazu bestimmten Zellen zu Melanin verarbeitet. Die im Blute kreisenden
Pyrrolverbindungen dagegen macht er eliminierbar und macht sogar
die Melanine, welche er in Melanogen verwandelt, löslich, so daß man
schreiben kann:
Pyrrolverbindungen > Melanogen <- Melanine.
So findet man Melanin anfangs nur im Bulbus und später auch im Stiele
und in der Medullarsubstanz der Haare der mit den obenbeschriebenen
Pyrrolverbindungen injizierten Regionen, wie es aus den mikroskopi-
schen Präparaten 1, 2, 3, 4, 5 zu ersehen ist. Daher wachsen die Haare,
solange Pyrrolprodukte im Blute kreisen, schwarz gefärbt, um später
ihre natürliche Farbe wieder anzunehmen. Bei diesen Vorgängen scheint
aber bisher das Licht unentbehrlich zu sein, denn die Injektionsstellen
schwärzen, wenn sie behaart sind, nicht an! Und man sieht auch,
daß, wenn man ein Kaninchen rings um die Injektionsregion ent-
haart, sich die Haut, dem Lichte ausgesetzt, in Kürze in einer gewissen
"Ausdehnung färbt. Dieser Umstand stimmt auch mit der Beobachtung
von Fuchs!?) überein. Fuchs sah in einem Falle von Melanosarkom
der Chorioidea — dessen Präparat nur teilweise gefärbt war —, daß
der farblose Teil des Präparates im Ofen bei einer Temperatur von 36°,
in Gegenwart von Wasser, nach einigen Tagen vollständig schwarz
wurde. Schließlich ist es bekannt, daß Melanosarkome sich ausschließ-
lich an der Haut oder am Auge bilden, wo sich normalerweise chroma-
tophore Zellen vorfinden; daß diese Neoplasmen um so farbloser
werden, je tiefer sie sitzen, und daß metastatische Knoten in der Leber
vollkommen farblos sind. Alle diese Umstände bestätigen die Mit-
wirkung eines photochemischen Agens, das vielleicht nicht unentbehr-
lich, aber sicherlich zur Bildung des Melanins der Haare und auch des
— physiologisch vom Nervensysteme geregelten — Auges notwendig Ist.
So sieht man Pferde, Rinder, Meerschweinchen usw. mit geflecktem
Fell, so sind auch Fälle von Dermaphotomelanie beim Menschen be-
schrieben und man hat außerdem auch gesehen, daß bei Podagra —
wie auch bei der Addisonschen Krankheit — nur die dem Lichte aus-
gesetzten Körperteile sich stärker färben oder sich verändern.
452 P. Sacvardi:
Es scheint also, daß die Bildung der natürlichen Melanine einer
kombinierten Wirkungsweise der Pyrrolprodukte und des Lichtes
zuzuschreiben ist.
Die photochemische Wirkung kann aber allein nicht genügen; zur
Produktion der natürlichen Melanine ist eine spezifische Wirkung der
eigens dazu bestimmten Zellen erforderlich. Man könnte daher meinen,
daß bei den Albinos jene eyelischen Verbindungen, welche zu Melanin
verarbeitet werden, im Blutkreise nicht vorhanden wären und daß der
Albinismus einzig und allein dem Mangel dieser Substanz zuzuschreiben
sel. Wenn man aber gleichzeitig braunen und weißen Kaninchen gleiche
Dosen z. B. von &-&-Dimethylpvrrol injiziert, sieht man, daB zwar
beider Harn melanotisch wird und positiv Thormähle ns Reaktion zeigt,
aber daß nur die Körperstellen der braunen Kaninchen pigmentieren,
während die der Albinos farblos bleiben. Außerdem ergaben wiederholte
Injektionen kleiner Dosen &-&-Dimethylpyrrol bei Meerschweinchen
verschiedener Färbung und an verschieden gefärbten Körperstellen
folgende Resultate:
a) In Versuchstieren mit weißem Fell oder an weißen Körperstellen: negativ.
b) In Versuchstieren mit rotem Fell oder an roten Körperstellen: es scheint,
daß die Haare nicht mehr rot wachsen, doch bleibt dies noch weiter zu unter-
suchen.
c) In Versuchstieren mit schwarzem Fell oder an schwarzen Körperstellen:
die Haare wachsen dunkler und in Büscheln.
Gleichfalls resultatlos verliefen die Versuche mittels Kataphorese
des Pyrrols an den obenerwähnten weißen oder roten Tieren, obzwar
man melanotischen Harn erhielt. Ich benutzte einen Gleichstrom von
einer Intensität von 2 Milliampere 20 Minuten täglich während 28 auf-
einanderfolgenden Tagen. In jedem Falle bemerkte man eine Narbe,
die sich schrittweise bildete und nach deren Wegfall Haare und Haut
sich vollkommen normal wiederherstellten.
Bei braunen Kaninchen dagegen erschienen außer der Melanurie
rings um die Wunde am negativen Pol schwarze Haarbüschel. Wenn
man die Bildung der Wunde, die man dem Strome, der Lösung oder
beilem zuschreiben kann, vermeiden könnte, würde man sicherlich
einen braunen Flecken mit denselben oben beschriebenen melano-
histologischen Erscheinungen erhalten, da doch der Fall analog, wenn
nicht vollkommen identisch mit der Injektion eines Pyrrolderivates
bei dunkelhaarigen Kaninchen ist.
4. Der Tierorganismus verhält sich im allgemeinen den Pyrrolverbin-
dungen wie körpereigenen Substanzen gegenüber. Wenn man jedoch
von Pyrrol zu komplexeren und weniger leicht oxydablen Substanzen
übergeht, muß sich der Tierorganismus um so mehr anstrengen, um sie
in Form von Melanogen auszuscheiden, und diesen Umstand muß man
zur Kenntnis nehmen. Mit allen den Substanzen, mit welchen ich —
Melanine aus Pyrrolderivaten. 453
wie oben ausgeführt — Versuche anstellte, erhält man — mit Ausnahme
des Pyrrols — nach wiederholten Injektionen an derselben Körperstelle
lokale Thrombosis, Nephritis und Degeneration des Bindegewebes.
Die studierten Pyrrolverbindungen zeigen also eine um so geringere
Affinität zum Tierorganismus, je komplexerer Natur sie sind. Da ferner
das Melanogen aller dieser Melanine — wie ich oben erwähnte — gleiches
Verhalten den Oxydationsmitteln gegenüber zeigt, und da der Organismus
den einfachsten Weg, um die Stoffe, die er entweder braucht, zu erhalten,
oder die er ausscheiden will, auszuscheiden, einschlägt, kann man ver-
muten, daß Melanine und Melanogen nichts anderes als sehr einfache
cyclische Komplexe von Pyrrolkernen sind.
Was das Verhalten des Tierorganismus den Pyrrolabkömmlingen
gegenüber betrifft, erwähne ich noch die interessante, von Goldmann?)
studierte Erscheinung, daß nämlich das Paramaecium im Pyrrolblau
leben und sich fortpflanzen kann, nachdem es eine blaue Farbe ange-
nommen hat; daß histologische Elemente mit diesem Körper vermengt
ebenfalls weiterleben und sich fortpflanzen (Vitalfärbung); daß weiße
Mäuse nach wiederholten Pyrrolblauinjektionen die blaue Farbe der Haut
beibehalten und daß sogar ihre Jungen so gefärbt zur Welt kommen.
Auch dem vegetabilischen Organismus ist das Pyrrol nicht fremd.
Ciamician und Ravenna?!) haben tatsächlich gefunden, daß, wenn man
Bohnen in Nährsalzlösungen aufzieht und sie zeitweise mit einer 1 promill.
Lösung von Pyrrolcarbonsäure und von Dimethylpyrrolcarbonsäure
als Natriumsalze begießt, diese Substanzen keineswegs für die oben-
erwähnten Bohnen sich giftig erweisen, sondern im Gegenteil das
Wachstum der Blätter fördern und eine tiefere Färbung bewirken,
und dies, weil das Pyrrol die Entstehung des Chlorophylis — an dessen
Zusammensetzung es den größten Anteil hat — fördert.
5. Die Ehrlichsche Diazoreaktion, welche für das Pyrrol positiv
ausfällt, ist für die anderen, später studierten Substanzen negativ.
Außerdem ergeben sie alle subcutan injiziert eine energische Diazo-
reaktion, welche (mit Ausnahme des Pyrrolidons) mit den Oxydations-
reaktionen, welche der Harn zeigt, parallel geht. Aus den Experimenten
in vitro mit den in der obigen Tabelle angeführten Substanzen könnte
man annehmen, daß ein Zusammenhang der Diazoreaktion mit der
Integrität des Moleküls in &-Stellung existiert. Es ist aber eine Tat-
sache, daß die Diazoreaktion positiv ausfällt, wenn der Harn braune
Oxydationsreaktionen ergibt. Ich habe dies auch jüngst durch Harn-
analyse einer mit Gastroenterostomie operierten Frau, die jetzt an
Nierenptosis leidet, bestätigt. Der Harn zeigt jetzt starke Melanogen-
reaktionen gleichzeitig mit einer analogen Diazoreaktion.
Ja, was die Ehrlichsche Diazoreaktion betrifft, habe ich sogar in
sehr zahlreichen Analysen von natürlich und künstlich erzeugtem
454 P. Saccardi:
melanotischen Harn sowie in einer Analyse eines sich in Rekonvaleszenz
befindenden Nephritikers stets ein ins Auge fallendes Zusammentreffen
der Oxydationsschwärze im Harne und der Ehrlichschen Diazoreaktion
— deren Genesis heutzutage noch ziemlich unklar ist — vorgefunden.
Diese Reaktion, die Ehrlich anfangs als eines der konstantesten dia-
gnostischen Zeichen bei Typhus und Lungentuberkulose anführte, wurde
später bei vielen und so verschiedenen Krankheitsformen beobachtet,
daß sie in der ärztlichen Praxis nicht mehr gebräuchlich ist, und sie wird
entweder der Oxyproteinsäure (Bocchi und @helpt) oder den Gallenpig-
menten (Penzoldt, Weyl, Fabbri usw.) oder — mehr irrigerweise — Sub-
stanzen phenolischer Natur zugeschrieben. Es herrscht dagegen völlig.
Übereinstimmung, sie dem veränderten Eiweißstoffwechsel zuzuschıe.
ben, und hierin nähert man sich meiner Meinung nach mehr der Wahr-
heit. Sie ist tatsächlich bei der Addisonschen Krankheit, beim Melano-
sarkom, bei Verletzungen der Suprarenalkapsel, bei Malaria, bei der
Influenza und bei anderen Infektionskrankheiten, die den Eiweiß-
stoffumsatz stören, positiv. Und vielleicht sind diejenigen, welche
sie den Proteinsäuren oder den Gallensäuren zuschreiben, im Rechte.
da es bekannt ist (Nencki und Zaleski), daß Urochrom, Urobilin, Bili-
rubin — wie ich schon für die Gruppe des Hämoglobins erwähnte —
Pyrrolabkömmlinge sind und daß das Pyrrol an der Bildung der Proteine
Anteil nimmt. Es ist außerdem bekannt, daß Melaninkörnchen sich im
Inneren des Plasmodium malariae vorfinden. Auch dies stützt die
Annahme, daß die Diazoreaktion Ehrlichs einem anormalen Umsatze
der Eiweißstoffe im Organismus — wodurch unter anderem auch Pyrrol-
produkte, ohne, wie es normalerweise geschieht, oxydiert zu werden,
im Organismus kreisen und von diesem mit dem Harne ausgeschieden
werden — zuzuschreiben ist. Wer die Anwesenheit von Pyrrolprodukten
im Harne aller nicht melanotischen Kranken, die gewöhnlich die Diazo-
reaktion ergeben, bestätigen könnte, würde diese neue und bedeutende
Tatsache, welche sich auf die Natur der Ehrlichschen Diazoreaktion
bezieht, begründen. Meine Untersuchungen auf diesem Gebiete haben
sich bisher auf wenige Harnanalysen von Typhus-, Tuberkulose-,
Nephritis- und Malariakranken beschränkt. Alle haben — ohne jede
Ausnahme — gezeigt, daß die Diazoreaktion von einem dunkelroten
Ringe in der Hellerschen Probe und von ganz klaren Oxydationsreak-
tionen, wie sie für das Melanogen gebräuchlich sind, begleitet wird.
Dies würde für die Annahme sprechen, daß die Diazoreaktion in erster
Linie den Pyrrolprodukten zuzuschreiben ist. Ich behalte es mir vor.
diesen Umstand weiter zu kontrollieren, indem ich die Forschungen
auf die größtmögliche Anzahl von Urinen Erkrankter, die positive
Diazoreaktion zeigen, ausdehnen werde. `
Man kann also aus allem den Schluß ziehen, daß Melanurie auch ohne
Melanine aus Pyrrolderivaten. 455
jene schwere Krankheit, die zu den Melanomen führt (man sehe in dieser
Beziehung den obenerwähnten Fall eines Nephritikers in Rekonvales-
zenz), vorhanden sein kann und auch eine sehr leichte anormale Dispo-
sition des Organismus, die man den Anomalien des Stoffwechsels zu-
schreiben muß, anzudeuten vermag. Die Melanurie findet sich daher
viel häufiger, als man bisher angenommen hat. Die künftigen For-
schungen werden außer mit Ehrlichs Diazoreagens — das, weil es aus
2 Komponenten besteht, unbequem ist — auch mit anderen bequemeren
Diazoreaktionen — unter welchen ich das von Angeli?3) beschriebene
Azoxycarbamid erwähne — vorgenommen werden. Mit diesen Sub-
stanzen wird es wahrscheinlich möglich sein, die entsprechenden Azo-
„bindungen des Harnmelanogens herzustellen und zu studieren. Viel-
leicht wird es auch gelingen, die farblosen Pigmente, von welchen sich
die natürlichen Melanine ableiten, in den Tiergeweben — in welchen, wie
es die obenerwähnten Autoren Meierowsky und Fuchs gesehen haben,
die schwarzen Produkte erscheinen — zu charakterisieren. Wenn also
die Pyrrolverbindungen subcutan injiziert Melanogen und Melanin so-
wohl im Harne als auch im Haarbulbus von dunkelhaarigen Versuchs-
tieren ergeben, folgt aus diesem und aus den zahlreichen vorerwähnten
Versuchen noch deutlicher, daß sich die Melanine vom Pyrrol ableiten,
eine Genesis, die zuerst von Angelis genialem Blick erkannt worden ist.
Es wäre dagegen absurd, anzunehmen, daß der Tierorganismus die
Pyrrolverbindungen durch katabolische Prozesse — wie es Salkowski 24)
will — bis zur Aminobernsteinsäure spaltet, wenn er von diesen mittels
Reduktion Pyrrol wiederherstellen müßte, um — diesmal mit ana-
bolischen Prozessen — Melanogen und Melanine — welche beide allem
Anscheine nach komplexerer Natur als das einfache Pyrrol sind — zu
bereiten. Angeli25) hat überdies gezeigt — im Gegensatz zu Salkowski —,
daß man durch vorsichtige Oxydation des Hypomelanins oder des
Schwarz des Tintenfisches mit Permanganat in alkalischer Lösung leicht
zu einfacheren Pyrrolderivaten gelangt. Wenn also nicht die Beziehung
Melanine > Pyrrolabkömmlinge,
sondern die von Salkowski gewollte:
Melanine — Bernsteinsäurederivate
herrschen würde, und daher der Tierorganismus immer — wie es Sal-
kowski in vitro getan hat — so leicht und bis auf den Grund zerstören
würde, anstatt, wie er es gewohnt ist, schrittweise abzubauen, dürfte
man höchstwahrscheinlich nie Melanome oder künstliche Melanurie
finden und im Harne würde sich nicht ein Melanogen mit allen Charak-
teren eines Pyrrolderivates, sondern eines Suceinderivates vorfinden.
Ich glaube, daß es nützlich und interessant wäre, diese Nachfor-
schungen über die intraorganische Oxydation auch auf andere Pyrrol-
Biochemische Zeitschrift Band 132. 30
456 P. Saccardi: Melanine aus Pyrrolderivaten.
derivate animalischer und vegetabilischer Natur zu übertragen. Eben-
falls dürfte es nützlich und interessant sein, die verschiedenen Melano-
gene — welche sich im Harne und in den Geweben, in welchen sich Me-
lanine bilden, vorfinden — zu isolieren und zu studieren, sowie womög-
lich irgendwelche ihrer Azoverbindungen herzustellen und zu studieren.
Literatur.
1) Nencki u. Zaleski, Ber. d. deut. chem. Gesch. 34,977. 1901. Bull. de F Acad.
des Sciences de Craeovic 1901, S. 217. — ?) Samuely, Beitr. z. chem. Physiol.
u. Pathol. Bd. II; 1912 und tierische Pigmente. Handb. d. biochem. Arbeits-
methoden-Abderhalden. — 32) Fürth, Probleme der physiol. u. pathol. Chemie.
Leipzig: Vogel 1913. — 21 Meirowski, Frankfurt. Zeitschr. f. Pathol. 2, 38. 199.
— 4) Plancher e Cattadori, Rend. della R. Acc. dei Lincei I, 10. 1903; ibid. I,
459. 1904. — D Ciamician e Silber, Ibid. 1, 619. 1912. — 6) Angeli, Gazz.
Chimica Ital. 46, 4. 1916 e Rend. R. Acc. dei Lincei 24, 2. 1915; Ibid. 27, 5,1,
Fasc. 7. 1918. — Angeli e Alessandri, Gazz. Chimica Ital. 46, 2—4. 1916. —
Angeli e Lutri, Rend. R. Acc. dei Lincei 29, 5, 1. Fasc. 1—2. 1920. — 7) Saccardi,
Rcnd. R. Acc. dei Lincei 28, 1. 1919, Nota la. — 8) Pighini, Arch. di fisiol. 3, 1.
1915. — ?) Eppinger, Biochem. Zeitschr. 28. 1910. — 1°) Saccardi, Rend. R.
Acc. dei Lincei 28, 2. 1919, Nota 2a. — 1!) Angeli, Ibid. 27, 5, 1, Fasc. 6. 1918.
HA — 12) Saecardi, Gazz. Chimica Ital. 50, 2a, Fasc. 3, Nota 3a. — 1?) Angeli
e Piercni, Rend. R. Acc. dei Lincei 27, 2—10. 1918, S. 303. — 14) Saccardi,
Gazz. Chimica Ital. 51, 2, Fasc. 1, Nota 4e Rend. R. Acc. dei Lincei 30, 5, 2° sem.,
Fasc. 5—6, 7—8. 1921. — 15) Rondoni, P., Sperimentale 74, 4—6. 1920 e Ibid.
35, 1—3. Genn-Giugno 1921. — 18) Saccardi, Boll. Societa Eustachiana 19, 1.
1921, Nota 5a. — Y) Saccardi, Ibid. 19, 2. 1921, Nota 7. — 218) Fürth, Probleme
de Physiol. Chemie (Lipsia 1912) 1, 539. — 1°) Fuchs, Arch. f. vergl. Ophthalmol.
77, 352. 1910. — 2°) Goldmann, Studien zur Biologie der bösartigen Neubildungen.
Inbigen. Laupp 1911. — ?!) Ciamician e Ravenna, Gazz. Chimica Ital. 51, la
bis 4. 1921. — 291 Saccardi, Rend. ti R. Acc. dei Lincei 30, 5, 2° sem., Fasc. 5—6
e 7—8. 1921. — 233) Angeli, Ibid. 26, 1. 1917, S. 207. — 241 Salkowski, Virchows
Archiv 227, 2. 1920, S. 121. — =”) Angeli e Pieroni, Rend. R. Ace. dei Lincei 30,
5, 1, Fasc. 8. 1921, S. 211 e seguenti.
Untersuchungen
über den Einfluß der Ernährungsbedingungen auf die Gelatine-
verflüssigung und die Indolbildung durch Bakterien.
Von
Otto Arnbeck.
(Aus dem Pflanzenphysiologischen Institut der Universität Berlin.)
(Eingegangen am 20. Juni 1922.)
1. Einleitung.
Man kann beim bakteriellen Eiweißabbau zwei Hauptstufen unter-
scheiden:
1. Die Hydrolyse der Proteine; diese ıst eine typisch fermentative
Spaltung unter Vermittlung von Ektoenzymen; sie ist thermisch nahezu
indifferent, reicht also allein zur Lebenserhaltung nicht aus, sondern
dient nur der Aufschließung direkt nicht assimilierbarer Nährstoffe.
2. Die Vergärung der Aminosäuren, ein exothermer Prozeß, der
unter Umständen Bau- und Betriebsstoffwechsel unterhalten kann;
er ist enger an das lebende Plasma gebunden und dürfte endoenzy-
matischer Natur sein.
Es sind nun bereits seit längerer Zeit einige Tatsachen bekannt,
die dahin deuten, daß der Ablauf beider Vorgänge oft stark von den
Ernährungsbedingungen abhängt. Insbesondere wird mitgeteilt, daß
Zucker eine bakterielle Eiweißzersetzung wesentlich beeinträchtigt!).
Um also die hier bestehenden eigenartigen Zusammenhänge mög-
lichst umfassend kennenzulernen, wählte ich für meine Untersuchungen
aus beiden Gruppen je einen besonders charakteristischen und sinn-
fälligen Spaltungsprozeß aus: 1. die Hydrolyse der Gelatine, eines Albu-
minoids, 2. die Vergärung des Tryptophans (Indolaminopropiensäure),
unter Abspaltung von Indol.
1) A. Hirschler, Zeitschr. f. physiol. Chem. 10, 306. 1886. — Fr. Kuhn, Arch.
f. Hyg. 13, 40. 1891. — Winternitz, Zeitschr. f. physiol. Chem. 16, 460. 1892. —
P. Seelig, Virchows Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol. 146, 53. 1896. — Bienstock,
Arch. f. Hyg. 39, 390. 1901. — Tissier und Martelly, Ann. de I’Inst. Pasteur 16,
865. 1902. — Simnitzki, S., Zeitschr. f. physiol. Chem. 39, 99. 1903. — K. E.
Boehncke, Arch. f. Hyg. 74, 81. 1911. — H. Kühl, Zeitschr. f. oft Chem. 19, 103.
1913.
30*
458 0. Arnbeck: Untersuchungen über den Einfluß der Ernährunssbedinvzunzeu
Es ist nämlich schon bei Betrachtung der darüber vorhandenen
Literaturangaben!) eine gewisse Analogie zwischen beiden Erschei-
nungen, zwischen der Hemmung der Gelatineverflüssigung einerseits,
der Hemmung der Indolbildung andererseits nicht zu verkennen, und
auch die in Betracht kommenden Erklärungsmöglichkeiten zeigen eine
gewisse Übereinstimmung. So entschloß ich mich, die Untersuchung
beider Gebiete gemeinsam in Angriff zu nehmen. Konnte ich doch
auf diese Weise hoffen, durch Feststellung der Übereinstimmungen
sowohl wie der Unterschiede tiefer in das Verständnis der Erscheinungen
einzudringen, als es bei Betrachtung eines der beiden Gebiete alleın
mörlich gewesen wäre.
Die unten aufgzezählten Hauptfragen dienten mir ais Richtschnur
für mein experimentelles Arbeiten, das ich auf Anregung von Herrn Prof.
E. G. Pringsheim unternahm. Sie galten in gleicher Weise für die beiden
von mir untersuchten Gebiete, für die Hemmungen der Gelatinever-
flüssigung sowohl wie der Indolbillung; dennoch war natürlich von
vornherein mit der Möglichkeit zu rechnen, daß ihre Beantwortung
im einzelnen für beide Fälle durchaus nicht die gleiche sein würde.
1. Welchen Zuckerarten kommen hemmende Einflüsse zu, welchen
nicht? Wie hoch muß ihre Konzentration dazu sein? Lassen sich
noch andere Stoffe von ähnlicher Wirkung ausfindig machen, besonders
unter den sonstigen guten Bakteriennährstoffen ? Besteht eine Paral-
lelität zwischen Ernährungs- und Hemmungswirkung ?
2. Ist die bei der Vergärung des Zuckers gebildete Säure hemmen-
der Faktor? Wenn ja, der alleinige? Wenn nicht, welcher sonst ?
3. Gibt es Stoffe, die eine solche Hemmung wieder aufheben können,
also Gelatineverflüssigung bzw. Indolbildung fördern ?
4. Was wäre dann als fördernder Faktor anzusprechen ?
1) Literatur über G lıtinvorflüssigungshmmungen: P. Liborius, Zeitschr.
f. Hyg. 1, 115. 1856. — W. Auerbach, Arch. f. Hyg. 31, 311. 1897.
Literatur üb H 'mmungn der Indolbildung: K. Gorini, Zentralbl. f. Bıkteriol.
Parasitenk. u. Inf ktionskrankh., Abt. I Oriz., 13, 790. 1893. — Smith, Journ.
ofexp. md. 2.543. 1397. — Selter, Z ntralbl. f. Bıkteriol., Parasitenk. u. Inf ktions-
krınkh., Abt. I Oriz.. 51, 465. 1909. — W. C. de Graaff, Zentralbl. f. Bakteriol.,
Parasitenk. u. Inf'ktionskrankh., Abt. I Orig., 49, 175. 1909. — W. Kruse, All-
Gm inn Mikrobiologi». 126. L'ipzig 1910. — J. Mendel, Zentralbl. f. Bakteriol. usw.,
Abt. IE 29, 290. 1911. — H. Zipfel, Zntralbl. f. Bıkteriol., Parasitenk. u. Infek-
tionskrankh., Abt. I Orig.. 64, 65. 1912. — A. Distaso, Cpt. rend. des séances de
lı soe. de biol. 73, 200. 1913. — Albert Fischer, daas Z:itschr. 70, 105. 1915. —
E. Herzfeld u. R. Klinger, Z'rtralbl. f. Bıkteriol., Parasitenk. u. Infektionskrankb.,
Abt. I Orig., 76.1. 1915. — A. Homer, Journ. of Hyg. 15, 401. 1917. — Fr. Ferzaär,
dis» Zeitschr. 91, 1. 1918. — F. J. S. Wyeth, Biochem. Journ. 13, 10. 1919. —
E Burow, Z mntralbl. f. Bıkteriol., Parasitenk. u. Infektionskrankh., Abt. I Orig.,
86, 517. 1921. -— W. Frieber, Z ntralbl. f. Bıkteriol., Parasitenk. u. Inf>ktions -
krınkh., Abt. I Oriz., 8%, 254. 1921.
auf die Gelatineverflüssigung und die Indolbildung durch Bakterien. 459
5. Kann es vorkommen, daß diese Veränderungen des ernährungs-
physiologischen Verhaltens noch über die Dauer des verändernden
Einflusses hinaus nachwirken ?
2. Untersuchungsmethoden.
Es sind bei meinen Versuchen im wesentlichen die allenthalben bei bakterio-
logischen Arbeiten gebräuchlichen und bewährten Verfahren angewendet worden.
An Besonderem ist folgendes zu bemerken:
Die Versuche über Gelatineverflüssigung wurden in Reagensgläsern vorgenonı-
men, die leer sterilisiert, dann mit neutralisierter Gelatinelösung beschickt und
mit den gesondert in dest. Wasser gelösten Zusatznährstoffen soweit aufgefüllt
wurden, daß sich stets ein Gelatinegehalt von 10%, ergab. Dann wurde 3 mal
20 Minuten in Dampf sterilisiert und der Inhalt zur schrägen Erstarrung gebracht.
Beimpft wurde strichförmig aus jungen (meist 48 Stunden alten) Schrägagar-
kulturen; eine reichliche Keimaussaat war somit stets gewährleistet. Wo der
Gallerte zum Zwecke einer ständigen Neutralisierung ein unlöslicher Stoff beigefügt
wurde — Magnesiumcarbonat und Calciumcarbonat verwendete ich in diesem
Sinne —, goß ich die Gelatine gelegentlich zu dünner Schicht in Petrischalen aus.
Indolversuche wurden ebenfalls in Reagensgläsern oder auch in kleinen
Erlenmeyer-Kölbchen angestellt: letzteres besonders dann, wenn es darauf ankam,
die Kulturflüssigkeit durch möglichst innige Berührung mit unlöslichem Carbonat
neutral zu halten. Da mir für meine Versuche reines Tryptophan nicht zur Verfü-
gung stand, benutzte ich stets eine 0,5—1 proz. Peptonlösung — auch die 0,5 proz.
ermöglicht schon starke Indolreaktionen —, in der zuvor auf irgendeine Weise
die Tryptophanabspaltung vollzogen war. Letzteres ist notwendig, weil Bedingung
für die Indolbildung das Vorhandensein von freiem Tryptophan in der Näbrlösung
ist. Da das Pepton Witte als solches jedoch nur sehr geringe Mengen davon ent-
hält, so vermögen Bakterienarten wie Bact. coli, die es sich nicht selbst abspalten
können, darin nur sehr wenig Indol zu bilden.
Eine „Vorverdauung‘ des Peptons für Indolversuche ist zuerst von E G.
Pringsheim!) empfohlen worden; die von ihm angegebene Methode besteht darin,
in der Peptonbouillon zuvor einige Tage lang eine stark proteolysierende Bakterien-
art wie Bact. mesentericus vulgatus, zu kultivieren. Verwendet man reines
Peptonwasser, wie ich das stets tat, so bedient man sich meinen Erfahrungen nach
noch vorteilhafter des Bact. paratyphi B, das auch in diesem sehr üppig wächst
und selbst kein Indol bildet. — Statt dessen kann man natürlich auch die Ver-
dauung mit Trypsin vornehmen, eine Methode, die neuerdings vielfach empfohlen
wird [z. B. von Frieber?)]; doch bietet sie gegenüber der vorgenannten im bakterio-
logischen Laboratorium kaum Vorteile und macht überdies die Zuhilfenahme
von Desinfizientien erforderlich, die nachher wieder entfernt werden müssen.
Von den überaus zahlreichen Verfahren, die zum Nachweis von Indol benutzt
worden sind, verwendete ich ausschließlich die von P. Ehrlich und Böhme an-
gegebene Reaktion mit p-Dimethylamidobenzaldehyd. Nach Frieber?) kann diese
als zuverlässigste und spezifischste gelten. Ich wandte das Reagens in der von
1) Zentralbl. f. Bakteriol., Parasitenk. u. Infektionskrankh., Abt. I Orig.,
82, 318. 1918. EEE m.
2) Zentralbl. £ Bakteriol., Parasitenk. u. Infektionskrankh., Abt. I Orig.,
86, 424. 1921.
3) Zentralbl. f. Bakteriol., Parasitenk. u. Infektionskrankh., Abt. I Orig.,
87, 254. 1921.
460 ©. Arnbeck: Untersuchungen über den Einfluß der Ernährungsbedingungen
Pringsheim (a. a. O.) empfohlenen Modifikation an. Ein geringer Zusatz von Persul-
fat erwies sich als vorteilhaft, besonders bei sparsamer Verwendung des Ehrlich-
schen Reagens, ebenso auch ein schwach«s Erwärmen, da die Reaktion sonst leicht
so schwach bleibt, daß sie übersehen werden kann. Erwähnen möchte ich ferner
daß zur Sicherheit die Ausschüttelprobe mit Amvlalkohol nicht unterlassen werden
darf, da in manchen Fallen — besonders anscheinend bei stärker alkalischer
Reaktion — schon beim Sterilisieren Stoffe entstehen können, die mit dem Ehrlich-
schen Reagens Rotfarbung geben; diese geht jedoch dann nicht in Amylalkohol
über. Bei Indoluntersuchungen mit den in der Praxis gebräuchlichen Nährlösungen
scheint indessen diese Fehlerquelle nicht vorzukommen, so daß also das Ausschütteln
hier wohl unterbleiben kann.
Bei der Beurteilung der Intensität einer Reaktion verzichtete ich absichtlich
auf genaue quantitative Bestimmungen. Tatsächlich wird damit nur scheinbar
eine größere Genauigkeit erreicht. Es sind nämlich trotz aller Sorgfalt des Arbeitens
die Fehlergrenzen bei solchen Versuchen derartig weite, daß nur Reaktionxdiffe-
renzen von beträchtlicher Größe irgendwelche Beweiskraft haben. Solche aber
abzulesen bedarf es keiner verfeinerten Hilfsmittel. So begmügte ich mich mit
vergleichender Abschätzung der Intensitäten und teilte diese in 5 Stufen, die in
den Tabellen mit ++, =+, +, +, (7) bezeichnet sind. Nur selten diffe-
rierten parallele Versuche um eine Intensitatsstufe, ein Zeichen dafür, daß diese
Art der Ablesung ungefähr der Genauigkeit entspricht, die mit den angewendeten
Methoden zu erreichen war. Auf jeden Fall wurden aber alle verwerteten Ergeb-
nisse durch einen oder mehrere, z. T. variierte Kontrollversuche bestätigt.
Die verwendeten Bakterienstämme entstammen z. T. der Sammlung des Herm
Prof. Pringsheim, z. T. erhielt ich sie durch die Liebenswürdigkeit des Herm
Prof. B. Heymann aus dem Berliner Hygienischen Institut, z. T. züchtete ich sie
mir selbst.
3. Gelatineverflüssigung.
a) Hemmungen,
Versuche über Hemmungen der bakteriellen Gelatineverflüssigung
durch Zucker beschreibt Auerbach (a. a. O.), nachdem die Tatsache
zuvor durch Liborius (a..a. O.) festgestellt war. Eine von mir vor-
genommene Nachprüfung der Ergebnisse Auerbachs, die ich hier nicht
näher beschreiben will, bestätigte diese im großen und ganzen. Es
trifft demnach zu, daß Bact. vulgare (Proteus vulgaris) in besonders
auffallendem Maße die Eigenschaft besitzt, in der Gelatineverflüssi-
gung durch Glucose beeinträchtigt zu werden. Dabei zeigte sich, daß
hier auch Glycerin sehr intensiv wirkt und daß ferner sich die zahl-
reichen Varietäten dieser Art sowohl hinsichtlich ihres Verflüssigungs-
vermögens, wie dessen Hemmbarkeit wesentlich voneinander unter-
scheiden. In Tabelle I ist das Verhalten von fünf verschiedenen Proteus-
stämmen aufgezeichnet. Besonders deutliche Hemmung bei sonst sehr
gutem Verflüssigungsvermögen zeigt der als X 19 bezeichnete Stamm.
der auch unter dem Namen ‚‚Bac. Weil Fels" bekannt und wegen seiner
medizinischen Anwendung bei der Fleckfieberdiagnose verhältnismäßig
gut untersucht ist. Dieser günstigen Umstände halber habe ich ihn
bei den folgenden Versuchen ausschließlich verwendet.
auf die Gelatineverflüssigung und die Indolbildung durch Bakterien. 461
Tabelle I.
Nährgelatine mit Glucose- bzw. Glycerinzusatz. Verflüssigungserfolg
nach ötägigem Wachstum bei 18°.
mn | m | 2% Glucose | 2% Glycerin
Bact. vulgare X 19... . | +++ | es =
39 3 1440 D D D . , ++ | —a | SES
19 a Breslau FRE RR | ++ | + u
n an Miltzschen. . | +++ BEE | +
an „ H 1 er ten fe | + ++ | 4- ++ bat
Um zunächst die Zusammensetzung des Nährsubstrates möglichst
einfach und übersichtlich zu gestalten, kultivierte ich meinen Versuchs-
stamm auf einer Gelatinegallerte, die als einzigen Zusatz ganz geringe
Mengen der erfahrungsmäßig notwendigen Nährsalze (0,02%, Dikalium-
phosphat, 0,01% Magnesiumsulfat, 0,1% Diammoniumphosphat) ent-
hielt und mit Sodalösung neutralisiert war. Es zeigte sich nämlich,
daß diese Stoffe vollständig zu einer recht guten Ernährung ausreichen;
die Gelatine wird nach Verflüssigung verarbeitet und vermag den ge-
samten Nährstoffbedarf des Bakteriums zu decken.
Versah ich diesen Nährboden nun mit einem Glucosezusatz, so trat
scharf eine Verflüssigungshemmung ein. Wie ein in Tabelle II auf-
gezeichneter Versuch zeigt, ist diese schon bei der überraschend ge-
ringen Konzentration von 0,1% total.
Tabelle II.
Salzgelatine mit Glucosezusatz ; Erfolg nach 4tägigem Wachstum bei 18°.
Glucosezusatz
0/
ʻO
Verflüssigung | Wachstum
|
— " +++
0,025 ` + ++
0,05 | (4) e
0,1 = +
0,5 — +
Auffallend ist nun die ungünstige Wirkung, die der Zucker auf das
Wachstum ausübt. Sie ließ, für sich betrachtet, zwei verschiedene
Deutungen zu: einerseits konnte man annehmen, daß Glucose auf die
untersuchte Bakterienart giftig wirkt; undenkbar war dies keines-
wegs, wenn man sich daran erinnert, daß z. B. Nitrifikationsbakterien
ebenfalls durch Zucker — schon 0,1%, genügt nach ihrem Entdecker
Winogradsky — stark geschädigt werden. Die andere Möglichkeit
war die, daß nach Behinderung der Verflüssigung die Gelatine als
Nährstoff ausscheidet, die Glucose aber im Verein mit dem Ammonium-
phosphat als Stickstoffquelle zu einer Bakterienentwicklung nicht aus-
reichen könnte.
462 0O. Arnbeek: Untersuchungen über den Einfluß der Ernährungsbedingurven
Um zunächst diese letztere Vermutung auf ihre Wahrscheinlichkeit
zu prüfen, stellte ich einige Versuche darüber an, ob X 19 in einer
Lösung von Glucose mit ammoniumhaltigen Nährsalzen zu wachsen
vermag. Nie ergaben, daß das Wachstum unter diesen Bedingungen
ein derart minimales bleibt, daß man es vielleicht sogar auf Verunreini-
gungen zurückführen darf. Dementsprechend könnte man wohl auch
das geringe Wachstum auf den nicht verflüssigten Gelatinenährböden
den kleinen Mengen löslicher organischer Substanzen zuschreiben, die
in der Handelsgelatine nie fehlen dürften.
Immerhin blieb nun noch die etwaige Giftigkeit des Zuckers nach-
zuprüfen. Ein vergleichender Kulturversuch in einer glucosehaltigen
und einer glucosefreien Bouillon ergab zunächst, daß die Wachstums-
intensität in der glucoschaltigen eine ganz beträchtlich größere ist als
in der anderen. Dieser Befund spricht schon entschieden gegen die
Annahme einer Giftwirkung.
Noch klarer und einwandfreier wird diese Möglichkeit aber durch
das Ergebnis eines Versuches (Tabelle III) widerlegt, in welchem der
Nahrungsmangel, der sich in den Versuchen von Tabelle II bei Be-
hinderung der Gelatineverflüssigung ergab, durch Beifügung von
Fleischextrakt und Pepton ausgeschlossen war.
Tabelle III.
Gelatine mit 196 Fleischextrakt und 195 Pepton; Erfolg nach 3tägigem
Wachstum bei 18°.
ln Vertlüssigung | Wachstum
= EE e EEE
0.5 sek e
1.0 e Sch
Ou — |. E
Da zeigt sich in der Tat, daB das Wachstum trotz Zuckerzusatz
und aufgehobener Gelatineverflüssigung ein gutes bis üppiges sein
kann und sogar mit der Zuckermenge merklich zunimmt. XNötig ist
eben nur, daß für eine hinreichende Ernährung mit leicht assimilier-
baren stickstoffhaltigen Substanzen gesorgt ist.
So bleibt also zur Erklärung der Ergebnisse von Tabelle II nur
die Möglichkeit übrig, daß der Mikroorganismus unter der Einwirkung
des Zuckers die Funktion der Gelatineverflüssigung aus irgendeinem
Grunde aufgibt, damit aber zugleich die Ausbeutung einer unter diesen
Umständen unentbehrlichen Nahrungsquelle einstellt und sich somit
ein Gedeihen unmöglich macht.
Ein Zusatz von Fleischextrakt und Pepton stellt aber nicht ailein
das gute Wachstum, sondern in gewissen Grenzfällen auch die be-
auf die Gelatineverflüssigung und die Indolbildung durch Bakterien. 463
hinderte Gelatineverflüssigung wieder her. Wie das zu verstehen ist,
erläutert das auf Tabelle IV wiedergegebene Versuchsergebnis.
Tabelle IV.
Gelatine mit steigendem Glucosezusatz einerseits, steigendem Fleisch-
extrakt-Peptonzusatz andererseits; Verflüssigungserfolg nach a) 2-,
b) l4tägigem Wachstum bei 18°.
Glucosezusatz | | _ 0,1%, Pepton | 0,2% Pepton 0,8% Pepton
or 0,1% Fleischextrakt; 0,2% an 03% Fleischextrakt
r i |
> la| ++ ++ | +++ | +++
b) +++ +++ +++ | +++
0.1 a) + + +++
; b) | +++ +++ +++ +++
09 a) + | -= +o io +++
i b) + +++ PFE | 44
b) + ++ +++ +++
0.4 a) ste AR + T
i b) SS zb + +++
05 a) aR + T SS
i b) i + as ++
06 |» + T +o +
i b) + Ee un | se
Die Nährstoffe machen hier zwei variable Größen aus: den Gehalt
an Glucose einerseits, den an Fleischextrakt und Pepton anderer-
seits. Die Ergebnisse, die aus dieser Tabelle abzulesen sind, möchte
ich in folgende Sätze zusammenfassen:
l. Die Verflüssigung nimmt mit steigendem Glucosegenait ab, um
schließlich auf ein gewisses Minimum zu sinken, das unter gewöhn-
lichen Versuchsbedingungen entweder gleich Null, oder doch nicht sehr
verschieden davon ist. Wie es zustande kommt und insbesondere warum
es in einer Versuchsreihe größer, in der anderen geringer ist, darüber
konnten erst spätere Versuche Aufklärung geben. Ich komme an der
betreffenden Stelle darauf zurück.
2. Die Verflüssigungsintensität wächst mit steigendem Fleischextrakt-
Peptongehalt. Besonders ist zu bemerken, daß dieser nach hinreichend
langer Kulturdauer eine Verflüssigung gelegentlich selbst in solchen
Nährböden bewirken konnte, bei denen der Zuckergehalt anfangs
eine maximale Hemmung herbeigeführt hatte. Es wird weiter unten
zu zeigen sein, daß der in diesem Falle mögliche völlige Zuckerver-
brauch diesen Erfolg verständlich macht.
Nachdem in diesem Versuch das eigenartige Wechselspiel zwischen
einem hemmenden und einem fördernden Faktor zutage getreten war,
kam es darauf an festzustellen, welchen Stoffen sonst noch hemmende,
welchen fördernde Wirkung zukommt. Denn nur so konnte man
464 O. Arnbeck: Untersuchungen über den Einfluß der Ernährungsbedingungen
hoffen, eine etwa all diesen Stoffen gemeinsame Eigenschaft als das
eigentliche Wirksame zu erkennen.
Das Hemmungsvermögen des Glycerins erwähnte ich schon oben.
Die zur Aufhebung notwendige Konzentration liegt ebenfalls bei etwa
0,1%; 0,025% wirkt schon stark hemmend.
Von anderen daraufhin untersuchten Nährstoffen erwies sich in
Konzentrationen gleicher Größenordnung noch Galaktose als wirk-
sam; ganz oder fast ganz ohne Einfluß waren Mannit, Lactose, Maltose
und Salze organischer Säuren auf das Vefflüssigungsvermögen. Es
ist hier allerdings zu berücksichtigen, daß eine physiologische Einwir-
kung nur von solchen Stoffen erwartet werden darf, die von der be-
treffenden Bakterienart überhaupt assimiliert werden können. Dies
trifft nun bei X 19 nach Angabe von Schaeffer!) zwar nicht für Lactose
und Mannit, wohl aber für Maltose zu. Obwohl diese bei der Ver-
arbeitung sicherlich zu Glucose hydrolysiert wird, blieb die Hemmung
hier doch aus. Dieses Verhalten erkläre ich mir so, daß Maltose als
solche kaum einen Einfluß ausüben dürfte, da sie ja eben erst nach
erfolgter Spaltung assimiliert werden kann, daß aber die bei der Hydro-
lyse entstehende Glucose infolge schneller Weiterverarbeitung sich
nicht so weit anzuhäufen vermag, um die zur Hemmung notwendige
Schwellenkonzentration zu erreichen. Trifft diese Annahme zu, so
können wir daraus die wichtigen Schlüsse ziehen,
1. daß der hemmende Faktor Glucose — bzw. Glycerin oder Galak-
tose — selbst oder allenfalls ein bei ihrer Spaltung vorübergehend ge-
bildetes Zwischenprodukt ist,
2. daß sie ferner im Nährsubstrat eine gewisse Mindestkonzentration
haben müssen, um wirksam zu sein, und
3. daß die bei der Zuckergärung immer stattfindende Ansäuerung
des Substrates, die ja die gleiche ist, ob Glucose als solche oder Maltose
auf dem Wege über Glucose verarbeitet sein mag, für die Hemmung
der Gelatineverflüssigung nicht von entscheidender Bedeutung sein kann.
b) Förderungen.
Welchen Stoffen kommt nun eine die Verflüssigung fördernde
Wirkung zu? Daß es wohl stickstoffhaltige sein würden, war schon
aus der Eignung von Pepton und Fleischextrakt zu vermuten. Ich
probierte eine Anzahl solcher durch und stelle in Tabelle V die Ergeb-
nisse dieser Versuche zusammen.
Als gleichmäßiges Grundsubstrat wurde eine ganz schwach alkali-
sierte Nährsalzgelatine ohne Pepton und Fleischextrakt verwendet,
der als „Hemmungsstoff‘‘ 0,1%, Glycerin zugesetzt war. Eine solche
1) Zentralbl. f. Bakteriol., Parasitenk. u. Inf.ktionskrankh., Abt. I Orig.,
83, 430. 1919.
auf die Gelatineverflüssigung und die Indolbildung durch Bakterien. 465
Tabelle V.
Salzgelatine mit 0,1%, Glycerin; Verflüssigungserfolg nach 7tägigem
Wachstum bei 18°.
Zusatz BE Wë, ` Lë,
an ` +
Casein (gereinigt) . . . . | SE: j Se +
Pepton (Witte) ... .. | + db, 7 d
Pepton (verdaut) .... | ++ +++ | +++
Fleischextrakt (Liebig) . . | ++ +++ , +++
Asparagin . 22.2... + SE 26 Fr
a-Alanin `, + +; +
Ammoniumphosphat Er En a 2 P
Menge reicht, wie erwähnt, eben aus, um die größtmögliche Hemmung
zu erzielen. Demnach mußte bei Zusatz von dazu geeigneten Stoffen
eine Förderung deutlich zutage treten.
Casein bleibt ganz ohne Einfluß. Das kann ja eigentlich kaum
wunder nehmen, da es bei unterdrückter Proteolyse nicht assimiliert
werden und infolgedessen nicht anders wirken kann als die Gelatine
unter diesen Umständen selber. Immerhin muß diese Tatsache doch
betont werden, da die Anschauung weit verbreitet ist, das Vorhanden-
sein von Eiweiß im Nährsubstrat rege die Produktion proteolytischer
Enzyme an [z. B. Schmailowitsch!)]. Einer solchen Anregung bedarf
es bei den meisten Bakterienarten überhaupt nicht, wie schon Fermi?)
betont; wenn doch, so sind dafür ganz andere Faktoren verantwortlich
zu machen, wie ich im folgenden zu zeigen haben werde.
Nicht viel stärker als Casein wirkt Pepton-Witte. Es ist dies ein
chemisch wenig einheitlicher Stoff, der jedoch zum größten Teil aus
semikolloidalen Polypeptiden besteht, demgemäß also ebenfalls erst
nach enzymatischer Spaltung assimilierbar ist. Ganz anders wird die
Wirkung des Peptons jedoch, wenn man es zuvor mit Hilfe von tryp-
tischem Pankreasferment aufspaltet: das dann im wesentlichen aus
einem Gemisch von Aminosäuren bestehende, leicht permeable Produkt
fördert die Bildung gelatinolytischer Enzyme in ganz auffallend hohem
Maße. — Etwa gleich stark verflüssigungsfördernd wirkt der Liebig-
sche Fleischextrakt, der ebenfalls im wesentlichen weitgehend hydro-
lysierte Eiweißkörper enthält. — Auch Asparagin ist ziemlich stark wirk-
sam, &-Alanin dagegen sehr wenig; hierauf komme ich weiter unten
noch einmal zurück.
Ganz auffallend ist die starke Wirkung des Ammoniumphosphats.
Ich wollte sie anfänglich ganz auf die Pufferwirkung der Phosphor-
2) Wratschebnaja Gazetta 5%; Ref. Biochem. Zentralbl. 1, 230. 1902.
2) Arch. f. Hyg. 10, 1. 1890.
466 O. Arnbeck: Untersuchungen über den Einfluß der Ernährungsbedingunsen
säure zurückführen und hielt die durch sie erzielte günstigere Wasser-
stoffionenkonzentration für das entscheidende Moment. Daß dieser
in der Tat ein nicht zu unterschätzender Einfluß zukommt, lehrten
spätere Versuche. Dennoch kann damit allein die verflüssigungs-
fördernde Wirkung des Ammoniumphösphats nicht erklärt werden,
denn es zeigte sich, daß auch die Zugabe von anderen Ammonium-
salzen einen ähnlichen Effekt auslöst, und zwar bemerkenswerter-
weise dann, und nur dann, wenn der Nährboden lackmusbasische
Reaktion besitzt.
Dies zeigt der in Tabelle VI wiedergegebene Versuch mit Deutlich-
keit. Er bestand aus zwei Reihen von Röhrchen, deren eine schwach
lackmussaure Gelatine — nicht neutralisiert, da Gelatine eine natür-
liche schwach saure Reaktion besitzt —, die andere mit Soda in üblicher
Weise schwach alkalisch gemachte Gelatine enthielt. In allen Fällen
0,2% Glycerin als Hemmungsstoff. Die Ammoniumsalze waren in
einer Konzentration von 1% gegeben.
Tabelle VI.
Salzgelatine mit 0,29% Glycerin. Verflüssigungserfolg nach 4 Tagen. 18°.
| Gelatine | Gelatine
Zusatz : Gg 4
‘natürlich lackmussauer schwach lackmusbasisch
— = | +
|| a
1°/, Ammoniumchlorid . ` — ++
1°/, Aınmoniumsulfat . . | = | E
1°/, Ammoniumnitrat . . | — | ++
|
1°/, Natriumnitrat . . . |
Da zeigt sich zunächst, daß unter den obwaltenden Versuchsbedin-
gungen die alkalische Reaktion an sich schon eine geringe Verflüssigung
ermöglicht. Zu einer starken wird diese jedoch, wenn noch ein neutrales
Ammoniumsalz hinzutritt. Enthält andererseits das Nährsubstrat kein
überschüssiges fixes Alkali, so bleibt das Ammoniumsalz ohne jeden
merklichen Einfluß. Diese Tatsachen bringen auf die Vermutung, daß
das in der alkalischen Versuchsreihe notwendig freiwerdende Ammoniak
hier eine spezifische, die Produktion gelatinespaltender Enzyme an-
regende Wirkung ausübt. Es genügt also dazu offenbar nicht die
Anwesenheit des Ammoniumions allein, und erst recht nicht die einer
Stickstoffverbindung überhaupt. Dies letztere bewies ja schon die
Wirkungslosigkeit des Alanins; auch Nitrat ist auf den Ablauf einer
Gelatineverflüssigung weder in positiver noch in negativer Richtung
von merklichem Einfluß (Tabelle VI).
Diese eigenartige Wirksamkeit des Ammoniaks belegt noch das
in Tabelle VII aufgezeichnete Versuchsergebnis.
auf die (selatineverflüssigung und die Indolbildung durch Bakterien. 467
Tabelle VII.
Salzgelatine mit 0,5% Glucose. Verflüssigung nach 7 tägigem Wachstum
bei 18°.
Zusatz | 0,4% | o8% 116%
Natronlauge normal . — (+) | =
Ammoniak normal | — + | +++
Eine Salzgelatine, außer dem üblichen Hemmungszusatz ohne
besondere Nährstoffe, wurde zum Teil mit normaler Natronlauge,
zum Teil mit normalem Ammoniak in steigenden Mengen angesetzt.
Bei der Beurteilung der aufgezeichneten Ergebnisse ist nun zu berück-
sichtigen, daß die gleiche Titrationsalkalinität keineswegs die gleiche
wirkliche Basizität der Lösung, also die gleiche Hydroxylionenkonzen-
tration in sich schließt. Natriumhydroxyd ist ja tatsächlich eine
wesentlich stärkere Base als Ammoniumhydroxyd. Da nun, wie wir be-
reits gesehen haben, stärkere Alkalinität allein schon eine stärkere Ge-
latineverflüssigung zur Folge hat, so war mir von vornherein klar, daß
mein Versuch nur dann irgendwelche Beweiskraft haben konnte,
wenn trotzdem Ammoniak merklich stärker verflüssigungsfördernd
wirken sollte als Natronlauge. Dies ist nun, wie Tabelle VII dartut,
tatsächlich der Fall. Erst etwas größere Konzentrationen zeigen den
Unterschied deutlich, und das spricht dafür, daß nicht eine Bedeutung
des Ammoniaks als Stickstoffquelle hier den Ausschlag gibt; denn
einerseits sind Ammoniumsalze schlechte, vielleicht sogar für unsere
Bakterienart unbrauchbare N-Quellen, andererseits hätten dann wohl
auch bei weitem geringere Konzentrationen ausreichen müssen.
Nach Feststellung dieser eigenartigen Reizwirkung des Ammoniaks
bietet sich auch eine Möglichkeit, die obenerwähnte stärkere Wirk-
samkeit des Asparagins gegenüber dem Alanin zu verstehen. An sich
scheint es ja paradox, daß ein guter Bakteriennährstoff wie das Alanin
so auffallend hinter dem Asparagin zurücksteht, das überdies sicherlich
erst nach erfolgter Verseifung assimiliert werden kann. Auch der
größere Stickstoffgehalt des Asparagins (21,2%, gegen 15,7%) konnte
kaum das Entscheidende sein, da ja offenbar alles von der Bindungs-
form des Stickstoffes abhängt. Somit scheint mir am naheliegendsten
die Erklärung zu sein, daß Asparagin — das Amid der Aminobernstein-
säure — bei der Assimilation unter Ammoniakabspaltung desamidiert
wird, während Alanin — Aminopropionsäure — ohne Abspaltung
der Aminogruppe verarbeitet werden dürfte. Das in dem einen Fall
freiwerdende Ammoniak wäre dann der die Gelatineverflüssigung
fördernde Faktor.
Ich trage sogar kein Bedenken, die Hypothese von der spezifischen
Wirkung des Ammoniaks auch auf alle anderen Fälle von Verflüssi-
468 0O. Arnbeck: Untersuchungen über den Einfluß der Ernährungsbedingungen
gungsförderung durch stickstoffhaltige Nährstoffe auszudehnen. Ist
es doch eine seit langem bekannte Tatsache, daß der Verbrauch von
Pepton u. dgl. stets mit einer Abspaltung von Ammoniak verbunden
ist, derart, daß man dessen Quantität geradezu als Maß für den Pepton-
verbrauch benutzt hat. Somit stimmt meine Annahme, daß gerade
dieses Spaltprodukt spezifisch auf die Abscheidung proteolyvtischer
Enzyme fördernd einwirkt, sehr gut mit dem oben angeführten Ver-
suchsergebnis (Tabelle V) überein, das eine starke Wirksamkeit stick-
stoffhaltiger Nährstoffe in diesem Sinne feststellte.
Die Erkenntnis dieses Zusammenhanges erlaubt uns nun auch ein
Urteil darüber, in welchem Grade die in der Literatur immer wieder-
kehrende Behauptung richtig ist, Eiweiß im Nährsubstrat rege die
Proteasenbildung an. Dies muß in der Tat immer dann der Fall sein, wenn
schon von vornherein genügend Enzym gebildet wird, um eine gewisse
Menge Eiweiß aufzuspalten. Das hierbei freiwerdende Ammoniak
wirkt dann allerdings — im Verein mit dem günstiger werdenden Er-
nährungszustand -- auf eine sich fortgesetzt steigernde Enzympro-
duktion hin.
Mit einigen Worten muß ich an dieser Stelle noch einmal auf die eine Verflüssi-
gung fördernde Wirkung der Alkalinität an sich eingehen. Sie besteht, wie ein
Versuch (Tabelle IX) ziert. ganz unabhängig von allen Nährstoffzusätzen. also
auch bei Zuckerabwesenheit (Tabelle VIIla). Im Zweifel könnte man nur darüber
scin, ob die förderliche Wirkung der Natronlauge eine wesentlich direkte ist oder
eine indirekte insofern, als sie es ermöglicht, freies Ammoniak in Lösung zu halten.
Mir scheint, den vorher gemachten Erfahrungen entsprechend, das letztere
wahrscheinlich. Ganz einwandfrei beweisen läßt es sich zwar mit den angewandten
Methoden in diesem Falle nicht, da s- lbst in anfänglich völlig ammoniumsalzfreien
(i.Jatinekulturen durch die alsbald einsetzende Hydrolyse der Gclatine Ammoniak
frei wird, das dann eine progressive Steigerung der Enzymproduktion und der
Gelatinespaltung bewirken muß. Es leuchtet ein, daß eben nur dann, wenn die
Gelatinespaltung durch Zucker o. dgl. unterdrückt ist, der Unterschied in der
Wirksamkeit beider Alkalien deutlich zutage treten kann. Das bestätigt denn auch
der Versuch entschieden (Tabelle VITI b). Immerhin sprechen auch die Ergebnisse
des in Tabelle VIlla mitgeteilten Versuches, der eine zuckerfreie Gelatine zum
Gegenstand hat, einigermaßen für die Annahme einer spezifischen Wirkung des
Ammoniaks auch in diesem Falle, zumal wenn man die verschiedene Alkalinität
der beiden Basen berücksichtigt.
Tabelle VIII.
a) Salzgelatine mit Alkalizusätzen. b) Dieselbe mit Zusatz von 10°,
Verflüssigungserfolgnach 2 Tag.18°. Glucose. Nach 7 Tagen. 18°.
Zusatz - | ZA, | OAI, Zusatz d 25% 50%
bs 4 | = ep
Natronlauge normal | + ++ Natronlauge normal ` — —
Ammoniak normal . +-+ +++ Ammoniak normal. + ++
N
auf die Gelatineverflüssigung und die Indolbildung durch Bakterien. 469
Hier möge auch die Erklärung Platz finden, warum in manchen der früheren
Versuche, wie erwähnt, die durch Glucose oder Glycerin bewirkte Hemmung keine
totale war. Da es bei bakteriologischen Untersuchungen üblich ist, die Nährböden
schwach alkalisch zu machen, eine Gepflogenheit, der auch ich anfänglich folgte,
so kam dadurch ein verflüssigungsfördernder Faktor von natürlich nicht immer
völlig gleicher Größe hinein, der erst durch die entstehende Gärungssäure außer
Wirksamkeit gesetzt werden mußte. Erst als ich nach Erkenntnis des Zusammen-
hangs später die Gelatine genau lackmusneutral machte, erhielt ich mit hinreichen-
den Zucker- oder Glycerinkonzentrationen stets totale Hemmungen.
Im Anschluß hieran habe ich auch das Ergebnis zweier Versuche mitzuteilen,
die scheinbar mit früher ausgesprochenen Anschauungen im Widerspruch stehen.
Es wirken nämlich die Alkalisalze einiger organischer Säuren, stickstoffreie Nähr-
stoffe also, förderlich auf die Gelatineverflüssigung. Ich hatte Erfolg mit Natrium-
malat und Kaliumcitrat. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, daß es das
bei der Assimilation der Säure freiwerdende Alkali ist, dem diese Wirkung zuzu-
schreiben ist. Die Säure selbst ist ja, wie ich schon eingangs erwähnte, nicht von
irgendwie hemmendem Einfluß, obwohl auch sie kräftig verarbeitet wird.
c) Die wirksamen Faktoren der Hemmung.
Nachdem auf diese Weise versucht war, diejenigen Faktoren zu
analysieren, die eine Gelatineverflüssigung begünstigen, komme ich
auf die Frage zurück, welchem Einfluß denn also die Hemmungswirkung
direkt zuzuschreiben sei. Da bei der Vergärung von Zucker sowohl
wie von Glycerin durch Bakterien fast stets Säuren frei werden —
Milchsäure und Propionsäure kommen in erster Linie in Frage —, so
könnte man sehr wohl daran denken, daß unter ihrem Einfluß die
Bakterien ihre Enzymproduktion einschränken oder einstellen.
Daß etwa nur die gebildeten Proteasen infolge der zu hohen Wasser-
stoffionenkonzentration ihre Wirksamkeit nicht entfalten könnten,
hat schon Auerbach!) entschieden bestritten; dagegen spricht auch
der Umstand, daß, wie besonders Fermi?) und Schmatlowitsch?) gezeigt
haben, die Bakterienproteasen zwar ähnlich dem Trypsin bei schwach
alkalischer Reaktion ihr Wirkungsoptimum entfalten, jedoch wenigstens
auf Gelatine noch bei ziemlich stark saurer Reaktion — 0,5% freie
Salzsäure nach Fermi — einwirken können. Überdies spalten ja auch
die zahlreichen, nicht hemmbaren Arten die Gelatine unbekümmert
um die saure Reaktion kräftig weiter.
So bleibt nun also noch die Möglichkeit zu untersuchen, daß die Enzymproduk-
tion unter der Wirkung der Gärungssäure eingestellt werden könnte.
Um deren Einfluß nun möglichst auszuschalten, fügte ich der Gelatine eine
nicht zu geringe Menge eines unlöslichen säurebindenden Stoffes zu; zu diesem
Zwecke kamen Calciumcarbonat und Magnesiumcarbonat in Betracht. Hierbei
erwies es sich als notwendig, die Gallerte zu dünner Schicht in Petrischalen aus-
zugießen, weil die Carbonate sich im Röhrchen in unerwünschtem Maße zu Boden
1) Arch. f. Hyg. 31, 311. 1897.
2) Arch. f. Hyg. 10, 1. 1890.
3) Wratschebnaja Gazetta 52, Ref. Biochem. Zentralbl. 1, 230. 1902.
470 O. Arnbeck: Untersuchungen über den Einfluß der Ernährungsbedingungen
setzen. Zunächst will ich den Verlauf eines Versuches mit Calciumcarbonatzusatz
schildern: Nährgelatine mit Glucosezusatz von 0—5°, steigend. Nach 5 Tagen
ist die zuckerfreie Gelatineplatte total verflüssigt; bei den zuckerhaltigen ist von
einer Verflüssigung noch nichts zu bemerken. Am 7. Tage beginnt auch auf der
Platte mit 1% Glucosegehalt die Gelatinolyse; am 10. ist diese Kultur bereits stark
verflüssigt, während nunmehr die mit 2, 3 und 4%, versehenen den Beginn der
Erscheinung zeigen. Die Verflüssigung beginnt hier stets an den Stellen stärksten
Wachstums — dies waren immer die Enden der Impfstriche — und schreitet von
da aus allmählich weiter vor; nach weiteren 3 Tagen tritt sie auch bei der letzten
Platte mit 5%, Glucose ein, während die vorigen nunmehr bereits mehr oder weniger
vollständig zerflossen sind. In der calciumcarbonatfreien Kontrollreihe erfolgte
nur in der zuckerfreien Platte Verflüssigung; bei den anderen blieb sie dauernd
und vollständig aus.
Es zeigt sich also, daß Caleiumcarbonat nach längerer Zeit die Wir-
kung des Zuckers aufheben kann. Offenbar war die Verflüssigung
so lange sistiert, wie noch Zucker in dem Nährsubstrat vorhanden war.
Erst nach seinem vollständigen oder nahezu vollständigen Verbrauch
dürfte sie in Gang gekommen sein. Bis zur Erreichung dieses Zeit-
punktes mußte natürlich bei den verschiedenen Konzentrationen eine ver-
schieden lange Zeit verstreichen, und aus demselben Grunde mußte auch
die Verflüssigung an den Stellen stärksten Wachstums zuerst einsetzen.
Daß die Verflüssigung anfänglich überhaupt gehemmt war, beweist
also, daß nicht die aus dem Zucker gebildete freie Säure das wesentlich
Wirksame dabei ist; daß sie nachher doch noch eintrat, beweist, daß
Endprodukte des Stoffwechsels, milchsaure Salze u. dgl., ebenfalls für
die Hemmung nicht in Betracht kommen. So bleibt auch auf Grunu
dieser Tatsachen nur die Erklärung übrig, daß die Glucose und die
anderen entsprechend wirksamen Stoffe selbst oder aus diesen gebildete
Zwischenprodukte die Gelatinespaltung sistieren.
Bemerkenswerterweise ist nun der Erfolg bei Verwendung von Magnesium-
carbonat ein wesentlich anderer. Hier ist nämlich die Hemmung durch Zucker
oder Glycerin weitgehend aufgehoben. Ein Versuch ähnlich dem soeben beschrie-
benen, bei dem ein Teil der Platten mit Magnesiumcarbonat, ein Teil mit Calcium-
carbonat beschickt war, legte diese Tatsache fest. Während die mit Magnesium-
carbonat versetzte Gelatine, die hier 1% Glycerin enthielt, bereits nach 4 Tagen
vollständig verflüssigt war, zeigte die mit Calciumcarbonat versehene noch keine
Spur davon. Erst nach weiteren 4 Tagen war auch bei dieser der Beginn der Gela-
tinolyse zu konstatieren.
Dieses Verhalten des Magnesiumcarbonats dürfte sich dadurch erklären,
daß es dem Substrat, in dem es suspendiert ist, eine stark alkalische Reaktion
erteilt, aber auch vor allem aus Ammoniumsalzen kräftig Ammoniak freimacht.
Bringt man z. B. in ein Kölbchen Magnesiumcarbonat und eine Ammonium-
chloridlösung, so färbt sich darüber ein aufgehängtes rotes Lackmuspapier in Kürze
intensiv blau. Calciumcarbonat hat diese Eigenschaft nur in viel geringerem Maße.
In der Tat konnte ich auch bei dem letztgenannten Plattenversuch in der
Magnesiumschale mittels eines darin angebrachten Lackmuspapiers reichlich
freies Ammoniak nachweisen.
Daß auch ein Zusatz von freier Säure selbst das Golatineverflüssigungsrermögen
nicht wesentlich beeinträchtigt, lehrte der in Tabelle IX wiedergegebene Versuch.
auf die Gelatineverflüssigung und die Indolbildung durch Bakterien. 471
Tabelle IX.
Nährgelatine mit steigendem Zusatz freier Milchsäure. Erfolg nach
Stägigem Wachstum bei 18°.
as, Verflüssigung | Wachstum
0 +++ +++
0,02 +++ +++
0,04 +++ +++
0,06 ++ +++
0,08 Pae j FH
0,10 | + +
0,12 | +o +
0,14 i — | —
EI?
Hier ist einer Nährgelatine Milchsäure in den angegebenen Prozentsätzen
zugefügt. Da zeigt sich, daß zwar die Verflüssigung absolut betrachtet mit zu-
nehmender Säurekonzentration abnimmt, daß aber parallel damit auch das Wachs-
tum schwächer wird. Vor allem war keine Säurekonzentration zu finden, bei der
merkliches Wachstum ohne gleichzeitige Verflüssigung stattfand, wie das auf
zuckerhaltigen Kulturen bei Gegenwart geeigneter Nährstoffe stets zu beobachten
war. Das deutet darauf hin, daß jedenfalls die Säure allein nicht für den Hemmungs-
effekt verantwortlich gemacht werden darf.
Ferner erinnere ich an die bereits geschilderten Versuche mit Maltose, die
ebenfalls trotz saurer Vergärung keine Hemmung ergaben.
Damit soll nun keineswegs gesagt sein, daß die gebildete Säure für den Ver-
flüssigungsvorgang bedeutungslos ist. Von EinfluB muß sie ja schon dadurch
szin, daß sie die fördernden Faktoren, Alkalinität des Nährsubstrats und damit
Abspaltung von freiem Ammoniak, zurückdrängt. Außerdem beeinträchtigt sie
natürlich aber auch das Wachstum der immerhin ziemlich säureempfindlichen
Bakterienart, die zu den Versuchen diente. So mußte die Folge sein, daß es in den
sauer werdenden Zuckergelatinekulturen selbst bei noch so langer Versuchsdauer
nie zu völligem Zuckerverbrauch kommen konnte; infolgedessen mußte auch die
Gelatineverflüssigung dauernd ausbleiben, sofern die Zuckerkonzentration selbst
dann noch zu einer völligen Hemmung hinreichte, wenn die zunehmende Säuerung
dem Gedeihen der Bakterien ein Ende zu setzen begann. Bei Kalkzusatz dagegen
konnte der Zucker völlig verbraucht werden und damit die Verflüssigung nach-
träglich einsetzen.
d) Nachwirkungen.
Schließlich spielt die Säure auch eine entscheidende Rolle bei der
Entstehung von eigenartigen Nachwirkungserscheinungen, die das
Gelatineverflüssigungsvermögen des Bacteriums für längere Zeit oder
gar dauernd ausschalteten. er
Impfte ich Bakterien — auch bei anderen Proteusstämmen gelang
dies übrigens—, die auf einem zucker- oder glycerinhaltigen Nähr-
boden gewachsen waren und dort in gewohnter Weise Gelatine nicht
verflüssigt hatten, auf eine gewöhnliche zuckerfreie Nährgelatine mit
Fleischextrakt und Pepton weiter, so verflüssigten sie diese zunächst
ebenfalls nicht. Erst nach längerer Zeit erlangten sie ihre normale
Befähigung hierzu zurück, und zwar offensichtlich um so schwerer, je
Biochemische Zeitschrift Band 182. 31
472 ©. Arnbeek: Untersuchungen über den Einfluß der Ernährungsbedinrungen
länger die Einwirkung der andersartigen Ernährungsbedingungen
gedauert hatte. In manchen Fällen, besonders nach mehreren Passagen
auf Zuckergelatine, gelang es überhaupt nicht, die modifizierten Stämme
wieder zum Rückschlag zu bringen; in anderen dagegen, bei denen
die Veränderung anscheinend noch keine so fest wurzelnde war,
konnte ich ein derartiges Zurückschlagen genau verfolgen.
I So hatte ich aus einem Röhrchen mit Nährgelatine und 2°, Glucosegehalt,
das nicht die Spur einer Verflüssigung zeigte, nach l6tägiger Kulturdauer etwas
von der sehr kraftig gewachsenen Bakterienmasse in ein zuckerfreies Gelatine-
röhrchen übergeimpft. Dort wuchs der Stamm zunächst ebenfalls ohne jede Ver-
flüssigung üppig weiter. Nach etwa 3 Wochen begann im untersten Teil des Rohr-
chens, wo die Gallertschicht am dicksten ist, eine streng lokalisierte Verflüssirung.
Diese schritt nun im Laufe der Zeit ganz allmählich weiter vor, indem die Gelatine
unten mehr und mehr abschmolz. Nach etwa 2 Monaten war der gesamte Röhrchen-
inhalt verflüssigt.
Das Fortschreiten der Verflüssirung geht also hier ganz auffallend anders vor
sich als bei unvorbehandelten Stämmen, bei denen diese stets in allen Teilen
der strichformigen Kolonie annähernd gleichmäßig einsetzte und voranschnitt.
Es fragt sich nun, welche Umstände die Entstehung solcher atypischen Stämme,
die ich mit Jollos!) als „Dauermodifikationen‘'?) bezeichnen möchte, wohl ver-
anlassen können. Hier spielt offenbar, wie gesagt, die Säure eine wesentliche
tolle. Prüfte ich namlich auf den caleiumcearbonathaltigen Platten solche Kolonien,
die noch nicht mit der Verflüssigung begonnen hatten, auf ihre Befähigung dazu,
so fand ich diese durchaus unvermindert. Andererseits gelang es aus den kalk-
freien Kontrollen alsbald und ohne Schwierigkeiten, modifizierte Stämme zu
züchten.
Ganz besonders interessant ist folgendes Versuchsergebnis: Bact. X 19 wurde
in einer Nährlosung von 0,5°6 Alanin?) und 30, Maltose 20 Tage lang in 2 Passagen
kultiviert. Ein Zusatz von einer geringen Menge Azolitmin zeigte die jedesmal
alsbald einsetzende Säuerung an. Dann wurde auf eine Nährgelatine übergeimpft:
das Verflüssirungsvermögen war geschwunden. — Nach 12 Tagen begann im unter n
Teil des Röhrchens der Rückschlag genau in der oben beschriebenen Weise.
Der Modifikationserfolg unter diesen Versuchsbedingungen ist sehr bemerkens-
wert. Wirkt doch Maltose, wie ich gezeigt habe, keineswegs merklich verflüssigungs-
hemmend ein, wenn sie in dieser Konzentration einer Gelatinekultur selbst zugesetzt
wird. Daß hier nun in maltosehaltiger Nährlösung sogar ein modifizierender Ein-
fluß zustande kam, dürfte der oben mitgeteilten Beobachtung entsprechend als
eine Wirkung der gebildeten Gärungssäure zu deuten sein. Allerdings gelang es
nicht, durch Zufügung von freier Milchsäure zu Alaninnährlösungen denselben
Effekt zu erzielen. Doch ist der Mißerfolg erklärlich: Es muß natürlich schwer
halten, den Säurezusatz gerade so groß zu wählen, daß er zwar modifizierend,
eben aber noch nicht abtötend wirkt; offenbar wird nämlich beides von nicht sehr
1) Arch. f. Protistenk. 43. 1921.
2) Um den vielfach mißbrauchten Ausdruck ‚Mutationen‘ zu vermeiden,
gegen den Jollos und E Lehmann (1916) mit Recht ankämpfen, möchte ich die
bisher nicht zum Rückschlag gebrachten Stämme mit Lehmann als „Klonumwand-
Jungen?" ansprechen. Dieser Ausdruck macht nichts darüber aus, ob der Stamm
später noch einmal zurückschlagen kann oder nicht.
3) Alanin schien mir wegen der oben ermittelten minimalen Förderungswirkung
auf das Verflüssigungsvermögen relativ am geeignetsten für diesen Zweck zu sein.
auf die Gelatineverflüssigung und die Indolbildung durch Bakterien. 473
verschieden hohen Konzentrationen veranlaßt. Sehr viel leichter muß es natürlich
den vergärenden Bakterien selbst gelingen, das Substrat auf den schmalen Säure-
konzentrationsspielraum einzustellen; verlangsamt sich doch das Säuerungstempo
mit erlöschender Lebenstätigkeit, um schließlich asymptotisch der äußersten
ertragbaren Wasserstoffionenkonzentration zuzustreben. Hierbei muß früher oder
später mit Sicherheit die modifizierend wirkende Konzentration erreicht werden.
Diese wird dann von den überlebenden Bakterien leicht ertragen, da allmähliche
Gewöhnung sowie Auslese unter einer großen Individuenzahl in diesem Fall eine
begünstigende Rolle spielen.
Die Beweglichkeit der modifizierten Stämme und ihr Schwärmver-
mögen auf Agarplatten sind nicht merklich beeinträchtigt. Sie sind also
nicht den von Weil und Felix gezüchteten O-Formen sowie den Carbol-
stämmen von Braunund Schaeffer!) vergleichbar. Überdies betonen ja auch
die beiden letztgenannten Autoren ausdrücklich, daß das Peptonisierungs-
vermögen ihrer Stämme keineswegs wesentlich beeinträchtigt war, eine
Angabe, die ich bei Nachprüfung ihrer Versuche vollauf bestätigen kann.
Wie schon Weltmann und Seufferheld?) angegeben haben, entbehren
auf dextrosehaltigem Agar gezogene X-19-Kulturen des Schwärmver-
mögens. Auch dies stimmt mit meinen Erfahrungen überein; ich kann
noch hinzufügen, daß in glucosehaltiger Bouillon wachsende Bakterien
auch der Beweglichkeit ermangeln, wie denn anscheinend immer
Schwärmvermögen und Beweglichkeit in engstem Zusammenhang
stehen, was übrigens mit einer von E. OG. Pringsheim mir gegenüber
ausgesprochenen Vermutung gut übereinstimmt, daß die charakteri-
stische Ausbreitung von Proteus-, Mycoides- u. a. Bakterienarten auf
die Tätigkeit der Geißeln zurückzuführen sei. — Eine Nachwirkung
der Bewegungshemmung ist in diesem Fall jedoch nicht nachzuweisen;
dementsprechend verhalten sich auch meine modifizierten Stämme
in dieser Hinsicht durchaus normal.
Es zeigt sich also, daß Gelatineverflüssigungsvermögen und Be-
weglichkeit nicht miteinander verknüpfte Eigenschaften sind. Sie
können vorübergehend oder für längere Zeit unabhängig voneinander
zur Unterdrückung gebracht werden.
Stellen wir noch einmal kurz die wirksamen Faktoren zusammen:
I. Das Gelatineverflüssigungsvermögen läßt sich
a) aufheben
l. vorübergehend durch Einwirkung von Glucose uge.
2. langanhaltend oder dauernd durch selbsttätige Ansäuerung bei
Zuckervergärung;
b) fördern durch Ammoniak.
II. Die Beweglichkeit läßt sich aufheben
l. vorübergehend durch Glucose und Säure (Säureagglutination);
2. langanhaltend oder dauernd z. B. durch Phenol.
1) Zeitschr. f. Hyg. 89, 337. 1919.
2) Wien. klin. Wochenschr. 31, 1373. 1918.
31°
474 O. Arnbeck: Untersuchungen über den Einfluß der Ernährungsbedingungen
4. Indolbildung und deren Hemmungen.
a) Einflüsse stickstofffreier Nährstoffe.
Ähnlich wie bei den Gelatineversuchen war auch hier zunächst
die in der Literatur vielfach beschriebene Grundtatsache der Hem-
mung festzustellen, ferner zu untersuchen, welche Nährstoffe eine
solche bewirken können und in welcher Konzentration sie dazu vor-
handen sein müssen.
Als erstes teile ich das Ergebnis eines Versuches mit, bei dem Bact. coli, das
auch sonst für diese Versuche meist verwendet wurde, in einer 0,5 proz., in oben
beschriebener Weise angedauten Peptonlösung unter Beifügung steigender Glucose-
mengen wuchs (Tabelle X).
Tabelle X.
0,5 proz. Pty.-B-Peptonlösung. Bact. coli. 4tägiges Wachstum bei 34°.
FE | Wachstum | Indolbildung
0 = ++ +++
0,05 MEG io +++
0,1 +++ +++
0,15 +++ | ++
0,2 +++ +
025 | +++ | —
Bei der höchsten Konzentration von 0,25% ist die Indolbildung völlig sistiert;
die Empfindlichkeit des Bact. coli gegen Zucker ist also jedenfalls nicht geringer
als die, welche bei den Gelatineverflüssigungsversuchen an Bact. vulgare zutage
trat. Wie enorm groß sie jedoch unter Umständen sein kann, davon gibt Tabelle XI
ein Bild.
Tabelle XI.
Kulturen von Bact. coli in angedauter Peptonlösung. 0,5 proz. Indol-
reaktion nach 24- bzw. 48stündigem Wachstum. 25°.
Glucosegehalt 24 Stunden | 48 Stunden
0 +++ +++
0,02 + + +++
0,04 = +++
0,06 + CR
0,10 — | —
Hier sind die Kulturen bei 25° gehalten und nach 24 bzw. 48 Stunden auf
Indol geprüft worden. Das Wachstum war überall gut, in den glucosehaltigen
sogar merklich stärker. Es zeigt sich, daß 0,02%, schon deutlich hemmen, 0,08%
schon völlig bzw. fast völlig aufhebend auf die Indolabspaltung einwirken! Die
niedrigere Kulturtemperatur verzögerte offenbar die Zuckerverarbeitung erheblich
und ermöglichte so die Wahrnehmung auch der Hemmungen, die durch niedrigere
Konzentrationen hervorgerufen werden. In Tabelle X waren diese in Anbetracht
des alsbald erfolgten völligen Zuckerverbrauches schon stark verwischt.
auf die Gelatineverflüssigung und die Indolbildung durch Bakterien. 475
So bei Glucose. Es ist nun sehr auffallend, daß sich ein ähnlicher Effekt mit
anderen organischen Kohlenstoffverbindungen nicht erzielen ließ, wenigstens nicht
in Konzentrationen von gleicher Größenordnung. Selbst 0,5% ist noch bei allen
weiteren daraufhin untersuchten Stoffen ohne merklich hemmenden Einfluß.
Erst bei 2%, werden die Hemmungen deutlicher. In Tabelle XII teile ich die Er-
gebnisse dahingehender Versuche mit. Demnach kommt der Lactose noch ver-
hältnismäßig der größte Einfluß zu; dann kommt Galaktose und Mannit, während
Glycerin und Maltose so gut wie ohne Einwirkung bleiben. Dabei wird Maltose
offensichtlich stark verarbeitet und ruft dementsprechend ein ganz besonders
üppiges Wachstum und ziemlich starke Säuerung hervor. Somit haben wir hier
schon ein Argument dafür in die Hand bekommen, daß der Einfluß der Säure,
der bei der Frage nach der Ursache der Indolbildungshemmung so lebhaft diskutiert
worden ist, zum mindesten nicht von entscheidender Bedeutung sein kann. Wie
groß er sein mag, soll nachher im Zusammenhang erörtert werden.
Tabelle XII.
Indolreaktion nach 24stündigem Wachstum von Bact. coli in 0,5 proz.
angedautem Peptonwasser mit stickstofffreien Zusätzen. 34°.
Zusatz | - | 05% | 2,0% | 5,0%
Lactose Bee | ++ Sb: | 2:
Galaktose | . . | Ep + | 5
Mamit `... Se Jog. ER
Glycerin... . ep Fr ++
Maltose `, fa ne +++ ++
— © +++,
Zunächst galt es ihn auszuschalten. Deswegen wurde beim nächsten Versuch,
dessen Ergebnis ich auf Tabelle XIII demonstriere, der Hälfte der Kölbchen,
die hier zur Kultur benutzt wurden, als säurebindender Stoff Calciumcarbonat:)
zugefügt. Um das Fortschreiten der Indolbildung zu verfolgen, wurde alle Tage
aus jeder Kultur eine Probe der Flüssigkeit zur Untersuchung herausgenommen.
Tabelle XIII.
Kölbchen mit 0,5proz. Pty.-B-Peptonlösung und Calciumcarbonat.
Indolreaktion nach 2- bzw. 4tägigem Wachstum von Bact. coli. 34°.
fl
Ohne Calciumcarbonat | Mit Calciumcarbonat
| 2 Tage | 4 Tage
+++ | +++ | +++ | +++
_ S en
ee en Ee
2 Tage | 4 Tage
2,5°/, Glucose
2,5°/, Lactose |
Es ist das Ergebnis nach 2 und 4 Tagen hier aufgezeichnet. Da fällt vor allem
auf, daß in der neutralen glucosehaltigen Kultur die Indolreaktion zuerst negativ
ist, am 4. Tage jedoch positiv wird. Zu dieser Zeit war aber, wie sich mit Fehling-
schem Reagens nachweisen ließ, der Zucker schon restlos vergoren; damit war
1) Magnesiumcarbonat verhält sich nur insofern verschieden, als es einen
schnelleren Zuckerverbrauch ermöglicht. Es hebt also nicht die Hemmung von
vornherein auf wie bei den Gelatineversuchen! Vgl. das unten über den Einfluß
der Alkalinität Gesagte.
476 O. Arnbeck: Untersuchungen über den Einfluß der Ernährungsbedingungen
offenbar die Hemmungsursache weggefallen, und die normale Indolabspaltung
konnte einsetzen. Es lassen sich aus dieser Tatsache zwei bemerkenswerte Schlüsse
ziehen:
l. Glucose wirkt auch bei neutraler Reaktion hemmend auf die Indolbildung ein.
2. Stoffwechselprodukte — außer etwa der freien Saure — kommen zur Erklärung
der Hemmungserscheinung nicht in Betracht.
Das Ergebnis der entsprechenden Kulturen ohne Kalkzusatz beweist jedoch
nicht, wie es für sich betrachtet den Anschein haben könnte, daß nun doch die saure
Reaktion direkt die Indolabspaltung beeinträchtigt: Es war vielmehr bei Abschluß
des Versuches hier immer noch ein Rest unverbrauchter Zucker nachweisbar.
Man darf eben auch hier wieder nicht vergessen, daß mit zunehmender Säuerung
die ganze Lebenstätigkeit der Bakterien mehr und mehr eingeschränkt wird,
so daß die Zuckerverarbeitung nicht zu Ende geführt werden kann. Aus demselben
Grunde darf in sauer werdenden Medien selbst nach längerer Kulturdauer keine
größere Indolmenge erwartet werden, sofern dieses nicht gleich zu Anfang kräftig
gebildet worden ist. In diesem Sinne möchte ich das Verhalten der beiden lactose-
haltigen Kulturen deuten. Anfangs reichte die relativ große Milchzuckerkonzen-
tration zu einer weitgehenden Hemmung hin; nachher war in der sauer werdenden
Kultur die Lebenstätigkeit zu gering, um die Indolmenge wesentlich größer werden
zu lassen. In der neutralen war dagegen schon am 2. Tage die Zuckermenge offenbar
soweit reduziert, daß ihr Einfluß sich nur eben noch bemerkbar machte; die Inten-
sität der Indolabspaltung war dementsprechend schon ziemlich bedeutend. Nach
4 Tagen war dann, wie man sieht, der Hemmungseinfluß bereits völlig überdeckt.
Wir konnten also bisher feststellen, daß es im wesentlichen nur Glucose ist,
die hemmend wirkt, nicht Stoffwechselprodukte, nicht Gärungssäure.
Wenn also im Gegensatz dazu z. B. Burow!) den wesentlichen Einfluß der
Säure daraus schließen will, daß neutral vergorene zuckerhaltige Peptonlösungen
Indolbildung aufweisen, saure nicht, so kann ich ja diese Tatsache zwar bestätigen,
muß sie jedoch auf Grund meiner Versuche anders auslegen: Bei ständiger Säure-
bindung schreitet die Zuckervergärung überaus schnell voran und kann, wie meine
Versuche ergaben, in 4 Tagen schon mehr als 2,5° Glucose verarbeitet haben.
Da nach deren vollständigem Verbrauch in diesem Fall weder Stoffwechselprodukte
noch Nachwirkungen die Indolbildung aufzuhalten vermögen, ist in der Tat von
der anfänglichen Hemmung alsbald nicht mehr viel zu verspüren. Die sauer werden-
den Parallelkulturen zeigen dagegen bei erlöschender Lzbenstätigkeit keine restlose
Zuckerverarbeitung und dementsprechend dauernd negative Indolreaktionen.
Da nun Burow seine Kulturen erst bei Abschluß des Versuches auf ihren Indolgehalt
untersuchte, so konnte er allerdings leicht zu der Annahme kommen, die Säure-
wirkung sci das entscheidende Moment bei der Indolhemmung.
b) Einflüsse stickstoffhaltiger Nährstoffe.
Von vornherein weniger aussichtsreich und auch schwieriger in
ihrer Deutung waren die Versuche, die nun den Einfluß stickstoff-
haltiger Substanzen auf die Trytophanspaltung klarlegen sollten. Ihre
Ergebnisse mußten deswegen getrübt erscheinen, weil ja in meinen
Nährlösungen außer dem allein für die Indolbildung in Betracht kom-
menden Tryptophan noch eine große und unkontrollierbare Menge
stickstoffhaltiger Substanzen von unbekannter chemischer Beschaffen-
b
1) Zentralbl. f. Bakteriol., Parasitenk. u. Infektionskrankh., Abt. I Orig.,
86, 517. 1921.
auf die Gelatineverflüssigung und die Indolbildung durch Bakterien. 477
heit vorhanden war, und der Ausfall meiner Versuche wesentlich von
dem unbekannten Mengenverhältnis der verschiedenen Stoffe abhängen
mußte.
Fügte ich zu einer für Indolabspaltung vorbehandelten Peptonlösung eine
relativ große Menge Fleischextrakt, um das Massenverhältnis zuungunsten des
Tryptophans zu verschieben — Fleischextrakt enthält fast kein Tryptophan —,
so wurde die Indolbildung merklich geringer (Tabelle XIV, Spalte 1).
Tabelle XIV.
Kulturen von Bact. coli in 0,5proz. Peptonwasser (angedaut), mit
Zusatz von Glucose einerseits, Fleischextrakt (Liebig) andererseits.
Indolreaktion nach l- bzw. 6tägigem Wachstum bei 34°.
Fleischextraktgehalt | Ohne Glucose Mit 0,25% Glucose
% | 1 Tag | 6 Tage 1 Tag 6 Taxe
— [+++'+++| - | >
0.25 nr Dr — EE 1 ++
1,0 > ++i +| +. 4
Gab ich Fleischextrakt jedoch zu einer Pepton-Glucoselösung, in der normaler-
weise eben keine Indolabspaltung mehr auftritt, so war diese wenigstens nach nicht
allzu kurzer Kulturdaucr wieder zu konstatieren, und zwar annähernd genau so
stark als ob die Glucose gar nicht vorhanden gewesen wäre (Tabelle XIV, Spalte 2).
Hieraus glaube ich auf Grund meiner bei der Gelatineverflüssigung ge-
wonnenen Erfahrungen den Schluß ziehen zu dürfen, daß das aus dem Fleisch-
extrakt abgespaltene Alkali durch Neutralisierung der Ciärungssäure den völligen
Verbrauch der geringen Zuckermenge ermöglicht und dadurch eine nachträgliche
Tryptophanzersetzung möglich macht, soweit wenigstens, wie das überhaupt
die große Menge anderer stickstoffhaltiger Nährstoffe zuläßt. Denn daß diese
dadurch, daß sie offenbar zum Teil leichter assimilierbar sind und infolgedessen
energischer verarbeitet werden, das Tryptophan weitgehend vor dem Verbraucht-
werden schützen können, das haben schon Versuche Distasos!) gelehrt. Dieser fand,
daß Tryptophan, als einziger Stickstoffnährstoff geboten, viel ausgiebiger und
hemmungsloser verarbeitet wird als im Gemisch mit Asparagin. Wir haben uns
also den Zusammenhang etwa folgendermaßen vorzustellen: Bei Vorhandensein
einer guten Kohlenstoff- und Energiequelle ist der Bedarf an stickstoffhaltiger
Nahrung sehr vermindert; infolgedessen trifft der Organismus unter den ihm zur
Verfügung stehenden N-haltigen Stoffen eine Auswahl derart, daß er leicht spaltbare
Substanzen bevorzugt (Prinzip der elektiven Stoffaufnahme nach Pfeffer?). So
fällt denn auch die Indolabspaltung aus, wenn Glucose Hauptnährstoffquelle
ist. Wird dagegen der gesamte Bedarf aus stickstoffhaltigem Material bestritten,
so unterliegt das Tryptophan stets mehr oder weniger ausgiebig der Verarbeitung;
deren Ausmaß hängt allein von dem Verhältnis der Tryptophankonzentration
zu der der anderen stickstoffhaltiren Bestandteile des Nährsubstrates ab. Dieses
Verhältnis, das ich als die „relative Tryptophankonzentration‘“ bezeichnen möchte,
bestimmt die zur Hemmung erforderliche Mindestkonzentration von Glucose,
nicht die Gesamtkonzentration der stickstoffhaltigen Nährstoffe überhaupt.
Ro kommt es, daß, wie ein Versuch zeigte, die zur Hemmung notwendige Glucose-
1) Cpt. rend. des séances de la soc. de biol. 75, 200. 1913.
2) Jahrb. f. wiss. Bot. 28, 205. 1895.
478 O. Arnbeck: Untersuchungen über den Einfluß der Ernährungsbedinrungen
konzentration in hohem Maße unabhängig von der Konzentration der tryptophan-
haltigen Peptonlösung ist.
Wie schon eingangs erwähnt wurde, ist der Vorgang der Indolabapaltung
von der Gelatineverflüssirung dadurch grundsätzlich unterschieden, daß er enger
an das lebende Plasma geknüpft ist als diese. Ein tryptophanspaltendes Enzym
ist bisher nicht nachgewiesen worden; auch meine diesbezüglichen Versuche
verliefen völlig negativ. So geht man wohl nicht fehl, wenn man diese Spaltung
einem innerhalb der Zelle wirkenden Enzym ähnlich der Zymase zuschreibt oder
das lebende Plasma selbst dafür verantwortlich macht. .‚Tedenialis fallen hier
alle Spekulationen über Enzymsekretion fort.
Hieraus erklärt sich vielleicht auch die auffallende Unabhängigkeit
der Indolbildung von Alkalinität und Acidität des Nährsubstrats. Als
Belege für diese Tatsache möchte ich zwei Versuchsergebnisse anführen:
Tabelle XV.
Angedaute Peptonlösung (LO) mit Milchsäurezusatz steigender Kon-
zentration. Bact. coli. 48stündige Kultur bei 34°.
EES Wachstum . Indolbildung
= ee tr
o.l +++ 4- +
0.2 -+- (+)
0.3 | e =
Das eine (Tabelle XV) zeigte mir, daß ein Zusatz von freier Milchsäure in
gleichem Schritt mit dem Wachstum auch die Indolbildung einschränkt, das
andere (Tabelle ANIL, daß ein Neutralisationsmittel, auch Ammoniak, nur in dem
Ausmaße förderlich auf die Indolbildung wirkt, als es in glucosehaltigen Kulturen
durch Unschädlichmachung der Gärungssäure eventuell einen restlosen Zucker-
verbrauch ermöglicht. Dementsprechend tut sich die Förderung gegenüber den
alkalifreien Kontrollen hier erst nach längerer Kulturdauer, also offenbar nach
völligem Zuckerverbrauch kund.
Tavelle XVI.
Angedautes Peptonwasser (0,5%) mit 0,25 proz. Glucose und Ammoniak-
zusatz. Bact. coli. 34°.
Indolreaktion
Ammoniakzusatz ur e së
Dach 18 Std. | nach 48 Std.
t u | ER ==
1°/, normal = +
Zi „ ES | +
2 lo WI = +
Kontrollen ohne Glucose: +++
Anhangsweise möchte ich noch erwähnen, daß sich nichtindolbildende Dauer-
modifikationen trotz zahlreicher Versuche niemals haben züchten lassen. Die
Hoffnung, daß es auf diese Weise gelingen könnte, aus dem Bact. coli commune
(sog. „Darmcoli‘‘) das öfters beschriebene Bact. coli anindolicum (sog. „Grascoli‘‘)
zu züchten, erfüllte sich also nicht. Besonders hervorzuheben ist noch, daß auch
auf die Gelatineverflüssieung und die Indolbildung durch Bakterien. 479
die oben beschriebenen modifizierten X 19-Stämme, die nicht mehr Gelatine ver-
flüssigten, in ihrem Indolbildungsvermögen keineswegs hinter den typischen
Stämmen zurückstehen. Es scheint also, als ob die Indolbildungsfähigkeit eine
viel fester verankerte Eigenschaft als das Gelatineverflüssigungsvermögen ist;
sie kann zwar unter besonders kräftigen Einflüssen abweichender Nährstoffzufuhr
ganz vorübergehend latent werden, ist jedoch anscheinend nicht so leicht für
längere Dauer auszulöschen.
Zusammenstellung der wichtigsten Versuchsergebnisse.
1. Hindernd auf die Gelatineverflüssigung sowohl wie die Indol-
bildung wirkt bei einer Anzahl von Bakterienstämmen die Anwesen-
heit leicht »similierbarer stickstoffreier Nährstoffe, insbesondere der
Glucose. Schon in einer Konzentration von 0,1% bei der Gelatine-
verflüssigung durch Bact. vulgare (X 19), von 0,08%, bei der Indol-
bildung durch Bact. coli war unter günstigen Versuchsbedingungen
völlige Sistierung zu erzielen.
2. Die Gelatineverflüssigung ist leichter zu beeinflussen als die
Indolbildung;; 0,1% Glycerin hebt erstere auf, letztere nicht.
3. Die Produktion gelatineverflüssigender Enzyme wird durch die
Anwesenheit von freiem Ammoniak gefördert. Infolgedessen sind
auch fixe Alkalien sowie auch solche Stoffe, aus denen Alkalien ab-
gespalten werden (Salze organischer Säuren), von günstigem Einfluß
hierauf, indem sie offenbar Ammoniak in Freiheit setzen. — Für die
Indolbildung sind entsprechende Förderungseinflüsse nicht nachzu-
weisen, es sei denn, daß sie lebenschädigende Säureeinflüsse kom-
pensieren (vgl. 4).
4. Die bei der Vergärung des Zuckers usw. frei werdende Säure
beeinträchtigt die Gelatinespaltung sowohl wie die Indolbildung nur
insofern, als sie die Lebenstätigkeit der Bakterien herabsetzt und
dadurch eine restlose Verarbeitung und Beseitigung hemmender Kohlen-
stoffverbindungen verhindert. Auf die Gelatineverflüssigung wirkt sie
auch dadurch ein, daß sie die unter 3. genannten fördernden Einflüsse
zurückdrängt.
5. Andere Stoffwechselendprodukte kommen zur Erklärung der
Hemmungserscheinungen nicht in Betracht. Diese sind also im wesent-
lichen eine Folge der direkten Einwirkung von Glucose usw. auf das
Gelatinase- bzw. Indolbildungsvermögen.
6. Das Gelatinespaltvermögen kann durch einen nachwirkenden
Einfluß der bei der Vergärung des Zuckers gebildeten Säure für längere
Zeit verloren gehen. Für die Funktion der Indolabspaltung ist Ent-
sprechendes nicht nachzuweisen.
7. Beweglichkeit und Schwärmvermögen gehen durch Zucker eben-
falls, jedoch nur für die Dauer der Einwirkung verloren.
mm a aee
Zur Herzwirkung der Alkohole in Beziehung zu ihrer
chemischen Konstitution.
Von
P. Wolft.
(Aus dem Pharmazeutischen Institut der Universität Berlin.)
(Eingegangen am 21. Juni 1922.)
Mit 3 Abbildungen im Text.
Bei Versuchen aus der Reihe der Herzgifte am überlebenden Frosch-
herzen mußte den Stammlösungen Methylalkohol zugesetzt werden,
um die Stoffe in Lösung zu bringen. In Anbetracht der bekannten
Wirkungen der Alkohole war zu fragen, ob der seitens des Herzgiftes
selbst zu erwartende systolische Effekt nicht durch den Alkoholgehalt
der Giftlösung verstärkt oder abgeschwächt, jedenfalls beeinflußt
werde. Mit der Klärung dieser Frage wurden gleichzeitig die prinzipiellen
Wirkungen der niederen Alkohole der aliphatischen Reihe auf das
Froschherz festgestellt.
Die älteren Untersucher arbeiteten mit behelfsmäßiger Methodik;
die so fraglos hervorgerufenen stärkeren Schädigungen der Herzen aus
anderer Ursache als der beabsichtigten Giftwirkung lassen ihre Ergeb-
nisse nur in großen Zügen verwerten. Vernon!) band eine Kanüle in
die Aorta von Emys europea ein und durchströmte deren Herzen mit
den Alkohollösungen unter gleichzeitiger Umspülung der Herzoberfläche
mit denselben Alkoholkonzentrationen. Er fand, daß die Depressions-
wirkung der Alkohole vollständig ihrer narkotischen Wirkung auf Kaul-
quappen nach Orerton entspricht. Dold?) arbeitete an ausgeschnittenen
Temporarien- und Esculentenherzen, die er auf ein Korkplättchen
aufspießte und mit der zu prüfenden Alkohollösung umspülte. Dold
bestätigt die Gültigkeit des Richardsonschen?) Gesetzes, daß die Giftig-
keit der Alkohole mit steigender Kohlenstoffzahl und steigendem Mole-
kulargewicht zunimmt, und beobachtete, daß bei geeigneten Konzen-
1) Journ. of physiol. 41, 194. 1910; 43, 325. 1911.
2) Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 112, 600. 1906.
3) Med. times and gaz. 2, 703. 1869.
P. Wolff: Herzwirkung d. Alkohole in Bezieh. zu ihrer chem. Konstitution. 481
die sich am Anstieg der Schlagzahl und — selten — auch der Kraft
erkennen läßt, dann eine Lähmung, begleitet von den entgegengesetzten
Symptomen.
Die eigenen, im vergangenen Winter durchgeführten Beobachtungen
wurden an Herzen von Temporarien mittlerer Größe durchgeführt.
Die isolierten Herzen arbeiteten an der Straubschen Kanüle. Die Füllung
der Glaskanüle betrug stets 0,5 ccm. Die notwendigen Verdünnungen
wurden mit Ringerlösung hergestellt.
Methylalkohol: Eine 0,02 proz. Lösung, wie sie bei den obenerwähn-
ten andersartigen Untersuchungen schließlich vorlag, ist ohne sichtbare
Wirkung auf das Herz. 1 proz. Lösungen führen zu einer Depression der
Schlaghöhe auf etwa !/, der ursprünglichen. Hier wie bei allen folgen-
den Vergiftungen ist die negativ inotrope Alkoholwirkung reversibel.
Die charakteristische Me-
thylalkoholwirkung wird
deutlich bei konzentrierteren
Lösungen (3n, 6n): diasto-
lischer, ein wenig zur Mittel-
stellung neigender Stillstand,
der durch Ersatz der Gift-
lösung durch reine Ringer-
lösung vollständig zu behe-
ben ist; Schlaggröße und
Schlagfolge erreichen schnell Methylalkohol. Temporaria 3 34g. 10 Minuten
wieder ihre Anfangswerte. Bei Me 0,5 ccm 8 n-Methylalkohol. später.
Br en Lt Y R = Auswaschen mit Ringerlösung.
Eine Dauerschädigung ist Abb. 1.
nicht zu beobachten ; vergiftet
man die wieder erholten Herzen von neuem, so ist die Wiederherstel-
lung der Herzaktion in gleicher Zeit und durch gleich häufiges Aus-
waschen zu erreichen wie bei der ersten Alkoholisierung; daß keine
bleibende Schädigung vorliegt, die sich ja aus der Wirkung etwa im
Gewebe festhaftenden Methylalkohols erklären lassen könnte!), zeigt
sich auch darin, daß solche Herzen ohne besondere Maßnahmen im März
bei einer Zimmertemperatur von 13° nach 17 Stunden (über Nacht) noch
schlagen, wenn natürlich auch ermüdet.
Äthylalkohol: Als Charakteristicum des Vergiftungsbildes (2n- und
4n-Lösungen) ist die Neigung zum Stillstand in Mittelstellung?) hier
erheblich deutlicher ausgeprägt als beim Methylalkohol. Zur Wieder-
herstellung der Aktion ist, besonders bei den höheren Konzentrationen,
häufigeres Auswaschen als beim Methylalkohol notwendig; die Gift-
1) Spiro, diese Zeitschr. 127, 299. 1922.
2) Dieballa (Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 34, 137. 1894) beobachtete
am Williamsherzen bei 9,4proz. Lösung diastolischen Stillstand.
482 P. Wolff:
wirkung erscheint also verstärkt. An dem wieder arbeitenden Herzen |
ist deutlich die bekannte exzitierende Wirkung des Äthylalkohols!)
zu beobachten, die sich in einer deutlichen Verstärkung der Gesamt-
evolution, in erhöhter Schlagzahl und besonders in kräftigerer systo-
lischer Kontraktion kundgibt, die auch durch systolisch vergrößerte
Schlaghöhe gekennzeichnet wird. |
Wiederholte Vergiftung des gleichen Herzens erzeugt stets wieder
das gleiche Bild; eine wesentliche Schädigung des Herzens ist nicht
festzustellen, nur wird der Wiederbeginn der Aktion etwas heraus-
gezögert, läßt dann aber stets die geschilderte kräftige analeptische
U
IW: elt wu)
dra
, ba €
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a HL y »
f F d | Kl { $ i i
d t i d
if $ BP
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pimi
Bi
|
Athylalkohol. Tempo- Bei A 0,5 ccm 2n-Äthylalkohol. R = Auswaschen mit Ringer-
raria Ș 34 g. lösung.
Zeitmarkierung : 80 Sekunden (für alle 3 Kurven gültig).
Abb. 2.
Wirkung erkennen. Dauerschädigungen sind auch hier nicht zu be-
obachten; ohne irgendwelche Erhaltungsmaßnahmen schlagen die aus-
gewaschenen Herzen über Nacht weiter.
Isopropylalkohol: Bei gleichen molekularen Konzentrationen ist |
hier eine systolische Richtung des in Mittelstellung erfolgenden Still- |
standes unverkennbar; der Ventrikel ist halbkontrahiert. Die Gift-
wirkung ist gegenüber den beiden niederen Alkoholen offensichtlich
verstärkt; das zeigt sich schon deutlich an der größeren Schwierigkeit, !
die Herzen durch Auswaschen mit Ringerlösung wieder zum Schlagen |
zu bringen. Prinzipiell ist die Reversibilität auch hier vorhanden; aber |
selbst bei gehäuftem Auswaschen brauchen diese Herzen bis zur doppel-
1) Am Katzenherzen: O. Loeb (Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 52, 459.
1905).
flerzwirkung der Alkohole in Beziehung zu ihrer chemischen Konstitution. 483
ten Zeit der Methylalkoholher-
zen, bevor sie mit ihrer Aktion
wieder beginnen. Die Erholungs-
periode zeigt nicht den regel-
mäßigen Verlauf der nach der
systolischen wie diastolischen
Seite etwa gleichmäßig zu-
nehmenden Schlaggröße und all-
gemeinen Herzaktion, sondern ist
im Anfang häufig durch Allo-
rhythmien, u. U. auch kurzen
diastolischen Ventrikelstillstand
unterbrochen. Im Endeffekt ist
aber auch hier eine vollständige
Wiederherstellung zu verzeich-
nen, die auch, wie beim Äthyl-
alkohol, eine (allmählich zurück-
gehende) Verstärkung der Ge-
samtaktion beobachten läßt.
Wiederholung der Vergiftung
am gleichen Herzen gibt gleiche
Auswaschen mit Ringerlösung.
Bilder ohne Anzeichen gehäufter k 7
Schädigung. Dauerschädigung ist a?
ebensowenig wie bei Methyl- und =
Äthylalkohol festzustellen; nach G
24 Stunden (ohne besondere Er- S
haltungsmaßnahmen) ist die 5
Herzaktion noch regelmäßig, A
Schlaghöhe und Schlagzahl sind ja
gegen den Vortag so gut wie un- 8
verändert. d
Zusammenfassend ist zu sa- z
gen, daß Wirkungen anderer
Herzgifte nicht durch niedrige ù
Konzentrationen der 3 geprüften a
Alkohole beeinflußt werden. — E
Für herzwirksame Konzentra- £
tionen muß in Anlehnung an die 3
=
älteren Mitteilungen der Litera-
tur und damit im Gegensatz zu
manchen neueren Arbeiten die
Gültigkeit des Richardson schen
Gesetzes für Methyl-, Äthyl- und
Isopropylalkohol.
484 P. Wolff: Herzwirkung d. Alkohole in Bezieh. zu ihrer chem. Konstitutior.
Isopropylalkohol am Aaltblüterherzen bestätigt werden. Die Wirkung
dieser Alkohole ist reversibel; bei den beiden höheren zeigt sich eine
deutliche excitierende Wirkung nach Wiederbelebung, die beim Methyl-
alkohol nicht zu beobachten ist. Dauerschädigung war nicht fest-
zustellen. Der Kontraktionszustand der Herzen ist beim Methyl-
alkohol diastolisch und nimmt mit steigender homologer Reihe eine
mehr systolische Richtung an. Die Ursache derselben sowie vergleichs-
mäßig die Einwirkung anderer Alkohole soll in weiteren Arbeiten unter-
sucht werden, die aus äußeren Gründen bisher noch nicht durchgeführt
werden konnten.
Der isoelektrische Punkt des Globins.
Von
Shungo Osato (Sendai, Japan).
(Aus dem Biochemischen Laboratorium der Vereinigten Fabriken für Labora-
toriumsbedarf in Berlin.)
(Eingegangen am 21. Juni 1922.)
Die isoelektrischen Punkte sämtlicher bisher untersuchter Eiweiß-
körper tierischer Herkunft liegen bei saurer Reaktion, der des Hämo-
globulins fast genau bei neutraler Reaktion!). Es war von Interesse, nach
cinem Eiweißkörper zu suchen, dessen isoelektrischer Punkt bei alka-
lischer Reaktion liegt. Nach den bekannten Angaben über die Fällungs-
möglichkeit bei alkalischer Reaktion konnte man vermuten, daß das
Globin die gesuchten Eigenschaften hat. Dies war um so wahrschein-
licher, als das Globin in Form von Diaminosäuren viele basische
Bausteine besitzt. Da in zahlreichen Fällen das Fällungsoptimum
globulinartiger Eiweißkörper sich als identisch mit dem durch Kata-
phorese bestimmten isoelektrischen Punkt erwiesen hat, so begnügten
wir uns damit, das Fällungsoptimum bei variiertem Py zu bestimmen.
Das Globulin wurde nach der Methode von Strauss und Grülzner?)
nach der Modifikation von @lässner?) aus sorgfältig gewaschenen Rinder-
blutkörperchen dargestellt. In der Lösung der Blutkörperchen wurde
das Globin durch Zusatz von Ammoniak gefällt, auf einer Nutsche
gesammelt, mit etwas Essigsäure gelöst und in derselben Weise wieder-
holt mit Ammoniak umgefällt. Zum Schluß wurde die so gut wie farb-
lose, essigsaure Globinlösung 10 Tage lang in Diffusionshülsen von
Schleicher und Schüll gegen häufig gewechseltes Wasser dialysiert.
Diese Lösung stellt zum Schluß eine klare, spurweise graugelblich
gefärbte Flüssigkeit dar, in welcher z. B. durch Sulfosalicylsäure eine
Eiweißfällung erzeugt werden konnte, die einen Eiweißgehalt von einem
oder einigen Promille entsprechen dürfte, und welche daher zur Be-
stimmung des Fällungsoptimums weitaus genügend Substanz enthält.
Die Lösung wurde gemäß folgendem Versuchsprotokoll mit Puffern
von NH, (variierte Mengen) und NH,Cl (konstante Mengen) versetzt,
gemäß dem Prinzip der Reihe mit geometrisch abgestufter Wasserstoff-
ionenkonzentration und konstantem Salzgehalt.
Sh. Osato:
486
(CO usyguoyond) wəp pu oytoy Jayasıryvıuoad ur SIIN)
ER T DER WB: Ed Ip | 82 CL l GL p — | — | Ir ` ` ` Bunsod
| | , (ie) (ua1gdigg we) (uge) |
“ posado Zungnı]j,Aungns], " y e Bung) H Ted S * * Unur G yovu
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BUMM, ZungnIL Je} irre gaujos
WII JUnspfurgo]g)
E Sr rr WD Csap nby
Z & i D e D D ° 1193 IO’HN "u
de‘ = Pr | | i 0'0 | | e es ss UD EU N-O u
+
UJIO Rp JIMUNN
zt yonsıo
-atatdetaegt sje Ua3joF ayansıaa AZ
Isoelektrischer Punkt des Globins. 487
Do wurde zum Schluß nach der Methode von Michaelis‘) mit m-Nitro-
phenol unter Anwendung des Komparators mit Matt- und Blauscheibe
bestimmt. Zur elektrometrischen Bestimmung eignen sich die NH,-
haltigen Lösungen nicht, aber die Indicatorenmethode leistete gute
Dienste und entsprach auch in bezug auf Empfindlichkeit allen An-
sprüchen. Es ergab sich als Fällungsoptimum Py = 8,1 mit der Maß-
gabe, daß po = 7,8 bestimmt viel zu wenig und 8,3 bestimmt zu viel
ist. Daher dürfte die Angabe 8,1 + 0,1 als sicher zutreffend zu be-
trachten sein. Abgesehen von dem für tierische Eiweißkörper bisher
einzig dastehenden Falle eines isoelektrischen Punktes von alkalischer
Reaktion zeigt dieser Fall aufs neue, wie die physikochemischen Eigen-
schaften der eiweißartigen Kolloidlösungen aufs engste verknüpft sind
mit der chemischen Konstitution, und daß die sog. kolloidchemische
Auffassung der Eiweißlösung nicht unabhängig von der rein chemischen
existieren kann, ein Standpunkt, der von denjenigen Kolloidchemikern,
welche den Dispersionszustand oder andere physikalische Eigenschaften
zum Fundament für die Eiweißkolloidchemie machen, nicht immer
gebührend berücksichtigt worden ist.
Literatur.
1) L. Michaelis, Die Wasserstoffionenkonzentration. 1. Aufl., Berlin 1914.
— ?) Strauß und Grützner, Zeitschr. f. physikal. Chem. 112. 167. 1921. —
3) Karl Glässner, Diese Zeitschr. 127, 313. 1922. — *) L. Michaelis, Praktikum der
physikalischen Chemie usw. Berlin 1921, S. 38. — Einige Literatur über Globin:
Schulze, Zeitschr. f. physiol. Chem. 24, 449. 1898. — Kossel, Zeitschr. f. physiol.
Chem. 49, 314. — Abderhalden, Biochemische Arbeitsmethoden Bd. II, S. 444.
Biochemische Zeitschrift Band 182. 32
Über einen einfachen und wirksamen Laboratoriumsapparat
zur Ultrafiltration proteinhaltiger Sole.
Von
G. Giemsa.
(Aus dem Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten in Hamburg.)
(Eingegangen am 27. Juni 1922.)
Mit 2 Abbildungen im Text.
Obschon die Apparate zur Filtration durch Kolloidmembranen in
den letzten Jahren wesentlich vervollkommnet worden sind und in
vieler Hinsicht Zufriedenstellendes leisten, bereitet die Ultrafiltration
der sog. hydratisierten Emulsoide immer noch recht erhebliche Schwie-
rigkeiten. Sie stellen sich besonders dann ein, wenn es sich um die Ge-
winnung größerer Mengen von Ultrafiltrat handelt und bestehen haupt-
sächlich darin, daß die Schnelligkeit der Filtration, obschon sie anfangs
recht zufriedenstellend sein kann, meist sehr bald erheblich abnimmt,
um schließlich nach einiger Zeit praktisch auf den Nullpunkt herab-
zusinken.
Dieser Übelstand ist in dem System begründet, nach welchem die
gebräuchlichen Apparate gebaut sind. Die Vorrichtungen zeigen näm-
lich fast durchweg die Form eines (gewöhnlichen, bzw. Büchner-) Trich-
ters und die filtrierende Membran ist so angebracht, daß sich die Kol-
loide nach Abgabe des Dispersionsmittels in Form einer immer dichter
werdenden gelartigen Masse auf der Membran auflagern und diese in
unerwünschter Weise immer mehr verdicken und verdichten. Hier-
durch wird nicht allein die Filtrationsgeschwindigkeit geringer, sondern
die Durchlässigkeit der Membran erfährt auch Veränderungen quali-
tativer Art. Da zu diesen Kolloiden auch das Eiweiß gehört, protein-
haltige Flüssigkeiten aber bei biochemischen Forschungen eine Haupt-
rolle spielen, ist es begreiflich, daß sich genannte Übelstände auf die-
sem Gebiete besonders fühlbar machten.
Es hat nicht an Versuchen gefehlt, dieser Schwierigkeiten Herr zu werden.
Es sei zunächst auf die Rührvorrichtungen hingewiesen, die s. Z. von Bechhold!)
und Wo. Ostwald?) angegeben worden sind. Es mag sein, daB man sie mit dem
Bechholdschen Apparat, über welchen ich keine Erfahrungen besitze, zum Teil
G. Giemsa: Ultrafiltration proteinhaltirer Sole. 489
überwinden kann. Diese Vorrichtung, bei welcher mit sehr hohem Druck gearbeitet
wird, ist aber, wie aus der Gebrauchsanweisung hervorgeht, nicht ganz einfach
zu handhaben, auch ist sie wegen ihres hohen Preises nicht jedem Laboratorium
zugänglich. Jedenfalls hatten entsprechende Versuche, die bei einfacheren Trichter-
apparaten angestellt wurden, keinen zufriedenstellenden Erfolg, abgesehen davon,
daß die Apparate hierdurch recht unhandlich wurden und daß die Membran durch
die Rührflügel leicht verletzt werden konnte.
Andere Bestrebungen gingen dahin, der filtrierenden Membran von vorn-
herein eine Lage zu geben, welches ein Festsetzen des eingeengten Kolloids auf
derselben unwahrscheinlich machte. Man versuchte dies dadurch zu erreichen,
daß man keramische Filter geeigneter Form und Dichte (Pukalzellen, Berkefeld
Chamberlandfilter u. dgl.) „außen“ mit einer Membran überzog und dann unter
Anwendung von Vacuuindruck durch die Membran von außen nach innen hindurch-
filtrierte. Eine solche Vorrichtung ist meines Wissens zuerst von Prowazek?) bzw.
Godoy*) und Giemsa bei Studien über Hühnerpestvirus und Diphtherieserum mit
Erfolg benutzt und auch näher beschrieben worden. Wird hiermit filtriert, so
setzt sich das eiweißhaltige Sol, nachdem es einen Teil des Dispersonsmittels ab-
gegeben hat, nicht auf der Membran ab, sondern gleitet von dieser infolge seiner
nunmehrigen größeren Dichte herab und sammelt sich unterhalb der Filtrierzelle
an, dabei immer neuen verdünnteren Flüssirkeitsschichten Platz machend*).
Wenn auch hierbei die Filtriergeschwindigkeit bei Beginn der Filtration vielleicht
nicht größer ist als bei den Trichterapparaten, so bleibt sie infolge der selbsttätigen
Entfernung des eingeengten Kolloids von der Membran auf längere Zeit hinaus
einigermaßen konstant, so daß leicht größere Mengen solchen Kolloids bzw.
Ultrafiltrates gewonnen werden können.
Indessen haften den keramischen Zellen verschiedene Übelstände an. Erstens
adsorbieren sie unter Umständen erhebliche Mengen von Substanzen, auf deren
Gewinnung es gerade ankommen kann, zweitens lassen sie sich, wie dies bei der
Filtration von Farbstoffen besonders sinnfällig in Erscheinung tritt, schwer von
solchen Substanzen reinigen, so daß sie meist nur ein einziges Mal benutzt werden
können, wodurch sich das Arbeiten recht kostspielig gestaltet. Zellen aus Porzellan
setzen außerdem infolge ihrer Dichte die Filtrationsgeschwindigkeit von vorn-
herein nicht unerheblich herab.
In letzter Zeit wurde noch von Zsigmondy?) und Bachmann eine, offenbar eine
ähnliche Wirkung anstrebende, von Winkel hergestellte Filterkammer beschrieben,
bei welcher die von genannten Forschern angegebenen Membranfilter-Platten
Verwendung finden. Gegenüber den beschriebenen Zylindertauchfiltern weist der
Apparat indessen manchen Nachteil auf, denn einerseits behindern die an der
Kammer befindlichen überstehenden Ringe bis zu einem gewissen Grade das Ab-
gleiten des Kolloids von der Membran, ferner erfordert die Kammerform relativ
große Mengen von Filtriergut, vor allem aber bilden die zahlreichen Verschrau-
bungen, welche die beiden Kammerhälften zusammenhalten, eine Quelle für Ver-
unreinigungen, die bei subtileren Arbeiten in hohen Grade unerwünscht sind.
Dagegen hat sich mir ein nebenstehend abgebildetes (Abb. 1 u. 2)
neues Tauchfilter aufs beste bewährt. Es besitzt alle Vorteile der an-
fangs beschriebenen keramischen Zylinderfilter ohne deren Nachteile
und ist andererseits im Gegensatz zur Winkelschen Filterkammer völlig
*) Daß die herabgerlittene Schicht dichter ist als die obere, kann man leicht
an der Schlierenbildung erkennen, die beobachtet wird, wenn man z. B. Serum
oder Gummi-Arabicum-Lösung ultrafiltriert und die nicht durchs Filter gegangene
Flüssigkeit, gegen das Licht haltend, vorsichtig umrührt.
32?
490 G. Giemsa:
frei von irgendwelchen Verschraubungen. Es besteht im wesentlichen
aus einem reagensglasförmigen Porzellanzylinder, einer dazu passenden
Hülse aus Filtrierpapier und der eigentlichen Filiriermembran. Ersterer
ist außen und innen glasiert und in seinem unteren, geschlossenen Teil
siebartig durchlocht. Die aus einem Stück gepreßte Hülse ähnelt in
Form den Soxhlethülsen und bildet die unmittelbare Unterlage für die
je nach Bedarf zu bereitende Filtriermembran.
Um den Apparat mit einer solchen, beispielsweise mit einer Kollodium-
membran zu verschen, verfährt man folgendermaßen. Man stülpt zu-
nächst die Hülse soweit über den perforierten Teil des Zylinders, bis
sie überall prall anliegt. (Die Hülse ist so lang, daß ihr oberer Rand
dann etwa einen Zentimeter über den durchlochten Teil des Zylinders
Abb. I. Apparat mit fertig montiertem Filtrier- Abb. 2 Apparat mit Filtrier-
zylinder I6x 1,8 cm. zylinder 8x0,9 cm, in der Mitte:
Hülse aus Filtrierpapier.
hinausreicht.) Sodann wird die Hülse gut mit Wasser angefeuchtet,
jedoch nicht so intensiv, daß sich bei vertikaler Lage an ihrem untersten
Ende Tropfen bilden*). Jetzt wischt man den unbedeckten Teil des
Zylinders völlig trocken ab, taucht bis etwa Lem über den oberen
Hülsenrand in Kollodium hinein, zieht heraus und sorgt durch Drehen
des Zylinders für eine möglichst gleichmäßige Verteilung des Kollodiums.
Hat sich nach einiger Zeit ein Häutchen gebildet, so fügt man nach
ein- bis zweimaliger Wiederholung der gleichen Prozedur**) das Ab-
saugerohr der Vorlage in den Apparat und hängt diesen so tief ins
*) Gegebenen Falls kann man die überschüssige Flüssigkeit leicht dadurch
entfernen, daf man die Hülse auf einer Lage trockenen Filtrierpapiers einige Male
hin und her rollt.
**) Sollte wider Erwarten einmal der obere Hülsenrand etwas zu weit geraten
sein und nicht gut anliegen. so empfiehlt es sich, zum Schluß den dort entstehenden
Zwischenraum mit dichterem Kollodium zu überpinseln.
Ultrafiltration proteinhaltiger Sole 491
Wasser, daß die ganze Membran hiermit bedeckt ist. Nach etwa !/,-
stündiger Wässerung entfernt man die letzten Reste des Kollodium-
Lösungsmittels dadurch, daß man den Zylinder in frisches Wasser*)
taucht und unter Anstellen der Luftpumpe eine Zeitlang hindurch
filtriert. Nunmehr ist der Apparat verwendungsbereit.
Die eiweißhaltigen Sole filtriert man am besten aus einem unten
verjüngten und in einen Hahn auslaufenden graduierten Glaszylinder
(s. Abb. 1), indem man den Hahn so weit öffnet, daß von dem ein-
geengten Kolloid soviel abtropft, als dem übergegangenen Ultrafiltrat
entspricht. Die ersten Anteile dieses Filtrates gießt man fort, da sie
vornehmlich aus dem von der Papierhülse beim Auswaschen auf-
genommenen Wasser bestehen. Man achte darauf, daß von der zu
filtrierenden Flüssigkeit immer rechtzeitig nachgegossen wird, so daß
die ganze Membran dauernd von Flüssigkeit umspült ist, da sie sonst
eintrocknet und rissig wird. Das Absaugerohr läßt man zweckmäßig
dicht über dem Boden des Filtrierzylinders münden und setzt auf
sein Ende, um diesen nicht zu beschädigen, einen kurzen, unten mit
zahnförmigen Ausschnitten t versehenen Gummischlauch. Unterbricht
man, nachdem ein gutes Vacuum erzeugt ist, die Verbindung zwischen
Luftpumpe und Vorlage durch Schließen des an letzterer befindlichen `
Hahnes, so kann man auch bei abgestellter Pumpe erfolgreich weiter-
arbeiten.
Da die Porzellanzylinder glasiert sind und daher leicht gereinigt
und immer wieder benutzt werden können, kommt beim Arbeiten nur
ein Verbrauch von Papierhülsen in Frage.
Zurzeit sind Zylinder (nebst passenden Hülsen) in zwei Größen er-
hältlich (bei F. u. M. Lautenschläger, Berlin N 39, Chausseestr. 92),
von denen die kleinere Sorte (etwa 8 x 0,9 cm) hauptsächlich für mikro-
biologische Zwecke, die größere (etwa 16 x 1,8 cm) für die allgemeine
Laboratoriumspraxis bestimmt ist**).
Um Mißverständnissen vorzubeugen, sei betont, daß die Überlegen-
heit des beschriebenen Apparates gegenüber solchen anderer Systeme
aus den bereits anfangs erwähnten Gründen vorzugsweise beim Fil-
trieren hydratisierter Emulsoide zum Ausdruck kommt. So hat sich die
Vorrichtung in erster Linie bei Arbeiten aufs beste bewährt, bei denen
es sich um die Gewinnung größerer Mengen eiweißfreier Ultrafiltrate
aus proteinhaltigen Solen handelte, wie uns solche in so mannigfaltiger
Weise in den Körperflüssigkeiten von Tier und Pflanze entgegentreten.
*) Bei Untersuchungen auf hämolytische Substanzen wird man mit physiol.
Kochsalzlösung auswaschen.
**) Auch die Herstellung noch größerer Zylinder und von Kolonnenapparaten,
auch solchen, welche ein Arbeiten unter Druck von mehreren Atmosphären ge-
statten, ist in Angriff genommen,
492 G. Giesma:
ös Ist selbstverständlich, daß die Leistungsfähigkeit hierbei variabel
ist und von verschiedensten Umständen, vor allem von der Porenweite
der verwendeten Filtriermembran abhängt. Da die Filtriergesch windig-
keit erfahrungsgemäß bei den Ultrafiltern im allgemeinen, so auch bei
den beschriebenen selbst bei anscheinend ganz gleicher Herstellungs-
weise der Membran mitunter nicht unerheblich variiert, ohne daß im
“inzelfalle genauere Gründe hierfür angegeben werden können, haben
zahlenmäßige Angaben hierüber nur untergeordneten Wert und es kann
daher von solchen abgesehen werden. Außerordentlich fördernd wirkt
das Anfeuchten der Hülse mit Wasser vor dem Überziehen mit Kol-
lodium, eine Methode, die bekanntlich von Ostwald®) für seinen trichter-
förmigen Spontanfilter angegeben und wissenschaftlich erklärt worden
ist. Man verbindet hierdurch gewissermaßen die Vorteile des Ostwald-
schen Filters mit denen, welche der zylindrische Eintauchfilter im all-
gemeinen bietet. Die Gewinnung eiweißfreien Ultrafiltrates gelingt in
der Regel mit einer aus 6—7 proz. Kollodium hergestellten Membran
und ein sachgemäß vorbereitetes 16x 1,8 cem-Filter liefert selbst aus
unverdünntem Serum in wenigen Stunden eine für viele Untersuchungen
ausreichende Menge solchen Filtrates, was bei Trichterfiltern, die unter
dem gleichen Druck der Wasserstrahlluftpumpe arbeiten, niemals er-
reicht werden konnte.
Suspenstionskolloiden gegenüber verhält sich der Apparat wie die-
jenigen anderer Systeme, da sich hier wie dort die Teilchen auf der
Membran abscheiden und von ihr festgehalten werden. Immerhin leistet
der Tauchzylinder auch hierbei, namentlich beim präparativen Arbeiten,
vorzügliche Dienste, wobei als besonders angenehm empfunden wird,
daß sich viele Niederschläge bequem von der Membran entfernen lassen
und daß man während der Filtration durch kurzes Herausheben des
Zylinders aus dem Eintauchgefäß den Verlauf der Niederschlagsbildung
leicht verfolgen kann.
Ks ist in hohem Grade auffallend, daß die Methoden der Ultra-
filtration trotz der günstigen Ausblicke, welche sie bieten, bisher in
nur verhältnismäßig schr wenigen biochemischen Laboratorien An-
wendung gefunden haben und man wird wohl nicht fehlgehen, wenn
man den Grund hierfür in den Schwierigkeiten sucht, welche die Fil-
tration gerade der dort hauptsächlich in Betracht kommenden protein-
haltigen Sole bisher bereitete.
Es liegt nicht im Rahmen dieser Arbeit, auf die vielen Probleme näher ein-
zugehen, zu deren Lösung die Ultrafiltration erfolgreich herangezogen werden
kann, zumal diese Fragen von unbegrenzter Mannigfaltigkeit sind. Soweit sie die
hier in erster Linie interessierende biologische und medizinische Chemie betreffen,
sind sie überdies zum Teil schon von Bechhold?), dem Schöpfer der Ultrafiltration
aufgerollt worden. Immerhin dürfte es von Interesse sein, wenigstens an einigen
wenigen Beispielen zu zeigen, welch vielseitigen und schwierigen Fragen mit Hilfe
Ultrafiltration proteinhaltiger Sole. 493
dieser Methode bereits gelöst werden konnten. Greifen wir zu diesem Zwecke einige
neuere Ergebnisse der Blutanalyse heraus.
So konnte Ruszniak auf diesem Wege wertvolle Aufschlüsse über die Bindung
des Zuckers®), ferner über das Wesen des sog. Reststickstoffes?) im Blutserum er-
halten, der als molekular gelöst erkannt wurde. Falta und Richter-Quittner 1°), 11)
konnten u. a. zeigen, in welchem Maße gewisse anorganische Salze des Serums in
diesem frei gelöst bzw. an die kolloidalen Substanzen gebunden sind. Von Mayer,
Zeiss, Giemsa und Halberkann!?) wurde der Beweis erbracht, daß das neue Trypa-
nosomenmittel „Bayer 205° — ein an und für sich leicht dialysierbarer Körper —,
soweit esim Blute kreist, nahezu restlos an dessen Kolloide gebunden ist. Ellinger!?)
stellte fest, daB sämtliche bekannte Diuretica (anorganische Salze, Purinderivate,
Produkte endokriner Drüsen) den Quellungsdruck gelöster Eiweißkörper herab-
setzen, der beim Flüssigkeitsaustausch zwischen Blut und Gewebe (Lymphbildung
Resorption aus dem Gewebe ins Blut, Absonderung des Harns) eine entscheidende
Rolle spielt.
Auch die Erfolge, die bei der Serumforschung mit Hilfe der Ultrafiltration
erzielt wurden, fallen letzten Endes in das Kapitel der Blutanalyse.
Literatur.
1) Bechhold, H., diese Zeitschr. 6, 39, 379. 1907 und a. a. O. — ?) Ostwald,
Wolfgang, Kolloid-Zeitschr. 22, 72. 1918. — 3) Giemsa, G. und Prowazek, S., Münch.
med. Wochenschr. 1908, Nr. 29. — ¢) Giemsa, G. und Godoy, H., Memorias do Inst.
Oswaldo Cruz, Rio de Janeiro I, 3. 1909. — °) Zsigmondy und Bachmann, Zeitschr.
f. anorg. u. allgem. Chemie 103, 119. 1918. — £) Ostwald, Wolfgang, Kolloid-Zeitschr.
22, 143. 1918. — 21 Bechhold, H., l. c., 8. Literaturhinweis daselbst. — 8) Rusznyak,
Stefan, diese Zeitschr. 113, 52. 1921. — °) Rusznyak, Stefan, diese Zeitschr. 113, 55.
1921. — 1°) Falta, W. und Richter-Quittner, M., diese Zeitschr. 114, 310. 1921. —
11) Richter-Quitiner, M., diese Zeitschr. 126, 97. 1921. — !?) Mayer, M., Zeiss, H.,
Giemsa, G. und Halberkann, J., Arch. f. Schiffs- und Tropenhygiene 26, 140. 1922.
— 13) Ellinger, A., Münch. med. Wochenschr. 1920, Nr. 49, S. 1399.
Wirkung der Kationen von Salzen auf den Zerfall und die
Bildung von Stärke in der Pflanze.
I. Mitteilung.
Von
W. S. Ijin.
(Aus der Landwirtschaftlichen Landesversuchsstation in Jekaterinoslaw.)
(Eingegangen am 28. Juni 1922.)
I. Einfluß von Salzen auf den Zerfall der Stärke.
In der Pflanzenphysiologie richtet man bei der Prüfung der Frage
über die Bedeutung der Salze für die Pflanzen das Hauptaugenmerk
auf ihren Nührwert sowie auf den Gehalt einzelner Elemente in den
verschiedenen organischen Verbindungen. In der tierischen Physio-
logie wird den Salzen die Bedeutung von physikalisch-chemischen Agen-
tien, welche den Gang der Lebensprozesse zu verändern vermögen,
zugeschrieben.
Ringer!), Rusch?), Locke?) u. a. haben in einer ganzen Reihe von Versuchen
gezeigt, daB die Tätigkeit von isolierten Organen auf die Dauer nur in Gegenwart
von anorganischen Salzen aufrechterhalten werden kann. Loebt) und nach ihm
auch andere haben festgestellt, daB rhythmische Muskelverkürzungen nur in Gegen-
wart von Elektrolyten möglich sind. In den Arbeiten von Mathews) beobachten
wir Ähnliches in bezug auf die Nerven, bei Mac Callum®) in bezug auf die Arbeit
von ausscheidenden Organen usw. Szücs’) hat die Wirkung von Kali-, Calcium-
und Aluminiumsalzen auf die Permeabilität von Methylviolett in Spirogyrazellen
untersucht.
Es ist aus der Kolloidehenue bekannt, welch einen starken Einfluß auf den
Zustand der Kolloide die Ionen ausüben — sie verändern ihren elektrischen Zu-
stand, fällen Niederschläge, führen dieselben in Lösungen über, denaturieren sie
usw. In ganz derselben Weise können auch die Salze, oder richtiger gesagt, ihre
Ionen, nicht ohne Einfluß auf die Eigenschaften der lebenden Kolloide bleiben
und üben dadurch einen Einfluß auf den Fortgang der physiologischen Prozesse aus.
1) Sid. Ringer, Journ. of physiol. 4. 1883 und 7. 1886.
2) Rusch, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 73. 1898.
3) Locke, Zentralbl. f. Physiol. 14. 1901.
4) J. Loeb, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 35. 1899.
>) Mathews, Americ. Journ. of physiol. 14. 1904.
6) MacCallum, Univ. of California publ. in physiol. 1903/1904.
1) Szücs, Sitzungsber. d. Wiener Akad. 119. 1910.
W. S. Iljin: Einfluß von Kationen auf Zerfall und Bildung von Stärke. 495
Ich untersuchte den Einfluß von Salzen auf das Erscheinen und
Verschwinden von Stärke in den Schließzellen der Spaltöffnungen von
Pflanzen. Die ersten Versuche mit der Blattepidermis von Rumex
acetosa L. haben eine sehr interessante Erscheinung gezeigt: Die in
eine hypertonische Salzlösung eingetauchten Spaltöffnungen wurden
ziemlich rasch plasmolysiert, jedoch verschwand im Laufe der Zeit die
- Plasmolyse; und noch mehr, in den Zellen steigerte sich sehr stark der
Turgor und die Spaltöffnungen öffneten sich breit. In einem Versuche
wurden die Spaltöffnungen in eine Lösung von Kaliumnitrat verschie-
dener Konzentration eingetaucht. Gleich nach dem Eintauchen in
Lösungen von 0,3n angefangen erschienen die Spaltöffnungen plasmo-
lysiert. Nach einer Stunde verschwand die Plasmolyse in Lösungen
unter 0,7n, und ließ sie sich nur bei 0,7n in schwachem Grade
beobachten. Nach 2 Stunden stieg die Konzentration bis l,In und
endlich war nach 3 Stunden selbst in der allerstärksten angewendeten
Konzentration, nämlich in 1,3n, keine Spur mehr von Plasmolyse vor-
handen. Folglich verstärkte sich im Laufe dieser Zeit die Konzentration
des Zellsaftes mehr als 4mal. In 2 anderen Versuchen betrug die Kon-
zentration bei derselben Pflanze am Anfang 0,5n KNO,, erhöhte sich
dann aber bis über 1,0n.
Dieselbe Eigenschaft, den osmotischen Druck des Zellsaftes der
Schließzellen zu erhöhen, konnte ich auch bei anderen Pflanzen fest-
stellen. Bei Ranunculus repens, Cirsium carum und Ficaria ranun-
culoides erhöhte sich die Konzentration von 0,5n bis 0,8n, bei Ery-
simum strictum aber entsprach sie am Anfang 0,6n KNO,, nach 7 Stun-
den betrug sie mehr als 1,2n usw.
Genau dieselbe Wirkung übt NaCl aus.
Die Deplasmolyse kann in unseren Versuchen entweder dadurch
bedingt werden, daß das geprüfte Salz leicht durch das Plasma in den
Zellsaft hineindrang, infolgedessen der Druck innerhalb und außerhalb
der Zellen sich allmählich ausgeglichen hat, oder aber dadurch, daß
in den Spaltöffnungen eine Konzentrationserhöhung des Zellsaftes
stattgefunden hat, und zwar dadurch, daß osmotisch inaktive Sub-
stanzen in Substanzen, welche den osmotischen Druck zu erhöhen ver-
mögen, übergegangen sind. Im letzten Falle stimulierten die in das
Plasma selbst in geringer Quantität eindringenden Salze besondere
physiologische Prozesse, die zu einer Erhöhung der Konzentration
des Zellsaftes führen.
Es ergibt sich, daß die letzte Erklärung, wie wir später schen werden,
am ehesten der Wirklichkeit entspricht. Das folgt schon aus folgender
Beobachtung: Epidermisschnitte verschiedener Pflanzen mit anfangs
geschlossenen Spaltöffnungen sind in NaCl-Lösung eingetaucht worden;
von 0,3—0,4n angefangen fand bei sämtlichen Pflanzen eine schnelle
496 W. S. Ijin:
Plasmolyse der Spaltöffnungen statt; nach einem 3stündigen Verbleiber
in den Lösungen war nicht nur eine Deplasmolyse zu beobachten,
sondern es begannen die Spaltöffnungen sich sogar in größerem oder
geringerem Maße zu öffnen. Und zwar finden wir bei Polygonum
fagopyrum geöffnete Spaltöffnungen in 0,2—0,4n NaCl, bei Vicia faba
in 0,3—0,4n, bei Rumex acetosa in 0,2—0,5n, bei Beta vulgaris in
0,4—1,0n. Hierbei erreichte die Öffnung der Spaltöffnungen bei für
jede Pflanze spezifischer Konzentration eine sehr große Weite, die das
Maximum der in der Natur beobachteten darstellt.
Wie ich früher gezeigt habe!), wird die Öffnung der Spaltöffnungen
unter natürlichen Bedingungen stets von einer Steigerung des osmoti-
schen Druckes in den Schließzellen begleitet, und je höher der Druck
ist, desto weiter vermögen sich die Spaltöffnungen zu öffnen. Wenn
die Deplasmolyse bei den oben beschriebenen Versuchen nur von dem
Eindringen des Salzes in den Zellsaft abhinge, so ließe sich, wie bei
der Einwirkung von Glycerin, nur ein Anlegen des Cytoplasma an die
Zellwände beobachten. Hier wird jedoch nicht nur der Druck aus-
geglichen, sondern er wird um viele Male größer im Vergleich mit seiner
Höhe vor dem Eintauchen in die Lösung. Ein interessantes Beispiel
finden wir in der eben beschriebenen Beobachtung: Bei Beta vulgaris
trat anfangs starke Plasmolyse in 0,4n NaCl ein, nach einem 3stündigen
Verbleiben in der Lösung waren die Schließzellen nicht nur in dieser
Lösung, sondern auch in 1,0n gut geöffnet. Unmittelbare Messungen
der Zellenkonzentration haben, wie wir später sehen werden, ihre be-
deutende Erhöhung bewiesen.
In meiner obenerwähnten Arbeit wurde gezeigt, daß die Erhöhung
des osmotischen Druckes in den Schließzellen auf Kosten der Auflösung
der in den Chloroplasten enthaltenen Stärke stattfindet. Es liegt auf der
Hand, auch hier anzunehmen, daß die Zunahme des Turgors infolge des
Überganges der Stärke in Zucker vor sich geht. Dann muß je nach der
Dauer des Verbleibens der Spaltöffnungen in der Lösung die in denselben
enthaltene Stärke allmählich verschwinden. Das trifft in Wirklichkeit zu.
In einem Versuche wurden 3 Pflanzen — Rumex confertus, Cirsium
canum und Ranunculus repens — genommen, in deren Spaltöffnungen
viel Stärke vorhanden war; die Epidermisschnitte wurden in Kalium-
nitratlösungen von verschiedenen Konzentrationen eingetaucht. Es
wurden Beobachtungen über den Stärkegehalt nach 9, 24 und 48 Stunden
angestellt. Nach 24 Stunden verringerte sich der Stärkegehalt bei allen
3 Arten, bei Cirsium canum aber war er schon vollständig in 0,2n
verschwunden. Nach 48 Stunden fehlte die Stärke bei der ersten Pflanze
in 0,2—1,0n, bei der zweiten in 0,2--0,4n, bei der dritten in 0,2n.
Wenn die Folgerung richtig ist, daß Salze den Übergang von Stärke
1) W. S. Iljin, Beih. z. Botan. Zentralbl. 32, Abt. l. 1914.
a
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Einfluß von Kationen auf Zerfall und Bildung von Stärke. 497
in lösliche Substanzen bedingen, welche den osmotischen Druck erhöhen
und zur Öffnung der Spaltöffnungen führen, so müssen diese 2 Prozesse,
d. h. das Verschwinden der Stärke und die Öffnung der Spaltöffnungen,
parallel verlaufen. Letzteres läßt sich in der Tat beobachten. Die Epi-
dermisschnitte von Rumex confertus werden in folgende Lösungen
von Natrium chloratum eingetaucht: 0,00—0,025—0,05—0,1—0,15
—0,2—0,3—0,4—0,6—0,8—1,0n; anfangs sind die Spaltöffnungen ge-
schlossen und mit Stärke vollgestopft. Es wurden Beobachtungen
sowohl über das Öffnen der Spaltöffnungen als auch über ihren Stärke-
gehalt nach 2, 4, 6, 8, 11, 13 und 36 Stunden angestellt. Während der
ganzen Zeit verringerte sich der Stärkegehalt im Wasser und in den
sehr schwachen Lösungen nicht, die Spaltöffnungen blieben geschlossen.
In 0,05n zeigte sich eine sehr unbedeutende Stärkeverringerung erst
nach 36 Stunden, die Spaltöffnungen waren kaum geöffnet. In 0,ln
ließ sich eine bemerkbare Stärkeabnahme nach 11 Stunden beobachten,
nach 36 Stunden aber verschwand sie vollständig; dementsprechend
veränderte sich auch der Zustand der Spaltöffnungen, nach 11 Stunden
waren sie schwach geöffnet, nach 36 Stunden aber normal. 0,15n unter-
scheidet sich nur wenig vom vorhergehenden. In 0,2—0,3—0,4n
verschwand die Stärke nach 11 Stunden und öffneten sich die Spalt-
öffnungen zu dieser Zeit weit. In 0,6n ließ sich dasselbe nach 6 Stunden
beobachten, jedoch hemmte eine weitere Erhöhung der Konzentration
bereits den Prozeß. Die Wirkungskurve hat ihr Minimum, Optimum
und Maximum.
Analoge Ergebnisse lieferten die Versuche mit Kalisalpeter, die
an 3 Pflanzen durchgeführt wurden, Rumex confertus, Centaurea
scabiosa und Cirsium canum. In Wasser bleibt die Stärke bestehen
und öffnen sich die Spaltöffnungen nicht; mit der Konzentrations-
erhöhung verschwindet die Stärke in immer rascherem Tempo und
öffnen sich die Spaltöffnungen immer mehr, jedoch wiederum bis zu
einem gewissen Optimum, nach dessen Überschreiten eine Hemmung
stattfindet, welche schließlich zu einem Absterben der Spaltöffnungen
führt. Bei diesem Versuche ist das Verhalten verschiedener Pflanzen
bemerkenswert, Rumex confertus, der schneller reagiert, erwies sich
als empfindlicher, Cirsium canum dagegen als standhafter.
Die Wirkung von KNO, unterscheidet sich keineswegs von der
des NaCl. Es wurden nämlich in dem Versuch mit Rumex confertus
0,0—0,05—0,1—0,2—0,3—0,4 und 1,0n von KNO, angewendet; die
Beobachtungen wurden nach 6, 18 und 42 Stunden angestellt. Voll-
ständiges Verschwinden der Stärke fand von 0,1—0,4n statt, bei 0,6n
war wenig Stärke vorhanden; am schnellsten verschwand sie bei 0,15
bis 0,3n; das rascheste Öffnen fand in 0,3n statt, hernach verzögerte
es sich nach beiden Seiten hin.
498 W. S. Ijin:
Wenn man die Spaltöffnungen in Wasser oder in eine sehr schwache
Salzlösung eintaucht, so läßt sich nicht nur kein Verschwinden, sondern
sogar eine Anhäufung der Stärke beobachten; parallel dazu aber bleibt
bei ähnlichen Verhältnissen eine Erweiterung der schwach geöffneten
Spaltöffnungen nicht nur aus, sondern es findet im Gegenteil ein voll-
ständiges Schließen derselben statt. Folglich übt die Lösung einen
zweifachen Einfluß aus: Einerseits ruft dieselbe, indem sie den Pflanzen
das Wasser entzieht und nur osmotisch wirkt, ebenso wie beim Welken,
Stärkebildung hervor; andererseits treten die Ionen des Salzes in eine
unmittelbare Verbindung mit dem Ferment und verleihen der Arbeit
eine entgegengesetzte Richtung. Mit Hilfe dieser doppelten Wirkung
des Salzes, auf das Ferment kann man z. B. folgende Erscheinung
erklären, welche sich in dem vorhergehenden Versuche beobachten ließ:
Iu 0,ln war anfangs Stärke in nicht zu großer Menge vorhanden, nach
6 Stunden erhöhte sich der Stärkegehalt, nach 18 Stunden verringerte
sich derselbe und verschwand gänzlich nach 42 Stunden. Das Salz wirkte
anfangs hauptsächlich osmotisch, hernach bedingte es aber den fermen-
tativen Stärkezerfall.
Wenn wir deshalb eine Pflanze mit weitgeöffneten und stärkefreien
Spaltöffnungen nehmen und auf dieselben mit verschieden starken
NaCl-Lösungen einwirken, wie dieses bei einem Versuche mit Ranunculus
repens ausgeführt wurde, so läßt sich in reinem Wasser und in 0,05n NaCl
eine allmähliche Speicherung von Stärke und ein parallel dazu statt-
findendes Schließen der Spaltöffnungen konstatieren. In starken
Lösungen kommt keine Stärke zum Vorschein, und die Spaltöffnungen
bleiben weit geöffnet.
Im folgenden wurde eine ganze Reihe von Beobachtungen auch mit
anderen Elektrolyten angestellt; es wurden Elemente sowohl der ersten
als auch der zweiten Gruppe untersucht. Die wichtigsten Ergebnisse
dieser Versuche werden wir unten anführen.
Es wurde die Wirkung von NaCl, KNO,, K,SO,, KNaC,H,O, und
zugleich die von Saccharose auf geschlossene und mit Säure überfüllten
Spaltöffnungen des Rumex confertus L. untersucht. Die Konzentra-
tionen der Lösungen betrugen 0,1—0,4—0,6—0,9 g/Mol in 11. Proben
wurden nach 18 und 48 Stunden entnommen. Alle Salze, unabhängig
von den Anionen, riefen nicht nur Deplasmolyse, sondern auch Öffnen
der Spaltöffnungen sowie Verschwinden der Stärke hervor. Im Nicht-
elektrolyt Saccharose blieben die Spaltöffnungen im Laufe von 48 Stun-
den in demselben plasmolysierten Zustand, in dem sie anfangs gewesen
waren. In den stärkeren Konzentrationen verschwand die Stärke nach
und nach, der osmotische Druck aber erhöhte sich hierbei nicht. Wir
hatten noch in einer anderen früher ausgeführten Arbeit gezeigt, daß
die Entziehung des Wassers aus der Zelle, hervorgerufen entweder durch
Einfluß von Kationen auf Zerfall und Bildung von Stärke. 499
gesteigerte Transpiration oder durch starke Lösungen, zu einem Zerfall
und Verschwinden der Stärke führt, daß aber bei diesem Zerfall sich
osmotisch inaktive Substanzen bilden.
In 3 anderen Versuchen wurden gleichzeitig mit NaCl und KNO,
Saccharose, Maltose und Lactose untersucht. Als Objekte dienten
Rumex confertus, Ranunculus repens, Cirsium canum, Centaurea sca-
biosa und Erysimum strictum. Die Salze riefen in allen Fällen Ver-
schwinden der Stärke und ein parallel dazu verlaufendes Öffnen der
Spaltöffnungen hervor. Was die Zucker anbetrifft, so führten sie alle
bei stärkeren Konzentrationen zum Verschwinden der Stärke, jedoch
verschwand hierbei die anfangs in Saccharose eingetretene Plasmolyse
nicht; in Lactose und in Maltose fand eine sehr langsame Deplasmolyse
statt, welche in bezug auf die Geschwindigkeit mit der Wirkung der
Salze nicht zu vergleichen war; diese Erscheinung ließ sich nur in einer
der schwächeren Konzentrationen, die den Anfang der Plasmolyse
hervorriefen, beobachten — gewöhnlich bei 0,5n; in stärkeren Lösungen
blieb der Zustand des Protoplastes, ungeachtet des Verschwindens der
Stärke, unverändert. Wenn aber die Zuckerlösung schwach war, so
fand nicht nur keine Abnahme, sondern sogar eine Anhäufung der Stärke
statt. Folglich sind die Zucker derartige Substanzen, welche durch ihre
chemischen Eigenschaften die Synthese der Stärke bedingen, und führt
nur ihre Überkonzentration zu einer rein physikalischen Entziehung
des Wassers aus der Zelle, welch letzterer Umstand die Synthese nicht
nur hemmt, sondern sogar Zerfall bewirkt.
Ferner gehen wir zur Untersuchung von ein- und zweiwertigen
Ionen über. In dieser Richtung wurde eine große Anzahl von Ver-
suchen angestellt, von denen ein Teil unten angeführt wird. In sämt-
lichen Fällen wurden geschlossene mit Stärke überfüllte Spaltöffnungen
genommen und wurden dieselben in Lösungen von verschiedener Kon-
zentration eingetaucht; es wurden dabei periodische Beobachtungen
über den Gehalt von Stärke und das Öffnen der Spaltöffnungen an-
gestellt. In 2 ähnlichen Versuchen wurde die Wirkung der einwertigen
Chloride NH,, Na und K und zweiwertigen Mg, Ca und Ba auf die
Spaltöffnungen des Rumex confertus geprüft. Die Konzentrationen
der Lösungen waren verhältnismäßig stark: 0,4—0,6—0,9 g/Mol in 11.
Es ergab sich ein krasser Unterschied zwischen den 2 Metallgruppen.
In sämtlichen bei dem Versuche angewendeten Lösungen waren anfangs
die Spaltöffnungen plasmolysiert; nach einem gewissen Zeitraum
erlitten sie unter dem Einfluß der gleichwertigen Ionen nicht nur eine
Deplasmolyse, sondern öffneten sich sogar weit, wenn die Lösung nicht
zu stark war. Am aktivsten erwies sich das Natrium, in ihm verschwand
die Stärke schneller, und die Spaltöffnungen zeigten das vollständigste
und schnellste Öffnen. Zweiwertige Elemente vermochten es nicht,
500 W. S. Iljin:
in den von mir angewandten Konzentrationen cine Erhöhung des osmo-
tischen Druckes und ein Öffnen der Spaltöffnungen zu bewirken; die
letzteren blieben im Laufe des ganzen Versuches plasmolysiert. AuBer-
dem töteten die Elemente der zweiten Gruppe, insbesondere das Barium,
in starken Lösungen die Zellen. In bezug auf das Lösungsvermögen
der Stärke zeigten sich sämtliche untersuchten Salze als aktiv. Jedoch
war die Wirkung der einwertigen Ionen energischer. Der Unterschied
zwischen den Elementen bestand darin, daß unter dem Einfluß der
Metalle der ersten Gruppe aus der Stärke Substanzen entstanden, die
den Turgor der Zelle in hohem Grade steigerten; die unter dem Einfluß
von starken Lösungen der Elemente der zweiten Gruppe sich bildenden
Zerfallsprodukte waren hingegen osmotisch inaktive Substanzen, d. h.
die Salze wirkten in diesem Falle rein physikalisch und die Stärke zerfie]
ebenso wie infolge der Wasserentziehung durch gesteigerte Transpiration
oder durch Eintauchen in Nichtelektrolytlösungen von hoher Konzen-
tration. Das Endprodukt des Zerfalles erwies sich jedoch weder als
Zucker noch als irgendeine andere osmotisch aktive Substanz.
In den 2 nächsten Versuchen wurden 0,05—0,1—0,2—0,3—0,4 g; Mol
Lösungen der Chloride Li, Na, K, Mg, Ca und Ba untersucht. Es wieder-
holt sich von neuem derselbe krasse Unterschied zwischen ein- und
zweiwertigen Ionen; die ersteren verursachten bereits nach 2—6 Stunden
weites Öffnen der Spaltöffnungen und vollständiges Verschwinden
der Stärke; die zweiten erwiesen sich in dieser Hinsicht als fast völlig
inaktiv; nur das Magnesium offenbarte nach sehr langer Einwirkung
eine gewisse Neigung zur Steigerung des Turgors der Zelle. Das Barium
rief bei den angewandten Konzentrationen keine Veränderung im Stärke-
gehalt hervor.
Ferner wurden die einwertigen LiCl, NaCl, KOL RbCl und CsCl
und die zweiwertigen MgCl,, CaCl, und BaCl, miteinander verglichen.
Die Lösungen betragen 0,1—0,2—0,3 Mol. Als Objekt wurden die
Spaltöffnungen des Rumex acetosa und Polygonum fagopyrum gewählt.
Sämtliche einwertige Metalle verursachten Auflösung der Stärke und
Bildung von osmotisch starken Substanzen, was in allen Fällen zu einem
weiten Öffnen der Spaltöffnungen führte. Bei den von uns gewählten
Konzentrationen wirkten Natrium und Lithium lebhafter ein, die Stärke
verschwand schon im Laufe der ersten Stunden und das Öffnen erreichte
sein Maximum; ihnen steht das Caesium nahe, und nachher erst kommen
das Kalium und das Rubidium. Die zweiwertigen Elemente verhielten
sich ebenso wie in dem oben beschriebenen Versuche.
Die darauffolgenden Versuche zielten daraufhin, die Elemente
derselben Gruppe genauer untereinander zu vergleichen. Bei dem
Vergleichen von LiCl, NaCl und KCl wurden folgende Lösungen ge-
nommen: 0,025—-0,05—0,1— 0,2—0,4—0,6 Mol. Am Anfang von 0,2
Einfluß von Kationen auf Zerfall und Bildung von Stärke. 501
und höher erschienen die Spaltöffnungen plasmolysiert. Nach 1 Stunde
40 Min. verschwand die Plasmolyse bei LiCl in 0,2 Mol, bei NaCl und
KCI in sämtlichen Lösungen. Die nächste nach 4 Stunden folgende
Beobachtung ließ eine Plasmolyse, wenn auch in sehr unbedeutendem
Grade, nur in 0,6 LiCl erkennen. Ein vollständiges Öffnen der Spalt-
öffnungen in LiCl trat von 0,025n an bis 0,4n ein, eine Lösung 0,6n
wirkte jedoch schon hemmend; in NaCl von 0,05 und höher, bei KCI
aber erst von 0,ln oder richtiger von 0,2n an. Ein vollkommenes oder
fast vollkommenes Verschwinden der Stärke trat in LiCl von 0,025n
bis O,1ln ein; in NaCl war das in sämtlichen Lösungen, in KCI teilweise
in 0,4n und vollständig nur in 0,6n der Fall. In bezug auf die Schnellig-
keit der Wirkung hat das Natrium die größte, das Kalium dagegen die
kleinste Energie entwickelt, und es bildet sich die Reihe Na > Li > K.
Betrachtet man aber die zur Auflösung der Stärke erforderliche Sub-
stanzmenge, so stellt sich ein Zusammenhang mit dem Atomgewicht
heraus: Die erforderliche Menge des Lithiums ist geringer als die des
Natriums, und diese des Natriums ist wiederum geringer als die des
Kaliums; es ergibt sich die Reihe: Li > Na > K.
Im folgenden werden K, Rb und Cs und das zweiwertige Mg eben-
falls an 2 Pflanzen — Rumex acetosa und Polygonum fagopyrum —
verglichen. Es wurden die Lösungen 0,05—0,1—0,2—0,3—0,4 Mol
angewandt. Sämtliche Elemente der ersten Gruppe verursachten sowohl
ein Verschwinden der Stärke als auch ein Öffnen der Spaltöffnungen.
Im Magnesium öffneten sich die Spaltöffnungen nicht und blieben
plasmolysiert, der Stärkegehalt verringerte sich bemerkbar nur in der
stärksten Lösung. Besondere Kraft in bezug auf die Auflösung der
Stärke entwickelte das Caesium; die Auflösung der Stärke tritt in ihm
schneller als in den übrigen Elementen ein, findet in vollständigerer
Weise und in den schwächsten Konzentrationen statt.
Fasse ich nun die Ergebnisse der letzten Versuche zusammen, so
erhalte ich nachfolgende Substanzmengen in Gramm-Molekeln pro 11,
die erstens ein möglichst weites und schnelles Öffnen der Spaltöffnungen
und zweitens ein möglichst schnelles Verschwinden der Stärke bewirken:
Li 0,05, Na 0,15, K 0,4, Cs 0,2. Hierbei ist das Wirkungsoptimum
angegeben. Stellt man die Energie der Elemente in Kurven dar, so
ergibt es sich, daß je nach der Vergrößerung des Atomgewichtes die
Wirkungskurve zuerst fällt, beim Caesium jedoch wieder ansteigt. Die
sehr geringe Menge derartig seltener Salze, wie die des Cs und des Rb,
welche dem Laboratorium zur Verfügung stand, erlaubte es mir leider
nicht, das Konzentrationsminimum genauer festzustellen. Was die
Frage über das Minimum anlangt, so ist in folgendem ein anderer Weg
eingeschlagen, der analoge Ergebnisse lieferte.
Sämtliche untersuchte Ionen der Elemente der ersten Gruppe riefen
502 W. S. Ijin:
in der lebenden Zelle einen lebhaften Prozeß der Stärkeauflösung und
der Überführung derselben in osmotisch wirksame Substanzen, wahr-
scheinlich in Zucker, hervor. Der Einfluß der Ionen tritt nicht nur in
deren physikalischer Wirkung — der Wasserentziehung — zutage,
sondern hängt auch von ihren spezifischen Eigenschaften ab. Das wird
erstens dadurch bestätigt, daß die zu ein und demselben Ergebnis füh-
rende Ionenkonzentration nicht für alle Elemente dieselbe ist; zweitens
vermögen andere, in isotonischen Lösungen angewandte und folglich
gleiche osmotische Kraft besitzende Substanzen es nicht, denselben
Effekt hervorzurufen. Auf Grund der beschriebenen Versuche kann man
vorläufig behaupten, daß das Ion zwecks Schaffung von Bedingungen,
die für die Überführung der Stärke in osmotisch aktive Substanzen
günstig sind; einwertig sein und der ersten Gruppe der Metalle an-
gehören muß. Es ergibt sich jedoch aus dem nachfolgenden, daß diese
Eigenschaften nicht die charakteristischen sind, es vermögen auch die
Komplexionen und die zweiwertigen Metalle Barium und insbesondere
das Beryllium, welch letzteres alle anderen weit hinter sich läßt, dieselbe
Wirkung hervorzurufen.
Nunmehr gehe ich zur ausführlichen Untersuchung zweiwertiger
Metalle über. Es ergab sich bereits in einem Falle, daß zu starke Lö-
sungen zu einem Absterben der Zellen führen. Ferner hat Schulze!)
bewiesen, daß in bezug auf das Fällen der Kolloide durch Metalle die
zweiwertigen Metalle eine 20 mal größere Energie als die einwertigen
besitzen. Loeb behauptet auf Grund der von Freundlich ausgeführten
Arbeiten, in denen letzterer die fällende Wirkung der Salze auf das
Arsentrisulfidsol untersucht hatte, daß die zweiwertigen Metalle eine
70 mal größere Kraft besitzen.
Auf Grund des oben Gesagten kann man annehmen, daß in bezug
auf die Wirkung der Salze auf das Ferment ebenfalls ein gewisser Zu-
sammenhang mit der Wertigkeit zutage treten wird, und daß sich die-
selben Ergebnisse erzielen lassen, wenn die zweiwertigen Metalle in
schwächerer Konzentration angewandt werden.
In den 3 folgenden Versuchen wurde MgCl, in den Konzentrationen
0,002 — 0,004 — 0,006 — 0,01 —0,02—0,025—0,05—0,075—0,1—0,2—0,4
—0,5 Mol untersucht. Das betreffende Element bewirkte die Auflösung
der Stärke nur in verhältnismäßig hohen Konzentrationen, d h. es wirkte
in diesem Falle rein physikalisch; die Zerfallprodukte sind Substanzen,
welche nicht imstande sind, einen hohen osmotischen Druck auszuüben
und dadurch ein mehr oder weniger weites Öffnen der Spaltöffnungen
hervorzurufen. Die Stärke verschwindet zwar, jedoch erleidet der
Zustand des plasmolysierten Protoplastes fast keine Veränderung.
Genau dasselbe, jedoch in noch höherem Grade läßt sich von CaCl,
1) Vgl. H. Schulze, Journ. f. prakt. Chemie 25—27. 1882/83.
Einfluß von Kationen auf Zerfall und Bildung von Stärke. 503
sagen, welches in folgenden Konzentrationen angewandt wurde: 0,0005
—0.00075—0,001—0,002—0,004—0,005—0,006—0,01—0,02—0,025 bis
—0.05—0,075—0,1—0,2—0,4—0,6 Mol. In schwachen Lösungen blieb
die Stärke bestehen, und es trat nur nach sehr langer Einwirkung in
höheren Konzentrationen allmählich ein sehr langsames Verschwinden
der Stärke ein.
BaCl, wurde in denselben Konzentrationen wie CaCl, angewandt;
nur in schwachen Lösungen beginnt das Barium in derselben Weise
wie die Elemente der ersten Gruppe einzuwirken; 0,001—0,002 Mol
genügen bereits, um das Anfangsstadium des Öffnens der Spaltöffnungen
hervorzurufen; ein vollständig deutliches Öffnen findet jedoch, ebenso
wie bei einwertigen Elementen, in der Konzentration 0,005—0,01
statt. Also ist die Empfindlichkeit der Pflanzen gegenüber Barium höher
als gegenüber Natrium; der Grundunterschied läßt sich jedoch in dem
Umstande erkennen, daß das Natrium unvergleichlich schneller wirkt;
in vergleichenden Versuchen ließ sich ein völliges Verschwinden der
Stärke und ein weites Öffnen der Spaltöffnungen in NaCl bereits nach
3 Stunden beobachten, bei BaCl, dagegen wurde dieser Effekt erst nach
Verlauf von 24 Stunden erreicht.
Besonders in Staunen versetzende Ergebnisse lieferte aber BeCl,;
in 2 mit diesem Salz durchgeführten Versuchen fand eine merkliche
Verringerung des Stärkegehaltes nach einem 12stündigen Verbleiben
und deren vollständiges Verschwinden nach 22 Stunden in einer Konzen-
tration von 0,0001 Mol statt. Hierbei war in derartig schwachen Lösungen
wie 0,0001—0,0002 Mol ein Öffnen der Spaltöffnungen vollständig
scharf ausgeprägt, sehr weit erschien es in 0,001—0,002 Mol bereits
nach 6 Stunden. Am schnellsten und lebhaftesten wirkten jedoch Lö-
sungen von 0,05—0,1 Mol, in denen die Spaltöffnungen sich schon nach
l Stunde öffneten. Indessen vermochte das gleichzeitig in den Konzen-
trationen 0,025—0,05—0,075—0,1—0,2 Mol angewandte NaCl es nicht,
während der ersten Stunde seine Wirkung zu offenbaren, und die Spalt-
öffnungen öffneten sich erst im Laufe der dritten Stunde.
Im vorhergehenden hatte ich mehrmals darauf hingewiesen, daß die
Salze der einwertigen Metalle (dasselbe läßt sich jetzt über das Barium
und das Beryllium sagen) zugleich mit der Auflösung der Stärke in der
Zelle eine Erhöhung des osmotischen Druckes verursachen; die Salze
des Magnesiums, Calciums und Strontiums sind in dieser Hinsicht
inaktiv. Diese Schlüsse wurden auf Grund der Beobachtungen über
das Öffnen der Spaltöffnungen gemacht. Obgleich für mich auf Grund
meiner vorhergegangenen Arbeiten kein Zweifel darüber bestand, daß
das Öffnen der Spaltöffnungen unmittelbar vcm osmotischen Drucke
des Zellsaftes der Schließzellen abhängt, so erachtete ich es dennoch
als notwendig, entsprechende Messungen vorzunehmen. In dieser Rich-
Biochemische Zeitschrift Band 182. 33
504 W. S. Ijin:
tung hahe ich 3 Versuche mit der Blattepidermis von Rumex acetosa
angestellt.
Im ersten Versuche entsprach der anfängliche osmotische Druck
des Zellsaftes in den Schließzellen der Spaltöffnungen einer 0,42 n-Lösung
der Maltose. Nach einem 4- und 8stündigen Verbleiben in 0,05 Mol
LiCl stieg derselbe bis zu 1,02—1,2n-Maltose an. Eine 0,1 Mol von
NaCl steigerte den osmotischen Druck während derselben Zeit bis zu
1,47 n-Maltose. In beiden Fällen verschwand die Stärke fast gänzlich.
Die Steigerung des Druckes betrug also das 2!/,—3!/,fache. Ganz andere
Ergebnisse lieferten 0,1 Mol CaCl, und 0,06 Mol Maltoselösungen: In
CaCl, nahm der Druck während 4 Stunden bis zu 0,3n und während
8 Stunden sogar bis 0,2n ab, d. h. er verringerte sich 2 mal; unter
dem Einfluß der Maltose erreichte die Druckabnahme im Laufe der
beiden Zeiträume 0,3n. Stärke war in beiden Fällen im Überflul3 vor-
handen.
In einem anderen Versuche wurden 0,1 KOL 0,2 RbCl, 0,1 Goal,
0,1 SrCl, und 0,01 BaCl, untersucht. Die Wirkung der Salze dauerte nur
6 Stunden. Während dieser Zeit konnte der Stärkegehalt in Lösungen
von derartig wenig aktiven Elementen wie Kalium, Rubidium und
Barium sich nicht merklich geändert haben. Deshalb lieferten die
Messungen nur einen Begriff vom anfänglichen Verlauf des Prozessen.
Anfangs entsprach die Konzentration des Zellsaftes 0,4n-Maltose, nach
6 Stunden erhöhte sich dieselbe im KCI bis zu 0,56 n, im RbCl bis 0.S4n.
im BaCl, blieb sie aber unverändert; im Gegenteil nahm die Konzen-
tration im CaCl, bis 0.27n, im SrCl, bis 0,26n und im reinen Wasser
bis 0,34 n ab.
Im dritten Versuch wirkten die Lösungen auf dieSchnitte 14—17 Stun-
den lang, nach dieser Zeit entsprach die Konzentration des Zellsaftes
in den im Wasser befindlichen Schnitten 0,24n-Maltose; in 0,05 und
0,1 Mol LiCl, betrug dieselbe 0,96— 1.02 n; in 0,05—0,1 NaCl 1,02— 1.14 n,
in 0,02 BaCl, 0,42n, in 0.1—0.2 CaCl, 0,24n und in 0,1—0,2 Sr,
0,2>—0,24 n-Maltose.
Auf diese Weise haben diese 3 Versuche den oben aufgestellten Satz
vollkommen bestätigt, daß nämlich einwertige Metalle die Bildung
von osmotisch aktiven Substanzen in den Zellen stimulieren. Beachtet
man den Umstand, welch geringe Menge von Salzen ausreichte, um «die
Saftkonzentration auf eine sehr bedeutende Höhe zu steigern, so wird
jeder Zweifel darüber, daß die Deplasmolyse der Zelle und das Öffnen
der Spaltöffnungen nicht nur von dem rein physikalischen Eindringen
des Salzes abhängt, restlos beseitigt: eine 0,05n-Lösung Li oder Na
rief eine Erhöhung der Konzentration des Zellsaftes um 0,9—-1.5n
hervor.
Einfluß von Kationen auf Zerfall und Bildung von Stärke. 505
II. Einfluß von Salzen auf die Stärkesynthese.
Die Frage nach dem Einflusse von Salzen auf die Arbeit der den
Stärkegehalt in der Zelle regulierenden Fermente läßt sich auch
von einer anderen Seite anfassen. Die Stärkemenge ist durch ihre
Synthese und Hydrolyse unter dem Einflusse der Fermente bestimmt.
Gewisse Bedingungen schaffen die für den Stärkezerfall, andere dagegen
die für deren Anhäufung in der Zelle günstigen Verhältnisse. Die ein-
wertigen Metalle und die zweiwertigen Ba und Be begünstigen in
gewissen Konzentrationen die Hydrolyse. Es mögen nun Verhältnisse
geschaffen werden, unter welchen die Zelle im Gegenteil zur Synthese
stimuliert wird.
Die Versuche Sa poschn ikoffst), Zimmermanns?) und diejenigen von Winkler‘),
welch letztere in einer erschöpfenderen Weise angestellt wurden, haben gezeigt.
daB sämtliche nicht desorganisierten Plastiden in Zuckerlösung Stärke anhäufen.
Indem ich den angegebenen Weg verfolgte, ergab sich für mich die Möglichkeit,
den Einfluß der Salze auf den Verlauf der Synthese zu untersuchen. Die ersten
Versuche zeigten bereits, daß die in der Salzlösung verschwundene Stärke sich bei
Übertragung auf Zuckerlösung von neuem anhäuft. Jedoch gibt es hier bei zu
starken Lösungen (was z. B. für Rumex acetosa bei 0,6n-Maltose der Fall ist)
gewisse Grenzen, außerhalb deren keine Synthes: mehr stattfindet; das tritt aber,
wie ich es schon erwähnte, deshalb ein, weil ein starker Wasserverlust in der Zelle
den Zerfall stimuliert. Nach Behandlung mit Salz wurde in reinem Wasser keine
Stärke mehr gebildet. Außerdem kam die Stärke, wenn der Schnitt sich vorher
in einer Salzlösung befand, nur an denjenigen Stellen der Epidermis zum Vor-
schein, wo sich unter derselben Mesenchymschichten befanden; an den Stellen
aber, wo die Epidermis einschichtig war, war keine Stärke vorhanden. Dies läßt
sich dadurch erklären, daß die Salze im letzteren Falle leichter das synthetisierende
Ferment zerstörten.
In der Saccharose ging die Anhäufung der Stärke durch die Chloroplasten
ebensogut wie in der Maltose vor sich. Im Falle eines genügend lange dauernden
Verbleibens auf Zucker sammelte sich in den Schließzellen sehr viel Stärke an, die
genannten Zellen wurden von derselben fast vollständig angefüllt.
Mir stand reines Maltosepräparat zur Verfügung, weshalb ich samt.
liche Untersuchungen mit diesem Zucker durchführte. Die einleitenden
Untersuchungen zeigten, daß das Licht und die Temperatur auf die
Anhäufung der Stärke durch die Chloroplasten der Spaltöffnungen
einen Einfluß ausüben, und zwar, daß sowohl der eine als auch der
andere Faktor den Prozeß begünstigen, und daß insbesondere eine
Temperatur von 30—35° günstig einwirkt. Im nachfolgenden stützte
ich mich auf diese Ergebnisse und setzte die Gefäße mit dem zu unter-
suchenden Material stets in ein dunkles Thermostat bei 30—32° ; die Ein-
wirkung des Lichtes vermied ich absichtlich, da es unmöglich war, für eine
groe Anzahl von Gefäßen gleiche Belichtungsverhältnisse zu schaffen.
1) Saposchnikoff, Ber. d. botan. Ges. 7. 1889.
2) Zimmermann, Beitr. z. Morphol. u. Physiol. d. Pflanzenzelle. 1893.
3) Winkler, Jahrb. f. wiss. Botan. 3%. 1898.
33”
DOG W.S. Ijin:
Es wurde nun zunächst ebenfalls die günstige Maltosekonzentration
untersucht, zu welchem Zwecke nachfolgende Normallösungen an-
gewandt wurden: 0,0 -0,001 —0.005 —0,01—0.02—0,04—0,06—0, 1—0?
- 0.4—0.6 --1,0. Die Beobachtungen wurden nach A. 8 und 20 Stunden
gemacht, wobei sowohl das Öffnen der Spaltöffnungen als auch der
Stärkegehalt berücksichtigt wurden. An 3 Stellen wurden Reaktionen
auf das Vorhandensein von Stärke vorgenommen, und zwar: l. Auf
der dieken Parenchymschicht, 2. auf der dünnen Parenchynischicht
und 3. parenchymfreien Stellen. Jedoch werde ich bei der Beschreibung
dieses Versuches lediglich diejenigen Stellen in die Erwägung zichen,
wo eine starke Mesenchymschicht vorhanden war. Stärkebildung trat
bereits bei einer derartig geringen Maltosemenge wie 0,001 Mol ern:
folglich übt der Zucker nieht nur eine physikalische, sondern auch eine
chemische Wirkung aus: hierbei dient der Zucker einerseits als Quelle
für die Stärkebildung. andererseits aber stimuliert er in der Zelle die
Syntheseerscheinung. Daß der Zucker als Quelle der Stärkebildung
auftritt und folglich leicht in das Plasma eindringt, geht- aus dem Um-
stande hervor, daß die Stärkespeicherung in riesigen Mengen vor sich
geht, und daß fast die ganze Zelle von derselben angefüllt wird; es läßt
sich unter keinen anderen Bedingungen. als nur beim Verbleiben ın
Zuckerlösung. in der Zelle eine derartige Stärkemenge finden. Daß der
Zucker nicht nur die Quelle der Stärkebildung ist, sondern daB derselbe
überhaupt den synthetischen Prozeß stimuliert, folgt daraus, daß die
Schließzellen in schwachen und mittelstarken Maltosekonzentrationen
allmählich ihren Turgor verlieren, und daß die Spaltöffnungen sich
schließen. Das findet jedoch nur dann statt, wenn die Konzentration
der äußeren Lösung nicht allzuhoch ist; widrigenfalls tritt keine Stärke-
synthese ein, der osmotische Druck ist ein sehr hoher, und die Spalt-
öffnungen bleiben weit geöffnet. Das Konzentrationsoptimum der
Maltose betrug für die Spaltöffnungen von Rumex acetosa 0.06—0O.1n.
Um den Einfluß der Salze auf den Gang der Synthese zu prüfen, ist es
notwendig, die Spaltöffnungen vollkommen stärkefrei zu halten. Letz-
teres läßt sich entweder. wie ich es früher machte, durch eine vorläufige
Behandlung mit Salzen oder durch Übertragung der Blätter in einen schr
feuchten Raum bei möglichst intensiver zerstreuter Belichtung erzielen.
Letztere Methode gelingt besser bei verhältnismäßig jungen Blättern.
Künstliche Stärkeentziehung mittels Salz liefert. wie es die Versuche er-
gaben, unbeständige schwankende Ergebnisse; die Dauer des Verbleibens
in den Lösungen und die Konzentration derselben üben gleichfalls einen
Einfluß aus: Salze wirken auf Syntheseprozesse sehr schädlich ein und
können dieselben fast vollständig zum Stillstehen bringen. Natürliche
Stärkeentziehung liefert im Gegenteil übereinstimmende Ergebnisse.
und ich beginne nun mit der Beschreibung dieser Art von Versuchen.
Einfluß von Kationen auf Zerfall von Bildung und Stärke. 507
Die Blätter von Rumex acetosa wurden vorher eine Zeitlang in
feuchter Kammer bei intensivem zerstreuten Licht gehalten, weshalb
die Stärke in Spaltöffnungen verschwand. Hernach wurden die Epi-
dermisschnitte in 0,05n-Maltoselösungen, die mit Salzen von verschie-
denen Konzentrationen versetzt wurden, hineingebracht, worauf die
Versuchsgefäße in einen Thermostat gestellt wurden.
Im ersten Versuche wurden zur Maltoselösung 0,01—0,05—0.1
—0,2 Mol LiCl, NaCl, KCl, RbCl, CsCl, MgCl,, Cal, SrCl, und 0,005
—0,01—0,02—0,05 Mol BaCl, beigefügt; Prüfung der Stärkeanwesen-
heit wurde nach 12 Stunden vorgenommen. Im anderen Versuche
wurden beigefügt: 0,01—0,02—0,03—0,05 Mol LiCl; 0,04—0,05—0.06
—0,08 Mol NaCl; 0,08—0,1—0,12—0,15—0,2 Mol KO: 0,1—0,15—0.2
—0,25—0,3 Mol RbCl; 0,03—0,05—0,07 Mol CsCl; 0,1—0,12—0,15—0.2
—0,25 Mol MgCl,; 0,05—0,075—0,1—0,125—0,15 Mol CaCl,; 0,07—0,1
—0,12—0,15—0,2—0,25 Mol SrCl, ; 0,005—0,01—0,02—0,03 Mol BaC,.
Prüfung der Stärke wurde nach 3 Stunden und 18 Stunden vorgenommen.
Es gelang mir, für jedes einzelne Element festzustellen, bei welcher
Konzentration die Stärkebildung vollständig aufhörte, bei welcher
Konzentration das Salz keinerlei Einfluß mehr ausübte und die Spei-
cherung ebenso erfolgreich wie in reiner Maltose vor sich ging, und wann
schließlich eine Hemmung der Synthese eintrat. Diese kritische Konzen-
tration beträgt für Li = 0,04 Mol, Na = 0,07, K = 0,17, Rb = 0.2,
C's = 0,02, Mg = 0,2, Ca = 0,13, Sr = 0,2, Ba = 0,015.
Es ist also nicht allein die Konzentration der Kationen von Bedeu-
tung, sondern hauptsächlich die spezifischen Eigenschaften der einzelnen
Elemente üben einen Einfluß aus. In der ersten Gruppe sinkt mit der
Vergrößerung des Atomgewichtes die Wirkungskurve der Elemente
stetig, nur beim Caesium erfährt dieselbe eine scharfe Hebung. Die
Eigenschaften des Bariums liegen denjenigen des Caesiums, dessen
Atomgewicht beinahe dasselbe ist, sehr nahe. Was das Magnesium, das
Calcium und das Strontium anbetrifft, so läßt sich hier keinerlei Gesetz-
mäßigkeit feststellen; diese 3 Elemente beginnen erst in sehr hohen
Konzentrationen auf die Stärkesynthese hemmend einzuwirken. Es
tritt noch in einer anderen Hinsicht die Verwandtschaft des Bariunıs
mit den Elementen der ersten Gruppe zutage und scheidet alle
diese Elemente von Mg, Ca und Sr: Bei einem Vergleich der nach 3 Stun-
den und nach 18 Stunden abgelagerten Stärkemengen ergibt sich, daß
die während des ersten Zeitraumes formierte Stärke nachher verschwin-
den kann, was gewöhnlich in der Nähe der kritischen Konzentration
eintritt. Jedoch ist diese Fähigkeit. die gebildete Stärke nachträglich
aufzulösen, lediglich den Elementen der ersten Gruppe und dem Barium,
nicht aber dem Magnesium, Calcium und Strontium eigen.
In folgendem Versuche kam diese Erscheinung besonders deutlich
508 W. S. Iljin:
zum Vorschein. Lithium und Natrium wurden in den Konzentrationen
0,01—0,05—0,1, Magnesium 0,1—0,2, Calcium 0,05—0,1, Barium
0,005—0,02—0,05—0,1 Mol angewandt. Proben wurden nach 2, af,
und 19 Stunden entnommen. In Anwesenheit von Lithium bildete sich
nach 2 und 5?/, Stunden in 0,05 wenig Stärke und verschwand letztere
nach 19 Stunden vollständig; im Natrium war in 0,05 nach Di, Stunden
viel Stärke vorhanden, nach 19 Stunden ließ sich dieselbe überhaupt
nicht nachweisen; das Barium bewirkte die Stärkebildung im Laufe
der ersten Stunden nicht nur in den schwachen Lösungen, sondern selbst
in 0,1 Mol, nach 19 Stunden aber war Stärke nicht einmal in 0.005 Mol
zu finden. Die Magnesium- und Calciumsalze offenbarten keine der-
artigen Eigenschaften, dieselben hemmten die Lebensfähigkeit der
Zelle nur in starken Konzentrationen, und zwar rein physikalisch. Das
Auflösungsvermögen haben nur Li, Na, K, Rb, Cs, Be und Ba inne.
Es erweist sich bei der Nebeneinanderstellung der beschriebenen Ver-
suche mit den Ergebnissen der oben angeführten Beobachtungen über
den Einfluß von Salzen auf die Stärkelösung eine vollkommene Über-
einstimmung. In jenem Falle besaßen die Elemente der ersten Gruppe
und das Barium die Fähigkeit, Stärkehydrolyse nebst Bildung von
osmotisch starken Substanzen hervorzurufen; beim Magnesium, Calcium
und Strontium fehlte dagegen diese Eigenschaft; außerdem ließ sich
die Kraft der Elemente in eine gleiche Reihe wie hier ordnen; die Wir-
kungskurve sank vom Lithium bis zum Rubidium, beim Caesium stieg
dieselbe aber scharf an.
Ganz analoge Ergebnisse lieferten die Versuche mit der künstlichen
Stärkeentziehung. In dieser Richtung wurden 4 Versuche angestellt.
wobei sämtliche obenerwähnten Salze in verschiedenen Konzentrationen
untersucht wurden. Epidermisschnitte von Rumex acetosa wurden
während 3—5 Stunden im O,1n-Chlornatrium bis zum vollständigen
Verschwinden der Stärke gehalten; hierauf wurden dieselben sorgfältig
gewaschen und in Maltoselösungen, welche mit den zu prüfenden Salzen
versetzt wurden, hineingebracht. Nach 12—22 Stunden wurden Be-
obachtungen über das Öffnen der Spaltöffnungen und den Stärkegehalt
gemacht.
Wurden die Schnitte in reines Wasser gelegt, so blieben die Spalt-
öffnungen geöffnet, und es trat in denselben keine Stärkebildung ein.
Ein Zusatz von Maltose stimulierte stets die synthetischen Prozesse.
cs fand lebhafte Stärkespeicherung statt, der osmotische Druck sank,
und die Spaltöffnungen schlossen sich. Wenn außer der Maltose zugleich
auch das Salz einwirkte, so ergab sich je nach dessen Menge und den
physikalisch-chemischen Eigenschaften des Elements ein verschieden-
artiger Effekt: In schwachen Lösungen verliefen die physiologischen
Prozesse in derselben Weise wie in reiner Maltose, d. h. die Abnahme
Einfluß von Kationen auf Zerfall und Bildung von Stärke. 509
Tabelle I.
Einfluß der Salze auf Stärkeauflösung.
= Zustand der Spaltöffnungen Stärkegehalt
a WEE NEN nt Me ne ne
= f ] |
7 ba PER ei ei e u = =
iS ye = Io E be 5 Kal ke 3 = E
S li eg 3 e 7. z |% ž SS SG Z zF
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0,4 pl. Ischl. wot wO w. öf |wöf.fsylis.v. k|k k ik ık.
0.6 pl. Ischl. ot wat w. öf. w. öf. fs SR vl. wn. | wn. wn. | wu," k.
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0,4 pl. Ischl. of w.öf. w.öf! öf. Is.vlisvl vl. I vi vil wn. wn.
06 pl. "nl of w.öf w.öf,w.öf.|s.vi.|is.vi. vl. | wn. wn. "wen, k.
Spaltöffnungen: schl. = geschlossen, öf. = geöffnet, w.öf. = weit offen, pl.
== plasmolysiert; Stärke: k = keine, wn. = wenige, vl. — viel, s.yl. - sehr viel.
des Turgors und Stärkespeicherung; in stärkeren Lösungen blieben die
Spaltöffnungen weit geöffnet und war Stärke nicht vorhanden. Jedoch
zeigten die Salze in verschiedenen Versuchen gewisse, wenn auch nur
unbedeutende Abweichungen. Das kann durch verschiedene Momente
verursacht werden, wie z. B. die individuelle Beschaffenheit der Blätter.
«lie Bedingungen, unter denen die anfängliche Behandlung mit Chlor-
natrium geschieht; wie es nachfolgende Versuche beweisen, unterdrückt
das Natrium allmählich die Arbeit des synthetischen Fermentes. Streng
gesagt, darf man deshalb lediglich die Ergebnisse eines Versuches, in
dem sowohl das geprüfte Material als auch die Einwirkungsverhältnisse
analog waren, untereinander vergleichen.
Die am meisten hemmende Wirkung verursachte Ba. ihm folgen
zunächst Li, Na, K, Rb und dann erst Ca und Mg. Obgleich in ver-
schiedenen Versuchen gewisse Abweichungen vorkommen, so sind deren
Grenzen nicht groß, z. B. ruft das Li ein Aufhören der Stärkebildung
510 W.S. Ijin: Einfluß von Kationen auf Zerfall von Bildung und Stärke.
Tabelle II.
Einfluß der Salze auf Stärkesynthese.
Salze Stärkegehalt
SE Gpam- Nach | Nach Sa | Gram- Nach | Nacı
normal DN AN be Nach
Molek: 3 Stunden ' 18 Stunden un Molek 8 Stunden | 18 Stunden
| LiCl MgCl, | S
0,04 : 001 vl. Ä s. vl 0,04 0,1 vl. e ovl
0,04 0,02 vh o s. vl 0,04 0,12 vl. s. vl.
0.04 | 0,03 wn. | vl. 0,04 0,15 wen. IS vl.
0,04 | 0,05 wn j k. 0,04 0,2 k. wn.
1 Set 0,04 0,25 k k.
0,04 ; 0,04 vl. s. vl. CaCl
IL | 0,05 vl. e. vl 0,04 0,05 s. vl s vl
0,04 : 0,06 wn. s. vl 0,04 0,075 s. vl s. vl
004 `, 0,08 wn. k 0,04 O1 vi vl
R 0,04 0,125 wn wn
| KCI | 004 | 015 k k
IM ` 0,08 vl. s. vl. S
004 A sl Jr a SrClz
0,04 0,12 vl | vl. 0,04 0,07 yl. s. vl
IM ` OI? wn wn 0,04 0,1 vl. sl
004 02 wn | k 0.04 0,12 wn. vl
| | 0,04 0,15 k. vl.
RO) 0,04 ı 02 k. S. Wh
0,04 0,1 vho Ia 0,04 0,25 k. k.
0,04 ; 0,15 vl s. vi.
0,04 | 0,2 wn k. BaCl;
004 : 0,25 k. k. 0,04 0,005 vl. s. vl
004 03 k. | k. 0,04 0,01 vl. vl
| | 0,04 0,02 vl. k
, Cell | 0,04 0,03 wn. k
0,04 0.03 wn, | k.
0.04 ; 0.05 wn. | k.
004 ` Ou vn, o k | l |
Stärkerehalt: k. = keine, s. wn. = sehr wenig, wn. = wenig, vl viel,
s. vl. =- sehr viel.
in der Konzentration 0,01—0,02 hervor, Na in 0,02—0,03, K in 0,.05—0.1,
Rb in 0,1—0,2, Mg in 0,2, Ca in 0,2 und Ba in 0.001—0,01 Mol.
Mit Rücksicht auf die gebotene Notwendigkeit, an Raum zu sparen,
konnte ich der gegenwärtigen Abhandlung nicht sämtliche 40 Tabellen
der beschriebenen Versuche beifügen, weshalb ich als Beispiel am Ende
nur 2 Tabellen anführe; die eine derselben erläutert den Versuch mit
dem Einfluß der Salze auf die Stärkeauflösung, die andere bezieht sich
auf die Einwirkung der Salze auf die Synthese. Diese Tabellen vermögen
einen Begriff darüber zu geben, wie ich die Beobachtungen durchführte,
und welche Ergebnisse ich erhielt. Die Stärke wurde mittels Jodes in
Jodkali mit Chloralhydrat nachgewiesen, was selbst die geringsten
Spuren derselben aufzudecken gestattete.
Synthese und Hydrolyse von Stärke unter dem Einfluß der
Anionen von Salzen in Pflanzen.
II. Mitteilung.
Von
W. S. Iljin.
(Aus der Landwirtschaftlichen Landesversuchsstation in Jekaterinoslaw.)
(Eingegangen am 28. Juni 1922.)
In meiner ersten Abhandlung!) befaßte ich mich mit der Frage
des Stärkezerfalls und deren Synthese in den Spaltöffnungen unter
dem Einfluß der Kationen von Salzen, in gegenwärtiger Mitteilung
werde ich die Frage der Anionenwirkung behandeln.
Im Gebiete der Physiologie wurde schon öfters darauf hingewiesen, daß die
Anionen von Salzen die Tätigkeit der aus dem Organismus ausgeschiedenen Fer-
mente wesentlich beeinflussen können. Nach den Angaben von Cole?) begünstigen
z. B. die Chloride und Sulfate die Diastasewirkung, dagegen üben die Bromide,
Jodide und Nitrate auf dieselben einen hemmenden Einfluß aus. Wohlgemuth?),
Bang*), Loeb?) u. a. haben gezeigt, daß die Speicheldiastase durch Chloride und
Nitrate stimuliert, durch Phosphate, Acetate und Oxalate aber unterdrückt wird.
In den Versuchen von Fernbach und Wolff?) sehen wir die begünstigende Ein-
wirkung von BaCl, und den hemmenden Einfluß von MgSO,. CaSO, NaCl usw.
Im allgemeinen stimmen die Angaben über die Bedeutung der Salze, insbesondere
aber über die Anionen, für die Tätigkeit des Ferments, öfters nicht genau überein.
Meine Versuche wurden an einem lebenden Organismus, nicht aber
an isolierten Fermentpräparaten durchgeführt. Diese Methode hat
ihre Nach- und Vorteile. In der Physiologie ist man überhaupt be-
strebt, die Prozesse auszuscheiden und die zu untersuchende Erschei-
nung zu isolieren. Insbesondere ist es in bezug auf die Fermente üb-
lich, deren Ausscheidung und Untersuchung in vitro in wässeriger
Lösung vorzunehmen. Doch sind wir nicht ohne weiteres berechtigt,
die auf diese Weise erzielten Ergebnisse am lebenden Organismus
1) W. Iljin, diese Zeitschr. 132, 424. 1922.
2) Cole, Journ. of Physiol. 30. 1903.
3) J. Wohlgemuth, diese Zeitschr. 9. 1908.
1) J. Bang, diese Zeitschr. 32. 1911.
5) J. Loeb, diese Zeitschr. 46. 1912.
6, Fernbach und Wolff, Compt. rend. 22. 1907.
512 W.S. In: Synthese und Hydrolyse von Stärke
anzuwenden. Der Verlauf von physiologischen Prozessen ist von
inneren und äußeren Bedingungen abhängig. Das in Wasser und im
Organismus im lebenden Plasma gelöste Ferment wird in nicht gleicher
Weise durch ein äußeres Agens beeinflußt; ebenso hängen die
Reaktionsfähigkeiten des letzteren von dem Lösungsmittel ab; des-
halb werden Salze in destilliertem Wasser und in lebendem Plasma
verschiedene Folgen verursachen. Außerdem kann das Salz in der
Zelle Nebenerscheinungen hervorrufen, die ihrerseits nicht ohne Ein-
fluß auf die Tätigkeit des Ferments bleiben werden. Meine Aufgabe
bestand darin, die Wirkung von Salzen auf den lebenden Organismus
zu untersuchen, — in welcher Weise nämlich sich die Funktionen des
letzteren in Anwesenheit von Salzen verändern. Diese Aufgabe steht
unabhängig besonders von der ersteren da, muß ihrem Wesen nach
jener vorhergehen und dieselbe kontrollieren. Eine Untersuchung in
vitro hat nur dann einen Wert, wenn dieselbe an einem lebenden Orga-
nismus angewendet wird und dessen Funktionen zu erklären vermag.
Existieren in der Zelle zwei Sondergruppen von Fermenten —
synthetisierende und analvsierende —, so werden unsere Kenntnisse
nur in dem Falle erschöpfend sein, wenn wir uns vergegenwärtigen.
wie das geprüfte Salz auf diese beiden Fermentgruppen einwirkt und
welche Nebenerscheinungen dasselbe durch die anderen Teile der Zelle
hervorruft. Ist es auf Grund von Versuchen in vitro bekannt, daß
das gegebene Salz die Arbeit des analysierenden Ferments fördert,
so berechtigt uns diese Tatsache nicht, zu behaupten, daß ein Stärke-
verschwinden eintritt, da es unbekannt ist, auf welche Weise das ge-
prüfte Salz das synthetisierende Ferment beeinflußt, ob es die Tätig-
keit des letzteren stimuliert, oder ob es überhaupt keinerlei Wirkung
verursacht. Bleibt ein Zusatz von Salz für das spaltende Ferment
ebenso ohne Folgen, so bedeutet dieser Umstand nicht, daß keinerlei
Veränderung der Stärkemenge stattfinden wird; das Salz vermag die
Synthese zu hemmen, dann kann die Analyse verhältnismäßig leb-
hafter werden und es wird ein NStärkeverschwinden beginnen, das Salz
kann die Synthese stimulieren, dann tritt Stärkespeicherung ein usw.
Folglich ist es unerläßlich, nicht nur eine Isolierung der physiologi-
schen Prozesse, sondern auch eine Untersuchung derselben in vollem
Maße an lebenden Objekten vorzunehmen. Letztere kann sehr ab-
weichende Ergebnisse liefern, die sich bei weitem nicht immer mit
denen, die die Versuche in vitro ergeben, vergleichen lassen. Wie es in
Nachfolgendem gezeigt wird, können unsere Versuche an lebenden Or-
ganismen über den Einfluß der Anionen nicht vom Standpunkt der
eben beschriebenen Versuche verschiedener Autoren aus, die an der
Diastase gearbeitet und spezifische Wirkungen der Chloride, Sulfate,
Nitrate, Acetate u. a. festgestellt hatten, erklärt werden; der Endeffekt
unter dem Einfluß der Anionen von Salzen in Pflanzen. 513
erwies sich davon, was nach den ee der Autoren zu erwarten
wäre, verschieden.
Die Versuche über den Anioneneinfluß wurden mittels zweier Me-
thoden ausgeführt: einerseits wurde die Wirkung der Änionen auf die
in den Spaltöffnungen in großen Mengen abgelagerte Stärke unter-
sucht; andererseits wurden die Konzentrationen bestimmt, in welchen
cin Aufhören der Stärkesynthese durch die vorerst bei Licht in feuchter
Atmosphäre entstärkten und in Maltoselösungen hineingebrachten Spalt-
öffnungen hervorgerufen wurde.
Betrachten wir zunächst die Versuche über den Einfluß von Na-
triumsalzen auf die Stärkeauflösung. Die vorhergehenden Versuche
hatten gezeigt, daß das Natriumion selber einen energischen Lösungs-
prozeß bewirkt, wenn es in der Menge von 0,05 Mol. angewandt wird.
Unter seinem Einfluß tritt in den Spaltöffnungen Stärkeauflösung
ein, der Turgor der Schließzellen erfährt eine bedeutende Steigerung
und die Spaltöffnungen öffnen sich weit. In den ersten drei Versuchen,
die mit der Epidermis von Rumex acetosa angestellt wurden, wurden
folgende Salze in den angegebenen Konzentrationen angewandt: Chlo-
rid = 0,005 — 0,01 —0,02— 0,05 — 0,075 —0,1—0,2; Bromid = 0,05—0,1
—0,2; Nitrat = 0,02 —0,05 — 0,075 —0,1—0,2; Sulfat — 0,01 — 0,025 —
0,.05—0,075—0,1 —0,2 ; Carbonat = 0,0125—0 025— 0,05— 0,1; Acetat =
0,005 —0,01 — 0,02 — 0,025 — 0,05 —0,075— 0,1 —0,2—0,4; Oxalat = 0,001
— 0,002 —0,005 — 0,01 — 0,02 —0,05—0,075— 0,1; Tartarat = 0,01 — 0,02
—0,05 — 0,1 — 0,2 — 0,4; Citrat = 0,001 — 0,002 — 0,005 — 0,01 — 0,02
—0,05 —0,075—0,1—0,2—0,4. Die Konzentrationen sind hierbei in
Gramm-Molekeln angegeben. Im kohlensauren Natrium fand die Stärke-
lösung selbst in der schwächsten Konzentration statt, und zwar um
so schneller, je schwächer die Lösung war, z. B. verschwand während
vier Stunden die ganze Stärke in 0,0125 und 0,025 Mol.; ein Öffnen
der Spaltöffnungen trat jedoch nicht ein; wahrscheinlich übten hier-
bei die Hydroxylionen eine schädliche Wirkung aus. In den Salzen
mit anorganischen Anionen ließ sich kein merklicher Unterschied be-
obachten; das Anion an und für sich verursachte offenbar keinerlei
Einfluß, und waren die Stärkeauflösung und die Steigerung des Tur-
gors der Schließzellen durch die Spannung der Natriumionen bedingt.
Ganz anders verhält sich die Sache mit den organischen Anionen, es
ließ sich nämlich bereits in schwächeren Konzentrationen eine ent-
sprechende Reaktion konstatieren; als besonders aktiv erwies sich das
Anion der Citronensäure. Das Chlorid wirkte in der Konzentration
0,05 Mol.; das Acetat — 0,02 Mol.; das Oxalat — 0,01 Mol.; das Tar-
tarat — 0,01 Mol.; das Citrat — 0,005 Mol. Es enthält freilich das letzte
Salz bei ein und derselben Molarität dreimal soviel Natriumkationen,
wie das Chlorid, jedoch zeigte sich andererseits das Lösungsvermögen
514 W. N. Hjin: Synthese und Hydrolyse von Stärke
des ersteren zehnmal größer als dasjenige des letzteren, was seine Er-
klärung ausschließlich in dem Einfluß des Anions finden kann. Eine
derartige Wirkungssteigerung beobachten wir auch beim einwertigen
Acetat und bei dem zweiwertigen Oxalat und Tartarat. Die Anionen
der organischen Säuren erhöhten die Kraft der Natriumionen.
In zwei anderen Versuchen wurden die Blätter von Rumex acetosa
vorher eine Zeitlang in feuchter Atmosphäre bei zerstreuter Belich-
tung gehalten, weshalb die Stärke in den Spaltöffnungen versch wand.
Hierauf wurden die Epidermisschnitte in 0,075 Normallösungen von
Maltose, welche mit verschiedenen Natriumsalzen versetzt wurden.
übertragen. In Abwesenheit der Salze oder bei deren sehr schwachen
Konzentration ging eine lebhafte Stärkespeicherung in den Chloroplasten
der Schließzellen vor sich. Die Salze wurden in nachfolgenden Molar-
konzentrationen beigefügt: Chlorid und Nitrat = 0,02 — 0,05 — 0,075 —
0,1; Sulfat und Acetat = 0,01 — 0,02 —0,05—0,075—0,1; Oxalat, Tar-
tarat und Citrat — 0,005 — 0,01 — 0,02 — 0,05 — 0,075. Wiederum zeigen
die organischen Anione ein größeres Wirkungsvermögen, als die an-
organischen: Chlorid und Nitrat unterdrückte die Stärkesynthese in
einer Konzentration von 0,075 Mol. ; Sulfat, bei dem die Konzentration
der Natriumkationen höher ist — in 0,05 Mol., Acetat ergab 0,02 Mol.
Oxalat — 0,01 Mol., Citrat — 0,005 Mol. Macht man die Beobachtung
über das Stärkeerscheinen nach einem verhältnismäßig kurzen Zeit-
raum, nach sechs Stunden, und wiederholt man dieselbe nach 18 bis
20 Stunden, so läßt sich feststellen, daß der Syntheseprozeß sich nicht
auf einmal zum Stillstand bringen läßt, und daß Stärkebildung zu-
nächst in höheren Konzentrationen als die kritischen erfolgt, wobei
die Stärke in bedeutenden Mengen formiert werden, nachher aber
verschwinden kann. Diese Erscheinung beruht nicht auf dem lang-
samen Eindringen des Salzes in die Zelle, denn in den ersten Ver-
suchen verschwand die Stärke unter dessen Einfluß binnen ein bis
zwei Stunden, und gelang es also dem Salz während dieser Zeit hin-
einzudringen. Wie aus dem Nachfolgenden hervorgehen wird, hem-
men die Salzionen zunächst beim Eindringen die Arbeit des synthe-
tisierenden Fermentes, und zerstören schließlich dasselbe bei ge-
nügend hoher Konzentration vollständig. Die Maltose, welche die Syn-
these veranlaßt, tritt zwar ein, wird jedoch durch die Salze allmählich
vernichtet und dann prävaliert der Zerfall.
Wenden wir uns jetzt den Versuchen mit Magnesiumsalzen zu, die
uns den Wirkungsunterschied der organischen und anorganischen Ionen
vollständiger klarlegen. Wie die in der vorhergehenden Abhandlung
beschriebenen Versuche gezeigt haben, verhalten sich die Magnesium-
ionen in bezug auf die Stärkeauflösung inaktiv, weshalb die Kationen
bei der Untersuchung dieser Salze keinen störenden Einfluß ausüben
unter dem Einfluß der Anionen von Salzen in Pflanzen. 515
werden. Das Magnesium kann man in diesem Falle als neutral ansehen
und die sich auf das Ferment ergebende Wirkung ausschließlich den
Anionen zuschreiben.
In einem von den Versuchen wurde der Vergleich unter Natrium-
und Magnesiumsalzen durchgeführt. Epidermisschnitte, deren Spalt-
öffnungen reichlich Stärke enthielten, wurden während fünf Stunden
in 0,1 N-NaCl gehalten; im Laufe dieser Zeit löste sich die Stärke
vollständig auf. Nach sorgfältigem Auswaschen. wurden die Schnitte
in 0,05 Normallösungen von Maltose übertragen, denen Salze in nach-
folgenden Konzentrationen zugesetzt wurden: Natriumsulfat, Natrium-
acetat und Natriumtartarat 0,005—0,02—0,05; Magnesiumchlorid,
Magnesiumsulfat, Magnesiumacetat — 0,005 —0,02—0,05—0,1—0,2.
Nach einem zwölfstündigen Verbleiben in den angegebenen Lösungen
wurde Prüfung des Stärkegehaltes vorgenommen. Im Laufe dieser Zeit
hatte sich in denjenigen Maltoselösungen, wo entweder der Salzzusatz
fehlte,oder deren Konzentration ungenügend war, sehr viel Stärke an-
gesammelt. Eine Verzögerung in der Stärkebildung erfolgte im Natrium-
sulfat nur bei 0,05 Mol., in Natriumacetat und Natıiumtartarat bereits bei
0,02 Mol. Im Magnesiumchlorid und Magnesiumsulfat ging die Stärke-
speicherung in normaler Weise vor sich, gleich wie in reiner Maltose,
nur verursachte 0,2 MgCl, eine geringe Hemmung; das Magnesium-
acetat dagegen brachte die Stärkeformation bereits in einer Konzen-
tration von 0,005 Mol. zum Stillstand. Folglich unterliegt es keinem
Zweifel, daß das Essigsäureanion in diesem Falle eine bedeutende
Aktivität entwickelt hat.
In einem anderen, nach derselben Methode durchgeführten Ver-
such, wurden das Sulfat, das Chlorid, das Acetat und das Citrat des
Magnesiums in folgenden Konzentrationen angewandt: 0,005 —0,01—
0,02—0,05—0,1—0,2—0,4 Mol. Eine nach 5 und eine nach 20 Stunden
vorgenommene Beobachtung zeigte, daß das Chlorid eine hemmende
Wirkung bei 0,2 Mol. hervorrief; dagegen wurde dieselbe durch das
Sulfat nicht einmal in 0,4 Mol. erzeugt; das Acetat und das Citrat
unterscheiden sich in hohem Maße von den zwei ersteren, es genügen
Hundertstel vom Mol von Acetat, und Tausendstel von Citrat, um
die Synthesearbeit plötzlich einzustellen. Der Unterschied zwischen
den Chloriden und Sulfaten kann eher quantitativ als qualitativ sein,
denn es werden ja in Molarlösungen zweimal so viel einwertige Chlor-
ionen als zweiwertige SO, eingeführt. Parallel zu den Prüfungen des
Stärkegehalts wurden Beobachtungen über das Öffnen der Spalt-
öffnungen vorgenommen. Die Spaltöffnungen wurden in die Mal-
toselösungen, denen Salze zugesetzt wurden, weit geöffnet hinein-
gebracht. Die Einsenkung in die Maltose gab Veranlassung zur Stärke-
synthese aus den bereits im Zellsaft befindlichen Zuckern und führte
DIG W.N. Ijin: Synthese und Hydrolyse von Stärke
zu einer Verringerung des osmotischen Druckes, was ein Schlieben
der Spaltöffnungen zur Folge hatte. Erreichte die Lösung des hinzu-
gefügten Salzes diejenige Grenzkonzentration, bei welcher die Stärke-
synthese sistiert wurde, so fand keine Abnahme des Turgors in der
Zelle statt und die Spaltöffnungen blieben geöffnet.
letztere Beobachtung führt unwillkürlich zur Frage, ob die An-
ionen der organischen Salze nicht etwa in gleicher Weise wie die Kat-
ionen der Elemente der ersten Gruppe, des Bariums und des Bervl-
hums, imstande wären, einen beschleunigten Stärkeabbau zu ver-
ursachen. Die zwei nachfolgenden Versuche bestätigten klar und deut-
lich die Richtigkeit der oben ausgesprochenen Annahme. In diesen
Versuchen wurden Epidermisschnitte mit geschlossenen und stärke-
angefüllten Spaltöffnungen in Salzlösungen nachfolgender Konzen-
trationen eingetaucht: NaCl — 0,1 Mol., Magnesiumsulfat — 0,05 —0.]
— 0,2 Mol; Magnesiumacetat und Magnesiumeitrat = 0,005 — 0,01 — 0.02
— 0,05—0,1 Mol. Beobachtungen über das Öffnen der Spaltöffnungen
und den Gehalt an Stärke wurden gemacht nach 6 und 18 Stunden.
Das vollständige Verschwinden von Stärke und das entsprechende
Öffnen der Spaltöffnungen ließ sich nach dem ersten Zeitraum nur
in Citrat feststellen; diese Anionen besitzen überhaupt ein größeres
Auflösungsvermögen, bei tausendsteln Teilen des Mols findet bereits
vollständiges Stärkeverschwinden statt: das Acetat rief ebenfalls eine
Auflösung in 0,02 Mol. hervor. Im Sulfat tritt gar keine Lösung ein.
Folglich lassen sich die Anionen der organischen Säuren nicht nur mit
den Metallen der ersten Gruppe gleichstellen, sondern übertreffen so-
gar dieselben durch ihre Kraft ganz beträchtlich.
Nunmehr gehe ich zur Untersuchung der Frage über den Einfluß
der Salze auf die Fermente über. Bei deren Erörterung kommt man
unwillkürlich mit der Frage über das Eindringen der Salze in die Zelle
zusammen. Auf Grund der Arbeiten von Pfeffer und H de Vries hat
sich die Ansicht eingebürgert, daß das lebende Plasma mit einer für
die Salze undurchdringbaren Haut bedeckt ist. Als Basis für die Be-
urteilung der Fähigkeit verschiedener Substanzen in die Zelle hinein-
zudringen dienen entweder die Methoden der Ansammlung von ge-
färbten Verbindungen oder Plasmolvsebeobachtungen. Wenn das Pro-
toplast in der hypertonischen Lösung irgendeiner Substanz (z. B. in
2—3 proz. Alkohol Spirogyrazellen) sich weder von den Wänden trennt
noch an Umfang abnimmt, so wird angenommen, daß die gegebene
Verbindung in das Plasma äußerst schnell eindringt. Schrumpft je-
doch das Protoplast zusammen und läßt hierbei Wasser austreten,
so wird solch eine Verbindung als nichteindringend bezeichnet, zu
letzteren gehören die Salze, die Zucker u. a. Eine Mittelstellung nehmen
unter dem Einfluß der Anionen von Salzen in Pflanzen. 517
Glycerin, Harnstoff, Erythrit und einige andere Substanzen ein, die
sich durch das Plasma verhältnismäßig langsam filtrieren. Die füh-
rende Rolle wird der Oberflächenplasmaschicht zugeschrieben. Je-
doch widerspricht eine derartige Erklärung offensichtlich den ge-
wohnten Beobachtungen; es ist z. B. bekannt, daß die Plastiden
leicht und schnell Stärke auf Kosten des in der bespülenden Lösung
befindlichen Zuckers ablagern. Ferner führen die Angaben über die
Mineralernährung der Pflanzen, über die Anhäufung von anorganischen
Salzen in der lebenden Zelle usw. notwendigerweise zum Eingeständnis,
daß die Salze ebenfalls durch das Protoplasma hindurchgehen müssen.
Die Notwendigkeit der Permeabilität des Plasmas für Salze und Zucker
anzuerkennen, gab einigen Autoren die Veranlassung dazu, die sich
widersprechenden Versuchsergebnisse entweder durch ein sehr lang-
sames Eindringen oder durch eine periodisch eintretende Permeabilität
zu erklären usw. Begegnet man aber derartigen Erscheinungen, daß
Salze zu jeder Zeit und äußerst schnell den Verlauf physiologischer
Prozesse verändern, was z. B. in den Versuchen von Loeb u. a. über
die rhythmischen Muskelverkürzungen oder in den Versuchen von
Maximoff über die Veränderung der Gefrierbeständigkeit unter dem
Einfluß von Salzen der Fall war, so übertragen die Autoren den
Schwerpunkt auf die Öberflächenplasmaschicht — die Plasmahaut
von Pfeffer.
Meine Versuche über die Kationenwirkung, die in der vorher-
gegangenen Abhandlung beschrieben waren, sowie diejenigen über den
Einfluß von Zuckern und Anionen führen zur bestimmten Erkennt-
nis, daß sowohl die anorganischen Salze und deren Ionen als auch
die Zucker die Fähigkeit besitzen, in das Plasma einzudringen. Die
Ionenwirkung auf die Zellfermente ist scharf spezifisch ausgeprägt,
der Lösungs- und Syntheseprozeß der Stärke geht innerhalb der
Plastiden vor sich, welche sich hinter der Plasmahaut befinden. Die
Salzionen müssen in eine unmittelbare Gemeinschaft mit den Fer-
menten treten. Ferner erfolgt die Einwirkung der Lösungen auf die
in dieselben hineingebrachten Gewebeschnitte stets sofort und unver-
meidlich nach deren Eintauchen; bei den von mir zahlreich (cinigen
Hundert) ausgeführten Beobachtungen ließ sich gar keine Ausnahme
feststellen; es fand zu gleicher Zeit Zellplasmolyse und das Eindringen
der Salze statt. Deshalb erscheint die Erklärung, daß die gewöhnlich
die Salze und Zucker nicht durchlassenden Zellen nur zu gewissen Zeit-
punkten für dieselben geöffnet sind, als unzutreffend. Die andere
Hypothese, laut deren die Salze das Plasma äußerst langsam passieren,
ist ebenfalls hinfällig, denn wenn man Spaltöffnungen mit geringerem
Stärkegehalt in den Plastiden anwendet, so kann die Stärke bereits
nach 30—60 "Minuten verschwinden; andererseits ist es auf Grund
518 W. S. Iljin: Synthese und Hydrolyse von Stärke
aufeinanderfolgender periodischer Beobachtungen bekannt, daB die
Stärkeauflösung nach und nach vor sich geht; folglich muß, um da>
Verschwinden der Stärke nach 30—60 Minuten zu bewirken, das Salz
gleich nach dem Einsenken hinübergehen. Auch läßt sich eine Stärke-
speicherung in Zuckerlösung nach 40—60 Minuten in deutlichen Men-
gen erzielen. Ungeachtet dessen, daß die Plasmolyse in Salzen und in
Zucker stunden- und sogar tagelang bestehen bleiben kann, wage ich
es zu behaupten, daß die Salze leicht in das Plasma eindringen und dab
die Plasmahaut für dieselben keinerlei Hindernisse bietet. Und zwar
kommen derartige Eigenschaften nicht nur den Protoplasten der Spalt-
öffnungen zu, welch letztere man zwecks Beibehaltung der früheren
Vorstellungen als Ausnahmen ansehen könnte, sondern üben die Salze
ihren Einfluß auch auf das Blattparenchym aus.
Von einer Zerstörung der Plasmahaut kann ebenfalls keine Rede
sein; die Zellen bewahrten den Plasmolysezustand leicht und dauernd
in ziemlich starken Lösungen, während auch sehr verdünnte Lösungen
— Hundertstel, Tausendstel und sogar Zehntausendstel des Mols —
eine ganz bestimmte Wirkung hervorriefen.
Auf welche Weise läßt sich die Tatsache, daß die Salze schnell und
leicht in die Zellen eindringen, mit der dauernden Plasmolyseerhaltung
in Einklang bringen? Diese Frage kann ich jetzt nicht beantworten
und will nur darauf hinweisen, daß man zwei verschiedenartige Er-
scheinungen — das Filtrieren der Substanz in unverändertem Zu-
stand durch das Plasma und die Rezeption durch das Plasma von
Substanzen aus der umgebenden Lösung —, wenn deren Adsorption
durch die Kolloide vor sich geht, nicht verwechseln darf.
Was die Frage über die Einwirkung von Substanzen auf das Fer-
ment anlangt, so gibt es sowohl auf dem Gebiet der Katalyse als auch
auf demjenigen der Fermentation genügend Hinweise darauf, daß
verschiedene Substanzen die Katalysatoren- und Fermenttätigkeit
wesentlich beeinflussen.
Zenter! gibt eine ganze Reihe verschiedenartiger Substanzen an, welche
paralysierend auf den anorganischen Katalysator das Platin und auf das Ferment
Hemase einwirken. Detmer?) hatte die beschleunigende Wirkung von Säuren auf
die Diastase beobachtet. Die Zerfallprodukte selber vermögen ebenfalls den Ver-
lauf des Fermentationprozesses zu verändern. Sogar der anorganische Katalysator
— die Salzsäure — steigert, wie es Arrhenius?) gezeigt hat, die Zuckerinversion
in Anwesenheit von 0,4 NNaCl um 26°,. Herissey') beobachtete eine Hydrolyse-
beschleunigung der Reservekohlenhydrate durch die Cvtase der Leguminosen-
1) Senter, Zeitschr. f. physiol. Chemie 16. 1392.
*) Delmer, Zeitschr. f. physiol. Chemie 7. 1882.
3) Arrhenius, Zeitschr. physik. Chem. 4. 1880.
4) Herissey, Compt. rend. 143. 1901.
unter dem Einfluß der Anionen von Salzen in Pflanzen. 519
samen in Anwesenheit von 1,50%, NaFl. Starkenstein!), Bierry?), Preti?), Kendall
und Sherman) zeigten, daß die tierische Diastase nach erfolgter sorgfältiger Dialyse,
d. h. in Abwesenheit von Neutralsalzen, ihre Aktivität verliert und letztere bei
cinem Zusatz von Chloriden wiedergewinnt; es existiert sogar eine gewisse Propor-
tionalität zwischen der Stärke des Ferments und der Menge der beigefügten Salze.
Nach Bierry ist Pflanzenamylase auch ohne Chloriden in dialysiertem Zustande
vollständig aktiv. Jedoch sprechen die Versuche von Lisbonne und Vaulquin?)
dafür, daB auch die Malzdiastase nach möglichst vollständiger Entfernung der
Elektrolvten mit Hilfe der elektrischen Dialyse inaktiviert wird. Effront®) und
Cole’) haben eine begünstigende Wirkung der Chloriden auf die Diastase fest-
gestellt, obgleich Lintner?!) einen Einfluß geringer Mengen nach CaCl,, NaCl und
KCl auf Malzdiastase nicht konstatiert hatte. Nach Cole wird die Diastasearbeit
durch Sulfate gefördert, durch Bromide, Jodide und Nitrate aber verzögert. Nach
Fernbach und Wolff’) übt BaCl, einen beschleunigenden, MgSO,, CaSO, NaCl
dagegen einen hemmenden Einfluß aus. Überhaupt stimmen die Angaben über
die Einwirkung von Salzen auf das diastatische Ferment nicht genau überein.
Außer durch anorganische Salze wird nach Wohl und Glimm!°) die Stärkeauflösung
auch durch Zucker beeinflußt, wobei 15°, Maltose und 109%, Glukose eine Hem-
mung hervorrufen; das Dextrin wirkt schwächer als diese zwei; Saccharose und
Fructose dagegen erwiesen sich als völlig inaktiv. Die Fermentationsarbeit hängt
im allgemeinen von verschiedenen organischen und anorganischen Verbindungen ab,
genannt Enzymgifte, Paralysatoren, Antifermente, die zeitweise die Ferment-
tätigkeit aufheben und in der Regulierung der Lebensfunktionen eine wichtige
Rolle spielen. Es gibt auch thermolabile Substanzen-Kinasen oder Kofermente,
welche die Fähigkeit besitzen, Fermente zu aktivieren. |
Diese kurze Übersicht liefert einen genügend überzeugenden Be-
weis dafür, daß die Fermenttätigkeit, die das Wesen der Lebenserschei-
nungen in sich birgt, von verschiedenen Verbindungen abhängt, die
es vermögen, bald das Ferment in aktiven Zustand zu erzeugen, bald
dessen Arbeit zu paralysieren, oder dieselbe zu beschleunigen oder zu
hemmen. Nur in Anwesenheit derartiger in bezug auf die Fermente
aktiver Substanzen kann das Leben eines Organismus einen normalen
Verlauf nehmen. Diese Nebenverbindungen regulieren das Leben,
weshalb es einleuchtend ist, daß jeder Organismus eines ganz bestimmten
äußeren Mediums bedarf.
Bei der Untersuchung der Einwirkung irgendwelcher Substanz auf
die Pflanze muß man nicht nur den Nährwert der ersteren oder die
Gift- und Hemmwirkung in Betracht ziehen, sondern auch den Ein-
1) Starkenstein, diese Zeitschr. 24. 1910; 47. 1912.
2) Bierry, Soc. Biol. 60. 1906; Journ. de Physiol. 14. 1912.
3) Preti, Biochem. Zeitschr. A 1907.
4) Kendall und Sherman, Journ. Amer. Chen. Soc. 32. 1910.
3) Lisbonne und Vulquin, Soc. Biol. 7%. 1912.
6) E/front, Compt. rend. 115. 1892.
*) Cole, Journ. of Physiol. 30. 1903.
8) Lintner, Journ. prakt. Chem. 36. 1887.
”) Fernbach und Wolff, Compt. rend. 22. 1907.
10) Wohl und Glimm, diese Zeitschr. 9. 1907.
Biochemische Zeitschrift Band 132. 34
mr‘
920 W. S. Tun: Synthese und Hydrolyse von Stärke
fluß derselben auf den Fortgang der Lebensprozesse, in bezug auf
deren Regulierung, berücksichtigen. Zuähnlichen Verbindungen müssen
auch die von uns untersuchten Salzkationen und Anionen und die Zucker
gerechnet werden, welche, wie wir es gesehen haben, imstande sind,
in der Zelle die Arbeit der analytischen Fermente zu verursachen und,
wie es im nachfolgenden gezeigt wird, sich einander zu paralysieren
und dadurch nicht den Stärkezerfall, sondern deren Synthese zu be-
günstigen. Folglich reguliert eine Salzeinführung von außerhalb die
Lebensprozesse und leitet dieselben. Deshalb lassen sich die in dem
tierischen und Pflanzenorganismus und in dem dieselben umgebenden
Nährsubstrat vorkommenden Salze nicht nur ausschließlich vom Ge-
sichtspunkt ihres Nährwertes aus beurteilen, sondern muß denselben
auch eine andere äußerst wichtige Bedeutung zukommen — ein Rce-
gulieren der Lebenserscheinungen, sowohl in bezug auf deren Rich-
tung nach der einen oder nach der anderen Seite, als auch in bezug
auf die Geschwindigkeitsveränderung derselben. Die Salze können
die thermolabilen Antifermente und Kofermente ersetzen.
Welche physiologische Ursachen hatten nun in meinen Versuchen
Stärkebildung und deren Verschwinden in Anwesenheit von Salzen
hervorgerufen? Streng gesagt, lassen sich folgende Annahmen auf-
stellen: 1. Die Salze lösen unmittelbar die Stärke auf; 2 die Salze
steigern die Arbeit des diastatischen Ferments; 3. nimmt man an, daß
in der Zelle zwei Fermentarten — analysierende und synthetisierende —
vorkommen, so kommt man zur Annahme, daß die Salze entweder
die Synthese hemmen und dadurch einen verhältnismäßig schnellen
Hydrolysefortgang ermöglichen, oder daß dieselben die Analyse sti-
mulieren, ohne die Synthese zu beeinflussen; 4. wenn ein sowohl zur
Synthese als auch zur Hydrolyse befähigtes Ferment vorhanden ist,
wenn ferner die Stärkeauflösung durch dasselbe eine umkehrbare Re-
aktion ist und das bewegliche Gleichgewicht infolge äußerer Bedin-
gungen bald nach der einen, bald nach der anderen Seite hin verschoben
wird —, so kann man in diesem Falle die Salze als Faktoren, die eine
Verschiebung des Gleichgewichts bewirken, ansehen; 5. die Salze führen
das Ferment aus der inaktiven Zymogenform in einen aktiven Zustand
über, d. h. sie kommen den Kofermenten gleich.
Untersuchen wir die verschiedenen Möglichkeiten, vom ersten Punkt
angefangen. In der Tat vermögen es die Salze, was aus Versuchen
hervorgeht, an und für sich ohne Teilnahme der Fermente, Stärke zu
lösen. Jedoch verläuft dieser Prozeß nur in sehr schwachen Stärke-
konzentrationen und äußerst langsam. Hierbei gelang es mir, diese
Stärkeauflösung nur in vitro im Reagensglas zu erreichen; an Pflan-
zenobjckten wurde das Ferment getötet. und brachte ich die Epidermis-
schnitte mit stärkeangefüllten Spaltöffnungen in Salzlösungen hinein,
unter dem Einfluß der Anionen von Salzen in Pflanzen. 521
so fand kein Stärkeverschwinden statt. Für den Versuch wurde Stärke-
kleister von 0,01—0,02°,, Stärkegehalt zubereitet: diesem verdünnten
Kleister wurden Salze in verschiedenen Konzentrationen zugesetzt und
hierauf periodisch Stärkenachweis vorgenommen. Stärkere Aktivität
zeigten verhältnismäßig schwache Lösungen, in denen Salz in Hun-
dertsteln und Tausendsteln des Mols enthalten war. Als aktiv er-
wiesen sich verschiedene Chloride. Auf Grund der Jodreaktion be-
urteilt, durchläuft der Stärkezerfall infolge der Salzwirkung dieselben
Stufen, wie bei der Einwirkung von Säuren oder der Diastase, d. h. es
findet zunächst Dextrinbildung statt; die blaue Färbung wird zuerst
allmählich violett, dann rot und schließlich farblos.
Hierauf wurden Versuche mit der aus der lebenden Zelle isolierten
Diastase angestellt, zu welchem Zwecke ein fertiges Präparat der
Firma Merck genommen wurde. Dieses Präparat ließ man auf Stärke-
kleister einwirken, dem gleichzeitig in verschiedenen Konzentrationen,
außer der Kontrollportion, Chloride zugesetzt wurden. Der Chlorid-
einfluß konnte sowohl beschleunigend als auch hemmend in Abhängigkeit
von deren Konzentration sein. Hierbei ist es bemerkenswert, daß eine
Steigerung in sehr schwacher Form zur Geltung kam, und daß sich
viel öfter eine Verzögerung des Stärkezerfalles beobachten ließ. Je-
doch läßt es sich auf Grund der ausgeführten Versuche nicht bestimmt
behaupten, daß die Stärkeauflösung in lebenden Blättern unter dem
stimulierenden Einfluß der Salze geschah. Mag eine Neigung hierzu
auch in vitro vorhanden gewesen sein, so war dieselbe verhältnismäßig
gering. Man darf dem Umstande, daß zwischen den Lösungskonzen-
trationen, die eine Wirkung bei Behandlung von lebendem Material
und von Diastasepräparaten hervorrufen, eine Übereinstimmung aus-
bleibt, keine Bedeutung zuschreiben — im ersten Falle bewirkt ein
Zusatz von 0,1 Mol NaCl eine Zerfallbeschleunigung, im zweiten dessen
Verzögerung; Spuren der Wirkung lassen sich im letzteren Falle bei
Tausendsteln des Mols feststellen. Man darf nicht annehmen, daß das
in dem Versuche angewandte Salz in derselben Konzentration sich im
Plasma befindet und daß es das Chlorophylikorn mit den gleichen
physikalisch-chemischen Eigenschaften, wie im Wasser, erreichen wird.
Eine derartige Vorstellung würde dem physikalisch-chemischen Begriff
über den Quotienten der Substanzverteilung in zwei Lösungsmitteln
widersprechen.
Falls in der Zelle nur eine Art von Fermenten vorhanden ist, welche
sowohl Synthese als auch Hydrolyse bewirken kann, in Abhängigkeit
von der Konzentration des Ausgangs- und Endprodukts, und in Ab-
hängigkeit von der Veränderung der umgebenden Verhältnisse, so läßt
sich den Salzen die Eigenschaft zuschreiben, den Gleichgewichtspunkt
nach der einen oder anderen Seite hin zu verschieben, ähnlich wie die
34*
D22 W.N. un: Synthese und Hydrolyse von Stärke
Temperatur, der Druck (die Konzentration), das Medium (das Lösungs-
mittel) auf den Dissoziationsgrad wirken; jedoch steht eine derartige
Vorstellung nicht mit den üblichen physikalisch-chemischen Begriffen
im Einklang. In der Literatur finden wir einige gleichfalls dafür spre-
chende Tatsachen, daß die Synthese und die Analyse durch ein und
denselben Katalysator bewirkt wird. Croff Hill!) Disaccharidensynthese
aus Glucose unter dem Einfluß der Hefenmaltase. Jedoch hat Arm-
strong?) gezeigt, daß bei der fermentativen Synthese jene Biose, welche
das Ferment spaltet, sich nicht bilden kann; z. B. wird Maltose von
Maltase gespaltet, dagegen bewirkt letztere die Synthetisierung von
Isomaltose; Emulsin verursacht den entgegengesetzten Effekt. Pan-
tanelli3) hat beim Studium der Zuckerreversion durch das Enzym des
Pilzes Mucor gefunden, daB die Zuckerbildung nicht durch Invertin,
sondern durch ein spezielles Ferment — Revertase bedingt wird. Eulert)
hat aus dem Hefesaft ein synthetisches Ferment dargestellt, welches
aus Kohlenhydraten und Phosphorsäure Äther bildete, und nannte es
Phosphatese. Euler schlägt vor, allgemein zur Benennung sämtlicher
synthetischen Fermente den Wortstamm mit der Endung ese zu wählen.
Abderhalden weist in seiner physiologischen Chemie auf den Umstand
hin, daß nur Synthese von Amygdalin und von buttersaurem Äther
bei Mitwirkung desselben Ferments, welches auch zur Analysearbeit
befähigt ist, stattfinden kann; nach der Meinung des Forschers sind
wir zur Zeit nicht berechtigt anzunehmen, daß ein und dasselbe Fer-
ment je nach dem Bedürfnis der Zelle bald zur Substanzspaltung,
bald zu deren Synthese dient. Hierzu fehlen uns genügende Beweise.
In diesem Punkt müßten wir uns, nach der Ansicht Abderhaldens, be-
sonders fest an Tatsachen halten und uns nicht durch kühne Hypo-
thesen verleiten lassen.
Es ist notwendig, zu all dem Obengesagten noch hinzuzufügen,
daß, wenn auch mit Hilfe irgendeines Zellenextraktes sich sowohl Syn-
these- als auch Analysearbeit ergibt, uns doch zuverlässige Anhalts-
punkte fehlen, auf Grund welcher es sich sagen ließe, daß in dem
untersuchten Extrakt nur ein Ferment zugegen sei; neben dem ana-
Iysierenden Ferment kann sich auch ein synthetisierendes, welches von
anderer chemischer Struktur ist, ergeben. Bis zur letzten Zeit ist noch
kein einziges Ferment in reinem Zustande dargestellt worden, und be-
findet sich in den Extrakten stets eine genügende Menge gänzlich
unbekannter Zusätze.
Bei der Existenz von zwei Fermentarten, der spaltenden und der
1) 4. Craft Hill, Journ. of the Chem. Soc. 33. 1898.
"IEF Armstrong, Proceed. of the Roy. Soc. Ner. B. 76. 1905.
3) E. Pantanelli Atti Acc. Line. (5) 15. I, 1906; 16 II, 1907.
IJ Euler, u. S. Knelberg. Zeitschr. physiol. Chemie, 74, 1911; 76, 1912.
unter dem Einfluß der Anionen von Salzen in Pflanzen. 523
synthetisierenden, kann das Stärkeverschwinden in der Zelle unter
dem Salzeinfluß entweder infolge einer Zerfallbeschleunigung oder einer
Syntheseverzögerung stattfinden; letzteres gewährt den analysierenden
Fermenten größeren Aktionsraum. Wenn die Salze auf das syntheti-
sierende Ferment hemmend einwirken, so muß, je stärker die aktive
Lösung ist, dieselbe einen um so intensiveren zerstörenden Einfluß
ausüben. In der Tat geht es aus vorgenommenen Versuchen hervor,
daß die in Salzlösungen eine Zeitlang gehaltenen Spaltöffnungen mehr
und mehr die Eigenschaft verlieren, bei einer Übertragung in Maltose
Stärkebildung hervorzurufen. So verblieben in einem Falle Epider-
misschnitte von Rumex acetosa in 0,1 und 0,2 Normallösungen NaCl
fünf Stunden lang, wonach die Stärke in den Spaltöffnungen verschwand;
nach sorgfältigem Auswaschen wurden die Schnitte in Maltoselösungen
0,0—0,1—0,2—0,4 Norm. auf die Dauer von 16 Stunden übertragen.
In den Schnitten, die anfangs in 0,1IN-NaCl lagen, sammelte sich Stärke
in bedeutender Menge an, wobei in den stärkeren Konzentrationen die-
selbe in größeren Quantitäten zu finden war; nach einer Behandlung
mit 0,2N-NaCl hörte aber die synthetisierende Tätigkeit der Plastiden
fast vollständig auf, ungeachtet dessen, daß die Spaltöffnungen ihre
Vitalität in vollem Maße beibehielten.
Die nachfolgenden Versuche zeigten, daß eine derartige Eigenschaft
auch anderen Salzen zukommt, und daß, je länger dieselben einwirken,
desto größere Störungen das synthetisierende Ferment erfährt. Hier-
bei bleiben die Schließzellen lebend und besitzen einen starken Turgor,
so daß die Spaltöffnungen weit geöffnet bleiben; bloß die Fähigkeit
der Stärkesynthese fällt aus.
In einem anderen Versuche wurden Epidermisschnitte mit in feuch-
ter Atmosphäre entstärkten Spaltöffnungen während 1, 2, 4 und 8 Stun-
den in nachfolgenden Salzlösungen gehalten: LiCl 0,01—0,05 Mol.,
NaCl 0,01—0,1—0,2 Mol., MgCl, 0,02—0,05—0,1—0,2 Mol., BaCl,
0,005—0,02—0,05—0,1 Mol. Hierauf wurden die Schnitte sorgfältig
ausgewaschen und auf die Dauer von 18 Stunden in 0,05 N.-Maltose-
lösung gelegt. Am stärksten erschien diejenige Epidermisstelle
durch die Salze angegriffen, wo dieselbe einschichtig und durch keine
Mesenchymschicht unterlagert war. 0,01 Mol. LiCl übte keinen Ein-
fluß auf die Stärkeerzeugung durch die Schließzellen aus; nur an den
im Laufe von acht Stunden in 0,05 N.-LiC verbliebenen Schnitten
äußerte sich die verzögernde Wirkung der vorhergegangenen Salzbehand-
lung. Ebenso brachte ein achtstündiges Verweilen in 0,1—0,2 Mol. ai
die Arbeit des synthetisierenden Ferments zum Stillstand; schwächere
Lösungen und kürzere Wirkungsdauer von 0,1—0,2 Mol. zogen keiner-
lei Folgeerscheinungen nach sich, und die Stärkesynthese nahm einen
ungestörten Verlauf. MgCl, hemmte in der Konzentration 0,2 Mol.
524 W.S. Ijin: Synthese und Hydrolyse von Stärke
Besonders schädlich wirkte aber auf das synthetisierende Ferment
BaCl, ein; bereits 0,005 Mol. dieses Salzes verzögerten, wenn auch in
nur geringem Maße, nach acht Stunden die Stärkespeicherung ; 0,02 Mal.
brachten die Arbeit nach acht Stunden vollkommen zum Stillstand:
für 0,05 Mol. genügten bereits vier Stunden.
Der nachfolgende Versuch wurde in analoger Weise mit dem vor-
hergehenden angestellt. Epidermisschnitte von Rumex acetosa mit zu-
nächst in feuchter Atmosphäre entstärkten Spaltöffnungen wurden
auf die Dauer 1, 2, 4, 8 und 12 Stunden in folgende Salzlösungen ge-
legt: LiCl 0,01—0,04—0,08 Mol., NaCl 0,05—0,1—0,2 Mol., Bac)
0,005 —0,02—0,04—0,08 Mol. Nach sorgfältiger Auswaschung wurden
die Schnitte auf die Dauer von 16 Stunden in 0,05N.-Maltose hinein-
gebracht. Außer der Prüfung des Stärkegehalts wurde auch der Zu-
stand der Spaltöffnungen beobachtet. Je stärker die Salzlösung war,
desto schneller wurde das synthetisierende Ferment vernichtet; schwä-
chere Konzentrationen äußerten ihre Wirkung entweder nach einem
verhältnismäßig langen Zeitraum, oder störten die Synthese überhaupt
nicht. 0,01 Mol. LiCl und 0,05 Mol. NaCl verursachten keinerlei Folge-
erscheinungen. Um eine Syntheseverzögerung zu erzielen, mußte ich
die Schnitte wie folgt in den Lösungen behalten: in 0,04 Mol. LiCl
8 Stunden, in 0,08 LiCl genügten bereits 2 Stunden, in 0,1—0,2 Mol.
NaCl 8 Stunden, in 0,005 Mol. BaCl, 12 Stunden, in 0,02 Mol. BaCl,
ebenfalls etwa 12 Stunden, in 0,04 Mol. BaCl, 8 Stunden und in 0,08 Mol.
BaCl, 4 Stunden. Dort, wo keine Stärkebildung stattfand, blieben die
Zellen vollkommen lebensfähig, hatten einen sehr hohen osmotischen
Druck und die Spaltöffnungen blieben weit geöffnet. Es existiert ein
ganz bestimmtes Verhältnis zwischen dem Öffnen der Spaltöffnungen
und der Standhaftigkeit des synthetisierenden Ferments. Hatte das
Salz nicht genügend Zeit, um das Ferment anzugreifen, so schlossen
sich die Spaltöffnungen im Zucker; wurde dagegen das Ferment ge-
schädigt, so verloren die Spaltöffnungen ihre Regulierfähigkeit. Der
Umstand, daß die Spaltöffnungen ihre Eigenschaft, sich normal zu
regulieren und Zucker in Stärke überzuführen einbüßen, spricht sehr
überzeugend dafür, daß unter dem Einfluß der Salze das syntheti-
sierende Ferment ausscheidet.
Es gelang mir in einer anderen Arbeit ebenfalls, eine Einstellung
der Stärkesynthese in lebenden Spaltöffnungen unter dem Einfluß
starker Wasserentziehung mittels gesteigerter Transpiration oder mittels
Einsenken in starke Zuckerlösung nachzuweisen. Die Stärkespaltung
wird dagegen unter diesen Bedingungen (starke Wasserentziehung) nicht
nur verzögert, sondern erfährt sogar dieselbe eine Beschleunigung. Die
Tonen der einwertigen Metalle Barium, Beryllium und einiger orga-
nischen Säuren, sowie starke, gesteigerte Wasserentziehung hervor-
unter dem Einfluß der Anionen von Salzen in Pilanzen. 525
rufende Lösungen anderer Verbindungen drücken den Syntheseprozeß
herab und schalten sogar das synthetisierende Ferment völlig aus, wo-
durch den Zerfallvorgängen größere Aktionsfreiheit gewährt wird und
letztere vielleicht sogar gefördert werden.
Nunmehr komme ich zur Prüfung der fünften Möglichkeit der
Salzeinwirkung auf das Ferment, welche von mir experimentell gar
nicht untersucht wurde, aus welchem Grunde ich mich an dieser Stelle
darauf beschränken werde, auf eine von den Möglichkeiten, die uns
zum Verständnis des Wesens des Salzeinflusses verhelfen, hinzuweisen.
Fermente werden im Organismus nach der üblichen Vorstellung nach
eintretenden: Bedarf erzeugt, bis dahin können sie in der Zelle in der
inaktiven Form des Zymogens oder des Profermentes bestehen.
Im ungekeimten Samen fehlt z. B. das peptolytische Ferment, beim Keimen
tritt aber dessen Erzeugung ein!). Ähnliches läßt sich auch am diastatischen
Ferment beobachten, welch letzteres bei dem in der Praxis oft angewandten Objekt,
der Gerste, in großen Mengen bei Wasserzufuhr sich bildet. Bei Schimmelpilzen
bildet sich bei Eiweißkultur proteolytisches Enzym, bei Stärkekultur aber —
Diastase. Besonders leicht paßt sich den verschiedenen Nährmedien die Hefe
an. Ferner, haben Brown und Morris?) gezeigt, daß der Diastasegehalt in den
Blättern sich ändert, am meisten ist er in den Morgenstunden vorhanden, am
Tage sinkt derselbe allmählich, und mit der Kohlenstoffassimilation bei Licht
wird die Diastaseerzeugung vollkommen zum Stillstand gebracht. Pfeffer),
Katz?), Pantanelli?®) u. a. haben regulatorische Vermehrung und Verminderung
des diastatischen Ferments beobachtet. Besonders eingehend wurde diese Frage
von Pantanelli untersucht; die Fermentproduktion kann sich unter einer ganzen
Reihe von Substanzen, wie z. B. Gummiarabicum, Agar-Agar, Alkohol, Glycerin
u. a. verändern.
Auf Grund dieser Angaben läßt sich annehmen, daß Salze die Fer-
mentproduktion fördern und dessen Übergang aus dem inaktiven Sta-
dium, dem Zymogen — in das aktive Stadium bringen; so entstehen
z. B. bei der Eierentwicklung der Tiere die Fermente allmählich, je-
doch kann Behandlung mit Essigsäure deren vorzeitige Ausscheidung
bewirken. In Form einer hypothetischen Annahme läßt sich sagen,
daß die von mir untersuchten Salze ebenfalls einen Übergang des Pro-
ferments in ein aktives Ferment bedingen. Jedoch bedarf diese Hypo-
these durchaus einer experimentellen Bestätigung.
1) Abderhalden und Dammhan, Zeitschr. f. physiol. Chemie 53. 1908.
2) Brown und Morris, Journ. Chem. Soc. 33%. 1890; 62. 1893.
3) Pfeffer, Ber. Sächs. Ges. d. Wiss. 1896.
3) Katz, Jahrb. wiss. Bot. 31. 1898.
>) Pantanelli, Annal. di Bot. 3. 1905; 5. 1907; 8. 1910; Rend. Accad. Line.
Roma. 15. 1906.
Physiologischer Pflanzenschutz gegen schädliche Wirkung
von Salzen.
III. Mitteilung.
Von
W. S. Iljin.
(Aus der Landwirtschaftlichen Landesversuchsstation in Jekaterinoslaw.)
(Eingegangen am 28. Juni 1922.)
Meine vorhergehenden Versuche!) hatten gezeigt, daß unter dem
Einfluß von Salzionen in den Spaltöffnungen gesteigerter Stärkezerfall
nebst Bildung von osmotisch wirksamen Substanzen stattfindet, was
ein weites Öffnen der Spaltöffnungen herbeiführt. Letzterer Umstand
muß eine ununterbrochene übermäßige Transpiration zur Folge haben,
was während der trockenen Vegetationsperioden schädlich auf das
Pflanzenleben einwirken kann. Außerdem wird die durch die Salze
verursachte Verzögerung der Syntheseprozesse ebenfalls einen schäd-
lichen Einfluß auf die Pflanzen ausüben.
Berücksichtigt man den verschiedenen Bodengehalt an löslichen
Salzen sowie die ungleiche Empfindlichkeit einzelner Pflanzenarten
diesen Salzen gegenüber, so ist die Annahme vollkommen begründet
daß verschiedene Pflanzen ungleich auf Salze reagieren; die einen Arten
müssen sich weniger empfindlich als die anderen zeigen. ` `
Meine ersten Versuche bestätigten bereits die Erwartungen. Es
wurden gleichzeitig Epidermisschnitte von Rumex acetosa L., Beta
vulgaris L., Lycium barbarum L. und Vicia Faba L. mit geschlossenen
und stärkeangefüllten Spaltöffnungen in 0,1—0,2 —0,3—0,4 — 0,5—0,6
— 0,8 Normallösungen von Chlornatrium gelegt. Die ersten Stadien
der Plasmolyse in den Spaltöffnungen wurden bei Lycium barbarum
nur von 0,8 N.-NaCl, bei den übrigen von 0,3 N. an beobachtet. Be-
obachtungen über das Öffnen der Spaltöffnungen und über den Stärke-
gehalt wurden nach 3 und 8 Stunden vorgenommen. Nach 3 Stunden
verschwand die Stärke bei Rumex acetosa in 0,1—0,3 N. vollständig,
1) W. S. Iljin. I. und Il. Mitteilung. Diese Zeitschr. 132, 494 u. 510. 1922.
W. N. Iljin: Schutz gegen schädliche Wirkung von Salzen. ` 527
in 0,4—0,6 N. teilweise und in 0,8 N. in nur sehr geringem Maße; nach
Verlauf von 8 Stunden nahm das Stärkeverschwinden in 0,4 und 0,5 N.
noch weiter ab, in 0,6—0,8 N. blieb es aber unverändert; unter diesen
Bedingungen wurde nicht nur das synthetische, sondern auch das hydro-
Iytische Enzym angegriffen; dementsprechend öffneten sich auch die
Spaltöffnungen. Bei Beta vulgaris ließen sich die ersten Spuren der
Stärkeabnahme nach 3 Stunden beobachten, in stärkerem Maße kam
dieselbe nach 8 Stunden zum Ausdruck; die ersten Anzeichen konnten
nur in 0,5 N. konstatiert werden, und unter dieser Konzentrations-
grenze blieb die Stärke unverändert; die kritische Konzentration be-
trug aber 0,6 N. Letztere Pflanze hatte sich viel standhafter als Ru-
mex acetosa gezeigt, für welche die kritische Konzentration auf Grund
früherer Versuche 0,05 N. betrug. Vicia Faba erwies sich als wenig
standhaft konzentrierten Lösungen gegenüber; von 0,3 N. an und
höher fand bei dieser Pflanze nach 8 Stunden vollkommenes Absterben
der Spaltöffnungen statt; eine Auflösung trat in 0,1—0,2 N. ein. Ein
ganz anderes Bild bietet sich bei Lycium barbarum — erst nach 8 Stunden
ließ sich ein Stärkeverschwinden in äußerst geringem Grade und nur in
den stärksten Lösungen beobachten, ein Öffnen der Spaltöffnungen fand
hierbei nicht statt. Letzterer Umstand findet in der kurzen Einwir-
kungsdauer des Chlornatriums seine Erklärung.
In zwei anderen Versuchen lieferte Lycium barbarum ebenfalls
keine bemerkbaren Ergebnisse: In einem Versuche nach 10 Stunden,
im anderen nach 12 Stunden, öffneten sich die Spaltöffnungen, aber in
beiden Versuchen nur 24 Stunden; die kritische Konzentration war
0,2 N.-NaCl. Rumex acetosa L. und Polygonum Fagopyrum L., für
welche 0,05 N. genügte, sowie Pisum sativum bei 0,1 N., reagierten
in diesen Versuchen schneller. Centaurea Margarita reagierte lang-
samer und in höheren Konzentrationen. Chenopodium album L. und
Dolichos sinensis Stikm. reagierten überhaupt nicht; es gelang zwar
unter gewissen Bedingungen, auch bei diesen Pflanzen ein Öffnen der
Spaltöffnungen und Stärkeverschwinden hervorzurufen, jedoch komme
ich hierauf erst später zurück.
Es läßt sich bereits a priori bei den Halophyten eine ausgesprochene
Salzbeständigkeit voraussetzen. Im Versuche wurden einige Arten von
den am Dnjepr in der Nähe von der Stadt Jekaterinoslaw gelegenen
Salzböden angewandt. Eine Analyse des wässerigen Bodenextraktes
zeigte reichlichen Chlorid- und Sulfatgehalt. In einem Versuche
wurden Aster Tripolium L. und Glaux maritima L., bei denen die
Spaltöffnungen bedeutende Stärkemengen enthielten und geschlossen
waren, genommen. Die Epidermisschnitte wurden in nachfolgende Kon-
zentrationen von NaCl gelegt: 0,06—0,1—0,2—0,24—0,3—0,4—0,5
— 0,6 N. Beobachtungen über den Stärkegehalt und das Spaltenöffnen
528 W. N. Iljin:
wurden nach 5 und 20 Stunden vorgenommen. Bei Aster Tripolium
trat das Spaltenöffnen nach 5 Stunden in 0,4 N. ein, das Stärkever-
schwinden erfolgte zu dieser Zeit nur in 0,6 N., nach 20 Stunden ver-
schwand dieselbe auch in 0,5 N., in-den übrigen Lösungen blieb der
Stärkegehalt unverändert. Glaux maritima öffnete ihre Spaltöffnungen
ebenfalls nur in 0,4—0,6 N., ein ähnliches Verhalten äußerte diese
Pflanze auch in bezug auf die Stärkelösung.
In den darauffolgenden Versuchen wurde die Wirkung von Na(l
auf Stärkesynthese geprüft. In diesen Versuchen wurden Epidermis-
schnitte von Blättern, die sich in feuchten Kammern befanden und
bei denen die Stärke aus den Spaltöffnungen vollkommen verschwunden
war, in Maltoselösungen, zu welchen verschiedene Mengen von Nat!
und Na,SO, zugesetzt wurden, hineingebracht. In einem Versuche
wurden genommen: das Mesophyt Rumex acetosa L., das Halophyt
Plantago maritima L. und Beta vulgaris L., die laut Angaben der agro-
nomischen Literatur sich durch große Selbständigkeit auszeichnet. Es
wurden zu 0,06 N. Maltoselösungen nachfolgende Mengen von NaCl
oder Na,SO, zugesetzt: 0,025 —0,05 —0,1—0,2—0,3—0,4—0,6 Mol. Be-
obachtungen wurden nach 6 und 24 Stunden ausgeführt. In reiner
Maltose oder bei verhältnismäßig geringem Salzzusatz sammelte sich
Stärke in den Chloroplasten der Spaltöffnungen in sehr großen Mengen
an; war dagegen Salz im Ü'berfluß vorhanden, so hörte das Stärke-
formieren auf. Für Rumex acetosa betrug diese kritische Konzentration
0,1 N.-NaCl, in 0,05 Mol. Na,SO, ging die Speicherung nicht so ener-
gisch wie in schwächeren Lösungen vor sich, in 0,1 Mol. Na,SO, blieb
dieselbe überhaupt aus. Für Beta vulgaris waren 0,6 Mol. NaCl kri-
tisch, in 0,4 Na,SO, wurde die Stärkebildung bereits stark beeinträch-
tigt. Bei Plantago maritima fand ich für NaCl 0,4 Mol. und für Na,SO,
0,2 Mol. Die energischere Wirkung des Sulfats in Molarlösungen findet
ihre Erklärung darin, daß hier der Natriumgehalt ein höherer ist als
in den Chloriden.
Ferner wurde eine ganze Versuchsreihe an verschiedenartigsten
Pflanzen angestellt, es wurden Pflanzenarten, die auf Wiesen, Steppen,
Sümpfen, Abhängen, Salzböden wachsen, Kulturpflanzen usw. unter-
sucht. Die Versuchsergebnisse beabsichtige ich zum Gegenstand einer
besonderen Abhandlung zu machen, an dieser Stelle will ich mich mit
dem Hinweis darauf beschränken, daß in bezug auf die Salze die
Pflanzen sich erstens durch die Reaktionsgeschwindigkeit und zwei-
tens durch die Empfindlichkeit voneinander unterscheiden: die einen
reagieren bei äußerst geringem Salzgehalt, andere benötigen be-
reits eine bedeutende Jonentension; es gibt endlich Arten, bei
denen überhaupt weder Spaltenöffnen noch Stärkeverschwinden statt-
findet.
1
Schutz gegen schädliche Wirkung vun Salzen. 529
Nunmehr wende ich mich der Untersuchung der die verschiedene
Salzbeständigkeit von Pflanzen bewirkenden Ursachen zu, durch welche
physiologische Besonderheiten dieselbe bedingt ist, und ob sie sich nicht
künstlich verändern läßt.
In einer anderen Abhandlung habe ich eingehend ausgeführt, daß
es nötig ist, die Existenz zweierlei verschiedener Fermente, des syn-
thetisierenden und des hydrolysierenden, "anzuerkennen. Die Ionen
der Alkalimetalle, Beryllium, Barium, die Anionen der organi-
schen Salze hemmen die Arbeit des synthetisierenden Ferments und
bewirken ein Stärkeverschwinden; eine andere Reihe von Substanzen,
zu denen die Zucker gehören, stimulieren im Gegenteil den Synthese-
prozeß; unter deren Einfluß geht in den weit geöffneten und stärke-
freien Spaltöffnungen bei hohem osmotischen Druck eine allmäh-
liche Stärkeanhäufung vor sich, der osmotische Druck sinkt und die
Spaltöffnungen schließen sich. Außerdem hat sich, wie wir es oben
gesehen, die größte Salzbeständigkeit bei Beta vulgaris erwiesen, welche
Pflanze von einem maximalen Zuckergehalt ist. Dieses geht schon
aus dem Umstande hervor, daß in Abwesenheit von Maltose bei Ru-
mex acetosa die Stärke in einer 0,05-Normallösung von NaCl ver-
schwindet; wird aber in die Lösung sogar eine derartige unbedeutende
Maltosemenge wie 0,04 Mol. eingeführt, so hört nicht nur das Stärke-
verschwinden auf, sondern letztere bildet sich äußerst lebhaft und
man muß die Konzentration bereits bis zu 0,07 erhöhen.
Zwecks Klärung dieser Frage wurden besondere Versuche angestellt
und hierbei nachfolgende Maltosekonzentration angewandt: 0,0125 bis
0,025 —0,05—0,075—0,1 Mol.; diese Lösungen wurden mit folgenden
Konzentrationen NaCl kombiniert: 0,025 —0,05 — 0,075 —0,1—0,15 Mol. ;
außerdem war reine Maltoselösung und reines Wasser vorhanden. Im
letzteren fand keine Stärkebildung statt. In diese Lösungen wurden
Epidermisschnitte von Rumex acetosa hineingebracht, wobei die Spalt-
öffnungen am Anfang des Versuches stärkefrei waren, da die Blätter
zunächst belichtet in feuchter Atmosphäre gehalten wurden. Beob-
achtungen über den Stärkegehalt wurden viermal ausgeführt: nach
3, 51/,, 11 und 24 Stunden. War die Konzentration der Chlornatrium-
lösung nicht allzu hoch, diejenige der Maltoselösung aber nicht allzu
schwach, so erfolgte bedeutende Stärkespeicherung. Zwischen
dem Zucker und dem Salz herrschte ein ausgeprägter Antagonis-
mus. Im Laufe der ersten Stunden, solange es nämlich dem Salz
noch nicht möglich war, das synthetisierende Ferment stark an-
zugreifen, bildete sich Stärke auch bei großem Chlornatriumgehalt ;
nachher aber ließ die Beständigkeit nach. Nachfolgende Tabelle
zeigt die Fermentbeständigkeit am Anfang und am Schluß des
Versuches:
530 W.S. Djin:
Maltose Kritische
Am Anfang Am Ende
0,0125 Mol. 0.075 0.05 Auf diese Weise ist es gelungen, Diels
0025 n 0.075 0.05 Zusatzes von verhältnismäßig geringen Zucker-
0,05 S 0,1 0,075 mengen die Salzbeständirkeit zweimal zuer:
0.075 . 0,15 0,075 höhen.
0.1 di 0.15 0,1
Aus der physikalischen "und der Kolloidchemie und aus der Chemie
der Enzyme ist es bekannt, von welch wichtiger Bedeutung die An-
wesenheit der Wasserstoff- und Hydroxylionen für den Verlauf von
physikalisch-chemischen Prozessen ist. Sämtliche obenbeschriebene Ver-
suche fanden in neutralem Medium statt, und es konnten nur die Ver-
hältnisse innerhalb der Zelle die eine oder andere Reaktion schaffen.
Beim Vergleich verschiedener Pflanzen untereinander wies ich darauf
hin, daß es nur manchmal gelang, bei Chenopodium album unter
Salzeinwirkung ein Öffnen der Stomata hervorzurufen; diese trat aber
nur in dem Falle ein, wenn die Schnitte dieser Pflanze zusammen mit
Epidermisschnitten von Rumex acetosa in Lösungen gelegt wurden.
Wurden dieselben aber isoliert eingetaucht, so trat der Salzeinfluß
nicht zutage. Rumex acetosa gehört zu den Pflanzen, die in ihrem
Gewebe bedeutende Mengen von Oxalsäure enthalten, und es erscheint
als möglich, daß letztere in die Lösung übergehen und die Zellen von
Chenopodium album beeinflussen könnte. Es lag deshalb auf der
Hand, anzunehmen, daß der Stärkezerfall, die Turgorerhöhung und
das Öffnen der Stomata unter dem Einfluß von NaCl] nur in sauren
Lösungen, d. h. in Anwesenheit von Wasserstoffionen geschieht. Eine
andere Pflanze, die auf Salze nicht normal reagierte, war Dolichas
sinensis Stikm., dagegen reagierte leicht das säurereiche Polygonum
Fagopyrum L. Die erstere Gattung öffnete ihre Spaltöffnungen in
reinem NaCl überhaupt nicht.
Im ersten Versuche wurden diese zwei Pflanzen in 0,2 N.-Nat]
hineingebracht und HCl und C,H,0, in den Konzentrationen 0,0001 —
0,0002 — 0,0005 — 0,001 — 0,002 Mol. zugesetzt. Beobachtungen wurden
nach 3, 10 und 30 Stunden vorgenommen. Bei dem genügende Mengen
eigener Säure enthaltenden Polygonum Fagopyrum erfolgte das Öffnen
der Stomata und Stärkeverschwinden in allen Lösungen, nur unter
Einwirkung von NaOH löste sich die Stärke langsamer und nicht so
vollständig wie in sauren Lösungen auf. Dolichos sinensis reagierte
energisch auf die Reaktion des Mediuns, in Anwesenheit von Alkali und
in neutralem Medium fand keine Turgorsteigerung statt und die Spalt-
öffnungen bleiben geschlossen, obgleich die Stärke allmählich ver-
schwand; folglich ging in gegebenem Falle keine normale Zuckerbil-
dung vor sich, sondern die hohe Salzkonzentration wirkte rein phy-
sikalisch, ähnlich wie die Salze des Caleiums, des Strontiums, die Zucker
gegen. u Dër
— a zg op
Schutz gegen schädliche Wirkung von Salzen. 531
oder starkes Welken. Der geringste Säuregehalt änderte die Verhält-
nisse ganz und gar, es gnügten 0,0001 Mol. HCl oder 0,0002 Mol. der
schwächer dissoziierenden C,H,O,, um ein weites Öffnen der Stomata
schon bei der ersten Beobachtung zu verursachen. Eine Erhöhung des
Säuregehaltes steigerte das Öffnen noch mehr, jedoch übten 0,0005 Mol.
bereits einen schädlichen Einfluß auf das lebende Gewebe aus, wobei
besonders stark das chlorophylihaltige Parenchym angegriffen wurde,
die Schließzellen der Stomata erwiesen sich in dieser Beziehung als
standhafter. Es ist interessant, daß die Pflanze eine größere Emp-
findlichkeit als die üblichen Indicatoren — Lackmuspapier und Me-
thylorange (besonders das letztere) — zeigte; der Wasserstoffionen-
gehalt mußte, um eine Farbänderung des Indikators herbeizuführen,
im Vergleich mit der Reaktionsempfindlichkeit der Pflanze unverhältnis-
mäßig stark erhöht werden.
Ein anderer Versuch, in dem die Beeinflussung des HCl auf das
Öffnen der Stomata bei Dolichos sinensis untersucht wurde, lieferte
analoge Ergebnisse.
In einem dritten Versuche an dieser Pflanze wurden endlich ver-
schiedene NaCl-Konzentrationen: 0,025—0,075—0,2—0,5 Mol. ange-
wandt und mit verschiedenen Mengen von HCl —0,0001 — 0,0002 — 0,0003
— 0,0004 —0,0005 Norm. kombiniert. Es ergab sich, daß, je höher die
NaCl-Konzentration war, um so schwächer die Tension der Wasser-
stoffionen sein konnte. In 0,025 NaCl fand kein Öffnen statt; in 0,075 N.
erfolgte ein schwaches Öffnen bei 0,0004—0,0005 Norm.-HCl; in 0,2
und 0,5 erschienen die Spaltöffnungen bei 0,0003 weit und bei 0,0002
N.-HCl weniger weit geöffnet.
In ähnlicher Weise verhielt sich auch Vicia Faba den Säuren gegen-
über. Im Versuch wurden 0,2 Mol. NaCl mit 0,0000 —0,0001 — 0,0002
— 0,0005 —0,001 —0,002— 0,005 Mol. Oxalsäure ` versetzt. Nach vier
Stunden waren die Spaltöffnungen normal geöffnet, nur in 0,0005 und
höher. Nach Verlauf von 24 Stunden ließ sich in 0,0002 und 0,0005 Mol.
C,H,0O, ein weites Öffnen beobachten, in den anderen Lösungen war
es schwächer; analog fand ein bedeutender Stärkezcrfall nur in den
zwei letzteren Konzentrationen statt, größere Säuremengen hemmten
bereits den Prozeß.
Ein analoges Verhalten äußerte ebenfalls die Halophyt Plantago
maritima, bei der ein bedeutenderes Öffnen nur bei Zusatz von HCI
eintrat. In Abwesenheit der letzteren war das Öffnen nur partiell;
also fand hier eine Förderung des Prozesses statt. Folglich lassen sich
bei Halophyten Beispiele von physiologischem Schutz gegen schädliche
Salzeinwirkung auf diese Art und Weise erwarten.
Es liegt nahe anzunehmen, daß man mittels Neutralisation der in
den Pflanzen enthaltenen Säuren das Öffnen der Stomata, trotz An-
D32 W.S. Hjin:
wesenheit von NaCl, aufhalten könne. Im ersten Versuche wurden
Schnitte von Rumex acetosa und Polygonum Fagopyrum in 0,2 N\.-
NaCl gelegt und NaOH in den Konzentrationen von 0,0001 — 0.0075 N.
zugesetzt. Jedoch erfolgte keine merkbare Reaktion, die Spaltöffnungen
öffneten sich weit und die Stärke verschwand; eine Verzögerung in
der Stärkeauflösung trat nur bei Polygonum Fagopyrum in 0.005 bis
0,0075 N.-NaOH zutage.
Der folgende Versuch wurde wiederum an denselben zwei Pflanzen
angestellt. Die Konzentration NaOH betrug von 0,005 —0,1N.: hierbei
wurde zugleich mit der .Erhöhung der NaOH-Lösungen entsprechend
der NaUl-Gehalt dermaßen verringert, daß die Na-Konzentration übcrall
0,2 N. betrug. Der Prozeß des Öffnens und des Stärkezerfalls nahm
bei beiden Pflanzen nur in Abwesenheit von NaOH einen normalen
Verlauf; bei einer Alkalizuführung von 0,005 N. erlitt das Öffnen bei
Rumex eine bedeutende Verzögerung und die Stärke verschwand viel
langsamer; in 0,0075 N. öffneten sich die Spaltöffnungen nicht mehr
und die Stärkeabnahme war unbedeutend; weiterer Alkaliızusatz brachte
beide Prozesse zum Stillstand. Bei Polygonum trat in 0,005 N. noch
kein Öffnen ein, die Stärkeauflösung aber erfuhr eine bedeutende Hem-
mung; die kritische Konzentration wurde mit 0,0075 N. erreicht. Hier-
bei ist zu beachten, daß die Einschränkung der physiologischen Pro-
zesse in keiner Abhängigkeit vom Absterben der Zellen stand, denn
letztere behielten ihre Lebensfähigkeit selbst in stärkeren Lösungen
als die kritischen bei.
In einem dritten Versuche wurde abermals die Wirkung von NaOH
auf Rumex acetosa in der Konzentration: 0,0005 —0,00075—0.001 bis
0,002 — 0,005 — 0,0075 — 0,01 —0,02— 0,05 N. untersucht. Beobachtungen
wurden nach 2, 4 und 10 Stunden ausgeführt. Das weiteste Öffnen
fand in Abwesenheit von NaOH und in 0,0005 N. statt; in 0,00075
bis 0,002 N. öffneten sich die Spaltöffnungen zwar, jedoch nicht in dem
Maße, und außerdem kam nach 10 Stunden der Einfluß der Hydroxyl-
ionen darin zur Geltung, daß die Spaltöffnungen sich schlossen: in
schwächeren Lösungen blieben sie geöffnet. Stärkeverschwinden ließ
sich von 0,0—0,002 N.-NaOH feststellen, in den übrigen Lösungen
blieb der Stärkegehalt unverändert.
Hierauf wurde an drei Pflanzen — Rumex acetosa L., Vicia Faba L.
und Dolichos sinensis Stikm. — der Einfluß von HCl und NaOH auf
die Stärkesynthese in Anwesenheit verschiedener Maltosemengen stu-
diert. Alkali und Säure unterdrückten die Stärkebildung nur in dem
Falle, wenn ihre Konzentration bedeutende Höhen annahm, wenn über-
haupt die Lebensfähigkeit der Zelle vernichtet wurde; je mehr hierbei
Zucker eingeführt wurde, um so schwieriger war es für HC] und NaOH
die Synthese zum Stillstand zu bringen.
Schutz gegen schädliche Wirkung von Salzen. 533
In meinen vorhergehenden Arbeiten hatte ich nachgewiesen, daß
unter dem Einfluß der Mg-, Ca- und Sr-Salze kein Öffnen der Stomata
stattfindet. Man könnte der Meinung sein, daß mittels Veränderung
der Reaktion des Mediums sich auch eine Reaktion bei diesen Salzen
erzielen ließe. MgCl, wurde in den Konzentrationen 0,1—0,2—0,4 Mol.
in Kombinationen mit HC1— 0,0002 — 0,0003 — 0,0004 — 0,0005 — 0,0006 —
0,0008 N., CaCl, in den Konzentrationen 0,001 —0,002 — 0,005 — 0,01 —
0,02 —0,05—0,075— 0,2—0,5 Mol. in den Kombinationen mit HCl 0,0002
— 0,0004 —0,0006 — 0,0009 —0,0012 N. untersucht. Die Wirkung der
Salze wurde aber von der Säure in keiner Weise beeinflußt.
S. Ringer!) hat in seinen Versuchen an Froschmuskeln den schäd-
lichen Einfluß reiner NaCl-Lösungen nachgewiesen, der sich aber durch
Zusatz von äußerst geringen Mengen von K- und Ca-Salzen leicht be-
seitigen ließ.
Zu ähnlichen Ergebnissen kam Locke?) in seinen Untersuchungen über den
Einfluß von Salzen auf die Nervenreizbarkeit. Am eingehendsten ist die Frage
über den sog. Antagonismus der Salze von J. Loeb?) und seinen Schülern behandelt
worden. Die schädliche Wirkung der Na-, Rb- und C's-Salze auf die Muskeln
wurde durch die K-, Ca-, Sr-, Mg-, Mn- u. a. Salze, nicht aber durch Ba-, Cd- u. a.
Salze leicht aufgehoben. Ferner ergab sich aus den Versuchen von Loeb, daß
reine Lösungen der Li-, Na-, K- und \H,-Salze die Furchung der Eier des Fisches
Fundulus aufhielten, daß jedoch ein Zusatz einer geringen Ionenmenge verschie-
dener zwei- und dreiwertiger Metalle ausreichte, um den schädlichen Einfluß der
ersteren zu neutralisieren; Hgt *,Cu* *,Cd**, Nit*, Fe* * äußerten keine anta-
gonistische Wirkung. Hierbei stellte sich heraus, daß ein Ion eines zweiwertigen
Metalles, z. B. Zn, imstande ist, 1000 Natriumionen zu paralvsieren; zur Neutrali-
sation einer Molekel ZnSO, sind aber 50 Na-Molekeln erforderlich. KCI ist für
Tiereier giftig; wurden geringe Mengen NaCl zugesetzt, so verstärkt sich die Gift-
wirkung, bei größeren Gaben macht sich dagegen eine merkliche Abschwächung er-
kennbar. Nach R. True und W. Giest) steigert Cat * die Wirkung von Hg** und
verzögert diejenige von Cutt. Ferner hat MacCallum?) die gesteigerte Flüssig-
keitssekretion durch die Drüsen, die Darmwände und die Nieren unter Einwirkung
von Salzen entdeckt, welcher Prozeß jedoch durch Einführung von CaCl, und
MgCl; unterdrückt wurde. Die antagonistische Salzwirkung hat R. S. Lillie®) in
seinen Versuchen über die Bewegung der Cilien beobachtet. Wo. Ostwald’) hat
gezeigt, daß der Süßwasserkrebs Gammarux pulex sich nur in einer bestimmten
Zusammensetzung der Salze NaCl + KCI + CaCl, + MgSO, + MgCl, normal ent-
wickeln kann, und daß nach stufenweisenn Ausschluß der Komponenten die Gift-
wirkung der Lösung zur Geltung kommt und ein Absterben eintritt. W. J. Oster-
1) S. Ringer, Journ. of Physiol. 4. 1883; 7. 1886; 18. 1895.
2) Locke, Journ. of Physiol. 18. 1895; Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 54.
1893.
3) J. Loeb, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 35. 1899; 80. 1900; 88. 1901;
Americ. Journ. of Physiol. 3. 1900; Biochem. Zeitschr. 32. 1911 u. a.
4) True, R. and W. Gies,, Bull. Torr. Bot. Club. 30. 1903.
>) MacCallum, J. B., The Univ. of Calif. Public., Physiol. 1. 1904; Pflügers
Arch. f. d. ges. Physiol. 104. 1904; Americ. Journ. of Physiol. 1903, 1904.
6) Lillie, R. S., Ebenda 10. 1904: 13. 1906.
7) Ostwald, Wo., Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 101. 1905.
534 W. S. Un:
hout!) befaßte sich mit der Bestimmung der Lebensdauer von Vaneheria und
Spirogyra in Isotonischen Nalzlösungen und hat gefunden, daß diese Algen in
reinem NaCl eine sehr begrenzte Lebensdauer besitzen und nach einigen Minuten
oder Stunden absterben; ein Zusatz von KCI schiebt den Tod etwas hinaus, CaCl,
wirkt noch gunstiyer; als die beste Lösung für andauernde Lebenserhaltungr hat
sich das Gemisch aus NaCl + KCI + Call, + MgCh + MgSO, erwiesen. Eine
schädliche Wirkung äußerten die Salze in reinen Zustande auch auf andere Objekte;
Mischungen wirkten dagegen günstig. Analoge Beispiele des Salzantagonısmus
finden wir in den Arbeiten von Benecke?) A rekee Leit, Szüest), Koltzoff?) u.a. haben
ebenfalls nachzewiesen. daß dreiwertige Metalle in bezug auf die Alkaloide und
Farben Antagonisten sein können.
Auf Grund der obenangeführten Ergebnisse läßt sich voraussetzen,
daß die von mir festgestellte Stärkespaltung unter dem Einfluß der ein-
wertigen Metalle, Beryllium, Barium und der organischen Anionen.
mittels Einführung von Antagonistensalzen zum Stillstand gebracht
werden kann. Dann bietet sich für die Pflanzen eine dritte Möglichkeit,
die schädliche Einwirkung der von außen her hinzukommenden Salze
aufzuheben und dadurch die Nalzbeständigkeit zu erhöhen. Die von
mir in dieser Richtung unternommenen Versuche haben meine Erwar-
tungen vollkommen gerechtfertigt. Durch den Pflanzen zugeführte
verschiedene Salze werden wir in die Lage versetzt, den Gang der
physiologischen Prozesse zu regulieren und bald Stärkesynthese,. bald
Stärkezerfall hervorzurufen.
In meinen Versuchen studierte ich den Einfluß von Salzkombina-
tionen sowohl auf die Stärkesvnthese als auch auf deren Hydrolyse. Das
Studium der Synthese lieferte die genauesten und zuverlässigsten Er-
gebnisse, und nur die diesbezüglichen Versuche werde ich zunächst
wiedergeben.
Epidermisschnitte von Scrophularia nodosa L. wurden in 0,04 N.-
Maltoselösungen unter Zusatz von 0,05 —0,075—0,1—0,2 —0,25—0,3 —
0,4 Mol. NaCl gelegt: eine jede dieser Konzentrationen wurde mit
nachfolgeden CaCl,-Lösungen kombiniert: 0,01—0,05—0,1—0,2 Moi,
In Anwesenheit von NaCl hörte die Stärkebildung in 0,075 M. auf.
War außer NaCl noch CaCl, zugegen, so nahm sogar in viel stärkeren
NaCl-Lösungen die Synthese einen sehr lebhaften Verlauf; genügende
Stärkemengen bildeten sich nicht nur in 0,075 — 0,1 — 0,3 Mol.
NaCl, sondern selbst in 0,4 Mol. waren hinreichende Quantitäten der-
selben vorhanden. Hierbei übten nur geringe Mengen von CaCl, einen
begünstigenden Einfluß aus, und man mußte um so mehr CaCl, ein-
1) W. J. Osterhout, Botan. Gazetta 42. 1906: 44. 1907: Soe, of biol. Chem. 3.
1906; Journ. of biol. Chem. 1. 1905.
2) Benecke, Ber. d. deut. Bot. Ges. 25. 1907.
3) Micherls, IH, Bull. Soc. Chem. Belg. 21. 1907.
I) Szucs, J., Jahrb. wiss, Bot. 52. 1912.
°) Koltzoff, N., Arch. f. Zellforsch. 3. 1911.
mn m | MM M o
Schutz gegen schädliche Wirkung von Salzen. 535
tühren, je mehr NaCl vorhanden war; erreichte jedoch der CaCl,-Gehalt
0,1—0,2 Mol., so trat eine Hemmung ein, im Überfluß wirkte es schädlich.
Analoge Resultate ergab Rumex acetosa L. In 0,05 N.-Maltose-
lösungen wurden 0,07 —0,1—0,15—0,2—0,3 Mol. NaCl und jeder mit
0,001 —0,01—0,02 —0,05—0,075—0,1 Mol. CaCl, kombiniert. In 0,07 M.
NaCl hörte bereits die Stärkebildung auf, in Gegenwart von CaCl, aber
ging die Synthese in 0,3 Mol. NaCl mit Erfolg vor sich. Ein Überfluß
an CaCl, hatte wiederum keine begünstigende, sondern eine schädliche
Wirkung zur Folge. In 0,07 Mol. NaCl genügte ein Zusatz von nur
0,001 Mol. CaCl, , in 0,1 und insbesondere in 0,15 Mol. NaCl blieb die
fördernde Wirkung von 0,001 Mol. CaCl, bereits aus und erst 0,01 Mol.
paralysierte die zersetzende Arbeit von NaCl; in 0,2 und 0,3 Mol. NaC
ergaben sich günstige Resultate von 0,02 Mol. Cal, Auf diese Weise
gelang es in diesen zwei Versuchen, die Salzbeständigkeit der Pflanzen
auf künstlichem Wege 4—5 mal zu erhöhen. Es ist beachtenswert, daß
die Stärkeformation normal nur an den Stellen des Schnittes geschieht,
wo die Epidermis von Parenchymschichten unterlagert wird; folglich
üben die Parenchymzellen eine Wirkung auf den Gang der physio-
logischen Prozesse wie in den Schließzellen der Spaltöffnungen.
Im nachfolgenden wurden Rumex acetosa L., Trifolium medium L.,
Vicia Faba L. und Helianthus annuus L. untersucht. 0,04 N.-Maltose-
lösungen mit 0,05—0,07 —0,1—0,2—0,4 Mol. NaCl versetzt und mit
0,0005 —0,001 — 0,002 — 0,005 — 0,01 —0,02 — 0,05 Mol. CaCl, kombiniert.
Reine 0,07 Mol. NaCl- Lösung hielt bei Rumex den Syntheseprozeß auf:
eine Einführung von nur 0,0005 Mol. CaCl, ermöglichte eine Stärke-
assimilation in 0,1 Mol. NaCl; in 0,2 Mol. NaCl war zu diesem Zwecke
eine Steigerung der CaCl -Konzentration bis zu 0,02 Mol. erforderlich.
Bei Trifolium nahm die Synthese in 0,2 Mol. NaCl in Gegenwart von
0,002 Mol. CaCl, einen ebenso erfolgreichen Verlauf wie in reinem
0,07 NaCl; eine weitere Konzentrationserhöhung des letzteren hatte
bereits ein vollständiges Aufhören der Stärkespeicherung zur Folge.
Bei Vicia Faba ließ sich in reinem 0,1 Mol. NaCl Synthese beobachten,
nachher blieb dieselbe aus; bei einem Zusatz von 0,01 Mol., oder noch
besser von 0,05 Mol. CaCl,, ging dieselbe ebenso erfolgreich auch in
0,4 Mol. NaCl vor sich; diese Pflanze bewies in gegebenen Verhältnissen
dieselbe Salzbeständigkeit wie die typischen Halophyten. Beim He-
lianthus annuus, der an und für sich von allen Pflanzen am wenigsten
empfindlich war, gelang es, eine nur geringe Erhöhung der Stand-
naftigkeit zu erreichen; sogar in reinem 0,2 NaCl fand bei demselben
Stärkebildung statt. Auf diese Besonderheit des Helianthus komme
ich aber noch im nachfolgenden zurück.
Außer CaCl, unterzog ich das Schutzvermögen von SrCl, und MgCl,
wegenüber NaCl einer Prüfung. Die Versuche wurden an der Epidermis
Biochemische Zeitschrift Band 132. 35
536 W.S. Ijin:
von Rumex acetosa vorgenommen, wurden aber nicht so eingehend
wie die oben beschriebenen ausgeführt. Das Strontium zeigte einen
deutlich ausgeprägten Antagonismus und schützte die Zellen gegen das
Natrium fast ebensogut wie das Calcium. Das Magnesium erwies sich
in dieser Beziehung als wenig aktiv, und nur in einem Falle ließen sich
einige Anzeichen der Schutzwirkung feststellen; sollte dieses Salz auch
zu einer Gegenwirkung fähig sein, so wäre es doch nur in äußerst ges
ringem Grade. In diesen Versuchen fand außer der Stärkespeicherung
auch ein Öffnen der Spaltöffnungen statt. Zwischen diesen zwei Dax,
siologischen Prozessen tritt ein vollkommener Parallelismus zutage. In
0,07 Mol. NaCl und darüber erfolgt keine Stärkebildung und die Spalt-
öffnungen öffnen sich weit: durch Zusatz der zweiwertigen Ca und Sr
wird Stärkelagerung und Spaltenverschluß, hervorgerufen durch die
Verminderung des durch die Zucker entfalteten osmotischen Druckes.
veranlaßt. Hieraus folgt, daß ein derartiger, im Pflanzenleben überaus
wichtiger Prozeß, wie die Regulierung der Spaltöffnungen, von anorga-
nischen Salzen beeinflußt werden kann.
Im darauffolgenden Versuche wurden 0.1 und 0,2 N.-NaC] mit 0,0001
— 0,0005 --0.001 - 0.002 — 0,01 — 0.02 Mol. KCL mit 0,0005 — 0.001 — 0,01
-0,005---0.2 Mol. MgCl, und mit 0.0001-—0,00062—0.0005—0,001
-0,002 -0.005 -0,01 Mol. BaCl, kombiniert. Trotz der Anwesenheit
von 0,05 N.-Maltose erfolgte in O.I und 0,2 NaCl keine Synthese. Durch
Zusatz von 0,02 Mol. KCL gelang es, Stärkebildung in 0,1 NaCl hervor-
zurufen. Jedoch ließen weder Mg noch Ba in den von mir angewandten
Konzentrationen ein Schutzvermögen erkennen. Es ist immerhin mör-
lich, daB eingehendere Untersuchungen zu anderen Ergebnissen führen
werden. In der oben erwähnten Literatur finden wir Hinweise auf die
Tatsache, daß in gewissen Fällen Kalium und Natrium sich gegen-
einander als Antagonisten verhalten können. und daß nur das Barıum
in dieser Hinsicht inaktiv ist.
Das Ca kann nieht nur im Verhältnis zum Na, sondern auch anderen
Elementen, z. B. Li und Ba gegenüber antagonistisch sein; in seiner
Gegenwart Kann die Stärkesynthese normal verlaufen, ungeachtet dessen,
daß Li und Ba in Konzentrationen, welche die Stärkeauflösung bewirken,
zugegen sind. Besonders ausführliche Versuche habe ich in dieser Rich-
tung nicht unternommen und ich kann nicht sagen, um wievielmal die
Beständigkeit von Pflanzen Li- und Ba-Salzen gegenüber bei Ca-Zusatz
vergrößert wird, jedoch unterliegt es keinem Zweifel, daß eine Vergrö-
Berung stattfindet, denn z. B. erfolgt in reinem 0,02 Mol. Bal, keine
Stärkeformation, nach Zusatz von 0,01— 0,05 CaCl, aber geht die Syn-
these auch in 0.03 BaCl, leicht vor sich.
In sämtlichen oben erwähnten Arbeiten verschiedener Forscher spra-
chen die letzteren über den Antagonismus von Metallionen außer S. Szürs.
Schutz gegen schädliche Wirkung von Salzen. 537
der den Antagonismus dreiwertiger Metalle in bezug auf Alkaloide und
Farben beobachtete; ich untersuchte die antagonistische Wirkung auch
organischen Anionen gegenüber. Es ist zu beachten, daß das Wesen
des Antagonismus bis zur letzten Zeit noch nicht erforscht ist und eine
ziemlich komplizierte Erscheinung darstellt. J. Löb sagt in einer von
seinen Arbeiten, daß der Salzantagonismus als eine Verdrängung aus
dem Plasma der einwertigen Metalle durch mehrwertige aufzufassen
ist, wobei der ganze Vorgang sich auf der Oberflächenschicht des Plas-
mas konzentriert. Ferner weist der genannte Autor bei der Erörterung
des schädlichen Einflusses von ZnSO,, welcher durch reichlichen Zu-
satz von NaCl aufgehoben werden kann, darauf hin, daß hier von einer -
endgültigen Beseitigung der Giftwirkung von ZnSO, keine Rede sein
kann, da die Lebensdauer der in Entwicklung begriffenen Embryonen
nur um einen gewissen Zeitraum verlängert wird und da dieselben schließ-
lich absterben; folglich wird nur die Geschwindigkeit des Salzeindringens,
d. h. die Diffusion verzögert; es besitzen also die Salze gleichsam die
Fähigkeit, das Diffusionsvermögen des Plasmas zu verändern.
Eine ähnliche Erklärung stammt von Koltzoff!), welche nach der Mei-
nung von (’zapek als wahrscheinlicher anzusehen ist; dieser Autor ist
der Ansicht, daß die Ionen die Permeabilität der Plasmahaut ändern,
so ist z. B. in Anwesenheit von Ca das Plasma für Na nur wenig per-
meabel. Osborne?) ist hierüber ganz anderer Meinung und sucht den
Antagonismus auf die Bildung komplexer Verbindungen von Na, K
und Ca zurückzuführen. Alle diese Erklärungen sind von hypothe-
tischer Natur und die ersten von ihnen basieren auf derartig unklaren
Begriffen. wie z. B. die Plasmahaut und deren Permeahbilität.
Die Versuche von Linder und Pikton?) zeigen, daß bei der Fällung
von kolloidalem Arsensulfil durch eine Mischung von zwei gleich-
wertigen Metallen deren Wirkungen sich einander unterstützen, und daß
bei gleichzeitiger Anwendung ein- und zweiwertiger Metallen eine Ver-
zögerung eintritt. In diesen Versuchen haben wir ebenfalls mit den Ant-
agonismuserscheinungen zu tun, jedoch kann hier von einer Veränder-
lichkeit der Permeabilität der Plasmahaut keine Rede sein, da letztere
in kolloidalen Lösungen fehlt. Hier tritt das Salz oder richtiger gesagt.
dessen Ionen in einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Kolloid:
es Jäßt sich nun in ganz derselben Weise in bezug auf meine Versuche
sagen, daß die Salze unmittelbar auf die in den Chloroplasten inner-
halb der Zelle. hinter der Plasmahaut enthaltenen Fermente einwirken.
Die Gegenwirkung verschiedener Ionen kann nicht nur in dem Ant-
agonismus der Kationen. sondern auch dem der Anionen zum Aus-
1) N. K. Koltzoff, Archiv f. Zellforsch. 7, 1011.
2) W. A. Osborne, Journ. of Physiol. 33, 1905.
3) Linder und Pikton, Journ. of t. Chemic. Soc. 67. 1895.
RI W.S. Hun:
druck kommen. Aus meinen früheren Versuchen ging hervor. daß die
Anionen der Essigsäure und Citronensäure ebenfalls den Übergang von
Stärke in osmotisch aktive Substanzen bewirken, und daß bei den
Sulfaten diese Eigenschaft vollständig ausblieb. Ein Zusatz von der-
selben übte auf die Synthese einen überaus günstigen Einfluß aus,
trotz gleichzeitiger Anwesenheit von Natriumkationen und von Citrat--
anionen und Acetatanionen.
In einem Versuche mit Rumex acetosa wurde 0.04 N.-Maltose-
lösungen unter Zusatz nachfolgender Salze angewandt: 0,06—0,08 --
0.1 Mol. NaCl. 0.01 --0.02 -0.05 Mol. Natriumcitrat und 0.05 —0.075 M.
Na-Acetat; jede von diesen Konzentrationen wurde mit 0,02 — 0.04 —
0.08 Mol. MgSO, kombiniert. Die Stärkesynthese wurde durch alle
reine NaCl-Lösungen unterdrückt; ein Zusatz von Magnesiumsulfat rief
dieselbe auch in den stärksten Lösungen hervor, und nur ein Überfluß
desselben wirkte schädlich. An dieser Stelle will ich an den Umstand
erinnern. daß Magnesiumchlorid keine derartig günstige Ergebnisse lie-
ferte. 0.02 Mol. Natriumeitratlösung brachten die Synthese zum Still-
stand. in Gegenwart von 0.04 und 0.08 Mol. MgSO,, dagegen bildete
sich Stärke in 0,05 Mol. Citrat. Ebenso fördernd beeinflußte den Pro-
ze ein Zusatz von Sulfat zum Acetat. Zwar läßt sich dagegen ein-
wenden. daß hierbei nicht den Anionen organischer Säuren, sondern den
Natriumkationen entgegengearbeitet wurde; doch wird dieser Einwand
beseitigt. wenn wir bedenken. daß. wie es aus den nachfolgenden Ver-
suchen hervorgeht. die organischen Anionen in bezug auf das neutrale
Magnesium eine gleiche Aktivität aufweisen.
Im ersten Versuche. der ebenfalls an Rumex acetosa angestellt
wurde, wurde zu 0.05 N.-Maltose Magnesiumeitrat in den Konzen-
trationen 0,005 —0 01 —0 02 Mol. hinzugefügt. welche mit 0,05—0.1—
0.2 Mol. MgSO, kombiniert wurden. Beobachtungen über den Stärke-
gehalt führte ich nach Verlauf von 6 und von 24 Stunden aus. Bi
der ersten Beobachtung war die Stärke zwar in sämtlichen Lösungen
vorhanden in 0.02 Mol. Citrat jedoch am wenigsten. Nach Verlauf von
24 Stunden war in reinem 0,01 und 0.02 Mol. Citrat keine Stärke da.
in den mit Sulfat versetzten Lösungen dagegen bildeten sich bedeutende
Mengen derselben.
In einem anderen analogen Versuche wurde 0,05 N.-Maltose unter
Zusatz von 0.01 —0.02—0.03—0.05 Mol. Magnesiumceitrat mit 0,01—
0.02—-0.04--0.08- 0.15 Mol. MgSO, versetzt. Beobachtungen wurden
nach 2, 6 und 20 Stunden vorgenommen. Nach Verlauf des ersten
Zeitraumes häufte sich Stärke in allen Lösungen, außer derjenigen. wo
das Citrat 0.05 Mol. betrug. an. Jedoch erlitt allmählich die Synthese
infolge der Salzeinwirkung auf das Ferment eine Abschwächung und
es trat die Spaltung der im Laufe der ersten Stunden angesammelten
Schutz gegen schädliche Wirkung von Salzen. 539
Stärkemengen ein; nur eine Zuführung von MgSO, schränkte die zer-
störende Tätigkeit der Citratanionen ein: in 0,01 Mol. Citrat waren
große Stärkemengen in Anwesenheit von 0,01 Mol. MgSO, vorhanden;
in 0.02 Mol. Citrat — bei 0,02 Mol. MgSO, und in 0,03 Citrat — bei
0,04 Mol. MgSO,. Nach Verlauf von 24 Stunden erfolgte wiederum
eine Veränderung: in 0,01 Mol. Citrat — bei 0,02 Mol. MgSO,, in 0,02 M.
Citrat — bei 0,04 MgSO,, in 0,03 Citrat war überhaupt keine Stärke da.
Es gelang in nur sehr geringem Maße die schädliche Wirkung des
Magnesiumacetats mit Hilfe von Sulfat zu neutralisieren.
In einer anderen Versuchsreihe untersuchte ich die Hemmung des
Iösungsvermögens von NaCl mittels MgCl, und Cal, Hierbei wurden
geschlossene mit Stärke vollgepfropfte Spaltöffnungen in 0,2 N.-Lösung
von NaCl hineingebracht. Es ist auf Grund früher ausgeführter Versuche
bekannt, daß Stärkezerfall bei Rumex acetosa und Polygonum Fago-
pyrum in 0,05 Mol. NaCl stattfand. In den zwei ersten Versuchen
wurde MgCl, und CaCl, in den Konzentrationen 0,0001 — 0,0002 — 0,0005
— 0,001 —0,002—0,005 —0,01—0,05 Mol. angewandt. Beobachtungen
wurden nach Verlauf von 2 und 4 Stunden ausgeführt. In beiden
Pflanzen öffneten sich die Spaltöffnungen in sämtlichen Lösungen; die
Stärkebildung wurde bei Rumex durch 0,01 Mol. und in höherem Maße
durch 0,05 MgCl, verzögert; das Calcium rief in den angewandten
Konzentrationen ebenfalls bei 0,01 und 0,05 Mol. eine nur sehr schwache
Hemmung hervor, was übrigens nur bei der ersten Beobachtung fest-
gestellt wurde; bei der zweiten Beobachtung dagegen war sämtliche
Stärke aufgelöst. '
In dem dritten Versuche wurden zu 0,2 N. NaCl stärkere MgCl,
und CaCl,-Lösungen hinzugefügt, und zwar: 0,025—0,05— 0,075 —0,1
—0,15—0,2 Mol. Beobachtungen wurden nach 2, 4 und 8 Stunden
angestellt. Normales Öffnen der Stomata und vollkommenes Stärke-
verschwinden ließ sich nur bei 0,025 der Antagonisten beobachten,
im nachfolgenden trat bereits eine Hemmung sowohl in der Stärke-
bildung, als auch im Öffnen ein. Besonders energisch wirkte CaCl,
von 0,075 Mol. an hörte nicht nur das Öffnen auf, sondern blieben die
Spaltöffnungen dauernd plasmolysiert ` die Stärkebildung erlitt eine be-
deutende Verzögerung; jedoch gibt es in dieser Beziehung ein spezi-
fisches Optimum, nach dessen Überschreitung schon eine Lösungs-
beschleunigung vor sich geht, welche aber natürlich derjenigen in rei-
nem NaCl an Schnelligkeit nachsteht. Hier wird der NaCl-Einfluß
vollkommen aufgehoben und die Spaltöffnungen zeigen ein ähnliches
Verhalten, wie in reinem CaC!,, in dem, wie wir bereits wissen, das Salz
rein physikalisch einwirkt und das Wasser der Zelle entzieht; bei einer
Entwässerung aber, hervorgerufen entweder durch Wasserverlust, durch
Transpiration oder durch Eintauchen in starke Lösungen von Salzen
>40 W.N. Hun:
oder anderen Substanzen, verschwindet zwar die Stärke, jedoch sind
die Zerfallprodukte hierbei osmotisch inaktive Substanzen. Ähnliche
Resultate ergaben sich mit Mail, die Anwesenheit von NaCl wurde
ebenfalls paralvsiert, doch war die Salzkonzentration bereits höher.
und sogar bei 0.2 MgCl, fand, wenn auch langsam, Deplasmolyse statt:
wir wissen aber bereits. daß auch in reinem MgCl, Deplasmolvse all-
mwählich vor sich geht: das Magnesium bildet in sehr schwachem Grade
einen Übergang zum überaus energisch wirkenden Beryllium.
Idlentische Versuchsergebnisse mit diesen Salzen lieferte außer NaCl
und CaCl, auch ein Zusatz von HCI In einem Versuche an Rumex
acetosa und Polygonum Fagopyrum wurden nachfolgende Salzkonzen-
trationen untereinander kombiniert: NaCl—0.2 Mol.. CaCl,—0.1—0.15
Mol. und HCGI—0.0003 — 0.0005 —0.0008 Mol. Die einen Lösungen ent-
hielten nur NaCl, die anderen — sowohl NaCl. als auch Cat, die dritten
endlich — beide vorhergehende Salze und HCI von verschiedener Kon-
zentration usw. In einem anderen Versuche an Rumex acetosa wurden
in gleicher Weise NaCl 0,2 und 0.3 Mol., CaCl;—0.1 und 0,15 Mol.,
HC1I—0.0003 --0.0005 0,0008 Mol. angewandt. In reinem NaCl er-
folgte ein schnelles und weites Öffnen, und ebenso schnell verschwand
die Stärke. Bei einem Zusatz von CaCl, hörte nicht nur ein Öffnen
auf, sondern blieben die Spaltöffnungen sogar plasmolysiert. Eine Er-
höhung des Säuregehaltes des Mediums unterstützte eher die Eigen-
schaften von Cal, als diejenigen von NaCl; z. B. erfolgte in schwä-
cheren CaCl,-Lösungen und in neutralem Medium eine allmähliche De-
plasmolyse der Spaltöffnungen und trat sogar stellenweise ein sehr
schwaches Öffnen derselben ein; bei einer weiteren Erhöhung des Säure-
gehaltes verzögerte sich allmählich die Deplasmolyse und kam schließ-
lich vollkommen zum Stillstand. In derselben Weise schränkte der
Säuregehalt die Stärkeauflösung ein. Es läßt sich nicht behaupten,
daß ein Zusatz von 0,1—0,15 Mol. CaCl, vollständig den Einfluß von
NaCl aufhebt: findet in reinem CaCl, Stärkeauflösung statt, so
geht dieselbe doch verhältnismäßig langsam vor sich; bei gleichzeitiger
Anwesenheit von NaCl und CaCl, aber ließen sich deutliche Anzeichen
des Zerfalles schon nach 2 Stunden feststellen; im Laufe von 5 Stunden
konnte die Stärke gänzlich verschwinden. Folglich begünstigte in diesem
Falle NaCl ebenfalls einen schnelleren Verlauf der Spaltung, jedoch
liegt das Hauptgewicht darin, daß in reinem NaCl Abbauprodukte os-
motische aktive Substanzen — Zucker — darstellen, während CaCl, die
Bildung anderer Endprodukte bewirkt, auf Grund meiner mit dem At-
men ausgeführten Versuche findet. hier nach meiner Ansicht ein end-
gültiger Zerfall, unter Ausscheidung von CO, statt.
Auf diese Weise deuten die obenbeschriebenen Versuche auf eine
dritte Möglichkeit hin, bei Pflanzen Salzbeständigkeit zu erreichen.
Schutz vegen schädliche Wirkung von Salzen. 541
Einführung von Antagonistenionen sistiert den schädlichen Einfluß der
Salzkationen und Anionen. Pflanzen, denen diese Antagonisten zur
Verfügung stehen, vermögen leichter den ungünstigen äußeren Be-
dingungen Stand zu halten. Es frägt sich nur, ob es möglich ist, mittels
künstlicher Zuführung von Antagonistensalzen die hohe Salzbeständig-
keit der Halophyten noch mehr zu erhöhen. Ich hatte gezeigt, daß es
eine gewisse Grenze gibt, nach deren Überschreitung das Antagonisten-
salz nicht mehr imstande ist, das Lösungsvermögen der Ionen zu unter-
drücken, und daß ein übermäßiger Antagonistenzusatz die Salzbestän-
digkeit der Pflanze nicht erhöhte, sondern herabsetzte. Falls die Halo-
phyten sich gerade der angegebenen Schutzmethode bedienen und deren
Gewebe schon genügende Mengen dieser Salze enthalten, so kommt man
auf Grund des Gesagten zum Schluß, daß ein Zusatz von neutralisie-
renden Verbindungen in den Halophyten entweder eine unbedeutende
Wirkung hervorruft oder ohne Folgen bleibt, oder sogar deren Wider-
standsvermögen gegen schädliche Einflüsse beeinträchtigen wird, was
auch in Wirklichkeit sich ergab.
In einem Versuche an den Halophyten — Rumex mantimus L.,
und Chenopodium crassifolium Hornem, — wurden die Epidermis-
schnitte in 0,04 Mol. Maltoselösungen gelegt, denen 0,2—0,3 —0,4—0,5—
0,6—0,7—0,8 Mol. NaCl zugefügt wurden; eine jede von den letzteren
wurde ihrerseits mit 0,01—0,05—0,1—0,2 Mol. CaCl, zusammen
gebracht. In Rumex maritimus sammelten sich in reinem 0,4 Na)
genügende Stärkemengen an ein Zusatz von 0,01 CaCl, veränderte die
letztere nicht, in 0,02 CaCl, war bedeutend weniger Stärke vorhanden,
und bei weiterer Zuführung von CaCl, verschwand dieselbe vollständig.
In stärkeren NaCl-Lösungen fand sehr geringe Stärkebildung nur in
dem Falle statt, wenn entweder sehr wenig CaCl, zugegen war, oder
letzteres vollkommen ausblieb, was in 0,7 und 0,8 NaCl eintrat. Bei
Chenopodium crassifolium verzögerte bereits ein unbedeutender Zusatz
von CaCl, die Synthese und brachte diese bei weiterer CaC],-Zuführung
zu einem vollkommenen Stillstand.
Im zweiten Versuche wurden Rumex maritimus L., Plantago major L.,
uıd Aster Tripolium L., sämtliche auf einem Salzboden aufgewachsen
untersucht. Zu 0,04 N.-Maltose wurden 0,2 —0,3—0,4 —0,5—0,6— 0,7 M.
NaCl hinzugefügt, und gleichzeitig mit 0,005 —0,02—0,05—0,1 Mol. CaCl,
kombiniert. Auf Aster Tripolium ergab CaCl, keine günstige Wirkung
und schädigte selbst in unbedeutendsten Gaben. Bei Rumex maritimus
ließen sich Anzeichen eines begünstigenden Einflusses geringer Gaben
von CaCl, feststellen. Auf Plantago major übte CaCl, eine ausgesprochen
günstige Wirkung aus; es gelang, die Salzbeständigkeit dieser Pflanze
von 0,35 bis zu 0,7 NaCl zu erhöhen; hier war eine bestimmte Nutz-
tension der Calciumionen, der NaCl-Konzentration entsprechend,
542 W. Sa Hun: Schutz gegen schädliche Wirkung von Nalzen.
erforderlich; in starken NaCl-Lösungen blieben geringe Calciummengen
fast ohne Nutzen, jedoch könnten überschüssige Quantitäten desselben
auch von schädlicher Wirkung sein.
Ausgeführte Beobachtungen geben die Veranlassung zur Annahme.
daß die untersuchten typischen Halophyte (Plantago major L. ist kein
typischer Halophyt, er vermag bloß auch auf Salzboden zu wachsen)
bereits Calcium als Schutzmittel enthalten, und daß aus diesem Grunde
ein weiterer Zusatz desselben keinen Nutzen, sondern Schaden bringen
könnte. Besonders überzeugend sind hierbei die Beobachtungen über
den Zustand der Spaltöffnungen. Im vorhergehenden wies ich darauf
hin, daß in NaCl die Spaltöffnungen sich deplasmolysieren und sich
öffnen, und daß um die Plasmolyse in NaCl aufrecht zu erhalten eine
Zuführung bedeutender CaCl,-Mengen nötig war, hier aber genügten
zur Erlangung desselben Effektes sogar sehr geringe CaCl,-Gaben. Z. B.
öffneten sich bei Rumex maritimus und Plantago major die Spalt-
öffnungen in 0,6 NaCl; wurde jedoch diese und die noch schwächere
Lösung 0,5 NaCl mit 0,005 Mol. CaCl, bei Rumex und 0,02—0,05 CaCl,
bei Plantago versetzt, so fand bereits keine Deplasmolyse der Spalt-
öffnungen statt. Die bedeutende Salzbeständigkeit von Plantago Cat,
vegenüber steht mit der eben angeführten Tatsache, daß das gegebene
Salz die Salzbeständigkeit dieser Pflanze erhöht, vollkommen im Ein-
klang; der CaCl,-Gehalt in dem Gewebe der Pflanze erreicht noch nicht
die schädliche Grenze, nach deren Überschreitung CaCl, störend ein-
wirkt, und erscheint eine Zufuhr von neuen CaCl,-Portionen deshalb
als nützlich. Auf Grund dieser Gegenüberstellungen gelangen wir zum
Schlusse, daß die untersuchten Schutzmethoden gegen schädlichen Salz-
einfluß seitens der Pflanzen in natürlichen Verhältnissen tatsächlich
Anwendung finden. Ich will an den Fall mit Helianthus annuus er-
ionern, wo künstliche Erhöhung der Salzbeständigkeit verhältnismäßig
geringeren Effekt ergab; diese Art enthielt wahrscheinlich bereits die
Schutzsubstanzen, und aus diesem Grunde vertrug wohl dieselbe ver-
hältnismäßig starke NaCl-Lösungen.
Über die Ausscheidung des Cholesterins im Harn.
Von
Wilhelm Grunke.
(Aus der IV. Medizinischen Universitätsklinik und dem Biochemischen Labora-
torium des Krankenhauses Moabit in Berlin.)
(Eingegangen am 3. Juli 1922.)
Es hat eine geraume Zeit verstreichen müssen seit der Entdeckung
des Cholesterins durch Conrady!) und Gren?), bis man seine Bedeutung
für die Physiologie und Pathologie des Stoffwechsels in vollem Maße
erkannt hat. Dank den Untersuchungen von Overton?), Phisalix!),
Ransom), Bang®) und vielen anderen ist es bekannt, daß neben den
FEiweißstoffen auch die Lipoide in der Biologie eine bedeutende Rolle
spielen, daß sie sogar bei manchem biologischen Geschehen eine souveräne
Stellung einnehmen (Narkose, Wirkung der Saponine und noch anderer).
Es ist gefunden worden, daß das Cholesterin einen konstanten Bestand-
teil sämtlicher Körperzellen und auch der meisten physiologischen
sowie pathologischen Körperflüssigkeiten darstellt, daß es im Blut
bzw. Serum unter normalen Verhältnissen in einer nur geringen Varia-
tionen unterworfenen Menge vorkommt, im Gegensatz zu pathologischen
Zuständen, bei welchen das Blutcholesterin großen Schwankungen
unterworfen sein kann. Man hat auch erkannt, daß viele Veränderungen,
die bei dem Fettstoffwechsel vorkommen, nicht allein auf das Neutral-
fett sich beziehen, sondern daß auch den Lipoiden bei normalem sowie
vestörtem Fettstoffwechsel eine nicht zu unterschätzende Bedeutung
zukommt.
Was die Frage der Cholesterinausscheidung anbetrifft, so ist da noch
manches Ungeklärte, was einer näheren Erörterung bedarf.
Wenn wir zunächst auf die Ausscheidung bei normalen Verhältnissen eingehen,
so müssen wir sagen, daB der Leber dabei eine wichtige Rolle zukommen muß.
1) Conrady, Inaug. Diss. Jena 1775.
2) Gren, Inaug. Diss. Halle 1788.
3) Overton, Studien über die Narkose. Jena 1901.
1) Phisalix, Cpt. rend. des séances de la soc. de biol., 10 Serie 4, 1047. 1897.
>) Ransom, Dtsch. med. Wochenschr. 1901, Nr. 27, S. 194.
°) Bang, Chemie und Biochemie der Lipoide. Wiesbaden 1911.
544 W. Grunke:
Obwohl die älteren Forscher wie Naunyn. Weintraud!), Hoppe-Seyler?) jede Beder-
tung der Leber für die Cholesterinausscheidung in Abrede stellen wollen, und auci
d’Amato?) in neuerer Zeit auf Grund seiner experimentellen Untersuchungen n:
ähnlichen Schlüssen kommt und die Galle „als vorzüglichstes Ausscheidung
organ“ nicht anerkennen will, mehren sich in letzter Zeit die Stimmen derjenigen.
die die Leber als hervorragendes Ausscheidungsorgan des Cholesterins ansehen.
Namentlich sind es die Untersuchungen von Bacmeister*). Bürger und Beumer.
Hueck und Warker?), Eppinger?) u. a. gewesen, die auf die Bedeutung der Leber
im Cholesterinhaushalt aufmerksam gemacht haben. Wenn es also bis jetzt noch
nicht ganz sicher ist, so ist es doch höchstwahrscheinlich, daß die Leber unte:
normalen Verhältnissen das Organ ist, welches die Aufgabe der Elimination des
Cholesterins aus dem Körper erfüllt.
Die anderen Exkrete des Körpers scheinen in der Norm keine nennenswerte
tolle für die Cholesterinausscheidung zu spielen. Im normalen Harn findet sich
das Cholesterin nach Angaben von Bacmeister*) und Pribram?) nur in Spuren. Die
von Gerard!®) in dieser Richtung angestellten Untersuchungen ergaben folgendes:
Beim ersten Versuch, bei dem 10 I normalen Harns mit Äther im Soxhlet extrahiert.
danach verseift und daraufhin in Chloroform aufgenommen wurden, fiel die colori-
metrische Reaktion deutlich positiv aus. Beim zweiten Versuch wurde die Chc-
lesterinmenge in 70,911 normalen Urins quantitativ bestimmt, wobei 11.0 mg
gefunden wurden.
Es muß gleich darauf aufmerksam gemacht werden, daß die von Gerari
sefundenen Mengen nicht ganz einwandfrei sind, da es erstens nicht ganz sicher
ist, ob die Extraktion mit Äther in einem Schüttelkolben eine quantitative gewesen
ist — die von Gerard gemachten Angaben reichen nicht aus, um ein Urteil zu fällen —
und da zweitens das gravimetrisch bestimmte Cholesterin, wie es auch Verfasser
selbst zugibt, nicht ganz rein gewesen ist. Sehen wir aber von diesen Fehlermöglich-
keiten ab und lassen wir seine Werte gelten, so bekommen wir für eine durchschnitt-
liche Harntagesmenge, die man mit etwa 1500 cem berechnen kann, eine Cholesterin-
ausscheidung von 0,25 mg, eine Menge, der man wohl jede praktische Bedeutung
absprechen und als Spur bezeichnen kann, wobei es noch keinesfalls sicher ist.
daß die vorhandene Cholesterinmenge durch die Niere ausgeschieden worden ist
und nicht aus den zelligen Bestandteilen des Harnes herstammt. Was die Aus-
scheidung des Cholesterins auf anderem Wege anbetrifft, wie z. B. mit dem Speichel.
so handelt es sich auch hier nach Angaben von Bacmeister (1. c.) nur um Cholesterin-
spuren. Zusammenfassend kann also gesagt werden, daß unter normalen Verhält-
nissen das Colesterin höchstwahrscheinlich mit der Galle ausgeschieden wird.
und daß die anderen Körperexkrete, und namentlich der Harn, für die Cholesterin-
1) Weintraud, Noordens Handbuch der Pathologie des Stoffwechsels (2)
Bd. I, S. 741.
2) Hoppe-Seyler, Quincke-Hoppe-Seyler, Die Krankheiten der Leber. Wien-
Leipzig 1912 (2), S. 53.
3) d’Amato, diese Zeitschr. 69, 217. 1915.
1) Bacmeister, diese Zeitschr. 26, 223. 1910.
5) Bürger und Beumer, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 71, 311. 1913;
diese Zeitschr. 56, 446. 1913; Zeitschr. f. exp. Pathol. u. Therap. 13. 1913; Berl.
klin. Wochenschr. 3. 1913. `
D Hueck und Wacker, diese Zeitschr. 100, 93.
7) Eppinger, Die hepato-lienalen Erkrankungen 1920, S. 46.
8) Bacmeister und Harvers, Dtsch. med. Wochenschr. 1914, S. 385.
"1 Pribram, diese Zeitschr. 1.
10) Gerard, Cpt. rend. des séances de la soc. de biol. 70, 998.
U u
Ausscheidung des Cholesterins im Harn. 545
ausscheidung ohne Bedeutung sind. Wie verhält es sich nun aber mit der Cholesterin-
ausscheidung bei pathologischen Zuständen des Organismus? Es muß hervor-
gehoben werden, daß man sich den normalen Ablauf diescs Vorganges von ver-
schiedenen Punkten aus, je nach der Lokalisation des pathologischen Prozesses.
beeinflußt denken kann. Es wären dabei folgende Möglichkeiten in Erwägung zu
ziehen: 1. Eine primäre Störung des allgemeinen Cholesterinstoffwechsels mit
sekundärer Störung der Ausscheidung, 2. eine primäre Störung der Ausscheidung
infolge Erkrankung des dafür maßgebenden Organs — der Leber, als 3. Möglichkeit
wäre noch die Erkrankung der sonst für die Cholesterinausscheidung bedeutungs-
losen Organe, im speziellen Fall der Niere, zu berücksichtigen.
Was nun gerade diese letzte Möglichkeit anbetrifft, so ist gefunden worden.
daß bei Nierenkrankheiten Cholesterin. im Harn auftreten kann, und unter Um-
ständen in recht beträchtlichen Mengen. Die erste diesbezügliche Beobachtung
könnte wohl von Lionel Beale!) stammen, der bei fettiger Nierendegeneration
4'holesterin im Harn mit Hilfe einer Äther-Alkoholextraktion feststellen konnte.
In neuerer Zeit wiesen Kaiserling-Orgler?) in einem Falle von einer großen weißen
Niere doppelbrechende Lipoide (Cholesterinester) im Leichenharn nach. Doch
besonders zahlreiche und eingehende Untersuchungen in dieser Richtung stammen
von F. Munk), der das Auftreten von doppelhbrechenden Lipoiden im Harn bei
degenerativen Erkrankungen des tubulären Nierensystems beobachtet hat und es
als pathognomonisch für ein besonderes (von Munk Lipoidnephrose genannter)
Krankheitsbild ansieht. Wenn auch die Ansichten Munks über die Pathogenes"
des im Harn auftretenden Lipoids und über die Bedeutung des letzteren für die
Diagnose der verschiedenen Formen von Nierenkrankheiten nicht von allen For-
schern geteilt wird, so kann an der Tatsache, daß bei Nierenkrankheiten doppel-
brechende Lipoide, mit anderen Worten C'holesterinester, im Harn auftreten können,
nicht mehr gezweifelt werden. Der Nachweis von Cholesterin im Harn bei Nieren-
krankheiten konnte in neuerer Zeit auch mit chemischen Methoden geführt werden.
In Deutschland war es Groft), der mit Hilfe einer chemischen Methode Unter-
suchungen über das Vorkommen von Cholesterinurie bei Nierenkranken angestellt
und darüber auf dem Kongreß für innere Medizin 1921 Mitteilung gemacht hat,
in Amerika waren es Bauman und Hausmann’), die quantitative Bestimmungen
von Neutralfett und von Cholesterin in einem Fall von Lipo-Lipoidurie bei einer
Nephritis ausgeführt haben.
Diese bei Erkrankungen der Niere beobachteten Cholesterinurien sind bei genaue r
Betrachtung doch recht komplizierter Natur und einer erschöpfenden Erklärung
noch schwer zugänglich, denn es ist bis heute noch nicht sicher, woher eigentlich
das im Harn ausgeschiedene Cholesterin herstamnit: Aus den verfetteten und ent-
arteten Nierenepithelien, oder aus dem Blut, und wenn aus dem letzteren, ist es
alimentären oder endogenen Ursprungs. Die Tatsache, daß bei sehr vielen nephro-
genen Cholesterinurien das Blutcholesterin vermehrt ist, spricht gegen die An-
nahme, daß die Cholesterinausscheidung nur auf einer Schädigung und abnormen
Durchlässigkeit der Nieren beruht. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß Störungen
des Chplesterinstoffwechsels hierbei auch eine gewisse Rolle spielen können.
1) Lionel Benle, zit. nach Beneke, Grundlinien der Pathologie des Stoffwechsels,
S. 292.
2) Kaiserling-Orgler, Virchows Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol. 1902.
3) F. Munk, Med. Klin. 1916/1917; Zeitschr. f. klin. Med. 98; Pathologie und
Klinik der Nephrosen, Nephritiden und der Schrumpfnieren. Berlin-Wien 1918.
4) Groß, Verhandl. d. dtsch. Ges. f. inn. Med. 1921, S. 343.
5) Bauman und Hausmann, Journ. of the Americ. med. assoc. 74, 1375, zit.
Ber. üb. d. ges. Physiol. 1920.
"lt: W. Grunke:
Was die Cholesterinausscheidung im Harn bei Störungen des Cholsterinstutt-
wechsels einers its und bei Erkrankungen des Cholestermnausscheidungsorgans —
der Leber ` anderseits anbetrifft. so stammen die ersten Beobachtungen in dieser
Hinsicht von Salisburyt), der bei Diabetes mellitus und auch bei Ikterus Chole sterin
im Harn gefunden haben wall Bei den Nachuntersuchungen,. die Kruser ters!
an d ikterischen und A diabetischen Harnen ausgeführt hat. konnte derselbe kein
Cholesterin nachweisen. Die von Krusenstern sowie von NSalısbury angewandte
Methode war keine quantitative und beruhte auf dem mikroskopischen Nachweis
von aus Alkohol ausgefällten Cholesterinkrystallen. In neuester Zeit sird nu
vereinzelte diese Frage betreffende Beobachtungen gemacht worden, systematische
chemische Untersuchungen sind mir nicht bekannt. Falk und Siebenrocl-") fanden
durchschnittlich bei Diabetes mellitus keine anisotropen Substanzen im Harn.
große Mengen soleher traten in einem Fall von Diabetes kombiniert mit Nephritis
auf. Geneck!) konnte ebenfalls in 5 Diabetesfällen keine doppelbrechenden Nub-
stanzen im Harns diment nachweisen.
Was nun alle diese Untersuchungen anbetrifft, so muß gesagt werden, dab,
wie die älteren auf dem mikroskopischen Nachweis von Cholesterinkrvstallen
beruhenden Methoden, so auch die. neueren polariskopischen Untersuchungen des
Harnsediments für den Cholesterinnachweis im Harn nicht ausreichend sind.
Nur der einwandfrei positive Befund kann als beweisend (vgl. Genek) für das Vor-
handensein von Cholesterin angesehen werden, obwohl auch dieser keine sicheren
Schlüsse über die vorhandenen Mengen zu ziehen erlaubt. Ein negativer Befund
besagt nichts, denn einerseits Können die doppelbrechenden Lipoide bei geringer
Zahl übersehen werden, anderseits braucht das Cholesterin nicht in Form von
doppelbrechenden Krystallin aufzutreten (doppelbrechend sind nur die Cho-
lesterinester). Nur eine quantitative chemische Methode wäre imstande, bei
der Untersuchung der Cholesterinausscheidung im Harn sichere Resultate zu
liefern.
Über das Vorkommen von Cholesterin im Harn bei Ikterus ist jüngst eine Mit-
teilung von M. B. Schmidt”) gemacht worden, der in einem Fall von akuter gelber
Leberatrophie, bei dem auch die Nieren eine starke Verfettung (Ntutralfett und
lLipoide) zeigten, und das Blut 0.260%,, Cholesterin entijelt, im Leichenham
beträchtliche Mengen Cholesterin (32,35 mg in 100 cem Harn) nachweisen konnte.
Methodik.
Für die Bestimmung des Cholesterins sind eine ganze Reihe von
Methoden angegeben worden. Die meisten dieser Methoden beziehen
sich auf Bestimmungen des Cholesterins im Blut bzw. Serum oder in
Organen. Es soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden auf die
Vorteile und die Nachteile der einzelnen Methoden. was in ausführlichen
Arbeiten von Feigl?) und von Feet) schon geschehen ist. Es sei hier nur
kurz erwähnt. daß die Methoden zerfallen in 2 Hauptgruppen: 1. Die
I) Salisbury, Amerie. Journ. of the med. sciences 45. 289. 1863.
") oan Krusenstern, Virchows Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol. 65, 410. 1875.
21 Falk und NSiebenrock, Med. Klin. 1911.
I) Geneck, Dtsch. Arch. f. klin. Med. 1918.
"IM B. Schmidt, Beitr. z. pathol. Anat. u. z. alle. Pathol. 69. 1921.
6) Feigl, Zeitschr. f. d. ges. exp. Med. 11, 178. 1920.
ty Fer, diese Zeitschr. 104. 47. 1920.
Ausscheidung des Cholesterins im Harn. 547
gravimetrischen und 2. die colorimetrischen. Die von Windaus!) an-
gegebene und auf der Bildung einer in Alkohol unlöslichen Digitonin-
cholesteridverbindung beruhende gravimetrische Methode muß wohl als
exakteste und sicherste (siehe Feigl, Fex l. c.) anerkannt werden. Was
nun die colorimetrischen Methoden anbetrifft, so werden sie von ver-
schiedenen Forschern verschieden eingeschätzt. Während Autenrieth
und Funk?), Weston und Kent), Grigaut4), Bloor5) eine Reihe von
colorimetrischen Methoden vorgeschlagen haben und mit ihnen günstige
Resultate erzielt zu haben glauben, spricht sich Feigl (l. c.) zurück-
haltender aus, doch glaubt auch er, daß bei Erfüllung einer Zahl von
Kautelen die colorimetrischen Methoden, namentlich für klinische
Zwecke, als brauchbar bezeichnet werden können. Demgegenüber
spricht sich Fex (l. c.) ganz ablehnend über diese Methoden aus und hält
die Windaussche Digitoninmethode für die Methode der Wahl.
Wenn der Methode von Windaus zweifellos die erste Stelle, was die
Exaktheit anbetrifft, zukommt, so ist sie doch anderseits als zeitraubend
und auch bei Bestimmung ganz geringer (einige Milligramm betragenden)
Mengen als sehr umständlich und deswegen vielleicht auch mit Fehlern
behaftet zu bezeichnen. Deswegen entschloß ich mich, für meine Unter-
suchungen eine colorimetrische Methode zu verwenden, die möglichst
einfach und ausreichend exakt wäre. Es wurde eine Reihe von Ver-
suchen angestellt, die über die Brauchbarkeit der verschiedenen colori-
metrischen Methoden bei Cholesterinbestimmungen im Harn Aufschluß
geben sollten. Die ersten Versuche wurden ausgeführt nach den für
das Serum geltenden Vorschriften von Autenrieth und Funk (l.c.). Zur
Untersuchung gelangten einerseits normale, anderseits auch pathologische
Harne (Nephrose. Sublimatvergiftung, Diabetes melitus). Es wurden
zur Untersuchung 200—300 cem Harn verwendet, was etwa !/,—!/, Teil
der Tagesmenge entsprach; der Harn wurde auf dem Dampfbad bis auf
etwa 20—30 ccm eingeengt (eine weitere Konzentration war meist un-
möglich, da der Harn dann eine sirupähnliche oder feste Beschaffenheit
annahm, was störend bei der weiteren Verarbeitung wirkte) und dann
verseift. Zur Verseifung wurden in einigen Versuchen 40 ccm einer
25proz. KOH-Lösung, in anderen nach der Vorschrift von Sakaguchi")
25 ccm einer konzentrierten Kalilauge verwendet.
1) Windaus, Zeitschr. f. physiol. Chom. 65, 110. 1910; Ber. d. Deutsch.
Chem. Gesel. B. 42, 5238. 1909.
2) Autenrieth und Funk, Münch. med. Wochenschr. 1913, S. 1236.
"1 Weston und Kent, Journ. of med. research 1912, zit. nach Henes, Dtsch.
Arch. f. klin. Med. 111, 122. 1913.
t) Grigaut, Cpt. rend. des séances de la soc. de biol. 1910, N. 791, 827; ebenda
1911, S. 441.
5) Bloor, Journ. of biol. chem. 26, 417. 1916. — Bloor und Knudson, ebenda
27, 107. 1916.
8) Sakaguchi, diese Zeitschr. 48, 19. 1913.
>48 W. Grunke:
Es hat sich nun ergeben, daß beim Ausschütteln im Scheidetrichter
mit 40-50 cem Chloroform häufig emulsionsähnliche Mischungen
entstanden, die geraume Zeit brauchten, bis die Entmischung wieder
eingetreten war, was die Untersuchungen außerordentlich verzögerte.
Außerdem traten öfters auch bei Verwendurg von normalen Harnen
braune Färbungen der Chloroformextrakte auf, die auf Zusatz von
Na, NO, sice., wie das Autenrteth und Funk empfehlen. nicht schwanden.
Die Färbung war öfters so stark, daß eine Beeinträchtigung des Colori-
metrierens mit größter Wahrscheinlichkeit angenommen werden mußte.
Deswegen wurden die nächsten Versuche nach der von Weston (siehe
bel l. ce.) vorgeschlagenen Modifikation ausgeführt. Der Unterschied
von der obenerwähnten Methode bestand darin, daß das Cholesterm
nach der Verseifung mit Caleiömhydroxvd gefällt und dann mit Chloro-
form extrahiert wurde. Diese Methode, die gleich den meisten anderen
auch für das Serum bestimmt war, wurde bei der Harnuntersuchung von
mir so angewandt, daß der Harn nach der Verseifung auf etwa 500 ccm
verdünnt wurde, dann wurden dazu l- 2g Ca(OH), zugesetzt, mit einen
Glasstab stark umgerührt und. nachdem es eine Zeitlang gestanden hat.
filtriert. Der Filterrückstand wurde getrocknet, sorgfältig vom Filter in
einen Scheidetrichter gebracht und mit mehreren Portionen Chloroform
durch längeres und starkes Schütteln extrahiert. Das zusammengegossene
Chloroform wurde in einem Meßkölbehen auf 100 ccm aufgefüllt und
weiter nach „Lutenricth-Funks Vorschrift colorimetriert mit dem Unter-
schied. daß als Colorimeter der Dubosque -Heele angewandt wurde. Auf da~
Colorimetrieren soll später noch mit einigen Worten eingegangen werden.
Für die Versuche wurden 200 cem eines normalen Harns von ein und derselben
Versuchsperson verwendet. Auf Grund früherer Untersuchungen war mir bekannt,
daß dieser Harn nur Spuren von Cholesterin enthielt. Zu diesem Harn wurden
nun 1 bzw. 2 eem einer 0,2 proz. alkoholischen Cholksterinlösung (was 2 bzw.
4 mg Cholesterin entsprach) zugesetzt und nach der obengeschilderten Methode
verarbeitet. Das Filtrat wurde ebenfalls auf seinen Gehalt an Cholesterin unter-
sucht. Das Filtrat war stets cholesterinfrei, also muß die Fällung des zuge setzten
Cholesterins mit Ca(OH), eine quantitative gewesen sein.
Es ergab sieh nun auf Grund von mehreren Versuchen, daß die
Chloroformextrakte keine beim Colorimetrieren störend wirkenden
Färbungen aufwiesen, daß aber die gefundenen Cholesterinmengen.
wenn auch nicht sehr wesentlich, von den zugesetzten abwichen. Ex
wurden in den Colorimetern von Autenrieth- Königsberger und auch von
Dubosque-Heele stets geringere Mengen als ursprünglich zugesetzt
vefunden. Durch nochmaliges Ausschütteln mit Chloroform konnten
immer wieder Spuren von Cholesterin gewonnen werden. Es wäre mög-
lieh, die Extraktion vollkommener zu gestalten, wenn man sie im
Soxhletapparat vornehmen würde, was allerdings wiederum mit einen
beträchtlichen Zeitverlust verbunden wäre.
Ausscheidung des Cholesterins im Harn. 549
Ich versuchte nun die Extraktion dadurch vollkommcener zu gestal-
ten, daß ich den vom Filter gesammelten Rückstand, der vorwiegend
aus Ca(OH), bestand, in Salzsäure löste (Ca(OH), + 2 HCl = CaCl,
-+ 2H,0). Ich ging dabei von der Überlegung aus, daß durch das
Auflösen von Ca(OH), das von ihm adsorbierte Cholesterin wieder in
Freiheit gesetzt werden wird. Die freie Cholesterinsuspension müßte
aber der Chloroformextraktion leichter zugänglich sein als das adsorbierte
Cholesterin.
Eine wichtige Vorbedingung muß dabei gestellt werden: das in
Freiheit gesetzte Cholesterin darf nicht von der Salzsäure angegriffen
und seine Eigenschaften, namentlich was die colorimetrische Reaktion
anbetrifft, nicht verändert werden. Es ist bekannt, daß das Cholesterin
ziemlich resistent der Salzsäure gegenüber sich verhält, eine Veränderung
tritt nur bei längerem Kochen mit konz. HCl ein. Dieses Verhalten
des Cholesterins konnte auch ich in vollem Maße bestätigen, indem ich
2 mg Cholesterin (2 cem einer 0,1 proz. alkoholischen Lösung) zu 10 cem
37 proz. HC] zusetzte und es über 12 Stunden stehen ließ. Nach einer
4 maligen C'hloroformextraktion konnte ich 1,92 mg Cholesterin wieder-
gewinnen, was etwa 96°, der zugesetzten Menge entspricht. Bei einem
zweiten Versuch erhielt ich 2,0 mg — also die ganze zugesetzte Menge.
Da das Cholesterin dabei colorimetrisch bestimmt wurde, so muß
angenommen werden, daß auch seine für die Liebermann- Burchardtsche
Reaktion in Frage kommenden chemischen Gruppen unverändert
geblieben sind. Praktisch aber bedeutet dieser Versuch, daß auch bei
colorimetrischen Cholesterinbestimmungen die Anwendung von HCI
keine Beeinträchtigung der Resultate haben kann.
Nachdem also die wichtigste Vorbedingung dieses Verfahrens als erfüllt
angesehen werden konnte, wurden folgende Versuche angestellt. Zum normalen
Harn oder aq. dest. wurde eine bestimmte Menge Cholesterin zugesetzt und nach
der geschilderten Methode mit Ca(OH); gefällt, danach der Filterrückstand 3 bis
4 Chloroformextraktionen unterworfen und die einzelnen Chloroformportionen
zusammengegossen. Daraufhin wurde in den Schütteltrichter unter ständigem
Küblen soviel 25 proz. HCl hereingebracht, wieviel nötig war, um den Filterrück-
stand zu lösen. Es folgten danach wieder 2—-3 Chloroformextraktionen. Obwohl
das letzte (4.) Chloroformextrakt vor dem HC]-Zusatz nur nicht meßbare Spuren
von Cholesterin enthielt, wies die 1. Chloroformportion nach dem HUl-Zusatz
eine ganz deutliche Liebermann- Burchardtsche Reaktion auf, die 2. Portion enthielt
nur Spuren, die 3. war meist cholesterinfrei. Es konnte auf diese Weise gezeigt
werden, daB man mit Hilfe dieses Verfahrens größere Cholesterinmengen extra-
hieren kann als vorher. Das Mehr an der Ausbeute wurde nicht quantitativ be-
stimmt. Dafür wurde aber eine Reihe von Versuchen angestellt, die über die
vegamte Ausbeute, die mit Hilfe dieses Verfahrens zu erreichen war, Aufschluß
geben sollten.
Zu diesem Zwecke wurde so vorgegangen. daß man nach der zweiten
Chloroformextraktion oder auch gleich zu Anfang HCI zusetzte und
dann mit Chloroform extrahierte.
WI W. Grunke:
Es sei hier gleich noch darauf aufmerksam gemacht. daß nach dem
Zusatz von HCI zum Filterrückstand eine gelbe bzw. braune Färbung
der Flüssigkeit eintreten kann. je nachdem das Cholesterin aus Aq. dest.
oder dem Harn gewonnen wird. Beim Ausschütteln mit Chloroform
nahm das letztere eine schwache gelbe bis gelbbräunliche Färbung an.
leh untersuchte nicht. welche Harnbestandteile bei der Einwirkung
von HCI solche bräunliche Farbe geben. ich konnte aber feststellen.
daß die gelbe Farbe auch beim Zusammensetzen der Salzsäure und des
Caletumhydroxyds auftritt und auf eine Verunreinigung dieser Sub-
stanzen mit Eisensalzen zurückzuführen ist.
Da für colorimetrische Bestimmungen die Farblosigkeit der Lösungen
eine unumgängliche Bedingung ist. mußte ein Entfärbungsmittel ge-
funden werden. Recht befriedigende Resultate sah ich von der Anwen-
dung des Caleiumhydroxvas zu diesem Zwecke, worüber aber erst
später die Rede sein soll.
Nach allem Gesagten gestaltet sich die Extraktionsmethode folgen-
dermaßen: Einengen des Harnes auf 30—40 ccm. Verseifen auf dem
Wasserbad mit 20 cem konzentrierter KOH-Lösung. Verdünnung auf
500 cem und Fällung mit Ca(OH),, Behandlung des Filterrückstandes
mit 25 proz. HCI. 4 malige Extraktion im Schütteltrichter mit je 25 bis
30 cem Chloroform. Zusammengießen der einzelnen Portionen und Kla-
rung mit Calciumhydroxyd. Das vom Caleiumhydroxyd abfiltrierte und
auch das zum Nachspülen verwendete Chloroform wird in einem 100 cem-
Meßkölbehen (bei größeren Mengen kann das Chloroform durch Stehen
an der Luft abgedunstet werden) gesammelt und dann colorimetriert.
Die mit Hilfe dieses Verfahrens gewonnenen Cholesterinmengen
stimmten mit den zur untersuchenden Flüssigkeit zugesetzten gut über-
ein. Zum Beispiel wurde in einem Fall zu 200 cem normalen Har:
4 mg Cholesterin zugesetzt und dann der Harn nach der oben geschil-
derten Methode verarbeitet. Es wurde gefunden in D cem des Chloroforn:-
extraktes 0.185 mg Cholesterin, was auf die ganze Menge berechnet
3.7 mg ergibt — 02.5", der zugesetzten Menge. Die maximale Differenz
betrug bei den Versuchen 10°, was für ein colorimetrisches Verfahren
als befriedigend angesehen werden kann.
Die Vorzüge dieses Verfahrens bestehen darin, daß man auch bei
Verwendung von geringen Chloroformmengen keine die Untersuchung
verzögernden Emulsionen erhält. daß es nicht zu starken Färbungen
der Chloroformextrakte kommt und daß die auftretenden Färbungen
leicht mit Hilfe des Caleiumhydroxyds beseitigt werden können.
Die Entfärbung der Chloroformextrakte.
Da das zur Klärung der Chloroformextrakte verwendete Ca(OH).
höchstwahrscheinlich als Adsorbens wirkt. mußte, um seine Anwendung
Ausscheidung des Cholesterins im Harn. 551
zu rechtfertigen, bewiesen werden, daß es das in Chloroform gelöste
Cholesterin nicht adsorbiert und infolgedessen die quantitative Be-
stimmung desselben nicht beeinträchtigt. Es wurde zu diesem Zweck
eine 2 mg Cholesterin enthaltende Chloroformlösung kräftig im Scheide-
trichter mit Ca(OH), ausgeschüttelt, dann vom Ca(OH), abfiltriert und
in dem Filtrat colorimetrisch die Cholesterinmenge bestimmt. Es
wurde die ganze zugesetzte Menge wiedergefunden. Zur Sicherheit
wurde auch das Ca(OH), auf seinen Cholesteringehalt untersucht,
wobei kein Cholesterin gefunden wurde.
Von großer Bedeutung ist die Tatsache, daß das Ca(OH), nicht nur
den Farbstoffen gegenüber, die aus dem normalen Harn in das Chloro-
form übergehen, als Adsorbens wirkt, sondern auch den im ikterischen
Harn vorhandenen Gallenfarbstoffen gegenüber. Schon Feigl (Lei
Bürger!) u. a. Autoren haben darauf aufmerksam gemacht, daß die
Gallenfarbstoffe der ikterischen Sera recht beträchtlich die colorime-
trische Reaktion stören können. Das in Chloroform gut lösliche Bili-
rubin verleiht demselben eine intensive bräunliche Farbe, welche die
Farbennuance und die Intensität der Grünfärbung bei der Liebermann-
Burchardischen Reaktion stark verändert und die Verwendung des
colorimetrischen Verfahrens zu quantitativen Zwecken unmöglich
macht. Was für das Serum gilt, gilt in noch größerem Maße für den
Harn, in dem unter Umständen sehr beträchtliche Mengen von Gallen-
farbstoffen vorhanden sein können. Hahn und Wolff?), die ebenfalls
auf diese Fehlerquelle bei Untersuchung von ikterischen Harnen auf-
merksam machen, heben hervor, daß unter dem Einfluß von Essigsäure-
anhydrid und der Schwefelsäure das Bilirubin eine rote Farbe gibt, die
später über ein Blau ins Grün übergeht, was leicht denkbar ist, da das
Bilirubin auch unter Einwirkung von Oxydationsmitteln leicht blaue,
violette und grüne Oxydationsprodukte liefern kann.
Die Entfärbung des ikterischen Harnes schon vor der Bearbeitung
mit KMnO, [Modigliano?)] ist leider bei Cholesterinbestimmungen
unmöglich, da das KMnO, das Cholesterin oxydiert [S. Beilstein®)].
Die Entfärbung der durch Gallenfarbstoffe gefärbten Chloroform-
extrakte kann erreicht werden durch mehrmaliges Ausschütteln der-
selben mit Kalilauge, wobei die Farbstoffe in die Lauge übergehen.
Weniger zeitraubend und ebenso wirksam hat sich das Ausschütteln
des gefärbten Chloroforms mit Ca(OH), erwiesen.
An den auf diese Weise entfärbten Chloroformextrakten wurde die
Liebermann-Burchardtsche Reaktion nach der Vorschrift von Autenrieth-
1) Bürger urd Reinhart, Zeitschr. f. d. ges. exp. Med. 7, 119. 1918; Münch.
med. Wochenschr. 4, 104. 1922.
2) Hahn und Wolff, Zeitschr. f. klin. Med. 92, 393.
3) Modigliano, Ch. C. 1889, I, 393; zit. Neuberg, Der Harn, S. 951.
4) Beilstein, Handbuch der organischen Chemie, 2. Aufl., Bd. II, S. 680. 1888.
Biochemische Zeitschrift Band 182. 36
L
552 W. Grunke:
Funk ausgeführt: Es wurden zu A ccm einer Chloroformlösung 2 ccm
Essigsäureanhvdrid und O.l cem H,SO, (aus einer Bürette) zugesetzt
und 15 Minuten bei 32— 35 im Dunkeln stehengelassen. Als Colorimeter
wurde wie oben schon erwähnt. das von Dubosque-Heele angewandt.
Da bei unserem Apparat die beiden Gesichtsfelder eine verschiedene
Helligkeit zeigten. so wurde, um eine Gleichheit der Beleuchtung beider
Gesichtsfelder zu erzielen. vor das hellere eine Blende vorgeschaltet.
ei dieser Einrichtung war auch die Farbenübereinstimmung der zu
vergleichenden Lösungen eine überaus befriedigende, da der Einfluß
der Beleuchtungsstärke auf die Farbennuance. der unter Umständen
recht beträchtlich sein kann. auf diese Weise beseitigt war. Das Colori-
meter wurde dann von mir geeicht. Als Standardlösung diente beim
Colorimetrieren eine gut haltbare O.I proz. alkoholische Cholesterin-
lösung. von der zu einer Bestimmung 0.5 cem = 0.5 mg Cholesterin
verwendet wurde. Der Alkohol wurde abredunstet, der Rückstand jin
5cem Chloroform gelöst und danach die eolorimetrische Reaktion
angesetzt. Dank der guten Übereinstimmung der Farben der beiden
Lösungen ist das Einstellen auf Farbengleichheit im Dubosque. bei
gewisser Übung. verhältnismäßig leicht. und infolgedessen sind auch die
Werte. die man erhält. recht befriedigende. Ein Nachteil des Autenrieth-
Königsbergerschen Colorimeters, auf den schon verschiedene Autoren
wie Feigl (l. et Bloor (l. e.) aufmerksam gemacht haben. besteht darin,
daß die Farbe des Standardkeiles von der Lösung abweicht, was ein
exaktes Arbeiten sehr erschwert, da eine Einstellung auf Helligkeits-
gleichheit. wie das Autenrieth und Funk empfehlen, unter Umständen
recht schwierig, ja fast unmöglich sein kann und große Übung erfordert.
Untersuchung von normalen und pathologischen Harnen.
Meine Untersuchungen bezogen sich auf den Nachweis von Choleste-
rin im Harn in Fällen von Ikterus und Diabetes melitus; gleichzeitig
wurde fast in allen Fällen auch das Serumeholesterin nach der Aufenrieth-
Funkschen Methode bestimmt. Um einen Maßstab für die Cholesterin-
ausscheilung im Harn zu haben, wurden die Harne von 4 gesunden
Personen und von 2 Rekonvaleszenten auf ihren Cholesteringehalt
untersucht. In sämtlichen Untersuchungen mit Ausnahme von zweien,
wurde 1 .— 1, Teil der Tagesmenge verwendet. Da 0,05 mg Cholesterin
in 5 ecm Chloroform die unterste Grenze für quantitative Bestimmungen
mit Hilfe der von mir angewandten Methode bilden, so konnten bei
meinen Untersuchungen nur Cholesterinmengen, die über 5 mg lagen,
quantitativ bestimmt werden.
Die auf die oben geschilderte Weise untersuchten Harne von 2 Ge-
sunden und 2 Rekonvaleszenten (in einem Fall nach einer Pneumonie,
im anderen nach Pleuritis exsudativa) zeigten in den Chloroformextrak-
Ausscheidung des Cholesterins im Harn. 553
ten colorimetrische Reaktionen, die auf Spuren von Cholesterin hinwiesen,
die aber unterhalb der Grenze der quantitativen Bestimmbarkeit lagen.
Bei 2 weiteren Harnen von gesunden Versuchspersonen wurden die
ganzen Tagesmengen verarbeitet. Bei solcher Versuchsanprdnung
konnten, wie leicht zu ersehen ist, schon Cholesterintagesmengen von
1 mg bestimmt werden. Es wurde nun in einem Fall 1,08 mg Cholesterin,
im anderen eine Menge, die etwas weniger als 1 mg betrug, gefunden.
Alle diese Harne waren frei von Albumen und Saccharum und hatten
ein ganz spärliches und normales Sediment.
Von pathologischen Harnen kamen zur Untersuchung 9 ikterische
und 5 diabetische Harne. In len diesen Harnen, mit Ausnahme eines
ikterischen und eines diabetischen, wurden nur Spuren von Cholesterin
gefunden, die weniger als 5 mg pro die betrugen. In einem Fall von
Cholelithiasis wurden 10 mg Cholesterin in der Tagesmenge gefunden,
was als erhöht angesehen werden kann (siehe Tabelle I). Von Interesse
ist dabei, daß das Serumcholesterin = 0,182°,, an der oberen Grenze
des Normalen gelegen, also in diesem Fall keine deutliche Hypercholeste-
rinämie bestanden hat. Es sprach auch nichts dafür, daß die Nieren
in diesem Fall krankhaft verändert und für das Cholesterin durchlässig
gewesen sind.
In 5 Fällen von schwerem Diabetes melitus wurden die Harne
und die Sera auf ihren Gehalt an Cholesterin untersucht (siehe Tabelle II).
In einem Fall unter den 5 untersuchten sind 12,9 mg Cholesterin
gefunden worden. Das Serum zeigte dabei deutliche Hypercholesterin-
ämie (0,236%,). Worauf die vermehrte Ausscheidung von Cholesterin
in diesem Fall zurückzuführen ist, kann nicht gesagt werden. Die Hyper-
cholesterinämie scheint dafür nicht ausschlaggebend zu sein, denn in
den anderen Fällen bestand eine gleichstarke, ja noch stärkere Chole-
sterinämie und trotzdem ist es nicht zur Cholesterinurie gekommen.
Ob es von dem Grad der bei Diabetes melitus fast regelmäßig vorkommen-
den Verfettung der Nierenepithelien abhängig ist, ist möglich, doch nicht
sicher. Daß eine Schädigung der Nierenfunktion auch bei hochgradiger
Verfettung der Nierenepithelien nicht aufzutreten braucht, darauf macht
schon Fahr!) aufmerksam. Auch ich konnte in dem erwähnten Fall
keine Nierenschädigung klinisch feststellen. Das Sediment war in beiden
Fällen mit vermehrter Cholesterinausscheidung so spärlich, daß es nicht
als Quelle für das gefundene Cholesterin angesehen werden kann.
Über die Ursache dieser beiden beobachteten Cholesterinurien
geben die Untersuchungen keinen Aufschluß. Ob nicht doch der Grad
und die Dauer der Hypercholesterinämie, oder eine klinisch auch nicht
nachweisbare, vielleicht nur den Lipoiden gegenüber sich äußernde
Niereninsuffizienz, oder auch endlich die Löslichkeitsverhältnisse des
We d Fahr, Virchows Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol. 1917.
36*
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Ausscheidung «des Cholesterins im Harn. 555
Cholesterins bei der Cholesterinurie eine gewisse Rolle spielen können —
darüber müssen weitere Untersuchungen Aufklärung bringen.
Tabelle II.
| Chole- p ee
j| Harn- | | sterin | Chole arn
SE menge j = ` Sacch. | Aceton | ACER imHarn| sterin | sedi- Bemerkungen
en oe ess. ` pre die ' a ment
la es te u EN Shan m nn een
ETA e 44 Lt: ++ | 129 |0236] — |
2 | 1350/4: —! 1,2 | Fer] opie] | — | präkomatüser Zustand.
| | | | | - Posttraum. Diabetes.
| | | | | Blutzucker 0,18°/,
3 | 200/,,|— | 0,4 | ++ ' — = „ ,0225; — | Polyglobulie u. Diabetes
4 | 1550/51 — | 26 kt +i n | 0,304 | — ` Coma diabeticum
5 | 780/3 Spr. — ++ | + | „ 10,268| — , Tbe. beid, Snitz, Lues IlI
Zusammenfassung.
l. Für den quantitativen Nachweis von Cholesterin im Harn ver-
wendete ich die von Weston modifizierte Autenrieth-Funksche Methode
mit dem Unterschied, daß der vorwiegend aus Ca(OH), bestehende
Filterrückstand in HCl gelöst, dadurch das durch Ca(OH), adsorbierte
Cholesterin wieder in Freiheit gesetzt und mit Chloroform im Schüttel-
trichter extrahiert wurde.
2. Als Klärungsmittel für die Chloroformextrakte wurde statt des
von Autenrieth-Funk angegebenen Na,SO, das Ca(OH), verwendet.
Es hat sich herausgestellt, daß das Ca(OH), auch fähig ist, die bei der
Verseifung entstandenen und in das Chloroformextrakt übergegangenen
Umwandlungsprodukte der Gallenfarbstoffe aus demselben zu entfernen.
3. Im normalen Harn sind von mir nur Spuren von Cholesterin
(etwa 1,0 mg) nachgewiesen worden.
4. Die bisherigen vereinzelten, vorwiegend qualitativen Untersuchun-
gen, die an ikterischen und diabetischen Harnen angestellt worden sind,
waren nicht eindeutig und auch nicht immer beweisend genug, um die
Frage der Cholesterinausscheidung im Harn bei Ikterus und Diabetes
melitus erschöpfend zu beantworten.
5. Bei der Untersuchung von 9 ikterischen Harnen fand ich nur
in einem Fall 10,1 mg Cholesterin pro die bei 0,182°, Cholesterin im
Serum. Von 5 diabetischen Harnen enthielt einer 12,9 mg pro die,
das Serum enthielt dabei 0,236% Cholesterin.
6. Der Cholesterinspiegel des Blutes kann nicht als ausschlaggebend
für die Ausscheidung des Cholesterins durch die Niere angesehen werden.
Auch eine Nierenschädigung, die bekannterweise zu Cholesterinurie
führen kann, kommt nicht als Ursache der Cholesterinausscheidung
im Harn bei meinen Fällen in Betracht, denn es konnten klinisch keine
Läsionen der Nieren nachgewiesen werden. Das Harnsediment war zu
spärlich, um als Quelle für das gefundene Cholesterin gelten zu können.
Zur Frage nach den „ökonomischen Koeffizienten‘ bei
Aspergillus niger.
Von
WI. Butkewitsch und Fr. W. G. Orlow f.
(Eingegangen am 24. Mai 1922.
Mit 3 Abbildungen im Text.
Die Organismen nutzen während ihrer Entwicklung die von ihnen
verbrauchten organischen Stoffe zum Aufbau ihrer Körpersubstanz
nur partiell aus, der Best aber bleibt unproduktiv. Das Verhältnis
zwischen dem Zuwachs des Organismus und der Gesamtmenge der
dabei von ihm veızehrten Stoffe kann nicht nur bei verschiedenen
Lebewesen, sondern auch bei demselben Organismus, je nach seinen
Entwicklungsbedingungen, sehr ungleich sein. Für die Pflanzenorganis-
men hat Pfeffer!) das zum erstenmal in bezug auf die Pilze experi-
mentell sichergestellt. Er hat auch vorgeschlagen, den Ausnutzungs-
grad von organischen Stoffen durch das Verhältnis des Zuwachses des
sich entwickelnden Pilzes zur Gesamtmenge des von Ihm verbrauchten
Stoffes zu charakterisieren und die Bezeichnung „ökonomische Koef-
fizient“ für dieses Verhältnis empfohlen 2).
In den 25 Jahren nach dem Erscheinen der obengenannten Arbeit
von Pfeffer, ist über die Frage nach den Bedingungen, die den Wert
des ökonomischen Koeffizienten bei den Pflanzenorganismen bestimmen,
verhältnismäßig wenig gearbeitet worden, obgleich diese Frage ohne
Zweifel ein bedeutendes Interesse vom biologischen als auch vom
praktischen Standpunkte darbietet. Das betrifft nicht nur die niedri-
geren Chlorophyllosen. sondern auch die höheren grünen Pflanzen.
Was die letzteren anbelangt, so beschäftigten hauptsächlich die Be-
dingungen, welche die Produktivität des Assimilationsvorganges be-
stimmen, die Aufmerksamkeit der Forscher, die Frage über die Pro-
Le
ı) W. Pfeffer, Jahrb. f. wiss. Botan. 28, 205. 1895. Einige hinzugehörige An-
gaben enthält auch die bekannte Arbeit von Raulin, Ann. d. sc. natur. (5) I, 252.
1869.
2) Nach Pfeffer muß die Menge des verbrauchten Stoffes bei der Berechnung
des ökon. Koeffizienten für 100 angenommen werden. Nach einer solchen Berech-
nung sind alle Werte für die ökon. Koeffizienten erhalten, die in disser Mitteilung
weiter unten angegeben sind.
W1. Butkewitsch und Fr. W. G. Orlow +: Ökonomischer Koeffizient usw. 557
duktivität der Ausnutzung von Assimilaten blieb aber fast unberührt.
Es steht doch außer Zweifel, daß die Produktionsleistung der Pflanze
von diesen beiden Vorgängen im gleichen Maße abhängig ist. Eine
Steigerung dieser Leistung läßt sich infolgedessen entweder durch
die Vermehrung der Menge von Nährstoffen oder, bei gleicher Quanti-
tät derselben, durch das Steigen der Ausnutzungsproduktivität erreichen.
Wenn wir den Zuwachs der Pflanze durch P, die Menge der dabei
als Nährmaterial verzehrten organischen Stoffe durch N und den
ökonomischen Koeffizienten durch K bezeichnen, so erhalten wir:
K = ~ oder P = NK, und daraus
j (P+AP)=(N+AN) (K+AR).
Es war uns nicht möglich, die von uns unternommene Arbeit über
die Feststellung der Bedingungen, die den Wert des ökonomischen
Koeffizienten bestimmen, in dem Maßstabe auszuführen, in welchem
sie in Aussicht genommen wart). Die weiter unten mitgeteilten An-
gaben stellen das Resultat einiger vorläufiger Versuche mit Asperg.
niger dar. Darin finden sich einige Lücken, die zu vervollständigen
wünschenswert wäre, doch lassen sich schon jetzt daraus gewisse
Schlußfolgerungen ziehen; jedenfalls können sie als orientierendes
Material für weitere Untersuchungen in derselben Richtung dienen.
Als Kohlenstoffquelle wurde Glucose oder Rohrzucker in allen
Versuchen gebraucht. Der ökonomische Koeffizient wurde nicht durch
die Bestimmung des Mycelgewichtes und des verbrauchten Zuckers
zu einem gegebenen Zeitpunkt der Entwicklung der Kultur gefunden,
sondern durch die Feststellung des Maximalgewichtes der Pilzdecke
in den Kulturen mit dem bestimmten Gehalt an Zucker. Das wurde
durch die Aufstellung einer Reihe von gleichartigen Kulturen und durch
die Gewichtsbestimmung der in ihnen sich entwickelnden Pilzdecken
nach gewissen Zeitintervallen erreicht. Der Moment des Überganges
von der Steigerung des Mycelgewichtes zu einer Abnahme, d.h. des
Maximalgewichtes der Pilzdecke, entsprach dem Moment der voll-
ständigen oder fast vollständigen Erschöpfung des in der Kultur be-
findlichen Zuckers, und der ökonomische Koeffizient bei den gegebenen
Bedingungen der Kultur wurde durch das Verhältnis des Maximal-
gewichtes der Pilzdecke zur Gesamtmenge des Zuckers bestimmt.
Dieses Verfahren gibt die Möglichkeit, nicht nur den ökonomischen
Koeffizienten zu bestimmen, sondern auch den Gang der Pilzentwick-
lung zu verfolgen. Das letztere ist insbesondere dann notwendig, wenn
man außer der Bestimmung des ökonomischen Koeffizienten, auch
1) Die Arbeit mußte infolge des Todes meiner Mitarbeiterin, Fräulein W. G.
Orlow, unterbrochen werden. — Die weiter unten beschriebenen Versuche wurden
im Sommer 1917 angestellt.
ht Wl Butkewitsch und Fr. W. G. Orlow t:
die vergleichende Untersuchung der Pilzentwicklung, überhaupt unter
verschiedenen Bedingungen beabsichtigt.
Bei der Auswahl der Stickstoffquelle haben wir uns für Ammonium-
phosphat entschieden, da die Säure, die aus diesem Salze beim Verbrauch
des Ammoniaks frei wird, auf die Entwicklung des Pilzes verhältnis-
mäßig schwach einwirkt!). Bei der Herstellung der Nährflüssigkeit
wurde die Lösung des zweibasischen Ammoniumphosphats angewandt,
deren alkalische Reaktion durch Zusatz von Phosphor-äure abge-
stumpft war.
In den ersten zwei Versuchen (I und II) wurde der Einfluß des
Zinkfsulfats in verschiedenen Konzentrationen und der Temperatur,
im dritten (THI) die Einwirkung der Salze von Zink, Kobalt und Queck-
silber geprüft.
Bei der Analyse der Kulturen wurde die Pilzdecke von der Kultur-
flüssigkeit auf dem gewogenen Filter getrennt, mit Wasser auf dem-
-elben gewaschen, bei 100— 105° getrocknet und gewogen. Die ab-
filtrierte Flüssigkeit wurde mit Waschwasser bis zum bestimmten
Volumen gebracht und von dieser Lösung wurden einzelne Portionen
für die Bestimmung der Acidität. der Oxalsäure und manchmal des
Zuckers genonmen.
Die Acidität wurde dureh Titrieren mit ?.,0-Natronlauge (mit Phe-
nolphtalein als Indikator) bestimmt und auf 10 cem Kulturflüssigkeit
bezogen.
Die Oxalsäure wurde durch Calciumacetat niedergeschlagen und
im abfiltrierten Niederschlag durch Titrieren mit Permanganatlösung
bestimmt 2).
Die Bestimmung des Zuekers wurde nach dem Verfahren von
Sorlet mittels Fehlingscher Lösung ausgeführt.
Versuch 1: In diesem Versuch wurden 3 Nährlösungen von folgender Zu-
sammensetzung genommen: l
Glucose 2 222.93 Dass lb wie in a)
a) EES, .. 1 ĉo b) -+ ZnSO) 0.0025,
Salze (ohne Zn) . 0,209 ce) + ZnS0O, 0.0050°% 5.
Il) Die Ammoniaksalze anderer stärkerer Säuren sind für die Versuche wenig
vecignet, welche die Feststellung der Einwirkung von irgendwelchen Faktoren
auf die Entwicklung des Pilzes zur Aufgabe haben, da die der Prüfung unter-
liegende Einwirkung dureh den starken Einfluß der freiwerdenden Säure ganz
maskiert werden kann. Das zogen die Autoren einiger Arbeiten nicht in Betracht,
weshalb die von ihnen erhaltenen Ergebnisse ihre Bedeutung in beträchtlichem
Grade verlieren.
2) Das Verfahren der Oxalsäurebestimmung nach der Acidität, welches Ono
(N. Ono, Journ. Col. se. Univ. Tokyo 13, 141. 1900) bei seinen Versuchen mit
Asperg. niger angewandt hatte, ist hier allerdings unzulässig.
3) Die bier genommenen Mengen von ZnSO, nähern sich denjenigen, welche
Raulin (L ei sowie auch Richards (H. Richards, Jahrb. f. wiss. Botan. 30, 665.
1897) als optimale annehmen.
en, EEE —
nn
Ökonomischer Koeffizient bei Aspergillus niger. 559
Für jede Kultur wurden je 50 ccm Nährlösung genommen. Auf den Lösungen
a) und c) wurden je 5 und auf der Lösung b) 15 Kulturen angesetzt. Die letzteren
wurden in 3 Gruppen (je 5 Kulturen) geteilt und im Polythermostat bei den Tem-
yperaturen von 20, 25 und 35° untergebracht. In demselben Thermostat wurden
auch die Kulturen auf den Lösungen a) und c) bei der Temperatur von 25° auf-
gestellt.
Die erste Serie der Kulturen wurde am 5. Tage analysiert, als die Pilzdecken
der Kulturen bei 35° und 25° in bedeutendem Grade (aber nicht vollständig)
mit Conidien bedeckt waren. In den Kulturen bei 20° erschienen die Conidien
erst am 6. Tage. Die übrigen Serien wurden zur Analyse aufeinanderfolgend in
Zwischenräumen von einem Tage genommen.
Die Oxalsäure wurde nur in den Kulturen ohne Zink nachgewiesen.
Die Analysenergebnisse sind in der folgenden Tabelle zusanımen-
gestellt.
Tabelle I.
a 20° 25°
Prorentrehalt
von Zns0, in 0,0025 0,0025 0,0050 0,0025
Nährlösung
Pilz- | Ae, Pilz- | Aci-
: Pilz- | Aci- z= | Aci- ` Oxal- © Oxal- Piz- | Aci-
Kulturdauer | decke ` dität decke 'dität säure | decke | ‚dität decke ‚ dität decke |dität
| H ccm | com mg g Le ccm g cem
1. 4 Tage ` 0,447 | 9.8 0.332 20,4! 133,8] 0 0,553 | 8,6 | 0,433. 7,3
2.5 „ Un |10,2[0, SC 20,9. 1525 0,531. 8,6 0,406 6,7
3.6 | 0,592 | 10,3 0, 372 i 20,9] 171,3 0,490 | 89 0.400 | 8, Q
4. 0,550 | 9,61 0, Ir 21,5 1632 0,459 2 0,384 | 7,6
5. 0, ‚485 | 9,11 0,36 140,5 0,388 8,5
Versuch 2: Für die Kulturon wurden 3 Nährlösungen genommen:
Glucose .....5% Dasstlbe wie in a)
a) (NH,),HPO,... 1% b) + Zn50, 0,025%
Salze (ohne Zn) . 0,2%, c) + ZnSO, ` (IO,
In diesem Versuche waren die Mengen des den Nährlösungen zugesetzten
Zinksulfats bedeutend höher als im vorigen!).
Für jede Kultur wurden je 50 cem Nährlösung genommen. Auf den Lösungen
a) und c) wurden je 5 und auf der Lösung b) 10 Kulturen aufgestellt. Alle ersteren
und 5 Kulturen der letzteren wurden im Thermostat bei 22° und die übrigen 5
auf der Lösung b) bei 33° stehengelassen. Die Dauer der Kulturen ist in der weiter
unten folgenden Tabelle angegeben, in welcher die Ergebnisse der Bestimmung
des Mycelgewichtes und der Acidität der Kulturflüssigkeit zusammengestellt sind.
Die ersteren zur Analyse genommenen 6tägigen Kulturen mit
ZnSO, bei 22° enthielten noch ein wenig Zucker, in der Stägigen Kultur
bei 33° war er nicht mehr vorhanden. Bei 22° ohne ZnSO, wurde
1) In der Nährlösung c) näherte sich der Gehalt von ZnSO, demjenigen,
welchen Richter (A. Richter, Zentralbl. f. Bakteriol. usw., Abt. IL 7, 417. 1901)
für Asperg. niger als den Grenzgehalt angibt.
560 WL Butkewitsch und Fr. W. G. Orlow *:
Tabelle IT.
Temperatur 22°
Prozentgehalt
von ZuSO, in 0 vr 0,190 0125
Nährlosung
i ua. Adde 5 acidi J Aedtl, . Acide
Kileirdlauer Pilziecke Pilziecke | tät Pilzlecke tät Pilzdecke Ä tät
g eem g cem g ccm g | ccm
0,901 Is
5 Tage
©
ei
|
Ae
t
x
D 1.195 12,4 0.897 10,8
Es = Se SS Sa OTAS 102
SD 0,770 1.091 OTS 10.8
9 0,813 1.055 à
1?
1 0,757 10.2
0.918 11. = =
0,807 1
IZ be — de
vk ke J 0
Le IN IS
BI
Ökon
: Be
Koeffizient 32,0
16,1 | 36,0
Zucker in allen Kulturen (in der lLtägigen nur Spuren), mit Ausnahme
der letzteren I2tärigen, nachgewiesen.
Die Oxalsäure ließ sich auch in diesem Versuche nur in den Kulturen
ohne Zink nachweisen. quantitativ wurde sie aber nicht bestimmt.
Neben der Anwesenheit der Oxalsäure wurde eine höhere Acidität
in den Kulturen ohne Zinksulfat im Vergleich mit denjenigen, die
dieses Salz enthielten. wie in diesem, so auch im vorigen Versuche
festgestellt!). Was die Temperatur anbelangt, so kann man eine Ver-
minderung der Acidität mit steigender Temperatur nachweisen.
Die Einwirkung des Zinksulfats auf die Entwicklung des Pilzes
kam in einer starken Beschleunigung derselben und einer bedeuten-
den Erhöhung des ökonomischen Koeffizienten zum Ausdruck ?). Die
Veränderungen des Gehaltes dieses Salzes in den Grenzen, die bei
unseren Versuchen geprüft wurden (0,0025 —0,0050° .. 0,025 — 0.100 ° „).
übten keinen bemerkbaren Einfluß auf die Entwicklung des Pilzes?),
wie auch auf den Stoffwechsel aus, soweit man aus den ökonomischen
Koeffizienten und der Acidität der Kulturflüssigkeit schließen kann.
Bei der Steigerung des Zn-Gehaltes ließ sich nur eine Verstärkung
seines hemmenden Einflusses auf die Conidienbildung beobachten.
In den Grenzen der Temperaturen von 20—35° erwies sich der
ökonomische Koeffizient bei der niedrigsten, von 20°, als maximal,
und mit dem Steigen derselben nahm er allmählich ab ®).
1) Vol N. Ono, Le
. 2) Vel. W. Pfefjjer, Le, N. Ono, 1. ¢. und I. Buromsky, Ann. d. Mosk. landw.
Inst. 19. 1911 (russisch).
3) Vgl. H. Richards, l. c., N. Ono. l. €., A. Richter, l. ec. und I. Buromsky, l. c.
4) Dieses Resultat wurde für die Kulturen mit Zinksulfat erhalten. Die Ver-
suche mit der Nährlösung ohne dasselbe, deren Ergebnisse infolge ihrer Unvoll-
Ökonomischer Koeffizient bei Aspergillus niger. 561
In den soeben beschriebenen Versuchen fehlen die Angaben über
das Mycelgewicht in den Kulturen mit Zink für die erste Periode der
Pilzentwicklung, welche der Erreichung des Maximalgewichtes vorher-
ging; es wäre ohne Zweifel wünschenswert, diese Periode einer mehr
detaillierten Untersuchung zu unterwerfen. Es ist kaum anzunehmen,
daß die bei unseren Versuchen für
Maximalgewichte erhaltenen Werte $
irgendwie bedeutend von den tat- :
sächlichen abweichen.
Die Veränderungen des Mycel-
gewichtes in den Kulturen der ‘
Versuche I und II sind auf den v 5
Abb. 1 und 2 graphisch dargestellt. a
Die linken punktierten Teile der
auf diesen Figuren dargestellten Kurven, die sich dem Koordinaten-
anfang anschließen, können nicht auf eine genaue Reproduktion des
tatsächlichen Ganges der Pilzentwicklung Anspruch machen, da die
Angaben über das Mycelgewicht für die entsprechende Periode
1-4 Sn
BE el!
Es
"Aë
e ES
IS‘, DR
9 O Nn 72
Aulturgaver i lagen
Abb. 2.
fehlen. So müßten die Kurven, die sich auf die Kulturen bei den
höheren Temperaturen beziehen, ohne Zweifel von Anfang an einen
ständigkeit hier nicht angegeben werden, lassen uns vermuten, daß der ökon.
Koeffzient seinen maximalen Wert, im Falle der Entwicklung des Pilzes ohne Zink,
beinahe bei 25° erreicht. Übrigens sind die Angaben, über welche wir verfügen,
unzureichend, um diese Frage endgültig zu entscheiden. — Über den Einfluß der
Temperatur auf dr: Entwicklung von Asperg. niger vgl. auch H. Kunsimann,
Über das Verhältnis zwischen Pilzernte und verbrauchter Nahrung. Diss. 1895;
refer. in den Bsih. z. botan. Zentralbl. 6, 7. 1896.
562 WI. Butkewitsch und Fr. W. G. Orlow t:
etwas steileren Aufsticg haben, als auf unserem Diagramm darge-
stellt et?)
Versuch 3: In diesem Versuche wurde die Einwirkung der Zink-, Kobalt-
und Quccksilbersalze auf die Entwicklung von Asperg. niger einer vergleichenden
Untersuchung unterzogen. Für dr: Kulturen wurden 4 Nährlösungen gebraucht:
Rohrzucker ...5% Dass lbe wie in a)
a) (NH,,HPO,. .. 1% b) + Zn50, 0,010%
Salze: — ug. aea ër 02S c) + C0S0, 0,010% ?)
d) + HgCl, 0,00125.
Für jede Kultur wurden je 50 eem Nährlösung genommen und auf jeder
Lösung je 5 Kulturen angesetzt. Alle Kulturen wurden im Thermostat unter-
gebracht, in welchem die Temperatur während des Versuches in den Grenzen
von 30—33° schwankte.
Die erste Serie der Kulturen wurde am 4. und die letzte am 9. Tage genommen.
Bei der Analyse wurde das Mycelgewicht, die Acidität der Kulturflüssigkeit und
der Gehalt der Oxalsäure in derselben bestimmt. Außerdem wurde der in der
Kulturflüssigkeit unverbraucht gebliebene Zucker in den 2 letzten Scrien (4 u. 5)
bestimmt und auf Grund dieser Angaben das wahrscheinliche Mycelgewicht in
den Kulturen am 11. Tage ihrer Entwicklung durch Extrapolierung berechnet.
Die Ergebnisse der Analysen sind in der Tabelle III zusammen-
gestellt.
Tabelle III.
nen ET G
Bu f | | |
Nähr- $ Il 1. 2, 8. 4. 5. 6.
lösungen | Euipunater | 3 Tage | 3!/, Tage 4 Tage 6 Renee 8 Tage 10 Tage
Pilzdecke . . . g} 030. 0339 | 0,397. wem, 0,730 ` ‚730° (0,530)
a) Acidität . | | com. 21,8 | 244 | W2 | R4 26,8
0 Oxalsäure . . mg 154,0 | 141,6 | 158,5 Ä 1642 | 1642
Zucker .... g, = | — =: — 10—08 0,5— 3
Pilzdecke o! 1256) 1344 | 1294| 1,101) a“ van
b) Acidität . . . cem | 19,0 18.2 E 16 ` 7,
ZnSO, \lOxalsäure . . mei 30,6 ` 4,5 | 2 | 0 | Se
Zucker .... g — 0 | 0
Pilzdecke . . . g| 0216: 0254 , 0398| 0,843 i (1,000)
D Acidität . . | cem | 130 | 168 W4 | 228 ` 24 |
CoSO, |[Oxalsäure . . mg | 147 ` 22,6 906 11246 | 118,3 | —
Zucker .... Be de © — 0,4—0.35 Spuren ==
Pilzdeeke . . | g! 0620 (0,608) | 0,835 Gand. 0,914 | (0.800)
di Acidität `... em 246 ` un | 258 246 ` 910
Hell, \lOxalsäure . . mg 12045 | 136,7 92,32 | 200,5 | 222.0 KSE
Zucker .... gji — e | — 02—015; <005 =
Wie aus den in der Tabelle befindlichen Angaben ersichtlich ist,
erschien die Einwirkung der versuchten Salze auf die Mycelentwick-
1) Die Geschwindigkeit der Mycelentwicklung in den ersten Tagen ist bei
30—35° größer als bei 20—25°. Der Gang der Kurven entspricht aber diesen Ver-
hältnissen nicht.
2) Alle Salze sind als wasserfrei angenommen. Die Mengen, in denen sie den
Nährlösungen zugesetzt wurden, nähern sich denjenigen, welche von Richards
(l. c.) und Ono (l. c.) als optimale angegeben sind.
d
je
|
| 43.2
|
34,0
Ai, S
a db
40,0
Ökonomischer Koeffizient bei Aspergillus niger. 563
Jung sowie auch auf den Stoffwechsel (soweit die Acidität und der
Oxalsäuregehalt in der Kulturflüssigkeit über den letzteren urteilen
läßt) sehr ungleich.
Die stärkste Beschleunigung der Entwicklung des Pilzes erzeugte
Zinksulfat. Die Pilzdecke erreicht rasch ihr Maximalgewicht und ebenso
rasch wird auch der in der Kultur befindliche Zucker verbraucht.
Was Kobaltsulfat und Sublimat betrifft, so ist ihre stimulierende
Wirkung auf die Mycelenentwicklung bedeutend schwächer. In den
Kulturen mit Kobalt findet sogar eine bedeutende Verzögerung der
Entwicklung in den ersten Tagen statt. Das Mycelgewicht erlangt
hier erst am fünften Tage das in den Kulturen ohne stimulierende
Salze, darauf folgt eine
starke Steigerung im Zu-
wachs der Pilzdecke und *
am neunten Tage erreicht
sie ihr Maximalgewicht.
Nach der Art der Mycel-
er
S, A E
entwicklung nehmen die Sa Sek ie
Kulturen mit Sublimat 3. Ama a.
eine Zwischenstellung ein, Š, | u
und die Pilzdecke erreicht X ees
hier ihr Maximalgewicht `; A Er A ea E ee
am siebenten Tage. Maxi- DAR Lin En nen i
malgewicht des Mycels ist E nh, ge
für die Kulturen mit Ko-
baltsulfat und Sublimat EE
nahezu das gleiche; den Make nn
Kulturen mit Zinksulfat
stehen sie aber in dieser Beziehung bedeutend nach.
In demselben Verhältnisse befinden sich auch die Werte der diesen
Kulturen entsprechenden ökonomischen Koeffizienten. Den höchsten
gibt die Kultur mit Zinksulfat, den niedrigsten die mit Sublimat.
Aber auch in der letzteren bleibt er doch höher als in der Kultur ohne
Reizsalze.
Auf der Abb. 3 ist die graphische Darstellung des Ganges der Mycel-
entwicklung in den verschiedenen Kulturen angegeben.
Was die Acidität und den Gehalt der Oxalsäure in den Kulturen
mit Zink anbelangt, so finden wir hier dieselben Erscheinungen, die
schon in den vorigen Versuchen festgestellt sind, d. h. ein Sinken der
ersteren, im Vergleich mit den Kulturen ohne reizwirkende Salze,
und eine vollständige oder fast vollständige Abwesenheit der letzteren.
Die Oxalsäure ist in unbedeutenden und allmählich abnehmenden
Mengen nur in den ersten drei Kulturen nachgewiesen worden. Auf
- ee
564 Wl Butkewitsch und Fr. W. G. Orlow 7:
der Nährlösung mit Kobalt nimmt die Acidität, die in ersten Kulturen
niedrig ist, mit der Steigerung ihrer Dauer allmählich zu, und zum
Schluß des Versuches erreicht sie die Acidität in den Kulturen auf der
Lösung a. Die Kulturen mit Sublimat stehen ihrer Acidität nach den
auf der Nährlösung a sehr nahe und übertreffen sogar dieselben an
Oxalsäuregehalt (nur in den 4—5 tägigen Kulturen ist er etwas niedriger).
Die letzte Erscheinung bietet ein Interesse vom Standpunkte
der von einigen Autoren ausgesprochenen Annahme, daß die Abwesen-
heit der Oxalsäure in den Kulturen von Asperg. niger, die Zink
enthalten, mit der stimulierenden Wirkung desselben im Zusammen-
hange steht, und daß die letztere ein Resultat der Verstärkung von
Oxydationsvorgängen und der vollständigeren Ausnutzung von organi-
schen Stoffen durch den Pilz bildet. Der in unseren Versuchen nach-
gewiesene verhältnismäßig hohe Gehalt der Oxalsäure in den Kulturen
mit Sublimat beim Vorhandensein der stimulierenden Einwirkung
auf die Entwicklung des Pilzes weist darauf hin, daß diese Einwirkung
mit der energischen Oxydation der Oxalsäure nicht oder wenigstens
nicht stets in Verbindung steht,
Die Reizwirkungen der Salze von verschiedenen Schwermetallen
erscheinen also nicht gleichartig und weisen einige individuelle Be-
sonderheiten auf.
Wie aus den oben angeführten Angaben auch ersichtlich ist, darf
man sich bei den Untersuchungen der Einwirkung der ,Reizstoffe”
auf die Entwicklung der Pflanzenorganismen nicht auf irgendeinen
Moment dieser Entwicklung beschränken, sondern es ist notwendig,
den ganzen Gang derselben zu verfolgen. Nur dann ist es möglich, sich
einen vollständigen und richtigen Begriff von der untersuchten Ein-
wirkung zu machen.
Zusammenfassung.
In den Kulturen von Asperg. niger auf Zucker, wie das schon
von Raulin, Pfeffer, Ono und anderen Autoren festgestellt ist, ruft
das Zinksulfat auch bei geringem Gehalt in der Nährlösung eine starke
Beschleunigung der Mycelenentwicklung und eine Steigerung des
„ökonomischen Koeffizienten‘, d. h. der Produktivität der Ausnutzung
des Zuckers hervor.
Der Einfluß des Zinksulfates zeigt sich auch in der Kulturflüssig-
keit als ein Sinken der Acidität und des Gehaltes der Oxalsäure bis zum
vollständigen Fehlen der letzteren.
Der Gehalt des Zinksulfats in der Nährlösung kann in ziemlich
breiten Grenzen (0,0025 —0,005% , 0,025—0,1°%,) schwanken, ohne
irgendwelchen merkbaren Einfluß auf die Mycelentwicklung und auf
den Stoffwechsel.
Ökonomischer Koeffizient bei Aspergillus niger. 565
Die Temperaturen, welche für die Mycelentwicklung (die Geschwindig-
keit derselben) und für den ökonomischen Koeffizienten optimal sind,
fallen nicht zusammen. Die letztere liegt niedriger als die erstere.
Bei der Einwirkung der Kobalt- und Quecksilbersalze, die in den
Kulturen von Asperg. niger auf Zucker auch eine Stimulierung
der Mycelentwicklung und eine Steigerung des ökonomischen Koeffi-
zienten, ähnlich dem Zinksulfat, hervorrufen, zeigen sich einige Be-
sonderheiten im Verlauf der Pilzentwicklung und im Stoffwechsel,
welche die Einwirkung dieser Salze von der des letzteren unterscheiden.
Um eine vollständige und richtige Vorstellung vom Einflusse der
„Reizstoffe‘‘ auf die Entwicklung des Pilzes zu erhalten, darf man
sich nicht auf eine Untersuchung irgendeines Momentes dieser Ent-
wicklung beschränken, sondern es ist notwendig, den ganzen Gang
derselben zu verfolgen.
Vergärung von Zucker bei Gegenwart von Dinatriumsulfit
nach Neuberg und Reinfurth.
Nachprüfung der Äquivalenz zwischen Aldehyd
und Glycerin.
Von
Heinrich Geble.
(Eingegangen am 8. Juni 1922.
Mit 7 Abbildungen im Text.
Des öfteren haben Forscher versucht, durch besondere Zusätze einen
Einfluß auf die Produkte der Alkoholgärung zu gewinnen. Sie waren
meistens nicht sehr erfolgreich. Auch der Einfluß von Alkali und alka-
lischen Salzen ist mehrfach untersucht worden, doch hatten die Forscher
dabei entweder ein anderes Ziel im Auge, oder es war ihnen nicht be-
kannt, worauf Neuberg und Reinfurtk hinweisen, daß die Hefe erst nach
Einsatz der gewöhnlichen Gätung gegen Salzzusätze genügend unemp-
findlich ist. Um so bedeutungsvoller ist daher die Auffindung der Sulfit-
und Carbonatgärung durch Neuberg und dessen Mitarbeiter, E. Färbrr.
E. Reinfurth und J. Hirsch, die auf G:und der Brenztraubensäuretheorie
zuerst eine wissenschaftliche Eıklärung geben konnten für das Auf-
treten von Aldehyd und Glycerin. die, sonst nur Nebenprodukte. hier
als gleichwertige Hauptgärstoffe erscheinen. Das Verdienst, die Sulfit-
gärung auch technisch ausge wertet zu haben, gebührt W. Connstein und
K. Lüdecke, die unabhängig von Neuberg ihr Protolverfahren aus-
bildeten, das im Kriege in großem MaBstabe zur Darstellung von Glycerin
verwendet worden ist. Nach den Angaben von Ost wurden monatlich
bereits 1000 000 kg Glycerin nach diesem Verfahren hergestellt.
C’arbonatgärung. Durch Anwendung gewisser schwachalkalischer
Salze, Natriumbicarbonat, Dinatriumpnhosphat, Natriumborat und an-
derer, entsteht eine solche Verschiebung des Gätvorgangs, daß Glycerin
und Aldehyd und im weiteren Verlaufe auch Essigsäure in größerer
Menge auftreten. Zunächst sind gemäß der von Neuberg und Reinfurth
aufgestellten. abgeänderten Gärungsgleichung:
Co HiOs = CH,CHO + C,H,(OH), + CO,
Glycerin und Aldehyd in äquimolckularen Mengen vorhanden. Nach
ca. 21/, Stunden hat der Aldehyd jedoch den höchsten Stand erreicht, im
II. Gehle: Vergärung von Zucker bei Gegenwart von Dinatriumsulit. 567
weiteren Verlauf verschwindet er allmählich wieder, während die
Glycerinmenge weiter ansteigt. Der Aldehyd fällt einer neuen Umwand-
lung anheim, die Neuberg und Hirsch mit der Cannizzaroschen Um-
lagerung vergleichen, in dem 2 Moleküle Aldehyd sich unter Wasser-
aufnahme in 1 Mol. Alkohol und 1 Mol. Essigsäure aufteilen. Die experi-
mentelle Bestätigung ist dadurch gegeben, daß Glycerin und Essigsäure
zum Schluß der Gärung im Verhältnis 2 : 1 vorhanden sind. Mit steigen-
dem Gehalt an Bicarbonat steigt zwar auch die Glycerinmenge an, doch
wird der Zuwachs stets kleiner, so daß bei etwa 2,0 molarem Gehalt an
Bicarbonat die Höchstausbeute von 14—15% der Zuckereingabe erreicht
ist. Trotz weiteren Zusatzes von Bicarbonat bleibt von jetzt an die
Glycerinmenge konstant.
Dinatriumsulfit. Der Einfluß der Alkalisulfite auf die Gärung ist
ebenfalls zuerst von Neuberg und seinen Mitarbeitern eingehend unter-
sucht worden. Der Aldehyd wird durch das Sulfit als Aldehydbisulfit
gebunden, kann also einer Weiterbildung zu Essigsäure wie bei der
Bicarbonatgärung nicht unterliegen.
Nach Neuberg entsteht aus dem Zucker zunächst Brenztraubensäure,
die durch ein Teilferment der ‚„Zymase“, die Carboxylase, in Aldehyd und
Kohlensäure gespalten wird. Während bei der normalen Gärung der
Aldehyd durch 2 Wasserstoffatome zu Alkohol reduziert wird, erleidet
der Reaktionsvorgang infolge der Festlegung des Aldehyds durch das
Sulfit in der letzten Phase eine Unterbrechung, und die zur Verfügung
stehenden 2 Wasserstoffatome reduzieren das andere Zuckerhalb-
molekül zu Glycerin. Es besteht also die Beziehung:
C,H, ,0, = CH;CHO + CO, + C,H,(OH),
(180) (44) (44) (92)
oder aus 100 Zucker entstehen theoretisch 24,44 Aldehyd, 24,44 Kohlen-
säure und 51,12 Glycerin. Unter Berücksichtigung der Sulfitwirkung
lautet die Gleichung:
CH, Oe + NaSO, + H,O = CH,;,CHO - NaHSO, + NaOH - CO,
+ C;H,(OH),.
Das zugleich entstehende Bicarbonat hebt jedoch infolge seiner dis-
soziierenden Wirkung die Bindungsfähigkeit des Sulfits mit steigender
Konzentration immer mehr auf, so daß ein Teil des Zuckers in normaler
Weise in Alkohol und Kohlensäure zerfällt. Die hemmende Wirkung des
Bicarbonats durch einen entsprechenden Überschuß von Sulfit auf-
zuheben, läßt sich nur so lange ausführen, als das Sulfit von der Zelle
vertragen wird. Neuberg und Reinfurth haben noch bei einem Gehalt
von 150% Sulfit bezogen auf Zucker die Gärung zu Ende gebracht.
Die Aldehydausbeute betrug im Höchstfalle 17,95% des Zuckers. Die
Glycerinmenge entsprach stets dem von der Formel geforderten Äqui-
Biochemische Zeitschrift Band 182. 37
568 H. Gehle:
valentverhältnis zum Aldehyd, so daß die zum obigen Aldehydhöchst-
92 u:
werte gehörende und auch gefundene Glycerinmenge von a 17.95 =
37,5% des Zuckers auch die höchste Glycerinausbeute darstellt.
Von anderen Produkten fanden Neuberg und Mitarbeiter Essigsãur:
nur in Spuren, Milchsäure in wechselnden doch geringen Mengen und
schreiben letztere dem Hochkommen von Bakterien zu.
Die Ergebnisse von Neuberg und Reinfurth sind in den folgenden
Tabellen a) und b) zusammengestellt:
Tabelle a). Aldehydausbeuten von Neuberg.
Sulfit vom | Aldehyd | Gär-
Zucker ' Hefe Gewicht in Proz. | qauer
| des Zuckersid. Monosac- ‚mu, en
e Ä S | % | eharide | S
Hä Rohrzucker | 10 | 37 1127 ` 11
83 ? | 10 54 12,92 6
SS a a
3 í 3
83 , | 12+10 | 75 1518 18
83 be | 10 75 15,25 8
83 S | 0 j " 14.00 6
154 Fruchtzucker | Ni Hl 15,99 6
148 Traubenzucker ` y 9 | 85 14,99 6
166 Rohrzucker , 9 10 11,17 > 18
83 S | 10+10 | 150 17,95 |! 17
Io +5 | i
Tabelle b). Glycerinausbeuten in Prozenten des Zuckergewichts.
Ohne | 33% | 50% | 75% | 100% | 188%
Sulft | Sult | Sulfit | Sulfit | Sulft | Sulfit
2,71 ) 21,32 | 26,17 ; 31,70 | 34,10 | 35,07
1,91: 23,37 | 26,82 | 32,00 32,42 | —
2,02 | 21,58 , 24,60 129,79, — | —
2,71 | 21,77 12445 | 30,97: — , —
E e = 7 Au u we
3,33 |2306: 2528| — : = : —
Ähnliche Ausbeuten erhielt auch Diplom-Ingenieur Volkmar im
Tabelle ei. hiesigen Institut (siche Tabelle c).
en Höherprozentige Gärgüter konnten nicht zur Aus-
Sult Glycerin gärung gebracht werden trotz zweimaligen Zusatzes
o ;
Ber =..." frischer Hefe, während eine 75 proz. Lösung bereits
25 j 179 in 5 Tagen ausgegoren war. Über den angegebenen
Ge | A1 un Prozentgehalt hinaus scheint also die Giftwirkung
75 į 20,0 des Sulfits cine sprunghafte Verstärkung zu erfahren.
Vergärung von Zucker bei Gegenwart von Dinatriumsulfit. 569
Da das molekulare Verhältnis zwischen Natriumsulfit und Zucker bei
etwa 70% Sulfit liegt, so könnte man die erhöhte Giftwirkung des über-
schießenden Sulfits eben dadurch erklären. daß es keinen Zucker zur
Absättigung mehr vorfindet.
Hinsichtlich der Carbonatgärung machen schon Neuberg und Hirsch
auf den asymptotischen Verlauf der Ausbeuten mit steigender Salz-
konzentration aufmerksam. Wir möchten annehmen, daß auch bei der
Sulfitgärung die relativ abnehmende Alkalität einen ähnlichen Gär-
verlauf bedingt.
Es sei hier hingewicsen auf die Untersuchungen von Windisch und Dietrich’),
aus denen hervorgeht, daß die Alkalität schwach alkalischer Salze nicht proportio-
nal der Konzentration wächst, sondern daß die Zunahme schnell kleiner wird, so-
daß die Alkalinitätskurve asymptotisch verläuft.
Bei der Sulfitgärung ist die Alkalitätswirkung die gleiche, d. h. also
relativ abnehmend mit steigendem Sulfitgehalt, dagegen wächst der
sicherlich schädliche Einfluß des Sulfitanions auf die Zelle proportional
der Konzentration. Trägt man die Größe der Verschiebung in den
Gärprodukten als Folge der wachsenden Hydroxylionenkonzentration
einerseits, die spezifische Giftwirkung des Sulfits auf die Zelle anderer-
seits als Kurvenbilder auf, so werden die beiden Kurven zunächst gleich
verlaufen, bald aber wird die Alkalinitätskurve sich stark abzweigen
und von diesem Punkt an der toxische Einfluß des Sulfits sehr schnell
anwachsen.
Es ist uns gelungen, in einer einheitlichen Versuchsreihe mit Stufen
von 20—100% Sulfit bezogen auf Zucker sämtliche Gärungen in 5 Tagen
völlig zu Ende zu führen. Wir hatten dabei folgende Ergebnisse:
Über einen Gehalt von 60% Sulfit
hinaus sind sowohl Aldehyd als auch Tabelle d).
Glycerin konstant. Die erreichte Auszug aus Hauptversuchs-
Höchstausbeute stimmt mit den Werten reihe IL.
der Tabelle c) und b) (unter der Rubrik Born
13% Sulfit) überein. such | e TI e | ei
Eine Veränderung in der Zusammen- A, on ` 4.08 7 1508
setzung der Gärprodukte kann nur so B, 40 1952 | 2534
erfolgen, daß die Teilvorgänge der Gä- Ci 60 11,22. 26,86
D, a , 11,13 | 2926
E
rung in verschiedener Weise dem Ein- 2» | 100 | 11,37 ` 28,08
fluß der sauren oder alkalischen Reak-
tion unterliegen, d. h. aber, die Teilvorgänge müssen bis zu einem ge-
wissen Grade unabhängig voneinander sein. Sind nun die Umlagerungen
von H- und OH-Gruppen (oder Oxydation und Reduktion) zwei solcher
Teilvorgänge, so wird bei gleicher Reaktionsgeschwindigkeit die Ver-
teilung der beiden Gruppen eine gleichmäßige sein, bei verschiedener
1) Windisch und Dietrich, diese Zeitschr. 101, 82.
de
"ui! H. (elle:
un
w
Geschwindigkeit jedoch eine Anhaufung von OH-Gruppen durch ber-
holung. auf der anderen Seite eine Anhäufung von H-Gruppen infolge
Zurückbleibens stattfinden. Es sei an einen ähnlichen Vorgang erinnert.
nämlich die Konzentrationsänderung an den Elektroden infolge der
verschiedenen Wanderungsgeschwindigkeiten der Ionen. Je stärker die
Garwirkung allgemein und je höher die Alkalität. in desto größerer
Menge werden als Folge der verschiedenen ‚„Wanderungsgeschwindig-
keiten” der OH- und H-Giuppen Aldehyd und Glycerin entstehen. Die
Menge derselben ist also ein Maß für die Differenz zwischen Oxydations-
und KReduktionsgeschwindigkeit.
Auch bei der normalen Gärung ist bereits eine Differenz vorhanden.
denn einerseits treten Säuren, Essigsäure, Bernsteinsäure und Milch-
siure auf, andererseits kommt die entsprechende Reduktionskomponente
im Glycerin, das bereits bei der Alkoholgärung bis 5°, des Zuckers
ansteigen kann, zum Vorschein. Diese Säurebildung hängt nach Boas
und Zeberle!) mit dem Stickstoffumsatz zusammen und ist daher ein
wesentlicherer Bestandteil der Plasmavorgänge als die Alkoholbildung.
Nach Neuberg und Hirsch ist das Auftreten des Glycerins bei der nor-
malen Gärung so zu erklären, daß das Plasma (gleichsam als interner
Akzeptor) je nach seinem Stoffwechselbedarf einen Teil des Aldehyds
der weiteren Reduktion zum Alkohol entzieht, so daß der restliche
Zuckerteil als Glveerin bestehen bleiben muß. Es wird also je nach der
Größe des Stoffwechsels mehr oder minder Glycerin vorhanden sein,
das kein Äquivalent im vorbandenen Aldehyd findet. So können wir
auch bei der Sulfitgärung, trotzdem ein Hefewachstum in dem Um-
fange wie bei der normalen Gärung nicht stattfindet, feststellen. daß
nur ein bedingtes Aquivalentverhältnis zwischen Aldehyd und Glycerin
vorhanden ist. daß aber in den Fällen, wo die Gärung rasch verläuft.
ein Plus an Glycerin vorhanden ist. wie aus den beiden folgenden
Tabellen hervorgeht:
Tabelle e).
Auszug aus Hauptversuchsreihe .
\ g aus Haupts hsreihe IH
yii | KERE Glycerin | Glycerin Ditffe- aa
no È berechnet*t) gefunden renz *)
such in
n | Wë l or % Tagen
A, An 4,78 1303 — Gett 3
Bi 12 19.91] 25,34 —5 A3 d4
ei 11.22 23,406 IH. +340 ; 4
D, 11.13 Ir 29,26 —-5,99 | D
d i ge Ju Un 5,21 5
*) Gegen das Aquivalent.
1) Fr. Boas und H. Leberle, l. c. N. 4.
Vergärung von Zucker bei Gegenwart von Dinatriumsulfit. 571
Tabelle f).
Auszug aus Hauptversuchsreihe IV.
e Gär-
Glycerin Glycerin Diffe-
Ver- Aldehyd berechnet *)| gefunden renz *) dauer
such |i in
I O %, % % KE ra
A, 5,07 10,60 14,22 +3,62 6
B, 9,65 20,17 24,50 | +4,38 8
CO 11,38 23,79 26,08 | +2,29 9
D, 12,44 26,01 24,11 — 1,80 14
E, 10,15 22,40 22,81 —0,41 14
*) Gegen das Äquivalent.
Während das überschüssige Glycerin in Tabelle e) konstant ist, fällt
die Menge in Tabelle f) mit wachsender Sulfitkonzentration sogar ab.
Sein Entstehen läßt sich also schwerlich auf die Wirkung des Sulfits
allein zurückführen. Dagegen kommt der Einfluß der Gärintensitat
deutlich zum Ausdruck. Während die Lösungen in Tabelle e) (mit
Brennereihefe) sämtlich in 5 Tagen ausgegoren waren, zeigte die Hefe
Rasse XII (vom Gärungsinstitut in Berlin) in den Versuchen der Tabelle f)
nicht nur an sich weniger Gärkraft, sondern die Wirkung nahm auch
von Konzentration zu Konzentration stark ab, wie die angegebenen
Gärzeiten erkennen lassen.
Die Untersuchungsmethoden.
Qualitative Proben.
Die qualitative Prüfung auf Aldehyd geschah mittels der sehr empfindlichen
Nitroprussidreaktion. Nach den Angaben Neubergs und Reinfurths wurden 3 ccm
Urlösung mit !/, ccm einer 4 proz. Nitroprussidlösung und 2—3 ccm 3 proz. Piperi.
dinlösung versetzt. Blauviolettfärbung zeigt Azetaldehyd an.
Zum Nachweis von Zucker diente die schon von Neuberg und Reinfurth empfoh-
lene Kupfer-Kaliumcarbonatlösung nach Ost, denn die Fehlingsche Lösung kann
hier nicht benutzt werden, da diese auch durch Azetaldehyd bereits in der Kälte
reduziert wird. Dagegen wirkt die Ostsche Lösung auf die einfacheren Aldehyde
wegen ihrer geringeren Alkalität kaum ein und bietet dazu den Vorteil, daß die
durch den Zucker ausgeschiedene Kupfermenge 1!/,mal so groß ist, wie bei An-
wendung der F'ehlingschen Lösung.
Quantitative Bestimmungen.
Alkohol. Für die Bestimmung des Alkohols lagen mir zunächst die Angaben
von Neuberg und Reinfurth vor. Ihre Methode besteht im wesentlichen darin,
den Ald:hyd durch p-Nitrophenylhydrazinacetat auszufällen und nach Neutrali-
sation der Säure den Alkohol im Vakuum abzudestillieren. Die Methode ist sehr
umständlich. Ein Versuch, sie zu vereinfachen, war obne Erfolg. In neueren Ar-
beiten bedienen sich Neuberg und Mitarbeiter fast ausschließlich des Metaphenylen-
diamins. Durch Kochen mit Metaphenylendiaminchlorhydrat am Rückflußkühler
wird der Aldehyd an die Aminogruppen gebunden, so daß bei der folgenden Destilla-
tion eine reine Alkohollösung erhalten wird. Eine brauchbare Chromsäuremethode
572 H. Gehle:
fand ich in der Vorschrift von Hoepner!), die ich mt Vorteil angewandt und während
der ganzen Arbeit beibehalten habe. Man bestimmt mit Hydroxylamin den Aldehyd
und durch Chromsäuregemisch Aldehyd und Alkohol zusammen. Zieht man den
Chromsäurewert für Aldehyd vom Gesamtwert ab, so erhält man die Alkoholmen«e.
Indem ich bei der Aldehydbestimmung jeden Zusatz von Alkohol vermied, erhielt
ich ein Destillat, das gleichzeitig zur Alkoholbestimmung dienen konnte.
20—40 ccm diescs Destillats wurden mit 25ccm 2 n-Bichromatlösung in
einem 500 cem-Kolben gemischt und dann langsam unter Kühlen 50 cem 50 proz.
Schwefelsäure zufließen gelassen. Nach etwa 4stündigem Stehen wurde zu 500 ccm
aufgefüllt und mittels Jodkali und Thiosulfat in 50 ccm der Verbrauch an Bi-
chromat bestimmt. Zur Prüfung der Methode wurde eine reine Alkohollösung
zuerst pyknometrisch bestimmt, sodann mittels Bichromat eingestellt. Die erste
Bestimmung ergab 3,05 Gewichtsprozent, die letztere 3,03 Gewichtsprozent. Die
Methode erfordert äußerst sauberes Arbeiten, liefert dafür aber genaue Resultate.
Aldehyd. Bei der Bestimmung des Aldehyds hat man sowohl auf die Leicht-
flüchtigkeit als auch besonders auf die große Neigung des Aldehyds zur Konden-
sation Rücksicht zu nehmen. So konnte nach den Versuchen von Dipl.-Ing.
Volkmar im hiesigen Institut aus einer Mischung von Aldehyd und Dinatriumsulfit
nach einigem Stehen nur 299, durch Destillation mit Calciumcarbonat, das den
Aldehydsulfitkomplex aufspaltet, ohne selbst kondensierend zu wirken, wieder-
gewonnen werden, bei sofortiger Destillation 61% und 82%. Der Rest war durch
das entstehende Alkali kondensiert, wie sich durch die starke Gelbfärbung zu er-
kennen gab. Bei den Gärversuchen liegen die Verhältnisse insofern günstiger, als
das Alkali durch die überschüssige Kohlensäure sofort in unschädliches Bicarbonst
übergeführt wird.
Die Abscheidung des Aldehyds beruht auf der Zersetzung des Aldehydbisulfita
durch Alkalien. Die starken Alkalien, wie Natronlauge und Soda, sind jedoch nicht
anwendbar, da sie auf den freigemachten Aldehyd sofort kondensierend einwirken,
dagegen sind die Erdalkalicarbonate, wie Calciumcarbonat und Magnesiumcarbonat,
gerade noch genügend stark, das Aldehydsalz aufzuspalten, ohne die ebengenann-
ten Nachteile zu besitzen.
Von dem Gärgut werden 50 ccm in einem MeBzylinder mit eingeschliffenem
Stopfen geküklt, zwecks Ausfällung des überschüssigen Sulfites mit soviel Chlor-
barium in 25proz. Lösung versetzt, als dem Gesamtsulfitgehalt dieser 50 cem
entspricht, auf 100 ccm aufgefüllt und zum Absitzenlassen einige Zeit kühl hinge-
stellt. Je nach der Menge des Niederschlages werden 60—80 ccm abfiltriert und
unter Nachspülen mit etwa 170 ccm Wasser in einen Literkolben gegeben, der
soviel gefälltes Calciumcarbonat enthält, als dem in 60—80 ccm der Lösung ur-
sprünglich vorhandenen Sulfit entspricht. Werden nunmehr 150—200 ccm ab-
destilliert, so befindet sich sämtlicher Aldehyd in der ersten Vorlage (nur selten
war die Riminische Probe in der zweiten Vorlage positiv).
Zur Nachprüfung wurden zweimal je 250 ccm einer etwa 1 proz., aber genau
eingestellten Lösung von reinem Aldehyd, der etwas Glycerin (0,29%) be’gemengt
war, einmal mit 12 g Kaliumbisulfit + 8 g Natriumbicarbonat, das andere Mal mit
10 g Kaliumbisulfit + 7 g Natriumbicarbonat gemischt, und nach 1—2tägigem
Stehen der Aldehyd nach der oben angeführten Destillationsmethode ohne Zu-
hilfenahme von Wasserdampf wiedergewonnen. Es wurden gefunden 9624, 99°
100°, und 101% der Eingabe. Die Bestimmung des Aldehyds im Destillat geschah
nach der Methode von Ripper. Anschließend habe ich bei diesen Versuchen noch
weitere 100 cem mit Wasserdampf übergetrieben. Der Verbrauch an Sulfit war, wie
zu erwarten, gleich Null.
—— Seen
1) Hoepner, Zeitschr. f. Unters. d. Nahrungs- u. Genußm. 34, 453—464 (1917).
—
Vergärung von Zucker bei Gegenwart von Dinatriumsulfit. 573
Bei der Destillation des Aldehyds wurde das Destillat durch zwei eisgekühlte
Vorlagen aufgefangen, deren Vorstöße in eine 3—4 cm hohe Wasserschicht ein
tauchten. Zur Sicherheit wurde zwischen die beiden Vorlagen noch eine ebenfalls
eisgekühlte Kühlschlange eingeschaltet.
Als maßgebende Aldehydbestimmungsmethode wählte ich die Hydroxylamin
methode von Brochet und Cambier, doch nahm ich statt der angegebenen 0,4 proz.,
eine lproz. Lösung. 50 ccm des Aldehyddestillats, das eine Konzentration von
0,08—0,2%, durchweg besaß, wurden zu 50 cem Hydroxylaminchlorhydratlösung
gegeben und die freigemachte Säure nach 1—2stündigem Stehen mit n/,-Natron-
lauge titriert.
Zur Kontrolle habe ich jedoch stets auch die Bestimmung nach der Ripper
schen Methode ausgeführt. Die erhaltenen Werte liegen durchweg nur unerheblich
(0,02—0,08%) höher. In einer früheren planmäßigen Untersuchung habe ich fest-
gestellt, daß die Rippersche Methode bis zu 30% zu hoch liegende Werte ergeben
kann, daß nur bei einem bestimmten Konzentrationsverhältnis richtige Resultate
zu erwarten sind, darüber oder darunter aber stets höhere Werte herauskommen.
So liegt beispielsweise in der folgenden Tabelle, die gelegentlich dieser Untersuchung
aufgestellt wurde, das günstigste Konzentrationsverhältnis bei 4.
Konzentration der | Konzentration der | Statt 0,8570 g Aldehyds
Sulfitlösung Aldehydlösung i gefunden (eingewugen)
L Rss ! etwa 0,15 proz. | 1,026
2: Dia | ou 0, l 5 y | 0,8! A 4
3. Djy „0 „| 0,8680
4. wer | 1 0,15 nmn oi 0,8312
5. 2. | a dl, un | 0.9017
6 DI 1 0,15 n | 0,9160
An Hand eingehender Überlegungen habe ich gezeigt, daß der Grund für dieses
Verhalten nur in einer Veränderung des Aldehyds während der Reaktion zu suchen
ist. Der entstehende Jodwasserstoff wirkt wahrscheinlich reduzierend auf den
Aldehyd und wird selber zu freiem Jod oxydiert, welch letzteres erneut in die Re-
aktion eingreift. Es ergab sich ferner, daß mit Ausnahme der mittleren Konzen-
trationen die Abweichungen auch mit der Dauer der Einwirkung zunahmen, wie
folgende kleine Tabelle zeigt.
Dauer der | Gefundene Aldehydmenge in %
Konzentr. der !
Sulfitlösung an ET I | II 5
be | FA i : 18
Diva | [& 1,88 | 1,91
192 | 1 2.14 | SS
Die anderen Methoden, die in der Literatur angegeben sind (Hydroxylamin-
ehlorhydrat, Phenylhydrazin, Jodoform, Methode von Tiemann-Sadtler) ergeben
niedrigere Werte. Es muß daher merkwürdig erscheinen, daß die Rippersche
Methode für die zuverlässigste gehalten wird. Sie ist allerdings, was Empfindlich-
keit und Schärfe des Ausschlags angeht, den anderen Methoden überlegen, doch
dürfte ihre Anwendung in jedem Falle erst nach Überprüfung durch eine zweite
Methode ohne Bedenken sein. Die nach der Ripperschen Methode erhaltenen
Werte sind in den Tabellen besonders angegeben, doch ist die Abweichung so ge-
ring, daß die Schlußfolgerungen der Arbeit dadurch nicht beeinträchtigt werden.
Zur sicheren Kontrolle wurden von verschiedenen Gärlösungen die Wasserdampf-
574 H. Gehle:
destillate gesondert aufgefangen und auf ihren Sulfitverbrauch untersucht. Wie
schon bemerkt, war der Jodverbrauch für die Wasserdampfdestillate des Kontroll-
versuchs gleich Null. Die vergorenen Lösungen gaben jedoch Destillate, die noch
geringe Mengen Jod verbrauchten. Es wurden folgende Bestimmungen ausgeführt,
l. Aus zwei Gärlösungen A (mit je 20°, Sulfit) wurde der Aldehyd durch ein-
fache Destillation gewonnen, sodann wurden weitere 200 ccm Destillat mit Wasser-
dampf übergetrieben. Letztere verbrauchten 0,7 bzw. 1,2 ccm Jodlösung, während
zur Titration der ersten Aldehydlösung 60 bezw. 75 ccm nötig waren. Der pro-
zentuale Zuwachs berechnet sich also zu Ku bzw. > , also höchstenfalls zu 295. Das
nach dem 200 cem-Destillat noch Übergehende war aldehydfrei.
2. Ein Aldehyddestillat, das aus einer Gärlösung E (mit 100%, Sulfit, noch
etwas zuckerhaltig) durch einfache Destillation gewonnen war, verbrauchte 160 cem
Jod. Nach Anstellung des Wasserdampfes waren nötig für
die ersten 150 cem Destillat . . 2 22.2 2220.20. Dé cem Jodlösung
die zweiten 150 cem Destillat . . 2.2.2222 22...03 5 S
die dritten 150 cem Destillat e, DÄ » en
die nächsten 200 cem Destillat . . » 2 2 2 2 2 2 2020.03 5 Sé
Gu e 200 ,, 2 e dee er ee e A A OD Lg ei
vi oe 20 „ MR Eu a ehr een Me ee here de ee äe =
es 3 200 „ e DEENEN 1 e 2 ve
Zus. also für 1250 cem Destillat. . . » 22 .2.2.2.2..2.. 2,1 Gem Jodlösung.
Im Verhältnis zum Ganzen eine Zunahme = = rund 1,59. Offenbar bilden
sich bei der Destillation noch andere Zersetzungskörper, die ebenfalls Sulfit anlagern
(aus Zucker, Eiweiß und Säuren).
Glycerin. Die Zuverlässigkeit der Glycerinbestimmung hängt im wesentlichen
von der guten Vorreinigung ab. Ich habe, abgesehen von der eigentlichen Be-
stimmungsmethode, durchweg nach den Angaben von Neuberg und Reinfurth ge-
arbeitet.
150 ccm Urlösung wurde nach dem Aufkochen und Abfiltrieren der ausge-
fällten Eiweißstoffe mit der dem Sulfit. entsprechenden Chlorbariummenge gefällt
und sodann mit dem zur Zersetzung des vorhandenen Aldehydbisulfits nötigen
Menge gesättigten Barytwassers versetzt, einige Zeit auf dem Wasserbade und
schließlich eine halbe Stunde über freier Flamme erhitzt. Nachdem eine klar
abfiltrierte Probe mit ebenfalls klar zufiltriertem Barytwasser beim Kochen keine
Trübung mehr zeigte, wurde das überschüssige Barium durch Einleiten von Koblen-
säure bis zur neutralen Reaktion und nochmaliges Aufkochen als Bariumcarbonat
gefällt und das Ganze zu 500—600 ccm aufgefüllt. Davon wurden 400 ccm ab-
filtriert und auf einem Wasserbade bis zum feuchten Salzkuchen eingedampft.
Die sirupartige Salzmasse wurde 3—4 mal mit 95proz. Alkohol ausgezogen, in-
dem gleichzeitig die Klumpen mit einem Glasstab feingerieben wurden, aufs
Filter gegeben und mit Alkohol nachgewaschen, so daß das Ganze etwa 150—200 ccm
betrug. Das Filtrat wurde nun in einem Kölbchen auf dem Wasserbade einge-
dampft, nachdem vorher die Hauptmenge des Alkohols abdestilliert war. Um
die letzten Wasserreste genügend zu entfernen, neigt man das Kölbchen seitwärts,
so daß ein Zurückfließen von Wassertropfen nicht stattfinden kann. Durch dieses
Abdampfen im Kölbehen dürften Glycerinverluste kaum eintreten. Der dicke
Sirup wurde nun mit etwa 130 ccm absoluten Alkohols aufgenommen, die ausge-
fällten Salzmengen abfiltriert und mit absolutem Alkohol nachgewaschen. Nach-
dem das Filtrat wieder abdestilliert war, wurde 60 ccm absoluter Alkohol und
darauf 60 ccm absoluter Äther langsam zugegeben. Nach einigen Stehen wurde
Vergärung von Zucker bei Gegenwart von Dinatriumsulät. 575
wiederum filtriert, abdestilliert und der Rückstand zweimal mit je 30 ccm Wasser
eingedampft, um auch die letzten Reste von Alkohol zu verjagen. Das so erhaltene
Rohglycerin wurde in einem 250 ccm-Kolben gespült und zur Marke aufgefüllt.
In dieser Lösung wurde das Glycerin mit Bichromat bestimmt. Die Methode
von Zeisel-Fanto-Stritar kam wegen des teuren Reagens hier nicht in Frage, doch
stimmen die erhaltenen Glycerinwerte mit denen Neubergs überein. Die einfachste
Arbeitsweise ist die von Nicloux!) angegebene. In einem großen Reagensglas
mischt man 5 ccm der zu untersuchenden Flüssigkeit mit einem großen Überschuß
5—7 cem konzentrierter Schwefelsäure, wobei sich die Lösung stark erhitzt und
läßt aus einer Bürette eine Bichromatlösung zufließen, welche 19 g Bichromat
im Liter enthält, indem man nach jedem Zusatz bis eben zum Sieden erhitzt.
Die Oxydation ist beendet, sobald die Farbe von grünblau in grüngelb umschlägt.
Lösungen, die mehr als 1 g im Liter enthalten, sınd entsprechend zu verdünnen,
während solche, die weniger als !/, g im Liter enthalten, mit einer halb so starken
Bichromatlösung zu titrieren sind. Der Endpunkt ist scharf, doch ist es empfeh-
lenswert, einen Parallelversuch anzustellen. Zu Beem Lösung gibt man im einen
Fall Le com Bichromat weniger, als bei der Vorbestimmung festgestellt wurde,
im anderen Falle genau die abgelesene Menge, die eine Lösung muß blaugrün,
die andere gelbgrün sein. Der relative Febler beträgt 2,5—5°%. Da die Genauig-
keit dieser Methode wegen der benutzten kleinen Mengen für unsere Zwecke nicht
genügte, wurde zu folgender Arbeitsweise übergegangen. Von der Glycerinlösung,
die etwa 10 g im Liter enthielt, wurde 5 ccm mit 20 ccm konzentrierter Schwefel-
säure gemischt und ein Überschuß einer = Bichromatlösung (20—25 ccm durch-
weg) zugegeben. Nach !/,stündigem Erhitzen über kleiner Flamme bis nahe zum
Sieden wurde das überschüssige Bichromat mit Jodkali und Thiosulfat zurück-
titriert. Parallelversuche ergeb:n unter sich übereinstimmende Werte. Um die
Zuverlässigkeit des ganzen Verfahrens zu prüfen, wurden 150 ccm einer etwa
5proz., aber genau mit Bichromat eingestellten Glycerinlösung (bezogen von
Merck) mit 175ccm Aldehyddestillat gemischt und 10 ccm Hefeemulsion, 7 g
Kaliumbisulfit und 5 g Natriumbicarbonat zugegeben. Nach einigen Tagen wurde
das Glycerin aus dem Gemisch wiedergewonnen und bestimmt. Die Analyse er-
gab 95,4%, vom eingegebenen Glycerin. Dipl.-Ing. Volkmar erhielt bei einem ähn-
lichen Kontrollversuch, wobei die Abdampfung stets im Vakuum vorgenommen
wurde, 96,3% vom Glycerin wieder.
Kohlensäure. Die Kohlensäure entweicht zum größeren Teile gasförmig,
zum Teil wird sie in der Lösung als Bicarbonat gebunden. Die Menge der ersteren
wurde aus der aufgefangenen Gasmenge berechnet. Zur Bestimmung der letzteren
wurde folgendermaßen verfahren.
10—20 ccm der vergorenen Urlösung wurden mit einer genügenden Menge
Natronlauge zur Zersetzung des Aldehydbisulfids gekocht und sodann mit Salz-
säure oder noch besser mit Essigsäure die Kohlensäure mitsamt der schwefligen
Säure abdestilliert. Letztere wurde durch n/joo-Jodlösung und die Kohlensäure
durch Barytwasser aufgefangen. Um die Kohlensäure möglichst quantitativ
in die zweite Vorlage überzutreiben, wurde nach Schluß der Destillation noch 10 Mi-
nuten lang ein kohlensäurefreier Luftstrom durchgeleitet. In dem Rückstand wurde
der Sulfatschwefel mit Chlorbarium bestimmt.
Mikroskopische Prüfung. Zu Beginn und zum Schluß der Versuche wurden
Lösung und Hefe unter dem Mikroskop untersucht. Verschwinden der Vakuvole,
Austreten von Öltröpfchen und starke Bläuung mit Methylenblau galten als
Anzeichen des Absterbens der Hefe. Zugleich wurde auf Bakterien geprüft.
1) Fr. Nicloux, Fres. Zeitschr. 43, 123.
576 H. Gehle:
Flichtige Säuren. Essigsäure. 20—50 cem Urlösung wurden mit überschüs-
sirem Barytwasser zur Zersetzung des Aldehydbisulfits gekocht, Nachdem auf
300 ccm aufgefüllt war, wurden 200 ccm = 20 cem Urlösung abfiltriert, mit
Schwefelsäure augesäuert, wobei das überschüss're Barium als Bariumsulfat aus-
fallt, und aus einem Literkolben im Wasserdampfstrom solange destilliert, bis alle
Säure übergegangen war.
Auszug aus den Versuchsprotokollen.
Hauptversuchsreihe I. Während die Vorversuche bereits Ende 1919
ausgeführt wurden, konnte die Arbeit nach längerer Unterbrechung
erst im März 1921 fortgeführt werden. Der nächste Versuch sollte in
erster Linie über die Wirkung der verschiedenen Sulfitkonzentrationen
Aufklärung bringen. 10 Gärkolben von je 3/, Liter Inhalt befanden sich
in einem Wärmeschrank, der durch einen Mikrobrenner mit einfacher
Wärmeregelung geheizt wurde. Die Kolben waren mit guten Gummi-
stopfen mit einer Durchbohrung für die Gasableitungsröhren ver-
schlossen. Letztere führten zu den entsprechenden 10 Gassammel-
flaschen, die ebenfalls sorgfältig verschlossen und mit Zu- und Ab-
leitungsrohr, letzteres bis zum Boden reichend, versehen waren. Di.
Mündung der Ablaufrohre war so gleichmäßig hergerichtet, daß die
Tropfengröße bei allen gleich war. Die Gassammelflaschen hatten 2—5,
die Auffangflaschen für das austretende Wasser etwa 1 Liter Inhalt.
In jedem Kolben befand sich eine Gärlösung von 20 g Rohrzucker
nebst Nährsalzen in 100 cem Wasser. 30 g gepreßter obergäriger Bier-
hefe aus der Städtischen Lagerbier-Brauerei wurde mit 500 ccm Wasser
zur Emulsion geschüttelt und davon je 50 cem den Gärlösungen, nach-
dem sie die Schranktemperatur von 28° angenommen hatten, zugesetzt.
Für die Zugabe der Hefe, die Zugabe des Sulfits und für die Ablesungen
wurde stets ein Zeitraum von 20 Minuten in Anspruch genommen.
Nach dem Vorgange von Neuberg, Reinfurth und Hirsch wurde die
särung zunächst ohne Sulfit in Gang gebracht, da sich gezeigt hatte,
daß die Gärung schwer in Gang kommt und unvollständig bleibt, wenn
das Gärgut von Anfang an das Sulfit enthält. Nachdem die Gärung
eingesetzt hatte, etwa nach einer Stunde, wurden zu A, und 4, je
130 ccm Wasser ohne Sulfit, zu P, und B, je 4 g Sulfit (stets als wasser-
freies, neutrales Natriumsalz berechnet) in 130 ccm Wasser, zu C}, C;
und C, je 8g und zu D, D, und D, je 16 g in der gleichen Menge von
130 cem Wasser gelöst zugegeben.
Während die Gärung in den sulfitfreien Lösungen A, und 4, sehr
stark einsetzte, verlief sie bereits in B sehr schwach. Nach 8 Tagen war
die Hefe in A, B und C zum Teil in D völlig abgestorben, wie die mikro-
skopische Prüfung ergab. B, und B,, C, und C, zeigten kein Reduktions-
vermögen mehr gegen Ostsche Lösung, die übrigen, merkwürdigerweise
auch die sulfitfreien Lösungen A, und A,, gaben noch Fällungen. Nach
Vergärung von Zucker bei Gegenwart von Dinatriumsulfit. 577
10 Tagen wurden zu (©, Dh, D, und D, noch je 2 g Hefe, doch diesmal
käufliche Brennereihefe (sogenannte Verbandshefe) zugegeben. Mit
Ausnahme von D, waren diese Lösungen nach 15 Tagen ausgegoren.
Die Kurventafel zeigt das Fortschreiten der CO,-Entwicklung bei
Versuch A und B.
Abb. 1. Verlauf der Kohlensäureentwicklung der Versuche A und B (20 und 40% Sulfit).
Haupiversuchsreihe II. Die Apparatur war wie in I. Die Gassammel-
flaschen wurden, um Verluste der Kohlensäure durch Absorption mög-
lichst zu verkleinern, mit verdünnter Säure gefüllt. Um das die Ab-
lesungen störende Schütteln der Gärlösung zu umgehen, wurde durch
indifferente Zusätze eine gleichmäßige Verteilung der Hefe angestrebt.
Zur Prüfung wurden folgende 3 Nebenversuche angestellt.
Abb. 2. Veränderung des Gärverlaufs durch Zusatz von Baumwolle und Glaswolle zur Gärung.
Die Gärlösungen bestanden aus 15 g Rohrzucker in 180 ccm Wasser
mit Nährsalzen; dazu kam 1,5g obergäriger Preßhefe, die der unten
beschriebenen Vorbehandlung unterworfen war. Zu I) wurde Glaswolle,
zu II) Baumwolle zugesetzt, während III) ohne Zusatz blieb. Es wurden
nur die Gärkurven an Hand der Kohlensäureablesungen bestimmt.
Beide Zusätze bewirken eine offensichtliche Steigerung der Gär-
tätigkeit. Während jedoch bei Baumwolle die Gärung nach starkem
Ansteigen schnell wieder absinkt, bleibt das Maximum der Gärung bei
der Glaswolle während des Hauptteiles der Gärung nahezu konstant.
Zufolge dieser günstigen Wirkung wurde in den nächsten Versuchen
578 H. Gehle:
Glaswolle zugegeben, geschüttelt wurde erst nach Aufhören der Kohlen-
säureentwicklung.
Die Hefe wurde in diesen und den nächsten Versuchen folgender
Vorgärung unterzogen. 50 g Preßhefe wurden in 100 ccm 10 proz. Rohr-
zuckerlösung bei 28° zur Gärung gestellt. Nach 2—3 Stunden wurde
kurze Zeit Luft durchgeblasen, nochmals bei 28° kurze Zeit hingestellt,
dann l g Sulfit, in 10—20 ccm Wasser gelöst, zugesetzt und die Gär-
lösung bis zum andern Morgen bei Zimmertemperatur aufbewahrt. Am
Morgen wurde die Lösung von der Hefe abgegossen, die Hefe gewaschen
und zu einer Emulsion von 300 ccm aufgefüllt. Je 25 ccm davon diente
als. Hefengabe für die einzelnen Ansätze. Vor und nach den Gärungen
wurde die Hefe auf Bakterienreinheit untersucht.
Das Gärgut bestand diesmal aus einer Lösung von 25 g Rohrzucker
in 150 ccm Wasser nebst 25 ccm Hefeemulsion (etwa 4 g Preßhefe ent-
sprechend). An Sulfitlösung wurde 150 ccm zugesetzt, und zwar ent-
hielten diese 5 g bei A, und A,, 10 g bei B, und B,, 15 g bei C, und C,,
20 g bei D, und D, und 25 g bei E, und E, (entsprechend 20, 40, 60,
80 und 100%, des Zuckers).
Die Gärungen nahmen einen ganz unerwarteten Verlauf. Nach dem
ersten Tage traten in E, und E,, nach dem zweiten Tage in D, und D,
und vereinzelt in den übrigen Lösungen Schwarzfärbung der Glaswolle
auf. Die Vermutung, daß es sich um Bleisulfid handle, wurde durch
Analyse bestätigt. Daß aber das in der Glaswolle enthaltene Blei nicht
die Ursache der Sulfidbildung war, konnte daraus geschlossen werden,
daß in einigen Lösungen, die eine andere Glaswolle enthielten und keine
Schwarzfärbung zeigten, ebenfalls Sulfid nachzuweisen war, wenn auch
in geringerer Menge. Gleichwohl konnten die Gärungen, nachdem zu
D und E am 6. Tage je 3 g Preßhefe zugegeben war, zu Ende geführt
werden. Ein Vergleich der Ergebnisse mit denen des nächsten Versuchs
zeigt, daß das Sulfid auf die Gärprodukte ohne Einwirkung geblieben ist.
Zu maßgebenden Schlußfolgerungen konnten die erhaltenen Zahlen
natürlich nicht berechtigen.
Hauptversuchsreihe III. Die III. Versuchsreihe war die erste, die
einen glatten Verlauf nahm. An Stelle des Wärmeschrankes mit Mikro-
brenner wurde ein regelrechter Brutschrank mit Wasserfüllung ein-
gebaut, der genaue Temperatureinstellung innerhalb eines Grades sowie
eine gleichmäßige Verteilung der Wärme gestattete.
Die Versuchsanordnung war wie in Reihe II; 5 Doppelversuche mit
20 (A), 40 (B), 60 (C), 80 (D) und 100 (E) % Sulfitgehalt. Die Hefe wurde
derselben Vorbehandlung, wie in II angegeben, unterzogen. Das Sulfit
wurde zugesetzt, nachdem etwa 150—200 com Kohlensäure entwickelt
war, etwa 2 Stunden nach dem Hefezusatz. Nach weiteren 2 Stunden
setzte die Kohlensäureentwicklung in A wieder ein, nach 3 Stunden in B,
Vergärung von Zucker bei Gegenwart von Dinatriumsulft. 579
nach 4 Stunden in C, nach 5 Stunden in D und nach 6 Stunden in Æ.
Nach 24 Stunden (länger konnte ich die fortlaufenden Beobachtungen
leider nicht durchführen) war die Kohlensäureentwicklung in A prak-
tisch völlig, in B und C zu ?/io in D zu 3/, in E zu 2/, beendet. Nach
21/, Tagen hörte die Gasentwicklung auch in D und E völlig auf. Die
Versuche A,, A, wurden am 3. Tage, B,, B, und C,, C, am 4. Tage,
D, D, und E,, E, am 5. Tage unterbrochen, nachdem die Prüfung auf
Zucker mit Ostscher Lösung vorgenommen war.
Kohlensäuretabelle zu Versuchsreihe ITI.
Entwickelte Kohlensäure in der Minute, ausgedrückt durch die Tropfen-
zahl einer gleichen Wassermenge. 10 Tropfen = 1 ccm CO,.
| | `
Zeit A, | A, BB, CO G D, D E, E, Er
ij |
8h | Hefezusatz -- | -—- —- —- -— — : — NO
Op A0 Sulfitzusatz = — j — - — |! — 305
inay In — Zn] ale fe e E
o |22 6 5,—:.-|- ide er deg 902
2h e BB HIR a ln =
3h 26 2 9 ehe 308
a | 17 — | 19 18 |10 9 "lg ai A 300
ph mm 36 18 20 10 ; 10 8| 7.: 6] 8&8 —
e p ne A AM u 9| 7° 6] 8 305
wan | 40 — 26 |28 18 |16 7 Ti 9 306
gh | 49 A 31 | 32 132 ° 38 14 |12 9 9 30,4
ga 30 | 50 53, %9 A E au 16 |15 10:11 302
10h um 50 | 29: 28 128 ` 34 21| 18 12 | 12 300
1030 | 54 57: 29 į 28 128 | 31 21 | 18. 12 | 14 298
m | 54 o 21 2 127 300 lä 14 14 300
112307 j 53 58 26 | 27 P 25 21 | 23 15 | I4 302
123 "ap 59 jn 25 |25 2 ala 15| 18 —
12130 52 51 23 2 |2 34 2 | 2 In 19 300
IN D 48 D A'R A A| jn 21 299
Ian A IR 1200 19. I8 | 22 17 | 19 29%
o JA 5.32 Im 20 17| 2A | 18 B Au
2n 30/
3 A Dam Im 19 ml 2 u 18300
|
3h | 34 37 28 27:16 | 20 15 | 21 18 In 301
3h30 ; 37 39 17 j 16 |18 | 20 13 | 20 Ip, In 298
An 30 | 30 35 — | 2 |16 29 8 | işs lö | 15 302
5h | 29 32 19 | 18 Ee I7 14 | 15 15; I7 300
5h30 26 28 16 | I8 |l4 16 I3 | 15 15 | 16 300
6h '" 24 25 | 14 | 16 |13 13 12 | 14 | 15 | 16 29%
6h30 "o 27 | 9 | 14 |16 ; 14 a f 15 12] 2 29%
qh 28 27 22W ! 14,16 Im 11 | 14 ; 15 | 12 309
Da A 18 12/15 12 DI Im 1 303
| — geschüttelt — |
oh A0 16, 24 14 10 : 130 12 l s 12 10° 311
| 3g 23 26 15 s | 3.31
20,4 %, 20° 17 17 H 6 | 12 8 =
12330 , 12 14 17,17 10 10 II — D -
| — 8 Ro 6 2 2 3 4| 5 5
5SO H. Gehle:
Zum Schluß wurde die Hefe von Versuch E, abfiltriert, gewaschen
und mit einer Zuckerlösung nochmals zur Gärung hingestellt. In kurzer
Zeit war die Gärung in vollem Gange, ein Zeichen, daß die Hefe lebens-
kräftig geblieben war.
Die Gärkurven zeigen diesmal ein interessantes Bild. Wie zu
erwarten, nehmen sie mit wachsender Sulfitkonzentration einen flacheren
Verlauf mit Ausnahme von C. Iætztere bleibt auch zwar erst unterhalb
B, steigt dann aber sehr stark an, um im Maximum B sogar etwas zu
überholen und fällt dann im selben Tempo wieder unterhalb B. Zwischen
den Kurven A, und B, einerseits, C,, D,, E, andererseits besteht ein
charakteristischer Unterschied. Während A, und B, mit stets schwäche-
rem Zuwachs dem Maximum zustreben. ist dies bei Ci, D,, E, umgekehrt.
E unen __|__
o 2 4 6 8 10
—
Abb. 3. Verlauf der Kohlensänreentwieklung der Versuche A. B, C, D, E (20. 40. 60, 100°, Suifit).
Letztere haben auch ein scharfes, längere Zeit konstant bleibendes
Maximum. Die Kurve C läßt sich folgendermaßen erklären: Die ingang-
kommende Gärung erleichtert zugleich die Diffusion der in der Außen-
lösung befindlichen Salze in die Zelle. Bei Punkt a ist die Diffusion so
erheblich, daß eine Giftwirkung auf das Plasma eintritt. Die Gärung
läßt nach, hält sich aber so lange konstant, als die Diffusion des Zucker-
anteils nicht nachläßt. In diesem Falle ist der Punkt b erreicht und
die Kurve fällt schnell ab, da zu der stets geringer werdenden Zucker-
konzentration noch der hemmende Einfluß der konzentrierten Salz-
lösung hinzutritt. Bei D und E sind die gleichen Verhältnisse, nur treten
hier die Wirkungen der hohen Salzkonzentrationen in den Vordergrund,
so daß nur ein schwaches Anwachsen der Gärung zu bemerken ist.
Analvysenergebnisse siehe Tabelle III).
Hauptversuchsreihe IV. Die in III gewonnenen Ergebnisse sollten
durch einen Versuch mit Reinzuchthefe Rasse XII, bezogen vom Zn-
stitut für Gärungsgewerbe in Berlin, geprüft werden.
581
Vergärung von Zucker bei Gegenwart von Dinatriumsulfit.
Brennereihefe vor der Sulfitgärung.
Abb. 4.
Brennereihefe nach der Sulfitgärung.
Abb. 5.
582 H. Gehle:
Apparatur, Zusammensetzung der Gärlösungen und Arbeitsweise wi
wie in III. Da die Zuckerlösungen beim Kochen mit Glaswolle Alka:
aufnehmen, so wurde diesmal als Verteilungsmittel gereinigte un
geglühte Asbestwolle genommen. Infolge der schwächeren Wirkung d
Heferasse XII und der erheblichen Schwierigkeiten, die durch da-
Arbeiten mit sterilen Lösungen bedingt sind, gelang es erst beim dritt:
Ansatz, sämtliche Gärungen gleichmäßig in Gang zu bringen. Der Ga:
verlauf weicht von III erheblich ab. Während dort die Gärung nai
dem Sulfitzusatz nach einer Stunde wieder einsetzte, lag hier zwischt
den einzelnen Gäranfängen eine Zeit von 2!/,—3 Stunden. Die Gär-
intensität fiel ebenfalls stark ab, dafür war die Gärdauer desto länger.
Während bei III eine Dauer von 5 Tagen für die höchste Konzentratien
nötig war, konnte hier erst nach 14 Tagen abgeschlossen werden; trotz-
dem war in D und Æ noch etwas Zucker vorhanden. Die optisch
Drehung der Gärlösungen E, und E, zeigte +2° bzw. +2,1°, der Gär-
lösungen D, und D, —0° bzw. —0,2°. Die Gärkurven im einzelnen fest-
zustellen, war natürlich infolge der langen Dauer nicht möglich. Di
Beobachtungen wurden nur von Tag zu Tag gemacht.
A, und A, wurden nach 6 Tagen, B, und B, nach 8 Tagen, C, und C'a nach 9 Ta-
gen und D, D» E, E, nach 14 Tagen aufgearbeitet. D gab mit Ostscher Lösung
noch schwachen, E etwas stärkeren Niederschlag. Die Hefe in E war völlig. in D
größtenteils abgestorben.
Die Abwesenheit von Bakterien in den Endlösungen konnte nicht
mit Sicherheit festgestellt werden, da die vorhandenen Asbestfäserchen
das Bild störten. Die geringe Zahl, die möglicherweise vorhanden war,
war für die Ergebnisse ohne Belang.
Die beigefügten Photographien (Abb. 4 und 5) zeigen das Aussehen der Hefe
vor und nach den Gärungen. Charakteristisch ist das Auftreten von Riesen-
zellen. Sprossende Hefe konnte niemals mit Sicherheit beobachtet werden. Die
Vakuolen in den großen Zellen sind mehrfach geteilt und öfters mit Öltröpfehen
durchsetzt.
In den folgenden beiden Tabellen sind die Ergebnisse von III und IV
zusammengestellt.
Beurteilung der eigenen Ergebnisse. Die Tabellenwerte werden durch
die beigefügten Kurvenbilder veranschaulicht. A, B Abb. 6 entspricht
100°, Zucker, A, D 100°% Sulfit. Bei 0°% Sulfit sind die Werte der
normalen Gärung eingetragen. Die starke Verschiebung des Gärvor-
ganges, die anfangs proportional den Sulfitkonzentrationen sich voll-
zieht, bei etwa 60%, Sulfit jedoch schon zum Stillstand kommt, tritt
deutlich hervor. Die Fläche B,C, X, Y stellt die durch die Analyse nicht
erfaßte Zuckermenge dar.
Um einen tieferen Einblick in die Bedeutung der erhaltenen Zahlen
zu gewinnen, sind in den folgenden Zusatztabellen die Zahlen der
Tabellen HI und 1V mit den nach dem Äquivalentverhältnis berechneten
ni
l
Vereärungz von Zucker bei Gegenwart von Dinatriumsuliit.
PAPIS IÐ q UHMIMIOUNUBIY ap UT INU IST MYSI
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38
32.
Biochemische Zeitschrift Band 1
584 H. Gehle:
Werten zusammengestellt. Als giundlegend sind die Aldehydwerte
genommen worden, denn diese sind durch das Analysenmaterial als
am gesichertsten zu betrachten. Es ist eigentlich erstaunlich, daB die
4 5 Aldehydwerte der Paral-
—> Anteile Zucker $
0 mm 290 30 «o 59 60 29 80 3 oo lelversuche (siehe beson-
/1] dere Tabelle IV) eine
e solche Übereinstimmung
Da zeigen, zumal die Zahlen
ER u aus Einzelbestimmungen
& | > hervorgegangen sind, also
80: keine Mittelwerte dar-
RR stellen. Ein weiterer
Ö C Grund, vom Aldehyd aus-
Abb. 6. Die Zusammensetzung der Gärprodukte bei ver-
schiedenen Sulfitkonzentrationen. zugehen, bildet die durch
theoretische Überlegun-
gen und experimentelle Ergebnisse gestützte Annahme. daß die Alde-
hydbildung der primäre Vorgang ist.
Die höchste Ausbeute an Glycerin beträgt in III 29,2°5. in IV etwas
weniger, nämlich 26,08°,. Die Glycerin-
zahlen zeigen nicht die Übereinstimmung
wie die Aldehydwerte, da in erster Linie
Wert auf eine möglichst weitgehende
Reinigung gelegt wurde, bei der kleine
Verluste nicht zu vermeiden sind. Das
über die äquivalente Menge hinaus ge-
fundene Glycerin hat in Versuch IlI
nahezu konstanten Wert, nämlich 4,5
bis 6°; des Zuckers. Da wir diesen Über-
schuß an Glycerin identisch setzen müs-
sen mit dem Giycerin der normalen Gä-
rung, so erscheint der angegebene Wert
von 4,5 —6°, auffallend hoch, doch sind
solche Ausbeuten schon öfters beobachtet
77 9 wordent). Man mußeben berücksichtigen,
0 20 W
Abb. 7. Verhältnis zwischea Aldehyd daß in der Reihe III die Vergärung bei
und Glycerin bei wachsender Sultit-
e eege sicherlich für die Hefe ungewohnten Ver-
hältnissen doch sehr intensiv vor sich ging
und infolgedessen ein gıößerer Stoffumsatz für die Hintanhaltung des
Wachstumrückganges nötig war. Die entsprechende Reihe der Zusatz-
tabelle IV zeigt ein anderes Bild. Die Zahlen fallen von 3,62% in A und
4.38°,,in B auf 2,29° , in C und weiter auf — 1,8°, in D. Diese Ergebnisse,
1) E Buchner und Meisenheimer, B. 39, 3203. 1906. M. Oppenheimer, Zeit-
schr. f. physiol. Chemie 89, 63. 1914.
Vergärung von Zucker bei Gegenwart von Dinatriumsulfit. DHA
Vergleich der Gärprodukte an Hand der gefundenen und berechneten
Mengen.
Zusatztabelle III.
ZE Glycerin. Alkohol a | Kohlensäure BE
et, Sulfit Er ge- (be Diffe- | ge- ` be- Ditfe | ge be : Die | dauer
ich funden rechnet Fong funden rechnet __renz funden rechnet renz in
EERS EN AC Ge EEE a
Prager Ben Zee nn. DET eg ZEN $ et = RS 5 | ee E Sec? EE
1 20 | 468 15,03 | 9,78 | +5,25 | 30,33 | 42,28 —11.95| 32,89 | 44,29 11311 3
H, | 40 | 9,521 25.34 19,91 | +5,43 1 22,55 | 31,92 — 935] 2454 40,06 1—-15,521 4
CO" on | 11,22 26,86 | 23,46 | +3,40 | 19,93 | 28,28 -- 8.35] 24.19 138.28 !—14,09| 4
D, 80 111,13 | 29,26 23,27 Ä +5,99 | 18,37 | 28.48 — 10,11] 23,43 13837. —14,94] 5
E, 100 | 11,37 | 28,98 23,77, -+5,21 | 18,63 21,960 — 9353] — | 38.11ı — 5
Zusatztabelle IV.
D < Calycera. N Akma T Kommen ` | gar.
i | Alde- I_. as ur en _ Gär
Ver- i Sulfit ayd ge- | be- | Ditfe- ge- : be- Ditfe- ge- be | Diffe- | dauer
such — | 5 funden rechnet; renz funden rechnet. renz funden rechnet o Trenz ` in
D oo k E E a SS CM 2 SE E
A WQ | 5.07 | 14,22 10,60 +3,62 |3281 41,44 —8.63 | 34,9 an -98| 6
B, | 40 9,65 | 24,55 20,17! +4,38 | 23,26 ; 31,64 — 8.33 27,0 [3391 —12,9 8
Ci DU | 11,38 1 26.08 23,79 ° +2,21 119.92 | 27,94 —8&,02 | 22,8 | 38,10 | — 15,3 9
D, 8O 112,44 [2411 26,01. —1,80 | 17,19 | 25,67 -8,48 | 20,9 37,00 Il 14
E, 5 100 |10,75 [22,81 22,40 +0,41 [14,56 20,30 ° 14,742] 22,0 | 38,77; —16,7| 14
die zunächst überraschten, stehen nicht nur nicht im Gegensatz zu den
entsprechenden Werten der Zusatztabelle III, sondern sie gewinnen mit
diesen zusammen ihre Bedeutung, wenn wir sie mit der geäußerten
Lebenskraft der Hefe vergleichen, die in den Tabellen inren Ausdruck
durch die Angabe der Gärdauer findet. Die beiden Reihen sind in den
zugehörigen Werten einander nahezu umgekehrt proportional. Die Gär-
dauer steigt in III von 2 bis 5 Tagen, in IV von 6 bis 14 Tagen, wobei
zu bemerken ist, daß D und Æ der Reihe III bereits nach 2 Tagen keine
Kohlensäureentwicklung mehr zeigte, in IN dagegen E nach 14 Tagen
noch nicht ganz vergoren und die Hefe abgestorben war. Damit scheint
zunächst die Beobachtung im Widerspruch zu stehen, daß auch bei der
sogenannten zellfreien Gärung stets kleine Mengen von Glycerin ent-
stehen. Es ist hochwahrscheinlich, daß auch die von der Zelle los-
gelöste Zymase, solange sie wirksam ist, sich zum Teil aus den Nähr-
stoffen der Umgebung erneuert. So ist es auch besser zu verstehen, daß
die Zymase so ungeheure und doch begrenzte Zuckermengen zu zer-
setzen vermag.
Die Alkohol- und Kohlensäurewerte stehen im Gegensatz zu denen
des Glycerins erheblich hinter den berechneten zurück. Die Alkohol-
zahlen um 8—10°/, die Kohlensäurezahlen um 11—15%, sowohl in
Versuch III als in Versuch IV. Die Höhe und die auffällige Konstanz
38*
586 H. Gehle:
machen es unmöglich, diesen Fehlbetrag auf methodische Fehler zurück-
führen zu wollen. Zu einem kleinen Teil wird dieser Verlust durch da;
Eiweißglycerin ausgeglichen und weiterhin durch die aufgefund.n-
Säuremenge, die in mehreren Versuchen nahezu den entsprechenden
Oxydationswert zum Eiweißglycerin aufweist. Gleichwohl bleibt ein
Fehlbetiag von 10— 15°, bestehen, so daß wahrscheinlich auch größere
Mengen von fixen Säuren, Bernsteinsäure und Oxalsäure vorhanden
sind. (Da die Säurebestimmungen nicht vollzählig und nur der Uhr,
sicht halber durchgeführt sind, so dürften weitere Deutungen der Zu-
verlässigkeit entbehren.)
2 Trockengewichtsbestimmungen der Hefe ergaben eine Zunahme
während des Versuchs um 0,06 g. Dieser kleine Zuwachs kommt also
für einen Ausgleich kaum in Fıage, dagegen dürfte das in der Gärlösung
stets reichlich vorhandene Eiweiß von größerem Belang sein.
In welcher Weise der zu Beginn des Versuchs in den Gärkolben
vorhandene Sauerstoff von 0,14 g von der Hefe verarbeitet ist, kann
aus den Tabellen nicht ersehen werden.
Um zu prüfen, ob das Sulfit infolge der Gärung eine Veränderung
erleidet, wurde in den Reihen II, III und IV nach Beendigung des Ver-
suchs Sulfit und Sulfat besonders bestimmt. Folgende Tabelle gibt
eine Übersicht über die Analysenergebnisse:
Sulft | Sulfat a Sulut | Sulfat | on Sulfit | Sulfat nr
g g Eingabe g g | Eingabe g g Eingabe
Fe | = 119; — 646 | 14 ou" og
A, 10 | 07 68 1,50. — 598 | 16 ou" 10.,
B o =| = i D e 62,2 36h
B 26 | 10; m Isa — | 687 136 (Mi w
ee = 504 | -- mä | 50 | 20 93
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D, 50120 70 1.02 = 01 182 | 22 104
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Bau. = SS wn, — © 700 | 85| 33: o
Es fällt zunächst auf, daß sowohl in II als auch in III etwa 30%
des Sulfits fehlen. Bei II wurde die bereits besprochene starke Bildung
von Schwefelblei beobachtet. Bei III ergab sich, daß nach Austreibung
der schwefligen Säure und Fällung mit Bariumchlorid auf Zusatz von
Brom nochmals staıke Fällung eintrat, obwohl Sulfid nicht nachzuweisen
war. Bei IV blieb auf Zusatz von Bariumchlorid ebenfalls noch ein
erheblicher Teil des Sulfids in Lösung, fiel aber mit fortschreitender
Verdünnung und Neutralisation der stark salzsauren Lösung aus.
Dieses Verhalten deutet darauf hin, daß ein Teil des Sulfits sich mit dem
Vergärung von Zucker bei Gegenwart von Dinatriumsulfit. 587
in Lösung befindlichen Eiweiß verbindet, sich also ,„maskiert™“. Offen-
bar ist dieser maskierte Teil des Sulfits in Versuch Il der abnormen
Reduktion zu Sulfid anheimgefallen. Der Sulfatniederschlag war bei
den Versuchen A und B hellgelb gefä:bt, bei den folgenden Versuchen
schmutzig weißgelb. Tıotz sorgfältigen Auswaschens trat bei der Ver-
aschung Veıkohlung ein. Ob es sich hier um additionelle Anlagerung
von Eiweißteilchen oder Aldehydkondensationsprodukten handelt,
bleibt dahingestellt.
Zusammenfassung.
l. Bei Gegenwart von Dinatriumsulfit tritt mit steigender Sulfit-
konzentiation eine zunehmende Verschiebung in den Gärprodukten ein.
Diese Verschiebung kommt bei dem Konzentrationsverhältnis 60 Sulfit
zu 100 Zucker nahezu zum Stillstand, obwohl noch bei 100°%% Sulfit-
gehalt eine völlige Vergärung eintritt. Wie die Verhältnisse bei höherem
Sulfitgehalt liegen, wurde nicht untersucht.
Erklärung: Mit zunehmender Hydroxylionenkonzentration wird eine
Differenz in den Geschwindigkeiten der H- und OH-Unilagerungen
hervorgerufen, die den asymmetrischen Zerfall des Zuckermoleküls in
Aldehyd und Glycerin verursacht. Da die Alkalität schwach alkalischer
Salze mit wachsender Konzentration relativ schnell abnimmt, so muß
auch die durch die Alkalität verursachte Veränderung zum Stehen
kommen.
2. Bei der Gärung mit lebender Hefe übersteigt die gefundene
Glycerinmenge die nach der Äquivalenz zum Aldehyd berechnete mehr
oder weniger um ein Quantum, das mit dem Glycerin der normalen
Gätung zu vergleichen ist und seinen Oxydationsgegenwert mehr oder
weniger in der aufgefundenen Säuremenge findet.
3. Die Gärung mit verschiedenen Heferassen ist ohne Einfluß auf
die qualitative und quantitative Zusammensetzung der Gärstoffe. Es
macht sich nur insofern ein Unterschied bemerkbar, als die Hefen in
verschiedener Weise dem toxischen Einfluß des Sulfits unterliegen und
infolgedessen die Menge des E’weißglycerins als Maß für die Lebens-
intensität der Hefe mehr oder weniger eine Veränderung erfährt.
Erklärung zu 2 und 3: Das Eiweißglycerin ist ein Produkt des inneren
Stoffwechsels der dem Einfluß der an der Zellperipherie vor sich gehenden
Veränderungen nur mittelbar unterworfen ist. Diese Eiweißglycerin-
bildung muß daher als abhängig betrachtet werden von sämtlichen
Faktoren, die auf die Hefezellen hemmend oder fördeınd einwirken.
4. Der durch die Bestimmung des Aldehyds, des Glycerins, des
Alkohols und der Kohlensäure nachgewiesene Zuckeranteil beträgt
80—83°,,, unter Einbeziehung der Essigsäure 85—90% der Zucker-
eingabe.
588 H. Gehle: Vergärung von Zucker bei Gegenwart von Dinatriumsuift.
5. Vergleicht man an Hand der entwickelten Kohlensäuremengen
die Gärintensitäten bei wachsender Sulfitkonzentration, so ergibt sieh
aus den zugehörigen Kurven, daß die Gärintensität in den niederen
Konzentrationen in normaler Weise mit stets kleinerem Zuwachs dem
Maximum zustrebt. In den höheren Konzentrationen, am schärfsten
ausgeprägt bei 60%, Sulfitgehalt, kehrt sich das Bild um, indem der
Intensitätszuwachs stets größer wird, so daß nur durch scharfen Knick-
punkt der Übergang in den weiteren Verlauf stattfinden kann.
Erklärung: Der Giftwirkung des Sulfits in den oberen Konzentra-
tionen sucht die Hefe durch regulative Hemmung der Diffusion zu
begegnen.
Vorstehende Arbeit wurde auf Anregung von Herrn Geh. Reg.-Rat
Prof. Dr. H. Ost im technisch-chemischen Institut der Technischen Hoch-
schule zu Hannover ausgefühtt.
Weitere Mitteilungen über die äquivalente Bildung von Acet-
aldehyd und Glycerin bei der zweiten Vergärungsform.
Zugleich über die Fehlerquellen in den Angaben H. Gehles.
Von
C. Neuberg, J. Hirsch und E. Reinfurth.
(Aus dem Kaiser Wilhelm-Institut für experimentelle Therapie, Chemische Ab-
teilung, Berlin-Dahlem.)
Bei der Bedeutung, welche die Verwirklichung der zweiten Vergärungs-
jorm für die Lehre von den zymochemischen Spaltungen der Zuckerarten
ganz allgemein erlangt hat, haben wir bereits früher den zugrunde liegen-
den Vorgang mit verschiedenen Methoden!) verfolgt. Außer der titrime-
trischen Ermittelung des Acetallehyds nach Ripper-von Fürth sowie
der Analyse des Glycerins nach Zeisel-Fanto-Stritar, die als Standard-
methoden gelten, hatten wir noch andere Verfahren herangezogen; so
für den Acetaldehyd eine indirekte?) und eine gravimetrische (l. c.)
Bestimmung. |
Für letztere kann auch das Dimedon dienen, nachdem Neuberg und
Reinfurth3) die wertvollen Eigenschaften dieses von Vorländer im Jahre
1896 entdeckten, aber zuvor kaum angewendeten Reagenzes für bio-
chemische Arbeiten festgestellt hatten.
Wie zu erwarten stand, sind wir auf diesem Wege zu den gleichen
Ergebnissen wie ehedem gelangt; von neuem zeigte sich, daß die ge-
wichtsanalytisch erhaltenen Aldehydmengen mit den titrimetrisch gefun-
denen vollständig übereinstimmen.
1) C. Neuberg und E. Reinfurth, diese Zeitschrift 89, 389 u. ff. 1918.
"JL ce. Sie beruht darauf, mittels BaCl, in dem Gärgut freies Sulfit sowie
alles Sulfat zu fällen. In Lösung bleibt nur Acetaldehyd- Barium- Bisulfit. Durch
nachträgliche Oxydation kann aus der Doppelverbindung BaSO, erhalten werden.
Da aber nach Beseitigung des überschüssigen Na,SO, schon der Aldehyd-Sulfit-
Komplex dissoziiert, so kann die Feststellung des in der Flüssigkeit verbliebenen
Schwefelquantums nur zu wenig Aldehyd anzeigen. Zu diesem Resultat kommt
E. Zerner (s. u.), der ähnlich vorgeht. Ein Mol gebundenes SO, entspricht einem Mol
Acetaldehyd. Die so sich ergebenden Aldehydwerte stehen mit den Titrations-
zahlen im Einklıng. (Neuberg u. Reinfurth Lei
3) C. Neuberg und E. Reinfurth, diese Zeitschrift 106, 281. 1920.
590 C. Neuberg. J. Husch und E Reinfurth: Weitere Mitteilungen über die
Beispiel: Gäransatz mit 100 g Rohrzucker, 60 g wasserfreiem Di-
natriumsulfit und 100 g Brennereihefe im Liter. Aldehydhestimmuregen
nach unserem Destillations- Titrationsterfahren (Titration nach Ripper-
r. Fürth) lieferten im Durchschnitt von vier Analysen 11,87". bezogen
auf die in der Saccharose enthaltenen Hexosen.
Bestimmungen nach dem Dimedonrerfahren wurden folgenderina ßen
ausgeführt: 15.0 cem desselben (nach Arppetitrierten) Destillats wurden
zu 135 eem gesättigter wässeriger Dimedonlösung gesetzt; das Gemisch
blieb 20 Stunden bei Zimmertemperatur und 2 Stunden bei 50° stehen.
Der ausgefallene Niederschlag wurde abgesaugt und bei gewöhnlicher
Temperatur im Exsiecator über Schwefelsäure zur Gewichtskons-tanz
getrocknet. Es wurden im Mittel 0.3355 g des Kondensationsproluktes
(des Aldomedons vom Schmelzpunkt 138 --139 °) gefunden unter Berück-
sichtigung der Angaben von Volkholz (Dissertation, Halle 1902). Die ge-
wonnene Menge zeigt 0.048 g Acetaldehyd an oder, berechnet auf 100 e
Hexosen,. 11,77 g.
Wie man sieht, stimmen die gravimetrischen und titrimetrischen
Bestimmungen bestens überein. Demnach kann an der Richtigkeit
unserer auf titrimetrischem Wege ermittelten Aldehydwerte kein Zweifel
obwalten.
Versuche, die bewährte Isopropyhjodiemethode durch eine weniger
kostspielige Bichromat-orydation des Glyeerins zu ersetzen, hatten uns
gelehrt. daß ein soleh sparsames Vorgehen, so sehr es sich nach A rein?
bei reinen Glveerinlösungen bewährt, im vorliegenden Falle zu ganz
falschen. und zwar zu hohen, Glycerinwerten führt.
Kocht man nämlich das Gärgut mit Barytwasser zur Zersetzung
des Aldehyd-bisulfits, so entstehen aus dem Acetaldehyd Kondensations-
produkte; sie bleiben auch nach Austreibung der flüchtigen Bestandteile
bei dem Glycerin und wandern mit diesem Körper während der nach-
folgenden Extraktion durch Alkohol und Äther. Außer diesen, zum
Teil sogar ungesättigten Verbindungen vom Typus der höheren Aldole
und der Homologen des Crotonaldehyas sind im rohen Gärungsglycerin
noch andere mit Biechromat reagierende Beimischungen vorhanden.
Man findet demnach, wie nachstehend experimentell belegt wird, stets
zu starken Chromatverbrauch, also unrichtige Glycerinwerte.
Beispiel: Zur Glyeerinbestimmung im oben benutzten Gärgut geschah
die Reinigung nach Neuberg und Reinfurth. Nach Zeisel, Fanto und
Stritar stellten wir einen Gehalt von 24,79%% Glycerin fest, bezogen auf
die vorhandene Hexosemenge. Nach den zuvor angeführten Aldehyd-
werten wären theoretisch 24.81% Glycerin zu erwarten gewesen. Die
Übereinstimmung ist also gut.
Bei Behandlung derselben Rohglycerinlösung mit heißer Bichromat-
Schwefelsäure-mischung unter Zurücktitration der überschüssigen (TO,
äyuiv. Bildung von Acetaldelhıyd u. Glycerin bei d. zweiten Vereärungsform. 591
ergab sich ein Verbrauch an letzterer gleich 29,36% Glycerin. Der Fehler
gegenüber der Standardmethode betrug rund 4,6%.
Wie erwähnt, enthält das rohe Gärungsglycerin mit Chromsäure
reagierende fremde Substanzen!); dieselben verraten sich durch folgende
Merkmale: Entfärbung von Bromwasser, von Jod-Jodkaliumlösung
und von verdünntem Permanganat. Gegen alle diese Reagenzien ist
reines Glycerin von gleicher Verdünnung in der Kälte durchaus be-
ständig.
Eine Mitteilung von H. Gehle?), die eine Nachprüfung der Äqui-
valenz zwischen Acetaldehyd und Glycerin darstellen sollte, ist uns
Veranlassung, unsere erwähnten methodischen Ergebnisse kurz mit-
zuteilen; denn sie sind geeignet, abwegige Schlüsse in der betreffenden
Publikation richtig zu stellen.
Mit der Bichromatniethode, die wir wegen ihrer offenkundigen und
selbstverständlichen Mängel schon vor Jahren verwerfen mußten, hat
(ehle seine Glycerinanalysen ausgeführt, obgleich er selbst sagt: ‚Die
Glycerinzahlen zeigen nicht die Übereinstimmung wie die Aldehyd-
werte.“ Der Autor ist leider wesentlichen Irrtümern anheimgefallen.
Er behauptet nämlich, daß zwar Acetaldehyd und Glycerin unter dem
Einflusse von Dinatriumsulfit in korrelativer Menge entstehen; hierzu
soll sich aber ein mehr oder minder großes Quantum Glycerin gesellen,
das er, unseren früher für die normale Gärung entwickelten Anschau-
ungen folgend, bald als Äquivalent des internen Verbrauchs an Aldehyd
zum Aufbau von Hefeleibessubstanz betrachtet, bald als reduktiven
Ausgleichswert für angeblich auftretende Säuren bezeichnet. An sich
werden unsere Schlüsse über das Wesen der zweiten Vergärungsform
dadurch gar nicht berührt, und eine eingehendere Diskussion obigen
Punktes erübrigt sich, da das vermeintliche Glycerinplus augenschein-
lich auf ungeeignete analytische Bestimmungen zurückzuführen ist.
Auch mit der Variante der Aldehydanalysen — der gravimetrischen Be-
stimmung — haben wir Acetaldehyd und Glycerin in genau molekularem
Verhältnis bei der zweiten Vergärungsform gefunden. Bei dieser hat,
wie wir bemerken wollen, Zerner?) mit einem anderen, aber richtigen
Verfahren, sowie Tomita‘) und Kumagawad) die Äquivalenz von Acet-
aldehyd und Glycerin mit gleicher Eindeutigkeit wie wir erzielt.
1) Wegen ihres hochmolekularen Charakters spielen sie dagegen beim Jodid-
verfahren keine Rolle; denn sie reagieren mit HJ nicht unter Bildung von Alkyl-
jodiden, die sich beim Siedepunkt des lsopropyljodids verflüchtigen. Bei unvoll-
ständiger Vergärung kann auch Zucker zugegen sein.
2) Diese Zeitschrift 132, 566. 1922.
3) E. Zerner, B. 53, 326. 1920.
1) M. Tomita, diese Zeitschrift 121, 164. 1921.
>) H. Kumagawa, diese Zeitschrift 131, 148. 1922.
592 C. Neuberg. J. Hirsch und E. Reinfurth: Weitere Mitteilungen über die
Auch abgesehen von den somit hinfällig gewordenen Schlußfolge-
rungen!) Gehles enthält seine Mitteilung eine Anzahl von Versehen ex-
r D
perimenteller und theoretischer Art sowie Ungenauigkeiten. Nur einige
erheblichere wollen wir herausgreifen.
l. Der Autor führt an, daß er bei einem höheren Gehalt des Gärgutes als
75°, (an anderen Stellen steht 100°) Na,SO, keine Ausgärung habe erreichen
können. Ebenso wie wir haben Connstein und Lüdecke?) sowie Zerner (l.c.) und
Kumagawa (l. c.) erfolgreich mit 200°,, gearbeitet. Dabei war die asymptotische
Gestaltung der Ausbeuten mit steigender Salzkonzentration unverkennbar.
2. Die Annahme, daß bei äquimolekularem Gehalt des Gärguts an Dinatriun:-
sulfit und Zucker eine festere Verbindung beider Substanzen nach Art der be-
kannten Aldehyd-Sulfit-Komplexe stattfinde und daB überschüssiges schweflig-
saures Salz infolgedessen erheblich giftiger wirke, ist nicht haltbar. Wohl vereinigt
sich Glucose, wenn auch langsam., mit saurem Sulfit. Für Fructose ist dieser Vor-
gang jedoch kaum noch zu realisieren 3). Nicht dagegen tritt die Reaktion mit Dina-
triumsulfit ein. Ganz abgesehen von den Fällen, wo wir von Rohrzucker ausgingen
und nicht angären ließen, also überhaupt keine bindungsfähigen Carbonvlgruppen
zunächst vorhanden sind, kann man in einfachster Weise zeigen, daß die mit
den niedrigen Aldehvden stattfindende Umsetzung R -CHO + Na,SO, + HA)
= R-CHOH - OSO,Na + NaOH bei Glucose und Fructose ausbleibt, selbst bei
beliebigen Übermaß an Carbonvlzucker und längerem Zuwarten. Versetzt man
nämlich eine gegen Phenolphtalein neutral gehaltene Dinatriumsulfitlösung mit
Acetaldehvd, so erfolgt augenblicklich intensivste Rötung. Bei Zugabe einer
äquimolekularen Menge Traubenzucker oder Lävulose und auch bei Sättigung
solcher Gemische mit den Hexosen tritt jener Farbumschlag nicht ein. Die zur
Erklärung der Giftiekeit. weiterhin in Betracht gezogene Diffusion des Sulfits in
das Zellinnere ist mehr als zweifelhaft $).
3. Der Autor meint. daß bei seinen Gärungen außer Essigsäure „auch wrößere
Mengen von fixen Säuren aufträten. Spuren Essigsäure sind normalerweise
wiederholt beobachtet. Mit der Milchsäure hat es jedoch eine besondere Bewandt-
nis. Sie entsteht bei gewöhnlicher Vergärung mit frischer Hefe niemals, sondem,
wie schon Buchner und Meisenheimer?) darlegten, nur bei zellfreier Zuckerspaltung.
Wieso übrigens die Milchsäure, die doch die prozentuale Zusammensetzung des
Zuckers besitzt, einen oxvdativen Gegenwert für die „entsprechende Reduktions-
komponente Glycerin” abgeben soll, bleibt unerfindlich. Bei der Sulfitgärung
soll nach dem Verfasser (neben Bernsteinsäure) auch noch Oxalsäure gebildet wer-
den. Wir haben früher eingehend auf Säuren gefahndet ®), tatsächlich Essigsäure
in geringen (Juantitäten, Bernsteinsäure in nichts besagender Menge, niemals aber
Oxalsäure festgestellt. Für deren Erzeugung durch Reinzuchthefen bietet die
ganze Gärungschemie auch keinen Beleg. Milchsäure fanden wir in infizierten
Maischen, Bernsteinsäure in weit geringeren Mengen als bei normaler alkoholischer
Zuckerspaltung. Das ist vollkommen erklärlich, weil bei der Sulfitgärung, wie der
Autor selber angibt, praktisch kein Zellenwachstum stattfindet. also die Eiweiß-
1) Auf die ihres Sinnes beraubten Tabellen und Kurven gehen wir nur neben-
her ein.
2) W. Connstein und A. Lüdecke, B. 52, 1387. 1919.
3) K. Farnsteiner, Zeitschr. f. Nahrungs-Genußm. 7, 449. 1904.
3) C. Neuberg und E. Reinfurth, B. 53, 468. 1920.
5) E. Buchner und J. Meisenheimer, B. 43. 1776. 1910.
6) C. Neuberg und Reinfurth, Le
äquiv. Bildung von Acetaldehyd u. Glycerin bei d. zweiten Vergärungsform. 593
neubildung, die ja nach F. Ehrlich!) mit der Entstehung von Bernsteinsäure aus
Glutaminsäure einhergeht, tatsächlich darniederliegt. In der vom Verfasser als
Essigsäure angesprochenen flüchtigen Säure ist außerdem Ameisensäure vorhanden,
deren sekundäre Entstehung bei der Aufarbeitung derartiger, z. T. noch zucker-
haltiger Gärgüter schwer zu vermeiden ist?2). Wenn man übrigens das Acetaldehyd
beherbergende Gärgut mit überschüssigem Baryt kocht, so wird noch NaOH
erzeugt und aus dem Aldehyd durch eine chemische Dismutation Essigsäure neu
gebildet?).
4. Auffallend erscheint die Angabe, daßdie Ripper sche Methode für die Aldehyd-
bestimmung bis zu 30%, zu hoch liegende Werte ergeben könne. Das Umgekehrte
müßte der Fall sein. Man bindet den Aldehyd an saures Sulfit und mißt dessen un-
verbrauchten Anteil zurück. Wenn mit steigender Verdünnung die Dissociation des
Bisulfit-Komplexes wächst, kann man lediglich mehr freies Bisulfit zurücktitrieren,
also weniger Aldehyd finden. Dies steht mit den experimentellen Ergebnissen, die
in den Arbeiten von Ripper, Kerp und von Fürth niedergelegt sind, in ganz klarer
Übereinstimmung. Als Begründung für seine abweichende Behauptung nimmt
G. an, daß die bei der Titration von SO, mit J, gebildete HJ den Acetaldehyd
reduziere usw. Das ist abzulehnen; denn es könnte doch wohl nur Alkohol unter
den obwaltenden Bedingungen entstehen. Daß HJ Acetaldehyd nicht reduziert,
haben vor Jahren schon Stritar und Zeidler*) gezeigt und ist von uns bestätigt
worden?).
Wir hatten uns außerdem durch folgenden Versuch an Hand der üblichen Titra-
tion des Acetaldehyds davon überzeugt, daß dieser nicht angegriffen wird. Zu 50 ccm
einer Kaliumbisulfitlösung von 1,2%, wurden nach dem Ripper-Verfahren 25 cem
einer halbprozentigen Acetaldehydlösung gesetzt und nach 25 Minuten das ganze
Reaktionsgemisch mit vorgelegter #/, „.Jodlösung titriert; die Flüssigkeit. die keine
Nachbläuung zeigte, wurde nach Zugabe von 20 g CaCO, der Dampfdestillation
bei den notwendigen Vorsichtsmaßregeln unterworfen. Im Übergangenen wurde
der angewandte Acetaldehyd quantitativ wieder gefunden. Tatsächlich hat G.
denn auch bei vergleichenden Aldehydtitrationen nach Ripper und der von ihm
bevorzugten Methode, bei der Aldehyd mit Hydroxyvlaminchlorhydrat zusammen-
trifft und dabei alkalimetrisch zu messende HCI in Freiheit setzt, nur um 0,02 bis
0,08°,, differierende Resultate erzielt. In Wirklichkeit kann aber auch die Hydro-
xylaminmethode nur zu niedrige Werte liefern aus ähnlichen Ursachen wie das
Rippersche Verfahren. Vergleiche hierzu R. Siebert). Wenn etwa G. den aus den
Gäransätzen abdestillierten Aldehyd in sehr schwachen Konzentrationen titriert
haben sollte”), so würde wohl ein Fehler begangen sein, indem die Aldehyddaten
zu niedrig ausgefallen sein müßten. Außer durch die vorhin dargelerten Mängel
des Glycerinbestimmungsverfahrens, das zu viel Glycerin liefert, würden die
Unstimmigkeiten durch eine unsachgemäße Handhabung der Aldehydtitration
vergrößert sein können. Ob sich bei @. nicht ein unmittelbarer Fehlbetrag an
Aldehyd eingeschlichen hat, wäre ebenfalls zu überlegen; denn nach unseren
Erfahrungen sowie nach denen von Laborde®) ist ein quantitatives Zurückhalten
1) F. Ehrlich, diese Zeitschrift 18, 391. 1909.
2) Vgl. C. Neuberg und J. Hirsch, diese Zeitschrift 96, 196. 1919.
3) Vgl. A. Lieben, M. 22, 289. 1901; H Hammarsten, A. 420, 262. 1920.
4) M. J. Stritar und H. Zeidler, Zeitschr. f. anal. Ch. 43, 388. 1904.
5) C. Neuberg und E. Reinfurth, diese Zeitschr. 92. 234. 1918.
6) R. Sieber, Chemikerzeitung 45, 349. 1921.
1) Nach seinen Angaben S. 573 geht er bis zu Verdünnungen von 0,08 proz.
Lösungen herab, während wir mit einem Gehalt von etwa 0,3 bis 0,496 arbeiteten.
8) J. Laborde, Ann. Inst. Pasteur 31. 215.
594 C. Neuberg, J. rh und E. Reinturth: Weitere Mitteilunzen uber die
von Aldehyd, wenn er mit Dampf überzetrieben wird, nur dann mit NSicherh- it
morhiech. wenn man ihn in gekuhltem Alkohol oder Ammoniak auffanzt. Uber
weitere Mochechkeiten des Aldehvdverlusten s. N. 595, unter 9.)
5. Die zwar nicht fur die Aqnivalenzfrare, aber fur die sonstize Beurteilung
in Betracht kommende Kohlensaurebestimmung erscheint zu grob. Au rim
besteht ky ue: Berechtizung die Garunzsintensitat lediglich durch Berucksichtirunz
der frot entwickelten Kohlensaure zu messen. Kurven, wie Abbildung 1. geben
ein verzerttes Bild von der Geschwindigkeit des biochemischen Zuckerzerfalls: es
bleibt namlich außer Betracht. daß mit steizender NSulfitmenze mehr Naht u,
entsteht, also weniger CO, frei wird. Bei der Ermittelung der gebundenen Kohin-
saure ist nach den Angaben auf S. 575 dem Autor das Versehen unterlaufen. dab
er „ahdestilliert", aber die zuwzesetzte Uucht tu: Essizsaure bei der Titration durch
Barvtlauge nicht in Ansatz bringt. (Über die Neubildung von Essizsaure s. N. 503
sub 3.)
6. Die fur die Bestimmung des Acetaldehvds notwendigen Vorbehandlunzen des
Garzuts sowie die Abtrennung des Aldehyds durch Destillation über Calcium- oder
Marnesiumearbonat hat der Autor in allen Einzelheiten von uns entlehnt. Diese
Handhabunzen waren von uns gerade gewählt worden, um eine sekundare Zer-
setzung von Acetaldehyd zu verhuten. Wenn man nieht vor Abtreiben des Alde-
hvds sorzsfaltie das Dinatrmimsulfit beseitigt, erleidet man selbstverständlich Ver-
luste; denn die Condensation von Acetaldehvd dureh Sulfit ist ja ein bekanntes
Verfahren zur Darstellung von Aldol und Crotonaldehyrd!).
7. Ein Versehen waltet beim Autor insofern ob, als er anführt. daß bis 6°,
Glycerin bei der normalen Garung beobachtet waren. Das trifft nicht für die Gàrung
mut frischer Hefe zu, sondern ausdrücklich nach Angabe der zitierten Autoren nur
fiir die zellfreie Garung, ganz abgesehen davon. daß die Zahlen von Burhner und
Meisenheimer in Gegenwart von viel Dinatriumphosphat. d. h. unter den Be-
dingungen der gleichfalls mehr Glycerin liefernden 3. Vergärungsform. erhalten
worden waren.
8. Die weitere Annahme, daß Sulfit mit dem in Lösung befindlichen Eiweiß
in Bindung trate und so in maskierter Form nach der Behandlung mit BaCl, vor-
handen wäre, ist unzulässie. Beiden Bestimmungen des Aldehyds aus der Schwefel-
menge, die nach Ausfallung mit Bariumehlorid in Lösung bleibt, (s. vorher S. 589),
hatten wir früher festgestellt. daß überhaupt kein Eiweiß in der Flüssigkeit zugegen
ist (Probe mit Ferroevankalium plus Essigsaure u. al In Form von Hefemaccera-
tionssaft zugefügtes Eiweiß ist leicht nachweisbar. Es handelt sich also nicht um
ein Versagen der Eiweißproben?). Entfernt man die schweflige Säure vollends und
fallt Sulfat mit BaCl,, so ist aus dem Filtrat mit Bariumehlorid. Brom und Hu!
keine Schwefelsäure mehr zu erhalten. (Natürlich könnte worauf wir schon
früher hingewiesen haben — bei vielwöchentlichem Stehen infolge Autolvse Cystin
I) Allerdings gewinnt man, und das ist wichtig für die Vorgänge beim Gärakt.
in Gegenwart von CO, Acetaldehyd unverändert wieder. Leitet man durch eine
Na,SO,-Lösung kontinuierlich CO, und läßt verdünnten Acetaldehyd langsam
zutropfen derart, daB wie bei einer richtigen Maische keine phenolphthalein-alka-
lische Reaktion sich einstellt, so kann man durch Destillation mit Calciumearbonat
den Aldehyd restlos zurückerhalten. sobald man zuvor mittels BaCl, das NaHCO,
und Sulfit in neutrale Bariumsalze umgewandelt hat.
*) „Das in der Gärlösung stets reichlich vorhandene Eiweiß" (s. bai G. S. 586)
haben wir bei richtig verlaufenen Gärungen überhaupt nicht beobachtet. Zentri-
fugiert man, ohne mit irgendeinem Fällungs- oder Absorptionsmittel an das Gaàrgut
heranzugehen, so ist in der klaren Flüssigkeit mittels Ferrocvanwasserstoffsäure,
weder direkt noch nach Austreibung von SO,, Protein zu erkennen.
äquiv. Bildung von Acetaldehyd u. Glycerin bei d. zweiten Vergärungsform. 595
vorhanden sein, dessen Schwefel bei Oxydation in alkalischer Lösung an dieser Stelle
zutage treten könnte.) Vermutlich erklärt sich jener Befund scheinbar maskierten
Schwefels einfach. Wie Verfasser selbst des öfteren zugibt, sind seine Ansätze nicht
steril gewesen; sie haben durch Schwefelwasserstoff-entwicklung (bzw. durch Bil-
dung von Schwefelnatrium) in vielen Fällen direkt den Eintritt von Fäulnis ver-
raten. Bei putrider Zersetzung stellt sich aber durch Reduktion von Sulfaten,
Sulfiten und organischen Sulfosäuren außer Sulfid auch Natriumthiosulfat ein,
wie das von Salkowski!), Neuberg und Rubin?), Kochmann?) und anderen bewiesen
ist. Na,S und Na,S,O, werden in der vorhandenen Konzentration durch BaCl,
nicht (oder ganz unvollständig) gefällt!
9. Für die Behauptung (S. 574), daß aus Zucker, Säuren und Eiweiß SO, an-
lagernde Produkte entstehen, ist der Autor den Beweis schuldig geblieben. Auf seine
mehrfach — auch in seinem als verwendbar von ihm angeschenen Hauptversuch —
beobachtete und auf eine „abnorme Reduktion zu Sulfid“ bezogene Schwefel-
wasserstoff-entwicklung brauchen wir nicht einzugehen, da sich wohl alle Kenner
der Sulfitgärung darüber einig sind, daß eine ganz beträchtliche Infektion mit
fremden Organismen vorgelegen haben muß. Denn in Reinkultur tätige Hefe
reduziert in Sulfitmaischen nicht. Man findet bei pfleglicher Gärführung praktisch
allen Schwefel in Form von freiem und gebundenem SO, wieder, während eine
schwer vermeidbare unspezifische Oxydation zu Sulfat, etwa 21/,°,, vollkommen
das Manko deckt). Wenn nun G. an Sulfit einen Fehlbetrag von gar mehr als
30°, konstatiert und mit diesem die H,S-Bildung in Beziehung bringt, so liegt
der Schluß nahe, daß fremde Mikroorganismen zugleich auch einen Aldehyd-
schwund bedingt haben, wie es u. a. von Neuberg, Arinstein und Cohen?) festge-
stellt worden war.
10. Worauf die mangelhaften Bilanzen G.s zurückzuführen sind, vermögen
wir nicht zu sagen. Wir sind früher, genau wie auch Zerner, zu fast 100 prozentigen
Umsätzen bei sorgfältigem Arbeiten gelangt.
Sieht man selbst von den durch die Bichromat-oxydation erhaltenen Glycerin-
werten ab und betrachtet nur die von dem Autor als zuverlässig bezeichneten
Alkohol- und Aldehyd-Zahlen, so stimmen diese mit den für die Gesamtkohlen-
säure mitgeteilten Werten?) so wenig überein, daß allein daraus auf methodische
Unsicherheiten zu schließen ist. S
11. Die vom Autor gemachte Angabe (S. 569), daß von 60°, Sulfit an so-
wohl Aldehyd als auch Glycerin konstant" werden, steht in striktem Gegensatz
zu unseren Befunden, zu denen von (onnstein und Lüdecke, von Zerner sowie Ku-
magawa. Ebenso wie wir konnten die genannten Forscher bis zu 200°, Sulfit
verwenden und ein fortgesetztes Ansteigen des Glycerins feststellen.
Der Autor betont merkwürdigerweise, daß die Glycerinausbeute bei der
3. Vergärungsform (Gärung in alkalischer Lösung) über eine 2 m-NaHCO,-Kon-
zentrition hinaus nicht steigerungsfähig ist. Dies Verhalten ist durch die Lös-
lichkeitsgrenze des NaHCO, bei der betreffenden Temperatur bedingt. Verbin-
1) E Salkowski, H. 83, 165. 1913; diese Zeitschrift 116, :191. 1921.
2) C. Neuberg und O. Rubin, diese Zeitschrift 67, 83. 1914.
3) R. Kochmann, diese Zeitschrift 112, 255. 1920.
1) C. Neuberg, J. Hirsch und E. Reinfurth, diese Zeitschrift 105, 332. 1920.
5) C. Neuberg und B. Arinstein, diese Zeitschrift 117, 273. 1921; C. Neuberg
und C. Cohen, diese Zeitschrift 122, 212. 1921. (Dort noch weitere Angaben.)
D Vgl. S. 583, Hauptversuch, Tabelle III, Versuch B, bis E, und Tabelle IV,
Versuch B, bis E,.
Ditz C. Neuberg. J. Hirsch und E. Reinfurth: Weitere Mitteilungen usw.
dungen, die nicht als Bodenkörper im Gärgefaß ruhen, wirken mit zunehmender
Menge stärker (Neuberg und Hirsch, Neuberg und Ursum. Kumagawn).
12. Es ist ein grundsätzlicher Irrtum des Verfassers, anzunehmen (a
S. 560), daß der Eintritt der zweiten Vergarungsform an die alkalische Reaktion
geknüpft sei, welche Dialkalisulfite gegenüber bestimmten Indicatoren äußern.
Denn Neuberg und Reinfurth\) haben mit verschiedenen neutral reazierenden
Sulfiten und selbst bei Gemischen derselben mit sauren Phosphaten die gleichen
Wirkungen erzielt.
——
IC Neuberg und E Reinfurth, B. 5%. 1677. 1919.
Berichtigung.
In dieser Zeitschrift Band 131, S. 605, Zeile 5 von oben lies:
unvollständig statt vollständig.
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